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German Pages 192 Year 2011
KARSTEN VOSS EIKE MUSALL
NULLENERGIE GEBÄUDE INTERNATIONALE PROJEKTE ZUM KLIMANEUTRALEN WOHNEN UND ARBEITEN
∂ Green Books
NULLENERGIEGEBÄUDE
KARSTEN VOSS EIKE MUSALL
NULLENERGIE GEBÄUDE INTERNATIONALE PROJEKTE ZUM KLIMANEUTRALEN WOHNEN UND ARBEITEN
∂ Green Books
AUTOREN UND HERAUSGEBER Karsten Voss, Prof. Dr.-Ing.; Eike Musall, M.Sc.arch.
4
IMPRESSUM
KOAUTOREN Soara Bernard, M.Sc.arch., Dipl.-Ing.; Armin Binz, Prof.; Marko Brandes, Dipl.-Ing.; Arnulf Dinkel, Dipl.-Ing. Architekt; Shane Esmore, Director & Principal Sustainability Consultant; M. Norbert Fisch, Univ.-Prof. Dr.-Ing.; François Garde, Prof.; Sonja Geier, DI; Michael Gies, Dipl.-Ing.; Monika Hall, Dr.-Ing.; Sebastian Herkel, Dipl.-Ing. Maschinenbau; Patrick Jung, Dipl.-Ing., Visiting Prof.; Florian Kagerer, Dipl.-Ing.; Beat Kämpfen, Dipl. Architekt eth/sia, M.A.; Jens Krause, Dipl.-Ing.; Dr. Jörg Lange; Henrik Langehein, Dipl.-Ing.; Aurélie Lenoir; Ingo Lütkemeyer, Prof. Dipl.-Ing. Architekt; Dr. Masa Noguchi; Senior Lecturer; Stefan Plesser, Dipl.-Ing. Architekt; Dietmar Riecks, Dipl.-Ing. Architekt; Audrius Ringaila, Invited Designer; Lars Rössing, Dipl.-Ing. Architekt; Tanja Siems, Prof. Dr.-Ing.; Katharina Simon, M.Sc.arch.; Bert Tilicke, Dipl.-Ing. Architekt/Landschaftsarchitekt; Martin Ufheil, Dipl.-Ing.
MITARBEITER Melina Schulz, B.Sc.arch., M.Sc.arch.cand.; Masato Takagaki, Bachelor of Law, B.Sc.arch.cand.; Dennis Hagen, B.Sc.arch.; Jana Eggermann, M.Sc.arch.cand.
FÖRDERUNG Diese Publikation wurde im Kontext der Zusammenarbeit von Experten der Internationalen Energieagentur (IEA) im Rahmen der Programme Solar Heating & Cooling (SHC, Task 40) und Energy Conservation in Buildings & Community Systems (ECBCS, Annex 52) unter dem Titel »Towards Zero Energy Solar Buildings« erstellt. Offizielle Publikation ist die englischsprachige Ausgabe.
REDAKTION Redaktion und Lektorat: Cornelia Hellstern, Dipl.-Ing. (Projektleitung); Kim Ahrend, Dipl.-Ing. Architektin; Jana Rackwitz, Dipl.-Ing. Redaktionelle Mitarbeit: Dr. Katinka Johanning; Jakob Schoof, Dipl.-Ing. Zeichnungen: Ralph Donhauser, Dipl.-Ing. Grafische Gestaltung: Michael Vitzthum, Dipl.-Des. (Cover); Cornelia Hellstern, Dipl.-Ing. (Layout) DTP & Produktion: Roswitha Siegler Reproduktion: Martin Härtl OHG, München Druck: Firmengruppe APPL, aprinta druck, Wernding Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Die Realisierung dieses Buches und die deutsche Mitarbeit im Rahmen der IEA wurden im Rahmen der Forschungsinitiative EnOB – Forschung für Energieoptimiertes Bauen – auf Beschluss des deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unterstützt. Die österreichische Mitarbeit im Rahmen der IEA und bei der Erstellung dieser Publikation wurde vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert, der schweizerische Beitrag vom Bundesamt für Energie.
Ein Fachbuch aus der Redaktion DETAIL Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG Hackerbrücke 6, D-80335 München www.detail.de © 2011, erste Auflage ISBN: 978-3-920034-50-8
IMPRESSUM
A
HINTERGRUNDINFORMATIONEN Karsten Voss mit Beiträgen von Monika Hall, Sonja Geier und Armin Binz
1
WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
2
3
B
METHODISCHE GRUNDLAGEN DER BILANZIERUNG ENERGIEBILANZIERUNG: PRAXIS, NORMUNG UND GESETZGEBUNG
STÄDTE 12 STADTBAUPROJEKT MASDAR 108 Tanja Siems, Katharina Simon, Arnulf Dinkel, Eike Musall 10
KLEINE WOHNHÄUSER 01 EINFAMILIENHAUS Monika Hall, Eike Musall 02 WOHNHAUSSANIERUNG Sonja Geier 03 LIGHTHOUSE Masa Noguchi, Eike Musall 04 HOME FOR LIFE Eike Musall GROSSE WOHNHÄUSER 05 KRAFTWERK B Monika Hall, Eike Musall 06 SANIERUNG BLAUE HEIMAT Florian Kagerer, Sebastian Herkel 07 KLEEHÄUSER Jörg Lange, Eike Musall, Michael Gies 08 MEHRFAMILIENHAUS Beat Kämpfen
40
50
56 60 64 68
72 78 84 89
SIEDLUNGEN 09 PLUSENERGIESIEDLUNG 94 Eike Musall, Karsten Voss 10 PLUSENERGIESIEDLUNG 100 Sonja Geier 11 SIEDLUNG BEDZED 103 Masa Noguchi, Audrius Ringaila, Eike Musall INHALT
114
28
PROJEKTE + ERFAHRUNGEN
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 1 Eike Musall, Karsten Voss
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 2 Eike Musall, Karsten Voss BÜROGEBÄUDE 13 FIRMENHAUPTSITZ Monika Hall, Eike Musall 14 WWF-HAUPTQUARTIER Eike Musall 15 BÜROGEBÄUDE MIT WOHNUNG Sonja Geier 16 PIXEL BUILDING Shane Esmore
120 125 129 134
PRODUKTION UND VERWALTUNG 17 FIRMENZENTRALE 138 Stefan Plesser, Henrik Langehein, Norbert Fisch 18 NULLEMISSIONSFABRIK 144 Dietmar Riecks, Eike Musall, Martin Ufheil BILDUNGSGEBÄUDE 19 SCHULSANIERUNG 150 Sonja Geier 20 UNIVERSITÄTSGEBÄUDE 154 Aurélie Lenoir, François Garde 21 KINDERGARTEN 158 Bert Tilicke, Lars Rössing, Patrick Jung 22 GRUNDSCHULE 163 Ingo Lütkemeyer, Jens Krause, Marko Brandes EXPERIMENTELLE BAUTEN 23 SOLAR DECATHLON EUROPE Soara Bernard
C ANHANG PROJEKTLISTE GLOSSAR/ABKÜRZUNGEN LITERATURVERZEICHNIS BILDNACHWEIS AUTOREN SACHREGISTER
168
176 180 184 186 188 190
INHALT
5
6
VORWORT
Bei den Diskussionen über den richtigen energiepolitischen Kurs in die Zukunft und die Sorge um den Klimawandel steht auch die gebaute Umwelt im Fokus. Einerseits verbrauchen Gebäude bei ihrer Erstellung, Instandhaltung und Nutzung über den Lebenszyklus in hohem Maße Energie und verursachen Emissionen, andererseits sind für alle Gebäudearten Maßnahmen bekannt und erprobt, um beides drastisch zu mindern. Die in diesem Buch thematisierten Nullenergie- und Plusenergiegebäude gehen über diese Konzepte hinaus: Sie zeigen auf, wie sich durch die konsequente Zusammenführung von Architektur, Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien vor Ort eine ausgeglichene Jahresenergiebilanz erreichen lässt. Sie stehen symbolisch für die Unabhängigkeit von schwindenden Ressourcen und die Unempfindlichkeit gegenüber schwankenden Energiepreisen. Zudem trägt ein Nullemissionsgebäude nicht zum Klimawandel bei. INTERNATIONALES UMFELD Die Europäische Union fordert mit der 2010 veröffentlichten Neufassung der Gebäuderichtlinie ihre Mitgliedsstaaten dazu auf, bis spätestens Ende 2020 für alle Neubauten den Energiestandard des »Nearly Zero Energy Building« einzuführen. Im Gebäudetechnologieprogramm der USA wird das Ziel formuliert, bis 2020 zu marktfähigen Nullenergiewohnhäusern und bis 2025 zu ebensolchen Nullenergie-Nichtwohngebäuden zu kommen. Gleichwohl gibt es bisher keine Standards, die das Ziel im Kontext der jeweils nationalen Normung für die bauliche Praxis ausreichend präzise beschreiben. Das Schweizer MINERGIE-A-Zertifikat ist im März 2011 erschienen und wurde zum Vorreiter der wichtigen Definitionsarbeit. Erste Ansätze für ein Berechnungsverfahren im Kontext der deutschen Normung liegen mit einem zugehörigen Rechenwerkzeug ebenfalls vor. Die dazu notwendigen Grundlagen zum Gesamtverständnis der Thematik vermittelt der Teil A »HINTERGRUNDINFORMATIONEN« in diesem Buch.
KLIMANEUTRALE GEBÄUDE Unter extremen Verhältnissen machen es autarke Gebäude vor: Abseits jeder energetischen Infrastruktur versorgen sie sich ohne Anschluss an ein Energienetz meist vollständig selbst über erneuerbare Energien. Dies ist jedoch kein Zukunftsmodell für die breite Masse der netzgekoppelten Gebäude. Als wesentlicher technologischer Engpass erweist sich dabei die Langzeitspeicherung von Energie – vor allem die von Strom. Die gebäudeeigene autarke Stromversorgung ist nicht nur technologisch anspruchsvoll, sondern auch aufwendig im Unterhalt und kostspielig, weshalb der Anschluss eines Gebäudes an ein Stromnetz ein signifikanter Vorteil ist. Das Gebäude kann aber nur dann als klimaneutral bezeichnet werden, wenn die Stromnetze zu 100 % auf erneuerbarer Energie basieren. Von diesem zertifizierten grünen Strom gibt es allerdings heute und langfristig zu wenig, um ihn durch mangelhafte Gebäudeeffizienz zu verschwenden. Der geplante Einstieg in die Elektromobilität wird die Nachfrage nach sauberem Strom steigern, sodass für Verschwendung noch weniger Spielraum bleibt. PROJEKTE UND ERFAHRUNGEN Gebäude besitzen die Fläche, den Platz und die Infrastruktur für hauseigene Anlagen zur Energieerzeugung und -einspeisung in Netze. Dazu eignen sich im Wesentlichen Solaranlagen und – vor allem bei den größeren und energieintensiveren Nichtwohngebäuden – Anlagen zur gebäudeintegrierten Kraft-Wärme-Kopplung, die mit Biomasse betrieben werden. Viele der in diesem Buch vorgestellten Projekte sind sogenannte Nur-Strom-Häuser. Das gilt vor allem für die Wohnbauten. Sie beschränken ihr Energiesystem auf Solaranlagen und Wärmepumpen, sodass Strom der einzige Energieträger ist. Da in Nullenergiegebäuden auf die Langzeitspeicherung von elektrischer Energie verzichtet wird, übernimmt das öffentliche Stromnetz diese Aufgabe und gleicht die saisonal schwankende Energieerzeugung gegenüber der ebenfalls unbeständigen Energienachfrage aus. Die im Teil B dieses Buchs vorge-
VORWORT
stellten Gebäude (PROJEKTE + ERFAHRUNGEN) unterscheiden sich deutlich darin, inwieweit dieser »Service« für den Bilanzausgleich in Anspruch genommen wird und wie flexibel das Gebäudeenergiesystem auf die Ansprüche der Netze reagieren kann. Gebäude werden zukünftig intensiver als bisher in das Erzeugungs- und Lastmanagement einbezogen werden, um eine optimale Funktion der Netzinfrastruktur auch bei einer deutlich höheren Quote von Strom aus erneuerbaren Energien sicherzustellen (intelligente Stromnetze – smart grids). Die Praxisbeispiele zeigen, dass es einer hohen Energieeffizienz bedarf, damit eine Chance für den Ausgleich der energetischen Jahresbilanz besteht. Sie realisieren die vielfältigen Möglichkeiten durch das Zusammenspiel ihrer Architektur, Baukonstruktion und Energietechnik: von der Kubatur über den U-Wert der Bauteile der Gebäudehülle bis zur Leistung der Kraft-Wärme-Kopplungs- oder Solarstromanlagen. Die Auswahl der 23 Projekte stellt unterschiedliche Größen, Gebäudetypologien, Standorte und Bauweisen für Wohn- und Nichtwohnbauten über Siedlungen bis hin zu einer gesamten Stadt vor. Viele Projekte nutzen als Ausgangsbasis den Passivhausstandard, während erste Sanierungsprojekte Wege zum Nullenergiehaus im Bestand demonstrieren. Ein Nullenergiegebäude zu planen und zu bauen bedeutet, dass von Beginn an Energiebedarf und Eigenerzeugung konsequent ins Gleichgewicht gesetzt werden: Überschreitet der Bedarf in der Jahressumme die Möglichkeiten der Eigenerzeugung, gilt es weitere Einsparungen zu realisieren. Ein integrales Planungsteam von Architekten, Tragwerksplanern und Fachingenieuren ist dazu die entscheidende Voraussetzung. In diesem Buch sind die Ergebnisse des Energiemonitorings und die Erfahrungen aus der Planungsund Nutzungsphase sowie die einzelnen Bausteine auf dem Weg zu einer ausgeglichenen Energiebilanz im Detail dokumentiert. Dass einige Bauten die ausgeglichene Bilanz in der Praxis nicht erreichen, un-
VORWORT
terstreicht die Schwierigkeit der Aufgabe und die Kluft zwischen Planung und Realität. Dies schmälert ihren Wert allerdings nicht. Querschnittsanalysen mit mehr als 50 weiteren weltweit realisierten Projekten ergänzen den Überblick und erweitern die Erkenntnisse zu möglichen Strategien. Die Recherche hat gezeigt, dass es derzeit eine große Dynamik bei der Entwicklung von Nullenergiegebäuden gibt. FORSCHERNETZWERK Im Kontext der Zusammenarbeit in der internationalen Energieagentur IEA unter dem Titel »Towards Zero Energy Solar Buildings« beteiligen sich Vertreterinnen und Vertreter aus 18 Nationen an einem intensiven Dialog über geeignete Definitionen und Bewertungsverfahren, diskutieren ihre Erfahrungen mit nationalen Demonstrationsprojekten und veröffentlichen die Ergebnisse. Für Ende 2011 ist die Präsentation eines international abgestimmten Berechnungsverfahrens für die gängigen Bilanzierungsansätze bei Nullenergiegebäuden vorgesehen. Auch diese Aktivitäten unterstreichen die internationale Dimension des Themas und dessen wachsende Bedeutung.
DANKE Wir bedanken uns bei den zahlreichen Autorinnen und Autoren, die mit ihren Beiträgen zum Gelingen dieses Buchs beigetragen haben. Engagierte Bauherren und Planer haben mit ihren Bauten die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Nullenergiegebäude Realität werden. Die Arbeiten zu diesem Buch wurden durch das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, das schweizerische Bundesamt für Energie und das österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie unterstützt.
Wuppertal im Mai 2011 Karsten Voss, Eike Musall Die Herausgeber
7
8
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
A1
WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
10
32
34 34
33 33 33
EINE KURZE SITUATIONSBESCHREIBUNG
10
DIE POLITIK HAT AMBITIONIERTE ZIELE EUROPÄISCHE UNION DEUTSCHLAND SCHWEIZ ÖSTERREICH USA
12 12 13 13 14 15
DER BILANZIERUNGSZEITRAUM DAS NETZ DER ZUKUNFT DER EINFLUSS DER »GRAUEN ENERGIE« BEI DER LEBENSZYKLUSBILANZ
16
DER GRAD DER EIGENBEDARFSDECKUNG ALS UNTERSCHEIDUNGSMERKMAL 37 DIE WAHL DER GEBÄUDETECHNIK BEEINFLUSST DIE DECKUNGSRATE 37 »ECHTE DECKUNGSRATEN« SIND KLEINER 37
NULLENERGIEGEBÄUDE SIND ENERGIEEFFIZIENT NULLENERGIE EXTREM: AUTARKE GEBÄUDE AUTARKE WÄRMEVERSORGUNG – MÖGLICH, ABER BESSER NICHT GANZ AUTARKE STROMVERSORGUNG – NUR WENN ES SEIN MUSS
38
A 3 ENERGIEBILANZIERUNG: PRAXIS, NORMUNG UND GESETZGEBUNG
40
21
EIN ERSTES FAZIT
26
28
DIE INPUT-/OUTPUT-BILANZ 28 SOLARE KONZEPTE UND IHRE ERWEITERUNG BEI ENERGIEINTENSIVEN GEBÄUDEN 28 VIELE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN NULLENERGIEGEBÄUDEN LIEGEN IM DETAIL 29 DIE INDIKATOREN EINER BILANZIERUNG PRIMÄRENERGIE KLIMAGASE ENERGIEKOSTEN UNTERSCHIEDLICHE PRIMÄRENERGIEFAKTOREN
NETZINTEGRATION 18
23
METHODISCHE GRUNDLAGEN DER BILANZIERUNG
34
18
NULLENERGIEGEBÄUDE PRAXISNAH: MEHR ODER WENIGER NETZBASIERT
A2
ÜBERSICHT
DIE BILANZGRENZEN NUTZUNGSSPEZIFISCHE ENERGIEVERBRÄUCHE ELEKTROMOBILITÄT EXTERNE ENERGIEERZEUGUNGSANLAGEN
30 30 32 32 32
DEUTSCHLAND GESETZGEBUNG UND NORMUNG KONZEPT EINER NEUEN DEFINITION DES NULLENERGIEHAUSES RECHENWERKZEUG
40 40
SCHWEIZ GESETZGEBUNG UND NORMUNG DAS LABEL MINERGIE MINERGIE-A MINERGIE-P UND MINERGIE-A
43 43 45 45 45
ÖSTERREICH GESETZGEBUNG UND NORMUNG
45 46
42 42
9
10
WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
EINE KURZE SITUATIONSBESCHREIBUNG Etwa ein Drittel des Energieverbrauchs und der Emissionen gehen in Deutschland zu Lasten von Gebäuden und ihrer Nutzung. Den größten Teil davon verursacht die Nutzung von Wohngebäuden, den übrigen Teil die Gebäude für Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, die sogenannten Nichtwohngebäude. Nur die eine Hälfte der Emissionen entsteht vor Ort durch die Verbrennung fossiler Energieträger, die andere in den Kraft- und Heizwerken zur Strom- und Fernwärmeversorgung der Gebäude [1]. Dass die Wohnbauten so deutlich hervorstechen, liegt an ihrer großen Anzahl: Sie dominieren den Gebäudebestand (Abb. A 1.01). Während bei den bestehenden Wohngebäuden die Bereitstellung von Wärme eindeutig im Vordergrund steht, steigt die Bedeutung der elektrischen Anwendungen bei den Nichtwohngebäuden. Insbesondere die Beleuchtung, Lüftung und Kühlung sind neben den jeweils nutzungsspezifischen Geräten wie Computern und Produktionsmaschinen die signifikanten Energieverbraucher (Abb. A 1.02). Bei Neubauten verstärkt sich dieser Trend, da der Heizwärmeverbrauch deutlich niedriger liegt als im Bestand. Damit wird auch bei Wohngebäuden der Stromverbrauch, und zwar vor allem der der Haushaltsgeräte (»weiße Ware«), zum bestimmenden Faktor. Die generell hohe Bedeutung der Heizung im mitteleuropäischen Klima sorgt für ein ausgeprägt saisonales Profil des Gebäudeenergieverbrauchs: GanzStrom
Fernwärme
direkte Brennstoffnutzung 100 %
jährig elektrischen Verbräuchen stehen hohe Wärmeverbräuche im Winter gegenüber, die (noch) überwiegend durch die Verbrennung fossiler Energieträger gedeckt werden. Damit entsteht ein sehr deutliches saisonales Ungleichgewicht des Verbrauchs gegenüber dem solaren Energieangebot vor Ort. Dieses auszugleichen ist eine der wesentlichen Herausforderungen auf dem Weg zu klimaneutralen Gebäuden. GEBÄUDE SIND LANGLEBIG Rund 70 % des Wohngebäudebestands sind älter als 30 Jahre und stammen damit aus der Zeit ohne wesentliche Anforderungen an Energieeffizienz und Energieeinsparung [2, 3]. Angesichts regelmäßiger Sanierungsquoten von weniger als einem Prozent jährlich wird es ohne zusätzliche Anstrengungen über 100 Jahre dauern, alle Bestandsgebäude energetisch zu ertüchtigen. Das ist aus heutiger Sicht viel zu spät, um der Ressourcenknappheit entgegenzuwirken oder eine Trendwende beim Klimawandel herbeizuführen. Anreize wie Finanzierungs- oder Steuervergünstigungen zur Steigerung der Sanierungsdynamik stehen daher ganz oben auf der Wunschliste. Steigende Energiekosten erhöhen die Anreize, da sich die Wirtschaftlichkeit von Sanierungsmaßnahmen verbessert. Außerdem wirken architektonisch überzeugende Sanierungen als Motor für einen Zukunftsmarkt. Ein Beispiel: Über 600 Studierende wohnen heute in dem sanierten Wohnheim »Neue Burse« der Univer[ Aufteilung in % ] Landwirtschaft
Energie- und Entsorgungswirtschaft
Transport
6 6
36
18
100 % 7 51 33
8
57
41
Gebäude
Nichtwohngebäude 39 % A 1.01
37 Industrie
Wohngebäude 61 %
324 Mio. t CO2-Äquiv.
1025 Mio. t CO2-Äquiv. HINTERGRUNDINFORMATIONEN
sität Wuppertal. Der marode Bau aus den 1970erJahren wurde 2003 in zwei Bauabschnitten im Rahmen eines Demonstrationsprojekts saniert. Mit einer neuen Gebäudehülle auf Passivhausniveau und einer Lüftung mit Wärmerückgewinnung sinken der gebäudetechnische Energieverbrauch, die Emissionen und die Energiekosten um mehr als die Hälfte [4]. Damit repräsentiert das sanierte Gebäude heute eines der sparsamsten und wirtschaftlichsten Wohnheime. Bei einem solchen Standard dominieren der Energieverbrauch für Warmwasser und die Stromverbräuche der Nutzer angesichts der in Wohnheimen üblichen »Energie Flatrate« im Rahmen der Vollkostenmiete die Energiebilanz (Abb. A 1.04 und A 1.05, S. 12). ANDERES KLIMA – ANDERE AUFGABEN Die genannten Zahlen beschreiben zunächst beispielhaft die Situation in Deutschland. In den meisten mitteleuropäischen Ländern ist die Situation vergleichbar. In Regionen mit ganzjährig höheren Temperaturen und hohen Luftfeuchten dominiert der Energiebedarf für die Klimatisierung. Daraus resultieren andere Verbrauchsprofile und Energieträgerstrukturen. In großen Teilen Asiens und dem arabischen Raum verursacht die große wirtschaftliche Dynamik eine umfangreiche Neubautätigkeit in einem für heutige europäische Verhältnisse ungeahnten Maßstab: Ganze Städte und Stadtquartiere entstehen aus dem Nichts und gläserne Bürotürme wachsen täglich in [Aufteilung in %]
Kleingeräte und Sonstige
13 1
Warmwasser a
Raumwärme
Raumwärme Kühlung (v.a. Handel) 2 3 Bürogeräte 4 4 Warmwasser 6
31
7
Prozesswärme
7
Lüftung (v.a. Ventilatoren)
50
6
11
A 1.02 A 1.03
Klima
Beleuchtung 3 3 Warmwasser 4 Raumwärme 6 Unterhaltungselektronik, IT, 7 Kommunikation
Raumwärme
den Himmel. Der zunehmende Wohlstand sorgt für einen enormen Absatz von Kleinklimageräten und einen steigenden Stromverbrauch im Gebäudebestand. Niedrige oder gar keine Anforderungen an den Energiebedarf der vielen Neubauten sind eine verpasste Chance und manifestieren den Energieverbrauch der kommenden Jahrzehnte auf einem unverhältnismäßig hohen Niveau. Blindes Kopieren von Architekturen und Bauweisen aus Europa oder Nordamerika verursacht in Asien unangemessen hohe Verbräuche und setzt gerade in einer wirtschaftlichen Aufbruchsstimmung falsche Signale. Typische Bürogebäude besitzen dort etwa fünfmal höhere Energieverbräuche als in Mitteleuropa üblich. Dass die Zeichen der Zeit aber auch hier erkannt werden, zeigen erste Beispiele: Eine ökologische Modellstadt für 50 000 Menschen entsteht als Großversuch für das Nach-Öl-Zeitalter in den Vereinigten Arabischen Emiraten (siehe Stadtbauprojekt Masdar, S. 108ff.). Erste Bauten sind dort bereits zu besichtigen (Abb. A 1.03). Die Funktionäre der Fußball-WM 2022 im arabischen Katar planen CO2-neutrale Stadien. Ein Musterstadion mit 500 Sitzplätzen wurde bereits entwickelt und 2010 fertiggestellt. Die Basis sind Solarzellen und Parabolrinnenkollektoren neben dem Stadion, die die Energie für die solare Kühlung bereitstellen. Ohne Spielbetrieb speist das Solarkraftwerk Energie in das Netz ein, um bei Spielbetrieb den Spitzenbedarf des Stadions aus dem Netz zu decken (Abb. A 1.06, S. 13).
1
6
weiße Ware Prozesswärme
Warmwasser
Raumwärme Sonstige
208 Mio. t CO2-Äquiv.
WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
8
Warmwasser
8 3
Raumwärme b
6 1
10
sonstige Antriebe
Beleuchtung Warmwasser
124 Mio. t CO2-Äquiv.
A 1.01 Anteil und Aufteilung der Klimagasemissionen als CO2-Äquivalente in Deutschland: Von rund einer Million Tonnen Klimagasen jährlich entfällt etwa ein Drittel direkt oder indirekt auf den Gebäudesektor. A 1.02 Struktur der Klimagasemissionen als CO2 -Äquivalente für den Gebäudebestand an Wohn- und Nichtwohngebäuden in Deutschland (basiert auf Energieverbrauchsdaten des Sektors »Haushalte« und »Gewerbe, Handel, Dienstleistungen« der Deutschen Energiestatistik, 2004) a Wohngebäude b Nichtwohngebäude A 1.03 Studierendenwohnheim der ökologischen Modellstadt Masdar City, Vereinigte Arabische Emirate (VAE) 2007, Foster + Partners
A 1.04 A 1.05
200
150 1 2
100
300 250 200 150 1 100
3 50
∅ Wohnheime
DER GEBÄUDESEKTOR IM FOKUS DER ENERGIE- UND KLIMAPOLITIK Es sind bereits vielfältige architektonische, baukonstruktive und anlagentechnische Konzepte für energieeffiziente Gebäude im Neubau und für die Bestandssanierung bekannt und erprobt. Deshalb ist es leicht nachvollziehbar, dass die Politik heute insbesondere den Gebäudesektor bei Maßnahmenpaketen für Energieeinsparung und Klimaschutz in den Vordergrund rückt. Die Ziele erscheinen leichter erreichbar als auf anderen Gebieten: In der Frage der Mobilität sind es nach wie vor die technologischen Aspekte, die die Diskussion über den zukunftsfähigen Individualverkehr im Nach-Öl-Zeitalter dominieren. Die ersten Elektrofahrzeuge müssen sich noch bei Testfahrten mühsam bewähren, da die heute verfügbare Batterietechnik nach wie vor noch keine Breitennutzung zulässt. Die Frage der emissionsfreien Stromversorgung in dem erforderlichen Ausmaß ist noch ungeklärt. Anders ist es im Gebäudesektor: Hier werden sogenannte Null- und Plusenergiegebäude bereits in Europa und weltweit mit steigender Tendenz als Gebäude oder ganze Siedlungsprojekte realisiert und betrieben. Über die vielfältigen Motivationen dazu wird im Projektteil dieses Buchs berichtet. In Europa gelten Nullenergiegebäude als die logische Fortsetzung einer langen Entwicklungskette vom Niedrigenergiehaus bis zum Passivhaus. Nullenergiegebäude erheben den Anspruch, den
Neue Burse
60
40 1
2 3
20
0
4
0
∅ Wohnheime
eigenen Energiebezug und die damit verbundenen CO2-Emissionen in der Jahresbilanz vollständig auszugleichen. Ihr technologischer Vorteil gegenüber Autos ist, dass Gebäude mit dem Stromnetz verbunden sind.
DIE POLITIK HAT AMBITIONIERTE ZIELE Angesichts von Klimawandel, wachsender Weltbevölkerung und Ressourcenverknappung ist es kein Wunder, dass die energiepolitischen Ziele hochgesteckt werden. In den aktuellen energiepolitischen Positionspapieren vieler Länder spielen mittlerweile die Begriffe rund um das Nullenergiegebäude eine Rolle. Das liegt unter anderem an den positiven Assoziationen, die mit dem Wort »Nullenergie« verbunden sind: Es klingt nach unabhängig, kostenlos und zukunftsfähig in Anbetracht von schwindenden Ressourcen und steigenden Energiekosten. Zudem bedarf es bei »null« keiner Diskussion über die Höhe einer geeigneten Kennzahl. Denn Energiekennwerte als zahlenmäßige Zieldefinition bleiben in ihrer Interpretation der Fachwelt vorbehalten und setzen keine allgemein verständlichen Signale. »Null« dagegen scheint auf den ersten Blick unabhängig von Gebäudetyp und Klima zweifelsfrei den höchstmöglichen Standard einzufordern, der nur noch durch ein »Plus« zu toppen ist.
Neue Burse
1 Nutzer 2 TGA 3 Warmwasser 4 Heizung
80
50 4
0
Klimagasemissionen [kg/m2a]
12
250
Primärenergie [kWh/m2a]
Endenergie [kWh/m2a]
Strom Wärme
2 3 4
∅ Wohnheime
Neue Burse
EUROPÄISCHE UNION Mit der Fortschreibung der EU-Gebäuderichtlinie »Energy Performance in Buildings Directive (EPBD)« wird das Thema heute prominent besetzt. Die erste Richtlinie aus dem Jahr 2002 initiierte europaweit die Einführung von ganzheitlichen Energiebilanzierungsverfahren, die auch die Klimatisierung und Beleuchtung sowie die Nutzung erneuerbarer Energien berücksichtigen mussten [5]. In der Fortschreibung 2010 prägt die Europäische Kommission den Begriff des »nearly zero-energy building« und macht zeitliche Vorgaben zur Umsetzung eines solchen Gebäudestandards für ihre Mitgliedstaaten. In der deutschen Übersetzung sind daraus die »Niedrigstenergiegebäude« geworden [6]: • Artikel 2 (2): Begriffsbestimmungen: Ein »Niedrigstenergiegebäude« ist ein Gebäude, das eine sehr hohe […] Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen – einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird – gedeckt werden. • Artikel 9: Niedrigstenergiegebäude: Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass a) bis 31. Dezember 2020 alle neuen Gebäude Niedrigstenergiegebäude sind und b) nach dem 31. Dezember 2018 neue Gebäude, die von Behörden als Eigentümer genutzt HINTERGRUNDINFORMATIONEN
A 1.06
A 1.04 Studierendenwohnheim »Neue Burse« als preisgekrönte Umsetzung der Passivhausstrategie auf die Sanierung eines Gebäudes aus den 1970er-Jahren, Universität Wuppertal (D) 2003, Architektur Contor Müller Schlüter A 1.05 Vergleich der Verbrauchskennwerte von 24 Studierendenwohnheimen als Mittelwerte aus den Jahren 2005 bis 2008 in Deutschland (Summenwerte) mit den gemessenen Kennwerten der »Neuen Burse« 2007 (Teilenergiekennwerte). Wohnheimtypisch ist die hohe Bedeutung des Wärmeverbrauchs für Warmwasser, beim Stromverbrauch dominieren die Nutzerverbräuche. A 1.06 CO2-neutrales Musterstadion mit 500 Sitzplätzen für die Fußball-WM 2022 im arabischen Katar (Q) 2010, Arup Associates. Solarzellen und Kollektoren neben dem Stadion stellen Energie für die solare Kühlung bereit.
werden, Niedrigstenergiegebäude sind. Die Mitgliedstaaten erstellen nationale Pläne zur Erhöhung der Zahl der Niedrigstenergiegebäude. Diese nationalen Pläne können nach Gebäudekategorien differenzierte Zielvorgaben enthalten. Wie bei solchen Strategiepapieren üblich, bleibt die Konkretisierung von Maßnahmen und Berechnungsverfahren in der Hand der Mitgliedsländer. Wie nah »nearly zero« von »zero« entfernt sein soll, bleibt offen. Im Entwurf der Direktive waren es noch die »zero energy buildings« (Nullenergiegebäude), was jedoch offenbar als zu anspruchsvoll eingestuft wurde. Auch eine Festlegung auf den in einigen europäischen Ländern wie Österreich, Deutschland und der Schweiz (hier vergleichbar mit »MINERGIE-P«) bereits gut eingeführten Passivhausstandard wurde diskutiert und verworfen. Während das Passivhaus durch ein Berechnungsverfahren definiert ist [7], bleibt man bei einem »nearly zero energy building« unverbindlich und überlässt das weitere Vorgehen der jeweils nationalen Interpretation. Dabei sind trotz vielfältiger Internationalisierung der Normung im Bauwesen die jeweiligen nationalen normativen Zusammenhänge ausschlaggebend für die Definitionen. Dieser Prozess steht 2011 erst am Anfang. Das Kapitel »Energiebilanzierung: Praxis, Normung und Gesetzgebung« (S. 40ff.) betrachtet das Thema im Detail. WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
13
DEUTSCHLAND Sowohl das laufende Energieforschungsprogramm [8] als auch das im September 2010 beschlossene Energiekonzept der Bundesregierung [9] adressieren in besonderer Weise den Gebäudebereich. Auffallend ist, dass in beiden Fällen der Schwerpunkt in der Wortwahl auf dem Klimaschutz liegt: Nicht »Nullenergiehäuser«, sondern »Nullemission« oder »Klimaneutralität« stehen im Fokus der Betrachtung. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in erster Linie um Energieeinsparung geht, solange keine bezahlbare, klimaneutrale Energieversorgung im großen Stil in Sicht ist. Auch die Laufzeitverlängerung der bestehenden Atomkraftwerke ändert daran nichts. Im Energiekonzept der Deutschen Bundesregierung 2010 heißt es [10]: • Unser zentrales Ziel ist es deshalb, den Wärmebedarf des Gebäudebestands langfristig mit dem Ziel zu senken, bis 2050 nahezu einen klimaneutralen Gebäudebestand zu haben. Klimaneutralität heißt, dass die Gebäude nur noch einen sehr geringen Energiebedarf aufweisen und der verbleibende Energiebedarf überwiegend durch erneuerbare Energie gedeckt wird […] • Mit der Novelle der Energieeinsparverordnung 2012 wird das Niveau »klimaneutrales Gebäude« für Neubauten bis 2020 auf der Basis von primärenergetischen Kennwerten eingeführt. Der daran ausgerichtete Sanierungsfahrplan für
Gebäude im Bestand beginnt 2020 und führt bis 2050 stufenweise auf ein Zielniveau einer Minderung des Primärenergiebedarfs um 80 %. Das geltende Wirtschaftlichkeitsgebot ist dabei einzuhalten […] • Die Bundesregierung wird für ihre künftigen Neubauten und bei bestehenden Liegenschaften eine Vorbildfunktion bei der Reduzierung des Energieverbrauchs einnehmen. FÖRDERKONZEPT ENERGIEOPTIMIERTES BAUEN Mit dem Forschungsschwerpunkt »Energieoptimiertes Bauen (EnOB)« richtet sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) bereits seit 1995 kontinuierlich an die Energieforschung, unter anderem mit vielseitigen Demonstrationsprojekten [11]. Unter den zahlreichen Verwaltungsbauten, Schulen, Fabriken und Wohngebäuden finden sich erste Nullenergie- und Nullemissionsgebäude. Dazu gehört auch die erfolgreiche Teilnahme studentischer Teams am amerikanischen und europäischen Solar Decathlon (siehe Solar Decathlon Europe, S. 168ff.). Für 2011 sind Klimaneutralität und Energieeffizienz das Motto für den zum zweiten Mal nach 2009 ausgeschriebenen Architekturpreis »Architektur mit Energie« des BMWi [12]. SCHWEIZ Das »Energieleitbild Bau« des Schweizerischen Ingenieur und Architektenvereins (SIA) aus dem Jahr 2009 fordert, den Gebäudepark der
14
[W/Person]
A 1.07 Vergleich der pro Kopf verbrauchten Dauerleistung A 1.08 Zielsetzung der 2000-Watt-Gesellschaft A 1.09 1400 m2 Solarkollektoren auf der Überdachungskonstruktion einer freien Eisfläche neben der UPC Arena in Graz (A) speisen seit 2002 über 500 MWh pro Jahr an Wärme klimaneutral in das Fernwärmenetz ein. A 1.10 Zahlreiche Wortschöpfungen repräsentieren im jeweiligen nationalen Kontext ähnliche Zielsetzungen. A 1.11 Mobilität und Gebäude 14 000 12 000 10 000 8000 6000 4000 2000 0 Welt
Bangladesch Afrika
[W/Person]
nicht fossile Energieträger
Schweiz Westeuropa USA
fossile Energieträger Energiebereitstellung Ausland
8000 6000 5000 4000
Zwischenziel: Reduktion der fossilen Energieträger um 50 % bis 2050
3000 2000 1000 A 1.07 A 1.08
0
1900
1950
2000
2050
2100
2150
Schweiz konsequent auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen und mit der Ressource Energie intelligent umzugehen [13]. Die Basis für die Umsetzung bildet der »Effizienzpfad Energie« des SIA [14, 15], der dank konsequenter Grenz- und Zielwertvorgaben hilft, die energetischen Ziele der »2000-WattGesellschaft« für die Gebäudekategorien Wohnen, Büro und Schulen quantitativ zu benennen und umzusetzen [16, 17]. 2000-WATT-GESELLSCHAFT Die 2000-WattGesellschaft wurde Ende der 1990er-Jahre an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) als Vision entwickelt und ist inzwischen zum offiziellen Entwicklungsleitbild verschiedener Schweizer Städte und Gemeinden, aber auch des Bundes und mehrerer Kantone geworden [18]. Sie sucht den nachhaltigen Umgang und den gerechten Ausgleich bei der Nutzung der globalen Rohstoffreserven und berührt alle Lebensbereiche: Konsum, Mobilität (Abb. A 1.11), Freizeitverhalten und natürlich auch Bauen und Wohnen. In der 2000-Watt-Gesellschaft stehen pro Person 2000 Watt (Primärenergie) kontinuierlicher Leistung zur Verfügung, was dem heutigen weltweiten Durchschnitt entspricht (Abb. A 1.07). Davon dürfen maximal 500 Watt aus fossilen Quellen bereitgestellt werden (Abb. A 1.08). Dies bedeutet, dass ein Treibhausgasausstoß von einer Tonne CO2-Äquivalenten [19] pro Kopf und Jahr zulässig ist. Damit wird die Empfehlung des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC), die Klimaerwärmung bei 2 °C zu stabilisieren, umgesetzt [20]. Bezogen auf Schweizer Verhältnisse werden der Gesamtenergieverbrauch pro Person bis im Jahr 2150 von heute etwa 6500 Watt auf 2000 Watt und der CO2Ausstoß von 8,5 Tonnen auf eine Tonne gesenkt. Dabei werden drei Viertel des Bedarfs im Jahr 2150 mit erneuerbaren Energien gedeckt. Um diese Ziele zu erreichen, müssen bis 2050 der Gesamtenergieverbrauch halbiert und die Treibhausgasemissionen um den Faktor vier verringert werden. Der vergleichsweise lange Zeithorizont reflektiert die großen notwendigen Veränderungen. Die 2000-Watt-Gesellschaft hat in der Schweiz eine große Verbreitung als Konzept in politischen Programmen und institutionellen Zielvorgabedokumenten gefunden. Der SIA hat die 2000-Watt-
Gesellschaft zur Grundlage seines »Effizienzpfads Energie« gemacht. EFFIZIENZPFAD ENERGIE Der »Effizienzpfad Energie« legt zum einen für die Primärenergie und zum anderen für die Treibhausgasemissionen Zielwerte fest [21]. Die Zielwerte sind so angesetzt, dass die Voraussetzungen zur Erreichung des Etappenziels 2050 der 2000-Watt-Gesellschaft erfüllt werden. Sie setzen sich aus Richtwerten für die drei Verwendungszwecke Erstellung (graue Energie für Erstellung/Ersatz und Entsorgung der Baumaterialien), Betrieb (Raumklima, Warmwasser, Licht und Apparate) sowie gebäudeinduzierte Mobilität (Alltagsmobilität) zusammen. Damit werden die Erstellung, die Mobilität sowie der klassische Verwendungszweck der Betriebsenergie gleich gewichtet. Mithilfe des »Effizienzpfads Energie« lassen sich bereits in der frühen Planungsphase für die drei genannten Bereiche der gesamte Energieverbrauch und die entsprechenden Treibhausgasemissionen errechnen. ÖSTERREICH In Österreich ist das Wort »Plusenergiegebäude« weitaus prominenter als der Begriff »Nullenergiegebäude«, der erst seit der im März 2010 präsentierten »EnergieStrategie« thematisiert wird [22]. Eine der drei Säulen darin zielt auf den Baustandard »Fast-Null-Energiegebäude«. Dieser stammt aus dem Technologieprogramm »Haus der Zukunft Plus« und diente als Basis für die Weiterentwicklung zum Plusenergiegebäude [23]. STRATEGIEPROZESS ENERGIE 2050 Der durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) initiierte »Strategieprozess Energie 2050« setzt sich zum Ziel, mögliche zukünftige Entwicklungen aus einer langfristigen Perspektive zu erkennen und Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte daraus abzuleiten. Im Fokus sind Energieeffizienz, erneuerbare Energieträger und intelligente Energiesysteme. Einer der sieben Themenschwerpunkte befasst sich mit »Energie in Gebäuden« und setzt für die Vision des Gebäudes gleichermaßen auf die Integration in elektrische als auch in thermische Netze [24]. Die Fernwärmetradition in Österreich reicht zwar bereits 60 Jahre zurück, der Versorgungsgrad lag bis HINTERGRUNDINFORMATIONEN
1982 aber nur bei 2 %. Der Beschluss des Fernwärmeförderungsgesetzes 1982 löste einen Wachstumsschub von Wärmenetzen aus. Einige Großprojekte und etwa 7400 kleinere Anlagen trugen dazu bei, dass 2008 bereits 19 % der Raumwärme in Österreich aus einem Fern- oder Nahwärmenetz bezogen wurde. Vor allem im urbanen Raum boomt Fernwärme: Linz als »Fernwärme City« Österreichs hat einen Versorgungsgrad von 60 %, Wien hingegen »nur« von 34 %. Im ländlichen Raum wird als Energieträger für die Netze hauptsächlich regional verfügbare Biomasse genutzt [25]. Viele dieser regionalen Nahwärmenetze werden zusätzlich aus großflächigen Solaranlagen gespeist. Die größte Einspeisung in ein Wärmenetz in Österreich findet in Graz statt [26]. Mehr als 10 000 m2 Kollektoren speisen jährlich etwa 4 GWh in das Fernwärmenetz ein (Abb. A 1.09). HAUS DER ZUKUNFT Seit mehr als zehn Jahren ist das Forschungs- und Technologieprogramm »Haus der Zukunft« des BMVIT in Österreich Impulsgeber für Innovationen im Gebäudebereich [27]. Eine Kombination von Forschungs- und Wirtschaftsförderung ermöglicht dies. Die erste Programmphase zwischen 1999 und 2007 fokussierte auf das Passiv- und das solare Niedrigenergiehaus. Die Vorbildwirkung der Demonstrationsprojekte trug wesentlich dazu bei, dass Österreich heute, im Vergleich zu den anderen Ländern der EU, die höchste Dichte an realisierten Passivhäusern aufweist. Passivhäuser mit einer Summe von 3,2 Millionen Quadratmetern Nutzfläche wurden gebaut. Die im Jahr 2008 gestartete zweite Phase »Haus der Zukunft Plus« konzentriert sich nun verstärkt auf Technologien und Umsetzungen von Plusenergiegebäuden und Siedlungen. USA In den USA ist der Ausdruck »Net Zero Energy Building« (Netto-Nullenergiegebäude – Net ZEB) im Kontext des Gebäudetechnologieprogramms des Energieministeriums (Department of Energy – DOE [28]) und des Gebäudefachplanerverbands ASHRAE (American Society of Heating, Refrigeration & Air-Conditioning Engineers) zum Sammelbegriff für vielfältige Bestrebungen zur signifikanten Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebereich geworden. Energiepolitischer Hintergrund ist das Ziel WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
einer größeren Unabhängigkeit von Energieimporten angesichts vergleichsweise hoher Pro-Kopf-Verbräuche (Abb. A 1.07). Dazu wurde 2007 der »Energy Independence and Security Act« (Energieunabhängigkeits- und Sicherheitsbeschluss) vom amerikanischen Kongress verabschiedet. Im aktuellen Gebäudetechnologieprogramm des DOE heißt es [29]: »Langfristiges Ziel ist es, Technologie- und Planungsansätze hervorzubringen, die bis 2020 zu marktfähigen Nullenergiewohnhäusern und bis 2025 zu Nullenergie-Nichtwohngebäuden führen.« Die Wortwahl differenziert dabei zwischen [30]: • Net Zero Site Energy Gebäude mit ausgeglichener Bilanz bezogen auf die Endenergie (site energy): Das sind im Wesentlichen Gebäude mit Solarstromanlagen und einer rein strombasierten Energieversorgung. • Net Zero Source Energy Gebäude mit ausgeglichener Bilanz bezogen auf die Primärenergie (source energy): Dabei handelt es sich um Gebäude, die vor Ort mindestens so viel Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen, dass durch die Netzeinspeisung der Bezug von nicht erneuerbarer Primärenergie ausgeglichen wird. Die bezogene und eingespeiste Endenergie wird durch Bewertungsfaktoren in Primärenergie umgerechnet. • Net Zero Emission Gebäude mit ausgeglichener Bilanz bezogen auf die Klimagasemissionen: Hier wird eine zur Primärenergie vergleichbare Bilanz auf der Basis von Klimagasen zugrunde gelegt. An die Stelle der Bewertung durch Primärenergiefaktoren treten Emissionsfaktoren. • Net Zero Site Energy Cost Gebäude ohne Energiekosten: Den Verbrauchskosten stehen mindestens gleich hohe Einnahmen aus der Netzeinspeisung gegenüber. Der Neubau des 2011 fertiggestellten »Research Support Center« des National Renewable Energy Lab in Golden, Colorado (Nationales Forschungszentrum für Erneuerbare Energie – NREL) ist das derzeit größte Gebäude mit dem Anspruch eines Netto-Nullenergiegebäudes in den USA (Abb. A 1.13, S. 16).
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D
Nullenergiehaus, Plusenergiehaus, Nullemissionshaus
E
net zero energy building, equilibrium building, nearly zero energy building, carbon neutral building
F
bâtiment zéro énergie, les maisons equilibrium, bâtiment à énergie positive, bâtiment zéro émission
INFOBOX MOBILITÄT UND GEBÄUDE Die gebäudeinduzierte Mobilität ist die Summe aller Wege (Distanzen) zu Fuß, per Fahrzeug oder Flugzeug, die durch die Nutzung eines Gebäudes induziert werden. Neben dem Energieeinsatz für den Fahrzeugbetrieb wird auch die graue Energie berücksichtigt, die für Herstellung und Unterhalt der verwendeten Fahrzeuge und Verkehrsinfrastruktur aufzuwenden ist. Es wird unterschieden zwischen alltäglicher Mobilität – alle Wege im Zusammenhang mit alltäglichen Aktivitäten bis zu einer Unterwegszeit von drei Stunden innerhalb der gewohnten Umgebung – und nicht alltäglicher Mobilität – alle Wege im Zusammenhang mit Tagesreisen (ab drei Stunden außerhalb der gewohnten Umgebung) sowie Reisen mit Übernachtung. Die Berechnung basiert auf schweizerischen Durchschnittswerten und berücksichtigt die Einflüsse verschiedener, vom Gebäudestandort abhängiger Merkmale sowie die Einflüsse der Verfügbarkeit grundlegender Mobilitätswerkzeuge wie Auto oder Abonnement für den öffentlichen Verkehr mit Korrekturfaktoren. Die im »Effizienzpfad Energie« genannten Richtwerte gelten für die Alltagsmobilität [31].
A 1.09 A 1.10 A 1.11
0
20
erforderliche Einsparung [%] 60 80 100
40
59
Mittelwert
16
Leerstand
5
Lager (ungekühlt)
6
Kirchen Bildung
43
Sonstige
43
Einzelhandel
44
Ausstellungen Dienstleistungen Lager (gekühlt) Gesundheitsversorgung (nicht stationär) öffentliche Ordnung und Sicherheit Büro Unterkünfte Nahrungsmittelgeschäft Krankenpflege
53 54 58 62 64 67 73 77 80
Gastronomie
90
Gesundheitsversorgung (stationär)
91
Laboratorien
A 1.12 A 1.13
32
96
NULLENERGIEGEBÄUDE SIND ENERGIEEFFIZIENT Unabhängig von der Frage der Deckung ihres Energiebedarfs ist die Energieeffizienz von Gebäuden – die Reduktion des Energiebedarfs – ein zentrales Element jeder Nachhaltigkeitsstrategie. Auch wenn der Energiebedarf durch erneuerbare Energie klimaneutral gedeckt würde, sprechen • die grundsätzlich begrenzte Verfügbarkeit vieler erneuerbarer Energieträger • die vielfach schwankende zeitliche Verfügbarkeit (Sonne, Wind, Wasser) • der Aufwand zur Herstellung der Energiewandler und • wirtschaftliche Erwägungen eine deutliche Sprache: Nullenergiegebäude sind in erster Linie energieeffiziente Gebäude! Eine amerikanische Studie zeigt dies auf eindrucksvolle Art und Weise [32]: Wenn allein der gesamte Stromverbrauch bestehender Gebäude mit Solarstrom von der jeweils zur Verfügung stehenden Dachfläche in der Jahressumme gedeckt werden sollte, ist eine Stromverbrauchsreduktion von im Mittel fast 60 % erforderlich (Abb. A 1.12). Dabei ist die überwiegend eingeschossige Bauweise in Amerika für diesen Vergleich vorteilhaft, da der Anteil der Dachfläche pro Nutzfläche hoch ist. Heizenergieverbräuche sind in dieser Betrachtungsweise noch gar nicht berücksichtigt. Fazit: Ohne eine konsequente Effizienzstrategie ist der Weg zum Nullenergiehaus nicht realisierbar!
A 1.12 Notwendige Reduktion des Stromverbrauchs amerikanischer Bestandsgebäude, wenn Solarstromanlagen auf den jeweiligen Dächern den Verbrauch in der Jahressumme ausgleichen sollten. A 1.13 Die 1,6-MWp-Solarstromanlagen des 20 500 m2 großen »Research Support Center« des National Renewable Energy Lab NREL in Golden, Colorado (USA) 2011, RNL Design, zielen auf eine ausgeglichene Energiebilanz. A 1.14 Energieflussbild für die Wärmeversorgung des Forums Chriesbach auf der Basis von Messwerten aus 2007 (Werte beziehen sich auf 11 170 m2 beheizte Fläche) A 1.15 Das Büro- und Forschungsgebäude Forum Chriesbach ist Sitz des Wasserforschungsinstituts der ETH Zürich (Eawag) und wurde als Passivhaus (MINERGIE-P) gebaut. Dübendorf (CH) 2006, Architekt: Bob Gysin + Partner, Energieplaner: 3-Plan Haustechnik
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
DAS PASSIVHAUS In Punkto Energieeffizienz nimmt besonders für den Sektor der Wohnbauten das Passivhauskonzept in Europa eine herausragende Position ein [33]. In dieser Bauweise finden sich Ende 2010 Gebäude mit über sieben Millionen Quadratmetern Nutzfläche in ganz Europa. In der Schweiz hat sich das Passivhaus unter dem Label »MINERGIE-P« etabliert [34]. Mit der Entwicklung hochwärmedämmender Komponenten für die Gebäudehülle sowie energieeffizienter Lüftungs- und Heizungsanlagen wurden in den vergangenen 20 Jahren wichtige Impulse für Neubau und Sanierung gesetzt. Die Fortschreibung der gesetzlichen Anforderungen wird bewirken, dass Komponenten und Systeme, die heute noch als Besonderheit der Passivhausbauweise gelten, zum zukünftigen Standard für Neubauten und die energetische Gebäudesanierung werden. Nach anfänglichem Fokus auf einen Zielwert für den Heizleistungs- und Heizwärmebedarf [35] zielt das Passivhauskonzept bereits früh auch auf einen ganzheitlichen Primärenergiekennwert von 120 kWh/m2 [36]. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass bei sehr geringem Heizwärmebedarf die Warmwasserbereitung, aber vor allem der Stromverbrauch der Haushaltsgeräte den Energiebedarf dominieren. Über 40 % der Primärenergie gehen gemäß Passivhaus-Projektierungs-Paket allein zu Lasten der Haushaltsgeräte (empfohlener PHPP Wert: < 50 kWh/m2a ) [37].
Da in den meisten Fällen mehr als nur Strom als Energieträger für die Gebäude zum Einsatz kommt, ist die Primärenergie als Indikator besser geeignet als die Summe von Strom und anderen Energieträgern wie Erdgas, Erdöl etc. Der Vorteil der Umrechnung in Primärenergie ist, dass der unterschiedlich hohe Energieaufwand zur Bereitstellung von Strom oder Wärme Berücksichtigung findet. Jedoch stellen die Umrechnungsfaktoren keine physikalischen Konstanten dar, sondern fallen je nach nationaler Stromerzeugungsstruktur unterschiedlich aus (siehe Abb. A 2.08, S. 31). DIE SUCHE NACH EINFACHEN REGELN TROTZ KOMPLEXER ANFORDERUNGEN Mit dem Übergang zur primärenergetischen Energiebedarfsberechnung geht bereits bei den Wohngebäuden in der Praxis eine zunehmende Unübersichtlichkeit einher. Früher sprachen Vorgaben von zulässigen Höchstwerten der U-Werte von Bauteilen oder eines flächenspezifischen Heizwärmebedarfs eine klare Sprache. Demgegenüber ist ein Primärenergiegrenzwert erst im Kontext der Energieversorgung am Gebäudestandort und auf der Basis von Erfahrungen so interpretierbar, dass daraus klare Handlungsempfehlungen entstehen. Die Angaben bei den Projektbeispielen in diesem Buch tragen dazu bei, den abstrakten Anforderungen konkrete Lösungen aus der Praxis zuzuweisen (siehe Projekte und Erfahrungen, S. 56ff.).
Noch komplexer werden die Zieldefinition und Energiebedarfsberechnung bei den Nichtwohngebäuden. Mit der ersten Gebäuderichtline der EU aus dem Jahr 2002 [38] sind alle Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, ihre nationale Normung und Gesetzgebung dahingehend anzupassen, dass auch der elektrische Energiebedarf der Beleuchtung und Klimatisierung in den einzuhaltenden Gesamtenergiekennwerten abzubilden ist. Bauherren und Systemhersteller sehen sich erstmals veranlasst, die Energieeffizienz auch in diesen Bereichen als Maßstab der Entwicklung zu betrachten. Nur in der Schweiz ist ein solches Kennwertesystem bereits seit Anfang der 1990er-Jahre mit der Richtlinie »SIA 380-4 Elektrische Energie im Hochbau« Praxis [39]. Wegen der Nutzungsvielfalt sind die Gesamtenergiekennwerte von Nichtwohngebäuden nach Typologien mehr oder weniger differenziert. Für Mischnutzungen werden Gesamtenergiekennwerte aus Daten für einzelne Gebäudeteile flächengewichtet ermittelt. Vor diesem Hintergrund kommt Demonstrationsprojekten eine wichtige Vorreiterrolle zu. Sie liefern über die berechneten Zahlen hinaus durch ihre Betriebsergebnisse die Basis für die Festschreibung der Gesamtenergiezielwerte in den nationalen Normen. Das Ende 2006 fertiggestellte und mehrfach ausgezeichnete Forschungs- und Verwaltungsgebäude »Forum Chriesbach« im schweizerischen Dübendorf ist dafür ein herausragendes Beispiel (Abb.
17
Rückspeisung Nahwärme 0,3 kWh/m2a Solarertrag 2,4 kWh/m2a
Bezug Nahwärme 6 kWh/m2a
Abwärme der Kälteanlage 1,4 kWh/m2a
Heizwärme inkl. Verteilverluste 6,6 kWh/m2a Wärme inkl. Zirkulationsverluste 2,6 kWh/m2a
Verluste 0,3 kWh/m2a
WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
A 1.14 A 1.15
A 1.16 Primärenergie [kWh/m2a]
18
Heizung Wärmepumpe 600
Institut
Lüftung Kühlung
Produktion
Beleuchtung nutzungsspezifischer Stromverbrauch
Verwaltung
500 400 300 200 100 0 A
B
C
D
E
F
G
H
A 1.14 und A 1.15, S. 17) [40, 41]: Die Abwärmenutzung aus gewerblichen Kälteanlagen und der Ertrag einer 50 m2 großen Röhrenkollektoranlage decken rund 40 % des Wärmebedarfs. Das rund 12 000 m2 große Gebäude bezieht nur knapp 6 kWh/m2a Wärme aus dem Fernwärmenetz. Durch ein LuftErdregister und die passive Kühlung benötigt das Gebäude fast keine aktive Kühlung seiner Räume. Der Strombedarf liegt ohne die zentralen Server bei knapp 17 kWh/m2a und verglichen damit der Ertrag der 77-kWp-Solarstromanlage bei jährlich 6,4 kWh/m2a. Für einige Gebäudetypen gibt es bereits hinreichende Ergebnisse, die sich aus Querschnittsuntersuchungen gewinnen ließen: Primärenergiekennwerte von energieeffizienten Büro- und Verwaltungsgebäuden liegen ohne Berücksichtigung von Geräten und Arbeitshilfen heute in der Größenordnung von 80 bis 100 kWh/m2a, mit der Geräteausstattung werden in der Praxis Werte von 120 bis 190 kWh/m2a erreicht (Abb. A 1.16) [42, 43], etwa bei der Hälfte der üblichen Neubauten. Einzelne Projekte sind auch noch deutlich effizienter. Die wirtschaftliche Gegenüberstellung der Demonstrationsgebäude zeigt, dass deren Investitionskosten nicht mehr als 5 % über denen ver-
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
R
gleichbarer Bauten liegen, die Energiekosten jedoch im Mittel nur halb so hoch ausfallen [44].
NULLENERGIE EXTREM: AUTARKE GEBÄUDE Auf den ersten Blick scheint es zur energetischen Selbstversorgung eines Gebäudes bei so viel Energieeffizienz nur ein kurzer Weg zu sein. Ein energieautarkes, also ein nicht an eine Energieinfrastruktur angebundenes, Gebäude stellt über die Dimensionierung des hauseigenen, meist solaren Energiesystems und speziell der Energiespeicher die Versorgung zu jeder Zeit ohne Rückgriff auf weitere externe Ressourcen sicher. Im europäischen Klima prägt dabei speziell der saisonale Ausgleich zwischen Energieangebot und -nachfrage den hohen technischen Aufwand in der Energiespeicherung. In Klimaten ohne ausgeprägte Jahreszeiten sind wesentlich einfachere Konzepte möglich. Ebenso wird es im Maßstab von Verbundlösungen zwischen Gebäuden bis hin zu ganzen Siedlungen einfacher. Hierbei geht es nicht um die Summe von autarken Gebäuden, sondern um die Autarkie des Verbunds. Die zeitlichen und strukturellen Unterschiede im Energiebedarf einzelner Gebäude ermöglichen einen gewissen zeitlichen Ausgleich und reduzieren damit das Speichervolumen.
A 1.16 Gemessene Primärenergiekennwerte der Demonstrationsgebäude aus dem Förderprogramm EnOB (die Daten sind mit der beheizten Nettogrundfläche normiert): Für die Verwaltungsbauten liegen die gemittelten Kennwerte der Primärenenergie bei 98 kWh/m2 ohne und 188 kWh/m2 mit nutzungsspezifischen Verbräuchen. A 1.17 Lehmbau-Bürogebäude als Passivhaus, Tattendorf (A) 2006, Architekturbüro Reinberg A 1.18 Abkühlkurve am Beispiel des Passivhauses in Tattendorf. Über den Jahreswechsel 2007/2008 war das Gebäude ungenutzt.
AUTARKE WÄRMEVERSORGUNG – MÖGLICH, ABER BESSER NICHT GANZ Ein Passivhaus in Massivbauweise kühlt auch ohne jede Beheizung im mitteleuropäischen Klima üblicherweise nicht unter 10 °C Raumtemperatur ab (Abb. A 1.17 und A 1.18) [45]. Diese Temperatur resultiert aus dem Gleichgewicht der Wärmegewinne über passive Solarenergienutzung und der Wärmeabgabe von Personen und Geräten mit den Wärmeverlusten aus Transmission und Lüftung. Die Wärmespeicherfähigkeit der Baukonstruktion sorgt dafür, dass auch in längeren Phasen ohne Benutzung und bei niedrigen Wärmegewinnen die Raumtemperatur nicht gleich drastisch absinkt oder bei hohen solaren Gewinnen extrem hohe Raumtemperaturen auftreten. In der Praxis werden die Raumtemperaturen nach oben hin durch das Nutzerverhalten begrenzt (Fensterlüftung, Sonnenschutz), sodass in sonnigen Zeiten keine unbegrenzte Speicherladung möglich wird. Wäre es dennoch möglich, die Wärmespeicherfähigkeit der konstruktiv notwendigen Strukturelemente eines Gebäudes so weit zu erhöhen, dass die Raumtemperaturen allein durch passive Solarenergienutzung nicht mehr unter 20 °C sinken? HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Temperatur [°C]
30
Außentemperatur Raumtemperatur
25 20
19 15 10 5 0 -5 -10 19.12.
PHASENWECHSELMATERIALIEN Mineralischen Baustoffen von Wänden und Decken können sogenannte Phasenwechselmaterialien (Phase Change Material – PCM) in Form von mikroverkapselten Paraffinen zugesetzt werden. Solche Paraffine (Wachse) nehmen für den Schmelzvorgang in einem definierten Temperaturbereich von z. B. 21 bis 22 °C Wärme auf, die bei der Verfestigung wieder abgegeben wird. Spezielle Salzhydrate weisen noch höhere Wärmespeicherfähigkeiten auf und werden z. B. als Bestandteil von Abhangdecken verarbeitet. Berechnungen zeigen jedoch, dass selbst wenn alle in einem Gebäude zur Verfügung stehenden Oberflächen in dieser Weise ertüchtigt würden oder eine extrem massive Baukonstruktion gewählt würde, die damit erreichte Speicherfähigkeit zwar zur weiteren Senkung des Heizwärmebedarfs beiträgt, nicht jedoch eine Beheizung überflüssig macht. Für den Sommerfall sind in Verbindung mit Sonnenschutz und Nachtlüftung größere Effekte bis hin zum Verzicht auf die aktive Kühlung möglich (siehe Firmenhauptsitz in Kemptthal, S. 120ff.). Das liegt in erster Linie an der Tatsache, dass Wärme nur im Rhythmus von Tagen ein- und ausgespeichert wird. Längere Hitzeperioden ließen sich auch hier nicht puffern. WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
SOLARKOLLEKTOREN UND WASSER-WÄRMESPEICHER Bei der aktiven Solarenergienutzung mit Kollektoren übernimmt ein Wassertank die Funktion des Wärmespeichers. Damit entfällt die maximal erträgliche Raumtemperatur als Obergrenze der Speichertemperatur. Die Wärmedämmung des Wassertanks erlaubt längere Speicherzeiten. Ein einfaches Beispiel für die thermische Vollversorgung eines 150 m2 großen Wohnhauses für vier Personen zeigt die erforderlichen Dimensionen auf [46]. Die Basis bilden optimal ausgerichtete Flachkollektoren und ein großvolumiger Wasserspeicher im Gebäude (Abb. A 1.19 und A 1.20, S. 20). Soll neben dem Wärmebedarf für die Warmwasserbereitung auch der gesamte Heizwärmebedarf (25 kWh/m2a) solar gedeckt werden, liegt die erforderliche Kollektorfläche bei mindestens 30 m2, aber vor allem das Speichervolumen bei mindestens 50 m3. Zusammen mit der notwendigen Wärmedämmung des Speichers entspricht der Platzbedarf 5 –10 % des Gebäudevolumens. Dabei ist die geometrische Optimierung in der Praxis ein ganz wesentlicher Faktor für den wirklichen Verlust an nutzbarem Raum. Pionier für autarke Anlagenkonzepte in Europa war 1991 das Haus Jenni im schweizerischen Oberburg. Das 200 m3 große Wohnhaus besitzt eine Kollektor-
A 1.17 A 1.18
23.12.
27.12.
31.12.
04.01.
08.01.
fläche von 84 m2 und einen 118 m3 fassenden Wärmespeicher [47]. Der Speicher erwies sich als viel zu groß. Die zahlreichen Nachfolgeprojekte hauptsächlich in der Schweiz und in Österreich arbeiten erfolgreich mit deutlich kleiner dimensionierten Anlagen und der Ergänzung durch eine Holzfeuerung. Kleinere Speicher haben auch den Vorteil geringerer Herstellungsenergie. Denn diese ist bei großen Metallspeichern angesichts der überschaubaren Zahl von Lade-/Entladezyklen eine nicht vernachlässigbare Größe in der Lebenszyklusbilanzierung derartiger Anlagen. Große Wasserspeicher aus Kunststoff haben sich jedoch bei den zeitweise hohen sommerlichen Speichertemperaturen mit Blick auf die Langzeitstabilität bisher nicht bewährt. Ein Beispiel für eine solare Heizung mit hoher Deckungsrate ist die Passivhauswohnanlage »Samer Mösl« im österreichischen Salzburg (Abb. A 1.22 und M 1.23, S. 21) [48]. Die 60 Wohneinheiten wurden 2006 von der Heimat Österreich (gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft) im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet. Die klimaneutrale Wärmeversorgung basiert auf einer Solaranlage mit 200 m2 Flachkollektoren auf dem Flachdach und einem 21 m3-Pufferspeicher in Verbindung mit einem 100-kW-Pelletkessel. Der 11 m hohe Speicher mit
llek to
ren
Pufferspeicher
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20
Trinkwasserspeicher (300 l) Warmwasser Raumheizung
Wärmetauscher
Kaltwasserzulauf
Pumpe
Ergänzungsheizung
25 m3 Speichervolumen 50 m3 Speichervolumen 40
4 qH = 25 kWh/m2a 3
60 2 80 1 0 10
20
30
40
50 60 Absorberfläche [m2]
PV Heizung & Warmwasser Wärmepumpe Stromnetz
A 1.19 A 1.20 A 1.21
Erdsonde
Kühlung
solare Deckungsrate [%]
Zusatzwärmebedarf in [MWh/a]
5 m3 Speichervolumen 10 m3 Speichervolumen
1,6 m Durchmesser (gemessen ohne Dämmung) ist vertikal in den Bereich des Erschließungstreppenhauses integriert und erstreckt sich über alle drei Geschosse plus Kellergeschoss. Die Solaranlage deckt etwa die Hälfte des Wärmebedarfs. Die Erfahrungen zeigen, dass je nach konkretem Witterungsverlauf bei einer Anlagenauslegung auf 100-prozentige Deckungsrate anhand eines mittleren Klimadatensatzes eines Standorts in einem Jahr die Rechnung aufgeht (kein Zusatzwärmebedarf) und im Folgejahr ein Fehlbedarf auftreten kann [49]. Das liegt vor allem an der wechselnden Abfolge von sonnigen und bedeckten Tagen. Kritisch sind lang anhaltende Schlechtwetterperioden oder Nebel. Viele erfolgreiche Projekte liegen daher in den eher winterlich sonnigen Bergregionen. Soll jegliche Deckungslücke ausgeschlossen werden, wächst das notwendige Speichervolumen deutlich. Der Engpass tritt zuerst beim Warmwasser auf, da hier ein höheres Temperaturniveau als bei der Raumheizung erforderlich ist. Wärmespeicher für große Gebäude oder Siedlungen zeigen prinzipiell bessere Ergebnisse, da sich das Verhältnis der verlustbehafteten Oberfläche zum Speichervolumen deutlich verbessert. SPEICHER MIT HÖHERER WÄRMEKAPAZITÄT Neben großen Wasserspeichern bieten sich theoretisch Alternativen mit höheren Speicherdichten und geringeren Wärmeverlusten an: Wird ein Kubikmeter Wasser um 30 °C erwärmt oder abgekühlt, entspricht das einem Energieinhalt von 30 kWh. Die Wärmemenge in einem 50 m3-Speicher steigt bei dieser Erwärmung somit um gerade einmal 1500 kWh. Dagegen speichert ein geeignetes Phasenwechselmaterial wie Glaubersalz beim Schmelzen im Temperaturbereich von 30 °C etwa 100 kWh/m3 und gibt diese Wärmemenge bei der Verfestigung wieder ab. Noch wirkungsvoller können Speicher mit thermochemischen Substanzen sein. Sie basieren auf der Wärmeaufnahme bei der stofflichen Trennung und Wärmeabgabe bei der Wiederzusammenführung der Substanzen. Ihr Vorteil ist die (theoretisch) verlustfreie Speicherung über lange Zeiträume durch konsequente stoffliche Trennung. Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren Speicher mit Substanzen (sogenannte Zeolithe), die bei Wärmezufuhr Wasserdampf
abgeben (Desorption) und bei Wärmeabfuhr diesen Wasserdampf wieder aufnehmen (Adsorption). Theoretisch sind Speicherdichten um die 500 kWh/m3 möglich. In der Praxis werden diese Werte allerdings noch nicht erreicht, und der zusätzliche apparative Aufwand ist nicht unerheblich (Abb. A 1.24, S. 22). SPEICHER IN KOMBINATION MIT WÄRMEPUMPEN Eine weitere Option bietet die verbesserte Speicherausnutzung in Kombination mit einer Wärmepumpe [50]. Damit lassen sich auch niedrige Speichertemperaturen für die Warmwasserbereitung und Raumheizung nutzen, indem sie auf Nutztemperaturniveau »hochgepumpt« werden. Durch das insgesamt dann niedrigere Speichertemperaturniveau steigt der Kollektorwirkungsgrad. Allerdings kommt dann ein nicht eben geringer Stromverbrauch der Wärmepumpe hinzu. In Verbindung mit einer Wärmepumpe bietet es sich an, statt eines großen Warmwasserspeichers im Gebäude das Erdreich als saisonalen Niedertemperaturwärmespeicher zu nutzen und durch Erdsonden zu be- und entladen. Anders als bei Wasserspeichern wird die Wärme dann ausschließlich über die Wärmepumpe entzogen, da das Temperaturniveau im Erdreich mit etwa 10 °C nicht zur direkten Gebäudeheizung ausreicht. Viele in diesem Buch vorgestellte »Nur-Strom-Gebäude« basieren auf einem solchen Konzept in Verbindung mit netzgekoppelten Solarstromanlagen zum bilanziellen Ausgleich des Stromverbrauchs der Wärmepumpe. Ihr großer Vorteil ist, dass der großvolumige Speicher im Haus entfällt. Autark sind sie jedoch nicht, da sie von einer winterlichen Stromversorgung abhängig sind (Abb. A 1.21). Das Erdsondenfeld kann auch zur sommerlichen Kühlung herangezogen werden. Nach dem Gesagten gilt: Heute sind sehr niedrige Wärmeverbräuche erreichbar. Sie auf null zu reduzieren ist ökonomisch, ökologisch und technologisch möglich, aber meist nicht sinnvoll. Demgegenüber stellt die Ergänzung durch eine Zusatzwärmequelle auf der Basis von Biomasse eine gleichermaßen wirtschaftlich wie ökologisch interessante Alternative zur klimaneutralen Wärmeversorgung dar. Der Einsatz von Wärmepumpen führt erst im Kontext einer CO2neutralen Stromversorgung zur Klimaneutralität (siehe Projekte und Erfahrungen, S. 56ff.). HINTERGRUNDINFORMATIONEN
AUTARKE STROMVERSORGUNG – NUR WENN ES SEIN MUSS Häuser ohne Netzanschluss sind in Europa selten. Das hat seinen Grund. Anders als bei der Wärmeversorgung existiert bei der Stromversorgung eine scharf definierte Grenze: Ohne Strom funktionieren Anlagen und Geräte nicht. Fehlt dagegen der Wärmenachschub, wird es im Haus lediglich im Winter kühler. STROMVERSORGUNG ALS INSELLÖSUNG Beispiele für sogenannte Inselhäuser gibt es in Europa hauptsächlich bei abgelegenen Berggasthäusern, Einsiedlerhöfen, Ferienhäusern oder Forschungsstationen. Die Insellösung stellt in diesen Fällen die kostengünstigere Variante gegenüber einer kilometerlangen Stromleitung dar, an deren Ende ein einzelnes Gebäude als Abnehmer steht. Ohne eigenen Stromanschluss erfahren die Bewohner schnell, welche Aufgabe eine zentrale Stromversorgung mit einem funktionierenden Netz übernimmt, denn Inselsysteme sind technisch komplex und erfordern eine regelmäßige Wartung und Kontrolle. Eine hohe Zuverlässigkeit erreichen autarke Stromversorgungssysteme nur dann, wenn mehrere Energiequellen zum Einsatz kommen und z. B. ein Windrad die Solarstromanlage ergänzt. Als Notversorgung fungieren zumeist (Bio)Dieselgeneratoren. Ein Beispiel für eine zeitgenössische Insellösung ist die Neue Monte Rosa Hütte (Abb. A 1.26, S. 22) [51]. Mit einer Übernachtungskapazität von 120 Betten steht sie seit Ende 2009 mit Blick auf das Matterhorn auf 2883 m Höhe oberhalb von Zermatt in der Schweiz. Grundlage ist ein knapp 900 m2 großes MINERGIE-P-zertifiziertes Passivhaus. Außer dem zum Kochen mit per Helikopter angeliefertem Flaschengas soll zukünftig 90 % des Energiebedarfs mit Solarenergie gedeckt werden. Dazu dienen ein 16-kWp-Solargenerator integriert in die Dachhaut und 60 m2 Solarkollektoren neben dem Gebäude. Überschüssige Energie wird in einem 200-m3-Wassertank und in Batterien (Kapazität 288 kWh) gespeichert. Als ergänzende Strom- und Wärmequelle dient ein mit Rapsöl betriebenes Blockheizkraftwerk (8,5 kWel, 19 kWth). Bei der Dimensionierung ist von Vorteil, dass die Hütte in den Kernwintermonaten nicht geöffnet ist und in den Wohnbereichen auch zeitweise Raumtemperaturen um 15 °C als ausreichend betrachtet werden. WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
21
A 1.19 schematische Darstellung einer Solaranlage für Warmwasser und Raumheizung mit hoher solarer Deckungsrate als Grundlage der Simulationen A 1.20 Zusatzwärmebedarf und solare Deckungsrate bei einer Solaranlage für Warmwasser und Raumwärme für ein 150 m2 großes Einfamilienhaus (Heizwärmebedarf 25 kWh/m2a) und 4-Personen-Haushalt: Die Anlagenkonfiguration berücksichtigt Flachkollektoren, einen 300-Liter-Trinkwasserspeicher und eine variable Pufferspeichergröße mit 50 cm Dämmung. Simulations-
1
2
ergebnisse einer Berechnung mit TRNSYS, Klimadatensatz Freiburg A 1.21 Auslagerung der saisonalen Wärmespeicherung aus dem Gebäude in das Erdreich (Erdsonden). Neben der Wärmeerzeugung mit einer Wärmepumpe ist die direkte und indirekte Kühlung (reversibler Wärmepumpenbetrieb) möglich. A 1.22 Wohnanlage »Samer Mösl«, Salzburg (A) 2006, Architekt: sps-architekten, Energieplaner: TB Stampfer A 1.23 Anlagenschema der Wärmeversorgung des Projekts »Samer Mösl«
1 2 3 4
Solarkollektoren 197 m2 Pufferspeicher 21 000 l Wohnungsübergabestation Pelletkessel 100 kW
3
4 A 1.22 A 1.23
[Wh/kg]
[kWh/m3]
22
600
200
400
100
200
0
0 Zeolith
A 1.24 A 1.25 A 1.26
300
Glaubersalz
Wasser
LithiumMetalPolymer
LithiumIonen
Nickel/ Metallhydrid
Nickel/ Cadmium
Blei
A 1.24 typische Energiedichte unterschiedlicher Wärmespeicher A 1.25 Energiedichte unterschiedlicher Typen von wiederaufladbaren Stromspeichern A 1.26 Die neue Monte Rosa Hütte oberhalb von Zermatt (CH) 2009, Gemeinschaftsprojekt von ETH Zürich, SAC, Hochschule Luzern – Technik & Architektur und EMPA A 1.27 Das Energiekonzept des Experimentalwohngebäudes »Energieautarkes Solarhaus« unterstreicht die Komplexität von Komfortwohnen ohne Netzanschluss. A 1.28 Experimentalwohngebäude »Energieautarkes Solarhaus«, Freiburg (D) 1992, Architekt: Planerwerkstatt Hölken Berghoff, Energieplaner: Fraunhofer ISE
DAS PROBLEM DER LANGZEITSPEICHERUNG Nicht die Vor-Ort-Stromerzeugung durch Sonne oder Wind ist die große Herausforderung elektrisch autarker Gebäude, sondern die Langzeitspeicherung elektrischer Energie angesichts des oft saisonal sehr unterschiedlichen Energieangebots. Während die zuvor thematisierten Wärmespeicher zwar voluminös, aber technisch einfach sind, gibt es bis heute keine überzeugenden Batteriespeicher. Wiederaufladbare Batterien speichern zunächst einmal nur Gleichstrom, nicht den in Gebäuden heute üblichen Wechselstrom. Ihre Einbindung in eine Hausstromversorgung erfordert die Ein- und Auskopplung des Gleichstroms über Gleich- bzw. Wechselrichter [52]. In dieser Weise werden Bleibatterien ähnlicher Bauart wie in Kraftfahrzeugen heute als sogenannte unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) für Server-Zentralen, Kliniken etc. eingesetzt, um einen kurzzeitigen Ausfall des Versorgungsnetzes zu überbrücken. Die Energiedichte beträgt dabei rund 40 Wh/kg Batteriegewicht. Dabei steht diese Nennkapazität nicht in vollem Umfang zur Verfügung, da eine Tiefentladung die Lebensdauer stark reduziert. Ausgehend von 20 % Mindestladezustand und einem Ladewirkungsgrad von 80 %, bedarf es für die Pufferung der Stromversorgung eines Einfamilienhauses für nur einen einzigen Tag (10 kWh) bereits eines rund 400 kg schweren Batteriesatzes zu Kosten in der Größenordnung von 1000 Euro, bei einer Haltbarkeit von nur wenigen Jahren (Abb. A 1.25). Eines der zentralen Probleme von Batterien ist ihre HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Brennstoffzelle
Batterie
H2O
H2O +
-
Gastank
-
= ~
Warmwasser
Kochen H2
Selbstentladung. Ähnlich einem Wärmespeicher verlieren sie je nach Technologie mehr oder weniger schnell die gespeicherte Energie. Zwar gibt es mittlerweile im Kontext der Forschungsarbeiten zur Elektromobilität Batterien höherer Kapazität und Leistungsfähigkeit. Sie erscheinen jedoch in Bezug auf Lebensdauer, Kosten, Umweltverträglichkeit und Herstellungsenergie für die saisonale Speicherung von Strom in Gebäuden nach wie vor nicht geeignet. Neue Ansätze für kleine Batteriesätze als Kurzzeitspeicher in Gebäuden werden im Abschnitt »Der Grad der Eigenbedarfsdeckung als Unterscheidungsmerkmal« (S. 37f.) thematisiert. WASSERSTOFFWIRTSCHAFT ALS LÖSUNGSVERSUCH 1992 entstand das Experimentalgebäude »Energieautarkes Solarhaus« in Freiburg [53]. Als wärme- und stromautarkes Wohnhaus mitten in der Stadt war das für mehrere Jahre bewohnte Einfamilienhaus der Testfall einer dezentralen, solaren Wasserstoffwirtschaft (Abb. A 1.27 und A 1.28). Dem kleinen 19-kWh-Batteriesatz im Gebäude kommt lediglich die Aufgabe eines Kurzzeitstromspeichers zu, um kurzzeitig den Umweg über das Wasserstoffsystem zu vermeiden. Mit einer 4,2-kWpSolarstromanlage wird während der Sommermonate Wasser über einen Elektrolyseur (2 kW) in Wasserund Sauerstoff zerlegt. Beide Gase werden in Drucktanks (15 m3 H2, 27 bar) nahezu verlustfrei gelagert und in einer Brennstoffzelle (0,5 kW) für die winterliche Stromerzeugung unter Erzeugung von Wasser WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
Wechsel- Haushaltsrichter strom
DC
O2
Strom Gas Wärme
+
Gleichstromverbraucher
AC
A 1.27 A 1.28
elektrische Nutzung
Elektrolyseur
23
thermische Nutzung
PVGenerator
Heizen
wieder zusammengeführt. Die dabei frei werdende Abwärme ist als winterliche Zusatzwärmequelle zur Wassererwärmung eingebunden. Eine Brennstoffzelle ist ähnlich einer wiederaufladbaren Batterie ein elektrochemischer Energiewandler, nur wird sie bei der Stromerzeugung kontinuierlich mit dem »Brennstoff« Wasserstoff versorgt. Der Wasserstoff dient neben der Verstromung auch zum Kochen (Gasherd) und Heizen (Luftheizregister in der Lüftungsanlage). Auch jüngere Projekte beruhen auf einer Wasserstoffwirtschaft. Die 2010 vorgestellte experimentelle Wohnbox »SELF« der schweizerischen Forschungsinstitution EMPA, Abteilung Bautechnologien, nutzt den solar vor Ort erzeugten Wasserstoff zum Heizen und Kochen. [54] Ohne das Wasserstoffsystem hätte das Freiburger Solarhaus damals rechnerisch einen vier Tonnen schweren Bleibatteriesatz mit einer Kapazität von 160 kWh benötigt. Das ist knapp die Hälfte der Kapazität der sieben Mal größeren Monte Rosa Hütte. Dass der Batteriespeicher dort nicht noch viel größer ausfällt, liegt an dem Rapsöl-Blockheizkraftwerk. Angesichts der geringen Lebensdauer und einer Herstellungsenergie in der Größenordnung von 60 000 kWh wäre das Projekt »Energieautarkes Solarhaus« allein mit einem Batteriespeicher im Kontext des oben Ausgeführten kein Beitrag zur Forschung gewesen. Es unterstreicht bei hohem personellem Aufwand für die Betriebsführung und Inbetriebhaltung die grundsätzliche Machbarkeit der Solarwasserstoffwirtschaft im Kleinmaßstab mit bereits da-
mals vergleichsweise hohen Wirkungsgraden. An den hohen Kosten der eingesetzten Komponenten hat sich bis heute wenig geändert. Auch bei einer zukünftig denkbaren Wasserstoffwirtschaft werden Energieverbundlösungen gegenüber Einzelhausanlagen deutliche Vorteile aufweisen.
