Gesellschafter- und Geschäftsleiterhaftung im internationalen Zivilverfahrensrecht: Zur internationalen Zuständigkeit nach Brüssel Ia-VO und EuInsVO ... und internationalen Privatrecht, Band 419) 9783161568442, 9783161568459, 3161568443

Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter stellen das internationale Zivilverfahrensrecht vor große Heraus

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Teil 1: Einleitung
§ 1 Grundfrage der Untersuchung
§ 2 Gegenstand und Gang der Untersuchung
Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel Ia-VO und EuInsVO
§ 1 Grundlegendes
A. Art. 6 Abs. 1 EuInsVO
I. Grundaussage
II. Vorgeschichte und Verhältnis zu Art. 1 Abs. 2 lit. b) Brüssel Ia-VO
III. Aktuelle Problemstellung – Was genau ist eine Annexklage?
IV. Ausschließliche Zuständigkeit
B. Art. 6 Abs. 2 EuInsVO
I. Art. 6 Abs. 2 UAbs. 1 V. 1 EuInsVO
1. Grundlegendes
2. Zuständigkeit nach Brüssel Ia-VO – Art. 6 Abs. 2 UAbs. 1 EuInsVO a. E
3. Zusammenhang zwischen Annexklage und Nichtannexklage
a) Keine einheitliche Qualifikation anhand der Natur des Streitgegenstands
b) Vorgaben der EuInsVO und Anhaltspunkte aus der Brüssel Ia-VO
c) Schlussfolgerungen für Art. 6 Abs. 2, 3 EuInsVO
aa) Dieselbe Rechtslage
bb) Dieselbe Sachlage
II. Art. 6 Abs. 2 UAbs. 1 V. 2 EuInsVO
1. Kein Erfordernis einer Mehrzahl von Annexklagen oder Nichtannexklagen gegen mehrere Beklagte
2. Erfordernis des Zusammenhangs zwischen bestimmten Klagen
§ 2 Abstrakte Kriterien zur Bestimmung von Annexklagen
A. Grundlegendes zur Konkretisierung der Gourdain-Formel
I. „Neustrukturierung“ durch Nickel & Goeldner und G.T.-GmbH
II. Relevanz insolvenzspezifischer Vorfragen?
III. Ungeeignetheit der Gourdain-Kriterien
1. Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach autonomem nationalem Recht
2. Ausschließliche Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters
3. Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit/Massemehrung bei Klageerfolg
4. Haftungsvermutung zu Lasten des beklagten Geschäftsleiters
5. Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die endgültige Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren
6. Anschließendes Insolvenzverfahren über das Vermögen des beklagten Geschäftsleiters
B. Klage bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens
I. Eröffnung und Nichtbeendigung des Insolvenzverfahrens bei Klageerhebung
1. Meinungsüberblick
2. Art. 6 Abs. 1 EuInsVO – Wortlaut, Sinn und Zweck
3. Relevanz des Auslegungszusammenhangs zwischen Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 EuInsVO?
4. Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
5. Ergebnis
II. Klageerhebung im Interesse der Gläubigergesamtheit
1. Klagen im Interesse eines einzelnen Gläubigers
a) Keine Annexklage bei Klage im ausschließlichen Interesse eines einzelnen Gläubigers
b) Problem: Mitbetroffenheit des Interesses der Gläubigergesamtheit
aa) Ausgangsfrage
bb) Grundlegendes zum Verständnis der F-Tex-Entscheidung
cc) Argumentation in F-Tex und kritische Würdigung
2. Kein Erfordernis der Klageerhebung im Interesse „aller“ Gläubiger
3. Ergebnis
C. Klageursprung im Insolvenzverfahrensrecht
I. Irrelevanz des Regelungsstandorts des Haftungsanspruchs in der nationalen Rechtsordnung
II. Irrelevanz der Vorwirkung des Haftungsanspruchs auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
III. Irrelevanz der Unabhängigkeit der Geltendmachung des Haftungsanspruchs von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
IV. Abhängigkeit der „Anwendung“ des Haftungsanspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes
1. Insolvenzgründe als Dreh- und Angelpunkt
2. Bedeutung der „Anwendung“ des Haftungsanspruchs
3. Hinreichendes Kriterium
a) Kein Erfordernis der Vergleichbarkeit mit Insolvenzanfechtungsklagen
b) Kein Widerspruch zu ÖFAB und OTP
c) Problem: Bestimmung des „Beurteilungsgegenstands“
4. Notwendiges Kriterium
V. Ergebnis
§ 3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen
A. Persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten
B. Haftung in der Vor-GmbH
I. Handelndenhaftung
II. Verlustdeckungshaftung
C. Haftung in der GmbH
I. Einlageanspruch und Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung
II. Gründungshaftung gem. § 9a GmbHG
III. Erstattungsanspruch gem. § 31 Abs. 1 GmbHG und Ausfallhaftung gem. § 31 Abs. 3 GmbHG
IV. Haftung wegen Vermögensvermischung
V. Existenzvernichtungshaftung
VI. Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung
VII. Geschäftsführerhaftung gem. § 43 GmbHG
1. § 43 Abs. 2 GmbHG
2. § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG
VIII. Geschäftsführerhaftung gem. § 64 S. 1 GmbHG
IX. Geschäftsführerhaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG
X. Insolvenzverschleppungshaftung
Teil 3: Bedeutung der Art. 17 ff., 20 ff., 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO
§ 1 Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO
A. Grundlegendes und Ausgangsfrage
B. Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter als Regelungsgegenstand?
I. Herrschendes Verständnis
II. Abweichende Verständnismöglichkeiten
1. Keine Ausweitung auf vom Wortlaut nicht erfasste Sachbereiche
2. Irrelevanz von Vorfragen
a) Entscheidung in der Rechtssache Berliner Verkehrsbetriebe
b) Typisierende Betrachtung
C. Ergebnis
§ 2 Art. 17 ff. Brüssel Ia-VO
A. Irrelevanz in Bezug auf Gründergesellschafter
B. Irrelevanz in Bezug auf beitretende Gesellschafter
C. Ergebnis
§ 3 Art. 20 ff. Brüssel Ia-VO
A. Grundlegendes und Bestimmung der Prüfungsschritte
B. Individueller Arbeitsvertrag – Geschäftsleiter als Arbeitnehmer
I. Der Vertragscharakter
II. Das arbeitsrechtliche Element des Vertrags
1. Ausgangspunkt und entscheidendes Abgrenzungsmerkmal
2. Das „Unterordnungsverhältnis“
a) Grundlegendes zur Begriffskonkretisierung
aa) Gesamtbetrachtung
bb) Überblick über potentielle Kriterien
b) Entscheidende Kriterien und Entwicklung von Grenzlinien
aa) Das Kriterium der Weisungsgebundenheit
(1) Bedeutung, Grundverständnis und Quellen der Weisungsgebundenheit
(2) Besonderheit bei Gesellschafter-Geschäftsleitern
(3) Kein Unterordnungsverhältnis bei Weisungsfreiheit
bb) Das Kriterium der freien Abberufbarkeit
(1) Grundsätzliche Bedeutung
(2) Möglichkeit eines Unterordnungsverhältnisses bei Einschränkung der freien Abberufbarkeit
cc) Das Kriterium der wesentlichen Kapitalbeteiligung
III. Einordnung der Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften des deutschen Rechts
1. Vorstandsmitglieder einer AG
2. Geschäftsführer einer GmbH
C. Ansprüche aus individuellem Arbeitsvertrag
I. Ausgangspunkt
II. Keine Ausklammerung des organschaftlichen Rechtsverhältnisses
III. Positive Bestimmung
1. Interpretation der Vorgaben des EuGH
a) Ausgangspunkt
b) Verhältnis zur Brogsitter-Rechtsprechung
c) Konsequenzen für die Innenhaftung des GmbH-Geschäftsführers
2. Bewertung der Vorgaben des EuGH
3. Ergebnis
Teil 4: Abgrenzung zwischen Art. 7 Nr. 1 und 2 Brüssel Ia-VO
§ 1 Grundlegendes
A. Allgemeines zu Art. 7 Nr. 1 und 2 Brüssel Ia-VO
B. Mitgliedschaftsverhältnis und organschaftliches Rechtsverhältnis als Vertrag
I. Mitgliedschaftsverhältnis
II. Organschaftliches Rechtsverhältnis
C. Literaturmeinungen zur Abgrenzung bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter im Überblick
I. Innenhaftung
II. Außenhaftung
§ 2 Abstrakte Abgrenzungskriterien
A. Außenhaftung
I. Entscheidung in der Rechtssache ÖFAB
1. Streitgegenständliche Haftungsansprüche
a) Haftung des Verwaltungsratsmitglieds
b) Haftung des Gesellschafters
2. Vergleichbarkeit mit Haftungsansprüchen des deutschen Rechts
a) Haftung von Geschäftsleitern
b) Haftung von Gesellschaftern
3. Leitlinien des EuGH
a) Keine vertragliche Streitigkeit
aa) Ausführungen des EuGH
bb) Interpretation
(1) Das Fehlen einer direkten/unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien
(2) Das zusätzliche Kriterium der Rechtspflichtverletzung
(3) Zwischenergebnis
b) Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO auch ohne „Schadenshaftung“
c) Kein Gerichtsstand der akzessorischen Haftung
4. Verhältnis zu Literaturmeinungen
a) Bedeutung des Vertragscharakters der Mitgliedschaft
b) Bedeutung vertraglicher Gesellschaftsverbindlichkeiten
c) Das Fehlen einer direkten/unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien
aa) Keine Bedeutungslosigkeit
bb) Kein strikter Ausschluss von Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO
d) Bedeutung der verletzten Pflicht
II. Entscheidung in der Rechtssache OTP
1. Streitgegenständlicher Haftungsanspruch
2. Keine vertragliche Streitigkeit
3. Schaden und ursächlicher Zusammenhang i. S. v. Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO?
III. Ergebnis
B. Innenhaftung
I. Entscheidung in der Rechtssache Holterman Ferho
1. Ausgangspunkt zum Einzugsbereich von Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO
2. Schlussfolgerung am Beispiel von § 64 S. 1 GmbHG
3. Maßgeblichkeit der Brogsitter-Rechtsprechung
II. Konkretisierung der Vorgaben des EuGH
1. Vorschlag zum Einzugsbereich von Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO
2. Bewertung
III. Ergebnis
§ 3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen
A. Persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten
B. Haftung in der Vor-GmbH
I. Handelndenhaftung
II. Verlustdeckungshaftung
C. Haftung in der GmbH
I. Einlageanspruch und Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung
II. Gründungshaftung gem. § 9a GmbHG
III. Erstattungsanspruch gem. § 31 Abs. 1 GmbHG und Ausfallhaftung gem. § 31 Abs. 3 GmbHG
IV. Haftung wegen Vermögensvermischung
V. Existenzvernichtungshaftung
VI. Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung
VII. Geschäftsführerhaftung gem. § 43 GmbHG
VIII. Geschäftsführerhaftung gem. § 64 S. 1 GmbHG
IX. Geschäftsführerhaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG
X. Insolvenzverschleppungshaftung
Teil 5: Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
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Gesellschafter- und Geschäftsleiterhaftung im internationalen Zivilverfahrensrecht: Zur internationalen Zuständigkeit nach Brüssel Ia-VO und EuInsVO ... und internationalen Privatrecht, Band 419)
 9783161568442, 9783161568459, 3161568443

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 419 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann

Jonas Christian Gröning

Gesellschafter- und Geschäftsleiterhaftung im internationalen Zivilverfahrensrecht Zur internationalen Zuständigkeit nach Brüssel Ia-VO und EuInsVO

Mohr Siebeck

Jonas Christian Gröning, geboren 1987; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Münster; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches, Euro­päisches sowie Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht der Universität Münster; zurzeit Rechtsreferendar am Landgericht Münster. orcid.org/0000-0001-5323-8045

D6. Zugl.: Münster (Westf.), Univ., Diss. der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, 2018. ISBN 978-3-16-156844-2 / eISBN 978-3-16-156845-9 DOI 10.1628/978-3-16-156845-9 ISSN  0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio­nal­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster hat diese Arbeit im Sommersemester 2018 als Dissertation angenommen und mit dem Harry Westermann-Preis 2018 ausgezeichnet. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand vom 30.09.2018. In erster Linie möchte ich meiner verehrten Doktormutter, Frau Professor Dr. Frauke Wedemann, meinen aufrichtigen und herzlichen Dank aussprechen. Sie hat das von ihr angeregte Dissertationsvorhaben zu jeder Zeit großartig unterstützt und mir insbesondere bei der Schwerpunktsetzung den nötigen Freiraum gewährt. Auf meine Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an ihrem Lehrstuhl blicke ich mit Freude zurück. Herrn Professor Dr. Gerald Mäsch danke ich sehr für die zeitnahe Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme meiner Dissertation in diese Schriftenreihe bin ich Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer und Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann zu Dank verpflichtet. Ganz besonders möchte ich mich bei meiner Mutter Jenny Gröning und Herrn Philipp Esser bedanken, die mir beim Korrekturlesen der Arbeit wertvolle Hilfe geleistet haben. Ohne die liebevolle Fürsorge und Unterstützung meiner Eltern auf meinem bisherigen Lebensweg wäre diese Arbeit nicht entstanden. Ihnen ist sie in größter Dankbarkeit gewidmet. Münster, im Frühjahr 2019

Jonas Christian Gröning

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII

Teil 1: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  1 Grundfrage der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  2 Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 2

Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO . 9 §  1 Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 §  2 Abstrakte Kriterien zur Bestimmung von Annexklagen . . . . . . . 35 §  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen . . . . . . . . . . . . . . 84

Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 §  1 Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 §  2 Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 §  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 §  1 Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 §  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 §  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen . . . . . . . . . . . . . . 213

VIII

Inhaltsübersicht

Teil 5: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII

Teil 1: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  1 Grundfrage der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  2 Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 2

Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO . 9 §  1 Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 A. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 I. Grundaussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 II. Vorgeschichte und Verhältnis zu Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 III. Aktuelle Problemstellung – Was genau ist eine Annexklage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 IV. Ausschließliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Art.  6 Abs.  2 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO . . . . . . . . . . . . 24 1. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Zuständigkeit nach Brüssel  Ia-VO – Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO a. E. . . . . . . . . . . . 25 3. Zusammenhang zwischen Annexklage und Nichtannexklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Keine einheitliche Qualifikation anhand der Natur des Streitgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Vorgaben der EuInsVO und Anhaltspunkte aus der Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 c) Schlussfolgerungen für Art.  6 Abs.  2, 3 EuInsVO . . 29

X

Inhaltsverzeichnis

aa) Dieselbe Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . 29 bb) Dieselbe Sachlage . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO . . . . . . . . . . . . 31 1. Kein Erfordernis einer Mehrzahl von Annexklagen oder Nichtannexklagen gegen mehrere Beklagte . . . . . . . 32 2. Erfordernis des Zusammenhangs zwischen bestimmten Klagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 §  2 Abstrakte Kriterien zur Bestimmung von Annexklagen . . . . . . . 35 A. Grundlegendes zur Konkretisierung der Gourdain-Formel . . . 35 I. „Neustrukturierung“ durch Nickel & Goeldner und G.T.-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Relevanz insolvenzspezifischer Vorfragen? . . . . . . . . 37 III. Ungeeignetheit der Gourdain-Kriterien . . . . . . . . . . 40 1. Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach autonomem nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Ausschließliche Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit/ Massemehrung bei Klageerfolg . . . . . . . . . . . . . 43 4. Haftungsvermutung zu Lasten des beklagten Geschäftsleiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5. Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die endgültige Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren . . . . . 44 6. Anschließendes Insolvenzverfahren über das Vermögen des beklagten Geschäftsleiters . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Klage bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens . . 46 I. Eröffnung und Nichtbeendigung des Insolvenzverfahrens bei Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Meinungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO – Wortlaut, Sinn und Zweck . . 49 3. Relevanz des Auslegungszusammenhangs zwischen Art.  6 Abs.  1 und Art.  7 EuInsVO? . . . . . . . . . . . . 50 4. Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . 54 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Klageerhebung im Interesse der Gläubigergesamtheit . . . 55 1. Klagen im Interesse eines einzelnen Gläubigers . . . . . 56 a) Keine Annexklage bei Klage im ausschließlichen Interesse eines einzelnen Gläubigers . . . . . . . . . 56

Inhaltsverzeichnis

XI

b) Problem: Mitbetroffenheit des Interesses der Gläubigergesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 aa) Ausgangsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 bb) Grundlegendes zum Verständnis der F-Tex-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . 60 cc) Argumentation in F-Tex und kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Kein Erfordernis der Klageerhebung im Interesse „aller“ Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 C. Klageursprung im Insolvenzverfahrensrecht . . . . . . . . . . . 67 I. Irrelevanz des Regelungsstandorts des Haftungsanspruchs in der nationalen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Irrelevanz der Vorwirkung des Haftungsanspruchs auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . 69 III. Irrelevanz der Unabhängigkeit der Geltendmachung des Haftungsanspruchs von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 IV. Abhängigkeit der „Anwendung“ des Haftungsanspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes . . . . . . . . . . . . 72 1. Insolvenzgründe als Dreh- und Angelpunkt . . . . . . . 73 2. Bedeutung der „Anwendung“ des Haftungsanspruchs . 73 3. Hinreichendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Kein Erfordernis der Vergleichbarkeit mit Insolvenzanfechtungsklagen . . . . . . . . . . . . . 77 b) Kein Widerspruch zu ÖFAB und OTP . . . . . . . . 78 c) Problem: Bestimmung des „Beurteilungsgegenstands“ 80 4. Notwendiges Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 §  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen . . . . . . . . . . . . . . 84 A. Persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . 86 B. Haftung in der Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II. Verlustdeckungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 C. Haftung in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I. Einlageanspruch und Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung . 94 II. Gründungshaftung gem. §  9a GmbHG . . . . . . . . . . . 95

XII

Inhaltsverzeichnis

III. Erstattungsanspruch gem. §  31 Abs.  1 GmbHG und Ausfallhaftung gem. §  31 Abs.  3 GmbHG . . . . . . . . . 95 IV. Haftung wegen Vermögensvermischung . . . . . . . . . . 96 V. Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . 98 VI. Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung . . . . . . 99 VII. Geschäftsführerhaftung gem. §  43 GmbHG . . . . . . . . 101 1. §  43 Abs.  2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. §  43 Abs.  3 S.  1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 VIII. Geschäftsführerhaftung gem. §  64 S.  1 GmbHG . . . . . . 104 IX. Geschäftsführerhaftung gem. §  64 S.  3 GmbHG . . . . . . 104 X. Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . 105

Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 §  1 Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 A. Grundlegendes und Ausgangsfrage . . . . . . . . . . . . . . . 109 B. Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter als Regelungsgegenstand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Herrschendes Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Abweichende Verständnismöglichkeiten . . . . . . . . . . 112 1. Keine Ausweitung auf vom Wortlaut nicht erfasste Sachbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Irrelevanz von Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Entscheidung in der Rechtssache Berliner Verkehrsbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Typisierende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . 117 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 §  2 Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A. Irrelevanz in Bezug auf Gründergesellschafter . . . . . . . . . 120 B. Irrelevanz in Bezug auf beitretende Gesellschafter . . . . . . . 124 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 §  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 A. Grundlegendes und Bestimmung der Prüfungsschritte . . . . . 125 B. Individueller Arbeitsvertrag – Geschäftsleiter als Arbeitnehmer 128 I. Der Vertragscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Das arbeitsrechtliche Element des Vertrags . . . . . . . . . 131 1. Ausgangspunkt und entscheidendes Abgrenzungsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Inhaltsverzeichnis

XIII

2. Das „Unterordnungsverhältnis“ . . . . . . . . . . . . . 132 a) Grundlegendes zur Begriffskonkretisierung . . . . . 132 aa) Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Überblick über potentielle Kriterien . . . . . . . 133 b) Entscheidende Kriterien und Entwicklung von Grenzlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Das Kriterium der Weisungsgebundenheit . . . . 134 (1) Bedeutung, Grundverständnis und Quellen der Weisungsgebundenheit . . . . . . . . . . 134 (2) Besonderheit bei GesellschafterGeschäftsleitern . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (3) Kein Unterordnungsverhältnis bei Weisungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . 138 bb) Das Kriterium der freien Abberufbarkeit . . . . . 139 (1) Grundsätzliche Bedeutung . . . . . . . . . . 139 (2) Möglichkeit eines Unterordnungsverhältnisses bei Einschränkung der freien Abberufbarkeit 140 cc) Das Kriterium der wesentlichen Kapitalbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . 141 III. Einordnung der Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Vorstandsmitglieder einer AG . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Geschäftsführer einer GmbH . . . . . . . . . . . . . . 144 C. Ansprüche aus individuellem Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . 145 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Keine Ausklammerung des organschaftlichen Rechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Positive Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Interpretation der Vorgaben des EuGH . . . . . . . . . 151 a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Verhältnis zur Brogsitter-Rechtsprechung . . . . . . 154 c) Konsequenzen für die Innenhaftung des GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Bewertung der Vorgaben des EuGH . . . . . . . . . . . 159 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

XIV

Inhaltsverzeichnis

Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 §  1 Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A. Allgemeines zu Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . 163 B. Mitgliedschaftsverhältnis und organschaftliches Rechtsverhältnis als Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Mitgliedschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Organschaftliches Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . 172 C. Literaturmeinungen zur Abgrenzung bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter im Überblick . . . . . 175 I. Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 II. Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 §  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 A. Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I. Entscheidung in der Rechtssache ÖFAB . . . . . . . . . . 182 1. Streitgegenständliche Haftungsansprüche . . . . . . . . 183 a) Haftung des Verwaltungsratsmitglieds . . . . . . . . 183 b) Haftung des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . 184 2. Vergleichbarkeit mit Haftungsansprüchen des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Haftung von Geschäftsleitern . . . . . . . . . . . . . 185 b) Haftung von Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . 187 3. Leitlinien des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Keine vertragliche Streitigkeit . . . . . . . . . . . . 189 aa) Ausführungen des EuGH . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (1) Das Fehlen einer direkten/unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien . . . . . . . . . . . . . . 190 (2) Das zusätzliche Kriterium der Rechtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . 192 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO auch ohne „Schadenshaftung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Kein Gerichtsstand der akzessorischen Haftung . . . 194 4. Verhältnis zu Literaturmeinungen . . . . . . . . . . . . 196 a) Bedeutung des Vertragscharakters der Mitgliedschaft 196

Inhaltsverzeichnis

XV

b) Bedeutung vertraglicher Gesellschaftsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Das Fehlen einer direkten/unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien 198 aa) Keine Bedeutungslosigkeit . . . . . . . . . . . . 198 bb) Kein strikter Ausschluss von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 d) Bedeutung der verletzten Pflicht . . . . . . . . . . . 200 II. Entscheidung in der Rechtssache OTP . . . . . . . . . . . 202 1. Streitgegenständlicher Haftungsanspruch . . . . . . . . 202 2. Keine vertragliche Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Schaden und ursächlicher Zusammenhang i. S. v. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia‑VO? . . . . . . . . . . . . 204 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 B. Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 I. Entscheidung in der Rechtssache Holterman Ferho . . . . 205 1. Ausgangspunkt zum Einzugsbereich von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Schlussfolgerung am Beispiel von §  64 S.  1 GmbHG . . 207 3. Maßgeblichkeit der Brogsitter-Rechtsprechung . . . . . 208 II. Konkretisierung der Vorgaben des EuGH . . . . . . . . . 208 1. Vorschlag zum Einzugsbereich von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 §  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen . . . . . . . . . . . . . . 213 A. Persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 B. Haftung in der Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 I. Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 II. Verlustdeckungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 C. Haftung in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Einlageanspruch und Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung . 219 II. Gründungshaftung gem. §  9a GmbHG . . . . . . . . . . . 220 III. Erstattungsanspruch gem. §  31 Abs.  1 GmbHG und Ausfallhaftung gem. §  31 Abs.  3 GmbHG . . . . . . . . . 221 IV. Haftung wegen Vermögensvermischung . . . . . . . . . . 221 V. Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . 222 VI. Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung . . . . . . 223

XVI

Inhaltsverzeichnis

VII. Geschäftsführerhaftung gem. §  43 GmbHG . . . . . . . . 224 VIII. Geschäftsführerhaftung gem. §  64 S.  1 GmbHG . . . . . . 225 IX. Geschäftsführerhaftung gem. §  64 S.  3 GmbHG . . . . . . 225 X. Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . 226

Teil 5: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. ABl. Abs. AEUV AG AktG AnfG ArbG Art. Aufl. Bd. BeckRS Beschl. BGB BGBl. BGH Brüssel  Ia-VO

bspw. bzgl. bzw. d. d. h. DB dens. ders. dies. DStR DZWIR EG etc. EU

andere(r) Ansicht am Ende Amtsblatt Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens Arbeitsgericht Artikel Auflage Band Elektronische Entscheidungsdatenbank in beck-online Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen beispielsweise bezüglich beziehungsweise der/des das heißt Der Betrieb denselben derselbe dieselbe(n) Deutsches Steuerrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Europäische Gemeinschaften et cetera Europäische Union

XVIII EuArbR EuGH EuGVO/EuGVVO

EuGVÜ EuInsVO EuInsVO-2000 EuIPR EuZA EuZPR EuZVR EuZW evtl. EWiR EWS f./ff. Fn. FS GA GbR gem. GesR ggfs. GmbH GmbHG GmbHR GPR grds. GWR h. A. h. L. h. M. HGB Hrsg. Hs. i. O. i. S. d. i. S. v. i. V. m. IHR insb.

Abkürzungsverzeichnis Europäisches Arbeitsrecht Europäischer Gerichtshof Verordnung (EG) Nr.  44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EU) Nr.  2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren Verordnung (EG) Nr.  1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren Europäisches Internationales Privatrecht Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Europäisches Zivilprozessrecht Europäisches Zivilverfahrensrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eventuell Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende Fußnote Festschrift Generalanwalt Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gesellschaftsrecht gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union grundsätzlich Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht herrschende Ansicht herrschende Lehre herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Herausgeber Halbsatz im Original im Sinne der/des im Sinne von in Verbindung mit Internationales Handelsrecht insbesondere

Abkürzungsverzeichnis InsO InsR int. IntGesR IPRax IWRZ IZPR IZVR JZ KG KOM KTS LG lit. LMK LugÜ m. a. W. MüKo NJOZ NJW NJW-RR Nr. NZA NZG NZI OHG OLG RabelsZ RIW RL Rn. S. sog. StGB Teilurt. u. a. u. U. UAbs. Urt. v. V. Versäumnisurt. vgl. Vorlagebeschl.

XIX

Insolvenzordnung Insolvenzrecht international Internationales Gesellschaftsrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht Juristen Zeitung Kommanditgesellschaft Europäische Kommission Konkurs – Treuhand – Sanierung Landgericht littera Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen mit anderen Worten Münchener Kommentar Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Nummer Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Satz/Seite sogenannt Strafgesetzbuch Teilurteil unter anderem/und andere unter Umständen Unterabsatz Urteil vom/von Variante Versäumnisurteil vergleiche Vorlagebeschluss

XX WM z. B. ZEuP ZGR ZHR Ziff. ZIK ZInsO ZIP ZPO ZZP

Abkürzungsverzeichnis Wertpapier-Mitteilungen zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Zivilprozess

Teil 1

Einleitung §  1 Grundfrage der Untersuchung Wie der Titel „Gesellschafter- und Geschäftsleiterhaftung im internationalen Zivilverfahrensrecht. Zur internationalen Zuständigkeit nach Brüssel  Ia-VO und EuInsVO“ unschwer erkennen lässt, möchte diese Untersuchung einen Beitrag zur Bestimmung der direkten1 internationalen Zuständigkeit leisten. Im Kern behandelt sie folglich die Frage, die Gerichte welchen Staates in ihrer Gesamtheit zur Entscheidung bestimmter Rechtsstreitigkeiten berufen sind.2 In Fällen mit Auslandsberührung kann die Bedeutung dieser Frage für die Effektuierung materiell-rechtlicher Normen kaum überschätzt werden.3 Im Vergleich zu einem Vorgehen vor heimischen Gerichten ist eine Prozessführung im Ausland zunächst ganz grds. mit Widrigkeiten behaftet (z. B. fremde Sprache und Notwendigkeit von Dolmetschern, unbekannte Umgangsformen bzw. Verhaltensmuster, potentielle Bevorzugung der heimischen Partei, unvertrauter Rechtsbeistand), die einen höheren zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Rechtsdurchsetzung erfordern.4 Zudem zieht die Beantwortung dieser Frage zwei weitere Punkte nach sich, die von erheblicher Relevanz für den Ausgang einer Rechtsstreitigkeit sind. Einerseits wenden die – international zuständigen –

1  Zur Unterscheidung zwischen direkter und indirekter internationaler Zuständigkeit siehe etwa Geimer, IZPR, Rn.  850 ff.; Schack, IZVR, Rn.  216. 2  Zum Begriff der internationalen Zuständigkeit siehe etwa Geimer, IZPR, Rn.  844; Linke/ Hau, IZVR, Rn.  4.1; Schack, IZVR, Rn.  217. 3  Bork, ZHR 157 (1993), 48 (48) spricht (im Kontext von Gerichtsstandsvereinbarungen) von einer „kriegsentscheidenden“ Bedeutung. Siehe auch Mankowski, RIW 2017, 322 (322): „Bei grenzüberschreitenden Fällen ist ebenso bekanntlich die internationale Zuständigkeit oft der wichtigste Punkt des Streits und stellt entscheidende Weichen.“ Vgl. auch Haas, RabelsZ 77 (2013), 632 (632); Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S.  3; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  7. 4  Ausführlich zu derartigen Überlegungen etwa Mankowski, IPRax 2006, 454 (456 f.); Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S.  80 ff.; Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  4 ff.

2

Teil 1: Einleitung

Gerichte ihr heimisches Verfahrensrecht an (lex fori-Prinzip5). Das Verfahrensrecht eines bestimmten Staates mag für eine Partei (z. B. im Hinblick auf Kostentragung, Anwaltszwang, Beweisverfahren oder Rechtsmittel) besonders günstig sein.6 Andererseits wirkt sich die Bejahung der internationalen Zuständigkeit (mittelbar) auf die einschlägigen materiell-rechtlichen Normen aus, da die Gerichte zu deren Bestimmung im Ausgangspunkt ihr heimisches Kollisionsrecht befragen.7 Gerade im Bereich nichtvereinheitlichten Kollisionsrechts kann die Anwendung unterschiedlicher materiell-rechtlicher Normen – durch die Gerichte verschiedener Staaten – in demselben Fall nicht ausgeschlossen werden. Die (sonach höchst bedeutsame) Bestimmung der internationalen Zuständigkeit wird in dieser Untersuchung auf Klagen bezogen, denen Haftungsansprüche gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter zu Grunde liegen. Die Diversität der insoweit in Betracht zu ziehenden Rechtsgrundlagen stellt das Zuständigkeitsrecht vor große Herausforderungen.8

§  2 Gegenstand und Gang der Untersuchung Bei grenzüberschreitenden9 Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter muss ein Richter in Deutschland zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit insbesondere zwei europäische Sekundärrechtsakte berücksichtigen, die in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich die autonomen nationalen Regeln verdrängen (Anwendungsvorrang)10. Es handelt sich einerseits um die 5  Dazu Geimer, IZPR, Rn.  319 ff.; Linke/Hau, IZVR, Rn.  2.9; Nagel/Gottwald, IZPR, §  1 Rn.  42. 6  Vgl. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S.  83; Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  6 f.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  8. 7  Vgl. Haas, RabelsZ 77 (2013), 632 (632 f.); Linke/Hau, IZVR, Rn.  4.23; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S.  83; Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  7 f.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  7. 8  Wedemann, ZEuP 2014, 867 (867); dies., IPRax 2015, 505 (505). 9  Die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel  Ia-VO erfassen keine reinen Inlandssachverhalte, vgl. EuGH, Urt. v. 01.03.2005 – C-281/02 – Owusu, Rn.  25; Schlosser, in: Schlosser/ Hess, EuZPR, Vor Art.  4–35 EuGVVO Rn.  5; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einl Brüssel  Ia-VO Rn.  19. Die EuInsVO erfasst lediglich Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitendem Bezug, vgl. Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  13; J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  1 Rn.  56. 10  Zum Vorrang der Brüssel  Ia-VO vgl. Dörner, in: Saenger, ZPO, Vorbemerkung zur ­EuGVVO Rn.  22; Hess, EuZPR, §  6 Rn.  32; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Europäisches Zivilprozessrecht, Vorbemerkung Rn.  8. Zum Vorrang der EuInsVO vgl. Brinkmann, in:

§  2 Gegenstand und Gang der Untersuchung

3

Brüssel  Ia-VO11, die an die Stelle der EuGVO12 getreten (vgl. Art.  80 Brüssel  Ia-VO) und gem. Art.  66 Abs.  1, 81 UAbs.  2 Brüssel  Ia-VO für Verfahren maßgebend ist, die am 10.01.2015 oder danach eingeleitet13 worden sind. Die EuGVO wiederum folgte auf das EuGVÜ14. Andererseits darf die EuInsVO15, welche die EuInsVO-200016 ersetzt (vgl. Art.  91 EuInsVO) und gem. Art.  84 Abs.  1, 92 UAbs.  2 EuInsVO Insolvenzverfahren betrifft, die nach dem (und am17) 26.06.2017 eröffnet (vgl. Art.  2 Nr.  8 EuInsVO) worden sind, nicht außer Acht gelassen werden. Die folgende Untersuchung behandelt lediglich diese europäische Dimension des Zuständigkeitsrechts. Andere Rechtsquellen18, welche die internationale Zuständigkeit betreffen, stehen hingegen nicht im Fokus. Der Gegenstand der Untersuchung wird des Weiteren dadurch begrenzt, dass die Anknüpfungspunkte der behandelten Zuständigkeitsnormen keine detaillierte Erörterung erfahren. Im Kern geht es daher nicht um die Bestimmung etwa des Erfüllungsorts i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO oder des Orts des schädigenden Ereignisses i. S. d. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO. Vielmehr soll die – dieser Bestimmung vorgelagerte – Zuordnung der vielfältigen Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter zu den behandelten Zuständigkeitsnormen detailliert erörtert werden: Klagt z. B. ein Vertragsgläubiger einer GmbH gegen deren Gesellschafter bzw. Geschäftsführer, muss – womöglich in Abhängigkeit von dem konkret geltend gemachten Anspruch – entschieden werden, ob ein AnK. Schmidt, InsO, Vorbemerkungen zur EuInsVO Rn.  6; Kolmann/Keller, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  131 Rn.  22; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, EuInsVO, Vorbemerkungen Rn.  2 f. Allgemein auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  8. 11  Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.  Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl.  L 351 vom 20.12.2012, S.  1. 12  Verordnung (EG) Nr.  44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl.  L 12 vom 16.01.2001, S.  1. 13  Zur streitigen Konkretisierung dieses Begriffes vgl. einerseits (Art.  32 Brüssel  Ia-VO) Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  66 EuGVVO Rn.  1; andererseits (lex fori) Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  66 EuGVVO Rn.  2. 14  Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, BGBl.  II Nr.  46 v. 29.07.1972, S.  773. Zur mehrfachen Veränderung dieses Übereinkommens, vgl. Nagel/Gottwald, IZPR, §  3 Rn.  6. 15  Verordnung (EU) Nr.  2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren, ABl.  L 141 vom 05.06.2015, S.  19. 16  Verordnung (EG) Nr.  1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, ABl.  L 160 vom 30.06.2000, S.  1. 17  J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  84 Rn.  4. 18  Für einen Überblick über die Rechtsquellen der internationalen Zuständigkeit vgl. Linke/ Hau, IZVR, Rn.  4.27 ff.; Schack, IZVR, Rn.  264 ff.

4

Teil 1: Einleitung

spruch aus einem Vertrag (Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO) oder ein Anspruch aus einer unerlaubten Handlung (Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia‑VO) den Gegenstand des Verfahrens bildet. Im Fokus stehen also die Anknüpfungsgegenstände der Zuständigkeitsnormen. Abgesehen von dieser Einleitung (Teil 1) und der Zusammenfassung (Teil 5) gliedert sich die Untersuchung in drei Teile. Teil 2 widmet sich zunächst schwerpunktmäßig der Frage, bei welchen Haftungsklagen die internationale Zuständigkeit nach der EuInsVO (und damit möglicherweise nicht nach der Brüssel  Ia-VO) zu bestimmen ist. Nach heutigem Stand der Rechtssetzung enthalten zwar unzweifelhaft beide Verordnungen (überhaupt) Vorgaben zur internationalen Zuständigkeit in diesem Bereich. Im Anschluss an die Gourdain-Entscheidung19 aus dem Jahre 1979 kam es in jüngerer Zeit allerdings zu einer Mehrzahl von EuGH-Urteilen20, die das Problem betrafen, wo genau die Grenze zwischen den Verordnungen verläuft. Die Praxisrelevanz dieser Thematik ist damit offensichtlich. Trotz der Weiterentwicklung durch die Antworten des EuGH sind allerdings weiterhin – insb. im Hinblick auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter – drängende Fragen ungeklärt. Verwiesen sei nur auf den Streit, ob der Insolvenzverwalter, der die persönliche Haftung eines OHG-Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§  128 HGB) durchsetzen möchte (§  93 InsO), in Sachen internationaler Zuständigkeit an die Vorgaben der Brüssel  Ia-VO oder der EuInsVO gebunden ist. Teil 2 dieser Untersuchung setzt sich zum Ziel, die bisweilen als „zu einzelfallorientiert“ kritisierte21 Rechtsprechung des EuGH zu strukturieren und in ein stringentes Abgrenzungskonzept zu überführen. In diesem Zusammenhang wird – im Lichte der EuGH-Urteile G.T.-GmbH22 und Kornhaas23 – insb. das Problem virulent, ob bzw. inwieweit im Rahmen der EuInsVO ein Auslegungszusammenhang zwischen Zuständigkeitsnorm und Kollisionsnorm besteht. Ferner bedarf der Klärung, in welchem Maße der – erst mit der EuInsVO eingeführte – Gerichtsstand des Sachzusammenhangs (Art.  6 Abs.  2 EuInsVO) die Abgrenzungsproblematik entschärft.

EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain. EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty; EuGH, Urt. v. 02.07.2009 – C-111/08 – Alpenblume; EuGH, Urt. v. 10.09.2009 – C-292/08 – German Graphics; EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex; EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB; EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP; EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner; EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH. 21  Vgl. etwa Mankowski, NZI 2014, 922 (922). 22  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH. 23  EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14 – Kornhaas. 19  20 

§  2 Gegenstand und Gang der Untersuchung

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Nach der Bestimmung des Einzugsbereichs der EuInsVO thematisiert Teil 3 ausgewählte Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel  Ia-VO, die in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich sowohl den allgemeinen Wohnsitzgerichtsstand gem. Art.  4 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO als auch den Vertragsgerichtsstand gem. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO sowie den Deliktsgerichtsstand gem. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO verdrängen und folglich in der Prüfungsreihenfolge Vorrang beanspruchen24. An erster Stelle steht dabei die ausschließliche Zuständigkeit gem. Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO, die mit der Gültigkeit, Nichtigkeit oder Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person sowie der Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe einen spezifisch gesellschaftsrechtlichen Bereich adressiert und daher zwangsläufig auch Bedeutung für die in dieser Untersuchung behandelten Haftungsklagen beanspruchen könnte. Zudem wird der mögliche Einfluss der Vorschriften zur Zuständigkeit bei Verbrauchersachen (Art.  17 ff. Brüssel  Ia‑VO) geklärt. Einen Schwerpunkt bildet im Anschluss die Auseinandersetzung mit dem fünften Abschnitt des zweiten Kapitels der Brüssel  Ia-VO (Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge), nach dessen Art.  22 Abs.  1 der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers verklagen kann. Der EuGH hat mit der Entscheidung in der Rechtssache Holterman Ferho25 jüngst erstmals Stellung zur Rolle von Geschäftsleitern von Kapitalgesellschaften in Bezug auf das arbeitsvertragliche Zuständigkeitsregime genommen und damit zuvor (vergleichsweise) wenig beachtetes Gebiet erschlossen. Hier bedürfen die Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern einer AG sowie die Kriterien eines arbeitsvertraglichen Anspruchs grundlegender Erörterung. Nicht näher behandelt werden demgegenüber Zuständigkeitsvereinbarungen (Art.  25 Brüssel  Ia‑VO)26 sowie der Gerichtsstand der Zweigniederlassung gem. Art.  7 Nr.  5 Brüssel  Ia‑VO27. Schließlich wendet sich Teil 4 der Grenzziehung zwischen dem Vertragsgerichtsstand gem. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO und dem Deliktsgerichtsstand gem. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO zu. Diese im europäischen Zuständigkeitsrecht ohnehin problematische Grenzfrage28 erhält im Bereich von Haftungsklagen gegen 24 

Vgl. zur Prüfungsreihenfolge der internationalen Zuständigkeit im Rahmen der Brüssel  Ia-VO Dörner, in: Saenger, ZPO, Vorbemerkung zu Artikel 4–6 EuGVVO Rn.  4; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  4 EuGVVO Rn.  3. 25  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho. 26  Dazu im Kontext des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  440 ff. 27  Auch dazu im Kontext des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  436 ff. 28  Vgl. allgemein zur Abgrenzung zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand etwa Hoffmann, ZZP 128 (2015), 465; Lohse, Das Verhältnis von Vertrag und Delikt; Stadler, FS Musielak, S.  569; Wendelstein, ZEuP 2015, 624; Wied, Zivilprozessuale Qualifikationsprobleme.

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Teil 1: Einleitung

Gesellschafter und Geschäftsleiter ihren besonderen Reiz durch die Mehrzahl der potentiell betroffenen Personen (Gesellschafter/Geschäftsleiter, Gesellschaft, Gesellschaftsgläubiger), die daraus resultierenden Möglichkeiten der Anspruchszuordnung (Innenhaftung des Gesellschafters/Geschäftsleiters gegenüber der Gesellschaft oder Außenhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern) sowie die unterschiedlichen Rechtsbeziehungen (z. B. das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft oder die vertragliche Rechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger), welche jede für sich gesehen einem bestimmten Haftungsanspruch, der sich womöglich aus Elementen verschiedener Rechtsbeziehungen zusammensetzt, ein vertragliches Gepräge verleihen könnten. Umstritten ist etwa, ob eine auf §  128 HGB gestützte Gesellschaftsgläubigerklage gegen den Gesellschafter einer OHG gerade aus dem Grunde vertraglich einzuordnen ist, dass der Gesellschaftsvertrag als Vertrag i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO einzustufen ist. Ist nicht vielmehr entscheidend, ob eine vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeit in Rede steht, sodass Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bei einem Deliktsgläubiger der Gesellschaft ausscheidet? Ist Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO gar vollständig (d. h. auch im Hinblick auf einen Vertragsgläubiger) abzulehnen, da zwischen Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger (in der Regel) keine direkte/unmittelbare vertragliche Beziehung erkennbar ist29? Auch in diesem Zusammenhang soll versucht werden, ein stringentes Abgrenzungskonzept herauszuarbeiten, welches eine widerspruchsfreie Zuordnung der denkbaren Haftungsklagen ermöglicht.30 Mit den Entscheidungen in den Rechtssachen ÖFAB31 und OTP32 hat der EuGH die Diskussion neu angefacht und vor allem im Hinblick auf Außenhaftungsansprüche eine (vermeintlich) klare Wegmarke gesetzt. Innerhalb der soeben beschriebenen Teile erfolgt die Darstellung grds. in einem Dreischritt. Im Anschluss an ein Grundlagenkapitel widmet sich der zweite Schritt der Erarbeitung abstrakter Abgrenzungskriterien, welche die Zuordnung der vielfältigen Haftungsklagen zu den diversen Zuständigkeitsnormen präjudizieren. Abschließend werden diese Kriterien beispielhaft auf Haftungsklagen übertragen, denen ausgewählte Haftungsansprüche des deutschen Rechts zu Grunde liegen. Insoweit steht das GmbH-Recht im Mittelpunkt der Betrachtung. Neben den Regeln zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung spielen in Sachen Gesellschafterhaftung insbesondere die Existenzvernichtungshaftung, die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung und die Haftung wegen Vermö29  Vgl. Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  249; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873). 30  Diese Notwendigkeit betonend bereits Wedemann, ZEuP 2014, 867 (872). 31  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB. 32  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP.

§  2 Gegenstand und Gang der Untersuchung

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gensvermischung eine Rolle. Im Hinblick auf die Geschäftsführerhaftung seien die Haftung gem. §  43 Abs.  2 und 3 GmbHG, die Haftung gem. §  64 S.  1 und 3 GmbHG sowie die Insolvenzverschleppungshaftung gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a InsO genannt. Das GmbH-Gründungsstadium ist durch einen Blick auf die Verlustdeckungshaftung und die Handelndenhaftung gem. §  11 Abs.  2 GmbHG betroffen. Aus dem Personengesellschaftsrecht wird lediglich die persönliche Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in den Blick genommen. Spezifisch konzernrechtliche Ansprüche werden nicht explizit erörtert.33

33  Vgl. zur internationalen Zuständigkeit in Bezug auf die Haftung im Konzern Bose, Das Europäische Internationale Privat- und Prozessrecht der actio pro socio, S.  249 ff.; Haubold, IPRax 2000, 375 (379 ff.); Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  204 ff.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  366 ff.; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  237 ff.

Teil 2

Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO §  1 Grundlegendes Naturgemäß drängt sich die Frage nach der Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsleitern insbesondere für den Fall der Insolvenz „ihrer“ Gesellschaft auf.1 Ist diese zur Erfüllung sämtlicher Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern nicht mehr in der Lage, liegt eine Aufstockung der Haftungsmasse durch Zugriff auf das Vermögen der Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter nahe. Für den Fall einer grenzüberschreitenden Insolvenz ist die Beantwortung der Frage einfach, ob sich die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (d. h. des Gesamtverfahrens) über das Vermögen der Gesellschaft nach der Brüssel  Ia-VO oder der EuInsVO richtet. Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO legt fest, dass diese Verordnung nicht auf Konkurse, Vergleiche oder ähnliche Verfahren anwendbar ist.2 Demgegenüber bestimmt Art.  3 Abs.  1 S.  1 EuInsVO, dass für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig3 sind, in dessen Hoheitsgebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen4 hat. Welche Insolvenzverfahren hiervon erfasst sind, ergibt sich abschließend5 aus Anhang A zur EuInsVO. Implizit 1  Vgl. Bitter, ZInsO 2010, 1505 (1505); Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  412. 2  Daher fallen Gesamtverfahren, die eigentlichen Insolvenzverfahren, nicht in den Anwendungsbereich der Brüssel  Ia-VO, vgl. Haas, NZG 1999, 1148 (1149); Haubold, IPRax 2002, 157 (157); Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Brüssel  Ia-VO Rn.  66; Oberhammer, ZInsO 2004, 761 (764); E. Peiffer/M. Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  1 Rn.  63. 3  Geregelt wird an dieser Stelle lediglich die internationale Zuständigkeit, vgl. Erwägungsgrund (26) zur EuInsVO. Es handelt sich um eine ausschließliche Zuständigkeit, vgl. Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  3; Mankowski, in: Mankowski/Müller/ Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  3 Rn.  9; Mock, ZInsO 2009, 470 (472). 4  Ausführlich zu diesem Anknüpfungspunkt etwa Fehrenbach, ZEuP 2013, 353 (354 ff.); Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  5 ff.; Thole, in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  11 ff. 5  Vgl. Art.  1 Abs.  1 S.  3 EuInsVO sowie Erwägungsgrund (9) zur EuInsVO; Albrecht,

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

regelt Art.  3 Abs.  1 S.  1 EuInsVO – neben der expliziten Regelung zur Eröffnungsentscheidung – auch die internationale Zuständigkeit für Entscheidungen über die Durchführung und Beendigung des Insolvenzverfahrens (vgl. Art.  32 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuInsVO) sowie Sicherungsmaßnahmen (vgl. Art.  32 Abs.  1 UAbs.  3 EuInsVO).6 Abgesehen davon ist jedoch eine Vielzahl von Einzelverfahren denkbar, die zwar einen Bezug zum Insolvenzverfahren aufweisen, über die gleichwohl nicht im Gesamtverfahren selbst, sondern in eigenständigen Verfahren entschieden wird.7 Diese Verfahren sollen im Folgenden als insolvenzbezogene Einzelverfahren bezeichnet werden. Neben z. B. Insolvenzanfechtungsklagen sowie Aus- und Absonderungsklagen sind in diesem Zusammenhang gerade auch Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter8 zu nennen. Nach welchen Vorschriften aber richtet sich die internationale Zuständigkeit bei derartigen Verfahren?

A. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO I. Grundaussage Art.  6 Abs.  1 der reformierten EuInsVO sorgt im Hinblick auf besondere insolvenzbezogene Einzelverfahren für Klarheit in Sachen internationale9 Zuständigkeit. Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Insolvenzverfahren nach Art.  3 EuInsVO eröffnet worden ist, für alle Klagen zuständig, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Verfahren/Klagen, welche diese letztgenannten Kriterien erfüllen, werden im Folgenden als Annexverfahren/An-

­ InsO 2015, 1077 (1078); Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  2; Paulus, Z EuInsVO, Art.  1 Rn.  11; Prager/Keller, WM 2015, 805 (805). 6  Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  16 ff.; Müller, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  32 Rn.  37; Thole, in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  97; vgl. auch Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  131. 7  Vgl. Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Inte­ ressen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  77; Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  34; Thole, in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  98. 8  Haas, ZIP 2013, 2381 (2381); Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  3. 9  Die Vorschrift regelt lediglich die internationale Zuständigkeit, vgl. Erwägungsgründe (26) und (35) zur EuInsVO; Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  30; Prager/Keller, WM 2015, 805 (806); Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  2; Vallender, ZIP 2015, 1513 (1516).

§  1 Grundlegendes

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nexklagen bezeichnet.10 Die Existenz einer vis attractiva concursus11 steht nach aktueller Ausgestaltung des europäischen Zivilverfahrensrechts damit außer Frage: Den Gerichten des Staates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, wird die internationale Zuständigkeit für Annexklagen zugesprochen.12 Eine weitergehende13 vis attractiva concursus wird indes nicht festgelegt; insbesondere werden sachliche und örtliche Zuständigkeit von den autonomen nationalen Vorschriften beherrscht14. Für den Fall, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners i. S. d. Art.  3 Abs.  1 EuInsVO in einem Mitgliedstaat befindet,15 richtet sich die internationale Zuständigkeit in Bezug auf Annexverfahren auch und schon16 dann nach Art.  6 Abs.  1 EuInsVO, sofern der Beklagte seinen Wohnsitz bzw. Sitz in einem Drittstaat hat17. Unter Geltung der EuInsVO-2000 hat der

Ebenfalls als „Annexverfahren“ bezeichnet bei Albrecht, ZInsO 2015, 1077 (1079); Fehrenbach, ZEuP 2013, 353 (377); Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (342); Lorenz, Annexverfahren bei Internationalen Insolvenzen, S.  57; Prager/Keller, WM 2015, 805 (806); Vallender, ZIP 2015, 1513 (1516); Weller, FS von Hoffmann, S.  513 (517 f.). Demgegenüber lässt sich im Hinblick auf diejenigen insolvenzbezogenen Einzelverfahren, die einen besonderen Insolvenzbezug nicht aufweisen, von schlicht insolvenzbezogenen Einzelverfahren sprechen, vgl. Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  35. Etwas andere Terminologie bei Thole, IPRax 2015, 396 (398); ders., in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  98, der „insolvenztypische“ von „sonstigen“ Annexverfahren trennen will. 11  Vgl. zu diesem Begriff Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  25 ff.; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  9 ff. 12  Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  7 spricht in diesem Zusammenhang von einer „internationalzuständigkeitsrechtlichen“ vis attractiva concursus; vgl. auch Bork, FS Beck, S.  49 (60). 13  Zu den möglichen Arten bzw. Intensitäten der vis attractiva concursus vgl. Jahr, ZZP 79 (1966), 347 (349 f.); Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  13 f. 14  Vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  27; Bork, FS Beck, S.  49 (60); Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  37, 61; Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  30. 15  Zu dieser Voraussetzung für die Anwendbarkeit der EuInsVO vgl. Erwägungsgrund (25) zur EuInsVO sowie J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  1 Rn.  54 f. 16  Art.  6 Abs.  1 EuInsVO ist schon dann anwendbar, wenn ein grenzüberschreitender Bezug nur zu einem Drittstaat besteht, vgl. J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  1 Rn.  59. Siehe bereits zur EuInsVO-2000 EuGH, Urt. v. 16.02.2014 – C-328/12 – Schmid, Rn.  29 und 39; Schlussanträge GA Sharpston v. 10.09.2013 – C-328/12 – Schmid, Rn.  31 und 48. 17  Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  8; Reinhart, in: MüKoInsO, Art.  1 EuInsVO 2000 Rn.  17 i. V. m. Art.  1 EuInsVO 2015 Rn.  13; J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  1 Rn.  58 ff.; vgl. zur Gegenansicht Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  1 EuInsVO Rn.  27 ff. 10 

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

EuGH dies erstmals für eine Insolvenzanfechtungsklage entschieden18 und sodann für eine Haftungsklage gegen den Geschäftsführer einer GmbH bestätigt19. Warum dies für die Neufassung der EuInsVO nicht maßgebend sein sollte, ist nicht ersichtlich.20 II. Vorgeschichte und Verhältnis zu Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO Der Regelung des Art.  6 Abs.  1 EuInsVO liegt eine bewegte Geschichte zu Grunde. Vor ihrer Geltung war lange Zeit ungeklärt, nach welchen Vorschriften sich die internationale Zuständigkeit für Annexverfahren überhaupt richtet. Prägend für die Problematik war im Ausgangspunkt die Gourdain-Entscheidung21 des EuGH aus dem Jahre 1979, in welcher der Gerichtshof die Reichweite des heutigen Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO22 konkretisierte. Er nahm Entscheidungen, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, aus dem Anwendungsbereich des EuGVÜ aus, sofern diese „unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens [...] halten“23. Diese sogenannte Gourdain-Formel kann heute zur gefestigten Rechtsprechung des EuGH gezählt werden24 und hat für die Festlegung des sachlichen Anwendungsbereichs auch der Brüssel  Ia-VO Bedeutung. In der Folge dieses Urteils stellte sich die Frage, nach welchen Vorschriften die internationale Zuständigkeit bei Klagen zu bestimmen ist, die von dieser Formel erfasst werden. Das Inkrafttreten der EuInsVO-2000 am 31.05.2002 führte zu keiner Klärung, da diese Verordnung keine ausdrückliche Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit für derartige Einzelverfahren beinhaltet.25 Art.  25 Abs.  1 EuGH, Urt. v. 16.02.2014 – C-328/12 – Schmid, Rn.  39. EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  33 f. 20  Wie hier J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  1 Rn.  59. 21  EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain. 22  Vorgängerregelung war Art.  1 Abs.  2 lit.  b) EuGVO, welche ihrerseits Art.  1 Abs.  2 Nr.  2 EuGVÜ ersetzte. Der EuGH hat entschieden, dass die Auslegung des Art.  1 Abs.  2 Nr.  2 ­EuGVÜ – auf Grund derselben systematischen Stellung und Funktion sowie des identischen Wortlauts – auf Art.  1 Abs.  2 lit.  b) EuGVO übertragen werden kann, vgl. EuGH, Urt. v. 10.09.2009 – C-292/08 – German Graphics, Rn.  27 f. Die genannten Erwägungen ermöglichen ebenso eine Übertragung auf Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO. 23  EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  4. 24  Siehe etwa EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  19; EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  24; Brinkmann, IPRax 2010, 324 (325); Haas, ZIP 2013, 2381 (2382 mit Fn.  10); Kindler, KTS 2014, 25 (35); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (869 mit Fn.  7). 25  Hau, KTS 2009, 382 (383); Mäsch, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 EG-InsVO Rn.  7; Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  2; Oberhammer, FS Koziol, S.  1239 (1243 f.); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  905 ff. 18  19 

§  1 Grundlegendes

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UAbs.  226 EuInsVO-2000 greift zwar die Gourdain-Formel auf,27 trifft jedoch nur eine Regelung zur Anerkennung und Vollstreckung von Annexentscheidungen28. Es kann daher kaum verwundern, dass die zutreffende Lösung höchst umstritten war.29 Eine höchstrichterliche Klärung30 führte erst die Deko Marty-Entscheidung31 des EuGH aus dem Jahre 2009 herbei, die eine Insolvenzanfechtungsklage zum Gegenstand hatte. Danach ist Art.  3 Abs.  1 EuInsVO-2000 dahin auszulegen, „dass er dem Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet das Insolvenz­ver­ fahren eröffnet worden ist, für Klagen, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch eine internationale Zuständigkeit zuweist“32. Dieses Judikat wurde in der Folgezeit wiederholt 26 

Diese Norm spricht von Entscheidungen, „die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen“. 27  Bork, FS Beck, S.  49 (50); Lorenz, Annexverfahren bei Internationalen Insolvenzen, S.  59 f.; Thole, IPRax 2015, 396 (397). 28  Bork, FS Beck, S.  49 (50); Oberhammer, FS Koziol, S.  1239 (1245). 29  Umfassend zu dieser Fragestellung etwa Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  77 ff.; Lorenz, Annexverfahren bei Internationalen Insolvenzen, S.  56 ff.; Strobel, Die Abgren­zung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  86 ff.; Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  131 ff.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  61 ff.; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  56 ff. Vom „wohl umstrittenste[n] Thema des europäischen Insolvenzrechts“ sprachen Klöhn/Berner, ZIP 2007, 1418 (1418); Thole, ZEuP 2010, 907 (908). 30  Im Vorfeld der Entscheidung wurden im Wesentlichen drei Vorgehensweisen vertreten. Eine Ansicht schlug eine direkte oder analoge Heranziehung der Vorschriften der EuGVO vor, vgl. Dutta, IPRax 2007, 195 (196 ff.); Klöhn/Berner, ZIP 2007, 1418 (1419 f.); grds. auch Lüke, FS Schütze, S.  467 (483); vgl. zu den unterschiedlichen Varianten der Berücksichtigung der EuGVO Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  912 f. Andere wollten auf die autonomen nationalen Vorschriften abstellen, vgl. Oberhammer, ZInsO 2004, 761 (765) – in Deutschland würden etwa die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit wegen ihrer Doppelfunktionalität auch die internationale Zuständigkeit bestimmen, vgl. Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  87; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  909. Drittens wurde eine Lösung auf Grundlage des Art.  3 Abs.  1 EuInsVO befürwortet, vgl. Haubold, IPRax 2002, 157 (160); Leipold, FS Ishikawa, S.  221 (234 ff.); Lorenz, Annexverfahren bei Internationalen Insolvenzen, S.  114 ff.; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  90 ff. Ein vermittelnder Lösungsansatz wollte die autonomen nationalen Vorschriften darüber entscheiden lassen, ob die Regeln der EuGVO oder der EuInsVO zur Anwendung gelangen, vgl. Mörsdorf-Schulte, IPRax 2004, 31 (36 f.); dies., ZIP 2009, 1456 (1459). 31  EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty. 32  EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  21. In der Literatur wird weit überwiegend für eine analoge Anwendung des Art.  3 Abs.  1 EuInsVO-2000 plädiert, siehe etwa Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  26; Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  11, Art.  3 EuInsVO Rn.  85 sowie Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  1.

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

bestätigt.33 Art.  6 Abs.  1 EuInsVO ist die legislative Umsetzung dieser Rechtsprechung,34 greift die Wendung aus Art.  25 Abs.  1 UAbs.  2 EuInsVO-2000 auf und lässt sich letztlich auf das Gourdain-Urteil zurückführen35. Es besteht im Übrigen kein Grund zu der Annahme, dass der Gourdain-Formel eine andere Reichweite zukommt als dem Anwendungsbereich der EuInsVO für Annex­ verfahren.36 Im Lichte dieser geschichtlichen Entwicklung ist für das Zusammenspiel von Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO und Art.  6 Abs.  1 EuInsVO festzuhalten: Brüssel  Ia-VO und EuInsVO schließen sich im Hinblick auf insolvenzbezogene Einzelverfahren wechselseitig aus.37 Spricht man einem Einzelverfahren die Qualität eines Annexverfahrens zu, kann sich die internationale Zuständigkeit lediglich aus der EuInsVO ergeben, nicht jedoch zugleich aus der Brüssel  Ia-VO. Umgekehrt kommen bei einem schlicht insolvenzbezogenen Einzelverfahren nur die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel  Ia-VO in Betracht. Darüber hinaus fällt ein insolvenzbezogenes Einzelverfahren, welches die Voraussetzungen des Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO erfüllt und damit dem Anwendungsbereich der Brüssel  Ia-VO entzogen ist, grds. in den Einzugsbereich von Art.  6 Abs.  1 ­EuInsVO (sind umgekehrt die Voraussetzungen des Art.  6 Abs.  1 EuInsVO nicht erfüllt, greift grds. Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO nicht), sodass grds. jede Lücke zwischen den Verordnungen vermieden wird, in die autonomes nationales Zuständigkeitsrecht stoßen könnte.38 Soweit die sachlichen Anwendungsbereiche der Verordnungen gezielt an der Grenze zwischen Art.  1 Abs.  2 lit.  b) ­Brüssel  Ia-VO und Art.  6 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO betroffen sind, schließen die Verordnungen 33  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  27 und 29; EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner, Rn.  21; EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  17. 34  Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.  1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren, KOM (2012) 744 final, S.  7. 35  Kindler, KTS 2014, 25 (35); Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  3; Prager/Keller, WM 2015, 805 (806); Thole, IPRax 2015, 396 (400). 36  Zutreffend bereits Brinkmann, IPRax 2010, 324 (326). 37  Der EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner, Rn.  21 spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit der Vermeidung jeder „Überschneidung“ zwischen den Rechtsvorschriften von Brüssel  Ia-VO und EuInsVO; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  31. Gleichsinnig auch Wedemann, IPRax 2015, 505 (508 mit Fn.  49). 38  Vgl. Erwägungsgrund (7) zur EuInsVO; EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner, Rn.  21; Brinkmann, IPRax 2010, 324 (326); ders., in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  38; Haas, ZIP 2013, 2381 (2381 f.); Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  151 ff.; Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (670 f.); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44).

§  1 Grundlegendes

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lücken­los aneinander an. Mit anderen Worten ist kein insolvenzbezogenes Einzelverfahren denkbar, dass nur im Hinblick auf seinen Bezug zum Insolvenzverfahren für die Brüssel  Ia-VO zu stark und für die EuInsVO zu schwach ist, sodass es in eine dritte Kategorie zwischen den Verordnungen fiele. Von dieser spezifischen Schnittstellenbetrachtung abgesehen ist es natürlich möglich, dass der Anwendungsbereich der jeweiligen Verordnung aus anderen Gründen nicht eröffnet ist.39 Dies steht einer lückenlosen Grenze speziell zwischen Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO und Art.  6 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO jedoch nicht entgegen. III. Aktuelle Problemstellung – Was genau ist eine Annexklage? Trotz unzweifelhafter Existenz einer vis attractiva concursus ist die Bestimmung der von ihr erfassten Klagen nicht abschließend geklärt.40 Gerade im Bereich von Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter bereitet es Probleme, aus den denkbaren insolvenzbezogenen Einzelverfahren diejenigen herauszufiltern, welche die Qualität einer Annexklage aufweisen.41 Diesen Problemen widmet sich dieser Teil der Arbeit schwerpunktmäßig. Im Ausgangspunkt entspricht es ganz herrschender Ansicht, dass die Bestimmung der Reichweite von Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO und Art.  6 Abs.  1 EuInsVO autonom zu erfolgen hat.42 Die Frage „Was genau ist eine Annexklage?“ ist daher nicht unter Rückgriff auf das Verständnis einer bestimmten nationalen Rechtsordnung zu beantworten. Vielmehr geht es um ein aus den Verordnungen selbst entwickeltes, für alle Mitgliedstaaten einheitliches Verständnis.43 Siehe etwa Haas, ZIP 2013, 2381 (2382) mit dem Hinweis auf den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der EuInsVO. Siehe zudem Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  25 EuInsVO Rn.  21 sowie Müller, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  32 Rn.  39 im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich der EuInsVO. Vgl. auch Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  1 EuGVVO Rn.  21d zur Regelung des Art.  25 Abs.  2 ­EuInsVO-2000. Diese Interpretation wird auch den Ausführungen in EuGH, Urt. v. 10.09.2009 – C-292/08 – German Graphics, Rn.  17 gerecht, wonach Entscheidungen denkbar seien, die weder in den Anwendungsbereich der Brüssel  Ia-VO noch in denjenigen der EuInsVO fallen. 40  Siehe nur Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  28. 41  Diese Problematik herausstellend etwa Haas, RabelsZ 77 (2013), 632 (633); Oberhammer, ZIK 2010, 6 (7); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  73 mit Fn.  59; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (867); dies., IPRax 2015, 505 (505). 42  Grundlegend EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  3 f.; daran anknüpfend EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  19 ff.; siehe auch Haas, NZG 1999, 1148 (1149 f.); ders., NZG 2010, 495 (495); Haubold, IPRax 2002, 157 (162); Mäsch, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 EG-InsVO Rn.  8; Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (671). 43  Vgl. zum Begriff der autonomen Auslegung etwa Kropholler/von Hein, EuZPR, Einl EuGVO Rn.  69; Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (671); Müller, in: Mankowski/Müller/ Schmidt, EuInsVO 2015, Einleitung Rn.  36; Scholz, Das Problem der autonomen Auslegung des EuGVÜ, S.  1. 39 

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

Unzweifelhaft kann jedoch auch die in Art.  6 Abs.  1 EuInsVO übernommene und auf autonomer Auslegung fußende Gourdain-Formel, die für eine Annexklage verlangt, dass die Klage unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgeht und in engem Zusammenhang damit steht, den Kreis der Annexklage nicht präzise bestimmen und bedarf der Konkretisierung.44 Auch im Übrigen steuert Art.  6 Abs.  1 EuInsVO recht wenig zur Lösung des Problems bei.45 Im Anschluss an die Deko Marty-Entscheidung46 des EuGH führt die Norm als Beispiel lediglich Anfechtungsklagen47 an. Erwägungsgrund48 (35) der EuInsVO nennt darüber hinaus Klagen in Bezug auf Verpflichtungen, die sich im Verlauf des Insolvenzverfahrens ergeben, wie z. B. zu Vorschüssen für Verfahrenskosten.49 Keine Annexklagen sollen nach diesem Erwägungsgrund Klagen wegen der Erfüllung von Verpflichtungen aus einem Vertrag sein, den der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen hat. Letzteres ist Ausdruck der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Nickel & Goeldner50. Eine im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur EuInsVO vom EU-Parlament vorgeschlagene Konkretisierung,51 welche die Eingrenzung von Annexklagen Centner, LMK 2014, 364501; Fehrenbach, IPRax 2009, 492 (496); Haas, ZIP 2013, 2381 (2382); Lüttringhaus/Weber, RIW 2010, 45 (47); Mankowski, NZI 2014, 922 (922); Mock, ZInsO 2009, 470 (471); Oberhammer, KTS 2009, 27 (45); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  77; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  117. 45  Vgl. Albrecht, ZInsO 2015, 1077 (1080); Bork, FS Beck, S.  49 (51); Prager/Keller, WM 2015, 805 (806 f.); Thole, IPRax 2015, 396 (400); Thole/Swierczok, ZIP 2013, 550 (553); Vallender, ZIP 2015, 1513 (1517). 46  EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty. 47  Bezogen auf das deutsche Recht sind hiervon lediglich die in der InsO normierten Anfechtungsklagen betroffen, nicht jedoch die Regelungen des AnfG, vgl. Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  29; Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (343 f.); Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  4. 48  Derartige Erwägungsgründe weisen keinen eigenständigen Regelungsgehalt auf, sondern sollen zum besseren Verständnis des Verordnungstextes beitragen, vgl. Oberhammer, FS Koziol, S.  1239 (1244). Die Bedeutung der Erwägungsgründe im Hinblick auf die systematische und teleologische Auslegung des Rechtsakts betont Hess, IPRax 2006, 348 (354); siehe auch Fehrenbach, ZEuP 2013, 353 (366). 49  Demnach dürfte die Geltendmachung eines Anspruchs gem. §  26 Abs.  4 S.  1 InsO eine Annexklage darstellen, vgl. Piekenbrock, KTS 2015, 379 (403). Demgegenüber kann bei der Geltendmachung des Anspruchs gem. §  26 Abs.  3 S.  1 InsO nicht von einer Annexklage ausgegangen werden, da dieser vom Anspruchsberechtigten (etwa einem Insolvenzgläubiger) auch während des Insolvenzverfahrens selbst – ausschließlich in seinem individuellen Interesse – siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.II.1.a) – und nicht vom Insolvenzverwalter gem. §  92 InsO verfolgt wird. Vgl. zu Letzterem Denkhaus, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  26 Rn.  48; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  26 Rn.  61; Keller, in: K. Schmidt, InsO, §  26 Rn.  85. 50  EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner. Ein in diese Kategorie gehörendes Fallbeispiel bietet auch BGH, Urt. v. 16.09.2015 – VIII ZR 17/15 = NZI 2015, 1033. 51  Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Februar 2014 zu dem 44 

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maßgeblich geprägt hätte,52 hat gerade keinen Eingang in die EuInsVO gefunden53. Klare Linien zur Beurteilung sämtlicher Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter sind alledem zwar nicht zu entnehmen. Da die Reform der EuInsVO bzgl. der Eingrenzung von Annexklagen allerdings auch keine neue Grundausrichtung mit sich bringt,54 kann neben den einschlägigen Stellungnahmen in der Literatur insbesondere die Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung aus der Zeit vor Geltung der EuInsVO (also vor dem 26.06.2017) zur Erarbeitung eines Abgrenzungskonzepts für die Zukunft fruchtbar gemacht werden (dazu unter §  2). IV. Ausschließliche Zuständigkeit Aus Art.  6 Abs.  1 EuInsVO lässt sich nicht unmittelbar ablesen, ob an dieser Stelle – von der unter B. behandelten Regelung des Art.  6 Abs.  2 EuInsVO abgesehen55 – eine ausschließliche Zuständigkeit vorgesehen ist.56 Schon in Bezug auf die Annexzuständigkeit auf Grundlage von Art.  3 Abs.  1 EuInsVO-200057 war umstritten, ob es sich um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt.58 Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.  1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren (COM(2012)0744 – C70413/2012 – 2012/0360(COD)) (Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung), Abänderung Nr.  22 (Einfügung eines neuen Art.  2 lit.  ga)), wonach mit einer Klage, die sich direkt aus einem Insolvenzverfahren ableitet und in engem Zusammenhang damit steht, eine Klage gemeint ist, „die auf ein Urteil gerichtet ist, das aufgrund seines Inhalts nicht außerhalb oder unabhängig von einem Insolvenzverfahren erreicht werden kann oder erreicht werden konnte, und die nur dann zulässig ist, wenn ein Insolvenzverfahren anhängig ist“. 52  Vgl. nur Ringe, JZ 2016, 573 (574 f.), der auf der Basis des Vorschlags des EU-Parlaments eine auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage – im Gegensatz zur EuGH-Entscheidung in der Rechtssache G.T.-GmbH – siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 C. – „eindeutig nicht unter die Annexverfahren“ fassen würde. 53  Darauf hinweisend auch Bork, FS Beck, S.  49 (52). 54  Wedemann, IPRax 2015, 505 (506 f.). 55  Da Art.  6 Abs.  2 EuInsVO unter gewissen Voraussetzungen eine internationale Zu­ ständigkeit für Annexklagen außerhalb des Staates der Insolvenzverfahrenseröffnung vorsieht, ist die Zuständigkeit gem. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO nicht im technischen Sinne ausschließlich. Siehe bereits Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  42; vgl. auch Thole, in: ­MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  3: „grundsätzlich abschließend“. 56  Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  27; Piekenbrock, KTS 2015, 379 (407 mit Fn.  214); Vallender, ZIP 2015, 1513 (1517); vgl. auch Kindler, KTS 2014, 25 (35 f.). 57  Siehe Teil 2, Fn.  32. 58  Für eine ausschließliche Zuständigkeit: BGH, Urt. v. 19.05.2009 – IX ZR 39/06 = NJW 2009, 2215 (2216); Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  39; Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  127; Kern, LMK 2012, 333271; Lorenz, Annexverfahren bei

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

EuGH hat diese Frage in der Rechtssache F-Tex mangels Entscheidungserheblichkeit unbeantwortet gelassen.59 Auch im Hinblick auf Art.  6 Abs.  1 EuInsVO gehen die Meinungen auseinander.60 Zur Untermauerung der Annahme einer ausschließlichen Zuständigkeit gem. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO weisen ihre Befürworter in erster Linie (zutreffend) auf Art.  6 Abs.  2 EuInsVO hin.61 Art.  6 Abs.  2 EuInsVO erlaubt es dem Insolvenzverwalter unter gewissen Voraussetzungen, eine Annexklage (abweichend vom Staat der Insolvenzverfahrenseröffnung) im Wohnsitzstaat des Beklagten bzw. eines der Beklagten zu erheben. Es liegt fern, dass der europäische Gesetzgeber in Abweichung von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO diese präzise Regelung getroffen hat, obschon sich die internationale Zuständigkeit außerhalb des Staates der Insolvenzverfahrenseröffnung bereits aus „anderen Vorschriften“ ergeben kann. Vielmehr ist die Regelung so zu verstehen, dass nur unter den Voraussetzungen des

Internationalen Insolvenzen, S.  116; Mankowski, NZG 2016, 281 (283); Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (675); Mock, ZInsO 2009, 470 (472); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  71; Wedemann, IPRax 2015, 505 (508); Weller, ZIP 2009, 2029 (2032); ders., FS von Hoffmann, S.  513 (518 mit Fn.  30); Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  102; siehe auch Schlussanträge GA Wahl v. 28.06.2018 – C-296/17 – Wiemer & Trachte, Rn.  47 ff. Jedenfalls gegen eine ausschließliche Zuständigkeit bei Insolvenzanfechtungsklagen: Kindler, KTS 2014, 25 (36); ders., in: MüKoBGB, Bd.  11, Art.  3 EuInsVO Rn.  90. Für eine relative ausschließliche Zuständigkeit bei Insolvenzanfechtungsklagen, die (nur) den Insolvenzverwalter (bei Aktivklagen) nicht strikt an den Staat der Insolvenzverfahrenseröffnung bindet: Schlussanträge GA Colomer v. 16.10.2008 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  64 ff.; in diese Richtung – wobei dem Insolvenzverwalter neben Art.  3 Abs.  1 EuInsVO-2000 die Gerichtsstände der EuGVO zur Verfügung stehen sollen – auch Hau, KTS 2009, 382 (385); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  933 ff.; vgl. auch dens., ZIP 2012, 605 (608), wobei Thole im Verlauf des Beitrags (609) Sympathie für ein Verständnis des Art.  3 Abs.  1 EuInsVO-2000 als „(allseitige) besondere Zuständigkeit neben den Gerichtsständen der ­EuGVVO“ zum Ausdruck bringt. 59  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  50 f.; zu der (letztlich zu verneinenden) Frage, ob der Deko Marty-Entscheidung eine eindeutige Positionierung des EuGH zu entnehmen ist, vgl. ausführlich Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  118 ff. 60  Für eine ausschließliche Zuständigkeit: Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  27 ff.; Piekenbrock, KTS 2015, 379 (407); Prager/Keller, WM 2015, 805 (806 mit Fn.  27); Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  3; Wedemann, IPRax 2015, 505 (508). Demgegenüber für eine relative ausschließliche Zuständigkeit, die (nur) den Insolvenzverwalter (bei Aktivklagen) nicht strikt an den Staat der Insolvenzverfahrenseröffnung bindet: Bork, FS Beck, S.  49 (60 f.); Kindler, KTS 2014, 25 (37). 61  Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  28; Piekenbrock, KTS 2015, 379 (407); Prager/Keller, WM 2015, 805 (806 mit Fn.  27); Vallender, ZIP 2015, 1513 (1517); Wedemann, IPRax 2015, 505 (508).

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Art.  6 Abs.  2 EuInsVO von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO abgewichen werden kann.62 Darüber hinaus entschärft Art.  6 Abs.  2 EuInsVO die unter Geltung der ­EuInsVO-2000 gegen eine ausschließliche Zuständigkeit vorgebrachte Argumentation, der Insolvenzverwalter müsse die Möglichkeit haben, eine Annexklage zusammen mit einem (einen gewissen Bezug zum Annexverfahren aufweisenden) Nichtannexverfahren außerhalb des Staats der Insolvenzverfahrenseröffnung anzustrengen63. Angesichts der Bestimmungen in Art.  6 Abs.  1 und 2 EuInsVO kann auch nicht von einer Regelungslücke in Bezug auf die internationale Zuständigkeit für Annexverfahren gesprochen werden. Insbesondere lässt sich eine Regelungslücke nicht unter Berufung auf die Effizienz des Insolvenzverfahrens64 herleiten,65 wobei zur Stützung des Effizienzarguments vor allem die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Justiz der Mitgliedstaaten66 und die erstrebenswerte Vollstreckungsnähe67 genannt werden. Damit soll nicht gesagt sein, dass der Gedanke „Effizient ist, was dem Zweck des konkreten Insolvenzverfahrens nützt“68 in der Sache verfehlt ist. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Regelung des Art.  6 EuInsVO das Streben nach effizienten Insolvenzverfahren69 völlig außer Acht lässt, sodass unter teleologischen Gesichtspunkten eine ergänzende Heranziehung „anderer Vorschriften“ in Betracht käme: Die Deko Marty-Entscheidung, auf welche sich Art.  6 Abs.  1 EuInsVO zurückführen lässt,70 beruht gerade auf der Erwägung, dass die Bündelung der Annexklagen im Staat der Insolvenzverfahrenseröffnung für die Effizienz des Insolvenzverfahrens von

62  Prager/Keller, WM 2015, 805 (806 mit Fn.  27); Vallender, ZIP 2015, 1513 (1517); vgl. auch Piekenbrock, KTS 2015, 379 (407). 63  Vgl. zu dieser Argumentation Hau, KTS 2009, 382 (385); Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  119; Oberhammer, FS Koziol, S.  1239 (1258 f., 1264 ff.). 64  Unter Effizienzgesichtspunkten gegen eine ausschließliche Zuständigkeit argumentieren Bork, FS Beck, S.  49 (61); Kindler, KTS 2014, 25 (36 f.); ders., in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  12; gleichsinnig auch Vallender, ZIP 2015, 1513 (1517 mit Fn.  50). 65  A. A. Kindler, KTS 2014, 25 (37). 66  Bork, FS Beck, S.  49 (61); Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  119; Kindler, KTS 2014, 25 (36); ders., in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  12. 67  Bork, FS Beck, S.  49 (61); Hau, KTS 2009, 382 (385); Kindler, KTS 2014, 25 (36); ders., in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  12. 68  In diesem Sinne Kindler, KTS 2014, 25 (36); ders., in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 ­EuInsVO Rn.  13; vgl. auch Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  119. 69  Siehe nur Erwägungsgrund (3) zur EuInsVO. 70  Siehe Teil 2, Fn.  34.

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

Vorteil ist.71 Der Effizienzgedanke ist daher mit der Zuständigkeitsbündelung verknüpft, wird allerdings nicht absolut gesetzt.72 Wenn Erwägungsgrund (35) S.  4 zur EuInsVO73 die Regelung des Art.  6 Abs.  2 EuInsVO ausdrücklich mit dem Ziel des Effizienzgewinns verbindet, spricht dies zudem dafür, dass Effizienzgesichtspunkte bei der Ausgestaltung des gegenwärtigen Art.  6 EuInsVO durchaus Berücksichtigung fanden. Nach hier vertretener Auffassung ist es geboten, die vom europäischen Gesetzgeber – auch unter Effizienzgesichtspunkten – getroffenen Vorgaben ernst zu nehmen. Für eine ausschließliche Zuständigkeit spricht im Übrigen, dass keine Vorschriften ersichtlich sind, auf die sich die internationale Zuständigkeit außerhalb des Staates der Insolvenzverfahrenseröffnung überzeugend stützen ließe. Sofern gegen eine ausschließliche Zuständigkeit und für eine Heranziehung des autonomen nationalen Rechts die German Graphics-Entscheidung des EuGH ins Feld geführt wird,74 überzeugt das nicht. Zwar stellte der EuGH im Zusammenhang mit Art.  25 Abs.  2 EuInsVO-2000 heraus, dass es Verfahren/Entscheidungen gibt, die weder in den Anwendungsbereich der EuInsVO-2000 noch in denjenigen der EuGVO fallen.75 Dies lässt aber keinen Rückschluss auf das vorliegende Problem zu, da sich die Frage, ob Art.  6 Abs.  1 EuInsVO eine ausschließliche Zuständigkeit vorsieht, nur stellt, sofern der Anwendungsbereich der EuInsVO betroffen ist. Bezogen auf Art.  25 EuInsVO-2000 geht es beim vorliegen­den Problem um Entscheidungen i. S. d. Art.  25 Abs.  1 UAbs.  2 ­EuInsVO-2000, nicht aber um solche i. S. d. Art.  25 Abs.  2 EuInsVO-2000. Folglich eröffnet die genannte EuGH-Rechtsprechung keineswegs die Möglichkeit, die internationale Zuständigkeit bei Annexverfahren (konkurrierend zu Art.  6 Abs.  1 EuInsVO) auf autonomes nationales Recht zu stützen. Vor dem Hintergrund der expliziten Regelungen in Art.  6 Abs.  1 und 2 EuInsVO76 und des damit einhergehenden Fehlens einer Regelungslücke77 widerspräche ein derartiger EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  22. Die Idee der Zuständigkeitsbündelung aus Effizienzgesichtspunkten ablehnend freilich Kindler, KTS 2014, 25 (36); ders., in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  12. 73  Erwägungsgrund (35) S.  4 zur EuInsVO lautet: „Steht eine solche Klage [gemeint sind Annexklagen] im Zusammenhang mit einer anderen zivil- oder handelsrechtlichen Klage, so sollte der Verwalter beide Klagen vor die Gerichte am Wohnsitz des Beklagten bringen können, wenn er sich von einer Erhebung der Klagen an diesem Gerichtsstand einen Effizienzgewinn verspricht.“ 74  In diesem Sinne Kindler, KTS 2014, 25 (37 mit Fn.  80). 75  EuGH, Urt. v. 10.09.2009 – C-292/08 – German Graphics, Rn.  17. 76  Vgl. bereits Wedemann, IPRax 2015, 505 (508): „Dass neben der ausdifferenzierten Regelung ein Rückgriff auf das nationale Recht zulässig sein soll, erscheint ausgeschlossen.“ 77  A. A. Kindler, KTS 2014, 25 (37). Bereits unter Geltung der EuInsVO-2000 eine Regelungslücke im europäischen System ablehnend Heber, Die internationale Zuständigkeit des 71  72 

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Rückgriff vielmehr dem Vereinheitlichungszweck der EuInsVO.78 Zudem stellten sich Anerkennungsfragen, da sich die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach dem nicht vereinheitlichten autonomen nationalen Recht jedenfalls nicht mit der privilegierten Anerkennung von Annexentscheidungen gem. Art.  32 Abs.  1 UAbs.  2 EuInsVO vertrüge.79 Im Ergebnis ist die Heranziehung des autonomen nationalen Rechts daher abzulehnen.80 Konkurrierende Zuständigkeiten auf Grundlage der Brüssel  Ia-VO widersprächen der bereits erwähnten81 „Nichtüberschneidungsrechtsprechung“82 – die internationale Zuständigkeit für ein und dasselbe insolvenzbezogene Einzelverfahren kann sich nicht zugleich nach der Brüssel  Ia-VO und der EuInsVO richten. Zudem wären sie nicht mit der Gourdain-Formel83 vereinbar,84 wonach insolvenzbezogene Einzelverfahren, welche die Qualität eines Annexverfahrens aufweisen, unter Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO zu fassen sind. Letztlich wäre Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V. 1 EuInsVO (jedenfalls soweit die Brüssel  Ia-VO – wie im Regelfall – eine Zuständigkeit im Wohnsitzstaat des Beklagten vorsieht) gar überflüssig, sofern die Zuständigkeitstatbestände der Brüssel  Ia-VO für das Annexverfahren ohnehin zur Verfügung stünden.85 Daher messen die folgenden Ausführungen Art.  6 Abs.  1 EuInsVO den Charakter einer ausschließlichen Zuständigkeit bei. Ungeklärt ist bislang die Frage, ob in Drittstaatenfällen86 ein abweichendes Verständnis angezeigt oder überhaupt „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  124; Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (675). 78  Vgl. Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  123; Thole, ZEuP 2010, 907 (917); Wedemann, IPRax 2015, 505 (508). 79  Vgl. Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (671); Thole, ZEuP 2010, 907 (917). Zur Frage, ob Art.  32 Abs.  1 UAbs.  2 EuInsVO auch Entscheidungen erfasst, die auf autonomes nationales Zuständigkeitsrecht gestützt werden, siehe (verneinend) Müller, in: Mankowski/Müller/ Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  32 Rn.  12. 80  So auch Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  123 f.; Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (675); Thole, ZEuP 2010, 907 (916 f.); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  71; Wedemann, IPRax 2015, 505 (508). 81  Siehe Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  37. 82  Wedemann, IPRax 2015, 505 (508). 83  Siehe Text zu Teil 2, Fn.  23 und 24. 84  Vgl. Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  123; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  71 mit Fn.  53. 85  Vgl. Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  28; Wedemann, IPRax 2015, 505 (508). 86  Vgl. Text zu Teil 2, Fn.  17.

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

möglich ist.87 Dieser Problemkreis dürfte aber keinesfalls konkurrierende Zuständigkeiten in den Mitgliedstaaten der EuInsVO erzwingen können, da in diesen Staaten die Anerkennung und Vollstreckung von Annexentscheidungen aus dem Staat der Insolvenzverfahrenseröffnung im Vergleich zu Drittstaaten unproblematisch ist (vgl. Art.  32 Abs.  1 UAbs.  2 EuInsVO).88 Daher erfährt diese Frage hier keine abschließende Erörterung. Hinzuweisen ist lediglich auf den Umstand, dass (auch) ein ausschließliches Verständnis von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO in Drittstaatenfällen für die Ebene der direkten internationalen Zuständigkeit irrelevant ist, da der Drittstaat ohnehin nicht vom Rechtsanwendungsbefehl der ­EuInsVO erfasst wird. Dieser kann seine internationale Zuständigkeit im Hinblick auf die vom Insolvenzverwalter vor seinen Gerichten erhobene Annexklage daher ggfs. unter Berufung auf „sonstige Vorschriften“ bejahen, ohne dass eine ausschließliche Zuständigkeit gem. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO dem entgegenstünde. Probleme könnten allerdings bei der Anerkennung der drittstaatlichen Entscheidung auftreten, die sich in Deutschland – Art.  32 Abs.  1 UAbs.  2 EuInsVO greift mangels Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts nicht89; vorrangige Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge sind ggfs. zu berücksichtigen – nach §  328 Abs.  1 ZPO richtete.90 Im Hinblick auf §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO könnte hier insbesondere das Problem auftreten, ob europäisches Sekundärrecht wie etwa die Brüssel  Ia-VO oder die EuInsVO überhaupt zu den „deutschen Gesetzen“ i. S. d. Vorschrift zu zählen ist.91

87  „Insoweit“ gegen eine ausschließliche Zuständigkeit im Hinblick auf Insolvenzanfechtungsklagen unter Geltung der EuInsVO-2000 Baumert, NZI 2014, 106 (106). Dagegen Kolmann/Keller, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  131 Rn.  108, die nur ein „einheitliches“ Zuständigkeitsverständnis für möglich halten. 88  Ein Abweichen von der ausschließlichen Zuständigkeit gem. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO wird in Drittstaatenfällen gerade auf den Umstand gestützt, die Anerkennung und Vollstreckung der Annexentscheidungen aus dem Staat der Insolvenzverfahrenseröffnung könne in Drittstaaten Schwierigkeiten hervorrufen, sodass dem Insolvenzverwalter von vornherein eine Klage im Drittstaat ermöglicht werden müsse, vgl. Baumert, NZI 2014, 106 (106 f.); Bork, FS Beck, S.  49 (61). 89  Müller, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  32 Rn.  10. 90  Baumert, NZI 2014, 106 (106). 91  Dazu etwa Dörner, in: Saenger, ZPO, §  328 Rn.  22; Gottwald, in: MüKoZPO, §  328 Rn.  88; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, §  328 Rn.  10; ausführlich Kern, ZZP 120 (2007), 31 (43 ff.).

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B. Art.  6 Abs.  2 EuInsVO Art.  6 Abs.  2 EuInsVO sieht einen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs vor.92 Bezweckt werden ein Effizienzgewinn – durch ökonomische Erledigung von im Zusammenhang stehenden Klagen – im Interesse der Masse93 und die Vermeidung miteinander unvereinbarer Entscheidungen94. Dem erstgenannten Zweck und dem insoweit klaren Wortlaut („so kann der Verwalter“) entsprechend, betrifft die Regelung ausschließlich Aktivklagen des Insolvenzverwalters (UAbs.  1)95 oder des Schuldners in Eigenverwaltung (UAbs.  2). Aus dem Wortlaut („kann“) folgt zudem, dass Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO dem Insolvenzverwalter lediglich die Option einräumt (zusätzlicher, besonderer, fakultativer bzw. konkurrierender Gerichtsstand96), Annexklagen im Wohnsitzstaat des oder eines der Beklagten anzustrengen. Es bleibt ihm unbenommen, für Annexklagen auf Art.  6 Abs.  1 EuInsVO zurückzugreifen.97 Darüber hinaus lässt sich aus dem Wortlaut („Gerichten in dem Mitgliedstaat“) sowie Erwägungsgrund (26) zur EuInsVO98 der Schluss zu ziehen, dass lediglich die internationale Zuständigkeit normiert wird.99 Zwei Fälle sind zu unterscheiden: In Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 geht es um Klagen gegen ein und denselben Beklagten; Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 betrifft mehrere Beklagte.

92  Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  34; Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  6. 93  Vgl. Erwägungsgrund (35) zur EuInsVO; Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  6. 94  Vgl. Art.  6 Abs.  3 EuInsVO; Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  6. 95  Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  34; Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  10; Thole/Swierczok, ZIP 2013, 550 (553 f.). 96  Vgl. zur Terminologie Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  34. 97  Vgl. Bork, FS Beck, S.  49 (61); Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  35. 98  Dieser lautet: „Die Zuständigkeitsvorschriften dieser Verordnung legen nur die internationale Zuständigkeit fest, das heißt, sie geben den Mitgliedstaat an, dessen Gerichte Insolvenzverfahren eröffnen dürfen. Die innerstaatliche Zuständigkeit des betreffenden Mitgliedstaats sollte nach dem nationalen Recht des betreffenden Staates bestimmt werden.“ 99  Im Ergebnis ebenso (wenngleich im Lichte der Prozessökonomie sowie der potentiell divergierenden örtlichen Zuständigkeit für Annexklage und Nichtannexklage kritisch) Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  9. Für Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V. 2 EuInsVO abweichend Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  33 f.; Mankowski, in: Mankowski/Müller/ Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  44. Insgesamt abweichend Paulus, EuInsVO, Art.  6 Rn.  21.

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

I. Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO 1. Grundlegendes Steht eine Annexklage im Zusammenhang mit einer anderen zivil- und handelsrechtlichen Klage (im Folgenden: Nichtannexklage) gegen denselben Beklagten, gestattet es Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO dem Insolvenzverwalter, beide Klagen im Wohnsitzstaat des Beklagten zu erheben, vorausgesetzt, die Gerichte des Wohnsitzstaats sind nach der Brüssel  Ia-VO zuständig. Im Umkehrschluss folgt aus dieser Regelung eine Begrenzung in dem Sinne, dass ein Zusammenhang zwischen einer Annexklage und einer der Brüssel  Ia-VO unterfallenden Nichtannexklage gegen denselben Beklagten im Übrigen – d. h. abgesehen von Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO – nicht zu einer Erweiterung der internationalen Zuständigkeit gegenüber den Bestimmungen führt, die sich aus Art.  6 Abs.  1 EuInsVO für die Annexklage und aus der Brüssel  Ia-VO für die Nichtannexklage auch ohne Zusammenhang ergeben. Eine andere Sichtweise würde die präzise Regelung des Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO unterlaufen. Das bedeutet insbesondere, dass sich eine „gemeinsame“ internationale Zuständigkeit im Staat der Insolvenzverfahrenseröffnung nur ergibt, sofern die Brüssel  Ia-VO im Hinblick auf die Nichtannexklage eine internationale Zuständigkeit in diesem Staat vorsieht. Eine Kognitionsbefugnis der ­Gerichte des Staates der Insolvenzverfahrenseröffnung (auch) für die Nichtannexklage – allein auf Grund des Zusammenhangs – scheidet aus.100 Fallen der Wohnsitzstaat des Beklagten und der Staat der Insolvenzverfahrenseröffnung zusammen, ergibt sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates im Hinblick auf die Annexklage bereits aus Art.  6 Abs.  1 EuInsVO, sodass es eines Rückgriffs auf Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO nicht bedarf.101 Einschränkend ist zu beachten, dass Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO nur bei kombinierten und nicht bei isolierten Klagen eingreift.102 Dafür spricht zum

100  Schon vor der Reform der EuInsVO wurde für nichtinsolvenzrechtliche Ansprüche, die mit insolvenzrechtlichen Ansprüchen konkurrieren, eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs im Staat der Insolvenzverfahrenseröffnung aus Beklagtenschutzerwägungen überzeugend abgelehnt. Vgl. Haas/Vogel, NZG 2011, 455 (456); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  71 f.; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  172 ff. Demgegenüber für eine Annexkompetenz der Gerichte im Verfahrenseröffnungsstaat gem. Art.  3 EuInsVO-2000 für konkurrierende zivil- und handelsrechtliche Ansprüche Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  196 ff. 101  Vgl. zur Zuständigkeit hinsichtlich der Nichtannexklage auch in diesem Fall die Ausführungen unter 2. 102  Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  34.

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einen der Wortlaut der Vorschrift („so kann der Verwalter beide Klagen [...]“103). Zum anderen sind ihre Zwecke nur bei kombinierten Klagen betroffen, da bei einer isolierten Klage naturgemäß weder ein Effizienzgewinn durch die Zusammenfassung von Klagen noch die Vermeidung miteinander unvereinbarer Entscheidungen gefördert werden kann. Insbesondere ist es dem Insolvenzverwalter daher verwehrt, gestützt auf Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1, lediglich die Annexklage im Wohnsitzstaat des Beklagten zu verfolgen. 2. Zuständigkeit nach Brüssel  Ia-VO – Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO a. E. Mit seinem letzten Satzteil stellt Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO (bezogen auf V.  1) die Voraussetzung auf, dass die Gerichte im Wohnsitzstaat des Beklagten nach der Brüssel  Ia-VO zuständig sind. Da dies im Hinblick auf die Annexklage – wegen des Eingreifens von Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO – ausgeschlossen ist, kann sich diese Voraussetzung nur auf die Nichtannexklage beziehen.104 Ergibt sich aus der Brüssel  Ia-VO für diese Klage keine internationale Zuständigkeit im Wohnsitzstaat des Beklagten, scheidet eine Berufung auf Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO demzufolge aus. Diese Voraussetzung macht zudem deutlich, dass Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO – ganz im Sinne der Nichtüberschneidungsrechtsprechung105 – keine internationale Zuständigkeit für die Nichtannexklage begründen kann und eine solche Zuständigkeit erst recht nicht gegenüber den Vorschriften der Brüssel  Ia-VO erweitert. Aus welcher Vorschrift der Brüssel  Ia-VO die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzstaats folgt, ist hingegen unerheblich.106 Die Begrenzung auf den Wohnsitzstaat des Beklagten stellt wiederum klar, dass internationale Zuständigkeiten in anderen Staaten, welche sich aus den Vorschriften der Brüssel  Ia-VO – etwa aus Art.  7 Nr.  1 oder 2 Brüssel  Ia-VO – für die Nichtannexklage ergeben mögen, keinerlei Einfluss auf die internationale Zuständigkeit für die Annexklage zeitigen.107

103 

Hervorhebung nicht i. O. Paulus, EuInsVO, Art.  6 Rn.  21 mit Fn.  72; Thole/Swierczok, ZIP 2013, 550 (553); ­Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  8. 105  Siehe Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  37. 106  Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  8. 107  Vgl. Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  35; Thole/ Swierczok, ZIP 2013, 550 (553). Siehe zur begrenzenden Wirkung des Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO bereits die Ausführungen unter 1. 104 

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

3. Zusammenhang zwischen Annexklage und Nichtannexklage Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO verlangt, dass eine Annexklage im Zusammenhang mit einer Nichtannexklage steht. a) Keine einheitliche Qualifikation anhand der Natur des Streitgegenstands Für die Frage, unter welchen Umständen ein derartiger Zusammenhang bejaht werden kann, ist im Ausgangspunkt entscheidend, wie Annexklagen überhaupt von Nichtannexklagen abzugrenzen sind. Dies wird unter §  2 ausführlich dargelegt. Für das hier zu behandelnde Problem ist eine Feststellung wegweisend: Die jüngere (überzeugende) EuGH-Rechtsprechung stellt für die Abgrenzung zwischen Annexklage und Nichtannexklage entscheidend (wenn auch nicht allein­ent­ scheidend) auf die Rechtsnatur des Anspruchs ab, welcher der Klage zu Grunde liegt.108 Kurz gesagt, kommt eine Annexklage nur bei einem insolvenzrechtlichen Anspruch in Betracht und scheidet bei einem nichtinsolvenzrechtlichen Anspruch aus. Ist die Rechtsnatur des materiell-rechtlichen Anspruchs jedoch grds. der neuralgische Punkt der Grenzziehung zwischen Annexklage und Nichtannexklage, so spricht viel dafür, dass die Rechtsnatur für jeden materiell-rechtlichen Anspruch auch stets gesondert zu bestimmen und dieses Ergebnis strikt (natürlich unter Berücksichtigung der unter Teil 2 §  2 B. behandelten Kriterien) auf die Ebene der Grenzziehung zwischen Annexklage und Nichtannexklage zu übertragen ist. Dies trifft insbesondere auf Fälle von Anspruchskonkurrenz109 zu, bei denen folglich jeder materiell-rechtliche Anspruch isoliert zu betrachten ist.110 Ergibt diese Betrachtung, dass ein insolvenzrechtlicher mit einem nichtinsolvenzrechtlichen Anspruch konkurriert, kommt es nicht zu einer einheitlichen Qualifikation anhand der Natur des Streitgegenstands mit der Folge, dass insgesamt eine Annexklage oder eine Nichtannexklage gegeben ist.111 Vielmehr ist in diesem Fall von einer Annexklage und einer Nichtannexklage auszugehen.145 108 

Siehe Text zu Teil 2, Fn.  154 und 155 sowie Ausführungen unter Teil 2 §  2 C. Zur Kontroverse zwischen der Lehre von der Anspruchskonkurrenz und der Lehre von der Anspruchsnormenkonkurrenz bzw. Anspruchsgrundlagenkonkurrenz vgl. einerseits Bachmann, in: MüKoBGB, §  241 Rn.  40, andererseits Wolf/Neuner, BGB AT, §  21 Rn.  8. In dieser Untersuchung wird die Lehre von der Anspruchskonkurrenz zu Grunde gelegt. 110  In diesem Sinne allgemein zu den Ausnahmetatbeständen des Art.  1 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO etwa Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Brüssel  Ia-VO Rn.  44; zum LugÜ im Grundsatz zustimmend Dasser, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  1 Rn.  60. Einen umfassenden Überblick über die Meinungen zu diesem Problemkreis gibt Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  188 ff. 111  Für eine einheitliche Qualifikation anhand der Natur des Streitgegenstands jedoch Haas, NZG 1999, 1148 (1153). In diesem Sinne allgemein zu den Ausschlusstatbeständen des Art.  1 109 

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b) Vorgaben der EuInsVO und Anhaltspunkte aus der Brüssel  Ia-VO In Art.  6 Abs.  3 EuInsVO präzisiert der europäische Gesetzgeber das Erfordernis des Zusammenhangs. Nach dieser Norm ist ein Zusammenhang zwischen Annexklage und Nichtannexklage anzunehmen, „wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig ist, um die Gefahr zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen“. In der Literatur wurde bedauert, dass eine ausdrückliche (auch nur beispielhafte) Festlegung der Reichweite des Art.  6 Abs.  3 EuInsVO im Bereich des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes nicht erfolgt ist.113 In Erwägungsgrund (35) S.  5 zur EuInsVO wird die Konstellation des Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO beispielhaft derart umschrieben, dass „der Verwalter eine insolvenzrechtliche Haftungsklage gegen einen Geschäftsführer mit einer gesellschaftsrechtlichen oder deliktsrechtlichen Klage verbinden will“. Die Literatur verweist auf Klagen gegen einen GmbH-Geschäftsführer, die einerseits auf §  43 GmbHG und andererseits auf §  64 GmbHG gestützt werden.114 Erwägungsgrund (35) S.  5 zur EuInsVO und derartigen Hinweisen lässt sich jedoch nicht entnehmen, in welchem Verhältnis Annexklage und Nichtannexklage konkret stehen müssen. Wendet man sich zur weiteren Konkretisierung der Brüssel  Ia-VO zu, springt – trotz des leicht abweichenden Wortlauts in den deutschen Fassungen115 – die Parallele zu Art.  8 Nr.  1 sowie Art.  30 Abs.  3 Brüssel  Ia-VO ins Auge. Eine Orientierung an der Auslegung dieser Vorschriften wurde in der Literatur bereits befürwortet.116 Wie in Bezug auf Art.  8 Nr.  1117 und Art.  30 Abs.  3118 BrüsAbs.  2 Brüssel  Ia-VO auch Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  1 EuGVO Rn.  19; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  1 EuGVVO Rn.  13. 112  In diesem Sinne auch Thole, ZIP 2012, 605 (607); Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  177. 113  Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  43. 114  Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  41. 115  Im Unterschied zu Art.  6 Abs.  3 EuInsVO ist in Art.  8 Nr.  1 und Art.  30 Abs.  3 Brüssel  Ia-VO von „geboten erscheint“ (nicht von „zweckmäßig ist“) die Rede sowie von „widersprechende[n] Entscheidungen“ (nicht von „miteinander unvereinbare[n] Entscheidungen“). Die englischen Sprachfassungen sprechen hingegen übereinstimmend von „expedient“ sowie von „irreconcilable judgments“. Die französischen Sprachfassungen sprechen ebenfalls grds. übereinstimmend von „intérêt“ sowie von „solutions/décisions inconciliables“. Der Wortlaut dürfte daher noch nicht für ein abweichendes Verständnis streiten. 116  Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  12; im Hinblick auf Art.  30 Abs.  3 Brüssel  Ia-VO ebenso Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  43. 117  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  8 Brüssel  Ia-VO Rn.  10; Stadler, in: Musielak/ Voit, ZPO, Art.  8 EuGVVO Rn.  3. 118  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  30 Brüssel  Ia-VO Rn.  5; Stadler, in: Musielak/ Voit, ZPO, Art.  30 EuGVVO Rn.  2.

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

sel  Ia-VO gilt jedenfalls auch für die Konkretisierung des erforderlichen Zusammenhangs gem. Art.  6 Abs.  2, 3 EuInsVO die Maßgabe einer autonomen Auslegung119. Darüber hinaus ist besagte Orientierung zwar nicht unproblematisch: Beispielsweise ist schon nicht abschließend geklärt, ob das Konnexitätserfordernis des Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO überhaupt in Übereinstimmung mit bzw. in Anlehnung an Art.  30 Abs.  3 Brüssel  Ia-VO auszulegen ist.120 Hinzu kommt, dass Art.  6 Abs.  2 EuInsVO – wie auch Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO – die internationale Zuständigkeit regelt, wohingegen Art.  30 Brüssel  Ia-VO (zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren eingreifend) die Koordinierung bereits anhängiger Klagen betrifft.121 Schließlich spricht gegen eine Übertragung der „gesicherten Erkenntnisse“122 zu Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO, dass das Konnexitätserfordernis des Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO der Erwägung entspringt, dass eine Klage gegen mehrere Beklagte nicht allein zu dem Zweck erhoben werden dürfe, „einen dieser Beklagten der Zuständigkeit der Gerichte seines Wohnsitzstaats zu entziehen“123. Da Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO Klagen gegen ein und denselben Beklagten betrifft und gerade auf die Gerichte des Wohnsitzstaats dieses Beklagten abzielt, kommt diese Erwägung insoweit nicht zum Tragen. Derartigen Bedenken lässt sich aber mit einer Orientierung begegnen, welche den Eigenheiten des Art.  6 Abs.  2, 3 EuInsVO gebührend Rechnung trägt. Die folgende Gliederung soll an die grundlegenden Vorgaben zu Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO angelehnt werden. Zur Konkretisierung der durch diese Norm aufgestellten Voraussetzung, dass „zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten“, betont der EuGH in ständiger Rechtsprechung, Paulus, EuInsVO, Art.  6 Rn.  16; Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  12. zu diesem Problem und eine systematische Einordnung des Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bei Art.  30 Brüssel  Ia-VO ablehnend Lund, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft im EuZPR, S.  18 ff. Es dürfte jedenfalls der überwiegenden Auffassung entsprechen, einen Zusammenhang i. S. d. Art.  30 Abs.  3 Brüssel  Ia-VO großzügiger als im Rahmen von Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zu bejahen. Vgl. in diesem Sinne etwa Schlussanträge GA Trstenjak v. 12.04.2011 – C-145/10 – Painer, Rn.  71; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  8 Brüssel  Ia-VO Rn.  10; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  30 EuGVVO Rn.  3; Schurig, FS Musielak, S.  493 (504 f.). 121  Dies betont auch Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  12, der aus diesem Grund „vor allem“ auf Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO Bezug nimmt. 122  Siehe nur Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  8 Brüssel  Ia-VO Rn.  10: „Rechtsprechung des EuGH ist zwar vorhanden, doch steckt sie den Rahmen des Art.  8 Nr.  1 bei weitem nicht präzise ab.“; vgl. auch Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  8 Rn.  33. 123  EuGH, Urt. v. 27.09.1988 – 189/87 – Kalfelis, Rn.  9; vgl. auch Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  8 Brüssel  Ia-VO Rn.  10; Lund, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft im EuZPR, S.  17 f. 119 

120  Ausführlich

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dass „Entscheidungen nicht schon deswegen als einander widersprechend betrachtet werden [können], weil es zu einer abweichenden Entscheidung des Rechtsstreits kommt, sondern diese Abweichung muss außerdem bei derselben Sach- und Rechtslage auftreten“124. Befürwortet man im Grundsatz eine Orientierung an Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO, müssen diese kumulativen Kriterien (dieselbe Sach- und Rechtslage)125 auch auf Annex- und Nichtannexklage zutreffen, um die Gefahr miteinander unvereinbarer Entscheidungen i. S. d. Art.  6 Abs.  3 EuInsVO bejahen und letztlich einen Zusammenhang i. S. d. Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO annehmen zu können. c) Schlussfolgerungen für Art.  6 Abs.  2, 3 EuInsVO aa) Dieselbe Rechtslage Zunächst müssten folglich in getrennten Verfahren miteinander unvereinbare Entscheidungen im Hinblick auf die Annexklage einerseits und die Nichtannexklage andererseits bei derselben Rechtslage drohen. In diesem Zusammenhang haben sich in Bezug auf Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zwei wichtige Erkenntnisse durchgesetzt. Erstens kann dieselbe Rechtslage bejaht werden, obschon die Rechtsnatur der Ansprüche, die den Klagen zu Grunde liegen, verschiedenartig ist.126 Zweitens kann dieselbe Rechtslage gegeben sein, obwohl diese Ansprüche sich im Hinblick auf ihre nationale Herkunft unterscheiden.127 Es dürfte zunächst kein Zweifel daran bestehen, dass diese Erkenntnisse auch für Art.  6 Abs.  2, 3 EuInsVO wegweisend sind.128 Denn Art.  6 Abs.  2, 3 EuInsVO 124  EuGH, Urt. v. 13.07.2006 – C-539/03 – Roche Nederland, Rn.  26; EuGH, Urt. v. 11.10.2007 – C-98/06 – Freeport, Rn.  40; EuGH, Urt. v. 01.12.2011 – C-145/10 – Painer, Rn.  79; EuGH, Urt. v. 12.07.2012 – C-616/10 – Solvay, Rn.  24; EuGH, Urt. v. 20.04.2016 – C-366/13 – Profit Investment, Rn.  65. 125  Vgl. Hess, EuZPR, §  6 Rn.  85; Lund, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft im EuZPR, S.  50 f.; deskriptiv zur EuGH-Rechtsprechung auch Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  8 Brüssel  Ia-VO Rn.  10. 126  EuGH, Urt. v. 11.10.2007 – C-98/06 – Freeport, Rn.  38 ff.; EuGH, Urt. v. 01.12.2011 – C-145/10 – Painer, Rn.  72 ff.; EuGH, Urt. v. 11.04.2013 – C-645/11 – Sapir, Rn.  44; Hess, EuZPR, §  6 Rn.  85; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  8 Brüssel  Ia-VO Rn.  12; Lund, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft im EuZPR, S.  50 ff.; Paulus, in: Paulus/Peiffer/ Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  8 Rn.  36. Siehe zum Zusammenhang i. S. d. Art.  30 Abs.  3 Brüssel  Ia-VO gleichsinnig Peiffer/Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  30 Rn.  16; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  30 EuGVVO Rn.  4. 127  EuGH, Urt. v. 01.12.2011 – C-145/10 – Painer, Rn.  72 ff.; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  8 Brüssel  Ia-VO Rn.  12; Lund, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft im EuZPR, S.  56 ff. 128  Vgl. bereits Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  12: „Zu beachten ist, dass die Gefahr widersprechender Entscheidungen nicht allein deshalb zu leugnen ist, weil insolvenz-

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

soll gerade eine einheitliche internationale Zuständigkeit im Hinblick auf die Verfolgung eines insolvenzrechtlichen und eines (in der Regel ganz andersartigen) nichtinsolvenzrechtlichen Anspruchs (z. B. eines gesellschaftsrechtlichen oder deliktsrechtlichen Anspruchs) sichern. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass sich die betroffenen Ansprüche im Hinblick auf ihre Rechtsnatur und (potentiell auch) ihre nationale Herkunft unterscheiden. Darüber hinaus dürfte es die soeben benannte Zielrichtung (Zusammenfassung verschiedenartiger Ansprüche) von Art.  6 Abs.  2, 3 EuInsVO geradezu bedingen, dass sich im Hinblick auf Annexklage und Nichtannexklage ganz unterschiedliche Rechtsfragen stellen. Diese Eigenheit dürfte zumindest zu einer starken Relativierung des Kriteriums derselben Rechtslage im Rahmen von Art.  6 Abs.  2, 3 EuInsVO führen. Man sollte hier davon absehen, die Prüfung und Feststellung derselben Rechtslage zu einer zwingenden Voraussetzung für die Annahme eines Zusammenhangs zu machen. bb) Dieselbe Sachlage Nach Vorstehendem spielt das Erfordernis derselben Sachlage im Rahmen des Art.  6 Abs.  2, 3 EuInsVO eine wichtige Rolle. Dieses (Teil-)Erfordernis ist in Bezug auf Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO noch nicht abschließend „ausgeformt“129.130 Es wird jedoch vertreten, „Konnexität“ i. S. d. Vorschrift könne bereits dann – ganz unabhängig vom Kriterium derselben Rechtslage – angenommen werden, wenn den verschiedenen Klagen derselbe Lebenssachverhalt zu Grunde liegt.131 Auch im Hinblick auf Art.  30 Abs.  3 Brüssel  Ia-VO bejaht man verbreitet die Konnexität zwischen den Klagen jedenfalls, sofern derselbe Lebenssachverhalt in Rede steht.132 Für Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter bietet sich in Bezug auf Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 (und auch V.  2) EuInsVO – gerade auf Grund der Relativierung des Kriteriums derselben Rechtslage – eine Anlehnung bezogene und nichtinsolvenzbezogene Annexklage stets zwei unterschiedliche Ausgangspunkte haben, denn dies liegt in der Natur der Sache.“ 129  Vgl. im Hinblick auf diese Formulierung Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  12.  130  Siehe nur die Übersicht zu den Grundannahmen zur einheitlichen Sachlage bei Lund, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft im EuZPR, S.  63, der selbst fordert (S.  72), „dass die Entscheidung beider Klagen mindestens von einer beträchtlichen Zahl identischer Tatsachen abhängt“. 131  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  8 Brüssel  Ia-VO Rn.  10: „wenn die Klagen [...] sich auf denselben tatsächlichen Gegenstand beziehen“. Vgl. bereits Schurig, FS Musielak, S.  493 (513, 522). 132  Geimer, in: Zöller, ZPO, Art.  30 EuGVVO Rn.  4; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  30 Brüssel  Ia-VO Rn.  7; Peiffer/Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  30 Rn.  15; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  30 EuGVVO Rn.  3.

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an diese Sichtweise an: Wird dem beklagten Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter ein und dasselbe tatsächliche Verhalten zum Vorwurf gemacht, dürfte derselbe Lebenssachverhalt im vorstehenden Sinne – und damit auch ein Zusammenhang i. S. d. Art.  6 Abs.  2, 3 EuInsVO – zu bejahen sein. Löst etwa ein und dieselbe Zahlung eines GmbH-Geschäftsführers neben dem (insolvenzrechtlichen133) Anspruch gem. §  64 S.  3 GmbHG einen (nichtinsolvenzrechtlichen134) Anspruch gem. §  43 Abs.  3 GmbHG aus,135 ist Konnexität im Hinblick auf die auf diese Ansprüche gestützten Klagen anzunehmen. Identisches gilt, sofern ein und dieselbe Vermögensausschüttung neben136 einem (insolvenzrechtlichen) Insol­venz­ anfech­tungsanspruch gegen einen Gesellschafter einen (nichtinsolvenzrechtlichen137) Anspruch gem. §  31 Abs.  1 GmbHG nach sich zieht.138 Die Gefahr, dass die für beide Klagen zentralen Tatsachen unterschiedlich beurteilt werden könnten, rechtfertigt hier eine Zusammenfassung. Aber auch wenn es sich nicht um denselben Lebenssachverhalt handelt, dürfte die Annahme eines Zusammenhangs nicht ausgeschlossen sein. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich der EuGH hier positionieren und welche exakten Forderungen er an den Zusammenhang stellen wird. II. Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO Reduziert man Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO auf die seine zweite Variante betreffenden Aussagen, so liest er sich folgendermaßen: Steht eine Annexklage im Zusammenhang mit einer Nichtannexklage, so kann der Verwalter beide Klagen – bei einer Klage gegen mehrere Beklagte – bei den Gerichten in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, erheben, vorausgesetzt, die betreffenden Gerichte sind nach der Brüssel  Ia-VO zuständig. Zunächst gelten die unter Teil 2 §  1 B.I.1. für Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 getroffenen Feststellungen sinngemäß auch für Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO. Ein Zusammenhang – zwischen Annexklage(n) und Nichtannexklage(n) gegen 133 

Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.IX. Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.VII.2. 135  Vgl. zur Konkurrenz dieser Ansprüche nur Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  251; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  178; Nerlich, in: M/H/L/S, GmbHG, §  64 Rn.  32. 136  Vgl. zur Konkurrenz dieser Haftungsinstitute nur Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  31 Rn.  10. 137  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.III. 138  Vgl. zu diesem Beispiel (für die Annahme eines Zusammenhangs) bereits Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  12: „Geht es aber jeweils um dieselbe Ausschüttung an den Gesellschafter, sind Widersprüche in der Beurteilung der Ausschüttung trotz unterschiedlicher Rechtsgrundlage denkbar.“ 134 

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

mehrere Beklagte – „als solcher“ rechtfertigt keine gemeinsame Zuständigkeit in anderen Staaten als den Wohnsitzstaaten der Beklagten. Zudem kann sich auch auf Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO nicht berufen, wer eine isolierte Klage (etwa nur eine Annexklage) erhebt. Ferner muss sich für die betroffenen Nichtannexklagen aus der Brüssel  Ia-VO eine internationale Zuständigkeit der Gerichte des anvisierten Wohnsitzstaates ergeben.139 1. Kein Erfordernis einer Mehrzahl von Annexklagen oder Nichtannexklagen gegen mehrere Beklagte Nicht ganz offensichtlich ist es, welche Rückschlüsse aus dem in Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO enthaltenen Einschub („bei einer Klage gegen mehrere Beklagte“) zu ziehen sind. Da der europäische Gesetzgeber in Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO im Hinblick auf eine Annexklage und eine Nichtannexklage zunächst im Plural von „beide Klagen“, in Bezug auf den Einschub jedoch, den Singular verwendend, von „einer Klage“ gegen mehrere Beklagte spricht, könnte man den Wortlaut derart deuten: Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 setzt in jedem Fall entweder eine Annexklage (bzw. Annexklagen) gegen mehrere Beklagte oder eine Nichtannexklage (bzw. Nichtannexklagen) gegen mehrere Beklagte voraus. Die Norm fände aber z. B.140 keine Anwendung, sofern sich eine Annexklage gegen einen Beklagten und eine Nichtannexklage gegen einen anderen Beklagten richtete. Derart scheint die Norm im Schrifttum auch interpretiert zu werden.141 Dieser Interpretation ist jedoch nicht zu folgen. Ein Beispiel soll dies veranschaulichen: In Deutschland sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH eröffnet. Der Insolvenzverwalter möchte sowohl einen Gesellschafter, der seinen Wohnsitz in den Niederlanden hat, als auch einen Geschäftsführer, der in Frankreich wohnt, zusammen verklagen. Beiden Klagen liegt ein und dieselbe Auszahlung des Geschäftsführers an den Gesellschafter zu Grunde, sodass 139  Vgl. Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO a. E. und die entsprechenden Ausführungen unter Teil 2 §  1 B.I.2. zu Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1. 140  Streng genommen wäre eine Anwendbarkeit auch zu verneinen, sofern sich zwei Annexklagen gegen denselben Beklagten und eine Nichtannexklage gegen einen anderen Beklagten richteten. Denn auch in diesem Fall lägen keine Annexklagen oder Nichtannexklagen gegen verschiedene Beklagte vor. 141  Vgl. Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  35: „[Art.  6] Abs.  2 differenziert danach, ob sich die andere Klage gegen denselben Beklagten richtet oder gegen verschiedene Beklagte.“ (Hervorhebung nicht i. O.). Vgl. auch Thole, in: MüKoInsO, Art.  6 EuInsVO Rn.  11: „Die Neufassung sieht nunmehr auch eine Zuständigkeit vor, wenn die Annexklage [...] gegen mehrere Beklagte zu richten sind [sic!], etwa gegen Gesellschafter und Geschäftsführer oder gegen mehrere Anfechtungsgegner.“

§  1 Grundlegendes

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von demselben Lebenssachverhalt auszugehen ist und der für Art.  6 Abs.  2, 3 ­EuInsVO notwendige Zusammenhang bejaht werden kann. Die Klage gegen den Geschäftsführer möchte der Insolvenzverwalter auf §  64 S.  3 GmbHG stützen, wohingegen der Gesellschafter auf Grund von §  31 Abs.  1 GmbHG in Anspruch genommen werden soll. Damit liegt der Fall einer Annexklage gegen einen Beklagten und einer Nichtannexklage gegen einen anderen Beklagten vor. Es wäre allerdings kaum überzeugend, dem Insolvenzverwalter eine Klage in den Niederlanden mit der Erwägung zu verwehren, dass weder eine Annexklage noch eine Nichtannexklage gegen mehrere Beklagte in Rede steht. Zur Vermeidung miteinander unvereinbarer Entscheidung und im Interesse der Prozessökonomie ist es sinnvoll, die tatsächlichen Umstände der Auszahlung nur einmal festzustellen und rechtlich zu würdigen, sodass durch Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO eine einheitliche internationale Zuständigkeit bereitgestellt werden sollte. Es kann zudem keinen Unterschied machen, ob der Insolvenzverwalter die Klage gegen den Geschäftsführer zusätzlich auf §  43 Abs.  3 GmbHG stützt – in diesem Fall lägen Nichtannexklagen gegen mehrere Beklagte vor und die eingangs erwogene Voraussetzung wäre zu bejahen. Folglich muss Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO auch in dem gebildeten Beispielsfall eingreifen. Im Übrigen wäre im Beispielsfall – unter der Voraussetzung, dass sich für die Nichtannexklage gegen den Gesellschafter (§  31 Abs.  1 GmbHG) eine interna­ tio­nale Zuständigkeit der französischen Gerichte nach der Brüssel  Ia-VO begründen lässt – für die Annexklage gegen den Geschäftsführer (§  64 S.  3 ­GmbHG) gem. Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO auch eine internationale Zuständigkeit vor den französischen Gerichten (d. h. im Wohnsitzstaat des annexbeklagten Geschäftsführers) zu bejahen. Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO beschränkt sich gerade nicht auf die Wohnsitzstaaten der Nichtannexbeklagten. 2. Erfordernis des Zusammenhangs zwischen bestimmten Klagen  Insbesondere142 im Rahmen der zweiten Variante von Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO kann bei mehr als zwei Klagen das Problem auftreten, zwischen ­welchen Klagen eigentlich der von der Norm geforderte Zusammenhang bestehen muss. Klar ist angesichts des ersten Halbsatzes von Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 ­EuInsVO jedenfalls, dass ein Zusammenhang zwischen einer (erhobenen) Annexklage und einer (erhobenen) Nichtannexklage zwingend erforderlich ist. 142  Auch im Hinblick auf Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 EuInsVO ist z. B. fragwürdig, ob ein Zusammenhang zwischen einer Annexklage-1 und einer Nichtannexklage dazu führen kann, dass auch eine Annexklage-2, die zwar im Zusammenhang mit der Annexklage-1, nicht jedoch im Zusammenhang mit besagter Nichtannexklage steht, gem. Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  1 ­EuInsVO im Wohnsitzstaat des Beklagten erhoben werden kann.

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

Fragwürdig ist es jedoch, ob bzw. inwieweit noch „mehr“ zu fordern ist. Ein vergleichbares Problem stellt sich auch im Hinblick auf Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Dort wird diskutiert, ob ein Zusammenhang zwischen allen erhobenen Klagen, ein Zusammenhang zwischen einer Klage zu irgendeiner weiteren Klage oder ein Zusammenhang zwischen der Ankerklage einerseits und jeder weiteren Klage andererseits bestehen muss.143 Richtigerweise ist die erste Möglichkeit mit einem Hinweis auf den effet utile und die zweite Möglichkeit mit dem Argument der Vorhersehbarkeit abzulehnen, sodass im Ergebnis dem dritten Ansatz der Vorzug gebührt.144 Diese Vorgabe sollte auch im Hinblick auf Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO Berücksichtigung finden. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: In Deutschland sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH eröffnet. Der Insolvenzverwalter möchte gegen drei Beklagte vorgehen, die allesamt nicht in Deutschland wohnen. Gegen zwei Beklagte möchte er jeweils eine Annexklage erheben (Annexklage-1 und Annexklage-2). Gegen den dritten Beklagten richtet sich eine Nichtannexklage. Klagen möchte er gegen alle Beklagten im Wohnsitzstaat des dritten Beklagten. Sollte sich der Fall – zugegebenermaßen theoretisch – derart darstellen, dass zwar jede Annexklage für sich gesehen im Zusammenhang mit der Nichtannexklage steht, jedoch kein Zusammenhang zwischen den Annexklagen gegeben ist, kann es nicht überzeugen, nicht für beide Annexklagen eine internationale Zuständigkeit im Wohnsitzstaat des Nichtannexbeklagten gem. Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO zu bejahen und zur Begründung darauf zu verweisen, dass nicht zwischen allen erhobenen Klagen ein Zusammenhang gegeben ist. Es wäre prozessunökonomisch und förderte widersprechende Entscheidungen, wenn sich der Insolvenzverwalter hier für eine Annexklage entscheiden müsste, die er in den Wohnsitzstaat des Nichtannexbeklagten zieht. Läge der Fall – wiederum zugegebenermaßen theoretisch – derart, dass zwar zwischen den Annexklagen sowie zwischen der Annexklage-1 und der Nichtannexklage ein Zusammenhang bestünde, ein solcher aber nicht zwischen der Annexklage-2 und der Nichtannexklage festgestellt werden könnte, sollte eine internationale Zuständigkeit für die Annexklage-2 im Wohnsitzstaat des Nichtannexbeklagten nicht auf Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO gestützt werden können. Da die Annexklage-2 hier keinen direkten (sondern nur einen über das Bindeglied „Annexklage-1“ vermittelten) Zusammenhang zur Nichtannexklage aufweist, träfe den Annexbeklagten-2 die Gerichtspflichtigkeit im Wohnsitz des

Lund, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft im EuZPR, S.  46 f.; vgl. auch Schurig, FS Musielak, S.  493 (514 f.). 144  Überzeugend Lund, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft im EuZPR, S.  47 f. 143 

§  2 Abstrakte Kriterien zur Bestimmung von Annexklagen

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Nichtannexbeklagten unvorhersehbar. Eine bloße „Konnexitätskette“145 sollte für Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 V.  2 EuInsVO daher nicht genügen. Letztendlich müssen derartige Fallkonstellationen im Rahmen des Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO jedoch als völlig offen bezeichnet werden und man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein.

§  2 Abstrakte Kriterien zur Bestimmung von Annexklagen A. Grundlegendes zur Konkretisierung der Gourdain-Formel I. „Neustrukturierung“ durch Nickel & Goeldner und G.T.-GmbH Nach allgemeiner Ansicht bedarf die Gourdain-Formel der Konkretisierung.146 Während der EuGH in der Gourdain-Entscheidung147 selbst noch eine ganze Reihe von Kriterien148 (häufig als „Kriterienbündel“ bezeichnet149) der in Rede stehenden action en comblement du passif gem. Art.  99 des französischen Gesetzes Nr.  67-563 vom 13.07.1967 aufgelistet hatte, um im Ergebnis die Annahme einer Annexklage zu stützen,150 verlieh er der Konkretisierung der Gourdain-Formel in Entscheidungen jüngeren Datums eine neue Struktur151. Für die Erfüllung der Formel sind nach diesen Entscheidungen im Ausgangspunkt zwei Kriterien von Bedeutung. Einerseits muss152 die Klage bei Gelegenheit/anlässlich eines 145  Vgl. Lund, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft im EuZPR, S.  47; Schurig, FS Musielak, S.  493 (515). 146  Siehe Teil 2, Fn.  44. 147  Vgl. zu dieser Entscheidung etwa Haas, NZG 1999, 1148 (1150 ff.); Lüke, FS Schütze, S.  467 (470 ff.); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  120 ff.; Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  121 ff.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  73 ff.; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  118 ff. 148  Siehe Ausführungen unter III. 149  Siehe etwa Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (671); Wedemann, IPRax 2015, 505 (506). 150  EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  5 f. 151  Vgl. auch Bramkamp, KTS 2015, 421 (425): „Erstmalig in der Rechtssache Nickel & Goeldner induziert der EuGH aus seinen Entscheidungen allgemein maßgebliche Kriterien [...].“ 152  Dieser Formulierung liegt bereits die – unter Teil 2 §  2 B. näher darzulegende – Auffassung zu Grunde, dass diesem Kriterium („Klage bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens“) allein ausschlaggebende Wirkung zukommt und keine Überlagerung/Verdrängung durch das zweite Kriterium („Ursprung der Klage im Insolvenzverfahrensrecht“) stattfindet. Diese Auffassung steht freilich in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den Ausführungen des EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner, Rn.  26 f., die man vordergrün-

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Insolvenzverfahrens erhoben werden.153 Andererseits muss sie ihren Ursprung im Insolvenzverfahrensrecht (und nicht in anderen Regelungen) haben.154 Dieses zweite Kriterium ist zu bejahen, sofern der Anspruch/die Verpflichtung, auf den/ die sich die Klage stützt, den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren entspringt.155 Ist dieser Anspruch hingegen den allgemeinen Regelungen des Zivilund Handelsrechts zuzuordnen, liegt auch der Ursprung der Klage nicht im Insolvenzverfahrensrecht. In Übereinstimmung mit dem „Bündel an Kriterien“ aus der Gourdain-Entscheidung156 sind für die Einstufung als Annexklage daher auch nach der aktuelleren Rechtsprechung neben der materiell-rechtlichen Grundlage der Klage (Klageursprung im Insolvenzverfahrensrecht, dazu unter C.) weitere Merkmale der Klage (Klage bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens, dazu unter B.) zu berücksichtigen. Diese „Neuausrichtung“ durch die jüngeren Entscheidungen wurde in der Literatur unter methodischen Gesichtspunkten dahingehend kritisiert, der EuGH habe das „Kriterienbündel“ der Gourdain-Entscheidung nicht aufgegriffen.157 In der Sache ist die Nichtorientierung an den Einzelelementen des „Kriterienbündels“ jedoch zu begrüßen.158 Dies beruht auf dem Umstand, dass diese Elemente zur Eingrenzung von Annexklagen zumeist ungeeignet sind (dazu unter III.). Abgesehen davon lässt sich ein Vorgehen, das sich in der Nennung einer Vielzahl von nicht abschließend festgelegten und nicht zueinander ins Verhältnis gesetzten Elementen erschöpft, nicht rechtssicher verallgemeinern.159 Denn versteht dig derart interpretieren kann, dass das erstgenannte Kriterium lediglich ein Hilfskriterium darstellt und es letztentscheidend „nur“ auf das zweite Kriterium ankommt. Vgl. Text zu Teil 2, Fn.  227, 287, 288 und 289. 153  EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner, Rn.  26; EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  18. 154  EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner, Rn.  26; EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  18. 155  EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner, Rn.  27; EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  21. 156  Hier griff der EuGH sowohl auf verfahrensrechtliche als auch auf materiell-rechtliche Aspekte zurück, vgl. bereits Haubold, IPRax 2002, 157 (162); Lüke, FS Schütze, S.  467 (474). Kritisch insoweit Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  126: „Auch dass der EuGH in seiner Entscheidung offen lässt, ob eher materielle Kriterien oder verfahrensrechtliche Kriterien zur Qualifikation entscheidend seien, fördert eine Grenzziehung nicht.“ Wie im Folgenden gezeigt werden wird, sind neben der materiell-rechtlichen Grundlage auch weitere Merkmale der Klage von ausschlaggebender Bedeutung für die Bestimmung von Annexklagen. 157  Kindler, EuZW 2015, 143 (144); Mankowski, NZI 2014, 922 (922); Thole, IPRax 2015, 396 (398 mit Fn.  24). 158  Positiver zur Abkehr vom „Kriterienbündel“ Wedemann, IPRax 2015, 505 (506). 159  Kritisch unter dem Gesichtspunkt der Verallgemeinerungsfähigkeit bereits Lüke, ZZP 111 (1998), 275 (294); vgl. auch Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO

§  2 Abstrakte Kriterien zur Bestimmung von Annexklagen

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man die Einzelelemente ohnehin nur als „Kann-Kriterien“160 zur Begründung eines Annexverfahrens, bleibt völlig unbestimmt, welche sonstigen Besonderheiten eines Einzelverfahrens für ein Annexverfahren ins Feld geführt werden könnten. Der Rechtsanwender vermag auch die Wertigkeit, die den (in früheren Entscheidungen bereits angeführten) Einzelelementen im Hinblick auf die Begründung eines Annexverfahrens zukommt, nicht abzuschätzen.161 Die neue Abgrenzungsstruktur, die noch weitergehender Konkretisierung bedarf, ist daher jedenfalls zu befürworten. II. Relevanz insolvenzspezifischer Vorfragen? Einigkeit besteht noch insoweit, als die Bejahung einer Annexklage voraussetzt, dass der Streitgegenstand der jeweiligen Klage insolvenzrechtlicher Natur ist.162 Streitig ist allerdings, worauf abzustellen ist, um zu bestimmen, ob der Streitgegenstand einer Klage insolvenzrechtlicher Natur ist. Nach einer Ansicht kommt es lediglich auf die Hauptfrage der Klage an, sodass insolvenzrechtliche Vorfragen allein niemals zu einem insolvenzrechtlichen Streitgegenstand führen können.163 Nach der Gegenansicht ist entscheidend, ob der Kernpunkt der Streitigkeit insolvenzrechtlicher Natur ist, wobei auch eine insolvenzrechtliche Vorfrage allein – als Beispiel wird etwa die Anfechtungseinrede des Insolvenzverwalters

im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  125 f.; Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  125. 160  Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (672); Thole, ZEuP 2010, 907 (918); Weller, in: MüKoGmbHG, Einleitung Rn.  407. 161  Vgl. Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  125. 162  Vgl. Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  45; Geimer, in: Zöller, ZPO, Art.  1 EuGVVO Rn.  30; Haas, ZIP 2013, 2381 (2387); Hess, EuZPR, §  6 Rn.  13; Mankowski, NZI 2009, 571 (572); ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Brüssel  Ia-VO Rn.  43; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  1 EuGVVO Rn.  3; Thole, in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  120; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  1 EuGVVO Rn.  4, 28. 163  In diesem Sinne BGH, Urt. v. 16.09.2015 – VIII ZR 17/15 = NZI 2015, 1033 (1035 f.); Geimer, in: Zöller, ZPO, Art.  1 EuGVVO Rn.  30; Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  184; Hess, EuZPR, §  6 Rn.  13; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  1 EuGVO Rn.  17 (tendenziell anders aber Rn.  35 zur Entscheidung Alpenblume); Mankowski, NZI 2009, 571 (572); ders., NZI 2014, 922 (923); Nagel/Gottwald, IZPR, §  3 Rn.  26; Oberhammer, IPRax 2010, 317 (322); E. Peiffer/M. Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  1 Rn.  47; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  1 EuGVVO Rn.  3; Willemer, Vis attractiva concursus und die ­EuInsVO, S.  137; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  82. Siehe zu Art.  1 Abs.  2 lit.  d) Brüssel  Ia-VO auch EuGH, Urt. v. 10.02.2009 – C-185/07 – Allianz SpA, Rn.  26.

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genannt – den Kernpunkt der Klage ausmachen könne, sodass wiederum ein insolvenzrechtlicher Streitgegenstand vorliege.164 Vor diesem Hintergrund ist für die hier zu behandelnden Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter festzuhalten: Sofern für einen Haftungsanspruch im Folgenden festgelegt wird, dass er den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren entspringt (dann ist der Ursprung der Klage im Insolvenzverfahrensrecht zu verorten165), ist eine auf diesen (bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens) gestützte Klage als Annexklage anzusehen, ohne dass der soeben dargelegte Streit eine Rolle spielt. Denn in diesem Fall hat man es mit einer insolvenzrechtlichen Hauptfrage zu tun. Theoretisch wäre es zwar denkbar, dass auch eine insolvenzrechtliche Hauptfrage durch eine den Kernpunkt der Klage bildende, den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts zuzurechnende Vorfrage überlagert wird, sodass nach der Kernpunkttheorie ein nicht­ insol­venz­rechtlicher Streitgegenstand anzunehmen sein könnte. Ob die Kernpunkttheorie jedoch auch in diesem Sinne anzuwenden ist, haben deren Vertreter bislang (soweit ersichtlich) noch nicht klar offenbart; es geht stets umgekehrt um die Frage, ob eine insolvenzrechtliche Vorfrage (bei nichtinsolvenzrechtlicher Hauptfrage) zu einem insolvenzrechtlichen Streitgegenstand führt. Gegen eine Anwendung in diesem Sinne (und auch insgesamt) spricht die Neustrukturierung der Konkretisierung der Gourdain-Formel durch den EuGH, bei welcher der Gerichtshof davon ausgeht, dass es (für den Ursprung der Klage) allein auf den Anspruch ankommt, auf welchen sich die Klage stützt. Nach hier vertretener Auffassung ist die Kernpunkttheorie auch im Übrigen abzulehnen. Ist ein der Klage als Hauptfrage zu Grunde liegender Haftungsanspruch den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts zuzuordnen, ändert auch eine insolvenzrechtliche, den Kernpunkt der Klage bildende Vorfrage nichts daran, dass eine Annexklage stets ausscheidet. Hierfür sprechen erstens Praktikabilitätserwägungen166: Es gibt keine klaren Leitlinien zur Bestimmung des Kernpunkts einer Klage.167 Kommt eine bestimmte (insolvenzrechtliche) Vorfrage auch dann als Kernpunkt der Klage in Betracht, wenn der Rechtsstreit daneben noch andere Probleme aufwirft? Falls man dies im Grundsatz bejaht: 164  In diesem Sinne Haas, NZG 2013, 1161 (1162); ders., ZIP 2013, 2381 (2387 ff.); Haas/ Brunner, FS Sutter-Somm, S.  169 (174 f.); Thole, IPRax 2015, 396 (399 f.); vgl. auch dens., in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000, Rn.  120. 165  Siehe Text zu Teil 2, Fn.  154 und 155. 166  Vgl. bereits Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  137: „Auch eine Differenzierung nach dem Gewicht der insolvenzrechtlichen Fragen innerhalb des konkreten Rechtsstreits muß ausscheiden, weil sie nicht praktikabel wäre.“ 167  Beachte aber den Ansatz von Haas, ZIP 2013, 2381 (2389) zum Beispiel der Anfechtungseinrede.

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Nach welchen Kriterien bewertet man die Relevanz der unterschiedlichen Rechtsfragen? Zweitens bringt die Kernpunkttheorie das Problem mit sich, dass der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht zuverlässig vorhersehen168 kann, nach welchen Vorschriften (Brüssel  Ia-VO oder EuInsVO) sich die internationale Zuständigkeit richtet, da der Kernpunkt des Rechtsstreits (der z. B. durch Einwände des Beklagten verschoben werden könnte) zu diesem Zeitpunkt nicht in jedem Fall feststeht.169 Drittens überzeugen die zur Unterstützung der Kernpunktheorie angeführten170 Parallelen zu Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO nicht. Dies liegt nicht an den vorgebrachten Parallelen, sondern an der (nach hiesiger Interpretation der EuGH-Rechtsprechung zu Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO) verfehlten Prämisse, dass der EuGH im Rahmen von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO per se anhand der Kernpunkttheorie verfahre171. Zwar hat der EuGH entschieden, dass Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO „nur Rechtsstreitigkeiten erfasst, die in erster Linie die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung von Gesellschaften oder juristischen Personen oder die Gültigkeit von Beschlüssen ihrer Organe betreffen“172. Zumindest im Hinblick auf Vertragsstreitigkeiten hat er jedoch abschließend festgehalten, dass Vorfragen aus den in Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO aufgezählten Bereichen (im konkreten Verfahren ging es um die Gültigkeit eines Organbeschlusses) nichts an der Nichtmaßgeblichkeit dieser Norm ändern.173 Nach hier vertretener Auffassung gilt dies auch unabhängig vom Gewicht der Vorfrage im konkreten Verfahren.174 Mit anderen Worten kann Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO bei Vertragsstreitigkeiten auch dann nicht in Stellung gebracht 168 

Die Notwendigkeit vorhersehbarer Zuständigkeitsvorschriften unterstreicht Erwägungsgrund (15) zur Brüssel  Ia-VO. 169  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  82. Siehe zur Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO auch BGH, Urt. v. 16.09.2015 – VIII ZR 17/15 = NZI 2015, 1033 (1035): „Denn es würde [...] gegen den [...] Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, wenn die Anwendbarkeit einer Regel über die gerichtliche Zuständigkeit [...] von der Existenz einer Vorfrage, die von den Parteien jederzeit aufgeworfen werden kann, [...] abhinge“; Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  200. 170  Haas, ZIP 2013, 2381 (2388). 171  Diese Prämisse scheint demgegenüber Haas, ZIP 2013, 2381 (2388) zur Grundlage seiner Ausführungen zu machen: „Ob mithin etwa die Gültigkeit des Beschlusses des Gesellschaftsorgans Vor- oder Hauptfrage ist, ist für die Frage, ob die Zuständigkeitskonzentration des Art.  22 Nr.  2 EuGVVO zur Anwendung kommt, gleichgültig. Entscheidend ist vielmehr, ob diese Rechtsfrage (z. B. Gültigkeit des Organbeschlusses) im Mittelpunkt der Rechtsstreitigkeit steht oder nicht, ob sie also den Kern der Streitigkeit bildet.“ 172  EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  44 (Hervorhebung nicht i. O.). 173  EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  47. 174  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  48.

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werden, wenn die Vorfrage aus dem Bereich des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO den Kernpunkt der Streitigkeit bildet. Wie der EuGH besagte „In- erster-Linie-Rechtsprechung“ im Übrigen ausformen wird, ist nicht sicher. Das soeben dargelegte Vorgehen bei Vertragsstreitigkeiten spricht jedoch auch für andere Rechtsbereiche tendenziell und richtigerweise175 gegen eine Berücksichtigung von Vorfragen bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO. Daher können Parallelen zu dieser Norm auch nicht die Kernpunkttheorie im Hinblick auf die Bestimmung von Annexklagen unterstützen. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass Vorfragen für die Grenzziehung zwischen Annexklagen und Nichtannexklagen (jedenfalls im Hinblick auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter) keine Rolle spielen. Allerdings widerspricht diese Sichtweise der Alpenblume-Entscheidung176 des EuGH, mit welcher ein Eingreifen des Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO bejaht wurde, obschon die streitige insolvenzrechtliche Befugnis des Insolvenzverwalters lediglich eine Vorfrage darstellte.177 III. Ungeeignetheit der Gourdain-Kriterien 1. Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach autonomem nationalem Recht In der Gourdain-Entscheidung begründete der EuGH die Annahme einer Annexklage (auch) damit, dass das französische Recht für die in Rede stehende Klage eine ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts vorsehe.178 Aus Art.  32 Abs.  1 UAbs.  2 EuInsVO ergibt sich zunächst unzweifelhaft, dass dies (jedenfalls nach heutiger Rechtslage) keine zwingende Voraussetzung für eine Annexklage darstellen kann.179 Diese Norm setzt Annexentscheidungen voraus, die „von einem anderen Gericht“ als dem Insolvenzgericht erlassen werden.180 Auch die Deko Marty-Rechtsprechung181 unterstreicht diese Sichtweise: Obwohl das 175 

Siehe Ausführungen unter Teil 3 §  1. EuGH, Urt. v. 02.07.2009 – C-111/08 – Alpenblume. Darauf hinweisend auch Haas/ Brunner, FS Sutter-Somm, S.  169 (174): „Der EuGH folgt dem offensichtlich nicht.“ 177  Siehe zu dieser Entscheidung (alle ablehnend zumindest auch aus dem soeben genannten Grund) Freitag, ZIP 2014, 302 (306); Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  137 ff.; Mankowski, NZI 2009, 571 (572); Oberhammer, IPRax 2010, 317 (322). Nach Thole, IPRax 2015, 396 (400) hätte auch auf Basis einer Kernpunktbetrachtung das Eingreifen von Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO nicht bejaht werden dürfen. Der Entscheidung des EuGH zustimmend demgegenüber Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  1 EuGVO Rn.  35. 178  EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  5. 179  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  78. 180  Eindeutig EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  27. 181  EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty. 176 

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deutsche Recht keine ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für Insolvenzanfechtungsklagen vorsieht, bejahte der EuGH den Annexcharakter einer auf den §§  129 ff. InsO beruhenden Klage.182 Die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach autonomem, nationalem Recht sollte aber nicht nur keine zwingende Voraussetzung für ein Annexverfahren sein. Es spricht viel dafür, diesem Umstand sowie der nationalen Zuständigkeitsverteilung insgesamt den Einfluss auf die Abgrenzungsentscheidung vollkommen zu versagen.183 Denn eine Berücksichtigung wäre unter der Prämisse der autonomen Auslegung von Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO sowie Art.  6 Abs.  1 EuInsVO, die auf einheitliche Rechtsanwendung abzielt184, nicht haltbar185: Die Konzentration bestimmter Streitigkeiten beim Insolvenzgericht ist Ausdruck der nationalen vis attractiva concursus.186 Das auf der Ebene des europäischen Sekundärrechts bestehende Problem der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit im Hinblick auf insolvenzbezogene Einzelverfahren fußt gerade auf dem Umstand, dass die vis attractiva concursus in den verschiedenen Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich ausgeprägt ist.187 Orientiert man die Auslegung des europäischen Sekundärrechts auch nur partiell an diesen verschiedenartigen Ausprägungen, unterläuft man den Vereinheitlichungsgedanken. 2. Ausschließliche Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters Neben der ausschließlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts berief sich der EuGH in der Gourdain-Entscheidung auf die ausschließliche Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters.188

Darauf hinweisend bereits Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (672). Im Ergebnis gleichsinnig bereits Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 19 (42); Haas, NZG 1999, 1148 (1151); Lüke, FS Schütze, S.  467 (476 f.); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  120 f.; einschränkend Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  140 f. 184  Siehe Teil 2, Fn.  43. 185  Vgl. Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  120 f.; Willemer, Vis attractiva concursus und die ­EuInsVO, S.  140; kritisch im Hinblick auf die vertragsautonome Auslegung des EuGVÜ bereits Eben­ roth/Kieser, KTS 1988, 19 (42). 186  Vgl. Haas, NZG 1999, 1148 (1151); Willemer, Vis attractiva concursus und die ­EuInsVO, S.  140. 187  Haas, ZIP 2013, 2381 (2381); Haubold, IPRax 2002, 157 (159); Thole, ZEuP 2010, 907 (908 ff.). 188  EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  5. Siehe auch zur Insolvenzanfechtungsklage nach deutschem Recht EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  16: „Nur der Insolvenzverwalter kann diese Klage im Fall der Insolvenz erheben“. 182  183 

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Dieser Punkt kann jedoch einerseits kein hinreichendes Kriterium für ein Annexverfahren sein.189 Ein derartiges Verständnis widerspräche Erwägungsgrund (35) zur EuInsVO: Nach deutschem Recht geht gem. §  80 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Dies bedeutet (u. a.) die alleinige Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters,190 z. B. auch im Hinblick auf eine Klage, mit der ein Anspruch aus einem Kaufvertrag verfolgt wird, den der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen hat. Dass eine solche Klage jedoch keine Annexklage darstellt, unterstreicht Erwägungsgrund (35) S.  3 zur EuInsVO.191 Zudem ergäbe sich ein gewisses Spannungsverhältnis192 zur heute ganz herrschenden (wenn nicht einhelligen) Meinung193, dass die Beteiligung des Insolvenzverwalters am Prozess nicht allein die Annahme einer Annexklage trägt. Andererseits ist die Prozessbeteiligung des Insolvenzverwalters194 (und erst recht dessen ausschließliche Prozessführungsbefugnis) keine notwendige VorIn diese Richtung bereits Haas, NZG 1999, 1148 (1151); H. Schmidt, EuZW 1990, 219 (219); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  121; Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  126; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  78; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  133 ff. 190  Vgl. BGH, Beschl. v. 29.05.2008 – V ZB 3/08 = NZI 2008, 613 (613); Bork, InsR, Rn.  151; Eckardt, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  32 Rn.  1. 191  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  1 A.III. 192  Man könnte einen Widerspruch (theoretisch) mit dem Argument verneinen, dass noch nicht die Beteiligung (der auch eine nicht ausschließliche Prozessführungsbefugnis zu Grunde liegen kann) des Insolvenzverwalters, jedoch die potentiell enger gefasste (vgl. z. B. zur Entwicklung der action en comblement du passif, durch welche die in der Gourdain-Entscheidung noch angeführte ausschließliche Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters inzwischen aufgehoben wurde, Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 19 (41); Lüke, FS Schütze, S.  467 (476); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  73 mit Fn.  61) ausschließliche Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für die Annahme einer Annexklage ausreicht. Auch dies löst den soeben angedeuteten Widerspruch zu Erwägungsgrund (35) S.  3 zur ­EuInsVO jedoch nicht auf. 193  EuGH, Urt. v. 10.09.2009 – C-292/08 – German Graphics, Rn.  33; EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner, Rn.  29 ff.; Althammer/Tolani, FS Schilken, S.  589 (596 f.); Haas, ZIP 2013, 2381 (2383); Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Brüssel  Ia-VO Rn.  76; Oberhammer, ZIK 2010, 6 (9); Thole, IPRax 2015, 396 (398). 194  Haas, ZIP 2013, 2381 (2386 f.); Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  6 mit Fn.  18; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Brüssel  Ia-VO Rn.  70; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  78; Wedemann, IPRax 2015, 505 (507). A. A. Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  44; Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  174. 189 

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aussetzung für die Annahme einer Annexklage. Nach h. M.195 zum deutschen Recht kann der Insolvenzverwalter den Insolvenzschuldner unter gewissen Voraussetzungen „ermächtigen“, einen massebezogenen Prozess im eigenen Namen (aber für die Insolvenzmasse) zu führen.196 Durch eine solche gewillkürte Prozessstandschaft erlangt der Insolvenzschuldner die Prozessführungsbefugnis.197 Richtigerweise ändert dies jedoch nichts daran, dass die vom Insolvenzschuldner angestrengte Klage potentiell – natürlich abhängig von ihrer materiell-rechtlichen Grundlage – Annexklage sein kann.198 3. Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit/Massemehrung bei Klageerfolg Des Weiteren stützte der EuGH das Ergebnis der Gourdain-Entscheidung auf den Umstand, dass die Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit erhoben worden sei und im Erfolgsfall eine Mehrung der Insolvenzmasse eintrete.199 Von einem hinreichenden Kriterium für die Annahme einer Annexklage kann insofern jedoch keine Rede sein, da massebezogene Aktivklagen des Insolvenzverwalters grds. im Interesse der Gläubigergesamtheit erhoben werden und im Erfolgsfall zu einer Mehrung der Insolvenzmasse führen.200 Bei einem derartigen Verständnis würden Klagen als Annexklagen eingestuft, die laut Erwägungsgrund (35) S.  3 zur EuInsVO201 gerade nicht zum Kreis der Annexklagen gehören sollen. 195  Eckardt, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  32 Rn.  43; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, §  80 Rn.  181. 196  Auf diese Konstellation hinweisend bereits Haas, ZIP 2013, 2281 (2287); Wedemann, IPRax 2015, 505 (507). 197  Mock, in: Uhlenbruck, InsO, §  80 Rn.  232. 198  Siehe bereits Haas, ZIP 2013, 2281 (2287) mit dem überzeugenden Argument, eine solche Klage unterliege denselben Regeln wie die Geltendmachung des betreffenden Rechts durch den Insolvenzverwalter. Im Ergebnis ebenso Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Brüssel  Ia-VO Rn.  70; Wedemann, IPRax 2015, 505 (507). 199  EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  5. Siehe auch EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  16: „Nur der Insolvenzverwalter kann diese Klage [...] erheben, und zwar ausschließlich zur Wahrnehmung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger.“ In Rn.  17 dieses Urteils heißt es: „ Die [...] Anfechtungsklage verfolgt somit das Ziel, die Aktiva des Unternehmens, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, zu vermehren.“ 200  In diesem Sinne bereits Centner, LMK 2014, 364501; Haas, NZG 1999, 1148 (1151); ders., ZIP 2013, 2381 (2383); Oberhammer, IPRax 2010, 317 (323); H. Schmidt, EuZW 1990, 219 (219); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  122; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  136 f. 201  Zu einem Beispiel für eine Klage i. S. v. Erwägungsgrund (35) S.  3 zur EuInsVO vgl. die Ausführungen unter 2.

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Problematisch ist demgegenüber, ob in diesem Zusammenhang von einer notwendigen Voraussetzung einer Annexklage ausgegangen werden muss. Kann es sich auch dann um eine Annexklage handeln, wenn die Klage nicht im Interesse der Gläubigergesamtheit mit dem Ziel der Massemehrung, sondern im Interesse mehrerer (aber nicht aller) Gläubiger mit dem Ziel der Anhäufung einer Sondermasse bzw. im Interesse eines einzelnen Gläubigers mit dem Ziel der Mehrung nur oder jedenfalls in erster Linie seines Vermögens erhoben wird? Auf diese Frage ist unter Teil 2 §  2 B.II. zurückzukommen. 4. Haftungsvermutung zu Lasten des beklagten Geschäftsleiters Um zu untermauern, dass die in Rede stehende Klage – nach heutiger Terminologie der EuGH-Rechtsprechung202 – ihren Ursprung im Insolvenzverfahrensrecht hatte, verwies der EuGH203 zudem auf die dem Haftungstatbestand innewohnende Haftungsvermutung, die den Geschäftsleitern die Beweislast dafür aufbürdet, dass sie die Geschäfte der Gesellschaft mit der erforderlichen Sorgfalt und dem nötigen Einsatz geführt haben204. Auch aus dieser Erwägung lässt sich jedoch weder ein hinreichendes Kriterium noch eine notwendige Voraussetzung für die Annahme einer Annexklage ableiten, da Besonderheiten zur Beweislastverteilung weder Beleg für noch Bedingung eines insolvenzverfahrensspezifischen Anspruchs sind; derartige Besonderheiten kommen auch bei eindeutig nicht insolvenzverfahrensspezifischen Ansprüchen wie z. B. §  280 Abs.  1 S.  2 BGB vor.205 5. Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die endgültige Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren Der spezielle Umstand, dass die Verjährung eines Haftungsanspruchs mit der endgültigen Feststellung der Forderungen im Insolvenzverfahren beginnt,206 ist ebenfalls kein trennscharfes Kriterium, um flächendeckend zu ermitteln, ob ein Haftungsanspruch taugliche Grundlage einer Annexklage sein kann.207 Bei202 

Siehe Text zu Teil 2, Fn.  154. EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  5. 204  Siehe dazu Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz bei Kapitalgesellschaften in Frankreich, S.  107 ff. 205  Dieses Kriterium ablehnend bereits Lüke, FS Schütze, S.  467 (474); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  122; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  132 f. 206  Vgl. EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  5. 207  Dieses Kriterium ablehnend bereits Lüke, FS Schütze, S.  467 (474 f.); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  123; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  120 mit Fn.  14. 203 

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spielsweise richtet sich die Verjährung von Insolvenzanfechtungsansprüchen gem. §  146 Abs.  1 InsO nach der regelmäßigen Verjährung des BGB, ohne dass in Frage stünde, ob derartige Ansprüche taugliche Grundlage einer Annexklage sein können.208 Der EuGH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung auch §  64 S.  1 GmbHG den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren209 zugeordnet,210 obschon die Verjährung dieses Anspruchs nach zumindest h. M. mit der Zahlung einsetzt211, sodass ihr Beginn nicht von einem Element des Insolvenzverfahrens abhängt. 6. Anschließendes Insolvenzverfahren über das Vermögen des beklagten Geschäftsleiters Letztlich berief sich der EuGH auf die Möglichkeit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des beklagten Geschäftsleiters, sofern dieser den eingeklagten Haftungsanspruch im Falle der Verurteilung zur Zahlung nicht begleicht.212 Zunächst ist klarzustellen, dass es für die Einstufung der die Geschäftsleiterhaftung betreffenden Klage als Annexverfahren keinesfalls darauf ankommen kann, ob das sich ggfs. anschließende Insolvenzverfahren über das Vermögen des Geschäftsleiters unter Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO fällt. Denn dieses Insolvenzverfahren ist im Hinblick auf die einzustufende Einzelklage sicher nicht Streitgegenstand.213 Zu erwägen bleibt daher lediglich, ob die Möglichkeit eines sich anschließenden Insolvenzverfahrens geeignet ist, der Geschäftsleiterhaftung selbst ein insolvenzverfahrensrechtliches Gepräge zu verleihen, sodass der Ursprung der Einzelklage im Insolvenzverfahrensrecht zu verorten wäre. Auch dies ist indes abzulehnen, da z. B. in Deutschland im Anschluss an sämtliche Haftungsansprüche gegen Geschäftsleiter die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens über deren Vermögen besteht, sofern der Geschäftsleiter die eingeklagten Haftungsansprüche mangels entsprechender finanzieller Mittel nicht erfüllen kann. Zwecks DifVgl. Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (672). Vgl. zur Terminologie den Text zu Teil 2, Fn.  155. 210  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  23. 211  BGH, Beschl. v. 23.09.2010 – IX ZB 204/09 = NZI 2011, 73 (74); Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  34; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  133; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  64 Rn.  69; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  172; Wicke, GmbHG, §  64 Rn.  24. A. A. Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  38; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  41. 212  EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  5. 213  Vgl. Lüke, FS Schütze, S.  467 (474); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  123. 208  209 

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

ferenzierung zwischen insolvenzrechtlichen und nichtinsolvenzrechtlichen Haftungsansprüchen ist daher ein Rückgriff auf andere Kriterien notwendig. Die Möglichkeit eines sich anschließenden Insolvenzverfahrens sollte daher für die Einstufung einer Einzelklage keine Rolle spielen.214

B. Klage bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens An dieser Stelle gilt es zu erörtern, welche insolvenzbezogenen Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter auf Grund der Voraussetzung, dass eine Annexklage bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens erhoben worden sein muss215, in den sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel  Ia-VO fallen. I. Eröffnung und Nichtbeendigung des Insolvenzverfahrens bei Klageerhebung Eine nüchterne Betrachtung der soeben genannten Voraussetzung legt den Schluss nahe, dass eine Annexklage nicht (mehr) in Betracht kommt, sofern ein Insolvenzverfahren – z. B. bei Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse gem. §  26 Abs.  1 S.  1 InsO – nicht eröffnet wurde oder bei Erhebung der Haftungsklage bereits beendet war. Denn in diesen Konstellationen wird diese Klage nicht bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens angestrengt, sondern unabhängig davon bzw. danach. Gleichwohl herrscht im Hinblick auf besagte Schlussfolgerung noch keine Einstimmigkeit. Die Klärung dieser Fragestellung ist im Hinblick auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter sehr bedeutsam: Erstens können die diesen Klagen zu Grunde liegenden Haftungsansprüche häufig (auch) bei Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens verfolgt werden.216 Zweitens hat der EuGH ausdrücklich entschieden, dass letztgenannte Möglichkeit nicht die Annahme ausschließt, dass eine auf einen derartigen Anspruch gestützte Klage innerhalb eines Insolvenzverfahrens eine Annexklage darstellt.217 Damit drängt sich die Frage Im Ergebnis ebenso Lüke, FS Schütze, S.  467 (474); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  123. 215  Siehe Text in Teil 2, Fn.  152 sowie Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  153. 216  Zu §  64 S.  1 GmbHG vgl. Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  28. Zu §  64 S.  3 GmbHG vgl. Wicke, GmbHG, §  64 Rn.  26. Zur Insolvenzverschleppungshaftung vgl. Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  76. Für die Haftung der Gesellschafter wegen materieller Unterkapitalisierung vgl. Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  419. Zur Existenzvernichtungshaftung vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, §  13 Rn.  108. Allgemein auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  113 mit Fn.  264. 217  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  20. Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 C.III. 214 

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auf, wie außerhalb des Insolvenzverfahrens zu entscheiden ist, sofern man innerhalb des Insolvenzverfahrens bzgl. eines bestimmten Haftungsanspruchs tatsächlich eine Annexklage bejaht. 1. Meinungsüberblick Ganz überwiegend lehnt die Literatur die Möglichkeit der Annahme einer Annexklage bei Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens ab.218 Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass eine Annexklage auch dann nicht (mehr) in Betracht komme, wenn das Insolvenzverfahren bei Klageerhebung bereits beendet war.219 Vereinzelt wird die Notwendigkeit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens jedoch abgelehnt und die Annahme einer Annexklage auch bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens für möglich gehalten.220 Die Rechtsprechung des EuGH zu diesem Problemkreis ist nicht eindeutig. Im G.T. GmbH-Urteil erklärte der EuGH, eine auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage (die er innerhalb des Insolvenzverfahrens als Annexklage einstuft221) „könne“ außerhalb des Insolvenzverfahrens unter die Brüssel  Ia-VO fallen.222 Diese Aussage ist in der Literatur nicht einheitlich interpretiert worden: Teilweise geht man davon aus, der EuGH habe sich ausdrücklich gegen eine Heranziehung der EuInsVO in derartigen Fällen entschieden.223 Andere erkennen die Tendenz, insoweit eine Annexklage abzulehnen.224 Letztlich hält man die Konstellation des nichteröffneten Insolvenzverfahrens für weiterhin klärungsbedürftig.225 Unsi218  Bork, FS Beck, S.  49 (52); Czaplinski/Knodel, GWR 2015, 16 (16); Freitag, ZIP 2014, 302 (305); Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  4 EuInsVO Rn.  53 und 59; Haas, NZG 2010, 495 (497); ders., ZIP 2013, 2381 (2384); Thole, ZIP 2012, 605 (607 mit Fn.  16); Wais, IPRax 2011, 138 (140 mit Fn.  27); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  118 ff.; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (870); dies., IPRax 2015, 505 (507). 219  Freitag, ZIP 2014, 302 (305); Thole, GPR 2014, 113 (114); ders., IPRax 2015, 396 (398). Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  185, sieht es als Indiz gegen das Vorliegen einer Annexklage an, sofern die Klageerhebung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist. Nur „im Grundsatz“ für die Maßgeblichkeit der Brüssel  Ia-VO bei nicht eröffnetem und bereits abgeschlossenem Insolvenzverfahren E. Peiffer/M. Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  1 Rn.  66 und 68. 220  In diese Richtung Schulz, NZG 2015, 146 (148), der eine auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage auch bei Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens der EuInsVO zuweisen möchte. 221  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  342. 222  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  25. 223  Piekenbrock, KTS 2015, 379 (402). 224  Bork, FS Beck, S.  49 (56 f.); vgl. auch Wedemann, IPRax 2015, 505 (507), die erst aus einer Zusammenschau von G.T. GmbH und vorangegangenen EuGH-Urteilen folgert, dass eine Annexklage bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens ausscheidet. 225  Magnus, LMK 2015, 366550: „Wie hier die Zuständigkeit genau zu bestimmen ist, be-

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cherheit rufen auch Aussagen aus dem Nickel & Goeldner-Urteil hervor. Hier sprach der EuGH von einer „Berücksichtigung“ des Umstands, dass die Klagen bei Gelegenheit eines Insolvenzverfahrens erhoben wurden.226 Ausschlaggebend für die Einstufung als Annexklage sei aber nicht der prozessuale Kontext, sondern die Rechtsgrundlage der Klage.227 Damit rückt der EuGH den Ursprung der Klage (mithin den der Klage zu Grunde liegenden Anspruch228) für die Grenzentscheidung zwischen Annexklage und Nichtannexklage in den Fokus. Dies spricht tendenziell dafür, eine z. B. auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage auch bei Nicht­ eröff­nung des Insolvenzverfahrens als Annexklage anzusehen, sofern man einer auf diesen Anspruch gestützten Klage innerhalb des Insolvenzverfahrens Annexcharakter zuspricht. Unabhängig von der zutreffenden Interpretation der Ausführungen des EuGH ist eine argumentative Auseinandersetzung mit der Konstellation der Nichteröffnung unausweichlich. Im Hinblick auf das Kriterium der Nichtbeendigung ist die Rechtsprechung des EuGH widersprüchlich. In der Rechtssache Alpenblume hielt der EuGH Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO für einschlägig, obwohl das Insolvenzverfahren bei Erhebung der Klage bereits beendet war, und betonte sogar, dass letztgenannte Tatsache den Zusammenhang zwischen Insolvenzverfahren und Einzelverfahren nicht schwäche.229 In die entgegengesetzte Richtung deuten seine Ausführungen in der Rechtssache ÖFAB. Hier verneinte er eine Annexklage (auch) mit dem Argument, dass die Klage erhoben worden sei, nachdem der Schuldner einem Sanierungsverfahren unterworfen worden war.230 Diese Ablehnung einer Annexklage lässt sich nicht mit Blick auf das Sanierungsverfahren erklären. Denn das in ÖFAB betroffene Sanierungsverfahren mit dem Namen „Företagsrekonstruktion“ ist ausweislich Art.  2 lit.  a) i. V. m. Anhang A EuInsVO-2000 ein „Insolvenzverfahren“ im Sinne dieser Verordnung.231 Es kann dem EuGH auch nicht um die Betonung des Umstands gegangen sein, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war, bevor die Klage erhoben wurde, da diese chronologidarf deshalb noch weiterer Klärung. Die Ausführungen des EuGH können in diesem Zusammenhang wohl auch nicht so gedeutet werden, dass ein Rückgriff auf die insolvenzrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften [...] zwingend ausscheidet“. Kritisch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und die Frage aufwerfend, wie im Falle des §  26 Abs.  1 S.  1 InsO zu entscheiden sei, Poertzgen, NZI 2015, 91 (91). 226  EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner, Rn.  26. 227  EuGH, Urt. v. 04.09.2014 – C-157/13 – Nickel & Goeldner, Rn.  27. Zur Relativierung dieser Aussage siehe den Text zu Teil 2, Fn.  287, 288 und 289. 228  Siehe Text zu Teil 2, Fn.  154 und 155. 229  EuGH, Urt. v. 02.07.2009 – C-111/08 – Alpenblume, Rn.  30 ff. Dieses Judikat auch auf Grund der Beendigung des Insolvenzverfahrens ablehnend Freitag, ZIP 2014, 302 (306). 230  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  25. 231  Vgl. bereits Wedemann, ZEuP 2014, 867 (869).

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sche Abfolge keinesfalls gegen ein enges Verhältnis zwischen Gesamtverfahren und Einzelverfahren spricht.232 Mithin muss die Beendigung des Insolvenzverfahrens vor Klageerhebung nach Auffassung des EuGH gegen die Annahme einer Annexklage gesprochen haben.233 Auch zum Kriterium der Nichtbeendigung ist das letzte Wort daher noch nicht gesprochen. 2. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO – Wortlaut, Sinn und Zweck Nach dem Wortlaut von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO sind für Annexklagen die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet „das Insolvenzverfahren nach Art.  3 eröffnet worden ist“. Nimmt man diesen Wortlaut ernst, trifft Art.  6 Abs.  1 EuInsVO keine Regelung für den Fall der Nichteröffnung eines Insol­ venz­verfahrens.234 Dies lässt den Schluss zu, dass es auch keine Annexklage bei Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens gibt. Die englische („The courts of the Member State within the territory of which insolvency proceedings have been opened in accordance with Article 3 shall have jurisdiction“) und die französische („Les jurisdictions de l’État membre sur le territoire duquel la procédure d’insolvabilité a été ouverte en application de l’article 3 sont compétentes“) Sprachfassung weisen in dieselbe Richtung. Demgegenüber ließe es sich mit dem Wortlaut vereinbaren, Klagen, die nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens erhoben werden, als Annexklagen anzusehen, da in dieser Konstellation (zuvor) immerhin ein Insolvenzverfahren in einem Mitgliedstaat eröffnet worden ist. Die Konstellation der Nichteröffnung ließe sich daher allenfalls mittels einer Analogie235 unter Art.  6 Abs.  1 EuInsVO fassen. Bereits die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke ist zweifelhaft, da die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel  Ia-VO für diese Konstellation zur Verfügung stehen. Jedenfalls eine vergleichbare Interessenlage ist abzulehnen.236 Die internationalzuständigkeitsrechtliche vis attractiva concursus237 des europäischen Zivilverfahrensrechts bezweckt die Verbesserung der Effizienz und der Beschleunigung der Insolvenz232  Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  180. 233  Ebenso Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  180 f.; vgl. auch Thole, GPR 2014, 113 (114). 234  Bork, FS Beck, S.  49 (52); vgl. auch Bramkamp, KTS 2015, 421 (435 mit Fn.  83). 235  Vgl. Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  118, der im Hinblick auf die EuInsVO-2000 eine „weitere“ Analogie zu Art.  3 Abs.  1 EuInsVO-2000 in Erwägung zieht. 236  In diese Richtung bereits Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  119. 237  Siehe Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  12.

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verfahren.238 Ist ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden, kann dieser zentrale Regelungszweck offensichtlich nicht erreicht werden. Es wäre daher kaum überzeugend Art.  6 Abs.  1 EuInsVO entgegen dem Wortlaut der Norm auf Fälle der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens auszudehnen. Der soeben genannte Zweck des Art.  6 Abs.  1 EuInsVO streitet auch maßgeblich gegen die Annahme, eine nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erhobene Klage könne eine Annexklage darstellen. Eine Verbesserung der Effizienz und der Beschleunigung des Insolvenzverfahrens ist auch hier nicht mehr möglich. 3. Relevanz des Auslegungszusammenhangs zwischen Art.  6 Abs.  1 und Art.  7 EuInsVO? Mit seinem Kornhaas-Urteil hat der EuGH entschieden, die Haftung gem. §  64 S.  1 GmbHG jedenfalls dann insolvenzrechtlich zu qualifizieren und unter den Anknüpfungsgegenstand des kollisionsrechtlichen Art.  7 Abs.  1 EuInsVO („Insolvenzverfahren und seine Wirkungen“) zu fassen, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.239 Obschon Art.  7 Abs.  1 EuInsVO seinem Wortlaut nach an den Ort der Insolvenzverfahrenseröffnung anknüpft („Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird“), ordnet eine verbreitete Literaturmeinung die Haftung gem. §  64 S.  1 GmbHG auch für den Fall der masselosen Insolvenz (d. h. auch bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens) Art.  7 Abs.  1 EuInsVO (analog) zu.240 Dieses Ergebnis wird maßgeblich auf die Notwendigkeit der Vorhersehbarkeit (und zwar zum Zeitpunkt des potentiell haftungsrelevanten Verhaltens) des anwendbaren Rechts gestützt, welches nicht von der nachgelagerten und ungewissen Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abhängen dürfe.241 238  EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  22; vgl. auch Bork, FS Beck, S.  49 (56); Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  11 zu Insolvenzanfechtungsklagen; Lorenz, Annexverfahren bei Internationalen Insolvenzen, S.  126; Lüttringhaus/Weber, RIW 2010, 45 (50 mit Fn.  61); Thole, ZEuP 2010, 907 (912). 239  EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14 – Kornhaas, Rn.  17, 21. 240  In diesem Sinne Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  4, 13; Gruber/ Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  4 EuInsVO Rn.  57 f.; Müller, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  7 Rn.  95 f.; Paulus, Außervertragliche Gesellschafterund Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  520; Wansleben, EWS 2016, 72 (75); jedenfalls tendenziell auch Schall, ZIP 2016, 289 (290). A.A. Kindler, in: Sonnenberger (Hrsg.), Reform d. int. GesR, S.  497 (523); ders., IPRax 2010, 430 (431); ders., EuZW 2016, 136 (139); Mankowski, NZG 2016, 281 (284); Servatius, DB 2015, 1087 (1089 f.). 241  Vgl. Müller, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  7 Rn.  85, 96; Wansleben, EWS 2016, 72 (75); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  119 f.; vgl. zur analogen Anwendung von Art.  7 Abs.  1 EuInsVO in Bezug auf insolvenzrechtliche Haftungsansprüche bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens bereits Weller, ZIP 2009, 2029

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Vorstehendes Ergebnis soll hier nicht hinterfragt, sondern als feststehend behandelt werden, um auf dieser Basis die Frage zu diskutieren, ob eine Annexklage im Falle der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens gerade auf Grund eines Seitenblicks auf Art.  7 EuInsVO (analog) naheliegt. Dies setzt allerdings einen Auslegungszusammenhang zwischen Art.  6 Abs.  1 EuInsVO und Art.  7 EuInsVO in dem Sinne voraus, dass die gerichtliche Verfolgung eines Art.  7 EuInsVO (analog) zuzuordnenden Haftungsinstituts stets eine Annexklage darstellt. Wäre ein derartiger Auslegungszusammenhang zu bejahen, führte besagte Basis dazu, dass eine Annexklage bei der Geltendmachung bestimmter Haftungsansprüche (etwa §  64 S.  1 GmbHG) auch außerhalb des Insolvenzverfahrens zu bejahen wäre. Ob bzw. in welcher Form ein Auslegungszusammenhang zwischen Art.  6 Abs.  1 EuInsVO und Art.  7 EuInsVO besteht, ist in der Literatur bislang nicht einheitlich beantwortet worden.242 Im German Graphics-Urteil sprach sich der EuGH noch deutlich gegen einen Zusammenhang zwischen Kollisionsrecht und internationaler Zuständigkeit aus. Er hielt unmissverständlich fest, dass Art.  4 Abs.  2 S.  2 lit.  b) EuInsVO-2000 keine Auswirkungen auf die Auslegung von Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO habe.243 Nimmt man dies ernst, kann Art.  4 Abs.  2 S.  2 lit.  b) EuInsVO-2000 und bei strenger Interpretation die Auslegung von Art.  7 EuInsVO insgesamt – auf Grund der Tatsache, dass die Reichweite des Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO gerade auch den Anwendungsbereich des (2035 f.). Demgegenüber dürfte es dem Beklagten zumutbar sein, in Abhängigkeit von der Insolvenzverfahrenseröffnung entweder im Eröffnungsstaat oder nach der Brüssel  Ia-VO gerichtspflichtig zu sein, vgl. Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  119 f. 242  Tendenziell für einen Auslegungszusammenhang (wenn auch zumeist ein notwendiger Gleichlauf abgelehnt wird) Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  48; Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  160 f.; Kindler, in: Sonnenberger (Hrsg.), Reform d. int. GesR, S.  497 (518): „Diese verfahrensrechtliche Einordnung legt es nahe, auch im eigentlichen Kollisionsrecht eine insolvenzrechtliche Qualifikation der genannten Haftungstatbestände anzunehmen.“; Mankowski NZI 2010, 508 (511); ders., NZI 2014, 922 (922); ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Brüssel  Ia-VO Rn.  64; Ringe/Willemer, NZG 2010, 56 (56); Lüttringhaus/Weber, RIW 2010, 45 (49); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  99 f.; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  145 f. Tendenziell gegen einen Auslegungszusammenhang Fehrenbach, IPRax 2009, 492 (497); Haubold, IPRax 2002, 157 (163 mit Fn.  96); Kolmann/Keller, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  133 Rn.  10; Mock, IPRax 2016, 237 (239); Oberhammer, ZIK 2010, 6 (9); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  165 f.; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  867; Wagner, in: Lutter (Hrsg.), EU-Auslandsgesellschaften in Deutschland, S.  223 (282 f.); jedenfalls gegen einen automatischen Gleichlauf auch Wedemann, IPRax 2015, 505 (509 mit Fn.  64); ebenso Althammer/Tolani, FS Schilken, S.  589 (597), die jedoch davon ausgehen, dass Art.  4 EuInsVO-2000 „mittelbar auch der prozessualen Ergebniskontrolle dienen“ könne. 243  EuGH, Urt. v. 10.09.2009 – C-292/08 – German Graphics, Rn.  37.