NULLENERGIEGEBÄUDE PRAXISNAH: MEHR ODER WENIGER NETZBASIERT Was zunächst wie ein Widerspruch klingt, hat sich zum heute meistverbreiteten Verständnis von Nullenergiegebäuden entwickelt. Da energieautarke Lösungen – wie zuvor gezeigt – extreme Aufwendungen nach sich ziehen, basieren praxisnahe Konzepte für klimaneutrale Gebäude mindestens auf einer Kopplung an das Stromnetz. Je nach lokalen Verhältnissen können weitere Netze oder die lokale Nutzung von Biomasse (z. B. Pelletofen) oder fossilen Brennstoffen (z. B. Erdgas-Kraft-Wärme-Kopplung) zur Deckung des Restenergiebedarfs hinzukommen. Damit wird die Technologielücke im Bereich der Stromspeicherung überbrückt, extrem dimensionierte Wärmespeicher erübrigen sich, und die gewohnte Versorgungssicherheit ist gewährleistet. GRÜNE NETZE SIND DER EINFACHSTE WEG ZUR KLIMANEUTRALITÄT Die baulich einfachsten Konzepte basieren auf einer Energieversorgung durch Netze, die vollständig auf erneuerbarer Energie aufbauen und damit auf der vollständigen Entkopplung
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PVGenerator
Kollektor
Warmwasser W T Pufferspeicher
Raumheizung W T Ofen
=
Haushalts~ strom
=
Strom für = Technik Batterie
W T = = Energieschnittstelle
Holz Brennstoff
Treibstoff
M GEN =
M Motor WT Wärmetauscher GEN Generator
A 1.29 A 1.30
= M ~ Batterie Serienhybridfahrzeug
EXKURS MOBILES BLOCKHEIZKRAFTWERK Im Kontext des Projekts »Energieautarkes Solarhaus« (Abb. A 1.28, S. 23) entstand das Konzept, ein Elektrofahrzeug mit seiner Batteriekapazität und zusätzlich als mobiles Blockheizkraftwerk (BHKW) an die Strom- und Wärmeversorgung eines netzautarken Gebäudes anzukoppeln [55]. Ausgehend von einem Fahrzeug, das sowohl einen Elektromotor mit Batteriesatz als auch einen Verbrennungsmotor besitzt – ein sogenanntes Serienhybridfahrzeug – kann überschüssiger Strom vom Gebäude an das Fahrzeug über eine Energieschnittstelle übergeben werden. Der Verbrennungsmotor im Fahrzeug dient im Normalfall über einen Generator zur Stromproduktion für den elektrischen Antrieb. Die Batterie mit einer Kapazität von 5 kWh arbeitet quasi als eine Art Getriebe und vermittelt zwischen der wechselnden Leistungsabfrage beim Antrieb des Fahrzeugs und konstanter Stromproduktion des Motorgenerators in seinem energetisch optimalen Betriebspunkt. Der Motorgenerator übernimmt bei dem am Haus geparkten Fahrzeug über eine Energieschnittstelle die Funktion der Strom- und Wärmeversorgung für das Gebäude, wenn die dortigen Vorräte erschöpft sind. Das Konzept zeigt für netzferne Gebäude durchaus Vorteile. Kritischer Punkt ist die serienmäßige Verfügbarkeit geeigneter Hybridfahrzeuge. Anderenfalls bleibt es beim stationären Notstromaggregat im Gebäude.
des Energieverbrauchs von den Emissionen (Abb. A 1.31). Beispielhaft dafür steht die Situation in Norwegen: Standard ist dort das »Nur-StromGebäude«. Nahezu die gesamte Stromerzeugung basiert auf Wasserkraft. Sie ist somit frei von fossiler oder nuklearer Energie und verursacht keine Treibhausgasemissionen (2009: 96 %) [56]. Unabhängig von der Höhe des Verbrauchs sind alle Gebäude klimaneutral. In diesem Kontext und aufgrund niedriger Strompreise ist der energetische Standard der Gebäude verglichen mit den skandinavischen Nachbarn und in Anbetracht des kalten Klimas niedrig. Das ändert sich angesichts steigender Stromnachfrage im Inland, guter Exportchancen für Ökostrom und nur geringer Ausbaukapazität der eigenen Wasserkraftanlagen. An der Universität Trondheim startete 2009 ein umfangreiches Forschungsprogramm mit einem neuen »Zentrum für Nullemissionsgebäude« [57]. In der baulichen Praxis wird der Ersatz von elektrischen Widerstandsheizungen durch Wärmepumpen vorangetrieben. Das erlaubt die Reduktion des Stromverbrauchs um etwa den Faktor 3. Gäbe es ein leistungsfähiges Seekabel für den Transport von Ökostrom nach Mitteleuropa, könnten auch dort die Gebäude vom sauberen Strom Norwegens profitieren. Daran wird klar, dass eine extrem hohe Energieeffizienz der Gebäude notwendig ist, um die begrenzte Ressource grüner Strom nicht A 1.29 Konzept der Interaktion eines elektrisch autarken Gebäudes mit einem Hybridfahrzeug: Strom fließt sowohl vom Haus an das Fahrzeug als auch umgekehrt. Der Motorgenerator im Fahrzeug kann das Haus mit Abwärme aus der Stromproduktion versorgen. A 1.30 Was elektrische Autarkie bedeutet, zeigt in übertragenem Sinne das ambitionierte Vorhaben einer Weltumrundung in fünf Etappen mit einem allein solar betriebenen Elektrosegler [58]. Die Flügel des Flugzeugs mit einer Spannweite von 63 m sind vollständig mit Hochleistungssolarzellen belegt. Zur Pufferung besitzt es Batterien mit einer Kapazität von knapp 100 kWh. Sie machen mit ihren 400 kg Gewicht ein Viertel des Gesamtgewichts des Flugzeugs aus. A 1.31 »Nur-Strom-Gebäude« an einem grünen Stromnetz sind klimaneutral: Die Umweltindikatoren des bezogenen Stroms sind gleich null. A 1.32 Gebäude, die neben Ökostrom weitere grüne Netze nutzen, können ohne eigene Vor-Ort-Energieerzeugung klimaneutral sein: Sie sind 100-prozentig netzbasiert.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
lokal überzustrapazieren, sondern global zu vermarkten. Aus diesem ganzheitlichen Blickwinkel wären in einem vernetzten europäischen Stromnetz auch die Nur-Strom-Gebäude in Norwegen nicht wirklich klimaneutral: Ihr hoher Energieverbrauch verhindert, dass Strom aus grünen Netzen Häuser in den Nachbarländern klimaneutral versorgen könnte. Der saisonal stark schwankende Strombedarf von Nur-Strom-Gebäuden erfordert ein Netz mit einer entsprechend beeinflussbaren Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und einer ausreichenden Speicherfähigkeit beispielsweise in Form von Pumpspeicherkraftwerken. Die natürlichen Möglichkeiten dazu sind regional und international sehr unterschiedlich. Auch dies spricht für eine leistungsfähigere Vernetzung, als sie heute üblich ist. Bei einer ausreichenden Bebauungsdichte sind weitere Netze in der Lage, ein grünes Stromnetz zu entlasten (Abb. A 1.32). Wärme- bzw. Kältenetze können von zentralen Heizkraftwerken versorgt werden, die zu 100 % mit erneuerbarer Energie in Form von Holz oder Biomasse gefeuert werden. Angesichts der – verglichen mit einem Stromnetz – höheren Netzkosten sind im Wesentlichen die Städte oder lokale Mikronetze geeignet. Ähnlich sieht es bei Gasnetzen mit Biogas oder Wasserstoff aus. Die Einführung von Netzen erfordert übergeordnete Entscheidungsstrukturen auf der Ebene von Stadt-
und Infrastrukturplanung. In gleicher Weise wie beim grünen Stromnetz wird auch hier schnell klar, dass Holz, Biomasse, Biogas etc. nicht in dem Umfang nachhaltig zur Verfügung stehen, um die heute üblichen, hohen Gebäudeverbräuche langfristig zu decken. OHNE GRÜNE NETZE HILFT NUR DAS BILANZPRINZIP Kommt der Netzstrom oder die netzbasierte Wärme bzw. Kälte nicht 100-prozentig aus erneuerbarer Energie, belastet der Verbrauch eines Gebäudes die Umwelt. Ein »Nullenergiegebäude« im Sinne von »keinerlei Rückgriff auf fossile oder nukleare Ressourcen« ist nicht möglich. Die in der zweiten Hälfte dieses Buchs vorgestellten Gebäude müssten richtigerweise »Netto-Nullenergiegebäude« heißen. Ihre ausgeglichene Energieoder Emissionsbilanz ist ein Rechenergebnis. Gängig ist diese Bezeichnung aber lediglich in der englischen Sprechweise »Net Zero Energy Building«. Die Idee basiert auf folgendem Ansatz: Dem Energieverbrauch und den Klimagasemissionen eines Gebäudes werden Gutschriften für eine lokale Rückspeisung von Energie in Netze in einer Jahresbilanz gegenübergestellt. Das Verfahren gleicht einer unternehmerischen Einnahmen-/Überschussrechnung. Abb. A 1.33 (S. 26) zeigt dies dadurch, dass die Pfeile zwischen Zählern und Gebäude einen Energiefluss in beide Richtungen zulassen.
Da die Bewertungsfaktoren der bezogenen Energie nicht mehr null sind, erfolgt eine Bilanzierung von Import und Export. Ziel ist ein Bilanzausgleich (Nullenergiehaus) oder ein Überschuss an Gutschriften (Plusenergiehaus). Praxisnah ist diese Variante insofern, da ausschließlich grüne Netze bisher mit wenigen Ausnahmen nicht zur Verfügung stehen und daher fast alle Gebäude durch ihren Verbrauch auf fossile oder nukleare Quellen zurückgreifen. Das gilt auch für die Gebäude, die im Projektteil dieses Buchs vorgestellt werden. Möglichkeiten für den Export von Energie an das Stromnetz existieren vor allem bei gebäudeintegrierten Solarstromanlagen oder der Kraft-WärmeKopplung. Mit Solarkollektoren kann prinzipiell überschüssige Wärme von Gebäudeanlagen an Wärmenetze exportiert werden, wenn die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Eine Wärmeexport ist ebenfalls bei KWK-Anlagen möglich. Windkraftanlagen finden sich in unmittelbarer Verbindung zu Gebäuden selten. Manche Nullenergiegebäude basieren aber auf der Anrechnung von anteiligen Investitionen in Windparks und rechnen deren Stromertrag als Gutschrift auf die Gebäudebilanz an (in Abb. A 1.33, S. 26, als externe Investitionen bezeichnet). Noch weitergehende Szenarien binden den Kauf von CO2-Zertifikaten aus Energieeinsparmaßnahmen an anderen Gebäuden oder beispielsweise Aufforstungsprojekten in die
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grüne Netze
Energiebedarf
+1000
Zähler
WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
grünes Stromnetz
Bewertungsfaktoren 0
+1000
Stromnetz
+0000
Wärme-/ Kältenetz
+0000
Gasnetz
Zähler
Bewertungsfaktoren 0
Energiebedarf
A 1.31 A 1.32
WK
26
1000
externe Investitionen
+1000
Stromnetz
+0000
Wärme-/Kältenetz
+0000
Gasnetz
1000
Brennstoffe
ST
PV
Energieerzeugung
Energiebedarf
KWK
Zähler PV ST WK KWK WP
Bewertungsfaktoren Bilanz
Solarstrom Solarthermie Windkraft Kraft-Wärme-Kopplung Wärmepumpe
ST
PV
Bilanzierung ein. Die Beispiele zeigen, wie wichtig ein einheitliches methodisches Verständnis ist, damit der Begriff »Nullenergiegebäude« eine Aussagekraft erhält. Das nachfolgende Kapitel erläutert daher die methodischen Grundlagen der Bilanzierung (S. 28ff.). DAS BILANZPRINZIP BEIM »NUR-STROMGEBÄUDE« Einfach verständlich wird das Bilanzierungsprinzip vor allem beim »Nur-Strom-Gebäude«. Hier gibt es eine eindeutige Bilanz am Stromzähler ohne eine zusätzliche Bewertung. Sind Strombezugskosten und Einspeisepreis gleich, wird das Nullenergiegebäude auch ein »NullenergiekostenGebäude«. Abb. A 1.34 zeigt die heute vielfach typische Ausstattung mit einer Wärmepumpe und einer Solarstromanlage. Die Anlage ist so dimensioniert, dass der Jahresstromverbrauch des Gebäudes ausgeglichen wird. Solarkollektoren können dazu beitragen, den sommerlichen Stromverbrauch der Wärmepumpe zu vermeiden. Durch den deutlich erhöhten winterlichen Strombezug wird das Netz unter den Verhältnissen in Mitteleuropa vor allem in seiner Speicherfähigkeit und winterlichen Erzeugungskapazität beansprucht, da der hauseigene Solarstromertrag in hohem Maße saisonal gegenläufig ist. Erst durch geeignete Netze mit einer hohen Quote erneuerbarer Energie gerade im Winter wird der Anspruch der Klimaneutralität im strengen Sinne erfüllt.
Energieerzeugung
Energiebedarf
A 1.33 A 1.34
WP
A 1.33 Allgemeine Darstellung des Bilanzierungsverfahrens zwischen Bezug und Einspeisung von Energie: Ohne 100 % Ökostrom wird der Nullenergiestandard erst erreicht, wenn die Jahresbilanz ausgeglichen ist. A 1.34 Das Bilanzprinzip in der Anwendung
+0
Stromnetz
Zähler
bei einem »Nur-Strom-Gebäude« mit Wärmepumpe und Solarstromanlage: Die Solarstromanlage ist so dimensioniert, dass der Jahresstromverbrauch ausgeglichen wird. Die optionale solarthermische Anlage reduziert den Stromverbrauch der Wärmepumpe.
EIN ERSTES FAZIT Nach den dargestellten Möglichkeiten wird deutlich, dass sich die Klimaneutralität bei den nicht autarken Gebäuden erst in der Summe aus der Betrachtung von Gebäuden, Netz(en) und eingesetzten Energieträgern ergibt. Der angemessene Aufwand für den lokalen Bilanzausgleich durch Energieerzeugung und Netzeinspeisung an einem einzelnen Gebäude bemisst sich ökonomisch und ökologisch im Kontext der verfügbaren Alternative. Diese ist die Investition in eine Netzinfrastruktur, die vollständig auf erneuerbarer Energie basiert. Zwar ist sie in den meisten Fällen vorteilhaft, jedoch durch die individuelle Entscheidung einzelner Bauherren nur wenig beeinflussbar. HINTERGRUNDINFORMATIONEN
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WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE
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bedarf in Abhängigkeit vom Gebäudestandort. Voraussichtlich 2011 Griffith, Brend u. a.: Assessment of the Technical Potential for Achieving Net Zero-Energy Buildings in the Commercial Sector. Technical Report NREL/ TP-550-41957, 2007 http://www.passiv.de. Stand: 21.02.2011 http://www.minergie.ch. Stand: 21.02.2011 Eine maximale Heizleistung von 10 W/m2 ist im Klima Mitteleuropas mit einem Zielwert von 15 kWh/m2a für den Jahresheizwärmebedarf gleichzusetzen [27]. Bezugsfläche ist die beheizte Nettogrundfläche innerhalb der thermischen Hülle, wobei Keller-, Lager- und Technikflächen nur anteilig berücksichtigt werden. Speziell in Österreich und der Schweiz sind andere Flächenbezüge üblich. MINERGIE-P: 30 kWh Primärenergie pro m2 Energiebezugsfläche für Heizung, Warmwasser und Lüftung bei Berücksichtigung der Schweizer Primärenergiefaktoren. Für Haushaltsgeräte wird kein flächenspezifischer Kennwert, sondern nur die beste Effizienzklasse eingefordert [26]. wie Anm. 7 wie Anm. 5 SIA 380-4: Elektrische Energie im Hochbau. Zürich 2006 Güttinger, Herbert u. a.: Energie-Detailbilanz des Eawag Forum Chriesbach. Schweizer Bundesamt für Energie. Dübendorf 2009 Lehmann, Beat u. a.: Eawag Forum Chriesbach – Simulation and measurement of energy performance and comfort in a sustainable office building. In: Energy & Buildings 42/2010, S. 1958–1967 Voss, Karsten u. a.: Bürogebäude mit Zukunft. Berlin 2006 Lechner, Robert u. a.: PH Office. Standard für energieeffiziente Bürogebäude. Endbericht. Hrsg.: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). Wien 2010 Lützkendorf, Thomas u. a.: Energiekonzepte und ihre Auswirkungen auf ausgewählte Nutzungskosten von EnOBBürogebäuden. 3. IFM Kongress, Wien 2010 Wagner, Waldemar u. a.: Energietechnische und baubiologische Begleituntersuchung Lehm-Bürogebäude Tattendorf.
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[51]
[52]
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[54] [55]
[56]
[57]
[58]
In: Berichte aus Energie- und Umweltforschung 65/2009. Hrsg. Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). Wien 2010. S. 43 Voss, Karsten: Experimentelle und theoretische Analyse des thermischen Gebäudeverhaltens für das Energieautarke Solarhaus Freiburg. Dissertation ETH Lausanne. Stuttgart 1997 http://www.jenni.ch. Stand: 21.02.2011 http://www.nextroom.at/building. php?id=28858. Stand: 10.2.1022 wie Anm. 36 International Energy Agency: Solar Heating & Cooling Programme, Task 44. Solar and Heat Pump Systems. http:// www.iea-shc.org/task44/index.html. Stand: 21.02.2011 ETH Zürich (Hrsg.): Neue Monte Rosa Hütte. Ein autarkes Bauwerk im hochalpinen Raum. Zürich 2010 Ein spezielles Gleichstromnetz in Gebäuden ist bei den meisten Anwendungen nicht sinnvoll. Wechselrichter besitzen heute sehr hohe Wirkungsgrade. Viele energieeffiziente Geräte gibt es nicht in Gleichstromausführung. Gleichstromverbraucher besitzen darüber hinaus diverse Spannungsniveaus, was eine Vielzahl von DC/DC-Wandlern bedingen würde. Voss, Karsten u. a.: The self-sufficient solar house in Freiburg. Results of 3 years of operation. In: Solar Energy 58, 1996, S. 17– 23 SELF. Das unabhängige Haus. http:// www.empa.ch/self. Stand: 19.04.2011 Goetzberger, Adolf u. a.: Mobile Blockheizkraftwerke. In: Erneuerbare Energie. 04/1996, S. 11–15 NVE Energiestatus 2010: http://www. nve.no/no/Energi1/Energistatus. Stand: 21.02.2011 Norwegian University of Science and Technology NTU: The Research Centre on Zero Emission Building. http://www. sintef.no/Projectweb/ZEB/About-ZEB. Stand: 21.02.2011 Solar Impulse: Around the World in a solar air plane. http://www.solarimpulse. com. Stand: 21.02.2011
27
28
METHODISCHE GRUNDLAGEN DER BILANZIERUNG
So einfach das Vorgehen der Energiebilanzierung nach den vorangegangenen Ausführungen am Beispiel eines »Nur-Strom-Gebäudes« erscheint, so komplex wird es im Detail. Dies gilt vor allem bei Gebäuden, die mehrere Energieträger nutzen. Die grundlegende planerische Strategie auf der Ebene des einzelnen Gebäudes ist aber immer ein zweistufiges Konzept aus: • Energieaufwand reduzieren • Einspeisung von Energie in Netze optimieren DIE INPUT-/OUTPUT-BILANZ Die rechnerische Bilanzierung von Energiebezug und Einspeisung von Energie in eine Netzinfrastruktur geschieht an der Versorgungsschnittstelle eines Gebäudes (siehe Abb. A 1.33, S. 26). Zur eindeutigen Berechnung der Bilanz sind mindestens die folgenden drei Festlegungen erforderlich (Abb. A 2.02): • ein oder mehrere geeignete Indikatoren • die Bilanzgrenze • der Bilanzierungszeitraum Abb. A 2.02 zeigt das Prinzip einer Input-/OutputBilanzierung. Daraus folgt nach Auswahl eines geeigneten Indikators, der Bilanzgrenze und des Bilanzzeitraums die konkrete Bilanzierung [1, 2]. Beispielhaft zeigt hier das rechte Diagramm nach solchen Festlegungen die Darstellung auf der Basis des Indikators »Primärenergie« (nicht erneuerbarer Anteil – PEI n.e.), der Bilanzgrenze »Heizung, Lüf-
A 2.01 A 2.02
tung, Klimatisierung (HLK), Warmwasser (WW), Beleuchtung und Geräte« über den Zeitraum eines Jahres. Die Diagonale im Diagramm beschreibt in diesem Kontext ein Netto-Nullenergiegebäude: Der Primärenergieaufwand wird durch die Primärenergiegutschrift aus der Netzeinspeisung in der Jahresbilanz ausgeglichen. Oberhalb der Diagonalen liegt das Feld der Netto-Plusenergiegebäude. Die Darstellung zeigt deutlich, dass der Weg zum Nullenergiegebäude ohne vorherige Bedarfsreduktion sehr hoher Gutschriften bedarf. Erst durch die konsequente Energieeinsparung werden baulich realistische Größen für Solaranlagen oder Systeme zur Kraft-Wärme-Kopplung erreicht. Vergleicht man die in den verschiedenen Projekten dieses Buchs planerisch angewendeten Bilanzierungen, variieren die jeweils praktizierten Ansätze und führen damit zu mehr oder weniger unterschiedlichen Ergebnissen. Sie nutzen als Hintergrund meist die jeweils national eingeführten Rechenverfahren zur Energiebedarfsermittlung bei Gebäuden und setzen die Bilanzierung zum Nullenergiegebäude mit unterschiedlichen Bilanzgrenzen darauf auf. Die bei den Projektkapiteln eingefügten Infotabellen und Diagramme stellen solche Ansätze in einen vergleichbaren Zusammenhang. SOLARE KONZEPTE UND IHRE ERWEITERUNG BEI ENERGIEINTENSIVEN GEBÄUDEN Bei allen Nullenergiekonzepten beschreibt der Primärenergiebe-
A 2.01 Windturbinen auf dem Dach eines fünfgeschossigen Wohngebäudes in Chicago/Illinois (USA) 2007, Murphy/Jahn A 2.02 Grundprinzip Input/Output, notwendige Festlegungen und beispielhafte Bilanzierung
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
große Chancen. Anders als bei Solaranlagen ist ihre Stromerzeugung regelungstechnisch beeinflussbar. Dies ist in einem Markt mit einem hohen Anteil nicht beeinflussbarer Stromerzeugung aus Wind und Sonne besonders wertvoll. VIELE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN NULLENERGIEGEBÄUDEN LIEGEN IM DETAIL Trotz ausgeglichener Jahresbilanz und Übereinstimmung in allen drei aufgezählten Bilanzkriterien treten große energetische Unterschiede zwischen Nullenergiegebäuden auf. Diese beziehen sich vornehmlich auf: • die zeitliche Übereinstimmung von Energiebereitstellung und -nachfrage (Grad der Eigenbedarfsdeckung) • die zeitliche Übereinstimmung der Netzeinspeisung mit den Bedürfnissen der Netze (zeitlich variabler Wert des eingespeisten Stroms) • die Übereinstimmung der bezogenen und eingespeisten Energieträger (z. B. Einspeisung von sommerlichem Stromüberschuss versus winterlichem Bezug von Erdgas) Mit der geplanten Einführung von »intelligenten Stromnetzen« (smart grids) mit ihren tages- und jahreszeitlich variablen Stromtarifen wird der netzseitige Wert des eingespeisten bzw. werden die Kosten des bezogenen Stroms zeitvariabel und damit die Unterschiede für Gebäudebetreiber monetär in höherem Maße spürbar als bisher.
−
Input
METHODISCHE GRUNDLAGEN DER BILANZIERUNG
len
er g
ie
Gutschrift höher als Energiebezug
ul
=
BEISPIEL
tto -N
+
INDIKATOR • Endenergie • Primärenergie, nicht erneuerbar • Primärenergie, gesamt • äquivalente CO2-Emissionen • Energiekosten BILANZGRENZE • HLK, WW und Beleuchtung • Geräte, Arbeitshilfen und zentrale Dienste • Elektromobilität • Baustoffe und Materialien • externe Investitionen BILANZZEITRAUM • Betriebsjahr • Gesamtnutzungsdauer • Lebenszyklus
Energiegutschift für Netzeinspeisung
FESTLEGUNGEN
Output
GRUNDPRINZIP
Aussichtsreich ist dagegen die gebäudeintegrierte Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Eine KWK-Anlage besteht heutzutage meist aus einem mit Gas oder Diesel betriebenen Verbrennungsmotor, der mit einem Generator zur Stromerzeugung über eine Welle direkt gekoppelt ist (Abb. A 2.03 und A 2.04, S. 30). Die bei der Stromerzeugung freigesetzte Motorabwärme dient als Heizwärme im Gebäude [4]. Der Strom wird wie bei Solarstromanlagen anteilig im Gebäude verwendet oder ins Netz eingespeist. In Summe werden damit über 90 % der mit dem Brennstoff eingesetzten Primärenergie ausgenutzt. Voraussetzung für den Betrieb ist allerdings, dass die Wärme im Gebäude auch zeitnah gebraucht wird. Ohne Wärmenutzung lässt sich eine KWK-Anlage nicht energetisch sinnvoll betreiben. Zur Verlängerung der Laufzeiten werden dann meist größere Wärmespeicher eingesetzt. Die technologischen Entwicklungen zielen darauf, eine möglichst hohe Stromausbeute zu erzielen (z. B. mit Brennstoffzellen oder Mikroturbinen) und erneuerbare Energie als Brennstoff auch bei kleinen Leistungseinheiten einzuführen (z. B. Stirlingmotor mit externer Verbrennung). Mit der Einkopplung von zeitlich aufgelösten Informationen für den zu erwartenden Strom- und Wärmebedarf des Gebäudes sowie der Strombezugs- und Einspeisetarife lässt sich die Betriebsweise energetisch und ökonomisch optimieren [5]. Durch solche Fortschritte hat die KWK auch bei zukünftigen Stromnetzen mit einem deutlich höheren Anteil erneuerbarer Energie
Ne
darf unmittelbar die Höhe der erforderlichen Gutschriften aus der Netzeinspeisung. Ausgehend von den heute dominierenden Konzepten mit solarer Stromerzeugung am Gebäude definieren die Größe und Ausrichtung der zur Verfügung stehenden Hüllflächen unmittelbar den am Standort maximal zulässigen Energiebedarf eines Gebäudes, damit die Bilanz gerade noch ausgeglichen werden kann. Mit zunehmender Anzahl von Geschossen ist der Bilanzausgleich mit Solartechnologie allein aber nicht erreichbar, da der Energiebedarf des Gebäudes stärker zunimmt als die für Solarenergienutzung geeignete Hüllfläche. Das sonst meist vorteilhafte Oberflächen/Volumen-Verhältnis hoher und kompakter Gebäude gegenüber kleinen Bauten erweist sich als Nachteil. Die leistungsfähige Windkraftnutzung unmittelbar am Gebäude ist wegen der notwendigen Windgeschwindigkeiten (mindestens 4 m/s im Jahresmittel) und der unvermeidlichen Geräuschemissionen der Windräder auf wenige Sonderfälle beschränkt und damit in der Regel keine Alternative. Ein Beispiel hierzu ist ein fünfgeschossiges Wohnhaus in Chicago, Illinois (Abb. A 2.01) [3]. Auf dessen Dach befinden sich acht Windturbinen mit horizontalen Achsen. Sie leisten in Summe 12 kWp, was einer Solarstromanlage von rund 100 m2 entspricht. In Verbindung mit der Energieeffizienz des Gebäudes reicht dies allerdings bei Weitem nicht zum Erreichen des Nullenergiestandards (siehe Pixel Building, S. 134ff.).
Gutschrift geringer als Energiebezug
Einspeisegutschrift Energieeinsparung
Energiebezug
29
Information: Lastprognose, Stromtarife
Regelung Brennstoff 100 %
Hausnetz Motor
Generator
Strom 30% Einspeisung Wärmeverluste (10%)
Wärme
Pufferspeicher
A 2.03 A 2.04 A 2.05 a A 2.05 b A 2.05 c
Nutzwärme 60%
Heizung, Warmwasser, Klimakälte
Jan
Dez
Jan
Dieser Effekt ist umso größer, je höher die zeitliche Variation der Strompreise ausfällt. Die Preise werden zu einem Steuerungsinstrument. Nullenergiekonzepte, die im Wesentlichen die Speicherkapazität und Leistungsvorhaltung der Netze nutzen, werden im Betrieb teurer als solche, die Strombezug und -einspeisung an den Eigenbedarf und die Tarifsituation anpassen. Die Tendenz zu »Nur-Strom-Gebäuden« im Wohnungs- und Nichtwohnungsbau vermeidet zwar den winterlichen Bezug von beispielsweise Erdgas, steigert aber durch den Stromverbrauch der erforderlichen Wärmepumpen das saisonale Ungleichgewicht zwischen Strombezug und solarem Stromeinspeisepotenzial. Der winterliche Stromverbrauch und damit die Netzinanspruchnahme steigen, während die Quote der Eigenbedarfsdeckung sinkt. KWK-basierte Lösungen führen meist zu einer Unterdeckung der sommerlichen Eigenstromversorgung, da Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen in der Regel wärmegeführt betrieben werden. Da im Sommer nicht geheizt, sondern nur Wärme für Warmwasser erzeugt werden muss, sind die Laufzeiten der Anlagen dann gering. Somit wird auch kaum Strom erzeugt (Abb. A 2.05 a). Das ändert sich erst bei der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, da dann auch im Sommer ein Wärmebedarf vorhanden ist. Solche Anlagen sind komplex und daher eher großen Liegenschaften vorbehalten wie Institutsbauten oder Krankenhäusern [6].
Dez
Strombedarf ohne Wärmepumpe Erzeugung KWK- und Solarstrom
Strombedarf/-erzeugung, qualitativ
Strombedarf mit Wärmepumpe Erzeugung Solarstrom
Strombedarf/-erzeugung, qualitativ
A 2.03 Schematischer Aufbau einer verbrennungsmotorischen KWK-Anlage und typische Aufteilung der eingesetzten Energie auf die Strom- und Wärmeerzeugung. 90 % des Energieinhalts des Brennstoffs werden genutzt. A 2.04 typische KWK-Anlage A 2.05 qualitativer Verlauf der Stromerzeugung von einer Solarstromanlage und einer KWK-Anlage verglichen mit dem Strombedarf eines Wohngebäudes im heizungsdominierten Klima Mitteleuropas: a ohne Wärmepumpe/PV aber mit KWK b mit Wärmepumpe und PV c ohne Wärmepumpe aber mit KWK und PV
Strombedarf/-erzeugung, qualitativ
30
Strombedarf ohne Wärmepumpe Erzeugung KWK-Strom
Jan
Dez
DIE INDIKATOREN EINER BILANZIERUNG Da die überwiegende Zahl der Gebäude heute nicht nur Strom als Energieträger nutzt, ist eine Bilanzierung auf der Ebene der Endenergie nur selten angemessen (Abb. A 2.06 und A 2.08). PRIMÄRENERGIE Die meisten Länder verfolgen daher Verfahren mit Primärenergie als Indikator für die Energieeffizienz. Dabei werden die am Gebäude eingesetzten Energieträger (Endenergie) mit Hilfe von Primärenergiefaktoren umgerechnet und aufsummiert. Auf dem Stromzähler oder der Energierechnung wird die Primärenergie aber nicht ausgewiesen. Das gilt in gleicher Weise für die mit dem Energieverbrauch verbundenen Klimagasemissionen. Beides sind Rechenwerte. Im Fokus der primärenergetischen Bewertung steht meist der nicht erneuerbare Anteil der eingesetzten Primärenergie. Daraus resultieren die sehr niedrigen Primärenergiefaktoren für Biomasse als Brennstoff. Während die Vorgehensweise bei der Solarenergienutzung am Gebäude angemessen erscheint (Primärenergiefaktor 0), wird die begrenzte Verfügbarkeit von Biomasse aus einer nachhaltigen Bewirtschaftung bereits mittelfristig zum Problem [7]. Holz aus einer nachhaltigen Forstwirtschaft besitzt in Europa noch sehr große Potenziale. Dagegen sind der Nutzung von Rapsöl oder Biogas bereits heute enge Grenzen gesetzt. Die Schweiz kennt neben den berechneten, nationalen Primärenergiefaktoren politisch HINTERGRUNDINFORMATIONEN
[kWhp /kWhe ]
3,0
900
2,5
750
2,0
600
1,5
450
1,0
300
0,5
150 0
0 Erdgas Erdgas
Heizöl
Pellets
Hackgut
Heizöl
Stückholz 70% KWK
Holz
EN 15 603 2008 PEI, n.e. PEI, gesamt CO2 Äquiv.
kWhP /kWhe kWhP /kWhe g/kWhe
3,14 1 3,31 1 617,00 1
PEI, n.e. PEI, gesamt CO2 Äquiv.
kWhP /kWhe kWhP /kWhe g/kWhe
1,36 1,36 277,00
PEI, n.e. PEI, gesamt CO2 Äquiv.
kWhP /kWhe kWhP /kWhe g/kWhe
1,35 1,35 330,00
PEI, n.e. PEI, gesamt CO2 Äquiv.
kWhP /kWhe kWhP /kWhe g/kWhe
0,09 1,09 14,00
Holzpellets PEI, n.e. PEI, gesamt CO2 Äquiv.
kWhP /kWhe kWhP /kWhe g/kWhe
Fernwärme PEI, n.e. 70 % KWK PEI, gesamt CO2 Äquiv. (fossil)
kWhP /kWhe kWhP /kWhe g/kWhe
Erdgas
Heizöl
Stückholz
35 % KWK
0% KWK
PHPP 2007 2,70
Deutschland GEMIS DIN V Version 18 599/1 4.5 2007 2,61 2,96 633,00
2,53 2,97 154,00
2,00
1,10 1,10
1,12 1,12 244,00
1,10 1,15 241,00
1,00
1,12 1,12 268,00
1,10 1,10
1,11 1,11 302,00
1,15 1,24 295,00
1,00
1,11 1,13 302,00
0,20 1,20
0,01 1,01 6,00
0,05 1,06 11,00
0,70
0,01 1,01 6,00
0,20 1,20
0,14 1,16 41,00
0,30 1,22 36,00
0,70
0,14 1,16 41,00
0,70 0,70
0,76 0,77 219,00
0,60
0,76 0,77 219,00
2,60 3 3,00
310,00 0,2 2 50,00 2
0,80 240,00
0,81 4 0,80 4 162 4
1
Strom gemäß UCTE Mix 1996, Werte für 2009: 432 g/kWhe 2 Holz, allgemein 3 angepasst in EnEV 2009 4 aus Müllverbrennung 5 laut Angabe Umweltbundesamt Österreich 6 Stromaufbringung berücksichtigt 50 % Wasserkraft (weil Importe berücksichtigt werden), Strompark hat 60 % Hinweis: In Österreich ist der Nachweis für die klima:aktiv Gebäudedeklaration mittels der Faktoren des PHPP 2007 und der EN 15 603 zu führen.
METHODISCHE GRUNDLAGEN DER BILANZIERUNG
31 A 2.06 berechnete Primärenergie- (nicht erneuerbarer Anteil und gesamter kumulierter Energieaufwand in kWh Primärenergie je kWh Endenergie) und Emissionsfaktoren (CO2-Äquivalente) nach GEMIS 4.5. im Kontext der aktuellen Stromnetzstruktur in Deutschland [8] A 2.07 Zusammenstellung der in Deutschland, Österreich und der Schweiz üblichen Primärenergie- und Emissionsfaktoren für verschiedene Energieträger. Die Unterschiede begründen sich einerseits durch die nationale Stromnetzstruktur, aber auch durch Berechnungsarten und Zeitstempel. A 2.08 Primärenergie- und Emissionsfaktoren
Österreich GEMIS 5 Version 4.5
EnDK 2009
250,00 1,10
Schweiz SIA 2031 2009
680,00 1,10
Mix D Strom
Fernwärme
Europa
Stromnetz
[g/kWhe ]
Primärenergie, nicht erneuerbar Primärenergie, gesamt
CO2-Emissionen
1,30 6 1,91 389,00
INFOBOX PRIMÄRENERGIE- UND EMISSIONSFAKTOREN Als Primärenergie wird der in den natürlich vorkommenden Energieträgern wie Erdgas, Öl, Holz etc. enthaltene Energieinhalt bezeichnet. Die Energie, die wir in Gebäuden nutzen, bezeichnen wir als Endenergie. Der dimensionslose Primärenergiefaktor drückt aus, wie viel nicht erneuerbare Primärenergie typischerweise aufgewendet wird, um eine Einheit Endenergie am Gebäude bereitzustellen. Je niedriger der Primärenergiefaktor, desto niedriger ist die Ressourceninanspruchnahme eines Energieträgers. Dass dies nicht mit einem gleich großen ökonomischen Vorteil verbunden sein muss, zeigt das Beispiel Holz: Gemäß Abb. A 2.07 werden Holzpellets gegenüber Erdgas mit einem sehr niedrigen Primärenergiefaktor bewertet. Dieser Faktor beträgt nur knapp 20 % desjenigen von Erdgas. Der Preis liegt in der Regel aber bei 60 % des Gaspreises. Fazit: Die Höhe des Primärenergiekennwertes eines Gebäudes spiegelt nicht in gleicher Weise die Höhe der zu erwartenden Energieverbrauchskosten wider. Die Klimagasemissionen aus dem Energieeinsatz werden meist durch das sogenannte Treibhausgaspotenzial gekennzeichnet. Dabei werden neben den CO2-Emissionen sämtliche weiteren Emissionen in eine solche CO2-Menge umgerechnet, die eine identische Treibhauswirkung hervorruft. Der Emissionsfaktor mit der Einheit g/kWh bzw. kg/MWh drückt aus, wie viel äquivalente CO2-Emissionen entstehen, wenn eine Einheit Endenergie am Gebäude eingesetzt wird. Hohe Emissionsfaktoren besitzt vor allem Strom, sofern er nicht aus einem Netz mit erneuerbarer Energie stammt.
A 2.06 A 2.07 A 2.08
A 2.09 Primärenergie [kWh/m2a]
32
nutzungsspezifischer Stromverbrauch
Verbrauch TGA
600 Institut
Produktion
Verwaltung
500 400 300 200 100 0 A
B
C
D
E
F
G
H
festgelegte Gewichtungsfaktoren als strategisches Instrument der Einflussnahme (nationale Energiegewichtungsfaktoren) [9]. Darin werden beispielsweise Holzpellets als Energieträger im Rahmen der Energieausweise mit dem Faktor 0,7 bewertet, obwohl der Primärenergiefaktor rechnerisch bei 0,3 liegt [10]. KLIMAGASE Der Übergang zur CO2-basierten Bewertung von Gebäuden im Sinne eines »Nullemissionsgebäudes« macht den Klimawandel gegenüber der Ressourcenknappheit zum bestimmenden Thema. Große Unterschiede zwischen einer primärenergetischen und emissionsbasierten Bewertung treten nur in Ländern mit überwiegender Stromerzeugung aus Atomkraftwerken auf, wie beispielsweise in Frankreich. Die Entkopplung von Treibhausgasen und Energieverbrauch gelingt anderenfalls erst bei vollständiger Umstellung auf eine 100-prozentig auf erneuerbare Energie gestützte Energieversorgung. Davon sind die meisten Länder weit entfernt. Der Begriff »Nullemissionsgebäude« ist bei Gebäuden mit Heizkesseln und sichtbaren Emissionen am Schornstein nicht ohne Weiteres plausibel zu machen, auch wenn es sich um eine Biomassefeuerung wie z. B. einen Pelletofen handelt und ihre Emissionen durch Gutschriften bilanziell ausgeglichen werden. Durch Emissionen können jenseits von Klimagasen gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten. In diesem Sinne ist die Bezeichnung »klimaneutral« treffender als »Nullemission«.
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
R
ENERGIEKOSTEN Nur in wenigen Fällen werden die Energiekosten und damit das »Nullenergiekostenhaus« thematisiert [11]. Die zeitliche Änderung der Preise und die politische Einflussnahme auf die Kosten durch Steuersätze und Förderung bestimmen das Bilanzergebnis in einem hohen Maße. Beispielsweise können bei einem Gebäude trotz unausgeglichener Primärenergiebilanz keinerlei Energiekosten oder finanzielle Überschüsse auftreten, wenn sehr hohe Einspeisevergütungen gezahlt werden. Im umgekehrten Fall können Nullenergiegebäude bei niedrigen Einspeisevergütungen auch spürbare Energiekosten aufweisen. UNTERSCHIEDLICHE PRIMÄRENERGIEFAKTOREN Ausgehend vom etablierten Indikator »Primärenergie« stellt sich die Frage, welche Faktoren konkret anzuwenden sind, um Energiebezug und Netzeinspeisung bei einem konkreten Gebäude zu bewerten. Große Unterschiede gibt es vor allem bei den Angaben für das Stromnetz, während die Angaben für die übrigen Energieträger naturgemäß in geringerem Maße abweichen (Ausnahme Schweiz: nationale Energiegewichtungsfaktoren). Im europäischen Kontext werden oft die gemittelten Faktoren für die Länder des europäischen Verbundstromnetzes favorisiert, wenn Gebäude an Standorten in unterschiedlichen Ländern verglichen werden (UCTE Mix, EN 15 603). Sie weichen von den Primärenergie- und Emissionsfaktoren der nationalen Netze je nach Land
A 2.09 Gemessene Primärenergiekennwerte von ausgewählten Gebäuden aus dem Förderprogramm EnOB des BMWi: Dargestellt sind flächenbezogene Werte (NGF) ohne Klimabereinigung, aufgeteilt in den normativ erfassten Verbrauchssektor der technischen Gebäudeausrüstung für Heizung, Warmwasser, Lüftung, Kühlung und Beleuchtung (TGA) und den »nutzungsspezifischen Stromverbrauch«. A 2.10 Größenordnung von nutzungsspezifischen Stromverbräuchen (Endenergie). Die auf die Energiebezugsfläche bezogenen Angaben nach SIA 2031 [12] wurden mit Flächenfaktoren [13] auf die Nettogrundfläche umgerechnet. A 2.11 Siegerentwurf des Wettbewerbs »Plusenergiehaus mit Elektromobilität« des BMVBS 2010, ILEK, Universität Stuttgart
mehr oder weniger deutlich ab und führen damit zu einem anderen Bilanzergebnis (Abb. A 2.07, S. 31). Insgesamt ist die Situation zurzeit noch sehr unübersichtlich und führt bei der Gebäudebewertung oft zu fehlerhaften Interpretationen, da die Datengrundlagen nicht ausreichend offengelegt werden. Möglich sind auch Konzepte mit unterschiedlichen Faktoren für die bezogene und die eingespeiste Energie. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der »smart grids« könnten die zeitvariablen Tarife auch zeitvariable Primärenergie- und Emissionsfaktoren zu Folge haben. In einigen amerikanischen Netzen kommen diese bereits zur Anwendung. Wegen der Vielfalt der Möglichkeiten sollten die für eine Bilanzierung von Nullenergiehäusern benutzen Primärenergiefaktoren immer ausgewiesen werden. DIE BILANZGRENZEN Die meisten normativen Energiebilanzverfahren beinhalten ausschließlich den gebäudetechnischen Energiebedarf und manchmal auch nur Teile davon. Erfasst werden meist die Anlagen zur Heizung und Wassererwärmung mit ihrer Hilfsenergie für Pumpen und Ventilatoren und als Resultat der EU-Gebäuderichtlinie »Energy Performance in Buildings Directive« von 2002 bei Nichtwohngebäuden darüber hinaus die Lüftung, Kühlung und Beleuchtung [14]. Nicht aufgeführt werden fast immer die nutzungsspezifischen Verbräuche von Geräten (Haushaltsgeräte, EDV, Produktionsmaschinen etc.) und zentralen EinrichHINTERGRUNDINFORMATIONEN
EBF Bezug kWh/m2EBF Wohnen MFH Wohnen EFH Verwaltung Schulen Verkauf Restaurants Versammlungslokale Krankenhäuser Industrie* Lager Sportbauten Hallenbäder * Schätzwert
18,6 13,1 11,7 4,7 6,1 27,8 5,0 21,1 27,8 0,0 1,1 4,4
A 2.10 A 2.11
NGF Bezug FlächenkWh/m2NGF faktor EBF/NGF 23,3 16,3 13,7 5,3 6,8 30,9 5,6 24,5 31,2 0,0 1,2 5,1
1,25* 1,25* 1,18 1,12 1,11* 1,11* 1,11* 1,16 1,12** 1,12 1,10 1,14
33
** stark abhängig von der Art der Produktion
tungen (Serverräume, Kühlhäuser, Rolltreppen, Aufzüge etc.). Oftmals werden auf der Erzeugungsseite die Solarstromanlagen nicht normativ berücksichtigt, da sie als Teil des Stromnetzes aufgefasst werden. NUTZUNGSSPEZIFISCHE ENERGIEVERBRÄUCHE Die Praxisbeispiele in Abb. A 2.09 zeigen, dass bei energieeffizienten Nichtwohngebäuden im Mittel 60 % des gesamten Primärenergieverbrauchs durch die nicht normativ erfassten Verbräuche verursacht werden. Eine typische Größenordnung der nutzungsspezifischen Stromverbräuche zeigt Abb. A 2.10 auf Basis der Angaben der SIA 2031 [15]. Werden diese Verbräuche nicht bilanziert, treten im Wesentlichen zwei Schwierigkeiten auf: · Der berechnete Bedarf lässt sich nicht einfach dem gemessenen Verbrauch eines Gebäudes gegenüberstellen. Stromverbrauchszähler erfassen den Strom nicht differenziert nach Verbrauchssektoren, sondern nach Stromkreisen oder Mieteinheiten. Somit ist eine normative Bilanz nicht ohne Weiteres messtechnisch verifizierbar. Je erfolgreicher die Energiebedarfsminderung im Sinne des Bilanzraums der Norm ausfällt, desto größer wird der Einfluss der nutzungsspezifischen Verbraucher. Dieser Effekt gilt nicht nur für die Energie, sondern auch für die Leistung und deren Spitzen als wichtigen Indikator für die Netzbelastung. · Sofern der Grad der elektrischen Eigenbedarfsdeckung bewertet werden soll, werden bei einer BeMETHODISCHE GRUNDLAGEN DER BILANZIERUNG
schränkung auf den normativen Bilanzraum zu hohe Deckungsraten ermittelt, da wesentliche Verbraucher gar nicht erfasst, jedoch aus dem Gebäudenetz gespeist werden. Bei einer vollständigen Bilanz wären die Überschüsse aus der Eigenstromerzeugung kleiner, da Bedarf bzw. Verbrauch höher ausfallen (siehe Der Grad der Eigenbedarfsdeckung als Unterscheidungsmerkmal, S. 37). Beide Aspekte sprechen dafür, den Bilanzraum für Nullenergiegebäude speziell bei den Stromanwendungen auf sämtliche Verbrauchssektoren auszudehnen. Die SIA-Normen in der Schweiz oder das Passivhaus-Projektierungspaket haben diesen Schritt vollzogen und arbeiten planerisch mit Standardwerten (SIA) [16] oder projektspezifischen Planungsdaten (PHPP) [17]. ELEKTROMOBILITÄT Erste Projekte beziehen bereits die Elektromobilität als Bestandteil der Gebäudeenergiebilanzierung ein. Beispielhaft dafür steht der Siegerentwurf des Wettbewerbs »Plusenergiehaus mit Elektromobilität« [18]. Das Gebäude entsteht 2011 als Showcase und temporärer Bau in Berlin (Abb. A 2.11). Das Energiekonzept integriert Pufferbatterien im Gebäude und den Elektrofahrzeugen. Eine wärmetechnische Kopplung ist hier nicht vorgesehen (siehe Exkurs: Mobiles Blockheizkraftwerk, S. 24). Elektrofahrzeuge werden ähnlich wie Haushaltsgeräte als Verbraucher angerechnet, da sie aus dem gleichen Netz gespeist werden, wenn
sie am Haus betankt werden. Ihr Stromverbrauch wird dann im Rahmen der üblichen Gebäudestromzähler erfasst. Tanken an »Stromtankstellen« bleibt hingegen unberücksichtigt. Ihre Batteriespeicher können in das Energiemanagement eingebunden werden, womit überschüssiger Strom aus der gebäudeeigenen Produktion in Zeiten niedriger Einspeisevergütungen wirtschaftlich nutzbar gemacht wird. EXTERNE ENERGIEERZEUGUNGSANLAGEN Die Ausdehnung des Bilanzraums auf Anlagen außerhalb der eigentlichen Baumaßnahme (Einkauf von grünem Strom, Anteile an Windparks etc.) erscheint dagegen im Sinne einer energetischen Gebäudebewertung nicht sinnvoll, da derartige Anlagen Teil des Netzes sind und nicht prioritär den Eigenbedarf des bilanzierten Gebäudes decken. Sie speisen außerhalb des Gebäudenetzes ein und werden über dessen Zähler nicht erfasst (siehe Abb. A 1.33, S. 26). Dabei nehmen sie die Transport- und Speicherkapazität der Netze in Anspruch und mindern den Primärenergiefaktor sowie die zugehörigen Emissionen. Diese Effekte werden in der Gebäudeenergiebilanz bereits durch die entsprechenden Bewertungsfaktoren für Primärenergie und Emissionen auf der Aufwandseite berücksichtigt. In gleicher Weise erscheint die Anrechnung von Solarstromanlagen auf Gebäude problematisch, wenn sie nicht überwiegend die Eigenbedarfsdeckung, sondern prioritär die Netzeinspeisung zum Ziel haben. Das sind z. B.
Anlagen im Besitz von Energieversorgungsunternehmen oder Betreibergemeinschaften auf gemieteten Gebäudedächern (siehe Sanierung Blaue Heimat, S. 78ff.). Mit den Piktogrammen zu Beginn des Kapitels »Projekte und Erfahrungen« (S. 49) dieses Buchs wird darauf hingewiesen, welche Verbraucher und Erzeuger jeweils bei der individuellen Bilanzierung Berücksichtigung finden.
34
DER BILANZIERUNGSZEITRAUM Nullenergiegebäude werden in den meisten Fällen über eine ausgeglichene Jahresenergiebilanz definiert.
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Anteil erneuerbarer Energie Primärenergiefaktor
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0 2000 2005
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2020
2030
2040 2050
[g/kWh]
[%]
Anteil erneuerbarer Energie äquiv. CO2-Emissionen
DAS NETZ DER ZUKUNFT Werden Nullenergiegebäude im Rahmen von Zukunftsszenarien thematisiert, spielt die zeitliche Änderung der Primärenergiefaktoren der Netze eine Rolle. Der wachsende Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie lässt den Primärenergie- und Emissionsfaktor der Netze sinken und damit auch die Gutschriften für den eingespeisten Strom oder die eingespeiste Wärme (Abb. A 2.12). Während dieser Effekt bei den Nur-Strom-Gebäuden keine Bilanzänderung bewirkt, verschlechtert sich die Bilanz in Fällen, bei denen die Gutschriften aus einer Stromeinspeisung den Bezug eines anderen Energieträgers ausgleichen, beispielsweise die Holzpellets für einen Heizkessel oder das Erdgas für die KWK. Bei einem solchen Gebäude wäre in Zukunft mehr Energieeffizienz gefordert, damit die sinkenden Gutschriften bei gleicher Einspeisemenge wieder für den Bilanzausgleich genügen. Solche Effekte können im Rahmen einer Annahme für das »Netz der Zukunft« vorausschauend in die Planung eines Nullenergiegebäudes einbezogen werden. DER EINFLUSS DER GRAUEN ENERGIE BEI DER LEBENSZYKLUSBILANZ Die Energie für die Gebäudeerstellung, Instandhaltung und Entsorgung, die sogenannte graue Energie, wird meistens noch nicht als Teil einer Energiebilanz betrachtet [19]. Ihr Anteil über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie steigt aber mit sinkendem Betriebsenergieaufwand und der dafür in den meisten Fällen wachsenden Herstellungsenergie [20, 21]. Zusammen mit den im Laufe der Nutzung eines Gebäudes erforderlichen
Ersatz- und Erneuerungsmaßnahmen beträgt die graue Energie bei energieeffizienten Gebäuden typischerweise etwa 20 – 40 % des gesamten Primärenergieaufwands über eine Nutzungsdauer von angenommenen 60 Jahren; umgerechnet auf ein Jahr und flächenbezogen sind dies 20 bis 50 kWh/m2a. Dabei beträgt der Aufwand für die Instandhaltung etwa so viel wie für die Erstellung, da mit Ausnahme des Rohbaus nahezu alle Bauteile einmal oder mehrmals erneuert werden. Die Werte für die graue Energie variieren abhängig von der Baukonstruktion (Holzoder Massivbau) und den Ausstattungsmerkmalen (z. B. mit oder ohne Tiefgarage) erheblich. Variantenrechnungen weisen darauf hin, dass diese Unterschiede größer ausfallen als der durch eine Bauweise als Nullenergiegebäude verursachte Mehraufwand an Primärenergie. Ein solcher Mehraufwand resultiert z. B. aus den erhöhten Dämmstärken oder aus einer zusätzlichen Solarstromanlage. Damit der Nullenergiestandard im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz über den gesamten Nutzungszyklus erreicht wird, müssen die jährlichen Überschüsse der Betriebsenergiebilanz und der Energieaufwand für Herstellung und Instandhaltung ausgeglichen sein. Das bedeutet, dass, bezogen auf die jährliche Betriebsenergiebilanz, ein Plusenergiestandard erreicht werden muss. Dazu sind beispielsweise die im Kapitel »Solar Decathlon Europe« (S. 168ff.) beschriebenen Experimentalhäuser zum Solar Decathlon in Madrid in der Lage, da sie relativ große Anlagen zur Energieerzeugung bei gleichzeitig geringem Energiebedarf aufweisen. Abb. A 2.13 zeigt eine Analyse für das im Rahmen des Solar Decathlon entwickelte Haus der Universität Wuppertal [22]. Nach etwa zwölf Jahren Nutzungs- und Betriebszeit amortisiert sich der anfängliche Aufwand und die jährlichen Überschüsse werden deutlich die Instandhaltungsaufwendungen übersteigen. Für einen Standort in Deutschland wäre die Bilanz langfristig nicht ganz ausgeglichen und somit ein Nullenergiehaus im Kontext des gesamten Lebenszyklus noch nicht erreicht. Die kleinen, energieeffizienten Gebäude profitieren von ihrer vergleichsweise großen Solarstromanlage (210 –250 Wp/m2NGF). Solche Dimensionierungen sind allerdings bei üblichen Gebäuden selten (siehe Abb.B 1.07, S. 53). HINTERGRUNDINFORMATIONEN
METHODISCHE GRUNDLAGEN DER BILANZIERUNG
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Primärenergie nicht erneuerbar [MWh]
Netzeinspeisung
Gesamtenergiebilanz Betriebsenergie
Herstellungsenergie Instandsetzung
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2020
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2030
Betrieb graue Energie [kWh/m2a]
Für drei weitere in diesem Buch behandelte Gebäude in der Schweiz (siehe Einfamilienhaus in Riehen, S. 56ff.; Firmenhauptsitz in Kemptthal, S. 120ff,; Forum Chriesbach, S. 17) zeigt Abb. A 2.14 eine Darstellung, bei der alle Aufwendungen für einen Zeitraum von 60 Jahren hochgerechnet und anschließend auf Jahresscheiben annualisiert werden. Bei dem Firmenhauptsitz in Kemptthal gleichen die Gutschriften gerade die Betriebsenergie aus, nicht jedoch die graue Energie. Die Solarstromeinspeisung des Forums Chriesbach ist auch zum Ausgleich der Betriebsenergie zu gering. Das Gebäude ist nicht als Nullenergiehaus geplant. Es besitzt vor allem geringe Verbrauchswerte, sowohl für die Betriebsenergie als auch für die graue Energie. Das Einfamilienhaus in Riehen erzeugt einen Überschuss bezogen auf die Betriebsenergie, der mehr als die Hälfte der grauen Energie erwirtschaftet. Für den vollen Ausgleich reicht er jedoch nicht. Das liegt vor allem an den periodisch auftretenden Maßnahmen für Instandsetzung und Erneuerung. Durch ihre vergleichsweise hohe Herstellungsenergie ist die Größe der Solarstromanlagen auf den Gebäuden durchaus ein merklicher Faktor. Typische Werte für die Herstellungsenergie liegen heute in der Größenordnung von 6 bis 8 MWh Primärenergie pro kWp [23, 24]. Bei einem Jahresstromertrag um die 950 kWh/kWp an einem guten mitteleuropäischen Standort errechnet sich daraus bei Annahme eines Primärenergiefaktors von 2,6 für die Stromeinspeisung eine Energieamortisationszeit von 2,5 bis 3,5 Jahren. Südeuropäische Standorte sind in diesem Zusammenhang weniger kritisch als nördliche, da einer identischen Herstellungsenergie der Solarstromanlagen deutlich höhere Erträge gegenüberstehen. Kritisch sind Länder mit niedrigen Primärenergiefaktoren für den bei einer Einspeisung verdrängten Netzstrom und damit niedrigen Gutschriften. Einige Gebäudezertifikate wie das Schweizer MINERGIE-A- [25] oder das Deutsche DGNB-Label [26] schließen die graue Energie bereits in die Betrachtung ein. Aufgrund des hohen Aufwands für die Datenerhebung bleibt es jedoch oft bei einer Pauschalierung. Bei der Bestandssanierung verbessert der hohe energetische Gegenwert des Rohbaus als Gutschrift das Ergebnis einer Gesamtenergiebilanzierung gegenüber einem Neubau erheblich. Der
2050
2060
2070
2080
2090 Jahr
Gutschrift Bilanz
150 125 100 75 50 25 0 EFH in Riehen
Firmenhauptsitz in Kemptthal
Forum Chriesbach
A 2.12 bei Berücksichtigung eines Entwicklungsszenarios für das deutsche Stromnetz zeitliche Änderung a des Primärenergiefaktors b der Treibhausgasemissionen A 2.13 Energetische Lebenszyklusanalyse für das Haus der Universität Wuppertal zum Solar Decathlon 2010 in Madrid. Der gezackte Linienverlauf bei der Instandsetzung resultiert aus den typischen Erneuerungszyklen und beeinflusst den Verlauf der Gesamtenergiebilanz. A 2.14 Lebenszyklusanalyse für drei Gebäude aus dem Projektteil dieses Buchs über einen Zeitraum von 60 Jahren. Die Daten wurden für die Darstellung zur besseren Vergleichbarkeit annualisiert und auf die Nettofläche bezogen [27–29].
A 2.13 A 2.14
36
A 2.15 Gemessene Stromverbrauchs- und Erzeugungswerte für das Institutsgebäude Solar XXI in Lissabon (P) 2006, Pedro Cabrito e Isabel Diniz Aquitectos. Das Gebäude ist 1100 m2 groß und besitzt eine 12-kWp-Solarstromfassade und 6 kWP als Stellplatzüberdachung. a Ansicht b Monatswerte c kumulierte Werte, 100 % = Jahreslast A 2.16 Gemessene Stromverbrauchs- und Erzeugungswerte für das Adam Joseph Lewis Center for Environmental Studies at Oberlin College, Ohio (USA) 2001, William McDonough. Die Schule hat 1265 m2 Nettofläche und besitzt eine 160-kWp-Solarstromanlage auf dem Dach und einem Parkdeck. a Ansicht
b Monatswerte c kumulierte Werte, 100 % = Jahreserzeugung A 2.17 berechnete Stromverbrauchs- und Erzeugungsprofile für ein 1000 m2 großes Bürogebäude mit unterschiedlicher Heizungs- und Kühltechnik und einer Solarstromanlage, die in der Jahressumme jeweils den Strombedarf an einem mitteleuropäischen Standort vollständig deckt, Berechnung mit EnerCalc (siehe Rechenwerkzeug, S. 42) a Gasheizung, keine Kühlung, Solarstromanlage 25 kWp: Deckungsrate 79 % b Wärmepumpe, keine Kühlung, Solarstromanlage 49 kWp: Deckungsrate 60 % c Wärmepumpe, Kühlung, Solarstromanlage 56 kWp: Deckungsrate 69 % Erzeugung Last
A 2.15 a A 2.15 b A 2.15 c
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Erzeugung Last
Erzeugung Last 20
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HINTERGRUNDINFORMATIONEN
[
f = Minimum 1,
Eigenerzeugung Eigenverbrauch
]
• 100 [%]
Dabei wird im betrachteten Zeitintervall maximal 100 % erreicht. Überschüsse zählen zunächst nicht, sondern werden getrennt erfasst und aufsummiert. In der Gleichung drückt sich das dadurch aus, dass die berechnete Verhältniszahl mit »1« verglichen wird und nur der kleinste der beiden Werte zählt [31]. Dieses Verfahren wird im Kapitel »Energiebilanzierung: Praxis, Normung und Gesetzgebung« (S. 40ff.) weitergehend erläutert. Streng genommen führt ein getrenntes Aufsummieren von Erzeugung und Verbrauch über einen definierten Zeitraum zu einer »virtuellen Deckungsrate«. Sind beispielsweise Verbrauch und Erzeugung in einem Monat gleich groß, wäre die Deckungsrate 100 %. In der Realität wird aber zeitweise Netzstrom bezogen wie z. B. nachts bzw. werden Überschüsse eingespeist wie z. B. mittags. Die Bildung der virtuellen Deckungsraten dient der Vereinfachung der Berechnung in der Planungsphase. Bedarf und Erzeugung können getrennt berechnet und gegenübergestellt werden. Eine gekoppelte Berechnung setzt umfangreiche Kenntnisse von zeitlichen Lastprofilen voraus. Die berechnete Deckungsrate wird durch drei Parameter beeinflusst: · vom Verbrauchsprofil und damit von der Gebäudenutzung METHODISCHE GRUNDLAGEN DER BILANZIERUNG
DIE WAHL DER GEBÄUDETECHNIK BEEINFLUSST DIE DECKUNGSRATE Die Deckungsrate für den Energieträger Strom wird signifikant durch die Auswahl der Gebäudetechnik bestimmt, da sie den elektrischen Energiebedarf des Gebäudes und dessen saisonalen Verlauf definiert. Dies zeigen beispielhaft die Berechnungsergebnisse in Abb. A 2.17 für ein Bürogebäude mit unterschiedlicher Heizungs- und Klimatechnik. Die Solarstromanlage ist immer genau so ausgelegt, dass der elektrische Energiebedarf der gesamten gebäudetechnischen Anlagen vollständig in der Jahressumme ausgeglichen wird. Je höher der Verbrauch, desto größer wird die Solarstromanlage. Nutzungsspezifische Verbräuche sind hier nicht berücksichtigt. Mit der Einführung einer Wärmepumpe steigt der Strombedarf gegenüber einer Gas-Brennwertheizung deutlich, vor allem im Winterhalbjahr. Der Strom ersetzt zusammen mit der Erdwärme den Gasbezug. Die Solarstromanlage wird größer. Die Deckungsrate sinkt aufgrund des saisonalen Ungleichgewichts von Verbrauch und Erzeugung. Bei aktiver Kühlung nimmt der Bedarf weiter zu, wie auch die Deckungsrate, da der zusätzliche Bedarf in Zeiten mit hoher Erzeugung auftritt.
Strom [kWh/m2M]
Die Abb. A 2.15 und A 2.16 zeigen beispielhaft die gemessenen monatlichen Verbrauchs- und Erzeugungsverteilungen für eine amerikanische Schule in Ohio [32] und ein Institutsgebäude in Lissabon, Portugal [33]. Beide Gebäude sind »Nur-Strom-Häuser«. Verbrauchsseitig sind die nutzungsspezifischen Verbräuche einbezogen. Während bei der Schule die Erzeugung den Verbrauch in der Jahressumme übertrifft, ist es bei dem Institutsgebäude umgekehrt. Dort liegt die monatliche Deckungsrate im Mittel bei 79 % und entspricht genau dem Jahreswert. Das liegt an dem über das Jahr ausgeglichenen Solarstrahlungsangebot am Standort Lissabon. Bei der Schule erreicht die Deckungsrate 87 %. Auch für Gebäude mit KWK-Anlagen lassen sich in gleicher Weise Deckungsraten bestimmen.
monatlicher Überschuss PV anrechenbarer Ertrag PV
Gebäudestrombedarf 9 8
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monatlicher Überschuss PV anrechenbarer Ertrag PV
Gebäudestrombedarf Strom [kWh/m2M]
DER GRAD DER EIGENBEDARFSDECKUNG ALS UNTERSCHEIDUNGSMERKMAL Durch die Netzkopplung wird die dezentral bereitgestellte Energie in einem Nullenergiegebäude anteilig zur Senkung des Fremdenergiebezugs und zur Einspeisung eingesetzt. Zur Beschreibung der Aufteilung eignet sich separat für jeden genutzten Energieträger die »Deckungsrate« (f) in der Form:
· vom Erzeugungsprofil (Solaranlage, KWK-Anlage) · vom Betrachtungszeitraum
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 J
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monatlicher Überschuss PV anrechenbarer Ertrag PV
Gebäudestrombedarf Strom [kWh/m2M]
Rohbau macht etwa ein Viertel der Herstellungsenergie eines Gebäudes aus [30]. Mittelfristig erscheint daher die am Lebenszyklus eines Gebäudes orientierte Bilanzierung zielführend, um auch die Entscheidung zwischen Neubau oder Sanierung korrekt abzubilden. Die bisher analysierten Gebäude zeigen allerdings, dass es bei einer Lebenszyklusbilanzierung meist schwer fallen wird, ein Nullenergiegebäude zu erreichen.
9 8 7 6 5 4 3 2 1
»ECHTE DECKUNGSRATEN« SIND KLEINER Auch bei der Bilanzierung von Wochen- und Tagessum-
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A 2.17 a A 2.17 b A 2.17 c
Zähler Erzeugung
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Wechselrichter DC/AC
Batterien
Unterzähler Verbrauch
Wechselrichter Photovoltaik AC/DC Erzeugung
0060 Dach
0005 0040 Dach Stromnetz 0000
· LED-Beleuchtung · Haushaltsgeräte
Fassade 0120 0025
· Heizen/Kühlen/Lüften · Warmwasser elektrische Verbraucher
Fassade
intelligentes Energiemanagement
A 2.18 A 2.19
mit Batteriepufferung: ∅ 89% nur Netz: ∅ 45%
mit Batteriepufferung: ∅ 70% nur Netz: ∅ 36% wöchentliche solare Deckungsrate [%]
stromverbrauch des Solar-Decathlon-Gebäudes mit und ohne Batterriepufferung in a Madrid b Wuppertal
wöchentliche solare Deckungsrate [%]
A 2.18 schematische Darstellung des elektrischen Energiesystems für das Haus der Universität Wuppertal zum Solar Decathlon 2010 A 2.19 berechnete wöchentliche Deckungsraten für den Eigen-
100 80
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b
menwerten von Erzeugung und Verbrauch werden im Jahresmittel ähnliche Deckungsraten wie gezeigt erreicht. Betrachtet man allerdings Momentanwerte, sinken die Deckungsraten bei den Solarsystemen in den Bereich von 30 % und weniger (echte Deckungsraten – net metering). Das liegt im Wesentlichen an den nicht abgedeckten Lastspitzen und der nächtlichen Totalversorgung aus dem Netz. Bei den bisher betrachteten zeitlichen Mittelwerten werden solche Effekte verdeckt. Auch größer dimensionierte Solarstromanlagen ändern daran kaum etwas [34]. Eine verbesserte Eigenverbrauchsdeckung wird durch ein Lastmanagement erreicht. Dabei werden durch gezieltes Zu- und Abschalten von Geräten Stromverbräuche von Spitzen- in Schwachlastzeiten verschoben, sofern diese Geräte nicht zwingend in Spitzenlastzeiten betrieben werden müssen. Eine weitere Alternative ist die Lastpufferung durch die hausinterne Stromspeicherung (siehe Netzintegration). Die Einführung einer Deckungsrate hat die Aufteilung der Eigenstromerzeugung zur Folge. Dieses Vorgehen erlaubt es, Nullenergiegebäude zu charakterisieren, die die Bilanz in hohem Maße durch Eigenverbrauchsdeckung ausgleichen, und solche zu bestimmen, die im Wesentlichen die saisonale Speicherfunktion der Netze nutzen. Da die planerische Vorausberechnung von Kurzzeitdaten von Erzeugung und Verbrauch heute noch nicht üblich ist, erscheint angesichts der meist geringen Unterschiede von monats-, wochen- oder tagesbasierten Deckungsraten die Charakterisierung auf Monatsbasis angemessen. Die Monatswerte zeigen den Bedarf an saisonaler Speicherkapazität, die ein Netz leisten muss, damit das Gebäude seine ausgeglichene Jahresbilanz erhält. In »Infobox: Definition Nullenergiegebäude« (S. 41) wird diese Charakterisierung im Rahmen einer einheitlichen Beschreibung von Nullenergiehäusern eingebracht und später bei den dokumentierten Projektbeispielen individuell erläutert.
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NETZINTEGRATION Wie bereits zu Beginn eingeführt, ist neben der Verbrauchsreduktion die Optimierung der Netzeinspeisung ein planerisches Ziel bei Nullenergiegebäuden. Dies betrifft allerdings nicht allein die Einspeisemenge, sondern auch das zeitliche Profil von Strom- oder Wärmeeinspeisung und -beHINTERGRUNDINFORMATIONEN
zug. Ein erster Indikator für die Netzrückwirkung ist die Schwankungsbreite der Bezugs- und Erzeugungswerte [35]. Eine verbindliche Charakterisierung ist aber in dieser Weise nicht möglich, da die Bewertung der Auswirkungen eines Gebäudes auf ein Netz auch von der lokalen Netzinfrastruktur und dem Energiequellenmix des jeweiligen Netzes bestimmt wird. Maßgeblich ist aber in allen Fällen die maximale erforderliche Bezugsleistung, da sie die bereitzustellende Netzkapazität definiert. Durch aktives Lastmanagement und gebäudeintegrierte Energiespeicher können die maximalen Bezugsleistungen und das zeitliche Profil von Einspeisung und Verbrauch beeinflusst werden. Während die Wärmespeicherung in Gebäuden eingeführt und durch neue Technologien erweiterbar ist (siehe Nullenergie extrem: autarke Gebäude, S. 18), stellt sich die Frage nach dezentralen Kapazitäten zur kurzzeitigen Speicherung elektrischer Energie. Hierzu werden sowohl Batterien in Gebäuden als auch solche in Fahrzeugen diskutiert und getestet [36]. Wettervorhersagen als Teil der Anlagenregelung erlauben zusammen mit einem aktiven Last- und Erzeugungsmanagement die Prognose von Last- und Erzeugungsprofilen. Abb. A 2.18 zeigt die schematische Darstellung des elektrischen Energiesystems für das Haus der Universität Wuppertal zum Solar Decathlon 2010. Der 7,2-kWh-Batteriesatz sorgt in Verbindung mit einem intelligenten Energiemanagement dafür, dass die Eigenverbrauchsdeckung mit selbst erzeugtem Solarstrom priorisiert wird. Ohne Batteriepufferung lässt sich rechnerisch nur knapp die Hälfte des Stromverbrauchs aus eigenem Solarstrom decken. Der Batteriesatz steigert diesen Anteil in Madrid auf rund 90 %, was vor allem der nächtlichen Stromversorgung aus der Batterie zu verdanken ist; am Standort Wuppertal kann der Anteil von 36 auf 70 % erhöht werden (Abb. A 2.19). In gleicher Weise kann die Einspeisung in Zeiten mit möglichst hohen Einspeisetarifen und der Strombezug in Niedrigtarifzeiten verschoben werden [37]. Welcher Aufwand gebäudeseitig gerechtfertigt erscheint, ist erst dann zu bewerten, wenn der netzseitige Umbau auf eine höhere Quote erneuerbarer Energien erfolgt. Im aktuellen Kontext erscheinen solche Lösungen angesichts des erheblichen Aufwands und der hohen Kosten verfrüht. METHODISCHE GRUNDLAGEN DER BILANZIERUNG
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A 3.01 A 3.02
ENERGIEBILANZIERUNG: PRAXIS, NORMUNG UND GESETZGEBUNG
Die folgenden drei Abschnitte erläutern die Verfahren zur Energiebilanzierung bei den bis heute durchgeführten Projekten und die Schnittstellen zu den jeweiligen normativen Verfahren in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Dabei werden insbesondere die aktuellen Entwicklungslinien aufgezeigt. DEUTSCHLAND Die in Deutschland bisher realisierten Netto-Nullenergiegebäude basieren in der Regel auf der primärenergetischen Jahresbilanz unter Zuhilfenahme der normativen Primärenergiefaktoren. Die meisten Projekte betrachten dabei im Einklang mit den Bilanzgrenzen der normativen Energiebedarfsberechnung nur die Verbräuche für Heizung, Trinkwassererwärmung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung. Einzelne Projekte fokussieren hingegen bereits auf den gesamten Gebäudeverbrauch einschließlich der nutzungsspezifischen Verbräuche oder erweitern den Bilanzraum auf die Mobilität. Die Vor-Ort-Stromerzeugung wird meist unabhängig vom Energiebedarf bilanziert, ohne eine Deckungsrate zu berücksichtigen. Daher entspricht das Vorgehen nicht den normativen Vorgaben für die Erstellung eines Energieausweises, sondern stellt eine ergänzende, freiwillige Berechnung dar. Abgesehen von wenigen Beispielen ist die Energiebilanz nicht mit festgesetzten energetischen Bedarfsgrenzwerten verknüpft. Es geht um Passiv-
häuser oder energieeffiziente Gebäude, die die gesetzlichen Anforderungen jeweils deutlich unterschreiten. Der Energiebedarf wird meist am Gebäude selbst gedeckt. In Ausnahmefällen ergänzen Beteiligungen an Windkraftanlagen oder Investitionen in externe Technologien wie Biogasherstellung oder Kraft-Wärme-Kopplung den Bilanzausgleich vor Ort (siehe Projekte und Erfahrungen, S. 56ff.). GESETZGEBUNG UND NORMUNG Grundlage der energetischen Bewertung von Gebäuden in Deutschland ist die zum 1.10.2009 geänderte Energieeinsparverordnung (EnEV) (Abb. A 3.04, S. 42) [1]. Durch das Wirtschaftlichkeitsgebot im Energieeinspargesetz können mit der EnEV keine Maßnahmen zur Energieeinsparung verordnet werden, die unwirtschaftlich sind. Insofern müsste die Einführung von Nullenergiehäusern durch geeignete Fördermaßnahmen, erhöhte Energiebesteuerung etc. flankiert werden. Das Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (EEWärmeG) verlangt einen Mindestanteil von erneuerbarer Energie bei der Wärmeversorgung von Neubauten, lässt aber auch Ausgleichmaßnahmen zu [2]. Im Gesetz zum Vorrang erneuerbarer Energien (EEG) und im Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) werden die Vergütungspraxis für die Einspeisung von Strom in
A 3.01 Die Gewerbeimmobilie von 1963 wurde zu einem Bürogebäude mit 1143 m2 Nettogrundfläche umgebaut. Nach der energetischen Sanierung liegt der gemessene Energieverbrauch bei 95 kWh/m2a Heizwärme und 23 kWh/m2a Strom. In Kombination mit einem 165-kWHolzpelletkessel und einer 44-kWp-Solarstromanlage auf dem Dach wird der jährliche Primärenergieverbrauch mehr als ausgeglichen. Freiburg (D) 2006, Architektur: hotz + architekten, Energiekonzept: Stahl & Weiss A 3.02 Definition Nullenergiehaus
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Primärenergiegutschrift [kWh/m2a]
das Verbundnetz geregelt. Die EnEV berücksichtigt alle diejenigen Energieströme, die mit dem Rechenverfahren der DIN V 18 599 behandelt werden [3]. Hierunter fallen die zur Heizung, Trinkwassererwärmung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung eingesetzten Energiemengen in einem Gebäude. Nicht enthalten sind die Stromverbräuche von Arbeitshilfen wie Computern, Haushaltsgeräten und zentralen Einrichtungen wie Aufzügen, Rolltreppen etc. Auch die Herstellungsenergie des Gebäudes bleibt unberücksichtigt. Das Rechenverfahren basiert auf monatlichen Energiebilanzen, deren Ergebnisse zu Jahressummenwerten zusammengefasst werden. Das primärenergetische Anforderungsniveau wird durch ein architektonisch gleiches Referenzgebäude definiert, für das eine normativ festgelegte Referenzbaukonstruktion und Gebäudetechnik angenommen wird [4]. Die Anrechnung von Strom aus erneuerbaren Energien wird 2009 erstmalig in § 5 der EnEV thematisiert. Bis dato wurden Solarstromanlagen durch die Volleinspeisung des erzeugten Stroms als Teil des Stromnetzes betrachtet und daher in der Gebäudeenergiebilanz nicht berücksichtigt. Der eingespeiste Strom reduziert den Einsatz fossiler oder nuklearer Energieträger und mindert damit den Primärenergiefaktor und die CO2-Emissionen des für das Gebäude bezogenen Netzstroms. Das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien – EEG [5] regelt die Abnah-
200
me und Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energien. Mit dem EEG wird der Preis für den eingespeisten Strom festgelegt und neuerdings auch die Eigenverbrauchsdeckung gefördert. In § 5 der EnEV heißt es: »Wird in zu errichtenden Gebäuden Strom aus erneuerbaren Energien eingesetzt, darf der Strom in den Berechnungen […] von dem Endenergiebedarf abgezogen werden, wenn er 1. im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zu dem Gebäude erzeugt und 2. vorrangig in dem Gebäude selbst genutzt und nur die überschüssige Energiemenge in ein öffentliches Netz eingespeist wird. Es darf höchstens die Strommenge nach Satz 1 angerechnet werden, die dem berechneten Strombedarf der jeweiligen Nutzung entspricht.« Das Deutsche Institut für Bautechnik ergänzt in seiner Erläuterung sinngemäß [6]: • Ein »unmittelbarer räumlicher Zusammenhang« liegt dann vor, wenn der selbst verbrauchte Strom nicht über Leitungen eines öffentlichen Verteilungsnetzes geführt wird. Durch den Einbau entsprechender Zähler wird zwischen »selbst genutztem« und »in das öffentliche Netz eingespeistem« Strom unterschieden. Auch Quartierslösungen,
INFOBOX DEFINITION NULLENERGIEGEBÄUDE Ein Nullenergiehaus ist für diese Publikation als ein energieeffizientes Gebäude definiert, das in Verbindung mit dem Stromnetz und ggf. weiteren Netzen seinen gesamten Jahresprimärenergiebedarf auf der Basis einer monatlichen Bilanzierung durch die Primärenergiegutschrift für den eingespeisten Energieüberschuss in der Jahressumme deckt. Die Energiebereitstellung vor Ort deckt dabei vorrangig den Eigenbedarf.