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Art.  6 Abs.  1 EuInsVO prägt – auch nicht mitbestimmen, wann ein Annexverfahren i. S. d. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO vorliegt.244 Demgegenüber weist die jüngere Kornhaas-Entscheidung nach hier vertretener Auffassung jedenfalls im Hinblick auf Haftungsansprüche gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter deutlich in die Richtung eines „gewissen“ Auslegungszusammenhangs, der jedoch hinter dem eingangs geforderten Zusammenhang zurückbleibt. Insoweit lässt sich von einem „partiellen Auslegungszusammenhang“ zwischen Art.  6 Abs.  1 EuInsVO und Art.  7 EuInsVO sprechen. Für die insolvenzrechtliche Qualifikation (Art.  7 Abs.  1 EuInsVO) der Haftung gem. §  64 S.  1 GmbHG im eröffneten Insolvenzverfahren245 griff der EuGH in Kornhaas explizit auf sein G.T. GmbH-Urteil zurück,246 in dem er eine auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage im eröffneten Insolvenzverfahren als Annexklage eingestuft hatte247. Dieser Rückgriff konzentriert sich jedoch offensichtlich auf das unter Teil 2 §  2 A.I. an zweiter Stelle genannte Kriterium des „Ursprungs der Klage im Insolvenzverfahrensrecht“.248 In Kornhaas übernimmt der EuGH für Art.  7 EuInsVO die in G.T. GmbH zu diesem Kriterium getroffene Feststellung, dass §  64 S.  1 GmbHG den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren249 zuzurechnen sei: „Folglich hat der Gerichtshof [...] diese Bestimmung des nationalen Rechts [gemeint ist §  64 S.  1 GmbHG] gleichwohl eindeutig als insolvenzrechtliche Norm eingestuft. Hieraus ergibt sich, dass die letztgenannte Bestimmung dem für das Insolvenzverfahren und seinen Wirkungen geltenden Recht im Sinne von Art.  4 Abs.  1 der Verordnung Nr.  1346/2000 [= EuInsVO-2000] zuzurechnen ist.“250 Auch wenn der EuGH die kollisionsrechtliche Einordnung mit weiteren Argumenten unterfüttert,251 ist diese „Übernahme“ abschließend und unmissverständlich. Aus diesen Ausführungen lässt sich in Bezug auf die Haftung von Gesellschaftern bzw. Geschäftsleitern folgender Schluss ziehen: Ist eine Annexklage zu bejahen, steht damit zugleich fest, dass der der Klage zu Grunde liegende Haf-

Vgl. Lüttringhaus/Weber, RIW 2010, 45 (49). Siehe Nachweis in und Text zu Teil 2, Fn.  239. 246  EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14 – Kornhaas, Rn.  15. Dieses Vorgehen des EuGH befürwortend Mankowski, NZG 2016, 281 (283). Kritisch hingegen Mock, IPRax 2016, 237 (239). 247  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  342. 248  Vgl. EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14 – Kornhaas, Rn.  16 f. 249  Siehe zu der im Zuständigkeitsrecht bedeutsamen Frage, ob der der Klage zu Grunde liegende Anspruch den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren oder den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts zuzurechnen ist, den Text zu Teil 2, Fn.  154 und 155. 250  EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14 – Kornhaas, Rn.  17. 251  EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14 – Kornhaas, Rn.  18 ff.: „Hinzuzufügen ist insoweit [...]“. 244  245 

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tungsanspruch grds. dem Einzugsbereich von Art.  7 EuInsVO unterfällt.252 Dies ist vor dem Hintergrund stimmig, dass eine Annexklage „unter anderem“ zwingend voraussetzt, dass sich die Klage auf einen Anspruch stützt, der den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen ist. Fällt umgekehrt ein Haftungsanspruch unter Art.  7 EuInsVO, ist er in Bezug auf Art.  6 Abs.  1 EuInsVO den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzuordnen. Warum sollte ein bestimmter Haftungsanspruch für die Zwecke von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO anders eingestuft werden als im Bereich des Art.  7 EuInsVO? Soweit es lediglich (auch im Zuständigkeitsrecht) um die Rechtsnatur des Haftungsanspruchs geht, ist ein übereinstimmendes Verständnis innerhalb der EuInsVO überzeugend. Kolli­ sions­rechtliche Sondervorschriften der EuInsVO sind zu berücksichtigen,253 sodass Art.  7 EuInsVO nicht zwingend die maßgebliche Kollisionsnorm sein muss und im Ergebnis das für eine Annexklage zuständige Gericht nicht stets sein eigenes Recht anwendet. Dies schließt den vorstehend dargelegten Auslegungszusammenhang zwischen Art.  6 Abs.  1 EuInsVO und Art.  7 EuInsVO im Grundsatz jedoch nicht aus.254 Auch Art.  16 EuInsVO ändert nichts daran, dass Insol­venz­ anfech­tungsklagen Annexklagen sind und für Insolvenzanfechtungsansprüche im Grundsatz Art.  7 Abs.  2 lit.  m) EuInsVO einschlägig ist. Ist daher ein „partieller Auslegungszusammenhang“ anzuerkennen, wird zugleich eine Begrenzung deutlich. Ein weitergehender Auslegungszusammenhang existiert nicht. Auch das Kornhaas-Urteil statuiert keinen Auslegungszusammenhang in dem eingangs erwähnten Sinne, dass die gerichtliche Verfolgung eines Art.  7 EuInsVO (analog) zuzuordnenden Haftungsinstituts stets eine Annexklage darstellt.255 Der „partielle Auslegungszusammenhang“ kann (bei feststehender kollisionsrechtlicher Qualifikation) nicht darüber Auskunft geben, ob eine Klage bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens erhoben wurde, sondern nur darüber, dass eine Klage ihren Ursprung im Insolvenzverfahrensrecht hat. Hier zeigt sich eben, dass sich das Kollisionsrecht auf Institute des formellen und materiellen Insolvenzrechts bezieht, wohingegen das Zuständigkeitsrecht um die Einordnung von Klagen (und damit nicht nur von materiell-rechtlichen Haftungsansprüchen) bemüht ist.256 252  In diese Richtung auch Wansleben, EWS 2016, 72 (76): „Umgekehrt erscheint es aber nicht denkbar, dass ein Annexverfahren [...] vorliegt, ohne dass das korrespondierende materielle Recht nach Art.  4 EuInsVO (Art.  7 EuInsVO 2015) anwendbar ist.“ 253  Vgl. Mankowski, NZG 2016, 281 (283); Mock, IPRax 2016, 237 (239). 254  Wohl a. A. Mock, IPRax 2016, 237 (239), der in diesem Zusammenhang kritisch auf Art.  13 EuInsVO-2000 (Art.  16 EuInsVO) hinweist. 255  Gleichsinnig Wansleben, EWS 2016, 72 (76): „Auf eine Klage, die kein Annexverfahren darstellt, kann daher (gleichwohl) [...] Art.  7 EuInsVO 2015 [...] in materieller Hinsicht [...] anwendbar sein“. 256  Vgl. treffend Kindler, EuZW 2016, 136 (138).

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Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der zu befürwortende „partielle Auslegungszusammenhang“ zwischen Art.  6 Abs.  1 EuInsVO und Art.  7 EuInsVO allein nichts zur Klärung der Frage beiträgt, ob eine Annexklage auch bei fehlender Insolvenzverfahrenseröffnung in Betracht kommt. 4. Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Nicht abschließend geklärt ist in diesem Zusammenhang (unter der Prämisse, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwingende Voraussetzung für eine Annexklage ist) die Frage, unter welchen Voraussetzungen bzw. ab wann von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auszugehen ist. Nach einer Ansicht muss die Annahme von Annexklagen während des Insolvenzeröffnungsverfahrens ausscheiden.257 Nach der Gegenansicht genügt auch die Klageerhebung während eines vorläufigen Insolvenzverfahrens, um das Kriterium der „Klage bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens“ als erfüllt anzusehen.258 Für die erstgenannte Ansicht lässt sich anführen, dass es während des Insolvenzeröffnungsverfahrens naturgemäß noch ungewiss ist, ob es letztlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt. Die zweite Ansicht müsste jedenfalls ab der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse wiederum die Möglichkeit einer Annexklage verneinen. Vor diesem Hintergrund erscheint die erstgenannte Ansicht als die klarere, „endgültige“ Lösung. Dennoch ist die pauschale Verneinung der Möglichkeit einer Annexklage während des Insolvenzeröffnungsverfahrens abzulehnen. Denn auch im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO muss man sich an den in Art.  2 Nr.  7 und 8 EuInsVO vorgegebenen Legaldefinitionen orientieren. Gem. Art.  2 Nr.  7 Ziff. ii) EuInsVO ist als „Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ auch die Entscheidung eines Gerichts zur Bestellung eines Verwalters zu verstehen. Da Art.  2 Nr.  5 i. V. m. Anhang B EuInsVO den Begriff des Verwalters extensiv definiert und eine Differenzierung nach der Art des Verwalters nicht vorgibt, überzeugt die Annahme, dass die Bestellung auch jedes vorläufigen Verwalters als „Entscheidung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ anzusehen ist.259 Wann immer aber eine „Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ i. S. d. Art.  2 Nr.  7 EuInsVO zu bejahen ist, sollte man konsequenterweise auch im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens annehmen. Der relevante „Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung“ ist gem. Art.  2 Nr.  8 EuInsVO schließlich der Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung zur Eröffnung des InsolvenzBork, FS Beck, S.  49 (52). Freitag, ZIP 2014, 302 (305); Kolmann/Keller, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  131 Rn.  107. 259  Überzeugend Müller, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  19 Rn.  8. 257  258 

§  2 Abstrakte Kriterien zur Bestimmung von Annexklagen

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verfahrens wirksam wird, unabhängig davon, ob die Entscheidung endgültig ist oder nicht. Ab diesem Zeitpunkt (und damit potentiell auch im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens) ist die Annahme einer Annexklage nicht ausgeschlossen. Für diese Sichtweise streitet zudem Erwägungsgrund (35) S.  2 zur EuInsVO, der als Annexklagen auch Klagen in Bezug auf Verpflichtungen anführt, die sich im Verlauf des Insolvenzverfahrens ergeben, wie z. B. zu Vorschüssen für Verfahrenskosten. Gem. §  26 Abs.  4 S.  3 InsO kann auch jeder260 vorläufige Insolvenzverwalter die Zahlung eines Vorschusses zur Verfahrenskostendeckung von jeder Person verlangen, die entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts pflichtwidrig und schuldhaft keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat (vgl. §  26 Abs.  4 S.  1 i. V. m. Abs.  1 S.  2 InsO). Ordnet man die gerichtliche Geltendmachung des Vorschusses durch den vorläufigen Insolvenzverwalter – im Lichte von Erwägungsgrund (35) S.  2 zur EuInsVO – zutreffend als Annexklage ein,261 läuft dies einer Sichtweise zuwider, die Annexklagen während des Insolvenzeröffnungsverfahrens kategorisch ablehnt. 5. Ergebnis Aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des Art.  6 Abs.  1 EuInsVO ergibt sich, dass die Annahme einer Annexklage zwingend voraussetzt, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung ein Insolvenzverfahren eröffnet und noch nicht be­ endet worden ist. Der anzuerkennende partielle Auslegungszusammenhang ­zwischen Art.  6 Abs.  1 EuInsVO und Art.  7 EuInsVO ändert daran nichts. Auch während des Insolvenzeröffnungsverfahrens sind Annexklagen nicht per se ausgeschlossen. II. Klageerhebung im Interesse der Gläubigergesamtheit Wie bereits dargelegt262 ist der Umstand, dass die Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit erhoben wird, noch kein hinreichendes Kriterium für die Annahme einer Annexklage. An dieser Stelle soll behandelt werden, ob insofern von einer notwendigen Voraussetzung auszugehen ist und (bejahendenfalls) was diese Voraussetzung konkret ausmacht. Zur Veranschaulichung des Problems wird beispielhaft auf die Insolvenzverschleppungshaftung des deutschen Rechts gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a InsO zurückgegriffen. Hiernach haften die zur Stellung des Insolvenzantrags 260  Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  26 Rn.  70; Rüntz/Laroche, in: Kayser/Thole, HK-InsO, §  26 Rn.  44. 261  Siehe Nachweis und Text in Teil 2, Fn.  49. 262  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 A.III.3.

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Verpflichteten (etwa der Geschäftsführer einer GmbH)263 den Gesellschaftsgläubigern264 gegenüber265 auf Schadensersatz, sofern sie die Antragspflicht gem. §  15a InsO schuldhaft verletzen. 1. Klagen im Interesse eines einzelnen Gläubigers a) Keine Annexklage bei Klage im ausschließlichen Interesse eines einzelnen Gläubigers Hinsichtlich des Anspruchsinhalts ist bei der Insolvenzverschleppungshaftung des deutschen Rechts gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a InsO zwischen Altgläubigern und Neugläubigern zu differenzieren.266 Altgläubiger sind grds. solche Gläubiger, deren Forderungen gegen die Gesellschaft bereits vor Beginn der Insolvenzantragspflicht entstanden sind.267 (Vertragliche268) Neugläubiger sind grds. diejenigen, deren Forderungen nach Beginn der Insolvenzantragspflicht entstanden sind.269 Nach h. M. können die vertraglichen Neugläubiger nur270 ihren individuellen Vertrauensschaden ersetzt verlangen.271 Diesen Schaden können sie auch während eines Insolvenzverfahrens selbständig einklagen.272 Der Vgl. zu den Adressaten der Pflicht in Bezug auf die GmbH Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  68 ff. 264  Vgl. zum Kreis der geschützten Gläubiger Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  96 ff. 265  Anspruchsinhaber sind nach h. M. die einzelnen Gläubiger, vgl. nur Haas/Kolmann/ Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  102, 107; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  80. 266  Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1573); Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  72; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  168. 267  Vgl. (jeweils weiterführend) Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1573); Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  72; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  162; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  176. 268  Nach der wohl überwiegenden Ansicht können nur vertragliche Neugläubiger den Ersatz ihres vollen negativen Interesses verlangen, vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, ­GmbHG, §  64 Rn.  180; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  170. A. A. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  96 f. 269  Vgl. (jeweils weiterführend) Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1574); Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  72; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  162; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  176. 270  Einen eigenständigen Quotenschaden erleidet der vertragliche Neugläubiger daneben nach zutreffender Auffassung nicht. In diesem Sinne Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  184; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  117; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  101. 271  BGH, Urt. v. 06.06.1994 – II ZR 292/91 = NJW 1994, 2220 (2222 ff.); BGH, Urt. v. 22.10.2013 – II ZR 394/12 = NJW 2014, 698 (699). 272  BGH, Urt. v. 06.06.1994 – II ZR 292/91 = NJW 1994, 2220 (2224); BGH, Urt. v. 263 

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Insolvenzverwalter kann demgegenüber Schäden der vertraglichen Neugläubiger nach h. M. nicht (auch nicht partiell) einklagen.273 Der einzelne vertragliche Neugläubiger strengt die Klage, mit der er Ersatz seines individuellen Vertrauensschadens begehrt, demnach ausschließlich im eigenen Interesse an. Kann eine derartige – nur auf ein singuläres Gläubigerinteresse ausgerichtete – Klage eine Annexklage sein? Diese Frage ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dass die Entstehung des Anspruchs des vertraglichen Neugläubigers wegen Insolvenzverschleppung gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a InsO das Vorliegen des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung i. S. d. §§  17, 19 InsO bei der betroffenen Gesellschaft voraussetzt,274 sodass dieser Haftungsanspruch – auf Basis der unter C. dargelegten EuGH-Rechtsprechung – den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen ist und folglich die auf ihn gestützte Klage ihren Ursprung im Insolvenzverfahrensrecht275 hat. Der EuGH-Rechtsprechung lassen sich klare Vorgaben zur Beantwortung dieser Frage entnehmen. Nachdem der EuGH in der ÖFAB-Entscheidung gegen ein Eingreifen von Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO vorgebracht hatte, dass die Klagen nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erhoben worden seien,276 fügte er hinzu: „Jedenfalls ist [...] festzustellen, dass diese Klagen keine im Interesse aller Gläubiger auszuübenden ausschließlichen Prärogativen des Verwalters sind, sondern dass es sich um Rechte handelt, die ÖFAB in ihrem eigenen Interesse wahrnehmen kann.“277 Diese Formulierung („Jedenfalls ist [...] festzustellen“) deutet darauf hin, dass eine Annexklage unter diesen Umständen zwingend ausscheidet. In der Folge spricht die überwiegend zustimmende Literatur Klagen, die lediglich im Interesse eines einzelnen Gläubigers erhoben werden, den Annexcharakter ab.278 Dem ist beizupflichten: Der zentrale Zweck der Annexzuständigkeit liegt in der 30.03.1998 – II ZR 146/96 = NJW 1998, 2667 (2667); Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  126. 273  BGH, Urt. v. 30.03.1998 – II ZR 146/96 = NJW 1998, 2667 (2667 f.); Haas/Kolmann/ Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  131; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  101 f.; Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  92 InsO Rn.  49. A. A. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  187, 198; ders., in: K. Schmidt, InsO, §  92 Rn.  19. 274  Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  160; H.‑F. Müller, in: MüKo­GmbHG, §  64 Rn.  203. 275  Siehe zu dieser Voraussetzung für die Annahme einer Annexklage die Nachweise in und den Text zu Teil 2, Fn.  154 und 155. 276  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  230 und 233. 277  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  25. 278  Vgl. Bork, FS Beck, S.  49 (56, 58); Haas, NZG 2013, 1161 (1162); ders., ZIP 2013, 2381 (2386); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (870); dies., IPRax 2015, 505 (507).

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Verbesserung der Effizienz und der Beschleunigung der Insolvenzverfahren.279 Als zentraler insolvenzverfahrensrechtlicher Zweck ist wiederum die gemeinschaftliche und gleichmäßige Gläubigerbefriedigung anzuführen.280 Um gemeinschaftliche und gleichmäßige Gläubigerbefriedigung geht es bei einer Klage in singulärem Gläubigerinteresse jedoch nicht. Eine derartige Klage weist somit eine deutliche Distanz zu den insolvenzverfahrensrechtlichen Zwecken auf und kann folglich auch nichts zur Effizienz und Beschleunigung des Insolvenzverfahrens beitragen. Eine Zuständigkeitskonzentration im Staat der Insolvenzverfahrenseröffnung wäre daher nicht gerechtfertigt.281 Das „Kriterium des singulären Gläubigerinteresses“ erlangte auch in der F-Tex-Entscheidung des EuGH Bedeutung. Hiernach ist eine Insolvenzanfechtungsklage des deutschen Rechts, die grds. als Annexklage einzustufen ist,282 dann keine Annexklage, wenn sie nach Abtretung des Insolvenzanfechtungsanspruchs (§  143 InsO)283 durch den Insolvenzverwalter von einem Dritten (in concreto einem Gläubiger) angestrengt wird.284 Zur Begründung hob der EuGH auch285 hervor, dass der klagende Zessionar „in seinem eigenen Interesse und zu seinem persönlichen Vorteil“ handele und nicht mit dem Ziel, „die Aktiva des Unternehmens, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, zu vermehren“.286 Weil der EuGH in F-Tex eine Annexklage ablehnte, obwohl die Abtretung des Insolvenzanfechtungsanspruchs dessen Rechtsnatur nicht verändert287 und dieser Anspruch auf Grund der beispielhaften Aufzählung von Insolvenzanfechtungsklagen in Art.  6 Abs.  1 EuInsVO unzweifelhaft den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen ist, unterstreicht dieses Urteil, dass die Rechtsnatur des der Klage zu Grunde liegenden Anspruchs und damit der Ursprung der Klage nicht allein die Grenzziehung zwischen Annexkla279 

Siehe Teil 2, Fn.  238. Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  5; ders., IPRax 2014, 486 (488); Thole, ZEuP 2010, 907 (918); ders., ZIP 2012, 605 (607); ders., IPRax 2015, 396 (399); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  101. 281  Bork, FS Beck, S.  49 (56); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (870); dies., IPRax 2015, 505 (507). 282  EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  28. 283  Vgl. die Sachverhaltsdarstellung bei Cranshaw, ZInsO 2012, 1237 (1239). 284  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  18, 49. 285  Vgl. Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  296, 297. 286  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  44.; dieser Argumentation zustimmend etwa Bork, FS Beck, S.  49 (56); Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  16. 287  Auf Grund dieses Umstands wurde die F-Tex-Entscheidung in der Literatur vielfach kritisiert, vgl. etwa Brinkmann, EWiR 2012, 383 (384); Cranshaw, ZInsO 2012, 1237 (1241); Kindler, EuZW 2015, 143 (144); ders., in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  6; Piekenbrock, KTS 2015, 379 (408); Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  1 EuGVVO Rn.  6. 280 

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gen und Nichtannexklagen bestimmt288. Dies bedeutet eine klare Einschränkung der in Nickel & Goeldener getroffenen Aussage, wonach die Rechtsgrundlage der Klage „ausschlaggebend“ für die Einstufung als Annexklage sei.289 Käme es jedoch nur auf die Rechtsgrundlage der Klage an, hätte der EuGH in F-Tex eine Annexklage bejahen müssen. Da er eine Annexklage ablehnte, kann im Anschluss an die dargestellte EuGH-Rechtsprechung festgehalten werden: Erfolgt die Klageerhebung ausschließlich im Interesse eines einzelnen Gläubigers, scheidet eine Annexklage unabhängig von der Rechtsnatur des der Klage zu Grunde liegenden Anspruchs zwingend aus. Daher ist die Klage eines vertraglichen Neugläubigers wegen Insolvenzverschleppung stets (d. h. auch wenn sie während des Insolvenzverfahrens erhoben wird) keine Annexklage.290 Es steht zugleich fest, dass die Annahme einer Annexklage notwendigerweise eine Klageerhebung im Interesse der Gläubigergesamtheit voraussetzt.291 Jedenfalls ist zu fordern, dass die Klage zumindest auch in deren Interesse angestrengt wird. b) Problem: Mitbetroffenheit des Interesses der Gläubigergesamtheit aa) Ausgangsfrage Problematisch und bislang nicht abschließend geklärt sind jedoch Fallkonstellationen, in denen die Klageerhebung nicht nur in singulärem Gläubigerinteresse bzw. Drittinteresse, sondern in bestimmter Art und Weise auch im Interesse der Gläubigergesamtheit erfolgt. Hier stellt sich die Frage, ob bzw. unter welchen konkreten Umständen eine Mitbetroffenheit des Interesses der Gläubigergesamtheit die angesprochene, notwendige Voraussetzung292 erfüllt. Auch insoweit enthält die F-Tex-Entscheidung erste Weichenstellungen.

So auch Haas, ZIP 2013, 2381 (2386); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44). Siehe Text in Teil 2, Fn.  152 sowie Nachweis in und Text zu Teil 2, Fn.  227. 290  Im Ergebnis übereinstimmend Bork, FS Beck, S.  49 (58); Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  48; Freitag, ZIP 2014, 302 (305); Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  30; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  194; Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45); Thole, in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  132; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  148 ff.; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (870 f.); dies., IPRax 2015, 505 (508). 291  In diesem Sinne auch Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (870). 292  Siehe Text zu Teil 2, Fn.  291. 288 

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bb) Grundlegendes zum Verständnis der F-Tex-Entscheidung Letzteres trifft aber nur dann zu, sofern man die Ablehnung einer Annexklage in F-Tex nicht als Ausnahmeentscheidung begreift, die nur oder jedenfalls maßgeblich dem Umstand geschuldet war, dass es sich bei der klagenden Gläubigerin um die einzige Gläubigerin der Insolvenzschuldnerin handelte293.294 Begriffe man sie als Ausnahmeentscheidung, ließe sich die Ablehnung der Annexklage schon auf die Überlegung stützen, dass die klagende Gläubigerin – trotz der sogleich darzustellenden Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter – letztlich ausschließlich im eigenen Interesse klagte. Insoweit genügte der Hinweis auf die unter a) getroffenen Feststellungen, um eine Annexklage abzulehnen. Für das Problem der Mitbetroffenheit des Interesses der Gläubigergesamtheit gäbe die F-Tex-Entscheidung dann wenig bis nichts her. Ein solches Verständnis ist jedoch abzulehnen, da der EuGH im Zuge der Begründung der Maßgeblichkeit der Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel  Ia-VO an keiner Stelle auf besagten Umstand verweist.295 Seine Argumentation ist vielmehr von der Anzahl der Gläubiger unabhängig, sodass die Entscheidung auch für Fälle einer Gläubigermehrheit Bedeutung beansprucht. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass der EuGH eine Annexklage in F-Tex nicht nur mit Blick darauf ablehnte, in wessen Interesse die Klage erhoben wurde.296 Er verwies auch auf den Umstand, dass die klagende Gläubigerin – im Unterschied zum Insolvenzverwalter – nicht verpflichtet gewesen sei, den Anspruch geltend zu machen.297 Das Kriterium der „Nichtverpflichtung zur Geltendmachung des Anspruchs“ muss für die folgenden Ausführungen daher im Hinterkopf behalten werden. Ferner könne der Anspruch durch die Gläubigerin auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden.298 Dieser Erwägung dürfte im Lichte der (nachfolgenden) G.T. GmbH-Entscheidung keine Bedeutung mehr zukommen. Denn in dieser Entscheidung hielt der EuGH unmissverständlich fest: Sofern eine auf einen bestimmten Anspruch gestützte EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  12. In diese Richtung aber Brinkmann, EWiR 2012, 383 (384): „Zu hoffen ist vor diesem Hintergrund, dass der Gerichtshof bald Gelegenheit hat, deutlich zu machen, dass das Ergebnis von den Besonderheiten des Falles geprägt ist und nicht verallgemeinert werden sollte. Berufen könnte er sich dabei insbesondere auf den Umstand, dass es in F-Tex/Jadecloud nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts nur eine einzige Gläubigerin gab und diese den Anspruch betrieb, so dass die Situation einer Gläubigeranfechtung, die unstreitig der EuGVVO unterfällt, zumindest ähnlich ist.“ 295  Vgl. EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  38 ff. 296  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  41 ff. 297  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  43. 298  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  46. 293  294 

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Klage tatsächlich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erhoben wird, kann eine Annexklage im Hinblick auf diese Klage nicht mit dem Argument abgelehnt werden, dass besagter Anspruch auch bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens klageweise geltend gemacht werden könnte.299 Vernünftigerweise kann allein die Möglichkeit, auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zu klagen, eine Annexklage dann ebenfalls nicht ausschließen. cc) Argumentation in F-Tex und kritische Würdigung Unter diesen Prämissen ist die F-Tex-Entscheidung aus folgendem Grund ein anschauliches Beispiel für das Problem der Mitbetroffenheit des Interesses der Gläubigergesamtheit: Der Insolvenzverwalter und die klagende Gläubigerin hatten vereinbart, dass Letztere 33 % des Erlöses aus der potentiellen Einziehung der abgetretenen Insolvenzanfechtungsforderung an den Insolvenzverwalter (d. h. an die Masse) abführen musste.300 Folglich betraf die Gläubigerklage unmittelbar (der Einziehungserlös sollte zunächst in das Vermögen der Gläubigerin fließen) und wirtschaftlich überwiegend (die Gläubigerin konnte 67 % des potentiellen Erlöses behalten) das Interesse des einzelnen Gläubigers, tangierte jedoch mittelbar und wirtschaftlich untergeordnet (33 %) auch das Interesse der „Gläubigergesamtheit“.301 Es fragt sich, ob unter derartigen Umständen die für eine Annexklage notwendige Voraussetzung einer Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit bejaht werden kann. Der EuGH hob ausdrücklich hervor, dass die angesprochene Vereinbarung nichts an der Feststellung ändere, dass der klagende Gläubiger – im Unterschied zum „Normalfall“ der Insolvenzanfechtungsklage i. S. v. Deko Marty – in seinem eigenen Interesse und zu seinem persönlichen Vorteil handele.302 Möchte man sich nicht in Widerspruch zu dem Ergebnis dieser Entscheidung setzen, kommt man an folgender Feststellung nicht vorbei: Jedenfalls dann, wenn keine Pflicht des einzelnen Gläubigers oder Dritten besteht, den Anspruch geltend zu machen, 299  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  20. Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 C.III. 300  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  13. Vgl. zum Sachverhalt auch Cranshaw, ZInsO 2012, 1237 (1239); Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  163 f. 301  Vgl. auch Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  171: „Insbesondere wenn als Gegenleistung ein Anteil am Einziehungserlös vereinbart wurde, dient die Klage zumindest mittelbar dem Interesse der Gläubigergemeinschaft.“ 302  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  44 f.; vgl. auch Piekenbrock, KTS 2015, 379 (408): „Außerdem soll der Zessionar selbst dann nicht zugunsten aller Gläubiger, sondern im eigenen Interesse handeln, wenn er einen Teil der Erlöse als Gegenleistung für die Abtretung an die Masse abführen muss.“

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

erfüllt eine mittelbare und wirtschaftlich untergeordnete Mitbetroffenheit des Interesses der Gläubigergesamtheit die notwendige Voraussetzung einer Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit nicht. Abgesehen vom Ergebnis der F-Tex-Entscheidung, deutet die Argumentation des EuGH sogar darauf hin, dass eine Annexklage schon dann ausscheidet, sofern das Interesse der Gläubigergesamtheit nur mittelbar betroffen ist,303 unabhängig davon, wessen Interesse an der Klage wirtschaftlich überwiegt. Denn der Gerichtshof führt gegen eine Annexklage ins Feld, dass der Erlös aus der Klage des Gläubigers – wie die Forderung, auf die sich die Klage stützt – (unmittelbar) Bestandteil des Gläubigervermögens wird.304 Die Höhe des auszukehrenden Erlöses spielte hiernach keine Rolle. Hätten der Insolvenzverwalter und der Zes­sio­ nar vereinbart, dass Letzterer z. B. 75 % des potentiellen Erlöses an die Masse abführen muss, müsste eine Annexklage ebenfalls ausscheiden. Auch in diesem Fall flösse der Erlös aus der Klage zunächst in das Vermögen des einzelnen ­Gläubigers. Gegen eine derartige mögliche Entwicklung sind jedoch Bedenken vorzubringen. Andernfalls könnte der Insolvenzverwalter durch die Abtretung eines Anspruchs an einen Dritten die ausschließliche Zuständigkeit des Art.  6 Abs.  1 EuInsVO umgehen und für die Klage die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel  Ia-VO eröffnen,305 auch wenn bei der Klage des Dritten letztendlich (wenn auch mittelbar) ganz überwiegend wirtschaftliche Interessen der Masse auf dem Spiel stehen. Diese Entwicklung wäre auch auf Grund der präzisen Regelung des Art.  6 Abs.  2 EuInsVO bedenklich. Denn diese begrenzt gerade die Möglichkeiten des Insolvenzverwalters, Annexklagen außerhalb des Staates der Insolvenzverfahrenseröffnung anzustrengen.306 Zudem ruft auch der Aspekt des forum shopping, dessen Vermeidung der EuGH in Deko Marty auch als Zweck der in303  In diese Richtung wohl auch Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  171: „Das mit der Insolvenzanfechtung verfolgte Ziel der Vergrößerung der Masse im Interesse der Gläubigergemeinschaft wird durch die von dem Dritten erhobene Klage jedoch nicht unmittelbar erreicht. Denn wenn ein Anteil am Einziehungserlös vereinbart wurde, erfolgt zunächst der Zwischenschritt der Erhebung der Klage durch den Dritten.“ 304  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  44. 305  Siehe bereits Brinkmann, EWiR 2012, 383 (384): „Denn nach F-Tex/Jadecloud könnte der Verwalter eine ihm im Einzelfall möglicherweise unvorteilhafte Zuständigkeit nach Art.  3 Abs.  1 EuInsVO durch die Übertragung des Anspruchs vermeiden und so die Gerichtsstände der EuGVVO zur Anwendung bringen.“ sowie Kern, LMK 2012, 333271: „Der Insolvenzverwalter, dem für eine Anfechtungsklage ein Gerichtsstand der EuGVVO vorteilhafter erscheint, braucht nur einen Dritten zu finden oder gegebenenfalls zu diesem Zweck zu gründen, dem er sodann den Anfechtungsanspruch abtritt.“ 306  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  62.

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ternationalzuständigkeitsrechtlichen vis attractiva concursus angeführt hatte,307 Zweifel hervor.308 Um diese Bedenken und zumindest das Ergebnis der F-Tex-Entscheidung in Einklang zu bringen, bietet sich folgende Lösung an: Jedenfalls dann, wenn auch eine Verpflichtung des klagenden Dritten besteht, den Anspruch geltend zu machen, sollte eine zumindest wirtschaftlich gleichwertige (wenn auch mittelbare) Betroffenheit des Interesses der Gläubigergesamtheit die für die Annahme einer Annexklage notwendige Voraussetzung einer Klageerhebung im Interesse der Gläubigergesamtheit erfüllen. Bei einer Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter, die den Zessionar verpflichtet, 50% oder mehr des eingezogenen Erlöses an die Insolvenzmasse abzuführen, wäre daher (natürlich in Abhängigkeit vom Ursprung der Klage) eine Annexklage anzunehmen. Daher dürfte bei einer Inkassozession in der Regel die soeben genannte notwendige Voraussetzung als erfüllt anzusehen sein.309 Denn der Inkassozessionar ist kraft des Treuhandverhältnisses verpflichtet, die Forderung einzuziehen und den Erlös (in der Regel überwiegend) an den Zedenten abzuführen310. Im Ergebnis gilt dasselbe für das unechte Factoring311 (obwohl der Factor bereits vor Klageerhebung einen Betrag an die Masse zahlt312), weil der Factor verpflichtet ist, die Einziehung des abgetretenen Anspruchs zu betreiben313 und der Darlehensrückzahlungsanspruch des Factors314 gegen die Masse bei erfolgreicher Einziehung erlischt315. Das Erlöschen des Darlehensrückzahlungsanspruchs begründet hier eine zumindest gleichwertige wirtschaftliche Betroffenheit der Masse. DaEuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-339/07 – Deko Marty, Rn.  23 f. Dazu bereits Brinkmann, EWiR 2012, 383 (384); Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  29; Kern, LMK 2012, 333271. 309  In diese Richtung (wohl) auch Piekenbrock, KTS 2015, 379 (408). 310  Vgl. BGH, Urt. v. 03.04.2014 – IX ZR 201/13 = NJW 2014, 1963 (1964 f.); Grünberg, in: Palandt, BGB, §  398 Rn.  29. 311  Im Ergebnis übereinstimmend (wenn auch in der Begründung abweichend) Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  6. 312  Vgl. Grünberg, in: Palandt, BGB, §  398 Rn.  38; Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, §  398 Rn.  156. 313  Dies ergibt sich daraus, dass der Anspruch erfüllungshalber an den Factor abgetreten wird, vgl. BGH, Urt. v. 03.05.1972 – VIII ZR 170/71 = NJW 1972, 1715 (1716); Grünberg, in: Palandt, BGB, §  398 Rn.  40. Bei einer Leistung erfüllungshalber ergibt sich aus der Abrede der Parteien in der Regel für den Gläubiger (hier den Factor) die Verpflichtung aus dem erfüllungshalber angenommenen Gegenstand mit verkehrsüblicher Sorgfalt Befriedigung zu suchen, vgl. Fetzer, in: MüKoBGB, §  364 Rn.  12; Grünberg, in: Palandt, BGB, §  364 Rn.  7. 314  Beim unechten Factoring gewährt der Factor dem Factoringkunden nach h. M. eine Darlehen, vgl. Grünberg, in: Palandt, BGB, §  398 Rn.  40. 315  Bei einer Leistung erfüllungshalber erlischt die Forderung (hier die Darlehensrückzahlungsforderung des Factors), wenn und soweit der Gläubiger die geschuldete Leistung aus dem erfüllungshalber hingegebenen Gegenstand erhält, vgl. Fetzer, in: MüKoBGB, §  364 Rn.  14. 307  308 

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gegen dürfte die notwendige Voraussetzung bei einem ordentlichen Forderungskauf nicht erfüllt sein.316 Denn der Kaufpreis ist im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits in die Masse geflossen, sodass das Interesse der Gläubigergesamtheit durch die Klage nicht mehr berührt wird.317 Zudem ist der Käufer nicht zur Geltendmachung des abgetretenen Anspruchs verpflichtet. Mögliche Sekundär­ ansprüche des Käufers gegen die Masse wegen des Nichtbestehens oder der Mangelhaftigkeit des abgetretenen Anspruchs begründen keine ausreichende Betroffenheit des Interesses der Gläubigergesamtheit durch die Klage des Dritten.318 Dafür spricht jedenfalls, dass der EuGH in der F-Tex-Entscheidung dem Umstand, dass die Abtretung ohne jede Gewährleistung für Inhalt, Höhe oder tatsächliche und rechtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche erfolgte319, in seiner Argumentation zur Ablehnung einer Annexklage keine Beachtung schenkte. Umgekehrt sollten potentielle Sekundäransprüche des Zessionars gegen die Masse nicht für eine Annexklage streiten. Ebenso wird man beim echten Factoring entscheiden müssen, da es sich hierbei nach h. M. um einen Forderungskauf handelt.320 2. Kein Erfordernis der Klageerhebung im Interesse „aller“ Gläubiger Wie bereits erwähnt, kann der Insolvenzverwalter keine Schäden der vertraglichen Neugläubiger wegen Insolvenzverschleppung einklagen.321 Demgegenüber ist gem. §  92 S.  1 InsO während des Insolvenzverfahrens nur der Insolvenzverwalter dazu berufen, die Ansprüche der Altgläubiger auf Ersatz des aus der Summe der einzelnen Quotenschäden der Altgläubiger bestehenden Gesamtschadens geltend zu machen.322 Das insoweit Eingezogene darf er ausschließlich zu Gunsten derjenigen Gläubiger verwenden, deren Ansprüche unter §  92 InsO fallen.323 316  In diesem Sinne (wohl) auch Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  171 f. A. A. (wohl) Piekenbrock, KTS 2015, 379 (408). 317  Ähnlich auch Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  171 f. 318  A. A. Piekenbrock, KTS 2015, 379 (408): „Bei einem ordentlichen Forderungsverkauf hätte die Masse mit Blick auf die Veritätshaftung (§§  453, 435 BGB) ein unmittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits.“ 319  EuGH, Urt. v. 19.04.2012 – C-213/10 – F-Tex, Rn.  13. 320  BGH, Urt. v. 08.05.2014 – IX ZR 128/12 = NJW 2014, 2358 (2359); Grünberg, in: Palandt, BGB, §  398 Rn.  39. 321  Siehe Teil 2, Fn.  273. 322  BGH, Urt. v. 05.02.2007 – II ZR 234/05 = NZG 2007, 347 (349); Arnold, in: Henssler/ Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  76; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  127 f.; Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  92 InsO Rn.  45. 323  Vgl. BGH, Urt. v. 21.03.2013 – III ZR 260/11 = NJW 2013, 1434 (1438); Brandes/

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Daher hat der Insolvenzverwalter zu Gunsten der Altgläubiger – aber eben nur zu deren Gunsten, nicht zu Gunsten sämtlicher Gläubiger – eine Sondermasse zu bilden.324 Da der EuGH in der ÖFAB-Entscheidung ein Annexverfahren mit der Formulierung ablehnte, dass die Klagen nicht „im Interesse aller Gläubiger“ erhoben worden seien,325 lässt sich vertreten, dass die Klage des Insolvenzverwalters, die auf Ersatz des besagten Gesamtschadens gerichtet ist, keine Annexklage ist, weil der Insolvenzverwalter nicht im Interesse aller Gläubiger handelt.326 Diesem Ansatz ist jedoch nicht zu folgen. Klagen, die nicht im Interesse aller Gläubiger erhoben werden, sollten nicht per se aus dem Kreis der Annexklagen ausscheiden. Im Hinblick auf den Bezug zum Insolvenzverfahren unterscheidet sich die ÖFAB-Konstellation (auch abgesehen von dem Umstand, dass in diesem Fall das Insolvenzverfahren im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits beendet war327) grundlegend von der Geltendmachung der Insolvenzverschleppungshaftung innerhalb des Insolvenzverfahrens zu Gunsten der Altgläubiger. ÖFAB klagte ausschließlich im eigenen Interesse328 gegen das Verwaltungsratsmitglied sowie den Gesellschafter der insolventen Gesellschaft.329 Eine gemeinschaftliche, gleichmäßige Gläubigerbefriedigung im Hinblick auf das Vermögen des Verwaltungsratsmitglieds bzw. des Gesellschafters stand nicht in Rede. Das Interesse anderer Gesellschaftsgläubiger und Restriktionen auf Grund derartiger Interessen spielten für diese Klage keine Rolle. Insofern ist diese Klage mit derjenigen eines vertraglichen Neugläubigers unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzver-

Gehrlein, in: MüKoInsO, §  92 Rn.  15; Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  92 InsO Rn.  33; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  92 Rn.  14. 324  Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  76; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  555; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  214; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  187. 325  Siehe Teil 2, Fn.  277. 326  In diesem Sinne unter Berufung auf das ÖFAB-Urteil Piekenbrock, KTS 2015, 379 (402 f. mit Fn.  180). Im Ergebnis ebenso Freitag, ZIP 2014, 302 (304 f.); Prager/Keller, WM 2015, 805 (807); Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  1 EuGVVO Rn.  50. Für eine Annexklage demgegenüber Bork, FS Beck, S.  49 (58); Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  48; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  194; Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45 f.); E. Peiffer/M. Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  1 Rn.  76; Thole, in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  132; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  147 f.; Wedemann, IPRax 2015, 505 (508 f.). 327  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  230 und 233. 328  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  25: „dass es sich um Rechte handelt, die ÖFAB in ihrem eigenen Interesse wahrnehmen kann“. 329  Vgl. zum Sachverhalt der ÖFAB-Entscheidung EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  9 ff.

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schleppung330 vergleichbar. Demgegenüber bezweckt der für die Ansprüche der Altgläubiger maßgebliche §  92 InsO gerade die gemeinschaftliche, gleichmäßige Befriedigung der betroffenen Gläubiger aus dem Vermögen des beklagten Dritten.331 Es soll vermieden werden, dass sich einzelne Gläubiger durch gesonderten Zugriff auf das Vermögen des Dritten Vorteile verschaffen.332 Betrifft die Klage des Insolvenzverwalters auf Ersatz des Gesamtschadens jedoch – im Unterschied zur Klage des vertraglichen Neugläubigers und der ÖFAB-Klage – in Gestalt der gemeinschaftlichen, gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung einen zentralen insolvenzverfahrensrechtlichen Zweck, steht diese Klage nicht per se außerhalb des von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO verfolgten Zwecks, nämlich der Verbesserung der Effizienz und der Beschleunigung der Insolvenzverfahren. In Abhängigkeit vom Ursprung der Klage (dazu sogleich unter C.) sollte jedenfalls unter derartigen Umständen die Annahme einer Annexklage möglich sein, auch wenn die Klageerhebung nicht im Interesse aller Gläubiger erfolgt. 3. Ergebnis Eine Annexklage kann nur angenommen werden, sofern die einzustufende Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit erhoben wird. Strengt ein Gläubiger bzw. ein Dritter die Klage nur in seinem individuellen Interesse an, kann davon keine Rede sein. Dass die Klage überhaupt auch im Interesse der Gläubigergesamtheit angestrengt wird, genügt ebenfalls noch nicht. Andererseits sollte eine Annexklage nicht zwingend ausscheiden, sofern die Klage nur mittelbar im Interesse der Gläubigergesamtheit erhoben wird. Die eingangs erwähnte Voraussetzung ist vielmehr erfüllt, sofern der klagende Gläubiger bzw. Dritte zur Geltendmachung des Anspruchs verpflichtet ist und das Interesse der Gläubigergesamtheit im Vergleich zum Gläubiger- bzw. Drittinteresse zumindest wirtschaftlich gleichwertig (wenn auch nur mittelbar) betroffen ist. Dass die Klageerhebung durch den Insolvenzverwalter tatsächlich im Interesse aller Gläubiger erfolgt, ist im Übrigen nicht zu fordern.

330 

Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.II.1.a). Vgl. zum Normzweck des §  92 InsO BGH, Urt. v. 21.03.2013 – III ZR 260/11 = NJW 2013, 1434 (1438); Brandes/Gehrlein, MüKoInsO, §  92 Rn.  1; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  532; Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  92 InsO Rn.  1; K Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  92 Rn.  2. 332  BGH, Urt. v. 21.03.2013 – III ZR 260/11 = NJW 2013, 1434 (1438): „indem der Wettlauf der Gläubiger um das pfändbare Vermögen des Ersatzpflichtigen ausgeschlossen wird“; vgl. auch Brandes/Gehrlein, MüKoInsO, §  92 Rn.  1; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  532. 331 

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C. Klageursprung im Insolvenzverfahrensrecht Die Annahme einer Annexklage setzt zwingend voraus, dass der Ursprung der einzuordnenden Klage im Insolvenzverfahrensrecht liegt.333 Der Anspruch gegen den Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter, welcher der Klage als Grundlage dient, muss zur Erfüllung dieser Voraussetzung den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen sein.334 Gehört dieser Anspruch demgegenüber den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts an, ist der Ursprung der Klage nicht im Insolvenzverfahrensrecht zu verorten, sodass auch die Einstufung als Annexklage nicht in Betracht kommt. Es wurde bereits dargelegt, dass im Hinblick auf Haftungsansprüche gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter ein Zusammenhang zwischen der Zuordnung zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren und der insolvenzrechtlichen Qualifikation für die Belange des Art.  7 EuInsVO besteht (partieller Auslegungszusammenhang zwischen Art.  6 Abs.  1 EuInsVO und Art.  7 EuInsVO).335 Daher sind die folgenden Ausführungen gleichermaßen von Bedeutung für das Kolli­ sions­recht. Die Grenzziehung zwischen den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren und den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts soll schwerpunktmäßig unter Rückgriff auf die G.T. GmbH-Entscheidung336 des EuGH veranschaulicht werden. Dieser Entscheidung lassen sich mehrere Weichenstellungen entnehmen, welche für besagte Grenzziehung prägend sind. Ihr lag folgender Sachverhalt zu Grunde337: Der Geschäftsführer der G.T. GmbH, die ihren Sitz in Offenbach am Main hatte, veranlasste im Juli des Jahres 2009 nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung von G.T. GmbH Zahlungen an deren Tochtergesellschaft. Am 01.11.2009 wurde in Deutschland das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G.T. GmbH eröffnet. Der Insolvenzverwalter forderte vor dem LG Darmstadt – unter Berufung auf §  64 S.  1 GmbHG – Ersatz der Zahlungen von dem Geschäftsführer, einem Niederländer mit Wohnsitz in der Schweiz. Das LG Darmstadt legte dem EuGH die Frage vor, ob es sich bei dieser Klage um eine Annexklage handele.338 Da der Insolvenzverwalter diese Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit339 anstrengte, war eine Klage bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens (dazu oben unter B.) unproble333 

Siehe Teil 2, Fn.  154. Siehe Teil 2, Fn.  155. 335  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.I.3. 336  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH. 337  Vgl. EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  8 f. 338  LG Darmstadt, Vorlagebeschl. v. 15.05.2013 – 15 O 29/12 = NZI 2013, 712 (713). 339  Vgl. nur EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  16. 334 

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matisch zu bejahen340, sodass sich das Vorabentscheidungsverfahren auf die Frage konzentrieren konnte, ob §  64 S.  1 GmbHG den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen ist. Ob §  64 S.  1 GmbHG die Grundlage einer Annexklage darstellen kann, wurde in Rechtsprechung und Literatur vor der Entscheidung des EuGH unterschiedlich bewertet.341 Für den Fall, dass die auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens erhoben wird, hat sich der EuGH nunmehr für das Vorliegen einer Annexklage ausgesprochen.342 Daher gehört §  64 S.  1 GmbHG zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren. Diesem Ergebnis und der Argumentation des EuGH lassen sich folgende Schlussfolgerungen abgewinnen. I. Irrelevanz des Regelungsstandorts des Haftungsanspruchs in der nationalen Rechtsordnung Betrachtet man den Regelungsstandort, ist §  64 S.  1 GmbHG in der deutschen Rechtsordnung im Gesellschaftsrecht angesiedelt. Wäre dieser Umstand von Einfluss auf bzw. sogar ausschlaggebend für die hier in Rede stehende Grenzziehung, hätte er für eine Zuordnung zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts gestritten.343 Da der EuGH §  64 S.  1 GmbHG jedoch den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuweist, ohne auf die formale Stellung in der nationalen Rechtsordnung überhaupt einzugehen, wird deutlich, dass der Regelungsstandort für die Grenzziehung ohne Relevanz ist. Dass dem häufig von Zu-

EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  19. Dafür etwa Haas, NZG 2010, 495 (496); ders., ZIP 2013, 2381 (2385 f.); Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  11, Art.  3 EuInsVO Rn.  94; Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (47); Paulus, EuInsVO, 4.  Aufl., Art.  25 Rn.  23; Thole, ZIP 2012, 605 (607); Wais, IPRax 2011, 138 (140); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  150 ff.; Weller, ZGR 2012, 606 (610). Dagegen etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2009 –17 U 152/08 = IPRax 2011, 176 (177 f.); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  1 EuGVVO Rn.  130; Haubold, IPRax 2000, 375 (376); Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  1 Rn.  85; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  1 EuGVO Rn.  36; Ringe/Willemer, NZG 2010, 56 (56 f.); Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  259 ff. Tendenziell ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.12.2009 – 13 U 102/09 = NZG 2010, 509 (509 f.). 342  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  26. Zustimmend etwa Kindler, EuZW 2015, 143 (143); E. Peiffer/M. Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  1 Rn.  72; Schulz, NZG 2015, 146 (147); Wedemann, IPRax 2015, 505 (505 f.). Ablehnend hingegen Bramkamp, KTS 2015, 421 (428 ff.); ebenso aus kollisionsrechtlicher Perspektive Ringe, JZ 2016, 573 (574 f.). 343  Vgl. Kindler, EuZW 2015, 143 (143): „entgegen der systematischen Verortung in einem gesellschaftsrechtlichen Gesetz“; Thole, IPRax 2015, 396 (399). 340  341 

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fälligkeiten abhängigen344 Regelungsstandort jedenfalls keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, entspricht ohnehin der wohl einhelligen Meinung in der Literatur.345 II. Irrelevanz der Vorwirkung des Haftungsanspruchs auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Die von §  64 S.  1 GmbHG statuierte Ersatzpflicht des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft bezieht sich auf Zahlungen des Geschäftsführers ab dem Eintritt der Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit (§  17 InsO) oder Überschuldung (§  19 InsO).346 Die Norm wirkt daher bereits deutlich vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auch vor einem etwaigen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Geschäftsführer ein.347 Vornehmlich im Bereich des Kollisionsrechts wurde eine derartige Vorwirkung einer Norm auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einer beachtlichen Literaturansicht zur Begründung dafür herangezogen, dass eine insolvenzrechtliche Qualifikation i. S. d. Art.  7 EuInsVO ausscheide: Auch weil die Insolvenzantragspflicht gem. §  15a InsO an den Eintritt der Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung anknüpft348 und folglich z. B. den GmbH-Geschäftsführer naturgemäß vor (und unabhängig von der) Eröffnung des Insolvenzverfahrens treffe, werde sie nicht von Art.  7 EuInsVO er-

344  Vgl. etwa Haas, ZIP 2013, 2381 (2385) unter anderem zur wechselvollen Geschichte des Regelungsstandorts der Insolvenzantragspflicht des deutschen Rechts. 345  Centner, LMK 2014, 364501; Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 19 (42); Haas, NZG 2013, 1161 (1162); ders., ZIP 2013, 2381 (2385); Haas/Brunner, FS Sutter-Somm, S.  169 (172); Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 (679); Paulus, EuInsVO, Art.  6 Rn.  3; E. Peiffer/M. Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  1 Rn.  72; Thole, IPRax 2015, 396 (399); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  80; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  135 f. 346  Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  21 ff.; Bork, in: Bork/Schäfer, ­GmbHG, §  64 Rn.  4, 6 ff.; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  60; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  64 Rn.  1. 347  Man spricht auch von einem den Geschäftsführer ab dem Eintritt der Insolvenzgründe (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) treffenden „Zahlungsverbot“, siehe etwa BGH, Urt. v. 23.06.2015 – II ZR 366/13 = NZG 2015, 998 (1001); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, ­GmbHG, §  64 Rn.  41; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  137; kritisch zum Begriff des „Zahlungsverbots“ (ohne dass dadurch die Vorwirkung der Norm in Frage gestellt würde) Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  5. 348  Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vorbemerkung zu §  64 Rn.  66; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  59.

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

fasst.349 Dieses Ergebnis übernahm man konsequenterweise auch für die Insolvenzverschleppungshaftung gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a InsO.350 Im Hinblick auf den Einzugsbereich von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO steht einer derartigen Argumentation das Ergebnis der G.T. GmbH-Entscheidung – Zuordnung von §  64 S.  1 GmbHG zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren trotz entsprechender Vorwirkung – entgegen.351 In Bezug auf das Kollisionsrecht bestätigte der EuGH diese Sichtweise durch das Kornhaas-Urteil, mit dem er den Anspruch gem. §  64 S.  1 GmbHG im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unter den Anknüpfungsgegenstand des Art.  7 Abs.  1 EuInsVO fasste.352 Zudem brachte er in diesem Urteil zum Ausdruck, dass die vorwirkende Insolvenzantragspflicht gem. §  15a InsO353 sowie die Insolvenzverschleppungshaftung gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a InsO gleichfalls Art.  7 EuInsVO zuzurechnen sind,354 sodass der vorstehend geschilderten Argumentation vollständig der Boden entzogen ist. Dass ein Haftungsanspruch Vorwirkungen auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zeitigt, steht seiner Zurechnung zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren damit nicht entgegen.

349  In diesem Sinne etwa Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867 (869 ff.); Huber, in: Lutter (Hrsg.), EU-Auslandsgesellschaften in Deutschland, S.  307 (325); Klöhn, in: MüKoInsO, §  15a Rn.  58. Gegen diese Argumentation etwa Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  7 EuInsVO Rn.  67; Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unions­kol­lisionsrechts, Rn.  508; vgl. im Hinblick auf §  64 S.  1 GmbHG ebenso Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  50. 350  Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867 (869 ff.); Klöhn, in: MüKoInsO, §  15a Rn.  58 f. 351  Für die Einbeziehung des Vorstadiums des Insolvenzverfahrens in die EuInsVO aus zuständigkeitsrechtlicher Perspektive bereits Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  111 f. 352  EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14 – Kornhaas, Rn.  17, 21. 353  Siehe insoweit Schall, ZIP 2016, 289 (293): „Ausdrücklich gleich mitqualifiziert hat der EuGH freundlicherweise die Insolvenzantragspflicht als Insolvenzrecht nach Art.  4 EuInsVO.“ Vgl. auch Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  30; Wansleben, EWS 2016, 72 (76 mit Fn.  55). 354  Konkret ordnet der EuGH die Insolvenzantragspflicht sowie die Insolvenzverschleppungshaftung dem Passus „unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird“ gem. Art.  7 Abs.  2 S.  1 EuInsVO zu. Vgl. EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14 – Kornhaas, Rn.  19. Identisches Verständnis des Urteils im Hinblick auf die Insolvenzverschleppungshaftung bei Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  30; Kindler, EuZW 2016, 136 (139); Wansleben, EWS 2016, 72 (76 mit Fn.  56).

§  2 Abstrakte Kriterien zur Bestimmung von Annexklagen

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III. Irrelevanz der Unabhängigkeit der Geltendmachung des Haftungsanspruchs von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs gem. §  64 S.  1 GmbHG ist umstritten. Nach einer Ansicht entsteht der Anspruch bereits zum Zeitpunkt der Zahlung.355 Die Gegenansicht setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§  26 Abs.  1 InsO) voraus.356 Jedenfalls ist die Entstehung des Anspruchs nach beiden Ansichten unabhängig von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Anspruch gem. §  64 S.  1 GmbHG kann überdies unstreitig nicht nur innerhalb eines Insolvenzverfahrens, sondern (z. B. bei einer Abweisung im Sinne des §  26 Abs.  1 InsO) auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden.357 Mithin ist auch die Geltendmachung dieses Anspruchs von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unabhängig. Diese Unabhängigkeit wurde im Vorfeld der G.T. GmbH-Entscheidung häufig als Argument für eine Ausgrenzung dieses Anspruchs aus den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren angeführt.358 Die Gegenansicht lehnte diese Argumentation ab.359 Der EuGH nahm in G.T. GmbH zu diesem Streitpunkt explizit Stellung: Im Hinblick auf eine innerhalb des Insolvenzverfahrens erhobene und auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage lasse sich die Einstufung als Annexklage nicht mit dem Argument ablehnen, dass eine auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage potentiell auch bei Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens erhoben werden könnte.360 Bemüht man sich um eine Einbettung dieses Gedankens in die vom EuGH im Grundsatz zur Abgrenzung zwischen Annexklagen und Nichtannex355  BGH, Beschl. v. 23.09.2010 – IX ZB 204/09 = NZI 2011, 73 (74); Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  16; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  64 Rn.  41; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  172. 356  Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  24; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  25. 357  Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  31; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  28; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  173 f. 358  Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2009 – 17 U 152/08 = IPRax 2011, 176 (177 f.); OLG Rostock, Urt. v. 04.06.2014 – 1 U 51/11 = IPRax 2016, 156 (157); Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  1 Rn.  85; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  1 EuGVO Rn.  36; Ringe/Willemer, NZG 2010, 56 (56 f.); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  237; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  263. Derart argumentierte in der Rechtssache G.T. GmbH auch der Kläger des Ausgangsverfahrens, vgl. EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  15. 359  Haas, NZG 2010, 495 (496); ders., ZIP 2013, 2381 (2386); Wais, IPRax 2011, 138 (139 f.); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (872 mit Fn.  29); Weller/Harms, IPRax 2016, 119 (121). 360  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  20.

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klagen vorgegebene Struktur361, bedeutet dies, dass die Möglichkeit, den Anspruch gem. §  64 S.  1 GmbHG bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens geltend zu machen, die Zugehörigkeit dieses Anspruchs zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren nicht ausschließt. Letzteres muss konsequenterweise auch für alle übrigen Haftungsansprüche gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter gelten. Folglich ist die Unabhängigkeit der Geltendmachung eines Haftungsanspruchs von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Grenzziehung zwischen Annexklagen und Nichtannexklagen irrelevant. IV. Abhängigkeit der „Anwendung“ des Haftungsanspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes Die Entstehung des Anspruchs gem. §  64 S.  1 GmbHG ist vom Eintritt eines Insolvenzgrundes – entweder Zahlungsunfähigkeit (§  17 InsO) oder Überschuldung (§  19 InsO) – abhängig.362 Der EuGH konzentriert sich in G.T. GmbH auf den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit und führt insoweit aus: „[Eine] Vorschrift [...], deren Anwendung zwar nicht die förmliche Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraussetzt, wohl aber die materielle Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, [ist] [...] eine Vorschrift, die [...] von den allgemeinen Regeln des Zivil- und Handelsrechts abweicht“363. „[§  64 S.  1 GmbHG] weicht eindeutig von den allgemeinen Regeln des Zivil- und Handelsrechts ab, und zwar gerade wegen der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnergesellschaft.“364 Die Abweichung von den allgemeinen Regeln des Zivil- und Handelsrecht bedeutet für §  64 S.  1 GmbHG – und alle übrigen Haftungsansprüche, deren „Anwendung“ die „materielle Zahlungsunfähigkeit“ voraussetzt – zugleich eine Zuordnung zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren. Diese Ausführungen des EuGH sind in der Literatur unterschiedlich365 aufgenommen worden, lassen nach hier vertretener Auffassung jedoch folgende Schlüsse zu.

361 

Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 A.I. Vgl. Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  21 ff.; Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  4, 6 ff.; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  60; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  64 Rn.  1 f. 363  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  22. 364  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  23. 365  Tendenziell befürwortend Wedemann, IPRax 2015, 505 (506): „klares, einfach zu handhabendes Entscheidungskriterium“. Tendenziell ablehnend Bramkamp, KTS 2015, 421 (428); Piekenbrock, KTS 2015, 379 (402); Thole, IPRax 2015, 396 (399). Vgl. aus kollisionsrechtlicher Perspektive auch Wansleben, EWS 2016, 72 (75 mit Fn.  51): „Abschließende eindeutige Kriterien lässt der EuGH dabei vermissen.“ 362 

§  2 Abstrakte Kriterien zur Bestimmung von Annexklagen

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1. Insolvenzgründe als Dreh- und Angelpunkt Die Ausführungen des EuGH sind streng genommen unzutreffend, weil die „Anwendung“ von §  64 S.  1 GmbHG gerade nicht von der Zahlungsunfähigkeit abhängig ist. Denn §  64 S.  1 GmbHG stellt die Überschuldung der Zahlungsunfähigkeit gleich. Es kann folglich nur um eine alternative Abhängigkeit von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gehen.366 Nach hier vertretener Auffassung sollte abstrakt gesehen (für §  64 S.  1 GmbHG ist dies irrelevant) auch die Abhängigkeit vom Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§  18 InsO) identische Konsequenzen zeitigen, da alle Insolvenzgründe einen zumindest vergleichbaren367 Bezug des Haftungsanspruchs zum Insolvenzverfahren zum Ausdruck bringen. Verallgemeinernd ist daher festzuhalten: Setzt die „Anwendung“ eines Haftungsanspruchs – wenn auch variabel – den Eintritt irgendeines Insolvenzgrundes (§§  17, 18 oder §  19 InsO) voraus, spricht dies (zum exakten Stellenwert dieses Kriteriums unter 3.) für eine Zuordnung dieses Anspruchs zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren. Erst recht spricht es für eine derartige Zuordnung, sofern die „Anwendung“ eines Haftungsanspruchs von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abhängig ist. In diesem Fall ist immer zugleich eine Abhängigkeit vom Eintritt eines Insolvenzgrundes gegeben, welcher Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist.368 2. Bedeutung der „Anwendung“ des Haftungsanspruchs Es ist nicht ganz klar, was der EuGH meint, wenn er davon spricht369, dass die „Anwendung“ der Vorschrift den Eintritt eines Insolvenzgrundes voraussetzt. Zwei in Betracht kommende Interpretationsmöglichkeiten lassen sich am Beispiel der Haftung gem. §  64 S.  3 GmbHG veranschaulichen. Einerseits könnte man den EuGH derart verstehen, dass es auf die Abhängigkeit der Entstehung des Haftungsanspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes ankommt.370 Da die 366  In diese Richtung auch Haas/Brunner, FS Sutter-Somm, S.  169 (174): „Eintritt der Insolvenzauslösetatbestände (Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung)“; Piekenbrock, KTS 2015, 379 (402): „materielle Insolvenz der Gesellschaft als Anspruchsvoraussetzung“; Thole, IPRax 2015, 396 (399): „Zahlungsunfähigkeit, also der materiellen Insolvenz“; Wedemann, IPRax 2015, 505 (506): „materielle Insolvenz bzw. Zahlungsunfähigkeit“. 367  Dem Umstand, dass der Schuldnerantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§  18 InsO) fakultativ – vgl. nur K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  18 Rn.  10 – ist, sollte an dieser Stelle keine Unterscheidungskraft zukommen. 368  Vgl. zu §  135 InsO die Erwägung von Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  187 mit Fn.  778. 369  Siehe Nachweis in und Text zu Teil 2, Fn.  363. 370  In diese Richtung Bork, FS Beck, S.  49 (56): „Der Ursprung des Anspruchs liege im Insolvenzrecht, da er die materielle Insolvenz des Schuldners voraussetze“; Piekenbrock, KTS

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Entstehung eines Anspruchs gem. §  64 S.  3 GmbHG zwingend den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit i. S. d. §  17 InsO erfordert,371 wäre §  64 S.  3 GmbHG auf dieser Basis genau wie §  64 S.  1 GmbHG den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen372. Andererseits ließe sich aber auch ein Unterschied zwischen §  64 S.  1 und §  64 S.  3 GmbHG betonen: §  64 S.  3 GmbHG verlagert den Vermögensschutz im Vergleich zu §  64 S.  1 GmbHG373 zeitlich nach vorne, indem Zahlungen sanktioniert werden, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten („partielle Insolvenzverursachungshaftung“).374 Ist die GmbH bereits zahlungsunfähig, kann keine nachfolgende Zahlung die Zahlungsunfähigkeit kausal herbeiführen, sodass §  64 S.  3 GmbHG insofern nicht eingreift.375 Zwar sanktioniert §  64 S.  3 GmbHG dennoch potentiell Zahlungen nach Eintritt des Insolvenzgrundes der Überschuldung.376 Die Norm setzt jedoch keineswegs voraus, dass im Zeitpunkt der Zahlung ein Insolvenzgrund bereits vorliegt, sondern erzeugt bereits und gerade vor dem Eintritt eines Insolvenzgrundes Wirkungen.377 Aus diesem Blickwinkel ließe sich argumentieren, dass die „Anwendung“ (i. S. v. Regelungswirkung) des §  64 S.  3 GmbHG gerade nicht vom Eintritt eines Insolvenzgrundes abhängt. U. a. diese Unabhängigkeit wird in ­Bezug auf den kollisionsrechtlichen Art.  7 EuInsVO – in Abgrenzung zur insol2015, 379 (402): „Zur Begründung hat der EuGH im Wesentlichen auf die materielle Insolvenz der Gesellschaft als Anspruchsvoraussetzung [...] verwiesen.“; Wedemann, IPRax 2015, 505 (506): „Maßgebend ist allein, ob der Tatbestand des geltend gemachten Anspruchs die materielle Insolvenz bzw. Zahlungsunfähigkeit voraussetzt.“ 371  Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  57; H.‑F. Müller, in: MüKo­GmbHG, §  64 Rn.  189; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  97; vgl. auch Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  142, 147, der auch die Herbeiführung nur der Überschuldung unter §  64 S.  3 GmbHG subsumieren will. 372  Konsequent daher Wedemann, IPRax 2015, 505 (508 mit Fn.  58); ebenfalls auf den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs abstellend Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  201. 373  Siehe insoweit Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  346 und 347. 374  Vgl. zur Vorverlagerung des Vermögensschutzes durch §  64 S.  3 GmbHG gegenüber §  64 S.  1 GmbHG etwa Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  136; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  64 Rn.  47; Knof, DStR 2007, 1536 (1538 f.); H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  177; Strohn, ZHR 173 (2009), 589 (589). 375  BGH, Urt. v. 09.10.2012 – II ZR 298/11 = NZG 2012, 1379 (1380); Jost, ZInsO 2014, 2471 (2477); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  95. 376  Gerade im Stadium der Überschuldung sind Zahlungen denkbar, die zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten, vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  147; Jost, ZInsO 2014, 2471 (2477); H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  177; K. Schmidt, in: ­Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  96. 377  Vgl. Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  43; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  136; Jost, ZInsO 2014, 2471 (2471); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  82.

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venzrechtlichen Qualifikation von §  64 S.  1 GmbHG – gegen eine insolvenzrechtliche Qualifikation von §  64 S.  3 GmbHG vorgebracht: „Während das Zahlungs­verbot nach Insolvenzreife eine materielle insolvenzrechtliche Verhaltenspflicht der Geschäftsleiter begründet, sanktioniert die Insolvenz­ver­ur­ sachungshaftung die Verletzung einer vorinsolvenzrechtlichen Verhaltenspflicht.“378 Im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit sind es u. a. ähnliche Überlegungen, die Literaturstimmen dazu bewegen, §  64 S.  3 GmbHG den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts zuzuweisen.379 Für eine Entscheidung zwischen den dargelegten Sichtweisen muss man sich vergegenwärtigen, dass die letztgenannte Interpretationsmöglichkeit bei strenger Anwendung darauf hinaus liefe, dass Haftungsansprüche/Normen, die regelnd auf den Zeitraum vor Eintritt der Insolvenzgründe einwirken, nicht zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zählten. Jedenfalls erfüllten diese Haftungsansprüche/Normen das im G.T. GmbH-Urteil für eine insolvenzrechtliche Einordnung aufgestellte zentrale Kriterium nicht, da ihre „Anwendung“ den Eintritt eines Insolvenzgrundes nicht voraussetzt. Gegen eine derartige Interpreta­tion spricht (wenn nicht schon ein Blick auf die in Art.  6 Abs.  1 EuInsVO explizit aufgeführte Insolvenzanfechtung, deren Tatbestände sich auch auf Rechtshandlungen vor Eintritt eines Insolvenzgrundes beziehen380) die Gourdain-Entscheidung.381 In dieser Entscheidung ordnete der Gerichtshof die action en comblement du passif gem. Art.  99 des französischen Gesetzes Nr.  67-563 vom 13.07.1967 als Annexklage ein,382 obwohl dieses Haftungsinstitut in der damaligen und der heutigen, in Art. L 651-2 code de commerce geregelten Fassung alle Arten von Geschäftsleitungsfehlern sanktioniert und somit auch auf den Zeitraum vor Eintritt der Insolvenzgründe einwirkt383. Bislang hat der EuGH nicht (auch Servatius, DB 2015, 1087 (1092). Gleichsinnig Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsR, Art.  4 EuInsVO Rn.  61 f. 379  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  158: „Das Verbot insol­ venz­verursachender Auszahlungen (§  64 S.  3 GmbHG) [...] bezweckt nicht die optimale Haftungsrealisierung des Schuldnervermögens in der Insolvenz, sondern nur den vorgelagerten Schutz der Gläubiger vor der Insolvenz selbst.“ Siehe auch Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  31 i. V. m. Art.  4 EuInsVO Rn.  61 f. 380  Servatius, DB 2015, 1087 (1092) verneint im Hinblick auf das kollisionsrechtliche Parallel­problem insofern einen Widerspruch mit dem Argument, dass den Anfechtungstatbeständen – im Unterschied zu §  64 S.  3 GmbHG – keine generelle Rechtswidrigkeit in Bezug auf die anfechtbare Rechtshandlungen zu entnehmen sei. 381  Vor dem Hintergrund der Gourdain-Entscheidung an der Ablehnung der insolvenzrechtlichen Qualifikation von §  64 S.  3 GmbHG zweifelnd auch Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  4 EuInsVO Rn.  64. 382  EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  6. 383  Vgl. (zum Teil zu den Nachfolgeregelungen der action en comblement du passif gem. Art.  99 des französischen Gesetzes Nr.  67-563 vom 13.07.1967) Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 378 

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nicht in der G.T. GmbH-Entscheidung) den Eindruck vermittelt, sich vom Ergebnis des Gourdain-Urteils distanzieren zu wollen. Um einen Widerspruch mit der Gourdain-Entscheidung zu vermeiden, müssen die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache G.T. GmbH384 folglich dahingehend interpretiert werden, dass es für die Zuordnung zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren im Ausgangspunkt auf die Abhängigkeit der Anspruchsentstehung vom Eintritt eines Insolvenzgrundes ankommt. Die Vorwirkung eines Haftungsanspruchs/einer Norm auf den Zeitraum vor Eintritt eines Insolvenzgrundes steht – genau wie eine Vorwirkung auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens385 – einer Einordnung bei den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren nicht entgegen. Nach hier vertretener Auffassung sollte jedoch nicht nur die Abhängigkeit der „Entstehung“ eines Haftungsanspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes (i. S. d. Ausführungen des EuGH) zum Ausdruck bringen, dass die „Anwendung einer Vorschrift“ den Eintritt eines Insolvenzgrundes voraussetzt. Identische Wirkungen im Hinblick auf eine Zuordnungen zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren sollte es nach sich ziehen, sofern (zwar nicht die „Entstehung“ des Haftungsanspruchs, jedoch etwa) die materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit386 und ggfs. auch die prozessuale Klagbarkeit eines Haftungsanspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes abhängen. Entscheidend sollte sein, ob eine erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung des in Rede stehenden Haftungsanspruchs möglich ist, ohne dass ein Insolvenzgrund eingetreten ist. Welches Mittel (Nichtentstehung, mangelnde Durchsetzbarkeit, etc.) die betreffende Rechtsordnung einer erfolgreichen Klage – gerade wegen des Nichteintritts eines Insolvenzgrundes – entgegensetzt, kann keine Rolle spielen. Die eingangs zitierten Ausführungen des EuGH sind daher wie folgt zu präzisieren: Ein Haftungsanspruch, dessen erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung den Eintritt eines Insolvenzgrundes voraussetzt, gehört zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren. Dies trifft insbesondere auf Haftungsansprüche zu, deren Entstehung vom Eintritt eines Insolvenzgrundes abhängig ist. 19 (31); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (203); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  73 f.; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  287 ff.; vgl. ausführlich zu den denkbaren Pflichtwidrigkeiten Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz bei Kapitalgesellschaften in Frankreich, S.  116 ff. 384  Siehe Text zu Teil 2, Fn.  363. 385  Siehe Ausführungen unter II. 386  Die Entstehung und die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs können (zumindest theoretisch) eine divergierende Abhängigkeit von bestimmten „insolvenzrechtlichen Merkmalen“ aufweisen. So vertritt etwa eine Ansicht zu §  64 S.  1 GmbHG, nur die Durchsetzbarkeit dieses Haftungsanspruchs (nicht aber schon dessen Entstehung) sei an die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Entscheidung gem. §  26 Abs.  1 S.  1 InsO geknüpft, vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  64 Rn.  41; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  173 f.

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3. Hinreichendes Kriterium In der Literatur ist im Anschluss an die G.T. GmbH-Entscheidung die Frage aufgeworfen worden, ob die Abhängigkeit der „Anwendung“ eines Haftungsanspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes ein bereits hinreichendes Kriterium für die Annahme darstellt, dass dieser Haftungsanspruch den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen ist.387 Richtigerweise ist diese Frage zu bejahen.388 Die bei Teil 2, Fn.  363 und 364 zitierten Ausführungen des EuGH sind insofern unmissverständlich und abschließend. In der Kornhaas-Entscheidung unterstrich der EuGH zudem die Erwägung aus der G.T. GmbH-Entscheidung, §  64 S.  1 GmbHG weiche gerade „wegen der Zahlungsunfähigkeit“ von den allgemeinen Regeln des Zivil- und Handelsrechts ab.389 a) Kein Erfordernis der Vergleichbarkeit mit Insolvenzanfechtungsklagen Gegen diese Sichtweise wird zunächst ins Feld geführt, dass der EuGH in der G.T. GmbH-Entscheidung eine auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage „in gewisser Weise“ mit einer Insolvenzanfechtungsklage vergleicht390.391 Diese Gegenansicht stellt sich auf den Standpunkt, der EuGH habe §  64 S.  1 GmbH nur unter der Prämisse insolvenzrechtlich einordnen wollen, dass dieser Haftungsanspruch aus teleologischer Sicht mit einem Insolvenzanfechtungsanspruch identisch (bzw. zumindest vergleichbar) ist.392 Dieser Gegenansicht ist nicht zu folgen.393 Es trifft zwar zu, dass der EuGH im Hinblick auf eine auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage einerseits und eine InsolBramkamp, KTS 2015, 421 (428): „Heißt dies nun zugleich, jede Klage, deren Rechtsgrundlage die materielle Insolvenz voraussetzt und im Insolvenzverfahren erhoben wird, ist stets ein Annexverfahren im Sinne der EuInsVO?“ 388  So auch Wedemann, IPRax 2015, 505 (506): „Maßgebend ist allein, ob der Tatbestand des geltend gemachten Anspruchs die materielle Insolvenz bzw. Zahlungsunfähigkeit voraussetzt.“ (Hervorhebung nicht i. O.). 389  EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14 – Kornhaas, Rn.  16. 390  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  24. 391  Bramkamp, KTS 2015, 421 (428): „[Im] nächsten Atemzug setzt er die Klage nach §  64 Satz  1 GmbHG mit Insolvenzanfechtungsklagen nach §§  129 ff. InsO gleich. En passant gibt der EuGH damit zu erkennen, dass §  64 Satz  1 GmbHG nicht nur deshalb insolvenzrechtlich zu qualifizieren ist, weil sie die materielle Insolvenz der Schuldnergesellschaft voraussetzt.“ 392  Bramkamp, KTS 2015, 421 (428): „Sondern weil er unterstellt, dass die Geschäftsführerhaftung dieselben, jedenfalls gleichzustellende Ziele verfolgt wie die Insolvenzanfechtung.“ 393  In diesem Sinne auch Wedemann, IPRax 2015, 505 (506): „Der EuGH erhebt die Wertungsparallele zur Insolvenzanfechtungsklage nicht zur Voraussetzung für die Zuordnung zur EuInsVO“. 387 

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venzanfechtungsklage andererseits von „vergleichbaren Klagen“394 spricht. Erstens äußert er sich aber mit keinem Wort dazu, inwiefern besagte Klagen vergleichbar sind,395 sodass völlig unbestimmt bliebe welche Überschneidungspunkte die Klagen aufweisen müssten, damit man auch eine auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage als Annexverfahren ansehen könnte. Zweitens führt er Insol­ venz­anfech­tungs­klagen nur als Beispiel396 für Klagen an, die mit einer auf §  64 S.  1 GmbHG gestützten Klage „vergleichbar“ seien. Auch dies spricht dagegen, dass der EuGH die Einordnung als Annexverfahren strikt von einer wie auch immer gearteten Vergleichbarkeit gerade mit Insolvenzanfechtungsklagen abhängig machen wollte. Drittens wäre ein derartiges Vorgehen – im Vergleich zu dem Kriterium der Abhängigkeit der „Anwendung“ eines Haftungsanspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes – rechtsunsicher. Denn darüber, ob bzw. inwieweit §  64 S.  1 GmbHG und Insolvenzanfechtungsansprüche funktional vergleichbar sind, lässt sich trefflich streiten.397 Es ist daher vorzugswürdig, die Zuordnung zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren nicht davon abhängig zu machen, dass die einzustufenden Haftungsansprüche dieselben bzw. gleichzustellende Ziele verfolgen wie Insolvenzanfechtungsansprüche. b) Kein Widerspruch zu ÖFAB und OTP Gegen das hier befürwortete Kriterium für die Zuordnung zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren wird zudem eingewendet, dass die Insolvenzverschleppungshaftung gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a InsO bislang nichtinsolvenzrechtlich eingestuft worden sei, obwohl diese Haftung die materielle Insolvenz der Gesellschaft voraussetze.398 Der EuGH habe diese Auffassung (nichtinsolvenzrechtliche Qualifikation) mit dem ÖFAB-Urteil zum schwedischen Aktienrecht bestätigt.399 Diese Überlegungen überzeugen nicht. Erstens wurde eine Insolvenzverwalterklage wegen Insolvenzverschleppung gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a InsO bereits vor dem G.T. GmbH-Urteil von einer starEuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  24. Vgl. Wedemann, IPRax 2015, 505 (506). 396  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  24: „vergleichbaren Klagen – wie etwa den Insolvenzanfechtungsklagen“. 397  Für eine funktionale Vergleichbarkeit etwa Gehrlein, ZInsO 2015, 477 (477); Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  4; Kindler, EuZW 2015, 143 (143); Schulz, NZG 2015, 146 (147); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  701 ff.; Wedemann, IPRax 2015, 505 (506). A. A. Bramkamp, KTS 2015, 421 (430); Piekenbrock, KTS 2015, 379 (402); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  6; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  261. 398  Piekenbrock, KTS 2015, 379 (402 mit Fn.  175). 399  Piekenbrock, KTS 2015, 379 (402). 394  395 

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ken Ansicht als Annexklage eingestuft.400 Der Streit um die Einstufung der Insolvenzverschleppungshaftung kann allein kein Argument gegen das in G.T. GmbH formulierte Kriterium darstellen. Zweitens bietet das ÖFAB-Urteil nach zutreffendem Verständnis „keine Entscheidungshilfe für die Diskussion, ob Klagen des Insolvenzverwalters zur Durchsetzung von Ansprüchen der Altgläubiger wegen Insolvenzverschleppung [...] dem Regime der EuInsVO oder der EuGVO unterstehen.“401 Der EuGH hat eine Annexklage in der ÖFAB-Entscheidung mit zwei Argumenten abgelehnt (Beendigung des Insolvenzverfahrens im Zeitpunkt der Klageerhebung402 sowie Klageerhebung nur im Interesse eines einzelnen Gläubigers403), die mit der Zuordnung des streitgegenständlichen Anspruchs zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren oder den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts nichts zu tun haben. Es gilt zu beachten, dass die Grenzziehung zwischen Annexklagen und Nichtannexklagen nicht nur von der Rechtsnatur des der Klage zu Grunde liegenden Anspruchs bestimmt wird.404 Zur Rechtsnatur der Ansprüche musste sich der EuGH in ÖFAB (im Hinblick auf die Grenzziehung zwischen EuInsVO und Brüssel  Ia-VO) daher nicht äußern und hat dies auch nicht getan.405 Aus diesem Grund vermag es nicht zu überzeugen, diese Entscheidung gegen das in G.T. GmbH formulierte Kriterium anzuführen, welches gerade besagte Anspruchszuordnung betrifft. Die Rechtssache OTP406, in welcher der EuGH eine Annexklage auch unter Rückgriff auf das ÖFAB-Urteil ablehnte,407 betraf ebenfalls eine Klage im Interesse eines einzelnen Gläubigers.408 Da eine Annexklage schon aus diesem Grund abzulehnen war,409 läuft auch das Ergebnis der OTP-Entscheidung dem hier befürworteten Krite­rium nicht zuwider.

In diesem Sinne und mit weiteren Nachweisen Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  131 mit Fn.  339 und S.  147 f.; vgl. auch die Nachweise bei Wedemann, ZEuP 2014, 867 (871 mit Fn.  19). 401  Wedemann, ZEuP 2014, 867 (871). 402  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  230 und 233. 403  Siehe Teil 2, Fn.  277. 404  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  288. 405  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  23–26. 406  Auch diese Rechtssache führt Piekenbrock, KTS 2015, 379 (402 mit Fn.  177) gegen das „G.T. GmbH-Kriterium der materiellen Insolvenz“ an. 407  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  17 f. 408  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  12 f. Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.II.1. 409  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.II.1.a). 400 

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c) Problem: Bestimmung des „Beurteilungsgegenstands“ Gegen die Auffassung, die Abhängigkeit der „Anwendung“ eines Haftungsanspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes sei ein hinreichendes Kriterium für einen insolvenzrechtlichen Anspruch, wurde von Thole schließlich vorgebracht, es sei unter dieser Prämisse „kaum einsichtig und jedenfalls nur mit Begründung darstellbar, warum eine Durchgriffshaftung nicht ebenfalls insolvenzrechtlich sein sollte“410. Hinter dieser Kritik steht die Auffassung, dass die echte411 Durchgriffshaftung (wegen Vermögensvermischung412) zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts zählt.413 Ergänzt wurde die Kritik durch den Hinweis, dass die Abweichung, d. h. die nichtinsolvenzrechtliche Einstufung, nicht nur darin liegen könne, „dass das allgemeine Zivilrecht etwa in §  280 BGB oder §  823 BGB nicht von der Zahlungsunfähigkeit redet und den Fall der Insolvenz nicht expressis verbis einschließt“414. Zu dieser Ergänzung passt wiederum die von Thole vertretene Auffassung, dass die auf §  826 BGB gestützte Existenzvernichtungshaftung415 ebenfalls zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts zählt.416 Diese Ergänzung ist hochinteressant, weil sie eine Aufgabe aufdeckt, der sich das hier befürwortete Kriterium aber auch andere Abgrenzungskonzepte stellen müssen. Im Hinblick auf die Existenzvernichtungshaftung lässt sich besagte Ergänzung zunächst folgendermaßen lesen: Die Existenzvernichtungshaftung, die nach der Auffassung von Thole richtigerweise nichtinsolvenzrechtlich einzustufen ist, kann nicht nur aus dem Grunde den allgemeinen Regelungen des Zivilund Handelsrechts zugeordnet werden, dass der Wortlaut von §  826 BGB – im Gegensatz etwa zu §  64 S.  1 GmbHG – nicht den Eintritt eines Insolvenzgrundes erfordert. Man wird dem im Ausgangspunkt zustimmen müssen, weil es für die Einordnung „eines Haftungsanspruchs“ nicht darauf ankommen kann, ob der nationale Gesetzgeber insofern eine spezielle Anspruchsgrundlage geschaffen hat oder auf eine Anspruchsgrundlage mit „Generalklausel-Charakter“ zurückzuThole, IPRax 2015, 396 (399). Vgl. zur Differenzierung zwischen echter und unechter Durchgriffshaftung etwa Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1561); ders., in: Scholz, GmbHG, §  13 Rn.  73, 90; Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  429 f. Siehe (auch) Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.2.b). 412  Dies ist derzeit die einzig praxisrelevante Fallgruppe des echten Haftungsdurchgriffs. Vgl. Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  459; Strohn, ZInsO 2008, 706 (711). 413  Siehe Thole, GPR 2014, 113 (115); ders., in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  130. 414  Thole, IPRax 2015, 396 (399). 415  Grundlegend BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2690 ff.). 416  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  938; ders., ZEuP 2010, 907 (924); ders., GPR 2014, 113 (115); ders., in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  130. 410  411 

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greifen ist. Gerade vor dem Hintergrund, dass eine keineswegs unbeachtliche Ansicht in der Literatur eine insolvenzrechtliche Einordnung der Existenzvernichtungshaftung unterstützt,417 spricht diese Einsicht jedoch noch nicht gegen das hier befürwortete Abgrenzungskriterium. Selbst wenn dieses Abgrenzungskriterium zu einer insolvenzrechtlichen Einstufung der Existenzvernichtungshaftung führen sollte, würde damit keine unbestrittene Meinung angetastet. Allerdings offenbart besagte Ergänzung das Problem der Festlegung des Beurteilungsgegenstands, sofern ein Haftungsanspruch bzw. ein Haftungsinstitut nicht in einer speziellen Anspruchsgrundlage seinen Niederschlag gefunden hat. Ist Letzteres der Fall (wie etwa bei §  64 S.  1 und 3 GmbHG) lässt sich das hier befürwortete Kriterium unproblematisch auf diese Anspruchsgrundlage beziehen. Umfasst eine Anspruchsgrundlage mit „Generalklausel-Charakter“ jedoch verschiedenartige Haftungsinstitute, stellt sich das Problem, „auf was“ (wenn nicht auf die gesamte Anspruchsgrundlage) ein Abgrenzungskriterium überhaupt zu beziehen ist. Bezieht man es gezielt nur auf das spezielle Institut der Existenzvernichtung,418 muss man die Zuordnung zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren bejahen, da die Entstehung eines Anspruchs insoweit zwingend den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§  17 InsO) oder Überschuldung (§  19 InsO) voraussetzt419. Betont man jedoch, dass die Existenzvernichtungshaftung „richtigerweise in ein weiterreichendes Konzept einer Haftung für Gläubigerschädigung auf der Grundlage des §  826 BGB eingebettet ist“420 und fragt man im Hinblick auf dieses weiterreichende Konzept nach der Zugehörigkeit zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren,421 führt dieser abweichende „Beurteilungsgegenstand“ – je nachdem welche weiteren Haftungskonstellationen man zu diesem Konzept rechnet – schnell zum gegenläufigen Ergebnis. Bezieht man in dieses Konzept z. B. die Gesellschafterhaftung gem. §  826 BGB gegenüber der Gesellschaft wegen der Verletzung der Liquidationsvorschriften ein, müsste man das Konzept insgesamt und damit auch die spezielle Haftungskonstellation der Existenzvernichtung den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts zuordnen, da die Haftung wegen der Verletzung der Liquidationsvorschriften den Eintritt eines Insolvenzgrundes gerade nicht voraussetzt422. 417 

Siehe Teil 2, Fn.  523. In diesem Sinne etwa Bork, FS Beck, S.  49 (58 f.); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (46 mit Fn.  29); Wedemann, IPRax 2015, 505 (508 mit Fn.  57). 419  Vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2690); Liebscher, in: MüKoGmbHG, Anhang zu §  13 Rn.  558; Strohn, ZInsO 2008, 706 (709); Verse, in: Henssler/ Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  56. 420  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  938. Vgl. zur weitergehenden Anwendung des §  826 BGB zu Lasten der Gesellschafter auch Strohn, ZInsO 2008, 706 (711). 421  In diesem Sinne Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  938. 422  BGH, Urt. v. 09.02.2009 – II ZR 292/07 = NJW 2009, 2127 (2130 f.); Bayer, in: Lutter/ 418 

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Die Entscheidung zwischen den beiden zuletzt genannten Sichtweisen (mithin die Festlegung des Beurteilungsgegenstands) ist damit unausweichlich und wegweisend für das Abgrenzungsergebnis. Das Erfordernis der Festlegung des Beurteilungsgegenstands resultiert allerdings nicht aus dem hier befürworteten Abgrenzungskriterium. Auch wenn man etwa – wie von einer Mehrzahl von Autoren vertreten423 – eine funktional-teleologische Herangehensweise befürwortet und eine Zuordnung zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren in dem Fall bejaht, dass „die Regelung“ insolvenzrechtliche Ziele verfolgt, muss zunächst bestimmt werden, die Zielrichtungen „welcher Haftungskonstellationen“ überhaupt zu beleuchten sind. Ob es auf die Ziele des speziellen Instituts der Existenzvernichtungshaftung oder die Ziele des „weiterreichenden Konzepts“ ankommt, wird auch durch eine funktional-teleologische Herangehensweise nicht „mitbeantwortet“. Die Bestimmung des Beurteilungsgegenstands, auf den das Abgrenzungskriterium in einem zweiten Schritt zu beziehen ist, kann nach hier vertretener Auffassung nur anhand einer wertenden Betrachtung vorgenommen werden, die danach fragt, ob ein bestimmtes Haftungsinstitut im Rahmen einer Anspruchsgrundlage mit „Generalklausel-Charakter“ eine hinreichende Eigenständigkeit erlangt hat. Ist dies zu bejahen, muss das Abgrenzungskriterium gezielt auf dieses Haftungsinstitut bezogen werden. Dies trifft z. B. auf die Existenzvernichtungshaftung zu. Denn nach herrschendem Verständnis handelt es sich bei der Existenzvernichtungshaftung gem. §  826 BGB um eine „besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung“424, bei der „der Haftungstatbestand und dessen Rechtsfolgen einer bestimmten generalisierenden Einordnung zugänglich“425 sind. Daher ist die Existenzvernichtungshaftung im Ergebnis den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen.

Hommelhoff, GmbHG, §  13 Rn.  31; Weller/Discher, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  13 Rn.  33; Wicke, GmbHG, §  13 Rn.  7. 423  Kindler, IPRax 2014, 486 (488); ders., in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  5; Thole, ZEuP 2010, 907 (918); ders., ZIP 2012, 605 (607); ders., IPRax 2015, 396 (399); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  101. Kritisch in Bezug auf ein funktional-teleologisches Vorgehen etwa Haas, RabelsZ 77 (2013), 632 (634 f.); ders., ZIP 2013, 2381 (2383 f.); vgl. auch Thole, IPRax 2015, 396 (399 mit Fn.  35). 424  BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2690). 425  Vgl. die zur „Haftung wegen Unterkapitalisierung einer GmbH“ (jedoch im Vergleich zur Existenzvernichtungshaftung) getätigten Ausführungen des BGH, Urt. v. 28.04.2008 – II ZR 264/06 = NJW 2008, 2437 (2440).

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4. Notwendiges Kriterium Das G.T. GmbH-Urteil trifft keine Aussage darüber, ob die Abhängigkeit der „Anwendung“ eines Haftungsanspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes auch ein notwendiges Kriterium für die Zuordnung zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren darstellt. Im Interesse einer einfachen und klaren Rechtsanwendung wäre es jedenfalls zu begrüßen, wenn dieses Kriterium nicht nur eine insolvenzrechtliche Einordnung ermöglichen (soweit die G.T. GmbH-Entscheidung), sondern auch begrenzen würde. Kann ein Haftungsanspruch gegen einen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter erfolgreich im Wege der Klage durchgesetzt werden, ohne dass ein Insolvenzgrund eingetreten ist, dürfte regelmäßig auch kein Zweifel an seiner Zugehörigkeit zu den allgemeinen Regelungen des Zivilund Handelsrechts bestehen.426 Denn eine derartige Haftung trifft allenfalls zufällig mit der formellen und auch materiellen Insolvenz der Gesellschaft zusammen. Es passt zu dieser Sichtweise, dass im Hinblick auf das Kollisionsrecht Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Insolvenzstatut in erster Linie (und in aller Regel wohl auch nur) für den Fall herausgestellt werden, dass die Haftung lediglich bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes zum Tragen kommt427 – trifft Letzteres nicht zu, ist nicht insolvenzrechtlich zu qualifizieren428. V. Ergebnis Für die Einordnung von Haftungsansprüchen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter bei den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren (in Abgrenzung zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts) sind der RegeIn diese Richtung im Hinblick auf §  31 GmbHG Lehmann, GmbHR 2005, 978 (980): „Jedoch kann der Anspruch auch völlig unabhängig von einer Insolvenz durch die Gesellschaft selbst geltend gemacht werden.“ Vgl. in Bezug auf die Geschäftsführerhaftung bei Verletzung der Pflicht aus §  49 Abs.  3 GmbHG auch Wedemann, IPRax 2015, 505 (509): „Denn hier können haftungsrelevante Schäden [...] unabhängig von der Insolvenz der Gesellschaft eintreten.“ Vgl. in Bezug auf die Unterbilanzhaftung/Vorbelastungshaftung auch Weller/Harms, IPRax 2016, 119 (121): „Der mittels Vorbelastungshaftung gewährleistete Gläubigerschutz besteht vielmehr [...] gerade unabhängig von der Insolvenzreife der Gesellschaft.“ 427  Leible, in: M/H/L/S, GmbHG, Systematische Darstellung 2 Rn.  158; Weller, in: MüKoGmbHG, Einleitung Rn.  404. Ähnlich wohl auch Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  422. 428  Vgl. zur Geschäftsführerhaftung gem. §  43 GmbHG Weller, in: MüKoGmbHG, Einleitung Rn.  403. Vgl. zur echten Durchgriffshaftung Paulus, Außervertragliche Gesellschafterund Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  468: „Weil dies indes nicht der Hauptzweck der echten Durchgriffshaftung ist und diese jedenfalls nicht per se [...] an das Vorliegen einer Insolvenzsituation anknüpft, scheidet demgegenüber eine (rein) insolvenzrechtliche Qualifikation aus.“ 426 

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

lungsstandort des jeweiligen Anspruchs in der nationalen Rechtsordnung, seine Vorwirkung auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Unabhängigkeit seiner Geltendmachung von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens irrelevant. Kann ein Haftungsanspruch allerdings nur nach Eintritt eines Insolvenzgrundes erfolgreich klageweise verfolgt werden, z. B., weil seine Entstehung vom Eintritt eines Insolvenzgrundes abhängt, zählt er zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren. Besteht hingegen die Möglichkeit einer erfolgreichen Klage, ohne dass ein Insolvenzgrund eingetreten ist, gehört der betreffende Anspruch zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts. Bevor die beiden zuletzt genannten „Einstufungsregeln“ zur Anwendung kommen können, ist eine Festlegung des Beurteilungsgegenstands erforderlich. Im Hinblick auf eine Anspruchsgrundlage mit „Generalklausel-Charakter“ bedeutet dies, dass wertend zu bestimmen ist, ob dem von ihr erfassten Haftungsanspruch bzw. Haftungsinstitut innerhalb der Anspruchsgrundlage (neben den im Übrigen erfassten Instituten) eine hinreichende Eigenständigkeit zukommt.

§  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen Die folgenden Ausführungen unterstellen die Eröffnung und Nichtbeendigung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Klageerhebung. Sind diese beiden Voraussetzungen nicht erfüllt, scheidet die Annahme einer Annexklage ohnehin aus.429 Bei Klageerhebung während des Insolvenzverfahrens ist es für die Einstufung der Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter zunächst bedeutsam, ob diese im Interesse der Gläubigergesamtheit erhoben werden.430 Unter diesem Aspekt gehört die Geltendmachung diverser Haftungsansprüche, die im Folgenden nicht alle einzeln aufgeführt werden, nicht zum Kreis der Annexklagen, weil und soweit der klagende Gesellschaftsgläubiger nur seine individuellen Interessen verfolgt.431 Dies betrifft etwa die Inanspruchnahme eines Gesellschafters432 bzw. Geschäftsleiters, 429 

Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.I. Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.II. 431  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.II.1.a). 432  Auch in Fallkonstellationen, in denen eine persönliche Haftung des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft i. S. d. §  93 InsO (analog) Platz greift, kann nach h. M. der einzelne Gläubiger und nicht der Insolvenzverwalter analog §  93 InsO den Gesellschafter (auch während des Insolvenzverfahrens) aus persönlichen Parallelsicherheiten in Anspruch nehmen. Siehe BGH, Urt. v. 04.07.2002 – IX ZR 265/01 = NJW 2002, 2718 (2718 f.); BGH, Urt. v. 09.10.2008 – IX ZR 138/06 = NJW 2009, 225 (227); Brandes/Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  21; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  20 f. A. A. Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  10. 430 

§  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen

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der sich für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft verbürgt hat, insofern eine Garantie abgegeben hat oder der Schuld beigetreten ist433. Weitere Beispiele sind die Rechtsscheinshaftung des GmbH-Geschäftsführers wegen fehlenden Rechtsformzusatzes434 sowie dessen Haftung aus culpa in contrahendo gem. §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2, 311 Abs.  3 BGB435. Schließlich ist die Gesellschafter- bzw. Geschäftsführeraußenhaftung auf deliktischer Grundlage (§  823 Abs.  1 BGB, §  823 Abs.  2 BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, §  826 BGB) anzuführen, soweit es um den Ersatz eines Individualschadens geht. Daher436 stellt z. B. die auf §  826 BGB gestützte Klage eines Gesellschaftsgläubigers gegen den GmbH-Geschäftsführer „wegen Insolvenzverschleppung“437 – auch wenn aus kollisionsrechtlicher Perspektive eine insolvenzrechtliche Qualifikation zu befürworten sein mag438 – keine Annexklage dar. Letzteres gilt gleichermaßen für eine auf §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  263 StGB gestützte Klage eines Gesellschaftsgläubigers, den der GmbH-Geschäftsführer bei Geschäftsabschluss z. B. über die finanzielle Lage der Gesellschaft getäuscht hat439. Auch bei einer derartigen Außenhaftung des Geschäftsführers geht es um den Ersatz eines Individualschadens und die individuelle Anspruchsverfolgung wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht tangiert.440 433  Vgl. zu einer derartigen Vertragshaftung in Bezug auf GmbH Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1561 f.). 434  Vgl. zu dieser Haftung Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1562 f.); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  43 Rn.  78; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  43 Rn.  334 ff. 435  Vgl. zu dieser Haftung Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1563 ff.); Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, §  43 Rn.  73 ff.; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  43 Rn.  342 ff. 436  Der Anspruch des betroffenen Gesellschaftsgläubigers gem. §  826 BGB ist auf Ersatz eines Individualschadens gerichtet und ist auch während des Insolvenzverfahrens von dem einzelnen Gläubiger – nicht dem Insolvenzverwalter gem. §  92 InsO – geltend zu machen. Vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  197; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  146 mit Fn.  515. Vgl. zur Klagebefugnis im Hinblick auf eine auf §  826 BGB gestützte Klage der Bundesagentur für Arbeit wegen des von ihr gezahlten Insolvenzgeldes – allgemein zu dieser Haftungskonstellation etwa BGH, Urt. v. 26.06.1989 – II ZR 289/88 = NJW 1989, 3277 (3278 f.); Wagner, in: MüKoBGB, §  826 Rn.  164 – auch BGH, Urt. v. 18.12.2007 – VI ZR 231/06 = WM 2008, 456 (457). 437  Vgl. zu dieser Haftung Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  195 ff.; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  146 f. 438  In diesem Sinne Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  513 f. 439  Vgl. zur Geschäftsführerhaftung gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  263 StGB etwa Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1568); Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  191; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  231. 440  Vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  191; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  198.

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Erfolgt die Klageerhebung im Interesse der Gläubigergesamtheit (was insb. bei der Geltendmachung einer Innenhaftung gegenüber der insolventen Gesellschaft durch den Insolvenzverwalter stets zu bejahen sein dürfte441), kommt eine Annexklage jedoch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung in Betracht, dass der Ursprung der Klage im Insolvenzverfahrensrecht liegt442. Im Hinblick auf die sogleich thematisierten Haftungsansprüche ist folglich (auch) zu prüfen, ob sie zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren oder den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts gehören.

A. Persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten Gem. §  128 S.  1 HGB haften die Gesellschafter einer OHG gegenüber den Gesellschaftsgläubigern persönlich für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Gem. §  161 Abs.  2 HGB findet diese Vorschrift auch auf die Haftung des Komplementärs einer KG Anwendung. Den Kommanditisten trifft gem. §  171 Abs.  1 Hs. 1 HGB ebenfalls eine persönliche443 – wenngleich beschränkte – Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern für die Verbindlichkeiten der KG. Unter den Voraussetzungen des §  176 HGB haftet der Kommanditist ausnahmsweise wie ein Komplementär. Im Hinblick auf die Gesellschafter einer Außengesellschaft bürgerlichen Rechts hat sich die analoge Anwendung von §  128 S.  1 HGB durchgesetzt.444 Während der Dauer eines Insolvenzverfahrens445 kann die Gesellschafterhaftung in Bezug auf die OHG sowie die Außengesellschaft bürgerlichen Rechts, die Komplementärhaftung und die unbeschränkte Kommanditistenhaftung (§  176 HGB) gem. §  93 InsO nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wer-

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Vgl. Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  200. Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 C. 443  Vgl. Gummert, in: Henssler/Strohn, GesR, §  172 HGB Rn.  1; Oetker, in: Oetker, HGB, §  171 Rn.  4. 444  BGH, Urt. v. 29.01.2001 – II ZR 331/00 = NJW 2001, 1056 (1061); Schäfer, in: ­MüKoBGB, §  714 Rn.  33 f. 445  Außerhalb des Insolvenzverfahrens handelt es sich bei einer Klage, welche die persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten zum Gegenstand hat, eindeutig nicht um eine Annexklage. Siehe Text zu Teil 2, Fn.  429. Es lässt sich auch darauf verweisen, dass der klagende Gläubiger ausschließlich im eigenen Interesse handelt und eine erfolgreiche Klage vom Eintritt eines Insolvenzgrundes unabhängig ist. Im Ergebnis ebenso Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (336); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  415 ff.; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (874). 442 

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den.446 Für die Kommanditistenhaftung gem. §  171 Abs.  1 Hs. 1 HGB ordnet §  171 Abs.  2 HGB Identisches an. Es wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt, ob die Geltendmachung der angesprochenen Gesellschafterhaftung durch den Insolvenzverwalter als Annexklage einzuordnen ist.447 Da der Insolvenzverwalter im Gesamtinteresse jedenfalls derjenigen Gesellschaftsgläubiger klagt, denen gegenüber der in Anspruch genommene Gesellschafter haftet,448 handelt es sich hier nicht um Klagen im ausschließlichen Interesse eines einzelnen Gläubigers449. Der Erfüllung der für die Annahme einer Annexklage notwendigen Voraussetzung der Klageerhebung im Interesse der Gläubigergesamtheit steht es – wie oben unter Teil 2 §  2 B.II.2 erörtert – auch nicht entgegen, dass nicht tatsächlich im Interesse aller Gläubiger geklagt ­werden muss450. Diese Feststellungen genügen allerdings noch nicht für die Annahme einer Annexklage.  Zwingend erforderlich ist darüber hinaus, dass der Klageursprung im Insolvenzverfahrensrecht liegt. Entspringen also die Haftungsansprüche, auf welche der Insolvenzverwalter die Klage stützt, den Spe­ zial­rege­lungen für Insolvenzverfahren oder aber den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts?451 Außerhalb des Insolvenzverfahrens gehört die Zum Anwendungsbereich von §  93 InsO siehe nur Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  5; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  5 f. 447  Für eine Annexklage Bork, FS Beck, S.  49 (59); Haas, NZG 1999, 1148 (1152 f.); Haas/ Blank, ZInsO 2013, 706 (710 f.); Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (344 ff.); Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  35 Rn.  407; Paulus, EuInsVO, Art.  6 Rn.  11 mit Fn.  60 sowie Art.  32 Rn.  16 mit Fn.  62; Prager/Keller, WM 2015, 805 (807). Geimer, IZPR, Rn.  3471j bezeichnet diese Sichtweise als herrschend. Gegen eine Annexklage Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 ­EuInsVO Rn.  59; Cranshaw, DZWIR 2009, 353 (362); Haubold, IPRax 2002, 157 (163 mit Fn.  100); Kolmann/Keller, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  131 Rn.  111; Lehmann, IPRax 2005, 109 (110); Piekenbrock, KTS 2015, 379 (403 f.); Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, S.  235 ff.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  101 f., 421 ff.; unterstellt auch von LG Saarbrücken, Versäumnisurt. v. 22.01.2013 – 4 O 275/12 = ZInsO 2013, 741. Unentschieden etwa Thole, GPR 2014, 113 (115). 448  Vgl. zur Bildung und Ausschüttung der Sondermasse etwa Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  75 ff.; Sander, ZInsO 2012, 1285 (1293). 449  Auf die Klageerhebung im Interesse der Gläubigergesamtheit hinweisend bereits Bork, FS Beck, S.  49 (59); Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (345). 450  Vgl. etwa zur Konstellation des „ausgeschiedenen Gesellschafters“ Haas/Mock, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  94 Rn.  86; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  31; Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  77. Siehe – zu §  171 Abs.  2 HGB – auch Lehmann, IPRax 2005, 109 (110): „Dagegen kommt der Anspruch nicht stets allen Gläubigern zugute.“ 451  Man betrachtet die Problematik aus einem anderen Blickwinkel, sofern man für eine Annexklage verlangt, dass die Klage eine insolvenzspezifische Befugnis betrifft und der Insolvenzverwalter nicht bloß in die „Fußstapfen“ des Schuldners tritt. In diese Richtung jedoch 446 

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

hier thematisierte Gesellschafterhaftung eindeutig zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts, weil der einzelne Gesellschaftsgläubiger die Haftung unabhängig vom Eintritt eines Insolvenzgrundes (bei der Gesellschaft) erfolgreich einklagen kann. Daraus folgt, dass innerhalb des Insolvenzverfahrens die Annahme einer Annexklage nur in Betracht kommt, sofern der Insolvenzverwalter von den einzelnen Haftungsansprüchen der Gesellschaftsgläubiger „wesensverschiedene“ Ansprüche geltend macht.452 Im Ausgangspunkt entspricht es der h. M. zum deutschen Recht, dass der Insolvenzverwalter konkrete Einzelforderungen der Gesellschaftsgläubiger („gebündelt“) verfolgt.453 Die Selbständigkeit dieser Forderungen wird durch das Insolvenzverfahren nicht angetastet.454 Die Anspruchsinhaberschaft verbleibt bei den Gesellschaftsgläubigern und der Insolvenzverwalter wird in treuhänderischer Einziehungsbefugnis als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig.455 Die Tatsache, dass der Insolvenzverwalter im Kern genau diejenigen Haftungsansprüche verfolgt, welche außerhalb des Insolvenzverfahrens von den einzelnen Gläubigern durchgesetzt werden könnten, spricht dagegen, den Ursprung der Klage außerhalb des Insolvenzverfahrens nichtinsolvenzrechtBork, FS Beck, S.  49 (59); Haas/Blank, ZInsO 2013, 706 (710); Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (342); vgl. zu dieser Abgrenzungsprämisse auch Haas, ZIP 2013, 2381 (2384). Mit jüngeren Entscheidungen – vgl. zur Konkretisierung der Gourdain-Formel die Ausführungen unter Teil 2 §  2 A.I. – weist der EuGH jedoch in eine andere Richtung und stellt präzise auf die Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs ab. Das Kriterium der insolvenzspezifischen Befugnis lässt sich daher nicht mit der jüngeren EuGH-Rechtsprechung vereinbaren. Dieses Kriterium zurückweisend auch Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  6; Thole, IPRax 2015, 396 (399). 452  Dies bejahend Haas/Blank, ZInsO 2013, 706 (710): „In der Hand des Insolvenzverwalters haben die nach §  93 InsO gebündelten Ansprüche nach §  128 HGB eine gänzliche andere Zielrichtung und Qualität als der einzelne Haftungsanspruch nach §  128 HGB außerhalb des Insolvenzverfahrens.“ Für eine „Umformung der Ansprüche“ auch Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (346 ff.). A. A. Haubold, IPRax 2002, 157 (163 mit Fn.  100); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  101; Willemer, Vis attractiva concursus und die ­EuInsVO, S.  134 f. 453  BGH, Urt. v. 09.10.2006 – II ZR 193/05 = WM 2007, 122 (122 f.); BGH, Beschl. v. 12.07.2012 – IX ZR 217/11 = NJW-RR 2012, 1391 (1392); BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13 = NZG 2016, 430 (431); Brandes/Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  14; Habersack, in: Habersack/Schäfer, Das Recht der OHG, §  128 Rn.  76; Sander, ZInsO 2012, 1285 (1288). A. A. K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  35. 454  BGH, Urt. v. 09.10.2006 – II ZR 193/05 = WM 2007, 122 (123); BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13 = NZG 2016, 430 (431); Sander, ZInsO 2012, 1285 (1288 mit Fn.  41). 455  BGH, Urt. v. 09.10.2006 – II ZR 193/05 = WM 2007, 122 (122 f.); BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13 = NZG 2016, 430 (431 f.); Habersack, in: Habersack/Schäfer, Das Recht der OHG, §  128 Rn.  76; Sander, ZInsO 2012, 1285 (1288); K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  28. A. A. Haas/Mock, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  94 Rn.  56 f.

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lich und innerhalb des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich einzustufen. Eine „Wesensverschiedenheit“ der klageweise verfolgten Ansprüche ist bei diesem Ausgangspunkt nicht erkennbar. Auf die Rechtsnatur der geltend gemachten Ansprüche ist der (insolvenzrechtliche) Zweck von (z. B.) §  93 InsO456 sowie der Umstand, dass der Insolvenzverwalter regelmäßig einen höheren Betrag einfordert als der einzelne Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens, ohne Einfluss.457 Gerade wenn man davon ausgeht, dass der Insolvenzverwalter selbständige Gläubigerforderungen einklagt (nicht aber einen „Gesamtanspruch“), kann die bloße Zusammenfassung der Forderungen (d. h. die „gebündelte“ Geltendmachung) noch nicht die Rechtsnatur der Klagegrundlage tangieren. Für eine „Wesensverschiedenheit“ wird vorgebracht, dass den Gesellschaftsgläubigern – auf Grund der Sperr- und Ermächtigungswirkung des §  93 InsO – mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens faktisch die Forderungsinhaberschaft genommen werde.458 Diese Aussage ist jedoch zweifelhaft, da die h. M. zum deutschen Recht im Grundsatz davon ausgeht, dass die vom Insolvenzverwalter eingezogenen Beträge nur zu Gunsten derjenigen Gesellschaftsgläubiger verwendet werden dürfen, denen gegenüber der beklagte Gesellschafter materiell-rechtlich haftet459. Davon, dass die Forderungsinhaberschaft mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollkommen ausgeblendet würde, kann daher keine Rede sein. Über die Frage, inwieweit der angesprochene Grundsatz zu durchbrechen ist, herrscht – soweit ersichtlich – kein Einvernehmen. Es entspricht zwar der wohl h. M. in der Literatur460 (der BGH hat die Frage offen gelassen461), dass die Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger bei der Massekostendeckungsprüfung i. S. d. §  26 Abs.  1 InsO zu berücksichtigen sind.462 „Wie genau“ die vom Insolvenzverwalter 456  Insoweit wie hier bereits Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  102; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  134. 457  Diese beiden Punkte führen hingegen für die Annahme einer Annexklage ins Feld Haas/ Keller, ZZP 126 (2013), 335 (344 f.). 458  Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (346 ff.); vgl. auch Haas/Blank, ZInsO 2013, 706 (710 f. mit Fn.  46). 459  BGH, Beschl. v. 20.11.2008 – IX ZB 199/05 = NZG 2009, 102 (103); BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13 = NZG 2016, 430 (431); Bork, InsR, Rn.  241 mit Fn.  23; Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  75 f.; Sander, ZInsO 2012, 1285 (1293). Für §  171 Abs.  2 HGB vgl. K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  172 Rn.  112. Nur ausnahmsweise eine Sondermasse für erforderlich haltend Haas/Mock, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  94 Rn.  56, 86. 460  Vgl. nur Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  19 ff.; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  42. 461  BGH, Teilurt. v. 24.09.2009 – IX ZR 234/07 = NJW 2010, 69 (71); vgl. auch BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13 = NZG 2016, 430 (431). 462  Darauf berufen sich Haas/Blank, ZInsO 2013, 706 (711 mit Fn.  46); Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (346 mit Fn.  52) zur Begründung der „Wesensverschiedenheit“.

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

eingezogenen Beträge allerdings zur Deckung463 der Verfahrenskosten (§  54 InsO) verwendet werden dürfen,464 ist nicht abschließend geklärt.465 Eine Gesellschafterhaftung für sämtliche (sonstige) Masseverbindlichkeiten lehnt die h. M. zudem ab.466 Richtigerweise kommt auch keine Begleichung sämtlicher (sonstiger) Masseverbindlichkeiten aus dem vom Insolvenzverwalter eingezogenen Betrag467 in Betracht.468 Inwieweit die Anspruchsinhaberschaft der Gesellschaftsgläubiger daher tatsächlich eingeschränkt wird, ist unklar. Es erscheint nicht ratsam, die internationale Zuständigkeit von derartigen „ungeklärten Feinheiten“ des deutschen Insolvenzrechts abhängig zu machen. Die klare Einschätzung, dass sich die Klage des Insolvenzverwalters unzweifelhaft auf nichtinsolvenzrechtliche Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger zurückführen lässt, erscheint demgegenüber belastbarer. Im Ergebnis sollte daher nicht von einer „Wesensverschiedenheit“ ausgegangen werden. Geht man – wie hier befürwortet469 – von einem partiellen Auslegungszusammenhang zwischen Art.  6 Abs.  1 und Art.  7 EuInsVO aus, spricht auch der Um463  Nach h. M. – siehe BGH, Teilurt. v. 24.09.2009 – IX ZR 234/07 = NJW 2010, 69 (71 f.); BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13 = NZG 2016, 430 (431); Habersack, in: Habersack/ Schäfer, Das Recht der OHG, §  128 Rn.  73; Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  18 – scheidet jedenfalls eine materiell-rechtliche Haftung des Gesellschafters für die Verfahrenskosten aus. A. A. Haas/Mock, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  94 Rn.  49. 464  Die Möglichkeit der Verwendung führen Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (346 f.) zur Untermauerung der „Wesensverschiedenheit“ an. 465  Gegen eine Deckung der Verfahrenskosten aus der Sondermasse etwa Sander, ZInsO 2012, 1285 (1293 mit Fn.  75); wohl auch Bork, InsR, Rn.  241 mit Fn.  23. Grds. für eine Deckung der Verfahrenskosten aus der Sondermasse, jedoch auf die Notwendigkeit der unverzüglichen Wiederauffüllung der in der Sondermasse entstandenen Lücke mit Mitteln der „regulären“ Insolvenzmasse hinweisend Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  20a; tendenziell auch Brandes/Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  10; J. Schmidt, in: Kayser/Thole, HK-InsO, §  93 Rn.  32. Letztgenannte Ansicht trägt also durchaus dem Umstand Rechnung, dass die vom Gesellschafter über §  93 InsO eingezogenen Mittel im Grundsatz nur denjenigen Gesellschaftsgläubigern zu Gute kommen sollen, denen gegenüber der Gesellschafter materiell-rechtlich haftet. Gegen eine Wiederauffüllung – und damit die Forderungsinhaberschaft tendenziell stärker zurückdrängend – freilich Haas/Mock, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  94 Rn.  56. 466  BGH, Teilurt. v. 24.09.2009 – IX ZR 234/07 = NJW 2010, 69 (69 ff.); BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13 = NZG 2016, 430 (431); Haas/Mock, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  94 Rn.  48. 467  Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (346 f.) führen jedoch auch die Möglichkeit der Begleichung von Masseschulden für die Annahme einer „Wesensverschiedenheit“ an. 468  Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  76; Sander, ZInsO 2012, 1285 (1293 mit Fn.  75). A. A. Haas/Mock, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  94 Rn.  50 und 56. 469  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.I.3. und dort insb. Nachweis in und Text zu Teil 2, Fn.  252.

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stand gegen die Annahme einer Annexklage, dass die persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten nach h. M. in Deutschland gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist470. Diese Qualifikation verträgt sich – im Lichte eines partiellen Auslegungszusammenhangs – nicht mit der These, dass die Haftungsansprüche, die der Insolvenzverwalterklage zu Grunde liegen, aus zuständigkeitsrechtlicher Sicht den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen sind. Im Ergebnis kann auch die Geltendmachung der hier thematisierten Gesellschafterhaftung durch den Insolvenzverwalter nicht als Annexklage eingestuft werden. Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich sowohl innerhalb als auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens nach der Brüssel  Ia-VO.

B. Haftung in der Vor-GmbH I. Handelndenhaftung Gem. §  11 Abs.  2 GmbHG haften die handelnden Vor-GmbH-Geschäftsführer471 (gegenüber Dritten472) im Außenverhältnis473, sofern vor der Eintragung im ­Namen der Gesellschaft gehandelt wurde. Bei einer auf dieses Haftungsinstitut gestützten Klage kann es sich auch während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Vor-GmbH nicht um eine Annexklage handeln, weil auch insoweit der materiell Anspruchsberechtigte – und nicht etwa der Insolvenzverwalter gem. §  93 InsO analog474 – ausschließlich in seinem individuellen Interesse tätig wird475. 470  Haas/Blank, ZInsO 2013, 706 (708 mit Fn.  26); Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  69; vgl. auch Leible, in: M/H/L/S, GmbHG, Systematische Darstellung 2 Rn.  156; Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, ­IntGesR Rn.  611. 471  Vgl. zum Kreis der für die Haftung gem. §  11 Abs.  2 GmbHG in Betracht kommenden Personen etwa Merkt, in: MüKoGmbHG, §  11 Rn.  127 ff.; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  133 ff. 472  Vgl. zum Kreis der potentiell Anspruchsberechtigten etwa Schäfer, in: Henssler/Strohn, GesR, §  11 GmbHG Rn.  56; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  140 ff. 473  Brinkmann, Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  180; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  11 Rn.  84; Wicke, GmbHG, §  11 Rn.  13. 474  Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  606; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  19; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  22. Ablehnend gegenüber einer analogen Anwendung der §§  92, 93 InsO auch Brinkmann, Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  180 ff. 475  In diesem Fall scheidet eine Annexklage zwingend aus. Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.II.1.a).

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II. Verlustdeckungshaftung Die konkrete Ausgestaltung der Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft ist streitig. Im Wesentlichen stehen sich (heute476) zwei Ansätze gegenüber. Eine starke Strömung in der Literatur spricht sich für eine unbeschränkte Außenhaftung analog §  128 HGB aus.477 Nach dieser Ansicht ist während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Vor-GmbH der Insolvenzverwalter gem. §  93 InsO analog dazu berufen, die Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger gebündelt einzuklagen.478 Folglich ist insoweit zwar eine Klageerhebung im Interesse der Gläubigergesamtheit zu bejahen.479 Die dieser Klage zu Grunde liegenden Haftungsansprüche der einzelnen Gesellschaftsgläubiger können jedoch, solange kein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, von diesen unabhängig vom Eintritt eines Insolvenzgrundes gerichtlich durchgesetzt werden.480 Die Haftungsansprüche gehören daher zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts. Entsprechend den Ausführungen unter Teil 2 §  3 A. ist des Weiteren nicht davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter einen – im Vergleich zu den einzelnen Gläubigeransprüchen – wesensverschiedenen Anspruch geltend macht. Mangels Ursprungs der Insolvenzverwalterklage im Insolvenzverfahrensrecht kann auf Basis der eine unbeschränkte Außenhaftung befürwortenden Meinung im Ergebnis keine Annexklage angenommen werden. Der BGH481 und ein Teil der Literatur482 treten dagegen im Grundsatz für eine unbeschränkte, anteilige Innenhaftung der Gesellschafter ein (sog. Verlustdeckungshaftung). In einer Reihe für die Praxis sehr bedeutsamer Fälle befürwortet

476  Vgl. zu weiteren – früher vertretenen – Ansichten nur Merkt, in: MüKoGmbHG, §  11 Rn.  73; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  11 Rn.  86. 477  Siehe etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  11 Rn.  22; Blath, in: M/H/L/S, GmbHG, §  11 Rn.  67; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  11 Rn.  91 f.; C. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, §  11 Rn.  98. 478  Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  11 Rn.  22; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  8; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  10; ders., in: Scholz, GmbHG, §  11 Rn.  92. 479  Vgl. Text zu Teil 2, Fn.  448–450 zur Parallelfrage bei der persönlichen Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten. 480  Vgl. zu den Haftungsvoraussetzungen nur K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  11 Rn.  93: „Es muss eine Vorgesellschaft und eine Verbindlichkeit der Vorgesellschaft vorliegen. Mehr ist nicht zu verlangen.“ 481  BGH, Urt. v. 27.01.1997 – II ZR 123/94 = NJW 1997, 1507; BGH, Urt. v. 06.03.2012 – II ZR 56/10 = NJW 2012, 1875 (1876). 482  Siehe etwa Merkt, in: MüKoGmbHG, §  11 Rn.  79; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  11 Rn.  27; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  80 ff.

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jedoch auch diese Ansicht eine unbeschränkte, aber nur anteilige483 Außenhaftung.484 Im Insolvenzverfahren macht daher grds. der Insolvenzverwalter die Ansprüche der Gesellschaft gem. §  80 InsO485 geltend. Soweit die Voraussetzungen einer Außenhaftung vorliegen, greift §  93 InsO analog.486 Bei einer Klageerhebung während des Insolvenzverfahrens kann folglich stets eine Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit bejaht werden. Fraglich ist, ob die Haftungsansprüche den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zugerechnet werden können. Die Verlustdeckungshaftung, die nach dieser Ansicht erst mit dem Scheitern der Eintragung entsteht,487 kompensiert sämtliche bei der Vor-GmbH eingetretenen Verluste, die nicht durch das Gesellschaftsvermögen abgedeckt werden488. Da diese Haftung nicht auf die Wiederauffüllung des Stammkapitals gerichtet ist,489 bleibt sie hinter dem Umfang der Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung490 zurück491. Trotz derartiger Unterschiede betrachtet insb. der BGH die Verlustdeckungshaftung einerseits und die Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung andererseits als Bestandteile einer einheitlichen Gründerhaftung.492 Dies legt es nahe, die Frage, ob die erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung der HaftungsansprüIn diesem Sinne Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  11 Rn.  38; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  83. 484  Vgl. BGH, Urt. v. 27.01.1997 – II ZR 123/94 = NJW 1997, 1507 (1509); BGH, Urt. v. 06.03.2012 – II ZR 56/10 = NJW 2012, 1875 (1876); Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  11 Rn.  36; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  83 f. 485  Vgl. Brinkmann, Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  180; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  606; J. Schmidt, in: Kayser/Thole, HK-InsO, §  93 Rn.  7. 486  Vgl. Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  606; Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  6; J. Schmidt, in: Kayser/Thole, HK-InsO, §  93 Rn.  7. 487  In diesem Sinne jedenfalls BGH, Urt. v. 27.01.1997 – II ZR 123/94 = NJW 1997, 1507 (1509); Merkt, in: MüKoGmbHG, §  11 Rn.  89; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  11 Rn.  34. A. A. (Entstehung bei einvernehmlichem Geschäftsbeginn und Eintritt von Verlusten) Schäfer, in: Henssler/Strohn, GesR, §  11 GmbHG Rn.  33; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  121. Differenzierend zwischen Entstehung (Eintritt von Verlusten) und Fälligkeit (Scheitern der Eintragung) Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  11 Rn.  26. 488  BGH, Urt. v. 27.01.1997 – II ZR 123/94 = NJW 1997, 1507 (1509); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  11 Rn.  25; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  11 Rn.  37. 489  BGH, Urt. v. 06.03.2012 – II ZR 56/10 = NJW 2012, 1875 (1876); Schäfer, in: Henssler/ Strohn, GesR, §  11 GmbHG Rn.  31; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  11 Rn.  37. 490  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.I. 491  Vgl. Schäfer, in: Henssler/Strohn, GesR, §  11 GmbHG Rn.  33; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  103, 121. 492  BGH, Urt. v. 27.01.1997 – II ZR 123/94 = NJW 1997, 1507 (1509); BGH, Urt. v. 06.03.2012 – II ZR 56/10 = NJW 2012, 1875 (1876); Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  11 Rn.  28. 483 

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che den Eintritt eines Insolvenzgrundes erfordert, auf diese einheitliche Haftung zu beziehen. Da jedenfalls die Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung eindeutig vom Eintritt eines Insolvenzgrundes unabhängig ist,493 gehört die einheitliche Gründerhaftung – inklusive Verlustdeckungshaftung – zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts. Eine darauf gestützte Klage ist auch innerhalb des Insolvenzverfahrens daher keine Annexklage. Aber auch wenn man das Abgrenzungskriterium auf die Verlustdeckungshaftung als solche beziehen wollte, ergäbe sich kein anderes Ergebnis: Die Haftung setzt die explizite Feststellung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit (§§  17, 18 InsO) bzw. Überschuldung (§  19 InsO) nicht voraus.

C. Haftung in der GmbH I. Einlageanspruch und Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung Nach (soweit ersichtlich) einhelliger Ansicht494 kommt der Durchsetzung der Regeln über die Kapitalaufbringung kein insolvenzrechtlicher Annexcharakter zu. Die Maßgeblichkeit der Brüssel  Ia-VO zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit ist richtigerweise damit zu begründen, dass die betroffenen Haftungsansprüche unabhängig vom Eintritt eines Insolvenzgrundes eingeklagt werden können. Zu nennen ist hier zuvörderst der Einlageanspruch der GmbH.495 Identisches gilt für die den Einlageanspruch flankierende Ausfallhaftung nach §  24 GmbHG sowie die Differenzhaftung gem. §  9 Abs.  1 S.  1 GmbHG.496 Die Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung497 der Gesellschafter gegenüber der GmbH498 gewährleistet den Unversehrtheitsgrundsatz bei der effektiven Kapital-

493  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.I. und dort insb. Nachweis und Text in Teil 2, Fn.  501. 494  Siehe allgemein nur Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  129 mit Fn.  335; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  213. 495  Insoweit für die Maßgeblichkeit der Brüssel  Ia-VO Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  1 Rn.  94; Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  194; Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 EuInsVO Rn.  16; Lehmann, GmbHR 2005, 978 (980); Piekenbrock, KTS 2015, 379 (404). 496  Insoweit für die Maßgeblichkeit der Brüssel  Ia-VO Lehmann, GmbHR 2005, 978 (980). 497  Grundlegend BGH, Urt. v. 09.03.1981 – II ZR 54/80 = NJW 1981, 1373; vgl. auch BGH, Urt. v. 06.03.2012 – II ZR 56/10 = NJW 2012, 1875 (1876); Merkt, in: MüKoGmbHG, §  11 Rn.  155 ff. 498  Es handelt sich nach h. M. stets um eine Innenhaftung. Vgl. Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, §  11 Rn.  61; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  101. A. A. Schäfer, in: Henssler/Strohn, GesR, §  11 GmbHG Rn.  47.

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aufbringung.499 Sie knüpft an den Umstand an, dass das Gesellschaftsvermögen im Zeitpunkt der Eintragung das nominelle Stammkapital nicht deckt („Unterbilanz“).500 Da die Haftung den Eintritt eines Insolvenzgrundes somit nicht erfordert,501 gelangt auch insoweit die Brüssel  Ia-VO zur Anwendung.502 II. Gründungshaftung gem. §  9a GmbHG Da weder die Gesellschafter- bzw. Geschäftsführerhaftung für falsche Angaben gem. §  9a Abs.  1 GmbHG noch die Gesellschafterhaftung für Schädigung durch Einlagen oder Gründungsaufwand gem. §  9a Abs.  2 GmbHG den Eintritt eines Insolvenzgrundes erfordern, sind die auf diese Haftungsinstitute gestützten Klagen nicht als Annexklagen einzuordnen. III. Erstattungsanspruch gem. §  31 Abs.  1 GmbHG und Ausfallhaftung gem. §  31 Abs.  3 GmbHG Der Erstattungsanspruch der GmbH gegen den Gesellschafter gem. §  31 Abs.  1 GmbHG ist den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts zu unterstellen. Er verlangt – abgesehen von den zusätzlichen Einschränkungen gem. §  30 Abs.  2 S.  2, 3 GmbHG503 – das Bestehen bzw. Entstehen einer Unterbilanz (§  30 Abs.  1 S.  1 GmbHG),504 jedoch keinesfalls den Eintritt eines Insolvenzgrundes505. Seine gerichtliche Verfolgung stellt somit keine Annexklage dar.506 499  Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  11 Rn.  61; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  98 f.; Weller/Harms, IPRax 2016, 119 (121). 500  Vgl. BGH, Urt. v. 06.03.2012 – II ZR 56/10 = NJW 2012, 1875 (1876); Merkt, in: MüKo­GmbHG, §  11 Rn.  161; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  105. 501  Weller/Harms, IPRax 2016, 119 (121): „Der mittels Vorbelastungshaftung gewährleistete Gläubigerschutz besteht vielmehr [...] gerade unabhängig von der Insolvenzreife der Gesellschaft.“ 502  Weller/Harms, IPRax 2016, 119 (121); vgl. auch Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  1 Brüssel  Ia-VO Rn.  84; Schack, IZVR, Rn.  1187; im Ergebnis ebenso (wenngleich mit dem – angesichts der G.T. GmbH-Entscheidung – heute nicht mehr haltbaren Argument, dass die Geltendmachung der Vorbelastungshaftung nicht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraussetze) OLG Rostock, Urt. v. 04.06.2014 – 1 U 51/11 = IPRax 2016, 156 (157). Unklar E. Peiffer/M. Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  1 Rn.  73. 503  Vgl. Verse, in: Scholz, GmbHG, §  30 Rn.  136. 504  Vgl. Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  31 Rn.  5 i. V. m. §  30 Rn.  25 ff.; Verse, in: Scholz, GmbHG, §  31 Rn.  6 i. V. m. §  30 Rn.  52 ff. 505  Zur Unterscheidung zwischen Unterbilanz und Insolvenzgründen vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 31.03.2011 – 2 U 330/06 = ZInsO 2011, 1067 (1069); Thiessen, in: Bork/Schäfer, ­GmbHG, §  30 Rn.  27; Verse, in: Scholz, GmbHG, §  30 Rn.  54. 506  Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  57; Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  32 EuInsVO Rn.  18; Lehmann, GmbHR 2005, 978 (980); Mäsch, in: Rauscher,

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Im Hinblick auf die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter gem. §  31 Abs.  3 ­GmbHG wird in der Literatur ebenfalls eine Annexklage abgelehnt.507 Zur Begründung dieses Ergebnisses kommen zwei Ansätze in Betracht. Einerseits könnte man §  31 Abs.  1 und 3 GmbHG – auf Grund des Zusammenhangs dieser Haftungsinstitute508 – zu einem „einheitlichen Beurteilungsgegenstand“ zusammenfassen.509 Da die Haftung in Bezug auf diesen Beurteilungsgegenstand – wie soeben zu §  31 Abs.  1 GmbHG dargelegt – vom Eintritt eines Insolvenzgrundes unabhängig ist, wäre eine nichtinsolvenzrechtliche Einstufung folgerichtig. Andererseits müsste bei einer isolierten Betrachtung von §  31 Abs.  3 GmbHG berücksichtigt werden, dass eine Haftung nach dieser Norm nur in Betracht kommt, soweit der zu erstattende Betrag zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur – der BGH hat die Frage nicht abschließend entschieden510 – verlangt insofern jedoch nicht zwingend den Eintritt eines Insolvenzgrundes bei der Gesellschaft,511 sodass auch nach diesem Lösungsansatz eine Annexklage zu verneinen ist. IV. Haftung wegen Vermögensvermischung Die Gesellschafterhaftung wegen Vermögensvermischung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern wird von der h. M. in Deutschland als einzig praxisrelevante512 Fallgruppe einer (echten513) Durchgriffshaftung anerkannt.514 Es ist daher EuZPR/EuIPR, Art.  1 EG-InsVO Rn.  9; Piekenbrock, KTS 2015, 379 (404); Prager/Keller, WM 2015, 805 (807); Thole, in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  130; Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  185; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  129 mit Fn.  336. A. A. Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  197. 507  Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  186. 508  §  31 Abs.  3 GmbHG setzt das Bestehen und die „Nichtrealisierbarkeit“ eines Erstattungsanspruchs gem. §  31 Abs.  1 GmbHG voraus. Vgl. nur Ekkenga, in: MüKoGmbHG, §  31 Rn.  53 f.; Heidinger, in: M/H/L/S, GmbHG, §  31 Rn.  59. 509  Im Ausgangspunkt auf den Zusammenhang zwischen §  31 Abs.  1 und 3 GmbHG hinweisend Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  186. 510  BGH, Urt. v. 22.09.2003 – II ZR 229/02 = NJW 2003, 3629 (3631 f.); vgl. auch Verse, in: Scholz, GmbHG, §  31 Rn.  43 mit Fn.  125. 511  In diesem Sinne Fleischer, in: Henssler/Strohn, GesR, §  31 GmbHG Rn.  26, 32; Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  31 Rn.  40, 54; Heidinger, in: M/H/L/S, GmbHG, §  31 Rn.  55, 60; Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  31 Rn.  19 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, §  31 Rn.  27; Verse, in: Scholz, GmbHG, §  31 Rn.  43, 51. A. A. Ekkenga, in: MüKoGmbHG, §  31 Rn.  48, 55; Thiessen, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  31 Rn.  44 ff., 60. 512  Siehe Teil 2, Fn.  412. 513  Siehe Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  411. 514  BGH, Versäumnisurt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03 = NJW 2006, 1344 (1346); BGH,

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angezeigt, die Abgrenzungskriterien auch gezielt auf diese Fallgruppe zu beziehen. Zwar kommt es im Rahmen des Insolvenzverfahrens zur analogen Anwendung von §  93 InsO.515 Dieser Umstand führt nach richtiger Auffassung516 jedoch noch nicht dazu, dass innerhalb des Insolvenzverfahrens von einer Annexklage auszugehen ist. Da die innerhalb des Insolvenzverfahrens verfolgten Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger nicht „wesensverschieden“ im Vergleich zu den außerhalb des Insolvenzverfahrens verfolgten Ansprüchen sind, kommt es darauf an, ob die Haftung wegen Vermögensvermischung (insgesamt gesehen) den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen ist. Unter Heranziehung des hier befürworteten Abgrenzungskriteriums lässt sich begründen517, warum die Gesellschafterhaftung wegen Vermögensvermischung den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts angehört. Sie fußt auf der Funktionslosigkeit der Kapitalerhaltungsvorschriften auf Grund der Verschleierung der Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen.518 Es geht um Situationen, in denen der Stand des Gesellschaftsvermögens nicht zuverlässig bestimmbar und folglich die Frage nach der Insolvenzreife der Gesellschaft auch nicht belastbar zu beantworten ist.519 Man kann somit auch nicht davon sprechen, dass die Haftung den Eintritt eines Insolvenzgrundes voraussetzt. Im Ergebnis kann in der Geltendmachung der Haftung wegen Vermögensvermischung daher (auch innerhalb des Insolvenzverfahrens) keine Annexklage gesehen werden.520

Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2691 f.); Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1578 f.); Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  395; Strohn, ZInsO 2008, 706 (711). 515  BGH, Versäumnisurt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03 = NJW 2006, 1344 (1345 f.); Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1579); Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  402; Pohlmann, in: Schmidt, HambKomm-InsR, §  93 InsO Rn.  6. 516  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  3 A. 517  Kritisch in diesem Zusammenhang aber Thole, IPRax 2015, 396 (399). Siehe Text zu Teil 2, Fn.  410. 518  BGH, Versäumnisurt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03 = NJW 2006, 1344 (1346); Bitter, in: Scholz, GmbHG, §  13 Rn.  132; Strohn, ZInsO 2008, 706 (712); Weller/Discher, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  13 Rn.  36. 519  Strohn, ZInsO 2008, 706 (712): „Wenn ich den Stand des Gesellschaftsvermögens nicht zuverlässig bestimmen kann, dann kann ich auch nicht beurteilen, ob eine Auszahlung an einen Gesellschafter gegen §  30 GmbHG verstößt, erst Recht nicht, ob die Gesellschaft insolvenzreif ist.“ 520  Im Ergebnis ebenso Lehmann, GmbHR 2005, 978 (981); Thole, GPR 2014, 113 (115); ders., in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  130; wohl auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  129 f. mit Fn.  338 und S.  411 ff.

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V. Existenzvernichtungshaftung Nach h. M. haften die Gesellschafter im Falle eines existenzvernichtenden Eingriffs gegenüber der GmbH gem. §  826 BGB auf Schadensersatz.521 Ob die gerichtliche Durchsetzung dieser Haftung durch den Insolvenzverwalter (§  80 Abs.  1 InsO522) eine Annexklage darstellt, ist heftig umstritten.523 Die Zuordnung der Existenzvernichtungshaftung zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren – und damit die Bejahung der soeben aufgeworfenen Streitfrage – ist richtigerweise auf zwei Überlegungen zu stützen: Erstens stellt die Existenzvernichtungshaftung ein verselbständigtes Haftungsinstitut im Rahmen des §  826 BGB dar,524 sodass es geboten ist, das maßgebliche Abgrenzungskriterium gezielt auf dieses Haftungsinstitut zu beziehen.525 Zweitens setzt ein Anspruch wegen Existenzvernichtung den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§  17 InsO) oder Überschuldung (§  19 InsO) zwingend voraus.526 Die insolvenzrechtliche Einstufung gilt gleichermaßen für die potentiell den (Fremd-)Geschäftsführer treffende Teilnehmerhaftung gem. §§  830 Abs.  2, 826 BGB527.

521  BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2690 ff.); Raiser, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, §  13 Rn.  157 ff.; Strohn, ZInsO 2008, 706 (708 ff.). 522  Siehe nur Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, §  13 Rn.  107. 523  Für eine Annexklage Bork, FS Beck, S.  49 (58 f.); Cranshaw, DZWIR 2009, 353 (362); Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  195; Kindler, EuZW 2015, 143 (144); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (46 mit Fn.  29); Paulus, EuInsVO, Art.  6 Rn.  11 sowie Art.  32 Rn.  16; E. Peiffer/M. Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  1 Rn.  76; Piekenbrock, KTS 2015, 379 (404); Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  193 ff.; Wedemann, IPRax 2015, 505 (508 f.); tendenziell auch Weller, FS v. Hoffmann, S.  513 (518). Gegen eine Annexklage Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  58; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  1 EuGVVO Rn.  130; Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  31 i. V. m. Art.  4 EuInsVO Rn.  60 ff.; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  1 Rn.  94; Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  6 ­EuInsVO Rn.  16; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  1 EuGVO Rn.  36; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Brüssel  Ia-VO Rn.  84; Nagel/Gottwald, IZPR, §  3 Rn.  27; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  938; ders., ZEuP 2010, 907 (924); ders., GPR 2014, 113 (115); ders., in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  130; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  158 ff. 524  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  424 und 425. 525  Vgl. zur Bestimmung des Beurteilungsgegenstands die Ausführungen unter Teil 2 §  2 C.IV.3.c). 526  BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2690); Liebscher, in: MüKo­ GmbHG, Anhang zu §  13 Rn.  558; Strohn, ZInsO 2008, 706 (709); Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  56. 527  Vgl. dazu Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, §  13 Rn.  105; Strohn, ZInsO 2008, 706 (709).

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VI. Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung Die Einstufung von Klagen gegen Gesellschafter, die sich (grob gesprochen) auf den Vorwurf der materiellen Unterkapitalisierung stützen, bereitet Schwierigkeiten. Diese resultieren aus dem Fehlen einer präzisen Ausgestaltung eines entsprechenden Haftungsinstituts innerhalb des deutschen Gesellschafts- bzw. Deliktsrechts. Gleichwohl sprechen sich Literaturstimmen in Bezug auf die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung pauschal für bzw. gegen eine Annexklage aus. Einerseits werden Klagen, die „auf Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung“ gestützt werden, der Brüssel  Ia-VO unterstellt.528 Angesichts dieser Formulierung („Durchgriffshaftung“) liegt die Vermutung nahe, dass dieser Einschätzung die – auch im aktuellen Schrifttum noch häufig vertretene529 – echte Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung analog §  128 S.  1 HGB zu Grunde liegt. Unabhängig davon, ob bei diesem Grundverständnis eine Annexklage zu bejahen oder zu verneinen wäre,530 gilt es jedenfalls zu berücksichtigen, dass insbesondere der BGH einer derartigen Durchgriffshaftung zu Lasten der Gesellschafter eine klare Absage erteilt hat.531 Folglich muss das Modell der echten Durchgriffshaftung bei der Einstufung der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung außer Betracht bleiben. Andererseits werden Klagen des Insolvenzverwalters zur Durchsetzung von Ansprüchen wegen materieller Unterkapitalisierung – wobei insofern §  826 BGB als Anspruchsgrundlage anerkannt wird532 – mit der Begründung der EuInsVO zugewiesen, dass derartige Ansprüche die materielle Insolvenz bzw.

Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  1 Rn.  94. Ebenfalls gegen eine Annexklage Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  1 EuGVVO Rn.  130; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Brüssel  Ia-VO Rn.  84. 529  Vgl. etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  13 Rn.  20 f.; Bitter, in: Scholz, ­GmbHG, §  13 Rn.  143 ff.; Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  415. 530  Nach hier vertretener Auffassung wäre bei diesem Grundverständnis von einer Annexklage auszugehen, sofern der Insolvenzverwalter – dieser ist auch nach den Autoren, die eine echte Durchgriffshaftung befürworten, im Insolvenzverfahren zur Haftungsdurchsetzung berufen (vgl. nur Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  419), sodass eine Klage im Interesse der Gläubigergesamtheit zu bejahen wäre – die Haftung durchsetzt. Die Zuordnung des Haftungsanspruchs zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren wäre damit zu begründen, dass die Haftung stets den Eintritt eines Insolvenzgrundes voraussetzt, vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  13 Rn.  21; Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  418. 531  BGH, Urt. v. 28.04.2008 – II ZR 264/06 = NJW 2008, 2437 (2438 ff.); vgl. etwa auch Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  13 Rn.  47; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  13 Rn.  142 f.; Weller/Discher, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  13 Rn.  38 ff. 532  Vgl. Wedemann, ZEuP 2014, 867 (871). 528 

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Zahlungsunfähigkeit voraussetzten.533 Auch diese Einschätzung ist aus folgenden Gründen jedenfalls mit Vorsicht zu genießen: Der BGH hat in der ­GAMMA-Entscheidung zwar klargestellt, dass ein Verhalten des Gesellschafters in Bezug auf die Finanzausstattung der GmbH haftungsrechtlich seine Grenze lediglich in §  826 BGB finde, es aber vermieden, zu beantworten, ob im Rahmen des §  826 BGB Anlass und Raum für die Bildung einer besonderen Fallgruppe der Haftung wegen Unterkapitalisierung einer GmbH sei, „bei der der Haftungstatbestand und dessen Rechtsfolgen einer bestimmten generalisierenden Einordnung zugänglich sein müssten“534. Mit anderen Worten gibt es – im Hinblick auf den auf §  826 BGB gestützten Vorwurf der materiellen Unterkapitalisierung – bislang kein abschließend ausgeformtes Haftungsinstitut. Es kann z. B. schon nicht als geklärt bezeichnet werden, ob – im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – der Insolvenzverwalter in (allen) Fallgestaltungen, die (jedenfalls potentiell) unter die Überschrift „materielle Unterkapitalisierung“ fallen, zur Durchsetzung der Ansprüche berufen ist.535 Der BGH wird in der Literatur – wohl überwiegend – derart verstanden, dass es sich bei der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung gem. §  826 BGB um eine Außenhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern handelt.536 Ferner geht man (teilweise) davon aus, dass „auch im Fall der Unterkapitalisierung“ – wie bei der Insolvenzverschleppungshaftung zu Gunsten der (vertraglichen) Neugläubiger – das negative Interesse ersetzt werden soll.537 Bei diesem Verständnis müsste die Haftung auch während eines Insolvenzverfahrens von den Gesellschaftsgläubigern individuell durchgesetzt werden.538 Sollte die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung in Zukunft tatsächlich derart ausgeformt werden, müsste die internationale Zuständigkeit konsequenterweise539 nach der Brüssel  Ia-VO beurteilt werden. In diesem Sinne Wedemann, IPRax 2015, 505 (508 f.); tendenziell bereits dies., ZEuP 2014, 867 (871 f.). 534  BGH, Urt. v. 28.04.2008 – II ZR 264/06 = NJW 2008, 2437 (2440). 535  Dies befürworten etwa Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  453; Wedemann, IPRax 2015, 505 (508 mit Fn.  59). 536  Altmeppen, ZIP 2008, 1201 (1206); ders., in: Roth/Altmeppen, GmbHG, §  13 Rn.  147; Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unions­ kolli­sionsrechts, Rn.  453; Wagner, in: MüKoBGB, §  826 Rn.  180. A. A. etwa Raiser, Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, §  13 Rn.  147, der „regelmäßig“ von einer Innenhaftung ausgehen möchte. 537  Wagner, in: MüKoBGB, §  826 Rn.  180. Demgegenüber klarer zwischen der Verletzung individueller Gläubigerinteressen einerseits und der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung andererseits differenzierend Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, §  13 Rn.  154. 538  In diesem Sinne (wohl) Altmeppen, ZIP 2008, 1201 (1206 mit Fn.  55). 539  Vgl. Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.II.1.a). 533 

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Eine Annexklage wäre demgegenüber unter folgenden Voraussetzungen zu bejahen: Erstens bildet sich im Rahmen des §  826 BGB eine besondere Fallgruppe der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung, wobei eindeutig erkennbar ist, dass diese Haftung nur bei Eintritt eines Insolvenzgrundes erfolgreich eingeklagt werden kann. Zweitens ist die Haftung darauf gerichtet, einen den Gesellschaftsgläubigern gemeinschaftlich entstehenden Schaden auszugleichen, sodass der Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubigergesamtheit zu deren Durchsetzung berufen ist. Auf Grund der angedeuteten Unsicherheiten in Bezug auf die exakte Haftungsausgestaltung ist es – abgesehen von den soeben genannten Leitlinien – kaum möglich, ein belastbares Urteil zu dem Gesamtkomplex der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung zu fällen. Solange es an einer besonderen Fallgruppe innerhalb von §  826 BGB mangelt, ist es nach hier vertretener Auffassung vorzugswürdig, diese Haftung in den Kontext einer weiterreichenden Gesellschafteraußenhaftung gem. §  826 BGB einzuordnen, welche insgesamt gesehen zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts zählt. Stützt sich der Insolvenzverwalter bei einer Klage gegen einen Gesellschafter mit dem Vorwurf der materiellen Unterkapitalisierung auf §  826 BGB, sollte die internationale Zuständigkeit daher einstweilen nach der Brüssel  Ia-VO beurteilt werden. VII. Geschäftsführerhaftung gem. §  43 GmbHG 1. §  43 Abs.  2 GmbHG Die (wohl) einhellige Meinung stuft die Geltendmachung der Geschäftsführerhaftung gem. §  43 Abs.  2 GmbHG (auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens) nicht als Annexklage ein.540 Teilweise beziehen Stimmen aus der Literatur541 die nichtinsolvenzrechtliche Einstufung gezielter auf bestimmte Geschäftsführerpflichten (z. B. §  49 Abs.  3 GmbHG), deren Verletzung einen Anspruch gem. §  43 Abs.  2 GmbHG auslöst542. Die Ablehnung einer Annexklage wird insoweit

540  OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2009 –17 U 152/08 = IPRax 2011, 176 (177); Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  41; Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  1 Rn.  85; Lehmann, GmbHR 2005, 978 (981); Piekenbrock, KTS 2015, 379 (403); Prager/ Keller, WM 2015, 805 (807); Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  202; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  363 mit Fn.  794. 541  Wedemann, ZEuP 2014, 867 (872); dies., IPRax 2015, 505 (509). 542  Vgl. zu den Folgen (§  43 Abs.  2 GmbHG) eines schuldhaften Verstoßes gegen die Einberufungspflicht Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  49 Rn.  31; Liebscher, in: MüKoGmbHG, §  49 Rn.  65.

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dann mit dem Argument begründet, dass haftungsrelevante Schäden unabhängig von der Gesellschaftsinsolvenz eintreten können.543 Letztgenannte Vorgehensweise regt im Rahmen des §  43 Abs.  2 GmbHG die Frage nach dem Beurteilungsgegenstand für die Grenzziehung zwischen den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren und den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts an. Eine Haftung des Geschäftsführers gem. §  43 Abs.  2 GmbHG kommt nämlich z. B. auch dann in Betracht, sofern dieser den rechtlich gebotenen Insolvenzantrag verspätet oder gar nicht stellt.544 Diese Haftung (als kleiner Teilbereich der umfangreichen Haftung gem. §  43 Abs.  2 GmbHG) ist ohne den Eintritt eines Insolvenzgrundes (vgl. §  15a Abs.  1 S.  1 InsO) undenkbar. Bezöge man das hier favorisierte Abgrenzungskriterium gezielt auf diese Haftungskonstellation, zählte sie zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren. Ausgehend von einem partiellen Auslegungszusammenhang zwischen Art.  6 Abs.  1 und Art.  7 EuInsVO,545 könnte sich diese Sichtweise auf die Kornhaas-Entscheidung des EuGH berufen. Dort ordnete der EuGH die Folgen der Verletzung der Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags – hierzu kann man den bei entsprechender Pflichtverletzung entstehenden Anspruch gem. §  43 Abs.  2 GmbHG zwanglos rechnen – uneingeschränkt dem Passus „unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird“ gem. Art.  7 Abs.  2 S.  1 EuInsVO zu.546 Gleichwohl ist ein Vorgehen, welches im Rahmen von §  43 Abs.  2 GmbHG bestimmte Pflichtverletzungen herausgreift und die Haftung (nur) insoweit den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuweist, im Ergebnis abzulehnen. Dies gilt jedenfalls insoweit, als §  43 Abs.  2 GmbHG als allgemeines, d. h. diverse Pflichtverletzungen sanktionierendes, Haftungsinstitut besondere Haftungsinstitute – wie etwa §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a Abs.  1 S.  1 InsO – lediglich flankiert. Entschiede man anders, würden allgemeine – soweit es um bestimmte insolvenzbezogene Verhaltensvorwürfe geht – und besondere, insolvenzrechtliche Haftungsinstitute stets eine identische Einordnung erfahren. Mit der Einführung von Art.  6 Abs.  2 EuInsVO hat der europäische Gesetzgeber aber zu verstehen gegeben, dass Haftungsansprüche, die an ein und dasselbe Fehlverhalten anknüpfen (nach hier vertretener Auffassung fällt insbesondere diese Fallkonstellation in den Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  2 EuInsVO547) durchaus unWedemann, ZEuP 2014, 867 (872); dies., IPRax 2015, 505 (509). Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  134; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  148; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  220; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  220. 545  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.I.3. 546  EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14 – Kornhaas, Rn.  19. 547  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  1 B.I.3.c)bb). 543  544 

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terschiedlicher Natur sein können. Das hier in Erwägung gezogene Vorgehen würde den Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  2 EuInsVO daher zu stark zurückdrängen. Darüber hinaus lässt sich – im Unterschied zur Existenzvernichtungshaftung im Rahmen von §  826 BGB – im Hinblick auf §  43 Abs.  2 GmbHG nicht erkennen, dass einzelne Haftungskonstellationen eine hinreichende Eigenständigkeit erlangt haben. Folglich ist das Abgrenzungskriterium auf §  43 Abs.  2 GmbHG „als Ganzes“ zu beziehen. Da die gerichtliche Durchsetzung der Haftung gem. §  43 Abs.  2 GmbHG vom Eintritt eines Insolvenzgrundes unabhängig ist,548 gehört die Vorschrift vollumfassend zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts. Eine auf diese Norm gestützte Klage kann daher niemals Annexklage sein. 2. §  43 Abs.  3 S.  1 GmbHG Bei §  43 Abs.  3 S.  1 GmbHG handelt es sich nach h. M. um einen besonderen – von der allgemeinen Organhaftung gem. §  43 Abs.  2 GmbHG zu unterscheidenden – Schadensersatzanspruch.549 Dieser knüpft an besondere Pflichtverletzungen an. §  43 Abs.  3 S.  1 V.  1 GmbHG sanktioniert gegen §  30 Abs.  1 GmbHG verstoßende Zahlungen. Die Haftung setzt folglich das Bestehen bzw. Entstehen einer Unterbilanz voraus,550 verlangt jedoch keineswegs den Eintritt eines Insolvenzgrundes551. §  43 Abs.  3 S.  1 V.  2 GmbHG greift bei Verstößen gegen §  33 GmbHG ein, wobei die für §  43 Abs.  3 S.  1 V.  2 GmbHG relevanten Fälle (§  33 Abs.  1, Abs.  2 S.  1 und Abs.  2 S.  2 GmbHG)552 die Kapitalaufbringung (Abs.  1)553 und Kapitalerhaltung (Abs.  2)554 sicherstellen sollen und somit ebenfalls vom Eintritt eines Insolvenzgrundes unabhängig sind. Insgesamt ist §  43 Abs.  3 S.  1 GmbHG auf Grund besagter Unabhängigkeit den allgemeinen Regelungen des

548  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  543 sowie (aus kollisionsrechtlicher Perspektive) Weller, in: MüKoGmbHG, Einleitung Rn.  403. 549  Fleischer, MüKoGmbHG, §  43 Rn.  285; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, ­GmbHG, §  255 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  43 Rn.  48. 550  Vgl. insoweit zum Zahlungsverbot gem. §  30 Abs.  1 S.  1 etwa Habersack, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, §  30 Rn.  25 ff.; Verse, in: Scholz, GmbHG, §  30 Rn.  52 ff. 551  Siehe Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  505. 552  Vgl. Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  291; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  43 Rn.  262. 553  Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  33 Rn.  1; Paura, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  33 Rn.  2; Sosnitza, in: M/H/L/S, GmbHG, §  33 Rn.  4. 554  Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  33 Rn.  2; Paura, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  33 Rn.  2; Sosnitza, in: M/H/L/S, GmbHG, §  33 Rn.  4.

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Zivil- und Handelsrechts zuzuweisen und eine auf diese Norm gestützte Klage (auch innerhalb eines Insolvenzverfahrens) folglich keine Annexklage.555 VIII. Geschäftsführerhaftung gem. §  64 S.  1 GmbHG Die Haftung des Geschäftsführers gem. §  64 S.  1 GmbHG gegenüber der Gesellschaft wird im Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter (§  80 Abs.  1 InsO)556 im Interesse der Gläubigergesamtheit geltend gemacht. Zudem setzt der Anspruch gem. §  64 S.  1 GmbHG das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit (§  17 InsO) oder Überschuldung (§  19 InsO) voraus.557 Aus diesen Gründen hat der EuGH mit seiner G.T. GmbH-Entscheidung eine auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Insolvenzverwalterklage überzeugend als Annexklage eingestuft558 und damit den Streit559 über die zutreffende Einordnung beendet. IX. Geschäftsführerhaftung gem. §  64 S.  3 GmbHG Ob eine Annexklage vorliegt, sofern der Insolvenzverwalter (§  80 InsO)560 einen Anspruch gem. §  64 S.  3 GmbHG einklagt, hängt – da der Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubigergesamtheit vorgeht – lediglich davon ab, ob diese Norm den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren unterfällt. Dies wird nicht einheitlich beurteilt.561 Da der Anspruch gem. §  64 S.  3 GmbHG den Eintritt der Zah555  Im Ergebnis ebenso Piekenbrock, KTS 2015, 379 (404); Prager/Keller, WM 2015, 805 (807); Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  202. 556  Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  129; Haas, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  28. 557  Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  21 ff.; Bork, in: Bork/Schäfer, ­GmbHG, §  64 Rn.  4, 6 ff.; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  60; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  64 Rn.  1 f. 558  EuGH, Urt. v. 04.12.2014 – C-295/13 – G.T. GmbH, Rn.  26. 559  Siehe Teil 2, Fn.  341. 560  Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  12; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  28. 561  Für eine Annexklage Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  50; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  34; ders., ZIP 2013, 2381 (2385 f.); Hausmann, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  1 Rn.  84; Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  197; Kindler, EuZW 2015, 143 (144); Mäsch, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 EG-InsVO Rn.  9 i. V. m. Art.  4 EG-InsVO Rn.  9; E. Peiffer/M. Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  1 Rn.  76; Piekenbrock, KTS 2015, 379 (404); Prager/Keller, WM 2015, 805 (807); Thole, in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  133; Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  201 f.; Wedemann, IPRax 2015, 505 (508 f.); Weller, ZGR 2012, 606 (610). Gegen eine Annexklage Gruber/Schulz, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  31 i. V. m. Art.  4 Rn.  61 f.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubiger-

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lungsunfähigkeit (§  17 InsO) voraussetzt,562 muss er insolvenzrechtlich eingestuft werden.563 Innerhalb des Insolvenzverfahrens ist demzufolge eine Annexklage gegeben. X. Insolvenzverschleppungshaftung Die Insolvenzverschleppungshaftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftsgläubigern gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a Abs.  1 S.  1 InsO wurde vorstehend564 bereits thematisiert. Unter den Voraussetzungen des §  830 Abs.  2 BGB ist eine Teilnehmerhaftung der Gesellschafter möglich.565 Diese sind zudem im Falle der Führungslosigkeit der GmbH gem. §  15a Abs.  3 V.  1 InsO grds. zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet und haften bei Verletzung dieser Pflicht gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a Abs.  1 S.  1, Abs.  3 V.  1 InsO.566 Es ist sehr umstritten, ob bzw. inwieweit im Hinblick auf die vorstehend skizzierte Geschäftsführer- bzw. Gesellschafterhaftung die Annahme einer Annexklage in Betracht kommt. Klar dürfte im Ausgangspunkt lediglich sein, dass Art.  6 Abs.  1 EuInsVO bei Nichteröffnung bzw. Beendigung des Insolvenzverfahrens im Zeitpunkt der Klageerhebung keine Rolle spielt. Stimmen in der Literatur lehnen die Einstufung als Annexklage auch im Falle der Klageerhebung während des Insolvenzverfahrens vollumfänglich ab.567 Andere Autoren gehen bei Klageerhebung während des Insolvenzverfahrens dagegen vollumfänglich

schutz im IZVR, S.  158 ff.; aus kollisionsrechtlicher Perspektive in diesem Sinne auch Serva­ tius, DB 2015, 1087 (1092 f.); Wansleben, EWS 2016, 72 (76). 562  Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  57; H.‑F. Müller, in: MüKo­GmbHG, §  64 Rn.  189; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  97; vgl. auch Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  142, 147, der auch die Herbeiführung „nur“ der Überschuldung unter §  64 S.  3 GmbHG subsumieren will. 563  Siehe (auch) Ausführungen unter Teil 2 §  2 C.IV.2. 564  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.II. 565  Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vorbemerkung zu §  64 Rn.  141; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  225. 566  Vgl. Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 GmbHG Rn.  71; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  212 ff. 567  Freitag, ZIP 2014, 302 (304 f.); Prager/Keller, WM 2015, 805 (807); Piekenbrock, KTS 2015, 379 (402 f.); Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  1 EuGVVO Rn.  50; vgl. auch Kolmann/ Keller, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  131 Rn.  106; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  268 ff.

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Teil 2: Abgrenzung zwischen Brüssel  Ia-VO und EuInsVO

von Annexklagen aus.568 Eine dritte Ansicht569 differenziert im Hinblick auf Klagen während des Insolvenzverfahrens: Die Durchsetzung der Haftung zu Gunsten der Altgläubiger sei eine Annexklage, wohingegen die Haftung zu Gunsten der (vertraglichen) Neugläubiger nach der Brüssel  Ia-VO beurteilt werden müsse. Der letztgenannten Ansicht ist im Ergebnis zuzustimmen. Für die Einschätzung, auch eine Klage, mit der die Insolvenzverschleppungshaftung zu Gunsten eines (vertraglichen) Neugläubigers geltend gemacht wird, sei eine Annexklage, spricht auf den ersten Blick, dass der EuGH im Kornhaas-Urteil die Insolvenzverschleppungshaftung jedenfalls auch insoweit insolvenzrechtlich i. S. d. Art.  7 EuInsVO qualifizierte570. Nach hier vertretener Auffassung folgt daraus zwar die Zugehörigkeit dieses Haftungsinstituts zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren im international zuständigkeitsrechtlichen Sinn. Es steht jedoch noch nicht fest, dass eine darauf gestützte Klage stets eine Annexklage ist.571 Vielmehr muss die Annahme einer Annexklage ausscheiden, weil jeder (vertragliche) Neugläubiger auch während des Insolvenzverfahrens den ihm individuell entstandenen Schaden einzeln – und damit ausschließlich in seinem eigenen Interesse572 – einklagt573. Die Haftung zu Gunsten der Altgläubiger zählt ebenfalls zu den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren. Neben der insolvenzrechtlichen Qualifikation i. S. d. Art.  7 EuInsVO ist auf die Abhängigkeit der Anspruchsentstehung vom Eintritt eines Insolvenzgrundes574 zu verweisen. In Bezug auf §  823 Abs.  2 BGB ist es gerechtfertigt, letztgenanntes Abgrenzungskriterium gezielt auf die aus der Verletzung eines bestimmten Schutzgesetzes resultierende Haftung zu beziehen. Denn jedes Haftungsinstitut, welches sich auf §  823 Abs.  2 BGB und ein bestimmtes Schutzgesetz stützt, weist gegenüber der Haftung gem. §  823 Abs.  2 568 

Eine Annexklage jedenfalls ohne Differenzierung zwischen Alt- und Neugläubigern bejahend: Heber, Die internationale Zuständigkeit des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ und von insolvenzbezogenen Einzelverfahren, S.  196; Kindler, in: MüKoBGB, Bd.  12, Art.  32 EuInsVO Rn.  18; Mankowski, in: Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015, Art.  6 Rn.  20 f.; Waldmann, Annexverfahren im Europäischen Insolvenzrecht, S.  191 ff., 202. 569  Bork, FS Beck, S.  49 (58); Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  48; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  194; Klöhn, in: MüKoInsO, §  15a Rn.  264; Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45 f.); Thole, in: MüKoInsO, Art.  3 EuInsVO 2000 Rn.  132; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  147 ff.; Wedemann, IPRax 2015, 505 (508 f.). 570  Siehe Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  354. 571  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.I.3. und dort insb. Nachweis in und Text zu Teil 2, Fn.  255. 572  Eine Klage, die im Interesse lediglich eines einzelnen Gläubigers erhoben wird, stellt keine Annexklage dar. Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.II.1.a). 573  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  271–273. 574  Siehe Teil 2, Fn.  274.

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BGB i. V. m. anderen Schutzgesetzen – wegen der jeweiligen Besonderheiten des Schutzgesetzes – eine hinreichende Eigenständigkeit auf. Richtigerweise scheitert die Annahme einer Annexklage auch nicht an dem Umstand, dass eine Klage des Insolvenzverwalters nicht im Interesse aller Gläubiger erfolgt, weil zu Gunsten der Altgläubiger eine Sondermasse zu bilden ist575. Denn jedenfalls bezogen auf die Gruppe der Altgläubiger liegen der Insolvenzverwalterklage spezifisch insolvenzverfahrensrechtliche Ziele zu Grunde, was der Ablehnung einer Annexklage auf Grund des genannten Umstands entgegensteht.576 Im Ergebnis ist die Klage des Insolvenzverwalters zu Gunsten der Altgläubiger daher als Annexklage einzustufen.

575  576 

Siehe Teil 2, Fn.  324. Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B.II.2.

Teil 3

Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO Diejenigen Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter, für die der Ausschlusstatbestand des Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO nicht eingreift, müssen im Folgenden den Gerichtsständen dieser Verordnung zugeteilt werden. Vor einer Befassung mit dem vertraglichen sowie dem deliktischen Gerichtsstand (dazu unter Teil 4) ist die Relevanz des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO (dazu unter §  1) sowie der Abschnitte 4 (dazu unter §  2) und 5 (dazu unter §  3) des zweiten Kapitels der Brüssel  Ia-VO näher zu erörtern.

§  1 Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO1 A. Grundlegendes und Ausgangsfrage Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO schreibt nach seinem Wortlaut eine ausschließliche  Zuständigkeit der Gerichte2 im Sitzstaat3 der Gesellschaft oder juristischen Person für Verfahren fest, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflö1  Die folgenden Ausführungen legen die Vorschriften der Brüssel  Ia-VO zu Grunde. Vorgängerbestimmungen des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO waren Art.  16 Nr.  2 EuGVÜ und Art.  22 Nr.  2 EuGVO. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung zu Art.  22 Nr.  2 EuGVO ausgeführt, diese Bestimmung sei im Wesentlichen mit Art.  16 Nr.  2 EuGVÜ identisch. Vgl. EuGH, Urt. v. 02.10.2007 – C-372/07 – Hassett, Rn.  19; EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  30 f. Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO ist nahezu wortlautidentisch mit Art.  22 Nr.  2 EuGVO und entspricht ihm aus systematischer Sicht. Die zu den Vorgängerbestimmungen ergangene Rechtsprechung und diesbezügliche Stellungnahmen in der Literatur können daher auch für die Auslegung des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO herangezogen werden. 2  Geregelt wird lediglich die internationale Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem autonomen nationalen Prozessrecht. Vgl. Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  22 EuGVO Rn.  1; Nagel/Gottwald, IZPR, §  3 Rn.  255; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  24 EuGVVO Rn.  1. 3  Art.  24 Brüssel  Ia-VO begründet – ausweislich seines Einleitungssatzes – lediglich die Zuständigkeit von Gerichten der Mitgliedstaaten. Zu einer potentiellen Reflexwirkung zu Gunsten von Drittstaaten vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, Art.  24 EuGVVO Rn.  1a f.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  6 ff.; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  24 Rn.  10.

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

sung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben. In ihrem Anwendungsbereich verdrängt die Vorschrift sowohl die besonderen Gerichtsstände (etwa) gem. Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO als auch den allgemeinen Gerichtsstand gem. Art.  4 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO.4 Von der Verdrängungswirkung sind selbst die Abschnitte 3 bis 5 des zweiten Kapitels der Brüssel  Ia-VO betroffen.5 Gem. Art.  25 Abs.  4 Brüssel  Ia-VO haben Gerichtsstandsvereinbarungen keine rechtliche Wirkung, sofern ein Verfahren von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO erfasst wird. Gleiches gilt gem. Art.  26 Abs.  1 S.  2 Brüssel  Ia-VO für die rügelose Einlassung. Angesichts dieses systematischen Vorrangs des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO und des gesellschaftsrechtlichen Bezugs dieser Norm ist es erforderlich, zunächst deren Gegenstand mit Blick auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter abzustecken, bevor eine Auseinandersetzung mit den Abschnitten 4 und 5 des zweiten Kapitels der Brüssel  Ia-VO sowie der Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO erfolgen kann. Die Frage lautet daher: Können Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter bei autonomer Auslegung6 des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO als Verfahren angesehen werden, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben?

B. Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter als Regelungsgegenstand? I. Herrschendes Verständnis Als Ausgangspunkt der Problemlösung soll zunächst die im deutschen Schrifttum ganz h. M. dienen. Hiernach ist erstens die Frage, ob ein Verfahren in den Anwendungsbereich des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO fällt, ausschließlich mit 4  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  24 EuGVVO Rn.  1; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  22 EuGVO Rn.  2; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  24 Rn.  2; Thole, IPRax 2011, 541 (542). 5  Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  22 EuGVO Rn.  2; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  1; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  24 Rn.  2. 6  EuGH, Urt. v. 02.10.2007 – C-372/07 – Hassett, Rn.  17; EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  28; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  22 EuGVVO Rn.  140; Leible, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  12 Rn.  10; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  70; Paulus, in: Paulus/ Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  24 Rn.  85; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  22 EuGVVO Rn.  58.

§  1 Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

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Blick auf die Hauptfrage (verstanden in Abgrenzung zu bloßen Vorfragen) dieses Verfahrens zu beantworten.7 Zweitens ziehen lediglich die in Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO ausdrücklich genannten Sachbereiche – Gültigkeit, Nichtigkeit, Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe – die Ausschließlichkeit nach sich; eine über den Wortlaut hinausgehende Heranziehung der Vorschrift ist abzulehnen.8 Unter dieser Prämisse fallen Haftungsklagen gegen Gesellschafter9 bzw. Geschäftsleiter10 nicht unter Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO. Derartige Klagen betreffen hauptfrageweise den jeweiligen Haftungsanspruch und keineswegs die Gültigkeit, Nichtigkeit oder Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe. Auch der EuGH hat im Hinblick auf einen Haftungsanspruch eines Gesellschaftsgläubigers gegen den Mehrheitsgesellschafter einer ungarischen Gesellschaft die Anwendbarkeit des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO jüngst explizit verneint.11 Ohnehin tritt er für eine enge Auslegung der Vorschrift ein.12 7  Geimer, in: Zöller, ZPO, Art.  24 EuGVVO Rn.  21; Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  24 VO (EU) 1215/2010 Rn.  27; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  22 EuGVO Rn.  34; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  75 ff.; Müller, EuZW 2011, 479 (481); Nagel/Gottwald, IZPR, §  3 Rn.  270 f.; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  24 Rn.  99; Schack, ZEuP 2012, 195 (198); Thole, IPRax 2011, 541 (544 f.); Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  105 f.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  213 ff.; Wedemann, AG 2011, 282 (291 f.); dies., NZG 2011, 733 (733 f.). A.A. etwa Leible/Röder, NZG 2009, 29 (30); Meilicke/Lochner, AG 2010, 23 (28). 8  Bachmann, IPRax 2009, 140 (141 f.); Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  24 EuGVVO Rn.  17; Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  24 VO (EU) 1215/2010 Rn.  28 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  22 EuGVO Rn.  34; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  82; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  24 Rn.  67; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  24 EuGVVO Rn.  19; Stadler: in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  24 EuGVVO Rn.  6; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  203 ff.; ders., IPRax 2013, 69 (69 f.); Weller, ZGR 2012, 606 (623). A.A. etwa Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1087); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  22 EuGVVO Rn.  181; Leible, in: Hirte/ Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  12 Rn.  13. 9  Vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  82 ff.; Mock, RabelsZ 72 (2008), 264 (280 f.); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  24 Rn.  100; Wagner, in: Lutter (Hrsg.), EU-Auslandsgesellschaften in Deutschland, S.  223 (263); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  215 f.; Weller, ZGR 2012, 606 (623 f.). 10  Vgl. OLG Celle, Urt. v. 16.08.2006 – 9 U 20/06 = BeckRS 2006, 10995; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  83 f.; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  24 Rn.  100; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  215 f.; Wegen/Asbrand, IWRZ 2016, 248 (248). 11  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  19; zustimmend Kindler, IPRax 2014, 486 (488). Vgl. zum Sachverhalt die Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.II.1. 12  EuGH, Urt. v. 02.10.2007 – C-372/07 – Hassett, Rn.  19; EuGH, Urt. v. 12.05.2011 –

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

II. Abweichende Verständnismöglichkeiten Jede der beiden soeben genannten Leitlinien der h. M. im deutschen Schrifttum bietet jedoch potentiell einen Anhaltspunkt für ein abweichendes Verständnis, welches wiederum die Grundlage für eine Einbeziehung von Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter in den Anwendungsbereich von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO sein könnte. 1. Keine Ausweitung auf vom Wortlaut nicht erfasste Sachbereiche Es wäre einerseits denkbar, den Anwendungsbereich – unabhängig von den im Wortlaut genannten Sachbereichen – analog auf das gesamte Gesellschaftsrecht bzw. zumindest per se auch auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter auszudehnen. Dagegen spricht jedoch insbesondere das Bestreben nach Rechtssicherheit, welche durch eine wortlautgetreue Anwendung gefördert wird.13 Zudem mangelt es an einer planwidrigen Regelungslücke, da der europäische Gesetzgeber den Einzugsbereich des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO bewusst begrenzt hat.14 Folglich kann allein der Umstand, dass Hauptfrage der Streitigkeit ein Haftungsanspruch gegen einen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter ist, ein Eingreifen des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO keinesfalls begründen. Insofern ist eine Begrenzung auf die ausdrücklich in Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO genannten Sachbereiche vorzugswürdig. 2. Irrelevanz von Vorfragen Ein näherliegendes Schlupfloch für die Anwendbarkeit von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO bei besagten Haftungsklagen könnte andererseits – entgegen der oben dargestellten h. M. im deutschen Schrifttum15 – jedoch der Umstand sein, dass die in Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO explizit angeführten Sachbereiche bei derartigen Klagen vorfrageweise eine Rolle spielen. Von diesen Bereichen steht die C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  30; EuGH, Urt. v. 23.10.2014 – C-302/13 – flyLAL, Rn.  39 ff.; Kindler, IPRax 2014, 486 (488). 13  Vgl. Bachmann, IPRax 2009, 140 (141). Vgl. im Hinblick auf eine analoge Anwendung von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO bei Klagen mit organisationsrechtlichem Charakter auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  209. In diesem Zusammenhang den „Klarheitsgrundsatz für Zuständigkeitsregeln“ betonend Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  87. 14  Bachmann, IPRax 2009, 140 (141). Vgl. auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  203. Man mag – auf Grund des Eingreifens der Art.  4 ff. Brüssel  Ia-VO – bereits das Vorliegen einer Regelungslücke ablehnen. In diesem Sinne etwa Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  87. 15  Siehe Teil 3, Fn.  7.