150
100
C 50
B
0 0
50
A 100 150 200 Primärenergiebezug [kWh/m2a]
VORSCHLAG ZUR KENNZEICHNUNG Ein Nullenergiehaus wird durch das Kürzel NEH und die Angabe der für den Ausgleich der Jahresbilanz notwendigen bzw. realisierten Primärenergiegutschrift gekennzeichnet. Diese wird auf der Basis eines Monatsbilanzverfahrens unter Berücksichtigung der vorrangigen Eigenverbrauchsdeckung ermittelt. Jahresüberschüsse werden nicht betrachtet. Die vorgeschlagene Namensgebung greift einen eingeführten, aber mittlerweile überholten Begriff auf (früher: Niedrigenergiehaus). Auf die Vorsilbe Netto wird zugunsten einer einfacheren Kommunika-
ENERGIEBILANZIERUNG: PRAXIS, NORMUNG UND GESETZGEBUNG
also für mehrere Gebäude eingerichtete gemeinsame Erzeugungsanlagen, können dann berücksichtigt werden. Dabei ist unerheblich, ob die Gebäudeeigentümer selbst Betreiber der Erzeugungsanlage sind oder ein Dritter. • Die Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs nach der Energieeinsparverordnung erfolgt monatsweise, ebenso die Anrechnung von selbst erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien auf den Strombedarf. Die maximal anrechenbare Strommenge ergibt sich aus dem berechneten Strombedarf. Eigenstromerzeugung mit gebäudeintegrierten Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wird in der DIN V 18 599 ebenfalls berücksichtigt. Kerngedanke ist dabei, dass die an die Wärmebereitstellung gekoppelte Stromerzeugung auf den Primärenergiebezug (in Form von Brennstoff) für den Betrieb der KWK angerechnet wird. Bei der Anrechnung wird das Primärenergieäquivalent des erzeugten Stroms von dem Primärenergieäquivalent des Brennstoffs für den KWK-Betrieb abgezogen (Gutschriftenverfahren). In der vereinfachten Betrachtung erfolgt die Gutschrift im Rahmen der Jahresbilanz. Erstaunlicherweise werden damit anders als bei dem oben dargestellten Verfahren für Solarstrom die monatlichen Überschüsse bei der Stromerzeugung gegen-
tion verzichtet. Dass es sich um ein Bilanzergebnis handelt, wird über die Angabe der Primärenergiegutschrift gekennzeichnet. BEISPIEL Das 48 m2 große Experimentalhaus der Universität Wuppertal zum Solar Decathlon 2010 (siehe Solar Decathlon Europe, S. 168ff.) besitzt als Nullenergiehaus rechnerisch am Standort Wuppertal einen jährlichen Gesamtprimärenergiebedarf von 188 kWh/m2 inklusive des Haushaltsstroms (A). Dessen Berücksichtigung erklärt den vergleichsweise hohen Wert in der Bilanz. 131 kWh/m2 beträgt die Bedarfsreduktion durch die monatlich anrechenbaren Erträge der Solarstromanlage zur Eigenbedarfsdeckung gemäß EnEV § 5. Somit verbleibt ein Bedarf in Höhe von 57 kWh/m2 (B). Dieser wird durch die Solarstromanlage als Summe der monatlichen Überschüsse eingespeist und zum saisonalen Ausgleich der Bilanz eingesetzt (C). Demnach ist die korrekte Bezeichnung für dieses Haus: NEH 57. Dass das Haus darüber hinaus Überschüsse erwirtschaftet, wird für die Kennzeichnung nicht ausgewiesen, da diese als Teil des Netzes betrachtet werden und dessen Primärenergiefaktor reduzieren.
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42
über dem Strombedarf des Gebäudes nicht gekappt. Die Regelung gilt unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem eingesetzten Brennstoff um erneuerbare (z. B. Rapsöl oder Holzpellets) oder nicht erneuerbare Energie handelt. Die Vergütung des von KWK-Anlagen eingespeisten Stroms richtet sich nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG 2010 [7]). Das Gesetz soll den Neubau und die Modernisierung von KWK-Anlagen mit dem Ziel fördern, bis 2020 einen Anteil von 25 % KWK-Strom am Gesamtstrom in Deutschland zu erreichen. Definitionen oder Rechenwege für Nullenergiegebäude finden sich in der gültigen Gesetzgebung und Normung 2010 noch nicht. Da sommerliche Solarstromüberschüsse nicht die Defizite im Winter rechnerisch ausgleichen dürfen, ist damit ein Nullenergiegebäude im streng normativen Sinne unter den hiesigen Klimabedingungen nicht erreichbar. Auch die Gegenrechnung von Netzeinspeisung von Solarstrom und Bezug fossiler Energieträger wird in der Primärenergiebilanz ausgeschlossen. Nur für KWK-Strom ist die Anrechnung möglich. Allerdings ist das Verhältnis von Strom- und Wärmebedarf der
meisten Gebäude derart, dass die mit einem KWKBetrieb mögliche Stromerzeugung in der Jahresbilanz ebenfalls den Gesamtbedarf nicht deckt. KONZEPT EINER NEUEN DEFINITION DES NULLENERGIEHAUSES Im Kontext der mit der DIN V 18 599 eingeführten monatlichen Energiebilanzierung wurde die nachfolgend vorgestellte Definition des Nullenergiehauses (Abb. A 3.02, S. 41) für die vorliegende Publikation erarbeitet und in »Projekte und Erfahrungen« (S. 56ff.) zur vergleichenden Betrachtung vieler der vorgestellten Gebäude genutzt [8]. Inwieweit sich daraus ein normativ geregeltes Verfahren entwickelt, bleibt abzuwarten. Der Definition liegt die Bilanzierung gemäß Abb. A 2.02 (S. 29) zugrunde (monatlich getrennte Zählerbilanz für Erzeugung und Verbrauch). Anders als bisher normativ gehandhabt, werden die Solarenergienutzung und die Kraft-Wärme-Kopplung gleichberechtigt berücksichtigt. Die Stromerzeugung vor Ort wird auf Basis der Monatsbilanz maximal bis zur Höhe des Stromverbrauchs angerechnet. Überschüsse in der Monatsbilanz werden erst in der Jahresbilanz summiert
und getrennt ausgewiesen. Eine Anrechnung andersartiger Energie-Einspeisung beispielsweise in Form von Wärme oder vor Ort erzeugtem Biogas ist über entsprechende Primärenergiefaktoren in gleicher Weise abzubilden. RECHENWERKZEUG Die Erfahrungen der letzten Jahre haben deutlich gezeigt, dass das normative Rechenverfahren der DIN V 18 599 in der Praxis noch unzureichend beherrscht und softwareseitig unterstützt wird. Der sehr hohe zeitliche Aufwand sowie die mangelnde Transparenz von Rechenwegen und Ergebnissen haben eine breite Akzeptanz verhindert. In diesem Kontext entstehen 2010 im Rahmen einer Dissertation an der Universität Wuppertal ein Vereinfachungsverfahren für die Energiebilanzierung und das dazugehörige Excel-basierte Werkzeug EnerCalc [9]. EnerCalc integriert bereits die vereinfachte Behandlung von Solarstrom- und KWK-Anlage in Bezug auf die Bilanzierung für ein Nullenergiehaus im Sinne der vorgestellten Definition (Download unter www.enob. info). Abb. A 3.03 zeigt beispielhaft die übersichtliche Ergebnisdarstellung für ein Bürogebäude. A 3.03 Grafische Darstellung einer Energieberechnung für ein Verwaltungsgebäude mit EnerCalc. Eine Solarstromanlage wird automatisch so ausgelegt, dass der jährliche Gesamtstromverbrauch gedeckt wird (hier eine Anlage mit 30,9 kWp Spitzenleistung), Beheizung mit Erdgas. Die Überschüsse in einigen Sommermonaten werden als Netzstrom gewertet und zunächst nicht für die
Gesetze
Verordnung
amtliche Bekanntmachungen
A 3.03 A 3.04
Normen und technische Regelwerke
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
SCHWEIZ Auch in der Schweiz gibt es 2010 weder eine gesetzliche Grundlage noch eine klare Definition für ein Nullenergiegebäude. Die in Eigenregie konzipierten und realisierten Beispiele basieren in der Regel auf den Anforderungen aus dem Label MINERGIE-P mit einer erweiterten Haustechnik hinsichtlich Solarkollektoren und Solarstromanlagen [10]. Der Begriff Nullenergiegebäude wird einerseits für Bauten, die im Jahresmittel den Bedarf für Heizung, Warmwasser und Strom für die Lüftungsanlage mit erneuerbaren Energien decken können, verwendet (Abb. A 3.06 und A 3.07), andererseits auch für Bauten, die zusätzlich den gesamten Betriebsstrom für Arbeitshilfen, Haushaltsgeräte, Beleuchtung etc. ausgleichen (siehe Einfamilienhaus in Riehen, S. 56ff.; Kraftwerk B in Bennau, S. 72ff; Firmenhauptsitz in Kemptthal, S. 120ff.). Die Auslegung erfolgt meist auf der Stufe Nutzenergie oder ungewichtete Endenergie. Die benötigte Energie wird vor Ort erzeugt.
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GESETZGEBUNG UND NORMUNG Für die Begrenzung des Energieverbrauchs in Gebäuden sind gemäß Bundesverfassung die Kantone zuständig. monatliche Gebäudebilanzierung oder den saisonalen Ausgleich herangezogen. Anschließend wird in einem zweiten Schritt eine zusätzliche, fiktive Solarstromanlagengröße bestimmt, mit der in der Jahresbilanz unter Berücksichtigung eines saisonalen Ausgleichs die Primärenergiebilanz gerade null ergibt (86,3 kWh/m2a Primärenergiegutschrift durch eine 40-kWp-PV-Anlage).
A 3.04 Die Energieeinsparverordnung als zentrales Instrument im Bauwesen ist das Resultat des Energieeinspargesetzes. Die Verordnung enthält die Grenzwerte und verweist zur Berechnung auf Normen, technische Regeln und amtliche Bekanntmachungen. A 3.05 Rahmenbedingungen für die energetischen Regelwerke für Gebäude in der Schweiz Abluft
Zuluft
W
W T
Abwasser
A 3.06 Nullenergie-Wohngebäude (MINERGIE-P-ECO) Eulachhof mit 132 Mietwohnungen und 8 Geschäftsflächen, Winterthur (CH) 2007, GlassX A 3.07 Energieversorungsschema mit Kopplung an das Stromnetz sowie Anschluss des Eulachhofes an Fernwärme aus Müllverbrennung für Energiespitzen im Winter und als Redundanz WT = Wärmetauscher WP = Wärmepumpe
Photovoltaik
W T
T
kantonale Gesetze kantonale Verordnung (basiert auf interkantonaler Musterverordnung)
Raumheizung WP I
WP II
Warmwasser
Strom
Wechselrichter
kommunale Bewilligungsverfahren
Normen und technische Regelwerke
Fernwärme
ENERGIEBILANZIERUNG: PRAXIS, NORMUNG UND GESETZGEBUNG
A 3.05 A 3.06 A 3.07
44
MINERGIE
MINERGIE-P
MINERGIE-ECO
MINERGIE-P-ECO
MINERGIE-A
Wohnen I (Mehrfamilienhäuser)
•
•
•
•
•
Wohnen II (Einfamilienhäuser)
•
•
•
•
•
Verwaltungsbauten
•
•
•
•
Schulbauten
•
•
•
•
Verkauf
•
•
Restaurants
•
•
Versammlungslokale
•
•
Krankenhäuser
•
•
Industrie
•
•
Lager
•
•
Sportbauten
•
•
Hallenbäder
•
A 3.08 Gebäudekategorien MINERGIE, MINERGIE-P, MINERGIE-ECO, MINERGIE-P-ECO und MINERGIE-A A 3.09 beispielhafte Energiebilanz für ein 244 m2 großes Einfamilienhaus mit Erdsonden-Wärmepumpe und
A 3.08 A 3.09 A 3.10
Wärmebedarf WW
[kWh/m2EBF]
Heizwärmebedarf Hilfsenergie (inkl. Ventilator) Erdwärme, WW
40
Strom WP, Heizung Photovoltaik
3,5 13,9
30 20
8,8 22,8
40,2
10
Nutzungsenergie
Endenergie
Pellets, Heizung Kollektor, WW
Hilfsenergie (inkl. Ventilator)
Kollektor, Heizung
2,8 2,6
30 25 20
10,3
15
13,9
5 0
Produktion PV gewichtet
Nutzungsenergie
5,6 1,8
14,2
21,7
Endenergie gewichtet
10,5
11,7
10
10,8
0
Wärmebedarf WW Heizwärmebedarf 35
7,0
33,6 5,1
Pellets, WW
Erdwärme, Heizung Strom WP, WW
60 50
4,7-kWp-Photovoltaikanlage A 3.10 beispielhafte Energiebilanz für ein 120 m2 großes Einfamilienhaus mit 18 m2 Solarkollektoren, 2 m3 Pufferspeicher und ergänzendem Holzpellet-Wärmeerzeuger
[kWh/m2EBF]
Gebäudekategorien
5,3
7,3
Endenergie
Endenergie gewichtet
Das Energiegesetz des Bundes deckt die übrigen Bereiche (Elektrizitätsversorgung, Industrie, Mobilität etc.) ab und gibt dem Bund im Gebäudebereich unterstützende und koordinierende Aufgaben. Als wesentliches Instrument für die Umsetzung der 26 kantonalen Energiegesetze hat die Konferenz Kantonaler Energiedirektoren deren Mustervorschriften erarbeitet: ein Gesamtpaket energierechtlicher Vorschriften im Gebäudebereich. So gesehen bilden die Musterbestimmungen den von den Kantonen getragenen gemeinsamen Nenner. Sie gehen in ihre Gesetzgebung ein; mit ihrer Umsetzung sind in unterschiedlichem Maß die einzelnen Gemeinden beauftragt. Seit Anfang 2009 wird in der Schweiz Strom aus erneuerbaren Energien mit der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV gefördert. Die KEV wird aus einem Zuschlag auf den Strompreis pro verbrauchter Kilowattstunde finanziert. Das gesamte KEV-Aufkommen wird prozentual auf Wasserkraft, Photovoltaik und Biomasse verteilt und ist gedeckelt. Die Vergütungsdauer beträgt je nach Technologie 20 bis 25 Jahre. Wer sich für die kostendeckende Einspeisevergütung entscheidet, kann seine Elektrizität nicht gleichzeitig auch als grünen Strom am freien Ökostrommarkt verkaufen (Abb. A 3.05, S. 43). Für einen Bauantrag ist nur der normative Heizenergiebedarfnachweis nach SIA 380/1 [11] erforderlich. Der Heizwärmebedarf wird monatlich ermittelt und zu einer Jahressumme addiert. Der Nachweis für den Energiebedarf von Trinkwassererwärmung, Beleuchtung und Betriebsenergie für Geräte, Arbeitshilfen und zentrale Einrichtungen ist bis heute gesetzlich nicht erforderlich. Nur für Gebäude mit Geschossflächen für Dienstleistungen, gewerbliche und öffentliche Nutzungen größer als 2000 m2 ist die Anwendung der Empfehlung SIA 380/4 im Bereich Beleuchtung und Lüftung/Klimatisierung fakultativ [12]. Als Planungshilfe gibt die Norm auch Anforderungen für Betriebseinrichtungen, diverse Gebäudetechnik und Wärme. Für klimatisierte Gebäude wird derzeit an einer Überarbeitung der SIA 382/2 gearbeitet [13]. Diese basiert auf SN EN ISO 13 790 und erfasst den Energiebedarf für Heizen und Kühlen mit dem darin beschriebenen vereinfachten dynamischen Stundenschrittverfahren. HINTERGRUNDINFORMATIONEN
DAS LABEL MINERGIE Das Schweizer Gebäudelabel MINERGIE gibt es seit 1998. 2004 wurde neben dem einfachen Standard der deutlich verschärfte Standard MINERGIE-P eingeführt. Insgesamt sind bis Ende 2010 etwa 20 000 Gebäude nach MINERGIE und rund 1000 nach MINERGIE-P zertifiziert. Mit dem Zusatz »ECO« ist eine Ergänzung bezüglich gesunder und ökologischer Bauweise verfügbar. Der dem Passivhaus in etwa entsprechende MINERGIE-PStandard schöpft die Möglichkeiten der Wärmebedarfsreduktion weitgehend aus. MINERGIE und MINERGIE-P stellen Anforderungen an den Energiebedarf für Heizung und Warmwasser. Die Grenzwerte liegen bei 38 bzw. 30 kWh/m2a an gewichteter Endenergie. Als Gewichtungsfaktoren werden die EnDKWerte (Energie-Kompetenzzentrum der Kantone) gemäß Abb. A 2.07 Tabelle der Primärenergie- und Emissionsfaktoren, S. 31, verwendet. Als Zusatzanforderung gelten Grenzwerte für den Heizwärmebedarf. MINERGIE-A Fokussiert auf neue Wohnbauten ist seit März 2011 der neue MINERGIE-A-Gebäudestandard zertifizierbar [14]. Er zielt darauf ab, dass der gewichtete Endenergiebedarf für Heizung, Kühlung und Warmwasser sowie der Strombedarf für die Lüftungsanlage und die Umwälzpumpen in der Jahressumme null sein müssen. Für Gebäude mit großen thermischen Solaranlagen ist eine abweichende Bilanzierung vorgesehen. Zusätzlich gilt eine primärenergetische Obergrenze für die graue Energie. Diese Obergrenze stellt zum ersten Mal eine quantitative Anforderung an die verwendeten Baumaterialien und ist eine grundsätzliche Erweiterung gegenüber den Standards MINERGIE und MINERGIE-P. Es ist denkbar, dass in einer späteren Phase diese Anforderungen auch für alle anderen MINERGIE-Zertifikate übernommen werden. Vorerst wird es keinen Grenzwert für den Strombedarf für Haushalt, Beleuchtung etc. geben, da noch keine befriedigende Datenbasis besteht. Es steht aber zur Diskussion, dieses zu einem späteren Zeitpunkt einzuführen (Abb. A 3.08). MINERGIE-P und MINERGIE-A Die beiden Standards demonstrieren zwei unterschiedliche Wege: Während MINERGIE-P die Optimierung der Gebäudehülle betont und daher beim Heizwärmebedarf
einen strengen Grenzwert vorgibt, akzentuiert MINERGIE-A die Gebäudetechnik einschließlich aktiver Solarenergienutzung. Der Grenzwert für den Heizwärmebedarf liegt bei MINERGIE-A auf dem Basisstandard MINERGIE. Er entspricht den Anforderungen, die in denjenigen Kantonen gelten, die die strengsten gesetzlichen Anforderungen in der Schweiz in Kraft gesetzt haben. Wie die Energiebilanz des Wärmebedarfs eines MINERGIE-A-Einfamilienhauses aussehen kann, zeigt Abb. A 3.09 Der Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser entspricht den Anforderungen des MINERGIE-Basisstandards. Die Wärme wird über eine Erdsonden-Wärmepumpe (mit hier bewusst pessimistischen Annahmen bezüglich der Jahresarbeitszahl) mittels Stromeinsatz gedeckt. In der Säule »Endenergie« wird zur Illustration auch die Erdwärme aufgezeigt. Mit der Gewichtung fällt diese Erdwärme weg, dafür wird der Strom mit dem Faktor zwei multipliziert. Die gewichtete Endenergie wird durch die Jahressumme des Stromertrags der Photovoltaikanlage ausgeglichen. Anrechenbar sind nur Photovoltaikanlagen, die auf dem Gebäude selbst installiert sind und deren Strom dem Gebäude zugutekommt. Abb. A 3.10 zeigt die rechnerische Energiebilanz für ein kleines Einfamilienhaus mit einer großen solarthermischen Anlage. Falls die thermische Solaranlage mehr als 50 % des Wärmebedarfs für Heizung und Warmwasser abdeckt und über Biomasse (in der Regel Holz) nachgeheizt wird, beträgt der Grenzwert nicht null, sondern 15 kWh/m2a. Selbstverständlich bleibt es unbenommen, mit einer zusätzlichen PV-Anlage auch diese 15 kWh/m2a noch abzudecken. ÖSTERREICH Die Diskussion in Österreich ist geprägt vom Verständnis, »Plus-Energie zu produzieren« anstatt »Null-Energie zu verbrauchen«. Unabhängig von fehlenden normativen und gesetzlichen Rahmenbedingungen werden Plusenergiegebäude schon seit etwa zehn Jahren entwickelt und auch verwirklicht (siehe Plusenergiesiedlung in Weiz, S. 100ff.; Bürogebäude mit Wohnung in Villach, S. 129ff.). Der Fokus liegt neben der Produktion von Strom aus Photovoltaik auch auf der Produktion von Wärme aus erneuerbaren Energieträgern (siehe Österreich, S. 14f.).
ENERGIEBILANZIERUNG: PRAXIS, NORMUNG UND GESETZGEBUNG
Der Einsatz von Photovoltaikanlagen in Österreich ist nicht mit der Situation in Deutschland vergleichbar. Ausschlaggebend dafür ist die andere Förderpraxis von Ökostromanlagen. Für Anlagen ab 5 kWp ist die Tarifförderung im bundesweit gültigen Ökostromgesetz (ÖSG) [15] geregelt. Pro Jahr stehen österreichweit 2,1 Mio. Euro Einspeisetarifvolumen zur Verfügung; die Warteliste reicht bereits bis ins Jahr 2019 [16]. Die Höhe der Einspeisetarife wird jährlich per Ökostromverordnung (ÖSVO) geregelt, dabei betragen die Einspeisevergütungen in Abhängigkeit von der Anlagengröße und der Art der Integration (gebäudeintegriert oder frei aufgestellt) zwischen 25 Ct/kWh und 38 Ct/kWh. Die zugesicherten Einspeisetarife werden für 13 Jahre garantiert [17]. Private Anlagen unter 5 kWp können eine Investitionsförderung des Klima- und Energiefonds in Anspruch nehmen, erhalten aber keine erhöhten Einspeisetarife. 2009 und 2010 standen dafür 35 Mio. Euro zur Verfügung [18]. Die Limitierung des Budgets beider Fördermodelle führt zu eher moderaten Installationszahlen: 2009 konnte eine neuinstallierte Leistung von 20,2 MWp verzeichnet werden, für 2010 werden 40 MWp prognostiziert [19, 20]. Die Bilanzierung der bisher verwirklichten Plusenergiegebäude findet unabhängig von der gängigen Normung statt. Zumeist wird im ersten Schritt die energetische Gebäudequalität mittels PassivhausProjektierungs-Paket (PHPP) oder dem Berechnungsverfahren des österreichischen Instituts für Bautechnik bestimmt. Erst im zweiten Schritt werden Verbrauch und Erzeugung einander gegenübergestellt. Für Gebäude, die nur Strom als Energieträger verwenden, ist dies unkompliziert. Werden aber weitere erneuerbare Energieträger eingesetzt, ist die Bilanzierungspraxis sehr unterschiedlich. Hauptursache dafür sind verschiedene Datenquellen für die Primärenergiefaktoren in Österreich (PHPP, GEMIS, EN 15 603, siehe auch Abb. A 2.07, S. 31). Einerseits findet man Bilanzen für Gebäude auf Basis von PHPP-Primärenergiefaktoren (siehe Schulsanierung in Schwanenstadt, S.150ff.). Andere wiederum nutzen die GEMIS-Datenbank als Grundlage, die auch den gesamten Primärenergieaufwand ausweist (siehe Bürogebäude mit Wohnung in Villach, S. 129ff.). Die »klima:aktiv Gebäudedeklaration« verwendet aber Konversionsfaktoren nach EN 15 603 [21] und die
45
A 3.11 A 3.12
46
Vereinbarungen gem. Artikel 15 a B-VG zw. Bund und Ländern Landesgesetze Verordnungen Einzelfallentscheidungen (Urteile, Bescheide, Maßnahmen) OIB-Richtlinien Normen und technische Regelwerke
»klima:aktiv-Kriterien« bewerten eine umfassendere Gebäudequalität. Neben Energiebedarf und Energieeffizienz werden unter anderem auch ökologische und komfortrelevante Eigenschaften betrachtet. Beim »Sunlighthouse« findet die Bilanzierung auf der Basis des nicht erneuerbaren Primärenergieanteils statt (Abb. A 3.11)[22]. Zusätzlich werden auch die CO2-Emissionen betrachtet: Das Sunlighthouse soll in 30 Jahren die durch Errichtung und Betrieb verursachten CO2-Emissionen mit erzeugter Energie aus Photovoltaik und Solarthermie kompensieren und dadurch CO2-neutral sein. Ob sich die österreichische Erfolgsgeschichte in der Umsetzung von Passivhäusern auch für Plusenergiegebäude fortsetzen lässt, ist noch offen. Investitionsunsicherheiten für eine dezentrale erneuerbare Energienutzung lassen noch viele zögern. Der Trend am Markt entwickelt sich verstärkt in Richtung von nachhaltigen Gebäudekonzepten, die durch verschiedene Zertifizierungsmöglichkeiten (ÖGNI [23], ÖGNB [24], klima:aktiv [25], Passivhaus) einen Nutzen am Immobilienmarkt versprechen und über die ausschließliche energetische Bewertung hinausgehen.
GESETZGEBUNG UND NORMUNG Das Baurecht fällt in Österreich in den Kompetenzbereich der einzelnen Bundesländer. Jedes der einzelnen Länder verfügt über ein eigenes Baugesetz oder eine Bauordnung. Die maßgeblichen Instrumente zur Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie zur Gesamtenergieeffizienz sind Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Ländern [26]. Das nationale österreichische Institut für Bautechnik (OIB) ist unter anderem mit der Harmonisierung der unterschiedlichen bautechnischen Teile der neun Vorschriften der neun Bundesländer beschäftigt und damit auch für die inhaltliche Integration von Richtlinien der EU in die entsprechenden OIB-Richtlinien [27]. Diese sind technische Detailbestimmungen, die systematisch zwischen den Rechtsvorschriften und Ö-Normen stehen. Sechs zentrale OIB-Richtlinien wurden erarbeitet, um die Baurechtsvorschriften bundesweit zu harmonisieren und schlanker zu machen. Die einzelnen Bundesländer erklären per Gesetz oder Verordnung dann die jeweilige Rechtsverbindlichkeit [28]. Die Richtlinie 6 fokussiert auf den Bereich »Energieeinsparung und Wärmeschutz« [29] und wurde von fast allen Bundesländern für rechtsverbindlich er-
klärt. Sie definiert Anforderungen und Grenzwerte und verweist auf relevante Normen sowie den OIBBerechnungsleitfaden »Energietechnisches Verhalten von Gebäuden« [30] für die Ermittlung der Energiekennzahlen. Darüber hinaus werden die Inhalte und die Darstellung des Energieausweises definiert. Verweise auf die bauspezifischen Ö-Normen innerhalb der Richtlinie stellen die Verbindung zur Gesetzgebung her. Aufgrund dieser komplexen Konstellation ist in Österreich die normative und gesetzliche Umsetzung der EU zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden aus dem Jahre 2002 auch 2011 noch nicht abgeschlossen (Abb. A 3.12). Eine Ausnahme von der länderspezifischen Kompetenz im Baurecht bildet die Erstellung des Energieausweises bei Bau, Verkauf und Vermietung von Gebäuden oder Gebäudeteilen im Rahmen des Energieausweisvorlagegesetzes (EAVG) aus dem Jahr 2006 [31]. Für die Bilanzierung von lokaler Energiebereitstellung und Energiebedarf sind die aktuellen österreichischen Berechnungsmethoden nicht geeignet (Stand Anfang 2011). Der rechnerische Nachweis der energetischen Qualität von Wohn- und NichtHINTERGRUNDINFORMATIONEN
ANMERKUNGEN Deutschland
A 3.11 Das »Sunlighthouse« gehört zu einer Serie von acht Experimentalhäusern in unterschiedlichen europäischen Ländern, die im Rahmen des Model Home 2020-Projekts realisiert werden. Den gesamten Jahresenergieverbrauch des Gebäudes mit 166 m2 Wohnfläche einschließlich des Haushaltsstroms sollen eine 7,6-kWpPhotovoltaikanlage und eine solarthermische Anlage ausgleichen. Pressbaum (A) 2010, Hein-Troy Architekten [32] A 3.12 Das Baurecht fällt in Österreich in den Kompetenzbereich der einzelnen Bundesländer. Die maßgeblichen Instrumente zur Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie sind Vereinbarungen gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern. Die OIB-Richtlinien wurden zur Harmonisierung der bautechnischen Vorschriften erarbeitet und stehen zwischen den Rechtsvorschriften und Normen.
wohngebäuden bestimmt der OIB-Berechnungsleitfaden, der die OIB–Richtlinie 6 ergänzt. Die Berechnung findet im Monatsbilanzverfahren statt, die Ergebnisse werden üblicherweise nur als Jahresbilanz dargestellt. Die Bewertung fokussiert zwar auf den Heizwärmebedarf, ausgewiesen werden aber auch der Heiz-, Kühl- und der Endenergiebedarf. Die Angaben für den Primärenergiebedarf und die Treibhausgasemissionen sind allerdings bis heute blinde Felder im Energieausweis. Auf der Basis der Endenergie werden laut OIB-Berechnungsleitfaden für Wohngebäude Heizwärme-, Warmwasser- und Heiztechnikenergiebedarf abgebildet. Kühlenergie wird genauso wie der Bedarf für Beleuchtung und Lüftung nur bei Nichtwohngebäuden einbezogen. Bei beiden Verfahren fließen nutzungsspezifische Verbräuche nicht in die Berechnung ein. Die angekündigte Überarbeitung der OIB-Richtlinie 6 und des OIB-Berechnungsleitfadens verspricht für 2011 verbesserte und teilweise neue Ermittlungsmethoden sowie einheitliche Primärenergie- und CO2Konversionsfaktoren. In einem weiteren Schritt ist für 2012 die nächste Generation von Ermittlungsmethoden angekündigt [33]. ENERGIEBILANZIERUNG: PRAXIS, NORMUNG UND GESETZGEBUNG
[1] EnEV Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung. 2009 [2] EEWärmeG Erneuerbare-EnergienWärmegesetz. 2009. http://www.enevonline.de/eewaermeg. Stand: 3.03.2011 [3] DIN V 18 599:2007-02 Teil 1–10 Energetische Bewertung von Gebäuden. 2007 [4] Voss, Karsten u. a.: Energieeffizienz von Nichtwohngebäuden. Zielsetzungen und Bewertungsmaßstäbe. In: Deutsche Bauzeitung 07/2010, S. 66–69 [5] EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz. 2009. http://www.gesetze-im-internet. de/bundesrecht/eeg_2009/gesamt.pdf. Stand: 3.03.2011 [6] Achelis, Justus: Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz. Auslegungsfragen zur Energieeinsparverordnung. Berlin 2009 [7] KWK-Gesetz Kraft-Wärme-KopplungsGesetz. 2009. http://www.kwkg-novelle. de. Stand: 3.03.2011 [8] Voss, Karsten; Musall, Eike; Lichtmeß, Markus: Vom Niedrigenergie- zum Nullenergiehaus. Standortbestimmung und Entwicklungsperspektiven. In: Bauphysik 06/2010, S. 424 – 434 [9] Lichtmeß, Markus: Vereinfachungen für die energetische Bewertung von Gebäuden. Dissertation Bergische Universität Wuppertal 2010
Schweiz [10] http://www.minergie.ch. Stand: 3.03.2011 [11] SIA 380/1 Thermische Energie im Hochbau. 2009 [12] SIA 380/4 Elektrische Energie im Hochbau. 2006 [13] SIA 382/2 Klimatisierte Gebäude – Leistungs- und Energiebedarf. 2011 [14] wie Anm. 10
Österreich [15] ÖSG Ökostromgesetz. 2011. http://www. ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abf rage=Bundesnormen&Gesetzesnumme r=20002168. Stand: 3.03.2011 [16] Bundesverband Photovoltaic Austria: Fördersituation Österreich. Bundesweite Tarifförderung. http://www.pv.austria.at. Stand: 3.03.2011 [17] ÖSVO Ökostromverordnung. 2011. http://www.pvaustria.at/upload/2767_ OekostromVO%202011.pdf. Stand: 3.03.2011
[18] Klima- und Energiefonds: Photovoltaik Förderaktion 2010. http://www.klimafonds.gv.at. Stand: 3.03.2011 [19] Biermayr, Peter u. a.: Innovative Energtechnologien in Österreich. Marktentwicklung 2009. In: Berichte aus Energie- und Umweltforschung 15/2010. Hrsg.: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). Wien 2010 [20] Fechner, Hubert: 5 bzw. 8 % Photovoltaikstrom in Österreich bis 2020. FH Technikum Wien 2010 [21] klima:aktiv. http://www.klimaaktiv.at. Stand: 3.03.2011 [22] Sunlighthouse. ModelHome 2020. http:// www.velux.at. Stand: 3.03.2011 [23] Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI): Nachhaltige Architektur in Österreich. http://www.ogni.at. Stand: 3.03.2011 [24] Österreichische Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (ÖGNB): TQB Bewertung. http://www.oegnb.net, http://www.eugreenbuilding.org. Stand: 3.03.2011 [25] wie Anm. 21 [26] BGBl. II Nr. 251/2009 Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über Maßnahmen im Gebäudesektor zum Zweck der Reduktion des Ausstoßes an Treibhausgasen. 2009 [27] Mikulits, Rainer: Die EU-Richtline über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Wien 2003. http://www.fgw.at/publikationen/pdf/03/2003-4_Mikulits.pdf. Stand: 3.03.2011 [28] Österreichisches Institut für Bautechnik (OIB): Harmonisierungskonzept. http:// www.oib.or.at. Stand: 3.03.2011 [29] Österreichisches Institut für Bautechnik (OIB): OIB-Richtlinie 6. Energieeinsparung und Wärmeschutz. 2007. http:// www.oib.or.at. Stand: 3.03.2011 [30] Österreichisches Institut für Bautechnik (OIB): Energietechnisches Verhalten von Gebäuden. 2007. http://www.oib.or.at. Stand: 3.03.2011 [31] EAVG Energieausweis-Vorlage-Gesetz. 2006. http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnorme n&Gesetzesnummer=20004886. Stand: 3.03.2011 [32] wie Anm. 22 [33] Pöhn, Christian: Nearly Zero Energy Buildings und Plus-Energie-Gebäude. Definitionen für den urbanen Raum. Kongress für zukunftsfähiges Bauen. Wien 2011
47
48
PROJEKTE UND ERFAHRUNGEN KLEINE WOHNHÄUSER
GROSSE WOHNHÄUSER
SIEDLUNGEN
STÄDTE
BÜROGEBÄUDE
PRODUKTION UND VERWALTUNG
BILDUNGSGEBÄUDE
EXPERIMENTELLE BAUTEN
PROJEKTE UND ERFAHRUNGEN
BILANZIERTE ENERGIEVERBRÄUCHE
ENERGIEBEREITSTELLUNG
TGA
Seite QUERSCHNITTSKAPITEL 1
50
01
Einfamilienhaus, Riehen (CH)
56
02
Wohnhaussanierung, Stossau (A)
60
03
Lighthouse, Watford (GB)
64
04
Home for Life, Lystrup (DK)
68
05
Kraftwerk B, Bennau (CH)
72
06
Sanierung Blaue Heimat, Heidelberg (D)
78
07
Kleehäuser, Freiburg/Vauban (D)
84
08
Mehrfamilienhaus, Dübendorf (CH)
89
09
Plusenergiesiedlung, Freiburg (D)
94
10
Plusenergiesiedlung, Weiz (A)
100
11
Siedlung BedZED, Sutton bei London (GB)
103
12
Stadtbauprojekt Masdar, Masdar (VAE)
108
QUERSCHNITTSKAPITEL 2
114
13
Firmenhauptsitz, Kemptthal (CH)
120
14
WWF-Hauptquartier, Zeist (NL)
125
15
Bürogebäude mit Wohnung, Villach (A)
129
16
Pixel Building, Melbourne (AUS)
134
17
Firmenzentrale, Berlin (D)
138
18
Nullemissionsfabrik, Braunschweig (D)
144
19
Schulsanierung, Schwanenstadt (A)
150
20
Universitätsgebäude, Saint-Pierre (F)
154
21
Kindergarten, Monheim (D)
158
22
Grundschule, Hohen Neuendorf (D)
163
23
Solar Decathlon Europe, Madrid (E)
168
ÜBERSICHT
Technische Gebäudeausrüstung
nutzerspezifische Verbräuche
Elektromobilität
graue Energie
Solarstrom
Solarthermie
KWK
Windkraft
Wärmepumpe
Wärmenetze
Biomasse
grüner Strom
49
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 1
B 1.01 Übersicht über die Standorte von 291 ausgemachten Projekten weltweit B 1.02 Übersicht über die weltweite Fertigstellung neuer Nullenergieprojekte pro Jahr, unterschieden nach Wohnund Nichtwohngebäuden sowie nach Neubau und Sanierungen B 1.03 »Equilibrium Building« ÉcoTerra Alouette Home (234 m2NGF), Eastman (CDN) 2007, Masa Noguchi B 1.04 Darstellung über den Zusammenhang zwischen Hauptakteur und dem Beweggrund bei der Umsetzung des Nullenergiestandards, unterschieden nach Typologien
Kanada USA
Österreich Niederlande Italien Großbritannien
( ¯ B 18, S. 144ff.; Wechselrichter- oder Solarfabrik, Projektliste S. 178) entwickelt. Auch Stadtquartiere und Städte entstehen auf der Basis des Nullenergieansatzes ( ¯ B 12, S. 108ff.). Das Interesse am Konzept wird globaler und so entwickeln sich auch in Nordamerika Programme und Konzepte für »net zero energy buildings«, »equilibrium buildings« (siehe Abb. B 1.03) oder »carbon neutral buildings« (siehe Abb. A 1.12, S. 16). Ab 2007 werden erste bestehende Wohn- und wenige Jahre später auch Verwaltungsbauten zu Nullenergiegebäuden saniert ( ¯ B 06, S. 78ff.; B 14, S. 125ff.; IdeasZ2, Projektliste S. 178). SCHWERPUNKTE MITTELEUROPA UND NORDAMERIKA Eine internationale Projektrecherche zu diesem Buch ergab unter der Maßgabe einer ausgeglichenen Nullenergie- oder Nullemissionsbilanz annähernd 300 Bauprojekte. Diese entstanden und entstehen überwiegend in nordwestlich gelegenen Ländern und Klimaten (Abb. B 1.01). Eine deutlich höhere Bautätigkeit, technologischer Vorsprung, die Abhängigkeit von Energieimporten sowie das Bewusstsein über den Klimawandel forcieren diese Projekte vor allem in Mitteleuropa. Sie entstehen vermehrt in heizungs-
Neubauten Nichtwohngebäude
Sanierungen Nichtwohngebäude
Neubauten Wohngebäude
Sanierungen Wohngebäude
50 45 40 35 30 25 20 15 10
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
Deutschland
1992
Finnland
1991
5 0
Frankreich
B 1.01 B 1.02
Australien Neuseeland China Indien Japan Malaysia Südkorea andere Asien Arabische Emirate andere Afrika Belgien Dänemark
vor 1990
andere Südamerika Costa Rica andere Europa Spanien Schweiz Schweden Portugal
[Stück]
50
INTERNATIONALE ENTWICKLUNGEN Wissenschaftlich initiierte Experimentalprojekte sowie Pionierbeispiele stellen die ersten Nullenergiegebäude des Industriezeitalters dar (siehe Abb. A 1.27 und A 1.28, S. 23). Sie entstehen in den 1990er-Jahren als autarke Gebäude ohne Anschluss an eine Netzinfrastruktur. In den anschließenden Jahren folgen überwiegend kleinere Wohnbauten mit meist alleinigem Fokus auf einer annähernd vollständigen Deckung des Wärmebedarfs durch Solarenergie oder erneuerbare Energie sowie Kopplung an ein Stromnetz. Wenig später erreichen erste Projekte die vollständige Bilanzierung sämtlicher Energieverbräuche, nutzen dabei aber wieder einen Anschluss an das Stromnetz. Begünstigt durch die Solarstromförderungen in einigen Ländern stellen sie im Bereich kleiner Wohngebäude eine direkte Weiterentwicklung der Passivhaus- bzw. MINERGIE-Konzepte dar. Ab dem Jahr 2000 steigt die Zahl der pro Jahr fertiggestellten Projekte kontinuierlich an (Abb. B 1.02). Über viele Klimate hinweg werden durch die Verfügbarkeit kleiner Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen bzw. solcher mit Biomassebetrieb ( ¯ B 07, S. 84ff.; B 22, S. 163ff.) und effizienterer Solarstromanlagen unterschiedliche Konzepte auch für größere und energieintensivere Gebäude bis hin zu Fabriken
PROJEKTE + ERFAHRUNGEN
dominierten Klimaten mit ihrem ausgeprägt saisonal variierenden Energiebedarf. Die Deckung über eine aktive Solarenergienutzung fällt aufgrund geringerer und saisonal stärker schwankender solarer Einstrahlungswerte deutlich schwerer (siehe Abb. B 12.03 und 04, S. 109). Es gilt hier vor allem der Grundsatz der Energieeffizienz. Die Passivhauskonzepte, die die Basis einer großen Anzahl der Nullenergieprojekte bilden, verdeutlichen dies. Ein frühes nordamerikanisches Beispiel ist das ÉcoTerra-Haus, das 2007 im kanadischen Eastman durch eine Fertighausfirma erstellt wurde (Abb. B 1.03). Es ist eines von zwölf »EquilibriumDemonstrationsprojekten«. DIE AKTEURE UND IHRE BEWEGGRÜNDE Während erste und meist technisch geprägte Demonstrationsprojekte wissenschaftlich initiiert waren, bauen nun auch ökologisch interessierte Bauherren, teils in privaten Bauherrengemeinschaften, Nullenergiehäuser. Die Beweggründe reichen von drohender Ressourcenknappheit und gebautem Klimaschutz über die gewünschte Unabhängigkeit von Energieversorgungsunternehmen hin zur Vermeidung steigender Energiekosten (Abb. B 1.04). In einigen Ländern forciert die Förderung von Solarstrom die
Inbetriebnahme von Photovoltaikanlagen und damit die Erweiterung energieeffizienter Gebäude hin zu Nullenergieprojekten ( ¯ B 01, S. 56ff.). Abseits des Einfamilienhausbaus nutzen Wohnungsbau- oder Immobiliengesellschaften das über ein Nullenergiekonzept vermittelte »Green Building Image« zur Wert- und Attraktivitätssteigerung der Wohnungen in Mehrfamilienhäusern oder kleinen Siedlungen ( ¯ B 10, S. 100ff.). Hier bleibt es häufig bei der Deckung des Heizenergieverbrauchs durch erneuerbare Energie ( ¯ B 06, S. 78ff.; SunnyWatt, Projektliste S. 176). Nicht immer sind dabei Solarstromanlagen auf dem Dach des Gebäudes oder Blockheizkraftwerke auch im Besitz des Wohnungseigentümers ( ¯ B 07, S. 84ff.; B 10, S. 100ff.; B 06, S. 78ff.). Einige Unternehmen, vorzugsweise aus der Branche erneuerbarer Energieerzeugung, verwirklichen Nullenergiefabriken aus Marketinggründen und um ihre nachhaltige Position zu verdeutlichen ( ¯ Wechselrichter- oder Solarfabrik, Projektliste S. 178). Aber auch erste Großunternehmen, die nicht primär für eine nachhaltige Position bekannt sind, betreiben Gebäude mit dem Anspruch eines vollständigen Ausgleichs der Betriebsenergie und erhoffen sich somit u. a. eine verbesserte Reputation. Außerdem
Siedlungen
werden die realisierten Gebäude vermehrt über die rein quantifizierbare Größe »Energie« hinaus zertifiziert. Mittlerweile ist etwa jedes zehnte Nullenergiegebäude mit einem LEED-, DGNB-, MINERGIE-P-, BREEAM- oder einem ähnlichem Zertifikat ausgezeichnet. Hierbei sind dann vor allem nachhaltige Materialien, ökologische Konzepte hinsichtlich des Wasserverbrauchs, Nahverkehrs oder der Dauerhaftigkeit der Nutzung bzw. deren möglicher Anpassung an veränderte Ansprüche weitere Parameter. Typologieübergreifend nutzen Architekten die Konzeption von Nullenergiegebäuden, um sich in der ehemaligen Nische und jetzigen Boom-Branche der »Green Buildings« gemäß ihren Überzeugungen zu positionieren ( ¯ B 07, S. 84ff.). Veteranen der Branche sind bei vielen entstehenden Projekten die treibende Kraft und werden gezielt mit der Erstellung beauftragt bzw. erweitern vorhandene Planungen oder Vorstellungen zum Ausgleich der Energiebilanz ( ¯ B 17, S. 138ff.; B 08, S. 89ff.). Seit dem Ratsbeschluss der Europäischen Union zu »nearly zero energy buildings« (siehe Europäische Union, S. 12f.) findet sich diese Forderung nun auch schon häufiger in Wettbewerbsauslobungen öffentlicher oder halböffentlicher Bauherren.
große Wohngebäude kleine Wohngebäude
Bürogebäude Fabrik
51
Bildungsgebäude andere
Energieprobleme Testgebäude Demonstrationsprojekte Sanierungshintergrund ökonomische Überlegungen ökologische Überlegungen Marketing Architekt
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 1
Projektentwickler/ private IngenieurBauherren gesellschaft
Wissenschaft Unternehmen Wohnungsbauunternehmen/ Genossenschaft
andere Akteure
B 1.03 B 1.04
EFH
Siedlungen
0,3
nutzungsspezifischer Stromverbrauch Stromverbrauch komplett ohne Wärmepumpe
Stromverbrauch TGA Stromverbrauch TGA inkl. Wärmepumpe
0,4 [kWh/m²a]
52
MFH [W/m2K]
B 1.05 B 1.06
70 60 50 40 30
0,2
20 10 0
0,1
A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
Wohngebäude 0 0,1
0,3
0,5
0,7
0,9
1,1 [m-1]
MERKMALE DER WOHNGEBÄUDE Mehr als die Hälfte aller realisierten Nullenergieprojekte sind Wohnhäuser. Das liegt einerseits an ihrer ohnehin größeren Anzahl im Gesamtgebäudebestand und andererseits daran, dass sich die Idee von Seiten der Akteure einfacher realisieren lässt. In den meisten Fällen werden sämtliche Energieverbräuche in die Energiebilanz einbezogen, einschließlich der Haushaltsverbräuche. Bei den Siedlungs- und städtebaulichen Projekten steht nicht die ausgeglichene Bilanz der Einzelhäuser, sondern der Bilanzausgleich in Summe im Mittelpunkt der Betrachtung. ENERGIEEFFIZIENZ Der Großteil der Nullenergiegebäude befindet sich in heizungsdominierten Klimaten. Die Konzepte zur Senkung des Heizenergiebedarfs sind bekannt und werden adaptiert. Bei etwa einem Drittel der Gebäude bilden zertifizierte MINERGIE- oder Passivhäuser die Grundlage. Weitere 50 % verfolgen diese Ideen auf Komponentenebene und verfügen über hochwärmegedämmte, wärmebrückenarme und sehr dichte Gebäudehüllen. Der durchschnittliche U-Wert (Mittelwert für die gesamte Hülle) der mitteleuropäischen Projekte ist mit 0,26 W/m2K sehr niedrig (Abb. B 1.05). Dieser Standard wird bei Bauten aller Größenordnungen verfolgt. Projekte außerhalb heizungsdominierter Klimate erfordern hier weitaus weniger Aufwand ( ¯ Projektliste S. 176ff.). Nahezu alle recherchierten Gebäude besitzen Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Gleichwohl
sind höchste Effizienz der Wärmeübertrager (> 85 %) und niedriger Stromverbrauch (unter 0,5 W/[m3/h]) noch nicht selbstverständlich. Häufig kommen Erdregister zur Vorwärmung der Zuluft und Frostfreihaltung der Fortluft zum Einsatz. Bewohner bewerten die Luftqualität und den Lüftungskomfort überwiegend positiv und thematisieren zudem auffallend oft die große Menge des einfallenden Tageslichts sowie die Blickbeziehung nach außen. ( ¯ B 03, S. 64ff.; B 04, S. 68ff.; B 08, S. 89ff.). Das Verhältnis zwischen den Fensterflächen und der Nettogeschossfläche beträgt im Mittel 38 %, bei den besonders auffällig verglasten Gebäuden bis zu 50 %. Ein weiterer Grund für großzügige Öffnungen der Häuser stellen die passiven Solargewinne im Winter dar. Anders als bei den Nichtwohngebäuden zeigen alle Wohngebäude in mitteleuropäischen Klimaten eine ausgeprägt asymmetrische Fensterflächenverteilung mit Bevorzugung der Südrichtung. Diese werden meist durch außen angebrachte, bewegliche Jalousien oder Rollos verschattet ( ¯ B 03, S. 64ff.; Abb. B 1.03, S. 51). Während bei kleinen Einfamilienhäusern feste Auskragungen zur sommerlichen Verschattung nur selten in die Architektursprache integriert ( ¯ B 04, S. 68ff.) oder als additives Element vorgestellt werden ( ¯ B 01, S. 56ff.; B 07, S. 84ff.), reduzieren sie bei größeren Wohngebäuden vor allem als Dach- bzw. Balkonüberstände oder als mit Photovoltaikmodulen belegte Auskragungen große sommerliche Wärmeeinträge ( ¯ B 09, S. 94ff.; B 10, S. 100ff.; Sunny Woods, Abb B 1.10 und Projektliste S. 176).
O
P
Q
H H ng ule EF F rt rt M altu Sch e w e sw w er ert Nichtwohngebäude ich chs rt V sw gle glei swe ich r Ve Ver ich rgle le Ve rg Ve
R
S
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U
V
W
X
Durch Dämmdicken bedingte, tief eingeschnittene Fensterlaibungen bieten in der Regel keinen ausreichenden Sonnenschutz ( ¯ B 08, S. 89ff.). Die Erfahrungen zeigen, dass die Bewohner die sommerlichen Raumtemperaturen kritisch beurteilen. Andererseits werden Jalousien oft auch im Winter als Sichtschutz genutzt, reduzieren somit die gewünschten winterlichen Wärmeeinträge ( ¯ B 05, S. 72ff.) und bewirken mehr Kunstlichteinsatz ( ¯ B 03, S. 64ff.). Gebäudeautomationssysteme, die u. a. die Sonnenschutzsysteme steuern, werden zunehmend eingesetzt. Energieeinsparung ist nicht der prioritäre Fokus. Wintergärten als Pufferräume und bekanntes Attribut des solaren Bauens dominieren heute nicht mehr. Bei allen Beispielen aus den gemäßigten Klimaten wird auf eine aktive Kühlung der Wohngebäude verzichtet. Phasenwechselmaterialien oder dicke (Lehm-)Putzschichten ( ¯ B 03, S. 64ff.; B 02, S. 60ff.) führen eine erweiterte Wärmepufferung herbei. Außerdem werden aus dem Verwaltungsbau bekannte passive Kühlstrategien über Lüftungskamine ( ¯ B 03, S. 64ff.) bzw. zeitgleich öffnende Fenster im unteren Fassaden- oder oberen Dachbereich ( ¯ B 04, S. 68ff.) adaptiert. Die beschriebenen Maßnahmen zur Energieeffizienz sowie ihre Kombination reduzieren den Energiebedarf der Wohngebäude auf dem Weg zum Nullenergiehaus um nahezu 60 % im Vergleich zu Standardbauten, die nach den jeweils gültigen Energieverordnungen gebaut wurden. PROJEKTE + ERFAHRUNGEN
Siedlungen nur TGA-Bilanz Siedlungen Gesamtbilanz kleine Wohngebäude nur TGA-Bilanz kleine Wohngebäude Gesamtbilanz
80 70 60 50 40
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 1
B 1.07 B 1.08
53
0,8 0,6
0,2
10
0 80
STROMSPAREN Auch wenn HaushaltsstromverB 1.05 der mittlere U-Wert der Gebäudehülle von Wohngebäuden als Funktion von der Kompaktheit, dargestellt für die bräuche in den normativen Energiebilanzierungen Bauten an heizungsdominierten Standorten bisher nicht enthalten sind (siehe Die Bilanzgrenzen, B 1.06 Stromverbrauch der Wohngebäude aufgeteilt in HausS. 32f.), werden sie häufig in die Bilanzen der Gehaltsverbräuche und solche der Technischen Gebäudebäude aufgenommen. Dass dies eine entscheidende ausrüstung. Gebäude mit Wärmepumpen sind aufgrund der erhöhten Verbräuche separat aufgeführt, bei den Anstrengung ist, zeigt Abb. B 1.06. Der nutzerspeübrigen Gebäuden kommt ein weiterer Energieträger zifische Stromverbrauch, im Fall der Wohngebäude hinzu. Quellen für die Vergleichswerte sind für die Wohnmeist durch »weiße Ware«, Beleuchtung oder Untergebäude: SIA 2031 bzw. das Passivhausprojektierungshaltungselektronik verursacht, übersteigt die Strompaket; für die Nichtwohngebäude: die Bekanntmachung verbräuche für die Gebäudetechnik im Mittel um das der Regeln für Energieverbrauchskennwerte; für den Nichtwohngebäudebestand: das Bundesministerium für Vierfache; bei den elektrisch beheizten Bauten liegt Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Anteil des Haushaltsstromverbrauchs am GeB 1.07 installierte Leistung der Solarstromanlagen pro m2NGF, samtverbrauch immerhin noch bei 50 %. aufgeteilt in Gebäude mit dem Anspruch eines vollDurch die limitierte Energieerzeugung vor Ort (Abb. B 1.07) nutzen die Bewohner Haushaltsgeräte der höchsten Energieeffizienzklassen ( ¯ B 03, S. 64ff.), schließen Wasch- oder Spülmaschinen an das Warmwassernetz an ( ¯ B 05, S. 72ff.; B 07, S. 84ff.) und setzen Energiesparleuchten ein ( ¯ B 08, S. 89ff.). Bei Mietprojekten wird versucht, den fehlenden Einfluss auf diesen Bereich durch Nutzerinformationen zu kompensieren ( ¯ B 04, S. 68ff.; B 05, S. 72ff.; B 06, S. 78ff.). Im Gebäudebetrieb zeigt sich, dass die Maßnahmen mit wenigen Ausnahmen noch nicht den gewünschten Erfolg bringen. Die Stromverbräuche liegen oft nahe dem generellen Verbrauchsdurchschnitt ( ¯ B 06, S. 78ff.; B 09, S. 94ff.; Abb. B 1.06).
Hotel Supermarkt
1,0
20
große Wohngebäude Siedlungen
Bildung Fabrik
1,2
0,4
kleine Wohngebäude
Siedlung Verwaltung
1,4
30
0
ENERGIEVERSORGUNG Je geringer der Verbrauch ist, desto weniger eigene Erzeugung über Solarstromanlagen oder Blockheizkraftwerke wird be-
MFH EFH [m2 Dachfläche/m2NGF]
[Wp/m2NGF]
große Wohngebäude nur TGA-Bilanz große Wohngebäude Gesamtbilanz
400
2000
10000 [m2NGF]
ständigen Bilanzausgleichs und Gebäude, die nur den Primärenergiebedarf für Heizung, Lüftung und Warmwasserbereitung ausgleichen B 1.08 Dachflächen zur solaren Stromerzeugung als Verhältnis zur vorhandenen NGF bei den untersuchten Nullenergiegebäuden (Annahme: Flachdächer). Die Linie zeigt die Zunahme der Nutzfläche bei steigender Etagenzahl und gleichbleibender Dachfläche. Diese beträgt sowohl bei einer Etage mit 1000 m2 Nutzfläche als auch bei 7000 m2NGF auf sieben Geschossen ca. 1200 m2. B 1.09 sanierte ehemalige Mannschaftsunterkunft aus den 1930er-Jahren auf einem ehemaligen amerikanischen Militärstützpunkt, Bad Aiblinger Stadtteil Mietraching (D) 2010, SCHANKULA-Architekten / Diplomingenieure B 1.10 Sunny Woods (1387 m2NGF), Zürich (CH) 2001, Beat Kämpfen
B 1.09 B 1.10
54 B 1.11 Wohnhaus R128 (ca. 250 m2NGF), Stuttgart (D) 2001, Werner Sobek. Eine 52 m2 große Solarstromanlage gleicht den Strombezug für Wärmepumpe und Haushalt aus. B 1.12 75 m2 Sonnenkollektoren, 750 m2 Solarstrommodule und eine Erdsonden-Wärmepumpe versorgen die 5900 m2 umfassende Nullenergiesiedlung mit Energie. Watt (CH) 2010, Beat Kämpfen B 1.13 Energy flex house (216 m2NGF), Taastrup (DK) 2009, HENNING LARSEN ARCHITECTS B 1.14 Merkmale bekannter städtischer und städtebaulicher Projekte
B 1.11
nötigt. Eine Querschnittsauswertung in Verbindung mit allen Nichtwohngebäuden zeigen Abb. B 1.08, S. 53, sowie Abb. B 2.12, S. 118. Neben ökonomischen Vorteilen bietet dies vor allem eine größere gestalterische Freiheit, da je nach Verhältnis zwischen Wohn- und Dachfläche diese nicht zwingend komplett mit Photovoltaikmodulen belegt ( ¯ B 04, S. 68ff.) oder gar im Entwurfsprozess extra erweitert werden muss (Abb. B 1.08, S. 53). Fast alle Nullenergieprojekte nutzen Solarstromanlagen. Im Durchschnitt setzen kleine Wohngebäude zum primärenergetischen Ausgleich ihrer kompletten Energiebezüge knapp 40 Wp /m2NGF ein. Werden allein die Energieaufwendungen für die Haustechnik betrachtet, beläuft sich der Wert auf gut die Hälfte. Bei Sanierungsprojekten oder solchen ohne solarthermische Anlagen werden größere Anlagen eingesetzt (Abb. B 1.07, S. 53). Sehr effiziente Gebäude mit verbrauchsarmen Haushalten kommen aber auch mit deutlich weniger Photovoltaik aus. Der Einsatz von Biomasse zur Beheizung hat durch die niedrige primärenergetische Bewertung Vorteile in Bezug auf die Fläche der Solarstromanlagen zum Bilanzausgleich. Bei größeren Wohn- oder Siedlungsgebäuden sind die Photovoltaikanlagen im Verhältnis zur Wohnfläche in etwa halb so groß wie die der Einfamilienhäuser. Hier überwiegen primärenergetisch vorteilhafte Biomasseheizungen bzw. Anlagen zur Kraft-WärmeKopplung, die eine Stromerzeugung vor Ort über die Solarstromanlagen hinaus ermöglichen. Die Erträge aus der Kraft-Wärme-Kopplung überschreiten die der Solarstromanlagen. Teilweise werden auch Windkrafträder in die Bilanz einbezogen ( ¯ B 07, S. 84ff.). »Kraftwerk B in Bennau« erzeugt ein großes Plus an Solarwärme und führt dieses über ein kleines Wärmenetz zum Bilanzausgleich an Nachbargebäude ab ( ¯ B 05, S. 72ff.). Im Siedlungsmaßstab variiert die installierte Photovoltaikleistung aufgrund gänzlich unterschiedlicher Versorgungsansätze. Die 1998 erbaute Passivhaussiedlung am Kronsberg in Hannover ( ¯ Projektliste S. 176) deckt die Energiebezüge gänzlich über externe Windkraftanlagen. Die »Plusenergiesiedlung in Weiz« ( ¯ B 10, S. 100ff.) nutzt den Vorteil des Siedlungsmaßstabs nicht. Hier versteht sich jedes Haus als Nullenergiehaus. Im Quartier Bad Aibling (Abb. B 1.09, S. 53) erzeugen Neubauten mehr Energie als sanierte
Gebäude. Hier unterscheiden sich die realisierten solarthermischen und photovoltaischen Flächen deutlich. Einige der Neubauten weisen eine Solarstromleistung von 43 Wp /m2NGF auf. Das Beispiel in Abb. B 1.09, S. 53 führt dem eigenen Nahwärmenetz der Siedlung mit in Summe 2000 m2 Solarkollektoren Wärme zu. Die sehr großen Photovoltaikanlagen der »Plusenergiesiedlung in Freiburg« ( ¯ B 09, S. 94ff.) könnten auch kleiner ausfallen, ginge es rein um den Bilanzausgleich für die Siedlung selbst. Eine chronologische Betrachtung kleiner Wohnbauten zeigt eine Tendenz zur Verringerung der PV-Flächen. Verbesserte Anlagenwirkungsgrade und eine erhöhte Energieeffizienz der Gebäude werden diesen Trend in den nächsten Jahren vorantreiben. Diese Notwendigkeit veranschaulicht Abb. B 1.08, S. 53. Das theoretisch ermittelte Potenzial von Dachflächen (hier vereinfacht als Flachdächer betrachtet) zur solaren Energiegewinnung pro m2NGF bei bekannten Nullenergiegebäuden zeigt, dass bisher nicht verdichtet gebaut wird. Im Wohnsektor entstehen selten Gebäude mit mehr als drei Geschossen, da größere Wohnflächen einen höheren Verbrauch und im Verhältnis weniger PV-Fläche bedeuten. Dies ist auf Verwaltungsbauten übertragbar. Sobald größere und dichtere (Nichtwohn-)Gebäude entstehen, nimmt die Anzahl der Geschosse bei den bisher realisierten Nullenergiegebäuden noch weiter ab und die Gebäude werden flächiger. DECKUNG DES WÄRMBEDARFS Dreiviertel der Nullenergiewohngebäude nutzen thermische Solaranlagen. Dabei reichen 0,04 m2 Kollektorfläche pro m2NGF bei kleinen Wohnhäusern bzw. 0,03 m2/m2NGF bei größeren Wohngebäuden aus, um ca. 60 % solare Deckung an der Trinkwarmwassererwärmung zu erreichen. Bei solarthermischen Anlagen mit Heizungsunterstützung variieren die Flächen je nach Einbindung in das Heizsystem. Die Anlagen größerer Wohngebäude nutzen Solarwärme über Pufferspeicher oder versorgen Nachbargebäude. Hier steigt die mittlere Kollektorfläche signifikant an (0,27 m2/m2NGF). Bei einigen kleinen Wohnhäusern dienen die Kollektoren als Wärmequelle für die Wärmepumpe ( ¯ B 04, S. 68ff.; Energy flex house, Abb. B 1.13 und Projektliste S. 176). Auffällig oft wird das Gestaltungspotenzial von Vakuumröhrenkollektoren genutzt ( ¯ B 08, S. 89ff.; PROJEKTE + ERFAHRUNGEN
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 1
55
STADT
Realisie- Einwohnerrung zahl
STADTTEIL
VON DER SIEDLUNG ÜBER DAS QUARTIER ZUR STADT Bei städtebaulichen Konzepten muss nicht zwingend jedes Gebäude eine ausgeglichene Bilanz aufweisen ( ¯ B 09, S. 94ff.), da sie die Chance einer gemeinsamen Wärmeversorgung durch ein Nahwärmenetz bieten. Im städtebaulichen Maßstab übernehmen die Netze in Kombination mit einzelnen Solaranlagen auf den Gebäuden die Bereitstellung erneuerbarer Energie ( ¯ B 12, S. 108ff.). Es wird möglich, sanierte Bestandsgebäude mit mäßiger Energieeffizienz mit aufzunehmen sowie eine nicht zu ändernde, feste Gebäudeausrichtung oder ungünstige A / V-Verhältnisse auszugleichen ( ¯ Bad Aibling, Projektliste S. 176). Der städtebauliche Maßstab ermöglicht dabei einen Facettenreichtum (Abb. B 1.12). Für derartige Ansätze bedarf es eines übergreifenden Akteurs, der die Idee der Gemeinschaft formuliert und in das Energiekonzept überführt ( ¯ B 09, S. 94ff.; B 11, S. 103ff.; B 12, S. 108ff.).
B 1.12 B 1.13 B 1.14
SIEDLUNG
Sunny Woods, Abb B 1.10 und Projektliste S. 176). Die Einbindung von Fassadenkollektoren spielt hingegen bisher eine untergeordnete Rolle ( ¯ B 05, S. 72ff.; Sunny Woods und Einfamilienhaus Thening, Projektliste S. 176). Auch zur Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser gibt es erste Pilotanwendungen ( ¯ B 05, S. 72ff.). In den letzten Jahren stieg die Zahl der Nullenergiegebäude mit Wärmepumpen stark an. Sie machen mittlerweile 65 % der Wärmeerzeuger in NullenergieWohngebäuden aus. Die verbesserte Technologie samt systematischer Einbindung in Systemlösungen, sinkende Preise sowie der mögliche Verzicht auf einen Gasanschluss, auf Biomasseanlieferung und Lagerflächen machen Wärmepumpen attraktiv (Abb. B 1.11). Üblicherweise werden in den bekannten Nullenergiegebäuden Wärmepumpen mit Jahresarbeitszahlen von größer drei eingesetzt: Einer mittleren thermischen Leistung von 22 Wth /m2NGF steht dabei theoretisch eine elektrische Anschlussleistung von 6,5 Wel /m2NGF gegenüber. Die wenigen hierzu vorhandenen Messwerte zeigen in der Tendenz, dass dies eingehalten wird oder günstigere Verhältnisse erreicht werden ( ¯ B 08, S. 89ff.). Schwerpunktmäßig kommen im Wohnsektor aus Kostengründen (Fort-)Luft-Luft-Wärmepumpen, bei den kleinen Bauten auch solche in Verbindung mit Erdsonden, zum Einsatz.
Sied- Einwohner/ ha lungsgrund [ha] [Pers/ha]
GFZ
Deckung Wärme-/Kälteenergieverbrauch
Stromerzeugung
[Jahr]
[Personen]
1. Bauabschnitt Masdar, Masdar (VAE)
Bauphase
8600
59
145
1,68
PV, GeoGeothermie, Absorptionskälte, thermie, Solarthermie, Biomasse-KWK Biomasse-KWK
Stadtteil Vauban, Freiburg (D)
2007
5000
38
132
1,20
lokal, holzgefeuertes BHKW und Kessel
tw. PV
Bad Aiblinger Stadtteil Mietraching (D)
2012
0,09
100 % erneuerbar über Nahwärmenetz (KWK und Solarthermie), dezentrale Wärmepumpen
PV, KWK, Wasserkraft
Bo01, Malmö (S)
2009
2000
22
91
1
100 % erneuerbar, Geothermie, Biogas
PV
Plusenergiesiedlung, Freiburg (D)
2006
170
1,1
155
0,72
lokal, holzgefeuerter Kessel
PV
Plusenergiesiedlung Ludmilla-Wohnpark, Landshut (D)
2011
180
2,2
84
1,05
dezentrale Wärmepumpen mit Erdkollektoren und Nahwärmenetz mit KWK
KWK, PV
Plusenergiesiedlung, Weiz (A)
2008
66
0,7
94
0,30
dezentrale Wärmepumpen pro Wohneinheit
PV
Siedlung BedZED, Sutton (GB)
2002
220
1,2
183
0,74
zentrales BiomasseBHKW/-Kessel
BiomasseKWK, PV
Eulachhof, Winterthur (CH)
2007
300
1,2
250
0,74
Erd-/Fernwärme, dezentrale Wärmepumpen
PV
SunnyWatt, Watt (CH)
2010
50
0,4
125
0,68
semizentrale Wärmepumpen
PV
70
EINFAMILIENHAUS
56
Riehen, CH 2007
TGA
Das in Holzständerbauweise errichtete Zweifamilienhaus in Riehen/Schweiz wurde im Rahmen eines Förderprogramms des Kantons Basel verwirklicht. Das Programm für Pilot- und Demonstrationsbauten der 2000-Watt-Gesellschaft (siehe 2000-Watt-Gesellschaft, S. 14) in der Pilotregion Basel unterstützt fachlich und finanziell beispielhafte Projekte, die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte im Sinne des nachhaltigen Bauens verknüpfen. Durch die Versorgung eines MINERGIE-P-zertifizierten Gebäudes (siehe Schweiz, S. 43ff.) mit Solarenergie und Erdwärme wird im praktischen Betrieb in der Jahresbilanz ein Energieüberschuss erzielt. Da neben Strom kein weiterer Energieträger genutzt wird, gilt das Haus als typisches »Nur-Strom-Haus« (siehe
Nullenergiegebäude, S. 23ff.). Der kubische Baukörper mit Holzfassade und Sichtbetonelementen ist durch seine Architektursprache und seinen Effizienzgrad repräsentativ für über 6000 bislang (2010) errichtete Schweizer MINERGIE-Neubauten im Bereich der kleinen Wohnhäuser. Er spiegelt durch sein kompaktes Volumen, die maßvollen Öffnungen und den Verzicht auf Vor- und Rücksprünge den Effizienzansatz des Gebäudekonzepts wider. Weitere ökologische Aspekte sind natürliche und schadstoffarme Baumaterialien und eine Regenwassernutzung. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Nachdem zu Beginn der Planungen lediglich ein sehr effizientes Haus nach MINERGIE-Standard das
Bauherr: Familie Wenk-Furter, Riehen Architekt: Setz Architektur, Ruperswil Energieplaner: Ingenieurbüro für energieeffizientes Bauen Otmar Spescha, Schwyz Technische Gebäudeausrüstung /Photovoltaik: BE Netz – Bau und Energie, Luzern Monitoring: Familie Wenk-Furter Hauptakteure: Bauherr und Architekt
B 01.01 B 01.02
KLEINE WOHNHÄUSER
[kWh/m2NGFa]
Haushaltsstrom Lüftungsanlage
Wärmepumpe Solarstromanlage
8 7
57
6 5 4 3 2 1 0 Jan
Feb
Mrz
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
6
3 B 01.01 Lageplan, Maßstab 1:2000 B 01.02 Ansicht von Südwesten B 01.03 monatliche Strombilanz
B 01.04 Schnitt, Maßstab 1:500 B 01.05 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:500 B 01.06 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:500
Ziel der Bauherrenfamilie ist, wird das Interesse an einem Gebäude mit positiver Energiebilanz durch eine Förderung des Kantons Basel zum Pilotprojekt »Plus-Energie-Gebäude« geweckt. 40 % der Kosten der Solarstromanlage werden im Rahmen des Programms gefördert. Die Anlage ergänzt die ohnehin geplanten thermischen Solarkollektoren auf dem Dach. Dank einer über 20 Jahre garantierten Einspeisevergütung in Höhe von 65 Rp/kWh (ca. 48 Ct/kWh) wird sich die Solarstromanlage nach 12 Jahren mehr als amortisieren.
terte Holzfassade aus sägerauer Weißtanne in Verbindung mit der Holzrahmenbauweise. Die Rahmenzwischenräume sind mit 38 cm Steinwolle gedämmt. Eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sorgt für niedrige Lüftungswärmeverluste sowie gute Luftqualität und erfüllt damit entscheidende Kriterien des MINERGIE-P-Labels. Die Innenraumluftbelastung mit Formaldehyd und flüchtigen organischen Verbindungen (Total Volatile Organic Compounds – TVOC) wird nach Fertigstellung des Rohbaus und drei Monate nach Einzug mittels Luftschadstoffmessungen überprüft. Die empfohlenen Richtwerte des schweizerischen Bundesamts für Gesundheit werden um mehr als 50 % unterschritten.
ARCHITEKTUR Große Fensterflächen auf der südlichen Gartenseite lassen viel Tageslicht in die Innenräume und unterstützen die passive solare Energienutzung (Abb. B 01.02). Die Nordseite zeigt deutlich weniger und kleinere Fenster. Außenseitige Lamellenjalousien sowie stellenweise Dachüberstände bringen die notwendige Verschattung. Bei dem Gebäude wird viel Wert auf eine ökologische und ökonomische Bauweise gelegt (Abb. B 01.04 – 06). Sichtbares Merkmal ist die vorbewitEINFAMILIENHAUS IN RIEHEN
ENERGIEEFFIZIENZ Kern und Grundlage des Energiekonzepts sowie der positiven Energiebilanz ist die durch das Label MINERGIE-P vorgegebene Effizienz des Gebäudes. Die äußerst kompakte Bauweise, eine mit 38 cm Steinwolle sehr gut isolierte und dicht ausgeführte (Luftdichtigkeitswert n50 = 0,5 1/h)
5
1 2 3 4 5 6 7 8
3 2
3
3
3
3
Büro Bad Zimmer Wohnen Essen Küche Terrasse Garage
6 7
2
5 a
a 1
4
8
B 01.03 B 01.04 B 01.05 B 01.06
Primärenergiegutschrift [kWh/m2NGF a]
58
150
ie
rg
ne
N
120
e ull
90
60
30
0 0
30
60 90 120 150 Primärenergiebezug [kWh/m2NGFa]
Folgende Aspekte ergeben den NEH-29-Standard: z gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch inklusive Haushaltsstrom (87 kWh/m2a) z Eigenbedarfsdeckung durch monatlich anrechenbare Erträge (60 kWh/m2a) z saisonaler Ausgleich verbleibender Verbräuche z jährliches Energieplus, Einspeisung ins öffentliche Stromnetz (28 kWh/m2) Primärenergiefaktoren nach SIA 2031 (siehe Abb. A 2.07, S. 31)
B 01.07 B 01.08
opake Gebäudehülle, Passivhausfenster mit U-Werten von 0,84 W/m2K, die Lüftung mit effizienter Wärmerückgewinnung und solarthermische Flachkollektoren zur Unterstützung der Warmwassererzeugung führen zu einem geringen Wärmebedarf. Darüber hinaus sparen effiziente Haushaltsgeräte Strom. ENERGIEVERSORGUNG Die Erdwärme wird über eine 120 m tiefe Bohrung erschlossen und als Wärmequelle für eine Sole-Wasser-Wärmepumpe sowie zur Vortemperierung der Zuluft im Sommer genutzt. Die 14,4 kWp umfassende Solarstromanlage zum Ausgleich des Restenergiebedarfs ist ebenso auf dem Flachdach aufgeständert wie die 7,5 m2 großen Solarkollektoren. Der Anstellwinkel der insgesamt 84 m2 Photovoltaikmodule beträgt 10 Grad, der der Flachkollektoren etwa 30 Grad. Beide Anlagen sind von der Straße kaum einsehbar und erhalten somit die kubische Form des Baukörpers. Über das Jahr gesehen, deckt der Solarkollektor ca. 60 % des Wärmebedarfs der Warmwassererwärmung. Der restliche Wärmeverbrauch wird über die Wärmepumpe gedeckt. Die im Winter über die Lüftungsanlage eingebrachte Außenluft wird über ein Polyethylen-U-Rohr als Erdwärmesonde vorgewärmt. Zur Raumtemperierung dient darüber hinaus eine Fußbodenheizung. Im Sommer kann über eine Umkehrfunktion die Zuluft und damit das Wohnhaus leicht gekühlt und dem Erdreich ein Teil der im Winter entzogenen Wärme zurückgegeben werden (Abb. B 01.09). Die Systeme sind den Ansprüchen im Wohnhaus entsprechend einfach gehalten. Die gute und einfache Bedienbarkeit trägt zum hohen Komfortniveau bei. ENERGIEBILANZ Das Gebäude weist eine positive Jahresenergiebilanz auf. Insgesamt produziert die Solarstromanlage ca. 30 % mehr Strom, als für Heizung, Warmwasser, Lüftung und den gesamten Haushalts- sowie Betriebsstrom des Einfamilienhauses samt 2-Zimmer-Einliegerwohnung verbraucht wird. Die PV-Anlage wird netzgekoppelt betrieben. Da allein Strom als Energieträger eingesetzt wird, können Verbrauch und Erzeugung unmittelbar ohne den Umweg über die primärenergetische Gewich-
tung bilanziert werden. Generierter Strom wird dem Bezug aus dem Netz gegenübergestellt. Der Betrieb des Hauses fordert nach Auswertung der Verbrauchszahlen mehr Energie als durch die Planungswerte prognostiziert (Abb. B 01.03, S. 57, und 10). Aus einer monatlichen Betrachtung lässt sich die Optimierung der Solarstromanlage auf den maximalen Ertrag und nicht die Priorisierung der Eigenverbrauchsdeckung erkennen. Die finanzielle Vergütung für Solarstrom und die Freiheiten des Flachdachs bewirken eine optimierte Neigung und Ausrichtung hin zur ergiebigen Sommersonne. Es kommt zu großen Energieüberschüssen in den sechs mittleren Monaten des Jahres, während ein deutliches Minus in den Wintermonaten November bis Februar auszumachen ist. Lediglich im März und Oktober decken sich Ertrag und Verbrauch. Da die Wärmepumpe aufgrund von wärmeren Temperaturen und des Einsatzes der Solarkollektoren zur Warmwassererzeugung in den Monaten April bis September kaum in Betrieb ist, verstärkt sich dieses Ungleichgewicht. Dem Stromertrag steht nur der Verbrauch für Haushalt und Lüftung gegenüber. Der für ein MINERGIE-P-Gebäude vergleichsweise hohe Stromverbrauch lässt dabei weder besondere Sparmaßnahmen erkennen noch auf einen außerordentlichen Stromverbraucher schließen. Wegen der positiven Energiebilanz wird die Herstellungsenergie über den Lebenszyklus teilweise kompensiert. Für einen Gesamtausgleich der grauen Energie ist der Überschuss jedoch zu gering (Abb. B 01.07). ERFAHRUNGEN Das Fazit der Bewohnerfamilie nach zwei Betriebsjahren ist durchweg positiv. Die Lüftungsanlage erzeugt ein angenehmes Innenraumklima, und die Kühlung der Zuluft im Sommer schützt in Kombination mit der außen liegenden Verschattung vor Überwärmung. Es bedarf keiner großen Einschränkungen im Lebensstil oder im Energieverbrauch, um mehr Energie zu erzeugen als zu verbrauchen. Das Gebäude erhält den Schweizer Solarpreis 2008 in der Kategorie Neubauten. Hierbei wird die sorgfältige Integration der Solaranlagen im Bezug auf das formal reduzierte Gebäude sowie die Innovationskraft des einfachen Energiekonzepts bewertet. KLEINE WOHNHÄUSER
Endenergiebezug
Energieverbrauch
erneuerbare Energie
Solarstromanlage
Erdsonde
thermische Solarkollektoren
Abluft
59 B 01.07 B 01.08 B 01.09 B 01.10
Zuluft
Wärmepumpe Lüftung Wärmepumpe
Speicher
Trinkwarmwasser
Heizung
[Endenergie kWh/m2NGFa]
Energieerzeugung gebäudenah
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
energetische Charakterisierung Ansicht von Nordosten technische Übersicht der Energieversorgung Jahresenergiebilanz bezogen auf m2NGF für das Jahr 2009 (gemessene Werte) B 01.11 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF) Photovoltaik Haushaltsstrom
50
40
30
20
elektrische Verbraucher
Stromnetz
10
0 Stromverbrauch
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Riehen (CH) 1100 kWh/m2a 10,1 °C suburban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Kellerdecke/Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,12 0,84 0,11 0,10 0,19
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
7,50 m2 0,03 m2/m2 84 m2 0,36 m2/m2 14,40 kWp 47,60 Wp /m2
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz Energieträger Bezug Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskomponenten, MINERGIE-P-Konzept, mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Solarthermie, Sole-WasserWärmepumpe, Photovoltaik, ökologische Baustoffe
EINFAMILIENHAUS IN RIEHEN
Stromertrag
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300 /400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
302,4 m2 315 m2 1600 m3 858 m2 0,54 m2/m3 2020 €/m2 (2007) 2 Stück 7 Personen
VERBRAUCHSKENNWERTE (2009) Heizwärmeverbrauch Wassererwärmungsverbrauch Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieeinspeisung gesamt
kWh/m2a 11 14 5 29 87 115
B 01.09 B 01.10 B 01.11
WOHNHAUSSANIERUNG
60
Stossau, A 2011
TGA
Bauherr: Rudi Moschik, Stossau Architekt: Christian Bergmeister, Kärnten Energieplaner: Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), Gleisdorf Technische Gebäudeausrüstung: Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), Gleisdorf Monitoring: Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), Gleisdorf Hauptakteur: Bauherr
Das mehr als 350 Jahre alte Wohngebäude samt dem ehemaligen bäuerlichen Anwesen wird 1999 der Familie Moschik in der sechsten Eigentümergeneration übergeben. Es befindet sich in Kärnten nahe der österreichisch-italienischen Grenze und ist durch altes, durchfeuchtetes Mauerwerk, schiefe Wände, kaum gedämmte Böden und undichte Fenster stark sanierungsbedürftig. Der Ausblick auf die Kärntner Bergwelt, der Charme der alten Gewölbe- und Baustruktur sowie die Verpflichtung des 250 Jahre währenden Familienbesitzes bewegen den Besitzer dazu, auf einen geplanten Wohnungskauf zu verzichten, das Gebäude zu sanieren und dabei umfassend energetisch zu ertüchtigen. Nachdem die Außenbauteile des Hauses gedämmt und eine Lüftungsanlage eingesetzt sind, wird der verbleibende Wärmebedarf über eine große solarthermische Anlage in Verbindung mit einem durch Pellets gespeisten Holzvergaserkessel gedeckt. Der gesamte Stromverbrauch und das Primärenergieäquivalent für den Holzeinsatz werden durch eine netzgekoppelte Solarstromanlage in der Jahresbilanz ausgeglichen.
ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Die Tätigkeit des Bauherrn als Planer großer solarthermischer Anlagen prägt das Sanierungs- und Energiekonzept. Nach der Übernahme im Jahr 1999 wird eine Planung erarbeitet, die einen sensiblen Umgang mit der Bausubstanz und das Bewohnen während der Sanierungszeit ermöglicht. Die umfangreichen Putz- und Trockenbauarbeiten im Inneren schließen eine rasche Sanierung aus. Das energetisch und ökologisch anspruchsvolle Konzept wird in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie AEE Kärnten entwickelt. Die günstige Lage hoch über der Nebelgrenze spielt dabei für die Solarenergienutzung eine wichtige Rolle. ARCHITEKTUR Das Gehöft besteht aus einem ehemaligen Stall, einem Wirtschaftsgebäude und einem separaten Wohnhaus (Abb. B 02.01 und 02). Das Ensemble bildet einen gemeinsamen Hof. Charakteristisch ist die Lage des Stall- und Wirtschaftsgebäudes: Die Südorientierung ist historisch nutzungsbedingt, da die vorherigen Generationen von der Milch- und Viehwirtschaft lebten. Das Wohngebäude galt als nebensächlich für die Bewirtschaftung und ist
B 02.01 B 02.02
KLEINE WOHNHÄUSER
daher nordseitig gelegen. Es bietet sich also an, die Solarstromanlage auf dem deutlich besser orientierten Dach des ehemaligen Stalls zu installieren. Der erzeugte Strom fließt dennoch in die Energiebilanz des Wohnhauses ein. Die gemeinsame Fläche der sanierten Wohn- und Wirtschaftsgebäude übersteigt die Wohnbedürfnisse der Eigentümerfamilie deutlich. Daher werden nicht genutzte, überschüssige Räume und Innenbereiche des Wohnhauses als Pufferräume eingeplant und eine thermische Zonierung vorgenommen. Der Wohnbereich als Kern des Hauses befindet sich im ersten Obergeschoss (Abb. B 02.04). Im Inneren prägen bestehende Ziegelgewölbe das Wohnhaus. Deshalb werden Eingriffe in die Grundrissstruktur nur im unbedingt notwendigen Ausmaß vorgenommen, um vorhandene Gewölbe nicht zu zerstören (Abb. B 02.06, S. 63). Ein Ausbau des Dachgeschosses wird erst in der letzten Sanierungsetappe 2011 fertiggestellt sein. Im Erdgeschoss des nicht unterkellerten Gebäudes liegen die Hauswirtschaftsund Lagerräume sowie ein Gästezimmer mit eigenem Bad (Abb. B 02.03). In die bauliche Struktur des Erdund Obergeschosses mit 50 – 60 cm dicken Außenwänden aus Steinmauerwerk wird nicht eingegriffen.
2
Auch die traditionelle Putzoberfläche wird nach der Sanierung nachempfunden. Die ursprüngliche Struktur der Fassadenübergänge zu den Fenstern bleibt erhalten. Bei der Wahl eines außen aufzubringenden Dämmstoffs werden baubiologisch wenig bedenkliche Materialien mit geringer Herstellungsenergie verwendet: Gängige Materialien eines klassischen Vollwärmeschutzes wie Styropor oder Polyurethan scheiden dabei aus. Es kommen 10 cm dicke Mineralschaumplatten zum Einsatz. In Verbindung mit einer Innendämmung aus Schilf, Heraklith und Lehmputz wird ein U-Wert von 0,37 W/m2K erreicht. Der Lehmputz wirkt in besonderer Weise feuchtigkeitsregulierend, da viel Feuchtigkeit aufgenommen und bei Bedarf zeitverzögert abgegeben werden kann. Die bautypischen Verzierungen an Fenstern und Türen waren nur noch rudimentär vorhanden. Sie werden daher in Eigenleistung des Bauherrn aus Mineralstoffplatten originalgetreu nachmodelliert, um den ursprünglichen Charakter des Hauses beizubehalten. Die Laibung ist somit besser gedämmt, wobei nicht die dämmtechnische Wirkung, sondern die Optik im Vordergrund steht. Die alten, einfachverglasten Fenster werden gegen dreifach-
3
61 ENERGIEEFFIZIENZ UND SANIERUNGSKONZEPT Trotz der sehr alten Baustruktur führen eine konsequente Dämmung aller Außenbauteile und das Herstellen einer luftdichten Gebäudehülle zu einem Niedrigenergiehaus. Da ursprünglich keine Bodenplatte vorhanden ist, kann der Boden im Gebäude entfernt, mit 10 cm extrudiertem Polystyrol-Hartschaum gedämmt und neu aufgebaut werden. Die oberste Geschossdecke zum ungeheizten Dachraum wird oberhalb der Sparrenlage bzw. Gewölbedecke mit einer 30 cm dicken Schicht aus Zellulosedämmstoff gedämmt. Eine Luftdichtigkeitsprüfung wird nicht vorgenommen. Im Planungsstadium wird mit einem gegenüber dem Altbau verbesserten Wert von 2,5 h-1 gerechnet. Ein deutlich besserer Wert lässt sich durch die vielen sichtbaren Holzbalken und deren Anschlüsse in das Mauerwerk vermutlich nicht ohne Weiteres erreichen. Wesentlich für die Reduktion des Wärmebedarfs ist eine zentrale Lüftungsanlage mit einem
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
4
1
verglaste Fenster mit gedämmtem Holz-Alu-Rahmen getauscht. In einigen Fällen werden Kastenfenster montiert. Der U-Wert schwankt daher zwischen 0,95 und 1,44 W/m2K.
Eingang Küche Abstellraum Wohnen Schlafen Bad Heizraum Flur Kinderzimmer Pelletlager
8 7
10
6
2
3
5
6
4
5
9 B 02.01 B 02.02 B 02.03 B 02.04
WOHNHAUSSANIERUNG IN STOSSAU
Lageplan, Maßstab 1:1000 Ansicht von Süden Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:250 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:250
B 02.03 B 02.04
62
Wärmerückgewinnungsgrad von 75 %. Da sich eine Autobahn in Hörweite befindet, sorgt die Lüftungsanlage für eine gute Luftqualität bei den aus Schallschutzgründen meist geschlossenen Fenstern. Da eine vollständige Dampfdichtheit vor allem bei den Anschlüssen zu den alten Holzbalkendecken nicht 100-prozentig gegeben ist, drohen Schimmelbildung in den Innenräumen und Schäden im Bereich der Balkenköpfe. Dies verhindern die verbesserte Außendämmung der Fassade und eine kontrollierte Raumlüftung. Vom zentralen Lüftungsgerät verlaufen die vertikalen Lüftungskanäle im ehemaligen Kamin. Die horizontale Verteilung ist in die Hohlräume zwischen den Balken der Geschossdecke integriert. ENERGIEVERSORGUNG Das Versorgungskonzept baut auf einer kompletten Verbrauchsdeckung durch erneuerbare Energieträger auf. Die Lage in 611 m Höhe oberhalb der Nebelgrenze prädestiniert das Gebäude für die Solarenergienutzung. Eine erste, 10 m2 große Solarkollektoranlage wurde bereits 1990 installiert. Sie diente allein der Warmwasserbereitung. Zwei Jahre nach der Übernahme und noch vor den
energetischen Sanierungsmaßnahmen entscheidet der jetzige Eigentümer, den Verbrauch von bis zu zwei Tonnen Holzpellets in kalten Wintermonaten drastisch einzudämmen. Die Solarkollektoranlage auf dem um 41 Grad geneigten Wohnhausdach wird hierzu durch eine neue, 16 m2 große Solaranlage ersetzt und in den Heizkreis eingebunden. Eine neue Heizungsanlage mit einem 25-kW-Holzvergaserkessel, einem 500-Liter-Warmwasserspeicher und einem 1000-Liter-Pufferspeicher wird realisiert. Beide Speicher sind gedämmt und stehen im Technikraum des Erdgeschosses innerhalb der warmen Gebäudehülle. Die bestehende, alte 15-kW-Pelletkesselanlage wird im Zuge der Sanierung als Spitzenlastkessel beibehalten. Sie kann das Wohnhaus auch automatisch versorgen, wenn die manuelle Holzversorgung des Holzvergaserkessels ausbleibt. Die Wärmeabgabe erfolgt über eine Wandflächenheizung, die innerhalb der Innenverkleidung der Außenwände aus HolzwolleLeichtbauplatten eingelegt ist. Die Vorlauftemperatur bleibt unter 40 °C. Eine 5-kWp-Solarstromanlage gleicht primärenergetisch den Holzeinsatz und den gesamten Stromverbrauch aus. Die 40 m2 große
erneuerbare Energie
Endenergiebezug
Holzpellets
Energieerzeugung gebäudenah
Energieerzeugung Umgebung
ENERGIEBILANZ Die energetischen Maßnahmen spiegeln sich im Heizwärmebedarf von 71 kWh/m2a wider. Dieser ist für die Sanierung eines 350 Jahre alten Gebäudes gering. Durch die ebenfalls durchgehende Reduktion des Stromverbrauchs auf 10 kWh/m2a und die Stromerzeugung in Höhe von 5677 kWh im Jahr 2010 ist die Primärenergiebilanz nach den ersten beiden Jahren jeweils positiv. Die dazu vorgenommene primärenergetische Bilanzierung basiert auf den Primärenergiefaktoren des Passivhaus-Projektierungspakets 2007 (PHPP 2007, siehe Abb. A 2.07, S. 31). Als Bilanzgrenze wird die Grundstücksgrenze herangezogen und somit werden alle Verbraucher des Hofs bzw. die Solarstromanlage auf der Scheune erfasst. Die Betrachtung der Verbräuche umfasst neben der Wärmeenergie für die Raumheizung und das Warmwasser auch den Strom-
erneuerbare Energie
Solarstromanlage
Stromnetz
Anlage befindet sich auf dem Dach des Wirtschaftsgebäudes. Durch den Abstand zu den übrigen Gebäuden ist es, wie erwähnt, nahezu unverschattet. Zudem ist die Orientierung besser geeignet als die des Wohnhausdachs (Abb. B 02.05).
thermische Solarkollektoren
Energieverbrauch
Abluft
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Zuluft
Holzvergaserkessel
thermischer Speicher
Trinkwarmwasser
Pelletkessel
Pufferspeicher
Heizung
elektrische Verbraucher
B 02.05
KLEINE WOHNHÄUSER
verbrauch für die Beleuchtung, den Haushalt und die haustechnischen Anlagen. Eine weitere Verringerung des Heizwärmeverbrauchs sowie eine geringe Anpassung des Stromverbrauchs wird der Einbau der Lüftungsanlage mit der Wärmerückgewinnung ergeben. Ergebnisse aus einem Betriebsjahr mit WRGBetrieb liegen Anfang 2011 noch nicht vor. ERFAHRUNGEN Der Ertrag der Solarstromanlage ist aufgrund der vorteilhaften Lage mit 1120 kWh/kWpa sehr hoch. Der erzeugte Strom wird wegen des finanziell attraktiven Einspeisetarifs komplett in das öffentliche Leitungsnetz des lokalen Energieversorgers eingespeist. Der Bauherr denkt daher bereits an eine Erweiterung der Anlage auf knapp 20 kWp. Die Entscheidung hängt von der möglichen Förderung nach dem österreichischen Ökostromgesetz ab. Die Förderung von Anlagen erfolgt in Österreich mittels einer Tarifförderung, die im bundesweit gültigen Ökostromgesetz (ÖSG) geregelt ist. Die Höhe des Einspeisetarifvolumens und der Einspeisetarife wird jährlich per Ökostromverordnung (ÖSVO) neu geregelt (siehe Österreich, S. 45ff.).
Im Zuge der Übernahme des Wohngebäudes werden teilweise auch Haushaltsgeräte übernommen. Bereits vor dem Beginn der Sanierungsarbeiten und parallel dazu wird eine Reduzierung des Energieverbrauchs angestrebt. Dezentrale Stromzähler werden vor die Endverbrauchsgeräte geschaltet, identifizieren Großverbraucher und ermöglichen dadurch einen gezielten Austausch. 2008/2009 bewegt sich der jährliche Stromverbrauch für den Zweipersonenhaushalt um 1800 kWh. Familienzuwachs im Jahr 2010 sorgt nun für einen Anstieg auf 2400 kWh. Neben den Haushaltsgroßgeräten stellt die Beleuchtung einen wesentlichen Verbrauchsbereich dar. Die historische Bausubstanz mit den kleinen Fensteröffnungen und tiefen Laibungen sowie die innen liegenden Erschließungen, die im Bestand bereits ohne natürliches Licht auskommen mussten, bewirken einen hohen Kunstlichteinsatz. Eingriffe in die Substanz der tragenden Mauern oder eine Vergrößerung der Fenster sind aus formalen Gründen ausgeschlossen. Deshalb kommen im Treppenhaus und in den Fluren LEDs zum Einsatz. Für die Wohnbereiche hingegen wurden Energiesparlampen der höchsten Effizienzklasse gewählt.
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Stossau (A) 1229 kWh/m2a 7,2 °C rural
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Decke gegen unbeheizten Dachraum U-Wert Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,25 – 0,36 0,95 –1,44 0,11 0,37 0,36
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2 Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
16 m2 0,07 m2/m2 1500 l 6,30 l/m2 40 m2 0,17 m2/m2 5 kWp 20,80 Wp/m2
63
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Anlieferung der Holzpellets Energieträger Bezug Holzpellets, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Hüllflächendämmung, zentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Solarthermie, Biomassekessel, Photovoltaik, Baustoffökologie
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
B 02.05 technische Übersicht der Energieversorgung B 02.06 Gewölbedecke im Obergeschoss während der Sanierung B 02.07 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
WOHNHAUSSANIERUNG IN STOSSAU
240 m2 342 m2 1070 m3 696 m2 0,65 m2/m3 690 €/m2 (2010) 1 Stück 3 Personen
VERBRAUCHSKENNWERTE (Simulation) kWh/m2a Heizwärmeverbrauch 71 Warmwassererwärmung 9 Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) 102 Stromverbrauch 10 Primärenergieverbrauch gesamt 44 Primärenergieerzeugung gesamt 64
B 02.06 B 02.07
LIGHTHOUSE
64
Watford, GB 2008
TGA
Das Demonstrationsprojekt »Lighthouse« entstand 2008 als Großbritanniens erstes zertifiziertes ZeroCarbon-Home (Nullemissionshaus) im Standard des britischen »Code for Sustainable Homes« (Gesetz zu nachhaltigen Wohngebäuden – CSH). Ein Leitgedanke des kleinen Wohngebäudes in Watford nahe London ist die ausgeprägte aktive Nutzung der Sonnenenergie über Röhrenkollektoren und Solarstrommodule, die in die Haut des Dachs integriert sind. Das sich nach Norden hin öffnende Pultdach geht in einem Bogen ohne Materialwechsel in die Südfassade über. Hierdurch entsteht das charakteristische Bild des Hauses. Die dynamische Geste sowie die großflächige Verwendung hellen Kastanienholzes in Primär- und Sekundärstruktur brechen
Bauherr: Kingspan Off-Site, Kingscourt Architekt: Sheppard Robson, London Energieplaner: Arup, London Technische Gebäudeausrüstung: Davis Langdon, London; CCB Evolution, Bristol Monitoring: Kingspan Off-Site, Watford Hauptakteur: Bauherr
mit der englischen eher konservativen Architektursprache. Das Gebäude soll ein Symbol für einen angestrebten architektonischen wie auch energetischen Aufbruch in Großbritannien sein (Abb. B 03.05). In sämtlichen Planungen zu Energieverbräuchen, Konstruktion und Materialien steht die umfassende Ressourceneffizienz an vorderster Stelle. Der Energiebedarf wird durch ein dem Passivhaus ähnliches Konzept verringert und der Wärmebedarf anteilig durch Solarkollektoren und einen Holzpelletkessel gedeckt. Eine Solarstromanlage gleicht den kompletten Primärenergieeinsatz einschließlich des Haushaltsstrombedarfs über den Zeitraum eines Jahres aus.
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1 Eingang und Technik 2 Zimmer 3 Bad 4 Balkon
5 6 7 8 9
Wohnen Küche Essen Luftraum Arbeiten 5 6
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B 03.01 B 03.02 B 03.03 B 03.04 B 03.05
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KLEINE WOHNHÄUSER
ARCHITEKTUR Da das Gebäude als Demonstrationsprojekt eher temporären Charakter hat, ist es nicht unterkellert und nutzt zur Fundamentierung eine Schraubpfahl-Gründung aus Holzpfählen. Die Gründungspunkte lassen sich dadurch nach einem Abriss wieder entfernen. Die hierauf schwimmend aufgesetzte massive Betonstruktur des Erdgeschosses ersetzt eine Betonplatte und steift das Haus aus. Als zweieinhalbgeschossiges, allein stehendes Haus bietet das Lighthouse durch seine flexible Innenraumaufteilung zwei bis drei (Schlaf-)Zimmer auf ca. 90 m2. Die Innenraumflexibilität in allen drei Dimensionen stellt eine vielfältige und lange Nutzung durch verschiedene Bewohner in Aussicht und fördert somit auch die sogenannte soziale Nachhaltigkeit. Das um 40 Grad geneigte Dach, das in die Südfassade übergeht, und die massive Nordwand bilden eine einfache Bauform. Die Ausrichtung und Neigung ergeben sich aus der Optimierung von nutzbarem Innenraum und der Leistung von Solarstromanlage und der Solarkollektoren auf bzw. im Süddach, das der aktiven Energiegewinnung vorbehalten ist. Die 39 cm dicken, vorgefertigten Holz-Sandwichelemente in Wand und Dach haben einen 22 cm dicken Polyurethan-Hartschaum-Dämmkern in der Konstruktionsebene zwischen je zwei außen und innen lieLIGHTHOUSE IN WATFORD
genden OSB-Platten und erreichen einen U-Wert von 0,11 W/m2K. Die Außenwandkonstruktion ist sehr wärmebrückenarm ausgeführt. Gebäudeecken und Kanten an Öffnungen werden zusätzlich überdämmt. Windfänge an den beiden Eingängen dienen als thermische Pufferzonen und tragen zum hohen Niveau der Luftdichtheit bei. Ein Drucktest bescheinigt dem Gebäude einen n50-Wert von 0,8 h-1. Die Öffnungen der Südfassade sind gering, um eine sommerliche Überhitzung des größtenteils in Leichtbauweise erstellten Hauses zu vermeiden. Nur etwa 18 % der gesamten Fassadenfläche des Hauses ist verglast, davon ein Großteil in seiner westlichen Eingangsfassade. Stufenlos verschiebbare Sonnenschutzläden wirken als Sonnen- und Sichtschutz. Sie besitzen einen maximalen Abminderungsfaktor von 90 %, können jedoch komplett weggefaltet werden, um solare Gewinne zu ermöglichen. Die Fenster im gedämmten Holzrahmen besitzen mit Argon gefüllte Dreifach-Wärmeschutzverglasungen, deren Uw-Werte 0,7 W/m2K betragen. Die Wohnräume befinden sich auf einem Zwischengeschoss, das als offene Galerie oberhalb des Erdgeschosses angeordnet ist. Eine zentrale, offene Treppe schneidet durch die verschiedenen Ebenen und endet an den hoch gelegenen Nordfenstern (Abb. B 03.01– 03). Tageslicht fällt so über das Zwischengeschoss bis zu den Räumen im Erdgeschoss. Hier liegen die Schlafzimmer und ein Bad. Daneben befinden sich ein Hauswirtschafts- und Abstellraum sowie der Fahrradkeller (Abb. B 03.04). Der Abstellraum kann als Trockenraum genutzt werden, da die Abwärme des dort platzierten Heizkessels die Kleider trocknet. Nahezu sämtliche verwendeten Materialien sind mit Blick auf Nachhaltigkeit in der Herstellungsenergie ausgesucht. Viele Komponenten sind recyclingfähig oder bereits recycelt. ENERGIEEFFIZIENZ Das Energiekonzept von Lighthouse richtet sich nach den Vorgaben des britischen Labels Code for Sustainable Homes. CODE FOR SUSTAINABLE HOMES Der CSH bewertet seit April 2007 die Nachhaltigkeit neuer Gebäude, setzt Komfortmaßstäbe und fordert die Verbesserung im Umgang mit Energie, Materialeinsatz, Abfall und Wasser. Die Kategorie Energie und
65
B 03.01 B 03.02 B 03.03 B 03.04 B 03.05 B 03.06
Primärenergiegutschrift [kWhprim/m2NGFa]
ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Der Bauherr – ein Unternehmen, das Fassadensysteme und Lösungen für nachhaltige Gebäudekonzepte entwickelt und herstellt – lässt das Lighthouse als Demonstrationsprojekt im Innovationspark des Building Research Establishments (BRE) in Watford errichten. BRE ist eine unabhängige forschungsbasierte Unternehmensberatung, die Nachhaltigkeits- und Umweltexpertisen im Industriesektor und Wohnbereich anbietet. Der Park ist Teil ihrer Forschungseinrichtungen. Der Bau des Lighthouse geht auf den Entwurf des Architekten Sheppard Robson zurück, der den »Code for Sustainable Homes Level 6« (siehe Code for Sustainable Homes) ohne Komfortkompromisse und in neuem Design umsetzen wollte. Das enge Zusammenspiel mit den übrigen beteiligten Ingenieuren und ein klares energetisches Ziel ermöglichte eine Planungszeit von nur einem Monat, die Ausführung dauerte drei Monate.
Schnitt, Maßstab 1:200 Grundriss Obergeschoss, Maßstab 1:200 Grundriss Zwischengeschoss, Maßstab 1:200 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:200 Ansicht von Westen energetische Charakterisierung
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gie
er
en ull
N
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80
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0 0
40
80 120 160 200 Primärenergiebezug [kWhprim/m2NGFa]
Die teils berechneten Energieteilkennwerte zeigen, dass ca. 28 kWh/m2a des hohen Gesamtenergieverbrauchs nicht in der Monatsbilanz ausgeglichen werden können. Es ergibt sich der Standard NEH 28 sowie über das Jahr ein Energieplus: angenommener Jahres-Gesamtprimärenergieverbrauch (166 kWh/m2a) gebäudebezogener Primärenergieverbrauch (47 kWh/m2a) Verbrauchsreduzierung durch monatliche Stromerträge (138 kWh/m2a) Ausgleich verbleibender Verbräuche jährliches Energieplus (26 kWh/m2) Verwendete Primärenergiefaktoren nach Gemis 4.5 sowie nach EN 15 603 (siehe Abb. A 2.07, S. 31)
B 03.06
Energiebezug
Energieverbrauch
erneuerbare Energie
Solarstromanlage
Holzpellets
thermische Solarkollektoren
Abluft
66 2
Energieerzeugung gebäudenah
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Biomassekessel
Stromnetz
Pufferspeicher
PASSIVES ENERGIEKONZEPT Die Gipskartonund Faserzementplatten der Innenwandverkleidungen enthalten Phasenwechselmaterialien zur Verbesserung des sommerlichen Raumklimas (siehe
3
Zuluft und Heizung
Trinkwarmwasser
elektrische Verbraucher
B 03.07 B 03.08
CO2-Emissionen ist mit 36 % die am höchsten gewichtete von insgesamt neun Kategorien. Je nach Fertigstellungsjahr sind entsprechend viele Punkte zu erreichen und damit eines der sechs unterschiedlich gestuften Bewertungslevel für nachhaltige Häuser einzuhalten. Der anspruchsvollste Level 6 umfasst den Standard des Nullemissionsgebäudes und wird für Wohnbauten ab 2016 in England und Wales vorgeschrieben. Hierfür gelten u. a. die verpflichtende Deckung aller Verbräuche durch erneuerbare Energien vor Ort und ein mittlerer U-Wert der opaken Gebäudehülle von 0,11 W/m2K. Der Status des Nullemissionsgebäudes umfasst alle Energieverbrauchssektoren in einer Jahresbilanz. Der Energiegehalt von Baustoffen fließt nicht in die Energiebilanz ein, findet aber durch einen Nachhaltigkeitsnachweis im Label Berücksichtigung.
1
Phasenwechselmaterialien, S. 19). Tageslicht- und Lüftungskonzept sowie die Innenraumaufteilung sind miteinander verknüpft. Der zentrale Treppenraum als Licht- und Luftschacht bewirkt mit einem verglasten Windfang auf dem Dach einen Kamineffekt und ermöglicht dadurch eine natürliche Lüftung sowie die passive Kühlung. In geöffnetem Zustand fängt er kalte Außenluft und führt diese vorbei an den offenen Wohnräumen bis in die Schlafräume im Erdgeschoss. Sich ausbreitende und nach oben steigende warme Luft kann über gesteuerte Klappen entweichen. Um Stromverbräuche zu verringern, kommen für die innere Beleuchtung Kompaktleuchtstofflampen und außen LEDs zum Einsatz. Haushaltsgeräte sind durchgehend mit A++ ausgezeichnet. Wasserspararmaturen reduzieren den Durchfluss für Dusche und Waschbecken auf 8 l/min, was eine Ersparnis von 50 % im Gegensatz zu einem konventionellen Haus bedeutet. Für die Gartenbewässerung und das Wäschewaschen wird Regenwasser genutzt, und mithilfe eines Dual-Spülsystems wird
1 passive Entwärmung 2 passive Kühlung/ Lüftung 3 Solarstromanlage 4 Solarkollektor 5 Außenluft 6 Fortluft 7 Wärmerückgewinnung 8 Abluft 9 Zuluft 10 HolzpelletHeizkessel 11 Pufferspeicher 12 GrauwasserRecycling
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7
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Grauwasser für die Toilettenspülung verwendet. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Energieeffizienz und späteren Nutzersensibilisierung visualisieren Monitore neben allgemeinen Informationen alle (Energie-)Verbräuche. Das Lighthouse ist mit einer mechanischen Lüftungsanlage mit einem Wärmerückgewinnungsgrad von 88 % ausgestattet. Die elektrische Energieeffizienz der Gesamtanlage steht mit einem Wert von 3,31 W/(m3/h) hinter üblichen Anlagen zurück (Abb. B 03.08). ENERGIEVERSORGUNG Den Wärmebedarf für Raumheizung und Warmwasser deckt ein automatisch gespeister 10-kW-Holzpelletkessel in Verbindung mit der 4 m2 großen Vakuumröhrenkollektoranlage und einem 210-Liter-Pufferspeicher. Er ist per Wärmetauscher an den Zuluftstrang der mechanischen Lüftung angeschlossen. Die Erwärmung der Räume erfolgt allein über die Luftheizung. Planungen zufolge ist der Pelletkessel nur ca. sechs Wochen im Jahr in Betrieb. Der Pelletspeicher ist in das KLEINE WOHNHÄUSER
kleine Hausvolumen integriert, da ausgelagerte und damit eventuell feuchte Pellets Schäden in der Automatik des Heizkessels anrichten würden und weniger Wärmeenergie liefern. Aufgrund der konzeptionellen Raumminimierung des Hauses ist das Lager auf 0,25 m3 begrenzt. Eine 4,7-kWp-Photovoltaikanlage befindet sich auf dem geneigten Dach und gleicht sämtliche Energiebezüge über den Zeitraum eines Jahres primärenergetisch aus (Abb. B 03.07). ENERGIEBILANZ Ein »Smart-Meter-System« (intelligente Zähler) zeichnet Energieverbräuche und den entsprechenden Endenergiebezug bzw. die Gutschrift auf. Dabei können auch einzelne Verbraucher ausgemacht und besonders hohe Verbräuche oder Einsparungen veranschaulicht werden. Der Energiebedarf des Lighthouse wird in der Planung anhand des britischen Bewertungsverfahrens SAP (Standard Assessment Procedure – Standardbewertungsverfahren) berechnet. Der jährliche Strombedarf für Beleuchtung, Lüfter und Pumpen sowie der übrigen elektrischen Verbraucher beläuft sich auf ca. 52 kWh/m2NGFa. Dies entspricht bei einem Primärenergiefaktor nach EN 15 603 163 kWhprim/m2NGFa. Dem gegenüber steht ein Stromertrag von angenommenen 192 kWhprim/m2NGFa aus der 4,7-kWp-Solarstromanlage. Deren produzierter Energieüberschuss wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist und gleicht das Primärenergieäquivalent für die bezogenen Pellets in Höhe von ca. 3 kWhprim/m2NGFa aus. Der Energieverbrauch ist deutlich stromdominiert. Durch den dauerhaften Betrieb von Ventilatoren und Pumpen ist er geringfügig höher als der Durchschnittsverbrauch in Großbritannien. Da kein Gasanschluss vorhanden ist, wird auch kein wegen der hohen Strompreise in Großbritannien üblicher Gaskocher verwendet. Die berechneten jährlichen Energiekosten liegen bei einem Holzpelletpreis von 2,5 Ct/kWh und einem Strompreis von 15 Ct/kWh bei ungefähr 37 €/a und damit bei ca. 10 % der sonst üblichen Kosten eines im Jahr 2006 gebauten und vergleichbar großen Einfamilienhauses. Der Ertrag des Solarstroms wird nur in der Höhe der Strombezugskosten übernommen. Eine Vergütung von 42 Ct/kWh und über 25 Jahre gibt es in GroßbritanLIGHTHOUSE IN WATFORD
nien nur für Solarstrom von Anlagen, die nach Juli 2009 gebaut werden (Abb. B 03.06, S. 65). ERFAHRUNGEN Das Haus auf dem BRE-Forschungsgelände ist als Demonstrationsgebäude nicht bewohnt. Daher gibt es keine realen Nutzererfahrungen, sondern nur allgemeine Erkenntnisse: Einige Fenster in der ersten Etage sind zu hoch gelegen, sodass sie kaum geöffnet, geschlossen oder per Hand gereinigt werden können. Außerdem verfärbt sich das Kastanienholz der Fassade aufgrund der lokalen Witterungsverhältnisse tendenziell stärker als erwartet und verschlechtert somit im Laufe der Zeit sowohl das Aussehen des Hauses als auch die Bewertung der Nachhaltigkeit durch einen häufigeren Austausch der verwendeten Materialien. Der Pelletspeicher ist in das kleine Hausvolumen integriert, um die Pellets nicht zu durchfeuchten. Aufgrund der konzeptionellen Raumknappheit des Hauses ist das Lager sehr klein, wodurch sich bis zu drei Lieferungen pro Jahr ergeben. Für das als Demonstrationsobjekt realisierte Wohnhaus bestehen wegen des hohen Vorfertigungsgrads verschiedene Kompositionskonzepte vom allein stehenden Haus über eine Reihenhausidee bis hin zur Siedlungsgestaltung mit externer Wärmeversorgung über ein Biomasse-Blockheizkraftwerk oder externen Windkrafträdern. Bisher blieb diese Verbreitung allerdings aus.
B 03.07 technische Übersicht der Energieversorgung B 03.08 Technikkonzept im Schnitt, Maßstab 1:200 B 03.09 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Watford (GB) 950 kWh/m2a 10,4 °C suburban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Oberlichter (inkl. Rahmen) U-Wert Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,11 0,70 0,11 0,72 0,11 0,17
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2 Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
4 m2 0,05 m2/m2 210 l 2,70 l/m2 47 m2 0,59 m2/m2 4,70 kWp 59,50 Wp /m2
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NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Anlieferung der Holzpellets Energieträger Bezug Holzpellets, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskomponenten, mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Photovoltaik, Solarthermie, Biomassekessel, ökologische Baustoffe
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
79,05 m2 93 m2 432 m3 375 m2 0,87 m2/m3 2260 €/m2 (2008) 1 Stück 2 Personen
BEDARFSKENNWERTE (Berechnung) Heizwärmebedarf Wassererwärmung (Bedarf) Strombedarf Primärenergiebedarf gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
kWh/m2a 22 16 52 166 192 B 03.09
HOME FOR LIFE
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Lystrup, DK 2009
TGA
Bauherr: VKR Holding, Hørsholm Architekt: Aart Architekten, Aarhus Energieplaner: Esbensen Rådgivende Ingeniører, Aarhus Technische Gebäudeausrüstung: KFS Boligbyg, Støvring Monitoring: Ingenieurhochschule, Aarhus, und WindowMaster, Aarhus Hauptakteur: Bauherr
B 04.01 B 04.02 B 04.03 B 04.04 B 04.05
Am Stadtrand des dänischen Lystrup nördlich von Aarhus entstand 2009 das Einfamilienhaus »home for life« (dänisch: Bolig for livet). Es ist das erste von sechs europaweit realisierten Demonstrationsund Testgebäuden im Rahmen des Programms »Model Home 2020«. Dieses soll Lösungen und Strategien aufzeigen, wie zukünftig energieeffiziente Gebäude ohne Komforteinbußen für den Nutzer gebaut werden können, und zudem Erkenntnisse über die Kombination unterschiedlicher Technologien zur Energieeinsparung erbringen. Ein wichtiges Ziel und Kernpunkt des Projekts »home for life« ist der CO2-neutrale Betrieb des Gebäudes. Thermische Solarkollektoren und eine Wärmepumpe decken den Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser. Eine Solarstromanlage gleicht den kompletten Verbrauch des Nur-Strom-Hauses in der Jahresbilanz mehr als aus. Der berechnete Stromüberschuss von 11 kWh/m2NGFa soll die Herstellungsenergie des Gebäudes über den Zeitraum von etwa 40 Jahren ausgleichen.
ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Die dänische VKR Holding trug im Zuge des Programms »activehouse« mit ihren Töchterfirmen Velux und Velfac sowie regionalen Partnern, Architekten, Ingenieuren und Wissenschaftlern zur Realisierung von acht Wohn- und Nichtwohngebäuden in insgesamt fünf europäischen Ländern bei (siehe Abb. A 3.11, S. 46). Zwei dieser Gebäude entstanden in den Jahren 2009 bis 2011 als Teil des angegliederten Programms »Model Home 2020«, darunter auch das »home for life«. Ziele und Inhalte beider Programme sind höchste Ansprüche an Komfort, Energieeffizienz und Ästhetik bei einer positiven Bilanz der Betriebsenergie über den Lebenszyklus zum Ausgleich der grauen Energie der verwendeten Baumaterialien. Lösungen und Strategien sind neben einem niedrigen Heizwärmebedarf eine hohe Tageslichtausbeute, ein gesundes Raumklima durch kontrollierte Frischluftzufuhr, die Steuerung durch Hausautomation sowie der Einsatz erneuerbarer Energiequellen mit dem Schwerpunkt auf thermi-
Lageplan, Maßstab 1:750 Ansicht von Nordosten technische Übersicht der Energieversorgung Grundriss Obergeschoss, Maßstab 1:500 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:500
B 04.01 B 04.02
KLEINE WOHNHÄUSER
scher Solarenergie. Die realisierten Gebäude sollen als klimaneutrale Gebäude die Ziele der Europäischen Union für Neubauten ab dem Jahr 2020 mehr als erfüllen (siehe Europäische Union, S. 12f.). Bereits vor der Fertigstellung des »home for life« werden eine halbjährige unbewohnte Testphase und der anschließende Einzug einer vierköpfigen Familie festgelegt. Die Bewohner sollen unter technischer, wissenschaftlicher und soziologischer Begleitung das Haus, seine Systeme sowie die Verknüpfung der integralen Ideen über den Zeitraum eines Jahres testen. ARCHITEKTUR Der Entwurf des eineinhalbgeschossigen Satteldachhauses basiert auf der Neuinterpretation eines üblichen dänischen Einfamilienhauses und erzeugt durch eine große Offenheit deutliche Bezüge zwischen innen und außen: Der Energieverbrauch wird durch solare Einträge über die vielen Fensterflächen reduziert, wie auch der
Endenergiebezug
Innenraum hierüber mit der Natur interagiert (Abb. B 04.04 – 06). Das Einfamilienhaus mit einer Nettogeschossfläche von 157 m2 passt sich durch die geneigten Dächer in das Neubaugebiet nahe der Bucht von Aarhus ein. Ein großer, offener Wohnbereich im Erdgeschoss und Individualräume im Obergeschoss bieten den Familienmitgliedern gleichzeitig Gemeinsamkeit und Rückzugsmöglichkeiten. Der Wohnraum samt Küche öffnet sich durch Terrassentüren und teils bodentiefe Fenster in Richtung Süden zum Garten und über die vorgelagerten Terrassen in die Landschaft. Der durchgängige Schieferboden unterstreicht die Verbindung zwischen innen und außen. Viele Fenster, auch in der Dachfläche, sorgen für helle Räume. Vom Hauswirtschaftsraum gibt es einen direkten Zugang zum überdachten und teilgedämmten »Multi-Haus«, wo Gemüse gelagert, Kleider getrocknet und Fahrräder abgestellt werden können. Den Zimmern im Obergeschoss sind zwei eigene Balkone angegliedert mit Aussicht auf die Bucht von Aarhus.
erneuerbare Energie
Solarstromanlage
thermische Solarkollektoren
Energieverbrauch
Abluft
Außenluft
Energieerzeugung gebäudenah
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Stromnetz
Speicher
Zuluft
KONSTRUKTION UND DÄMMUNG Das Haus besteht aus einer leichten Holzständerkonstruktion mit tragenden I-Trägern und Leimholz-Balken. Im Innenraum ergänzen wenige Stahlträger die auskragende Konstruktion der Galerie über der Wohnküche. Rund um den Balkon und den Abstellraum im ersten Stock wird tragendes Schichtholz verbaut. Unter den aussteifenden Sperrholzplatten im Dach und in den Außenwänden dämmt eine 54 bzw. 40 cm dicke Mineralwollschicht das Gebäude. Der U-Wert beträgt in der Fassade 0,1 W/m2K. Das Dach und die mit 50 cm Steinwolle gedämmte Stahlbetonbodenplatte weisen einen niedrigen U-Wert von 0,07 W/m2K auf. Naturschiefer-Schindeln in der Fassade prägen das äußere Erscheinungsbild. Sie benötigen wenig Energie in ihrer Herstellung, sind langlebig und wartungsfrei. Ihr dunkles Grau verbindet sich mit den ebenfalls dunklen Oberflächen der Solarstrommodule, Solarkollektoren und Dachflächenfenster zu einem monolithischen Gesamteindruck. Einen Kontrast hierzu bildet die Holzfassade im Eingangsbereich (Abb. B 04.02).
1 »Multi-Haus« 2 Hauswirtschaftsraum 3 Küche/Wohnen 4 Bad/WC 5 Zimmer 6 Terrasse 7 Pergola 8 Carport 9 Abstellen Garten 10 Flur 11 Galerie 12 Balkon
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Trinkwarmwasser 1
Wärmepumpe
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Heizung
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4 a
a elektrische Verbraucher
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HOME FOR LIFE IN LYSTRUP
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ENERGIEEFFIZIENZ Viele Fenster sorgen für eine gute Tageslichtversorgung und solare Energieeinträge. Das Verhältnis der 75 m2 Fensterfläche zur beheizten Geschossfläche beträgt knapp 50 % und damit mehr als das Doppelte im Vergleich zu einem typischen dänischen Einfamilienhaus mit etwa 25 %. In die Dachflächen sind insgesamt zwölf Dachfenster integriert. Das Tageslicht fällt somit in nahezu jeden Raum aus mindestens zwei Richtungen ein. Zur Verringerung des Transmissionswärmeverlusts weisen die allseits dreifachverglasten Fenster einen niedrigen U-Wert von 1,0 W/m2K in der Fassade und 1,1 W/m2K in den Dachflächen auf, wobei der hohe Rahmenanteil die Werte der mit Argon gefüllten Gläser verschlechtert. Der Gesamtenergiedurchlassgrad beträgt zur Reduzierung sommerlicher Überwärmung 45 % bei einem Lichttransmissionsgrad von 67 %. Verglichen mit einer Berechnung ohne jede solare Einstrahlung werden etwa 50 % des jährlichen Heizwärmebedarfs durch passive Solargewinne gedeckt. Außen liegende Verschattungselemente vermeiden einen erhöhten Wärmeeintrag im Sommer und einen damit verbundenen Kühlbedarf. Im Süden schützen knapp ein Meter tiefe Dachüberstände die großen Fenster vor der hochstehenden Sommersonne. Zusätzlich schützen verschiebbare Holzstores wie auch innen liegende Jalousien vor Blendung und außerdem die Privatsphäre. Die Dachflächenfenster sind mit Außenrollläden ausgestattet. PCM-Materiali-
en kommen nicht zum Einsatz. Dies wird nach den ersten Erfahrungen jedoch für ein noch stabileres Raumklima empfohlen. HAUSAUTOMATION Viele Funktionen des Hauses werden durch ein Hausautomationssystem gelenkt und lassen sich per Fernbedienung steuern. Bei großer Einstrahlung werden die inneren (Winterfall) oder äußeren (Sommerfall) Beschattungselemente automatisch und nach Orientierung getrennt aktiviert, ohne den Räumen das Tageslicht zu nehmen, das indirekt von der jeweils anderen Seite einfällt. In kalten Nächten schließen die Rollläden zusammen mit den Fenstern, um den Wärmeverlust zu reduzieren. Tageslicht- und Bewegungssensoren schalten künstliches Licht ein und aus und vermeiden einen überflüssigen Energieverbrauch in nicht genutzten Räumen. Im Sommer wird das Haus ausschließlich über die Fenster belüftet. Die hoch gelegenen Dachfenster ermöglichen über den Kamineffekt einen garantierten, hohen und regulierbaren Luftaustausch (Abb. B 04.07). Abhängig von CO2-Werten und Raumtemperatur öffnen und schließen sich die Fenster automatisch. Das Entweichen warmer Abluft und das Nachströmen frischer Zuluft über die niedrigeren Fassadenfenster ermöglicht zudem eine passive Kühlung des Hauses. In kühleren Zeiten sorgt eine mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung für einen angemessenen Luftaustausch ohne große Lüftungswärmeverluste. 4 12
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ENERGIEVERSORGUNG Eine knapp 7 m2 große Solarkollektoranlage speist prioritär einen Pufferspeicher zur Wärme- und Warmwasserversorgung. Eine angebundene Luft-Wasser-Wärmepumpe nutzt sowohl die Sonnen- als auch die Umweltwärme als Wärmequelle und speist ebenfalls den gemeinsamen Pufferspeicher. Von hier aus wird das Gebäude über eine Fußbodenheizung mit Raumwärme und zudem mit Warmwasser versorgt. Eine netzgekoppelte 50 m2 große Solarstromanlage gleicht den Stromverbrauch für die Wärmepumpe, die technische Gebäudeausrüstung und den Haushaltsstrom aus (Abb. B 04.03, S. 69). ENERGIEBILANZ Von dem jährlichen Solarstromertrag in Höhe von 5500 kWh bleiben in der Planung 1730 kWh/a als Energieüberschuss nach Abzug des Verbrauchs für die Wärmepumpe und der übrigen technischen Ausstattung in Höhe von 1270 kWh/a sowie der Verbraucher im Haushalt von 2500 kWh/a. Der Überschuss wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Das Energieplus ist groß genug, um den Energieverbrauch der zur Erstellung des Gebäudes verwendeten Materialien in Höhe von etwa 500 kWh/m2NGF über den Zeitraum von ca. 40 Jahren auszugleichen. Die aufgewendete Energiemenge für die Gebäudestruktur ist mit der Software »Beat 2002« des Danish Building Research Institute (Dänisches Bauforschungsinstitut – SBi) berechnet bzw. basiert auf Herstellerangaben. 1 Lüftung / Wärmerückgewinnung 2 Fußbodenheizung 3 natürliche Lüftung 4 Photovoltaik 5 Steuersystem (Beleuchtung, Verschattung, Lüftung)
6 Wärmepumpe 7 Wassertank 8 innen liegender Sonnenschutz/Nachtisolation 9 externer Sonnenschutz 10 thermische Solarkollektoren 11 Sonnenstand Winter 12 Sonnenstand Sommer
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B 04.06 B 04.07 B 04.08 B 04.09
der helle Wohnbereich mit dunklem Schieferboden Schnitt mit Energiekonzept, Maßstab 1:250 energetische Charakterisierung Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
KLEINE WOHNHÄUSER
und die hoch gelegenen Fenster angenehm frisch. Komfortmessungen ergeben höchste Kategorieeinstufungen nach EN 15 251. Der Energieverbrauch des Messjahres liegt ca. 15 kWhend /m2NGF a über den simulierten Werten. Neben der fehlenden Feinjustierung der Gebäudeautomation, die häufig durch Nutzereingriffe beeinflusst wird, sorgt Familienzuwachs für einen höheren Wärme- und Warmwasserverbrauch. Die Nachtabsenkung der Heizung entfällt, da sich die Aktivitäten nun auch auf die Nachtstunden erstrecken. Die durchschnittliche Innenraumtemperatur liegt mit 23 °C deutlich über den angenommenen 20 °C. Außerdem bleiben die Sonnenschutzvorrichtungen auch tagsüber häufig geschlossen, um Einblicke von draußen zu verringern. Die solaren Wärmegewinne fallen daher geringer aus als ursprünglich angenommen. Der an die Gebäudeautomation angebundene Touchscreen veranlasst die Familie, ihren Energieverbrauch und die Stromerzeugung stetig zu überprüfen. Es ergibt sich eine Art interner Wettkampf, um das im Sommer angehäufte Energieplus nicht zu sehr aufzubrauchen. Nachdem die Testfamilie in ihren nur wenige hundert Meter entfernt gelegenen Bungalow aus den 1970er-Jahren zurückgezogen ist, vermisst sie vor allem das viele Tageslicht und die immer frische und vorgewärmte Raumluft. Nach ihrem Auszug wird das Haus zu marktüblichen Konditionen verkauft. Die Erfassung der Energie- und Komfortdaten wird seitdem fortgesetzt. Speichervolumen pro m2 Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
5,1 l /m2 50 m2 0,26 m2/m2 6,1 kWp 39 Wp /m2
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Lystrup (DK) 980 kWh/m2a 7,6 °C suburban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Oberlichter (inkl. Rahmen) U-Wert Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,10 1,00 0,07 1,10 0,07 0,45
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz Energieträger Bezug Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 thermischer Speicher Volumen
6,7 m2 0,04 m2/m2 800 l
LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskomponenten, mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung, kontrollierte Fensterlüftung, Gebäudeautomation, Photovoltaik, Solarthermie
HOME FOR LIFE IN LYSTRUP
Primärenergiegutschrift [kWhprim/m2NGFa]
ERFAHRUNGEN Im Zuge des Projekts »Model Home 2020« wird das Gebäude einem aufwendigen Monitoring unterzogen. Nach sechs Monaten, in denen das Haus der Öffentlichkeit zugänglich war, bewohnt eine vierköpfige Familie zwischen Juli 2009 und Juni 2010 das Haus, um es unter realen Bedingungen zu testen. Ein Team aus Ingenieuren der Technischen Universität Aarhus und Anthropologen des Alexandra Instituts aus Aarhus begleitet die Bewohner und erfasst neben Messdaten zu Energieverbrauch, Stromerzeugung und Außen- bzw. Raumklima auch den Einfluss des Nutzers auf die Gebäudeautomation bzw. dessen Umgang damit. Die erfassten Daten und das Empfinden der Bewohner zeigen anfangs einige Probleme der miteinander gekoppelten Lüftungs- und Verschattungskomponenten auf und erfordern Optimierungen an der Gebäudetechnik. So stehen Fenster bisweilen auch an kühlen Sommertagen offen, obwohl sie kurz zuvor per Fernbedienung geschlossen wurden. Andererseits schließen Jalousien und verhindern Wärmeeinträge sowie Tageslichteinfall. Zudem reagiert die Fußbodenheizung bei lokal üblichen, groben Wetterumschwüngen anfänglich träge, weshalb es im Haus kühl bleibt. Das bewegungsgesteuerte Schalten des Lichts erfordert ein »bewegtes« Arbeiten am Computer, damit das Licht bei ruhigem Sitzen nicht ausgeht. Insgesamt herrscht jedoch ein gutes Innenraumklima. Bei einer Hitzewelle Anfang Juli 2009 bleibt es im Haus durch die Verschattungselemente
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Im ersten Messjahr wird eine ausgeglichene Nullenergiebilanz knapp verfehlt. Hierfür sind vor allem fehlende Abstimmung, ein teilweiser Tausch der Systeme sowie ein durch Familienzuwachs verändertes Nutzverhalten verantwortlich. z gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch inklusive Haushaltsstrom (120 kWh/m2a) z Eigenbedarfsdeckung durch monatlich anrechenbare Solarstromerträge (66 kWh/m2a) z Einspeisung von nicht in die Monatsbilanz eingegangener Stromgenerierung (44 kWh/m2a) und Unterdeckung (9 kWh/m2a) Primärenergiefaktoren nach EN 15 603 (siehe Abb. A 2.07, S. 31), synthetische Aufbereitung der Monatsdaten
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
157 m2 190 m2 520 m3 469 m2 0,90 m2/m3 1 Stück 4 – 5 Personen
VERBRAUCHSKENNWERTE (2010) Heizwärmeverbrauch Wassererwärmungsverbrauch Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieeinspeisung gesamt
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KRAFTWERK B Bennau, CH 2009
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Das Mehrfamilienhaus in Bennau/Kanton Schwyz beherbergt sechs 4-Zimmer-Mietwohnungen mit je 140 m2 sowie eine Loftwohnung mit 240 m2 im AttikaGeschoss. Sein programmatischer Name »Kraftwerk B« leitet sich von den Zielen der Gebäudeplanung ab: den Energieverbrauch zu reduzieren, mehr als die gesamte jährlich benötigte Betriebsenergie über aktive und passive Solarsysteme zu decken, einer maximalen Wärmerückgewinnung aus Abluft und Abwasser und schließlich sogar Wärmeüberschüsse an ein Nachbargebäude weiterzuleiten. Nach der Fertigstellung im Jahr 2009 erhält Kraftwerk B als eines der ersten Gebäude die Schweizer Zertifizierung mit dem Label MINERGIE-P-ECO (siehe Schweiz, S. 43ff.).
ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Der Architekt als Bauherr und Generalunternehmer zugleich ruft vorab für die Gebäudekonzeption einen bürointernen Entwurfswettbewerb zwischen vier Teams aus. Das Ergebnis sieht ein Gebäude mit Flachdach vor, gegen das jedoch die kantonale Denkmalschutzbehörde votiert. Der auferlegte Satteldachzwang, der sich u. a. durch die benachbarte Kirche begründet, erweist sich als Vorteil (Abb. B 05.01 und 02): Die Neigung von 43 Grad erlaubt eine Integration der Solarstromanlage und eine verbesserte Energieausbeute als ein Flachdach. Der entwurfsprägende Einsatz der in die Fassade und in die Dachhaut integrierten Solarsysteme erfordert einen sehr hohen Planungsaufwand, der sich mit inten-
Bauherr: Sanjo Immobilien, Altendorf Architekt: Grab Architekten, Altendorf Energieplaner: Amena, Winterthur; Intep – Integrale Planung, München Monitoring: Amena, Winterthur Technische Gebäudeausrüstung: Planforum, Winterthur Hauptakteure: Bauherr und Architekt
B 05.01 B 05.02
GROSSE WOHNHÄUSER
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B 05.01 B 05.02 B 05.03 B 05.04 B 05.05
Lageplan, Maßstab 1:1000 Ansicht von Westen Längsschnitt, Maßstab 1:500 Grundriss Dachgeschoss, Maßstab 1:500 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:500
siver Abstimmung sämtlicher beteiligter Fachleute (z. B. zu bauphysikalischen Fragestellungen) über vier Jahre erstreckt. Letztendlich liegen die Baukosten rund 15 % höher als bei einer Bauweise gemäß kantonalem Standard. Der gesteigerte Projektierungsaufwand findet hierbei ebenso wie verringerte Energiekosten, eine gesteigerte Werthaftigkeit der Immobilie oder zu erzielende Vergütungen für die Einspeisung von Strom bzw. die Weitergabe von Wärme noch keine Beachtung. ARCHITEKTUR Ein tragender Stahlbetonkern mit einer Fassaden- und Dachkonstruktion aus hochwärmegedämmten, vorgefertigten Holzelementen bildet die Gebäudekonstruktion. Der massive Gebäudekern ist nicht nur Tragwerk, sondern dient zusammen mit lehmverputzten Wänden als Wärme- und Feuchtepuffer und reguliert Raumtemperaturschwankungen sowie die Raumfeuchte. Die durch den Straßenverlauf und die Grundstücksorientierung vorgegebene Südwest-Ausrichtung des Gebäudes ermöglicht eine optimale Ausnutzung solarer Einstrahlung über die dachintegrierte Photovoltaikanlage bzw. die fassadenintegrierte Solaranlage. Die Elemente zur passiven und aktiven Solarenergienutzung bestimmen somit das Straßenbild des Gebäudes. Im Wechselspiel mit geschosshohen Fenstern gliedern die insgesamt 150 m2 Flachkollektoren die Südwestfassade. Die nicht hinterlüfteten Kollektoren sind Bestandteil der komplett vorgefertigten und vorgehängten Fassadenelemente und gehen damit vollKRAFTWERK B IN BENNAU
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Eingang Bad Küche Essen/Wohnen Zimmer Balkon
ständig in den Wärmeschutz des Gebäudes ein, entsprechend einer zusätzlichen Wärmedämmung von 10 cm. Unbeheizte Räume wie das Treppenhaus auf der Nordwestseite und das Kellergeschoss sind thermisch komplett von den Wohnungen getrennt. Auf Dachflächenfenster wird verzichtet, da die oberen Wohnungen über die beiden Giebelseiten und eine Glasfront zum Treppenhaus belichtet werden (Abb. B 05.03 – 05). Der Einsatz natürlicher Baustoffe sowie die Auswahl von Materialien, die bei einem Rückbau des Gebäudes trenn- und recycelbar sind, erfüllen die hohen ökologischen Kriterien des MINERGIE-P-ECO-Labels. In den Innenräumen wechseln sich naturbelassene Eichendielen und Lehmputz mit SichtbetonOberflächen oder unverkleideten Lüftungsrohren ab. Zwei 10 000-Liter-Regenwassertanks im Keller dienen der WC-Anlage und der Garten-Bewässerung.
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ENERGIEEFFIZIENZ Die dreifachverglasten Passivhausfenster mit Kryptonfüllung und Edelstahlrandverbund erreichen einen UW-Wert von 0,57 W/m2K. Sie sind geschosshoch und ermöglichen dadurch eine hohe Ausbeute an passiven solaren Wärmegewinnen in den Wohnräumen. Um die Lüftungswärmeverluste zu begrenzen, erhalten sie ausschließlich Drehbeschläge. Die Stoßlüftung ist damit die einzig mögliche Art der Fensterlüftung. Die wärmebrückenarme Konstruktion mit 44 cm Zellulose-Wärmedämmung in der Dachstruktur bzw. 36 cm in der vorge-
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fertigten Holzelementfassade reduziert den mittleren U-Wert der gesamten Hülle auf 0,2 W/m2K (Abb. B 05.11, S. 77). Mögliche Wärmebrücken an Fensterlaibungen oder Jalousiekästen werden durch eine vollständige Überdämmung von 6 bis 8 cm nahezu ausgeschlossen. Eine 24 cm starke Wärmedämmung zwischen der Untergeschossdecke und dem Erdgeschossfußboden trennt den Keller thermisch ab. Die mit dem Blower-Door-Test nachgewiesene Luftdichtheit der Gebäudehülle liegt unterhalb von 0,6 h-1 . Alle vertikalen Steigzonen der Wärmeleitungen zu den geschlossenen Holzöfen sind wärmegedämmt und luftdicht ausgeführt. Außen liegende Lamellenstores an sämtlichen Fenstern dienen der Verdunklung und Verschattung im Sommer. Zusammen mit der Lüftungswärmerückgewinnung wird ein Jahresheizwärmebedarf von 13,8 kWh/m2NGFa (vgl. Passivhaus 15,0 kWh/m2a) angestrebt. ELEKTROGERÄTE Die durch den Vermieter vorinstallierten Küchengeräte wie Kühlschrank, Herd und
Ofen weisen den nach MINERGIE-P-ECO vorgegebenen Energiestandard A+ oder A++ auf und senken den Haushaltsstromverbrauch. Jede Wohnung verfügt über eine Waschmaschine und einen Trockner mit Wärmerückgewinnung. Die Wasch- und Spülmaschinen sind darüber hinaus an das Warmwassernetz angeschlossen. Das Warmwasser dieser Geräte wird nicht mit Strom erhitzt, sondern zentral und damit effizienter über die Solarkollektoren bzw. die Wärmerückgewinnung. Bei Investorenbauten werden solche Maßnahmen selten umgesetzt. BONUS-MALUS-SYSTEM Ein internetbrowserbasierter Zugang zu einer Visualisierung der Messdaten der einzelnen Wohnparteien gestattet einen transparenten Umgang mit dem Energieverbrauch. Touchscreens neben den Eingangstüren der einzelnen Wohnungen informieren die Mieter jederzeit über ihre Energieverbräuche sowie das EnergieGuthaben als Monats- und Jahresbilanz. Ein BonusMalus-System für Warmwasser- und Heizenergiever-
Endenergiebezug
Stückholz
Stromnetz
ENERGIEVERSORGUNG Die dachintegrierte, hinterlüftete 32-kWp-Photovoltaikanlage schließt die Dachhaut des 43 Grad geneigten Satteldachbaus sowie das Dach einer Remise, die das Grundstück zur Straße hin abgrenzt, vollständig ab. Die 150 m2 Solarkollektoren in der Südwestfassade erzeugen die Wärme für Heizung und Warmwasser in den Sommermonaten vollständig und über das Jahr gesehen zu mehr als 60 %. Die dezentralen Kleinspeicheröfen sind mit Wassertaschen zur Wärmerückgewinnung aus dem Abgas der Holzverbren-
erneuerbare Energie
Energieerzeugung gebäudenah
Solarstromanlage
Wärmenetz
brauch hält die Mieter an, ihren Energiekonsum zu steuern, um die Höhe des Mietzinses zu beeinflussen: Die pauschale Monatsgrundmiete enthält ein Energieguthaben. Übersteigt der Verbrauch das Guthaben, muss nachgezahlt werden. Im gegenteiligen Fall gibt es eine Rückzahlung. Der Stromverbrauch wird zwar ebenfalls über das Display angezeigt, jedoch direkt mit dem Elektrizitätsanbieter abgerechnet; hier existiert kein Energie-Guthaben.
thermische Solarkollektoren
Energieverbrauch
Erdregister
Abluft
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
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Trinkwarmwasser
Holzöfen
Heizung
elektrische Verbraucher
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GROSSE WOHNHÄUSER
nung ausgerüstet. Sie beliefern die Handtuchradiatoren in den Bädern sowie den zentralen 3000-LiterSpeicher im Keller. Erst mit zweiter Priorität wird der große, saisonale 24 000-Liter-Speicher, der ebenfalls im Keller steht, beladen. Der Stahltank durchmisst 3 m bei einer Höhe von 5 m und ist mit 50 cm Steinwolle vollständig umdämmt. Die Vorlauftemperatur der Fußbodenheizung beträgt 23 –28 °C. Eine LuftWasser-Wärmepumpe nutzt die Fortluft der Lüftungsanlage nach der Wärmerückgewinnung zur Erwärmung des Heizungsvorlaufs und unterstützt somit die Bodenheizung sowie die Warmwasserbereitung, wenn die Bewohner die Kleinspeicheröfen nicht ausreichend einfeuern oder weniger Solarerträge erzielt werden (Abb. B 05.06 und 07). Der Wärmerückgewinnungsgrad des Gegenstromwärmetauschers der Lüftung beträgt gemessene 85 %. Die Fortluft aus der Lüftungsanlage bzw. Fortluft-Wärmepumpe wird in die Garagen geführt und erwärmt diese leicht. Selbst das Abwasser wird energetisch genutzt: Es wärmt durch Wärmerückgewinnung über einen Abwasser-
des Pufferspeichers ermöglicht somit ein häufigeres, da auch bei weniger Solareintrag mögliches Einbringen von Wärme über die Solarkollektoren.
Wärmetauscher das ankommende Frischwasser zentral vor. Die Wärmerückgewinnung des knapp 1000 Euro teuren Abwasserwärmetauschers erbrachte im ersten Messjahr 1340 kWh und blieb damit durch die verringerte Belegung des Gebäudes hinter den Erwartungen von 2000 kWh/a zurück. Sechs Polypropylen-Rohre mit einem Durchmesser von 25 cm sind parallel und im Abstand von 50 cm sowie in einer Rohrlänge von ca. 13 m in 2 m Tiefe unter dem Garten neben dem Gebäude verlegt und bilden das zur Vorerwärmung der Frischluft genutzte Luft-Erdregister. Ein nachgeschalteter Gegenstromwärmeaustauscher temperiert die Zuluft der Lüftungsanlage im Erdboden mit warmer Abluft vor, bevor ein Heizregister sie bei Bedarf anschließend auf ca. 20 °C erhitzt. Die Temperierung durch das Heizregister funktioniert über den Rücklauf der Bodenheizung. Er fließt, nachdem ihm Wärme entzogen wurde, kälter in den Speicher zurück und erhöht somit den Wirkungsgrad der Solarkollektoren. Das durch den abgekühlten Rücklauf niedrigere Temperaturniveau
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ENERGIEBILANZ Während der Sommermonate erwärmt überschüssige und weitergegebene Wärme der Solarkollektoren das Warmwasser in einem benachbarten 15-Familienhaus. Somit wird weniger Wärme an den saisonalen Speicher weitergegeben und Verluste werden hierüber minimiert. Das erzeugte Warmwasser wird zeitnah meist vollständig direkt genutzt. Nach Berechnungen ist das zwischen Juni und September der Fall (Abb. B 05.10, S. 76). In einem Durchschnitts-August lässt sich für beide Liegenschaften eine Volldeckung erreichen. Die Abgabe der Wärme kompensiert den Bezug des Stückholzes für die Kleinspeicheröfen im Winter bzw. den Bezug fossiler Energieträger im benachbarten Gebäude. Insgesamt generieren die Solarstromanlagen mehr Strom, als für den Betrieb des Gebäudes inklusive Haushaltsstrom im Jahr benötigt wird. Überschüssig
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B 05.06 technische Übersicht der Energieversorgung B 05.07 Schnitt mit Energie- und Lüftungskonzept, Maßstab 1:250 1 Solarstromanlage 2 Sonnenstand Sommer 3 Sonnenstand Winter 4 Abluft 5 Zuluft 6 Holzofen 7 Fußbodenheizung 8 Heizkörper 9 Solarthermie 10 Wärmerückgewinnung 11 Lüftungsanlage 18 12 Pufferspeicher 13 Saisonalspeicher 14 Warmwasserspeicher 15 Erdregister 16 Außenluft 17 Fortluft 18 Wärmeabgabe Nachbargebäude
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erzeugter Strom fließt in das öffentliche Netz (Abb. B 05.08, S. 76).
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Folgende Aspekte ergeben den NEH-11-Standard: gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch inklusive Haushaltsstrom (45 kWh/m2NGFa) gebäudespezifischer Primärenergieverbrauch (16 kWh/m2NGFa) Verbrauch nach monatlicher Eigenbedarfsdeckung durch PV-Strom (11 kWh/m2NGFa) saisonaler Ausgleich verbleibender Verbräuche jährliches Stromplus und Wärmeübergabe an Nachbargebäude (24 kWh/m2NGFa) Der geringe Verbrauch lässt den teilweisen Leerstand im Jahr 2010 noch erkennen. Das erzielte Energieplus zeigt, dass eine ausgeglichene Energiebilanz auch bei Vollvermietung möglich sein sollte. Primärenergiefaktoren nach SIA 2031 (siehe Abb. A 2.07, S. 31)
ERFAHRUNGEN Das Gebäude wurde erst zwischen März 2009 und Juli 2010 vollständig bezogen, sodass die Erfahrungen aus dem ersten Betriebsjahr nicht die Belegung für das gesamte Gebäude repräsentieren und teilweise hochgerechnet wurden. Ein Messprogramm erfasst über den Zeitraum von zwei Jahren gemessene Verbräuche, die Innenraumtemperaturen und das Anlageverhalten von Solarstromanlage, Fassadenkollektoren sowie Speicherbewirtschaftung. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass kleine Abweichungen gegenüber den Auslegungsdaten das Konzept des Null- oder Plusenergiegebäudes im Betrieb gefährden. Das Verhalten der Mieter weicht vom simulierten »Idealmieter« ab. Die planerische Annahme von 20 °C winterlicher Raumtemperatur ist gegenüber 22 °C in der Realität zu optimistisch. Der Sonnenschutz wird nicht nur bei großer Einstrahlung während der Sommermonate zur Vermeidung von Überhitzung, sondern auch als Blendschutz bei tiefstehender Wintersonne genutzt. Dies schmälert passive solare Wärmegewinne wie auch ein nachträglich integriertes Lamellengitter im Brüstungsbereich der Fenster. Zusammen mit den realen Klimaverhältnissen im ersten Winter (der Januar 2010 war laut Meteo Schweiz der kälteste Monat seit 29 Jahren) liegen in der Praxis ca. 10 % höhere Wärmeverbräuche vor.
Lüftungsanlage Beleuchtung
Haushaltsstrom [kWh/m2NGFa]
Die Displays zur Visualisierung individueller Energieverbräuche haben weniger Einfluss auf den Energiehaushalt als erhofft. Die Bilanz geht nur dann auf, wenn die Bewohner eine hohe Sensibilisierung für das Thema Nachhaltigkeit aufbringen und/oder an geringen Betriebskosten interessiert sind. Trotz sorgfältig gewählter Mieter scheint ein Bonus oder Malus in der Größenordnung von 70 –150 € pro Jahr nicht Anreiz genug, Lebensgewohnheiten anzupassen. Bei der Betrachtung des Anlageverhaltens und des Zusammenspiels einzelner Komponenten stellt sich heraus, dass die Wärmeleistung der Fortluft-Wärmepumpe für die ergänzende Warmwasseraufbereitung an kalten und bedeckten Wintertagen kritisch ist. Steht keine Solarwärme in den thermischen Speichern zur Verfügung, dienen neben der Wärmepumpe allein die Holzöfen (Abb. B 05.09) als Reserve. Da sie dem Nutzereinfluss unterliegen, kann diese Alternative nicht beeinflusst werden. Das aus Platzgründen klein ausgelegte Erdregister erwärmt die Außenluft bei Temperaturen unter -5° C weniger stark als erwartet und kann die Außenluft kaum in den frostfreien Bereich temperieren. Die Zuluft benötigt mehr Nacherwärmung aus dem Gegenstromwärmeaustauscher bzw. dem Heizregister. Da jedoch das Erdregister im Normalfall allein zur Frostfreihaltung dient, scheint auch ein gegenüber der Planung verringerter Wärmerückgewinnungsgrad des Wärmetauschers ausschlaggebend für die Mehrverbräuche des Heizregisters. Eine Erhöhung der LuftvolumenHolzöfen Wärmepumpe
Solarstromanlage Wärmeüberschuss
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ströme für die Fortluft-Wärmepumpe erbrächte wegen der zunehmenden Lüftungswärmeverluste gesamtenergetisch jedoch keinen Vorteil. Ein Volumenstromregler ermöglicht nun einen zweistufigen Betrieb: Stufe 1 mit 50 % des maximalen Luftvolumenstroms stellt die Regel dar; Stufe 2 ermöglicht 100 % für einen auf die Höchstlast der Wärmepumpe ausgelegten Betrieb. Für die Temperierung der Räume über die Zuluft der Lüftungsanlage genügen bereits 500 m3/h bei einem Gesamtraumvolumen von ca. 7000 m3. Normalerweise wäre bei einem Wohngebäude die Hälfte seines Raumvolumens nötig. Die Jahresarbeitszahl der Fortluft-Wärmepumpe entspricht den Erwartungen von 3,5. Als problematisch gilt jedoch, dass die schlecht gedämmte Wärmepumpe den Technikraum und damit die dort ungedämmt verlaufenden Lüftungskanäle abkühlt. Trotz der genannten Schwierigkeiten ist die Jahresenergiebilanz des ersten Messjahres 2009/2010 positiv. Ein deutlicher Stromüberschuss kompensiert eine kleine Unterdeckung in der Wärmebilanz. Der Architekt rechtfertigt den hohen persönlichen und monetären Aufwand mit dem umfangreichen Know-how-Gewinn durch das Demonstrationsprojekt. Zukünftige Projekte werden von diesem Erfahrungsschatz profitieren. Das Gebäude wurde bereits mit dem Schweizer und dem Europäischen Solarpreis sowie 2010 mit dem ersten Norman-Foster-Solar-Award ausgezeichnet und dadurch in seiner Vorbildfunktion unterstützt.
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B 05.08 B 05.09 B 05.10 B 05.11
energetische Charakterisierung Innenansicht mit Holz-Kleinspeicherofen und Küche monatliche Bilanzgrafik, Primärenergie Detailschnitte Dach/Geschossdecke/Außenwand Maßstab 1:20 1 Eichendielen auf Heizestrich 90 mm Trittschalldämmung 20 mm Wärmedämmung 10 mm Stahlbeton 220 mm 2 prismiertes ESG 6 mm als Abdeckung Fassadenkollektor Absorber/Luftschicht 42 mm Dämmung 60 mm Mineralwolle Rahmenholz 100 ≈ 45 mm Rückwand 8 mm OSB Gipsfaserplatte 15 mm Holzrippen 40 ≈ 360 mm, Zwischenraum mit Zellulosedämmung OSB-Platte 15 mm Dampfsperre Installationsebene 60 mm mit Lattung und Wärmedämmung Gipsfaserplatte 15 mm Lehmputz 10 mm 3 Dämmung Mineralwolle 4 Holzfenster mit Dreifachverglasung B 05.12 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
261 m2 0,20 m2/m2 32 kWp 23 Wp /m2
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Bennau (CH) ca. 1200 kWh/m2a 9,5 °C rural
Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Kellerdecke mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,11 0,57– 0,79 0,11 0,18 0,20
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Anlieferung Energieträger Bezug Stückholz, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz, Nahwärmenetz Energieträger Einspeisung Strom, Wärme
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2
KRAFTWERK B IN BENNAU
150 m2 0,11 m2/m2 27 000 l 19,60 l/m2
LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskonzept, MINERGIE-P-ECO, mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Fortluft-Wärmepumpe, Photovoltaik, Solarthermie, Abwasserwärmerückgewinnung, Energiedisplay für Mieter, Holz-Kleinspeicheröfen, Wärmeeinspeisung
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GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
1380 m2 1403 m2 3941 m3 1557 m2 0,39 m2/m3 7 Stück 23 Personen
VERBRAUCHSKENNWERTE (2010) Heizwärmeverbrauch Wassererwärmung Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
kWh/m2a 15 14 11 18 45 69 B 05.11 B 05.12
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SANIERUNG BLAUE HEIMAT Heidelberg, D 2005 TGA
Das dreigeschossige Wohngebäude Blaue Heimat in Heidelberg wurde 1951 als nördlicher Abschluss einer 155 Wohnungen umfassenden und heute denkmalgeschützten Blockrandbebauung in Massivbauweise errichtet (Abb. B 06.01 und 02). Im Laufe der Jahre wurden vereinzelte Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt: Austausch der Fenster, Dämmung der obersten Geschossdecke zum unbeheizten Dachraum und Einbau einer Zentralheizung. Die dezentralen, elektrischen oder gasbetriebenen Durchlauferhitzer blieben zur Trinkwasserbereitung erhalten. Trotz dieser Modernisierungsversuche gaben die veraltete Bausubstanz, der schlechte bzw. nicht vorhandene Wärme- und Schallschutz sowie die in die Jahrzehnte gekommene Energie- und
Warmwasserversorgung 2005 den Anlass zur Komplettsanierung. Grundlage der Sanierung bildeten zunächst umfangreiche bauliche Maßnahmen, die den Energiebedarf des Gebäudes deutlich reduzieren. Das ursprünglich anvisierte Nullenergiekonzept beruhte auf den Primärenergiegutschriften, die durch den Einsatz eines Blockheizkraftwerks und einer Solarstromanlage auf dem Dach der Balkone angerechnet werden können. Der verbleibende Primärenergiebedarf sollte durch den Zukauf von regenerativ erzeugtem Strom (Anteile an Windkraftanlagen) bilanziell gedeckt werden. Letztgenannter Punkt wurde jedoch nicht umgesetzt, da keine Windkraftanteile auf dem Markt verfügbar sind, sodass ein vollständiger Aus-
Bauherr: GGH Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz, Heidelberg Architekt: Gerstner Architekten, Heidelberg Energieplaner: solares bauen, Freiburg Technische Gebäudeausrüstung: solares bauen, Freiburg Monitoring: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg Hauptakteure: Bauherr und Energieplaner
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GROSSE WOHNHÄUSER
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B 06.01 B 06.02 B 06.03 B 06.04 B 06.05
gleich der Primärenergiebilanz nicht erzielt wird. Dennoch stellt das Konzept der Blauen Heimat eines der wenigen Beispiele für Bestandsbauten und Mehrfamilienhäuser dar, die den Weg zu einer hocheffizienten Versorgung bis hin zum Nullenergiegebäude aufzeigen. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Die Komplettsanierung beinhaltet neben der energetischen Ertüchtigung des Gebäudes auch eine attraktivere und zeitgemäßere Gestaltung der Wohnungen. Dabei werden größere und vielfältigere Wohnungstypen für unterschiedliche Mieterzielgruppen entwickelt, mit optimiertem Qualitätsstandard (Balkone, attraktive Grundrisse, effiziente Belichtung), höherem thermischen Komfort (zentrale Wärmebereitstellung, guter Dämmstandard) und besserer Luftqualität (Raumlufthygiene, Pollenfilter). Hierzu werden die Wohnungen teilweise zusammengelegt und wird durch den Rückbau überflüssiger Treppenhäuser sowie den Ausbau des Dachgeschosses zusätzlicher Wohnraum geschaffen. Die Wohnfläche des nördlichen Riegels der insgesamt mehr als 10 000 m2 SANIERUNG BLAUE HEIMAT IN HEIDELBERG
Wohnfläche umfassenden Blockrandstruktur erhöht sich von 2890 m2 auf 3375 m2, wobei sich aufgrund der größeren Wohnungszuschnitte mit 2- bis 4,5-Zimmerwohnungen die Anzahl der Wohneinheiten von 56 auf 40 reduziert. Die durchschnittliche Wohnungsgröße liegt nach der Sanierung bei 84 m2 und damit 30 m2 über der ursprünglichen Durchschnittsgröße. Die massiven Eingriffe in den Gebäudebestand erlauben keine Sanierung im bewohnten Zustand, weshalb die Bewohner in anderen Wohnungen untergebracht wurden. Nötige Erhöhungen der Kaltmiete können durch geringere Nebenkosten aufgefangen werden. ARCHITEKTUR Das Gebäude ist vollständig unterkellert und besitzt eine massive Betondecke zum Erdgeschoss, während alle weiteren Geschossdecken als Holzbalkenkonstruktion mit Dielenbelag ausgeführt sind. Auf der nach Süden orientierten Hofseite werden neue Balkone aus Stahl errichtet, sodass nun fast alle Wohnungen einen eigenen Balkon haben (Abb. B 06.03 und 04). Größere Fensterflächen auf der Südseite verbessern die Tages-
Lageplan, Maßstab 1:2500 Ansicht der sanierten Nordostfassade Grundriss Dachgeschoss, Maßstab 1:1000 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:1000 Schnitt, Maßstab 1:500
lichtversorgung und erhöhen die passiven solaren Gewinne. Weitere wichtige Sanierungsmaßnahmen sind die Verbesserung des Schallschutzes und der Ausbau der sanitären Einrichtungen nach heute üblichen Anforderungen. ENERGIEEFFIZIENZ Zur Reduktion des Heizwärmebedarfs werden die massiven Außenwände mit einem 20 cm dicken Wärmedämmverbundsystem bzw. einer 16 cm dicken Perimeterdämmung gegen das Erdreich gedämmt. Der U-Wert der Kellerdecke verbessert sich durch eine 16 cm dicke Polysterol-Dämmung auf 0,17 W/m2K. Das Sparrendach wird mit einer 18-cm-Zwischen- und 10-cm-Aufsparrendämmung aus Mineralwolle ausgeführt und erreicht einen U-Wert von 0,13 W/m2K. Die Fenster besitzen eine Dreischeibenverglasung, die Rahmen sind aus Holz und in besonders beanspruchten Bereichen an der Wetterfassade aus einem Holz-Aluminium-Verbund. Die Rollladenkästen erhalten eine 7 cm dicke Dämmung. Damit entspricht der Wärmeschutz weitgehend den Anforderungen des Passivhausstandards. Wärmebrücken
B 06.03 B 06.04 B 06.05
80
Energieverbrauch
er
en
ll Nu
180
Solarstromanlage
150
Abluft
120 Lüftung mit Wärmerückgewinnung
90
Zuluft
Gasnetz 0 0
30
60
90 120 150 180 210 Primärenergiebezug [kWhprim/m2NGFa]
Das Nullenergieziel wird trotz Stromerzeugung durch das BHKW und der Anrechnung der Solarstromanlage nicht erreicht. Die Verbräuche übersteigen in allen zwölf Monaten die geringen Stromerträge. Es verbleibt kein Überschuss. Der angedachte Windkraftanteil müsste eine Lücke an Strom aus erneuerbaren Quellen in Höhe von 98 kWhprim /m2NGFa schließen: z gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch inklusive Haushaltsstrom (188 kWh/m2a) z gebäudespezifische Verbräuche (112 kWh/m2a) z Übereinstimmung von monatlichen Verbräuchen und Erträgen (90 kWh/m2a)
Stromnetz
Nahwärmenetz
Energieerzeugung gebäudenah
60 30
B 06.06 B 06.07
erneuerbare Energie
gie
Energieerzeugung Umgebung
Primärenergiegutschrift [kWhprim/m2NGFa]
Endenergiebezug 210
BHKW
Speicher
Trinkwarmwasser
Speicher
Heizung
elektrische Verbraucher
Primärenergiefaktoren nach DIN 18 599 (siehe Abb 2.07, S. 31)
GROSSE WOHNHÄUSER
B 06.08
81
B 06.06 energetische Charakterisierung B 06.07 technische Übersicht der Energieversorgung B 06.08 Solarstromanlage auf dem Dach der neuen Balkone
wurden für kritische Stellen gesondert untersucht, kleinere Schwachpunkte dabei jedoch akzeptiert. Das Wandauflager beispielsweise ist im Erdgeschoss zum Keller nur außen gedämmt. Die neuen Balkone sind von der thermischen Gebäudehülle getrennt und nur an einzelnen Punkten mit dem Gebäude rückverankert, sodass die Wärmebrücken für diese Stellen auf ein Minimum reduziert werden. Durch die zentrale Wärme- und Warmwasserversorgung kommt es bei dem gestreckten Baukörper zu sehr langen Leitungswegen für die Heizungs- und Warmwasserverteilung. Da die Leitungen in den unbeheizten Flurkellern außerhalb der thermischen Hülle verlaufen, werden sie im Vergleich zu den Anforderungen der EnEV 2002 mit doppelter Dämmstärke realisiert. Zur Reduktion der Lüftungsverluste wurde auf eine besonders luftdichte Ausführung der Gebäudehülle geachtet. Die Luftdichtheit liegt nach einer BlowerDoor-Messung bei unter 0,6 h-1. Trotz einer geringen Raumhöhe von 2,42 m kann eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung installiert werden (Wärmebereitstellungsgrad 85 %). Die sieben Lüftungsanlagen sind dabei semi-dezentral im Kellerbereich der verschiedenen Treppenhäuser angeordnet und ermöglichen somit relativ kurze Leitungsverzüge zu allen Wohnungen. Die Schallemissionen des Lüftungsgeräts sind auf den Keller begrenzt und die Anlagen jederzeit für Wartungs- und Reparaturarbeiten gut zugänglich. Außerdem sind die WartungsSANIERUNG BLAUE HEIMAT IN HEIDELBERG
kosten geringer, da nur wenige Filter an zentraler Stelle gewechselt werden müssen. Die Luftmenge lässt sich trotzdem in jeder Wohnung mittels Volumenstromregler in drei Stufen einstellen. Angrenzend an die Lüftungszentralen befinden sich in der Regel gemeinschaftlich genutzte Trockenräume, die ebenfalls be- und entlüftet sind. Um neben der thermischen Energie auch den Stromverbrauch zu verringern, erhalten Geschirrspüler und Waschmaschinen einen Warmwasseranschluss. Alle Mieter bekommen ein sogenanntes Energiesparpaket mit schaltbaren Steckerleisten und Energiesparlampen als Ausstattungsstandard für Bäder, Flure und WCs. Zudem sollen die Mietparteien durch Listen mit besonders sparsamen Haushaltsgeräten dazu angeregt werden, diese zu kaufen, und durch Strommessgeräte bzw. eine gezielte Mieterinformation für das Thema Energiesparen sensibilisiert werden. ENERGIEVERSORGUNG Das Energiekonzept beruht auf einer Wärmeversorgung durch ein erdgasbetriebenes Blockheizkraftwerk mit 80 kW thermischer und 50 kW elektrischer Leistung, das 95 % des Wärmebedarfs deckt. Die restlichen 5 % steuern an sehr kalten Tagen und bei hohem Warmwasserverbrauch zwei 92-kW-Spitzenlast-Gaskessel bei. Vor der Sanierung waren 485 kW Heizleistung nötig. Diese gemeinsame Zentrale beheizt das sanierte Gebäude (3270 m2NGF) sowie zwei angrenzende, noch
nicht sanierte Gebäude (1950 m2NGF). Aus der erhöhten Wärmeabgabe resultiert ein entsprechender Gasbezug, aber auch eine längere Laufzeit des BHKW und damit eine größere Stromerzeugung. Für längere Betriebszeiten und eine bessere Regelung des Heizkreises ist das BHKW mit drei in Reihe geschalteten 1000-Liter-Speichern im Keller verbunden. Ausgehend vom Pufferspeicher wird der Heizkreis, zwei dezentrale Speicher zur Warmwasserbereitung mit je 800 Litern und zwei weitere Speicher mit je 325 Litern zur Heizwärmeversorgung der Nebengebäude, bedient (Abb. B 06.07). Die Wärmeverteilung in den Gebäuden übernehmen konventionelle Heizkörper. Die Stromerzeugung durch das BHKW ergänzt eine 11,6-kWp-Solarstromanlage auf einem Teil des Dachs. Finanziert wird die Anlage durch Kunden des Anlagenbetreibers, der Stadtwerke Heidelberg, indem diese einen Aufschlag in Höhe von 4 Ct/kWh auf einen beliebigen Prozentsatz ihres Jahresstromverbrauchs zahlen. ENERGIEBILANZ Der Energiebedarf und damit die Effizienz des Sanierungskonzepts werden nach Bezug der Wohnungen u. a. mittels Wärmezählern regelmäßig geprüft und ausgewertet. Mit Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) wird das Gebäude ab Juli 2009 einem detaillierten Monitoring unterzogen. Die Analyse erfolgt auf der Basis von Jahres- und Monatsbilanzen
[kWhprim/m2NGFa]
Strom Hilfsenergie Strom Haushalte Strom BHKW Strom solar
200 160
Warmwasser Verluste
120
Haushalt Heizung
Gutschrift PV Gutschrift BHKW
Hilfsenergie Restbetrag
24 20 16 12
80
8
40
4
0
0 Jahresverbräuche
Jahreserzeugung
Okt
Nov
Dez
Jan
Feb
Mrz
Apr
Warmwasser Verluste [kWhend /m2NGFa]
82
Heizung Warmwasser thermische Verluste
[kWhprim/m2NGFa]
B 06.09 B 06.10 B 06.11
Mai Haushalt Heizung
Jun
Jul
Aug
Gutschrift PV Gutschrift BHKW
Sep Hilfsenergie Restbetrag
24 20 16 12 8
B 06.09 B 06.10 B 06.11 B 06.12
Primärenergiebilanz Jahreswerte Monatsbilanz Primärenergie Monatsbilanz Endenergie Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
4 0 Okt
Nov
Dez
Jan
Feb
Mrz
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
GROSSE WOHNHÄUSER
bis hin zu 15-Minuten-Werten (Abb. B 06.09 –11). Trotz winterlicher Raumtemperaturen von deutlich über 20 °C ist der Jahresheizenergieverbrauch mit ca. 19 kWh/m2a sehr niedrig und liegt bei knapp 90 % unterhalb des Niveaus vor der Sanierung. Der Warmwasserverbrauch bewegt sich mit 11 kWh/m2a in etwa auf dem Niveau der Planung (12,5 kWh/m2a). Diese niedrigen Nutzenergieverbräuche bestätigen die Effizienz der baulichen Maßnahmen. Bei einer Betrachtung der Endenergiebilanz werden erhebliche Verluste für die Bereitstellung der Wärme für Heizung und Warmwasser deutlich. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zum einen der thermische Wirkungsgrad des BHKW mit 56 % vergleichsweise niedrig ist und sich zum anderen wegen der zentralen Energieversorgung in einer Blockrandbebauung sehr lange Leitungswege von zum Teil über 200 Metern ergeben. In Kombination mit insgesamt sieben Speichern fallen die Verteil- und Speicherverluste sehr hoch aus. Bei der Warmwasserbereitung ist erkennbar, dass mehr als die Hälfte der aufgewendeten Energie durch Zirkulations- und Speicherverluste verloren geht. Mit 12,5 kWh/m2a übersteigen die Zir-
kulationsverluste sogar den gemessenen Warmwasserverbrauch. Trotz der Weitergabe der Wärme an die benachbarten Gebäude und der Einspeisung des dabei erzeugten Stroms lässt sich für das Gebäude Blaue Heimat hierüber noch keine ausgeglichene Primärenergiebilanz erreichen. Der Haushaltsstromverbrauch mit etwa 30 kWh/m2a (entsprechend 78 kWhprim /m2NGF a) liegt in etwa im deutschen Durchschnitt. Es verbleibt nach Abzug der Gutschriften für die Einspeisung und Wärmeweiterleitung ein Gesamtprimärenergieverbrauch von 98 kWhprim /m2NGFa. Die Primärenergiebilanz zeigt, dass die Gutschriften in etwa ausreichen, um den Primärenergieverbrauch für Heizung, Warmwasser und Hilfsenergie zu decken. Die Solarstromanlage auf einem Teil des Dachs liefert pro Jahr ca. 9800 kWh Strom und deckt damit knapp 10 % der Bilanzlücke. Da die Anlage jedoch im Besitz der Stadtwerke Heidelberg ist und deren Stromkunden die Anlage finanzierten, um ihren eigenen Emissionsausstoß zu kompensieren, kann dieser Anteil hier nicht noch einmal angerechnet werden (Abb. B 06.06, S. 80, und 08, S. 81).