§  1 Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

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Beschlussgültigkeit im Fokus. Sie weist Berührungspunkte mit derartigen Haftungsklagen auf. Beispielsweise könnte der Geschäftsführer einer GmbH einer gegen ihn gerichteten Haftungsklage den Einwand entgegenhalten, er habe lediglich einen Beschluss der Gesellschafterversammlung befolgt.16 Denn die Haftung gem. §  43 Abs.  2 GmbHG greift – mangels Pflichtverletzung – nicht ein, sofern der Geschäftsführer mit seinem Verhalten eine ihn bindende Weisung befolgt.17 Eine derartige Weisung muss grds. auf einem ordnungsgemäßen Beschluss der Gesellschafterversammlung beruhen.18 Nichtige Beschlüsse räumen den Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens allerdings nicht aus.19 In derartigen Konstellationen beeinflusst die vorfrageweise zu beurteilende Gültigkeit des Beschlusses somit die Entscheidung über die Haftungsklage. Gleiches gilt, sofern einer gegen den Gesellschafter bzw. Geschäftsführer einer GmbH gerichteten Klage20 potentiell die Ungültigkeit21 desjenigen Beschlusses entgegensteht, der gem. §  46 Nr.  8 V.  1 GmbHG nach h. M. Voraussetzung für eine begründete Haftungsklage ist22.23 a) Entscheidung in der Rechtssache Berliner Verkehrsbetriebe Zur Vorfragenproblematik im Rahmen des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO bezog der EuGH in einem Urteil24 aus dem Jahre 2011 Stellung. Danach findet Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO keine Anwendung auf einen Rechtsstreit, „in dem eine Gesellschaft geltend macht, ein Vertrag könne ihr nicht entgegen gehalten werden, weil ein Beschluss ihrer Organe, der zum Abschluss des Vertrages geführt habe, wegen Verstoßes gegen ihre Satzung ungültig sei“25. Besagte Gesellschaft hatte sich Vgl. auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  210. BGH, Urt. v. 26.10.2009 – II ZR 222/08 = NJW 2010, 64 (64); Mennicke, NZG 2000, 622 (624); Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, §  43 GmbHG Rn.  29; U. H. Schneider, in: ­Scholz, GmbHG, §  43 Rn.  119. 18  Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  43 Rn.  40; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, §  43 GmbHG Rn.  30; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  43 Rn.  121. 19  Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  278; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  43 Rn.  62; Oetker, in: Henssler/Strohn, §  43 GmbHG Rn.  32; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, §  43 Rn.  35. 20  Siehe zum Geltungsbereich des §  46 Nr.  8 V.  1 GmbHG Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, §  46 Rn.  101 ff.; Liebscher, in: MüKoGmbHG, §  46 Rn.  232 ff. 21  Die Nichtigkeit des Beschlusses führt zur Unbegründetheit der Haftungsklage. Vgl. Liebscher, in: MüKoGmbHG, §  46 Rn.  259; Weller, ZGR 2012, 606 (624 mit Fn.  123); Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  46 Rn.  61, 64. 22  Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  46 Rn.  40; Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, §  46 Rn.  111; Liebscher, in: MüKoGmbHG, §  46 Rn.  256. 23  Vgl. Weller, ZGR 2012, 605 (623 f.). 24  EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe. 25  EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  47; zustimmend 16  17 

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

inzident bzw. als Vorfrage auf die Ungültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe berufen, um der Inanspruchnahme aus dem Vertrag zu entgehen.26 Überzeugend begründete der EuGH sein Ergebnis mit einem Hinweis auf das Ziel der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften27 und den Grundsatz der Rechtssicherheit.28 Ein Kläger, der einen vertraglichen Anspruch durchsetzen möchte, könnte die international zuständigen Gerichte nicht zuverlässig ermitteln, sofern es die beklagte Gesellschaft in der Hand hätte, die grds. gem. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO oder auch durch Prorogation gegebene Zuständigkeit dadurch zu torpedieren, dass sie sich vorfrageweise auf die Ungültigkeit eines Organbeschlusses beruft und gleichsam die ausschließliche Zuständigkeit gem. Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO auf den Plan ruft.29 Die Forderung, die internationale Zuständigkeit müsse bei Klageerhebung feststehen, würde unterlaufen,30 da die Zuständigkeit je nach Einlassung der beklagten Gesellschaft noch zu einem späteren Zeitpunkt potentiell Veränderungen unterworfen wäre31. Entschiede man anders, würde auch der im europäischen Zivilverfahrensrecht anerkannte Grundsatz32 der perpetuatio fori missachtet.33 Das Interesse an der Verhinderung einer derartigen „Supertorpedomacht“34 wiegt schwerer als die potentiell nicht vollständige Realisierung der mit Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO verfolgten Zwecke35.36 Dies gilt umso mehr, als dass das Mankowski, EWiR 2011, 343 (343); Müller, EuZW 2011, 479 (481); Schack, ZEuP 2012, 195 (198); Wedemann, NZG 2011, 733 (734). 26  EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  24. 27  Vgl. Erwägungsgrund (15) zur Brüssel  Ia-VO. 28  EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  33 ff. 29  Vgl. Mankowski, EWiR 2011, 343 (344); Thole, IPRax 2011, 541 (544); Wedemann, AG 2011, 282 (291); dies., NZG 2011, 733 (734). 30  Mankowski, EWiR 2011, 343 (344); ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  76. 31  Bolle, Art.  22 Nr.  2 EuGVO vor dem Hintergrund internationaler Derivatgeschäfte juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S.  162 f.; Schmitt, IPRax 2010, 310 (313); Thole, IPRax 2011, 541 (544). 32  Fehrenbach, ZEuP 2013, 353 (355 mit Fn.  8); Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  2 ­EuGVO Rn.  14; Mumelter, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im EuZPR, S.  27; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Vor Art.  4–35 EuGVVO Rn.  7. 33  Bolle, Art.  22 Nr.  2 EuGVO vor dem Hintergrund internationaler Derivatgeschäfte juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S.  182; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  213; vgl. im Hinblick auf Art.  24 Nr.  4 Brüssel  Ia-VO auch Schack, ZEuP 2012, 195 (200). 34  Wedemann, NZG 2011, 733 (734). 35  Ausführlich zu den Zwecken des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO etwa Bolle, Art.  22 Nr.  2 EuGVO vor dem Hintergrund internationaler Derivatgeschäfte juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S.  120 ff.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  185 ff.; Wedemann, AG 2011, 282 (288 f.).

§  1 Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

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teleologische Verständnis von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO mit einer Mehrzahl von Unsicherheiten behaftet ist. Es ist z. B. umstritten, ob der Gleichlauf von forum und ius37 sowie das Entscheidungsinteresse des Sitzstaats im Hinblick auf die Gültigkeit von Beschlüssen38 überhaupt die Regelung des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO rechtfertigen. Auch das vom EuGH als Hauptzweck39 bzw. eigentliches Ziel40 der Vorschrift ausgegebene Anliegen, einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern, ist nicht frei von Zweifeln. Wenn der EuGH in der Rechtssache Berliner Verkehrsbetriebe ausführt, einander widersprechende Entscheidungen seien angesichts Art.  29 Brüssel  Ia-VO nicht zu befürchten,41 wirft dies Fragen auf. Widersprüchliche Entscheidungen in Bezug auf die Beschlussgültigkeit sind denkbar, sofern z. B. die Vertragsklage eines Dritten gegen die Gesellschaft mit der Beschlussmängelklage eines Gesellschafters konkurriert, da Art.  29 Brüssel  Ia-VO – auf Grund der Voraussetzung der Parteiidentität – nicht greift.42 Ohnehin ist der tiefere Sinn dieses Normzwecks umstritten. Einige Autoren zielen darauf ab, widersprüchliche Entscheidungen im Hinblick auf deren „formelle“ bzw. „prozessuale“ erga omnes-Wirkung zu vermeiden.43 Andere sprechen von „sachlicher“, „materieller“ bzw. „faktischer“ erga omnes-Wirkung, sodass gerade nicht zu prüfen sei, ob die Entscheidung tatsächlich Rechtskraftwirkung über die Verfahrensbeteiligten hinaus zeitige.44 Das Ziel der Sach- und Beweisnähe bzw. des Gleichlaufs von Forum- und Registerstaat45 wird man mit dem 36  Vgl. Wedemann, AG 2011, 282 (291) im Hinblick auf die Verhinderung widersprüchlicher Entscheidungen. 37  Für diesen Zweck etwa Kindler, NZG 2010, 576 (577); Mankowski, in: Rauscher, ­EuZPR/ EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  59; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  24 EuGVVO Rn.  16. Dagegen Thole, IPRax 2011, 541 (542); Thomale, NZG 2011, 1290 (1291); Wedemann, AG 2011, 282 (288 f.). 38  Für diesen Zweck etwa Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1087); Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  59. Dagegen Thole, IPRax 2011, 541 (542); Wedemann, AG 2011, 282 (288). 39  EuGH, Urt. v. 02.10.2007 – C-372/07 – Hassett, Rn.  20. 40  EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  40. 41  EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  41. 42  Wedemann, NZG 2011, 733 (734 f.); zustimmend Bolle, Art.  22 Nr.  2 EuGVO vor dem Hintergrund internationaler Derivatgeschäfte juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S.  164. 43  Müller, EuZW 2011, 477 (480); Schack, ZEuP 2012, 195 (198); Thole, IPRax 2011, 541 (542); Wedemann, AG 2011, 282 (289 f.). 44  In diesem Sinne Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  57 f.; gleichsinnig Bolle, Art.  22 Nr.  2 EuGVO vor dem Hintergrund internationaler Derivatgeschäfte juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S.  121 f. 45  EuGH, Urt. v. 02.10.2007 – C-372/07 – Hassett, Rn.  21; EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  36 f.; Wedemann, AG 2011, 282 (289).

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

EuGH46 jedenfalls in Fällen „herunterspielen“ können, in denen die vorfrageweise zu klärende Beschlussgültigkeit nur einen Prüfungspunkt unter mehreren darstellt. Angesichts der aufgezeigten Unsicherheiten, die den gegenwärtigen Stand der Diskussion prägen, ist es vorzugswürdig, die Vorfragenproblematik mit den eingangs aufgeführten eindeutigen Argumenten im Sinne des EuGH zu lösen. Diese Argumente und die einschränkungslosen Ausführungen des EuGH47 in Bezug auf Vertragsstreitigkeiten zwingen sodann zu dem Schluss, dass es unerheblich ist, welchen Stellenwert die Vorfrage im konkreten Verfahren einnimmt.48 Sollte die Vorfrage auch „das“ Problem eines im Übrigen völlig unstreitigen Verfahrens sein, ändert dies an der Nichtmaßgeblichkeit des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO nichts. Die nach der Entscheidung in Kraft getretene Brüssel  Ia-VO bestärkt die getroffene Entscheidung in systematischer Hinsicht. Im Anschluss an das GAT-Urteil49 formt Art.  24 Nr.  4 Brüssel  Ia-VO den Begriff des „Gegenstands“ in dem Sinne aus, dass dieser sowohl Haupt- als auch Vorfragen erfasst. Da eine derartige Ausformung in Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO gerade fehlt, muss dies im Umkehrschluss bedeuten, dass hier Vorfragen für die Bestimmung des Gegenstands i. S. d. Vorschrift keine Bedeutung haben.50 Denn wenn Vorfragen im Rahmen des Art.  24 Brüssel  Ia-VO grds. zu beachten wären, hätte es der expliziten Regelung (nur) in Art.  24 Nr.  4 Brüssel  Ia-VO nicht bedurft. Vorstehende Überlegungen lassen sich im Grundsatz auch auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter übertragen: Im Interesse der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften kann ein Eingreifen des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO auch insofern noch nicht damit begründet werden, dass die Gültigkeit eines Organbeschlusses vorfrageweise (und zwar unabhängig von der Gewichtigkeit der Vorfrage) in einem Verfahren in Streit steht. Auch insofern muss der Gefahr einer „Supertorpedomacht“ im Grundsatz durch eine restriktive Auslegung von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO begegnet werden.

46  In diesem Sinne EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  36 ff. 47  Siehe Text zu Teil 3, Fn.  25. 48  Im Ergebnis ebenso Schack, ZEuP 2012, 195 (198); Wedemann, NZG 2011, 733 (733 f.). 49  EuGH, Urt. v. 13.07.2006 – C-4/03 – GAT. 50  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  75. Zweifelnd und eine Einbeziehung von Vorfragen weiterhin für möglich haltend hingegen Bolle, Art.  22 Nr.  2 EuGVO vor dem Hintergrund internationaler Derivatgeschäfte juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S.  211.

§  1 Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

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b) Typisierende Betrachtung Ein Eingreifen von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter lässt sich jedoch möglicherweise auf eine typisierende Betrachtung derartiger Klagen stützen. Da der EuGH in der Rechtssache Berliner Verkehrsbetriebe – abgesehen vom Ergebnis im Hinblick auf „herkömmliche“ Vertragsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und Dritten – ausführt, Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO erfasse nur Rechtsstreitigkeiten, „die in erster Linie die Gültigkeit, Nichtigkeit oder Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit von Beschlüssen ihrer Organe betreffen“51, könnte man auf den Gedanken kommen, Vorfragen nicht in jeder Hinsicht den Einfluss auf den Anwendungsbereich dieser Norm zu versagen. Dementsprechend wurde in der Literatur die Frage aufgeworfen, ob Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO für den Fall anwendbar sei, dass die von der Norm genannten Sachbereiche typischerweise bei einer bestimmten Art von Verfahren den Mittelpunkt des Rechtsstreits ausmachen.52 Als Beispiel wurde – in Abgrenzung zu „herkömmlichen“ Vertragsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und Dritten, bei denen Vorstehendes nicht zutrifft – auf den Fall der Klage eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft auf Zahlung einer beschlossenen Gewinnausschüttung verwiesen.53 Gelänge es auf dieser Basis, für bestimmte Verfahrensarten das Eingreifen von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  treffsicher festzulegen, wäre der Einwand der Unvorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften bzw. der Rechtsunsicherheit zumindest relativiert. Schon im Zeitpunkt der Klageerhebung könnte der Kläger beurteilen, ob der Organbeschluss bei einem derartigen Verfahren typischerweise den Schwerpunkt bildet. Ist dies zu bejahen, wäre Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO unabhängig davon einschlägig, ob die Gültigkeit des Organbeschlusses im Einzelfall tatsächlich im Zentrum des Verfahrens steht. Im hiesigen Zusammenhang regt Vorstehendes zwei Fragen an: Stehen bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter typischerweise die in Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO genannten Sachbereiche im Zentrum der Streitigkeit? Sollte man Vorfragen grds. einen Einfluss im vorstehend dargelegten Sinne zubilligen? Bereits die erste Frage muss verneint werden. Die Gültigkeit des Organbeschlusses ist bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter regelmäßig (wenn überhaupt) nur eines von mehreren zu prüfenden Merkmalen.54 51  EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  44 (Hervorhebung nicht i. O.). 52  Wedemann, NZG 2011, 733 (734). 53  Wedemann, NZG 2011, 733 (734). 54  Vgl. die überzeugenden Ausführungen von Weller, ZGR 2012, 606 (623 f.) zu Leistungs-

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

Typischerweise wird bei den einschlägigen Haftungsansprüchen das pflichtwidrige Verhalten des Gesellschafters bzw. Geschäftsleiters,55 deren Verschulden oder auch der Schadenseintritt im Mittelpunkt der Streitigkeit stehen. Sticht die Beschlussgültigkeit bei derartigen Verfahren nicht typischerweise heraus, verlangt der Gedanke der Sach- und Beweisnähe, den der EuGH bei Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO streng an die im Wortlaut der Norm genannten Sachbereiche knüpft56, auch keine Ausschließlichkeit. Selbst wenn man also die in erster Linie-Rechtsprechung des EuGH im eingangs vorgeschlagenen Sinne verstünde, käme Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO für derartige Haftungsklagen nicht in Betracht. Abgesehen davon sprechen die besseren Argumente für eine Verneinung auch der zweiten Frage. Hierfür streitet zum einen der bereits erwähnte57 Umkehrschluss zu Art.  24 Nr.  4 Brüssel  Ia-VO. Dieser legt es eindeutig nahe, Vorfragen im Rahmen des Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO vollständig unberücksichtigt zu lassen. Zum anderen hat die Differenzierung zwischen Haupt- und Vorfrage nicht nur gegenüber der unsicheren in erster Linie-Rechtsprechung des EuGH,58 sondern auch für den Fall, dass man sich (im Ausgangspunkt) weitergehend auf die Einbeziehung von Verfahren, bei denen typischerweise die in Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO genannten Sachbereiche im Zentrum stehen, verständigen könnte, das Argument der Rechtssicherheit bzw. Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften auf ihrer Seite. Die oben59 angedeutete Relativierung dieses Arguments setzt nämlich voraus, dass sich vor allem in Grenzfällen anhand klarer Leitlinien ermitteln ließe, unter welchen konkreten Voraussetzungen ein in Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO aufgelisteter Sachbereich – trotz der Betroffenheit nur als Vorfrage – typischerweise im Zentrum einer bestimmten Verfahrensart steht. Derartige Leitlinien sind indes nicht ersichtlich. Angerufene Gerichte würden mit der – im Vergleich zur Differenzierung zwischen Haupt- und Vorfrage schwierigeren – Bestimmung des typischen Schwerpunkts einer bestimmten Verfahrensart belastet und müssten ggfs. die einzelnen Voraussetzungen des streitgegenständlichen Anspruchs (bzw. der Anspruchsart) nach dem einschlägigen maklagen der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter auf Geldzahlung. Vgl. zu „herkömmlichen“ Vertragsstreitigkeiten auch EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  38. 55  Vgl. auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  215: „Kern des Rechtsstreits ist das gläubigerschädigende Verhalten der Gesellschaftsmitglieder oder Organe.“ 56  EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-144/10 – Berliner Verkehrsbetriebe, Rn.  36 ff. 57  Siehe Text zu Teil 3, Fn.  49 und 50. 58  Zutreffend insoweit bereits Wedemann, NZG 2011, 733 (734); vgl. auch Bolle, Art.  22 Nr.  2 EuGVO vor dem Hintergrund internationaler Derivatgeschäfte juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S.  165 f. 59  Siehe Text zu und nach Teil 3, Fn.  53.

§  2 Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO

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teriellen Recht zueinander gewichten. Mit Recht steht man einer „materiellen Aufladung“ der Zuständigkeitsprüfung hier ablehnend gegenüber.60

C. Ergebnis Nach hier vertretener Ansicht spielt Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO keine Rolle, sofern die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs gegen einen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter in Rede steht.

§  2 Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO61 Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO könnte in Bezug auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter, die im Zusammenhang mit dem Mitgliedschaftsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter stehen (z. B. die Klage einer GmbH auf Leistung der Einlage oder die auf §  31 Abs.  1 GmbHG gestützte Klage), Bedeutung bei der Prüfung der internationalen62 Zuständigkeit zukommen. Nach dieser Vorschrift kann die Klage des anderen Vertragspartners gegen den Verbraucher nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats63 erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Der grds. abschließende Charakter64 von Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO greift allerdings gem. Art.  17 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO nur Platz, soweit ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag i. S. v. Art.  17 Abs.  1 Vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  24 Brüssel  Ia-VO Rn.  77. Die folgenden Ausführungen legen die Vorschriften der Brüssel  Ia-VO zu Grunde, obschon sich die angeführte Rechtsprechung bzw. Literatur teilweise auf die Art.  15 ff. EuGVO bezieht. Im Hinblick auf die für diese Untersuchung in erster Linie relevanten Art.  17 Abs.  1 und Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO sieht die Brüssel  Ia-VO im Vergleich zur EuGVO keine inhaltlichen Veränderungen vor (vgl. zur Entstehungsgeschichte etwa Paulus, in: Paulus/Peiffer/ Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  17 Rn.  8, Art.  18 Rn.  5, Art.  19 Rn.  4), sodass besagte Rechtsprechung bzw. Literatur auch auf die Vorschriften der Brüssel  Ia-VO bezogen werden kann. 62  Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO regelt nur die internationale Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem autonomen nationalen Recht. Vgl. Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  18 EuGVVO Rn.  5; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  18 Rn.  3, 18; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  18 EuGVVO Rn.  6; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  18 Brüssel  Ia-VO Rn.  7. 63  Für drittstaatenansässige Verbraucher greift Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO hingegen nicht und es bleibt (mit Rücksicht auf Art.  6 Brüssel  Ia-VO) bei der Maßgeblichkeit des autonomen nationalen Zuständigkeitsrechts. Vgl. Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  18 EuGVVO Rn.  5; Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  17 VO (EU) 1215/2010 Rn.  20. 64  Vgl. zum grds. abschließenden Charakter der Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO etwa Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  17 Rn.  9 sowie Art.  18 Rn.  4; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Vorbem zu Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO Rn.  1. 60  61 

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

lit.  a) bis c) Brüssel  Ia-VO, den ein Verbraucher mit einem Unternehmer65 geschlossen hat, den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Verbraucherbegriff66 und die Voraussetzungen der in Art.  17 Abs.  1 lit.  a) bis c) Brüssel  Ia-VO aufgezählten Vertragstypen67 sind autonom auszulegen. Autoren aus dem deutschen Schrifttum, die sich umfassender mit der Thematik auseinandergesetzt haben, lehnen die eingangs erwogene Bedeutung von Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO vollumfänglich – d. h. sowohl in Bezug auf Gründergesellschafter als auch im Hinblick auf nachträglich beitretende Gesellschafter – und übereinstimmend ab.68

A. Irrelevanz in Bezug auf Gründergesellschafter Diesem Ergebnis ist – zunächst in Bezug auf Gründergesellschafter – wegen folgender Überlegungen zuzustimmen: Da es sich bei einem Gesellschaftsvertrag weder um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung (vgl. Art.  17 Abs.  1 lit.  a) Brüssel  Ia-VO) noch um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder anderes Kreditgeschäft (vgl. Art.  17 Abs.  1 lit.  b) Brüssel  Ia-VO) handelt, könnten Gesellschaftsverträge allenfalls unter Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO fallen.69 Diese

65 

Wegen des durch die Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO bezweckten zuständigkeitsrechtlichen Schutzes des Verbrauchers als typischerweise schwächere Partei (siehe insoweit Erwägungsgrund (18) zur Brüssel  Ia-VO; EuGH, Urt. v. 14.03.2013 – C-419/11 – Česká spořitelna, Rn.  33; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  17 Rn.  1 ff.) muss es sich bei dem anderen Vertragspartner um einen Unternehmer und nicht gleichfalls um einen Verbraucher handeln. Vgl. Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  17 VO (EU) 1215/2010 Rn.  8; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  17 Rn.  29 f.; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Vorbem zu Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO Rn.  2. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 14.03.2013 – C-419/11 – Česká spořitelna, Rn.  30 sowie EuGH, Urt. v. 28.01.2015 – C-375/13 – Kolassa, Rn.  23: „und einem beruflich oder gewerblich Handelnden“. 66  EuGH, Urt. v. 14.03.2013 – C-419/11 – Česká spořitelna, Rn.  25; EuGH, Urt. v. 28.01.2015 – C-375/13 – Kolassa, Rn.  22; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  17 EuGVVO Rn.  8; Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  17 VO (EU) 1215/2010 Rn.  2. 67  EuGH, Urt. v. 14.03.2013 – C-419/11 – Česká spořitelna, Rn.  25; EuGH, Urt. v. 28.01.2015 – C-375/13 – Kolassa, Rn.  22; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  17 Rn.  31. 68  Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (331 ff.); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  234 ff. Vgl. aber auch Barta, NJOZ 2011, 1033 (1034 f.); Weller, ZGR 2012, 606 (616 f.): „[...] liegt es nahe, in einem primär zu Kapitalanlagezwecken erfolgenden Beitritt zu einer Gesellschaft auch einen Verbrauchervertrag i. S. v. Art.  15 Abs.  1 lit.  c) EuGVO zu sehen.“ 69  Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (332): „Unternehmen i. S. des Art.  15 Abs.  1 lit.  c ­EuGVVO“; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  235: „Verbrauchervertrag i. S. v. Art.  15 Abs.  1 lit.  c EuGVVO“.

§  2 Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO

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Vorschrift erfasst als Auffangtatbestand70 grds. auch sämtliche Vertragsarten, die nicht schon von Art.  17 Abs.  1 lit.  a) und b) Brüssel  Ia-VO behandelt werden.71 Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO spricht ausdrücklich von einem „andere[n] Vertragspartner“, mit dem der Verbraucher den Vertrag geschlossen haben muss. Als Vertragspartner in diesem Sinne, welche dem einzelnen, (potentiell) i. S. v. Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO beklagten Gesellschafter beim Vertragsschluss als Unternehmer gegenübertreten, kommen lediglich die übrigen Gründergesellschafter (nicht aber die Gesellschaft) in Betracht.72 Denn der Gesellschaftsvertrag stellt bei der Mehrpersonengründung73 ein Rechtsgeschäft zwischen den Gründergesellschaftern dar.74 Die Gesellschaft ist nicht selbst Partei, sondern Gegenstand dieses Rechtsgeschäfts.75 Dass ein Rückgriff auf die Gesellschaft nicht zielführend sein kann, belegt auch der folgende Gedanke: Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO stellt die Voraussetzung auf, dass „der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet“. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Ausüben bzw. das Ausrichten ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.76 Zu diesem Zeitpunkt existiert die Gesellschaft als solche77 jedoch noch nicht, sodass die VorausKropholler/von Hein, EuZPR, Art.  15 EuGVO Rn.  20; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  17 Rn.  47. 71  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  17 EuGVVO Rn.  12; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  17 Rn.  48, 50. 72  Zutreffend daher Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (332), der die Frage aufwirft (letztlich jedoch nicht entscheidet), ob die „einflussstärkeren Mitgründer ihrerseits überhaupt als Unternehmen i. S. des Art.  15 Abs.  1 lit.  c EuGVVO zu qualifizieren wären“. 73  Bei der Einpersonengründung – insofern handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft des Gründers, vgl. etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  2 Rn.  7; Heider, in: MüKoAktG, §  2 Rn.  33 – ist nicht ersichtlich, wem die Rolle des anderen Vertragspartners i. S. d. Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO zukommen sollte, sodass die Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO insofern auch nicht zum Zuge kommen können. Vgl. bereits Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (332). 74  Vgl. etwa Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, §  2 Rn.  3; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  2 Rn.  5 f.; Heider, in: MüKoAktG, §  2 Rn.  29; Heinze, in: MüKoGmbHG, §  2 Rn.  9. 75  Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  53. 76  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  17 EuGVVO Rn.  13; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  17 Rn.  72; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  17 EuGVVO Rn.  7; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  17 Brüssel  Ia-VO Rn.  18. 77  Auch eine Vorgesellschaft – die gerade nicht identisch mit der Vorgründungsgesellschaft ist – entsteht erst mit Abschluss des formgerechten Gesellschaftsvertrags. Vgl. insoweit Merkt, in: MüKoGmbHG, §  11 Rn.  7; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  11 Rn.  3, 9. 70 

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

setzungen von Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO mit Blick auf die Gesellschaft jedenfalls nicht als erfüllt angesehen werden können. Im Hinblick auf den Gesellschaftsvertrag zwischen dem (potentiell) i. S. v. Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO beklagten Gesellschafter und den übrigen Gründergesellschaftern wurde zu Recht darauf verwiesen, dass der Telos der Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO78 nicht passt.79 Wirft man den Blick isoliert auf den einzelnen Gesellschafter, der beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags lediglich private Anlagezwecke80 verfolgt, ist die Annahme der Verbrauchereigenschaft zunächst kaum von der Hand zu weisen.81 Denn Geschäfte zur privaten Geldanlage sind – grds. unabhängig vom Umfang der Investition – grds. nicht der (selbständigen) beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen.82 Eine Gewinnerzielungsabsicht steht der Verbrauchereigenschaft nicht entgegen.83 Handeln andere Gründergesellschafter zu (selbständigen) beruflichen oder gewerblichen Zwecken, liegt insoweit zudem die Annahme der Unternehmereigenschaft nahe. Schließen mehrere „Verbrauchergesellschafter“ und mehrere „Unternehmergesellschafter“ den Gesellschaftsvertrag, ist jedoch erstens völlig unbestimmt, in welchem Verhältnis „Verbrauchergesellschafter“ und „Unternehmergesellschafter“ stehen müssen, um das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem einzelnen Verbrauchergesellschafter den Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO zu unterstellen. Genügt insoweit die Beteiligung nur eines „Unternehmergesellschafters“ oder müssen diese nach Köpfen, Kapitalanteil oder Einfluss auf die Willensbildung (etwa in der Gesellschafterversammlung einer GmbH) die „Verbrauchergesellschafter“ überwiegen? Insofern darf der Umstand nicht außer Acht gelassen werden, dass die Einstufung eines Gesellschafters als Verbraucher und dessen damit einhergehende zuständigkeitsrechtliche Privilegierung bei Klagen der Gesellschaft (auf Grund des naheliegenden prozessualen Mehraufwands bei einer 78 

Siehe Nachweise und Text in Teil 3, Fn.  65. Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (331 f.); siehe auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  236: „Den Besonderheiten des multipolaren Rechtsverhältnisses und der Zweckgemeinschaft der Gesellschafter wird eine Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften über Verbrauchersachen kaum gerecht.“ 80  Vgl. Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  234, der ein Eingreifen der Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO in Erwägung zieht, „wenn es sich bei dem Gesellschafter um einen privaten Anleger handelt“. Vgl. auch Weller, ZGR 2012, 606 (616). 81  Die Entscheidung des EuGH, Urt. v. 14.03.2013 – C-419/11 – Česká spořitelna steht dieser Annahme nicht entgegen, da es in dieser Entscheidung um die Einstufung des Verhältnisses zwischen einem Gesellschafter/Geschäftsführer und einem Gesellschaftsgläubiger ging. 82  Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  17 VO (EU) 1215/2010 Rn.  2; Paulus, in: Paulus/Peiffer/ Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  17 Rn.  26; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  17 Brüssel  Ia-VO Rn.  2. 83  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  17 EuGVVO Rn.  8; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  17 Brüssel  Ia-VO Rn.  2; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  15 EuGVVO Rn.  18. 79 

§  2 Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO

123

Klagemöglichkeit nur im Wohnsitzstaat dieses Gesellschafters) zu Lasten der übrigen „Verbrauchergesellschafter“ gehen würden84. Zweitens gilt es zu berücksichtigen, dass der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags nicht (in erster Linie) durch die von den einzelnen Gesellschaftern individuell verfolgten Ziele85 geprägt wird. Vielmehr ist charakteristisch, dass sich die Beteiligten zur Verfolgung eines gerade gemeinsamen Zwecks86 zusammenschließen.87 Damit verträgt sich das den Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO zu Grunde liegende Bild einer stärkeren Partei nicht, die ihre Interessen gegenüber den gegenläufigen Interessen der anderen, schwächeren Vertragspartei durchsetzt. Ergänzend lässt sich das Bedürfnis nach Verfahrenskonzentration (insb. bei ähnlich gelagerten Haftungsklagen gegen eine Mehrzahl von Gesellschaftern) und der Gedanke der Risikogemeinschaft anführen.88 Ferner spricht ein systematischer Gesichtspunkt gegen die Annahme, der Gesellschaftsvertrag erfülle die Voraussetzungen des Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO und ziehe ein Eingreifen von Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO nach sich. Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO spricht von der „Klage des anderen Vertragspartners“. Wie soeben dargelegt, wird „der andere Vertragspartner“ auch in Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO in Bezug auf den Vertragsschluss erwähnt. Wäre Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO bei Klagen einschlägig, die im Zusammenhang mit dem Mitgliedschaftsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter stehen, käme der Gesellschaft die Rolle des anderen Vertragspartners i. S. d. Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO zu. Zwar muss es sich beim „vertragsschließenden Vertragspartner“ und dem „klagenden Vertragspartner“ nicht zwingend um ein und dasselbe Rechtssubjekt handeln. Denn z. B. eine Rechtsnachfolge auf Unternehmerseite ändert an der Maßgeblichkeit des Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO für die Klage des Rechtsnachfolgers nichts. Dennoch spricht der systematische Zusammenhang zwischen Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO und Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO dafür, dass grds. mit dem „vertragsschließenden Vertragspartner“ und dem „klagenden Vertragspartner“ dasselbe Rechtssubjekt gemeint sein muss. Ohne dass ein Fall der Rechtsnachfolge vorläge, stimmen jedoch die übrigen vertragsschließenden Gründergesellschafter mit der klagenden Gesellschaft Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  235. Vgl. zur Unterscheidung zwischen den Motiven der einzelnen Gesellschafter für ihre Beteiligung an der Gesellschaft einerseits und dem gemeinsamen Zweck andererseits etwa Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  147; Wiedemann, GesR I, S.  9 f.; dens., GesR II, S.  122. 86  Vgl. EuGH, Urt. v. 10.03.1992 – C-214/89 – Powell Duffryn, Rn.  16: „Die Errichtung einer Gesellschaft bringt nämlich zum Ausdruck, daß zwischen den Aktionären eine Gemeinsamkeit von Interessen im Hinblick auf die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks besteht.“ 87  Darauf hinweisend bereits Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (331); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  236. 88  In diesem Sinne Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  235 f. 84  85 

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

nicht überein. Auch hieran zeigt sich, dass die Anwendung von Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter, die im Zusammenhang mit dem Mitgliedschaftsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter stehen, eher fernliegt.

B. Irrelevanz in Bezug auf beitretende Gesellschafter Der Beitritt jedenfalls89 zu einer GmbH90 bzw. AG91 erfolgt auf Grund eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts zwischen dem Beitretenden und der Gesellschaft. Insofern kommt im Unterschied zur Gründung92 folglich die Gesellschaft als solche grds. als „Vertragspartner“ i. S. d. Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO in Betracht. Im Unterschied zur Gründung93 ist auch eine Tätigkeitsausübung bzw. Tätigkeitsausrichtung i. S. d. Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO durch die Gesellschaft als solche im Zeitpunkt des Vertragsschlusses94 nicht von Vornherein ausgeschlossen. Sehr zweifelhaft wäre jedoch bereits, ob der Beitrittsvertrag überhaupt in den Bereich der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit der Gesellschaft fällt,95 wie es Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO voraussetzt96. Unabhängig davon sollte der Beitrittsvertrag jedenfalls aus folgenden Gründen nicht unter Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel  Ia-VO gefasst werden: Erstens schließt sich der Beitretende dem gemeinsamen Zweck97 an, sodass der Telos der Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO auch98 im Hinblick auf den Beitrittsvertrag nicht passt.99 Zweitens wäre es kaum überzeugend, den Schutz der Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO Vgl. zur Rechtslage bei Personengesellschaften Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  105 Rn.  67; K. Schmidt, GesR, S.  1317, 1671 f.; Servatius, in: Henssler/Strohn, GesR, §  705 BGB Rn.  73. 90  Vgl. Lieder, in: MüKoGmbHG, §  55 Rn.  109 f.; K. Schmidt, GesR, S.  1176; Zöllner/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  55 Rn.  31. 91  Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  185 Rn.  4; Servatius, in: Spindler/Stilz, AktG, §  185 Rn.  12. 92  Siehe Nachweis in und Text zu Teil 3, Fn.  72. 93  Siehe Text zu Teil 3, Fn.  77. 94  Siehe Teil 3, Fn.  76. 95  Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (333) verneint dies mit dem Argument, dass die erstmalige Begründung der Mitgliedschaft – unabhängig vom jeweiligen Unternehmensgegenstand – noch im Vorfeld der beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeit der Gesellschaft liege. 96  Allgemein zu dieser Voraussetzung etwa Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  17 Rn.  68 ff.; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  17 Brüssel  Ia-VO Rn.  16. 97  Siehe Text zu Teil 3, Fn.  86. 98  Siehe (im Hinblick auf Gründergesellschafter) Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  79 und 87. 99  Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (332). 89 

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

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potentiell nur beitretenden Gesellschaftern (nicht aber Gründergesellschaftern – dazu unter A.) zu gewähren, obschon sowohl Gründergesellschafter als auch beitretende Gesellschafter – sofern man nur die individuellen Zielsetzungen in den Blick nimmt – unterschiedslos zu privaten Anlagezwecken handeln können. Eine stark erhöhte Schutzwürdigkeit des Beitretenden ist hier nicht erkennbar.100 Drittens spielen auch bei beitretenden Gesellschaftern das Bedürfnis nach Verfahrenskonzentration und der Gedanke der Risikogemeinschaft eine Rolle.101

C. Ergebnis Im Ergebnis scheidet die Maßgeblichkeit von Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter, die im Zusammenhang mit dem Mitgliedschaftsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter stehen, sowohl im Hinblick auf Gründergesellschafter als auch im Hinblick auf später beitretende Gesellschafter aus.

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO102 A. Grundlegendes und Bestimmung der Prüfungsschritte Für Haftungsklagen gegen Geschäftsleiter (Geschäftsführer einer GmbH, Vorstandsmitglieder einer AG) kommt die Bestimmung der internationalen103 Zuständigkeit gem. Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die Klage des Arbeitgebers nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats104 erIn diesem Sinne bereits Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (334). Siehe Nachweis in und Text zu Teil 3, Fn.  88. 102  Die folgenden Ausführungen legen die Vorschriften der Brüssel  Ia-VO zu Grunde, obschon sich die angeführte Rechtsprechung bzw. Literatur teilweise auf die Art.  18 ff. EuGVO bezieht. Insbesondere das Holterman Ferho-Urteil des EuGH ist – auf Grund der insoweit gegebenen Übereinstimmung der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO mit den Art.  18 ff. EuGVO – auch für die Brüssel  Ia-VO maßgebend. Vgl. auch von Hein, IWRZ 2016, 29 (29). 103  Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO regelt nur die internationale Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem autonomen nationalen Recht. Vgl. Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  22 EuGVVO Rn.  1; Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  22 VO (EU) 1215/2010 Rn.  1; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  22 Brüssel  Ia-VO Rn.  1; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  22 Rn.  1. 104  Für drittstaatenansässige Arbeitnehmer greift Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO hingegen nicht und es bleibt (mit Rücksicht auf Art.  6 Brüssel  Ia-VO) bei der Maßgeblichkeit des autonomen nationalen Zuständigkeitsrechts. Vgl. Garber, FS Schütze, S.  81 (85 f.); Linke/Hau, IZVR, Rn.  4.37; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  22 Brüssel  Ia-VO Rn.  1; Staudinger/Steinrötter, JuS 2015, 1 (5). 100  101 

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

hoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer bei Klageerhebung105 seinen Wohnsitz hat. Der Arbeitnehmer soll – als gegenüber dem Arbeitgeber typischerweise schwächere Partei – durch diese Regelung einen über die „allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften“ hinausgehenden, besonderen Schutz erlangen.106 Voraussetzung für ein Eingreifen des Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO ist die Maßgeblichkeit des fünften Abschnitts des zweiten Kapitels der Brüssel  Ia-VO. Bei der gegen den Geschäftsleiter gerichteten Klage muss gem. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO ein Anspruch (oder Ansprüche) aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Unterstellt man Letzteres, ergeben sich folgende Konsequenzen im Lichte der Systematik der Brüssel  Ia-VO: Der klagende Arbeitgeber kann insbesondere nicht mehr auf den vertraglichen (Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO) und den deliktischen (Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO) Gerichtsstand zurückgreifen, da sich die Zuständigkeit gem. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO grds. abschließend107 nach dem fünften Abschnitt des zweiten Kapitels der Brüssel  Ia-VO und damit für Arbeitgeberklagen nach Art.  22 Abs.  1108 Brüssel  Ia-VO richtet. Die Vorbehalte gem. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO weiten den Spielraum des Arbeitgebers nicht aus. Art.  6 Brüssel  Ia-VO betrifft den Fall drittstaatenansässiger Arbeitnehmer.109 Art.  7 Nr.  5 Brüssel  Ia-VO kommt mangels Niederlassung des Arbeitnehmers für Arbeitgeberklagen nicht in Betracht.110 Art.  8 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bleibt angeDiller/Wilske, DB 2007, 1866 (1867); Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  22 EuGVVO Rn.  1; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  22 Brüssel  Ia-VO Rn.  1; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  22 Rn.  10. 106  Erwägungsgrund (18) zur Brüssel  Ia-VO; EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  43; Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  28; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  2 und Art.  22 Brüssel  Ia-VO Rn.  1; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  1. 107  Zum abschließenden Charakter der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO vgl. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  44; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  20 EuGVVO Rn.  1; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  2; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  1; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  20 ­EuGVVO Rn.  1. 108  Lediglich Art.  22 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO weitet für die Sonderkonstellation einer Widerklage auch die Klagemöglichkeit des Arbeitgebers im Vergleich zu Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO aus. Vgl. Garber, FS Schütze, S.  81 (90 mit Fn.  65); Junker, FS Gottwald, S.  293 (295); Krebber, in: Franzen/Gallner/Oetker, EuArbR, Art.  22 VO 1215/2012/EU Rn.  2. 109  Siehe Nachweise und Text in Teil 3, Fn.  104. 110  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  48; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  27. Es ist auch nicht möglich, insoweit auf eine etwaige Niederlassung des Arbeitgebers abzustellen, da Art.  7 Nr.  5 Brüssel  Ia-VO dem Inhaber der Niederlassung – in diesem Fall dem Arbeitgeber – keinen Aktivgerichtsstand zur Durchsetzung eigener Ansprüche zur Verfügung stellt. Vgl. insoweit Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  7 VO (EU) 1215/2010 Rn.  84; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüs105 

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

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sichts des klaren Wortlauts von Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO lediglich für Klagen des Arbeitnehmers anwendbar.111 Gerichtsstandsvereinbarungen sind in Bezug auf Arbeitgeberklagen gem. Art.  23 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO nur nach Entstehung der Streitigkeit zulässig, da Art.  23 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO lediglich Aktivprozesse des Arbeitnehmers erfasst112. Auch unter Geltung der Brüssel  Ia-VO bleibt allerdings eine rügelose Einlassung durch den Arbeitnehmer gem. Art.  26 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO grds. möglich, wenngleich die Belehrung durch das Gericht gem. Art.  26 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO zum Schutz des Arbeitnehmers beiträgt.113 Die ausschließlichen Zuständigkeiten gem. Art.  24 Brüssel  Ia-VO beanspruchen ggfs. gegenüber den Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO den Vorrang.114 Insbesondere vor einer Be­fassung mit Art.  7 Nr.  1, 2 Brüssel  Ia-VO ist angesichts der genannten Konsequenzen die Maßgeblichkeit der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO im Kontext von Haftungsklagen gegen Geschäftsleiter näher zu bestimmen. Die Frage, ob bei einer Haftungsklage ein Anspruch (oder Ansprüche) aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens bildet, lässt sich in zwei Prüfungsschritte115 aufteilen. Erstens: Liegt zwischen den Parteien überhaupt ein individueller Arbeitsvertrag vor, sodass der Beklagte als Arbeitnehmer i. S. d. Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO anzusehen ist (dazu unter B.)? Zweitens und für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Welche der den Arbeitnehmer potentiell treffenden Haftungsansprüche stellen Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag gem. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO dar (dazu unter C.)? Das Holterman Ferho-Urteil des EuGH116 betrifft beide Fragenkreise im Kontext der Geschäftsleiterhaftung.

sel  Ia-VO Rn.  50; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  27; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  21; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  7 EuGVVO Rn.  26. A. A. Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  20 EuGVVO Rn.  2, der die Auffassung vertritt, auf Art.  7 Nr.  5 Brüssel  Ia-VO könne sich auch der Arbeitgeber stützen. 111  Garber, FS Schütze, S.  81 (87 f.); Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  5; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  32. 112  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  23 EuGVVO Rn.  2; von Hein, IWRZ 2016, 29 (29); ­Junker, FS Gottwald, S.  293 (294); Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  23 Brüssel  Ia-VO Rn.  14. 113  Vgl. dazu Dörner, in : Saenger, ZPO, Art.  20 EuGVVO Rn.  1; Garber, FS Schütze, S.  81 (91 f.); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  13. 114  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  8; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  13; Staudinger/Steinrötter, JuS 2015, 1 (3). 115  Siehe auch Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  26, 33. Vgl. zu der folgenden Differenzierung in Bezug auf Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bereits Schlosser, IPRax 1984, 65 (65); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  245. 116  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho.

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

B. Individueller Arbeitsvertrag – Geschäftsleiter als Arbeitnehmer Für ein Eingreifen des Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO müssten Gesellschaft und Geschäftsleiter zunächst also durch einen „individuellen Arbeitsvertrag“ i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO verbunden sein.117 Dieser Begriff ist autonom, d. h. nicht auf der Grundlage einer einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnung, sondern aus der Brüssel  Ia-VO selbst heraus auszulegen.118 Einer im deutschen Schrifttum vertretenen Auffassung, die Geschäftsleiter per se dem Schutzregime der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO entziehen will,119 erteilte der EuGH mit seiner Entscheidung in der Rechtssache Holterman Ferho jüngst eine Absage. Zwar entschied er nicht abschließend über die Arbeitnehmereigenschaft des beklagten Geschäftsleiters einer niederländischen Gesellschaft, hielt die Arbeitnehmereigenschaft jedoch augenscheinlich für möglich.120 Der Einordnung des Verhältnisses zwischen Geschäftsleiter und Gesellschaft als „individueller Arbeitsvertrag“ stehen zwei Hürden im Weg. Zum einen muss eine vertragliche Beziehung ausgemacht werden können (dazu unter I.). Zum anderen muss dieses Verhältnis bestimmte arbeitsrechtliche Besonderheiten aufweisen (dazu unter II.). Da die nachfolgenden Ausführungen den Blick auf die Geschäftsleiter von GmbH und AG richten, ist Folgendes vorauszuschicken: Nach deutschem Verständnis besteht zwischen GmbH und Geschäftsführer121 sowie zwischen AG und Vorstandsmitglied122 neben dem organschaftlichen Rechtsverhältnis regelmäßig ein von diesem rechtlich zu unterscheidendes Anstellungsverhältnis. Auch unter der Prämisse einer autonomen Auslegung besteht theoretisch die Möglichkeit, diese Rechtsverhältnisse im Hinblick auf die Qualifikationsfrage strikt auseinanderzuhalten und jedes dieser Verhältnisse eigenständig und unabhängig von dem anderen an dem Begriff des individuellen Arbeitsvertrags zu messen. In 117  Vgl. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  34; Weber, IPRax 2013, 69 (70). 118  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  35 ff.; Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  23; Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  20 VO (EU) 1215/2010 Rn.  3; von Hein, IWRZ 2016, 29 (30); Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  12; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  35; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  20 EuGVVO Rn.  2; grds. auch Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  20 EuGVVO Rn.  1. A. A. Krebber, in: Franzen/Gallner/Oetker, EuArbR, Art.  20 VO 1215/2012/EU Rn.  3. 119  Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  18 EuGVVO Rn.  14. 120  Vgl. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  49. 121  BGH, Urt. v. 11.10.2010 – II ZR 266/08 = NJW 2011, 920 (920); Buck-Heeb, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, Anh. §  6 Rn.  1; Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  35 Rn.  13 f.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. §  6 Rn.  1; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, §  35 GmbHG Rn.  6 f. 122  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  84 Rn.  7; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  84 Rn.  2.

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

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der Rechtssache Holterman Ferho trat die soeben angesprochene Zweiteilung ebenfalls offen zu Tage. Sie betraf das organschaftliche Rechtsverhältnis und das Anstellungsverhältnis zwischen einer Gesellschaft und ihrem Geschäftsleiter.123 Der Sachverhalt lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Eine niederländische Gesellschaft in der Rechtsform der besloten vennootschap verklagt ihren in Deutschland wohnhaften Geschäftsleiter wegen schwerer Fehler bei der Erfüllung seiner Aufgaben (u. a.) auf Schadensersatz und stützt sich dabei auf drei (materiell-rechtliche) Ansprüche.124 Dabei handelt es sich nach niederländischem Verständnis um einen gesellschaftsrechtlichen (insoweit sind die organschaftlichen Pflichten des Geschäftsleiters betroffen125), einen arbeitsvertraglichen und einen deliktischen Anspruch.126 I. Der Vertragscharakter Im Hinblick auf das organschaftliche Rechtsverhältnis bejaht die einhellige Ansicht in der Literatur den Vertragscharakter zumindest i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO.127 Identisches gilt für das Anstellungsverhältnis.128 Ausschlaggebend ist die privatautonome und zweiseitige Begründung der Verhältnisse. In Holterman Ferho geht der EuGH – im Rahmen der Prüfung, ob zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter ein individueller Arbeitsvertrag i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO vorliegt – auf die Frage, ob zwischen den Parteien überhaupt (bzw. im Hinblick auf welches der Rechtsverhältnisse, die nach nationalem Verständnis zu trennen sind) eine vertragliche Beziehung besteht, nicht gesondert ein.129 Vielmehr äußert er sich lediglich gezielt zu den Besonderheiten Vgl. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  13 ff., 23 f. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  18 f. 125  Vgl. Hübner, ZGR 2016, 897 (911 mit Fn.  65). 126  Vgl. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  28, wo die Unterscheidung zwischen gesellschaftsrechtlicher und arbeitsvertraglicher Haftung (wobei Letztere unabhängig von der Geschäftsführereigenschaft besteht) deutlich zum Ausdruck kommt. Siehe auch Hübner, ZGR 2016, 897 (899). 127  Freitag, ZIP 2014, 302 (306); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  14; Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Haubold, IPRax 2000, 375 (377); Hübner, ZGR 2016, 897 (912); Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  13; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  26; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  38; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  3; Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  113; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (872 f.); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  236 f. 128  Freitag, ZIP 2014, 302 (306); Haubold, IPRax 2000, 375 (377); Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  112 f.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  238. 129  Vgl. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  34 ff. 123  124 

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

eines Arbeitsvertrags, die einen solchen von anderen Vertragstypen unterscheiden. Der Vertragscharakter i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO wird stillschweigend vorausgesetzt. Im Verlauf des Urteils thematisiert er (wobei die Frage des vorlegenden Gerichts insoweit gezielt die nach niederländischem Verständnis gesellschaftsrechtliche Haftung betraf) explizit den vertraglichen Charakter der Beziehung zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter i. S. v. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO.130 Er befürwortet einen Vertrag gem. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO.131 Eine Differenzierung zwischen organschaftlichem Rechtsverhältnis und Anstellungsverhältnis bringt er allerdings nicht zum Ausdruck.132 Klar ist daher, dass auch nach Auffassung des EuGH (überhaupt) ein vertragliches Band i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter besteht. Es spricht zudem viel dafür, dass er die nach nationalem Verständnis zu trennenden Rechtsverhältnisse als Einheit betrachtet.133 Jedenfalls deutet nichts auf die Annahme hin, dass der EuGH geneigt wäre, einem dieser Rechtsverhältnisse den Vertragscharakter i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO abzusprechen. Nach Vorstehendem spricht nichts dagegen, auch für die Belange des fünften Abschnitts des zweiten Kapitels der Brüssel  Ia-VO im Hinblick sowohl auf das organschaftliche Rechtsverhältnis als auch das Anstellungsverhältnis von einer vertraglichen Beziehung zwischen Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglied und Gesellschaft auszugehen. Das Problem, ob auch fehlerhaft bestellte und faktische Geschäftsleiter134 in einer vertraglichen Beziehung i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zur Gesellschaft stehen, soll unter Teil 4 §  1 B.II. aufgegriffen werden. Dass insoweit der Vertragsbegriff der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO enger wäre als derjenige des Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO, ist jedoch nicht ersichtlich, da die wohl einhellige Auffassung auch fehlerhafte bzw. faktische Arbeitsverhältnisse als individuellen Arbeitsvertrag gem. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO ansieht135. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  50 ff. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  53 f. 132  So auch Hübner, ZGR 2016, 897 (912). 133  Deutlich zu beiden Rechtsverhältnissen etwa Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  46, auf den sich der EuGH (Rn.  53) bezieht, ohne die Hervorhebung der unterschiedlichen Rechtsverhältnisse durch den Generalanwalt seinerseits aufzugreifen. 134  Vgl. zu dieser Differenzierung im Hinblick auf GmbH-Geschäftsführer etwa Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  218 ff.; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, §  43 GmbHG Rn.  8 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  35 Rn.  8 ff. 135  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  20 EuGVVO Rn.  4; Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  20 VO (EU) 1215/2010 Rn.  3; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  18 EuGVO Rn.  3; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  21; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  49; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  3. 130  131 

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

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II. Das arbeitsrechtliche Element des Vertrags 1. Ausgangspunkt und entscheidendes Abgrenzungsmerkmal Des Weiteren ist zu bestimmen, welche Kriterien ein speziell arbeitsvertragliches Verhältnis ausmachen, welches sich von anderen Vertragsverhältnissen unterscheidet. Das Erfordernis einer autonomen Auslegung136 des Begriffs „individueller Arbeitsvertrag“ verbietet einen Rückgriff auf die Qualifikation nationaler Rechtsordnungen und die Bezeichnung durch die Parteien.137 Im Holterman Ferho-Urteil geht der EuGH zur Begriffskonkretisierung auf seine Auslegung von Art.  5 Nr.  1 EuGVÜ138, den Bericht von Jenard/Möller139 zum LuGÜ 1988140 sowie seine Rechtsprechung zu Art.  45 AEUV141 und Sekundärrechtsakten142 ein.143 Er bringt explizit zum Ausdruck, die insoweit getroffenen Feststellungen seien auch bei der Konturierung des Arbeitnehmerbegriffs der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO zu berücksichtigen.144 Dies deutet in die Richtung eines einheitlichen unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs.145 Da der Gerichtshof im Zusammenhang mit dem – sogleich zu benennenden – zentralen Kriterium des Arbeitnehmerbegriffs auf ein Urteil146 zur RL 98/59/EG (im Folgenden: Massenentlassungsrichtlinie) zurückgreift,147 welches wiederum an eine Entscheidung148 zum Arbeitnehmerbegriff der RL 92/85/EWG (im Folgenden: Mutterschutzrichtlinie)

136 

Siehe Teil 3, Fn.  118. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  35 ff.; Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  23; zur Irrelevanz formeller Bezeichnungen und der Einordnung nach nationalem Recht bereits Mankowski, RIW 2004, 167 (169). 138  EuGH, Urt. v. 15.01.1987 – 266/85 – Shenavai, Rn.  16. 139  Bericht zum LugÜ 1988, ABl.  EG 1990, Nr. C 189, S.  57. 140  Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988. 141  EuGH, Urt. v. 03.07.1986 – 66/85 – Lawrie-Blum, Rn.  16 f. 142  EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – Danosa, Rn.  39; EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14 – Balkaya, Rn.  37. 143  Vgl. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  38 ff. 144  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  42; vgl. auch (wenngleich wohl etwas zurückhaltender) Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  25. 145  Ebenso Hübner, ZGR 2016, 897 (904): „Der Gerichtshof konturiert zunehmend einen einheitlichen und autonomen unionalen Begriff des Arbeitnehmers.“ 146  EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14 – Balkaya. 147  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  46. 148  EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – Danosa. 137 

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anknüpft, ist davon auszugehen, dass insbesondere diese Richtlinienrechtsprechung für die Brüssel  Ia-VO wegweisend ist149. Auf dieser Basis zeichne sich ein individueller Arbeitsvertrag (auch) i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO im Ausgangspunkt dadurch aus, dass er eine dauerhafte Beziehung begründet, mit der eine gewisse Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers einhergeht.150 Wesentlich sei zudem, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen gegen Entgelt erbringt.151 Sieht man einmal von der angedeuteten Weisungsmacht des Arbeitgebers ab,152 dürften Geschäftsleiter diese Vorgaben in der Regel erfüllen. Für die Grenzziehung zwischen Arbeitnehmergeschäftsleiter und Nichtarbeitnehmergeschäftsleiter dürfte jedenfalls ein weiteres Kriterium zentral sein.153 Es handelt sich um das wiederum konkretisierungsbedürftige Erfordernis eines „Unterordnungsverhältnisses“.154 2. Das „Unterordnungsverhältnis“ a) Grundlegendes zur Begriffskonkretisierung Wie bereits im Danosa-Urteil155 zur Mutterschutzrichtlinie und im Balkaya-Urteil156 zur Massenentlassungsrichtlinie macht der EuGH auch in der Holterman Ferho-Entscheidung die Vorgabe, das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses müsse „in jedem Einzelfall anhand aller Gesichtspunkte und aller Umstände, die die Beziehungen zwischen den Beteiligten kennzeichnen, geprüft werden“157. aa) Gesamtbetrachtung Der Hinweis auf „die Beziehungen“ unterstreicht zunächst, dass zur Beurteilung der Frage, ob zwischen den Parteien von einem Unterordnungsverhältnis auszugehen ist, Elemente des Anstellungsverhältnisses und des organschaftlichen Vgl. auch Hübner, ZGR 2016, 897 (902 ff.); Kindler, IPRax 2016, 115 (116); Mankow­ ski, RIW 2015, 821 (821). 150  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  39, 45. 151  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  41, 45. 152  Nach hier vertretener Auffassung stellt die Weisungsgebundenheit bzw. Weisungsfreiheit ein zentrales Element zur Beurteilung der Frage dar, ob von einem Unterordnungsverhältnis auszugehen ist oder nicht. Systematisch wird dieses Element daher bei den Ausführungen zum Unterordnungsverhältnis aufgegriffen. 153  In diesem Sinne bereits Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  27 f.; Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (905). 154  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  46. 155  EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – Danosa, Rn.  46. 156  EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14 – Balkaya, Rn.  37. 157  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  46. 149 

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Rechtsverhältnisses herangezogen werden können, auch wenn diese nach nationaler Vorstellung zu trennen sind158. Man mag insoweit von einer „Gesamtbetrachtung“ durch den EuGH sprechen.159 Die Bedeutung dieses Hinweises kann kaum zu stark betont werden. Der EuGH differenziert eindeutig nicht zwischen den nach nationalem Verständnis zu trennenden Rechtsverhältnissen und erörtert isoliert: a) Weist das Anstellungsverhältnis Merkmale auf, die eine Qualifizierung dieses Verhältnisses als individueller Arbeitsvertrag i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO rechtfertigen? b) Weist das organschaftliche Rechtsverhältnis Merkmale auf, die eine Einstufung dieses Verhältnisses als individueller Arbeitsvertrag i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO rechtfertigen? Vielmehr besteht sein Grundansatz darin, die Merkmale beider Verhältnisse zusammenzutragen und einheitlich – als bestünde nur ein Verhältnis – zu entscheiden, ob die Annahme eines individuellen Arbeitsvertrags gerechtfertigt ist. bb) Überblick über potentielle Kriterien Des Weiteren spricht die Vorgabe zur Berücksichtigung „aller Gesichtspunkte und aller Umstände“ tendenziell dagegen, einen (bzw. einige wenige) Umstand zur Beurteilung des Verhältnisses in den Fokus zu stellen. Sie legt zunächst ein Zusammentragen und Gewichten einer Vielzahl von Kriterien nahe. Aus der bisherigen EuGH-Rechtsprechung – im Fokus stehen zunächst die Urteile Danosa und Balkaya – lassen sich im Hinblick auf Geschäftsleiter folgende Konkretisierungen entnehmen: Die Eigenschaft als Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft schließt das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter nicht von Vornherein aus.160 Berücksichtigungsbedürftig sind vielmehr die Bestellungsbedingungen, die Art der übertragenen Aufgaben, der Rahmen der Aufgabenausführung, der Umfang der Befugnisse, die den Geschäftsleiter innerhalb der Gesellschaft treffende Kontrolle und die Abberufungsmodalitäten.161 Im Zuge einer ersten Gewichtung dieser Kriterien hat der EuGH weiterhin festgehalten: „Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Mitglieder eines Leitungsorgans einer Gesellschaft [...] in Anbetracht ihrer spezifischen Aufgaben und des Rahmens sowie der Art und Weise der Ausübung dieser Aufgaben nicht unter den Arbeitnehmerbegriff fallen [...], doch erfüllt ein Mitglied der Unternehmensleitung, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesell158 

Siehe zum deutschen Recht die Nachweise in und den Text zu Teil 3, Fn.  121, 122. Vgl. bereits Hübner, ZGR 2016, 897 (903 f.). 160  EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – Danosa, Rn.  47; EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14 – Balkaya, Rn.  38. 161  EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – Danosa, Rn.  47; EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14 – Balkaya, Rn.  38. 159 

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schaft erbringt, die es bestellt hat und in die es eingegliedert ist, das seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann, dem ersten Anschein nach die Voraussetzungen, um als Arbeitnehmer [...] zu gelten“.162 Die Merkmale der Weisungsgebundenheit und freien Abberufbarkeit dürften danach für die Beurteilung des Vorliegens eines Unterordnungsverhältnisses zentral sein.163 Darüber hinaus hat der EuGH die (mögliche) Bedeutung einer Gesellschafterstellung für den Ausschluss eines Unterordnungsverhältnisses zumindest angedeutet, indem er bei einem Fremdgeschäftsleiter zur Untermauerung eines Unterordnungsverhältnisses die nicht gegebene Gesellschafterstellung anmerkte.164 b) Entscheidende Kriterien und Entwicklung von Grenzlinien aa) Das Kriterium der Weisungsgebundenheit (1) Bedeutung, Grundverständnis und Quellen der Weisungsgebundenheit Der EuGH geht (auch165) in der Rechtssache Holterman Ferho in Bezug auf die Prüfung des Vorliegens eines Unterordnungsverhältnisses gezielt auf die Weisungsgebundenheit des Geschäftsleiters ein.166 Die klar herrschende Auffassung in der deutschen Literatur spricht sich – jedenfalls im Kontext der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO – für die Weisungsgebundenheit als zentrales Merkmal aus.167 Unter teleologischen Gesichtspunkten168 ist dies auch stimmig, da die Weisungsgebundenheit die Schutzwürdigkeit des Geschäftsleiters trägt.169 An der grds. Bedeutung dieses Merkmals – oder allgemeiner gesprochen der „Kontrolle“, welcher der Geschäftsleiter unterliegt – kann daher kein Zweifel bestehen. Auf 162  EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – Danosa, Rn.  51. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14 – Balkaya, Rn.  39. 163  So auch Hübner, ZGR 2016, 897 (903); Kindler, IPRax 2016, 115 (116); auf diese Merkmale abstellend auch Wegen/Asbrand, IWRZ 2016, 248 (249). 164  EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14 – Balkaya, Rn.  40. 165  Siehe zu Danosa und Balkaya die Nachweise in und den Text zu Teil 3, Fn.  162. 166  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  47. 167  Im Anschluss an das Holterman Ferho-Urteil: von Hein, IWRZ 2016, 29 (30); Hübner, ZGR 2016, 897 (900, 910); Kindler, IPRax 2016, 115 (116); Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (905); Mankowski, RIW 2015, 821 (821 f.); Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  20 EuGVVO Rn.  2. Bereits vor der Entscheidung für die Maßgeblichkeit der Weisungsgebundenheit: Diller/ Wilske, DB 2007, 1866 (1868); Mankowski, RIW 2004, 167 (169); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  240 f. 168  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  106. 169  Vgl. Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  27 f.; Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (905).

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welche Umstände es im Einzelnen jedoch ankommt, ist klärungsbedürftig. Präzisierend wurde in der Literatur darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit von Einzelweisungen entscheidend sei, sodass eine allgemeine Rechenschaftspflicht gegenüber einem anderen Organ (z. B. die Rechenschaftspflicht des Vorstands einer AG gegenüber dem Aufsichtsrat) nicht für die Arbeitnehmereigenschaft ausreiche.170 Ferner sei ausschließlich eine rechtliche Weisungsmacht hinreichend, eine faktische Weisungsmacht bzw. ein informeller „Gehorsam“ hingegen unerheblich.171 Ob die erstgenannte Präzisierung auf einer Linie mit der EuGH-Rechtsprechung liegt, ist jedenfalls nicht frei von Zweifeln. Denn der EuGH hat – zumindest in den Rechtssachen Danosa und Balkaya172 – für ein Unterordnungsverhältnis ins Feld geführt, dass der Geschäftsleiter seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt. In der Danosa-Entscheidung heißt es zur Untermauerung eines Unterordnungsverhältnisses: „Ferner musste Frau Danosa, selbst wenn sie über einen Ermessensspielraum bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügte, gegenüber dem Aufsichtsrat Rechenschaft über ihre Geschäftsführung ablegen und mit diesem zusammenarbeiten.“173 Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der EuGH das Merkmal der Weisungsgebundenheit (bzw. das Merkmal der „Kontrolle“) nicht in dem oben dargelegten, engeren Sinne (nur die rechtliche Möglichkeit von Einzelweisungen zählt) interpretieren wird. Auch wenn die Möglichkeit von Einzelweisungen fehlt, deutet zumindest die Danosa-Entscheidung darauf hin, dass ein Unterordnungsverhältnis potentiell auf „Aufsicht, Rechenschaft, Zusammenarbeit“ gestützt werden kann. Dies bedeutet wiederum nicht, dass ein derartiges Vorgehen Zustimmung verdient. Würden bereits derartige Strukturen für ein Unterordnungsverhältnis sprechen, so läge tendenziell bei jedem Geschäftsleiter die Arbeitnehmereigenschaft nahe.174 Jedenfalls hat der EuGH keine weitergehende Konkretisierung der genannten Merkmale geliefert, die im Ansatz eine begrenzende Handhabung ermöglichen würde. Wie schon der Unterschied zwischen GmbH (§  37 Abs.  1 GmbHG) und AG (§  76 Abs.  1 AktG) zeigt, weist das Kriterium der rechtlichen Möglichkeit von Einzelweisungen demgegenüber „echtes“ Differenzierungspotential auf.175 Nach hier vertretener Mankowski, RIW 2004, 167 (169). Mankowski, RIW 2004, 167 (170); ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  29; ders., RIW 2015, 821 (822); zustimmend Kindler, IPRax 2016, 115 (116). 172  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  162. 173  EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – Danosa, Rn.  49. 174  Zu Recht kritisch daher Kort, NZG 2013, 601 (604); Loy, GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht, S.  32. 175  Ablehnend gegenüber einem Rückgriff auf das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht hingegen Kort, NZG 2013, 601 (604 f.); Loy, GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht, S.  32. 170  171 

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Auffassung wäre es daher zu begrüßen, wenn der EuGH sich in diesem Sinne klar zum Merkmal der Weisungsgebundenheit bekennt. Die Ausführungen der Holterman Ferho-Entscheidungen in Bezug auf Gesellschafter-Geschäftsleiter deuten – ohne dass der EuGH dies explizit ausgesprochen hätte – in diese Richtung (dazu unter (3)). Stimmt man Vorstehendem zu, dürfte im nächsten Schritt Klarheit darüber bestehen, dass zum Beleg der rechtlichen Möglichkeit von Einzelweisungen insbesondere auf die gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit abgestellt werden muss. Neben der oben angeführten Formulierung176 lässt sich hierfür ein Rückblick auf das Balkaya-Urteil anführen. In der Rechtssache Balkaya wies der EuGH einen Vorstoß des ArbG Verden zurück,177 welches zur Feststellung eines Unterordnungsverhältnisses i. S. d. Massenentlassungsrichtlinie streng zwischen gesellschaftsrechtlicher Weisungsmacht und umfangreicherer arbeitsrechtlicher Weisungsmacht differenzieren wollte178. Gleichsinnig hält die h. M. in der Literatur – auch179 – eine gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit kraft Organstellung im Rahmen der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO für erheblich.180 Zu deren Beurteilung muss – bereits im Rahmen der Prüfung der internationalen Zuständigkeit – das maßgebende Gesellschaftsstatut bestimmt und geprüft werden.181 Gesetzlich zulässige Satzungsausgestaltungen sind zu berücksichtigen.182 In diesem Zusammenhang ist der Umstand hervorzuheben, dass die rechtliche Möglichkeit von Einzelweisungen unterschiedlich ausgeprägt sein kann. So steht etwa das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung einer deutschen GmbH gegenüber dem Geschäftsführer unter dem Vorbehalt abweichender Satzungsbe-

176 

Siehe Text zu Teil 3, Fn.  157, 158 und 159. EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14 – Balkaya, Rn.  37 ff. 178  ArbG Verden, Beschl. v. 06.05.2014 – 1 Ca 35/13 = NZA 2014, 665 (667 f.). Zu den unterschiedlichen Formen der Weisungsgebundenheit im deutschen Recht vgl. im Überblick Kort, NZG 2013, 601 (602 f.). 179  Zutreffend die daneben bestehende Relevanz des Anstellungsverhältnisses betonend etwa Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  32; Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (905). Vgl. aber auch Kindler, IPRax 2016, 115 (118). 180  von Hein, IWRZ 2016, 29 (30); Hübner, ZGR 2016, 897 (903 f.); Kindler, IPRax 2016, 115 (116); Mankowski, RIW 2015, 821 (822); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  240 f. Vgl. auch Loy, GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht, S.  36 f., die im Anschluss an die Danosa-Entscheidung des EuGH eine Maßgeblichkeit der gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeit feststellt. 181  von Hein, IWRZ 2016, 29 (30); Hübner, ZGR 2016, 897 (905 f.); Kindler, IPRax 2016, 115 (116 f.); Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (905); Mankowski, RIW 2004, 167 (170); ders., RIW 2015, 821 (822). 182  Kindler, IPRax 2016, 115 (116); Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (905); Mankowski, RIW 2015, 821 (822). 177 

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stimmungen.183 Der Geschäftsführer kann z. B. im Hinblick auf bestimmte Geschäftsbereiche oder auch umfassend weisungsfrei gestellt werden,184 sodass eine entgegenstehende Weisung grds. eine vorherige Satzungsänderung erfordert185. Durch derartige Regelungen schwindet der Grad der Unterordnung im Vergleich zur gesetzlichen Grundkonzeption186 des GmbH-Rechts. Die konkrete Ausprägung der Weisungsgebundenheit kann bei der Beurteilung des Verhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben. (2) Besonderheit bei Gesellschafter-Geschäftsleitern In der Rechtssache Holterman Ferho zieht der EuGH eine im Ausgangspunkt klare Grenzlinie zum Unterordnungsverhältnis bei Gesellschafter-Geschäftsleitern. Trotz einer „formalen“ Weisungsgebundenheit des Geschäftsleiters scheidet ein Unterordnungsverhältnis – und damit auch die Arbeitnehmereigenschaft – aus, sofern die Einflussmöglichkeit des Geschäftsleiters (in seiner Eigenschaft als Gesellschafter) auf die Willensbildung des weisungsbefugten Gesellschaftsorgans nicht unerheblich war.187 Unter welchen Umständen eine nicht unerhebliche Einflussmöglichkeit anzunehmen ist, erläutert der EuGH nicht näher. Unzweifelhaft sollte dies jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn der Gesellschafter-Geschäftsleiter jede ihm unliebsame Weisung verhindern kann, er eine Weisung gegen seinen Willen mit anderen Worten nicht zu befürchten hat.188 Eine zwingende Verknüpfung mit einer Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Gesellschaft besteht insoweit nicht.189 Übereinstimmend wird in der Literatur etwa vertreten, dass auch ein Nicht-Mehrheitsgesellschafter, der sich durch Stimmrechtsverträge erheblichen Einfluss gesichert hat, kein Arbeitnehmer ist.190 Des Weiteren bedeuten die Ausführungen des EuGH, dass die Übernahme unternehmerischen Risikos durch eine Kapitalbeteiligung nicht a priori die Arbeit183  Baukelmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, §  37 Rn.  27; Oetker, ZIP 2015, 1461 (1465). 184  Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  37 Rn.  15; Oetker, ZIP 2015, 1461 (1465); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  37 Rn.  51. 185  Vgl. Baukelmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, §  37 Rn.  27; Lenz, in: M/H/L/S, GmbHG, §  37 Rn.  18. 186  Siehe Text zu Teil 3, Fn.  207, 208 und 209. 187  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  47. 188  Sinngemäß Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906 mit Fn.  21). Weitergehend wurde in der Literatur erwogen, die Arbeitnehmereigenschaft u. U. bereits dann abzulehnen, sofern zwar potentiell Beschlüsse gegen den Willen des Gesellschafter-Geschäftsleiters denkbar, angesichts der im Streubesitz befindlichen übrigen Geschäftsanteile jedoch weniger wahrscheinlich sind, vgl. Weber, IPRax 2013, 69 (70 mit Fn.  13). 189  Siehe auch Kindler, IPRax 2016, 115 (117 mit Fn.  31). 190  Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906); Mankowski, RIW 2015, 821 (822).

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nehmereigenschaft ausschließt.191 Denn ein unerheblicher Einfluss auf die Willensbildung im weisungsbefugten Organ versperrt – im Umkehrschluss zur Grenzlinie des EuGH – den Weg zur Arbeitnehmereigenschaft gerade noch nicht. Auch bei einem erheblichen Einfluss auf die Willensbildung eines Organs (etwa der Gesellschafterversammlung) bleibt die Arbeitnehmereigenschaft eines Gesellschafter-Geschäftsleiters möglich, sofern dieser Weisungen von einem anderen Gesellschaftsorgan erhält, welches nicht von den Gesellschaftern dominiert wird.192 (3) Kein Unterordnungsverhältnis bei Weisungsfreiheit Die soeben beschriebene Grenzlinie bei Gesellschafter-Geschäftsleitern führt mittelbar auch zu einer allgemeinen (d. h. auch Nichtgesellschafter treffenden) Vorgabe zum Prüfungspunkt „Unterordnungsverhältnis“. Denn das Unterordnungsverhältnis lehnt der EuGH bei Gesellschafter-Geschäftsleitern für den Fall eines erheblichen Einflusses einschränkungslos ab. Andere Kriterien sind in dieser Konstellation nicht mehr zu erörtern. Für eine Berücksichtigung von „Aufsicht, Rechenschaft, Zusammenarbeit“ oder das Merkmal der freien Abberufbarkeit ist daneben kein Platz. Daher legt die Holterman Ferho-Entscheidung – wie unter (1) bereits angedeutet – eine Fokussierung auf die rechtliche Möglichkeit von Einzelweisungen nahe. Wenn aber ein Unterordnungsverhältnis ausscheidet, sofern der Geschäftsleiter erheblichen Einfluss auf die Weisungserteilung ausübt, muss ein solches erst recht dann ausscheiden (und zwar ohne Rücksicht auf sonstige Merkmale), sofern der Geschäftsleiter von Vornherein überhaupt keinen Weisungen untersteht. Weisungsfreie Geschäftsleiter sind damit keine Arbeitnehmer.193 Man kann insofern von einer Weiterentwicklung der Danosa- und Balkaya-Rechtsprechung durch das Holterman Ferho-Urteil sprechen, als die Weisungsfreiheit einen Rückgriff auf die sonstigen Gesichtspunkte und Umstände des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter überflüssig macht und die Arbeitnehmereigenschaft per se ausschließt.

Vgl. auch Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  31; Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  20 VO (EU) 1215/2010 Rn.  5; Kindler, IPRax 2016, 115 (117); Loy, GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht, S.  194; Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906); Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  30; ders., RIW 2015, 821 (822). 192  Vgl. Mankowski, RIW 2004, 167 (170 f.); ders., RIW 2015, 821 (822). 193  So – im Ergebnis – bereits Mankowski, RIW 2004, 167 (169); ders., RIW 2015, 821 (821 f.); zustimmend Kindler, IPRax 2016, 115 (116); Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (905). 191 

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bb) Das Kriterium der freien Abberufbarkeit (1) Grundsätzliche Bedeutung Auch wenn der EuGH im Holterman Ferho-Urteil nicht explizit auf das Merkmal der Abberufbarkeit eingeht, spricht der vollzogene Rückgriff194 auf die Rechtssachen Danosa und Balkaya dafür, dass Abberufungsmöglichkeiten auch im Rahmen der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO grds. von Bedeutung sind.195 Der Generalanwalt hat in seinen Schlussanträgen ebenfalls die Relevanz von Entlassungsmöglichkeiten angedeutet.196 Im Kontext der genannten Rechtssachen hat der EuGH klar zum Ausdruck gebracht, dass der Umstand, dass der Geschäftsleiter jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann, für ein Unterordnungsverhältnis ins Feld geführt werden kann.197 Auch hier zeigt sich die Bedeutung der nach deutschem Verständnis organschaftlichen Rechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter für die Arbeitnehmereigenschaft i. S. d. Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO.198 Auch insoweit199 sind daher Bestimmung und Prüfung des Gesellschaftsstatuts erforderlich.200 Unterstellt man die Maßgeblichkeit des deutschen GmbHG, spricht die gesetzliche Grundkonzeption der „freien Abberufbarkeit“ gem. §  38 Abs.  1 GmbHG201 für die Annahme eines Unterordnungsverhältnisses.202 Umgekehrt ist fragwürdig, welche Auswirkungen eine Einschränkung der freien Abberufbarkeit für Beurteilung des Vorliegens eines Unterordnungsverhältnisses zeitigt.

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Siehe Nachweis in und Text zu Teil 3, Fn.  147. Im Ergebnis ebenso Hübner, ZGR 2016, 897 (903 f.); Kindler, IPRax 2016, 115 (116). 196  Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  32. 197  EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – Danosa, Rn.  50 f.; EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14 – Balkaya, Rn.  39 f. 198  Vgl. auch Hübner, ZGR 2016, 897 (905). 199  Siehe zum Merkmal der Weisungsgebundenheit die Ausführungen unter Teil 3 §  3 B.II.2.b)aa)(1). 200  Hübner, ZGR 2016, 897 (905 f.). 201  Zum Grundsatz der freien Abberufbarkeit, wonach die Gesellschafterversammlung (§  46 Nr.  5 GmbHG) den Geschäftsführer mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (siehe Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, §  38 Rn.  18; Jacoby, in: Bork/Schäfer, ­GmbHG, §  38 Rn.  16; Stephan/Tieves, MüKoGmbHG, §  38 Rn.  24) jederzeit und ohne Grund abberufen kann, vgl. Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  38 Rn.  9 ff.; U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  38 Rn.  12 ff.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, §  38 Rn.  3 ff. 202  Vgl. Kindler, IPRax 2016, 115 (116). 195 

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(2) Möglichkeit eines Unterordnungsverhältnisses bei Einschränkung der freien Abberufbarkeit In Betracht kommt eine Grenzlinie dahingehend, dass ein Unterordnungsverhältnis dann zwingend ausscheidet, sofern die Möglichkeit der freien Abberufbarkeit Einschränkungen erfahren hat.203 Bestimmte Geschäftsführergruppen fielen bei der deutschen GmbH per se (unabhängig von einer Beteiligung am Gesellschaftskapital) aus dem Kreis der arbeitnehmertauglichen Personen heraus.204 Dies träfe zum einen in Fällen einer §  38 Abs.  2 GmbHG entsprechenden Satzungsregelung zu. Zum anderen wären auch Geschäftsführer betroffen, deren Gesellschaft kraft Anordnung eines Mitbestimmungsgesetzes §  84 Abs.  3 AktG unterliegt. Letztlich läge auch bei einem mitgliedschaftlichen Sonderrecht auf Geschäftsführung205 kein Unterordnungsverhältnis vor. Das auch in diesen Fällen206 nach der gesetzlichen Grundkonzeption vorgesehene „umfassende Weisungsrecht“ der Gesellschafterversammlung würde daran nichts ändern. Nach besagter Grundkonzeption besteht, abgesehen von einem nicht entziehbaren Kernbereich von Geschäftsführungsbefugnissen207, für die Gesellschafterversammlung die Möglichkeit, dem Geschäftsführer umfassend – wobei eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen gem. §  47 Abs.  1 GmbHG genügt208 – Weisungen zu erteilen, ohne dass diesem ein Mindestbereich autonomer Geschäftsführungsbefugnisse verbleiben müsste.209 Die rechtliche Möglichkeit von 203  In diesem Sinne im Anschluss an das Danosa-Urteil Loy, GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht, S.  192 ff. 204  Vgl. bereits Loy, GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht, S.  193. 205  Allgemein dazu Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  6 Rn.  68 ff. Hier ist eine Abberufung des Geschäftsführers ohne wichtigen Grund nur mit dessen Zustimmung möglich, vgl. Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  38 Rn.  22; U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  38 Rn.  41; Terlau, in: M/H/L/S, GmbHG, §  38 Rn.  32; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  38 Rn.  8. 206  Im Falle eines mitgliedschaftlichen Sonderrechts lehnen Stimmen in der Literatur allerdings (grds.) eine Weisungsgebundenheit ab, vgl. U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  37 Rn.  64; Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, §  37 Rn.  116. Bei der mitbestimmten GmbH bleibt der Geschäftsführer hingegen (nach h. M.) an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden, vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, §  37 Rn.  30 ff.; Oetker, ZIP 2015, 1461 (1463 f.); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  37 Rn.  31; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  37 Rn.  20. 207  Vgl. dazu Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  37 Rn.  12; Baukelmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, §  37 Rn.  18; Mennicke, NZG 2000, 622 (623); Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, §  37 Rn.  25. 208  Oetker, ZIP 2015, 1461 (1462); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  37 Rn.  40; U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  37 Rn.  38. 209  H. M., vgl. Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  37 Rn.  15; Mennicke, NZG 2000, 622

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

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Einzelweisungen bringt insofern ein vergleichsweise hohes Maß an Unterordnung zum Ausdruck. Die Arbeitnehmereigenschaft gerade eines Fremdgeschäftsführers liegt im Lichte des Merkmals der Weisungsgebundenheit sehr nahe. Nach hier vertretener Auffassung ginge die eingangs erwähnte Grenzlinie daher zu weit. Mit einer Einschränkung der freien Abberufbarkeit sollte nicht in jedem Fall der Ausschluss eines Unterordnungsverhältnisses einhergehen. Der „umfassend weisungsgebundene“ GmbH-Geschäftsführer, sollte nicht schon deswegen keinen Schutz durch die Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO erfahren, weil z. B. der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass er nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann (§  38 Abs.  2 GmbHG). Vielmehr sollte in solchen Fällen der Gefahr für den Geschäftsleiter, auf Grund einer „potentiell fremdbestimmten“ Tätigkeit in die Haftung genommen zu werden, durch zuständigkeitsrechtlichen Schutz begegnet werden. Auch weil der EuGH in der Holterman Ferho-Entscheidung anhand des Merkmals der Weisungsfreiheit die Reichweite des Arbeitnehmerbegriffs begrenzt hat, erscheint es naheliegend, auch umgekehrt die Weisungsgebundenheit bei der Begründung eines Unterordnungsverhältnisses jedenfalls nicht gänzlich hinter eine Einschränkung der freien Abberufbarkeit zurückzudrängen. cc) Das Kriterium der wesentlichen Kapitalbeteiligung Im Ausgangspunkt herrscht Einvernehmen darüber, dass eine Gesellschafterstellung des Geschäftsleiters ein Unterordnungsverhältnis nicht in jedem Fall ausschließt.210 Kontrovers diskutiert wird aber das Merkmal einer wesentlichen Kapitalbeteiligung (bzw. eines unternehmerischen Risikos).211 Zum Teil sieht man hierin ein eigenständiges Kriterium, bei dessen Vorliegen die Arbeitnehmereigenschaft ausscheidet.212 Die Gegenauffassung spricht sich gegen die Selbständigkeit dieses Kriteriums aus.213 Der Grad der Kapitalbeteiligung sei nur ein die Weisungsgebundenheit beeinflussender Faktor.214 Diese Auffassung dürfte so zu verstehen sein, dass es im Ergebnis lediglich darauf ankommt, ob die Kapitalbeteiligung dem Gesellschafter-Geschäftsleiter einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Willensbildung im weisungsbefugten Organ verschafft.

(622 f.); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  37 Rn.  27 f., 45 f.; Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, §  37 Rn.  68. 210  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  191. 211  Kindler, IPRax 2016, 115 (117); Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906); Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  31; ders., RIW 2015, 821 (822). 212  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  31; ders., RIW 2015, 821 (822). 213  Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906); ablehnend auch Kindler, IPRax 2016, 115 (117). 214  Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906).