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Heidelberg (D) 1050 kWh/m2a 9,2 °C urban
Leistung pro m2 KWK Leistung
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Kellerdecke mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,15 1,20 0,13 0,17 0,31
Gaskessel Leistung Leistung pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung
86 m2 0,03 m2/m2 12 kWp
Leistung pro m2
3,60 Wp /m2 80 kWth 50 kWel 23,70 Wth /m2 14,80 Wel /m2 184 kWth 55 Wth /m2 4700 l 1,40 l/m2
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Gasnetz Energieträger Bezug Erdgas, Strom, grüner Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz, Nahwärmenetz Energieträger Einspeisung Strom, Wärme
ERFAHRUNGEN Wenn auch das Ziel eines Nullenergiegebäudes durch die Energieerzeugung vor Ort nicht erfüllt werden kann, zeigt das Projekt dennoch einen Weg auf, wie im Gebäudebestand sehr effiziente Gebäude- und Versorgungsstandards realisiert und die Option der Kraft-Wärme-Kopplung eingebunden werden können. Weitere Optimierungspotenziale sind bei der Warmwasserbereitung und Wärmeverteilung zu erkennen. Die Anbindung an das öffentliche Stromnetz erlaubt zudem, den Betrieb des BHKW zukünftig auf zeitvariable Einspeisetarife abzustimmen. Strom wird möglichst dann erzeugt, wenn der Eigenbedarf gedeckt wird oder hohe Einspeisetarife vorliegen. Dadurch lässt sich der wirtschaftliche Nutzen weiter erhöhen. Neben den Komfortverbesserungen und einem breiteren Wohnungsangebot müssen die Mieter durch die hohe Energieeinsparung nur etwa 0,15 € investieren, um einen Quadratmeter Wohnfläche zu heizen und Warmwasser zu erzeugen. Vor der Sanierung lag dieser Wert bei rund 1,00 €/m2. Damit konnte die Erhöhung der Kaltmiete von 1,70 €/m2 nach der Sanierung auf ca. 0,85 €/m2 Steigerung der Warmmiete halbiert werden.
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
3375 m2 4689 m2 14 653 m3 5705 m2 0,39 m2/m3 1260 €/m2 (2005) 40 Stück ca. 90 Personen
VERBRAUCHSKENNWERTE (2010) Heizwärmeverbrauch Wassererwärmung Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieeinspeisung gesamt
kWh/m2a 19 11 92 33 188 90
83
B 06.12
SANIERUNG BLAUE HEIMAT
84
KLEEHÄUSER Freiburg/Vauban, D 2006
TGA
Bauherr: Baugruppe Kleehäuser, Freiburg Architekt: Common & Gies Architekten, Projektarchitekt Michael Gies, Freiburg Energieplaner: solares bauen, Freiburg Technische Gebäudeausrüstung: solares bauen, Freiburg Monitoring: Jörg Lange, Kleehäuser, Freiburg Hauptakteure: Bauherren
Eine bunt gemischte Baugruppe aus 24 Parteien verwirklicht 2006 zwei Mehrgenerationenhäuser unter der Maßgabe der 2000-Watt-Gesellschaft (siehe Schweiz, S. 13f.). Ziel der Planung der beiden »Kleehäuser« in der Paul-Klee-Straße im Freiburger Stadtteil Vauban ist es, pro Person im Mittel weniger als 500 Watt primärenergiebezogener Leistung für den Bereich Wohnen aufzuwenden. Die Passivhausbauweise und das konsequente Energiesparen reduzieren den Energieverbrauch, sodass dieser von einem Mix aus gasbetriebenem Mini-Blockheizkraftwerk, thermischen Solarkollektoren, Solarstromanlagen und einer finanziellen Beteiligung an externen Windkraftanlagen primärenergetisch gedeckt werden kann. Über das Jahr lassen sich sämtliche verbrauchsbedingten Emissionen regenerativ ausgleichen und dieser Baustein der 2000-Watt-Gesellschaft in der Praxis erfüllen. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Als Vorbild dient das Projekt »Wohnen und Arbeiten«, eines der ersten vierstöckigen Passivhäuser in Deutschland, das sieben Jahre zuvor von den gleichen Architekten und Haustechnikern geplant und ebenfalls in Vauban gebaut wurde. Genau wie bei diesem Projekt spielt das Thema Effizienz auch bei den Kleehäusern in sämtlichen Planungen zur räumlichen Gestaltung, zur Konstruktion, zu den Baukosten sowie vor allem der Betriebsenergie samt Kosten eine wichtige Rolle.
Im Rahmen der Baugemeinschaft entstanden auf 2520 m2 Nettogeschossfläche zwei Ferienwohnungen, 13 Eigentumswohnungen und 10 Mietwohnungen in zwei unterschiedlich hohen Häusern (Abb. B 07.02 – 04). Vorteile der Baugruppe sind die gemeinsam genutzten Räume und Einrichtungen wie ein Werkraum, ein Gruppenraum mit Küche und Kicker, Wasch- und Trockenräume und der Garten. Anders als beim Kauf von fertigen Wohnungen oder Gebäuden vom Bauträger profitiert die Bauherrengemeinschaft finanziell davon, dass die Grunderwerbssteuer als fester Prozentsatz nur auf das Grundstück und nicht auf das fertige Gebäude anfällt. Der unter ökologischen Gesichtspunkten entwickelte und sehr lebendige Stadtteil Vauban ergänzt das reiche Angebot der Baugruppe mit diversen fußläufig erreichbaren Infrastruktureinrichtungen, gutem ÖPNV-Anschluss und öffentlichen Grünflächen. Das auf einem ehemaligen Kasernengelände stark verdichtete Quartier liegt am grünen Stadtrand Freiburgs urban und doch zentrumsnah (siehe Plusenergiesiedlung, S. 94ff.). Auto-Stellplätze befinden sich in zwei am Rand des Stadtteils gelegenen Parkhäusern. Ein Carsharing-Angebot ergänzt das autofreie Siedlungskonzept: In den Kleehäusern haben 17 von 23 Haushalten kein eigenes Auto. ARCHITEKTUR Seit Juli 2006 leben etwa 75 Bewohner zwischen 0 und 80 Jahren in den Kleehäusern. Viele haben bereits die Planungen mitgestaltet
B 07.01 B 07.02
GROSSE WOHNHÄUSER
und eigene Ideen eingebracht. Ein entscheidendes Kriterium ist die durchgängige Barrierefreiheit. Durch großzügige ebenerdige Eingangsbereiche, Laubengänge und Aufzüge sind nicht nur die Wohnungen, sondern auch alle gemeinschaftlichen Einrichtungen barrierefrei zugänglich. Die Erschließung über Laubengänge begünstigt eine große Vielfalt von Wohnungsgrößen und deren Anpassung an veränderte Lebensumstände. Die tragenden Querwände in unterschiedlich großen Abständen der flexiblen Schottenbauweise erzeugen eine modulare Gebäudestruktur, die das Zusammenlegen oder das Trennen von Wohneinheiten ermöglicht. Der Innenausbau der einzelnen Wohnungen ist geprägt durch individuelle Wünsche der einzelnen Bauherren. Nach Süden orientierte, großflächig verglaste Fensterfronten optimieren die passiven solaren Einträge im Winter. Die bis zu zwei Meter auskragenden Südbalkone schützen dabei als statische Verschattung vor sommerlicher Überwärmung. Die übrigen Fassaden weisen einen geringen Fensterflächenanteil auf. Auch die Grundrisszonierung folgt diesem Prinzip: Die Wohnräume liegen vermehrt nach Süden, die restlichen Bereiche sind nach Norden hin angeordnet (Abb. B 07.05 und 06). KONSTRUKTION UND DÄMMUNG Die außen liegenden Stahlbetonwände bzw. die leichten, ausgefachten Holzständerwände werden durch mehrlagig verlegte und insgesamt knapp 30 cm dicke Mineral-
wolle gedämmt. Die geschlossenen Fassadenbereiche erreichen somit einen U-Wert von 0,17 W/m2K. Rohe Holzbretter oder unbehandelte Stahlplatten bekleiden diese an den Giebeln. Die unbehandelten Materialien patinieren über die Jahre, sind recycelbar und müssen voraussichtlich lange Zeit nicht erneuert werden. Dies spart, den ursprünglichen Grundsätzen folgend, finanzielle und materielle Aufwendungen während des Betriebs der beiden Gebäude. An den belebten Balkon- und Laubengangfassaden wechseln weiße Faserzementtafeln mit dreifachverglasten Holzrahmenfenstern. Das Flachdach wird zwischen der extensiven Dachbegrünung und der Stahlbetondecke mit 30 cm expandiertem Polystyrol (EPS) gedämmt. Der Keller ist wegen seiner umfänglichen Nutzung als Gemeinschaftsfläche in der thermischen Hülle inbegriffen und vollflächig mit Hartschaumplatten gedämmt. Ein verbesserter Wärmedämmstandard bei den Verteilungsleitungen der Zu- und Abluftanlage verringert Wärmeverluste. HAUSTECHNIK Eine individuell regelbare Lüftung durch die Zu- und Abluftanlage gewährleistet ein behagliches Raumklima. Unmittelbar an jeder Wohnungseingangstür befindet sich ein Schalter, mit dem sich die Luftmengen individuell und in drei Stufen regulieren lassen. Erfahrungsgemäß ist die Luft im Winter auch bei üblichem, aber eben konstantem Luftwechsel tendenziell trocken. Durch das Abschalten der Lüftung bei Verlassen der Wohnung verbleibt
10
2 3 4 9
a
3
5
5
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4
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3 9
a
KLEEHÄUSER IN FREIBURG/VAUBAN
5
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Schlafen Bad Küche Wohnen Kinder
B 07.01 B 07.02 B 07.03 B 07.04 B 07.05
6 7 8 9 10
Arbeiten Gast Abstellraum Terrasse Fahrräder
Lageplan, Maßstab 1:10 000 Freibereich zwischen den Kleehäusern Schnitt niedriges Kleehaus, Maßstab 1:600 Schnitt hohes Kleehaus, Maßstab 1:600 Grundriss Erdgeschoss niedriges Kleehaus, Maßstab 1:600 B 07.06 Grundriss Erdgeschoss hohes Kleehaus, Maßstab 1:600
B 07.05 B 07.06
hinreichend Feuchtigkeit in der Raumluft, sodass die Feuchte zumeist über 40 % beträgt. In einigen Wohnungen trägt ein Lehmputz als feuchtigkeitsregulierender Baustoff zur Feuchtepufferung bei. 86 ENERGIEEFFIZIENZ Mit dem vom beteiligten Planungsbüro verfassten zeroHAUS-Standard nehmen die Kleehäuser die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft für den Energiebedarf eines Gebäudes konsequent auf und verschärfen diese noch: Der Anteil, den Gebäude an der mittleren Verbrauchsleistung haben, beläuft sich etwa auf 500 Watt pro Person. zeroHAUS bezieht sich auf den tatsächlich vorhandenen Ener-
Energiebezug 160
ckenräume im Keller gemeinschaftlich genutzt, der Stromverbrauch dadurch stark reduziert und Anschaffungskosten eingespart werden. Die geteilt genutzten Räume verringern das Gesamtvolumen der Kleehäuser. Darüber hinaus reduzieren stromsparende Aufzüge, effiziente Gebäudeausrüstung, Energiesparsowie LED-Beleuchtung innen und außen den Stromverbrauch. Die Nutzer selbst achten durch geschulte Verhaltensweisen darauf, unnötige Stand-by-Lasten zu vermeiden und die Beleuchtung ebenso wie die Lüftungsanlage auszustellen. In allen Wohneinheiten kommen Erdgasherde neben generell stromsparenden Haushaltsgeräten zum Einsatz.
erneuerbare Energie
Energieverbrauch
gie
er
en
ll Nu
Solarstromanlage
Windkraft
120
thermische Solaranlage
Abluft
80 Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Zuluft
0 0
40
80 120 160 Primärenergiebezug [kWhprim/m2NGFa] Gas
Die Nullenergiebilanz wird ohne die Anrechnung der durch das Windkraftinvestment erworbenen Stromgutschriften nicht erreicht. Auch mit Anrechnung der erneuerbaren Erträge aus der Windkraft verbleibt eine leichte Unterdeckung: z gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch inklusive Haushaltsstrom (152 kWh/m2a) z Restverbrauch nach Abzug monatlich anrechenbarer Erträge (73 kWh/m2a) z Eigenbedarfsdeckung inkl. des Windstromanteils (135 kWh/m2a) z übrige Erzeugung erneuerbarer Energie durch Windkraft (13 kWh/m2a)
Strom
Energieerzeugung gebäudenah
40
Energieerzeugung Umgebung
Primärenergiegutschrift [kWhprim/m2NGFa]
B 07.07 B 07.08
gieverbrauch des Gebäudes inklusive Warmwasser, Verteilverlusten und Stromverbrauch und verpflichtet den Betreiber, diesen Verbrauch nachweislich erneuerbar zu decken. Außerdem soll die CO2-Bilanz durch eigene regenerative Energieerzeugung oder den Zukauf von Beteiligungen mindestens ausgeglichen sein und der mittlere U-Wert der Gebäudehülle wenigstens 45 % unter den Anforderungen der Energieeinsparverordnung von 2002 liegen. Im Fall der Kleehäuser ist dies ein Wert von 0,21 W/m2K. Durch das Modell der Baugruppe können große Tiefkühltruhen, fünf Waschmaschinen mit Warmwasseranschluss, selten gebrauchte Trockner sowie Tro-
Gasherde
KWK
Pufferspeicher
Heizung
Trinkwarmwasser
elektrische Verbraucher
Verwendung von Primärenergiefaktoren nach DIN 18 599 (siehe Abb. A 2.07, S. 31)
GROSSE WOHNHÄUSER
Windkraftanlage
PV-Anlage 23 kWh/m2a Heizung
69 kWh/m2a B 07.07 energetische Charakterisierung B 07.08 technische Übersicht der Stromversorgung B 07.09 Das Sankey-Diagramm zeigt die mengenproportionale Darstellung von Energieflüssen und die Gewichtung der einzelnen Verbraucher und Erzeuger für Strom (oben) und Wärme (unten), Messwerte 2010. B 07.10 Darstellung der monatlich pro Quadratmeter anfallenden Verbrauchskosten der Kleehäuser im Vergleich zum deutschen Durchschnitt B 07.11 regenerative Deckungsrate der primärenergetischen Leistung pro Person
ENERGIEVERSORGUNG Die Gründung einer Wohnungseigentümer- bzw. Versorgungsgemeinschaft mit allen Eigentümern und Mietern sowie die Tatsache, dass die beiden Gebäude juristisch eine Einheit bilden, erlauben die Nutzung eines eigenen Stromnetzes vor Ort. Ein erdgasbetriebenes monovalentes Blockheizkraftwerk mit 14 kWel bzw. 30 kWth Leistung erzeugt Strom für das eigene Stromnetz und deckt aus der Abwärme den Wärmebedarf. Obwohl der zusätzliche Einsatz von thermischen Solaranlagen die Laufzeiten und damit die Wirtschaftlichkeit des BHKW verringert, hat man sich dafür entschieden, 61,2 m2 große Flachkollektoren anzubringen. Diese speisen Wärme in einen an das Mini-Wärmenetz zwischen den beiden Häusern gekoppelten Solarschichtspeicher mit externem Wärmetauscher und einem Gesamtvolumen von 3900 Litern. Er befindet sich innerhalb der thermischen Hülle im Keller. Eine Lüftungsanlage versorgt die luftdichten Gebäude kontrolliert mit durch die Wärmerückgewinnung (85 %) auf 20 °C erwärmter Zuluft. Zusätzlich gewinnt eine auf den Flachdächern aufgeständerte 23-kWp-Solarstromanlage vor Ort Strom und gleicht einen Teil der CO2-Emissionen des BHKW aus. Drei Anteilszukäufe an insgesamt 6300 kWel Windkraft im nahegelegenen St. Peter im Schwarzwald kosteten knapp 27 000 €. Da die Anlagen nicht im örtlichen Zusammenhang mit den Gebäuden stehen, fließen die hiermit erzeugten ca. 200 000 kWh Primärenergie pro Jahr vollständig in das öffentliche Stromnetz und erhöhen dort den KLEEHÄUSER IN FREIBURG/VAUBAN
2
15 kWh/m a 56 kWh/m2a
Stromnetz
Gasnetz
83 kWh/m2a
Blockheizkraftwerk
50 kWh/m2a
4 kWh/m2a thermische Verluste
elektrische Verbraucher
Heizung und Trinkwarmwasser Erdgasherde
erneuerbaren Anteil am Strommix. Die Windturbinen gelten daher als Teil des Stromnetzes (Abb. B 07.08). ENERGIEBILANZ Der durch den zeroHaus-Standard festgelegte und eingeforderte maximale Primärenergiebedarf von weniger als 100 kWh/m2NGFa (inkl. Stromeinspeisung) wurde in den Jahren 2008 und 2009 um mehr als 10 % unterschritten. Darüber hinaus können die unterschiedlichen Erzeuger einschließlich der Windkraftanlagen alle Energieverbräuche für Wärme, Warmwasser sowie Strom für Haustechnik, Beleuchtung, Haushalt und Unterhaltung ausgleichen. Da sämtliche Verbraucher auf dem Grundstück erfasst werden, sind auch die Ferienwohnung und das Gästezimmer in der Bilanz enthalten (Abb. B 07.07). In der jährlichen Energiebilanz werden dem Gasbezug zur Wärme- und Stromerzeugung die Gutschriften bzw. die Einspeisung von Strom aus der Solarstromanlage, dem Blockheizkraftwerk sowie den externen Windrädern gegenübergestellt. Bilanziert wird über Primärenergie-Umrechnungsfaktoren bzw. CO2Äquivalente. Mit der Veränderung des Primärenergiefaktors für Strom von 2,70 auf 2,60 im Jahr 2009 verringern sich die Stromgutschriften, sodass die Bilanz folglich schlechter ausfällt. Einem minimal vergrößerten Primärenergiebezug (Stromanteil) steht ein deutlich geringerer Gutschriftenanteil gegenüber. Bei einem weiterhin zu erwartenden Anstieg des Anteils der erneuerbaren Energien im Stromnetz verschlechtert dies auf Dauer die Gesamtbilanz der Kleehäuser.
Bundesdurchschnitt 2008 €/m2 Monat 0,90
Kleehäuser 2008 €/m2 Monat 0,19
Warmwasser
0,28
0,10
TGA-Strom
0,05
0,10
Wasser / Abwasser
0,39
0,24
Haushaltsstrom
0,53
0,21*
Verbrauchskosten gesamt 2,15 *inkl. Strom Gemeinschaftswaschmaschinen
Primärenergieverbrauch gesamt
Leistung / Person und Jahr 453 W
Einspeisung BHKW regenerative Erzeugung PV und Wind regenerative Deckung
0,84
83 W 354 W 96 %
Im Jahr 2010 führen vergleichsweise sehr kalte Wintermonate zu Jahresbeginn und -ende zu einem erhöhten Gasverbrauch des Blockheizkraftwerks. Dieses läuft bei hohem Wärmebedarf 24 Stunden pro Tag, ist jedoch in der Leistung (12 Wth /m2NGF) ausreichend groß dimensioniert. Entsprechend vergrößert sich der Primärenergiebedarf, aber auch die Stromerzeugung im Vergleich zu den Vorgängerjahren. Zeitgleich verringert eine niedrige Solareinstrahlung die solare Stromerzeugung. Weil der Wunsch bestand, mehr regenerative Energie selbst und vor Ort zu erzeugen, und sich dazu ein bisher ungenutztes Dach anbot, aber auch wegen der guten EEG-Vergütung ist seit April 2010 eine Solarstromanlage mit zusätzlichen 16 kWp Leistung in Betrieb. Erst durch diese Neuinbetriebnahme kann ab 2010 eine positive Jahresenergiebilanz erzielt werden. Dem Maßstab der 2000-Watt-Gesellschaft folgend, nutzen die Bewohner der Kleehäuser im Jahr 2010 für den Bereich Wohnen durchschnittlich eine Leistung von ca. 453 Watt pro Person. Dem stehen eine Stromerzeugung von durchschnittlich gut 437 Watt durch das BHKW, die Solarstromanlage und den Windkraftanteil gegenüber. Damit liegt der regenerative Deckungsgrad über das Jahr gesehen bei 96 %. Die Primärenergiebilanz für 2010 ergibt eine knappe Unterdeckung von ca. 4 kWh/m2a, sodass auch die Emissionsbilanz eine nahezu vollständige regenerative Deckung aufweist (Abb. B 07.07). Dem anfangs in »Energiebilanzierung: Praxis, Normung und Gesetzgebung« vorgestellten »Konzept
B 07.09 B 07.10 B 07.11
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B 07.12 B 07.13
[kWhprim/m2NGFa]
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Stromverbrauch gesamt Verbrauch Kochgas Gasverbrauch BHKW
Stromerzeugung Windkraft Solarstromanlage Strom BHKW
25 20 15 10 5 0 Jan
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STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Freiburg (D) 1150 kWh/m2a 11,6 °C suburban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Kellerdecke/Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,17 0,98 0,11 0,18 0,21
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2 Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2 KWK Leistung Leistung pro m2
einer neuen Definition des Nullenergiehauses« (S. 42) im Kontext der EnEV/DIN V 18 599 folgend, entfällt die Kompensation von Verbräuchen durch Anlagen, die nicht in Verbindung mit der Immobilie stehen und daher primär dem (Strom-)Netz zuzuordnen sind. Der erzeugte Strom aus den Windkrafträdern würde demnach nicht berücksichtigt. Die Bilanz wäre nicht ausgeglichen. In einer Monatsbetrachtung können ohne den Windkraftanteil die anfallenden Energieverbräuche nicht ausgeglichen werden. Die Kombination von Solarstromanlage und BHKW erzeugt über das Jahr gesehen ein gleichmäßiges Versorgungsbild. In kalten Monaten mit weniger solarer Einstrahlung erreicht das BHKW mehr Laufzeiten und generiert demnach mehr Strom. Erst durch die Addition der Windenergie werden jedoch monatliche Verbräuche ausgeglichen bzw. ermöglichen im besten Fall saisonale Überschüsse eine positive Bilanz (Abb. B 07.12). ERFAHRUNGEN Die gemeinsame ökologische Idee, die angestrebte Kosteneffizienz und die umfassende Beteiligung an vielen Planungsentscheidungen fördern die nachbarschaftlichen Kontakte und die Identifikation mit den Häusern. In der Gemeinschaft lassen sich Ziele gerade im Hinblick
auf das Einsparen von Energie einfacher realisieren. Um die Sparmaßnahmen transparent zu machen, werden vor allem die Neben- und damit auch die Energiekosten kommuniziert. Im Vergleich zu üblichen Immobilien leben die Bewohner der Kleehäuser bei hohem Wohnkomfort deutlich günstiger. Auch deshalb fühlen sich die Eigentümer nach eigenen Angaben in den Kleehäusern sehr wohl (Abb. B 07.10, S. 87). Das sparsame Nutzerverhalten erreicht in nahezu allen Nebenkostenbereichen Einsparungen, die bei Heizung, Warmwasser und Strom am deutlichsten ausfallen. In den Wintermonaten 2009/2010 haben die Windkraftanlagen in St. Peter wegen Vereisungsproblemen nicht die erwarteten Energiemengen erzeugt. Inzwischen sind die Flügel getauscht und mit einem effizienteren Vereisungsschutz ausgestattet. Zudem ging die dritte Windkraftanlage erst im August und der größere Teil der Solarstromanlage erst im April 2010 in Betrieb, sodass in den nächsten Jahren mit einem deutlich höheren regenerativen Deckungsgrad zu rechnen ist. B 07.12 monatliche Primärenergiebilanz, Messwerte 2010 B 07.13 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
Wind Leistung Leistung pro m2
60 m2 0,02 m2/m2 3900 l 1,50 l/m2 202 m2 0,08 m2/m2 23 kWp 9,12 Wp/m2 30 kWth 14 kWel 11,90 Wth/m2 5,56 Wel/m2 6300 kWel 2500 Wel/m2
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Gasnetz Energieträger Bezug Erdgas, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt) VERBRAUCHSKENNWERTE (2010) Heizwärmeverbrauch Warmwasserverbrauch Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
2520 m2 2965 m2 10 909 m3 4402 m2 0,4 m2/m3 1154 €/m2 (2006) 25 Stück 75 Personen kWh/m2a 14 10 61 26 152 148
GROSSE WOHNHÄUSER
Das Sechsfamilienhaus in Dübendorf ist 2008 eines der ersten MINERGIE-P-ECO-zertifizierten Gebäude im Kanton Zürich. Der Neubau ersetzt ein typisches Einfamilienhaus aus den 1920er-Jahren und fügt sich dank seiner zurückhaltenden Formensprache und der in das Satteldach integrierten Solaranlagen nahtlos in die umgebende Wohnhausbebauung ein. Der MINERGIE-P-ECO-Standard (siehe Das Label MINERGIE, S. 45) des Mehrfamilienhauses garantiert nicht nur einen geringen Energieverbrauch, sondern auch eine ökologische Materialauswahl und ein gutes Raumklima. Die in das Satteldach integrierte Solarstromanlage gleicht die Stromverbräuche der Wärmepumpe für Wärme- und Warmwassererzeugung sowie der Lüftungsanlage aus, sodass eine
jährliche Nullheizenergiebilanz erzielt werden kann. Die Haushaltsstromverbräuche fließen während der Planung nicht in die Energiebilanz ein. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Das umliegende Quartier ist von kleinen, einfachen Häusern aus den 1920er- und 1930er-Jahren mit großen Gärten und einigen bis zu vier Geschosse hohen Mehrfamilienhäusern geprägt. Nahe des Ortskerns sieht die Gemeinde Dübendorf durch die neue Bauund Zonenordnung ein verdichtetes Bauen vor. Aus diesem Grund und wegen der hohen Lebensqualität an dem durch die Nähe zu Zürich bestens erschlossenen Standort nutzen die Bauherren das Potenzial des Grundstücks zur Verdichtung: Sie erstellen ne-
MEHRFAMILIENHAUS
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Dübendorf, CH 2008
TGA
Bauherr: Bruno Hediger, Dübendorf Architekt: Beat Kämpfen, kämpfen für architektur, Zürich Energieplaner: naef energietechnik, Zürich Technische Gebäudeausrüstung: naef energietechnik, Zürich Monitoring: naef energietechnik, Zürich, und Bauherr Hauptakteure: Bauherr und Architekt B 08.01 Ansicht von Südwesten B 08.02 Lageplan, Maßstab 1:1000
B 08.01 B 08.02
MEHRFAMILIENHAUS IN DÜBENDORF
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1 2 3 4 5 6 7 8 9
ben dem Eigenheim auch zusätzliche Mietwohnungen. Mit dem Grundstück übernehmen sie auch das Einfamilienhaus darauf aus dem Jahr 1928. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung sowie der baulich und technisch schlechte Zustand des bestehenden, stark renovierungsbedürftigen Hauses zeigen, dass sich dessen Erhalt nicht lohnt. Deshalb entwickeln die Bauherren zusammen mit dem Architekten 2006 das Ziel eines energetisch und ökologisch vorbildlichen Gebäudes. Das bestehende Gebäude wird 2007 abgerissen und bis Ende 2008 durch den Neubau mit sechs Wohnungen ersetzt.
Eingang Zimmer Bad Küche/Essen Wohnen Terrasse Luftraum Büro Abstellraum
B 08.03 B 08.04 B 08.05 B 08.06 3
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ARCHITEKTUR Obwohl die verdichtete Bauweise ein sechsmal größeres Volumen ergibt als vorher, fügt sich der Neubau in die kleinteilige Bebauungsstruktur der Umgebung gut ein (Abb. B 08.02, S. 89). Ein durchgängig verglastes Treppenhaus unterteilt das Gebäude in zwei Baukörper und schafft gleichzeitig eine optische Verbindung vom Straßen- zum Gartenraum. Im Inneren werden darüber die drei Wohnebenen erschlossen. Nach dem Prinzip eines nicht beheizten Wintergartens fungiert das Treppenhaus klimatisch als Pufferraum. Um eine Überhitzung im Sommer zu vermeiden, sind über der südlichen verglasten Dachfläche Vakuumröhrenkollektoren montiert, die nicht nur Wärme für die Beheizung und die Warmwasseraufbereitung erzeugen, sondern zugleich als Sonnenschutz dienen. Innerhalb des Treppenhauses entstehen dadurch im Laufe des Tages sich verändernde Licht- und Schattenspiele auf den flankierenden Sichtbetonwänden, die auf die Nutzung der Sonnenenergie aufmerksam machen (Abb. B 08.03). Die Bauherren selbst bewohnen den etwas kleineren, westlichen Gebäudeteil. Dort befinden sich zwei zusammengeschlossene 2,5-Zimmer-Wohnungen übereinander, während das Dachgeschoss als Büro und Atelier genutzt wird (Abb. B 08.04 – 06). Im größeren, östlichen Teil sind drei Mietwohnungen angeordnet. Die 3-Zimmer-Wohnungen haben jeweils einen großzügigen Wohn- und Essbereich mit angegliederter offener Küche. Die Wohnungsgrundrisse erhalten eine klare Ausrichtung nach Südwesten. Von je zwei Zimmern ist eines nach Süden, das andere nach Nordosten orientiert. Die fast vollständig verglaste Hauptwohnseite mit den Balkonen und GROSSE WOHNHÄUSER
KONSTRUKTION UND DÄMMUNG Die Idee der drei Gebäudeteile ist äußerlich ablesbar und wird konstruktiv geradlinig umgesetzt. Die beiden Wohnkuben aus vorgefertigten Holzelementen und das verglaste Treppenhaus sind statisch unabhängige Konstruktionen, was den Schallschutz verbessert. Ein zusätzliches konstruktives Element bilden die Wände des Untergeschosses aus vorfabrizierten Doppelschalenelementen aus Recycling-Beton. Sämtliche Wandscheiben sind als reine Holzkonstruktion komplett in einer Zimmererwerkstatt vorgefertigt worden. Der hohe Vorfertigungsgrad verkürzt die Bauzeit auf der Baustelle und erhöht die Präzision der Ausführung. Das Gebäude ist vollständig unterkellert. Die 35 cm dicke Decke über dem Untergeschoss ist aus mit Steinwolle gedämmten Hohlkastenelementen gefertigt, während die darüberliegenden Decken aus einer Holz-Beton-Verbundkonstruktion bestehen. Die beheizten Volumina sind damit konsequent von dem unbeheizten Kellergeschoss und dem Treppenhaus getrennt. Durch die Dämmung der Kellerdecke innerhalb des Hohlkastens bilden zudem die Kellerwände keine Wärmebrücken zum Erdgeschoss. Der Keller bleibt kalt und ist auch vom Erdreich durch eine 20 cm dicke Wärmedämmschicht aus extrudiertem Polystyrol-Hartschaum getrennt, sodass sich im Sommer kein Kondensat auf den Außenwänden bildet. Um darüber hinaus Wärmebrücken zu vermeiden, sind die Anschlüsse der Decken an die Wände von Keller und Treppenhaus geradlinig ausgeführt. Die horizontalen Scheiben liegen nur auf der innersten Schicht der Wandkonstruktion, einer 35 mm starken, tragenden Dreischichtplatte, auf. Dies ermöglicht eine durchgehende, homogene Wärmedämmung der Außenwände. Die Wandkonstruktionen sind mit 24 cm Glaswolle im Konstruktionszwischenraum der Holzelemente und weiteren 10 cm davor gedämmt und vollständig dampfdurchlässig. Den Abschluss bildet die hinterlüftete Außenhaut aus horizontalem, MEHRFAMILIENHAUS IN DÜBENDORF
unbehandeltem Lärchenholz. Der U-Wert der Wandkonstruktion beträgt 0,12 W/m2K. Alle Hölzer stammen aus regionalen Schweizer Wäldern. Die Dachkonstruktion erreicht durch eine ebenfalls 24 cm dicke Glaswolldämmung in der Konstruktionsebene und weiteren 16 cm unter der Blecheindeckung bzw. den integrierten Solarstrommodulen einen sehr niedrigen U-Wert von 0,09 W/m2K. Die Plattengrößen der Faserzementeindeckung des Dachs sind auf die Photovoltaikelemente abgestimmt und lassen die Dachfläche optisch zu einer Einheit verschmelzen. Die PV-Elemente übernehmen außerdem den Witterungsschutz. Die Wärmedämmung der gesamten Außenhülle ist mit einem mittleren U-Wert von 0,2 W/m2K überdurchschnittlich gut. Es werden Holzfenster mit einer Dreifachverglasung und einem U-Wert von 0,7 W/m2K verwendet, wobei die Rahmenpartien auf der Außenseite zusätzlich überdämmt sind. ENERGIEEFFIZIENZ Das Projekt beruht auf einem passiv-solaren Konzept und erfüllt die Anforderungen des MINERGIE-P-ECO-Zertifikats an einen sehr geringen Energiebedarf durch gute Dämmeigenschaften und eine luftdichte Gebäudehülle. Ein Blower-DoorTest weist den erforderlichen Luftdichtigkeitswert von unter 0,6 h-1 nach. Der längliche kubische Baukörper mit der großzügig verglasten Südfassade nutzt die passiven Wärmegewinne über die Sonneneinstrahlung durch einen Gesamtenergiedurchlassgrad der Fenster von 0,51. Nahezu durchlaufende, bis zu 2,20 m auskragende Balkone sowie tiefe Fensterlaibungen, die sich aus der dicken Dämmung ergeben, beschatten die Fenster und schützen vor einer Überhitzung der Räume im Sommer (Abb. B 08.08 und 09, S. 92). Die Balkone ermöglichen die Montage von Stoffstores als Sonnenschutz in 59 cm Abstand zu den Fenstern. Dadurch kann die Luft zwischen Fenster und Stores zirkulieren und überhitzt nicht. Das verglaste Treppenhaus wird von den Vakuumröhrenkollektoren beschattet. Die Holz-Beton-Verbunddecken haben zusammen mit dem Zementestrich eine hohe Speichermasse. Und auch dank der Bodenbeläge aus schwarzen Naturschieferplatten kann die eingestrahlte Solarwärme optimal gespeichert werden. Die beiden Hausteile besitzen separate Lüftungsgeräte mit einem Wärmerückgewinnungsgrad von 90 % für je drei Wohnungen. Damit werden Lüftungs-
91
B 08.03 Blick in das Treppenhaus mit den verschattenden Solarröhrenkollektoren vor der nach Süden geöffneten Fensterfront B 08.04 Schnitt, Maßstab 1:400 B 08.05 Grundriss Dachgeschoss, Maßstab 1:400 B 08.06 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:400 B 08.07 energetische Charakterisierung Primärenergiegutschrift [kWhprim/m2NGFa]
Terrassen richtet sich gemäß den Grundsätzen der Solararchitektur gen Süden, während die Nebenräume wie Bäder und Erschließung auf der Nordseite angeordnet sind und nur kleine Öffnungen haben. Ein wichtiges Gestaltungsmerkmal sind die Verglasungen über Eck, die viel Licht hineinbringen.
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Unter Berücksichtigung des eigentlich nicht mit bilanzierten Haushaltsstromverbrauchs wird eine ausgeglichene Gesamtenergiebilanz nicht erreicht. Die Solarstromanlagen sind nur zur Deckung des Verbrauchs haustechnischer Anlagen inkl. der Wärmepumpe ausgelegt: z gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch für das Gebäude und den Haushaltsstromverbrauch nach SIA 2031 (66 kWh/m2a) z Eigenbedarfsdeckung durch monatliche Erträge (35 kWh/m2a) z verbleibende Einspeisung (1 kWh/m2) Die hohe monatliche Eigenverbrauchsdeckung gelingt durch die für diese Bilanzierung zu kleine Solarstromanlage. Der Verbrauch ist selbst in Sommermonaten dadurch meist größer (11 Monate pro Jahr) als die Energiebereitstellung. Primärenergiefaktoren nach SIA 2031 (siehe Abb. A 2.07 S. 31)
B 08.07
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Energiebezug
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1 Bodenaufbau: Bodenbelag 15 mm Zementestrich 80 mm Bodenheizung 80 mm, PE-Folie Trittschalldämmung 30 mm Beton 180 mm Massivholzplatte 30 mm 2 Wandaufbau: Dreischichtplatte 35 mm Rippen, ausgedämmt 260 mm Lattung, ausgedämmt 80 mm MDF-Platte 15 mm Windpapier schwarz Hinterlüftung 30 mm Lärchenschalung 25 mm 3 Bodenaufbau: Bodenbelag 15 mm Zementestrich 80 mm Bodenheizung 80 mm PE-Folie Trittschalldämmung 30 mm Splitt 30 mm Blockholzplatte 30 mm Dämmung Glaswolle 320 mm Massivholzplatte 30 mm Gipsfaserplatte 15 mm Energieverbrauch
erneuerbare Energie
Solarstromanlage
thermische Solarkollektoren
Erdregister
Abluft
Energieerzeugung gebäudenah
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Stromnetz B 08.08 B 08.09 B 08.10
Zuluft
Pufferspeicher
Trinkwarmwasser
Wärmepumpe
Heizung
elektrische Verbraucher
wärmeverluste vermieden und die Luftqualität gesteigert. Die Zuluft wird mit einem wasserglykolgeführten Erdregister im Hinterfüllungsbereich des Kellergeschosses vorgewärmt und verhindert damit eine Vereisung im Wärmetauscher. Dem Kaskadenprinzip folgend wird die Zuluft in die Wohn- und Schlafzimmer eingeblasen, in Küche und Bädern wieder abgesaugt und über die Wärmerückgewinnung geführt. Der MINERGIE-P-Standardluftwechsel von 0,33 m3/m2h wird eingehalten. Um Strom einzusparen, werden den Mietern Energiesparlampen empfohlen. Das Treppenhaus ist mit Präsenzmeldern, Tageslichtsteuerung und LEDLeuchten ausgestattet. Alle Waschmaschinen besitzen einen Warmwasseranschluss. Die Trockner haben eine eingebaute Wärmepumpe, während die übrigen Haushaltgeräte mit dem Label A oder besser die Voraussetzungen für die MINERGIE-PECO-Zertifizierung erfüllen. ENERGIEVERSORGUNG Ein erstes Konzept zur Wärmeversorgung sah eine Wärmepumpe mit möglichst tiefer Erdsonde plus Photovoltaikanlage vor, wurde jedoch aus finanziellen Gründen abgelehnt. Die Energie für Heizung und Warmwasser des Neubaus wird nun mit den insgesamt 14 m2 Vakuumröhrenkollektoren und einer Luft-Wasser-Wärmepumpe erzeugt. Die Wärmepumpe hat eine thermische Leistung von 11,7 kW bei einer elektrischen Leistungsaufnahme von 3,3 kW und befindet sich in einem frei stehenden Holzverschlag neben dem Haus. Die beiden Systeme speisen den knapp 1800 Liter fassenden Warmwasser-Kombispeicher mit integriertem Solarregister. Die Wärmeverteilung erfolgt gemäß der Effizienz von Wärmepumpen mit niedriger Vorlauftemperatur von 30 °C über eine in die Böden integrierte Flächenheizung sowie kleine Radiatoren in den Bädern. Für den Ausgleich des Strombezugs der Wärmepumpe und der Lüftungsanlagen generiert eine 14-kWp-Photovoltaikanlage Strom. Sie ist in die Dachhaut der beiden oberen, um 45 Grad geneigten Süddachhälften integriert. Die Anlage fiel etwas größer aus als ursprünglich geplant, um den erhöhten Strombedarf der Luft-Wärmepumpe gegenüber der nicht realisierten Wärmepumpe mit Erdsonde auszugleichen (Abb. B 08.10). GROSSE WOHNHÄUSER
ENERGIEBILANZ Die Solarstromanlage generiert im ersten Jahr 14 kWh/m2NGF Strom und speist diesen in das öffentliche Stromnetz ein. Damit wird der Strombedarf für Heizung, Lüftung und die Warmwasseraufbereitung in Höhe von knapp 17 kWh/ m2NGFa nicht ganz gedeckt, sodass eine ausgeglichene TGA-Strombilanz im Messzeitraum Oktober 2009 bis September 2010 nicht erreicht wird. Im Jahr 2009/2010 führen ca. 10 % weniger Sonnenstunden gegenüber einem durchschnittlichen Jahr zu verringerten Solarstrom- wie auch Wärmeerträgen, wodurch der Verbrauch der Wärmepumpe steigt (Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe 3,01). Der Haushaltsstromverbrauch wird nicht komplett bilanziert und ausgeglichen. Bei einem typischen Verbrauch von 23 kWh/m2NGFa (siehe Abb. A 2.10, S. 33) wäre eine zusätzliche Fläche an Solarstrommodulen von etwa 140 m2 nötig. Die Fläche steht auf dem Dach nicht komplett zur Verfügung, sodass Stromeinsparungen erfolgen müssten. Eine Lebenszyklusanalyse im Rahmen der Zertifizierung nach MINERGIE-P-ECO zeigt, dass sich die schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt durch die energiearme Holzkonstruktion beträchtlich reduzieren lassen. Um die notwendige graue Energie zu minimieren, wird auf die Erstellung der sonst in der Schweiz üblichen und von den Behörden häufig verlangten Tiefgarage verzichtet. Das Haus ist ab der Kellerdecke als vorgefertigte Holzkonstruktion gebaut. Dabei liegt zudem besonderer Wert auf möglichst schadstofffreien Baumaterialien. Die hochgedämmte Holzkonstruktion mit aussteifenden Stahlbetonwänden aus Recyclingbeton verbraucht ungefähr viermal weniger graue Energie als eine vergleichbare Massivkonstruktion. Bei einer angenommenen Lebensdauer von 60 Jahren reduzieren sich die energetischen Gesamtbelastungen für die Produktion der verwendeten Baumaterialien, die Gebäudeerstellung, die Instandhaltung, den Betriebsenergieverbrauch und den Abbruch sowie den vor Ort generierten Solarstrom gemäß Eco-Indicator (siehe Firmenhauptsitz in Kemptthal, S. 120ff.) und CO2Äquivalenten (siehe Abb. A 2.06, S. 31) um mehr als 60 % im Vergleich zu entsprechend großen Mehrfamilienhäusern ohne den Anspruch des MINERGIE-PECO-Labels. MEHRFAMILIENHAUS IN DÜBENDORF
ERFAHRUNGEN Die durch die örtlichen baurechtlichen Bestimmungen geforderte Gebäudehöhe und das Schrägdach bewirken grundsätzlich ein günstiges A / V-Verhältnis. Sie stehen der passiven wie aktiven Nutzung der Sonnenenergie nicht entgegen, wenn auch die starke Dachneigung von 45 Grad einen optimalen Stromertrag verhindert. Die vielen Vor- und Rücksprünge an der Südwestfassade, die ebenfalls durch die Vorschriften entstanden, erhöhen jedoch die Oberfläche des Baukörpers und verkomplizieren die konstruktive und wärmebrückenfreie Detailgestaltung. Die für die Belichtung notwendigen Dachflächenfenster und der Balkoneinschnitt verknappen die Dachfläche und bewirken einen Konflikt mit der Nutzung der Dachfläche für die aktive Solarenergie. In den Mietwohnungen werden die Storen als Blendoder Sichtschutz genutzt und bleiben trotz Erläuterungen im Winter häufig geschlossen. Dadurch mindern sie die solaren Gewinne und erhöhen den Heizwärmebedarf. Über die Installation einer automatischen Steuerung ist noch nicht entschieden. Das Treppenhaus verfügt außer den feststehenden Vakuumröhrenkollektoren im Südwestdach über keine weitere Beschattung, weshalb die Sonneneinstrahlung über die Nordostseite im Sommer das Treppenhaus am Morgen bereits stark erwärmt. Auch im Dachgeschoss und in den Eckzimmern (Nordost und Südost) führt eine fehlende außen liegende Verschattung zu hohen Temperaturen. Trotz teilweise extratiefer Laibung von 388 mm ist auch hier ein beweglicher Sonnenschutz erwünscht. Die an der Balkonvorderkante montierten Stores ergänzen die Beschattung der Südwestfassade, die über die Auskragungen funktioniert. Jedoch staut sich dadurch die warme Luft auf den Balkonen. Hier könnte ein lichtreflektierender Storestoff oder zusätzlich eine zweite Jalousie direkt vor den Fenstern Abhilfe schaffen.
B 08.08 tiefe Fensterlaibungen zur Verschattung bei hochstehender Sommersonne B 08.09 Fassadenschnitt, Maßstab 1:50 B 08.10 technische Übersicht der Energieversorgung B 08.11 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Dübendorf (CH) 1090 kWh/m2a 8,5 °C suburban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Kellerdecke/Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,12 0,70 0,09 0,11 0,20
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2 Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
14 m2 0,02 m2/m2 1800 l 2,50 l/m2 94,40 m2 0,13 m2/m2 14 kWp 19,30 Wp /m2
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NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz Energieträger Bezug Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE MINERGIE-P-ECO-Konzept, mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Luft-Wasser-Wärmepumpe, Photovoltaik, Solarthermie, ökologische Baustoffe
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
727 m2 986 m2 3266 m3 1300 m2 0,40 m2/m3 2400 €/m2 (2009) 6 Stück 10 Personen
VERBRAUCHSKENNWERTE (2010) Heizwärmeverbrauch Wassererwärmung Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergiebedarf gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
kWh/m2a 11 22 9 26 66 36 B 08.11
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PLUSENERGIESIEDLUNG Freiburg, D 2006
TGA
Die ab 1996 geplante und in den Jahren 2000 bis 2006 realisierte Solarsiedlung am Schlierberg in Freiburg zählt zu den weltweit ersten verwirklichten Plusenergieprojekten im Siedlungsmaßstab. Durch die Passivhausbauweise, die großflächigen Photovoltaikanlagen und die Anbindung an das mit Holz befeuerte Nahwärmenetz des benachbarten ökologischen Vorzeigestadtquartiers Vauban gelingt es, das Plusenergieziel zu erreichen. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Der Architekt und Initiator Rolf Disch sieht in seinem Entwurf von 1996 ein ökologisches Siedlungsprojekt, das einen Schritt weiter gehen soll als die zu dieser Zeit bereits bekannten Passivhäuser. Die Siedlung
soll nicht nur für ihre Bewohner gesundheitlich unbedenklich sein, energiesparend, nachhaltig, durch erneuerbare Energie versorgt werden und somit kleinstmögliche energetisch-ökologische Umweltauswirkungen haben, sondern auch mehr Energie bereitstellen als verbrauchen. Rolf Disch prägt damit den Begriff »Plusenergiehaus«. Ein Masterplan legt unter Berücksichtigung von Wohnqualität, sozialen Siedlungsaspekten, hohen Grundstückspreisen (rund 500 €/m2 Bauland) und damit einer Maximierung der Geschossflächenzahl sowie nach Abwägung von Schattenwurf und solaren Potenzialen die Orientierung der Hausreihen samt Dächern und die Dichte der Siedlung fest. Das Ziel sind ganzjährig verschattungsfreie Photovoltaikdachflächen sowie im
Bauherr: Solarsiedlung, Freiburg Architekt: Rolf Disch SolarArchitektur, Freiburg Energieplaner: Phoenix Solar, Sulzemoos Technische Gebäudeausrüstung: Phoenix Solar, Sulzemoos Monitoring: Bergische Universität Wuppertal Hauptakteur: Architekt
B 09.01 B 09.02
SIEDLUNGEN
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Winter besonnte Südfassaden (Abb. B 09.06 und 07, S. 96). Innerstädtische Grundstücke weisen dieses Potenzial oft nicht auf. Deshalb befindet sich die Siedlung etwas außerhalb des Stadtzentrums. Der Standort Freiburg spielt wegen seiner Lage in einer sehr sonnigen Region Deutschlands mit milden Wintern eine wichtige Rolle für das Erreichen der Plusenergiebilanz der Siedlung. Finanzierungsschwierigkeiten, hohe Kosten beim Grundstück und bei den Photovoltaikanlagen führen zu einem Kompromiss zu Lasten der Siedlungsgröße und der Freiflächen. Zudem werden mehrere »Solarfonds« gegründet. Inhalt dieser im Wohnungsbau neuartigen Finanzierungsidee ist es, die Solardächer auch dann durchgehend realisieren zu können, wenn der Käufer eines der darunterliegenden Häuser das notwendige Kapital nicht aufbringen kann. Die geschlossenen Immobilienfonds decken die Lücken der hohen Realisierungskosten. Vereinbarungen klären hierbei die Problematik, dass die PV-Flächen auf dem Hausdach nicht im gleichen Besitzverhältnis stehen wie das sich darunter befindliche Haus. Die Voraussetzung und Duldung der PLUSENERGIESIEDLUNG IN FREIBURG
B 09.03 B 09.04 B 09.05
Bad Küche Wohnen Essen Terrasse Schlafen Zimmer Balkon
durchgehenden Solarstromanlage auf dem Dach, deren Betrieb durch Dritte und die Abtretung des Rechts auf den eigenen Betrieb einerseits sowie das Zusichern der Möglichkeit zur Beseitigung von eventuellen Schäden am Hausdach andererseits sind vertraglich geregelt. Das rechtliche Konstrukt samt Solarfonds stellt einen Teil des nachhaltigen und ethisch korrekten Siedlungskonzepts dar. Die Investition in erneuerbare Energien ist transparent, da sie sowohl lokal als auch durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Ertrag in einem großen Maße exakt vorbestimmt ist. Auf diese Weise beteiligen sich außenstehende Kleininvestoren an der Verwirklichung von 15 der 59 Häuser. SIEDLUNGSKONZEPT Die Ressourceneffizienz spielt in sämtlichen Planungen zur räumlichen Gestaltung, der Konstruktion und Materialauswahl sowie vor allem der Betriebsenergie eine übergeordnete Rolle. Der Grundgedanke der Konzeption ist die ausgeprägte aktive und passive Nutzung der Sonnenenergie. Das Abwägen der Abstände zwischen den ein-
B 09.01 Lageplan der Plusenergiesiedlung, Maßstab 1:1500 B 09.02 Ansicht von Südosten mit angrenzendem Sonnenschiff B 09.03 Grundriss Erdgeschoss eines typischen Reihenmittelhauses, Maßstab 1:200 B 09.04 Grundriss 1. Obergeschoss eines typischen Reihenmittelhauses, Maßstab 1:200 B 09.05 Schnitt, Maßstab 1:200 9 Photovoltaik 10 Sonnenstand Sommer 11 Sonnenstand Winter
zelnen Häuserreihen sowie von ihren Höhen und Dachformen gewährleistet einerseits die Verschattungsfreiheit der Südfassaden im Winter und andererseits im Kontext der Wirtschaftlichkeit eine maximale Geschossflächenzahl der sehr teuren Grundstücke. Es ergibt sich das charakteristische Bild der Siedlung mit dicht beieinander stehenden Reihenhäusern und ihren klar nach Süden orientierten, asymmetrischen Satteldächern (Abb. B 09.01 und 02). Die Plusenergiesiedlung bietet ihren 170 Bewohnern gleichzeitig die sozialen Vorteile eines ganzheitlichen Wohnprojekts und des naturnahen Wohnens in der Stadt. Ihr Zentrum ist gut per Rad oder Straßenbahn zu erreichen. Außerdem ist Car-Sharing ein fester Bestandteil des Lebens in der Siedlung. In direkter Nachbarschaft liegt der Stadtteil Vauban mit seinen Kindergärten und Schulen. Dieses ehemalige Kasernenareal ist seit den 1990er-Jahren ein Experimentierfeld für ökologisches Bauen und steht stellvertretend für die unter nachhaltigen Gesichtspunkten wachsende Stadt Freiburg. Die vielfältigen Freiraumflächen im Stadtteil Vauban sowie die her-
B 09.06 B 09.07
96 a
b
vorragende Infrastruktur samt Nahwärmenetz stehen auch den Bewohnern der Plusenergiesiedlung zur Verfügung. 50 rein südorientierte Reihenhäuser ordnen sich, aufgeteilt in zehn Hauszeilen unterschiedlicher Größe, auf dem ca. 11 000 m2 großen Siedlungsgrund. Dieser wird mittig durch eine Erschließungsstraße gegliedert, die allein zum Be- und Entladen von Autos befahren wird. Parkplätze liegen in der Tiefgarage des »Sonnenschiffs«, eines als Plusenergiegebäude geplanten dreigeschossigen Büro- und Dienstleistungszentrums, oder im nahegelegenen Parkhaus »Solargarage«. Die einzelnen Reihenhäuser werden über schmale Wohnwege zwischen jeder zweiten Reihe abwechselnd von Süden bzw. Norden erschlossen. Alle übrigen Außenbereiche sind als Privatgärten angelegt; ein gemeinsam genutzter Platz ist somit nicht vorhanden. Das Dach des Sonnenschiffs bietet Bebauungsfläche für neun dreigeschossige Penthäuser, ebenfalls als Plusenergiehäuser geplant. Der Gebäuderiegel grenzt das Wohngebiet zur Hauptverkehrsachse hin ab und sorgt als Lärmschutz für eine ruhige Atmosphäre innerhalb der Siedlung. Die Penthäuser werden von der Hauptstraße aus über die Treppenhäuser des Sonnenschiffs erschlossen. In einer Ladenzeile im Erdgeschoss können sich die Bewohner wohnungsnah mit Lebensmitteln versorgen. ARCHITEKTUR Die zweigeschossigen Reihenhäuser und die nördlichen mit ihren drei Geschossen va-
riieren in der Breite, sodass Wohnflächen zwischen 75 und 200 m2 entstehen. Die Grundrisszonierungen folgen dem klassischen Solarhausgedanken (Abb. B 09.03 – 05, S. 95): Wohn- und Aufenthaltsräume liegen im Süden, innere Erschließungen mittig und die Servicezone samt Küche, Bädern sowie Haustechnik im Norden. Einzig bei süderschlossenen Gebäuden fällt ein Teil des Wohnraums dem Eingangsbereich mit Windfang zum Opfer. Durch die klare Südorientierung und die dichte Bebauung ergibt sich ein sehr einheitliches Gesamtbild. Unterschiedliche Farben der Gebäude im Rahmen eines übergeordneten Farbkonzepts und eine leichte Drehung einzelner Reihen brechen die Homogenität. Die Außenwandkonstruktion bilden größtenteils vorgefertigte schlanke Holzstegträger mit ca. 30 cm mineralischer Dämmung. Durch ihre Vorfertigung wird die Bauzeit kurz gehalten. Das Stegträgersystem ermöglicht flexible Spannweiten und verringert durch schmale Stützenquerschnitte gleichzeitig Wärmebrücken. Die vorgehängten Fassaden sind überwiegend holzverschalt, das verwendete Holz stammt aus regionaler und nachhaltiger Waldwirtschaft. Da es sich um Reihenhäuser handelt, weisen die Gebäude eine sehr kompakte Kubatur auf. Durch den Verzicht auf Keller werden Abstellmöglichkeiten in die an die Privatwege angrenzenden Remisen verlegt. Sie gliedern den kleinen privaten Außenraum. In jedem Haus ist ein zweites Wasserleitungsnetz verlegt. Es ermöglicht die Nutzung des Regenwassers, das nicht in der Rigole der Siedlung versickert.
zu B 09.06
zu B 09.07
114 % 109 % 105 % 100 % 95 % 91 % 86 % 81 % 76 % 72 % 67 %
100 % 92 % 84 % 76 % 68 % 60 % 52 % 44 % 36 % 28 % 20 %
ENERGIEEFFIZIENZ Die Plusenergiehäuser beruhen auf dem Passivhauskonzept und verbrauchen nachweislich sehr wenig Energie. Dies resultiert aus einem Bündel an Maßnahmen: Sie sind kompakt gebaut, wärmebrückenarm, mittels umlaufender Mineralfaserdämmung von 30 cm in den Fassaden und 36 cm in den Dächern sowie Dreifach-Wärmeschutzverglasung optimal gedämmt und besitzen dezentrale, auf den Nordseiten installierte Kompaktlüfter mit integrierter Wärmerückgewinnung. Durch die Dezentralität sind Lüftungskanäle zwar nicht notwendig, hinsichtlich der Energieeffizienz gibt es allerdings Kompromisse: Die verwendeten Lüfter befördern diskontinuierlich verbrauchte Raumluft und frische Zuluft mittels Umkehr der Laufrichtung durch einen Wärmespeicherblock, wodurch die Effizienz im Vergleich zu zentralen Anlagen mit z. B. Kreuzstromwärmetauschern leidet. Mehrere dezentrale Lüftungsgeräte pro Reihenhaus sind durch eine Steuerung zu einem Gesamtsystem zusammengeschaltet, sodass sie jeweils im Gegentakt arbeiten und Überbzw. Unterdrücke vermeiden. Passive Solarerträge über die großflächig verglasten Südfassaden reduzieren den Heizenergiebedarf. Gleichzeitig werden die Wohnräume mit viel Tageslicht versorgt, durch die feststehende Verschattung der Südfenster mittels Dachüberständen und Balkonen jedoch im Sommer nicht überhitzt. Ein geringer Fensteranteil an Nord-, Ost- und Westfassade verringert Wärmeverluste und Baukosten. Zusätzliche Maßnahmen sind wassersparende ArmaSIEDLUNGEN
97 B 09.06 Verschattung der Südfassaden im Sommer zum sommerlichen Wärmeschutz (a) und im Winter zur passiven Wärmegewinnung über solare Einstrahlung (b) B 09.07 Besonnungspotenzial der Dachflächen zur aktiven Nutzung der Einstrahlung vor Ort, Simulation für ein ganzes Jahr (100 % stehen für maximale Einstrahlung auf die horizontale Fläche vor Ort) B 09.08 Solarsiedlung von oben B 09.09 Technische Übersicht der Energieversorgung zum Zeitpunkt der Messperiode 2007 bis 2009. Inzwischen wurde das Blockheizkraftwerk des Nahwärmenetzes gegen einen reinen Holzkessel getauscht.
turen. Teilweise verringern stromsparende Geräte und Beleuchtung sowie ein aufgeklärtes Nutzerverhalten Stromverbräuche im Haushalt.
Endenergiebezug
Energieverbrauch
erneuerbare Energie Solarstromanlage
Hackschnitzel
Abluft
ENERGIEVERSORGUNG Eine Solarstromanlage und ein Nahwärmenetz liefern der Plusenergiesiedlung aktiv Energie (Abb. B 09.09 und 11, S. 98).
PLUSENERGIESIEDLUNG IN FREIBURG
Energieerzeugung Umgebung
WÄRMEVERSORGUNG Die Wärmeversorgung für Heizung und Warmwasser liefert ein Nahwärmenetz. Es wird durch ein über Holzhackschnitzel und Erdgas betriebenes Blockheizkraftwerk im Quartier Vauban gespeist. Hauseigene Übergabestationen füllen den Heizkreislauf und die dezentralen Warmwasserspeicher, die einen kontinuierlichen Wärmenetzbetrieb im Sommer vermeiden und somit Verluste des Nahwärmenetzes reduzieren. Auf solarthermische Kollektoren wird verzichtet.
Stromnetz
Pufferspeicher
Nahwärmenetz
Energieerzeugung gebäudenah
KWK
STROMVERSORGUNG Das Hauptmerkmal der Plusenergiesiedlung bilden die vollflächig mit Photovoltaikmodulen bedeckten, um 22 Grad geneigten Süddächer. Die PV-Elemente liegen auf einer Stahlkonstruktion oberhalb der wasserführenden Schicht. Eine vollflächige Hinterlüftung verbessert den Ertrag der Solaranlagen. Auskragende PV-Flächen dehnen die Süddächer aus. Sie bilden mit den deutlich kürzeren Norddächern einhüftige Satteldächer, auf deren Südseite ca. 400 kWp Leistung zur Stromerzeugung zur Verfügung stehen. Sie erzeugen mehr Energie, als in der Siedlung insgesamt verbraucht wird.
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Zuluft
Wärmeübergabestation
Heizung
Speicher
Trinkwarmwasser
elektrische Verbraucher
B 09.08 B 09.09
ie
rg
ne
N
120
e ull
90
60
30
0 0
30
60 90 120 150 Primärenergiebezug [kWhNGF/m2a]
Folgende Aspekte ergeben den NEH-10-Standard: z gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch inklusive Haushaltsstrom (70 kWh/m2a) z Restverbrauch nach Abzug monatlich anrechenbarer Erträge (60 kWh/m2a) z saisonaler Ausgleich verbleibender Verbräuche z jährliches Energieplus, Einspeisung ins öffentliche Stromnetz (82 kWh/m2) Die saisonal sehr große Eigenverbrauchsdeckung resultiert aus den Solarstromanlagen, die auch im Frühjahr und Herbst die geringen Verbräuche ausgleichen können. Primärenergiefaktoren nach DIN 18 599 (siehe Abb. A 2.07, S. 31)
PV-Anlage 142 kWh/m2a
Stromnetz 142 kWh/m2a
elektrische Verbraucher 54 kWh/m2a
Strombezug 54 kWh/m2a Heizung 6 kWh/m2a
B 09.10 B 09.11 B 09.12
ENERGIEBILANZ Die angewendete Form der Bilanzierung folgt der eines primärenergetischen Plusenergiehauses. Als Bilanzgrenze gilt die Siedlungsgrenze. Die Betrachtung der Verbräuche umfasst sämtliche Sektoren: Neben den in der EnEV enthaltenen Verbräuchen für Wärme und Warmwasser fließt auch der Strom für Haustechnik, Beleuchtung, Haushalt und Unterhaltung mit ein (Abb. B 09.10). Durch die Kraft-Wärme-Kopplung im Blockheizkraftwerk des Wärmenetzes wird der Brennstoffmix aus regionalen Hackschnitzeln und Erdgas sehr effizient genutzt. Der Primärenergiefaktor für die bezogene Wärme liegt bei niedrigen 0,60 und kann durch die bilanziell komplette Einspeisung des Stromertrags aus den großen Solarstromanlagen in das öffentliche Netz ausgeglichen werden. Sie erzeugen in der Jahressumme deutlich mehr Strom, als insgesamt verbraucht wird. Abgesehen von den kalten und weniger sonnigen Monaten November bis Januar können auch bei monatlicher Betrachtung genügend große anrechenbare Erträge der Solarstromanlage ausgemacht werden, um sämtliche Energiebezüge eines jeden Monats auszugleichen. Es bedarf lediglich 10 kWhprim /m2a, die durch die Solarstromanlage als Überschüsse in den Sommermonaten eingespeist werden, um erhöhte winterliche Bezüge im saisonalen Ausgleich zu bilanzieren. Hierbei kompensiert die Stromeinspeisung die Wärmeerzeugung aus Holz. Das darüber hinausgehende Energieplus ver-
bessert durch die Einspeisung in das öffentliche Stromnetz dessen Anteil an erneuerbaren Energien. In Deutschland war bis 2010 die komplette Solarstromeinspeisung üblich. Das dabei favorisierte Konzept der Vergütung für Solarstrom gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) förderte die Einspeisung des gesamten Ertrags gegenüber der Stromerzeugung zur prioritären Eigenverbrauchsdeckung. Für die Häuser der Solarsiedlung werden ab der Anlageninbetriebnahme im Jahr 2006 über 20 Jahre 49 Cent pro eingespeister kWh Strom garantiert. Ab Mitte 2010 fördert das EEG aufgrund einer neuen Regelung primär den Eigenverbrauch von selbst und vor Ort erzeugtem Solarstrom. Die Vergütung für eigens produzierten Strom (22,76 Ct/kWh) übersteigt zusammen mit dem vermiedenen Bezug von Strom über den Energieversorger die Vergütung von eingespeistem Strom (33,03 Ct/kWh bis 30 kW). Voraussetzung für diese Abrechnungsmethode sind entsprechende Stromzähler. ERFAHRUNGEN Im Rahmen einer Evaluierung der Jahre 2007 bis 2009 seitens der Bergischen Universität Wuppertal wird für die 50 Reihenhäuser die Energiebilanz überprüft. Erfasst werden jährliche, zeitgleiche Verbrauchsdaten für Wärme, Trinkwarmwasser und Gesamtstromverbrauch auf der Sollsowie die Stromerzeugung auf der Habenseite. Außer anfänglichen Mängeln an Wechselrichtern sind keine technischen Probleme aufgetreten.
Fernwärme [kWh/m2NGFa]
Primärenergiegutschrift [kWhNGF/m2a]
98
150
Haushaltsstrom Solarstromanlage
25
20
15
10
5
Nahwärmenetz mit KWK Trinkwarmwasser 10 kWh/m2a
0 Jan
Feb
Mrz
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
SIEDLUNGEN
Einspeisegutschrift [kWh/m2NGFa]
einzelne Reihenhäuser 250 200
Siedlungsmittel ie erg en l l Nu
giefaktor reduziert sich der Primärenergieverbrauch deutlich, sodass die Gutschrift aus Solarstrom ein deutliches Plus erzielen kann. Dies würde sich mit der Wärmebereitstellung über den Energieträger Gas verringern. Der Unterschied ist jedoch durch den sehr niedrigen Wärmebedarf der Häuser gering (Abb. B 09.14). Geplant ist der Betrieb der Nahwärme nahezu ausschließlich mit dem Rohstoff Holz. Gas soll nur zu Spitzenlasten eingesetzt werden. Im praktischen Betrieb liefert jedoch Erdgas 30 % des Brennstoffs, da das Holz-Blockheizkraftwerk zahlreiche Probleme bereitet. Deshalb wurde dieses stillgelegt und die Anlage auf Nahwärme mit hundertprozentiger Holzfeuerung umgestellt. B 09.10 energetische Charakterisierung, beispielhaft für ein gemessenes Reihenhaus B 09.11 Sankey-Diagramm für Strom (oben) und Wärme (unten), beispielhaft für ein gemessenes Reihenhaus B 09.12 monatliche Bilanzgrafik, Primärenergie für ein Beispielhaus B 09.13 Darstellung der Bilanz einzelner gemessener Häuser und die der Gesamtsiedlung. Die Bilanz für die gesamte Siedlung sowie ein durchschnittliches Haus ist positiv. Der Siedlungsmaßstab gleicht die unterschiedliche Performance der Häuser aus. B 09.14 Vergleich der Primärenergiebilanz bei unterschiedlichen Energieträgern zur Wärme- und Warmwasserbereitstellung (Siedlungsmittel) B 09.15 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
Verbrauch Wärme und WW Verbrauch Strom Erzeugung Strom [kWh/m2NGFa]
Es zeigt sich, dass ein Durchschnittshaus in der Jahressumme ein primärenergetisches Plus von ca. 36 kWh/m2a erzielt. Einzelne Häuser weichen von dieser positiven Bilanz ab (Abb. B 09.13). Zum einen ist das Verhältnis von Wohnfläche zu PV-Fläche ungünstig – wie bei der dreigeschossigen Hausreihe im Norden, die im Verhältnis weniger Dachfläche für die Solarstromanlage hat (0,22 m2 statt Ø 0,36 m2 PV / beheizte Wohnfläche). Zum anderen verbrauchen einzelne Reihenendhäuser aufgrund erhöhter Hüllfläche mehr Heizenergie, oder die Nutzung als Büro führt zu überdurchschnittlichem Stromverbrauch. Unterschiede lassen sich zudem durch das Verhalten und die Bedürfnisse der Nutzer erklären. Etwa ein Viertel der Primärenergie entfällt zu gleichen Teilen auf Wärme und Warmwasser, drei Viertel auf Strom. Der festgestellte Stromverbrauch in der Siedlung liegt nur leicht unter dem bundesdeutschen Durchschnitt, was weiteres Potenzial im sparsamen Umgang mit Strom erkennen lässt. Die Effizienz der Gebäude ist in Kombination mit der erneuerbaren Energiebereitstellung der Schlüssel zur positiven Bilanz. Das Durchschnittshaus der Plusenergiesiedlung als Variante gemäß Energieeinsparverordnung 2004 hätte einen Primärenergiebedarf von 185 kWh/m2a, in der stromsparenden Version 165 kWh/m2a. Mittels Effizienzsteigerung durch den Passivhausstandard verblieben noch immer 98 kWh/m2a. Durch den Bezug der Wärme aus dem Nahwärmenetz mit günstigem Primärener-
120 100 80
150 60 100
40
50
20 0
0 0
50
100
150
200
250
Primärenergieverbrauch [kWh/m2NGFa]
PLUSENERGIESIEDLUNG IN FREIBURG
PrimärenergiePrimärenergiePrimärenergieverbrauch bei verbrauch bei Wärme erzeugung Wärme und Gas aus Nahwärmenetz
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Freiburg (D) 1100 kWh/m2a 11,6 °C urban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Kellerdecke/Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,12 0,80 0,12 0,16 0,28
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
3205 m2 0,40 m2/m2 400 kWp 50,70 Wp /m2
99
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Nahwärmenetz Energieträger Bezug Nahwärme, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz, Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskonzept, mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Tageslichtoptimierung, Nahwärmenetz mit Hackschnitzelnutzung, Photovoltaik, feststehende Verschattung, Baustoffökologie
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
7890 m2 8112 m2 24 416 m3 13 722 m2 0,56 m2/m3 1940 €/m2 (2006) 59 Stück 170 Personen
VERBRAUCHSKENNWERTE (2007) Heizwärmeverbrauch Wassererwärmung Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieeinspeisung gesamt
kWh/m2a 10 16 26 21 70 142
B 09.13 B 09.14 B 09.15
PLUSENERGIESIEDLUNG
100
Weiz, A 2006 (BA 01), 2008 (BA 02)
TGA
Bauherr: Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft Elin, Weiz Architekt: Arch ° Buero Kaltenegger, Passail Energieplaner: Arch ° Buero Kaltenegger, Passail Technische Gebäudeausrüstung: TB Bierbauer, Passail Monitoring: Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie (AEE), Salzburg Hauptakteur: Architekt
Das Bauvorhaben »Plusenergiewohnen« liegt in der oststeirischen Energieregion Weiz-Gleisdorf, für die der gleichnamige Verein die Vision von einer ausgeglichenen Energiebilanz bis 2020 ausgegeben hat. Die 22 Wohneinheiten umfassende Passivhaussiedlung erreicht im Mittel ein energetisches Plus durch Solarstromanlagen, die mehr Strom erzeugen, als im Betrieb durch dezentrale Wärmepumpen und andere elektrische Verbraucher in den sogenannten NurStrom-Häusern genutzt wird. Die modularen Siedlungsgebäude entstanden zwischen 2006 und 2008 in zwei Bauabschnitten und schließen die Entwicklung eines serienreifen Fertigteilhauskonzepts unter der Maßgabe der Energie- und Kosteneffizienz ab. ARCHITEKTUR Je drei, vier oder fünf Wohneinheiten in zwei unterschiedlichen Grundrisstypen (93 m2 bzw. 105 m2) befinden sich in den sechs Gebäudereihen. Diese sind auf dem Grundstück nicht strikt nach Süden ausgerichtet, sondern folgen dem Landschaftsraum und dem Wunsch, diesen mit den baulichen Strukturen in Einklang zu bringen. Dadurch entstehen Abweichungen der einzelnen Ge-
bäudereihen von 12 bis 34 Grad aus der Südrichtung (Abb. B 10.01). Ihr Einfluss auf die Erträge der Solarstromanlagen ist nachweislich marginal und macht, über eine Hausreihe betrachtet, gemessene Ertragsunterschiede von ca. 3 % aus, während sich der Wechsel zwischen sich öffnenden und schließenden Außenräumen deutlich wahrnehmen lässt. Die waldreiche Region Steiermark liefert das Tannenholz für das Holzleichtbausystem in Fertigteilbauweise (Abb. B 10.02). Die Riegelkonstruktion des Außenwandelements ist innen mit einer Gipskartonplatte und außen mit einer diffusionsoffenen Holzfaserplatte beplankt. Dazwischen entsteht ein Hohlraum, der mit 35 cm Zellulosedämmung ausgeblasen ist. Es ergibt sich ein U-Wert von 0,09 W/m2K. Eine hinterlüftete Fichtenholzfassade schützt vor der Witterung. In Decken- und Dachkonstruktionen bilden massive Kreuzlagenholzplatten aus kreuzweise übereinander verleimten Fichtenbrettern die tragenden Elemente. Die Gebäude sind nicht unterkellert; stattdessen sind an den Eingangsseiten jeder Wohneinheit 4,50 m2 große, ungedämmte Metallcontainer als Kellerersatz vorgestellt.