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Nach den obigen Feststellungen (Teil 3 §  3 B.II.2.b)aa)(2)) trifft es zu, dass das Merkmal der wesentlichen Kapitalbeteiligung jedenfalls keine eigenständige Rolle spielt, sofern die Kapitalbeteiligung zu einem derartigen Einfluss führt. Letzteres ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn eine Weisung gegen den Willen des Gesellschafter-Geschäftsleiters ausgeschlossen ist. In derartigen Konstel­la­ tionen scheidet ein Unterordnungsverhältnis – auf Grund des Einflusses – in jedem Fall aus. In der Regel dürfte eine Mehrheitsbeteiligung auch einen entsprechenden Einfluss nach sich ziehen,215 sodass die Falllösung – unabhängig von der Positionierung zur Selbständigkeit des Merkmals der wesentlichen Kapitalbeteiligung – keine Probleme bereitet. Ferner gilt: Je großzügiger man einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Willensbildung bejaht (die Grenzen dieses Elements sind noch nicht abschließend abgesteckt216), desto geringer ist die Relevanz der Selbständigkeit des Merkmals der wesentlichen Kapitalbeteiligung. Man gelangte nur mit unterschiedlicher Argumentation – a) keine Weisungsgebundenheit auf Grund des Einflusses oder b) wesentliche Kapitalbeteiligung – zum identischen Ergebnis (kein Unterordnungsverhältnis). Entscheiden müsste man sich aber in Konstellationen, in denen eine wesentliche Kapitalbeteiligung ausnahmsweise nicht mit einem nicht unerheblichen Einfluss auf die Weisungsmacht verknüpft ist.217 Insofern wäre im Hinblick auf die GmbH z. B. an Satzungsregelungen zu denken, die das Stimmgewicht im Rahmen der Gesellschafterversammlung von der Höhe der Kapitalbeteiligung abkoppeln218. Ist etwa eine Abstimmung nach Köpfen219 vorgesehen, wäre der zu 50% am Kapital beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer (der bei Geltung des §  47 Abs.  2 GmbHG jede ihm unliebsame Weisung verhindern könnte) bei einer (z. B.) 3-Personen-GmbH an den Mehrheitswillen der übrigen Gesellschafter gebunden, ohne dass man von einem nicht unerheblichen Einfluss auf die Willensbildung im weisungsbefugten Organ sprechen müsste. Könnte man die Wei215 

Nach der Grundkonzeption des deutschen GmbH-Rechts bedarf es für einen Beschluss des weisungsbefugten Organs, der Gesellschafterversammlung, der (einfachen) Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§  47 Abs.  1 GmbHG), wobei sich die Stimmkraft nach der Höhe der Kapitalbeteiligung richtet (§  47 Abs.  2 GmbHG). Vgl. auch Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906). 216  So hat Weber, IPRax 2013, 69 (70 mit Fn.  13) erwogen, dass unter Umständen bereits Anteile unter 50% ausreichen könnten, um von einem erheblichen Einfluss des Geschäftsleiters zu sprechen. 217  Vgl. etwa Kindler, IPRax 2016, 115 (117 mit Fn.  31): „Eine Mehrheitsbeteiligung ist meist, aber nicht zwingend, mit einer Stimmrechtsmehrheit verbunden.“ 218  Zu dieser Möglichkeit Drescher, in: MüKoGmbHG, §  47 Rn.  124; Ganzer, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, §  47 Rn.  33; Römermann, in: M/H/L/S, GmbHG, §  47 Rn.  359. 219  Vgl. Drescher, in: MüKoGmbHG, §  47 Rn.  124; Römermann, in: M/H/L/S, GmbHG, §  47 Rn.  356; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  47 Rn.  67.

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sungsgebundenheit in einer derartigen Situation auch bejahen, erscheint es gleichwohl fragewürdig, der Kapitalbeteiligung daneben keinen eigenständigen Einfluss auf das Unterordnungsverhältnis zuzubilligen. Im Balkaya-Urteil lässt der EuGH durchaus die Tendenz erkennen, dass eine Kapitalbeteiligung – auch isoliert betrachtet – gegen ein Unterordnungsverhältnis sprechen könnte.220 Andererseits scheint eine starre Grenzlinie nur anhand des Kriteriums der wesentlichen Kapitalbeteiligung zu weitgehend. Dagegen spricht die Unbestimmtheit des Kriteriums. Ab welchem Umfang ist die Kapitalbeteiligung wesentlich? Vorzugswürdig erscheint daher ein Mittelweg: Die Höhe der Kapitalbeteiligung kann auch unabhängig von ihrem Einfluss auf die Weisungsgebundenheit bei der Prüfung eines Unterordnungsverhältnisses eine Rolle spielen. Je größer die Kapitalbeteiligung, desto geringer der Grad der Unterordnung. Stets sind daneben jedoch die Einzelfallumstände in Bezug auf die Weisungsgebundenheit und die Abberufbarkeit in eine Gesamtbetrachtung einzustellen. Stützt man die Argumentation in diesem Sinne auf mehrere Kriterien, dürften sich im Einzelfall gerechte Ergebnisse erzielen lassen. III. Einordnung der Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften des deutschen Rechts 1. Vorstandsmitglieder einer AG Aus Vorstehendem ergibt sich, dass Vorstandsmitglieder einer AG keine Arbeitnehmer i. S. d. Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO sind.221 Dies folgt aus deren Weisungsfreiheit. Denn der Vorstand leitet die Gesellschaft gem. §  76 Abs.  1 AktG unter eigener Verantwortung und ist nicht an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane gebunden.222 Auf das Merkmal der Abberufbarkeit kommt es daneben nicht mehr an. Daher spielt auch die streitige Frage, ob im Hinblick auf Vorstandsmitglieder

220  Siehe Nachweis in und Text zu Teil 3, Fn.  164. In EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  47 spielt die Gesellschafterstellung freilich nur in Verbindung mit der Weisungsgebundenheit eine Rolle. 221  Im Ergebnis ebenso Diller/Wilske, DB 2007, 1866 (1868); Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  20 VO (EU) 1215/2010 Rn.  5; von Hein, IWRZ 2016, 29 (30); Hübner, ZGR 2016, 897 (910); Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906); Mankowski, RIW 2004, 167 (169); ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  31; ders., RIW 2015, 821 (822); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  43; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  241; Wegen/Asbrand, IWRZ 2016, 248 (249). Einschränkend im Hinblick auf §  308 AktG Kindler, IPRax 2016, 115 (116). 222  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  76 Rn.  57 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  76 Rn.  25; Spindler, in: MüKoAktG, §  76 Rn.  22. Vgl. auch Kort, NZG 2013, 601 (606).

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von einer freien Abberufbarkeit im unionsrechtlichen Sinne auszugehen ist,223 im Ergebnis keine Rolle. 2. Geschäftsführer einer GmbH Die Ziehung einer derart klaren Grenze ist in Bezug auf Geschäftsführer einer GmbH nicht möglich. Ausgangspunkt der Betrachtung ist die gesetzliche Grundkonzeption, wonach der Geschäftsführer einem umfassenden Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung unterliegt224 und von dieser jederzeit und unabhängig von irgendwelchen Gründen abberufen werden kann225. Unter dieser Prämisse ist der Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer i. S. d. Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO einzuordnen.226 Dieses Ergebnis sollte nach hier vertretener Auffassung auch dann noch aufrechterhalten werden, wenn die freie Abberufbarkeit Einschränkungen – bis hin zur Abberufung nur aus wichtigem Grund – erfährt. Derartige Einschränkungen allein schließen ein Unterordnungsverhältnis noch nicht aus.227 Die Nichtgesellschafterstellung und die umfassende Weisungsgebundenheit rechtfertigen vielmehr die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft. Sollte allerdings neben einer Einschränkung der freien Abberufbarkeit auch das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung Restriktionen unterliegen228, kann das Pendel nach hier vertretener Auffassung – auch bei einem Fremdgeschäftsführer – zu Gunsten der Nichtarbeitnehmereigenschaft ausschlagen. Insofern kommt man um eine exakte Prüfung der im Einzelfall in Bezug auf die Weisungsgebundenheit und Abberufbarkeit getroffenen Satzungsregelungen nicht herum. Die weitreichende Vorgabe des EuGH zur Prüfung aller Gesichtspunkte und Umstände des Einzelfalles lässt hier präzisere (abstrakte) Leitlinien nicht zu. Wenn aber in der Literatur229 ohne Einschränkung davon gesprochen wird, dass der Fremdgeschäftsführer einer GmbH stets Arbeitnehmer sei, ist dies jedenfalls nicht frei von Zweifeln. Im Hinblick auf Gesellschafter-Geschäftsführer kann wiederum eine klare Grenzlinie benannt werden: Hat der Geschäftsführer einen derartigen Einfluss Für eine freie Abberufbarkeit in diesem Sinne trotz §  84 Abs.  3 S.  1 AktG Kindler, IPRax 2016, 115 (116). Dagegen Hübner, ZGR 2016, 897 (910); Kort, NZG 2013, 601 (605 f.). 224  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  207, 208 und 209. 225  Siehe Nachweise und Text in Teil 3, Fn.  201. 226  Vgl. zum Fremdgeschäftsführer bereits Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906); Mankowski, RIW 2004, 167 (169); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  241; ders., IPRax 2013, 69 (70); Wegen/Asbrand, IWRZ 2016, 248 (249). 227  Siehe Ausführungen unter Teil 3 §  3 B.II.2.b)bb)(2). 228  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  183, 184 und 185. 229  In diesem Sinne (wohl) Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906); Mankowski, RIW 2015, 821 (822); Wegen/Asbrand, IWRZ 2016, 248 (249). 223 

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auf die Willensbildung im weisungsbefugten Organ, dass ein Weisungsbeschluss gegen seinen Willen ausgeschlossen ist (jedenfalls dann kann man unzweifelhaft von einem nicht unerheblichen Einfluss sprechen), scheidet ein Unterordnungsverhältnis stets aus. In diesem Zusammenhang müssen z. B. Satzungsregelungen zur Heraufsetzung des Mehrheitserfordernisses beachtet und mit der Höhe der Kapitalbeteiligung (§  47 Abs.  2 GmbHG) des Gesellschafter-Geschäftsführers verglichen oder auch Sonderregeln zur Stimmkraft (Abweichung von §  47 Abs.  2 GmbHG) berücksichtigt werden. Insbesondere der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Einpersonen-GmbH ist kein Arbeitsnehmer i. S. d. Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO,230 weil sich Geschäftsführerhandeln und Gesellschafterwille insoweit ­decken231. Sollte der Geschäftsführer keinen nicht unerheblichen Einfluss innehaben, muss im Einzelfall eine Gesamtbetrachtung der Kriterien der Weisungsgebundenheit, der Abberufbarkeit und der wesentlichen Kapitalbeteiligung über das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses entscheiden.232 Vorbehaltlicher abweichender Satzungsregelungen233 ist der mit einem mitgliedschaftlichen Sonderrecht auf Geschäftsführung ausgestattete Gesellschafter-Geschäftsführer – unabhängig von der Höhe seiner Kapitalbeteiligung – kein Arbeitnehmer, da er (jedenfalls in weitem Umfang) nicht weisungsunterworfen ist234 und zudem ohne wichtigen Grund nur mit seiner Zustimmung abberufen werden kann235.

C. Ansprüche aus individuellem Arbeitsvertrag Ist das Vorliegen eines individuellen Arbeitsvertrags zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter und damit auch die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsleiters zu bejahen, schließt sich das Problem an, welche der diesen potentiell treffenden Haftungsansprüche vom Sonderregime der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO erfasst sind.

230  Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (906); Mankowski, RIW 2004, 167 (171); ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  30; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  43. 231  Bitter, ZInsO 2010, 1505 (1507); Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, §  37 Rn.  109. 232  Siehe Ausführungen unter Teil 3 §  3 B.II.2.b)cc). 233  Zu dieser Möglichkeit im Hinblick auf die Weisungsgebundenheit U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  37 Rn.  64; Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, §  37 Rn.  116. Zu dieser Möglichkeit in Bezug auf die Abberufbarkeit Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  38 Rn.  15; Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, §  38 Rn.  74. 234  Vgl. U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  37 Rn.  64; Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, §  37 Rn.  116. 235  Siehe Nachweise und Text in Teil 3, Fn.  205.

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I. Ausgangspunkt Generalanwalt Cruz Villalón hat in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Holterman Ferho im Grundsatz zutreffend darauf hingewiesen, dass das Vorliegen eines individuellen Arbeitsvertrags zwischen zwei Parteien noch nicht dazu führt, dass die Geltendmachung jedes Anspruchs in diesem Verhältnis das Zuständigkeitsregime der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO auf den Plan ruft.236 Klar dürfte jedenfalls sein, dass Rechtsstreitigkeiten, die keinen Bezug zur Geschäftsleitungstätigkeit aufweisen, nicht in den Anwendungsbereich der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO gehören. Verursacht z. B. der Geschäftsführer einer GmbH bei einem Ausflug mit seinem Privatwagen einen Unfall, durch den ein Pkw der Gesellschaft beschädigt wird, kommt die Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge nicht in Betracht. Neben dem offensichtlich fehlenden Ver­trags­ charakter der Streitigkeit ist auch der Schutzzweck der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO nicht betroffen, da die Streitigkeit mit der „untergeordneten“ Geschäftsleitungstätigkeit nichts zu tun hat. Eine besondere prozessuale Schutzbedürftigkeit des Geschäftsleiters ist hier nicht erkennbar. Letzteres trifft ebenso zu, sofern dieser – wie ein gewöhnlicher Dritter – z. B. eine Sache von der Gesellschaft zu privaten Zwecken kauft. Darüber hinaus dürften auch Außenhaftungsansprüche, d. h. solche Ansprüche, hinsichtlich derer den Gesellschaftsgläubigern die Anspruchsinhaberschaft zukommt, nicht erfasst sein. Auch wenn man bestimmte Außenhaftungsansprüche vertraglich einstuft,237 wäre eine zuständigkeitsrechtliche Privilegierung des Geschäftsleiters in diesem Verhältnis nicht zu rechtfertigen. Zwischen Geschäftsleiter und Gesellschaftsgläubiger besteht nicht das, für die Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO charakteristische, Unterordnungsverhältnis, welches ein Abweichen von den allgemeinen Zuständigkeitsregeln stützt. Von diesen (vermeintlich) klaren Konstellationen abgesehen, ist es jedoch fragwürdig, auf welche Art und Weise sich die arbeitsvertraglichen Ansprüche unter den Innenhaftungsansprüchen gegen Arbeitnehmergeschäftsleiter eingrenzen bzw. positiv bestimmen lassen.

Vgl. Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  26, 33, 35. 237  Vgl. etwa Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  430 f., der die Insolvenzverschleppungshaftung gem. §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a InsO zu Gunsten der Altgläubiger dem Vertragsgerichtsstand zuweist, sofern die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse unterbleibt. 236 

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II. Keine Ausklammerung des organschaftlichen Rechtsverhältnisses Eine Möglichkeit bestünde darin, eine Grenze anhand der nach nationalem Recht bestehenden Rechtsverhältnisse zu ziehen. So wäre es denkbar, alle Haftungsansprüche, die nach nationaler Vorstellung einem bestimmten Rechtsverhältnis zuzuordnen sind, per se als nichtarbeitsvertragliche Ansprüche einzustufen. Wie bereits erwähnt,238 besteht zwischen GmbH-Geschäftsführer und Gesellschaft neben dem organschaftlichen Rechtsverhältnis regelmäßig ein, von diesem rechtlich zu unterscheidendes, Anstellungsverhältnis. Dass Ansprüche, die nach deutschem Verständnis dem Anstellungsverhältnis zuzurechnen sind, dem Zuständigkeitsregime für individuelle Arbeitsverträge i. S. d. Brüssel  Ia-VO unterfallen können, wird (soweit ersichtlich und sofern man die Arbeitnehmereigenschaft eines GmbH-Geschäftsführers überhaupt für möglich hält239) nicht bestritten.240 Es wird jedoch die Auffassung vertreten, dass Ansprüche, die dem organschaftlichen Rechtsverhältnis zuzurechnen sind (z. B. Ansprüche gem. §  43 Abs.  2, 3 S.  1 GmbHG241), aus dem Anwendungsbereich der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO herausfielen.242 Begründet wird dies einerseits mit der nicht arbeitsvertragsspezifischen Natur der organschaftlichen Pflichten, die schließlich auch Nichtarbeitnehmergeschäftsführer treffen.243 Andererseits zweifelt man an der Möglichkeit einer rein funktionalen autonomen Auslegung und lehnt eine einheitliche Zuordnung von Anstellungsverhältnis und Organverhältnis (entweder greift die Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge vollständig oder überhaupt nicht) ab, sodass an der Trennung nach nationalem Verständnis auch auf der Ebene der Brüssel  Ia-VO kein Weg vorbei führe.244 Die Gegenansicht weist eine derartige Trennung für die Belange des europäischen Zivilverfahrensrechts zurück und entzieht das organschaftliche Rechtsverhältnis nicht von vornherein 238 

Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  121. Siehe zur Gegenansicht den Nachweis in Teil 3, Fn.  119. 240  Vgl. nur Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  241 ff.; ders., IPRax 2013, 69 (71). 241  Zum organschaftlichen Charakter dieser Haftungsnormen und der nach h. M. erfolgenden „Verdrängung“ der Haftung aus dem Anstellungsvertrag vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, §  43 Rn.  2; Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  1 und 8; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  43 Rn.  4. 242  In diesem Sinne Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  241 ff.; ders., IPRax 2013, 69 (70 f.). Vgl. auch Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  34 mit Fn.  23. Nach von Hein, IWRZ 2016, 29 (30) sei es „keinesfalls selbstverständlich“, dass Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO sich auch auf solche Ansprüche erstrecken soll, deren Grundlage die Organstellung darstellt. 243  Weber, IPRax 2013, 69 (70). 244  Weber, IPRax 2013, 69 (70); vgl. bereits dens., Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  242. 239 

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dem Regelungsbereich der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO.245 Sie führt das Ziel einer einheitlichen Auslegung der Brüssel  Ia-VO ins Feld, welche möglichst nicht von nationalen Eigenheiten abhängen sollte.246 Die angesprochene Differenzierung zwischen organschaftlichem Rechtsverhältnis und Anstellungsverhältnis ist in den nationalen Rechtsordnungen jedenfalls keine Selbstverständlichkeit.247 Verfolgt eine Rechtsordnung jedoch eine einspurige Lösung, ist insoweit – im Unterschied zur deutschen Rechtsordnung – eine Ausklammerung eines bestimmten Rechtsverhältnisses ausgeschlossen, was Spielraum für eine uneinheitliche Auslegung eröffnet. Darüber hinaus hinge – sei auch eine Zweiteilung in den nationalen Rechtsordnungen unterstellt – die Gewährung des Schutzes der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO zu Gunsten des Arbeitnehmergeschäftsleiters davon ab, ob das nationale Recht den konkreten Haftungsanspruch dem Anstellungs­ verhältnis oder dem organschaftlichen Rechtsverhältnis zuordnet.248 Dass bei vergleichbaren Haftungskonstellationen nur derjenige Geschäftsleiter, dessen Haftung sich auf den Anstellungsvertrag stützt, vom Privileg des Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO profitieren soll, nicht jedoch derjenige, dessen Haftung dem organschaftlichen Rechtsverhältnis entspringt, lässt sich mit dem Interesse nach möglichst weitgehender Gleichheit und Einheitlichkeit der sich für die betroffenen Personen aus dem europäischen Zivilverfahrensrecht ergebenden Rechte und Pflichten249 schwerlich in Einklang bringen. Eine Abhängigkeit vom nationalen Recht zeitigte an dieser Stelle besonders gravierende Folgen, da nicht „nur“ die Abgrenzung der Anwendungsbereiche zweier besonderer Gerichtsstände in Rede steht, sondern mit den Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO ein grds. abschließendes Regime250 der Konturierung bedarf. Das Holterman Ferho-Urteil lässt Rückschlüsse auf die Ansicht des EuGH zu Vorstehendem zu. Auf Grund der Tatsache, dass die Haftungsklage nach nieder245  Mankowski, RIW 2004, 169 (171); ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  28; ders., RIW 2015, 821 (822 f.); siehe auch Hübner, ZGR 2016, 897 (910 f.), nach dem Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO (auch im Hinblick auf die gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen) nur in Betracht kommt, sofern der Geschäftsleiter kein Arbeitnehmer i. S. d. Brüssel  Ia-VO ist. 246  Mankowski, RIW 2004, 169 (171). Auch Weber, IPRax 2013, 69 (70) weist – obschon er letztlich eine Ausklammerung des organschaftlichen Rechtsverhältnisses befürwortet – auf diesen Umstand hin. 247  Vgl. Haubold, IPRax 2000, 375 (377 mit Fn.  41); Kindler, IPRax 2016, 115 (117 mit Fn.  41); Mankowski, RIW 2004, 169 (171); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  42 mit Fn.  131. 248  Weber, IPRax 2013, 69 (70). 249  Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 22.02.1979 – 133/78 – Gourdain, Rn.  3; EuGH, Urt. v. 22.03.1983 – 34/82 – Peters, Rn.  9. 250  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  107.

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ländischem Verständnis (neben einem deliktischen Anspruch) sowohl auf einen gesellschaftsrechtlichen als auch auf einen arbeitsvertraglichen Anspruch gestützt wurde,251 musste sich der EuGH positionieren. Eine klare Differenzierung – in dem Sinne, dass ein bestimmtes von der nationalen Rechtsordnung geprägtes Rechtsverhältnis aus dem Anwendungsbereich der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO auszuklammern wäre – lässt sich den Ausführungen des EuGH jedoch keineswegs entnehmen.252 Vielmehr nimmt er – wie bereits erwähnt253 – im Hinblick auf die Frage, ob überhaupt ein individueller Arbeitsvertrag zwischen den Parteien besteht, eine Gesamtbetrachtung des Verhältnisses zwischen Geschäftsleiter und Gesellschaft vor. Dieser Grundansatz spricht gegen eine strikte Ausklammerung organschaftlicher Haftungsansprüche. Denn es wäre inkonsequent, derartige Ansprüche (gewissermaßen auf der zweiten Stufe) dem Anwendungsbereich der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO zu entziehen und damit dem Arbeitnehmer insoweit den besonderen Schutz zu verwehren, wenn man zuvor (gewissermaßen auf der ersten Stufe) das Unterordnungsverhältnis und damit die Schutzwürdigkeit des Geschäftsleiters maßgeblich auch auf Elemente des organschaftlichen Rechtsverhältnisses stützt. Darüber hinaus äußert sich der EuGH explizit zum Verhältnis der (nach niederländischem Verständnis) aus dem Organverhältnis resultierenden Haftung und Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Nach seiner Auffassung erlange Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO insoweit nur für den Fall Bedeutung, dass der betroffene Geschäftsleiter nicht als Arbeitnehmer im Sinne der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO einzustufen ist.254 Im Umkehrschluss folgt daraus, dass auch Haftungsansprüche, die nach nationalem Verständnis dem organschaftlichen Rechtsverhältnis zugesprochen werden, zumindest potentiell als Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO zu qualifizieren sind. Denn andernfalls hinge die Anwendbarkeit des Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO jedenfalls nicht von der Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsleiters ab und der EuGH hätte an dieser Stelle des Urteils eine Ausklammerung des organschaft­ lichen Rechtsverhältnisses aus dem Anwendungsbereich der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO deutlich machen müssen. Er hat dies nicht getan. Die eingangs erwähnte Ansicht,255 welche die Trennung zwischen organschaftlichem Rechtsverhältnis und Anstellungsverhältnis – jedenfalls zur Identi251 

Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  124 und 126. Vgl. Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (905), der hervorhebt, dass der EuGH nicht danach differenziere, „ob eine Verletzung der Pflichten aus dem Anstellungs- oder aber dem gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis geltend gemacht wird“. 253  Siehe Ausführungen unter Teil 3 §  3 B.II.2.a)aa). 254  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  50 f. Zweifel an dieser Prämisse äußert von Hein, IWRZ 2016, 29 (30). 255  Siehe Teil 3, Fn.  242. 252 

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fizierung arbeitsvertraglicher Ansprüche i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO – strikt auf das europäische Zivilverfahrensrecht übertragen möchte, lässt sich mit der Holterman Ferho-Entscheidung somit nicht in Einklang bringen. Der Umstand, dass der gleiche Haftungsanspruch (etwa §  43 Abs.  2 GmbHG) auch Geschäftsleiter trifft, die zweifelsfrei keine Arbeitnehmer sind,256 schließt die arbeitsvertragliche Qualifikation i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO gegenüber einem Arbeitnehmergeschäftsleiter nicht aus. Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass Haftungsansprüche, die nach nationalem Verständnis dem organschaftlichen Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsleiter und Gesellschaft zuzurechnen sind, nicht von Vornherein dem fünften Abschnitt des zweiten Kapitels der Brüssel  Ia-VO entzogen sind. III. Positive Bestimmung Im Ausgangspunkt trifft es zu, dass die Geltendmachung eines (materiell-rechtlichen) Haftungsanspruchs nur dann von Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO erfasst wird, sofern es sich um einen Anspruch aus einem individuellen Arbeitsvertrag (d. h. einen arbeitsvertraglichen Anspruch) i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO handelt.257 Der klare Wortlaut des Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO („Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag“) lässt es nicht zu, den Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO auch eine Klage zu unterstellen, die sich auf einen nichtarbeitsvertraglichen Anspruch stützt. Lehnt man jedenfalls für Arbeitgeberklagen richtigerweise und darüber hinaus, nämlich bei einer gemeinsamen Geltendmachung eines arbeitsvertraglichen und eines nichtarbeitsvertraglichen Anspruchs, auch eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs (bzw. eine Annexkompetenz) im Rahmen der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO ab,258 lässt sich schlussfolgern: Soweit sich die internationale Zuständigkeit nach Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO richtet, handelt es sich um arbeitsvertragliche Ansprüche i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO. Es kann sich dann nicht um einen vertraglichen (aber nicht arbeitsvertraglichen) Anspruch i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO und auch nicht um einen deliktischen 256 

Vgl. Nachweis in und Text zu Teil 3, Fn.  243. In diesem Sinne (in Abgrenzung gegenüber Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO) Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  20 VO (EU) 1215/2010 Rn.  7; Hess, EuZPR, §  6 Rn.  109; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  18 EuGVO Rn.  3; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  7; ders., EuZA 2017, 126 (128 f.); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  12 sowie Art.  22 Rn.  8, 12; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  20 ­EuGVVO Rn.  3; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  18 EuGVVO Rn.  8. A. A. (wohl auch für Klagen des Arbeitgebers und möglicherweise auch im Hinblick auf die isolierte Geltendmachung eines Deliktsanspruchs) etwa Däubler, NZA 2003, 1297 (1299); Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  20 EuGVVO Rn.  5. 258  Vgl. die Nachweise in der vorherigen Fn. 257 

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

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Anspruch i. S. d. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO handeln.259 Unter dieser Prämisse müssen die sogleich darzustellenden Ausführungen des EuGH betrachtet werden. Eine andere und weitergehende Frage ist es, ob die Maßgeblichkeit des Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO bei der Geltendmachung eines bestimmten Anspruchs des nationalen Rechts gegenüber einem Arbeitnehmergeschäftsleiter bereits die Annahme rechtfertigt, dass dieser Anspruch bei der Geltendmachung gegenüber einem Nichtarbeitnehmergeschäftsleiter – bei ansonsten gleicher Faktizität der Ereignisse – vertraglich i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO und nicht deliktisch i. S. d. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO einzuordnen ist. Hier ist das jeweilige Verhältnis von Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO und Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zu Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO betroffen. Um diesen Fragenkreis geht es in diesem Teil der Arbeit nicht. Vielmehr gilt es nur herauszufiltern, was einen arbeitsvertraglichen Anspruch i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO – auch in Abgrenzung zu Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO – ausmacht. 1. Interpretation der Vorgaben des EuGH a) Ausgangspunkt In Bezug auf die bereits skizzierte260 Klagesituation sollte anhand der ersten Vorlagefrage der Holterman Ferho-Entscheidung geklärt werden, ob die Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO einen Rückgriff auf Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO ausschließen.261 Der EuGH bejahte diese Frage unter der Voraussetzung, dass zwischen den Parteien ein individueller Arbeitsvertrag zu Stande gekommen ist, sodass es 259  Abweichend (möglicherweise) von Hein, IZWR 2016, 29 (31) zur Holterman FerhoEntscheidung: „Die dahinter stehende Prämisse, dass die Vorschriften des fünften Abschnitts sich nicht auf ‚Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag‘ […] beschränken, sondern darüber hinaus konkurrierende deliktische Schadensersatzansprüche […] erfassen, versteht sich aber nicht von selbst.“ Nach hier vertretener Auffassung enthält die Holterman Ferho-Entscheidung demgegenüber keine Prämisse dahingehend, dass auch nichtarbeitsvertragliche Ansprüche in den Anwendungsbereich der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO fallen können. Der EuGH zieht allenfalls den Kreis der arbeitsvertraglichen Ansprüche i. S. d. Brüssel  Ia-VO sehr weit. Siehe Ausführungen unter 1. 260  Siehe Text zu Teil 3, Fn.  124 und 126. 261  Siehe EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  30: „Sind die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art.  18 bis 21) der Verordnung Nr.  44/2001 dahin auszulegen, dass sie der Anwendung von Art.  5 Nr.  1 Buchst. a oder Art.  5 Nr.  3 dieser Verordnung in einem Fall wie dem vorliegenden entgegenstehen, in dem der Beklagte von einer Gesellschaft nicht nur in seiner Eigenschaft als ihr Geschäftsführer wegen nicht ordnungsgemäßer Wahrnehmung seiner Aufgaben oder wegen unerlaubter Handlung, sondern auch unabhängig von dieser Eigenschaft wegen Vorsatzes oder bewusster Fahrlässigkeit bei der Erfüllung des zwischen ihm und der Gesellschaft geschlossenen Arbeitsvertrags in Haftung genommen wird?“

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sich bei dem betroffenen Geschäftsleiter um einen Arbeitnehmer i. S. d. Art.  20 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO handelt.262 Eine Einschränkung im Hinblick auf die in Rede stehenden Ansprüche263 nahm er nicht vor.264 Im Gegenteil betonte er – wie bereits erwähnt265 – im Verlauf des Urteils, dass ein Eingreifen von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO hinsichtlich des (nach niederländischem Verständnis) gesellschaftsrechtlichen Anspruchs nur bei Verneinung der Arbeitnehmereigenschaft in Betracht komme. Identisches brachte er auch für die Maßgeblichkeit von Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO hinsichtlich des (nach niederländischem Verständnis) deliktischen Anspruchs zum Ausdruck.266 Bei Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft wäre ein Rückgriff auf Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO daher vollumfänglich ausgeschlossen. Bei Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft wären in der konkreten Klagesituation folglich alle Ansprüche solche aus einem individuellen Arbeitsvertrag i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO. Hervorhebung verdient der Umstand, dass der EuGH (in Bezug auf den nach niederländischem Verständnis deliktischen Anspruch) Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO damit für einen Anspruch öffnete, der von der Geschäftsleiterstellung vollkommen unabhängig ist267. Gegen eine arbeitsvertragliche Qualifikation kann daher nicht durchschlagend ins Feld geführt werden, dass der Anspruch potentiell auch Personen trifft, die in keinerlei vertraglichem Verhältnis (i. S. d. Brüssel  Ia-VO) zu der Gesellschaft stehen. Es stellt sich daher die Frage, was die konkrete Klagesituation ausmacht. Im Zuge der – hier in Teil 3, Fn.  262 zitierten – Beantwortung der ersten Vorlagefrage beschreibt der EuGH diese dergestalt, dass eine Gesellschaft eine Person, die als ihr Direktor und Geschäftsführer tätig war, verklagt, um die von dieser Person 262  Siehe EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  49: „Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art.  18 bis 21) der Verordnung Nr.  44/2001 dahin auszulegen sind, dass sie in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der eine Gesellschaft eine Person, die als ihr Direktor und Geschäftsführer tätig war, verklagt, um die von dieser Person in Wahrnehmung ihrer Aufgaben begangenen Fehler feststellen zu lassen und Schadensersatz zu erlangen, der Anwendung von Art.  5 Nrn.  1 und 3 dieser Verordnung entgegenstehen, sofern diese Person in ihrer Eigenschaft als Direktor und Geschäftsführer während einer bestimmten Zeit der Gesellschaft nach deren Weisung Leistungen erbrachte und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhielt; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.“ 263  Siehe Text zu Teil 3, Fn.  126. 264  Derart verstehen den EuGH auch von Hein, IZWR 2016, 29 (30 f.); Hübner, ZGR 2016, 897 (910 ff.). 265  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  254. 266  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  66 f.; dazu auch von Hein, IWRZ 2016, 29 (31). 267  Vgl. zu Art.  6:162 Burgerlijk Wetboek EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  10.

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

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in Wahrnehmung ihrer Aufgaben begangenen Fehler feststellen zu lassen und Schadensersatz zu erlangen. Es ist wiederum fraglich, was „Aufgaben“ im vorstehenden Zusammenhang konkret bedeutet. Ein Kriterium zur Eingrenzung bestimmter Aufgaben/Pflichten des Geschäftsleiters kommt an dieser Stelle nicht zum Ausdruck. Die pauschalen Ausführungen deuten nach hiesiger Interpre­ta­ tion darauf hin, dass jedenfalls alle Aufgaben/Pflichten des Geschäftsleiters, die sich auf einen gemeinsamen arbeitsvertraglichen Ursprung zurückführen lassen, eine einheitliche Behandlung erfahren sollen. Klammert man das Anstellungsverhältnis einmal aus, so liegt folgende Überlegung nahe: Wenn (auch) das organschaftliche Rechtsverhältnis des deutschen Rechts arbeitsvertraglichen Charakter i. S. d. Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO aufweist und alle Aufgaben/Pflichten des Geschäftsleiters (mit gemeinsamem arbeitsvertraglichem Ursprung) übereinstimmend eingestuft werden sollen, müssen alle Organpflichten des deutschen Rechts arbeitsvertragliche Pflichten sein. Spielraum für Differenzierung bieten die Ausführungen des EuGH insoweit nicht. Die Vorgabe einer autonomen Auslegung lässt es andererseits nicht zu, die arbeitsvertragliche Natur einer Pflicht i. S. d. Brüssel  Ia-VO strikt von deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten Rechtsverhältnis einer nationalen Rechtsordnung abhängig zu machen. Im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung bietet sich folgendes Abgrenzungskriterium an: Bezieht sich eine Aufgabe/Pflicht (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiterstellung, ist diese Pflicht arbeitsvertraglich einzustufen. Durch den Bezug zur Geschäftsleiterstellung wird ein hinreichender Konnex zwischen der Pflicht und dem gemeinsamen arbeitsvertraglichen Ursprung hergestellt. Bei den Organpflichten des deutschen Rechts ist vorstehendes Abgrenzungskriterium stets erfüllt. Haftungsansprüche, welche die Kehrseite arbeitsvertraglicher Pflichten im soeben festgelegten Sinne bilden bzw. die Verletzung derartiger Pflichten sanktionieren, sind arbeitsvertragliche Ansprüche.268 Die Ausführungen des EuGH haben indes weiterreichende Bedeutung, da er – bei Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft, aber ohne weitere Prüfung – mit dem (nach niederländischem Verständnis) deliktischen Anspruch auch die Sanktion für die Verletzung einer Pflicht, die von der Geschäftsleiterstellung vollkommen unabhängig ist, arbeitsvertraglich einstuft. Nimmt man dies ernst, kommt man an folgender Schlussfolgerung nur schwerlich vorbei: Verletzt ein Verhalten (Tun oder Unterlassen) eine arbeitsvertragliche Pflicht im obigen Sinne, sind alle (aber jedenfalls die nach nationalem Verständnis deliktischen) Ansprüche, die sich im Einzelfall auf dieses Verhalten stützen, arbeitsvertraglicher Natur.269 268 

Vgl. die entsprechenden Ausführungen zum Vertragsgerichtsstand unter Teil 4 §  2 B.I.1. Derart dürften Wendenburg/Schneider, NJW 2014, 1633 (1635) ganz allgemein die Brogsitter-Rechtsprechung im Hinblick auf Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO umsetzen. Siehe Ausführungen unter b). 269 

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Nach hier vertretener Auffassung bietet es sich an, sogar noch einen Schritt weiter zu gehen. Es sollte zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nicht erforderlich sein, die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht tatsächlich festzustellen. Derartige Prüfungen sind der Begründetheit der Klage vorbehalten. Daher wird folgender Abgrenzungsvorschlag unterbreitet: Wirft eine Innenhaftungsklage dem Geschäftsleiter ein Verhalten (Tun oder Unterlassen) vor, welches potentiell die Grundlage für die Verletzung einer Pflicht bildet, die (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiterstellung Bezug nimmt (arbeitsvertragliche Pflicht), liegen der Klage arbeitsvertragliche Ansprüche zu Grunde. Es kommt letztlich nur darauf an, ob die Klage organtätigkeitsbezogenes Verhalten betrifft. Steht das Verhalten des Geschäftsleiters in keinem Sachzusammenhang mit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten im obigen Sinne,270 scheiden arbeitsvertragliche Ansprüche aus. b) Verhältnis zur Brogsitter-Rechtsprechung Im Anschluss an das Holterman Ferho-Urteil wurde in der Literatur271 die Auffassung vertreten, dass der EuGH „offenbar“ seine zur Grenzziehung zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen i. S. d. Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO ergangene Brogsitter-Rechtsprechung272 auf die Abgrenzung zwischen arbeitsvertraglichen Ansprüchen i. S. d. Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO und deliktischen Ansprüchen i. S. d. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO übertrage. Auch der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen explizit für eine Heranziehung der Brogsitter-Grundsätze plädiert.273 Im Brogsitter-Urteil stellte der EuGH zunächst klar, dass die Klage einer Vertragspartei gegen die andere Vertragspartei noch nicht den Schluss rechtfertige, dass vertragliche Ansprüche gem. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO geltend gemacht werden.274 Dieser Ausgangspunkt trifft unzweifelhaft auch auf den arbeitsvertraglichen Gerichtsstand zu.275 Das unter Teil 3 §  3 C.III.1.a) vorgeschlagene Abgrenzungsverständnis widerspricht dem nicht. Wann immer die Gesellschaft ihren Geschäftsleiter „wie einen gewöhnlichen Dritten“ – d. h. nicht im Hinblick auf ein organtätigkeitsbezogenes (oder anstellungsvertragsbezogenes) Verhal270  Vgl. zur Geschäftsführerhaftung gem. §  43 Abs.  2 GmbHG Fleischer, in: ­MüKoGmbHG, §  43 Rn.  247. 271  von Hein, IWRZ 2016, 29 (31). 272  EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter. Dazu etwa Dornis, GPR 2014, 352; Pfeiffer, IPRax 2016, 111; Wendelstein, ZEuP 2015, 624; Wendenburg/Schneider, NJW 2014, 1633. 273  Schlussanträge GA Cruz Villalón v. 07.05.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  34. 274  EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  23. 275  Siehe Nachweis in und Text zu Teil 3, Fn.  236.

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

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ten – verklagt,276 spielen die Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO trotz des Umstands, dass zwischen den Parteien ein individueller Arbeitsvertrag i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO besteht, keine Rolle. Ein vertraglicher Anspruch bzw. vertragliche Ansprüche i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO lägen aber dann vor (so der EuGH im Brogsitter-Urteil), „wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen“277. Dies sei grds. dann der Fall, „wenn eine Auslegung des Vertrags [...] unerlässlich erscheint, um zu klären, ob [...] das Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist“278. Unter Rückgriff auf die englische und französische Textfassung wird in der Literatur übereinstimmend angenommen, dass grds. hier im Sinne von ausnahmslos zu interpretieren ist.279 Abschließend macht der EuGH dem vorlegenden Gericht die Prüfung zur Aufgabe, ob die Klage sich auf einen Anspruch stützt, „dessen Grund bei vernünftiger Betrachtungsweise in einem Verstoß gegen die Rechte und Pflichten aus dem zwischen den Parteien [...] bestehenden Vertrag gesehen werden kann, so dass dessen Berücksichtigung für die Entscheidung über die Klage zwingend erforderlich wäre“280. Wie diese Vorgaben konkret umzusetzen sind, wird – soweit ersichtlich – in der Literatur allerdings uneinheitlich beurteilt. Wendenburg/Schneider bejahen einen vertraglichen Anspruch gem. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO, „wenn (1) der Kläger einen Ersatzanspruch geltend macht und (2) das vorgeworfene Verhalten zugleich einen Verstoß gegen einen zwischen den Parteien bestehenden Vertrag darstellt“281. In expliziter282 Abgrenzung dazu möchte Wendelstein den Vertragscharakter nur bejahen, sofern der Anspruch dem Schutz einer gerade durch den Vertrag geschaffenen – und nicht unabhängig von diesem geschützten – Rechtsposition dient.283 Schließlich vertritt Pfeiffer die Auffassung, ein nach einer nationalen Rechtsordnung zweifelsfrei deliktisch einzustufender Anspruch sei (jedenfalls dann) als vertraglich i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO anzusehen, wenn das deliktsrechtliche Rechtswidrigkeitsverdikt von der Auslegung des zwischen den Parteien bestehenden Vertrags abhängt.284 276 

Vgl. das Beispiel unter Teil 3 §  3 C.I. EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  24. 278  EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  25. 279  Wendelstein, ZEuP 2015, 624 (625); Wendenburg/Schneider, NJW 2014, 1633 (1635). 280  EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  26. 281  Wendenburg/Schneider, NJW 2014, 1633 (1635). Dagegen Spickhoff, IPRax 2017, 72 (76 mit Fn.  31). 282  Siehe Wendelstein, ZEuP 2015, 624 (630 f. mit Fn.  26). 283  Wendelstein, ZEuP 2015, 624 (629 ff.). 284  Pfeiffer, IPRax 2016, 111 (112 ff.). 277 

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

Ungeachtet der Frage, wie die Brogsitter-Vorgaben konkret umzusetzen sind, würde die Übertragung sämtlicher Vorgaben auf den Einzugsbereich von Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO tendenziell dazu führen, dass der Kreis der arbeitsvertraglichen Ansprüche im Vergleich zu dem unter Teil 3 §  3 C.III.1.a) vorgeschlagenen Abgrenzungsverständnis enger ausfiele. In jedem Fall würden die die internationale Zuständigkeit prüfenden Gerichte mit zusätzlichen Fragestellungen belastet, auch wenn der EuGH – auf Grund der Wendung „bei vernünftiger Betrachtungsweise“285 –  in der Literatur wiederum übereinstimmend dahingehend interpretiert wird, dass eine strikte kollisions- sowie sachrechtliche Prüfung nicht erforderlich sei286. Nach hier vertretener Auffassung zwingt das Holterman Ferho-Urteil (betreffend Haftungsansprüche gegen Geschäftsleiter) jedoch ohnehin nicht zur Übernahme sämtlicher Vorgaben aus der Brogsitter-Entscheidung. Es trifft zwar zu, dass der EuGH zunächst seine Brogsitter-Rechtsprechung auch mit der Reichweite des arbeitsvertraglichen Gerichtsstands verknüpft.287 Er bringt sogar sinngemäß zum Ausdruck, dass das vorlegende Gericht zu prüfen habe, ob das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten zu werten ist. Allerdings bejaht er im Verlauf des Urteils durch die Beantwortung der ersten Vorlagefrage selbst – nur unter der Voraussetzung, dass der betroffene Geschäftsleiter als Arbeitnehmer einzustufen ist – ein Eingreifen des arbeitsvertraglichen Gerichtsstands im Hinblick auf alle in Rede stehenden Anspruchsgrundlagen. Gerade auch im Hinblick auf den (nach niederländischem Verständnis) deliktischen Anspruch kommt Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO – nach abschließender Bewertung des EuGH – nur bei einem Nichtarbeitnehmergeschäftsleiter in Betracht.288 Dass der EuGH (geschweige denn das vorlegende Gericht, so wie es die Brogsitter-Doktrin herkömmlicherweise vorsieht) im Hinblick auf den (nach niederländischem Verständnis) deliktischen Anspruch – um mit den Worten des EuGH aus der Brogsitter-Entscheidung zu sprechen – überprüft hätte, ob „eine Auslegung des [Arbeits-] Vertrags [...] unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist“289, ist nicht erkennbar. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sich der EuGH in der Holterman Ferho-Entscheidung im speziellen Kontext von Haftungsklagen gegen Geschäftsleiter selbst nicht strikt an sämtliche Vorgaben aus der Brogsitter-Entscheidung gehalten hat. EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  26. Vgl. Pfeiffer, IPRax 2016, 111 (113 f.); Wendelstein, ZEuP 2015, 624 (631 f.). 287  Siehe EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  31 f. 288  Siehe Teil 3, Fn.  266. 289  EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  26. 285  286 

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

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Daher verbleibt es bei dem unter Teil 3 §  3 C.III.1.a) vorgeschlagenen Abgrenzungsverständnis. Dieses dürfte auch mit der Teilaussage290 der Brogsitter-Entscheidung vereinbar sein, dass ein (arbeits-)vertraglicher Anspruch bzw. (arbeits-)vertragliche Ansprüche dann vorliegen, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen (arbeits-)vertragliche Verpflichtungen angesehen werden kann. Kann das vorgeworfene Verhalten potentiell die Grundlage für die Verletzung einer Pflicht bilden, die (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiterstellung Bezug nimmt, ist die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht jedenfalls nicht von Vornherein von der Hand zu weisen. Das Verhalten weist dann eine hinreichende Verknüpfung zu den arbeitsvertraglichen Pflichten auf. Vorstehende Sichtweise bedingt jedenfalls auch folgenden Schluss: In Fällen von Anspruchskonkurrenz muss auf Grund des Vorwurfs desselben Verhaltens bzw. desselben Lebenssachverhalts291 für sämtliche Ansprüche eine arbeitsvertragliche Einstufung angenommen werden, sofern nur für einen der Ansprüche eine arbeitsvertragliche Qualifikation zweifelsfrei feststeht.292 c) Konsequenzen für die Innenhaftung des GmbH-Geschäftsführers Setzt man die Haftungsansprüche des deutschen Rechts, die einer GmbH potentiell gegenüber ihrem Arbeitnehmergeschäftsführer zustehen, in Beziehung zu dem vorstehend herausgefilterten Abgrenzungsverständnis, so offenbart sich ein weitreichendes Eingreifen von Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO. Unproblematisch sind zunächst diejenigen Ansprüche arbeitsvertraglich einzustufen, welche die Verletzung einer Organpflicht des deutschen Rechts sank­ tio­nieren. Diese Pflichten nehmen (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiterstellung Bezug – es handelt sich um arbeitsvertragliche Pflichten. Hierher gehören zunächst §  43 Abs.  2 und Abs.  3 S.  1 GmbHG.293 Soweit die EuInsVO EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  24. Vgl. zur Anspruchskonkurrenz etwa Bachmann, in: MüKoBGB, §  241 Rn.  35 ff.; Wolf/ Neuner, BGB AT, §  21 Rn.  1 ff. 292  Anders jedenfalls zur Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO im Anschluss an das Brogsitter-Urteil Dornis, GPR 2014, 352 (353): „Insoweit ist allerdings fraglich, ob allein vom Vorliegen einer Konkurrenz der Ansprüche, wie sie z. B. in der deutschen Dogmatik verstanden wird, auf einen erweiterten Vertragsgerichtsstand geschlossen werden kann. Es genügt noch nicht, dass der konkrete Sachverhalt die Tatbestände mehrerer Gesetze, so insbesondere des Vertragsrechts und des Deliktsrechts, erfüllt.“ Vgl. auch Spickhoff, IPRax 2017, 72 (76): „Zu weitgehend erscheint es daher, wenn es heißt, prinzipiell würden vom vertraglichen Erfüllungsort im Rahmen von Art.  7 EuGVVO sämtliche Anspruchsgrundlagen mit erfasst, die mit vertraglichen konkurrieren, also auch ganz pauschal deliktsrechtliche.“ 293  Vgl. zur Einordnung als Haftung wegen der Verletzung organschaftlicher Pflichten nur Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  43 Rn.  1; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  43 Rn.  4. 290  291 

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Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

keine Rolle spielt, untersteht die gerichtliche Geltendmachung von §  64 S.  1294 und S.  3295 GmbHG ebenfalls Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO. Auch bei der Geschäftsführerhaftung für falsche Angaben gem. §  9a Abs.  1 GmbHG handelt es sich um einen Anspruch aus einem individuellen Arbeitsvertrag i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO, da diese Haftung (nach zutreffender Ansicht zum deutschen Recht) die Verletzung einer Organpflicht sanktioniert296. Letztgenannte Einschätzung zum deutschen Sachrecht ist aber keine zwingende Voraussetzung für die Maßgeblichkeit von Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO. Es genügt, dass die in Rede stehenden Pflichten (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsführerstellung bezogen sind. Weitergehend sind jedoch auch diejenigen Ansprüche arbeitsvertraglicher ­Natur, die in der konkreten Klagesituation auf ein organtätigkeitsbezogenes Verhalten (welches potentiell die Grundlage für die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht bildet) gestützt werden. Da z. B. §  43 Abs.  2 GmbHG nur im Hinblick auf das dienstliche bzw. organtätigkeitsbezogene Verhalten des Geschäftsführers greift,297 müssen die in Anspruchskonkurrenz zu §  43 Abs.  2 GmbHG stehenden (nach deutschem Verständnis) deliktischen Ansprüche – etwa aus §  826 BGB oder aus §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz298 – ebenfalls arbeitsvertraglicher Natur sein. Letztgenannte Ansprüche stellen – bei Klagen gegen einen Arbeitnehmergeschäftsleiter – nur dann keine arbeitsvertraglichen Ansprüche dar, wenn das organtätigkeitsbezogene Verhalten nicht betroffen ist. Pfändet ein Gesellschaftsgläubiger einen arbeitsvertraglichen Anspruch der GmbH und lässt sich diesen überweisen, um selbst gerichtlich gegen den Geschäftsführer vorzugehen, berührt dies die internationale Zuständigkeit nicht. Denn (auch) die Rechtsnachfolge auf Arbeitgeberseite ist für die Maßgeblichkeit 294 

Das §  64 S.  1 GmbHG zu Grunde liegende Zahlungsverbot – siehe Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  347 – stellt eine Organpflicht dar. Vgl. Kolmann, in: Saenger/Inhester, GmbHG, §  64 Rn.  2: „krisenspezifische Organpflicht“. Vgl. auch Ringe/Willemer, NZG 2010, 56 (57): „gesellschaftsrechtlichen Organpflicht“. 295  Das §  64 S.  3 GmbHG zu Grunde liegende Zahlungsverbot stellt eine Organpflicht dar. Vgl. Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 Rn.  43; Kolmann, in: Saenger/Inhester, GmbHG, §  64 Rn.  82; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  80. 296  Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  9a Rn.  1 mit Fn.  1; Herrler, in: ­MüKo­GmbHG, §  9a Rn.  7; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  9a Rn.  11; Veil, in: ­Scholz, GmbHG, §  9a Rn.  6. 297  Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  247; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  43 Rn.  14; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  43 Rn.  29; Zöllner/Noack, in: Baumbach /Hueck, GmbHG, §  43 Rn.  10. 298  Zur Konkurrenz zwischen derartigen Ansprüchen und §  43 Abs.  2 GmbHG etwa Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  43 Rn.  6; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  43 Rn.  6. Vgl. zur Konkurrenz zwischen (nach deutschem Verständnis) gesellschaftsrechtlichen und deliktischen Ansprüchen auch Weber, IPRax 2013, 69 (73).

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

159

des Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO ohne Belang.299 Soweit der Klageursprung nicht im Insolvenzverfahrensrecht liegt, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit auch für die Klage des Insolvenzverwalters nach Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO300. 2. Bewertung der Vorgaben des EuGH Die Abgrenzung zwischen arbeitsvertraglichen und nichtarbeitsvertraglichen (insb. deliktischen) Ansprüchen ist insofern ohne größere Relevanz, als nichtarbeitsvertragliche Ansprüche – wie auch arbeitsvertragliche Ansprüche gem. Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO – in der Regel gem. Art.  4 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers eingeklagt werden können.301 Der Abgrenzung kommt jedoch Bedeutung zu, weil die arbeitsvertragliche Einstufung von Haftungsansprüchen einen Rückgriff z. B. auf Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO ausschließt. Die Vorgaben des EuGH, die jedenfalls dazu führen, dass nach nationalem Verständnis eindeutig deliktische Haftungsansprüche potentiell als arbeitsvertragliche Ansprüche i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO einzustufen sind302 und folglich lediglich im Wohnsitzstaat des Geschäftsleiters verfolgt werden können, sind insb. aus zwei Gründen kritisiert worden: Zum einen wird auf die tendenzielle Sach- und Beweisferne des Gerichtsstands gem. Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO verwiesen.303 Es lässt sich nicht bestreiten, dass eine deliktische Einstufung der betroffenen Haftungsansprüche gegen Geschäftsleiter und die daraus resultierende Maßgeblichkeit von Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO, der Klagen am Handlungs- und Erfolgsort ermöglicht304, dem Gedanken der Sach- und Beweisnähe deutlich besser gerecht wird. Denn der für die Beurteilung der Klage relevante Sachverhalt muss mit dem Wohnsitz des Arbeitnehmers in keinem nennenswerten Zusammenhang stehen. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO ermöglicht demgegenüber eine Klage in demjenigen Staat, „in dem sich das deliktische 299  Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  19 EuGVVO Rn.  6; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  21 Brüssel  Ia-VO Rn.  81; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  20 Rn.  45. 300  Vgl. zum Übergang der Verfügungsbefugnis von Gesetzes wegen Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  21 Brüssel  Ia-VO Rn.  81. 301  Vgl. auch Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  22 Rn.  12 im Hinblick auf die Kognitionsbefugnis eines nach Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO zuständigen Gerichts. 302  Siehe Text zu Teil 3, Fn.  267. 303  von Hein, IWRZ 2016, 29 (31); Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (907). Vgl. zum Verhältnis zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO auch Weber, IPRax 2013, 69 (73). 304  EuGH, Urt. v. 30.11.1976 – 21/76 – Mines de Potasse, Rn.  13 ff.; EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  51; Geimer, in: Zöller, ZPO, Art.  7 EuGVVO Rn.  68; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  15.

160

Teil 3: Bedeutung der Art.  17 ff., 20 ff., 24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO

Kerngeschehen abgespielt hat“305. Zum anderen lässt sich die Schutzwürdigkeit des vermeintlich deliktisch geschädigten Arbeitgebers306 und speziell im Kontext von Haftungsklagen gegen Geschäftsleiter – angesichts der klassischen PrincipalAgent-Pro­ble­matik – die Schutzwürdigkeit der Gesellschafter anführen.307 Je umfangreicher die zuständigkeitsrechtliche Privilegierung des Arbeitnehmers auf Grund der Maßgeblichkeit von Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO, desto größer die Gefahr der Vernachlässigung derartiger Schutzwürdigkeit. Dennoch sprechen die besseren Gründe für das vorstehend vorgeschlagene Abgrenzungsverständnis. Es ermöglicht zunächst eine klare und einfache Bestimmung arbeitsvertraglicher Ansprüche i. S. d. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO. Demgegenüber dürfte etwa die Frage danach, „ob konkurrierende deliktische Ansprüche auf deckungsgleichen Pflichten aufbauen, die in ihrem Bestand oder ihrer Ausgestaltung von einem Vertrag abhängen, oder ob hingegen ein ganz eigenständiger Haftungsgrund besteht“308, die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit tendenziell verkomplizieren. Darüber hinaus wird das Abgrenzungsverständnis dem Erfordernis einer autonomen Auslegung des Anknüpfungsgegenstands von Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO gerecht, da nationale Besonderheiten – insb. die dem Arbeitgeber nach nationalem Recht zur Verfügung stehenden Ansprüche – keine Rolle spielen. Es muss lediglich geklärt werden, ob ein organtätigkeits- bzw. anstellungsvertragsbezogenes Verhalten des Geschäftsleiters zur Debatte steht. Dies dürfte möglich sein, ohne in eine kollisions- bzw. sachrechtliche Prüfung einzusteigen. Ferner setzt das Abgrenzungsverständnis den durch die Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO bezweckten Arbeitnehmerschutz309 konsequent um. Befindet sich der Arbeitnehmer im Hinblick auf ein bestimmtes Tätigkeitsfeld (hinsichtlich seines organtätigkeits- oder anstellungsvertragsbezogenen Verhaltens) in einer untergeordneten Position und strebt man in Bezug auf dieses Unterordnungsverhältnis überhaupt internationalzuständigkeitsrechtlichen Schutz an, liegt es nahe, den Arbeitnehmer im Hinblick auf dieses Tätigkeitsfeld auch umfassend zu schützen. Klammerte man demgegenüber in Anspruchskonkurrenz zu „klar“ arbeitsvertraglichen Ansprüchen stehende, nach nationalem Verständnis eindeutig deliktische Haftungsansprüche aus dem EinWeber, IPRax 2013, 69 (73) (Hervorhebung nicht i. O.). Vgl. zum Schutz des Geschädigten als Argument gegen die Erstreckung der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO auf außervertragliche (insb. deliktische) Rechtsverhältnisse etwa Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Brüssel  Ia-VO Rn.  7, der jedoch zu Recht darauf hinweist, dass überhaupt deliktische (und nicht arbeitsvertragliche) Ansprüche vorliegen müssten. 307  von Hein, IWRZ 2016, 29 (31). 308  Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (907) zur Trennlinie zwischen vertraglichen und deliktischen Pflichten. 309  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  106. 305  306 

§  3 Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO

161

zugsbereich von Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO aus, käme dies insoweit zwar dem Arbeitgeber und der Sach- und Beweisnähe zu Gute. Es bestünde jedoch die Gefahr, den durch die Art.  20 ff. bezweckten und im Hinblick auf die „klar“ arbeitsvertraglichen Ansprüche auch realisierten Arbeitnehmerschutz dadurch auszuhöhlen, dass der Arbeitnehmer sich außerhalb seines Wohnsitzstaats gegen die – häufig310 – konkurrierenden (vermeintlich deliktischen) Ansprüche zur Wehr setzen muss, obschon es vollumfänglich um ein und dasselbe Verhalten geht. 3. Ergebnis Pflichten, die (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiterstellung Bezug nehmen, sind arbeitsvertraglicher Natur. Dies trifft insb. auf die Organpflichten des deutschen Rechts zu. Ansprüche der Gesellschaft, welche die Kehrseite arbeitsvertraglicher Pflichten im vorstehenden Sinne bilden bzw. die Verletzung derartiger Pflichten sanktionieren, sind arbeitsvertragliche Ansprüche. Auch sonstige Ansprüche der Gesellschaft, die nicht die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht sanktionieren, sind insoweit Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO zuzuordnen, als das im Einzelfall vorgeworfene Verhalten potentiell die Grundlage für die Verletzung einer derartigen Pflicht bildet. Dies ist nur bei organtätigkeitsbezogenem Verhalten der Fall.

310  Vgl. etwa Weber, IPRax 2013, 69 (73): „Dass mit gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzungen häufig auch deliktische Ansprüche konkurrieren, liegt auf der Hand.“

Teil 4

Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO1 Fällt die gerichtliche Geltendmachung bestimmter Haftungsansprüche gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter weder unter den Ausschlusstatbestand des Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia‑VO noch in den Einzugsbereich der in Teil 3 dieser Arbeit behandelten Gerichtsstände2, kommt die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit gem. Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia‑VO in Betracht. Bilden ein „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ den Gegenstand des Verfahrens, ermöglicht Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO eine Klage am Erfüllungsort. Stehen dagegen eine „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Blickpunkt, verweist Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO auf den Ort des schädigenden Ereignisses.

§  1 Grundlegendes A. Allgemeines zu Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO Bei Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO handelt es sich um besondere Gerichtsstände, die dem Kläger neben dem allgemeinen Gerichtsstand gem. Art.  4 Abs.  1 1 

Die folgenden Ausführungen legen die Vorschriften der Brüssel  Ia-VO (Art.  7 Nr.  1 und 2) zu Grunde, obschon sich die angeführte Rechtsprechung bzw. Literatur teilweise auf die Vorgängervorschriften aus dem EuGVÜ (Art.  5 Nr.  1 und 3) bzw. der EuGVO (Art.  5 Nr.  1 und 3) beziehen. Im Hinblick auf die hier interessierende Abgrenzungsfrage machen EuGVÜ, ­EuGVO und Brüssel  Ia-VO inhaltlich jedoch keine verschiedenartigen Vorgaben, sodass besagte Rechtsprechung bzw. Literatur auf die Vorschriften der Brüssel  Ia-VO bezogen werden können. Vgl. zur Auslegungskontinuität zwischen EuGVÜ und EuGVO insoweit EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  28 f. Vgl. zur Auslegungskontinuität zwischen EuGVO und Brüssel  Ia-VO insoweit (und insbesondere zur Maßgeblichkeit der ÖFAB-Entscheidung für die Brüssel  Ia-VO) die Nachweise und den Text in Teil 4, Fn.  139. Vgl. zur Entstehungsgeschichte von Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO allgemein etwa Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  4 ff., 142 f. 2  Vgl. zum Vorrang des (einzig) potentiell relevanten Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO die Nachweise in und den Text zu Teil 3, Fn.  107.

164

Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Brüssel  Ia-VO zur Verfügung stehen.3 Die Klagemöglichkeit im Wohnsitzstaat des Beklagten (Art.  4 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO) wird durch ein Eingreifen von Art.  7 Nr.  1 oder 2 Brüssel  Ia-VO daher nicht tangiert. Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO regeln sowohl die internationale als auch – und insoweit über Art.  4 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO hinausgehend4 – die örtliche Zuständigkeit.5 Nach dem klaren Wortlaut des Eingangssatzes6 von Art.  7 Brüssel  Ia-VO kommen der Vertrags- und Deliktsgerichtsstand – entgegen anderslautenden Reformbestrebungen7 – jedoch nur zum Zuge, sofern der Beklagte8 seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat. Sie begründen für diesen Fall die Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte, nicht jedoch derjenigen des Wohnsitzstaats des Beklagten.9 In der Regel (vgl. Art.  25 Abs.  1 S.  2 Brüssel  Ia-VO) verdrängt werden Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO durch Zuständigkeitsvereinbarungen.10 Sowohl der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ gem. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO als auch der Begriff „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung“ gem. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO sind nach h. M. autonom – und damit nicht nach der lex fori oder lex causae11 – auszulegen.12 Ziel ist ein (für alle Mitgliedstaaten) einheitliches, aus der Brüssel  Ia-VO selbst zu entwi3  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  7 EuGVVO Rn.  1; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  1; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  9. 4  Vgl. Mumelter, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im EuZPR, S.  25; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  4 EuGVVO Rn.  1. 5  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  4; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  1. 6  „Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat“. 7  Vgl. den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, KOM (2010) 748 final, S.  26. 8  Unerheblich ist demgegenüber, wo sich der Wohnsitz des Klägers befindet. Vgl. Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  13; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  1 EuGVVO Rn.  1. 9  Vgl. wiederum den Wortlaut des Eingangssatzes: „kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden“. Vgl. auch Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  7 EuGVVO Rn.  4; Nagel/Gottwald, IZPR, §  3 Rn.  48; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Vor Art.  7–9 EuGVVO Rn.  1. A. A. Mumelter, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im EuZPR, S.  25 f. 10  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  1. Ausführlich zu Gerichtsstandsvereinbarungen im Kontext des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  440 ff. 11  Vgl. zu diesen Ansätzen Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  14 f., 109; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes, S.  79. 12  EuGH, Urt. v. 27.09.1988 – 189/87 – Kalfelis, Rn.  15 f.; EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  27; EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  18; Hoffmann, ZZP 128 (2015), 465 (465 f.); Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO

§  1 Grundlegendes

165

ckelndes Begriffsverständnis.13 Am Beispiel von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO sei darauf hingewiesen, dass die Vorgabe der autonomen Auslegung auf zweierlei14 bezogen werden muss: Einerseits ist autonom zu bestimmen, ob überhaupt ein Vertrag vorliegt. Andererseits ist autonom festzulegen, ob – auch wenn ein Vertrag vorliegt – tatsächlich ein Anspruch aus einem/diesem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bildet.15 Im Hinblick auf den letzten Punkt kann als geklärt gelten: Grds. erfasst Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO sowohl Ansprüche, die unmittelbar aus dem Vertrag folgen als auch Ansprüche, die ihren Grund in der Nicht­ein­ hal­tung einer Vertragspflicht haben.16 Dass der Anspruch aus einer Rechtsvorschrift folgt (d. h. etwa gesetzlich normiert ist und nicht explizit Gegenstand der Parteivereinbarung war), schließt die Maßgeblichkeit von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO nicht aus.17 Dass die Pflicht, deren Verletzung den geltend gemachten Anspruch auslöst, aus einer Rechtsvorschrift folgt, macht einen Rückgriff auf den Vertragsgerichtsstand ebenfalls nicht unmöglich.18 Dies trifft auch insoweit zu, als es sich bei den Ansprüchen/Pflichten um zwingendes Recht handelt.19 Insgesamt ist angesichts der geschilderten Auslegungsvorgaben zu betonen, dass die vertragliche oder deliktische Einordnung eines Anspruchs im Rahmen einer nationalen Rechtsordnung keinesfalls die vertragliche oder deliktische Einstufung auf der Ebene der Brüssel  Ia-VO determiniert.20 Rn.  17 ff., 109; Schack, IZVR, Rn.  291 f. A. A. etwa Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  16. 13  Vgl. Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  43. 14  Insofern differenzierend bereits Schlosser, IPRax 1984, 65 (65); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  245. Vgl. zu dieser Differenzierung auch Haas, NZG 2013, 1161 (1162); Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  19. 15  Vgl. EuGH, Urt. v. 08.03.1988 – 9/87 – Arcado, Rn.  12 f.; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  3. 16  Vgl. EuGH, Urt. v. 08.03.1988 – 9/87 – Arcado, Rn.  12 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  14; Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  19; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  33; Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  55. Vgl. in Bezug auf die Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsleitern auch Haas, NZG 2013, 1161 (1162 f.); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873). Demgegenüber begrenzend Bachmann, IPRax 2009, 140 (142 f.), der „schadensstiftende Handlungen einzelner Gesellschafter“ dem Vertragsgerichtsstand entziehen möchte. 17  Vgl. Haas, NZG 2013, 1161 (1162): „(aus dem Gesetz folgende) Sekundäransprüche“; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  14; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  37; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes, S.  89. 18  Vgl. Jault-Seseke/Weller, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  5 Nr.  1 Rn.  15; Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  55; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes, S.  90. 19  Vgl. Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  13; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  244 f. 20  Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  18; Paulus, in: Paulus/Peif-

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Auf dieser Basis erfasst Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO jede Klage, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO anknüpft.21 Das Vorliegen eines reinen Vermögensschadens schließt die Maßgeblichkeit von Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO nach ganz h. M. nicht aus.22 Ein Eingreifen des Deliktsgerichtsstands kommt aber nur in Betracht, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem ihm zu Grunde liegenden Ereignis feststellbar ist.23 Zwar bereitet die exakte Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen bzw. inwieweit eine Klage (noch) an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ anknüpft, Probleme.24 Auch fällt nicht jeder nichtvertragliche Anspruch automatisch unter Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO.25 Aus der genannten Formulierung26 lässt sich jedoch folgern, dass ein Eingreifen des Deliktsgerichtsstands die Nichtmaßgeblichkeit des Vertragsgerichtsstands voraussetzt.27 Art.  7 Nr.  1 und Nr.  2 Brüssel  Ia-VO schließen sich mithin wechselseitig aus.28 Auch diese Folgerungen bedürfen indes der Präzisierung, da sie nicht erkennen lassen, inwieweit das Verhältnis wechselseitiger Exklusivität besteht. Bezogen auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter kommt es angesichts der eindeutigen Formulierung zum Einzugsbereich von

fer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  161; Wendelstein, ZEuP 2015, 624 (626); Wied, Zivilprozessuale Qualifikationsprobleme, S.  113; vgl. auch zu §  823 BGB BGH, Urt. v. 27.05.2008 – VI ZR 69/07 = EuZW 2008, 447 (447 f.). 21  EuGH, Urt. v. 27.09.1988 – 189/87 – Kalfelis, Rn.  17 f.; EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  20; EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  68. 22  Vgl. Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  74; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  110; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  203; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  133. 23  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  34; Kindler, IPRax 2014, 486 (489); Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  109; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1 (13); ten Wolde/Knot/Weller, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  5 Nr.  3 Rn.  11. 24  Vgl. etwa Dornis, GPR 2014, 352 (353): „bislang weitgehend offen, wie der EuGH das Merkmal eines ‚Anknüpfens‘ des Delikts an einen Vertrag verstanden wissen will“. 25  Vgl. Kindler, IPRax 2014, 486 (489); Mankowski, RIW 2017, 322 (322); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  226. 26  Siehe Text zu Teil 4, Fn.  21. 27  Vgl. zum prüfungstechnischen Vorrang der vertraglichen Qualifikation etwa Haas, NZG 2013, 1161 (1162); Hess, EuZPR, §  6 Rn.  69; Mankowski, IPRax 2003, 127 (128); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  160 mit Fn.  565; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  17; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (872 mit Fn.  32). 28  Haas, NZG 2013, 1161 (1162); Mankowski, IPRax 2003, 127 (128); Paulus, in: Paulus/ Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  160; Stadler, FS Musielak, S.  569 (585); Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  17, 123.

§  1 Grundlegendes

167

Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO29 jedenfalls nicht in Betracht30, einen (materiell-rechtlichen) Haftungsanspruch31 zugleich vertraglich und deliktisch einzustufen32. In Abgrenzung gegenüber einer potentiell zu bejahenden „erweiterten Ausschließlichkeit“ lässt sich insoweit von einer „gewöhnlichen Ausschließlichkeit“33 sprechen. Es ist ungeklärt, ob darüber hinaus (etwa im Hinblick auf ein und denselben geschlossenen Sachverhalt, ein und denselben Streitgegenstand oder ein und denselben Schaden) eine „erweiterte Ausschließlichkeit“ anzunehmen ist.34 Hingewiesen sei darauf, dass die Annahme einer „erweiterten Ausschließlichkeit“ im Hinblick auf eine Mehrzahl von Haftungsansprüchen in einem konkreten Fall dazu führt, dass alle betroffenen Haftungsansprüche einheitlich z. B. vertraglich einzustufen sind. Insofern unterscheidet35 sich letztgenannte Konstellation von der Diskussion über eine potentielle Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexkompetenz.36 Diese kommt nämlich nur in Betracht, sofern verschiedenartige Ansprüche – zumindest ein vertraglicher Anspruch i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO mit zumindest einem deliktischen Anspruch i. S. d. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO – konkurrieren. Unterstellt man einmal das Vorliegen verschiedenartiger Ansprüche, lehnt die h. M. eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexkompetenz des gem. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO für deliktische 29 

Siehe Text zu Teil 4, Fn.  21. Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  407, der in Bezug auf die Gesellschafterhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs gegenüber der Gesellschaft gem. §  826 BGB ausnahmsweise sowohl Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO als auch Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO in Stellung bringen will. 31  I. S. d. Lehre von der Anspruchskonkurrenz. Vgl. Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  109. 32  Allgemein in diesem Sinne Wied, Zivilprozessuale Qualifikationsprobleme, S.  112: „Es sollte darauf hingewiesen werden, dass ein materieller Anspruch prozessrechtlich nicht zugleich vertraglich und deliktisch eingeordnet werden kann.“ Grds. auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  405: „Dogma [...], dass ein Anspruch entweder nur dem vertraglichen oder deliktischen Gerichtsstand unterfällt“. 33  Vgl. zur Terminologie Wied, Zivilprozessuale Qualifikationsprobleme, S.  112 mit Fn.  613. 34  Vgl. zu derartigen Überlegungen Schlussanträge GA Darmon v. 15.06.1988 – 189/87 – Kalfelis, Rn.  30; Hoffmann, ZZP 128 (2015), 465 (467); Lohse, Das Verhältnis von Vertrag und Delikt, S.  29 ff.; Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1021 (1026 ff.) vor allem unter Berufung auf Schlussanträge GA Geelhoed v. 31.01.2002 – C-334/00 – Tacconi, Rn.  71 ff.; Wied, Zivilprozessuale Qualifikationsprobleme, S.  111 ff. 35  Deutlich zum Unterschied zwischen einer (einheitlich) vertraglichen Qualifikation und der Frage nach einer Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexkompetenz etwa Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  101; Spickhoff, IPRax 2017, 72 (75 mit Fn.  22); Wendelstein, ZEuP 2015, 624 (626); Wegen/Asbrand, IWRZ 2016, 248 (250). 36  Vgl. dazu etwa Geimer, IPRax 1986, 80; Schack, IZVR, Rn.  395 ff.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  302 ff.; Wied, Zivilprozessuale Qualifikationsprobleme, S.  109 ff. 30  A. A.

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Ansprüche zuständigen Gerichts für vertragliche Ansprüche ab.37 Ob – umgekehrt – eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexkompetenz des gem. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO für vertragliche Ansprüche zuständigen Gerichts für deliktische Ansprüche bejaht werden kann, ist heftig umstritten.38 Teilweise interpretieren Stimmen aus der Literatur die Brogsitter-Entscheidung39 des EuGH derart, dass auch insofern eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexkompetenz ausscheiden müsse.40 Nach hier vertretener Auffassung unterstreicht jedenfalls die Entscheidung in der Rechtssache Holterman Ferho41 dieses Ergebnis. Im Hinblick auf den nach niederländischem Verständnis deliktischen Anspruch42 befürwortet der EuGH in dieser Entscheidung die Zuständigkeit des in Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bezeichneten Gerichts für den Fall, dass „das dem Geschäftsführer zur Last gelegte Verhalten als Verletzung seiner vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden [kann]“43. Den soeben direkt zitierten Passus verwendet der EuGH seit der Brogsitter-Entscheidung zur Identifizierung vertraglicher Ansprüche i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO.44 Man darf also wie folgt übersetzen: Das in Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bezeichnete Gericht ist zuständig, sofern ein vertraglicher Anspruch in Rede steht. Darüber hinaus EuGH, Urt. v. 27.09.1988 – 189/87 – Kalfelis, Rn.  19; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  7 EuGVVO Rn.  31; Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  7 VO (EU) 1215/2010 Rn.  53; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  79; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  113; Spickhoff, IPRax 2017, 72 (74); Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  7 EuGVVO Rn.  17; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  125 ff. A. A. etwa Geimer, IPRax 1986, 80 (81 f.); ders., in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  222. 38  Auch insofern gegen eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexkompetenz etwa Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  7 VO (EU) 1215/2010 Rn.  14; Spickhoff, IPRax 2017, 72 (75); Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  127; vgl. auch Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  110. A. A. etwa Geimer, IPRax 1986, 80 (81 f.); ders., in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  50; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  79; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  101; Mumelter, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im EuZPR, S.  83; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  308; Wied, Zivilprozessuale Qualifikationsprobleme, S.  117; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes, S.  96 ff. 39  EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter. 40  Dornis, GPR 2014, 352 (353); Wendelstein, ZEuP 2015, 624 (625 f.). 41  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho. 42  Vgl. zum Sachverhalt die Nachweise in und den Text zu Teil 3, Fn.  124 und 126. Dass sich die sogleich in Bezug genommenen Aussagen des EuGH auf die deliktische Anspruchsgrundlage beziehen, ergibt sich klar aus EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  70: „Soweit das nationale Recht es gestattet, eine Klage der Gesellschaft gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer auf eine ihm zur Last gelegte unerlaubte Handlung zu stützen“. 43  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  71. 44  EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  23 f. 37 

§  1 Grundlegendes

169

betont der EuGH, dass im umgekehrten Fall – d. h. bei Vorliegen eines nichtvertraglichen und damit in diesem Fall deliktischen Anspruchs i. S. d. Brüssel  Ia-VO – Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO zum Zuge kommt.45 Dass (gewissermaßen als dritte Möglichkeit) das in Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bezeichnete Gericht, welches nach Auffassung des EuGH – ein Nichteingreifen von Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO unterstellt – für die Entscheidung über den gesellschaftsrechtlichen Anspruch zuständig ist46, auch dann über den konkurrierenden, nach niederländischem Verständnis deliktischen Anspruch mitentscheiden dürfte, sofern dieser Anspruch auch im Rahmen der Brüssel  Ia-VO deliktisch i. S. v. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO einzustufen ist, erwähnt der EuGH mit keinem Wort. Das in Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bezeichnete Gericht ist daher nur insoweit kognitionsbefugt, als es sich um vertragliche Ansprüche i. S. v. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO handelt. Im Ergebnis scheidet eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexkompetenz im Bereich von Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO daher vollumfänglich aus. Schließlich gilt es zu beachten, dass eine Rechtsnachfolge – sowohl im Hinblick auf Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO47 als auch in Bezug auf Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO48 – die Einstufung eines Anspruchs als vertraglich bzw. deliktisch und damit die Klagemöglichkeit im Vertrags- bzw. Deliktsgerichtsstand nicht berührt. Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Pfändet ein Gesellschaftsgläubiger einen z. B. vertraglich einzuordnenden Haftungsanspruch der Gesellschaft und lässt sich diesen überweisen, um selbst gerichtlich gegen den Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter vorzugehen, ändert dies an der Anwendbarkeit von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO nichts.49 Blendet man insolvenzrechtliche Haftungsansprüche einmal aus, tangiert auch der Umstand, dass der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gesellschaft als Partei kraft Amtes z. B. einen grds. verEuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  71. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  54. 47  Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  73; Jault-Seseke/Weller, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  5 Nr.  1 Rn.  13; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  9; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  11; Martiny, FS Geimer, S.  641 (661); Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  25 mit Fn.  46; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  14; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  6a; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (877); vgl. im Hinblick auf die Abtretung auch Schack, IZVR, Rn.  294. Diese ganz herrschende Sichtweise steht in einem gewissen Spannungsverhältnis – vgl. insoweit Hau, IPRax 2006, 507 (508) – zu EuGH, Urt. v. 05.02.2004 – C-265/02 – Frahuil. 48  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  56 ff.; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  104; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  153; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  12; Thole, GPR 2014, 113 (115). 49  Wedemann, ZEuP 2014, 867 (876 f.). 45  46 

170

Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

traglichen Anspruch der Gesellschaft gerichtlich durchsetzt, die Maßgeblichkeit des Vertragsgerichtsstands nicht.50 Umgekehrt kann der Vertragsgerichtsstand dem Insolvenzverwalter aber dann nicht zur Verfügung stehen, sofern er einen Anspruch bzw. Ansprüche einklagt, für die außerhalb des Insolvenzverfahrens der Anwendungsbereich von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO nicht eröffnet war.51

B. Mitgliedschaftsverhältnis und organschaftliches Rechtsverhältnis als Vertrag Nach einhelliger Ansicht setzt die Annahme, dass ein „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO den Gegenstand des Verfahrens bilden, voraus, dass eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung bestimmt werden kann.52 Aus dem Erfordernis der freiwillig eingegangenen Verpflichtung lässt sich ableiten, dass die Art und Weise der Begründung des Rechtsverhältnisses über das Vorliegen eines Vertragsverhältnisses entscheidet. Besonderheiten des entstandenen Rechtsverhältnisses sind demgegenüber nicht ausschlaggebend.53 Obschon der EuGH in ständiger Rechtsprechung betont, die Bejahung eines Vertrags i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO setze nicht den Abschluss eines Ver50  Vgl. zum Insolvenzverwalter auf Klägerseite Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  7 VO (EU) 1215/2010 Rn.  11; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  11; Nagel/ Gottwald, IZPR, §  3 Rn.  54; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  14. 51  Ausnahmsweise a. A. Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  421 ff. im Hinblick auf die persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten, die nur im Falle der Insolvenzverwalterklage – demgegenüber soll dem klagenden Gesellschaftsgläubiger weder der Vertrags- noch der Deliktsgerichtsstand zur Verfügung stehen – Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO unterfallen soll. Ablehnend auch Haas, RabelsZ 77 (2013), 632 (638): „Gänzlich unverständlich werden Webers Ausführungen aber, wenn er die Ansicht vertritt, dass Ansprüche aus §  128 HGB dann unter Art.  5 Nr.  1 EuGVO fallen, wenn diese von dem Insolvenzverwalter nach §  93 InsO geltend gemacht werden [...].“ 52  EuGH, Urt. v. 17.06.1992 – C-26/91 – Handte, Rn.  15; EuGH, Urt. v. 27.10.1998 – C-51/97 – Réunion européenne, Rn.  17; EuGH, Urt. v. 17.09.2002 – C-334/00 – Tacconi, Rn.  23; EuGH, Urt. v. 05.02.2004 – C-265/02 – Frahuil, Rn.  24; EuGH, Urt. v. 20.01.2005 – C-27/02 – Engler, Rn.  51; EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  33; EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  52; Bach, IHR 2010, 17 (22); Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  20; Mankowski, IPRax 2003, 127 (129); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  26, 29. 53  Differenzierend zwischen der Art und Weise der Begründung der Verpflichtung und den Rechtsfolgen bereits Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  233. Vgl. auch Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  107: „Das organisationsrechtliche Element eines Gesellschaftsvertrages steht somit offensichtlich der Anwendung des Art.  5 Nr.  1 EuGVÜ und folglich auch des Art.  5 Nr.  1 a EuGVO nicht entgegen.“ Vgl. zudem Weller, ZGR 2012, 606 (615).

§  1 Grundlegendes

171

trags voraus,54 hat er über das Erfordernis der freiwillig eingegangenen Verpflichtung hinaus die Notwendigkeit einer Annahme dieser Verpflichtung durch die andere Person angedeutet55. Auch in der Literatur wird eine Annahme (zumindest teilweise) ausdrücklich gefordert.56 Sollte Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO das Erfordernis einer Annahme statuieren, bedeutete dies gleichwohl nicht, dass einseitige Rechtsgeschäfte per se nicht unter diese Vorschrift fallen57. Denn nach allgemeiner Ansicht erfüllt die (gerichtliche) Geltendmachung eines Anspruchs durch die andere Person in jedem Falle das (potentielle) Annahmeerfordernis.58 Dass ein Rechtsgeschäft – nach dem einschlägigen nationalen Recht – unabhängig von jedweder Annahmeerklärung zustande kommt, schließt die Einstufung als Vertrag i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO daher jedenfalls nicht strikt aus. I. Mitgliedschaftsverhältnis Der EuGH59 und die einhellige Ansicht in der Literatur60 ordnen das Mitgliedschaftsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern als Vertrag i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO ein. Diese Sichtweise lässt sich auf folgende Überle54  EuGH, Urt. v. 17.09.2002 – C-334/00 – Tacconi, Rn.  22; EuGH, Urt. v. 20.01.2005 – C-27/02 – Engler, Rn.  50. Vgl. auch Bach, IHR 2010, 17 (23); Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  7; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  26. 55  EuGH, Urt. v. 20.01.2005 – C-27/02 – Engler, Rn.  55. 56  Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  53 f.; vgl. auch Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes, S.  93 f.; kritisch zum Annahmeerfordernis etwa Leible, NJW 2005, 796 (797); ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  21. 57  Die h. M. in der Literatur spricht sich ohnehin für die Einbeziehung einseitiger Rechtsgeschäfte in den Anwendungsbereich von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO aus. Vgl. Bach, IHR 2010, 17 (23); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  53; Haas, NZG 2013, 1161 (1162); Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  10; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  23, 31; Mankowski, IPRax 2003, 127 (129); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  26 mit Fn.  98; Schlosser, IPRax 1984, 65 (66). 58  EuGH, Urt. v. 20.01.2005 – C-27/02 – Engler, Rn.  55 f.; Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  53; vgl. auch Bach, IHR 2010, 17 (23); ­Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  31. 59  EuGH, Urt. v. 22.03.1983 – C-34/82 – Peters, Rn.  6, 13; EuGH, Urt. v. 10.03.1992 – C-214/89 – Powell Duffryn, Rn.  15 f. 60  Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  12 f.; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  26; Martiny, FS Geimer, S.  641 (658 f.); Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  3; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  29 ff.; Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  106 ff.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  233 f.; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (872 f.); Weller, ZGR 2012, 606 (615).

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

gungen stützen: Sowohl die Beteiligung an der Gründung einer Gesellschaft61 als auch der Beitritt zu einer Gesellschaft62 erfolgen auf rechtsgeschäftlicher Grundlage. Im Zuge besagter Beteiligung bzw. des Beitritts geht der jeweilige Gesellschafter freiwillig Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft ein. Diese Verpflichtungen werden auch regelmäßig – bei der Mehrpersonengründung durch die übrigen Gründer63; beim Beitritt durch die Gesellschafter bzw. die Gesellschaft64 – angenommen. Dass die Gesellschaft (z. B.) bei der Gründung nicht selbst Partei, sondern Gegenstand des Rechtsgeschäfts ist,65 steht dem Ver­trags­ charakter (i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO) des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern nicht im Wege. Dies hat der EuGH ausdrücklich entschieden.66 Die Gründung einer Einpersonen-GmbH bzw. Einpersonen-AG beruht auf einem einseitigen Rechtsgeschäft des Gründers.67 Die h. A. in der Literatur68, die einseitige Rechtsgeschäfte ohne Weiteres unter Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO fasst, kann auch hier unproblematisch einen Vertrag bejahen. Sofern man explizit eine Annahme fordert, kann eine solche in jedweder Umsetzung der freiwillig eingegangenen Verpflichtungen des Gründers erblickt werden. Auch insoweit dürfte daher (nach allen Auffassungen) stets ein Vertrag i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO gegeben sein. II. Organschaftliches Rechtsverhältnis Auch das organschaftliche Rechtsverhältnis69 zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter – etwa zwischen AG und Vorstandsmitglied70 oder zwischen GmbH und Geschäftsführer71 – könnte Vertragscharakter i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüs61  Vgl. etwa Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, §  2 Rn.  3; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  2 Rn.  6; Heider, in: MüKoAktG, §  2 Rn.  29; Heinze, in: MüKoGmbHG, §  2 Rn.  9; J. Schmidt, in: M/H/L/S, GmbHG, §  2 Rn.  35; K. Schmidt, GesR, S.  75 ff.; Servatius, in: Henssler/Strohn, GesR, §  705 BGB Rn.  18. 62  Vgl. etwa Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  185 Rn.  4; K. Schmidt, GesR, S.  1176; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  105 Rn.  67; Servatius, in: Spindler/Stilz, AktG, §  185 Rn.  12; Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  55 Rn.  31. 63  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  74. 64  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  89, 90 und 91. 65  Siehe Teil 3, Fn.  75. 66  EuGH, Urt. v. 10.03.1992 – C-214/89 – Powell Duffryn, Rn.  16. 67  Siehe Nachweise und Text in Teil 3, Fn.  73. 68  Siehe Nachweise und Text in Teil 4, Fn.  57. 69  Siehe zum Vertragscharakter des Anstellungsverhältnisses Teil 3, Fn.  128. 70  Vgl. etwa Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, GesR, §  84 AktG Rn.  2 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  84 Rn.  5 ff. 71  Vgl. etwa Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, §  35 GmbHG Rn.  6 ff.; Stephan/Tieves, MüKoGmbHG, §  35 Rn.  78 ff.

§  1 Grundlegendes

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sel  Ia-VO aufweisen. Der EuGH hat dies in der Rechtssache Holterman Ferho bejaht.72 Die einhellige Literatur teilt diese Auffassung.73 Diesem Ergebnis ist zunächst im Grundsatz zuzustimmen, weil das organschaftliche Rechtsverhältnis auf einer zweiseitigen rechtsgeschäftlichen Basis74 beruht, sodass eine freiwillig eingegangene Verpflichtung und eine Annahme unproblematisch bejaht werden können. Auch im Hinblick auf fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter75 wird der Ver­trags­ charakter i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zu Recht bejaht76. Ein Ausschluss von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bei Haftungsklagen gegen derartige Geschäftsleiter77 stünde im Widerspruch zur sonstigen Rechtsprechung des EuGH. Danach ist das in Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bezeichnete Gericht auch dazu berufen, über die Rückgewähr von Beträgen zu entscheiden, die auf Grundlage eines nichtigen Vertrags gezahlt wurden.78 Die h. M. in der Literatur ordnet die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nichtiger Verträge dem Vertragsgerichtsstand zu.79 72  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  52 ff. Siehe Ausführungen unter Teil 3 §  3 B.I. 73  Freitag, ZIP 2014, 302 (306); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  32; Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Haubold, IPRax 2000, 375 (377); Hübner, ZGR 2016, 897 (912); Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  13; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  26; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  38; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  3; Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  113; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (872 f.); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  236 f. 74  Vgl. im Hinblick auf die AG etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  84 Rn.  5; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  84 Rn.  4. Vgl. im Hinblick auf die GmbH etwa Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  46 Rn.  55 f. 75  Hiervon spricht man, wenn zwar ein rechtsgeschäftlicher Bestellungsakt vorliegt, die Bestellung aber an einem Wirksamkeitsmangel leidet. Vgl. nur Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  219; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  84 Rn.  12 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, §  35 Rn.  8. 76  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  295 f. 77  Die Pflichtenstellung des fehlerhaft bestellten Geschäftsleiters entspricht nach zumindest h. M. derjenigen eines wirksam bestellten Geschäftsleiters. Vgl. nur Fleischer, in: ­MüKoGmbHG, §  43 Rn.  219; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  84 Rn.  13; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, §  35 Rn.  8. 78  EuGH, Urt. v. 20.04.2016 – C-366/13 – Profit Investment, Rn.  58. 79  Dörner, in: Saenger, ZPO, Art.  7 EuGVVO Rn.  8; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  64; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  34; Martiny, FS Geimer, S.  641 (657 f.); Mankowski, IPRax 2003, 127 (132); ders., RIW 2017, 322 (324 f.); Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  19; Paulus, in: Paulus/Peiffer/ Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  33; Schack, IZVR, Rn.  293; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  5; Stadler, FS Musielak, S.  569 (581 f.). Darauf hat im Zusammenhang mit fehlerhaft bestellten Geschäftsleitern bereits Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  296 hingewiesen.

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Warum dann aber die Haftungsansprüche, die an eine fehlerhafte Geschäftsleiterstellung anknüpfen (wie besagte Rückgewähr/Rückabwicklung lassen sich diese Haftungsansprüche auf einen rechtsgeschäftlichen, wenn auch unwirksamen Akt zurückführen), per se keine „Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO darstellen sollen, wäre nicht einleuchtend. Von der Figur des fehlerhaft bestellten Geschäftsleiters ist diejenige des faktischen Geschäftsleiters zu unterscheiden. Ohne dass überhaupt ein Bestellungsakt vorliegt, nimmt der Geschäftsleiter hier bloß tatsächlich Geschäftsleitungsaufgaben wahr.80 Unter bestimmten (im Einzelnen streitigen) Voraussetzungen81 wird auch insofern vertreten, dass die Pflichtenstellung derjenigen eines wirksam bestellten Organs entspricht.82 Da es an einem rechtsgeschäftlichen Bestellungsakt fehlt und die Voraussetzungen, die der EuGH an eine freiwillig eingegangene Verpflichtung stellt, nicht abschließend bestimmt sind83, ist es im Ausgangspunkt problematisch, ob mit der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung eine derartige Verpflichtung einhergeht. Diejenigen Stimmen, die sich mit der Frage befasst haben, bejahen gleichwohl ein vertragliches Band i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zwischen der Gesellschaft und dem faktischen Geschäftsleiter.84 Nach hier vertretener Auffassung lässt sich dieses Ergebnis auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens stützen, welches sowohl bei der Bestimmung des Gegenstands von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO85 als auch im Hinblick auf die Figur des faktischen Geschäftsleiters im materiellen Recht86 von der Literatur bereits angeführt wurde. Wer zumindest in maßgeblichem Umfang GeschäftsleitungsFleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  220; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  93 Rn.  38; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, §  35 Rn.  9. 81  Ausführlich dazu etwa Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  228 ff. 82  Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  242. Vgl. in Bezug auf §  43 GmbHG auch Ziemons, in: M/H/L/S, GmbHG, §  43 Rn.  19 ff. Vgl. in Bezug auf §  64 S.  1 und 3 GmbHG Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  16. Vgl. in Bezug auf §  93 Abs.  2 AktG Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  93 Rn.  38. Siehe zum fehlerhaft bestellten Geschäftsleiter die Nachweise und den Text in Teil 4, Fn.  77. 83  Bach, IHR 2010, 17 (22): „Leider hat der EuGH den Begriff der ‚freiwillig eingegangenen Verpflichtung‘ noch nicht abstrakt definiert, sondern lediglich – jeweils nahezu ohne jede Begründung – im Einzelfall entschieden, ob eine solche freiwillige Verpflichtung gegeben ist oder nicht. Es lässt sich diesbezüglich also noch keine verlässliche Linie nachzeichnen.“ Vgl. auch Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  20. 84  Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  297 ff. 85  Vgl. Leible, NJW 2005, 796 (797). 86  Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  226: „Wer sich die Stellung eines GmbH-Geschäftsführers anmaßt, dem muss der Einwand verwehrt sein, er könne mangels Bestellung nicht in Anspruch genommen werden. Dies folgt letztlich aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens.“ 80 

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aufgaben übernimmt,87 sollte sich nicht darauf berufen können, gegenüber der Gesellschaft bestehe eine „freiwillig eingegangene Verpflichtung“ nicht. Er muss sich vielmehr wie ein wirksam bestellter Geschäftsleiter behandeln lassen, sodass hier wie dort von einem Vertrag i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO auszugehen ist. Diesem Ergebnis steht auch nicht das Tacconi-Urteil des EuGH zur vorvertraglichen Haftung wegen Abbruchs von Vertragsverhandlungen im Wege,88 wonach die Aufnahme von Vertragsverhandlungen – und die damit zweifellos einhergehende besondere (tatsächliche) Nähebeziehung zwischen den Beteiligten – allein nicht für die Annahme einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO genüge89. Denn der faktische Geschäftsleiter bewegt sich nicht lediglich im vorvertraglichen Bereich. Vielmehr entspricht seine Aufgabenwahrnehmung derjenigen eines wirksam bestellten Geschäftsleiters und stellt damit ein typischerweise nach Vertragsschluss liegendes Verhalten dar. Verlangt man für die Bejahung der Figur des faktischen Geschäftsleiters eine Billigung der Gesellschafter,90 kann man darin die notwendige Annahme erblicken.91 Eine solche ist (auch) spätestens in der (gerichtlichen) Geltendmachung eines Haftungsanspruchs durch die Gesellschaft zu sehen.92 Im Ergebnis ist daher festzuhalten: Soweit Haftungsansprüche, die im Zusammenhang mit dem organschaftlichen Rechtsverhältnis stehen, gegenüber wirksam bestellten Geschäftsleitern vertraglich i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO einzustufen sind, ist auch gegenüber fehlerhaft bestellten Geschäftsleitern und faktischen Geschäftsleitern der Vertragsgerichtsstand gem. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO eröffnet.

C. Literaturmeinungen zur Abgrenzung bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter im Überblick An dieser Stelle soll ein Überblick über die in der Literatur vertretenen Ansätze zur Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO speziell im Hinblick auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter gegeben werden. Insofern bietet es sich an, im Ausgangspunkt zwischen der Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft und der Außenhaftung gegenüber den GesellschaftsgläubiVgl. zu dieser Voraussetzung für die Annahme eines faktischen Geschäftsleiters Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  229; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  93 Rn.  38. 88  Gegen eine Vergleichbarkeit der Haftungskonstellationen bereits Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  298. 89  EuGH, Urt. v. 17.09.2002 – C-334/00 – Tacconi, Rn.  17, 24 ff. 90  Vgl. dazu Fleischer, in: MüKoGmbHG, §  43 Rn.  234. 91  In diese Richtung (wohl) Haas, NZG 2013, 1161 (1163). 92  Siehe Nachweise und Text zu Teil 4, Fn.  58. 87 

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

gern zu differenzieren. Zwar trifft es zu, dass einige Autoren dieser Differenzierung keinen entscheidenden Einfluss zusprechen wollen.93 Gleichwohl dient diese Differenzierung vielen Autoren als Ausgangspunkt94 und die Argumentation, warum eine Innenhaftung (ausnahmsweise) nicht unter Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO fällt, weicht häufig von der Begründung des Umstands ab, dass eine Außenhaftung (ausnahmsweise) nicht Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO zuzuordnen ist. I. Innenhaftung Es besteht (weitgehende) Einigkeit darüber, dass Ansprüche der Gesellschaft gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter aus dem Mitgliedschaftsverhältnis bzw. organschaftlichen Rechtsverhältnis in der Regel als Ansprüche aus einem Vertrag i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO anzusehen sind.95 Als Beispiel für die Gesellschafterhaftung sei der Anspruch gem. §  31 Abs.  1 GmbHG genannt.96 Im Hinblick auf die Geschäftsleiterhaftung trifft dies auf Ansprüche gegen den Geschäftsführer gem. §  43 Abs.  2 GmbHG zu.97 Es stellt sich die Frage, ob bzw. welche Ausnahmen diese Grundregel zulässt. Man formt die Grundregel zu einer starren Regel aus und zieht den Kreis der von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO erfassten Ansprüche verhältnismäßig weit, sofern man (ausschließlich) auf den Vertragscharakter des Mitgliedschaftsverhältnisses bzw. des organschaftlichen Rechtsverhältnisses abstellt und schlussfolgert, dass jedenfalls diejenigen Haftungsansprüche, die nach nationalem Recht diesen Verhältnissen entspringen, (ausnahmslos) ebenso Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zuzu93  Haas, NZG 2013, 1161 (1163): „Die Frage also, ob es sich um eine (gesellschaftsrechtliche) Innen- oder eine Außenhaftung handelt, kann demnach für sich genommen nicht entscheidend für die zuständigkeitsrechtliche Qualifikation sein.“; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  254 ff. 94  Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873 f.); siehe auch die Gliederung bei Haas, NZG 2013, 1161 (1163). 95  Freitag, ZIP 2014, 302 (306); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  29, 32; Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Haubold, IPRax 2000, 375 (376 ff.); Lehmann, GmbHR 2005, 978 (979 ff.); Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  26; Nagel/Gottwald, IZPR, §  3 Rn.  50; Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  26, 30; Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (46 f.); Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 ­EuGVVO Rn.  3; Thole, GPR 2014, 113 (115); Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  31; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873 f.); speziell zum Mitgliedschaftsverhältnis Weller, ZGR 2012, 606 (616); Weller/Harms, IPRax 2016, 119 (122). 96  Vgl. nur Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Lehmann, GmbHR 2005, 978 (980); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  359 f.; Weller/Harms, IPRax 2016, 119 (122). 97  Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Haubold, IPRax 2000, 375 (378); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  363; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873 f.).

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rechnen sind.98 (Wohl) Nur etwas höhere Hürden stellt man dem Vertragsgerichtsstand mit der Forderung in den Weg, dass der geltend gemachte Anspruch direkt (die Verletzung nur mittelbarer Gesellschafterpflichten/Organpflichten genügt nicht) an die Stellung als Gesellschafter oder Geschäftsleiter anknüpft und die Verletzung von Pflichten sanktioniert, die aus dieser Rechtsstellung resultieren.99 Jedenfalls wäre der Anspruch aus §  64 S.  1 GmbHG – richtigerweise allenfalls bei Klageerhebung nicht anlässlich eines Insolvenzverfahrens100 – nach den beiden zuletzt genannten Auffassungen im Vertragsgerichtsstand geltend zu machen.101 Andere Autoren schränken die eingangs erwähnte Grundregel weitergehend ein bzw. formulieren andere Voraussetzungen für ein Eingreifen von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. So setzt die Eröffnung des Vertragsgerichtsstands nach Weber voraus, dass sich erstens die dem Haftungsanspruch zu Grunde liegende Pflicht ihrem Inhalt nach auf den Schutz des Gesellschaftsvermögens (und nicht auf den Schutz eines einzelnen Gesellschaftsgläubigervermögens) bezieht und zweitens die individuelle Rechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger nicht in den Streitgegenstand hineinspielt.102 In Bezug auf die Innenhaftung führt diese Sichtweise dazu, dass insb. der Anspruch gem. §  64 S.  1 ­GmbHG Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zuzurechnen ist, da das Zahlungsverbot103 dem Schutz des Gesellschaftsvermögens dient und die individuelle Rechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger nicht betroffen ist.104 Unerheblich ist hingegen, dass dieser Innenhaftungsanspruch dem Schutz der (außenstehenden) Gesellschaftsgläubiger dient.105 Auf dieser Basis müsste man konsequenterweise auch die Existenzvernichtungshaftung gem. §  826 BGB, sofern sie nicht anlässlich eines Insolvenzverfahrens geltend gemacht wird106, dem Vertragsgerichtsstand zuweisen,107 da auch insoweit eine gesellschaftsvermögensbezogene 98  In diese Richtung (wohl) Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  264: „so daß die organschaftliche Sonderbeziehung zwischen einer deutschen GmbH und ihrem Geschäftsführer, also auch die Haftung aus §  64 Abs.  2 GmbHG [a. F.], vertraglich i. S. des Art.  5 Nr.  1 EuGVO zu qualifizieren ist“ (Hervorhebung nicht i. O.). 99  In diesem Sinne Haubold, IPRax 2000, 375 (378). 100  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B. sowie Teil 2 §  3 C.VIII. 101  Haubold, IPRax 2000, 375 (378); Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  264. 102  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  308. 103  Siehe Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  347. 104  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  429 mit Fn.  1111. 105  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  429 f. 106  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  2 B. sowie Teil 2 §  3 C.V. 107  Insofern anders jedoch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  407, der im Ergebnis ein Eingreifen des Vertrags- und des Deliktsgerichtsstands befürwortet. Siehe (dagegen) Text zu Teil 4, Fn.  30 und 32.

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Pflicht in Rede steht108 und die individuelle Rechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger nicht in den Streitgegenstand hineinspielt. Dieser Sichtweise tritt eine starke Strömung in der Literatur insofern entgegen, als Innenhaftungsansprüche dann nicht mehr Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zugeordnet werden könnten, sofern sie allein (bzw. zumindest im Kern) dem Gesellschaftsgläubigerinteresse dienen.109 Legt man diese Prämisse zu Grunde, fällt der Anspruch gem. §  64 S.  1 GmbHG110 – entgegen dem Vorschlag von Weber – und die Haftung wegen Existenzvernichtung111 nicht unter Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO, da beide Ansprüche, nach zumindest h. M.112 im deutschen Recht, (im Kern) dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dienen. II. Außenhaftung Auch in Bezug auf Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter wird die Diskussion von unterschiedlichen Begründungsansätzen geprägt. Die strengste Meinung lehnt Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO in Fällen der Außenhaftung mit dem Argument ab, dass zwischen Gesellschaftsgläubiger einerseits und Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter andererseits (in der Regel) keine direkte/ unmittelbare vertragliche Beziehung besteht.113 Eine konsequente Umsetzung Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  402. Haas, NZG 2010, 495 (497); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (46); Wais, IPRax 2011, 138 (141); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (877). Siehe auch Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  26, 110, der den Anspruch aus §  64 S.  1 GmbHG (außerhalb des Insolvenzverfahrens) letztlich jedoch mit dem Argument der systematischen Kohärenz – mit Blick auf das ÖFAB-Urteil – deliktisch einordnen will. 110  Konsequenterweise für Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO Haas, NZG 2010, 495 (497); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (47); Wais, IPRax 2011, 138 (142); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (877). 111  Konsequenterweise für Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (46 f.); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (876 f.); im Ergebnis ebenso Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  110; Thole, GPR 2014, 113 (115). 112  Zu §  64 S.  1 GmbHG vgl. BGH, Urt. v. 15.03.2016 – II ZR 119/14 = NJW 2016, 2660 (2661); Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  64 Rn.  4; M. Schmidt-Leithoff/Schneider, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, §  64 Rn.  14; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (877). Zum existenzvernichtenden Eingriff vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2691); Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Anh. §  77 Rn.  115; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (877); deskriptiv auch Röck, Die Rechtsfolgen der Existenzvernichtungshaftung, S.  24: „ausschließlich gläubigerschützende Zielrichtung“. 113  Bose, Das Europäische Internationale Privat- und Prozessrecht der actio pro socio, S.  264 mit Fn.  1399 und 1400; Haubold, IPRax 2000, 375 (381); Lehmann, GmbHR 2005, 978 (981 f.); ders., IPRax 2005, 109 (110); Wegen/Asbrand, IWRZ 2016, 248 (250). In diese Richtung wohl auch Freitag, ZIP 2014, 302 (306 f.); Goette, DStR 1997, 503 (505) sowie Kindler, 108  109 

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dieses Arguments differenziert nicht zwischen Haftungsinstituten, die ein Fehlverhalten des Gesellschafters/Geschäftsleiters voraussetzen114 und solchen, die dies nicht tun115. Diese Sichtweise, die Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO in Bezug auf die Außenhaftung jegliche Relevanz abspricht, wird von vielen Autoren – auf unterschiedliche Art und Weise – Einschränkungen unterworfen. Zum Teil nimmt man das Argument der fehlenden direkten/unmittelbaren Vertragsbeziehung auf, um die Haftung der Gesellschafter einer OHG gem. §  128 S.  1 HGB und die Kommanditistenhaftung gem. §  171 Abs.  1 Hs. 1 HGB (auch in Bezug auf vertragliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft) dem Vertragsgerichtsstand zu entziehen.116 Zugleich117 soll aber die Haftung des Gesellschafters einer Außengesellschaft bürgerlichen Rechts für eine vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeit Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO unterstehen.118 Andere begründen die Relevanz des Vertragsgerichtsstands (jedenfalls in Bezug auf bestimmte Haftungsinstitute) mit Hinweis auf die vertragliche Begründung des Mitgliedschaftsverhältnisses.119 Eine – wegen des andersartigen Grund­ ansatzes gänzlich andere – Relevanz von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zeitigt auch diejenige Auffassung, die Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO in Stellung bringen will, sofern der Gesellschafter für eine vertragliche Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger mithaftet.120 Einerseits liegt das AugenIPRax 2014, 486 (486 f. nach Fn.  3, 488 f. nach Fn.  31), der (scheinbar) nur ergänzend zu dem Kriterium der „freiwillig eingegangenen Verpflichtung zwischen den Prozessparteien“ auf das Fehlverhalten des Gesellschafters hinweist. Vgl. auch Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  17: „Eine vertragliche Beziehung auch im Sinne der EuGVVO wird vielmehr in aller Regel nur zwischen der jeweiligen Gesellschaft und deren Geschäftspartnern sowie zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern und nicht [...] gleichsam abgekürzt übers Eck bestehen.“ 114  Im Hinblick auf die Haftung wegen Vermögensvermischung und Unterkapitalisierung sowie die Existenzvernichtungshaftung vor dem Trihotel-Urteil des BGH spricht sich Lehmann, GmbHR 2005, 978 (981 f.) für ein Eigreifen des Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO aus. 115  Im Hinblick auf die Kommanditistenhaftung gem. §  171 HGB vgl. Lehmann, IPRax 2005, 109 (110). 116  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  11. 117  Dies überrascht angesichts der Argumentation zu OHG und KG, da auch der Gesellschafter einer GbR – jedenfalls nach der herrschenden Akzessorietätstheorie – in keiner direkten/unmittelbaren vertraglichen Beziehung zu den Gesellschaftsgläubigern steht. Vgl. auch Wedemann, ZEuP 2014, 867 (874), die zu Recht betont, dass die Haftung der Gesellschafter einer GbR für Gesellschaftsverbindlichkeiten gem. §§  128, 130 HGB analog auf der Grundlage des Kriteriums „Verfahrensparteien = Vertragsparteien“ nicht unter Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO fallen kann. 118  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  26 mit Fn.  115. 119  Im Hinblick auf die „gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung“ Hess, EuZPR, §  6 Rn.  48. 120  Insoweit – d. h. im Hinblick „nur“ auf vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeiten – für

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

merk folglich auf dem Mitgliedschaftsverhältnis, andererseits auf der Gesellschaftsverbindlichkeit. Nach Weber spielt der Umstand, dass zwischen Gesellschaftsgläubiger und Gesellschafter/Geschäftsleiter keine direkte/unmittelbare vertragliche Beziehung besteht, ebenfalls keine Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zwingend ausschließende Rolle.121 Ein Eingreifen des Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO ist bei der Außenhaftung vielmehr zum einen in denjenigen Fällen zu verneinen, in denen der Gesellschafter (bzw. Geschäftsleiter) für eine Gesellschaftsverbindlichkeit gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger mithaftet, da dann die individuelle Rechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger in den Streitgegenstand hineinspielt122. Daher scheidet Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO z. B. bei der Haftung wegen Vermögensvermischung123 und (grds.) auch in Bezug auf die persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten124 aus. Im Ergebnis deckt sich dies (grds.125) mit der strengsten Auffassung126. Zum anderen kommt der Vertragsgerichtsstand bei der Außenhaftung nicht zum Zug, sofern der Haftungsanspruch das Vermögen eines einzelnen Gesellschaftsgläubigers schützt127. Weber ordnet wegen dieser Schutzrichtung etwa die Insolvenzverschleppungshaftung zu Gunsten der Neugläubiger Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO zu.128 Im Unterschied zur strengsten Auffassung (die mangels direkter/unmittelbarer Vertragsbeziehung zwischen Gesellschaftsgläubiger und Gesellschafter/ Geschäftsleiter ein Eingreifen von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO ablehnen müsste) ist nach Weber der Vertragsgerichtsstand jedoch dann in Stellung zu bringen, wenn der Haftungsanspruch auf eine gesellschaftsvermögensbezogene Pflicht zurückzuführen ist und der Streitgegenstand nicht von der individuellen Beziehung zwischen Gesellschaftsgläubiger und Gesellschaft geprägt wird. Unter dieeine vertragliche Qualifikation der Mithaftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft sowohl im Kapitalgesellschaftsrecht als auch im Personengesellschaftsrecht Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  25; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  6 mit Fn.  10 und 11; jedenfalls in diese Richtung auch Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  58, 73. 121  Siehe Nachweis in und Text zu Teil 4, Fn.  93. 122  Siehe Nachweis in und Text zu Teil 4, Fn.  102. 123  Insoweit Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO ablehnend und Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO befürwortend Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  411 ff. 124  Vgl. Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  415 ff., der allerdings im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausnahmsweise Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO für einschlägig hält. 125  Siehe Nachweis und Text in Teil 4, Fn.  124 zur Haftung bei eröffnetem Insolvenzverfahren. 126  Siehe Teil 4, Fn.  113. 127  Siehe Nachweis in und Text zu Teil 4, Fn.  102. 128  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  427.

§  1 Grundlegendes

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ser Prämisse soll z. B. die Insolvenzverschleppungshaftung zu Gunsten der Altgläubiger – sofern die Klage nicht anlässlich eines Insolvenzverfahrens erhoben wird – Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO unterstehen.129 Schließlich spricht sich eine im Vordringen befindliche Meinung dafür aus, die Grenzziehung anhand einer (typisierenden) Schwerpunktbetrachtung (der Klagen, die auf ein bestimmtes Haftungsinstitut gestützt werden) vorzunehmen.130 Insoweit wird die Diskussion vor allem von drei „Schwerpunkten“ bestimmt, welche Außenhaftungsansprüche gegen Gesellschafter/Geschäftsleiter potentiell prägen und für die Trennlinie zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO von Einfluss sein sollen. Basiert die Haftung in erster Linie auf einem Fehlverhalten des Gesellschafters/Geschäftsleiters, greift Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO.131 Steht hingegen die vertraglich begründete Mitgliedschaft/Organstellung im Mittelpunkt, führt dies zu Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO.132 Kommt es schließlich bei der Haftung maßgeblich auf den Bestand der Gesellschaftsverbindlichkeit an, determiniere deren Rechtsnatur auch den Gerichtsstand bei der Haftung des Gesellschafters/Geschäftsleiters.133 Im Ergebnis offenbaren die Autoren jedoch Unterschiede, die aus einer unterschiedlichen Schwerpunktbestimmung resultieren. Noch übereinstimmend wird etwa die Insolvenzverschleppungshaftung zu Gunsten der Neugläubiger dem Deliktsgerichtsstand zugeordnet, da der Schwerpunkt der Haftung hier typischerweise im Fehlverhalten des Gesellschafters/Geschäftsleiters erblickt wird.134 In Bezug auf Haftungsinstitute, die – wie etwa die Haftung der Gesellschafter einer OHG gem. §  128 S.  1 HGB – ein Fehlverhalten nicht voraussetzen und auf eine Mithaftung für die Gesellschaftsverbindlichkeit gerichtet sind, gehen die Meinungen hingegen auseinander. Haas bezieht in die Schwerpunktbetrachtung insofern lediglich die Aspekte „Begründung des Mitgliedschaftsverhältnisses“ und „Fehlverhalten“ ein und gelangt (auf dieser Basis) folgerichtig – da ein Fehlverhalten keine Rolle spielt – zum Vertragsgerichtsstand, weil der Schwerpunkt der Haftung (das Mitgliedschaftsverhältnis) vertraglich i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO begründet wurde.135 Die Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit ist für das Eingreifen des Art.  7 Nr.  1 BrüsWeber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  430 f. Haas, NZG 2013, 1161 (1163 f.); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (875 f.); vgl. auch Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  31 f. 131  Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (875). 132  Haas, NZG 2013, 1161 (1164). 133  Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (875 f.). 134  Haas, NZG 2013, 1161 (1165); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (876); im Ergebnis ebenso Thole, GPR 2014, 113 (115). 135  Haas, NZG 2013, 1161 (1164): „Die Haftung gründet also m.a.W. nicht auf einem Fehlverhalten des Gesellschafters. Vielmehr haftet der OHG-Gesellschafter allein deshalb, 129  130 

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sel  Ia-VO aus dieser Perspektive irrelevant. Demgegenüber verorten Osterloh-Konrad und Wedemann den Schwerpunkt der Haftung etwa eines OHG-Gesellschafters gem. §  128 S.  1 HGB nicht beim Mitgliedschaftsverhältnis, sondern vielmehr bei der Gesellschaftsverbindlichkeit und gelangen (auf dieser Basis) folgerichtig zu einer Differenzierung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO anhand der jeweiligen Gesellschaftsverbindlichkeit.136

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien A. Außenhaftung An dieser Stelle bezieht sich die Untersuchung auf (materiell-rechtliche) Haftungsansprüche von Gesellschaftsgläubigern gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter. Selbstverständlich kann in diesem Verhältnis eine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung vorliegen. Dies ist etwa zu bejahen, wenn sich der Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft verbürgt137. Diejenigen Ansprüche, die einer derartigen Vertragsbeziehung zuzurechnen sind, stellen unzweifelhaft vertragliche Ansprüche i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO dar. Die nachstehenden Ausführungen konzentrieren sich jedoch auf den Fall, in dem eine derart klare direkte/ unmittelbare Vertragsbeziehung in dem angesprochenen Verhältnis fehlt. I. Entscheidung in der Rechtssache ÖFAB Im Rahmen einer Entscheidung138 aus dem Jahre 2013 setzte sich der EuGH erstmalig ausführlich mit der Grenzziehung zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand139 in Bezug auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter auseinander. Konkret betraf das Urteil die Haftung eines Verwaltungsratsweil er in einem vertraglichen Akt die Gesellschaft mitbegründet hat oder dieser beigetreten ist.“ 136  Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (875 f.); vgl. auch Thole, GPR 2014, 113 (115) mit dem Argument, dass „die Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB, anders als die Durchgriffshaftung, nicht auf einem Verhaltensunrecht beruht“. 137  Zur vertraglichen Qualifikation der Bürgschaft siehe etwa Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  28; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  31. 138  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB. 139  Die Entscheidung erging zur Abgrenzung zwischen Art.  5 Nr.  1 und 3 EuGVO. Sie kann uneingeschränkt auf die neuen Zuständigkeitsvorschriften des Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO übertragen werden. Vgl. Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44 mit Fn.  3); gleichsinnig Kindler, IPRax 2014, 486 (489) zur OTP-Entscheidung.

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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mitglieds und eines Gesellschafters einer schwedischen Aktiengesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die Ansprüche machte ÖFAB als Rechtsnachfolgerin zweier Vertragsgläubiger140 der schwedischen Gesellschaft geltend. Obschon der EuGH selbst die Verallgemeinerungsfähigkeit seiner Aussagen im Hinblick auf andere Haftungsklagen in Frage stellte,141 lassen sich der Entscheidung dennoch wertvolle Ansätze für die Entwicklung eines Abgrenzungskonzepts entnehmen.142 1. Streitgegenständliche Haftungsansprüche a) Haftung des Verwaltungsratsmitglieds Die Haftung des Verwaltungsratsmitglieds stützte sich auf Kapitel 25 §  18 schwedisches Aktiengesetz.143 Hiernach haften die Mitglieder des Verwaltungsrats für diejenigen Gesellschaftsverbindlichkeiten144, die zu einer Zeit entstehen, in der es der Verwaltungsrat versäumt, angesichts bestimmter Krisenanzeichen145, diverse formelle Maßnahmen zur Kontrolle der finanziellen Lage der Gesellschaft vorzunehmen. So fordert das schwedische Aktiengesetz folgende Maßnahmen: Erstellen einer Kontrollbilanz (Kapitel 25 §  13) und Veranlassung der Prüfung dieser Bilanz durch den Wirtschaftsprüfer des Unternehmens (Kapitel 25 §  14), Einberufung einer Kontrollhauptversammlung (Kapitel 25 §  15), Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Liquidationsverfahrens (Kapitel 25 §  17).146 Die Verletzung welcher der genannten Pflichten dem betroffenen Verwaltungsratsmitglied in ÖFAB genau vorgeworfen wurde, lässt sich dem Urteil des EuGH nicht entnehmen.147 Auf Grund der Undifferenziertheit der Ausfüh140  Vgl. EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  12; Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44). 141  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  38. 142  Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (872). 143  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  14 und 19; Freitag, ZIP 2014, 302 (303); Haas, NZG 2013, 1161 (1161); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (868). Näher zu dieser Haftung Kalss/Adensamer/Oelkers, in: Lutter (Hrsg.), Kapital d. AG in Europa, S.  134 (167 ff.); Neher, Innergesellschaftliche Haftung und Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, S.  152 ff. 144  Altgläubiger können gem. Kap.  29 §  1 S.  2 schwedisches Aktiengesetz gegen Verwaltungsratsmitglieder vorgehen, vgl. Kalss/Adensamer/Oelkers, in: Lutter (Hrsg.), Kapital d. AG in Europa, S.  134 (171). 145  Vgl. hierzu Freitag, ZIP 2014, 302 (303); Kalss/Adensamer/Oelkers, in: Lutter (Hrsg.), Kapital d. AG in Europa, S.  134 (167 ff.); Neher, Innergesellschaftliche Haftung und Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, S.  39 f. 146  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  8; Neher, Innergesellschaftliche Haftung und Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, S.  153. 147  Freitag, ZIP 2014, 302 (303).

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rungen des EuGH in diesem Zusammenhang spricht viel dafür, dass der Gerichtshof der verletzten Pflicht keine wegweisende Rolle im Hinblick auf die Abgrenzungsentscheidung zuspricht.148 Vielmehr scheint es ihm um die Haftungskonstruktion als Ganzes zu gehen. Rechtsfolge einer Verletzung jeder der genannten Pflichten ist im schwedischen Recht die Außenhaftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft149 in Form einer Mithaftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft – es handelt sich demgegenüber nicht um eine Schadensersatzhaftung im Sinne der Differenzhypothese150. Die Verletzung der genannten Pflichten (Kapitel 25 §§  13 ff. schwedisches Aktiengesetz) kann ebenfalls eine Innenhaftung nach dem Generalhaftungstatbestand (Kapitel 29 §  1 S.  1 schwedisches Aktiengesetz) auslösen151 – solch eine Haftung stand in ÖFAB jedoch nicht zur Debatte. b) Haftung des Gesellschafters Im Hinblick auf die Gesellschafterhaftung bezog sich das Vorbringen des Klägers auf die von der schwedischen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Durchgriffshaftung.152 Eine gesetzliche Regelung dieser Haftung war bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt.153 Zentrale Voraussetzung einer Durchgriffshaftung im schwedischen Recht ist die Unterkapitalisierung der Gesellschaft.154 Folglich beruht die Haftung – wie auch die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung nach deutschem Recht – im Kern auf dem Vorwurf, die Gesellschafter hätten die Gesellschaft unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Tätigkeit und den damit verbundenen finanziellen Risiken, unabhängig von den Vorgaben zur 148 

Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.4.d). EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  22; Freitag, ZIP 2014, 302 (303); Haas, NZG 2013, 1161 (1161). 150  Vgl. EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12– ÖFAB, Rn.  8, 19; Haas, NZG 2013, 1161 (1164); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44). 151  Neher, Innergesellschaftliche Haftung und Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, S.  154 und 173; siehe auch Rothe, Gesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz nach deutschem GmbH-Recht und schwedischem Recht, S.  161. 152  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  14, 20 und 35; Haas, NZG 2013, 1161 (1161). Ausführlich zu dieser Haftung Neher, Innergesellschaftliche Haftung und Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, S.  184 ff.; Rothe, Gesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz nach deutschem GmbH-Recht und schwedischem Recht, S.  195 ff. Es ging demgegenüber nicht um eine persönliche Haftung der Anteilseigner gem. Kapitel 25 §  19 schwedisches Aktiengesetz, vgl. Wedemann, ZEuP 2014, 867 (868). 153  Neher, Innergesellschaftliche Haftung und Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, S.  185. 154  Neher, Innergesellschaftliche Haftung und Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, S.  192 ff., dort auch zu weiteren in der Diskussion befindlichen Voraussetzungen. 149 

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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Mindestkapitalziffer, nicht mit ausreichend Kapital ausgestattet.155 Als Rechtsfolge können die Gesellschafter einer Aktiengesellschaft in Ausnahmefällen – in Abkehr vom grds. maßgeblichen Trennungsprinzip156 – für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftbar gemacht werden. Auch in diesem Zusammenhang betrifft das Urteil daher eine Mithaftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, nicht jedoch eine Schadensersatzhaftung im Sinne der Differenzhypothese.157 2. Vergleichbarkeit mit Haftungsansprüchen des deutschen Rechts a) Haftung von Geschäftsleitern Dem deutschen Recht ist eine der Außenhaftung gem. Kapitel 25 §  18 schwedisches Aktiengesetz entsprechende Haftungskonstruktion unbekannt.158 Eine Einstandspflicht des Geschäftsführers einer GmbH bzw. eines Vorstandsmitglieds einer AG für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist im deutschen Recht – im Hinblick auf gleichgelagerte Pflichtverletzungen159 – nicht vorgesehen. Allerdings findet sich auch im deutschen Recht eine vergleichbare Pflicht, deren Verletzung eine – wenn auch anders ausgestaltete – Haftung auslösen kann. So ist die Pflicht des Verwaltungsratsmitglieds gem. Kapitel 25 §  15 schwedisches Aktiengesetz eine Kontrollhauptversammlung einzuberufen, wenn ausweislich der Kontrollbilanz tatsächlich mindestens die Hälfte des Grundkapitals verloren ist,160 mit den Pflichten aus §  92 Abs.  1 AktG sowie §  49 Abs.  3 ­GmbHG vergleichbar.161 Eine Verletzung der letztgenannten Pflichten löst im deutschen Recht jedoch lediglich eine Innenhaftung gem. §  93 Abs.  2 AktG162 bzw. §  43

Vgl. den Nachweis bei Rothe, Gesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz nach deutschem GmbH-Recht und schwedischem Recht, S.  203. 156  Neher, Innergesellschaftliche Haftung und Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, S.  184; Rothe, Gesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz nach deutschem GmbH-Recht und schwedischem Recht, S.  189. 157  Vgl. EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  19 f.; Haas, NZG 2013, 1161 (1164); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44). 158  Haas, NZG 2013, 1161 (1161). 159  Eine persönliche Einstandspflicht des Geschäftsführers einer GmbH für die Verbindlichkeiten derselben ist bspw. im Zusammenhang mit der Rechtsscheinhaftung wegen fehlendem Rechtsformzusatz (§  4 GmbHG) anerkannt, vgl. dazu Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1562 f.). 160  Vgl. zu dieser Pflicht Kalss/Adensamer/Oelkers, in: Lutter (Hrsg.), Kapital d. AG in Europa, S.  134 (168); Neher, Innergesellschaftliche Haftung und Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, S.  39. 161  Freitag, ZIP 2014, 302 (303 mit Fn.  11); Haas, NZG 2013, 1161 (1161 f.). 162  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, GesR, §  92 AktG Rn.  9; Haas, NZG 2013, 1161 (1161 f.); Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  92 Rn.  7. 155 

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Abs.  2 GmbHG163 aus – im Gegensatz zum schwedischen Recht, welches in diesem Zusammenhang eine Innen- sowie eine Außenhaftung kennt, wobei in ÖFAB ausschließlich die Außenhaftung in Rede stand164. Schon dieser die Anspruchsinhaberschaft betreffende Unterschied der Haftung setzt hinter die Übertragung des Ergebnisses der ÖFAB-Entscheidung auf die vergleichbaren Pflichten des deutschen Rechts ein großes Fragezeichen. Des Weiteren kennt das schwedische Recht keinen eigenständigen Haftungstatbestand der Insolvenzverschleppung.165 Eine Insolvenzantragspflicht des Schuldners besteht nach h. L. nicht.166 Verschleppungsschäden werden vielmehr über die Vorschriften aus Kapitel 25 §§  13 ff. schwedisches Aktiengesetz kompensiert.167 Nach deutschem Recht folgt eine Insolvenzverschleppungshaftung rechtsformübergreifend aus §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  15a InsO. So tritt bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer juristischen Person gem. §  15a Abs.  1 S.  1 InsO die Pflicht der Geschäftsleiter ein, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht führt zu einer Außenhaftung der Geschäftsleiter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, allerdings – im Unterschied zur Haftung nach Kapitel 25 §  18 schwedisches Aktiengesetz – nicht zu einer Mithaftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Auf Grund dieser verschiedenartigen Haftungskonstruktionen sowie der differierenden Umstände, unter denen einerseits Insolvenzantrag zu stellen und andererseits gem. Kapitel 25 §  17 schwedisches Aktiengesetz die gerichtliche Zwangsliquidation zu beantragen ist168, kann das Ergebnis der ÖFAB-Entscheidung zur Geschäftsleiterhaftung nicht unbesehen auf die Insolvenzverschleppungshaftung übertragen werden.169 163  Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  49 Rn.  31; Liebscher, in: MüKoGmbHG, §  49 Rn.  65. 164  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.1.a). 165  Kalss/Adensamer/Oelkers, in: Lutter (Hrsg.), Kapital d. AG in Europa, S.  134 (170); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (868). 166  Kalss/Adensamer/Oelkers, in: Lutter (Hrsg.), Kapital d. AG in Europa, S.  134 (170 mit Fn.  203). 167  Kalss/Adensamer/Oelkers, in: Lutter (Hrsg.), Kapital d. AG in Europa, S.  134 (170). 168  Insoweit kommt es nicht auf die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft an. Vielmehr muss der Verwaltungsrat bei Gericht die Liquidation der Gesellschaft beantragen, falls die „Zweite Kontrollhauptversammlung“ nicht fristgerecht stattfand oder die zweite Kontrollbilanz nicht von den Wirtschaftsprüfern geprüft wurde oder diese Bilanz ausweist, dass weiterhin eine Kapitalunterdeckung vorliegt und die Hauptversammlung nicht die Liquidation beschlossen hat, vgl. Neher, Innergesellschaftliche Haftung und Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, S.  39. 169  Das bedeutet wiederum nicht, dass bestimmte vom EuGH herangezogene Argumenta­

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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b) Haftung von Gesellschaftern Das in ÖFAB gegen den Mehrheitsgesellschafter vorgebrachte Haftungsinstitut ähnelt der dem deutschen Recht geläufigen170 Durchgriffshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht.171 Es bedarf jedoch folgender Differenzierung: Der Begriff der Durchgriffshaftung ist hierzulande gesetzlich nicht fixiert und gibt daher Anlass zu unterschiedlichem Verständnis.172 Häufig wird zwischen echter und unechter Durchgriffshaftung unterschieden.173 Unter einer echten Durchgriffshaftung bzw. Durchgriffshaftung im engeren Sinne sind dabei diejenigen Haftungskonstruktionen zu verstehen, bei denen der Gesellschafter – unter Durchbrechung des Trennungsprinzips – im Außenverhältnis gegenüber den Gesellschaftsgläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen hat, wobei es rechtstechnisch gesehen zu einer analogen Anwendung der §§  128, 129 HGB kommt.174 Der Gesellschafter wird gerade nicht auf Grundlage eines besonderen eigenständigen Rechtsverhältnisses zwischen ihm und dem Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommen.175 Orientiert man sich streng am personengesellschaftsrechtlichen Vorbild der §§  128, 129 HGB, haftet der Gesellschafter in voller Höhe der Gesellschaftsschuld.176 Zudem müsste es sich um eine Haftung allein auf Grund der Gesellschafterstellung handeln, die den Nachweis, dass dem betroffenen Gesellschafter ein objektiver Sachverhalt in irgendeiner Weise zuzurechnen ist, sowie erst recht ein Verschulden desselben, nicht voraussetzt.177 Lockert man letztgenannte Vorgaben, entfernt man sich Stück für Stück von einer echten Durchgriffstions­linien nicht für die Einordnung der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung fruchtbar gemacht werden könnten. 170  BGH, Urt. v. 16.09.1985 – II ZR 275/84 = NJW 1986, 188 (188); BGH, Urt. v. 24.06.2002 – II ZR 300/00 = NJW 2002, 3024 (3025); Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1578). 171  Haas, NZG 2013, 1161 (1161). 172  Wagner, FS Canaris, S.  473 (473). 173  Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1561); ders., in: Scholz, GmbHG, §  13 Rn.  73, 90; Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  429 f. Zum Teil zählt man diejenigen Fälle, in denen der Gesellschafter auf Grund eines eigenständigen Verpflichtungsgrunds haftet, terminologisch nicht mehr zur Durchgriffshaftung, so Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  13 Rn.  47. 174  BGH, Urt. v. 16.09.1985 – II ZR 275/84 = NJW 1986, 188 (188); BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2692 f.); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  13 Rn.  43; Strohn, ZInsO 2008, 706 (712); Thole, GPR 2014, 113 (114); Verse, in: Henssler/ Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  35 f. 175  Thole, GPR 2014, 113 (114); Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  35. 176  Thole, GPR 2014, 113 (114); Wagner, FS Canaris, S.  473 (484 f.). Vgl. auch Lieder, DZWIR 2008, 145 (147) zur Existenzvernichtungshaftung vor der Trihotel-Entscheidung des BGH. 177  Wagner, FS Canaris, S.  473 (485).

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haftung in Reinform. Nach deutschem Verständnis ist der Anwendungsbereich der echten Durchgriffshaftung klein. Nach h. M. sind weder die Existenzvernichtungshaftung178 noch die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung179 hier zu verorten. Praxisrelevant sind einzig die Fälle der Vermögensvermischung, die Rechtsprechung und h. L. als echte Durchgriffshaftung einordnen.180 Betrachtet man die Haftungskonstruktion als Ganzes, liegt es folglich nahe, die Haftung auf Grund von Vermögensvermischung entsprechend der in ÖFAB relevanten Gesellschafterhaftung einzuordnen. Steht jedoch wie in der ÖFAB-Entscheidung181 der Vorwurf der nachträglichen Unterkapitalisierung im Raum, kommt es im deutschen Recht – im Unterschied zum schwedischen Recht182 – nicht zu einer echten Durchgriffshaftung im soeben beschriebenen Sinne. Von der echten Durchgriffshaftung sind insofern die Fälle der sog. unechten Durchgriffshaftung (bzw. Durchgriffshaftung im weiteren Sinn) zu trennen.183 Hiermit sind Konstellationen gemeint, in denen der Gesellschafter in seiner Person einen eigenständigen Haftungs- und Verpflichtungsgrund verwirklicht.184 Hier ist die Haftung auf Grund von materieller Unterkapitalisierung nach h. M. in Deutschland einzuordnen.185 Deren dogmatische Ausgestaltung ist bislang jedoch nicht abschließend geklärt. Der BGH hat in seiner GAMMA-Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, ob innerhalb des Tatbestands des §  826 BGB eine besondere Fallgruppe der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung zu etablieren ist.186 Jedoch will er Einzelfälle deliktsrechtlich über §  826 BGB lösen.187 Die Übertragbarkeit des in ÖFAB gefundenen Ergebnisses ergibt sich daher im Hin178 

BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2690). BGH, Urt. v. 28.04.2008 – II ZR 264/06 = NJW 2008, 2437 (2439); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  13 Rn.  47; Kleindiek, NZG 2008, 686 (688); Schwandtner, in: ­MüKoGmbHG, §  5 Rn.  38. 180  BGH, Versäumnisurt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03 = NJW 2006, 1344; BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2691 f.); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  13 Rn.  45; Strohn, ZInsO 2008, 706 (711). Eine Lösung über §  826 BGB befürwortend Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  34. 181  Wedemann, ZEuP 2014, 867 (868). 182  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.1.b). 183  Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1578); Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  430. 184  Paulus, Außervertragliche Gesellschafter- und Organwalterhaftung im Lichte des Unionskollisionsrechts, Rn.  430. 185  BGH, Urt. v 28.04.2008 – II ZR 264/06 = NJW 2008, 2437 (2439 f.); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  13 Rn.  47; Kleindiek, NZG 2008, 686 (688 f.); Schwandtner, in: MüKoGmbHG, §  5 Rn.  38; Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  30. 186  BGH, Urt. v. 28.04.2008 – II ZR 264/06 = NJW 2008, 2437 (2440). 187  BGH, Urt. v. 28.04.2008 – II ZR 264/06 = NJW 2008, 2437 (2439 f.); vgl. auch Kleindiek, NZG 2008, 686 (688 f.). 179 

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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blick auf Fälle der materiellen Unterkapitalisierung nicht ohne Weiteres. Folglich bedarf es einer näheren Analyse der Ausführungen des EuGH. 3. Leitlinien des EuGH Im Ergebnis ordnet der EuGH beide streitgegenständlichen Haftungsansprüche dem Deliktsgerichtsstand gem. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO zu.188 Der Weg zu dieser Feststellung offenbart drei Schwerpunkte, die für die Erarbeitung eines einheitlichen Abgrenzungskonzepts von besonderem Interesse sind. Entsprechend den Vorgaben, die sich in der Rechtsprechung des EuGH allgemein für das Verhältnis von Art.  7 Nr.  1 und Nr.  2 Brüssel  Ia-VO verfestigt haben,189 stellt er der deliktischen Qualifikation zwei Hürden in den Weg. Erstens dürfe die Klage nicht an einen Vertrag oder an Ansprüche aus einem Vertrag i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO anknüpfen190 (dazu unter a)). Zweitens müsse mit der Klage eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht werden191 (dazu unter b)). Überdies beschäftigt der EuGH sich mit dem Vorschlag eines Gerichtsstands der akzessorischen Haftung (dazu unter c)). a) Keine vertragliche Streitigkeit aa) Ausführungen des EuGH Im Hinblick auf Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO wiederholt der EuGH zunächst seine ständige Rechtsprechung192, wonach der Vertragsgerichtsstand nicht so verstanden werden kann, „dass er eine Situation erfasst, in der es an einer von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt“193. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO greift jedoch ein, soweit sich die Klage auf eine Verpflichtung stützt, die von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangen wurde.194 In Bezug auf den konkreten Fall stellt der EuGH sodann fest, dass die „Klagen nicht auf eine freiwillig eingegangene Verpflichtung gestützt [sind], die von einer dieser Parteien gegenüber der anderen eingegangen wurde, EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  42. Im Ergebnis zustimmend Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45); jedenfalls im Hinblick auf die Geschäftsleiterhaftung zustimmend Freitag, ZIP 2014, 302 (306). 189  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  21. 190  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  32. Hier kommt der prüfungstechnische Vorrang des Vertrags- gegenüber dem Deliktsgerichtsstand zum Ausdruck. Siehe Teil 4, Fn.  27. 191  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  32. 192  Vgl. Teil 4, Fn.  52. 193  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  33. 194  Vgl. EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  33. 188 

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

sondern auf die Behauptung, dass [die Beklagten] [...] ihre Rechtspflichten vernachlässigt hätten“195. Mit dem Passus „dieser Parteien“ bezieht sich der EuGH auf die vorangegangene Randnummer seines Urteils. Dort ist von dem Geschäftsleiter und dem Gesellschafter die Rede.196 Mit „der anderen“ muss zwangsläufig die andere Verfahrenspartei – im konkreten Fall der Gesellschaftsgläubiger – gemeint sein. bb) Interpretation (1) Das Fehlen einer direkten/unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien Der EuGH geht somit im Ausgangspunkt darauf ein, ob zwischen den Verfahrensparteien eine direkte/unmittelbare vertragliche Beziehung besteht. Dies lehnt er angesichts der streitgegenständlichen Außenhaftung richtigerweise197 – implizit – ab. Zwar stellt der EuGH explizit lediglich fest, dass die Klagen nicht auf eine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien gestützt sind – dies muss noch nicht bedeuten, dass eine derartige Beziehung überhaupt nicht vorliegt. Wäre er von einer derartigen Beziehung ausgegangen, hätte er allerdings darlegen müssen, warum die Klagen nach seiner Auffassung nicht auf diese Beziehung gestützt sind. In der Literatur ist angesichts der Ausführungen des EuGH der (weitergehende) Schluss gezogen worden, ein Eingreifen des Vertragsgerichtsstands sei – in konsequenter Fortschreibung des Handte-Urteils198 – im vorliegenden Fall bereits mit dem Argument abzulehnen, dass dieser Gerichtsstand grds. eine Übereinstimmung von Verfahrensparteien und Vertragsparteien voraussetze, wobei zwischen Verwaltungsratsmitglied bzw. Gesellschafter einerseits und Gesellschaftsgläubiger andererseits (d. h. zwischen den Verfahrensparteien) gerade keine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung bestehe.199 Von anderer Seite wurde EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  36. EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  35. 197  Auch in der Literatur ist es – soweit ersichtlich – unbestritten, dass zwischen Gesellschaftern bzw. Geschäftsleitern einerseits und Gesellschaftsgläubigern andererseits (in der Regel) jedenfalls nicht von einer direkten/unmittelbaren vertraglichen Beziehung ausgegangen werden kann. Vgl. insoweit Lehmann, IPRax 2005, 1009 (110); Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  25; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  249; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873). Streitig ist allerdings, ob dies bereits den Schluss bedingt, dass der Vertragsgerichtsstand im Hinblick auf die Außenhaftung von Gesellschaftern bzw. Geschäftsleitern ausscheidet. 198  EuGH, Urt. v. 17.06.1992 – C-26/91 – Handte. 199  Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873). Gleichsinnig Freitag, ZIP 2014, 302 (306 f.): „Anderes gilt aber für die Außenhaftung [...]. Hier fehlt es, wie der EuGH in der Sache ‚ÖFAB‘ zu 195  196 

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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im Gegensatz dazu betont, dass die zuständigkeitsrechtliche Qualifikation insgesamt gesehen nicht davon abhängen dürfe, ob eine Innen- oder Außenhaftung vorliegt.200 Hiernach wäre die fehlende direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien allein kein durchschlagendes Argument gegen Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Wenn es zutrifft, dass eine Rechtsnachfolge die Anwendbarkeit von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO nicht tangiert,201 kann der Vertragsgerichtsstand auch keine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien voraussetzen, da z. B. der Vertragsschuldner lediglich gegenüber dem Zedenten (nicht aber gegenüber dem Zessionar) freiwillig eine Verpflichtung eingeht.202 Aus diesem Grund – und weil der Gerichtshof auch die Behauptung von Rechtspflichtverletzungen in seine Argumentation einbezieht203 – sollte die ÖFAB-Entscheidung nicht in dem Sinne interpretiert werden, dass das Fehlen einer direkten/unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien bereits den Ausschluss der Anwendbarkeit von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO trägt.204 Fehlt eine derartige Vertragsbeziehung, sind vielmehr in jedem Falle noch weitere Überlegungen nötig, die den Vertragscharakter des Mitgliedschaftsverhältnisses bzw. des organschaftlichen Rechtsverhältnisses und den potentiellen Vertragscharakter der Gesellschaftsverbindlichkeit berücksichtigen. Auf der anderen Seite wäre es jedoch verfehlt, die Anspruchszuordnung (weitgehend) unberücksichtigt zu lassen.205 Dass eine freiwillig eingegangene Verpflichtung für ein Eingreifen von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bestimmt werden muss, ist eindeutig.206 Auch wenn diese nicht zwingend direkt/unmittelbar zwischen den Verfahrensparteien bestehen muss, bereitet die Begründung der Maßgeblichkeit des Vertragsgerichtsstands doch besondere Probleme, sofern eine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien nicht gegeben ist. Im Recht feststellt, an jeder direkten vertraglichen Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem.“ 200  In diesem Sinne – unter Bezugnahme auf EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  38 – Haas, NZG 2013, 1161 (1163). Bereits vor dem ÖFAB-Urteil in diesem Sinne Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  254 ff. 201  Siehe Teil 4, Fn.  47. 202  Überzeugend insoweit Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  280 f. Vgl. auch die Argumentation bei Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  25. 203  Siehe Nachweis in und Text zu Teil 4, Fn.  195. 204  Auch Wedemann, ZEuP 2014, 867 (875) möchte das Kriterium „Verfahrensparteien = Vertragsparteien?“ jedenfalls nicht bei allen Haftungstatbeständen strikt handhaben. 205  In diese Richtung aber Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  254 ff. 206  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  52.

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Hinblick auf die Rechtsnachfolge mögen sich diese Probleme überwinden lassen. Anders hat der EuGH jedoch – im Hinblick auf eine Vertragskette – in der Rechtssache Handte207 entschieden. (2) Das zusätzliche Kriterium der Rechtspflichtverletzung Für den Fall, dass bei Haftungsansprüchen gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter keine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien besteht (wie in der Regel bei der Geltendmachung einer Außenhaftung) zieht der EuGH in ÖFAB nunmehr eine klare Linie: Wird dem Beklagten vom Gesellschaftsgläubiger eine Rechtspflichtverletzungen vorgeworfen,208 scheidet der Vertragsgerichtsstand aus. Der Vertragscharakter der Gesellschaftsverbindlichkeit209 kann Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO unter diesen Umständen offensichtlich nicht auf den Plan rufen.210 Im Zuge der Ablehnung des Vertragsgerichtsstands geht der EuGH zudem weder auf das Mitgliedschaftsverhältnis noch auf das organschaftliche Rechtsverhältnis ein. Diese Rechtsverhältnisse sind als Verträge i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO anzusehen211 und hätten dementsprechend für eine vertragliche Qualifikation der streitgegenständlichen Haftungsansprüche bemüht werden können212. Da der Gerichtshof diese Verhältnisse unerwähnt lässt, ist die Annahme eher fernliegend213, dass er in Fällen der Außenhaftung (d. h. etwa auch im vorliegenden Fall) für die Abgrenzung zwischen Vertragsund Deliktsgerichtsstand danach differenziert, ob der die Klage prägende Umstand die freiwillige Begründung der Organfunktion bzw. Mitgliedschaft – dann Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO – oder ein bestimmtes Fehlverhalten des Beklagten – dann Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO – ist. Vielmehr sprechen die Ausführungen des EuGH dafür, dass (neben den vertraglichen Gesellschaftsverbindlichkeiten auch) das Mitgliedschaftsverhältnis und das organschaftliche Rechtsverhältnis der Nichtmaßgeblichkeit von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO nicht im Wege stehen, sofern eine Außenhaftung überhaupt an eine Rechtspflichtverletzung des beklagten Gesellschafters bzw. Geschäftsleiters anknüpft. Unter diesen Umständen muss EuGH, Urt. v. 17.06.1992 – C-26/91 – Handte. Siehe Nachweis in und Text zu Teil 4, Fn.  195. 209  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  140. 210  Siehe zur Ablehnung eines Gerichtsstands der akzessorischen Haftung die Ausführungen unter c). Vgl. auch Haas, NZG 2013, 1161 (1163): „Zum anderen hält der EuGH [...] nicht für maßgeblich, welche Rechtsnatur dem Anspruch des Gläubigers gegen die Gesellschaft zukommt [...].“ 211  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  1 B. 212  Auf diesen „vertraglichen Hintergrund“ (auch) in Fällen der Außenhaftung zutreffend hinweisend Haas, NZG 2013, 1161 (1163). 213 Entgegen Haas, NZG 2013, 1161 (1163 f.). 207  208 

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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nicht noch geprüft werden, ob das Fehlverhalten des Beklagten die Klage prägt. Dagegen spricht auch, dass verlässliche Leitlinien zur Beurteilung der Frage fehlen, bei welchen Haftungsansprüchen, die sich überhaupt auf ein Fehlverhalten stützen, dies der Fall ist. Des Weiteren ist es unerheblich, die Verletzung welcher konkreten Pflicht dem Beklagten vorgeworfen wird – es genügt der Vorwurf irgendeiner Pflichtverletzung. Zwar nimmt der EuGH im Zuge der Ablehnung von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO Bezug auf das den Beklagten vorgeworfene Fehlverhalten.214 Es ist jedoch erstens keineswegs erkennbar, dass der Gerichtshof aus seinen „Angaben“ zu den Pflichtverletzungen irgendein Argument zur Ablehnung des Vertragsgerichtsstands entwickelt. Zweitens geht der EuGH nicht präzise darauf ein, welche Pflichtverletzung dem Verwaltungsratsmitglied überhaupt entgegen gehalten wird.215 Drittens behandelt der EuGH die Haftung des Gesellschafters und die Haftung des Verwaltungsratsmitglieds (ohne klare Differenzierung) in einem Atemzug, obwohl die jeweiligen Verhaltensvorwürfe – unabhängig davon, welcher Vorwurf dem Verwaltungsratsmitglied konkret gemacht wurde – sich jedenfalls nicht vollends entsprechen.216 Man darf davon ausgehen, dass der EuGH präziser auf die konkret verletzten Pflichten eingegangen wäre, wenn die Grenzziehung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO in Außenhaftungsfällen davon abhinge. (3) Zwischenergebnis Steht eine Außenhaftung in Rede, greift Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO nicht, sofern der betreffende Haftungsanspruch überhaupt an irgendeine Rechtspflichtverletzung (bzw. ein Fehlverhalten) des Gesellschafters bzw. Geschäftsleiters anknüpft. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Gerichtshof die Verallgemeinerungsfähigkeit der Entscheidung selbst in Zweifel zieht217. Seine soeben erörterten Ausführungen gegen die Annahme einer vertraglichen Streitigkeit sind eindeutig und abschließend. Sie müssen daher auf vergleichbare Fälle übertragen werden. b) Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO auch ohne „Schadenshaftung“ Kam Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO nach Auffassung des EuGH im vorliegenden Fall somit nicht in Betracht, blieb die Frage, ob mit den Klagen die für ein Eingreifen des Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO erforderliche218 „Schadenshaftung“ der Vgl. EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  36. Siehe Nachweis in und Text zu Teil 4, Fn.  147. 216  Siehe die Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.1.a) sowie Teil 4 §  2 A.I.1.b). 217  Vgl. EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  38. 218  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  21 und 191. 214  215 

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Beklagten geltend gemacht wurde. Dies war im Hinblick auf die streitgegenständlichen Haftungsansprüche insofern problematisch, als es sich bei ihnen nicht um eine Haftung für einen konkret zu ermittelnden Schaden der Gesellschaftsgläubiger, sondern vielmehr um eine Einstandspflicht des Verwaltungsratsmitglieds und des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft handelte.219 Nichtsdestotrotz bejahte der EuGH die erforderliche Schadenshaftung.220 Er betonte dabei die Funktion der Haftungsansprüche, die darin bestehe, einen Ausgleich dafür zu liefern, dass die Gesellschaftsgläubiger ihre Forderungen gegenüber der Gesellschaft wegen des Fehlverhaltens der Beklagten nicht vollständig realisieren konnten.221 Die Ansprüche würden folglich dem Ersatz desjenigen Schadens dienen, der den Gesellschaftsgläubigern durch die Nichtzahlung der Gesellschaft entstanden sei.222 Man wird daher festhalten können, dass der Weg zu Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO nicht versperrt ist, sofern Haftungsansprüche darauf abzielen, einen Forderungsausfall der Gesellschaftsgläubiger im Hinblick auf die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu kompensieren, wobei es auf die konkrete dogmatische Ausgestaltung der Haftung des Gesellschafters bzw. Geschäftsleiters nicht ankommt.223 c) Kein Gerichtsstand der akzessorischen Haftung Im Anschluss befasste sich der EuGH mit dem Vorschlag der schwedischen und griechischen Regierung, die betreffenden Haftungsklagen entsprechend der jeweiligen Verbindlichkeit der Gesellschaft, für die das Verwaltungsratsmitglied bzw. der Gesellschafter im Einzelfall haftbar gemacht werden sollen, Art.  7 Nr.  1 oder 2 Brüssel  Ia-VO zuzuweisen.224 Ein Vertragsgläubiger der Gesellschaft wäre demnach auf den Vertragsgerichtsstand verwiesen. Ein Deliktsgläubiger der Gesellschaft müsste auf den Deliktsgerichtsstand zurückgreifen. Konsequenterweise bedeutete dies, dass der jeweilige Gläubiger das Verwaltungsratsmitglied bzw. den Gesellschafter dort verklagen könnte, wo er auch die Gesellschaft wegen der betreffenden Verbindlichkeiten verklagen dürfte.225 Es würde ein „besonderer Gerichtsstand der akzessorischen Haftung“ geschaffen, wobei das Fo219  Haas, NZG 2013, 1161 (1164); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (874). 220  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  37. 221  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  37. 222  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  37. 223  Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (44 f.); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (874). Gleichsinnig bereits Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  134. 224  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  39 ff. 225  In diesem Sinne BGH, Beschl. v. 22.09.2008 – II ZR 288/07 = BeckRS 2008, 21694, nach dem der Vertragsgläubiger einer GbR deren Gesellschafter unter Heranziehung des Art.  7

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rum der Hauptverbindlichkeit auch für den akzessorisch Haftenden maßgeblich wäre226. Je nach Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft könnten die Erfüllungsorte i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO sowie der Ort des schädigenden Ereignisses i. S. d. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO in vielen verschiedenen Staaten liegen, in denen sich kraft des akzessorischen Gerichtsstands auch der Gesellschafter bzw. der Geschäftsleiter verantworten müsste. Es verwundert daher nicht, dass der EuGH in diesem Zusammenhang vor einer Vervielfachung der Gerichtsstände warnte.227 Diese Vervielfachung lehnte er jedoch nicht schlechthin, sondern vielmehr auf Grund der Tatsache ab, dass die streitgegenständlichen Haftungsklagen – wie auch die echte Durchgriffshaftung nach deutschem Recht228 – an ein und dasselbe Fehlverhalten des Haftenden anknüpften.229 Setzt eine Mithaftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft folglich überhaupt eine Rechtspflichtverletzung (bzw. ein Fehlverhalten) des Gesellschafters bzw. Geschäftsleiters voraus, ist eine Vervielfachung der Gerichtsstände zu vermeiden, sodass die Gesellschaftsverbindlichkeit nicht abgrenzungsentscheidend sein kann. Diese Interpretation deckt sich mit dem unter a) gezogenen Schluss, dass Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO in Fällen der Außenhaftung nicht (d. h. auch nicht in Fällen der Mithaftung für vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeiten) zum Zuge kommt, sofern der betreffende Haftungsanspruch überhaupt an irgendeine Rechtspflichtverletzung (bzw. ein Fehlverhalten) anknüpft. Legt man diese Interpretation zu Grunde, wird auch das Argument des EuGH verständlich, dass der Sinn und Zweck der besonderen Gerichtsstände des Art.  7 Nr.  1 und Nr.  2 Brüssel  Ia-VO – Zurverfügungstellung eines räumlich nahen Forums – durch die Zulassung eines Gerichtsstands der akzessorischen Haftung unterlaufen würde.230 Liegt das Fehlverhalten des Gesellschafters bzw. Geschäftsleiters, dessen Würdigung typischerweise bedeutsam für die Entscheidung über derartige Haftungsansprüche sein wird, in einem bestimmten Staat, kann bei einer Gerichtspflicht in vielen verschiedenen Staaten – die womöglich keine Verbindung zu diesem Fehlverhalten aufweisen – typischerweise keine enge Verbindung zwischen dem Streitgegenstand und den zuständigen Gerichten bestehen. Nach dem EuGH böte eine Orientierung an der Gesellschaftsverbindlichkeit zudem nicht das nach der VerNr.  1 Brüssel  Ia-VO am Erfüllungsort der Gesellschaftsschuld verklagen kann. Ebenso die Vorinstanz OLG Brandenburg, Urt. v. 19.12.2006 – 11 U 46/06. 226  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  288 ff. 227  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  41. 228  Die echte Durchgriffshaftung auf Grund von Vermögensvermischung ist eine Verhaltens- und keine Zustandshaftung. Vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03 = NJW 2006, 1344 (1346 f.); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  13 Rn.  45; Strohn, ­ZInsO 2008, 706 (712); Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  39. 229  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  41. 230  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  41.

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ordnung nötige231 Maß an Vorhersehbarkeit des Gerichtsstands für einen Beklagten, der für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll.232 Im Ergebnis lehnte er folgerichtig einen besonderen Gerichtsstand der akzessorischen Haftung ab.233 4. Verhältnis zu Literaturmeinungen Im Folgenden soll mit Blick auf Haftungsansprüche des deutschen Rechts das Verhältnis zwischen der ÖFAB-Entscheidung und den unter Teil 4 §  1 C. vorgestellten Literaturmeinungen beleuchtet werden. a) Bedeutung des Vertragscharakters der Mitgliedschaft In der Literatur ist vor der ÖFAB-Entscheidung die Auffassung vertreten worden, die „gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung“ sei Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zuzuweisen, da sie im Kern auf der freiwillig eingegangenen Mitgliedschaft des Gesellschafters beruhe.234 Im Lichte der ÖFAB-Entscheidung ist dazu Folgendes zu bemerken: Im Ausgangspunkt kann kein Zweifel daran bestehen, dass Haftungsansprüche gegen Gesellschafter (bzw. Geschäftsleiter235) nicht schon aus dem Grunde dem Vertragsgerichtsstand zuzuweisen sind, dass sie die Mitgliedschaft (überhaupt) voraussetzen236. Andernfalls hätte sich der EuGH in ÖFAB nicht zu Gunsten von Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO entscheiden können. Weitergehend verdeutlicht die Argumentation des Gerichtshofs, dass der Vertragscharakter des Mitgliedschaftsverhältnisses jedenfalls insoweit nichts an der Nichtmaßgeblichkeit des Vertragsgerichtsstands ändert, als eine Außenhaftung (mag auch das Mitgliedschaftsverhältnis für diese relevant sein) überhaupt an eine Rechtspflichtverletzung (bzw. ein Fehlverhalten) anknüpft.237 Zwar ist nicht ganz klar, welche Haftungsinstitute mit dem genannten Oberbegriff („gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung“) erfasst werden sollen. Sollte 231 

Vgl. die Erwägungsgründe (15) S.  1 und (16) S.  2 zur Brüssel  Ia-VO. EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  41. 233  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  40 und 42; zustimmend Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Thole, GPR 2014, 113 (114 f.); im Ergebnis auch Landbrecht, EuZW 2013, 707 (707); schon vor der Entscheidung einen Gerichtsstand der akzessorischen Haftung im Hinblick auf die echte Durchgriffshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht ablehnend Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  288 ff. 234  Hess, EuZPR, §  6 Rn.  48. Siehe Text zu Teil 4, Fn.  119. 235  Entsprechendes muss insoweit mit Blick auf die Organstellung gelten. 236  Vgl. zu derartigen Erwägungen bereits Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  252 ff. 237  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.a). 232 

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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damit jedoch (auch) die echte Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung238 gemeint sein, stünde die Annahme der Maßgeblichkeit von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO in Widerspruch zur soeben dargelegten Argumentation. Diese Haftung stellt nämlich – genau wie die streitgegenständliche Gesellschafterhaftung in ÖFAB – eine Außenhaftung239 dar, die an eine Rechtspflichtverletzung bzw. ein Fehlverhalten des Gesellschafters (nämlich die Verursachung der Vermögensvermischung) anknüpft240. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO ist nicht einschlägig.241 Warum im Anschluss an die ÖFAB-Entscheidung keine abweichende Beurteilung aus dem Grunde in Betracht kommt, dass es sich insoweit um einen anderen Verhaltensvorwurf als bei der in ÖFAB betroffenen Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung handelt, wurde unter Teil 4 §  2 A.I.3.a)bb)(2) bereits dargelegt. b) Bedeutung vertraglicher Gesellschaftsverbindlichkeiten Andere Autoren sind vor der ÖFAB-Entscheidung dafür eingetreten, die gesetzliche Haftung Dritter für vertragliche Ansprüche Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zu unterstellen.242 Erfasst sei z. B. der Fall „einer die selbständige juristische Person ignorierenden Durchgriffshaftung“243. Damit dürfte unzweifelhaft auch die (vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeiten betreffende) echte Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung gemeint sein. Im Unterschied zu der unter a) behandelten Meinung setzt dieser Begründungsansatz folglich nicht beim Ver­trags­ charakter des Mitgliedschaftsverhältnisses, sondern dem Vertragscharakter der Gesellschaftsverbindlichkeit an. Dass dieser Begründungsansatz – jedenfalls in der soeben beschriebenen Breite – keine Durchschlagskraft besitzt, zeigt das Ergebnis der ÖFAB-Entscheidung. Mit der Klage gegen den Gesellschafter sollte dieser für vertragliche Verbind238 

Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.IV. sowie unter Teil 4 §  2 A.I.2.b). BGH, Versäumnisurt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03 = NJW 2006, 1344 (1346); Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1578); Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  401; Strohn, ZInsO 2008, 706 (711). 240  BGH, Versäumnisurt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03 = NJW 2006, 1344 (1346 f.); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  13 Rn.  45; Strohn, ZInsO 2008, 706 (712); Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  39. 241  Im Anschluss an die ÖFAB-Entscheidung (im Hinblick auf die echte Durchgriffshaftung zutreffend) für ein Eingreifen von Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO etwa Thole, GPR 2014, 113 (115). 242  Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  25; Schlosser, in: Schlosser/ Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  6. Vgl. Text zu Teil 4, Fn.  120. 243  Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  6 mit Fn.  11. Für „Fälle der Durchgriffshaftung“ ebenso Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  25. 239 

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

lichkeiten244 der Gesellschaft unter Berufung auf einen – das Trennungsprinzip ignorierenden – Durchgriff haftbar gemacht werden245. Gleichwohl entschied sich der EuGH zu Gunsten von Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO. Einen Gerichtsstand der akzessorischen Haftung lehnte er ausdrücklich ab.246 Unter a) wurde bereits dargelegt, dass auch die Haftung wegen Vermögensvermischung – auch in Bezug auf vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeiten – nicht unter Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO fällt. Verknüpft man die Argumentation des EuGH aus ÖFAB mit dem hier thematisierten Begründungsansatz, muss man konstatieren: Der – neben dem vertraglichen Mitgliedschaftsverhältnis – zu bejahende Vertragscharakter von Gesellschaftsverbindlichkeiten, für welche der Gesellschafter im Außenverhältnis haftet, tangiert die Unanwendbarkeit von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO nicht, sofern die Außenhaftung überhaupt an eine Rechtspflichtverletzung (bzw. ein Fehlverhalten) anknüpft.247 c) Das Fehlen einer direkten/unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien aa) Keine Bedeutungslosigkeit Das – in der Regel im Falle der Außenhaftung zu bejahende – Fehlen einer direkten/unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen den Verfahrensparteien spielt im Anschluss an das ÖFAB-Urteil eine wichtige Rolle bei der Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO. Das Fehlen bedeutet einen Schritt weg von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Liegt eine derartige Beziehung aber vor, bleibt dieser Schritt aus. Diese Sichtweise lässt sich darauf stützen, dass der EuGH zur Begründung des Nichteingreifens von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO in ÖFAB gerade auf eine derartige (in casu zu verneinende) Beziehung eingeht248. Die Berücksichtigung des Bestehens bzw. Nichtbestehens einer derartigen Beziehung ist zu unterstützen: Es dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Annahme, dass „Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden“, leichter begründen lässt, sofern eine derartige Beziehung besteht. Die Frage, ob Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO Platz greift, stellt sich bei der Geltendmachung einer Innenhaftung durch die Gesellschaft – insofern ist eine derartige 244 

Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  140. Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.1.b). 246  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.c). 247  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.a). 248  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  36: „sind diese Klagen nicht auf eine freiwillig eingegangene Verpflichtung gestützt, die von einer dieser Parteien gegenüber der anderen eingegangen wurde“ (Hervorhebung nicht i. O.). Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.a). 245 

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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Beziehung zu bejahen – unter ganz anderen Vorzeichen. Insofern gilt es zu untersuchen, ob der streitgegenständliche Anspruch womöglich nicht zu dieser Beziehung gerechnet werden kann. Unter Teil 4 §  2 B. wird sich zeigen, dass der EuGH den Kreis vertraglicher Ansprüche i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO insofern sehr weit zieht. Demgegenüber muss in Fällen der Außenhaftung geprüft werden, ob trotz des Fehlens einer derartigen Beziehung unter Rückgriff auf eine (oder mehrere) zwischen anderen Personen bestehende direkte/unmittelbare vertragliche Beziehung (etwa das Mitgliedschaftsverhältnis/organschaftliche Rechtsverhältnis oder die vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeit) die Annahme zu rechtfertigen ist, „Ansprüche aus einem Vertrag [würden] den Gegenstand des Verfahrens bilden“. Unter dieser Prämisse kann es nicht überzeugen, die ÖFAB-Entscheidung als Wegweiser zur Einstufung bestimmter Innenhaftungsansprüche gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter ins Feld zu führen. Die Entscheidung liefert jedenfalls keinen unmittelbaren Aufschluss darüber, ob die Innenhaftung gem. §  64 S.  1 GmbHG (oder auch die Existenzvernichtungshaftung) Art.  7 Nr.  1 oder 2 Brüssel  Ia-VO zuzuweisen ist.249 Denn schon die potentielle Nichtmaßgeblichkeit von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bedarf insoweit einer ganz andersartigen Begründung als in ÖFAB. bb) Kein strikter Ausschluss von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO Kommt dem Fehlen einer direkten/unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen den Verfahrensparteien nach dem Vorstehenden auch eine beträchtliche Bedeutung bei der Grenzziehung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO zu, trägt diese Bedeutung gleichwohl nicht den Schluss, eine Außenhaftung passe in jeder Hinsicht nicht zu Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Die ÖFAB-Entscheidung bedeutet m. a. W. noch keine Bestätigung für diejenige Ansicht, die den Vertragsgerichtsstand bei der Außenhaftung ablehnt, weil zwischen Gesellschafter/Geschäftsleiter und Gesellschaftsgläubiger keine direkte/unmittelbare vertragliche Beziehung besteht250. Setzte man diesen Begründungsansatz konsequent um, unterstünde z. B. die persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten überhaupt nicht dem Vertragsgerichtsstand.251 Der EuGH hat das Eingreifen des Vertragsgerichtsstands in ÖFAB allerdings auch 249  Tendenziell anders hingegen Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  26, 110 mit Fn.  512, der davon ausgeht, der EuGH habe in ÖFAB die Insolvenzverschleppungshaftung (=Außenhaftung) deliktisch eingeordnet und auf Grund der systematischen Nähe zwischen dieser Haftung und §  64 S.  1 GmbHG (=Innenhaftung) auch die Geschäftsführerhaftung gem. §  64 S.  1 GmbHG dem Deliktsgerichtsstand zuweisen will. 250  Siehe Teil 4, Fn.  113. 251  Vgl. Lehmann, IPRax 2005, 109 (110); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüs-

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

unter Hinweis auf den Vorwurf der Rechtspflichtverletzung abgelehnt.252 Gerade in diesem Punkt unterscheiden253 sich die persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten und (z. B.) die (nicht unter Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO fallende254) echte Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung jedoch: Während diese ein bestimmtes Fehlverhalten voraussetzt,255 handelt es sich bei jener um eine Zustandshaftung, die an die Gesellschafterstellung anknüpft, ohne ein Fehlverhalten zu verlangen256. Schon die Argumentation des EuGH aus der ÖFAB-Entscheidung zur Ablehnung des Vertragsgerichtsstands257 kann daher insb. nicht auf die persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten übertragen werden. Die ÖFAB-Entscheidung rechtfertigt mithin insgesamt nicht den Schluss, eine Außenhaftung sei in keinem Falle Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zu unterstellen. Umgekehrt schließt die ÖFAB-Entscheidung diese Sichtweise jedoch auch nicht explizit aus. d) Bedeutung der verletzten Pflicht Teilweise spricht die Literatur der Pflicht, deren Verletzung den einzustufenden Haftungsanspruch auslöst, große Bedeutung bei der Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO zu.258 Nach Weber kommt der Vertragsgerichtsstand bei einem Haftungsanspruch zum Zug, sofern die verletzte Pflicht ihrem Inhalt nach auf den Schutz des Gesellschaftsvermögens gerichtet ist und die individuelle Rechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger nicht in den Streitgegenstand hineinspielt.259 Auf dieser Basis soll etwa die Insolvenzverschleppungshaftung zu Gunsten der Altgläubiger – sofern die Klage nicht bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens erhoben wird – in den Einzugsbereich von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO fallen.260 Dieser abstrakte Abgrenzungsansatz und das konkrete Ergebnis zur Insol­venz­ verschlep­pungshaftung stehen jedoch in Widerspruch zur vorstehend261 heraussel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  17 ff., 38 mit Fn.  191; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  11. 252  Siehe Nachweis in und Text zu Teil 4, Fn.  195. 253  Vgl. zu diesem Unterschied bereits Haas, NZG 2013, 1161 (1164); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  420 f. 254  Siehe Ausführungen unter a). 255  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  240. 256  Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, Das Recht der OHG, §  128 Rn.  17; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  15; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  3. 257  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.a). 258  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  279. 259  Siehe Teil 4, Fn.  102. 260  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  430 f. 261  Siehe die Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.a).

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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gefilterten Leitlinie der ÖFAB-Entscheidung:  Danach scheidet Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO in Fällen der Außenhaftung aus, sofern der betreffende Haftungsanspruch an eine Rechtspflichtverletzung anknüpft, ohne dass es auf die konkret verletzte Pflicht ankäme. Bei der Insolvenzverschleppungshaftung handelt es sich um eine Außenhaftung,262 die dem Geschäftsleiter die Verletzung der Insolvenzantragspflicht vorwirft263. Ein Eingreifen von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO kommt folglich nicht in Betracht. Dass die Insolvenzantragspflicht dem Schutz des Gesellschaftsvermögens dient, spielt keine Rolle. Daher ist zum einen die Behauptung der Relevanz der konkret verletzten Pflicht für die Einstufung einer Gesellschafter- bzw. Geschäftsleiteraußenhaftung zurückzuweisen. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO kommt hier nicht bei bestimmten Pflichtverletzungen zum Zug. Zum anderen wurde im Anschluss an die ÖFAB-Entscheidung unter Betonung der verletzten Pflicht die deliktische Einordnung einer Innenhaftung des deutschen Rechts vertreten: Wie bereits erwähnt264, ist die Pflicht gem. §  49 Abs.  3 GmbHG mit der Pflicht gem. Kapitel 25 §  15 schwedisches Aktiengesetz vergleichbar. Folglich sei auch diejenige Haftung, die an die Verletzung der Pflicht gem. §  49 Abs.  3 GmbHG anknüpft – entsprechend der Haftung gem. Kapitel 25 §  18 schwedisches Aktiengesetz – dem Deliktsgerichtsstand zuzuweisen.265 Die Verletzung der Pflicht gem. §  49 Abs.  3 GmbHG löst einen Anspruch der GmbH gem. §  43 Abs.  2 GmbHG aus.266 Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die ÖFAB-Entscheidung keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Einstufung von Innenhaftungsansprüchen zulässt, weil das Bestehen (bzw. Nichtbestehen) einer direkten/unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen den Verfahrensparteien im Ausgangspunkt einen beträchtlichen Einfluss auf die Grenzziehung zeitigt.267 Allein der Umstand, dass die einer bestimmten Innenhaftung zu Grunde liegende Pflicht derjenigen Pflicht entspricht (bzw. sehr nahe steht), deren Verletzung einen unzweifelhaft Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO zuzuordnenden Haftungsanspruch – nämlich den Anspruch gem. Kapitel 25 §  18 schwedisches Aktiengesetz – auslöst, sollte den grundlegenden Unterschied zwischen Innen- und Außenhaftung dabei nicht überspielen. Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  102, 107; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  80. 263  Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  71; Klöhn, in: MüKoInsO, §  15a Rn.  159; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  203. 264  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  161. 265  In diesem Sinne Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873 f., 879), die die Haftung aus §  43 Abs.  2 GmbHG (im Grundsatz) dem Vertragsgerichtsstand zuordnet, jedoch den Handlungsort i. S. d. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO für eine an die Pflichtverletzung gem. §  49 Abs.  3 GmbHG anknüpfende Haftung bestimmt. 266  Siehe Teil 4, Fn.  163. 267  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.4.c)aa). 262 

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Dem steht einerseits die bislang ganz h. M. in Deutschland entgegen, welche den Anspruch gem. §  43 Abs.  2 GmbHG – insgesamt – vertraglich einstuft.268 Andererseits lässt sich dieses Verständnis nicht mit der jüngeren EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache Holterman Ferho269 in Einklang bringen. Diese Rechtsprechung lässt es nicht zu, die Haftung gem. §  43 Abs.  2 GmbHG (auch bei Verletzung der Pflicht gem. §  49 Abs.  3 GmbHG) dem Vertragsgerichtsstand zu entziehen. Jedenfalls im vorstehend dargelegten Umfang spielt die Pflicht, deren Verletzung die einzuordnenden Haftungsansprüche auslöst, keine Rolle bei der Grenzziehung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO. II. Entscheidung in der Rechtssache OTP Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache OTP270 liegt im Hinblick auf die Reichweite des Vertragsgerichtsstands bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter (dazu unter 2.) auf einer Linie mit der (unter I. behandelten) OFÄB-Entscheidung. Insofern hat sich die Rechtsprechung des EuGH verfestigt. 1. Streitgegenständlicher Haftungsanspruch Die Klägerin, die OTP Bank, verfolgte einen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens. Da von ihrer insolventen Vertragspartnerin, einer in Ungarn gegründeten Gesellschaft, keine Befriedigung zu erwarten war, verklagte sie deren Mehrheitsgesellschafterin, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland namens Hochtief Solution AG.271 Ein selbständiger Verpflichtungsgrund, der eine Inanspruchnahme dieser AG ermöglichen würde, lag nicht vor. Vielmehr stützte OTP die Klage auf – den vorliegend noch maßgeblichen272 – Art.  292 Abs.  3 des ungarischen Gesetzes über Handelsgesellschaften. Nach Art.  292 Abs.  1 dieses

268  OLG München, Urt. v. 25.06.1999 – 23 U 4834/98 = NZG 1999, 1170 (1171); OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2009 – 17 U 152/08 = IPRax 2011, 176 (178); LG Bonn, Urt. v. 30.11.2010 – 10 O 502/09 = BeckRS 21269; Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Haubold, IPRax 2000, 375 (378); Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  13; Lehmann, GmbHR 2005, 978 (981); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  38; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  3; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 ­EuGVVO Rn.  31; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  363; ders., IPRax 2013, 69 (71). Grds. auch Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873 f.). 269  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 B.I. 270  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP. 271  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  2. 272  Die Vorschrift wurde inzwischen abgelöst. Vgl. Kindler, IPRax 2014, 486 (487 mit Fn.  7).

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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Gesetzes besteht für denjenigen, der einen spürbaren Mehrheitseinfluss oder eine unmittelbare Beherrschung in einer Gesellschaft ausübt, die Pflicht, diese Tatsache innerhalb von dreißig Tagen nach ihrem Eintritt gegenüber dem zuständigen Handelsregister zu offenbaren. Kommt der Gesellschafter dieser Pflicht nicht nach und reicht das Vermögen der abhängigen Gesellschaft nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger, haftet er gem. Art.  292 Abs.  3 im Falle der Liquidation der Gesellschaft uneingeschränkt und vollständig für diejenigen vertraglichen Gesellschaftsverbindlichkeiten, die bis zum Zeitpunkt der Pflichterfüllung begründet worden sind.273 2. Keine vertragliche Streitigkeit Nach Ablehnung eines Eingreifens von Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO274 und der Anwendbarkeit von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO275 nahm der EuGH die Relevanz von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO unter die Lupe. Während kein Zweifel am Vertragscharakter der Darlehensschuld bestand, lag jedoch im Verhältnis von OTP und Hochtief (d. h. zwischen den Verfahrensparteien) keine direkte/unmittelbare vertragliche Beziehung vor.276 Diese Erkenntnis griff der EuGH auf, um – entsprechend der Argumentation in der Rechtssache ÖFAB277 – die Anwendbarkeit von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zu verneinen278: Zum einen betonte der Gerichtshof den Umstand, dass zwischen den Verfahrensparteien keine direkte/unmittelbare freiwillig eingegangene Verpflichtung vorliege.279 Zum anderen wies er darauf hin, dass die Haftung an eine Rechtspflichtverletzung der Beklagten (Art.  292 Abs.  1 des ungarischen Gesetzes über Handelsgesellschaften) anknüpfe.280 Diese Ausführungen unterstreichen die oben aufgestellte These281, dass Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO in Fällen der Außenhaftung ausscheidet, sofern der betreffende Haftungsanspruch überhaupt an irgendeine Rechtspflichtverletzung (bzw. 273 

Vgl. zum maßgeblichen Art.  292 Abs.  1 und 3 des ungarischen Gesetzes über Handelsgesellschaften EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  9; Kindler, IPRax 2014, 486 (487). 274  Siehe Nachweis in und Text zu Teil 2, Fn.  407. 275  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  11. 276  Kindler, IPRax 2014, 486 (486 f.). 277  Vgl. EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  36 und Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.a). Von einer Verbindung zwischen ÖFAB und OTP sprechen im hiesigen Kontext auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1 (13). 278  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  25, 27. Zustimmend Kindler, IPRax 2014, 486 (488 f.); Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1 (12). 279  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  24 f. 280  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  24. 281  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.a).