B 10.01 B 10.02
SIEDLUNGEN
Endenergiebezug
erneuerbare Energie Solarstromanlage
Erdregister
Energieverbrauch
Abluft
101 Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Energieerzeugung gebäudenah
Wärmepumpe
Zuluft
Nachheizregister
Speicher
Trinkwarmwasser
elektrische Verbraucher
Stromnetz
B 10.03 B 10.01 Lageplan, Maßstab 1:2500 B 10.02 Ansicht von Nordwesten B 10.03 technische Übersicht der Energieversorgung
ENERGIEEFFIZIENZ Eine sehr gute Wärmedämmung mit einem mittleren U-Wert von 0,20 W/m2K der luftdichten Gebäudehülle (gemessen 0,37– 0,50 h-1 bei 50 Pa), dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung sowie die Ausrichtung und verstärkte Öffnung der Wohnräume nach Süden ermöglichen den bereits im Vorfeld des Projekts als Ziel ausgegebenen Passivhausstandard. Er bildet zusammen mit der Zonierung und Orientierung der Gebäudereihen sowie einer großen Kompaktheit durch u. a. vorgestellte Kellerersatzräume die Basis des sehr niedrigen Restenergiebedarfs und damit die Grundvoraussetzung für das »Plusenergiewohnen«. ENERGIEVERSORGUNG Der niedrige Heizwärmebedarf in Höhe von ca. 15 kWh/m2a wird per Lüftungsanlage und Luft-Luft-Wärmepumpe gedeckt. Frischluft wird über Erdreich-Luftwärmetauscher, die unter den Gebäuden verlegt sind, angesaugt PLUSENERGIESIEDLUNG IN WEIZ
und vorgewärmt. Die einzelnen Rohre sind bei einem Durchmesser von 25 cm zwischen 45 und 60 m lang. Jedes Gebäude besitzt eine 1-kWth-Wärmepumpe als Kombination aus Brauchwasserwärmepumpe und Lüftungsgerät. Ihre Wärmequelle ist die Fortluft. Das klassische Lüftungskompaktgerät stellt auch die Warmwasserversorgung mittels eines systemintegrierten 185-Liter-Warmwasserspeichers dar. Zur Spitzenlastabdeckung wird in der Lüftungsanlage ein Nachheizregister mit einer maximalen elektrischen Leistung von 1,05 kW eingesetzt. Thermische Solarkollektoren kommen nicht zum Einsatz. Eine zweireihig auf den Flachdächern der Siedlung aufgeständerte Solarstromanlage generiert über das Jahr gesehen sämtlichen verbrauchten Strom. Die vordere Reihe verschattet die großen südseitigen Fensterflächen und dient gleichzeitig als Überdachung der teilweise realisierten Balkone. Über jedem
Wohnungsabschnitt befindet sich ein separater Anlagenteil mit einer Fläche von 40 m2 multikristallinen Solarmodulen und einer installierten Leistung von 4,95 kWp. Für beide Bauabschnitte ergibt sich eine Gesamtfläche von 520 m2 und eine Gesamtleistung von 64 kWp. Die Solarstromanlagen sind ähnlich wie die dezentralen Wärmepumpen jeder Wohneinheit mit eigenem Wechselrichter und Zähler zugeordnet. Der Betrieb erfolgt jedoch zurzeit als Gesamtanlage durch den Bauherrn als Anlagenerrichter, der für Investition, Genehmigung, Betrieb und Wartung zuständig ist (Abb. B 10.03). ENERGIEBILANZ Der Heizwärmebedarf variiert in Abhängigkeit von der Lage bzw. der damit verbundenen Hüllfläche der einzelnen Wohneinheit und liegt zwischen 13 und 15 kWh/m2NGFa. Nach drei Jahren Betrieb zwischen 2006 und 2008 wurden die Verbrauchs- und Ertragszahlen des ersten Bauab-
Primärenergiegutschrift [kWhprim/m2NGFa]
102
150
ie
rg
e len
l Nu
120
90
60
30
0 0
30
60 90 120 150 Primärenergiebezug [kWhprim/m2NGFa]
Im Mittel ergeben folgende Aspekte den NEH-18-Standard: z gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch inklusive Haushaltsstrom (79 kWh/m2a) z Eigenbedarfsdeckung durch monatlich anrechenbare Erträge (18 kWh/m2a) z Ausgleich verbleibender Verbräuche durch monatliche Überschüsse z jährliches Energieplus (3 kWh/m2) Primärenergiefaktoren nach Gemis 4.5 (siehe Abb. A 2.07, S. 31)
Einspeisegutschrift [kWh/m2NGFa]
einzelne Reihenhäuser Siedlungsmittel 100
B 10.04 B 10.05 B 10.06
ion
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80
rgi
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schnitts und somit der ersten neun Wohneinheiten durch die Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie (AEE) Kärnten ausgewertet. Die Bilanzierung erfolgt auf Basis der Primärenergie und umfasst je eine Wohneinheit mit den Erträgen der jeweils zugeordneten Photovoltaikanlage. Die Betrachtung der Verbräuche beinhaltet den gesamten Stromverbrauch dieser Wohneinheit für Raumwärme, Warmwasser, Lüftung, Beleuchtung, Haushalt und Unterhaltung. Die Differenz aus dem Ertrag der einzelnen Solarstromanlagen zum Gesamtstromverbrauch einer Wohneinheit ergibt in der Mehrzahl mit nur wenigen Ausnahmen einen Überschuss, sodass sich für die gesamte Siedlung grundsätzlich eine positive Energiebilanz einstellt. Der Ertrag der Photovoltaikanlage wird komplett in das öffentliche Stromnetz eingespeist (Abb. B 10.04 und 05). ERFAHRUNGEN Eine Betrachtung der Ausbeute der Solarstromanlagen bei den ersten drei Gebäudereihen zeigt nur unwesentliche Abweichungen durch die unterschiedlichen Winkel der Gebäudezeilen. Im Verbrauch der einzelnen Wohneinheiten gibt es hingegen größere Schwankungen der Verbräuche für Heizung, Warmwasser und Lüftung, obwohl die Wohnungen nahezu identisch sind. Mehr- oder Minderverbräuche können sich aus energetisch ungünstigeren Lagen der Wohnungen erklären und durch nutzerspezifische Verbräuche. Ein teils erheblicher Mehrverbrauch in einigen Wohnungen lässt nicht direkt auf eine größere Anzahl an Personen schließen. Dies zeigt, dass der Einfluss der Nutzer im Betrieb signifikant ist. Trotzdem werden die prognostizierten Energieteilkennwerte im Siedlungsmittel erreicht und wird der Wohnkomfort als gut bewertet.
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Weiz (A) 1110 kWh/m2a 9,0 °C suburban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Kellerdecke/Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,093 0,800 0,108 0,103 0,200
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK (pro Wohngebäude) Solarstromanlage Fläche 40 m2 Fläche pro m2 0,43 m2/m2 Leistung 5 kWp Leistung pro m2 53,80 Wp /m2 thermischer Speicher Volumen 185 l Speichervolumen pro m2 2 l/m2 NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz Energieträger Bezug Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskonzept, Solarstromanlage, Luft-Luft-Wärmepumpe, Komfortlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Frischluftansaugung über Erdkollektoren, ökologische und regional verfügbare Baumaterialien
GEBÄUDEKENNWERTE (exemplarisch für ein Wohnhaus) Nettogrundfläche NGF 93 m2 Bruttogrundfläche BGF 130 m2 Bruttovolumen V 403 m3 Hüllfläche A 291 m2 A / V-Verhältnis 0,72 m2/m3 Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) 1420 €/m2 (2008) Nutzeinheiten (Siedlung gesamt) 22 Stück Anzahl Nutzer 3 Personen
60 40 20 0 0
20
40 60 80 100 Endenergieverbrauch [kWh/m2NGFa]
B 10.04 energetische Charakterisierung B 10.05 Darstellung der primärenergetischen Bilanz der einzelnen Wohneinheiten des ersten Bauabschnitts und des Siedlungsmittels. Die Verbräuche und Erträge repräsentieren den Dreijahresdurchschnitt von 2006 bis 2008. B 10.06 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
VERBRAUCHSKENNWERTE (gemittelt 2006 –2008) Heizwärmeverbrauch Wassererwärmung Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Gesamtstromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
kWh/m2a 15 20 24 61 79 82
SIEDLUNGEN
Großbritanniens erste Nullenergiesiedlung entstand 2002 in der Gemeinde Beddington, die in den Londoner Stadtbezirk Sutton eingegliedert ist. Die Siedlung mit dem Namen Beddington Zero Energy Development (BedZED) befindet sich auf einer brachliegenden Fläche eines ehemaligen Klärwerks. Durch ein dem Passivhaus ähnliches Energiekonzept mit Solarstromanlagen und einem mit Holzgas befeuerten Blockheizkraftwerk sollen das Nullenergieziel erreicht und außerdem 90 % Heizenergie sowie 33 % Strom gegenüber dem britischen Neubaustandard eingespart werden. Dabei ist auch der gesamte Haushaltsstrom berücksichtigt. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Mitte der 1990er-Jahre errichtete der englische ökologisch
interessierte Architekt Bill Dunster für seine Familie einen Prototyp für Niedrigenergiehäuser mit aktiver Solarenergienutzung. Das sogenannte Hope house dient dem parallel entwickelten Konzept Hope town für Terrassenbauten mit verschiedenen, stark verdichteten Nutzungen als Vorlage und wird schließlich als Zero-Energy-Development in Beddington verwirklicht. Möglich macht dies vor allem die unternehmerisch denkende und ökologisch orientierte Wohltätigkeitsorganisation »BioRegional« gemeinsam mit »Peabody Trust«, einer von Londons größten Wohnungsbaugesellschaften. BioRegional stellt die finanzielle Unterstützung zur Förderung des Projekts über den World Wide Fund for Nature (WWF) sicher, während Peabody Trust die Rolle
SIEDLUNG BEDZED
103
Sutton bei London, GB 2002
TGA
Bauherr: Peabody Trust, London Architekt: Bill Dunster, ZEDfactory, Surrey Energieplaner: Arup & Partner, London Technische Gebäudeausrüstung: Arup & Partner, London Monitoring: BioRegional, London Hauptakteure: Architekt und Bauherr
B 11.01 Ansicht von Südosten B 11.02 Lageplan/Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:1500
1 2 3 4
Kindergarten Sportzentrum Café Büro
4
4
4
1 3 2
B 11.01 B 11.02
SIEDLUNG BEDZED BEI LONDON
3
des Bauträgers übernimmt. Die drei Partner erwerben 1998 ein Grundstück der Gemeinde Beddington mit der Absicht, dort eine CO2-neutrale Siedlung zu entwickeln. BioRegional konsultiert ortsansässige Akteure, um die Unterstützung vor Ort zu gewinnen, und bezieht die dortige Bevölkerung über zwei Ausstellungen in Entscheidungen mit ein.
5 4 10
104 2 2 6 7
12
1
1
8 9
11
Wohnen [m2 ] konventionelle Reihenhausplanung
1938
Parken [m2 ] 1568
Straßen [m2 ]
Büros [m2 ]
2454
Grünflächen [m2 ] 5105
968
Reduzierung der Parkplätze durch ökologisches Verkehrskonzept Konzept mit autofreier Sekundärerschließung
540
Addition von Büro- und Arbeitsflächen
B 11.03 B 11.04 B 11.05
Infrastruktur [m2 ]
Dachterrassen und Dachbegrünung
2378
realisierte Nettoflächen BedZED
7446
968
540
770
1216
770
1216
4621 und 1182
1096
1404
5803
SIEDLUNGSKONZEPT Acht meist dreigeschossige Gebäude, deren Ausrichtung, Positionierung, Form und Nutzung auf das Energiekonzept und die Verdichtung der Siedlung abgestimmt sind, bilden das charakteristische Bild mit einem Mix aus Wohnen und Arbeiten (Abb. B 11.01 und 02, S. 103). Die Berücksichtigung des örtlichen Nahverkehrs und die darauf aufbauende konsequente Reduzierung der Park- und Verkehrsflächen sowie die Optimierung und Stapelung der Nutz- und Grünflächen auf der übrigen Grundstücksfläche ermöglichen eine besondere Dichte der Siedlung (Abb. B 11.04). Jede Wohneinheit erhält einen individuellen privaten Grün- bzw. Außenraum. Auf den Dächern der Terrassenbauten liegen Dachgärten, wobei die Terrassierung wiederum hilft, die Abstände zu reduzieren und die solaren Erträge zu erhöhen. Die 50 Wohnungen und 120 Arbeitsplätze pro Hektar prägen das Siedlungsleben ebenso wie die soziale Durchmischung: Von insgesamt 82 Wohnungen sind 23 staatlich teilfinanziert, 10 Wohnungen werden mit Mietvergünstigungen und 15 als Sozialwohnungen vermietet. Die Kaufpreise der Eigentumswohnungen sind denen der umliegenden, konventionellen Häuser im Londoner Süden vergleichbar. Die sozialen Aspekte der Siedlungsgemeinschaft werden durch die vielen Gemeinschaftsbereiche und die differenzierte Ausbildung privater, halböffentlicher und öffentlicher Außenbereiche gefördert. Kleine Brücken über den öffentlichen Erschließungswegen zwischen den Hausreihen verbinden Wohneinheiten und angegliederte Büroflächen bzw. Dachgärten. Sie schaffen eine Durchwegung über mehrere Ebenen. AUTOFREI WOHNEN Eine eigene Infrastruktur mit Kindergarten, Clubräumen, Sportzentrum, Cafés, Büros und mietbaren Flächen für Kleinunternehmen erspart weite Wege, verringert den Individualverkehr und bietet den Anwohnern die Möglichkeit, CO2SIEDLUNGEN
Emissionen und Fahrtkosten zu vermeiden. Die Unabhängigkeit von Automobilen für den Weg zur Arbeit wird durch eine schnelle Erreichbarkeit von Bus und Bahn und zusätzliche 115 m2 FahrradAbstellplätze ergänzt. Die mit dem PKW gefahrenen Kilometer pro Person werden damit nachweislich um 65 % reduziert. Dies rundet die ganzheitlich ökologische Betrachtung um ein Energie-, Müll-, Nahrungsmittel- und Wasserkonzept ab. Ein Car-Sharing-Programm ersetzt einen anfangs geplanten eigenen Pool an Elektroautos, da bisher die erhoffte Entwicklung von E-Mobilen hinter den Erwartungen zurückbleibt und vor Ort weniger Strom aus erneuerbaren Energien generiert werden kann als geplant. Die Stromtankstelle für 40 Elektroautos wird daher nur von einigen Bewohnern mit eigenen Elektroautos genutzt. ARCHITEKTUR Die Siedlung BedZED vereint auf über 12 000 m2 Siedlungsgrund vier verschiedene Häuser-Typologien mit unterschiedlichen Stadthäusern und Maisonetten sowie Ein- und Zweizimmerwohnungen. An ruhigen Seitenstraßen stehen südorientierte Terrassenwohnhäuser mit eigenen Arbeitsplätzen und Vorgärten. Die Häuser wechseln sich mit insgesamt 2500 m2 Büroflächen an autofreien Zugangswegen und giebelseitigen Zugängen zu öffentlichen Nutzungen wie Cafés oder Geschäften und Gemeinschaftshäusern mit Platz für Kinderbetreuung, Ateliers oder Bewegungsräumen ab. GRUNDRISS Ein auf der Nordwestseite terrassiertes dreigeschossiges Reihenhaus bildet das Grundmodul. Es lässt sich nach Bedarf über flexible Grundrisse in unterschiedlich große Wohneinheiten splitten. Die Organisation und Ausrichtung im Innern gliedert sich in drei Zonen: Im Südosten liegen vorgelagerte, geschosshoch und zweifachverglaste Wintergärten, die als thermischer Puffer fungieren. Sie werden partiell von Solarzellen verschattet, die in die horizontalen Glasflächen eingelassen sind. Wohnräume, Büroflächen und Sondernutzungen schließen Richtung Nordwesten an, sodass Gewerbeflächen mit Nordlicht versorgt und Wohnräume von Süden erwärmt werden können. Die Südfassade ist hierzu fast vollständig über eine mit Argon gefüllte Dreifachverglasung mit Holzrahmen geöffnet. Trotz SIEDLUNG BEDZED BEI LONDON
der hohen Dichte sind die Abstände und die Dachformen der einzelnen Hausreihen so geplant, dass sich benachbarte Gebäude gegenseitig nur wenig verschatten. Passive und aktive Solarenergienutzung stoßen somit auf besonders günstige Bedingungen. Aufgrund der Bodenbelastung durch ein ehemaliges Klärwerk sind die Gebäude nicht unterkellert. KONSTRUKTION UND DÄMMUNG Neben der Betriebsenergie wird auch die Herstellungsenergie der Gebäude über ein eigens angelegtes Baustoffkataster betrachtet, das eine ökologische Bewertung der verwendbaren Materialien aufstellt. Die Materialien der in Massivbauweise ausgeführten Gebäude werden überwiegend aus der näheren Umgebung im Umkreis von 50 km bezogen. Neben emissionsarmen bzw. -freien und natürlichen Baustoffen wie zertifiziertem Holz und Naturstein kommen auch Recyclingbeton und andere wiederverwendbare, dauerhafte und reparaturfreundliche Baustoffe zum Einsatz. Auf Verbundbaustoffe wird weitestgehend verzichtet. Traditionelle Klinkerfassaden und unbehandelte Eichenschalungen verkleiden die massive Betonstruktur der überwiegend geschlossenen Ost- und Westfassaden. Zwischen tragendem Beto werkstein und dem Blendmauerwerk dämmen 30 cm Steinwolle die Außenwände. Zusammen mit 30 cm Hartschaumdämmung auf den Betonfertigteilen des Dachs und unterhalb der Stahlbetonbodenplatte erreicht die Hülle einen mittleren U-Wert von 0,21 W/m2K. ENERGIEEFFIZIENZ Die nach Süden orientierte Terrassenstruktur optimiert die solaren Gewinne und versorgt die Wohnräume mit Tageslicht. Die hohe Wärmekapazität durch unverputzte Betonwände und -decken sowie gekachelte Böden speichert die Wärme. Die wärmebrückenarme und luftdichte Gebäudehülle verringert mit einer kontrollierten Lüftung Wärmeverluste. Über ein passiv arbeitendes Lüftungssystem mit den farbigen, das Siedlungsbild prägenden Lüftungskaminen, die sich an die Windrichtung anpassen, wird ein ständiger Luftaustausch mit einer Wärmerückgewinnung von 70 % ermöglicht (Abb. B 11.06). Ohne Ventilatoren erzeugen die als drehbare Windfänger konzipierten Außenluftöffnungen auf den Dächern genügend Überdruck, um
105
B 11.03 Energiekonzept, Maßstab 1:250 1 interne Wärmequellen 2 natürliche Lüftung/passive Kühlung 3 Außenluft 4 Wärmerückgewinnung 5 Fortluft 6 Abluft 7 Zuluft 8 Elektrofahrzeuge 9 Blockheizkraftwerk 10 Photovoltaik 11 Fermentation/Biomassenutzung 12 solare Einträge B 11.04 unterschiedlich optimierte Grundflächen auf dem Grundstück und die sich letztlich ergebenden Nettogrundflächen für Wohnen, Infrastruktureinrichtungen, Büros sowie die gesamte begrünte Fläche B 11.05 Blick auf den Terrassen- und Innenhofbereich B 11.06 das Siedlungsbild prägende Lüftungskamine und die davorliegenden Solarstromanlagen
B 11.06
106
Frischluft durch einen Wärmetauscher zu führen, die vorgewärmte Luft in die Wohnräume einzubringen und Abluft aus Küchen und Bädern zu drücken. In Sommernächten wird das Gebäude ebenfalls durch die Luftförderung über die Kamine gekühlt bzw. die in der Baumasse gespeicherte Wärme abgeführt (Abb. B 11.03, S. 104). Zusätzlich senken wassersparende Armaturen den Warmwasserbedarf. Energieeffiziente Beleuchtung, EDV und Haushaltsgeräte, deren Anschaffungskosten durch Sammeleinkäufe reduziert werden, sparen Strom. ENERGIEVERSORGUNG Der Ertrag von 777 m2 Photovoltaikmodulen deckt ca. 15 % des Gesamtstromverbrauchs der Siedlung. Den weiteren Energiebedarf für Warmwasser, Heizung, Strom und Elektrofahrzeuge sollte ursprünglich ein 250-kWthGas-Blockheizkraftwerk decken. Das zu verwendende Biogas sollte vor Ort in einem Holzvergaser erzeugt werden. Aufgrund massiver Probleme mit der
Holzvergasung wird das Blockheizkraftwerk jedoch seit 2005 mit Erdgas betrieben. Ab 2011 wird ein neues mit Holzhackschnitzeln betriebenes KraftWärme-Kopplungssystem die Wärme- und Stromversorgung übernehmen. Die Wärme verteilt ein Nahwärmenetz, wobei dezentrale Warmwassertanks in jeder Wohn- und Büroeinheit mehrfach pro Tag gefüllt werden, um die Netzverluste zu verringern. Solarkollektoren kommen nicht zum Einsatz (Abb. B 11.07). ENERGIEBILANZ Nach sieben Betriebsjahren ergeben Messergebnisse von 17 repräsentativen Wohneinheiten einen gegenüber der Region Sutton um durchschnittlich 45 % verringerten Stromverbrauch pro Haushalt. Dieser ist jedoch leicht höher als angenommen. Berechneten 34 kWh/m2a bzw. 1700 kWh pro Single-Wohneinheit stehen durchschnittlich gemessene 38 kWh/m2a bzw. 1900 kWh gegenüber. Der Mehrverbrauch pro Stadthaus liegt im Mittel sogar bei ca. 12 kWh/m2a. Insgesamt er-
Endenergiebezug
erneuerbare Energie
Pufferspeicher
Nahwärmenetz
Energieerzeugung gebäudenah
Energieerzeugung Umgebung
KWK / Kessel
Energieverbrauch
Solarstromanlage
Holzabfälle
Stromnetz
reicht der Durchschnittsstromverbrauch der gesamten Siedlung 2007 gemessene 34 kWh/m2a. Im Bereich der Energie für Wärme und Warmwasser verbrauchen die Haushalte mit ca. 48 kWh/m2a 80 % weniger als vergleichbare Haushalte der Umgebung. Durch den deutlich schlechteren Primärenergiefaktor von Gas im Vergleich zu Biomasse aus regionaler Gewinnung wird das Nullenergieziel allerdings nicht erreicht und der Energieverbrauch lediglich zu 20 % vor Ort ausgeglichen. Gegenüber vergleichbaren, aber nicht energetisch optimierten Wohnbauten in England kann der Gesamtenergiebedarf um 60 % gesenkt werden. 2011 gibt es mit dem neuen BHKW die Chance zur deutlichen Verbesserung der Bilanz. Um die Vorteile des ökologischen Gesamtansatzes vollständig zu erfassen, werden sämtliche Aufwendungen auf Kosten-, Energie- und Emissionsebene betrachtet und bilanziert. Das Augenmerk der Entwickler richtete sich auf zusätzliche Baukosten im Vergleich zu erhöhten Einnahmen durch die Optimierung der gebauten Volumen sowie Einsparungen
Abluft
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Zuluft
dezentrale Übergabestationen
Trinkwarmwasser
Speicher
Heizung
elektrische Verbraucher
Elektromobilität B 11.07
SIEDLUNGEN
durch reduzierte Materialaufwendungen bei gleichbleibender vermietbarer Fläche. Im Vergleich zu regional üblichen Planungen belaufen sich die anfänglichen Mehrausgaben auf ca. 800 000 € für ein 6-Parteien-Terrassenhaus. Dem stehen über 820 000 € Mehreinnahmen gegenüber. Aus Umweltschutzgründen erfolgt die Bilanzierung der aufgewendeten CO2-Emissionen und der Einsparung von Wasser. Unter Berücksichtigung des Holzgas-BHKW ergeben sich ca. 150 t /a an CO2-Einsparungen. ERFAHRUNGEN Trotz der vielfältigen Erfolge zur Senkung des Wärmeenergieverbrauchs verfehlte die Siedlung das ausgemachte Nullenergieziel mangels Nutzung erneuerbarer Ressourcen über Kraft-Wärme-Kopplung und durch höhere Stromverbräuche. Das 2002 neu entwickelte Holzgas-Blockheizkraftwerk wurde ohne vorherige Tests eingesetzt. Eine unterbrechungsfreie Holzgasversorgung war nicht gewährleistet, da u. a. Probleme mit dem automatischen Holzschnitzelgreifer auftraten. Einige der
Wohnungen konnten daher zu Beginn nicht konstant und automatisch mit Wärme und Warmwasser versorgt werden. Sobald die Temperatur unter 18 °C fiel, aktivierten die Thermostate die elektrischen Heizstäbe, die nur im Notfall die Warmwassertanks in den Bädern nachheizen sollten, sowie das Heizregister der Lüftungsanlage. Viele Bewohner kauften als vorübergehende Lösung elektrische Heizgeräte, was den Strombezug merklich steigerte. Einsehbare Zähler in den Küchen sowie ein durch die Gemeinschaft geschultes Nutzerverhalten ergänzen nun die Effizienzmaßnamen und führen zu deutlich reduzierten Verbräuchen. Die Bewohner der Siedlung haben den ganzheitlich ökologischen Ansatz verinnerlicht und pflegen diesen sehr, um den Vorbildcharakter weiterzugeben. Die Minimierung der Anlagentechnik führt zu geringen Betriebs-, Unterhalts- und Energiekosten. Die Kombination von Wohnen und Arbeiten spart den Verbrauch fossiler Energien mitsamt deren Kosten und steigert die Attraktivität von BedZED.
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur städtebauliches Umfeld
Sutton bei London (GB) 800 kWh/m2a 9,7 °C suburban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Oberlichter (inkl. Rahmen) U-Wert Kellerdecke/Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,11 1,20 0,10 1,20 0,10 0,21
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2 KWK Leistung Leistung pro m2
107
777 m2 0,09 m2/m2 108 kWp 12,20 Wp/m2 250 kWth /120 kWel 28,20 Wth /m2/ 13,60 Wel /m2
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Gasnetz, Anlieferung der Hackschnitzel Energieträger Bezug Erdgas, Strom, Hackschnitzel Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskomponenten und -konzept, winddruckgeführte Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Kraft-Wärme-Kopplung, Photovoltaik, Mini-Wärmenetz, Gemeinschaft, Nutzersensibilisierung, ökologisches Verkehrskonzept GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Gewerbe und Verwaltung Anzahl Nutzer (gesamt)
B 11.07 technische Übersicht der Energieversorgung B 11.08 Innenraum B 11.09 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF; die Primärenergiekennwerte sind beispielhaft unter Verwendung des Biomasse-BHKW angegeben)
SIEDLUNG BEDZED BEI LONDON
VERBRAUCHSKENNWERTE (2007) Heizwärmeverbrauch Wassererwärmung Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergiebedarf gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
8850 m2 10 388 m2 24 465 m3 12 346 m2 0,48 m2/m3 1580 €/m2 (2002) 82 Wohneinheiten 2500 m2 220 Personen kWh/m2a 16 23 48 34 172 184
B 11.08 B 11.09
108
Masdar ist eine neu geplante Stadt im küstennahen Wüstengürtel der Vereinigten Arabischen Emirate, dimensioniert für 40 000 zukünftige Einwohner und 50 000 Pendler. Sie liegt in ca. 25 km Entfernung zur 900 000-Einwohner-Metropole Abu Dhabi und grenzt im Nordosten an deren internationalen Flughafen (Abb. B 12.01). Das weltweit agierende Planerkonsortium um den Architekten des städtebaulichen Masterplans Foster + Partners und die Masdar Initiative des Mubadala Staatsfonds stellt an die Stadt den Anspruch der vollständigen CO2-Neutralität einschließlich aller baulichen und infrastrukturellen Prozesse (Abb. B 12.02). Damit wird neben dem Bausektor vor allem das Mobilitätskonzept zu einer Herausforderung.
STADTBAUPROJEKT MASDAR Masdar, VAE 2008 – 2025 TGA
In Masdar sind 1500 Firmenansiedlungen geplant. Es entsteht eine Sonderwirtschaftszone, die ausländische Investoren mit günstigen Steuersätzen gewinnen und attraktive Rahmenbedingungen für Forschung, Entwicklung und Firmenansiedlungen bieten soll. Verschiedene internationale Firmen, die sich dem Thema der nachhaltigen Stadtentwicklung und der erneuerbaren Energien verschrieben haben, wollen dort einen Firmensitz und Forschungsstandort einrichten. Ein großer Anteil der Arbeitnehmer soll in der Stadt wohnen, damit diese nicht zu einer reinen Trabantenstadt verkommt. Die verglichen mit Mitteleuropa doppelte solare Einstrahlung nutzt einerseits der solaren Stromer-
Bauherr: Mubadala Staatsfonds, Abu Dhabi Architekten Masterplan: Foster + Partners, London; Masdar Institute, Masdar Energieplaner: Transsolar Klimaengineering, Stuttgart Technische Gebäudeausrüstung: Transsolar Klimaengineering, Stuttgart Monitoring: Masdar Institute, Masdar Hauptakteur: Bauherr
Al Rahba
Yas Island Abu Dhabi
Khalifa City
Masdar
B 12.01 B 12.02
STÄDTE
Luftfeuchte Würzburg Temperatur Würzburg
Abu Dhabi Masdar
100
30
80
20
60
10
40
0
20
-10
0
[kWh/m2a]
40
Globalstrahlung [W/m2]
Masdar Würzburg [%]
[°C]
Luftfeuchte Masdar Temperatur Masdar
400 300 200
400 300
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200
100
100
0
0
J
F
M
A
M
J
J
A
S
O
N
D
Einzelhandel/ Produktion
Labor/ Verwaltung Wohnen/ Institut Hotel
Bildung
B 12.01 geografische Lage Masdars B 12.02 Masterplan
B 12.03 mittlere Tagestemperaturen Masdars im Vergleich zu Würzburg B 12.04 mittlere tägliche Globalstrahlung Masdars im Vergleich zu Würzburg
B 12.05 angenommene Einsparungen des benötigten Stroms in kWh/m2a für Masdar im Vergleich zum benachbarten Abu Dhabi, bezogen auf verschiedene Gebäudetypologien
zeugung, verursacht aber andererseits ganzjährig hohe Temperaturen von bis zu 48 °C (Abb. B 12.03 und 04). Jahreszeitliche Unterschiede fallen im Wüstenklima moderat aus, was das Problem der Energiespeicherung im saisonalen Maßstab entschärft. Vom Staat extrem subventionierte Strom(3 Ct/kWh für Einheimische) und Wasserpreise erschweren energieeffizientes Bauen und entsprechendes Nutzerverhalten und führen dazu, dass im Sommer sehr viel Energie für die Gebäudekühlung gebraucht wird. Die Netze sind entsprechend überlastet und die Erzeugungskapazitäten ausgereizt. Der Energieverbrauch in der Region steigt jährlich mit zweistelligen Wachstumsraten. Angesichts der extrem hohen Energieverbräuche der gängigen überdimensionierten Gebäude und der vorherrschenden Bau- und Nutzungspraxis erscheinen die energetischen Ziele auf den ersten Blick utopisch. Deshalb ist das oberste planerische Ziel eine Verringerung des Gesamtprimärenergiebedarfs um 70 % gegenüber dem Verbrauch des benachbarten Abu Dhabi (Abb. B 12.05). Der Primärenergieverbrauch pro Kopf beträgt in den Vereinigten Arabischen Emiraten 169 000 kWh/a und soll in Masdar folglich auf ca. 50 000 kWh/a gesenkt werden, was etwa dem heutigen Verbrauch in Westeuropa entspricht (siehe Abb. A 1.08, S. 14). Den verbleibenden Bedarf soll eine Netzinfrastruktur decken, die weitestgehend auf der Nutzung erneuerbarer Energien basiert.
ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Nach einer zweijährigen Planungsphase wurde 2008 mit dem Bau der Wissenschaftsstadt begonnen, wobei der Planungsprozess weiter fortgeführt wird. Es wurde ein Gesamtbudget von 22 Milliarden Dollar bei einer Bauzeit bis 2015 veranschlagt. Der Masterplan wird mit zunehmender Realisierung überarbeitet und an aktuelle Gegebenheiten sowie den technischen Fortschritt angepasst. Das energetische Konzept wurde gemeinsam mit dem deutschen Ingenieurbüro Transsolar entwickelt. Zeitweise waren über 500 Ingenieure vor Ort damit beschäftigt, Planungen auszuarbeiten und umzusetzen. »Masdar« steht im Arabischen für »Quelle« und »Ursprung«. Die Stadt ist Prototyp und Testgelände zugleich – ein Ort, an dem nachhaltige Planungsprozesse und umweltgerechte Stadtentwicklung neu gedacht und umgesetzt werden. Es entsteht ein internationales Zentrum für ganzheitliche, kooperative Erforschung innovativer Technologien für klimagerechte und energieeffiziente städtische Konzepte. Die Stadtplanung ist Teil der Masdar Initiative des Mubadala Staatsfonds, der alle Aktivitäten der Vereinigten Arabischen Emirate rund um erneuerbare Energien bündelt. Dazu gehören auch Masdar Power, das im Emirat solare Kraftwerke erstellt, sowie Masdar Carbon, das Carbon Capture und Speicherung vorantreibt, und das Masdar Institute als Hochschule und Forschungseinrichtung. Die Initiative wird von der Abu Dhabi Future Energy Company (ADFEC) und Scheich Muhammad Zayid Al Nahyan angeführt.
Nach der Bankenkrise platzte 2008/2009 auch die Immobilienblase in Dubai und den Emiraten, was zu weitreichenden finanziellen Verwerfungen führte, die auch Masdar getroffen haben. Zudem stehen die Gewinne aus der Erdölindustrie nicht mehr im gewohnten Umfang zur Verfügung. Das Management von Masdar musste 2010 eine Anpassung aller Pläne und Bauvorhaben vornehmen. Ebenso erfolgten technische Änderungen, weil sich einige Konzepte als schwierig und zum Teil auch als extrem teuer herausgestellt hatten. Neben anderen Maßnahmen wurden auch die veranschlagten Baukosten nach unten korrigiert, das Verkehrskonzept verändert und die Bauzeit bis 2025 verlängert. Die Planung ist flexibler geworden, um Lerneffekte besser umsetzen zu können. Bis 2015 soll der erste Bauabschnitt umgesetzt und ca. 60 ha Fläche bebaut sein. Der erste fertiggestellte und ebenfalls von Foster + Partners geplante Gebäudekomplex ist das Masdar Institute. Es wurde ab 2008 realisiert und Mitte 2010 an den Bauherrn übergeben.
STADTBAUPROJEKT MASDAR
B 12.03 B 12.04 B 12.05
ENERGIEEFFIZIENTER STÄDTEBAU Die Projektentwickler orientieren sich bei der Konzeption des Masterplans an der arabischen Bautradition und versuchen, neue Stadtstrukturformen auf der Grundlage altbewährter Bautypologien zu entwickeln. Daher erinnert der quadratische, nach Nordwesten und Südosten ausgerichtete Grundriss Masdars an alte arabische Städte wie Medina oder Fes. Die generierte Bebauungs-, Verkehrs- und Freiraumstruktur unter-
110
a
b
B 12.06 Verschattung im Vergleich: a Masdar b Fes B 12.07 Windverhalten bei einer Straßenlänge von mehr bzw. weniger als 75 Metern B 12.08 Prinzip der Windtürme B 12.09 der erste fertiggestellte Windturm
B 12.06 B 12.07 B 12.08 B 12.09
stützt durch ihre Form, Masse und Orientierung ein angenehmes Mikroklima. Auf einer Grundstücksfläche von rund 700 ha entstehen zwei gegeneinander versetzte und unterschiedlich dimensionierte Quadrate. 140 Bewohner pro Hektar sollen auf der gesamten Fläche leben. Zu Spitzenzeiten steigt die Dichte durch Berufspendler auf bis zu 245 Personen pro Hektar. In Berlin wohnen und arbeiten 386 Personen pro Hektar. Mit dieser vergleichsweise dichten Bebauung soll in Masdar eine kompakte, menschenfreundliche Stadt der kurzen (Fuß-)Wege entstehen. VERSCHATTUNG UND VENTILATION Die Drehung der Quadrate und somit der Stadtstruktur um 45 Grad begünstigt die Verschattung und bietet eine gute Tageslichtnutzung. Durch die enge Gestaltung der Gassen verschatten einerseits die dicht aneinandergebauten Gebäude verschiedener Typologien die Fassaden anderer Gebäude und verhindern somit deren übermäßige Erwärmung (Abb. B 12.06). Andererseits schützen teilweise überstehende Solaranlagen auf den Dächern die öffentlichen Wege und Straßen vor direkter Sonneneinstrahlung (siehe Abb. A 1.03, S. 11). Aufgrund des nahezu senkrechten Sonnenstands im Juni ist eine vollständige Verschattung der Gassen zur Mittagszeit nicht möglich. An Platzflächen werden zusätzlich faltbare Schirmkonstruktionen als Sonnenschutz genutzt. Für das Stadtklima ist entscheidend, dass tagsüber der aus Nordwesten kommende Wind, der sich über dem Meer auf bis zu 47 °C aufheizt und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit mit sich bringt, weitgehend aus der kleinteiligen Stadtstruktur herausgehalten wird. Dafür sorgen die von Nordwest nach Südost verlaufenden maximal 75 m langen Nebenstraßen. Der Wind fällt wegen der Kürze der Straßen nicht in die Straßenschluchten ein und bleibt damit oberhalb der Dächer (Abb. B 12.07). Die Straßen sind außerdem besonders eng gestaltet und verästelt. An einigen Stellen öffnen sie sich zu kleinen, begrünten Innenhöfen und schaffen dort Aufenthaltsräume. Auch diese messen nicht mehr als 75 m in der Diagonalen. Sie versorgen die Gebäude mit Tageslicht. Zwei linear von Nordwest nach Südost verlaufende Parkanlagen bilden die Frischluftkorridore der Stadt und sorgen für Luftzirkulation in den engen Straßen.
Dies kühlt die Haut der Bewohner und lässt die Temperaturen angenehmer erscheinen. Tagsüber können die durch diese Korridore einfallenden warmen Nordwestwinde über Verdunstung abgekühlt werden. Die dafür notwendige Wärme wird der Umgebung entzogen, wodurch sich diese ebenfalls abkühlt. Um diesen Effekt zu verstärken, befindet sich in diesem Bereich eine Vielzahl an Brunnen und offenen Wasserstellen. Zur Verdunstungskühlung werden außerdem die Pflanzen über Sprinkleranlagen mit Wasser aus dem Wassernetz besprüht. Nachts werden die Straßenzüge und angrenzenden Gebäude mit Luft aus der in östlicher Richtung gelegenen Wüste gekühlt. Die Außentemperatur innerhalb der Stadtstruktur sinkt dann auf immerhin 34 °C. An den Enden der Stichstraßen werden Windtürme gebaut, welche die natürliche Luftzirkulation zur Belüftung der Straßen und Plätze nutzen. Die Türme folgen der Idee der traditionellen persischen Bādgire (Windfänger), die seit Jahrhunderten der Ventilation von Gebäuden dienen (Abb. B 12.08 und 09). Diese werden neu interpretiert und zur Kühlung öffentlicher Flächen genutzt. Einströmende Winde werden anhand von Sensoren erkannt und über ein Klappensystem im Windturm vertikal in ein textiles Rohr, das mit Wasser berieselt wird, nach unten geleitet. Die unten austretende kühlere Luft strömt sowohl in den Fußgängerbereich als auch in die Innenhöfe und kühlt diese ab. Daneben ist außerdem vorgesehen, Luft aus dem kühlen, 7 m über dem Nullniveau liegenden Sockelgeschoss, das ursprünglich das komplette Verkehrssystem und die Infrastruktur aufnehmen sollte, nun aber aus Kostengründen nur für den ersten Bauabschnitt realisiert werden konnte, für die Kühlung der Fußgängerebene zu nutzen. Zusätzlich kühlen Erdkanäle die Zuluft der Gebäude. Im Erdgeschossbereich, wo sich vorwiegend Geschäfte befinden und Menschen tagsüber flanieren, werden nach arabischem Vorbild Arkaden errichtet, die ganztägig keine direkte Sonneneinstrahlung bekommen. Nachts kühlen die massiven Boden- und Wandflächen ab und sorgen am Tag infolge ihrer Speicherfähigkeit für Kühlung. Die Summe der diversen passiven Maßnahmen soll die Temperaturen in den Außenräumen Masdars um 20 °C im Gegensatz zum benachbarten Abu Dhabi reduzieren und deren Nutzbarkeit auch im Sommer sicherstellen. STÄDTE
ENERGIEEFFIZIENTE GEBÄUDE Neben einer optimierten Stadtplanung und Gebäudestellung ist für den Wohn-, Verwaltungs- und vor allem Laborgebäudebetrieb die Qualität der Gebäudehülle bezüglich Dichtheit, Dämmung, thermischer Speicherung, Fensterflächenanteil und Verschattung sehr wichtig, um eine drohende Überhitzung durch Wärmeeinträge zu vermeiden. Entsprechende Werte geben die »Masdar Energy Design Guidelines« (MEDG) vor. Das Studentenwohnheim besitzt z. B. mehrschichtige Fassaden: Das äußere Bild erinnert an typische Fenstergitter in der arabischen Architektur (siehe Abb. A 1.03, S. 11). Diese Vorsatzschale wird aus Wüstensand mit glasfaserarmiertem Beton errichtet, spielt mit der regionalen traditionellen Formensprache und schützt die dahinterliegenden Schichten vor direkter und diffuser Einstrahlung. Die zweite Ebene bildet ein verschatteter Luftraum, in den auch kleine Balkone eingelassen sind. Die nächste Lage besteht aus einem kupferfarben eloxierten Aluminiumelement mit integrierten Fenstern, das Wärme abweist und die Fassade abdichtet. Dann folgen eine 25 cm dicke Polysterol-Wärmedämmung und eine massive Betonwand, die den Innenraum abschließt. Ein großes technisches Problem für die örtlichen Unternehmer stellt dabei die Herstellung einer luftdichten Fassade dar. Um interne Wärmelasten zu vermeiden und den Stromverbrauch zu senken, ist die Nutzung energieeffizienter Geräte und Beleuchtung (höchste Effizienzklasse) in den Nutzungseinheiten verpflichtend und durch die MEDG vorgegeben. In den Wohnungen dürfen nur Haushaltsgeräte mit dem europäischen Standard A++ zum Einsatz kommen. Laptops ersetzen energieaufwendigere PCs in den Bürogebäuden. Daneben werden die Gebäude mit Smart Grids (intelligente Stromnetze) und intelligenten Mess- und Steuerungsanlagen verbunden, um eine gleichmäßigere Netzauslastung zu erreichen und Lastspitzen zu kappen. ENERGIEVERSORGUNG Elf Sonnenstunden pro Tag im Jahresmittel und eine mittlere Strahlungsleistung von 225 W/m2 ermöglichen eine solare Deckung des Strombedarfs von bis zu 90 %. Hierfür erhalten alle geeigneten Dachflächen Solarstromanlagen. Sie ragen teilweise sichtbar über die GebäuSTADTBAUPROJEKT MASDAR
dekanten in die Straßen hinein, verschatten diese zusätzlich und veranschaulichen den Bewohnern Masdars die erneuerbare Energiegewinnung. Auf den Dächern installierte Leichtbaukonstruktionen orientieren die Solarstromanlagen zur Steigerung ihrer Effizienz optimal zur Sonne. Des Weiteren wurde bereits eine 10-MW-Freifeld-PV-Anlage installiert. STROMVERSORGUNG DURCH SHAMS Im weniger staubbelasteten Landesinneren entsteht auf einem 200 000 m2 großen Gelände das größte solarthermische Kraftwerk der Welt, das sogenannte Shams, was im arabischen für »Sonne« steht. Ein Spiegelsystem bündelt die Sonnenstrahlung in einem Absorber. Dampfturbinen und ein Generator transformieren dabei Strom in Wärme. Flüssigsalztank-Wärmespeicher speichern nach Sonnenuntergang überschüssige Sonnenenergie, sodass diese auch während der Nachtzeiten zur Stromerzeugung genutzt werden kann. In einer ersten Stufe beträgt die Leistung 100 MW. Nach und nach wird diese auf bis zu 200 MW erhöht. Masdar deckt dann neben dem eigenen Energiebedarf auch die Bedarfsspitzen der umliegenden Quartiere, die über ein gemeinsames Stromnetz angeschlossen sind. Weitere solare Kraftwerke mit einer Leistung von 100 MW sind in Planung. Zudem wurde ein erstes Windrad zu Testzwecken errichtet. Es stellte sich aber heraus, dass die Windverhältnisse in den Emiraten keinen wirtschaftlichen Betrieb von Windrädern erwarten lassen. WÄRMEVERSORGUNG Geothermische Tiefenbohrungen und Vakuumröhrenkollektoren generieren Wärme und decken den Warmwasserbedarf der Stadt. Ziel ist es, die 2500 m tiefen Bohrungen auch zur Kälteerzeugung zu nutzen. Eine erste Geothermieanlage zur Unterstützung der zentralen Kühlanlage ist als Pilotanlage in Betrieb. Masdar ist also mit allen drei Netzen – Strom, Kälte und Wasser – an die angrenzenden städtischen Netze angebunden und muss mit den hochsubventionierten Energie- und Wasserpreisen in der angrenzenden Stadt konkurrieren, was den Einsatz neuer Techniken erschwert. Die noch fehlende Energie zur Erreichung der NullCO2-Bilanz wird mit weiteren Solarkraftwerken an anderen, besser geeigneten Standorten erbracht (Abb. B 12.10, S. 112).
KÜHLUNG Aufgrund der hohen Außentemperaturen liegt die Hauptlast im Sommer beim Kühlbetrieb der Gebäude. Der Stromverbrauch steigt in den Emiraten im Sommer auf das Doppelte gegenüber dem im Winter. Dabei werden ca. 70 % der Leistung für die Kühlung benötigt. In den Gebäuden werden hauptsächlich zwei Kühlstrategien verfolgt: die latente Kühlung der Gebäude durch Luftaufbereitungsgeräte mit Energierückgewinnung bzw. Liquid-Desiccant-Systemen (Luftentfeuchtungssysteme) sowie die sensible Kühlung mit Energierückgewinnung in Kombination mit »chilled beams« (Kühlkonvektoren, passiv oder aktiv). Dadurch werden die Klimageräte deutlich effizienter. Bei den Kühlkonvektoren durchströmt zentral vorgekühltes Wasser einen Wärmetauscher. In der aktiven Variante wird die Luft durch Kanäle an den Kondensator geführt, was die Heiz- und Kühlleistung erhöht. Ebenso sind Bauteilaktivierungen und Kühldecken geplant. Die Kälteerzeugung selbst wird im ersten Bauabschnitt durch den Anschluss an das Kältenetz Abu Dhabis gewährleistet, soll aber später in Masdar selbst erfolgen. Für diese zentrale Kälteerzeugung sind solarbetriebene Absorptionskältemaschinen geplant. Die hierfür notwendige Wärmeenergie soll den geothermischen Quellen entnommen werden. Als weitere Wärmequelle dient die Abwärme aus der Müllverbrennung. Erste Pilotanlagen sind 2010 in Betrieb gegangen und werden getestet. Den neben der Kälteenergie verbleibenden Energiebedarf für dezentrale Kompressionskältemaschinen decken ebenfalls regenerative Energien. ABFALLKREISLAUF Bereits während der Bauzeit wird darauf geachtet, so wenig Abfall wie möglich zu produzieren und, wenn nötig, diesen zu verwerten. Durch eine konsequente Materialtrennung während des Betriebs sollen rund 60 % der Abfallstoffe in den Materialkreislauf zurückgeführt oder kompostiert werden. Die verbleibenden knapp 40 % werden einer Müllverbrennungsanlage zugeführt. Die dabei entstehende Wärme betreibt eine Absorptionskältemaschine und dient über Turbinen der Stromproduktion. Da die Müllmenge für einen wirtschaftli-
111
chen Betrieb in Masdar nicht ausreichen wird, soll zusammen mit der Stadt Abu Dhabi ein Müllverbrennungskonzept mit Energiegewinnung erarbeitet werden. 112 WASSERWIRTSCHAFT Obwohl Masdar in Meeresnähe liegt, ist Wasser ein rares Gut. Dies liegt vor allem an dem enormen energetischen Aufwand, um Meerwasser zu entsalzen. Es soll in solarbetriebenen Entsalzungsanlagen aufbereitet und für die Nutzer als Trinkwasser zwischengespeichert werden. Das zurückbleibende Salz wird an die Industrie verkauft. Momentan sind solarbetriebene Entsalzungsanlagen in der für Masdar erforderlichen Größenordnung noch nicht verfügbar. Masdar ist deshalb an das städtische Frischwassernetz Abu Dhabis angebunden. Anfallendes Grauwasser und geringe Mengen an Regenwasser der nur sechs Regentage pro Jahr dienen der Bewässerung der Grünanlagen. Die bei der Säuberung des Schwarzwassers anfallende Biomasse wird weiterverwertet.
VERKEHRSKONZEPT Alle privaten Autos werden komplett aus der Stadt verbannt. Die Bewohner parken ihre Autos an der Stadtgrenze in geschützten Parkdecks und gelangen durch ein feinmaschiges Straßennetz in die Innenstadt. Dieses Netz ist ausschließlich für Fußgänger, Fahrradfahrer und den öffentlichen Personennahverkehr ausgelegt. Das Straßennetz besteht aus verschatteten, individuellen Wegen für Fußgänger und Radfahrer, der Stadtbahntrasse »Light-Railway« und einem Metroanschluss an den Flughafen und zur City von Abu Dhabi. Kernelement des Verkehrskonzepts war ein Personal-Rapid-Transit-Verkehrssystem (PRT) im geplanten Sockelgeschoss. Diese führerlosen, viersitzigen Elektromobile werden von einem Zentralcomputer gesteuert, der die schnellste Route ermittelt und Kollisionen verhindert. Von jedem Punkt in der Stadt müssen die Nutzer nicht mehr als 200 m zum nächsten Haltepunkt gehen. Dieses System sollte ca. 150 000 Bewegungen am Tag bewältigen. Da sich aber herausgestellt hat, dass es in dieser Größe
Endenergiebezug
und Komplexität mit vertretbarem Aufwand nicht durchführbar ist, wird das PRT-System nur teilweise im ersten Bauabschnitt installiert. Dies führt zu Umplanungen des Verkehrssystems, welches sich jetzt auf Elektrobusse auf Straßenebene konzentriert. Ebenso wird in den künftigen Bauabschnitten auf das Sockelgeschoss verzichtet. Dieses hätte viel Baumasse und Beton benötigt und damit anderen Kriterien des CO2-neutralen Bauens widersprochen. Ver- und Entsorgung sind jetzt klassisch unter den Straßen angeordnet. Die Stadt kann so flexibler errichtet werden und dynamischer auf neue Entwicklungen reagieren. BAUSTOFFÖKOLOGIE Nicht nur der Betrieb der Stadt, sondern auch der Bau soll möglichst CO2neutral ablaufen. Dafür sorgen Inspektoren, welche die Baustelle überwachen und die beteiligten Firmen und Handwerker über die erforderlichen Maßnahmen zum Erreichen der CO2-Neutralität aufklären. Computerprogramme erfassen aufgewendete Energieströme, den Abfallaufwand sowie Materialeinsatz
erneuerbare Energie thermisches Solarkraftwerk
organische Abfälle
geothermisches Kraftwerk
Energieverbrauch
Solarstromanlagen
Solarstromanlagen
thermische Solarkollektoren
Stromnetz Abu Dhabi
KWK
Stromspeicher
Absorptionskältemaschinen
Energieerzeugung gebäudenah
Kältenetz Abu Dhabi
Energieerzeugung Umgebung
Wärmespeicher
Wärme und Trinkwarmwasser
Kälte
Klimaanlagen
elektrische Verbraucher
B 12.10
STÄDTE
und erstellen monatliche Bilanzen. Ein Großteil der Baustoffe kommt aus der Region oder wird dort wie z. B. der Beton aus Wüstensand hergestellt. PLANUNGS- UND BAUPROZESS Die Masterplanung von Masdar ist am Reißbrett generiert, stützt sich aber auf Erfahrungen und Entwicklungen vorhandener Stadtanlagen in diesen Klimazonen. Hier wurde ein für die Region heute unübliches, sehr kompaktes Stadtbild vorgegeben mit einer Mischung der Nutzungen, die es in dieser Form nur in alten Städten gab. Das verlangt von den regionalen Nutzern und Planungsträgern ein Umdenken. Ebenso unüblich sind das Respektieren der Fußgänger und der Zwang, das Auto abzustellen und andere Verkehrsmittel zu nutzen. Das Ziel einer CO2-neutralen Stadt zwingt alle Beteiligten zu einem Maximum an Kreativität und führt zu enormen Lerneffekten. Dies strahlt positiv auf die Region aus und beeinflusst u. a. auch die Gesetzgebung. Deshalb wurde im Staatsgebiet des Emirats Abu Dhabi mit dem »Estidama« ein verpflichtendes
Rating-System für Gebäude eingeführt und nachhaltige Richtlinien für den Städtebau erstellt. Die MEDG schreiben die Qualitäten zur Erstellung aller Gebäude sowie die Nutzung energieeffizienter Geräte und Beleuchtung vor. Um das Last- und Energieprofil optimieren zu können, soll neben der elektronischen Unterstützung das Nutzerverhalten zusätzlich über variable Tarife beeinflusst werden. Hierzu sind auch Einspeisegesetze in der Diskussion. Die Subventionen für Energie und Wasser werden sukzessive zurückgefahren. Mit der Besiedelung des Stadtgebiets und der Sicherstellung der Rahmenbedingungen fließen auch die Ansprüche der zukünftigen Nutzer ein. Masdar hat jetzt die ersten Lernschritte des technisch und ökonomisch Machbaren umgesetzt und sucht auch methodisch nach neuen Ansätzen, indem z. B. weltweit vernetzte Technologiepartner noch besser eingebunden werden. Der Masterplan wurde so offen gestaltet, dass sich neue Bedürfnisse der Nutzer entsprechend der Entwicklung integrieren lassen. Er ist demnach kein
Idealplan, der alle Probleme zu lösen vermag, sondern ein prozessgesteuerter Plan, der in unterschiedlichen Stufen umgesetzt werden kann. Masdar wird sicherlich nicht genau so funktionieren, wie es geplant wurde; das Konzept der Stadt als »Testing ground« lässt aber all diese Möglichkeiten offen. Wie robust das Stadtmodell die Veränderungen verkraftet, wird sich zeigen. In jedem Fall werden viele wichtige Erkenntnisse für die zukünftige nachhaltige Entwicklung von Städten in ähnlichen Klimazonen gewonnen.
113
B 12.10 technische Übersicht der Energieversorgung B 12.11 Erster Bauabschnitt des Masdar Institutes, Foster + Partners, 2010. Temporäre Ansicht des momentanen Bauzustands: Durch weitere Neubauten entsteht ein sich verschattendes Gassengefüge. B 12.12 Stadt- und Energiekennwerte
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Masdar (VAE) 2000 kWh/m2a 27,2 °C urban
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Kältenetz Energieträger Bezug Kälte, Strom, grüner Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz, Nahwärmenetz, Kältenetz Energieträger Einspeisung Strom, Wärme, Kälte LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Photovoltaik, Solarthermie, Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, solarthermisches Kraftwerk, geothermisches Kraftwerk, Müllverbrennung, Materialkreislauf, Baustoffökologie, Kältenetz, Wärmenetz, Einbeziehung von öffentlichem und Individualverkehr KENNWERTE Stadtfläche NGF Anzahl Nutzer (gesamt)
700 ha 90 000 Personen
B 12.11 B 12.12
STADTBAUPROJEKT MASDAR
114
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 2
MERKMALE DER NICHTWOHNGEBÄUDE Mit unterschiedlichen Nutzungen wie Bildung (19 %), Verwaltung (41 %), Produktion (3 %) und einem Mix an anderen Typologien (37 %) variiert bei den Nullenergie-Nichtwohngebäuden auch die Gewichtung zwischen gebäude- und nutzerspezifischen Verbräuchen und damit die Möglichkeiten zur Energieeffizienzsteigerung sowie die Ansprüche an die Energietechnik für den Bilanzausgleich. Im Vergleich zu den Wohngebäuden ist der Anteil der Projekte, die auch die nutzerspezifischen Verbräuche mit in die Bilanz einschließen, geringer. ENERGIEEFFIZIENZ Wie auch bei den Wohngebäuden konzentrieren sich die analysierten Nichtwohngebäude ( ¯ Projektliste S. 178) hauptsächlich auf Klimate nördlich des Äquators. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Heizwärmebedarf zu senken, auch wenn andere Verbrauchssektoren bei Verwaltungs- oder Fabrikationsgebäuden einen ebenso hohen Stellenwert einnehmen (siehe Abb A 1.16, S. 18).
Während die Anzahl der zertifizierten MINERGIEoder Passivhäuser im Nichtwohnsektor gering ist, finden die Idee und die einzelnen Komponenten nahezu durchweg Anwendung (Abb. B 2.01). Dass der mittlere U-Wert gegenüber Wohngebäuden höher ist, liegt vor allem an großen Glasflächen zur gleichmäßigen Tageslichtversorgung der Arbeitsplätze bzw. Klassenräume (0,32 W/m2K). Das Verhältnis von Fenster- zu Nettogeschossfläche beträgt bei den analysierten Verwaltungs- und Bildungsgebäuden etwa 42 %. Grundsätzlich schöpfen die im Vergleich zu Wohnbauten größeren Gebäude das Potenzial eines geringen A / V-Verhältnisses aus. Dass hierauf Wert gelegt wird, zeigt das Projekt der Volksschule im Vorarlberger Mähdle (Abb. B 2.01). Das umfassende thermische Sanierungspaket der Gebäudehülle mit dem Ziel, den Passivhausstandard zu erreichen, beinhaltet das Schließen eines früheren Außenraums zwischen Schulgebäude und Turnhalle. Damit verringert sich die Fassadenfläche; das Schulgebäude
B 2.01 B 2.02
PROJEKTE + ERFAHRUNGEN
wurde zudem um vier Meter verbreitert. Das A / VVerhältnis liegt jetzt mit 0,41 m-1 genau im Durchschnitt von bekannten Nullenergie-Schulbauten; die analysierten Verwaltungsgebäude liegen im Schnitt bei 0,35 m-1. Während bei Wohngebäuden über große, südlich orientierte Fensterflächen passive Solargewinne genutzt werden, steht im Nichtwohnungsbau die Vermeidung hoher sommerlicher Wärmelasten im Vordergrund. Nur so lässt sich eine energieintensive aktive Kühlung vermeiden. Sonnenschutzverglasungen und innen liegende Verschattungselemente reichen meist nicht aus. In nahezu allen behandelten Büro- und Bildungsgebäuden verschatten entweder feste Sonnenschutzsysteme wie (Dach-)Überstände ( ¯ B 13, S. 120ff.) bzw. horizontale Elemente ( ¯ B 14, S. 125ff.; Abb. B 2.04) oder außen liegende Stores und Jalousien die Fenster. Letztere werden häufig zweigeteilt ausgeführt und bieten über Tageslichtlenkung eine erhöhte natürliche Beleuchtung ( ¯ B 18,
B 2.01 Sanierung einer 3367 m2 großen Volksschule auf Passivhausniveau, Wolfurt Mähdle (A) 2010, Gerhard Zweier. Eine fassadenintegrierte, 80 m2 große thermische Solaranlage dient über einen 6000 Liter großen Kombipufferspeicher zur Brauchwassererwärmung und Heizungsunterstützung. Eine 26-kWp-Photovoltaikanlage auf dem Dach gleicht den Betrieb der haustechnischen Anlagen und der Grundwasserwärmepumpe aus.
burg ( ¯ Projektliste S. 178; Abb. B 2.04) bewirkt eine Glashalle in Verbindung mit einem Luft-Erdkanal und öffenbaren Oberlichtern eine Auftriebslüftung zur Gebäudekühlung. Zur Verringerung der Lüftungswärmeverluste und Verbesserung der Luftqualität in den verglichen mit Wohnbauten dichter belegten Nichtwohngebäuden kommen fast durchgängig Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung zum Einsatz. Die Effizienz der Wärmeübertrager liegt dabei im Durchschnitt bei über 80 %. Verwaltungsbauten nutzen zumeist zentrale Anlagen, die mit Erdregistern zur Vorwärmung und Frostfreihaltung gekoppelt sind ( ¯ B 13, S. 120ff.; B 15, S. 129ff.). Bei Bildungsgebäuden lässt sich kein einheitlicher Weg zur Nutzung von zentralen Lüftungsanlagen ausmachen. Dezentrale Systeme bieten flexiblere Handhabung durch einzelne Nutzergruppen ( ¯ B 19, S. 150ff.) oder die abschnittsweise Anwendung je nach Bedarf ( ¯ B 22, S. 163ff.). Es werden jedoch auch zentrale Anlagen genutzt ( ¯ B 21, S. 158ff.).
B 2.02 Green Lighthouse (950 m2NGF), Kopenhagen (DK) 2009, Christensen Arkitekter B 2.03 Der mittlere U-Wert der Gebäudehülle von Nichtwohngebäuden als Funktion von der Kompaktheit. Die Werte oberhalb eines mittleren U-Werts von 0,6 W/m2K repräsentieren u. a. das Pixel Building und Solar XXI als zwei Gebäude in deutlich wärmeren Klimaten. B 2.04 575 m2 Solarstrommodule verschatten die Glashalle am Bürotrakt und decken zusammen mit einem Pflanzenöl-
BHKW (65 Wth, 45 Wel) sowie einem 220-kW-Holzkessel den Strom- und Wärmebedarf der 3500 m2 großen Solarfabrik. Freiburg (D) 1998, Rolf + Hotz Architekten B 2.05 Der erste Passivhaussupermarkt Österreichs wird allein über die Abwärme der Kälteanlagen und des Backofens beheizt (Heizwärmelast 22 kW). Die 395 m2 Photovoltaikanlagen an Fassade und Dach gleichen einen Großteil des Strombedarfs aus. Thening (A) 2003, Poppe-PrehalArchitekten
115
Bildung
Verwaltung [W/m2K]
S. 144ff.). Sind diese mit der Gebäudeautomation verbunden, reagieren die flexiblen Systeme auf Tageslichtangebot oder Sonneneinstrahlung ( ¯ B 17, S. 138ff.). Spezialfenster ermöglichen neben Sonnenschutz erweiterte Funktionen zur verbesserten Tageslichtnutzung und werden gezielt als Gestaltungselemente eingesetzt ( ¯ B 13, S. 120ff.; B 21, S. 158ff.; B 22, S. 163ff.). Durchgängig werden die Prinzipien der passiven Kühlung verwendet. Zielführend sind neben einem wirkungsvollen Sonnenschutz und niedrigen internen Wärmelasten die Aktivierung der Speichermasse im Gebäude und deren gezielte Entwärmung. Mechanische Lüftungsanlagen entziehen der thermischen Speichermasse bei erhöhter Nachtlüftung in Kombination mit Nachströmöffnungen in der Fassade (aufstellbare Fenster, steuerbare Zuluftelemente) Wärme und führen diese ab ( ¯ B 19, S. 150ff.). Nachgeschaltete Wärmepumpen können darüber hinaus die der Abluft entzogene Wärme Pufferspeichern zuführen ( ¯ B 18, S. 144ff.). In der Solarfabrik in Frei-
1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0 0
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6 [m-1]
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 2
B 2.03 B 2.04 B 2.05
B 2.06 B 2.07 B 2.08 [Wp/m2NGF]
116
Verwaltung nur TGA-Bilanz Verwaltung Gesamtbilanz Fabrik
Bildung nur TGA-Bilanz Bildung Gesamtbilanz Hotel
140 120 100 80 60 40 20 0 Verwaltungsgebäude
Bildungsgebäude
Hotels Fabriken
STROMSPAREN Die Notwendigkeit, Strom zu sparen, ergibt sich bei Nichtwohngebäuden mit Nullenergieansatz aus der Motivation, sowohl Energieverbräuche als auch die interne Wärmelast zu senken. Die gewählten Maßnahmen führen von zentraler EDV-Technik mit gezielter Wärmeabfuhr über sparsame Beleuchtung hin zu kombinierten Tageslicht- und Kunstlichtkonzepten ( ¯ B 18, S. 144ff.; B 16, S. 134ff.). Letztere beinhalten Bewegungsmelder oder beziehen über die Gebäudeleittechnik den Sonnenschutz und dessen Lichtlenkung ein ( ¯ B 17, S. 138ff.). Im Vergleich zu Wohngebäuden ist der durchschnittliche nutzerspezifische Stromverbrauch bei Verwaltungsbauten mit knapp 25 kWh/m2a etwas höher, variiert jedoch stark. In Schulen und Kindergärten wird etwa viermal weniger Strom als in Wohngebäuden benötigt. Durch die größeren Flächen gegenüber Wohnbauten ergibt sich in Summe ein deutlich höherer Gesamtstromverbrauch, was unter Betrachtung der zur Solarstromgewinnung zur Verfügung stehenden Dachflächen Probleme aufwirft (siehe Abb. B 1.06, S. 52, und 07, S. 53). Der TGA-Stromverbrauch der Verwaltungsgebäude in Höhe von durchschnittlich 7 kWh/m2NGFa macht nur etwa 22 % aus. Die Werte liegen deutlich unter denen der Literatur. Bei Bildungsgebäuden dominiert der TGA-Verbrauch mit 12 kWh/m2NGFa (siehe Abb. B 1.06, S. 52, und 08, S. 53). ENERGIEVERSORGUNG Sämtliche Büro-, Schulund Fabrikbauten mit dem Ziel einer Nullenergiebilanz nutzen Solarstromanlagen. Verwaltungsgebäude benötigen zum primärenergetischen Ausgleich der Energieaufwendungen für die Gebäudetechnik etwa 7 Wp /m2NGF. Bei einer Erweiterung der Bezüge um nutzerspezifische Verbräuche sind dies 27 Wp /m2NGF. Fabrikanlagen kommen auf 21 Wp /m2NGF. Bei Bildungsgebäuden variieren die Zahlen je nach Form der Nutzung (Schule, Akademie, Kindergarten) stark (Abb. B 2.06). Im Fall der Solar Academy vergrößert die Idee eines »Inselbetriebs« die erstellte Photovoltaikleistung (Abb. B 2.07). Insgesamt sollen 152 kWp (32 kWp Fassade, 59 kWp Dach, 61 kWp nachgeführt) und ein 70-kWelBiogas-BHKW mit einem 230-kWh-Batteriesatz einen
Betrieb des Gebäudes zeitweise ohne Netzstromausgleich ermöglichen. Die Ergänzung der Erträge von Solarstromanlagen über Blockheizkraftwerke ( ¯ B 18, S. 144ff.), Windkraftanlagen ( ¯ B 16, S. 134ff.) oder Zukäufe von grünem Strom ( ¯ Wechselrichterfabrik, Projektliste S. 178, Abb. B 2.08) sind bei großen Nichtwohngebäuden üblich und meist auch notwendig. Die Potenziale der Windenergienutzung am Gebäude sind jedoch eher gering, sodass wenige Projekte mit diesem Ansatz bekannt sind ( ¯ B 16, S. 134ff.; Hotels in Freiburg und Wien, Projektliste S. 178). DECKUNG DES WÄRME- UND KÄLTEBEDARFS Zur Deckung des Wärmebedarfs von Nichtwohngebäuden werden unterschiedliche Systeme genutzt und miteinander kombiniert. Dabei zeigen die im Vergleich zum Wohnsektor nur leicht erhöhten thermischen Leistungsdaten der Systeme, dass das Passivhausniveau als Effizienzziel gilt (Abb. B 2.09). Die Nutzung von Biomasse oder Kraft-Wärme-Kopplung ermöglicht eine Senkung des Primärenergiewerts (siehe Abb. A 3.01, S. 40; Halle 8, Firmenzentrale in Wörrstadt, Projektliste S. 178). Da größere KWK-Anlagen bereits mit Rapsöl betrieben werden können, wird dies in einigen Fällen miteinander kombiniert und führt zu sehr geringen Primärenergiefaktoren ( ¯ B 18, S. 144ff.; Solarfabrik, Projektliste S. 178 und Abb. B 2.04, S. 115). Dabei ist jedoch die langfristig beschränkte Verfügbarkeit von Rapsöl aus einer nachhaltigen Flächenbewirtschaftung ein kritischer Faktor. Gegenüber den Gebäuden mit Wärmepumpen weisen die Gebäude mit anderen Wärmeversorgungssystemen deutlich höhere installierte thermische Leistungen auf. (Biomasse-)Kessel und Blockheizkraftwerke können kurze Leistungsspitzen weniger gut abdecken und puffern erzeugte Wärme in Speichern. Etwa 40 % der Nichtwohngebäude sind »NurStrom-Häuser«. Dabei sind dies üblicherweise kleine Gebäude, die einem Passivwohnhaus nahekommen und einen geringeren Wärmebedarf haben ( ¯ B 13, S. 120ff.; IBA Dock, Naturalia Bau, Primarschule, Projektliste S. 178). Die Wärmequellen variieren von Fortluft und Grundwasser bis zu Erdsonden. Letztere dienen im Fall des »WWF-Hauptquartiers in Zeist« ( ¯ B 14, S. 125ff.) auch als Wärmesenke für die rePROJEKTE + ERFAHRUNGEN
B 2.06 installierte Leistung der Solarstromanlagen pro m2NGF im Nichtwohnbereich, aufgeteilt in Gebäude mit dem Anspruch eines vollständigen Bilanzausgleichs und Gebäude, die nur den Primärenergiebedarf der Gebäudetechnik ausgleichen B 2.07 In der Solar Academy werden auf 1400 m2 Anwender von Solarsystemen geschult. Niestetal (D) 2010, HHS Planer + Architekten B 2.08 Wechselrichterfabrik (26 000m2NGF), Niestetal (D) 2009, HHS Planer + Architekten B 2.09 Installierte Heizleistung pro m2NGF bei den untersuchten Nichtwohngebäuden. Fernwärmeanschlüsse bleiben hier unberücksichtigt. Die leere Spalte bei den Bildungsgebäuden stellt als Vergleich für warme Klimate das Universitätsgebäude in Saint-Pierre dar. B 2.10 PV-Module auf dem Dach erzeugen 65 kWp Strom. 1500 m2 darunterliegende Wasserschleifen nehmen Wärme auf und geben diese an eine Sporthalle und ein Wohngebiet weiter. Mit dem Wärmenetz ist eine zentrale Wärmepumpe außerhalb des Schulgebäudes verbunden. Christiaan Huygens College (7250 m2NGF), Eindhoven (NL) 2011, Rau Architects B 2.11 14 155 m2 Solarstromanlagen decken bilanziell sämtliche Verbräuche der Stadioninfrastruktur im Zeitraum eines Jahres. Durch die mangelnde Gleichzeitigkeit von abendlichen Sportveranstaltungen und solarer Einstrahlung fließen bis zu 1,1 MWh/a in das öffentliche Stromnetz der umliegenden Wohnsiedlungen. Sportstadion, Kaohsiung, Taiwan (RC) 2009, Toyo Ito & Associates, Architects
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 2
KWK [Wth/m2NGF]
versible Wärmepumpe, die sich damit zur aktiven Kühlung einsetzen lässt. Dies stellt eine ökonomische und energetisch effiziente Maßnahme dar, da die während des Sommers im Erdreich gespeicherte Wärme im Winter entnommen werden kann und somit das Speicherpotenzial des Erdreichs langfristig nicht abnimmt. Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung und die Nutzung von Absorptionskältemaschinen stellen Ausnahmelösungen bei Nullenergiebauten dar ( ¯ B 17, S. 138ff.). Solarthermische Anlagen finden nur bei der Hälfte der Bildungs- und Verwaltungsbauten Berücksichtigung, meist mit Einbindung in den Heizkreis. Hierzu werden weniger als 0,1 m2 Kollektorfläche pro m2NGF genutzt. Bei Bildungsgebäuden variieren die Einbindungen bis hin zur Wärmeeinspeisung in ein Nahwärmenetz (Abb. B 2.10).
Wärmepumpe
fossile Feuerung
Holzfeuerung
240
B 2.09 B 2.10 B 2.11
200
117
160 120 80 40 0 kleine Wohngebäude
große Wohngebäude
Siedlungen
Verwaltungsbauten
Bildungs- Fabriken gebäude
B 2.12
118
[Primärenergiegutschrift kWh/m2NGFa]
EFH
MFH Siedlung
Fabrik Hotel
Verwaltung Bildung
250
ie
erg
en
ll Nu
200 150 100 50 0 0
50
100 150 200 250 [Primärenergiebezug kWh/m2NGFa]
ENERGETISCHE AUSWERTUNGEN UND KONZEPTE IM VERGLEICH Die typologieübergreifende Auswertung von knapp 80 geeigneten Projekten (siehe B 01 bis B 22 und Projektliste S. 176ff.) mit dem Anspruch einer Nullenergiebilanz zeigt, dass die meisten Projekte das gesteckte Ziel erreichen. Bei der Gegenüberstellung von Primärenergiebezug für die Energieverbräuche und der Primärenergiegutschrift für vor Ort erzeugte Energie lässt sich ablesen, dass Effizienz eine Grundvoraussetzung zum Erreichen des Ziels ist. Je weniger Verbräuche ausgeglichen werden müssen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies gelingt (Abb. B 2.12). ENERGIEBILANZ Für den Wohnhaussektor gilt, dass bei den jetzigen Möglichkeiten zur erneuerbaren Energiegewinnung am Gebäude ein durchschnittlicher Gesamtprimärenergieverbrauch von 73 kWhprim/m2NGFa eine Zielgröße mitteleuropäischer Wohnhäuser ist. Ihnen stehen durchschnittlich 80 kWhprim/m2NGFa Primärenergiegutschrift gegenüber. Bildungsgebäude benötigen bei 111 kWhprim/m2NGFa Gutschrift etwa 77 kWh/mNGF2a an Primärenergie. Bei Verwaltungsbauten ist der Unterschied am geringsten; 4 kWhprim/m2NGFa Überschuss bleiben bei einem Gesamtbezug von 80 kWhprim/m2NGFa (Abb. B 2.12). Die Auswertung der Jahresprimärenergiebilanzen zeigt, dass einige der als Nullenergiegebäude geplanten Beispiele ihr Ziel im Betrieb nicht erreichen. Ohne Ertragsreserven sind sie bereits bei geringen Mehrverbräuchen sehr anfällig. Bei den durch Monito-
B 2.12 Gegenüberstellung von flächenbezogenen (NGF) Primärenergiebezügen und -gutschriften für die jeweils erfassten Verbräuche der TGA und nutzungsspezifischer Stromverbräuche. Werte ohne Klimabereinigung und Bezug von grünem Strom. B 2.13 Gegenüberstellung von typischen Strategien auf dem Weg zu Nullenergiegebäuden nach Auswertung von 80 bekannten Konzepten. Die technischen Lösungen zeigen eine quantitative Anzahl und qualitative Leistungsangabe gewählter Systeme. Die Typologiegruppen Fabrik, Hotel und Supermarkt sowie Anlagen zur Kälteerzeugung fehlen aufgrund der wenigen bekannten Umsetzungen.
ring betreuten Projekten wird meist Mitarbeiter-, Produktions- oder Familienzuwachs als Grund für gestiegene Verbräuche angeführt ( ¯ B 04, S. 68ff.; B 13, S. 120ff.; B 18, S. 144ff.). Auch sind klimatische Gegebenheiten wie kältere Winter ( ¯ B 05, S. 72ff.; B 07, S. 84ff.) oder geringere Einstrahlung sowie technische Probleme teils neuer Systeme verantwortlich ( ¯ B 04, S. 68ff.). Eine entscheidende Größe bleibt der Nutzer. Sein Verhalten ist in der Planung nicht durch Simulationen oder Berechnungen abschließend festzulegen, auch wenn ihm »technische Hilfen« zum Gebäudebetrieb wie Hausautomationssysteme zur Seite gestellt werden ( ¯ B 04, S. 68ff.; B 05, S. 72ff.). Nutzerspezifische Verbräuche machen zudem in sehr effizienten Gebäuden einen Großteil des Gesamtverbrauchs aus (siehe A 2.08, S. 31; Abb. B 1.06, S. 52). MONATLICHE DECKUNGSRATE Die Auswertung der energetischen Charakterisierungen der in Teil B (siehe S. 56ff.) vorgestellten mitteleuropäischen Projekte gemäß der bereits beschriebenen Bilanzmethode (siehe Infobox, S. 41; Abb. A 3.03, S. 42) zeigt, dass mehrheitlich große Anteile der monatlichen Energieverbräuche über anrechenbare Erträge gedeckt werden und demnach nicht vollständig das Stromnetz als saisonaler Speicher in Anspruch genommen wird. Bei Wohngebäuden liegt dieser Anteil zwischen 82 % (Siedlungsgebäude) und 60 % (Einfamilienhäuser). Auch bei Nichtwohngebäuden decken die monatlich anrechenbaren Erträge zumeist deutlich über 60 % der Verbräuche. Besonders hoch lie-
gen diese Werte bei Gebäuden mit Biomassenutzung, da durch die niedrigen Primärenergiefaktoren der Bezug für die Heizwärmebereitstellung verringert wird und bereits kleinere Solarstromerträge einen größeren Verbrauchsanteil ausgleichen können ( ¯ B 03, S. 64ff.). Zudem erreichen Gebäude mit sehr großen Solarstromanlagen oder Kraft-Wärme-Kopplung (winterliche Stromerzeugung) hohe Deckungsraten ( ¯ B 09, S. 94ff.; B 22, S. 163ff.). WEGE ZUR AUSGEGLICHENEN ENERGIEBILANZ Elemente der MINERGIE- bzw. Passivhauskonzeption gelten über alle Typologien hinweg als grundlegendes Mittel zur Reduzierung des Wärmebedarfs. Thermische Solaranlagen übernehmen in Großteilen die Warmwassererwärmung der Wohnbauten, unterstützen Heizungsanlagen und versorgen – an Nahwärmenetze angeschlossen – Nachbargebäude. Ein effizienter, meist außen liegender Sonnenschutz verringert die Gefahr der Überhitzung über die zumindest bei Wohngebäuden großflächig südorientierten Fenster zur passiven solaren Energienutzung. Eine Optimierung der Tageslichtversorgung wird einbezogen. Passive Kühlkonzepte vermeiden den Einsatz von Klima- oder Kälteanlagen. Eine stromsparende Ausstattung von Wohn-, Bürooder Klassenräumen mindert nutzerspezifische Stromverbräuche. Zur Deckung von Energieverbräuchen durch erneuerbare Energie sind Solarstromanlagen notwendig. Das Potenzial Sonne wird sowohl gebäudeintegriert als auch standortnah genutzt. Die tageszeitlich unabhängige Nutzung von Wind kommt kaum in und an Gebäuden zum Einsatz ( ¯ B 16, S. 134ff.). Erste gebäudeintegrierte Windturbinen zeigen, dass hierüber der Energiebedarf von Gebäuden nicht in Gänze auszugleichen ist ( ¯ B 16, S. 134ff.; Hotels in Freiburg und Wien, Projektliste S. 178). Kraft-Wärme-Kopplung bietet bei genügend Wärmeabnahme eine Alternative und Ergänzung mit dem Potenzial des gleichzeitigen Energieverbrauchs und der -erzeugung ( ¯ B 22, S. 163ff.). Kleinstanlagen und die Verbrennung von Biomasse werden zukünftig ausgebaut. Durch die vermehrte Nutzung von Wärmepumpen ist Strom der Hauptenergieträger für Nullenergiegebäude. Biomasse wie Holzpellets, Hackschnitzel oder Rapsöl verdrängen fossile Energieträger. Nahwärmenetze finden häufig in Siedlungskonzepten Anwendung (Abb. B 2.13). PROJEKTE + ERFAHRUNGEN
Typologie
ausgemachte Strategien zur Energieeffizienz gebauter Beispiele, Solarkollektoren mit Angabe zur Häufigkeit der Verwendung
KLEINE WOHNHÄUSER
mittlerer U-Wert
Häufigkeiten zur Wärme- und Stromerzeugung samt mittlerer Leistungsgrößen
119
mittlerer U-Wert
0,38 W/m2K
A / V -Verhältnis
0,28 m -1
Passivhauskomponenten und passive Kühlmaßnahmen
BILDUNGSGEBÄUDE
100 %
50 %
Solarkollektoren (44 %)
0,05 m2/m2NGF
mittlerer U-Wert
0,26 W/m2K
A / V -Verhältnis
0,45 m -1
0%
100 %
50 %
Passivhauskonzept Solarkollektoren (56 %)
0%
0,06 m2/m2NGF
0% ‡ Kessel ‡ Wärmepumpe ‡ KWK (Wärme)
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 2
31 Wp /m2NGF 17 Wp /m2NGF
10 Wel /m2NGF 14 Wel /m2NGF
0,13 m2/m2NGF
50 %
0%
100 %
50 %
0%
100 % 28 Wth /m2NGF
Solarkollektoren (45 %)
0%
50 %
0%
100 % 25 Wth /m2NGF
50 %
Passivhauskonzept
VERWALTUNGSBAUTEN
100 %
16 Wp /m2NGF
0,56 m -1
26 Wth /m2NGF
A / V -Verhältnis
45 Wth /m2NGF
0,22 W/m2K
18 Wth /m2NGF
mittlerer U-Wert
0%
28 Wth /m2NGF
0,04 m2/m2NGF
7 Wth /m2NGF
SIEDLUNGEN
Solarkollektoren (88 %)
45 Wth /m2NGF
50 %
Passivhauskonzept
50 %
100 %
26 Wth /m2NGF
100 %
23 Wth /m2NGF
0,39 m -1
24 Wth /m2NGF
A / V -Verhältnis
61 Wth /m2NGF
0,24 W/m2K
84 Wth /m2NGF
mittlerer U-Wert
0%
133 Wth /m2NGF
0,07 m2/m2NGF
34 Wth /m2NGF
GROSSE WOHNHÄUSER
Solarkollektoren (78 %)
28 Wth /m2NGF
50 %
Passivhauskonzept
100 %
18 Wth /m2NGF
0,67 m -1
115 Wth /m2NGF
0,23 W/m2K 100 %
A / V -Verhältnis
Verteilung der genutzten Energieträger zur Gebäudeerwärmung
‡ Photovoltaik ‡ KWK (Strom)
50 %
0%
‡ Strom ‡ Biomasse
‡ fossile Energieträger ‡ Nah-/Fernwärme
B 2.13
120
FIRMENHAUPTSITZ Kemptthal, CH 2007
TGA
Der dreigeschossige Hauptsitz der Marché-Restaurant-Gruppe, ein Unternehmensbereich von Mövenpick, liegt etwa 5 km südlich von Winterthur an der Autobahnraststätte Kemptthal. Nachhaltige und ökologische Aspekte sind Teil der Firmenphilosophie und bestimmen neben einer hohen Arbeitsplatzqualität für die 50 Mitarbeiter daher die Planungen des Verwaltungsbaus in Kemptthal. Das MINERGIE-P-ECOzertifizierte Gebäude (siehe Schweiz, S. 43ff.) vereint eine formal reduzierte Architektur mit aktiver und passiver Sonnenenergienutzung. Durch die Kombination von Solarstromanlage und Erdsonden-Wärmepumpe ist es ein typisches »Nur-Strom-Haus« und ermöglicht vor Ort und über das Jahr gesehen eine Stromerzeugung in Höhe sämtlicher Verbräuche.
ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Zwischen Planungsbeginn und Bezug liegen nur zwölf Monate, und es gibt keine Mehrkosten im Vergleich zu einem üblichen Gewerbebau nach SIA (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein). Deshalb werden Konzeptschwerpunkte wie Konstruktion, technische Installationen, Ausbau und Gestalt dem Image des Konzerns, dem engen Kostenrahmen und dem kurzen Baufenster folgend bewusst einfach gehalten. Dem gegenüber stehen energetische Akzente wie der Einsatz von speziellen Verglasungen oder der Solarstromanlage. Insgesamt gelten die Parameter Funktionalität, Arbeitsplatzqualität und Gestaltung als gleichwertige Kriterien zur Nachhaltigkeit und zum Energieverbrauch.
Bauherr: Marché Restaurants Schweiz, Kemptthal Architekt: Beat Kämpfen, kämpfen für architektur, Zürich Energieplaner: Naef Energietechnik, Zürich Technische Gebäudeausrüstung: Naef Energietechnik, Zürich Hauptakteure: Architekt und Bauherr
B 13.01 B 13.02
BÜROGEBÄUDE
1
5
4
4
4
3
B 13.01 B 13.02 B 13.03 B 13.04
121
2 4
3
4
3
4
3
3
4
4
1 2 3 4 5
Eingang Vorraum Aufzug Großraumbüro Einzelbüro/Besprechung Aufenthaltsraum
Lageplan, Maßstab 1:1500 Ansicht von Süden Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:500 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:500
ARCHITEKTUR Der zurückhaltende Baukörper nimmt weder durch seine Gestalt noch seine Lage auf dem schmalen Grundstück Bezug auf die ihn umgebende Bebauung oder die Straße, sondern ist nach energetischen Gesichtspunkten angeordnet (Abb. B 13.01 und 02). Die strikte Südorientierung der Hauptfassade ermöglicht eine Optimierung sowohl der passiven Solarenergienutzung über große Fensterflächen als auch der aktiven Solarenergienutzung über eine dachintegrierte Solarstromanlage. Das Gebäude ist bis auf die beiden nordorientierten Treppenhäuser in einer Holz-Plattenkonstruktion ausgeführt. Die vorgefertigten Fassadenelemente in einer Größe von bis zu 4 m ≈ 12 m verkürzen die Bauzeit auf sechs Monate und erhöhen die Präzision der Ausführung, die für die luftdichte Hülle mit einem gemessenen Luftdichtigkeitswert von 0,57 h-1 unabdingbar ist. KONSTRUKTION UND DÄMMUNG Da sich der Holzbau selbst trägt, übernehmen die beiden massiven Treppenhauskerne zwar keine statische Funktion, bestehen jedoch aus brandschutztechnischen Gründen aus Ortbeton. Eine 30 mm starke Fuge trennt die Treppenhäuser vom restlichen Baukörper, um eine Körperschallübertragung in die Büroräume zu vermeiden (Abb. B 13.03 und 04). FIRMENHAUPTSITZ IN KEMPTTHAL
Zur Verbesserung der Trittschalldämmung beschweren Betonplatten die als Holzkastenelemente ausgeführten Geschossdecken (Abb. B 13.11, S. 124). Sie kompensieren die fehlende Bauschwere der Holzbauweise und nehmen die Rohrleitungen der Fußbodenheizung auf. Holzzementplatten als Bodenbelag gewährleisten einen guten Wärmeübergang zur darunterliegenden Speichermasse. HAUSTECHNIK Die Technikzentrale für Heizung, Warmwasser und Lüftung befindet sich im Dachgeschoss über den Treppenhäusern. Aus Kostengründen sind (Warm-)Wasserleitungen nur im vorderen Treppenhaus sowie in den unmittelbar angrenzenden Räumen des Eingangsbaukörpers verlegt. Die horizontale Verteilung von Luft, Wärme und Medien wird auf dem Boden des unbeheizten Volumens unter dem Pultdach installiert und anschließend mit 30 cm Zelluloseflocken bedeckt. Dadurch können die Leitungen bei Wartungen und Reparaturen schnell freigelegt werden. Das ungewöhnlich große Raster der Stützen orientiert sich am Platzbedarf zweier Arbeitsplätze und gewährleistet mit einem Abstand von 4 m eine flexible Raumaufteilung. FASSADE Durchlaufende, um 1,30 m auskragende Balkone und außen liegende Stoffrollos mit einem
Fc-Wert von 0,11 beschatten die Fenster der komplett verglasten Südfassade. 50 % der Glasflächen bestehen aus dreifachverglasten Holzrahmenfenstern mit einem Uw-Wert von 0,73 W/m2K. Die übrigen Flächen sind als Solarfassade mit Spezialverglasungen ausgeführt. Der raumseitige Scheibenzwischenraum der Dreifach-Isolierverglasung mit einem Uw-Wert von 0,48 W/m2K nimmt ein Phasenwechselmaterial (Phase Change Material – PCM, siehe S. 19) in Form von Salzhydrat auf. Es speichert die Wärme einstrahlender Sonne, gibt diese bei Bedarf zeitverzögert an den Innenraum ab und glättet so Temperaturschwankungen bzw. vermeidet Temperaturspitzen. Es kompensiert damit Speichermasse, die der Holzkonstruktion vor allem für den Sommerfall fehlt. Die Speicherkapazität beträgt 1185 Wh/m2 bei einer Schichtdicke von 15 mm und einem Phasenumwandlungstemperaturbereich von 26 bis 28 ˚C. Erhöhte Oberflächentemperaturen auf der Innenseite des Elements führen im Winter zu mehr Behaglichkeit im Raum. Zu dieser Zeit ist das PCM meist geschmolzen, d. h. nahezu transparent. Im Sommer streut kristallines PCM das einfallende Licht, sodass der Anteil an diffusem Licht im Büro sehr groß ist. Die Strahlung fällt nicht direkt auf den Boden, weshalb die Innenraumtemperaturen weniger schnell steigen. Der Licht-
B 13.03 B 13.04
1 2 4
122
5 6
3 5
7 5 8
B 13.05 Südwestansicht B 13.06 Konzept der solaren Energienutzung 1 Sonnenstand Sommer 2 Sonnenstand Winter 3 große Glasflächen nach Süden, Verschattung durch Balkone 4 unbeheizter Dachraum 5 Speichermasse Endenergiebezug
erneuerbare Energie
Energieerzeugung gebäudenah
Solarstromanlage
B 13.05 B 13.06 B 13.07
Stromnetz
6 kleine Glasflächen nach Norden 7 Zuluft 8 Erdregister B 13.07 technische Übersicht der Energieversorgung B 13.08 Vergleich mit einem Referenzgebäude im SIA-Standard a Anteil der Gebäudematerialien b Anteil der einzelnen Lebensphasen B 13.09 energetische Charakterisierung
Erdsonden
Erdregister
Energieverbrauch Abluft
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Wärmepumpe
Pufferspeicher
Zuluft
Trinkwarmwasser
Heizung / Kühlung
elektrische Verbraucher
transmissionsgrad beträgt bei kristallinem PCM 8 – 28 %, bei flüssigem PCM 12 – 44 %. Ein zusätzlich in den äußeren Scheibenzwischenraum implementiertes Prismenglas lässt Sonnenstrahlung nur bei flachem Einstrahlungswinkel im Winter passieren, reflektiert die hochstehende Sommersonne mit Einfallswinkeln über 40 Grad nach außen und schützt somit den Raum im Sommer vor Überhitzung. Im Kontrast zur großzügig geöffneten Südfassade durchbrechen vergleichsweise kleine und regelmäßig angeordnete, ebenfalls dreifachverglaste Holzrahmenfenster die übrigen drei mit 34 cm Steinwolle gedämmten Fassaden des Gebäudes. Durch die streng horizontal verlaufende und hinterlüftete Schalung aus Douglasie verstärkt sich hier der Eindruck eines diskret geschlossenen Baukörpers, wie er oft bei Passivhäusern ausgeführt wird. Die auf Beton-Streifenfundamenten aufliegende Bodenplatte ist mit 38 cm Glaswolle im Holzrippenzwischenraum über einem nicht belüfteten Hohlraum gedämmt. Eine Pflanzenwand von je 12 m2 auf jedem Geschoss wirkt als gestalterisches Element regulierend auf die Raumluftfeuchte ein. Die offene Raumaufteilung erhöht die Kommunikation, wobei auf die Akustik der Großraumbüros besonders geachtet wird: Alle Schrankrückwände sind zur erhöhten Schallabsorption mit einem Lochblech mit hinterlegter Mineralfaserdämmung ausgeführt. Zusätzlich befinden sich über den Leuchten abgehängte Paneele mit Schallabsorbern (Abb. B 13.10, S. 124). ENERGIEEFFIZIENZ Die Energieeffizienz des Gebäudes beruht auf den MINERGIE-Gesichtspunkten wie kompakte Bauform, sehr gute Wärmedämmung, Dreifach-Isolierverglasungen und wärmebrückenarme Konstruktion. Dies reduziert in Kombination mit einer Lüftungsanlage mit 91 % Wärmerückgewinnung und vorgeschaltetem Luft-Erdregister Lüftungswärmeverluste bzw. den Heizenergiebedarf auf berechnete 9,3 kWh/m2NGFa. Ein 25 m langer Betonkanal verläuft in etwa einem Meter Tiefe unterhalb der Bodenplatte im Zwischenraum der Betonstreifenfundamente und temperiert die Frischluft vor. Somit wird das abluftseitige Einfrieren des Wärmeüberträgers wirkungsvoll verhindert, da die Außenluft immer frostfrei zugeführt wird. Die WärmerückgewinBÜROGEBÄUDE
ENERGIEVERSORGUNG Durch das einfach gehaltene Haustechnikkonzept ergibt sich eine alleinige Versorgung mit dem Energieträger Strom. Das Verwaltungsgebäude mit Wärmepumpe und Solarstromanlage ist ein »Nur-Strom-Haus«. STROMVERSORGUNG Die Südausrichtung des Gebäudes ermöglicht eine optimale Stromausbeute über die vollflächig in das um 12 Grad geneigte Pultdach integrierte 44,6-kWp-Solarstromanlage. Die anthrazitfarbenen Dünnschicht-Solarmodule bilden eine geschuppte Dachhaut, sodass auf eine Ziegel- oder Blecheindeckung verzichtet werden kann. WÄRME- UND KÄLTEVERSORGUNG Die 6,1-kWelWärmepumpe stellt bei üblichen Betriebsbedingungen in Verbindung mit zwei 180 m tiefen Doppel-URohr-Erdsonden mit einem Durchmesser von je 40 mm als Wärmequelle eine thermische Leistung von 18,3 kWth zur Verfügung. Sie übernimmt die Deckung des Warmwasser- und Heizwärmebedarfs über Handtuchradiatoren bzw. eine Fußbodenheizung. Letztere kann über die Erdsonden auch für die Kühlung genutzt werden. Ein Bypass als Wärmetauscher zwischen Erdsonden und Heizverteilung ermöglicht dies ohne den Betrieb der Wärmepumpe. Das System ist bekannt unter Freecooling. Solarkollektoren gibt es nicht (Abb. B 13.07). FIRMENHAUPTSITZ IN KEMPTTHAL
ERFAHRUNGEN Die anfängliche Skepsis der Mitarbeiter gegenüber dem ungewohnten Großraumbüro wandelt sich in eine positive Stimmung.
Betriebsenergie Gebäudetechnik übrige Baustoffe Dämmung Punkte
ENERGIEBILANZ Die Solarstromanlage ist entsprechend dem jährlichen Stromverbrauch für den Betrieb von Wärmepumpe, Lüftungsanlage, Beleuchtung, EDV und Hilfsgeräten ausgelegt. Aus wirtschaftlichen Erwägungen finanziert der Bauherr die Solarstromanlage nicht selbst. Das Elektrizitätswerk des Kantons Zürich (EKZ) betreibt und unterhält die Solaranlage sowie die Erdwärmesonden-Wärmepumpe im Rahmen eines Contractings. Der generierte Solarstrom fließt vollständig an die EKZ-Strombörse und vergrößert den erneuerbaren Anteil an deren Stromportfolio bzw. im Stromnetz. Durch die Verpflichtung seitens Marché, ein Viertel des eingespeisten Solarstroms zu Solarstrompreisen zurückzukaufen, dürfte maximal dieser Anteil zur Bilanzierung der Energieverbräuche im Gebäude gegenübergestellt werden. Dieses Viertel reicht in der Praxis aus, um ca. 20 bis 25 % der jährlichen Betriebsenergie primärenergetisch auszugleichen. Die Solarstromanlage des Verwaltungsgebäudes ist demnach mehr Teil des Stromnetzes als Teil des Gebäudeenergiekonzepts. Eine 50 Jahre umfassende Lebenszyklusanalyse weist die Reduzierung des Gesamtenergieverbrauchs um 60 % nach (siehe S. 35). Die Analyse berücksichtigt sämtliche energetischen Aufwendungen für die Produktion der verwendeten Baumaterialien, die Gebäudeerstellung, die Instandhaltungen, den Betriebsenergieverbrauch und den Abbruch inklusive der Entsorgung sowie den vor Ort generierten Solarstrom. Durch den Einsatz regionaler Baustoffe, einheimischer Nadelhölzer ohne chemischen Holzschutz, einer Wärmedämmung der Bodenplatte aus 80 % Altglas sowie von Recyclingbeton in Fundamenten und Treppenhauswänden reduziert sich die graue Energie um knapp 30 % gegenüber einem vergleichbaren Stahlbetongebäude nach SIA-Standard. Während sich die Energieaufwendung zur Gebäudeerstellung um fast 50 % verringert, werden notwendige Reparaturen der Holzschalung und Erneuerungen der Solarstromanlage einen höheren Instandsetzungswert im Vergleich zu SIA-Standardbauten bedeuten (Abb. B 13.08).
massive Baustoffe Betrieb Erneuerung Herstellung
3000 a
b
123
2500 2000 1500 1000 500 0 Neubau Kemptthal
Primärenergiegutschrift [kWh/m2NGFa]
nung aus der Abluft erwärmt diese auf 20 °C, bevor sie durch in die Nordfassade und in die südliche Stützenreihe integrierte Zuluftkanäle bodennah in die Büros gelangt. Abgesaugt wird durch die ebenfalls in die Stützen integrierten Abluftöffnungen in der Gebäudemitte. Wegen der Lärmbelastung durch die nahegelegene Autobahn bleiben die Fenster meist geschlossen. Deshalb gewährleistet die Lüftungsanlage die Frischluftversorgung der Büroräume. Die vollverglaste Südfassade bietet große solare Gewinne im Winter und ein Maximum an Tageslichtversorgung. Gleichzeitig wird sie im Sommer durch die umlaufenden Balkone verschattet. Die Speicherfähigkeit der Böden und die speziellen Glaselemente fangen thermische Lastspitzen ab (Abb. B 13.06).
SIAStandard
Neubau Kemptthal
SIAStandard
150
ie
rg
ne
e ull
N
120
90
60
30
0 0
30
60 90 120 150 Primärenergiebezug [kWh/m2NGFa]
Der Firmenhauptsitz in Kemptthal erreicht den NEH-Status in den Jahren 2008 und 2009 nicht: z gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch (97 kWh/m2NGFa) z Verbrauch nach monatlicher Eigenbedarfsdeckung (31 kWh/m2NGFa) z nicht ausreichender saisonaler Ausgleich verbleibender Verbräuche (15 kWh/m2NGFa) Es fehlen 2008 rechnerisch ca. 16 kWh/m2NGFa, um den Jahresbedarf komplett vor Ort zu decken. Der Betrieb der Solarstromanlage durch das Elektrizitätswerk des Kantons Zürich wird dabei nicht berücksichtigt. Primärenergiekennwerte nach SIA 2031 (siehe Abb. 2.07, S. 31, Abb. 2.14, S. 35).
B 13.08 B 13.09
124
Deckenaufbau: zementgebundene Spanplatte 15 mm Zementestrich 80 mm Fußbodenheizung 80 mm PE-Folie Trittschalldämmung Mineralwolle 30 mm Betonplatten 400/400/50 mm Dreischichtplatte 30 mm Rippen, teilweise ausgedämmt 260 mm Dreischichtplatte 30 mm
B 13.10 B 13.11 B 13.12
Die 50 Mitarbeiter schätzen die guten akustischen Eigenschaften der Großraumbüros, ihre offene Atmosphäre sowie die gestalterischen Aspekte. Auch die Solarfassade bewährt sich durch ihre temperaturregulierende Wirkung: Im Sommer ist die raumseitige Oberfläche der Solarfassade kühler als die der Holzfenster, im Winter wärmer. Das diffuse Licht, das durch die mit Salzhydrat gefüllten Fassadenpaneele fällt, erweist sich als bildschirmfreundlich. In den Jahren 2008 und 2009 wird die Jahresnullenergiebilanz jeweils nicht erfüllt. Im Vergleich zwischen berechneten und tatsächlich gemessenen Verbräuchen lassen sich Mehrverbräuche in Höhe von 7 bzw. mehr als 10 kWhend/m2NGFa ausmachen. Bei der Gebäudetechnik kommen Verbräuche durch eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) hinzu, die anfänglich nicht geplant gewesen sind. Zudem ist die Beleuchtung trotz Bewegungsund Helligkeitssensoren deutlich häufiger eingeschaltet als erwartet. Die Umstellung auf ein manuelles Ein- und Ausschalten steht noch aus. Der nicht vorhergesehene Einsatz einer verbrauchsintensiven Industrie-Geschirrspülmaschine, mehrerer Kaffeemaschinen sowie von Kopierern und Druckern, die die Herstellerangaben deutlich überschreiten, zeigen den engen energetischen Spielraum auf. Der Ertrag der Solarstromanlage ist mit 40 000 kWh berechnet und stimmt 2008 genau. 2009 werden fast 50 000 kWh erzeugt. Würden die zur Bauzeit bestmöglichen monokristallinen Solarzellen verwendet, könnte der Ertrag ca. 70 000 kWh betragen. Die Dünnfilmzellen sind ein reiner Investitionsentscheid. Das ambitionierte Projekt zeigt, dass sich ansprechende Architektur in Kombination mit moderner Technik, geringem Energieverbrauch und gleichen Kosten wie bei einem herkömmlichen Verwaltungsbau realisieren lässt.
B 13.10 offenes Großraumbüro B 13.11 Schnitt durch Deckenanschluss an Fassade, Maßstab 1:25 B 13.12 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Kemptthal (CH) ca. 1120 kWh/m2a 8,9 °C rural
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche (Kaltdach) U-Wert Kellerdecke/Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,11 0,48 – 0,73 0,08 0,10 0,24
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2
486 m2 0,38 m2/m2 45 kWp 35,20 Wp /m2 500 l 0,40 l/m2
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz Energieträger Bezug Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskomponenten und -konzept, mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung, ErdwärmesondenWärmepumpe, Photovoltaik, ökologische Baustoffe, Integration der aktiven Solarnutzung in die Gebäudehülle
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V davon beheizt Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt) VERBRAUCHSKENNWERTE (2008) Heizwärmeverbrauch Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
1267 m2 1550 m2 5757 m3 4143 m3 2335 m2 0,56 m2/m3 1964 €/m2 (2007) 1 Stück 50 Personen kWh/m2a 22 7 (Strom) 31 97 81
BÜROGEBÄUDE
Am südöstlichen Stadtrand von Zeist liegt das niederländische Hauptquartier der Naturschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature). Das einst aufgegebene und umgenutzte ehemalige Landwirtschaftslaboratorium aus dem Jahr 1954 gilt nach den abgeschlossenen Umbaumaßnahmen 2006 als das erste CO2-neutrale Verwaltungsgebäude der Niederlande. Durch die Nutzung von Abwärme und deren Speicherung im Erdreich über Erdsonden sowie eine passive Kühlung wird das Gebäude effizient klimatisiert. Solarkollektoren decken einen Teil des Wärmebedarfs für die Warmwasserbereitung. Der verbleibende Warmwasser- und Heizwärmebedarf wird durch eine Wärmepumpe und ein mit Rapsöl betriebenes Mini-Blockheizkraftwerk ge-
B 14.01 Ansicht von Süden B 14.02 Lageplan, Maßstab 1:1500
deckt. Die Stromerzeugung der 300 m2 großen netzgekoppelten Solarstromanlage gleicht über den Zeitraum eines Jahres den gesamten Primärenergiebezug einschließlich aller Geräte aus. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Bereits während der Suche nach einem geeigneten Ort für das neue Hauptquartier im Jahr 2002 war sich die Organisation ihrer Vorbildfunktion bewusst. So kam ein Neubau oder Abriss nicht in Frage; stattdessen sollte ein bereits bestehendes Gebäude gefunden, saniert und gegebenenfalls erweitert werden. Schließlich fiel die Wahl auf das verlassene Forschungsinstitut auf einer Waldlichtung mitten im Zeister Naturschutzgebiet. Der massive und teils
WWF-HAUPTQUARTIER
125
Zeist, NL 1954/2006
TGA
Bauherr: WWF – World Wide Fund for Nature, Zeist Architekt: RAU architects, Amsterdam Energieplaner: DGMR, Drachten Technische Gebäudeausrüstung: Arup, Amsterdam Monitoring: Arup, Amsterdam Hauptakteure: Architekt und Bauherr
B 14.01 B 14.02
WWF-HAUPTQUARTIER IN ZEIST
126 1 2 3 4 5 6 7
6 b 7
3 a
5 4
3
2
Eingang Foyer Information Büro Restaurant Besprechung Lager/Archiv
4
4
1
a
b B 14.03 B 14.04 B 14.05 B 14.06 B 14.07
B 14.03 B 14.04 B 14.05
stark heruntergekommene Bestandsbau gab eher Anlass zum Abriss. Nun liefert er durch seine Umnutzung wichtige Argumente für den Erhalt und den schonenden Umgang mit der Ressource Bestand. Bei einem Neubau wären die außergewöhnliche Raumhöhe und die damit verbundene Flexibilität sowie die gute Belichtung über die hohen Fenster nicht realisierbar gewesen. Auch der CO2-neutrale Gesamtansatz hätte wegen des limitierten Kostenbudgets nicht funktioniert. Nach dreijähriger Planungsund Bauzeit wurde das Hauptquartier im September 2006 offiziell eröffnet. ARCHITEKTUR Der verzweigte Altbau wurde während der Sanierungsmaßnahmen auf einen langgezogenen und nahezu nordsüdlich ausgerichteten Quader reduziert. Die verbliebene, zweigeschossige und rigide Blockstruktur des ursprünglichen Zweckbaus wird zentral eingeschnitten und durch einen dreigeschossigen »Blob« aufgefüllt (Abb. B 14.01 und 02, S. 125). Dieser etwas hervorstehende, organisch geformte Körper durchbricht die monolithische Gestalt des Bestandsbaus, bildet hierzu einen Kon-
trast und schafft eine einladende Geste mit einem deutlich lesbaren Haupteingang. Die Fassade ist mit glasierten Keramikkacheln bekleidet. Diese bedecken samt Unterkonstruktion aus Holzlatten und -platten eine 24 cm tiefe stehende Luftschicht im Konstruktionszwischenraum sowie eine 12 cm dicke Mineralwoll-Dämmschicht. Den inneren Abschluss bilden eine Dampfbremse und eine 5 cm starke Lehmputzschicht. Der leichte Holzwandaufbau erreicht einen U-Wert von 0,32 W/m2K. Die organisch anmutenden Fensteröffnungen verstärken die Wirkung des »Blobs« und stellen eine Verbindung zur Umwelt her. Im Inneren befinden sich eine Bibliothek, ein Laden, die Eingangshalle mit Rezeption, eine Kaffee-Ecke und die zentrale Treppe als Raumskulptur und kommunikatives Element (Abb. B 14.03 – 05). Verglaste Wände stehen für die Offenheit der Naturschutzorganisation und lassen Tageslicht weit in alle Bereiche einfließen (Abb. B 14.07). Die Treppe bringt die dritte Dimension zum Ausdruck, die im alten Gebäude durch seine harten geometrischen Linien und die fehlenden räumlichen Beziehungen weder außen noch innen
Schnitt, Maßstab 1:800 Schnitt, Maßstab 1:800 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:800 technische Übersicht der Energieversorgung Innenraum »Blob«
ablesbar war. Eine Fußgängerbrücke führt von hier zu einem leicht abgerückten und mit Schindeln verkleideten Anbau auf Pfeilern an der Nordseite, in dem die Konferenzräume untergebracht sind. Auch er wurde von der ursprünglichen Gebäudestruktur erhalten. Einen Gegenpol bilden die nicht öffentlichen Büroräume in den beiden sanierten Flügeln, die rechts und links vom »Blob« abgehen. Die Großraumbüros organisieren sich durch das Stützenraster der vorhandenen Stahlbetonskelettkonstruktion von 3 m klar und flexibel. Die einfach gegliederten Grundrisse und Geschossaufteilungen erlauben es, die Bürotrakte teilweise oder ganz an Mieter zu vergeben. Filz-Bekleidungen auf den Schränken, perforierte und mit Stoff bezogene Holz-Fassadenplatten sowie schallabsorbierende Lehmdecken verbessern die Raumakustik. Die klar gegliederte und fein gerasterte Vorhangfassade als Pfosten-Riegel-Konstruktion nimmt abwechselnd dreifachverglaste Fenster (Ug-Wert 0,9 bis 0,6 W/m2K), die hauptsächlich feststehend ausgeführt sind, und opake Fassadenelemente auf. Letztere sind als Holzleichtbauelemente ausgebildet, BÜROGEBÄUDE
erneuerbare Energie
Endenergiebezug
Solarstromanlage
Rapsöl
thermische Solarkollektoren
Energieverbrauch
Erdsonden
Abwärme
127
Energieerzeugung gebäudenah
Kühlung
BHKW
Stromnetz
Wärmepumpe
Trinkwarmwasser
Schichtspeicher
Heizung
elektrische Verbraucher B 14.06 B 14.07
mit insgesamt 12 cm Mineralwolle gedämmt und schließen außen mit einer gefärbten Glasplatte ab. Der U-Wert der Fassade beträgt hier 0,32 W/m2K. Bestehende und neue Stahlbetonbodenplatten sind wärmegedämmt und erreichen einen U-Wert von bis zu 0,13 W/m2K. Die Holzkonstruktion der Neubaudecke im Eingangsbereich erzielt mit insgesamt 40 cm Polystyrol-Dämmung einen U-Wert von 12 W/m2K. ENERGIEEFFIZIENZ Da große Fassadenbereiche verglast sind, sind eine tiefe Ausleuchtung der Büros mit Tageslicht und eine nahezu uneingeschränkte Sicht in die Umgebung gegeben. Horizontale Holzlamellen verschatten Teile der südorientierten Fensterflächen in den Büroflügeln im Altbauteil des Gebäudes. Die hochstehende Sommersonne kann hier somit nur indirekt in die Büros einstrahlen, während die tiefstehende Wintersonne ungehindert in die Büros dringt. Der starre Sonnenschutz betont die horizontale Struktur der Büroflügel. Vier feste Lamellen stehen im oberen Fassadenbereich 32 cm hervor und nehmen je nach Öffnungsanteil in der Fassade WWF-HAUPTQUARTIER IN ZEIST
nach unten hin ab. An der Südseite sind hinter der Dreifachverglasung zusätzlich Jalousien als Blendschutz angebracht. Öffenbare Fenster gewährleisten in Kombination mit Lüftungsöffnungen in den Holzleichtbauelementen ganzjährig eine natürliche Belüftung. Im Innenraum sind 40 cm hohe und wärmegedämmte Belüftungskästen vor die Lüftungsöffnungen gesetzt. Sie nehmen Konvektoren auf, die die nachströmende kühle Luft erwärmen, bevor diese durch Metallroste in den Raum eintritt. Die Zirkulation der Luft wird durch eine zentrale Abluftanlage erreicht. Diese entzieht der Abluft Wärme und speichert sie über Erdsonden im Boden. Die nach der saisonalen Speicherung noch verbleibende Wärme wird über die Wärmepumpe zur winterlichen Gebäudeheizung verwendet. Um das Gebäude bei Bedarf zu kühlen, kehrt sich dieser Prozess im Sommer um. Das Wasser für Heizung und Kühlung strömt durch ein feines Netz aus Polypropylen-Kapillarröhrchen, die in die 5 cm dicke Putzschicht aus unbehandeltem Lehm unterhalb der Betondecken eingebettet sind. Über die Abluftanlage und die nachströmende kalte Luft lässt
sich das Gebäude nachts passiv kühlen. Der Lehm dient zusammen mit dem Beton hierbei als thermischer Kurzzeitspeicher. Aufgrund der großen Flächen zum thermischen Austausch lassen sich homogene Temperaturverläufe erzielen und plötzliche Temperaturschwankungen ausschließen. Zudem puffert der Lehm Luftfeuchte und verbessert das Raumklima. Die Sanierung des WWF-Hauptquartiers basiert auf Michael Braungarts »Cradle to Cradle«-Konzept (von der Wiege bis zur Wiege). Dies umfasst neben der Minderung der Betriebsenergie auch die Verwendung nachhaltiger Baustoffe und Materialien und verkleinert damit den Energieaufwand bei der Erstellung über die Nutzung der alten Gebäudesubstanz hinaus. Verwendet wurden nur FSC (Forest Stewardship Council)-zertifiziertes Holz und Bambus sowie überwiegend natürliche und regionale Baustoffe. Der Lehm der keramischen Kacheln stammt ebenso aus einem nahe liegenden Flussbett wie der des Innenputzes. Der Fußabtreter wurde z. B. aus recycelten Autoreifen hergestellt, Bodenbeläge sind teilweise aus wiederverwendeten Teppichen gemacht.
Primärenergiegutschrift [kWhprim /m2NGFa]
128
250
ie
rg
e len
l Nu
200
150
100
50
0 0
50
100 150 200 250 Primärenergiebezug [kWhprim/m2NGFa]
Monatliche Erträge decken 212 kWhprim/m2 und die verbleibenden 35 kWhprim/m2a, werden durch zusätzliche Überschüsse mehr als ausgeglichen. O berechneter jährlicher Gesamtprimärenergiebedarf (247 kWh/m2a) O gebäudespezifischer Bedarf (204 kWh/m2a) O monatliche Eigenbedarfsdeckung (212 kWh/m2a) O Jahresbilanz zwischen verbleibenden Bedarf und Einspeisung O Jahresenergieplus (114 kWh/m2) Die hohe monatliche Deckung resultiert aus der Verbindung des Blockheizkraftwerks und der großen Solarstromanlage.
B 14.08 B 14.09
Primärenergiefaktoren nach EN 15 603 bzw. Gemis 4.5 (siehe Abb. A 2.07, S. 31)
B 14.08 energetische Charakterisierung B 14.09 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
ENERGIEVERSORGUNG Der Wärmebedarf des Gebäudes wird durch eine reversible Wärmepumpe (50 kWth und 17 kWel) in Verbindung mit Erdsonden gedeckt. Die insgesamt 18 Erdsonden sind je 100 m tief und in einem Abstand von 5 m gesetzt. Als Backup steht ein Mini-Blockheizkraftwerk bereit, das mit Rapsöl betrieben wird und zugleich Wärme (45 kWth) und Strom (25 kWel) liefert. Zudem decken 5 m2 große thermische Solarkollektoren auf dem Flachdach einen Teil des Warmwasserbedarfs. Den Hauptanteil der Stromerzeugung und die primärenergetische Deckung des Wärmeverbrauchs übernimmt eine 40,5-kWp-Solarstromanlage. Die insgesamt 208 PV-Module sind in einem Winkel von 20 Grad auf dem Flachdach angeordnet (Abb. B 14.06, S. 127). ENERGIEBILANZ Das Gebäude ist CO2-neutral und in der Jahresprimärenergiebilanz ausgeglichen. Im Sommer wird die überschüssige elektrische Energie ins öffentliche Netz eingespeist, im Winter Elektrizität vom Netz bezogen. Das Gebäude erreicht gemäß niederländischem Energieausweis ein A++-Zertifikat. Sowohl der Gesamtstromverbrauch für den Betrieb des Gebäudes und die Nutzung der elektrischen Geräte in Höhe von 71 kWh/m2a als auch der Bezug von Rapsöl in Höhe von 121 kWh/m2a lassen sich über die Stromerzeugung von 104 kWh/m2a hinsichtlich der Primärenergie und Emissionen ausgleichen (Abb. B 14.08). ERFAHRUNGEN Zu Beginn des Gebäudebetriebs gab es Probleme im Zusammenspiel der verschiedenen Haustechniksysteme. Die Steuerungssoftware der Gebäudeleittechnik wurde durch eine Neuprogrammierung im Jahr 2008 angepasst. Ihre Inkompatibilität war u. a. darauf zurückzuführen, dass zum Zeitpunkt der Gebäudeplanung einige der verwendeten Haustechniksysteme der ersten Generation noch nicht ausreichend erprobt waren und deshalb nicht vollends aufeinander abgestimmt werden konnten. Nach der Beseitigung der Fehler im System zur passiven Klimatisierung haben sich die Annahmen und Erwartungen zum Komfort und der Gebäudeklimatisierung erfüllt, und die Nutzer sind sehr zufrieden. Das Gebäude ist einfach und wirtschaftlich zu betreiben.
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Zeist (NL) 990 kWh/m2a 9,7 °C suburban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,31 0,90 0,12 0,13 0,35
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2 Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2 KWK Leistung Leistung pro m2
5 m2 0,002 m2/m2 220 l 0,07 l/m2 300 m2 0,09 m2/m2 40,50 kWp 12,20 Wp /m2 45 kWth 25 kWel 13,40 Wth /m2 7,50 Wel /m2
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Anlieferung Energieträger Bezug Rapsöl, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE mechanische Lüftung mit Abwärmenutzung, Kraft-WärmeKopplung mit Biomassenutzung, Photovoltaik, Solarthermie, ökologische Baustoffe
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
3360 m2 3800 m2 14 360 m3 2850 m2 0,20 m2/m3 1050 €/m2 (2006) 1– 3 Stück 200 Personen
BEDARFSKENNWERTE (Berechnung) Strombedarf Primärenergiebedarf gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
kWh/m2a 71 247 326
BÜROGEBÄUDE
Die Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie (AEE) Kärnten betreut die bau- und haustechnische sowie ökologische Planung von Neubauvorhaben. Als im Jahr 2000 der Neubau des eigenen Bürogebäudes in Villach ansteht, sind Null- oder Plusenergiekonzepte noch in den Anfängen. Dennoch soll die Zielsetzung der AEE sichtbar umgesetzt und durch ein Plusenergie-Passivhaus als Demonstrationsobjekt verwirklicht werden. Ausgangspunkt des Gebäudekonzepts ist es, eine Solaranlage als gestalterisches Element großflächig in die Fassade einzusetzen, um hierüber einen Großteil der thermischen Energie für das Gebäude zu beziehen. Zugleich gilt der Anspruch, so weit als möglich ökologische und regional verfügbare Materialien einzusetzen. Durch den Passivhausstandard
B 15.01 Ansicht von Süden B 15.02 Lageplan, Maßstab 1:1500
können zeitweise Wärmeüberschüsse aus den thermischen Solaranlagen an Nachbargebäude weitergegeben werden. Der Bezug von Holzpellets und das Weitergeben von Wärme sowie die Solarstromerzeugung erlauben über das Jahr gesehen eine mehr als ausgeglichene Primärenergiebilanz. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Der Architekt plante mit dem Bürogebäude nicht nur eine Veranschaulichung des Themenschwerpunkts seiner Nutzer, sondern schuf für die AEE Intec (Institut für nachhaltige Technologien) zugleich einen Bestandteil ihrer Demonstrations- und Forschungstätigkeit, die sich in der großflächigen Kollektorfassade widerspiegelt.
BÜROGEBÄUDE MIT WOHNUNG
129
Villach, A 2002 TGA
Bauherr: Miriam und Armin Themeßl, Villach Architekt: Anton Oitzinger Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie (AEE) Kärnten, Villach Energieplaner: AEE Kärnten, Villach Technische Gebäudeausrüstung: AEE Kärnten, Villach Carl Pfeiffer, Bad St. Leonhard; ÖkoFen, Niederkappel PVT Austria, Wolfau Monitoring: AEE Kärnten, Villach Hauptakteur: Architekt
B 15.01 B 15.02
BÜROGEBÄUDE MIT WOHNUNG IN VILLACH
a
130
3
1
7 9
4 a
8
2
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5
6
12
5
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B 15.03 B 15.04 B 15.05
1 2 3 4 5 6
Windfang Halle Sekretariat Besprechungsraum Büro Terrasse
Das Grundstück liegt in einem Mischgebiet am Ortsrand von Villach und ist mit der Längsseite parallel zur Straße nach Südwesten orientiert (Abb. B 15.02, S. 129). Der Verwaltungsneubau ist in drei Bereiche unterteilt: Bürotrakt, Einliegerwohnung und Veranstaltungsraum sowie in zwei Gebäudeteile gegliedert: Ein niedriger Bau liegt parallel zur Straße und folgt der umliegenden Bebauung, während ein höherer Baukörper mit Pultdach direkt nach Süden ausgerichtet ist (Abb. B 15.01, S. 129). Die Südfassade bietet hiermit eine optimale Orientierung zur aktiven und passiven Solarenergienutzung über großflächige Fassadenkollektoren und Fensterflächen. Das Büro wird von der Straßenseite im Nordosten erschlossen. Dorthin öffnet es sich mit einer großen Festverglasung, die im Zuge der Planung zu Diskussionen führte. Sie ist mit 2,3 ≈ 6,0 m die einzige Ausnahme im sonst sehr konsequent geschlossenen Gebäudekonzept zur Reduktion der Wärmeverluste. Einem zusätzlichen Energiebedarf über 20 % höhere Transmissionswärmeverluste steht jedoch die einladende, offene Geste des Gebäudes gegenüber.
7 8 9 10 11 12
Schlafzimmer Bad Küche Wohnen/Essen Balkon Luftraum
ARCHITEKTUR Die einzelnen Arbeitsbereiche der 20 Mitarbeiter gehen fließend ineinander über und bieten trotzdem genügend individuellen Rückzugsbereich für ungestörtes Arbeiten. Eine Trennung in Einzelbüros war nicht gewünscht. Durch die Gestaltung mit flexiblen Innenwänden und einem Atrium in der Mitte des Gebäudes, das Erd- und Obergeschoss verbindet, bildet sich ein Innenraum mit Arbeitszonen und offenen Kommunikationsbereichen (Abb. B 15.03). Im Erdgeschoss schließt ein teilbarer Besprechungsraum mit Zugang auf die Terrasse und den Freibereich an. Das Kellergeschoss lag ursprünglich außerhalb der thermischen Hülle. Im Zuge der Bauarbeiten wurde jedoch die Idee der Nutzung als Vortrags- und Veranstaltungsraum umgesetzt, der Keller gedämmt, in das zentrale Lüftungskonzept eingebunden und mit einer Fußbodenheizung ausgestattet. Eine Einliegerwohnung im Obergeschoss wird über eine Stahlaußentreppe an der Nordwestseite erschlossen (Abb. B 15.04). Der Wohnraum im Obergeschoss öffnet sich über eine vollständig verglaste Fassade auf einen Balkon nach Südwesten.
B 15.03 B 15.04 B 15.05 B 15.06
Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:400 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:400 Schnitt, Maßstab 1:400 technische Übersicht der Energieversorgung
KONSTRUKTION UND DÄMMUNG Für den Bau des Passivhauses werden natürliche und regional verfügbare Materialien verwendet. Holzfaserplatten verkleiden neben den Fassadenkollektoren die HolzFertigbauteile der beiden Obergeschosse. Von innen bedecken unbehandelte OSB-Platten die Konstruktion und den 45 cm tiefen Elementzwischenraum. Dieser ist mit Zellulosedämmstoff ausgeblasen. Die tragenden Hölzer der Ständerkonstruktion werden nach statischen Anforderungen so klein wie möglich gehalten und wechselweise angeordnet, sodass eine durchgehende Wärmedämmschicht entsteht und Wärmebrücken minimiert werden. Der Wandaufbau erreicht damit einen U-Wert von 0,1 W/m2K. Alle Innenwände und Decken werden mit regionalem Lehmputz und einer Armierung aus Hanfhäcksel sowie Jutegittern verstärkt. Der Aufbau der Dachelemente folgt dem gleichen Prinzip. Die Fenster bestehen aus einer Dreischeibenverglasung in einem Holz-Aluminium-Verbundrahmen mit einem U-Wert von 0,84 W/m2K. Zum Rohbau hin dichten Hanfzöpfe und Schafwolle die Fugen ab. Die Büroräume haben eine innen liegende Verschattung. BÜROGEBÄUDE
erneuerbare Energie
Endenergiebezug Solarstromanlage
Holzpellets
thermische Solarkollektoren
Energieverbrauch Abluft
131
Heizung
Trinkwarmwasser
externer Speicher
Energieerzeugung gebäudenah
Energieerzeugung Umgebung
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Zuluft
Pelletkessel
Schichtspeicher
Trinkwarmwasser
Heizung
elektrische Verbraucher
Stromnetz
B 15.06
Die OSB-Platten bilden eine luftdichte Ebene, indem sie untereinander und gegen die Fenster mit dampfdiffusionsdichten Bändern verklebt sind. Gegen die Decke des in Beton ausgeführten Kellers ist der Holzbau mittels Butylbändern abgedichtet. Ein BlowerDoor-Test ergab bei 50 Pa Unterdruck einen Luftwechsel von 0,4 h-1. Anfallendes Regenwasser gelangt von der 200 m2 großen Dachfläche über zwei Abläufe in eine 8500 Liter fassende Zisterne. Sie bedient Toiletten, Waschmaschine und die Gartenbewässerung mit Grauwasser. ENERGIEEFFIZIENZ Eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung versorgt das Verwaltungsgebäude mit 19 °C warmer Frischluft. Je nach Jahreszeit erwärmt oder kühlt ein 2 m tief verlegter Erdreichwärmetauscher aus drei PE-Rohren (Durchmesser 150 mm) mit je 40 m Länge die Frischluft. Das zentrale Lüftungsgerät kann damit bis Außentemperaturen von -12 °C vereisungsfrei betrieben werden. Filterboxen in der Ansaugung befreien die Zuluft von Staub und Pollen. In der Sommerperiode BÜROGEBÄUDE MIT WOHNUNG IN VILLACH
beträgt die Vorkühlleistung ca. 3 kW, im Winter wird bei einem kontinuierlichen Volumenstrom von 600 m3/h eine Temperaturerhöhung von bis zu 12 K erzielt. Zellulose- und Papierpellets in den Aufbauten dämmen die Wickelfalzrohre in Wand und Decke sowie in den Kunststoffkanälen im Boden. Die drei Bereiche Bürotrakt, Wohnung und Veranstaltungsraum können getrennt voneinander versorgt werden. Eine Nachheizung im Zuluftstrom über einen Wasser-Luft-Wärmetauscher mit einer Heizleistung von bis zu 6 kW ermöglicht zusätzlich den Betrieb der Lüftungsanlage als monovalentes Heizungssystem. Um die Behaglichkeit zu erhöhen, versorgen neben der Lüftungsanlage Wandflächenheizungen sogenannte Warm-Plätze mit Niedertemperaturwärme mit einer Vorlauftemperatur von 35 °C. Dies bedeutet zwar größere Trägheit und ein weniger effizientes Heizen als bei üblichen Systemen, aber die Strahlungswärme wird von den Nutzern als sehr angenehm empfunden. ENERGIEVERSORGUNG Die Energieversorgung des AEE-Bürogebäudes basiert allein auf erneuerba-
ren Energieträgern. Die mit 78 m2 sehr groß dimensionierte Kollektoranlage in der vertikalen Südfassade erzeugt Wärme im »Low-Flow«-System. Bei diesem Prinzip wird die in den Kollektoren verfügbare Wärme auf einem hohen Temperaturniveau ohne Verzögerung und Vermischungsverluste in einen Speicher eingeschichtet. Der große Vorteil eines Low-Flow-Systems besteht in geringeren Durchflussmengen, die den Leitungs- und Verrohrungsaufwand minimieren und die Temperaturschichtung optimieren. Ein geringer Durchfluss (low flow) bringt den Speicher schnell auf das gewünschte Nutztemperaturniveau. Daher wird ein Schichtspeicher mit selbstregelnder Beladevorrichtung verwendet. Der 3050-Liter-Stahltank steht im Technikraum im Keller innerhalb der gedämmten Hülle. Alle Anschlüsse sind bei diesem Speicher unten angeordnet, damit er fugenlos und ohne Wärmebrücken mit 5 cm Steinwolle umdämmt werden kann. Eine OSB-Verschalung auf einer umschließenden Holzrahmenkonstruktion ermöglicht es, den gesamten Zwischenraum mit Zellulosefasern auszublasen. Bis 2005 erzeugte ein mit Biodiesel betriebenes Blockheizkraftwerk 10,5 kW Wärme und 5,3 kW Strom. Der
ie
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600
450
300
B 15.07 energetische Charakterisierung B 15.08 primärenergetische Bilanzierung anhand von gemessenen Verbrauchs- und Erzeugungsdaten aus 2008, Primärenergiefaktoren nach GEMIS 4.5 B 15.09 Sankey-Diagramm mit Primärenergiekennwerten B 15.10 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
150
0 0
150
300 450 600 750 Primärenergiebezug [kWhprim/m2NGFa]
Folgende Aspekte und der enorme Wärmeoutput in das Nahwärmenetz ergeben den NEH-131-Standard: z gemessener jährlicher Gesamtprimärenergiebezug inklusive Strom für die Wohnung und den Bürotrakt sowie die Wärmeerzeugung für das Wärmenetz (149 kWh/m2a) z Energieverbräuche der technischen Anlagen zur Gebäudeklimatisierung inkl. Nahwärmeerzeugung (89 kWh/m2a) z saisonaler Ausgleich aller Verbräuche durch Wärme- und Stromeinspeisung (17 kWh/m2a) z Ausgleich verbleibender Verbräuche durch monatliche Überschüsse z Jährliches Energieplus bei Wärme- und Stromeinspeisung in das öffentliche Strom- und das lokale Wärmenetz (619 kWh/m2). Der hohe Wert entsteht durch die Verdrängung von Erdgas (Primärenergiefaktor 1,1) zur Wärmeerzeugung der angeschlossenen Gebäude. Primärenergiefaktoren nach Gemis 4.5 (s. Abb. A 2.07, S. 31)
Nahwärmeeinspeisung aus Solarthermie Solarstromerzeugung Warmwasserverbrauch Bürogebäude [kWhprim/m2NGFa]
Primärenergiegutschrift [kWh prim/m2NGFa]
132
750
Nahwärmeeinspeisung aus Biomasse Pelletverbrauch insgesamt Wärmeverbrauch Bürogebäude Stromverbrauch Bürogebäude
800 600 400 200 0 Verbrauch Bürogebäude
Pelletverbrauch gesamt
Einspeisung
PV-Anlage 1,00 kWh/m2a
Stromnetz 62 kWh/m2a
elektrische Verbraucher 62 kWh/m2a Pelletkessel
Holzpellets 87 kWh/m2a
Schichtspeicher
Solaranlage 10 kWh/m2a B 15.07 B 15.08 B 15.09
Abgaben Wärmenetz 670 kWh/m2a
Heizung 1 kWh/m2a
Trinkwarmwasser 1 kWh/m2a
übrige Energiebedarf für Heizwärme und Warmwasser wird über zwei Tandem-Pelletkessel mit 20 bzw. 32 kW abgedeckt. Das BHKW arbeitete zwei Jahre lang wärmegeführt, musste aber 2005 aus technischen und wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet werden, da die Versorgung mit Biodiesel technisch anfällig und zudem teurer war als erwartet. Nach dem Ausfall wurde ein dritter Pelletkessel mit 56 kW installiert. Im Jahr 2004 wurde zusätzlich eine mit 30 Grad Neigung aufgeständerte 3,6-kWp-Photovoltaikanlage auf dem Flachdach installiert. Sie liefert zwischen 3,6 und 3,9 MWh Strom im Jahr, der vollständig ins Netz eingespeist wird (Abb. B 15.06, S. 131). Aufgrund der Inbetriebnahme vor dem 31.12.2004 greift eine Tarifförderung, die im bundesweit gültigen Ökostromgesetz (ÖSG) geregelt ist. Die Höhe der Einspeisetarife ist in Österreich bundesländerweise unterschiedlich. In Kärnten gilt zum Zeitpunkt der Genehmigung eine Einspeisevergütung in Höhe von 72 Ct/kWh für die Dauer von 10 Jahren. MIKRONETZ Die großflächige Kollektoranlage lässt bereits während der Entwurfsphase riesige ungenutzte Wärmeüberschüsse zu Zeiten hoher Einstrahlung erwarten. Daher werden passende Abnehmer für diese Wärme in unmittelbarer Umgebung gesucht und später über ein Mikro-Wärmenetz angebunden. Zu Beginn können nur drei benachbarte Zweifamilienhäuser angeschlossen werden. 2010 kommen drei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 15 Wohnungen und ca. 35 Bewohnern hinzu. Die rechnerische Heizlast der angeschlossenen Gebäude beträgt insgesamt 127 kW inklusive der Netzverluste. Die Wärme aus den Kollektoren und der Pelletkesselanlage wird in einem zentralen Schichtspeicher mit einem Volumen von 3050 Litern zusammengeführt und für die weitere Verteilung bereitgestellt. Drei im Erdboden verlegte Stränge versorgen die umliegenden Häuser. Die gesamte Länge der Wärmeverteilung beträgt 210 m. In drei der sechs Objekte sind drei weitere externe Speicher zu je 1000 Litern untergebracht. Sie werden im Winter zwischen vier- und fünfmal täglich jeweils mit einer Ladezeit von ein bis eineinhalb Stunden und in den übrigen Zeiten ein- bis dreimal täglich beschickt. Eine dauerBÜROGEBÄUDE
hafte Wärmezufuhr würde die Netzverluste vergrößern. Die in den Häusern abgegebene Wärmeenergie für Heizung und Warmwasser beträgt pro Jahr etwa 190 000 kWh. Ein gemeinsamer Heizungskreis bindet alle Abnehmer mit einer Ausnahme ein. Eines der Gebäude hat ein sehr veraltetes Wärmeabgabesystem und wird daher über einen Wärmetauscher hydraulisch getrennt versorgt. Obwohl in keinem der Objekte eine Fußboden- oder Flächenheizung installiert ist, erreichen verschiedene regelungstechnische Maßnahmen, dass die Rücklauftemperaturen der Fernwärmestränge zum zentralen Schichtspeicher 35 °C nicht übersteigen, da eine niedrige Rücklauftemperatur in den Speicher den Wirkungsgrad der Solarkollektoren verbessert. ENERGIEBILANZ Seit der Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 2002 liefert eine detaillierte Energiebuchhaltung Rückschlüsse über die Energieströme von Erzeugung und Verbrauch und ermöglicht eine primärenergetische Bilanzierung. Diese umfasst sämtliche Verbrauchssektoren des Bürogebäudes und der angegliederten Wohnung. Neben Wärme und Warmwasser fließen auch Büro-, Betriebs- und Haushaltsstrom ein. Innerhalb der Systemgrenzen des Gebäudes wird die Primärenergie auf der Grundlage des tatsächlichen Endenergieverbrauchs für Pellets (Warmwasser und Heizung) und Netzstrom anhand der Primärenergieumrechnungsfaktoren laut GEMIS 4.5 (Globales Emissions-Modell Integrierter Systeme) getrennt ermittelt. Die Energiebereitstellung aus den Fassadenkollektoren fließt als Effizienzmaßnahme nicht in die Bilanz ein. Diese ressourcenschonende Wärmeversorgung drückt sich durch den verringerten Primärenergieverbrauch für das Gebäude aus. Die Berücksichtigung des Stromverbrauchs erhöht diesen auf 63 kWhprim /m2a. Für die Versorgung der umliegenden Wohnhäuser wird die benötigte Menge an Pellets ebenfalls als primärenergetischer Aufwand angesetzt, da sie zusätzlich bezogen wird. Der primärenergetische Gesamtverbrauch erhöht sich, was für den Betrieb des Bürogebäudes allein nicht nötig wäre. Die überschüssige Wärmeenergie wird als Energieplus ins Nahwärme-Mikronetz abgegeben und substituiert eine andernfalls notwendige Wärmeversorgung der BÜROGEBÄUDE MIT WOHNUNG IN VILLACH
angeschlossenen Gebäude mit fossilen Energieträgern. Die Gutschrift für die eingespeiste Energie wird analog zur Gutschrift für das Einspeisen von PV-Strom mit dem Faktor von Erdgas ermittelt. Der Export und die bilanzielle Anrechnung der solaren Wärme sind für die Bilanz nicht entscheidend. Der Bezug von Pellets mit dem Primärenergiefaktor 0,2 sowie die Substitution von Erdgas (1,1) zur Wärmeerzeugung in den angeschlossenen Gebäuden hingegen schon. Der durchschnittliche Stromverbrauch für das Bürogebäude samt Wohnung beträgt ca. 48 kWhend /m2 pro Jahr. In den ersten Betriebsjahren deckte die Stromerzeugung des wärmegeführten BHKW diesen Verbrauch ohne zusätzliche Solarstromanlage. Nach dem Wegfall des BHKW kann ein Teil des Stromverbrauchs durch die primärenergetische Gutschrift der überschüssigen thermischen Energie, die ins Nahwärmenetz eingespeist wird, ausgeglichen und eine deutlich positive Energiebilanz erzielt werden. Durch den Umstieg auf eine verstärkte Produktion thermischer Energie über Holzpellets beinhaltet die Plusenergiebilanz vermehrt den Tausch von Energieträgern. Es werden Holzpellets bezogen und Wärme bzw. Strom eingespeist (Abb. B 15.08 und 09). ERFAHRUNGEN Durch die Aufzeichnungen des Gebäudebetriebs und energetische Auswertungen werden fehlerhafte Systeme oder unverhältnismäßige Verbräuche erkannt und korrigiert. Ein Beispiel stellt die manuell gesteuerte Dachrinnenheizung dar, die im Jahr 2007 15 kWh und im Jahr 2008 69 kWh Strom verbrauchte. Nach dem versehentlichen Einschalten der Sicherung im Jahr 2009 schnellte der Verbrauch bis zur ersten Zählerablesung auf 568 kWh. Der Fehler konnte erkannt und behoben werden. 2007 blieb das Ausfallen eines StromWechselrichters kurzzeitig unbemerkt. Der Jahresertrag der Solarstromanlage reduzierte sich auf lediglich 2200 kWh gegenüber den üblichen ca. 3700 kWh. Eine steigende Mitarbeiterzahl bewirkte einen stetigen Anstieg des Stromverbrauchs für EDV und Beleuchtung. Die Sensibilisierung der Nutzer und ein entsprechendes Management der EDV-Ausstattung wirken dem entgegen, sodass ab 2008 vergleichsweise konstante Verbräuche zu verzeichnen sind.
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Villach (A) 1180 kWh/m2a 9,2 °C suburban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Kellerdecke/Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,102 0,880 0,100 0,185 0,100
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 thermischer Speicher Volumen Volumen pro m2 Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
76 m2 0,26 m2/m2 3050 l 10,50 l/m2 29 m2 0,10 m2/m2 4 kWp 12,30 Wp /m2
133
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Anlieferung der Holzpellets Energieträger Bezug Holzpellets, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz, Nahwärmenetz Energieträger Einspeisung Strom, Wärme LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskonzept, Fassadenkollektoren, zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und Erdwärmetauscher, Nahwärme-Mikronetz, Photovoltaik, ökologische und regional verfügbare Baumaterialien GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A/V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt) VERBRAUCHSKENNWERTE (2008) Heizwärmeverbrauch Wassererwärmung Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt (inkl. Wärmeerzeugung Nahwärmenetz) Primärenergieerzeugung gesamt
292 m2 394 m2 1341 m3 614 m2 0,45 m2/m3 1050 €/m2 (2002) 2 Stück 20 Personen kWh/m2a 6 3 10 48 149 768 B 15.10
8
9
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134
PIXEL BUILDING 7
Melbourne, AUS 2010
1
4 2
TGA
3
6 5
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Bauherr: Grocon, Melbourne Architekt: Studio 505, Melbourne Energieplaner: Umow Lai, Victoria Technische Gebäudeausrüstung: Umow Lai, Victoria Monitoring: Grocon, Melbourne Hauptakteur: Bauherr
B 16.01 B 16.02 B 16.03 B 16.04
Lageplan, Maßstab 1:4000 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:600 Schnitt, Maßstab 1:600 Ansicht von Nordwesten
1 Büro 2 Eingang 3 EDV/Technik
4 Flur/Kopierer 5 Lager 6 Treppenraum
7 Sonnenschutz 8 Windturbine 9 Solartracker
B 16.01 B 16.02 B 16.03 B 16.04
BÜROGEBÄUDE
Auf dem ehemaligen Grundstück einer Brauerei in Melbourne, Australien, entstand 2010 ein Bürogebäude mit dem illustrativen Namen Pixel. Es dient den Entwicklern des dort entstehenden neuen Stadtquartiers als Planungs- und Vermittlungsstandort und durch seine besondere Nachhaltigkeit sowie eine positive CO2-Bilanz als Demonstrationsobjekt für eine Vielzahl von Neubauten. Passive Strategien wie Sonnenschutz- und Tageslichtoptimierung reduzieren den Kälte- und Strombedarf, während wiederverwertbare Materialien die CO2Aufwendungen für die Gebäudeerstellung verringern. Die Solarstromanlagen und Kleinwindkraftturbinen auf dem Dach sind so dimensioniert, dass sie rechnerisch sämtliche Klimagasemissionen der GasAbsorptionswärmepumpe und sonstige haustechnische Anlagen ausgleichen. Überschüsse sind zum Ausgleich der Emissionen für die Gebäudeerstellung vorgesehen. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Das große Entwicklungspotenzial des Grundstücks durch seine zentrale Lage macht die Restrukturierung zu einem der ehrgeizigsten Bauvorhaben in Australien und gewährleistet dem Pixel-Bürogebäude als Demonstrationsbau eine hohe Aufmerksamkeit (Abb. B 16.01). Um anhand dieses Beispiels vor Ort nachhaltige Konzepte und energieeffiziente Neubauten zu initiieren, strebt das Planerteam die Umsetzung vielfältiger Strategien zur CO2Minderung, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit an. Mangels einer Bewertungsgrundlage für klimaneutrale Gebäude in Australien dienen während der Planung theoretische Bilanzierungsideen aus den USA als Grundlage der Emissionsbilanz. Bei der Fertigstellung 2010 erreicht das Gebäude die höchste Punktzahl beim »Green Star Office Design« des »Green Building Council of Australia« (GBCA) und gilt damit als das umweltfreundlichste Gebäude Australiens. Das Projektteam strebt zudem höchste Auszeichnungen nach dem amerikanischen LEED und dem englischen BREEAM-Zertifizierungssystem an. ARCHITEKTUR Am nordwestlichen Rand des knapp 20 000 m2 großen Grundstücks verteilen sich die etwa 840 m2NGF des Pixel-Gebäudes über vier PIXEL BUILDING IN MELBOURNE
Geschosse. Während das flexible, stützenfreie Erdgeschoss Platz für einen Verkaufsraum bietet, liegen in den drei Obergeschossen vielfältig nutzbare Büroflächen (Abb. B 16.02 und 03). Sie werden über einen Treppenhauskern erschlossen, der sich an die nach Osten gerichtete Brandwand anlehnt. Die übrigen drei Fassaden können daher komplett mit großflächigen Fenstern geöffnet werden. KONSTRUKTION UND DÄMMUNG Die Stahlbetondeckenplatten liegen auf den Wänden des massiven Treppenhauskerns und auf drei Betonfertigteil-Pfeilern außerhalb der gedämmten Gebäudehülle der Westfassade auf. Die Fenster mit einer Wärmeschutzverglasung (Uw-Wert von 1,80 W/m2K) springen hier etwa einen Meter zurück und bieten einen baulichen Sonnenschutz für die während der Arbeitszeit stark beschienene Fassade. In dem massiven Kern befinden sich sämtliche Nebenräume, ein Aufzug und die einzige Fluchttreppe. Interessierte haben die Möglichkeit, direkt vom Dach des Gebäudes einen Blick auf das Baugrundstück zu werfen. Die Treppenpodeste sind großteils nur mit einer Glaswand von den Büroflächen getrennt, beleben diese und bieten Einblicke in die Entstehung des neuen Areals. Die massive und nur mäßig durch einfachverglaste Fenster (U-Wert 5,8 W/m2K) durchschnittene Ostwand ist innen mit 5 cm Glaswolle gedämmt und weist einen U-Wert von 0,55 W/m2K auf. Die Stahlbetonscheibe des Dachs ist außen, unter der 30 cm dicken Erdschicht der extensiven Begrünung, mit 10 cm extrudiertem Polystyrol gedämmt (U-Wert 0,31 W/m2K). Die verwendeten Materialien der Gebäudestruktur und -hülle sind bei einem Abriss überwiegend wiederverwendbar. Für die Betonelemente wurde ein neuartiger Beton entwickelt, dem das »Centre for Design« der Universität RMIT in Melbourne einen fast 50-prozentig reduzierten Energieaufwand und CO2-Emissionen gegenüber herkömmlichem Beton bei gleicher Druckbelastbarkeit bescheinigt. Er enthält einen hohen Anteil recycelter Zuschlagstoffe.
nenschutztafeln ein Gesicht erhält (Abb. B 16.04). Die zahlreichen bunten und vier- oder fünfeckigen Aluminium-Verbundplatten sind in verschiedenen Winkeln so vor der Fassade angeordnet, dass der Ausblick nach draußen nicht verstellt ist und über die bodentiefen Fenster genug Tageslicht einfallen kann, ohne dass direkte Solarstrahlung die Räume übermäßig aufheizt. Die Überlagerung, Kipp- bzw. Aufstellwinkel und die Anzahl der einzelnen Tafeln sind ihrer Orientierung entsprechend gestaltet (Abb. B 16.06, S. 136). Vor der am stärksten besonnten Westfassade liegen die meisten Tafeln. Sie sind nur leicht vom Gebäude weggedreht und bilden eine beinahe geschlossene Gesamtfläche. In der nicht so stark beschienenen Südfassade spenden nur wenige Scheiben Schatten. Die der Nordseite zugewandten Tafeln sind steil aufgestellt. Hier strahlt die auf der Südhalbkugel sehr hochstehende Sommersonne ein. Die bunten Metalltafeln dienen den Mitarbeitern auch als Blendschutz. Das Beschattungssystem wurde mit Hilfe von Tageslichtsimulationen optimiert. Die wenigen Fenster in der Ostfassade haben einen innen liegenden und zentral gesteuerten Blendschutz. Er schließt automatisch für die Zeit zwischen 8:00 und 11:00 Uhr, um die intensive Einstrahlung von bis zu 150 W/m2 abzuhalten. Die Fensterflächen im Ladenbereich des Untergeschosses werden entweder durch die hohe umliegende Bebauung oder innen liegende Jalousien beschattet. Zusätzlich zur guten Tageslichtausbeute sorgt eine energieeffiziente Beleuchtung (Leuchtstoffröhren) in den Büros für niedrige Wärmelasten. Sie wird tageslichtabhängig gedimmt und ist an Präsenzmelder gekoppelt. In allen Räumen außerhalb der Büros kommt LED-Beleuchtung zum Einsatz. Um das Gebäude passiv über die Nachtstunden auszukühlen, öffnen Fenster der Obergeschosse in kühlen Nächten automatisch, lassen kalte Luft an den nicht abgehängten, massiven Decken vorbeiströmen und entnehmen diesen die tagsüber gespeicherte Wärme.
ENERGIEEFFIZIENZ Das bloße Primärtragwerk aus Beton und die großen Fensterfronten bilden einen schlichten Baukörper, der erst durch die geschuppte und namensgebende Struktur aus Son-
ENERGIEVERSORGUNG Auch die Windturbinen auf dem Dach sind ein Alleinstellungsmerkmal und machen das Thema der erneuerbaren Energie deutlich sichtbar. Die eigens für die Innenstadtlage
135
Endenergiebezug
erneuerbare Energie
Solarstromanlagen
Stromnetz
Gasnetz
Windturbinen
Energieerzeugung gebäudenah
136
Energieverbrauch
Biomasse
Abluft
Fermenter
Abluftwärmepumpe mit WRG
Zuluft
Biomassekessel
Pufferspeicher
Trinkwarmwasser
elektrische Verbraucher
Absorptionswärmepumpe
Heizung
Kühlung
B 16.05 technische Übersicht der Energieversorgung B 16.06 Verschattung durch den starren Sonnenschutz an der Nordfassade B 16.07 berechnete Jahresenergieverbräuche inkl. grauer
Energie und Energieerzeugung B 16.08 energetische Charakterisierung B 16.09 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
[kg CO2 /m2NGF a]
gebäudespezifische Verbräuche nutzerspezifische Stromverbräuche Stromerzeugung feststehende PV Stromerzeugung Windturbinen
Gebäudeerstellung Biogaserzeugung Stromerzeugung Tracker
60 50 40 30 20 10
B 16.05 B 16.06 B 16.07
0 bilanzierte Verbräuche
sämtliche Verbräuche
Energieerzeugung
und die lokale Windeinwirkung in Melbourne weiterentwickelten Vertikalachsen-Windturbinen sind der häufig wechselnden Windrichtung gegenüber unempfindlich und erlauben eine gleichmäßige Stromerzeugung auch nachts oder bei Bewölkung. Die drei 3 m hohen und 1,80 m durchmessenden Turbinen erreichen ihre Leistungsspitze von 1,7 kW bei einer Windgeschwindigkeit von 8 m/s. Um die hohe solare Einstrahlung von knapp 1600 kWh/m2a zu nutzen, erzeugt die 38 m2 große Solarstromanlage elektrische Energie. 18 der insgesamt 30 Photovoltaikmodule mit einer Leistung von je 211 Wp befinden sich auf drei Solartrackern (zweiachsig der Sonne nachgeführtes System). Die übrigen Module liegen auf dem leicht nach Norden geneigten Dach des Treppenhausturms. Die zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (75 %) über einen Plattenwärmetauscher ist mit einer Luft-Luft-Wärmepumpe als Klimaanlage gekoppelt. Ein Kanalnetz im Doppelboden der Bürobereiche und mit Diffusoren bestückte Bodenauslässe bringen vorkonditionierte Zuluft in das Gebäude ein. Die vier Etagen lassen sich durch Volumenstromregler jeweils getrennt voneinander und mit unterschiedlichen Luft- bzw. Temperaturniveaus versorgen. Die Zuluft wird mit einer Temperatur von mindestens 18 °C (bei voller Kühlleistung von 36,3 kW) und maximal 34 °C (bei voller Heizleistung von 28 kW) eingebracht. Die relative Luftfeuchte soll nicht über 60 % liegen. Zusätzlich speist eine reversibel arbeitende Absorptionswärmepumpe mit einer maximalen thermischen Leistung von 68 kW Kälte und 141 kW Wärme die an der Unterseite der massiven Betondecken verlegten Wasserschleifen mit kaltem bzw. warmem Wasser. Die Masse der Betonscheiben wird hierüber thermisch aktiviert. Die Wärmepumpe wird mit Erdgas betrieben (101 kW). Ein Brenner nutzt das über einen Fermenter erzeugte Biogas der Fäkalien zur zentralen Warmwassererzeugung in Verbindung mit einem 300-Liter-Pufferspeicher. Dieser ermöglicht die Erwärmung des Warmwassers, wenn genug Biogas vorliegt, und entkoppelt die durch das diskontinuierlich anfallende Biogas wenig vorbestimmbare Erzeugung vom Verbrauch (Abb. B 16.05). BÜROGEBÄUDE
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Melbourne (AUS) 1600 kWh/m2a 13,5 °C urban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,55 1,80 0,31 0,125 1,06
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung
38 m2 0,05 m2/m2 6 kWp
PIXEL BUILDING IN MELBOURNE
durch die hohen Kühllasten der Gebäude gibt es Lastspitzen zur Mittagszeit an warmen Sommertagen. ERFAHRUNGEN Aufgrund der intensiven Suche nach geeigneten Technologien zur Reduzierung des Energieeinsatzes für die Gebäudeklimatisierung und der Entwicklung der Windturbinen erstreckte sich die Planungs- und Bauzeit über 29 Monate. In der Anfangsphase des Gebäudebetriebs erfordert vor allem die Kombination der Lüftungs- und Kühlmaßnahmen in den Deckenplatten bzw. angrenzenden Doppelböden mehrfache Feinjustierung. Dadurch wird ein angenehmes Raumklima erreicht. Außerdem wird ein sich gegenseitiges Aufheben der einzeln gesteuerten Systeme vermieden und die teilweise unterschiedlichen Raumkonditionen der einzelnen Etagen unterstützt. Nachträglich eingebaute Deckenfluter in den Büros ermöglichen eine anfangs nicht erreichte gleichmäßige Lichtverteilung. Das Anstrahlen der Decken verursacht jedoch Probleme mit den Lichtsensoren der Tageslichtsteuerung. Die Deckenfluter werden daher in ein angepasstes Lichtsteuerungssystem eingebunden. Das anfänglich allein auf Helligkeit reagierende Nachführsystem der Solartracker richtet die Photovoltaikzellen in den Nachtstunden mehrfach nach den Lichtern der umgebenden Stadtbeleuchtung aus und generiert einen erhöhten Energieaufwand. Nachträglich eingebaute Zeitschaltuhren gewährleisten, dass sich die Tracker nur tagsüber bewegen. Leistung pro m2 Wind Leistung Leistung pro m2
7,50 Wp /m2 5 kWel 6 Wel /m2
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Gasnetz Energieträger Bezug Erdgas, Biogas, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung, externe Verschattung als prägendes Element, Betonkernaktivierung, gasbetriebene Absorptions-Wärmepumpe, Photovoltaik, Kleinwindkraftturbinen, Biogaserzeugung und Nutzung, wiederverwertbare und recycelte Baustoffe
Primärenergiegutschrift [kWh/m2NGFa]
ENERGIEBILANZ Den Energieverbrauch am Standort Melbourne dominiert eindeutig die Kühlung. Dem Gasverbrauch zur Gebäudebeheizung in Höhe von knapp 6 kWh/m2NGFa stehen 42 kWh/m2NGFa zur Kühlung gegenüber. Der Gesamtstromverbrauch für den Gebäudebetrieb beläuft sich auf 22 kWh/m2NGFa. Durch den verglichen mit dem Netzstrom (1,34 kg CO2 pro kWh) niedrigen Emissionsfaktor von Erdgas (0,21 kg CO2 pro kWh) ist der Gaseinsatz in der Emissionsbilanz trotz der niedrigen Leistungszahl einer Absorptionswärmepumpe von Vorteil. Der Strom stammt überwiegend aus Braunkohlekraftwerken. Das gesamte CO2Äquivalent der Energieverbräuche beläuft sich auf ca. 26 kg CO2 /m2NGFa, wobei die nutzungsspezifischen Verbräuche für die Büros in Höhe von berechneten 12,5 kg CO2 /m2NGFa nicht eingeflossen sind. Dem stehen eine Stromerzeugung von 12 kWh/m2NGFa aus den Solarstromanlagen und 14 kWh/m2NGFa aus den drei Windturbinen gegenüber. Die CO2-Emissionsgutschrift der netzgekoppelten Anlagen beläuft sich auf insgesamt ca. 36 kg CO2 /m2NGFa. Die Biogaserzeugung beträgt 2 kWh/m2NGFa. Die negative Emissionsbilanz ermöglicht den angedachten Ausgleich der aufgewendeten Emissionen zur Erstellung des Gebäudes in Höhe von 239 kg CO2 /m2NGF nicht (Abb. B 16.07 und 08). Simulationen zeigen jedoch, dass sich die Erzeugung über Wind- und Solarenergie an die Bedürfnisse des Melbourner Stromnetzes gut anpassen wird. Bedingt
150
gie
er
N
120
en ull
137 90
60
30
0 0
30
60 90 120 150 Primärenergiebezug [kWh/m²NGFa]
Bei Einbeziehung aller berechneten Bedarfswerte wird die Jahres-Nullenergiebilanz nicht erreicht: gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch inklusive Nutzerstrom (123 kWh/m2a) gebäudespezifischer Primärenergiebedarf (94 kWh/m2a) Eigenbedarfsdeckung durch monatlich anrechenbare Biogas-, Wind- und Solarstromerträge (81 kWh/m2a) Jahresausgleich durch nicht in die Monatsprimärenergiebilanz eingegangene Stromüberschüsse (3 kWh/m2a) Verwendung spezifischer Primärenergiefaktoren für den Standort Melbourne
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) (2010) Nutzeinheiten
837 m2 1136 m2 3567 m3 1310 m2 0,37 m2/m3 5100 €/m2 4 Stück
VERBRAUCHSKENNWERTE (Simulationswerte) Heizwärmebedarf Bedarf Wassererwärmung Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Endenergie Kälte Strombedarf Primärenergiebedarf gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
kWh/m2a 5 1 6 42 22 123 84
B 16.08 B 16.09
138
FIRMENZENTRALE Berlin, D 2008
TGA
Bauherr: Solon, Berlin Architekt: Schulte-Frohlinde Architekten, Berlin Energieplaner: EGS-plan Ingenieurgesellschaft für Energie-, Gebäude- und Solartechnik, Stuttgart Technische Gebäudeausrüstung: EGS-plan, Imtech, Hamburg Monitoring: IGS – Institut für Gebäude- und Solartechnik, Braunschweig Hauptakteur: Bauherr
B 17.01
B 17.01 B 17.02 B 17.03 B 17.04
Das 2008 fertiggestellte Corporate Headquarter der Firma Solon im Berliner Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof vereint Verwaltung und Produktion. Solon verpflichtet sich als eines der führenden europäischen Solarunternehmen den Grundsätzen des nachhaltigen Wirtschaftens und der konsequenten Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Diese Grundsätze sind auch in dem auffälligen Gebäude spürbar. Das Planungsteam verwendet traditionelle Baumaterialien, Hightech-Kommunikationstechnologien und deckt den Energiebedarf über einen Mix aus Biogas-Kraft-Wärme/-Kälte-Kopplung und Solarstromanlagen. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Solon stellt frühzeitig ein Planungsteam zusammen, das gemeinsam mit dem Bauherrn die Ziele für das Projekt entwickelt: Entstehen soll ein nachhaltiges, energieeffizientes Gebäude mit gutem Raumklima, hoher Flächeneffizienz (ca. 25 m2 BGF/Arbeitsplatz) und räumlicher Flexibilität. Die Büroarbeitsplätze sollen über viel Tageslicht und Fenster zum individuellen Lüften sowie eine kabellose IT verfügen.
Für die gesamte Liegenschaft werden in der Planung zwei anspruchsvolle energetische Ziele gesetzt: • Das Bürogebäude soll einen Jahres-Primärenergiebedarf für Heizung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung von weniger als 100 kWh/m2NGFa aufweisen und damit die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) um mehr als 50 % unterschreiten. • Gleichzeitig ist angestrebt, die Gesamtliegenschaft ab 2010 in Kombination mit einem BiogasBlockheizkraftwerk weitgehend CO2-neutral zu betreiben. Dabei wird der Energiebedarf der Produktionsanlagen nicht einbezogen. In der Konzeptentwicklung arbeiten Architekten, Energiedesigner und Fachplaner eng zusammen, um Standortbedingungen, Anforderungen der Produktion und der verschiedenen Nutzer des Gebäudes detailliert zu untersuchen. Bereits zu diesem Zeitpunkt werden auch Hersteller von einzelnen Systemen und Komponenten eingebunden, um etwa die Potenziale des für Büro-
Ansicht von Südosten Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:1500 Schnitte, Maßstab 1:1500 Ansicht von Süden
PRODUKTION UND VERWALTUNG
und Gewerbebauten ungewöhnlichen Holzbaus oder der innovativen Informations- und Kommunikationstechnologien optimal in das Gesamtkonzept zu integrieren. ARCHITEKTUR Der Gesamtkomplex aus Büround Produktionsgebäude befindet sich auf einer Grundstücksfläche von 36 000 m2. Das Bürogebäude mit einer Bruttogeschossfläche von 11 200 m2 bietet Arbeitsplätze für 350 Mitarbeiter (32 m2BGF/ Arbeitsplatz). Die Produktion und die Verwaltung von Solon bilden zwei Teile eines gemeinsamen Ensembles, die durch Brücken miteinander verbunden sind. Während das Produktionsgebäude den Anforderungen der Fertigungstechnik folgend im Wesentlichen als großes Hallengebäude ausgeführt wurde, ist das Bürogebäude als Raumlandschaft gestaltet, die unter einem nach Süden abfallenden Dach um fünf Innenhöfe fließt (Abb. B 17.03). Zur Straße bildet das Ensemble eine gerade Kante, zu dem benachbarten Park einen leicht geschwungenen Übergang aus (Abb. B 17.02).
Zwischen den Gebäudeteilen liegt eine offene Erschließungsachse mit dem Zugang zum zentralen verglasten Atrium des Bürogebäudes. Durch die Kombination von Glas, Stahl und Holz in der Außenhülle entsteht eine offene, einladende Atmosphäre. Diese wird bis auf das begehbare Gründach fortgeführt, auf dem man sich zum gemeinsamen Arbeiten treffen kann. Im Erdgeschoss des Produktionsgebäudes befinden sich neben Materiallager, Forschungs- und Entwicklungsräumen unterschiedliche Fertigungsanlagen zur Herstellung von Photovoltaikmodulen. An den Außenfassaden im Südwesten und Südosten liegen in den Obergeschossen Büro- und Sitzungsräume, die in den unteren Geschossen unmittelbare Sichtbeziehungen zu den Produktionsbereichen ermöglichen. Im Verwaltungstrakt sind vorwiegend Büro- und Besprechungsräume untergebracht, im Erdgeschoss gibt es zudem ein Restaurant und einen Veranstaltungsbereich. Die fünf Höfe, um die sich das Ensemble gruppiert, sind mit individuellen Themen gestaltet und von den Mitarbeitern begehbar.
ELEKTROMOBILITÄT Im Park hinter dem Gebäude befindet sich eine Solartankstelle mit einer Ladestation für acht firmeneigene Elektro-Motorroller. Die in eine Mauer eingelassene Akkuladestandsanzeige mit Ladesteckdosen ist mit den Batterien der auf dem Parkgelände stehenden »Solar-Movern«, der Sonne nachgeführten PV-Elementen, verbunden. Dies demonstriert die (zukünftigen) Potenziale solarer Mobilität. Die von den »Solar-Movern« erzeugte Energie geht mit in die Bilanz des Gebäudes ein. Sie sind daher auch mit dem Stromnetz des Gebäudes verbunden.
139
ENERGIEEFFIZIENZ Das Bürogebäude ist in einem integralen Planungsprozess mit dem energetischen Ziel optimiert, einen sehr niedrigen Heizwärme- und Primärenergiebedarf zum Betrieb des Gebäudes zu erreichen. Die großflächig verglaste Gebäudehülle mit einem mittleren U-Wert von 0,75 W/m2K und einem wirksamen, außen angebrachten Sonnenschutz schützt das Gebäude vor Witterungseinflüssen. Die Stahlbetonbodenplatte wird mit 12 cm Perimeterdämmung umfassend
b
1
2 3 4 3
3 3 5
4
3
a 6
6
6
4 a
6
b
FIRMENZENTRALE IN BERLIN
1 Küche 2 Mensa 3 Atrium
4 Bürofläche 5 Technik 6 Besprechung
B 17.02 B 17.03 B 17.04
gedämmt. Zusätzlich wird eine ebenfalls mit Perimeterdämmung gedämmte Frostschürze ca. 80 cm unter die Geländeoberfläche geführt. Der U-Wert beträgt 0,30 W/m2K. Im Dach liegt eine 16 cm dicke Polystyroldämmung über der 20 cm starken Spannbetondecke. Zusammen mit der Dachbegrünung ergibt dies einen U-Wert von 0,23 W/m2K.