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

ein Fehlverhalten) anknüpft. Es ist demgegenüber widersprüchlich, der OTP-Entscheidung zuzustimmen282 und zugleich an der These festzuhalten, die gesetzliche Haftung Dritter für vertragliche Ansprüche – etwa die die selbständige juristische Person ignorierende Durchgriffshaftung – unterstehe dem Vertragsgerichtsstand283. Denn die Haftung gem. Art.  292 Abs.  3 des ungarischen Gesetzes über Handelsgesellschaften ist (bzw. war284) gesetzlich fixiert. Ferner ging es in OTP um die Haftung für eine vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeit – die relevante Haftungsnorm bezog sich ohnehin ausschließlich auf vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeiten285. 3. Schaden und ursächlicher Zusammenhang i. S. v. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia‑VO? Obschon die Vorlagefrage nicht darauf abzielte,286 ging der EuGH auch auf den Deliktsgerichtsstand ein. Unter Bezugnahme auf die ÖFAB-Entscheidung unterstrich er insofern jedoch lediglich seine ständige Rechtsprechung zum Einzugsbereich von Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO287.288 Er äußerte sich nicht dazu, ob der streitgegenständliche Haftungsanspruch tatsächlich dem Deliktsgerichtsstand zuzuordnen war. Im Anschluss an seine Ausführungen in der Rechtssache ÖFAB289 stand einem Eingreifen der Umstand nicht im Wege, dass in OTP über eine Mithaftung des Gesellschafters für eine Gesellschaftsverbindlichkeit zu befinden war, da der betreffende Haftungsanspruch eine Kompensation für den Forderungsausfall im Verhältnis zur Gesellschaft bezweckt.290 Eine Schadenshaftung wäre daher gegeben. Die Rechtssache OTP rückte aber die Voraussetzung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Schaden und dem ihm zu Grunde liegenden Ereignis291 in den Fokus.292 Gegen einen derartigen Zusammenhang sprach im vorliegenden Fall einerseits der Umstand, dass der geltend gemachte Haftungsanspruch (Art.  292 Abs.  3 des ungarischen Gesetzes über Handelsgesellschaften) keine Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  6 mit Fn.  1. Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  6 mit Fn.  11. Dagegen bereits unter Teil 4 §  2 A.I.4.b). 284  Siehe Nachweis und Text in Teil 4, Fn.  272. 285  Kindler, IPRax 2014, 486 (488). 286  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  16, 26. 287  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  21. 288  EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  26. 289  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.b). 290  In diesem Sinne auch Kindler, IPRax 2014, 486 (489). 291  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  23. 292  Darauf hinweisend und den erforderlichen Zusammenhang ablehnend bereits Kindler, IPRax 2014, 486 (489). 282  283 

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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Kausalität zwischen dem Fehlverhalten (Verstoß gegen Art.  292 Abs.  1 des ungarischen Gesetzes über Handelsgesellschaften) und dem Forderungsausfall gegenüber der Gesellschaft voraussetzte.293 Zweitens hatte der Vertragsschluss zwischen der Klägerin und der Gesellschaft bereits Jahre vor dem Verstoß gegen Art.  292 Abs.  1 des ungarischen Gesetzes über Handelsgesellschaften stattgefunden.294 Auch bei der Zuordnung von Haftungsansprüchen des deutschen Rechts darf die angesprochene Voraussetzung daher keinesfalls übersehen werden. III. Ergebnis Außenhaftungsansprüche, die überhaupt an irgendeine Rechtspflichtverletzung (bzw. ein Fehlverhalten) des Gesellschafters bzw. Geschäftsleiters anknüpfen, sind – sofern sie sich nicht ausnahmsweise auf eine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen dem Gesellschaftsgläubiger und dem Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter stützen295 – keine „Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Insoweit kommt (sofern die Mithaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten in Rede steht) auch keine Zuordnung der Haftungsansprüche zu Art.  7 Nr.  1 oder 2 Brüssel  Ia-VO in Abhängigkeit von der jeweiligen Gesellschaftsverbindlichkeit in Frage. Eine Schadenshaftung i. S. d. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO ist (schon dann) zu bejahen, wenn der betreffende Haftungsanspruch darauf ausgerichtet ist, einen Forderungsausfall des Gesellschaftsgläubigers gegenüber der Gesellschaft zu kompensieren.

B. Innenhaftung Im Folgenden bezieht sich die Untersuchung auf (materiell-rechtliche) Haftungsansprüche der Gesellschaft gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter. I. Entscheidung in der Rechtssache Holterman Ferho Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Holterman Ferho296 ist – neben ihrer Bedeutung für die Maßgeblichkeit der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO297 – auch von Relevanz für die Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO bzgl. der Innenhaftung von Gesellschaftern und Geschäftsleitern. Vgl. Kindler, IPRax 2014, 486 (489). EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-519/12 – OTP, Rn.  10 f. Darauf hinweisend bereits Kindler, IPRax 2014, 486 (489). 295  Vgl. Text zu Teil 4, Fn.  137. 296  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho. Vgl. zum Sachverhalt den Text zu Teil 3, Fn.  124 und 126. 297  Siehe Ausführungen unter Teil 3 §  3. 293  294 

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

1. Ausgangspunkt zum Einzugsbereich von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO In dieser Entscheidung beantwortete298 der EuGH (auch) die Frage, ob die auf den nach niederländischem Verständnis gesellschaftsrechtlich einzuordnenden Anspruch299 gestützte Klage dem Vertragsgerichtsstand zuzuordnen ist, sofern es sich bei dem Beklagten nicht um einen Arbeitnehmer i. S. d. Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO handelt. Entsprechend der Fokussierung auf den gesellschaftsrechtlichen Anspruch wird das Anstellungsverhältnis des deutschen Rechts im Folgenden ausgeklammert. In diesem Zusammenhang fielen die Ausführungen des EuGH recht knapp aus: Er bezog sich im Ausgangspunkt nicht auf eine ganz bestimmte (evtl. freiwillig eingegangene) Pflicht des beklagten Geschäftsleiters. Vielmehr sprach er recht allgemein von der freiwillig eingegangenen Verpflichtung, „die Gesellschaft zu leiten und zu verwalten“ und hielt fest, dass das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter vertraglicher Natur (i. S. d. Brüssel  Ia-VO) sei.300 Zentraler Anknüpfungspunkt der Argumentation ist demnach das Vertragsverhältnis insgesamt. Für die Frage nach der Abgrenzung zwischen vertraglichen und deliktischen Pflichten könnte man zwar detailliert jede einzelne Geschäftsleiterpflicht beleuchten. Die Ausführungen des EuGH offenbaren jedoch jedenfalls insoweit kein Differenzierungskriterium, als die Pflichten auf das Vertragsverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter zurückzuführen sind. Parallel zur Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge301 spricht somit viel dafür, jedenfalls alle Pflichten des Geschäftsleiters, die sich auf einen gemeinsamen vertraglichen Ursprung zurückführen lassen, einheitlich zu behandeln. Wenn das organschaftliche Rechtsverhältnis des deutschen Rechts einen Vertrag i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO darstellt und alle Pflichten des Geschäftsleiters (mit gemeinsamem vertraglichen Ursprung) übereinstimmend (vertraglich) eingestuft werden sollen, müssen alle Organpflichten des deutschen Rechts vertragliche Pflichten i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO sein. Die Vorgabe einer autonomen Auslegung lässt es andererseits nicht zu, die vertragliche Natur einer Pflicht strikt von deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten Rechtsverhältnis einer nationalen Rechtsordnung abhängig zu machen. Im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung bietet sich folgendes Abgrenzungskriterium an: Bezieht sich eine Pflicht (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiterstellung, ist diese Pflicht vertraglich einzustufen. Durch den Bezug zur Geschäftsleiterstellung wird ein hinreichender Konnex zwischen der Pflicht und dem gemeinsamen verEuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  50 ff. Siehe Text in und zu Teil 3, Fn.  126. 300  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  53. 301  Siehe Ausführungen unter Teil 3 §  3 C.III.1.a). 298  299 

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

207

traglichen Ursprung hergestellt. Bei den Organpflichten des deutschen Rechts ist vorstehendes Abgrenzungskriterium stets erfüllt. Aus dem Vertragscharakter des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter folgert der EuGH im Anschluss ohne Weiteres das Eingreifen von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bzgl. des nach niederländischem Verständnis gesellschaftsrechtlichen Anspruchs.302 Aus dieser strikten Schlussfolgerung ergibt sich: Alle Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsleiter, welche die Verletzung vertraglicher Pflichten im vorstehenden Sinne sanktionieren, unterfallen Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Wenn der EuGH abschließend (pauschal) festhält, dass der Vertragsgerichtsstand eine Klage erfasst, „die eine Gesellschaft gegen ihren [...] Geschäftsführer erhebt, weil er die ihm obliegenden gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen verletzt haben soll“303, müssen mit „gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen“ (in Abgrenzung zu anstellungsvertraglichen und deliktischen Pflichten) die Pflichten gemeint sein, die (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiterstellung Bezug nehmen. 2. Schlussfolgerung am Beispiel von §  64 S.  1 GmbHG Das §  64 S.  1 GmbHG zu Grunde liegende Zahlungsverbot304 stellt nach deutschem Verständnis jedenfalls eine Organpflicht dar.305 Es handelt sich um eine Pflicht, die (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiterstellung Bezug nimmt.306 Auch wenn der Haftungsanspruch gem. §  64 S.  1 GmbHG den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen ist,307 handelt es sich innerhalb der Brüssel  Ia-VO folglich um eine vertragliche Pflicht. Die vertragliche Einstufung der Pflicht führt wiederum dazu, dass auf §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klagen (sofern sie nicht bei Gelegenheit/anlässlich eines Insolvenzverfahrens erhoben werden) unter Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zu fassen sind. Diesem Ergebnis steht diejenige Ansicht308 entgegen, welche die Innenhaftung dem Vertragsgerichtsstand entziehen möchte, sofern der Anspruch allein (bzw. 302 

303 

EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  53. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  65 (Hervorhebung nicht

i. O.). 304  Siehe Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  347. 305  Vgl. Kolmann, in: Saenger/Inhester, GmbHG, §  64 Rn.  2: „krisenspezifische Organpflicht“; Ringe/Willemer, NZG 2010, 56 (57): „gesellschaftsrechtlichen Organpflicht“. 306  Vgl. zu §  64 Abs.  2 GmbHG a. F. auch Haubold, IPRax 2000, 375 (378): „Damit beruht die Haftung unmittelbar auf der organschaftlichen Rechtsstellung“. 307  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.VIII. 308  Haas, NZG 2010, 495 (497); Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (46); Wais, IPRax 2011, 138 (141); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (877). Siehe Text zu Teil 4, Fn.  109, 110. Widersprüchlich Wegen/Asbrand, IWRZ 2016, 248 (250), die zunächst betonen, Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO sei bei der Innenhaftung nicht anwendbar, im Anschluss die Geschäftsführerhaftung gem. §  64

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

zumindest im Kern) dem Gesellschaftsgläubigerinteresse dient. Diese Sichtweise erfuhr durch das Holterman Ferho-Urteil zumindest keinen Zuspruch. Wenn sich der EuGH in dieser Entscheidung zur Bestimmung der Reichweite des Vertragsgerichtsstands undifferenziert auf das Vertragsverhältnis insgesamt stützt, spricht dies dagegen, die Organpflichten i. S. d. §  43 GmbHG anders einzustufen als die Organpflichten i. S. d. §  64 GmbHG, obschon ihre Grundlage übereinstimmend in dem organschaftlichen Rechtsverhältnis (einem Rechtsverhältnis i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO) zu erblicken ist. Die Gegenansicht muss sich zudem vorhalten lassen, dass sie die Zuständigkeitsprüfung mit (tendenziell schwierigen) materiell-rechtlichen Fragestellungen belastet. Angerufene Gerichte müssten bereits bei der Grenzziehung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO die Schutzrichtung der einschlägigen Haftungsinstitute erörtern. 3. Maßgeblichkeit der Brogsitter-Rechtsprechung In Bezug auf den nach niederländischem Verständnis deliktischen Anspruch309 verknüpft der EuGH seine zuvor im Brogsitter-Urteil entwickelte Leitlinie zur Reichweite des Vertragsgerichtsstands310 mit der Geschäftsleiterhaftung.311 Mithin liegt ein vertraglicher Anspruch vor, sofern das vorgeworfene Verhalten als Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen des Geschäftsleiters angesehen werden kann.312 Ob Letzteres zu bejahen ist, beantwortet der EuGH in Holterman Ferho nicht selbst. Dies sei Aufgabe des vorlegenden Gerichts.313 Auf die Probleme bzw. Meinungsverschiedenheiten bzgl. der Konkretisierung der Brog­ sitter‑Leitlinie wurde bereits hingewiesen.314 Im Folgenden soll ein Konkretisierungsvorschlag bzgl. der Innenhaftung von Gesellschaftern und Geschäftsleitern unterbreitet werden. II. Konkretisierung der Vorgaben des EuGH 1. Vorschlag zum Einzugsbereich von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO Die unter I. dargelegten Aussagen lassen sich wie folgt resümieren: Pflichten, die (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiterstellung Bezug nehmen, sind S.  1 GmbHG (außerhalb des Insolvenzverfahrens) jedoch gleichwohl Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO zuweisen. 309  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  124 und 126. 310  Siehe Ausführungen unter Teil 3 §  3 C.III.1.b). 311  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  71. 312  Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12 – Brogsitter, Rn.  24; EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  71. 313  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  71. 314  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 3, Fn.  281 bis 284.

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

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vertragliche Pflichten i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Dies trifft insb. auf die Organpflichten des deutschen Rechts zu. Dies ist konsequenterweise auf Gesellschafter zu übertragen: Pflichten, die (zumindest auch) gezielt auf die Gesellschafterstellung Bezug nehmen, sind vertragliche Pflichten i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Insb. auf die mitgliedschaftlichen Pflichten des deutschen Rechts trifft dies zu. Ansprüche, welche die Kehrseite vertraglicher Pflichten im vorstehenden Sinne bilden bzw. die Verletzung derartiger Pflichten sanktionieren, sind vertragliche Ansprüche. Aber auch Ansprüche, die (im Einzelfall) an ein Verhalten anknüpfen, welches bloß als Verletzung einer derartigen Pflicht angesehen werden kann, sind vertraglicher Natur.315 Letztgenannte Konstellation zeichnet sich durch folgende Besonderheit aus: Obwohl der Anspruch die Verletzung einer Pflicht sanktioniert, die nicht (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiter- bzw. Gesellschafterstellung Bezug nimmt316, weist er (im Einzelfall) Vertragscharakter auf, wenn nur das vorgeworfene Verhalten (zugleich) als Verletzung einer vertraglichen Pflicht angesehen werden kann. Bzgl. der Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge wurde in dieser Untersuchung bereits die Auffassung vertreten317, dass (auch) sonstige Ansprüche, die nicht die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht sanktionieren, insoweit Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO zuzuordnen sind, als das im Einzelfall vorgeworfene Verhalten potentiell die Grundlage für die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht darstellt. Befürwortet man im Interesse der Rechtsklarheit grds. ein einheitliches Begriffsverständnis im Rahmen der Brüssel  Ia-VO,318 sollte die Frage „Was ist ein vertraglicher Anspruch?“ bzgl. Art.  20 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO und Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO auch übereinstimmend beantwortet werden. Unter Einbeziehung der Gesellschafterhaftung ergibt sich in Bezug auf Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO folgende Regel: Materiell-rechtliche Ansprüche gegen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter, die nicht die Verletzung von Pflichten sanktionieren, die (zumindest auch) gezielt auf die Gesellschafter bzw. Geschäftsleiterstellung Bezug nehmen (vertragliche Pflichten), sind gleichwohl insoweit Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zuzuordnen, als das im Einzelfall vorgeworfene Verhalten potentiell die Grundlage für die Verletzung einer vertraglichen 315 

Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 B.I.3. Beispielhaft sei auf den nach niederländischem Verständnis deliktischen Anspruch verwiesen, der in der Rechtssache Holterman Ferho in Rede stand. Vgl. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  10. Diesem Anspruch liegt unmittelbar die Pflicht zu Grunde, (grob gesprochen) gegenüber einem anderen keine unerlaubte Handlung vorzunehmen. 317  Siehe – zusammenfassend – Ausführungen unter Teil 3 §  3 C.III.3. 318  Kritisch zu (potentiell) unterschiedlichen Vertragsbegriffen im Hinblick auf Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO einerseits und Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO andererseits etwa Bach, IHR 2010, 17 (23); Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  20 mit Fn.  79. 316 

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Pflicht darstellt. Dies ist nur bei mitgliedschafts- bzw. organtätigkeitsbezogenem Verhalten denkbar. Dagegen kann nicht durchgreifend ins Feld geführt werden, dass dadurch Haftungsansprüche, die nach nationalem Verständnis eindeutig deliktischer Natur und vollkommen unabhängig von der Gesellschafter- bzw. Geschäftsleiterstellung sind, in bestimmten Klagesituationen dem Vertragsgerichtsstand zuzuordnen sind. Diese Konsequenz dürfte sich im Lichte der Ausführungen in Holterman Ferho ohnehin nicht vermeiden lassen. Im Zuge der – unter Teil 4 §  2 B.I.3 dargelegten – Verknüpfung der Brogsitter-Rechtsprechung mit Haftungsansprüchen gegen Geschäftsleiter führte der EuGH aus: Kann das vorgeworfene Verhalten als Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen des Geschäftsleiters angesehen werden, ist das in Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bezeichnete Gericht für die Entscheidung über dieses Verhalten zuständig.319 Im umgekehrten Fall – wenn das vorgeworfene Verhalten nicht als Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann – greift Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO.320 Das vorgeworfene Verhalten spielt bei der Grenzziehung zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand offensichtlich eine wichtige Rolle. Zieht ein und dasselbe Verhalten eines GmbH-Geschäftsführers sowohl einen Anspruch der Gesellschaft gem. §  43 Abs.  2 GmbHG als auch einen Anspruch der Gesellschaft (z. B.) gem. §  826 BGB oder §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz nach sich,321 macht eine Klage, die sich auf beide Ansprüche stützt, dem Geschäftsführer gleichwohl nur ein Verhalten zum Vorwurf. Da die ganz h. M. in Deutschland322 §  43 Abs.  2 GmbHG vollumfänglich und richtigerweise323 als vertraglichen Anspruch einstuft, wird wohl niemand bestreiten, dass das vorgeworfene Verhalten (aus diesem Blickwinkel) als Verletzung einer vertraglichen Pflicht anzusehen ist. Unter dieser Prämisse ist nach den soeben dargelegten Ausführungen des EuGH aber das in Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia‑VO bezeichnete Gericht für die Entscheidung über dieses Verhalten zuständig. Die Bezeichnung „über dieses Verhalten“ ist eindeutig und nicht begrenzt formuliert. Es wäre mit den Ausführungen des EuGH folglich nicht vereinbar, über dieses Verhalten plötzlich insoweit nicht das in Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bezeichnete Gericht entscheiden zu lassen, als die Klage (zugleich oder auch ausschließlich) auf einen Anspruch (z. B.) gem. §  826 BGB oder §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz gestützt wird. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  71. EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  71. 321  Vgl. zur Konkurrenz etwa Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  43 Rn.  6; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  43 Rn.  6. 322  Siehe Teil 4, Fn.  268. 323  Vgl. Ausführungen unter Teil 4 §  2 B.I.1. 319  320 

§  2 Abstrakte Abgrenzungskriterien

211

2. Bewertung Der vorstehende Vorschlag setzt die Brogsitter-Leitlinie strikt um und dehnt den Anwendungsbereich des Vertragsgerichtsstands weit aus. Er rechnet – unter den dargelegten Umständen – auch Ansprüche hierher, die nach deutschem Verständnis z. B. eindeutig deliktischer Natur sind. Da ein Eingreifen des Deliktsgerichtsstands – auf Grund der Klagemöglichkeit am Handlungs- sowie am Erfolgsort324 – für den Kläger tendenziell günstiger wäre,325 lässt sich gegen diesen Vorschlag die Schutzwürdigkeit der geschädigten Gesellschaft bzw. der (übrigen) Gesellschafter ins Feld führen.326 Zudem wurde auf die mitunter größere Sach- und Beweisnähe des Deliktsgerichtsstands im Vergleich zum Vertragsgerichtsstand hingewiesen.327 Allerdings ist nicht zu verkennen, dass der Gesellschaft durch diesen Vorschlag neben der Klagemöglichkeit im Wohnsitzstaat des Gesellschafters bzw. Geschäftsleiters (Art.  4 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO) – sofern der Erfüllungsort nicht im Wohnsitzstaat liegt – in jedem Fall eine weitere Klagemöglichkeit zur Verfügung gestellt wird: Gegen Gesellschafter besteht eine solche am gem. Art.  7 Nr.  1 lit.  a) Brüssel  Ia-VO zu ermittelnden328 Erfüllungsort. Dieser Ort wird häufig am Sitz der Gesellschaft (möglicherweise sogar am Verwaltungs- und am Satzungssitz329) zu verorten sein. Da das Verhältnis zwischen Geschäftsleiter und Gesellschaft als Vertrag über die „Erbringung von Dienstleistungen“ einzustufen ist, muss der Erfüllungsort insoweit nach Art.  7 Nr.  1 lit.  b) Brüssel  Ia-VO ermittelt werden.330 Dabei kommt es primär auf getroffene Vereinbarungen zur Dienstleistungserbringung und hilfsweise auf den Ort an, an dem die Dienstleistungen tatsächlich überwiegend erbracht wurden.331 Auch insoweit dürfte häufig eine Klagemöglichkeit am Gesellschaftssitz (möglicherweise sogar am Verwaltungs-

324 

Siehe Teil 3, Fn.  304. Vgl. Hoffmann, ZZP 128 (2015), 465 (472). 326  In diesem Sinne allgemein zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Vertragsgerichtsstands durch die Brogsitter-Rechtsprechung Spickhoff, IPRax 2017, 72 (75). 327  Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (907); Weber, IPRax 2013, 69 (73). 328  Zwischen Gesellschaft und Gesellschafter besteht kein Vertrag über „die Erbringung von Dienstleistungen“ i. S. d. Art.  7 Nr.  1 lit.  b) Brüssel  Ia-VO. Vgl. Mock, RabelsZ 72 (2008), 264 (283); Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  110 f.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  313. 329  In diese Richtung Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  331 ff., 338; Weller, ZGR 2012, 606 (620 f.). 330  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  57 f.; vgl. auch Wais, Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S.  111 ff.; Weber, IPRax 2013, 69 (71 f.). 331  EuGH, Urt. v. 10.09.2015 – C-47/14 – Holterman Ferho, Rn.  59 ff. 325 

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

und am Satzungssitz332) eröffnet sein. Diese alternativen Klagemöglichkeiten tragen der Schutzwürdigkeit der Gesellschaft bzw. der (übrigen) Gesellschafter bei mitgliedschafts- bzw. organtätigkeitsbezogenem Verhalten in ausreichendem Maße Rechnung. Bezieht man den Wohnsitzgerichtsstand in die Betrachtung ein, dürften diese Klagemöglichkeiten (insgesamt gesehen) auch dem Erfordernis der Sach- und Beweisnähe hinreichend Rechnung tragen. Ein Vorzug des unterbreiteten Abgrenzungsvorschlags ist seine Klarheit. Diese bedeutet Vorhersehbarkeit des einschlägigen Gerichtsstands und damit Rechtssicherheit. Eine andere – derart einfache – Umsetzung der Brogsitter-Vorgaben ist nicht ersichtlich. Durch die Begrenzung auf mitgliedschafts- bzw. organtätigkeitsbezogenes Verhalten bleibt auch eine ausreichende Verknüpfung zu den zu Grunde liegenden Vertragsverhältnissen (Mitgliedschaftsverhältnis und organschaftliches Rechtsverhältnis) erhalten. Des Weiteren wird auf der Basis dieses Vorschlags die Möglichkeit einer gemeinsamen Verhandlung von (nach nationalem Verständnis) gesellschaftsrechtlichen und insb. deliktischen Ansprüchen außerhalb des Wohnsitzstaats des Beklagten sichergestellt. Diese Möglichkeit wäre auf Grund der Verneinung einer Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexkompetenz im Bereich von Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO333 ansonsten jedenfalls nicht sicher gegeben. Dies fördert die Prozessökonomie. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung zu Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter zudem zu erkennen gegeben, dass eine Vervielfachung der Gerichtsstände im Hinblick auf Klagen, die auf ein und dasselbe Fehlverhalten gestützt sind, nach Möglichkeit zu vermeiden sei.334 Vor diesem Hintergrund überzeugt es, dass im Hinblick auf ein mitgliedschafts- bzw. organtätigkeitsbezogenes Verhalten nur der Gerichtsstand des Erfüllungsortes, nicht aber dieser und der Deliktsgerichtsstand mit den Klagemöglichkeiten am Handlungs- und Erfolgsort, in Betracht kommt. III. Ergebnis Pflichten, die (zumindest auch) gezielt auf die Gesellschafter- bzw. Geschäftsleiterstellung Bezug nehmen, sind vertragliche Pflichten i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Dies trifft insb. auf die mitgliedschaftlichen Pflichten sowie die Organpflichten des deutschen Rechts zu. Innenhaftungsansprüche, welche die Kehrseite vertraglicher Pflichten im soeben genannten Sinne bilden bzw. die Verletzung derartiger Pflichten sanktionieren, sind gleichfalls vertraglicher Natur. Innenhaftungsansprüche, die nicht die Verletzung vertraglicher Pflichten In diese Richtung Weber, IPRax 2013, 69 (72 f.). Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  1 A. 334  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  41. 332  333 

§  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen

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sanktionieren, sind gleichwohl insoweit Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zuzuordnen, als das im Einzelfall vorgeworfene Verhalten potentiell die Grundlage für die Verletzung einer derartigen Pflicht bildet. Dies trifft nur auf mitgliedschaftsbzw. organtätigkeitsbezogenes Verhalten zu.

§  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen A. Persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten In welchem Verhältnis die gerichtliche Geltendmachung der persönlichen Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten, die richtigerweise unter keinen Umständen eine Annexklage darstellt335, zu Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO steht, ist sehr streitig. Einige Autoren befürworten in Bezug auf vertragliche und deliktische Gesellschaftsverbindlichkeiten ein Eingreifen des Vertragsgerichtsstands.336 Andere Stimmen beschränken sich auf die Aussage, dass dieser Gerichtsstand bei vertraglichen Gesellschaftsverbindlichkeiten zum Zuge kommt.337 Teilweise stellt man jedenfalls die Maßgeblichkeit von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO insgesamt in Abrede.338 Ein Autor hält – mit Ausnahme von Insolvenzverwalterklagen – weder den Vertrags- noch den Deliktsgerichtsstand für einschlägig.339 Schließlich wollen Literaturstimmen Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO bei vertraglichen Gesellschaftsverbindlichkeiten und Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO bei deliktischen Gesellschaftsverbindlichkeiten heranziehen.340

335 

Siehe – auch die materiell-rechtlichen – Ausführungen unter Teil 2 §  3 A. Haas, NZG 2013, 1161 (1164); Haas/Blank, ZInsO 2013, 706 (708); Haas/Keller, ZZP 126 (2013), 335 (338); Jault-Seseke/Weller, in: Simons/Hausmann, Brüssel  I-VO, Art.  5 Nr.  1 Rn.  23. 337  BGH, Beschl. v. 22.09.2008 – II ZR 288/07 = BeckRS 2008, 21694; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art.  5 EuGVVO Rn.  58, 73; Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  7 VO (EU) 1215/2010 Rn.  11; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  13, 19; Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  25; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 ­EuGVVO Rn.  6. In Bezug auf Außengesellschaften bürgerlichen Rechts auch Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  26 mit Fn.  115. 338  OLG Naumburg, Urt. v. 24.08.2000 – 7 U (Hs) 3/00 = NZG 2000, 1218 (1219); Lehmann, IPRax 2005, 109 (110); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  17 und 38 mit Fn.  191. In Bezug auf OHG und KG auch Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  11. 339  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  423. 340  Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45); Thole, GPR 2014, 113 (115); Wagner, in: Stein/ Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  31; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (875 f.). 336 

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Zu Beginn einer Stellungnahme ist daran zu erinnern, dass die Nichtmaßgeblichkeit des Vertragsgerichtsstands bei der hier zu erörternden Außenhaftung nicht auf die Argumentation des EuGH in ÖFAB (betreffend die Ablehnung des Vertragsgerichtsstands) gestützt werden kann.341 Denn bei dieser Außenhaftung handelt es sich um eine an die Gesellschafterstellung anknüpfende Zustandshaftung, die keine Rechtspflichtverletzung (bzw. kein Fehlverhalten) des Gesellschafters voraussetzt.342 Des Weiteren kann es nicht überzeugen, diese Haftung pauschal dem Deliktsgerichtsstand zuzuweisen.343 Dagegen spricht entscheidend, dass Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO eine Schadenshaftung voraussetzt. Zwar kann die Gesellschaftsverbindlichkeit, für die der Gesellschafter einstehen soll, ein Schadensersatzanspruch sein. Allerdings ist die Haftung des Gesellschafters – z. B. gem. §  128 HGB – vom Rechtsgrund der Gesellschaftsverbindlichkeit unabhängig.344 Erfasst ist z. B. ebenso eine Verbindlichkeit gem. §  433 Abs.  2 BGB. Zwar hat der EuGH in ÖFAB entschieden, dass eine Mithaftung des Gesellschafters für Gesellschaftsverbindlichkeiten die Annahme einer Schadenshaftung nicht ausschließt. Im Hinblick (z. B.) auf §  128 HGB ist die Gesellschafterhaftung allerdings primär: Der Gesellschafter kann den Gesellschaftsgläubiger nicht auf die vorherige Inanspruchnahme der Gesellschaft verweisen.345 Im Unterschied zur Rechtssache ÖFAB346 kann man sich zur Begründung einer Schadenshaftung folglich nicht darauf berufen, dass diese Gesellschafterhaftung dazu dient, einen Forderungsausfall gegenüber der Gesellschaft zu kompensieren. Pauschal kann bzgl. der hier zu erörternden Außenhaftung folglich keineswegs von einer Schadenshaftung gesprochen werden. Pauschal kann darüber hinaus auch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen (einem potentiellen) Schaden und dem diesem zu Grunde liegenden Ereignis angenommen werden. Ein schadensbegründendes Verhalten des Gesellschafters ist im Hinblick auf eine derartige Zustandshaftung nicht erkennbar.347 Folglich scheidet eine pauschale Zuordnung zu Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO aus. Nach Vorstehendem kommt es allenfalls in Betracht, von einer deliktischen Gesellschaftsverbindlichkeit auf die Maßgeblichkeit des Deliktsgerichtsstands zu schließen. Dies rückt eine Grenzziehung anhand der Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit, für welche der Gesellschafter mithaften soll, in den Fo341 

Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.4.c)bb). Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  256. 343  In diesem Sinne jedoch Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  173. 344  Boesche, in: Oetker, HGB, §  128 Rn.  19; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  9. 345  Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  18; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  20. 346  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.b). 347  Vgl. bereits Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  420 f. 342 

§  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen

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kus. Dieser Ansatz muss mit den Ausführungen des EuGH in der Rechtssache ÖFAB abgeglichen werden, mit denen er eine solche Grenzziehung – im Hinblick auf die streitgegenständlichen Haftungsansprüche – ablehnte. Die Ablehnung begründete der Gerichtshof einerseits mit der Notwendigkeit der Vermeidung einer Vervielfachung der Gerichtsstände bei Klagen, die auf ein und dasselbe Fehlverhalten (der Beklagten) gestützt sind – andernfalls würde auch das Ziel der Sach- und Beweisnähe zu sehr aus den Augen verloren.348 Eine strikte Übertragung dieser Argumentation auf die hier zu erörternde Außenhaftung muss schon deshalb ausscheiden, weil insofern nicht ein und dasselbe Fehlverhalten (eines Gesellschafters) zur Debatte steht. Vielmehr dürfte der Schwerpunkt des Streits bei der gerichtlichen Geltendmachung der persönlichen Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten typischerweise bei der Gesellschaftsverbindlichkeit (nicht hingegen bei der Gesellschafterstellung349) zu verorten sein.350 Stimmt man dem zu, entspricht eine Grenzziehung anhand der Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit jedoch dem Ziel der Sach- und Beweisnähe – eine Vervielfachung der Gerichtsstände schadet insoweit nicht.351 Andererseits begründet der EuGH die Ablehnung in ÖFAB mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften.352 Leider fallen die Ausführungen an dieser Stelle des Urteils sehr knapp aus. Dies erschwert ihre Deutung: Im Zusammenhang mit diesem „Vorhersehbarkeitsargument“ ist in der Literatur darauf hingewiesen worden, dass die internationale Zuständigkeit im Interesse der Vorhersehbarkeit nicht vom „Prüfungsschwerpunkt“ des konkreten Verfahrens abhängen dürfe.353 Es könne nicht darauf ankommen, „ob in erster Linie über Fragen der Mithaftung oder über den Bestand der Gesellschaftsverbindlichkeit“ gestritten werde.354 Vielmehr müsse typisierend betrachtet für alle potentiellen Verfahren, die sich auf eine bestimmte Haftungskonstruktion stützen, festgelegt werden, ob Fragen der Mithaftung oder die Gesellschaftsverbind-

348 

Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.c). Dafür aber Haas, NZG 2013, 1161 (1164). 350  So bereits Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (875 f.). 351  Vgl. Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45): „Dadurch [gemeint ist eine typisierende Schwerpunktbetrachtung] wird einerseits dem Ziel [...] Rechnung getragen, nach Möglichkeit das sachnächste Gericht mit dem Verfahren zu befassen [...].“ 352  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  41. 353  Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (875). 354  So Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45). Wäre das konkrete Verfahren maßgeblich, richtete sich die internationale Zuständigkeit nur dann nach der Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit, wenn in erster Linie über den Bestand der Gesellschaftsverbindlichkeit gestritten würde. 349 

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

lichkeit den Schwerpunkt bilden.355 Dies ist im Hinblick auf die persönliche Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten zweifellos zutreffend. Es kann im Hinblick auf diese Haftung nicht nur insoweit ein Gerichtsstand der akzessorischen Haftung greifen, als sich im konkreten Verfahren die Gesellschaftsverbindlichkeit als Schwerpunkt des Streits herausstellt. Allerdings könnte eine derartige typisierende Betrachtung die ÖFAB-Kritik des EuGH in Sachen Unvorhersehbarkeit nicht vollends entkräften. Denn der Gerichtshof führt das Argument der Unvorhersehbarkeit nicht als Reaktion auf den Vorschlag an, die internationale Zuständigkeit je nach Schwerpunkt des konkreten Verfahrens auszurichten, sodass einmal – wenn im Mittelpunkt des Prozesses ein Fehlverhalten des Gesellschafters steht – Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO und ein anderes Mal – wenn zufällig die Gesellschaftsverbindlichkeit besonders streitig ist – ein Gerichtsstand der akzessorischen Haftung (je nach Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit) zum Tragen käme. Vielmehr legt er seiner Kritik insgesamt die Vorstellung eines Gerichtsstands der akzessorischen Haftung zu Grunde. Unter dieser Prämisse hinge die Zuständigkeit immer von der Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit ab, unabhängig vom Schwerpunkt des konkreten Verfahrens. Insofern wäre die Zuständigkeit allein anhand der Klageschrift zu bestimmen,356 da man sich eindeutig an der Gesellschaftsverbindlichkeit orientieren müsste und ein etwaiges Beklagtenvorbringen daran auch nichts ändern könnte. Äußert der EuGH gleichwohl Bedenken hinsichtlich der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit, kann es ihm nicht lediglich um die Forderung einer typisierenden Betrachtung gehen. Darüber hinaus muss in Bezug auf das „Vorhersehbarkeitsargument“ die allgemein gehaltene Formulierung des EuGH beachtet werden: Er spricht davon, dass eine Grenzziehung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO anhand der Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit „für einen Beklagten, der für die Verbindlichkeiten anderer haftet“, nicht die erforderliche Vorhersehbarkeit böte.357 Auch der Gesellschafter einer Personengesellschaft haftet für die Verbindlichkeiten eines anderen (nämlich der Gesellschaft). Zudem lässt sich nicht davon sprechen, dass der Gesellschafter einer Personengesellschaft die Tätigkeit der Gesellschaft (und damit die Verortung ihrer Verbindlichkeiten) per se besser vorhersehen könnte als das Verwaltungsratsmitglied bzw. der Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Die Ausführungen des EuGH deuten folglich eher darauf hin, dass die Notwendigkeit der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften auch im Personengesellschaftsrecht tendenOsterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45); Wedemann, ZEuP 2014, 867 (875). Dies führt Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (45) als Vorzug der typisierenden Betrachtung an. 357  EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – C-147/12 – ÖFAB, Rn.  41. 355  356 

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ziell gegen eine Grenzziehung zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand anhand der Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit streitet. An dieser Stelle müssen die übrigen Abgrenzungsvorschläge in die Betrachtung einbezogen werden. Öffnete man den Vertragsgerichtsstand für sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten, entsprächen – jedenfalls bei Maßgeblichkeit des deutschen Rechts – die Erfüllungsorte der Gesellschafterverbindlichkeiten den Erfüllungsorten der Gesellschaftsverbindlichkeiten.358 Es ist nicht ersichtlich, warum diese Orte – im Vergleich zum Vorschlag einer Grenzziehung anhand der Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit – für den Gesellschafter vorhersehbarer sein sollten. Die Gerichtspflicht hinge auch insofern maßgeblich vom Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft ab, ohne dass eine für den Gesellschafter vorhersehbare Begrenzung auf bestimmte Gerichtsorte erreicht würde. Der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften wird daher durch ein vollumfängliches Eingreifen des Vertragsgerichtsstands jedenfalls nicht (spürbar) besser gedient. Damit bliebe noch die Möglichkeit, weder den Vertrags- noch den Deliktsgerichtsstand in Stellung zu bringen. Der Gesellschafter könnte dann (in aller Regel) sicher sein, nur in seinem Wohnsitzstaat verklagt zu werden. Dies bedeutete für ihn Vorhersehbarkeit und damit Rechtssicherheit. Allerdings würden die Zuständigkeitsinteressen der Gesellschaftsgläubiger (insb. der Wunsch nach einem sach- und beweisnahen Forum) stark zurückgedrängt. Des Weiteren wurde zu Recht auf einen Wertungswiderspruch hingewiesen: Warum sollte Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO gegen den Rechtsnachfolger eines Vertragsschuldners eingreifen, nicht jedoch (im Hinblick auf vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeiten!) gegen den Gesellschafter einer Personengesellschaft, der die Mithaftung durch den Erwerb der Gesellschafterstellung von vornherein freiwillig übernommen hat?359 Auch in der letztgenannten Konstellation spricht viel dafür, die Gerichtspflicht nicht auf den Wohnsitzstaat des Gesellschafters zu begrenzen. Es muss jedoch betont werden, dass der angedeutete Wertungswiderspruch keineswegs ein vollumfängliches (d. h. auch deliktische Gesellschaftsverbindlichkeiten betreffendes) Eingreifen des Vertragsgerichtsstands stützt.360 Denn gegen den Rechtsnachfolger des Deliktsschuldners steht Art.  7 Nr.  2 (nicht Nr.  1) Brüssel  Ia-VO zur Verfügung. Auch im Lichte des angedeuteten Wertungswiderspruchs trifft eine Grenzziehung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO anhand der Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit daher das Richtige. Trotz gewisser Unsicherheiten in Siehe Haas/Blank, ZInsO 2013, 706 (709). In diesem Sinne bereits Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  13; Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  25. 360  A. A. wohl Haas, RabelsZ 2013, 632 (638), der sich auf den Wertungswiderspruch beruft und vollumfänglich den Vertragsgerichtsstand heranziehen möchte. 358  359 

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Bezug auf die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften, ist dieses Abgrenzungsverständnis daher – gerade auch mit Blick auf die Sach- und Beweisnähe – zu befürworten.

B. Haftung in der Vor-GmbH I. Handelndenhaftung Die Handelndenhaftung des Vor-GmbH-Geschäftsführers basiert auf einem rechtsgeschäftlichen Handeln im Namen der Gesellschaft361. Eine freiwillig eingegangene Verpflichtung zwischen dem Handelnden und dem Dritten ist (regelmäßig) nicht gegeben. In diesem Verhältnis besteht folglich keine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia‑VO. Daher stellt sich die Frage, ob ein Eingreifen des Vertragsgerichtsstands auf eine zwischen anderen Personen bestehende direkte/unmittelbare vertragliche Beziehung gestützt werden kann. Das Verhältnis zwischen Vor-GmbH und Drittem kommt insofern nicht in Betracht. Aus der Handelndenhaftung resultiert im Außenverhältnis eine eigene Verpflichtung des Handelnden (keine Haftung für fremde Schuld).362 Zudem greift die Haftung nach h. M. gerade auch dann, wenn (mangels Vertretungsmacht) gar keine Verbindlichkeit der Vor-GmbH entsteht.363 Auch unter Rückgriff auf das organschaftliche Rechtsverhältnis zwischen Handelndem und Vor-GmbH lässt sich kein Vertragscharakter der Außenhaftung konstruieren. Richtigerweise greift daher Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO. Eine Schadenshaftung dürfte sich damit begründen lassen, dass der Zweck der Haftung von der h. M. darin gesehen wird, die im Vergleich zur eingetragenen GmbH erschwerte Forderungsdurchsetzung gegenüber der Vor-GmbH auszugleichen.364 Eine Kausalität zwischen dem Handeln und diesem „Schaden“ ist ebenfalls zu bejahen. II. Verlustdeckungshaftung Tritt man in diesem Zusammenhang365 durchweg für eine unbeschränkte Außenhaftung analog §  128 HGB ein,366 teilt diese Haftung im Hinblick auf die Ab361  Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  11 Rn.  48; Merkt, in: MüKoGmbHG, §  11 Rn.  132. 362  BGH, Urt. v. 13.06.1977 – II ZR 232/75 = NJW 1977, 1683 (1685); Merkt, in: ­MüKo­GmbHG, §  11 Rn.  136. 363  Merkt, in: MüKoGmbHG, §  11 Rn.  133 f.; Schäfer, in: Henssler/Strohn, GesR, §  11 Rn.  50. 364  Vgl. Blath, in: M/H/L/S, GmbHG, §  11 Rn.  88; Merkt, in: MüKoGmbHG, §  11 Rn.  118. 365  Siehe die materiell-rechtlichen Ausführungen unter Teil 2 §  3 B.II. 366  Siehe Teil 2, Fn.  477.

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grenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO das – unter Teil 4 §  3 A. dargelegte – Schicksal der persönlichen Gesellschafterhaftung für Personengesellschaftsverbindlichkeiten367. Da keine Rechtspflichtverletzung (bzw. kein Fehlverhalten) vorausgesetzt wird, muss die Heranziehung des Vertragsgerichtsstands nicht ausscheiden. Welcher Gerichtsstand maßgeblich ist, hängt folglich von der Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit ab. Diejenigen, die im Grundsatz eine unbeschränkte, anteilige Innenhaftung der Gesellschafter befürworten,368 müssen insoweit Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO anwenden,369 da es sich bei der Verlustdeckungshaftung um eine mitgliedschaftliche Pflicht handelt370. Greift ausnahmsweise eine Außenhaftung371, bestimmt die Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit die Zuordnung zu Art.  7 Nr.  1 oder 2 Brüssel  Ia-VO.372

C. Haftung in der GmbH I. Einlageanspruch und Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung Da der Einlageanspruch der GmbH dem Mitgliedschaftsverhältnis zuzurechnen ist,373 handelt es sich nach zu Recht einhelliger Ansicht374 um einen vertraglichen Anspruch i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Identisches gilt, auf Grund des mitgliedschaftlichen Ursprungs375, für die Ausfallhaftung der Gesellschafter gegenüber der GmbH nach §  24 GmbHG sowie die Differenzhaftung der Gesellschafter gegenüber der GmbH gem. §  9 Abs.  1 S.  1 GmbHG.376 367  In diesem Sinne auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  424, der freilich im Hinblick auf die persönliche Gesellschafterhaftung im Personengesellschaftsrecht nicht der hier vertretenen Auffassung folgt. 368  Siehe Teil 2, Fn.  481 und 482. 369  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  424. 370  Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  14 Rn.  14; Reichert/Weller, MüKoGmbHG, §  14 Rn.  130. 371  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  484. 372  A. A. Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  425, der de lege lata nur den allgemeinen Gerichtsstand (Art.  4 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO) für anwendbar hält. 373  Vgl. nur Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  14 Rn.  18; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  14 Rn.  25; Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  14 GmbHG Rn.  96. 374  OLG Rostock, Urt. v. 04.06.2014 – 1 U 51/11 = IPRax 2016, 156 (157); Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Lehmann, GmbHR 2005, 978 (980); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  38; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  359 f.; Weller, ZGR 2012, 606 (616); Weller/Harms, IPRax 2016, 119 (122). 375  Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  14 Rn.  18; Weller/Discher, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  14 Rn.  11. 376  Lehmann, GmbHR 2005, 978 (980); Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüs-

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Bei der Vorbelastungs-/Unterbilanzhaftung der Gesellschafter gegenüber der GmbH377 handelt es sich ebenfalls um eine mitgliedschaftliche Pflicht.378 Sie weist daher Vertragscharakter i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO auf.379 II. Gründungshaftung gem. §  9a GmbHG Die Geschäftsführerhaftung gegenüber der GmbH für falsche Angaben gem. §  9a Abs.  1 GmbHG sanktioniert (nach zutreffender Ansicht zum deutschen Recht) die Verletzung einer Organpflicht380 und ist damit vertraglich i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO einzuordnen381. Identisches gilt für die Gesellschafterhaftung gegenüber der GmbH gem. §  9a Abs.  1 und 2 GmbHG,382 weil sie (nach zutreffender Ansicht zum deutschen Recht) die Verletzung einer mitgliedschaftlichen Pflicht sanktioniert383. Letztendlich ist die gesellschaftsrechtliche Einstufung im deutschen Sachrecht jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Zuordnung zum Vertragsgerichtsstand. Es genügt, dass die in Rede stehenden Pflichten (zumindest auch) gezielt auf die Gesellschafter- bzw. Geschäftsführerstellung bezogen sind.384

sel  Ia-VO Rn.  26; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  361 mit Fn.  776 und 780. 377  Es handelt sich nach h. M. stets um eine Innenhaftung. Vgl. Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, §  11 Rn.  61; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  11 Rn.  101. A. A. Schäfer, in: Henssler/Strohn, GesR, §  11 GmbHG Rn.  47. 378  Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  14 Rn.  18; Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  14 GmbHG Rn.  96; Weller/Discher, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  14 Rn.  11. 379  OLG Rostock, Urt. v. 04.06.2014 – 1 U 51/11 = IPRax 2016, 156 (157); Weller/Harms, IPRax 2016, 119 (122). 380  Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  9a Rn.  1 mit Fn.  1; Herrler, in: ­MüKo­GmbHG, §  9a Rn.  7; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  9a Rn.  11; Veil, in: ­Scholz, GmbHG, §  9a Rn.  6. 381  OLG München, Urt. v. 25.06.1999 – 23 U 4834/98 = NZG 1999, 1170 (1171); Haubold, IPRax 2000, 375 (378 f.). 382  Haubold, IPRax 2000, 375 (378 f.); Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  361 mit Fn.  777. 383  Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  9a Rn.  1 mit Fn.  1; Herrler, in: ­MüKo­GmbHG, §  9a Rn.  7; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, §  9a Rn.  11; Veil, in: ­Scholz, GmbHG, §  9a Rn.  6. 384  Ähnlich bereits Haubold, IPRax 2000, 375 (378).

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III. Erstattungsanspruch gem. §  31 Abs.  1 GmbHG und Ausfallhaftung gem. §  31 Abs.  3 GmbHG Die Haftungsansprüche der GmbH gem. §  31 Abs.  1 und 3 GmbHG gegen die Gesellschafter sind ebenfalls dem Vertragsgerichtsstand zuzuweisen,385 da wiederum mitgliedschaftliche Pflichten betroffen sind386. IV. Haftung wegen Vermögensvermischung Die echte Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung387 wird in der Literatur teilweise dem Vertragsgerichtsstand zugeschlagen, soweit vertragliche Gesellschaftsverbindlichkeiten betroffen sind.388 Vereinzelt wurde (wohl) auch auf letztgenannte Einschränkung verzichtet.389 Die überwiegende Auffassung in der deutschen Literatur möchte hingegen Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO anwenden.390 Diese Haftung besteht im Außenverhältnis.391 Sie knüpft an eine Rechtspflichtverletzung bzw. ein Fehlverhalten (nämlich die Verursachung der Vermögensvermischung) an.392 Unter diesen Umständen kommt ein Eingreifen von Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO nicht in Betracht.393 Eine Orientierung an der Rechtsnatur der Gesellschaftsverbindlichkeit hat der EuGH (unter diesen Umständen) ausdrücklich abgelehnt.394 Obschon die Haftung wegen Vermögensvermischung dogmatisch als Mithaftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten ausgestaltet ist, zielt sie auf die Kompensation der – auf Grund der Vermögensvermischung 385  Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Lehmann, GmbHR 2005, 978 (980); Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  26; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  359 f.; Weller, ZGR 2012, 606 (616); Weller/Harms, IPRax 2016, 119 (122). 386  Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  14 Rn.  18; Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  14 GmbHG Rn.  96; Weller/Discher, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  14 Rn.  11. 387  Siehe – auch die materiell-rechtlichen – Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.IV. 388  In diesem Sinne Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art.  5 Rn.  25; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  6. 389  Vgl. Hess, EuZPR, §  6 Rn.  48 zur „gesellschaftsrechtliche[n] Durchgriffshaftung“. 390  Lehmann, GmbHR 2005, 978 (981); Leible, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  12 Rn.  22; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  173; Thole, GPR 2014, 113 (115); Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  134; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  411 ff. 391  BGH, Versäumnisurt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03 = NJW 2006, 1344 (1346); Bitter, ZInsO 2010, 1561 (1578); Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  401; Strohn, ZInsO 2008, 706 (711). 392  BGH, Versäumnisurt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03 = NJW 2006, 1344 (1346 f.); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  13 Rn.  45; Strohn, ZInsO 2008, 706 (712); Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  39. 393  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.a)bb)(3). 394  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.c).

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Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

eingetretenen – Beeinträchtigung der Durchsetzung der Gesellschaftsgläubigerforderungen gegenüber der Gesellschaft, sodass bei funktionaler Betrachtung von einer Schadenshaftung i. S. d. Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO auszugehen ist.395 Da der Gesellschafter für die Vermögensvermischung verantwortlich sein muss,396 ist schließlich auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem ihm zu Grunde liegenden Ereignis zu bejahen. Der Heranziehung von Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO steht nichts im Wege. V. Existenzvernichtungshaftung Soweit die klageweise Durchsetzung der Existenzvernichtungshaftung nicht Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO zuzuweisen ist,397 kommt die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit gem. Art.  7 Nr.  1 oder 2 Brüssel  Ia-VO in Frage. Die klar h. M. in der deutschen Literatur spricht sich insofern für die Maßgeblichkeit des Deliktsgerichtsstands aus.398 Aber auch ein Eingreifen des Vertragsgerichtsstands wird vertreten.399 Das Verhältnis wechselseitiger Exklusivität zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand400 schließt jedenfalls die (ebenfalls behauptete401) Einschlägigkeit beider Gerichtsstände aus. Die nach h. M. zum deutschen Recht auf §  826 BGB gestützte Haftung verletzt – nach dieser h. M. – jedenfalls keine mitgliedschaftliche Pflicht i. S. d. deutschen Rechts. Gleichwohl stellt die Existenzvernichtungshaftung ein verselbständigtes Haftungsinstitut im Rahmen des §  826 BGB dar.402 Dies rechtfertigt es, gezielt die Pflicht, deren Verletzung dieses Haftungsinstitut auf den Plan ruft, zu beleuchten. Es handelt sich um die Pflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft403 zur „Re­ spek­tierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Be-

395  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.b). Im Ergebnis ebenso bereits Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  134; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  414. 396  BGH, Versäumnisurt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03 = NJW 2006, 1344 (1346 f.); Alt­ mep­pen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, §  13 Rn.  137; Strohn, ZInsO 2008, 706 (712). 397  Siehe – auch die materiell-rechtlichen – Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.V. 398  Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  7 VO (EU) 1215/2010 Rn.  48; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  74a; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  110; Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (46 f.); Thole, GPR 2014, 113 (115); Wagner, in: Stein/ Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  32, 134; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (876 f.). 399  Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  6. 400  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 4, Fn.  27–33. 401  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  407. 402  Siehe Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  424 und 425. 403  Vgl. nur Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  50: „Rücksichtnahmepflicht des Gesellschafters gegenüber seiner GmbH“.

§  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen

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friedigung der Gesellschaftsgläubiger“404. Mithin steht eine Pflicht in Rede, die sich (zumindest auch) gezielt auf die Gesellschafterstellung bezieht. Sie ist daher vertraglich i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO einzustufen. Konsequenterweise ist auch die Sanktion für die Verletzung dieser Pflicht – d. h. die Existenzvernichtungshaftung – Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO zuzuweisen. Dass es in diesem Zusammenhang nicht auf die deliktische Einstufung der verletzten Pflicht, die der h. M. im deutschen Sachrecht entspricht, ankommen kann, verdeutlicht auch der Umstand, dass sich beachtliche Stimmen in der Literatur für die Verletzung einer mitgliedschaftlichen Pflicht stark machen405. Die Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO sollte hier nicht von der Streitentscheidung im deutschen Sachrecht abhängen. VI. Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung Unabhängig davon, ob man die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung406 als echte Durchgriffshaftung407 einordnet (jedenfalls insofern wäre bei Klageerhebung anlässlich eines Insolvenzverfahrens jedoch eine Annexklage zu bejahen408) oder mit der h. M. auf §  826 BGB stützt409, kommt die Maßgeblichkeit des Vertragsgerichtsstands (jedenfalls unter den folgenden Prämissen) nicht in Betracht. Es handelt sich in beiden Fällen um eine Außenhaftung,410 die an eine Rechtspflichtverletzung bzw. ein Fehlverhalten (nämlich – allgemein gesprochen – an das Verhalten des Gesellschafters in Bezug auf die Finanzausstattung der GmbH) anknüpft411. Unter diesen Umständen hat der EuGH in ÖFAB – gerade bzgl. einer Haftung wegen nachträglicher materieller Unterkapitalisierung412 – auch einen Gerichtsstand der akzessorischen Haftung, der ohnehin nur bei Annahme einer echten Durchgriffshaftung in Betracht käme, explizit zurückgewiesen413. 404 

BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 = NJW 2007, 2689 (2691). Siehe nur Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, §  13 GmbHG Rn.  50. 406  Siehe – insb. zu den Unsicherheiten im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung dieses Haftungsinstituts – Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.VI. 407  Siehe Teil 2, Fn.  529. 408  Siehe Nachweise und Text in Teil 2, Fn.  530. 409  Siehe Teil 2, Fn.  531. 410  Vgl. zur echten Durchgriffshaftung Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  13 Rn.  21; Bitter, in: Scholz, GmbHG, §  13 Rn.  143; Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  415. Vgl. zu §  826 BGB Nachweise in und Text zu Teil 2, Fn.  536. 411  Vgl. zur echten Durchgriffshaftung Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  417. Vgl. zu §  826 BGB BGH, Urt. v. 28.04.2008 – II ZR 264/06 = NJW 2008, 2437 (2440). 412  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.1.b). 413  Siehe Ausführungen unter Teil 4 §  2 A.I.3.c). 405 

224

Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Ein Anspruch gem. §  826 BGB setzt die Verursachung eines (konkret zu ermittelnden) Schadens durch das (vorgeworfene) Verhalten voraus.414 Bei Annahme einer echten Durchgriffshaftung hat man es zwar mit einer Mithaftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu tun. Gleichwohl zielt die Haftung auf die Kompensation der – durch den Eintritt der materiellen Insolvenz415 hervorgerufenen – Nichtrealisierbarkeit der Gesellschaftsgläubigerforderungen gegenüber der Gesellschaft. Zudem muss der betroffene Gesellschafter für die Unterkapitalisierung verantwortlich und diese wiederum kausal für die materielle Insolvenz sein.416 Im Hinblick auf beide Grundansätze sind folglich eine Schadenshaftung und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem ihm zu Grunde liegenden Ereignis zu bejahen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn die ganz h. M. in der deutschen Literatur davon spricht, die „Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung“ sei dem Deliktsgerichtsstand zuzuweisen.417 VII. Geschäftsführerhaftung gem. §  43 GmbHG Soweit Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO ausscheidet, untersteht die Innenhaftung des Geschäftsführers gem. §  43 Abs.  2 GmbHG418 sowie gem. §  43 Abs.  3 S.  1 GmbHG419 dem Vertragsgerichtsstand, da sie die Verletzung von Organpflichten sanktioniert420. Vgl. nur Wagner, in: MüKoBGB, §  826 Rn.  45. Zu dieser Voraussetzung Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  13 Rn.  21; Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  418. 416  Vgl. Lieder, in: M/H/L/S, GmbHG, §  13 Rn.  417 f. 417  Hess, EuZPR, §  6 Rn.  67; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  74a; Lehmann, GmbHR 2005, 978 (981); Leible, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  12 Rn.  22; ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  110; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  173; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  13; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  134; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  411 ff.; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873). Vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 04.05.2004 – 16 W 11/04 = NZG 2004, 1009 (1010 f.). 418  OLG München, Urt. v. 25.06.1999 – 23 U 4834/98 = NZG 1999, 1170 (1171); OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2009 – 17 U 152/08 = IPRax 2011, 176 (178); LG Bonn, Urt. v. 30.11.2010 – 10 O 502/09 = BeckRS 21269; Haas, NZG 2013, 1161 (1163); Haubold, IPRax 2000, 375 (378); Kropholler/von Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  13; Lehmann, GmbHR 2005, 978 (981); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  38; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  3; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 ­EuGVVO Rn.  31; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  363; ders., IPRax 2013, 69 (71). Grds. auch Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873 f.). 419  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  363 mit Fn.  795. 420  Vgl. nur Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  43 Rn.  1; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, §  43 Rn.  4. 414  415 

§  3 Zuordnung ausgewählter Haftungsklagen

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Treten (bei organtätigkeitsbezogenem Verhalten421) sonstige Haftungsansprüche (z. B. §  826 BGB oder §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz422) in echte Anspruchskonkurrenz zu §  43 Abs.  2, 3 S.  1 GmbHG, sind auch diese Ansprüche nach dem hier vertretenen Ansatz vertraglich i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO einzustufen. Dies ergibt sich daraus, dass das vorgeworfene Verhalten potentiell die Grundlage für die Verletzung einer Pflicht bildet, die (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsführerstellung Bezug nimmt. VIII. Geschäftsführerhaftung gem. §  64 S.  1 GmbHG Soweit eine auf die Geschäftsführerhaftung gem. §  64 S.  1 GmbHG gestützte Klage nicht gem. Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO aus dem Anwendungsbereich der Brüssel  Ia-VO auszuscheiden ist423 und Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO keine Anwendung findet, kommt die Maßgeblichkeit von Art.  7 Nr.  1 oder 2 Brüssel  Ia-VO in Betracht. Insoweit ist das Meinungsbild geteilt.424 Richtigerweise ist diese Innenhaftung dem Vertragsgerichtsstand zuzuweisen, da sie die Verletzung einer Organpflicht sanktioniert425. IX. Geschäftsführerhaftung gem. §  64 S.  3 GmbHG Soweit Art.  6 Abs.  1 EuInsVO426 sowie Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO in Bezug auf §  64 S.  3 GmbHG nicht eingreifen, stellt sich die Frage nach der Grenzziehung zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand.427 Richtigerweise gehört die 421 

Die Organhaftung gem. §  43 GmbHG greift ohnehin lediglich bei organtätigkeitsbezogenem Verhalten ein. Vgl. Teil 3, Fn.  297. 422  Vgl. Teil 3, Fn.  298. 423  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.VIII. 424  Pro Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO OLG München, Urt. v. 25.06.1999 – 23 U 4834/98 = NZG 1999, 1170 (1171); OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2009 –17 U 152/08 = IPRax 2011, 176 (178); Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  41; Haubold, IPRax 2000, 375 (378); Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  38 mit Fn.  178; Schlosser, in: Schlosser/ Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  3 mit Fn.  7; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  5 EuGVVO Rn.  31 mit Fn.  89; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  429 mit Fn.  1111; Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  264. Pro Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.12.2009 – 13 U 102/09 = NZG 2010, 509 (510); Gottwald, in: MüKoZPO, Art.  7 VO (EU) 1215/2010 Rn.  48; Haas, NZG 2010, 495 (497); ders., in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  38; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  26, 110; Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44 (47); Wais, IPRax 2011, 138 (141); Wede­mann, ZEuP 2014, 867 (877); Wegen/Asbrand, IWRZ 2016, 248 (250). 425  Vgl. Kolmann, in: Saenger/Inhester, GmbHG, §  64 Rn.  2: „krisenspezifische Organpflicht“. Vgl. auch Ringe/Willemer, NZG 2010, 56 (57): „gesellschaftsrechtlichen Organpflicht“. 426  Siehe Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.IX. 427  Pro Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im

226

Teil 4: Abgrenzung zwischen Art.  7 Nr.  1 und 2 Brüssel  Ia-VO

Innenhaftung zum Vertragsgerichtsstand, weil sie die Verletzung einer Organpflicht sanktioniert428. X. Insolvenzverschleppungshaftung Soweit die Insolvenzverschleppungshaftung nicht in den Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO fällt,429 kommt die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit gem. Art.  7 Nr.  1 oder 2 Brüssel  Ia-VO in Betracht. Die klar h. M. in der deutschen Literatur spricht sich (vollumfänglich) für ein Eingreifen des Deliktsgerichtsstands aus.430 Demgegenüber möchte Weber differenzieren: Die Haftung zu Gunsten der Altgläubiger sei dem Vertragsgerichtsstand zuzuweisen,431 wohingegen (vertragliche) Neugläubiger auf Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO zurückgreifen könnten432. Weil die Haftung wegen Insolvenzverschleppung eine Außenhaftung darstellt433 und an die Verletzung der Rechtspflicht zur Stellung des Insolvenzantrags anknüpft434, kann Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO – entsprechend der unter Teil 4 §  2 A.I.3.a)bb)(3) zusammengefassten Leitlinie – keine Rolle spielen. Da es sich um eine Haftung für einen konkret zu ermittelnden Schaden handelt435 und diese Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Gläubigerschaden voraussetzt436, steht der Heranziehung von Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO jedoch nichts im Wege. Der h. M. in der deutschen Literatur ist folglich zuzustimmen.

IZVR, S.  410. Pro Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  38; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (877). 428  Vgl. Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, §  64 Rn.  43; Kolmann, in: Saenger/Inhester, GmbHG, §  64 Rn.  82; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §  64 Rn.  80. 429  Siehe – auch die materiell-rechtlichen – Ausführungen unter Teil 2 §  3 C.X. 430  Freitag, ZIP 2014, 302 (306 f.); Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  64 Rn.  194; Klöhn, in: MüKoInsO, §  15a Rn.  264; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Brüssel  Ia-VO Rn.  110; Paulus, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Brüssel  Ia-VO, Art.  7 Rn.  173; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art.  7 EuGVVO Rn.  13; Thole, GPR 2014, 113 (115); Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art.  1 EuGVVO Rn.  50; Wedemann, ZEuP 2014, 867 (873); Willemer, Vis attractiva concursus und die EuInsVO, S.  273. 431  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  430 f. Dagegen schon unter Teil 4 §  2 A.I.4.d). 432  Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im IZVR, S.  427. 433  Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, §  92 Rn.  102, 107; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  80. 434  Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  71; Klöhn, in: MüKoInsO, §  15a Rn.  159; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  203. 435  Klöhn, in: MüKoInsO, §  15a Rn.  180. 436  Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  64 Rn.  71; H.‑F. Müller, in: MüKoGmbHG, §  64 Rn.  203.

Teil 5

Zusammenfassung Die vorstehende Untersuchung thematisierte die internationale Zuständigkeit bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter nach Brüssel  Ia-VO und EuInsVO. Mit Blick auf die Bestimmung der Anwendungsbereiche der diversen Zuständigkeitsvorschriften hat sie folgende Leitlinien zu Tage ge­fördert: Im Ausgangspunkt ist es im Bereich von Gesellschaftsinsolvenzen erforderlich, sich für eine der Verordnungen zu entscheiden. Das Eingreifen von Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel  Ia-VO und die damit einhergehende Maßgeblichkeit des (grds.) eine ausschließliche Zuständigkeit regelnden Art.  6 Abs.  1 EuInsVO ist an zwei große Voraussetzungen geknüpft. Sind diese erfüllt, spricht man von einer Annexklage. Erstens muss die Klage bei Gelegenheit bzw. anlässlich eines Insolvenzverfahrens erhoben werden. Dies wiederum erfordert die Eröffnung und Nichtbeendigung des Insolvenzverfahrens im Zeitpunkt der Klageerhebung. Andernfalls wird der zentrale Sinn und Zweck von Art.  6 Abs.  1 EuInsVO – Verbesserung der Effizienz und der Beschleunigung der Insolvenzverfahren – nicht erreicht. Zu beachten ist, dass auch ein Insolvenzeröffnungsverfahren taugliches Insolvenzverfahren im vorstehenden Sinne ist. Die Annahme einer Klage bei Gelegenheit bzw. anlässlich eines Insolvenzverfahrens setzt zudem eine Klageerhebung im Interesse der Gläubigergesamtheit voraus. Betrifft eine Klage ausschließlich das Interesse eines einzelnen Gesellschaftsgläubigers ist eine Annexklage – unabhängig von dem der Klage als Grundlage dienenden materiell-rechtlichen Anspruch – abzulehnen. Problembehaftet sind diejenigen Fälle, in denen sich zu dem Interesse eines einzelnen Gläubigers das Interesse der Gläubigergesamtheit gesellt. Hier ist etwa der Fall einzuordnen, in dem sich der klagende Gläubiger verpflichtet hat, einen Teil des eingezogenen Erlöses an die Insolvenzmasse abzuführen. Um die Umgehung der ausschließlichen Zuständigkeit im Staat der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO und ein forum shopping zu verhindern, sollte die Qualifikation als Annexklage noch nicht auf Grund des Umstands ausscheiden, dass das Interesse der Gläubigergesamtheit lediglich mittelbar betroffen ist. Trotz dieses Umstands sollte der Weg weiterhin in Richtung EuInsVO führen, sofern der klagende Gläubiger bzw. Dritte zur Gel-

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Teil 5: Zusammenfassung

tendmachung des Anspruchs verpflichtet ist und das Interesse der Gläubigergesamtheit im Vergleich zum Gläubiger- bzw. Drittinteresse zumindest wirtschaftlich gleichwertig betroffen ist. Schließlich ist Art.  6 Abs.  1 EuInsVO auch nicht per se die falsche Anlaufstelle für Klagen, die nicht das Interesse aller Insolvenzgläubiger (gleichermaßen) tangieren. Zweitens liegt der Ursprung einer Annexklage im Insolvenzverfahrensrecht. Dies ist wiederum der Fall, wenn der materiell-rechtliche Anspruch, welcher der Klage zu Grunde liegt, den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren und nicht den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts angehört. Ein Haftungsanspruch gegen einen Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter ist diesen Spezialregelungen zuzuordnen, sofern der Erfolg einer auf ihn gestützten Klage vom Eintritt eines Insolvenzgrundes abhängig ist. Dies ist insb. zu bejahen, wenn die Entstehung des Anspruchs vom Eintritt eines Insolvenzgrundes abhängt. Kann eine Klage aber auch ohne den Eintritt eines Insolvenzgrundes Erfolg haben, gehört der dieser Klage zu Grunde liegende Haftungsanspruch zu den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts. Eine Annexklage scheidet dann aus. Belanglos für die Grenzziehung zwischen Spezialregelungen und allgemeinen Regelungen sind demgegenüber der Regelungsstandort des Anspruchs in der nationalen Rechtsordnung, die Unabhängigkeit seiner Geltendmachung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und seine Vorwirkung auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie vor Eintritt eines Insolvenzgrundes. Vorstehender Ansatz zeitigt auch die Konsequenz, dass insolvenzrechtliche Vorfragen allein niemals den Ausschlag für die insolvenzrechtliche Qualifikation einer Klage geben können. In diesem Kontext ist zudem auf den partiellen Auslegungszusammenhang zwischen dem Einzugsbereich von Art.  6 Abs.  1 ­EuInsVO und dem Anknüpfungsgegenstand von Art.  7 EuInsVO hinzuweisen: Ein Haftungsanspruch, der den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren im obigen Sinne angehört, untersteht stets auch dieser Kollisionsnorm. Umgekehrt bedeutet die insolvenzrechtliche Qualifikation (aus kollisionsrechtlicher Perspektive) eines Haftungsanspruchs noch nicht, dass eine auf diesen Anspruch gestützte Klage in jedem Fall eine Annexklage wäre. Unter gewissen Voraussetzungen ermöglicht es schließlich Art.  6 Abs.  2 UAbs.  1 EuInsVO dem Insolvenzverwalter, Annexklagen außerhalb des Staates der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wohnsitzstaat des oder eines der Beklagten zu erheben. Zentrale Voraussetzung ist insofern ein Zusammenhang i. S. d. Art.  6 Abs.  3 EuInsVO (jedenfalls) zwischen einer Annexklage und einer Nichtannexklage. Für diesen Zusammenhang darf es keinerlei Rolle spielen, dass sich die unterschiedlichen Klagen auf Haftungsansprüche stützen, die sich im Hinblick auf ihre Rechtsnatur grundlegend voneinander unterscheiden. Denn Letzteres ist genau die Konstellation, die Art.  6 Abs.  2 EuInsVO im Blick hat.

Zusammenfassung

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Ein derartiger Zusammenhang sollte jedenfalls immer dann angenommen werden, wenn sich Annexklage und Nichtannexklage auf ein und dasselbe tatsächliche Verhalten stützen. Liegt keine Annexklage vor, kann die Zuständigkeit auf Basis der Vorschriften der Brüssel  Ia‑VO geprüft werden. Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO, der eine ausschließliche Zuständigkeit im Sitzstaat der Gesellschaft vorsieht, kann bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter nicht in Stellung gebracht werden. Das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke steht einer Anwendung dieser Norm jenseits ihres Wortlauts, der besagte Haftungsklagen nicht anführt, entgegen. Sind die im Wortlaut explizit angeführten Sachbereiche (insb. die Gültigkeit der Beschlüsse von Gesellschaftsorganen) bei derartigen Haftungsklagen vorfrageweise betroffen, ruft dies Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO nicht auf den Plan. Das Aufkommen solch einer Vorfrage in einem konkreten Verfahren kann nicht genügen, da dem Beklagten andernfalls eine „Supertorpedomacht“ an die Hand gegeben würde. Die Zuständigkeit stünde bei Klageerhebung nicht fest und der Grundsatz der perpetuatio fori würde missachtet. Auch wenn man die letztgenannten Argumente durch die Voraussetzung zu relativieren versuchte, dass ein explizit aufgeführter Sachbereich typischerweise bei einer bestimmten Art von Verfahren als Vorfrage den Mittelpunkt des Rechtsstreits bilden muss, damit diese Verfahrensart von Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO erfasst wird, änderte sich im hiesigen Zusammenhang nichts. Die in Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO explizit angeführten Sachbereiche stehen bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter nicht typischerweise im Zentrum der Streitigkeit. Allgemein spricht der systematische Gegenschluss zu Art.  24 Nr.  4 Brüssel  Ia-VO gegen die Relevanz von Vorfragen bei Art.  24 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO. Die Regeln zur Zuständigkeit bei Verbrauchersachen (Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO) kommen bei Haftungsklagen gegen Gesellschafter, die im Zusammenhang mit dem Mitgliedschaftsverhältnis stehen, ebenfalls nicht zum Zug. Dieses Ergebnis fußt maßgeblich auf der Überlegung, dass der den Gesellschaftsvertrag prägende gemeinsame Zweck nicht zum Telos der Art.  17 ff. Brüssel  Ia-VO passt. Diese Normen zielen auf Konstellationen, in denen eine stärkere Partei ihre Interessen gegenüber den gegenläufigen Interessen einer anderen, schwächeren Vertragspartei durchsetzt. Ferner würden die Zuständigkeits­inte­ ressen der übrigen Verbrauchergesellschafter durch die Beschränkung der Klagemöglichkeit auf den Wohnsitzstaat des einzelnen beklagten Verbrauchergesellschafters (Art.  18 Abs.  2 Brüssel  Ia-VO) zu sehr hintangestellt. Bei der Beurteilung der Maßgeblichkeit der Zuständigkeitsvorschriften für individuelle Arbeitsverträge (Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO) in Bezug auf Haftungsklagen gegen Geschäftsleiter, welche die Klagemöglichkeit der Gesellschaft gem.

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Teil 5: Zusammenfassung

Art.  22 Abs.  1 Brüssel  Ia-VO auf den Wohnsitzstaat des Arbeitnehmergeschäftsleiters beschränken würde, sind zwei Fragen auseinanderzuhalten. Zum einen ist zu prüfen, ob zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter überhaupt ein individueller Arbeitsvertrag vorliegt. Die Bejahung eines derartigen Vertrags hängt im Wesentlichen vom Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses ab. Dessen Vorliegen ist anhand einer Gesamtbetrachtung der zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter gegebenen Rechtsverhältnisse zu beurteilen, auch wenn diese nach dem Recht eines Mitgliedstaats im Grundsatz zu trennen sind. Für besagte Gesamtbetrachtung sind drei Kriterien von besonderer Relevanz: die nach dem Gesellschaftsstatut zu prüfende gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit des Geschäftsleiters (verstanden als rechtliche Möglichkeit von Einzel­weisungen), dessen anhand des Gesellschaftsstatuts zu erörternde Abberufbarkeit sowie dessen Gesellschaftsbeteiligung. Grds. sind diese Kriterien ­zunächst einzeln zu beleuchten, wobei konkrete Ausprägungen bzgl. der Weisungsgebundenheit bzw. Abberufbarkeit zu berücksichtigen sind. Sodann ist im Rahmen einer Gesamtbewertung der Kriterien über das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses zu entscheiden. So befindet sich z. B. der Fremdgeschäftsführer gegenüber der GmbH auf Basis der gesetzlichen Grundkonzeption im Hinblick auf Weisungsgebundenheit (§  37 Abs.  1 GmbHG) sowie Abberufbarkeit (§  38 Abs.  1 GmbHG) zweifellos in einem Unterordnungsverhältnis. Im ­Übrigen vereinfachen folgende Grenzlinien die Rechtsfindung: Derjenige Geschäftsleiter, der auf Grund seines Einflusses im weisungsbefugten Gesellschaftsorgan jede Weisung verhindern kann, befindet sich nicht in einem Unterordnungsverhältnis gegenüber der Gesellschaft. Erst recht trifft dies auf weisungsfreie Geschäftsleiter zu, weswegen z. B. Vorstandsmitglieder einer AG keine Arbeitnehmer i. S. d. Brüssel  Ia-VO sind. Ferner schließt eine Einschränkung der freien Abberufbarkeit eines Geschäftsleiters die Annahme eines Unterordnungsverhältnisses nicht zwingend aus. Zum anderen ist bei Bejahung eines individuellen Arbeitsvertrags zu bestimmen, ob bzw. inwieweit der Klage gegen den Geschäftsleiter Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag zu Grunde liegen. Materiell-rechtliche Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger und solche Ansprüche, die sich (im Einzelfall) nicht auf die Geschäftsleitungstätigkeit beziehen, scheiden von vornherein aus dem Kreis der arbeitsvertraglichen Ansprüche aus. Im Hinblick auf die Innenhaftung des deutschen Rechts sind neben den dem Anstellungsverhältnis zuzurechnenden Ansprüchen auch solche Ansprüche, die in den Bereich des organschaftlichen Rechtsverhältnisses gehören, potentiell arbeitsvertraglicher Natur. Wäre das organschaftliche Rechtsverhältnis strikt dem Anwendungsbereich der Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO entzogen, gefährdete man die einheitliche Anwendung der Brüssel  Ia-VO in den Mitgliedstaaten. Zudem widerspräche eine derartige

Zusammenfassung

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Sichtweise der angesprochenen Gesamtbetrachtung, bei welcher die nach nationalem Verständnis zu trennenden Rechtsverhältnisse gerade zu einer Einheit zusammengefasst werden. Für eine positive Eingrenzung arbeitsvertraglicher Ansprüche muss demnach auch das organschaftliche Rechtsverhältnis als Arbeitsvertrag i. S. d. Art.  20 ff. Brüssel  Ia-VO angesehen werden. Bezieht sich eine Pflicht (zumindest auch) gezielt auf die Geschäftsleiterstellung, ist diese Pflicht arbeitsvertraglich einzustufen. Dies trifft insb. auf die Organpflichten des deutschen Rechts zu. Ansprüche, welche die Kehrseite arbeitsvertraglicher Pflichten im vorstehenden Sinne bilden bzw. die Verletzung derartiger Pflichten sanktionieren, sind arbeitsvertragliche Ansprüche. Darüber hinaus sollten auch sonstige Ansprüche, die nicht die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten im vorstehenden Sinne sanktionieren, dann arbeitsvertraglich qualifiziert werden, wenn das im Einzelfall vorgeworfene Verhalten potentiell die Grundlage für die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht bildet. Für die Abgrenzung zwischen dem Vertragsgerichtsstand (Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO) und dem Deliktsgerichtsstand (Art.  7 Nr.  2 Brüssel  Ia-VO) in Bezug auf Haftungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter spielt die Zuordnung der materiell-rechtlichen Haftungsansprüche – Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft oder Außenhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern – eine bedeutende Rolle. Zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsleiter besteht eine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO in Form des organschaftlichen Rechtsverhältnisses. Im Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter ist Identisches mit Blick auf das Mitgliedschaftsverhältnis anzunehmen. Zwischen dem Gesellschaftsgläubiger einerseits und dem Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter andererseits besteht hingegen in der Regel keine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Das Fehlen einer direkten/unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien geht zwar nicht zwingend mit der Unanwendbarkeit des Vertragsgerichtsstands einher. Außenhaftungsansprüche sind aber – sofern sie sich nicht ausnahmsweise auf eine direkte/unmittelbare Vertragsbeziehung gerade zwischen dem Gesellschaftsgläubiger und dem Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter stützen – nichtvertraglich i. S. d. Brüssel  Ia-VO, wenn sie überhaupt an irgendeine Rechtspflichtverletzung (bzw. ein Fehlverhalten) des Gesellschafters bzw. Geschäftsleiters anknüpfen. Bei einer derartigen Außenhaftung kann der Deliktsgerichtsstand eingreifen. Eine Mithaftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten ist von dieser Möglichkeit nicht ausgeschlossen, sofern der Haftungsanspruch darauf abzielt, einen Forderungsausfall der Gesellschaftsgläubiger bzgl. der Gesellschaftsverbindlichkeiten zu kompensieren. Stets ist jedoch an den notwendigen ursächli-

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Teil 5: Zusammenfassung

chen Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem ihm zu Grunde liegenden Ereignis zu denken. Mit Blick auf die Innenhaftung sind diejenigen Pflichten von Gesellschaftern bzw. Geschäftsleitern vertraglich i. S. d. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO einzustufen, die (zumindest auch) gezielt auf die Gesellschafter- bzw. Geschäftsleiterstellung Bezug nehmen. Dies ist insb. bei den mitgliedschaftlichen Pflichten und den Organpflichten des deutschen Rechts der Fall. Ansprüche, welche die Kehrseite vertraglicher Pflichten im vorstehenden Sinne bilden bzw. die Verletzung derartiger Pflichten sanktionieren, sind vertragliche Ansprüche i. S. v. Art.  7 Nr.  1 Brüssel  Ia-VO. Darüber hinaus sollten auch sonstige Ansprüche, die nicht die Verletzung vertraglicher Pflichten im vorstehenden Sinne sanktionieren, dann vertraglich qualifiziert werden, wenn das im Einzelfall vorgeworfene Verhalten potentiell die Grundlage für die Verletzung einer vertraglichen Pflicht bildet. Schließlich kann in Bezug auf die Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge sowie den Vertrags- und Deliktsgerichtsstand festgehalten werden: Pfändet ein Gesellschaftsgläubiger einen arbeitsvertraglich bzw. vertraglich einzuordnenden Anspruch der Gesellschaft und lässt sich diesen überweisen, um selbst gerichtlich gegen den Gesellschafter bzw. Geschäftsleiter vorzugehen, berührt dies die Qualifikation nicht. Abgesehen von Ansprüchen, die den Spezialregelungen für Insolvenzverfahren zuzurechnen sind, tangiert auch ein gerichtliches Vorgehen des Insolvenzverwalters die vormals maßgebliche Zuständigkeitsvorschrift nicht.

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Sachverzeichnis action en comblement du passif  35, 75 allgemeiner Gerichtsstand  5, 110, 163 Alpenblume  40, 48 Analogie  49–51, 53, 86, 91, 93, 97, 99, 112, 187, 218 Anknüpfungsgegenstand  4, 50, 70, 160 Anknüpfungspunkt  3 Annexklage (insolvenzrechtliche) –– ausschließliche Zuständigkeit  17–22 –– Begriff  10, 11 –– Beurteilungsgegenstand  80–82 –– Insolvenzeröffnungsverfahren  54, 55 –– Insolvenzgründe  73 –– insolvenzrechtlicher Anspruch  67–84 –– Insolvenzverfahren  46–55 –– Interesse der Gläubigergesamtheit  55–66 –– Mitbetroffenheit der Gläubigergesamtheit  59–64 –– Parallele zum Insolvenzkollisionsrecht  50–54 –– Vorfrage, siehe Vorfrage Annexkompetenz, siehe Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs Annexverfahren, siehe Annexklage Anspruchskonkurrenz  26, 157, 158, 160, 225 Anstellungsverhältnis  128 –– arbeitsvertraglicher Anspruch  147 –– individueller Arbeitsvertrag  132 –– Vertragscharakter  129 Anwendungsvorrang  2 autonome Auslegung –– Annexklage  15, 16, 41 –– Gerichtsstand für gesellschaftsorganisa­ tionsrechtliche Streitigkeiten  110 –– Konnexität  28 –– Vertrags- und Deliktsgerichtsstand  164, 165, 206

–– Zuständigkeit bei Verbrauchersachen  120 –– Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge  128, 131, 147, 153, 160 Balkaya  132–136, 138, 139, 143 Berliner Verkehrsbetriebe  113–117 Brogsitter  154–157, 168, 208–212 Danosa  132–135, 138, 139 Deko Marty  13, 16, 19, 40, 61, 62 Drittstaatenfälle  11, 21, 22, 109, 119, 126, 164 Durchgriffshaftung  80, 96, 99, 184, 187, 195–197, 200, 204, 221, 223 effet utile 34 Existenzvernichtung  6, 82, 98 –– Annexklage  80–82, 98, 103 –– Durchgriffshaftung  188 –– Innenhaftung  98 –– Vertrags- und Deliktsgerichtsstand  177, 178, 199, 222, 223 Factoring  63 Forderungskauf  64 forum shopping  62 F-Tex  18 –– singuläres Gläubigerinteresse  58–64 G.T.-GmbH  4, 35, 47, 52, 60, 67–83, 104 Gerichtsstand der akzessorischen Haftung  194–196, 198, 216, 223 German Graphics  20, 51 Gesamtbetrachtung –– Anstellungs- und Organverhältnis  132, 133, 149 –– Beurteilung der Unterordnung  143, 145

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Sachverzeichnis

Geschäftsleiter –– Arbeitnehmer  128–145 –– faktischer  130, 174, 175 –– fehlerhaft bestellter  130, 173, 174 Gourdain  4, 12, 75 –– Formel  12–16, 21 –– Kriterienbündel  35, 40–46 –– Neustrukturierung  35–37 Handelndenhaftung, siehe Vor-GmbH Handte  190, 192 Holterman Ferho  5, 127 –– arbeitsvertraglicher Anspruch  146, 148–156 –– individueller Arbeitsvertrag  128–143 –– Vertrags- und Deliktsgerichtsstand  168, 173, 202, 205–210 Inkassozession  63 Insolvenzanfechtung  10–13, 31, 41, 45, 53, 58, 61, 75, 77, 78 Insolvenzeröffnungsverfahren, siehe Annexklage Insolvenzverschleppung  7, 186, 201 –– Alt- und Neugläubiger  56 –– Annexklage  85, 100, 105–107 –– Interesse der Gläubigergesamtheit  55–59, 64–66 –– schwedisches Recht  186 –– Spezialregelungen für Insolvenzverfahren  70, 78, 79 –– Vertrags- und Deliktsgerichtsstand  180, 181, 186, 200, 226 Kapitalaufbringung  6, 94, 103, 219 Kapitalerhaltung  6, 95, 96, 103, 221 Kollisionsrecht  2, 53, 156, 160 –– Gesellschafts-  136, 139 –– Insolvenz-  4, 50, 67, 69, 70, 74, 83, 85 –– Parallele zum Zuständigkeitsrecht, siehe Annexklage Konnexität, siehe Zusammenhang Konnexitätskette  35 Konzernrecht  7 Kornhaas  4, 50, 52, 53, 70, 77, 102, 106 lex causae  164 lex fori  2, 164

masselose Insolvenz  50 materielle Unterkapitalisierung  6, 184 –– Annexklage  99–101 –– Durchgriffshaftung  188 –– schwedisches Recht  184, 185 –– Vertrags- und Deliktsgerichtsstand  188, 189, 197, 223, 224 Mitgliedschaftsverhältnis –– Vertragscharakter  171, 172 Nickel & Goeldner  16, 35, 48, 59 ÖFAB  6 –– Annexklage  48, 57, 65, 66, 78, 79 –– Vertrags- und Deliktsgerichtsstand  182– 202, 214–216, 223 organschaftliches Rechtsverhältnis  128 –– arbeitsvertraglicher Anspruch  147–150 –– individueller Arbeitsvertrag  133 –– Vertragscharakter  129, 172–175 OTP  6 –– Annexklage  79 –– Vertrags- und Deliktsgerichtsstand  202– 205 Personengesellschaftsrecht  7, 86–91, 180, 187, 199, 200, 213–218 Pfändung und Überweisung  158, 169 Prozessführungsbefugnis  41–43 Schadenshaftung –– Deliktsgerichtsstand  166, 189, 193, 194, 204, 205, 214, 218, 222, 224 Streitgegenstand  26, 37, 38, 45, 167, 177–180, 195, 200 Unterbilanzhaftung  93, 94, 220 Unterordnungsverhältnis  132–134 –– freie Abberufbarkeit  139–141 –– Weisungsgebundenheit  134–138 –– wesentliche Kapitalbeteiligung  141–143 ursächlicher Zusammenhang –– Deliktsgerichtsstand  166, 204, 214, 222, 224 Verlustdeckungshaftung, siehe Vor-GmbH Vermögensvermischung  6, 7 –– Annexklage  80, 96, 97

Sachverzeichnis –– Durchgriffshaftung  188 –– Vertrags- und Deliktsgerichtsstand  180, 197, 198, 200, 221, 222 vis attractiva concursus –– Begriff  11 –– geschichtliche Entwicklung  12–14 –– Ob  11 –– Wie, siehe Annexklage Vorbelastungshaftung, siehe Unterbilanz­ haftung Vorfrage –– gesellschaftsorganisationsrechtliche  110–119

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–– insolvenzspezifische  37–40 Vor-GmbH –– Handelndenhaftung  7, 91, 218 –– Verlustdeckungshaftung  7, 92–94, 218 Zusammenhang (Annex- und Nichtannexklage)  26–31 Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs –– Annexklage  4, 23–35 –– Vertrags- und Deliktsgerichtsstand  167, 212 –– Zuständigkeit für individuelle Arbeits­ verträge  150