140
FASSADE Bei der Entwicklung der Gebäudehülle gab es die planerischen Vorgaben, sowohl den Energieaufwand zur Herstellung als auch die von außen induzierten Kühl- und Heizlasten zu reduzieren. In enger Zusammenarbeit von Architekt, Energiedesigner und ausführendem Unternehmen wurde eine komplett vorgefertigte Holz-ElementFassade entwickelt. Hierin sind alle notwendigen Bauteile integriert: Dreifach-Isolierverglasung, Vakuumisolierpaneele, Sonnenschutz mit motorischem Antrieb, Lüftungsflügel mit Öffnungskontakt und kleine Heizkörper. Ein Fassadenelement besteht jeweils aus zwei Rasterbreiten à 1,35 m. Die raumhohen Elemente wechseln in der Breite und in der Anordnung von opaken und transparenten Flächen und gliedern damit die Gebäudeansicht. Aus den Simulationsrechnungen ergibt sich ein optimaler transparenter Fassadenanteil der äußeren Hülle von 60 %. Bei den Innenhöfen sind die Öffnungsflügel raumhoch verglast, sodass der transparente Anteil hier sogar 90 % beträgt. Während die schweren Dreifach-Verglasungen feststehend aus-
B 17.05 B 17.06
B 17.05 B 17.06 B 17.07 B 17.08
gebildet sind, beinhalten die opaken Bereiche Lüftungsflügel, vor denen ein Gitter aus Holzlamellen zum Schutz gegen Regen und Einbruch montiert ist. Im unteren, nicht öffenbaren Bereich befindet sich außerdem ein fassadenintegrierter Konvektor mit Fensterkontakt zur raschen Raumtemperaturregelung. Die wärmebrückenreduzierte Konstruktion der Fassadenprofile ist in Brettschichtholz aus europäischer Tanne hergestellt. Zusätzlich zum außen liegenden Sonnenschutz wirkt eine farbneutrale Sonnenschutzverglasung mit einem g-Wert von 0,34 und einer Lichttransmission von ca. 0,57. Die Fenster mit Dreifach-Isolierverglasung, Argon-Füllung und thermoplastischem Abstandhalter haben einen Uw-Wert von 1,2 bis 1,6 W/m2K. An den nordwestorientierten Fassaden kommen im Erd- und ersten Obergeschoss Wärmeschutzverglasungen zum Einsatz, da hier mit weniger Einstrahlung zu rechnen ist. Bei einem Uw-Wert von 1,2 W/m2K beträgt der g-Wert 0,60. Die eingesetzten Vakuum-Isolierpaneele (VIP) mit einer Gesamtdicke von nur 47 mm erreichen einen U-Wert von ca. 0,25 W/m2K. Speziell für dieses Bauvorhaben hat der VIP-Hersteller das Zeitstandverhalten, d. h. die langfristige Anwendung bei erhöhter Temperatur, der Elemente erheblich verbessert. Im Labortest des Forschungsinstituts für Wärmeschutz in München (FIW) wurde eine Wärmeleitfähigkeit von unter 6 W/mK auf einen Zeitraum von 30 Jahren ermittelt.
mobile Stromversorgung durch E-Shuttle E-Shuttle-Ladestation Innenraum mit Besprechungsinsel Energiekonzept
PRODUKTION UND VERWALTUNG
Vor den Fassadenbereichen mit Sonnenschutzverglasung liegen zusätzlich schienengeführte, windstabile Sonnenschutzjalousien, die drehbar, hinterlüftet und motorisch gesteuert ausgeführt sind. Sie erreichen einen Abminderungsfaktor (Fc) von ca. 0,2. Zur verbesserten Tageslichtnutzung können die Jalousien im oberen Fensterdrittel noch geöffnet sein und damit Licht einfallen lassen, während der untere Teil bereits in geschlossener (cut-off) Stellung zur Verschattung dient. HAUSTECHNIK Die hohe thermische Qualität der Gebäudehülle reduziert den Heiz- und Kühlbedarf des Bürogebäudes und ermöglicht dadurch eine einfache Heiz- und Kühltechnik. Mittels thermischer Aktivierung der Betondecken durch ein Rohrsystem (thermisch aktivierte Bauteile – TABs) wird geheizt und moderat gekühlt. Zur Abdeckung von Heizlastspitzen bei extrem kalter Witterung und zur individuellen Temperaturanpassung sind Heizkonvektoren in die Fassade integriert, vor den vollverglasten Innenhöfen sind Unterflurkonvektoren montiert. Die Simulationen haben einen Heizenergiebedarf von rd. 25 kWh/m2NGFa ergeben, von denen 80 % über die TABs und lediglich 20 % über die Konvektoren bereitgestellt werden. Im Sommer werden die 30 kWh/m2NGFa Kühlenergiebedarf zu rund 85 % über die Betonkerntemperierung und zu 15 % über die konditionierte Zuluft gedeckt. Eine mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerück-
gewinnung – ausgelegt für den hygienischen Luftwechsel von ca. 1,2 bis 1,4/h – sorgt für ein behagliches Raumklima. Die Zu- und Abluft funktioniert in der Mittelzone über unverkleidete, von der Decke abgehängte Lüftungsrohre. Die mechanische Lüftung wird nur bei Heiz- und Kühlbedarf betrieben, anderenfalls wird ausschließlich über die Lüftungsflügel in der Fassade gelüftet. Ein Fensterkontakt gibt die Information des geöffneten Fensters an die Gebäudeautomation weiter, die das Heizungsventil im gleichen Fassadenelement schließt (Abb. B 17.08). BELEUCHTUNG Das Gebäude wird über eine Kombination aus allgemeiner und individueller Beleuchtung mit Kunstlicht versorgt. Über die Decke gibt es lediglich eine Grundbeleuchtung. Die mittlere elektrische Anschlussleistung der Deckenbeleuchtung beträgt 8,4 W/m2 und ergibt im Mittel ca. 350 Lux. An den Arbeitsplätzen sind zusätzlich Arbeitsplatzleuchten vorgesehen, um die vorgeschriebene Beleuchtungsstärke zu gewährleisten. RAUMTALK Zur Raumautomation wird die Software »Raumtalk« eingesetzt. Sie bietet den Nutzern hohen Bedienkomfort, kann flexibel auf veränderte Raumkonstellationen reagieren und unterstützt zudem das Monitoring von Energieverbräuchen und des Gebäudebetriebs. Alle Geräte, die an die Raumtalk-Installation angeschlossen sind, kommunizieren auf der Basis offener, genormter IP-Standards (Inter-
net Protocol). So können neben üblichen Anwendungen auch IP-fähige Funktionen aus den Bereichen Sicherheit, Facility-Management, Multimedia, Infotainment etc. integriert werden. Die Systeme werden über den offenen OPC-Standard (Object Linking and Embedding for Process Control – OPC) gekoppelt. Die Solon-Mitarbeiter können auf Licht, Sonnenschutz und Heizung über frei programmierbare Bedienelemente auf PC-Monitoren und Touchpanels zugreifen. Ansonsten kommen Taster und andere Sensoren mit batterieloser Funktechnik zum Einsatz. Zur Entkopplung von Stromerzeugung und -verbrauch an flexibel wählbaren Arbeitsplätzen stehen eigens entwickelte E-Shuttles zur Verfügung (Abb. B 17.05 und 06). Ihre Batterieeinheiten werden an zentralen Ladestationen aufgeladen und ermöglichen als mobile Einheiten vom Stromnetz unabhängiges Arbeiten im und sogar auf dem Gebäude.
141
ENERGIEVERSORGUNG Zur Abdeckung der Wärmegrundlast und zur Stromversorgung des Gesamtkomplexes dient ein 530-kWth-Gas-Blockheizkraftwerk. Es wird, nachdem die Biogasanlage im Umfeld durch eine Investition von Solon an das Gasnetz angeschlossen ist, Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplung mit einem Primärenergiefaktor von 0,7 liefern. WÄRMEVERSORGUNG Eine gemeinsame Technikzentrale versorgt Büro- und Produktionsgebäude
Büro Süd-West 6
8
7
Büro Nord-Ost zum Innenhof
15
10 1
ZU
15 3
ZU
AB
15
4
2 13 Einzelraumbüro
1 Sonnenschutzverglasung, externer Sonnenschutz mit Tageslichtfunktion 2 Fensterlüftung 3 Grundbeleuchtung gruppiert 4 Arbeitsplatzbeleuchtung 5 mechanische Lüftung
FIRMENZENTRALE IN BERLIN
AB
5 12 Flur
11 Großraumbüro
6 Verteilung Betonkerntemperierung 7 Verteilung Zu- und Abluft mechanische Lüftung 8 Verteilung Elektro 9 Unterflurkonvektor 10 Datenleitung
14
9 11 Touchpanel 12 Funkschalter für Licht und Jalousien 13 SoftControl-PC für Licht, Jalousien, Temperatur 14 Controler 15 Sensor (Licht, Temperatur)
B 17.07 B 17.08
142
mit Wärme und Kälte. Das BHKW wird aus Wartungsgründen in die Technikzentrale des nahe gelegenen Kraftwerks des lokalen Energieversorgers (Blockheizkraftwerks-Träger- und Betriebsgesellschaft – BTB) verlagert. Die Abwärme des BHKW dient im Winter zur Beheizung und im Sommer zum Betrieb einer Absorptionskältemaschine. Durch eine im ländlichen Umfeld geplante Biogasanlage (an der sich Solon finanziell entsprechend beteiligen will), soll so viel Gas produziert werden, wie insgesamt im Biogas-BHKW verbraucht wird. Den hohen Kältebedarf für die Produktion stellen die Absorptionskältemaschine und die zusätzliche elektrisch betriebene Kompressionskältemaschine bereit. Über hybride Kühltürme auf dem Dach werden im Sommer große Teile der Prozesskälte und des Klimakaltwassers zur Kühlung der Produktionsprozesse sowie der Büroräume bereitgestellt. STROMVERSORGUNG Zur redundanten Versorgung des Produktionsbetriebs steht ein zweites Stromnetz von der BTB-Zentrale zur Verfügung. Eine
Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gebäudes mit einer Leistung von insgesamt 230 kWp erzeugt etwa 258 000 kWh/a solaren Strom und speist Überschüsse in das öffentliche Netz ein. Die Anlage zeigt den integralen Gedanken der Planung: Nicht das gesamte Dach, wie bei vergleichbaren Konzepten, sondern lediglich die Randbereiche sind mit Photovoltaik aus eigener Produktion ausgestattet, um die Nutzung und Begrünung des Dachs zu ermöglichen (Abb. B 17.09). ENERGIEBILANZ Das Institut für Gebäude- und Solartechnik (IGS) der TU Braunschweig hat ein umfassendes Planungs- und Monitoringkonzept entwickelt und in die Gebäudeautomation integriert. Die Bearbeitung ist Teil des Forschungsprojekts EnergieNavigator zusammen mit dem Lehrstuhl Software Engineering der RWTH Aachen im Rahmen des Forschungsfeldes Energetische Betriebsoptimierung (EnBop) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Mit der internetbasierten Arbeitsplattform EnergieNavigator wird eine durchgängige funktionale Quali-
Energiebezug
tätssicherung von der Planung bis in den Betrieb gewährleistet. Im ersten Schritt werden in der Planung die funktionalen Vorgaben in einer softwaregestützten sogenannten aktiven Funktionsbeschreibung definiert. Diese dient als präzise Vorlage für die Programmierung einer speicherprogrammierbaren Steuerung. Danach ergänzt der Errichter Datenpunktadressen in der Funktionsbeschreibung und verknüpft somit Planungsvorgaben mit den später anfallenden Betriebsdaten, die die Software automatisch analysiert und dabei Abweichungen meldet. Die Daten lassen sich auch für eine intensive Einregulierung und Betriebsoptimierung nutzen. Für innovative und komplexe Gebäude verspricht dieses Konzept neue Standards in der Qualitätssicherung. Knapp zwei Jahre nach Inbetriebnahme im Jahr 2008 zeigen erste Ergebnisse, dass das Bürogebäude die in der Planung angestrebten energetischen Zielwerte in etwa erreicht. Zurzeit liegt der Jahres-Primärenergieverbrauch (Bilanzgrenzen nach DIN 18 599) bei etwa 98 kWh/m2NGFa. Energieverbrauch
erneuerbare Energie
Solarstromanlage
Elektroroller
Biogas
Solarstromanlage
hybride Kühltürme
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Energieerzeugung gebäudenah
Energieerzeugung Umgebung
Batterien
BHKW
Abluft
Zuluft
Heizung
Absorptionskältemaschine
Trinkwarmwasser
elektrische Verbraucher
Strom
Batterien
Kompressionskältemaschine
Kühlung
B 17.09
PRODUKTION UND VERWALTUNG
Eine Energiebilanzierung der gesamten Liegenschaft entsprechend der EnEV-Bilanzgrenzen (ohne überwiegend produktionsbedingte Anlagen) konnte für den Zeitraum Oktober 2009 bis September 2010 überschlägig erstellt werden. Dem Endenergieverbrauch für Wärme und Strom steht eine Energieerzeugung aus regenerativen Quellen aus dem Biogas-BHKW sowie der Solarstromanlage gegenüber. Zusammen wird ein deutliches Energieplus erzielt. ERFAHRUNGEN Der thermische Raumkomfort wird durch ein sogenanntes Spot-Monitoring evaluiert, das ebenfalls am IGS entwickelt wurde. Es verbindet Messungen an Arbeitsplätzen mit Kurzzeitbefragung der einzelnen Nutzer. Um das Innenraumklima eines gesamten Arbeitstags zu bewerten, wird in exemplarischen Räumen bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen über das Jahr verteilt dreimal täglich je eine Messung durchgeführt. Eine erste Messung aus dem Dezember 2009 hat positive Ergebnisse. Fast alle MessunB 17.09 technische Übersicht der Energieversorgung B 17.10 monatlicher Endenergiebezug und Solarstromertrag ohne die Stromerträge aus dem BHKW
gen liegen in der besten Kategorie A nach DIN EN ISO 7730:2006. Einschränkungen gibt es lediglich bei der Luftqualität. Da entgegen der ursprünglichen Konzeption im Winter zunächst eine reine Fensterlüftung erprobt und auf den Betrieb der Lüftungsanlagen verzichtet wurde, liegen die CO2Werte – für über Fenster belüftete Gebäude nicht untypisch – bei 1200 ppm und damit in Kategorie C. Im Zuge der Betriebsoptimierung werden die Lüftungsanlagen im Gebäude witterungsabhängig gezielt für einen kontinuierlichen Luftaustausch eingesetzt. Durch die frühzeitige Einbindung eines interdisziplinären Planungsteams und eine sorgfältige Analyse der gestalterischen, funktional-organisatorischen und technischen Möglichkeiten konnte ein optimales Konzept entwickelt werden. Nach fast einem Jahr intensiver Einregulierung erreicht das Gebäude seinen Regelbetrieb. Es stellt seine Qualitäten hinsichtlich Komfort und Energieeffizienz nicht nur messtechnisch unter Beweis, sondern wird auch von den Mitarbeitern mit Begeisterung angenommen. B 17.11 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
[kWh/m2a]
Kälte Beleuchtung
Raumlufttechnik Stromertrag PV Strom nutzerspezifisch
16 14 12 10 8 6 4 2 0 Feb
FIRMENZENTRALE IN BERLIN
Mrz
Apr
Mai
Berlin (D) 1050 kWh/m2a 9,3 °C urban
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Oberlichter (inkl. Rahmen) U-Wert Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 1,20 1,20 0,23 1,60 0,30 0,75
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarstromanlage Fläche Fläche pro m² Leistung Leistung pro m2 KWK Leistung Leistung pro m2
143
1792 m2 0,18 m²/m² 230 kWp 23,60 Wp /m2 530 kWthm 360 kWel 54,30 Wth /m2 36,90 Wel /m2
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Nahwärmenetz Energieträger Bezug Nahwärme, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE mechanische Lüftung, Vakuumdämmung, Kraft-WärmeKopplung mit Biomassenutzung, Nahwärmenetz, eigenes Stromnetz, Investment in Biogasanlage, Photovoltaik, Qualitätssicherung und Betriebsoptimierung
Heizwärme Trinkwarmwasser
Jan
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A/V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
9760 m2 11 218 m2 48 905 m3 15 649 m2 0,32 m2/m3 2200 €/m2 (2008) 1 Stück ca. 350 Personen
VERBRAUCHSKENNWERTE (2010) Heizwärmeverbrauch Wassererwärmung Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Kälteverbrauch Solarstromerzeugung
kWh/m2a 54 2 56 40 25 27
B 17.10 B 17.11
144
NULLEMISSIONSFABRIK Braunschweig, D 2002 (2. und 3. BA: 2008 – 2010)
TGA
Bauherr: Solvis Energiesysteme, Braunschweig Architekt: Banz + Riecks Architekten, Bochum Energieplaner: Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg Technische Gebäudeausrüstung: solares bauen, Freiburg Monitoring: Fachhochschule Braunschweig/ Wolfenbüttel Hauptakteure: Architekt und Bauherr
Im Industriegebiet am Braunschweiger Hafen nahe dem Mittellandkanal baute zwischen 2001 und 2002 die Firma Solvis, ein Hersteller von Energiesystemen, ihren neuen Hauptsitz. Der Gebäudekomplex sollte unter der Maßgabe, keine Emissionen zu produzieren, komfortable Arbeitsplätze mit einer flexiblen Produktionsstätte kombinieren. Sichtbare Solartechnik und die Verwendung umweltfreundlicher Baumaterialien spiegeln auch bei zwei weiteren Bauabschnitten in den Jahren 2008 und 2009 die nachhaltige Philosophie des Unternehmens wider. Dabei nimmt das markante außen liegende Tragwerk Solarkollektoren und -stromanlagen auf und bildet einen Kontrast zum schlichten Baukörper. Die durch Passivhauskomponenten sowie eine effiziente Kühlung, Beleuchtung und Büroausstattung reduzierten Verbräuche stehen in der Jahresemissionsbilanz der Erzeugung erneuerbarer Energien über Photovoltaik, Solarkollektoren und Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplung gegenüber. Ein ähnliches Konzept wurde bereits 1999 mit der Firmenzentrale der Solarfabrik in
Freiburg realisiert (siehe Solarfabrik, Projektliste S. 178f. und Abb. B 2.04, S. 115). Über den Zeitraum eines Jahres gleichen Solarstromanlagen und Kraft-Wärme-Kopplung die Bezüge von Rapsöl aus. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Die Planung und Ausführung gründet auf einem eingeladenen Wettbewerb, den im September 2000 das Architekturbüro Banz + Riecks für sich entschied. In einem Planungsteam gemeinsam mit der Ingenieurgesellschaft für Energieplanung solares bauen, dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, den Tragwerks- und Brandschutzplanern sowie den Mitarbeitern der Firma Solvis wurden Potenziale und Ideen miteinander verknüpft und eine besondere Flächen-, Kosten- und Energieeffizienz erzielt. Die ambitionierte Planung wird durch das Förderprogramm »Energieoptimiertes Bauen, EnOB« des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert. Zielvorgaben des Pro-
B 18.01 B 18.02
PRODUKTION UND VERWALTUNG
gramms sind maximal 40 kWh/m2a für die Heizwärme und 20 kWh/m2a für den Stromverbrauch der Gebäudetechnik. Der Primärenergiebedarf des Gebäudes soll zudem zu 100 % solar gedeckt werden. ARCHITEKTUR Nachdem der erste Gebäudeteil errichtet war, erhöhten sich Auftragslage und Belegschaft so deutlich, dass es bald Bedarf an Erweiterungsbauten gab. Deshalb ist im Folgenden die Nullemissionsfabrik in drei Bauabschnitte gegliedert. ERSTER BAUABSCHNITT Klare Linien und horizontale Naturholz-Fassaden prägen den Fabrikbau. Durchbrochen wird dieser durch einen mit roten Fensterelementen akzentuierten Bürotrakt an der Ostfassade und ebenfalls in Rot gehaltene Vorbauten für die Anlieferung (Abb. B 18.02). Diese schließen direkt an die Produktions- und Lagerbereiche an, nehmen einen gesamten Lastzug auf und ermöglichen Be- und Entladevorgänge der Lkw im
Warmen. Die temporäre Öffnung der gedämmten Schnelllauftore zur Ein- und Ausfahrt sowie eine Steuerung, die die Tore gegeneinander verriegelt, vermeiden hohe winterliche Lüftungswärmeverluste. Der u-förmige Grundriss des Büro- und Verwaltungstrakts schneidet in die rechteckige Produktionshalle ein und öffnet dadurch einen Innenhof (Abb. B 18.03). Hieran angegliedert befindet sich eine Cafeteria als zentraler Treffpunkt. Büros und Aufenthaltsräume umschließen den Hof über zwei Geschosse. Im aufgesetzten dritten Leichtbaugeschoss (3. BA) befinden sich der Schulungsbereich sowie die Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Das Einschneiden dieser Bereiche in den Produktionsabschnitt und ein Gang (Solvis-Weg Abb. B 18.07, S. 146), der die beiden Bürotrakte als innen liegende Gebäudelängsachse durch die Produktion verbindet, unterstützen durch kurze Wege die Kommunikation und Produktivität. Alles liegt eng beieinander, was das Selbstverständnis des mitarbeitergeführten Unternehmens unterstreicht. In den
5
Solvis-Weg sind im Erdgeschoss sämtliche Funktionsnebenräume und Sanitäreinrichtungen integriert. Im ersten Obergeschoss ist die gesamte Haustechnik sichtbar organisiert.
145
KONSTRUKTION Ziele der Ausführung der Gebäudelängsachse und der angebundenen Verwaltungsbereiche in Stahlbeton sind: thermische Speicherfähigkeit, nächtliche, passive Entwärmung der Gebäudemassen und Brandschutz. Da hohe Vertikallasten aufgenommen werden müssen und das beheizbare Raumvolumen reduziert werden soll, wird die Dachkonstruktion der Produktionshalle über eine auf die Stahlbetonwände aufgestellte, außen liegende Stahlkonstruktion angebunden (sogenannte A-Böcke) (Abb. B 18.04 und 05). Die Lasten aus Holzleimbindern, die unmittelbar die Dachhaut tragen, werden zu beiden Seiten über außen liegende Zug- und Druckstangen in die A-Böcke geführt. Etwa zwei Drittel der Dachlasten werden hierüber auf den darunterliegenden Stahlbetonkern der mittigen Ge-
B 18.01 Lageplan, Maßstab 1:7500 B 18.02 Ansicht von Südwesten B 18.03 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:1000 (1. Bauabschnitt) B 18.04 Schnitt Verwaltung und Innenhof, Maßstab 1:1000 B 18.05 Schnitt, Maßstab 1:1000
5
4
6
3 2
2 1
6 4 1 2 3 4 5 6
Empfang Solvis-Weg Aufenthaltsfläche Produktion und Lager Anliefervorbauten Bürofläche
5
NULLEMISSIONSFABRIK IN BRAUNSCHWEIG
6 4
5
B 18.03 B 18.04 B 18.05
146
B 18.06 Fertigungsanlagen im stützenfreien Produktionsbereich und Tageslichtnutzung über Lichtkuppeln B 18.07 Solvis-Weg B 18.08 technische Übersicht der Energieversorgung Endenergiebezug
erneuerbare Energie
Solarstromanlage
Rapsöl
thermische Solarkollektoren
Energieverbrauch
Abluft
Energieerzeugung gebäudenah
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Zuluft
Wärmepumpe
KWK
Pufferspeicher
Trinkwarmwasser
Heizung
Stromnetz B 18.06 B 18.07 B 18.08
elektrische Verbraucher
PRODUKTION UND VERWALTUNG
bäudelängsachse verlagert. Die weitgespannten Holzleichtbaukonstruktionen mit 27,50 m Spannweite reduzieren bei gleichbleibend nutzbarem Lichtraumprofil der Hallen die statische Höhe der Binderquerschnitte und der Gebäudefassadenfläche um 1,20 m. Das Ergebnis ist ein stützenfreier, flexibler Produktionsbereich sowie eine Verringerung des Gebäudevolumens um rund 15 % und damit des Energieverbrauchs für Heizung und Lüftung. Das markante Pylontragwerk nimmt die großflächigen thermischen und photovoltaischen Solaranlagen auf und setzt sie werbewirksam in Szene (Abb. B 18.09, S. 148). ENERGIEEFFIZIENZ Der gesamte Baukörper ist sehr kompakt ausgebildet und erreicht im ersten Bauabschnitt ein A/V-Verhältnis von 0,37. Die beiden äußeren Längsachsen der Holzkonstruktion sind als Stützenkonstruktion mit vorgehängter Holzelementfassade bzw. als Holzrahmenkonstruktion mit 24 cm Mineralfaserdämmung ausgeführt. Die Dachund Wandkonstruktion der Produktionshalle besteht aus hochwärmegedämmten Holzleichtbauteilen mit 30 cm Wärmedämmung. 12 cm Polystyrol-Schaum zum Erdreich, eine Dreifach-Wärmeschutzverglasung im Bereich der Büros sowie eine ZweifachWärmeschutzverglasung im Bereich der Produktion ergänzen das Wärmeschutzkonzept. Das Gebäude ist mit einem Dichtigkeitswert von 0,22 h -1 hochgradig luftdicht. Einerseits soll das Ziel einer CO2-neutralen Energieversorgung erreicht werden, andererseits schränkt aber die aus statischen Gründen begrenzte Fläche für solaraktive Systeme die Stromproduktion stark ein. Schwerpunkte des Energiekonzepts sind daher der Verzicht auf eine Klimaanlage und die Nutzung einer energieeffizienten Lüftung. Dabei unterscheidet sich das Lüftungskonzept der Verwaltung von dem der Produktion, wo die Lüftung über eine kontrollierte Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung über Kreuzgegenstromwärmetauscher funktioniert. Das Lüftungssystem im Bürobereich muss neben den Funktionen Heizen und Lüften auch die Nachtkühlung (Luftwechsel 3/h mittels mechanischer Abluftanlage) gewährleisten. Hier strömt die Frischluft über Zuluftelemente im Brüstungsbereich der Fassaden nach. Durch einen elektrischen Antrieb können NULLEMISSIONSFABRIK IN BRAUNSCHWEIG
jene, wenn keine Kühlung benötigt wird, zentral gesteuert verschlossen werden, um die Luftdichtheit der Fassade zu gewährleisten. Die angesaugte Frischluft strömt über die Flurbereiche in die jeweiligen Abluftzonen der WCs und Teeküchen und wird dort von einem Abluftsystem mit zwei nachgeschalteten Wärmepumpen abgesaugt. Diese entziehen der Abluft Wärme, bevor sie nach außen geleitet wird, und beladen zwei Pufferspeicher, die an das Warmwassernetz und das Niedertemperatur-Flächenheizsystem zur Beheizung der Büros gekoppelt sind. Im Sommerbetrieb schalten die Wärmepumpen ab einer Speichertemperatur von 45 °C ab. Dann werden die Pufferspeicher vorrangig von der thermischen Solaranlage beladen. Die Wärmepumpen stehen aber als Back-up bereit. Ein durchschnittlicher Tageslichtquotient von 4,5 % an den Arbeitsplätzen und eine Tageslichtautonomie von 77 % erwirken in Kombination mit Oberlichtern und einer automatischen, tageslichtabhängigen Dimmung der Beleuchtung in den Hallen und einer bedarfsorientierten Kunstlichtsteuerung in den Büros Stromeinsparungen und verringerte thermische Lasten. Des Weiteren wird der Energieaufwand für die Außenbeleuchtung über LED-Leuchten minimiert und eine optimierte Technik im Bereich der Pumpen, Ventilatoren, Server sowie sonstiger Infrastruktur im Bereich EDV und Kommunikation eingesetzt. Ein außen liegender, zweigeteilter Sonnenschutz mit Tageslichtlamellen im oberen Bereich unterstützt den sommerlichen Wärmeschutz der Büros. Öffenbare Holzpaneele mit Vakuumdämmung bilden die Lüftungsflügel der Bürofassaden, die Glasflächen sind als Festverglasungen ausgeführt. Die vielfältige Verwendung von Holz in großen Teilen der Wand- und Dachkonstruktion zeigt den effizienten Umgang mit Ressourcen nach außen. ENERGIEVERSORGUNG Solarkollektoren, Solarstromanlagen und ein mit Rapsöl betriebenes Blockheizkraftwerk decken den verbleibenden Energiebedarf über regenerative Energien. Insgesamt wird eine solare Deckung von über 30 % erreicht. 550 m2 an Photovoltaikmodulen (52 kWp polykristalline Zellen und 1 kWp semitransparente amorphe Zellen) generieren 49 MWh Solarstrom neben den 115 MWhel Strom durch das Rapsöl-BHKW
(Bezugsjahr 2005). Die 200 m2 Solarkollektoren speisen die im Gebäude aufgestellten, nicht gedämmten Sprinklertanks. Als Teil des Brandschutzkonzepts halten sie 500 m3 Löschwasser für die Sprinkleranlage vor und dienen als Kurzzeitspeicher bzw. Niedertemperaturstrahlungsheizung in der Heizperiode. Die Abwärme aus der EDV-Zentrale und dem Heizkessel des Entwicklungsbereichs der Firma Solvis wird den Pufferspeichern des BHKW zugeführt. Sie sind als wärmegedämmte Stahldruckspeicher in der Produktionshalle aufgestellt und versorgen die Heizregister der Lüftungsanlagen, die Flächenheizungen der Büros und stellen die Warmwasserversorgung sicher. Das BHKW wird wärmegeführt betrieben. Um die vom Hersteller geforderte Mindestlaufzeit von zwei Stunden pro Startvorgang zu ermöglichen, werden zunächst zwei Pufferspeicher geladen und wird schließlich die Wärme in die Sprinklertanks geführt. Ein stromgeführter Betrieb des BHKW ist für den Fall einer Spitzenlastüberschreitung geplant, um einen günstigen Stromtarif zu sichern. In diesem Fall erfolgt eine Notkühlung über die Sprinklerspeicher (Abb. B 18.08). ENERGIEBILANZ Wegen einer Steigerung der Produktion und erhöhter Arbeitszeiten im Messzeitraum wird das Planungsziel der ausgeglichenen kompletten Jahresenergie- bzw. Nullemissionsbilanz nicht erreicht (Abb. B 18.10, S. 148). Der gestiegene Stromverbrauch wird nur über einen erhöhten Netzstrombezug gedeckt, da die Verbräuche für EDV und Beleuchtung um bis zu 60 % angestiegen sind. Nach einer Erweiterung der Produktionshalle lässt sich durch zusätzliche Solarstromanlagen der gesamte Energiebedarf vor Ort decken. Außerdem verursacht eine nachträglich eingebaute Kältemaschine zur Kühlung des Serverraums einen erhöhten Stromverbrauch, während die Abwärme im Sommer teils ungenutzt bleibt. Der Mehrverbrauch an Strom beträgt 2004 ca. 5 kWh/m2a und 2005 sogar über 11 kWh/m2a. Das BHKW erzielt in diesem Zeitraum nicht die erhofften Stromerträge, da die von den Heizkesseln der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bereits erzeugte Wärme seine Betriebszeiten und die damit verbundene Stromerzeugung vor Ort
147
Primärenergiebezug [kWhprim/m2NGFa]
148
Verbrauch Strom Verbrauch Gaskessel F + E
Verbrauch Rapsöl BHKW Erzeugung Strom PV Erzeugung Strom BHKW
100
B 18.09 B 18.10 B 18.09 Solarkollektoren an der primären Stahlkonstruktion B 18.10 Energieauswertungen
B 18.11 Gebäude- und Energiekennwerte für den ersten Bauabschnitt (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
verringert. Für eine CO2-neutrale Energieversorgung wäre eine Reduktion des spezifischen elektrischen Energiebedarfs von 20 auf 12,5 kWh/m2a notwendig oder eine weitere Ausweitung der erneuerbaren Stromerzeugung. Die Solarstromanlage wird zwar bis auf die statisch maximal mögliche Fläche vergrößert, die Leichtbaukonstruktion der Halle verbietet aber aufgrund mangelnder, nicht geplanter zusätzlicher Tragfähigkeit einen weiteren Ausbau. Bezogen auf den Primärenergieverbrauch gemäß Bilanzraum der DIN V 18 599 wird ohne die Produktionsanlagen und Arbeitshilfen wie Computer und Teeküchen eine CO2-neutrale Energieversorgung erreicht, wobei 75 % weniger Energie als bei vergleichbaren Industrieanlagen verbraucht wird. Dadurch vermeidet das Gebäude jährlich 800 Tonnen
CO2, wobei der hochwertige Wärmeschutz und die Wärmerückgewinnung ca. 70 % der Einsparung erzielen (Abb. B 18.10). ERWEITERUNGSBAUTEN Innerhalb von sechs Jahren nach der Fertigstellung vergrößert sich die Belegschaft von 120 auf rund 300 Mitarbeiter und Räume für Schulungen werden benötigt. ZWEITER BAUABSCHNITT Deshalb wird das Gebäude ab 2008 um etwa 5000 m2 multifunktional nutzbare Produktions- und Lagerflächen auf dem nordwestlichen Grundstücksbereich erweitert. Die Gebäudeerweiterung folgt dem Konzept des ersten Bauabschnitts, um dessen Variabilität und Flexibilität erneut zu ermöglichen. Im Bereich
80 60 40 20 0 Planung
2004
2005
2004 Wärme 2005 Wärme F+E durch F+E durch BHKW BHKW
der Hallenerweiterung werden die mittigen Längswände des Solvis-Wegs jedoch in Einzelstützen aufgelöst, um die Vertikallasten aus dem außen liegenden Stahltragwerk abzuleiten und die Flexibilität noch weiter zu erhöhen. Der neue Gebäudeteil beinhaltet nun vollständig die Lagerflächen, während das Ursprungsgebäude Platz für die gesamte Fertigung der Produktpalette mit einer neuen automatisierten Fertigungsstraße bietet (Abb. B 18.06, S.146). DRITTER BAUABSCHNITT Ein dritter Bauabschnitt als Gebäudeaufstockung umfasst ab 2009 die Erweiterung eines Schulungs- und Anwenderzentrums sowie weitere Büros mit rund 1000 m2 Nutzfläche. Da aufgrund der Lastannahmen des ersten BauabPRODUKTION UND VERWALTUNG
schnitts die Aufstockung nur als Leichtbaukonstruktion möglich ist, wird eine Holzbauweise gewählt. Frei tragende, horizontal liegende und 18 cm dicke Brettschichtholzdecken überdecken die gesamte, bis auf die Außenwände stützenfrei ausgeführte Aufstockung mit einer Spannweite von 22,50 m. Zwischen den beiden im Abstand von 2,50 m konzipierten Primärbindern werden die Schulungsflächen über eine horizontale Sonnenschutzverglasung mit Tageslicht versorgt. Die thermische Hülle zum Innenhof ist eine vorfabrizierte Holz-Elementfassade mit einem Systemmaß von 1,25 m. Die Fassadenelemente nehmen als Einzelbauteile jeweils sämtliche technischen Funktionen wie Blendschutz, Sonnenschutz, Wärmeschutz und Technikinstallation auf. Die Vertikallasten im Bereich der Innenhoffassaden werden über schmale Holzwerkstoffschotten mit der Dimension 10 cm ≈ 36,50 cm im Konstruktionsabstand von 2,50 m abgetragen. Auch das Energiekonzept wird durchgehend beibehalten. Erweiterte Langzeitspeicher mit insgesamt 100 000 Litern puffern den zeitweise zusätzlichen Wärmebedarf, sodass auch nach der Erweiterung
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Braunschweig (D) 980 kWh/m2a 8,7 °C suburban
KENNWERTE Gebäudehülle U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Oberlichter (inkl. Rahmen) U-Wert Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,20 1,10 0,16 1,80 0,27 0,27
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2
240 m2 0,03 m2/m2 100 000 l 12,20 l/m2
NULLEMISSIONSFABRIK IN BRAUNSCHWEIG
auf eine Ergänzung des BHKW verzichtet werden kann. Die Solarstromanlage umfasst nun 3200 m2, wobei der Großteil der Module auf dem Firmengebäude selbst, ca. 24 kWp auf dem Dach der Fahrradstellplätze und 20 kWp auf acht Solartrackern (Sonnennachführsystem) installiert sind. Die zusätzlich installierte Solarstromkapazität und nur wenig neue Verbraucher ermöglichen nun eine vollständige Nullemissionsbilanz. ERFAHRUNGEN Sämtliche Betriebsangehörige der Firma Solvis haben die Entwurfsansätze gemeinsam mit den Architekten diskutiert, was die breite Akzeptanz des fertigen Gebäudes förderte. Die Beschäftigten sind mit dem Gebäude zufrieden, obwohl Messungen Komfortprobleme durch schlechtere Wärmerückgewinnungszahlen der Lüftungsanlagen und im Bereich des sommerlichen Wärmeschutzes aufdecken. Deutlich längere Arbeitszeiten gegenüber der Planung verlängern die internen Wärmeeinträge und verringern die Zeiträume zur passiven Entwärmung. In der Folge erwärmen sich einzelne Bürobereiche stärker als geplant
Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2 KWK Leistung Leistung pro m2
560 m2 0,07 m2/m2 45 kWp 5,50 Wp /m2 166 kWth 105 kWel 20,20 Wth /m2 12,80 Wel /m2
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Anlieferung Energieträger Bezug Rapsöl, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskomponenten, mechanische Lüftung mit WRG, Vakuumdämmung, KWK mit Biomassenutzung, Photovoltaik, Solarthermie, passive Kühlung
(in 9 % der Arbeitsstunden beträgt die Innenraumtemperatur über 25 °C). Die messtechnische Evaluierung bis 2005 erfasst die erzeugte, verbrauchte und eingespeiste Energie für Strom und Wärme sowie gebäude- und anlagenspezifische Parameter. Hierbei ergeben sich ein gegenüber der Planung erhöhter Stromverbrauch der Lüftungsanlagen sowie geringere Arbeitszahlen der Wärmepumpen. Dennoch werden die Zielwerte von 40 kWh/m2a Heizwärmebedarf und 20 kWh/m2a Strombedarf für die Gebäudetechnik teils deutlich unterschritten. Der Primärenergieverbrauch der gebäudetechnischen Anlagen für Heizung, Warmwasser, Kühlung und Beleuchtung lässt sich zu Großteilen aus regenerativen Energiequellen decken bzw. durch Gutschriften für die Netzeinspeisung ausgleichen. Die innovativen Impulse und der Nachweis der Umsetzbarkeit des integralen Konzepts machen den Neubau ökologisch, ökonomisch und architektonisch zum Modell für solares Bauen. Das Gebäude wurde bereits mit etlichen Preisen aus dem Bereich des energieeffizienten Bauens ausgezeichnet.
149
GEBÄUDEKENNWERTE (2005, 1. Bauabschnitt) Nettogrundfläche NGF 8215 m2 (1500 m2 Verwaltung, 6715 m2 Produktion) Bruttogrundfläche BGF 9600 m2 Bruttovolumen V 54 700 m3 Hüllfläche A 19 706 m2 A/V-Verhältnis 0,37 m2/m3 Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) 757 €/m2 (2002) Nutzeinheiten Bürotrakt / Produktion Anzahl Nutzer (gesamt) ca. 150 Personen VERBRAUCHSKENNWERTE (2005) Heizwärmeverbrauch Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
kWh/m2a 28 42 31 98 47 B 18.11
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SCHULSANIERUNG Schwanenstadt, A 2007
TGA
Bauherr: Gemeinde Schwanenstadt Architekt: PAUAT Architekten, Wels Energieplaner: team gmi, Wien; LANG Consulting, Wien Technische Gebäudeausrüstung: Planungsteam E-Plus, Egg, Vorarlberg Monitoring: Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), Gleisdorf Hauptakteur: Neue Heimat Oberösterreich, Linz
Im Jahr 2007 gibt der akute Platzbedarf in der Hauptund polytechnischen Schule im oberösterreichischen Schwanenstadt den Anlass zu einem schon länger geplanten Zubau. Außerdem wird die Sanierung des bestehenden Gebäudes angestrebt. Das Bestandsgebäude aus den Bauboomzeiten der 1960er- und 1970er-Jahre repräsentiert eine Masse an Schulbauten. Es erfüllt ebenso wenig geänderte Lehr- und Komfortvorgaben wie energetische Anforderungen. Nun soll die Sanierung samt Neubau den zeitgemäßen Lehrbetrieb ermöglichen und darüber hinaus die jungen Generationen durch den sichtbaren Einsatz nachhaltiger Materialien und energetische Maßnahmen auf ökologische Probleme aufmerksam machen. Die bei der Sanierung realisierte Passivhausbauweise und die Nutzung von Holzpellets reduzieren den Primärenergiebedarf auf unter 60 kWh/m2a. Die geplante Sanierung zum Nullenergiehaus wird aus finanziellen Erwägungen und wegen der Deckelung der Förderung zurückgestellt (siehe Österreich, S. 45). Dazu hätten eine ursprünglich vorgesehene Photovoltaikanlage auf dem Dach der Schule und ggf. eine solarthermische Anlage
installiert werden sollen. Aus pädagogischen Erwägungen wird die Solarstromanlage trotz geringerem Ertrag in die Fassade integriert. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Bereits im Jahr 2003 werden erste Konzepte zur Sanierung und Umgestaltung der 12-klassigen Hauptschule und des 8-klassigen polytechnischen Lehrgangs entwickelt. Diese sehen eine konventionelle Ertüchtigung gemäß der gültigen energetischen Normung vor. Ein zusätzlicher Neubau ist nicht Teil dieser Planung. Im Zuge einer Förderung im Rahmen des Programms »Haus der Zukunft« (siehe Österreich, S. 14f.) wird jedoch das Ziel formuliert, den Schülern als zukünftigen Nutzern das nachhaltige Bauen anhand einer zukunftsorientierten Qualität der Schule zu vermitteln. Diesen Zielen folgend entwickelt ein Projektteam aus Architekten, Energieplanern und Wirtschaftspartnern ein innovatives Sanierungskonzept. Dabei gilt es aufzuzeigen, dass es neben dem klassischen Vollwärmeschutz durch ein Wärmedämmverbundsystem auch alternative Möglichkeiten gibt, den Heizwärmebedarf um
B 19.01 B 19.02
BILDUNGSGEBÄUDE
90 % zu senken und die Qualität der Gebäudehülle sowohl ökologisch als auch thermisch zu verbessern sowie Solarenergie zu nutzen. ARCHITEKTUR Das neue Raumkonzept führt zu einer klaren und lesbaren Architektur: Die quadratische Grundform des Ensembles besteht aus einem sanierten Gebäuderiegel mit der Hauptschule sowie einem ebenfalls sanierten kürzeren Gebäudeteil mit polytechnischer Schule und einem quadratischen Turnhallenzubau. Ein gläserner Eingangsbereich schließt den innen liegenden Schulhof, der alle Gebäude verbindet (Abb. B 19.01 und 02). KONSTRUKTION UND DÄMMUNG Die Gebäudestruktur des Altbaus besteht aus einem 40 cm dicken Stahlbetonskelett und Fassadenelementen aus Betonfertigteilen in den Sturz- und Brüstungsbereichen und einem nahezu durchlaufenden horizontalen Fensterband. Die Stahlbetonstützen sind in einem Raster von 5 m vor der Fassade angeordnet. Bei der Sanierung wird die gesamte statische Konstruktion im Wand- und Dachbereich vollständig neu umschlossen. Das Problem des laufenden Schulbetriebs während der Sanierungs- und Baumaßnahmen wird durch den Einsatz von vorgefertigten Holzwandelementen gelöst. Sie ermöglichen kurze Bauzeiten und somit wenig Einschränkungen für den Lehrbetrieb. Das Holz stammt aus Oberösterreich. Fenster, Durchführungen für die Lüftungsanlagen und Fassadenbekleidungen werden bereits im Werk in die Wandelemente installiert. Der etwa 45–50 cm tiefe Raum zwischen den Stahlbetonstützen und den Konstruktionsvollholz-Ständern wird mit Zellulose ausgeblasen und mit 15 cm zusätzlicher Zellulose in den Vorhangelementen überdämmt. Dabei wird ein U-Wert von 0,11 W/m2K erreicht. Um Wärmebrücken zu minimieren, sind die konstruktiven Holzriegel des Wandelements versetzt zu den Stahlbetonstützen angeordnet. Nach dem Dichten sämtlicher Fugen zwischen der Bestandsfassade und einer neuen Abdichtung mit bituminösen Klebefolien bildet die alte Gebäudehülle die luftdichte Ebene mit einer Luftwechselrate von gemessenen 0,27 h-1. Die Dachkonstruktion ist ein Verbund von bestehender Stahlbetondecke und aufgelegten Brettstapelfertigteilen, deren Zwischenräume wiederum mit 30 cm Zellulose befüllt und gedämmt sind. SCHULSANIERUNG IN SCHWANENSTADT
Die Dämmung der bestehenden Bodenplatten wird durch Einblasen von bis zu 60 cm zementgebundenem Schaumglasschotter in Hohlräume an der Unterseite hergestellt. Die Hohldielen-Zwischendecken zum unbeheizten Kellerbereich werden mit Vakuumdämmplatten mit niedriger Aufbauhöhe gedämmt. Dies steht nicht im Gegensatz zur notwendigen Durchgangshöhe bei bestehenden Türen und gewährleistet durch den möglichen Verzicht auf Absätze die geforderte Barrierefreiheit. BELICHTUNG Ein höher gelegter Sturzbereich der Fenster ermöglicht eine Verbesserung des Tageslichteinfalls in die Klassenräume, um den Einsatz von Kunstlicht zu verringern. Zudem werden die Fenster nach außen in die Dämmebene verschoben und dadurch Wärmebrücken reduziert. Trotz der tiefen Wandstärken von bis zu 80 cm fällt genug Tageslicht in die Unterrichtsräume. Außen angebrachte Jalousien schützen vor zu hohen sommerlichen Raumtemperaturen oder unangenehmer Blendung. Die Jalousie ist in zwei getrennt steuerbare Abschnitte unterteilt. Geneigte Lamellen im oberen Bereich ermöglichen die Tageslichtversorgung auch dann, wenn die Jalousie im unteren Teil als Blendschutz nahezu komplett geschlossen ist. Lichtkuppeln brechen die Überdachungen der zentralen, innen liegenden Erschließungsbereiche auf, um Licht in die dunklen Innenbereiche zu führen (Abb. B 19.03). ENERGIEEFFIZIENZ Der Sanierungshintergrund schränkt das bei Passivhausentwürfen übliche Einwirken auf die Orientierung und die Ausbildung des Baukörpers nach solaren Gesichtspunkten in hohem Maße ein. Im Zuge der Entwurfsplanung wird daher ein Raumkonzept entwickelt, das durch gezielte Zubau- und Abbruchmaßnahmen die Kompaktheit des Baukörpers auf niedrige 0,28 m -1 verbessert. Die ursprüngliche Nutzfläche steigt von 3600 m2 auf etwa 6200 m2. Der nun umschlossene Schulhof bleibt erhalten, und Gemeinschaftsbereiche beider Schulen werden synergetisch über den Innenhof miteinander verbunden. Im sanierten Altbau kommen dezentrale Lüftungsgeräte mit 85 % Wärmerückgewinnung mittels Gegenstromwärmetauscher und tageszeitabhängig variabler Luftmenge (100 – 500 m3/h) zum Einsatz. Neben
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B 19.01 Lageplan, Maßstab 1:2500 B 19.02 Ansicht von Süden: Eingangsfront mit Sanierungsbau rechts, den in die Fassaden integrierten Solarstromanlagen in der Mitte und dem Neubaukörper links B 19.03 Erschließungsbereich mit Oberlichtern B 19.04 Schnitt, Maßstab 1:1250 B 19.05 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:1250
a 2 5 1
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Turnhalle Geräteraum Umkleide/Dusche Lager/Technik Lehrerzimmer Freibereich Schulleitung
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Besprechung Garderobe Wartebereich Küche Mensa Pausenraum Werkstatt
B 19.03 B 19.04 B 19.05
Endenergiebezug
Energieverbrauch
erneuerbare Energie
Solarstromanlage
Holzpellets
Abluft
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Energieerzeugung gebäudenah
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Zuluft
Pelletkessel
Trinkwarmwasser
Puffer-/WWSpeicher
Heizung
elektrische Nachheizung
Stromnetz
elektrische Vorwärmung
elektrische Verbraucher
B 19.06 B 19.07
der Verminderung von Lüftungswärmeverlusten lässt sich somit die Raumluftqualität verbessern bzw. lassen sich CO2-Belastungen in den Klassenräumen verringern. Die insgesamt 48 dezentralen Geräte (ohne neun Lüftungsanlagen für Sonderräume) mit einer Anschlussleistung von durchschnittlich 0,63 W/(m3/h) erhöhen den Gesamtstromverbrauch um ca. 13 500 kWh/a, können jedoch aufgrund der mangelnden Deckenhöhen nicht durch eine zentrale Anlage mit Lüftungskanälen ersetzt werden. Dennoch lohnt ihr Betrieb, da die Wärmebedarfsreduktion durch die Wärmerückgewinnung den Mehraufwand des Ventilatorstroms primärenergetisch um das 15-Fache übersteigt. Natürliche Lüftung erfolgt über kleine Öffnungsflügel. Die Fenster sind nicht zu öffnen.
Vorzug. Die Installation einer thermischen Solaranlage ergibt für den Schulbetrieb wenig Sinn, da wegen der Ferien nahezu kein Schul- und Turnhallenbetrieb in den ertragreichen Sommermonaten stattfindet. Daher heizt ein elektrischer Heizstab im Warmwasserspeicher bei Bedarf nach. Die Integration einer Solarstromanlage in die Südfassade des Gebäudes empfängt Schüler und Besucher mit der sichtbaren Aufforderung, sich mit dem Thema Energie zu beschäftigen und zu identifizieren. Die Dimensionierung der Anlage in der Fassade wird kostenbedingt während der Planung mit einer Fläche von 68 m2 nicht auf die Deckung des kompletten Primärenergiebedarfs ausgelegt. Die Symbolik steht erst einmal im Vordergrund (Abb. B 19.06).
ENERGIEVERSORGUNG Im Rahmen einer Variantenanalyse stellt sich eine Gasheizung zwar als kurzfristig wirtschaftliche Variante heraus, doch größere Preisstabilität, Versorgungssicherheit und die geringeren Treibhausgasemissionen geben einer 110-kW-Pelletanlage mit Pufferspeicher (1,9 m3) den
ENERGIEBILANZ Als Demonstrationsprojekt wurde die Schule in Schwanenstadt zwei Jahre messtechnisch untersucht und evaluiert. Die Auswertung ergibt, dass die verschiedenen Sanierungsmaßnahmen eine Reduzierung des ursprünglichen Heizwärmeverbrauchs von 145 kWh/m2a um mehr als
B 19.06 technische Übersicht der Energieversorgung B 19.07 Gesamtschulkomplex mit den sanierten Trakten vorn und links sowie dem Neubau rechts B 19.08 Raumtemperaturverteilung anhand von Stundenmittelwerten für einen exemplarischen Schulraum in den Jahren 2007 und 2008 in Abhängigkeit von der Außentemperatur nach DIN 15 251 (adaptives Komfortmodell, die beiden Linien begrenzen die Komfortklasse II) B 19.09 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
90 % auf 14 kWh/m2a bewirken und damit die anvisierten Ziele erreicht werden. Die gemessenen, klima- und temperaturbereinigten Zahlen für den Heizwärmeverbrauch betragen ca. 18 kWh/m2a. Der gemessene Gesamtstromverbrauch liegt ebenfalls bei ca. 18 kWh/m2a. Der gesamte Primärenergieverbrauch in den beiden ersten Messjahren beträgt ca. 60 kWh/m2a. Die Bilanzierung wird in Weiterführung der Berechnungen nach Passivhaus-Projektierungspaket 2007 (PHPP) auch in der Evaluierungsphase mit dessen Primärenergiefaktoren durchgeführt (siehe Abb. A 2.07, S. 31). Die Dimensionierung und Integration der bisher realisierten Photovoltaikanlage reicht nicht aus, um die Energiebezüge der Schule zu decken bzw. primärenergetisch auszugleichen. Eine genaue Auswertung der Solarstromerträge ist zudem bislang nicht möglich gewesen, da die Inbetriebnahme nicht zeitgleich mit der Fertigstellung der Sanierung erfolgte und Schwierigkeiten mit den Wechselrichtern kein vollständiges Messjahr ergeben. Unter Annahme der bisher realisierten 6,3 kWp zeigt eine berechnete Bilanzierung ohne den nutzungsbedingten StromBILDUNGSGEBÄUDE
verbrauch, dass bei optimaler Ausrichtung und Neigung einer zusätzlichen Anlage weitere 20 kWp für eine ausgeglichene Primärenergiebilanzierung ausreichen würden. Die Fläche von ca. 160 m2 stünde auf dem Flachdach des Schulgebäudes zur Verfügung. Die zusätzliche Betrachtung der nutzungsspezifischen Stromverbräuche für den Schulbetrieb zeigt allerdings, dass eine ausgeglichene Bilanz theoretisch nur über eine Solarstromanlage von etwa 120 kWp erreicht würde. Eine Anlage dieser Leistung könnte nur schwerlich auf dem Dach der Schule realisiert werden, sodass dann weitere Einsparmaßnahmen oder eine andere Form der energetischen Deckung von Nöten wären. ERFAHRUNGEN Die messtechnische Begleitung in den ersten Betriebsjahren regt zu Optimierungen beim Gebäudebetrieb an. Relevante Komfortparameter wie Raumtemperaturen, relative Raumfeuchte und CO2-Konzentrationen liegen nicht im optimalen Bereich. Eine heiße Juniwoche im ersten Messjahr (2007) führt in süd- und westorientierten Klassenzimmern zu Temperaturen von über 27 °C, da unter anderem geschlossene Türen zwischen Klassenzimmern und Gängen eine wirkungsvolle Nachtlüftung verhindern. Daraufhin installierte Türschnapper an den Klassenzimmertüren sorgen für eine Verriegelung in Spaltposition. Klappen im Atriumdach wer-
obere Grenztemperatur untere Grenztemperatur
35
Raumtemperatur operative Temperatur 2008 [°C]
operative Temperatur 2007 [°C]
Raumtemperatur
den zudem ab 2008 temperaturgesteuert geöffnet und die Lüftungsanlage 15 Minuten nach Öffnen der Atriumklappen automatisch aktiviert. Pro Klassenzimmer gibt es einen in Spaltposition arretierbaren Fensterflügel für die Nachtlüftung. Des Weiteren bewirken außen liegende Raffstores, dass die Raumtemperaturen im Jahr 2008 größtenteils im behaglichen Bereich liegen (Abb. B 19.08). Erhöhte variable Luftwechselzahlen halten die CO2Konzentrationen in den ständig genutzten Klassenzimmern niedrig. Sie ergeben in den Wintermessungen aber eine relative Raumluftfeuchte von lediglich rund 25 % und somit Werte außerhalb des laut ÖNorm EN 13 779 definierten Behaglichkeitsbereichs zwischen 30 % und 60 %. Eine angedachte aktive Zuluftbefeuchtung kann wegen der dezentralen Geräte nicht eingerichtet werden. Neben der messtechnischen Begleitung ergibt eine Evaluierung der Nutzerakzeptanz eine hohe Zufriedenheit der Schüler und Lehrer. Im Rahmen des Hauses der Zukunft bringt ein umfassendes Gebäudebewertungssystem, das TQB (Total Quality Building), der ökologischen, energetischen und architektonischen Qualität des Projekts ein überdurchschnittliches Ergebnis, das nur von der Bewertung der Standortqualität getrübt wird: Die Randlage im ländlichen Umfeld schmälert das Ergebnis auf »nur« 4.0 von möglichen 5.0 Punkten.
33 31 29 27 25 23 21
obere Grenztemperatur untere Grenztemperatur
35 33 31 29 27 25 23 21 19
19 9
11
13 15 17 19 21 23 25 gleitender Mittelwert der Außentemperatur [°C]
SCHULSANIERUNG IN SCHWANENSTADT
9
11
13 15 17 19 21 23 25 gleitender Mittelwert der Außentemperatur [°C]
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Schwanenstadt (A) 1050 kWh/m2a 9,0 °C rural
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Bodenplatte Neubau/Altbau mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,11 0,80 0,10 0,125/0,15 0,14
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2
65 m2 0,01 m2/m2 6,30 kWp 1,10 Wp /m2 1900 l 0,30 l/m2
153
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Anlieferung der Holzpellets Energieträger Bezug Holzpellets, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Sanierung mit Passivhauskonzept, Solarstromanlage, Pelletkessel, dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, Systembauweise, ökologische und regional verfügbare Baumaterialien
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A/V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt) VERBRAUCHSKENNWERTE (2009) Heizwärmeverbrauch Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
6214 m2 6835 m2 29 550 m3 8352 m2 0,28 m2/m3 1384 €/m2 (2007) 3 Stück 300 – 380 Personen kWh/m2a 14 33 18 56 1
B 19.08 B 19.09
UNIVERSITÄTSGEBÄUDE
154
Saint-Pierre, Insel La Réunion, F 2009
TGA
Bauherr: Université de la Réunion, Saint-Pierre, La Réunion Architekt: Thierry Faessel-Bohe, Saint-Pierre, La Réunion Energieplaner: Imageen, Saint Denis Cedex, La Réunion Technische Gebäudeausrüstung: Imageen, Saint Denis Cedex, La Réunion Monitoring: Université de la Réunion, Saint-Pierre, La Réunion Hauptakteur: Bauherr
Das EnerPos-Gebäude (französisches Akronym für Plusenergie) der Universität von La Réunion befindet sich auf dem Außencampus in Saint-Pierre im Süden der Insel. Es wurde im Januar 2009 eingeweiht und ist eines der wenigen Nullenergiegebäude in einer (sub-)tropischen Klimazone. 800 km östlich von Madagaskar im Indischen Ozean gelegen, bildet die Insel La Réunion politisch ein französisches ÜberseeDepartement. Ihr subtropisches Klima innerhalb der südlichen Hemisphäre bietet mit einer jährlichen Globalstrahlung von rund 2000 kWh/m2 sehr gute Voraussetzungen für solar versorgte Gebäude. Die durchgehend hohen Temperaturen verursachen einerseits kaum Heizwärmebedarf. Andererseits erfordern besonders die heißen und feuchten Sommer im Zeitraum zwischen Dezember und März mit durchschnittlichen Temperaturen von 25 °C und die sehr hohe Luftfeuchtigkeit von über 70 % Maßnahmen zur Klimatisierung von Gebäuden. In der Trockenzeit zwischen Juni und September liegen die Temperaturen um 20 °C (Abb. B 20.09, S. 157). Üblicherweise kühlen und entfeuchten Klimaanlagen die Raumluft mit hohem elektrischem Energiebedarf. Durch ein umfassendes Sonnenschutzkonzept sowie eine natürliche Lüftung wird hierauf im EnerPos-Gebäude weitestgehend verzichtet. Eine netzgekoppelte Solarstromanlage gleicht den gesamten verbleibenden
Strombedarf für die technischen Anlagen und alle nutzungsbedingten Verbräuche in der Jahressumme mehr als aus. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Das EnerPos-Gebäude dient bereits in seiner Entstehung als Forschungsobjekt. Hierbei wird die Anwendung neuer Planungswerkzeuge und die Entwicklung eigener Entwurfsmethoden für die Gestaltung von Nullenergiegebäuden in heißen Klimaten untersucht. Im Rahmen eines Forschungsprojekts der drei französischen Universitäten von La Réunion (LPBS), Chambery (INES/LOCIE) und Toulouse (PHASE) wird von Beginn der Planungsphase 2005 an das Ziel eines sehr geringen Energiebedarfs konsequent verfolgt. Der Verzicht auf Klimaanlagen in den Lehrräumen, eine natürliche Lüftung und ein hohes Maß an Tageslichtversorgung sollen einen Gesamtstrombedarf von weniger als 70 kWh/m2NGFa ergeben. Dies bedeutet einen mehr als zweimal geringeren Bedarf gegenüber vergleichbaren Gebäuden in La Réunion (160 kWh/m2NGFa). Das vom Labor für Bauphysik und Gebäudesysteme (Laboratoire de Physique du Bâtiment et des Systèmes) der Universität La Réunion koordinierte Forscherteam untersucht frühzeitig mit Simulationswerkzeugen Strategien zur Verringerung des Energiebedarfs und zur passiven Kühlung. So-
B 20.01 B 20.02
BILDUNGSGEBÄUDE
wohl thermische als auch Tageslicht-Simulationen liefern Erkenntnisse, die mit Blick auf Energiebedarf, Tageslichtangebot und den Raumkomfort bewertet werden. Die Ergebnisse fließen in die Optimierung des Gebäudeentwurfs und der Baukonstruktion ein. ARCHITEKTUR Das zweigeschossige Gebäude ist durch einen begrünten Innenhof in zwei parallele Blöcke geteilt und umfasst auf 1425 m2 Bruttogeschossfläche einen Verwaltungsbereich mit u. a. sieben Büroräumen im Erdgeschoss, fünf Unterrichtsräumen in Erd- und Obergeschoss und einer Tiefgarage. Der Innenhof nimmt eine wesentliche Funktion als Verkehrs- und Aufenthaltsfläche ein (Abb. B 20.03 – 05). Der Fensterflächenanteil der Hauptfassden beträgt ca. 30 %. Sie orientieren sich nach Norden bzw. Süden, um hierüber den vom Meer kommenden Wind zu nutzen. Ein davorliegendes, drei Meter breites Band mit einheimischen Pflanzen vermeidet, dass sich die Umgebungsluft zu stark erwärmt und in das Gebäude eindringt. Die Stellplätze befinden sich unterhalb des Gebäudes, um die Hitzeabstrahlung durch asphaltierte Flächen in Gebäudenähe zu vermeiden. Zudem verbessern nicht versiegelte Flächen den Wasserabfluss bei tropischem Starkregen.
Die komplette Erschließung findet über Laubengänge statt. Diese sind zum Innenhof orientiert und somit natürlich belichtet. Sie verschatten sich gegenseitig und die daran angrenzenden Fenster. ENERGIEEFFIZIENZ Das in Stahlbetonbauweise erstellte Gebäude besitzt an den Fassaden gen Süden bzw. Norden keine Wärmedämmung. Aufgrund der geringen Temperaturdifferenzen zwischen innen und außen sind Transmissionswärmegewinne bzw. -verluste vernachlässigbar. Von zentraler Bedeutung sind bei nicht gedämmten Wänden aber ihre Verschattung bzw. ihr Absorptionsgrad: Die Temperaturen auf den Außenoberflächen dürfen nicht höher als die Außentemperatur sein, damit sie keine Wärmeströme in das Gebäude bewirken. Auf der südlichen Erdhalbkugel ist es die Nordfassade, die vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden muss. Das übernehmen die bis zu 2,40 m auskragenden Dächer und eine feste Verschattung aus Holzlamellen. Die Abstände der Holzlamellen wurden auf der Grundlage von Simulationen im Hinblick auf ihre Verschattungswirkung und eine natürliche Belichtung der Innenräume optimiert. Dabei wurde festgestellt, dass zwei Unterrichtsräume während der Lehrzeit von 8:00 bis 18:00 Uhr vollständig ohne Kunstlicht auskommen. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
4
4
7
Vorplatz Foyer Technik/Abstellraum Seminarraum Forum Büro Besprechung Luftraum Forum Laubengang
Die unverschatteten West- bzw. Ostfassaden besitzen in Höhe der dahinterliegenden Räume 4 cm Mineralwolle unter einer Holzverkleidung. Alle Hölzer sind einheimisch und lassen sich aufgrund ihrer besonderen Widerstandskraft und der wenigen Regentage unbehandelt verwenden. Die abgesetzten Dachscheiben aus Wellblech nehmen die Solarstromanlagen auf und verschatten die darunterliegenden Geschossdecken der beiden Baukörper. Die Decken sind mit einer 10 cm dicken Polystyrolschicht nur leicht gedämmt. Das Absetzen der fliegenden Dächer bewirkt, dass die Solarstromanlagen besser hinterlüftet werden, was dem Stromertrag angesichts hoher Einstrahlung und hoher Außentemperaturen zugute kommt. Die Neigung der Dächer bewirkt durch den üblicherweise vom Meer aufkommenden Wind einen leichten Sog, der dem Innenhof zwischen den beiden Baukörpern Luft entzieht und damit die passive Lüftung der Räume forciert. Durch die Grundrissstruktur mit dem Innenhof und eine hiervon abgehende Laubengangerschließung haben alle Unterrichtsräume zwei Außenfassaden und sind über Lamellenfenster mit Einfachverglasung natürlich belüftet, wobei der Luftstrom manuell reguliert werden kann. Die Glaslamellen bieten zudem einen besseren Einbruchschutz gegenüber herkömmlichen, geöffneten Fenstern. Im Verwaltungsbereich kommen sie B 20.01 B 20.02 B 20.03 B 20.04 B 20.05
4
Lageplan, Maßstab 1:3000 Ansicht von Südosten Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:750 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:750 Schnitt, Maßstab 1:500
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UNIVERSITÄTSGEBÄUDE IN SAINT-PIERRE
155
4
10 Photovoltaik und starrer Sonnenschutz 11 Sonne Sommer 12 Sonne Winter 13 starrer Sonnenschutz: Holzlamellen 14 Fenster aus Glaslamellen: 30 % Durchlässigkeit 15 Querlüftung 16 Ventilator
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16
B 20.03 B 20.04 B 20.05
B 20.06 Schnitt durch Innenwand zwischen Flur und Büroraum mit Lamellenfenster, Maßstab 1:20 B 20.07 Lamellenfenster im Flur des Verwaltungsbereichs B 20.08 technische Übersicht der Energieversorgung B 20.09 Klimadaten von La Réunion: mittlere Luftfeuchte und Temperatur B 20.10 Darstellung der Behaglichkeit im Innenraum während der üblichen Nutzungszeit über ein Kennfeld der Temperatur und Raumfeuchte B 20.11 energetische Charakterisierung B 20.12 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
156
1
2
B 20.06 B 20.07
1 Fenster aus elf beweglichen Einscheiben-Lamellen 700 ≈ 1400 mm 2 Wandaufbau: Stahlbeton ungedämmt 140 mm
ebenfalls in den Wänden zwischen Büros und Fluren zum Einsatz und garantieren auch hier eine natürliche Querlüftung durch den Gebäudeflügel (Abb. B 20.06 und 07). Um die Büro- und Unterrichtsräume auch bei Windstille querlüften zu können, erhalten die Räume insgesamt 55 Deckenventilatoren. Sie sind dezentral in den Büros einzeln bzw. in den Lehrräumen in Zweier- oder Vierergruppen steuerbar. Auf 10 m2 kommt je ein Deckenventilator mit drei Geschwindigkeitsstufen und einer maximalen Leistungsaufnahme von 70 W. Die natürliche, teils mit Ventilatoren gestützte Lüftung erhöht die Luftbewegung im Raum. Die Wärmeabfuhr des Körpers durch Konvektion und Verdunstungskühlung wird gesteigert, sodass höhere Temperaturen als sonst üblich noch als angenehm empfunden werden. Die kaum genutzte künstliche Beleuchtung mit LEDTechnik erreicht mit einer Anschlussleistung von lediglich 4,4 W/m2 in den Büros eine Beleuchtungsstärke von 300 Lux. In den Klassenräumen schalten sich zwei Stunden nach Seminarschluss die Lichter automatisch aus. ENERGIEVERSORGUNG Zur Kühlung und Entfeuchtung einzelner Büros und EDV-Räume in besonders warmen und windarmen Zeiten ist eine zentrale Klimaanlage installiert. Dank der natürlichen Belüftung und der Deckenventilatoren hat sich ihre Laufzeit in den EDV-Räumen jedoch auf lediglich sechs Wochen pro Jahr reduziert, während sie in den übrigen Räumen bisher gar nicht erforderlich ist. In vergleichbaren Gebäuden der Universität sind Klimaanlagen in der Regel neun Monate pro Jahr im Betrieb. Eine insgesamt 350 m2 große Solarstromanlage mit einer Leistung von 50 kWp ist in die um 9 Grad geneigten Dächer der beiden Gebäude integriert. Je zur Hälfte orientieren sie sich nach Norden und Süden. Durch die flache Neigung und den hohen Sonnenstand bleibt der Unterschied von 8 % im Ertrag vergleichsweise gering (Abb. B 20.08). ENERGIEBILANZ Ein Monitoring erfasst sämtliche Stromverbraucher. Erste Messergebnisse zeigen einen Gesamtstromverbrauch von 32 kWh m2NGFa, was deutlich unterhalb der Zielvorgaben von
70 kWh/m2NGFa liegt. Die Solarstromanlagen erreichen einen Stromertrag in Höhe von ca. 70 000 kWh/a (1428 kWh/kWp). Die gemessenen Solarstromerträge belaufen sich auf knapp 80 kWh/m2NGFa und übersteigen den Verbrauch deutlich. Die jahreszeitlich gleichmäßig hohe Einstrahlung, fehlende saisonale Unterschiede in den Stromverbräuchen und die überwiegende Tagnutzung des Gebäudes sorgen zudem für eine hohe Gleichzeitigkeit zwischen Stromverbrauch und Solarstromertrag (Abb. B 20.11). Einen Verbrauch für Wärme- oder Warmwasserbereitstellung gibt es nicht, wobei eine Dusche für die Radfahrer fehlt. Da Strom der einzige Energieträger ist, sind die Haustechnik und das Messkonzept sehr einfach gehalten. ERFAHRUNGEN Der umfängliche Einsatz der Simulationswerkzeuge dient in erster Linie dazu, die passiven Elemente zu optimieren und grundlegende Prinzipien der Architektur für ein Nullenergiehaus im subtropischen Klima wie natürliche Belüftung und Sonnenschutz einzubinden. Die Größenanpassung der Versorgungsysteme spielt hier eine untergeordnete Rolle. Das Ergebnis ist ein gegenüber vergleichbaren Standard-Gebäuden fünfmal geringerer Energieverbrauch. Die Nutzung von Klimaanlagen kann auch während der heißesten Tage des Jahres meist umgangen werden. Aufzeichnungen zu Lufttemperatur, relativer Luftfeuchte und Luftgeschwindigkeit in den Räumen sowie eine Erhebung unter den Nutzern mit fast 2000 Fragebögen dokumentieren gute Innenraumbedingungen und eine sehr gute Resonanz. Messergebnisse während der ersten beiden Belegungsjahre machen deutlich, dass die gruppiert gesteuerten Deckenventilatoren in den Lehrräumen eine niedrigere Luftgeschwindigkeit erreichen als die einzeln gesteuerten in den Büros. Die Verschaltung wird daraufhin geändert. Eine weitere Verbesserung soll eine Zonierung der Innenbeleuchtung in den Unterrichtsräumen ergeben. Tageslichtmessungen zeigen drei Bereiche auf: In der Nähe der Fenster, die nicht zum Innenhof orientiert sind, ist die Tageslichtnutzung deutlich besser als auf der gegenüberliegenden Raumseite. Im Zentrum der Räume ergibt sich ein mittlerer Wert. Daher wird es drei verschieden schaltbare Reihen von Leuchten geben. BILDUNGSGEBÄUDE
Energieverbrauch
Stromnetz
Energieerzeugung gebäudenah
Solarstromanlage
Kälte
Klimaanlage
Primärenergiegutschrift [kWhprim/m2NGFa]
erneuerbare Energie
Endenergiebezug
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l
Nu
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24 26 28 30 32 Raumtemperatur [°C]
40
80 120 160 200 Primärenergiebezug [kWhprim/m2NGFa]
Sämtliche Verbräuche können durch die sehr großen Solarstromerträge in jedem Monat bilanziell gedeckt werden, zudem lässt sich ein sehr großes Plus erwirtschaften. Die Verbräuche sind eindeutig nutzerdominiert, ihr monatlicher Ausgleich ist durch eine konstante Einstrahlung über das Jahr sowie keinen anfallenden Heiz- und Warmwasserbedarf bedingt: z gemessener jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch (106 kWh/m2a) z gebäudespezifischer Primärenergieverbrauch (36 kWh/m2a) z Saisonaler Ausgleich aller Verbräuche durch monatlich anrechenbare Erträge (106 kWh/m2a). Eine Deckung des Restenergieverbrauchs muss nicht erfolgen. z jährliches Energieplus, Einspeisung in das Stromnetz (154 kWh/m2) Primärenergiefaktor Strom (3,3) spezifisch für Le Reunion.
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Saint-Pierre, La Réunion 1929 kWh/m2a 25 °C suburban
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände Ost und West U-Wert Außenwände Nord und Süd U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,67 3,30 6,00 0,43 0,26 2,90
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz Energieträger Bezug Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom
UNIVERSITÄTSGEBÄUDE IN SAINT-PIERRE
350 m2 0,45 m2/m2 50 kWp 64 Wp/m2
LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Solarstromanlage, Verschattungskonzept, natürliche Belüftung, Deckenventilatoren, Tageslichtnutzung, effiziente künstliche Beleuchtung
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A / V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
781 m2 1425 m2 3847 m3 1234 m2 0,32 m2/m3 1664 €/m2 (2009) 2 Stück 170 Personen
VERBRAUCHSKENNWERTE (2010) Stromverbrauch Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieerzeugung gesamt
kWh/m2a 32 106 260
B 20.08 B 20.09 B 20.10 B 20.11 B 20.12
158
KINDERGARTEN Monheim, D 2009
TGA
Bauherr: Bayer Real Estate, Leverkusen Architekt: tr.architekten, Köln Energieplaner: IPJ Ingenieurbüro P. Jung, Köln Technische Gebäudeausrüstung: E+W Ingenieurgesellschaft, Leichlingen Monitoring: Bayer MaterialScience, Leverkusen Hauptakteure: Bauherr und Architekt
B 21.01 B 21.02 B 21.03 B 21.04
Lageplan, Maßstab 1:2000 Ansicht von Nordosten Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:750 Schnitte, Maßstab 1:750
Als Beitrag zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat die Firma Bayer an ihrem Standort in Monheim bei Leverkusen eine Kindertagesstätte (»die Sprösslinge«) errichtet. Sie bietet in fünf Gruppen Platz für 60 Kinder von sechs Monaten bis sechs Jahren. Auf Basis der Ergebnisse eines Gutachterverfahrens wurde der Entwurf von tr.architekten ausgewählt und 2009 realisiert. Der zu Projektbeginn geforderte Passivhausstandard wird im Kontext mit dem »EcoCommercial Building Program« im weiteren Planungsfortschritt in Richtung eines CO2-neutralen Gebäudes weiterentwickelt und definiert. Das Programm umfasst die Realisierung nachhaltiger, umweltfreundlicher und gleichzeitig wirtschaftlicher Planungen und Bauprojekte mit ganzheitlichen Material- und Strategielösungen, die auch in Zukunft den kontinuierlichen Veränderungen der Städteentwicklungen und der Begrenzung von Energieressourcen gewachsen sein sollen. Zum ersten Mal bei einer Kindertageseinrichtung in Deutschland ist die Gesamtenergiebilanz der nach diesem Prinzip errichteten Kindertagesstätte im Betrieb über das Jahr ausgeglichen und damit klimaneutral.
reits in der Wettbewerbsphase das Ziel, ein Gebäude zu schaffen, das zeitgemäßen Ansprüchen an Funktion, Effizienz, Komfort und gestalterische Qualität genügt und Ideen zur Deckung des Restenergieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen aufgreift. Auf diesem Weg wird es möglich, das Ziel der Umweltverträglichkeit als integrativen und nicht additiven Aspekt im Planungsprozess zu definieren. Planungsansätze werden in enger Zusammenarbeit der einzelnen Disziplinen diskutiert und durch Berechnungen und dynamische Simulationen überprüft. Diese erlauben frühzeitige, eng in den Planungsprozess eingebundene Variantenanalysen. Eine Optimierung des Wärmeschutzes der Gebäudehülle und -form, eine effiziente Anlagentechnik, größtmögliche Nutzung von Tageslicht sowie die optimal abgestimmte Kombination von technischen Erfordernissen mit nutzungsspezifischen Anforderungen reduzieren die Verbräuche auf ein Minimum. Der Wärmebedarf wird anteilig durch eine thermische Solaranlage und eine geothermische Wärmepumpe gedeckt. Eine Solarstromanlage stellt den gesamten Strom für die haustechnischen Anlagen und die Ausstattung bereit.
ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Grundlage der Projektentwicklung ist ein integrales Arbeitsmodell: Die Planungsbeteiligten verfolgen be-
ARCHITEKTUR Die Kindertagesstätte stellt sich trotz ihrer zur Eingangsseite reduzierten Öffnungen einladend dar (Abb. B 21.02). Ein weit ins Gelände
B 21.01 B 21.02
BILDUNGSGEBÄUDE
greifender, linearer Baukörper nimmt Nebenräume auf, trennt die Auffahrt vom Außenbereich und führt den Besucher vom Vorplatz kommend in das großzügige, helle Zentrum des Gebäudes, der sogenannten Piazza. Dieser zentrale Raum ist zugleich Gemeinschaftsbereich und Verbindungs- bzw. Bewegungszone zwischen den angrenzenden Funktionsflächen und Gruppenräumen (Abb. B 21.03, 07 und 08, S. 160). Der im Grundriss quadratische Baukörper der Kindertagesstätte wächst im Bereich der nördlichen Gebäudeecke auf ein zweigeschossiges Volumen an. Nur einige Funktionsbereiche für das Personal sind auf dieser zweiten Ebene untergebracht. Alle von Kindern genutzten Flächen befinden sich im Erdgeschoss, das durch wechselnde Geschosshöhen ein differenziertes Raumgefüge bildet (Abb. B 21.04). Öffentlichere Bereiche wie der Eingang oder die Garderobe sind meist in höheren Volumina ausgeführt als die Spiel- oder Gruppenflächen, was teilweise anhand der äußeren Dachgeometrie ablesbar wird. Transparente Raumteiler anstelle von massiven Wänden sorgen im Inneren zusammen mit den großen, dreifachverglasten Fenstern mit gedämmten Holzrahmen und thermisch getrennten Abstandhaltern in den Außenwänden der südwestorientierten Fassaden für Durch- und Ausblicke. Bereits im Ent-
wurfskonzept folgen die Gebäudehülle, -form und -ausrichtung dem energetischen Anspruch passiver solarer Gewinne. Eine Grundrissoptimierung bei der Bauausführung erbringt eine Verbesserung der Kompaktheit bei gleichzeitig intensiverer Nutzung des Tageslichts. KONSTRUKTION UND DÄMMUNG Die Gebäudekonstruktion basiert auf einer vorelementierten und hochwärmegedämmten Holzständerbauweise im Passivhausstandard. Die 40 cm dicke Fassade erreicht durch die 24 cm dicke Polyurethandämmung im Holzständerzwischenraum und die 10 cm Mineralfaser im Wärmedämmverbundsystem einen UWert von 0,135 W/m2K. In der ebenfalls vorgefertigten Holzbalkenkonstruktion des Dachs ergeben die bis zu 40 cm Polyurethandämmung in der Konstruktionsebene und die Gefälledämmung auf dem Dach einen Konstruktionsaufbau von ca. 50 cm und einen U-Wert von 0,09 W/m2K. Der U-Wert des Bodenaufbaus mit einer Stahlbetonbodenplatte, die raumseitig mit 18 cm Polyurethan-Hartschaum und zum Erdreich hin mit ca. 10 cm Perimeterdämmung gedämmt ist, beträgt 0,1 W/m2K. Die Vorfertigung der Holzbauelemente ermöglicht eine hohe handwerkliche Ausführungsqualität und eine kurze Bauzeit von nur fünf Monaten. Die Quali-
tät der luftdichten Hülle ist durch eine Blower-DoorMessung mit einem n50-Wert von 0,18 h-1 nachgewiesen. 159
ENERGIEEFFIZIENZ Die besondere Dachgeometrie ermöglicht über nordausgerichtete Oberlichter eine natürliche Belichtung der zentralen und innen liegenden Flächen ohne großen Wärmeeintrag. Zusammen mit tageslichtabhängig gesteuerten und hocheffizienten Beleuchtungselementen sowie einer in die Oberlichter integrierten Tageslichtlenkung führt dies zu einem energie- und nutzungsoptimierten Lichtkonzept. Präsenzmelder und Lichtmesser reduzieren den Bedarf an künstlicher Beleuchtung. Ein außen liegender Sonnenschutz-Screen mit einem Fc-Wert von 0,2 wirkt zusammen mit den im Scheibenzwischenraum der Oberlichtverglasungen feststehenden und gekippten Retrolamellen einem Überhitzen des Gebäudes entgegen (Abb. B 21.05, S. 160). Die Anordnung der Lamellen im Scheibenzwischenraum bewahrt diese vor Zugriffen und schützt vor einem Eindringen der Wärme in das Gebäudeinnere. Sämtliche Räume erhalten Frischluft über ein zentrales Passivhaus-Lüftungssystem, dessen Zuluftelemente dezent in Wände, Garderobeneinbauten, Einbaumöbel und Böden integriert sind. Die Luftförderung ist durch reduzierte Druckverluste im
b
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Windfang Empfang Piazza Nebenraum Gruppenraum Bewegungsraum Wickelraum Garderobe Abstellraum Küche Technik Gewächshaus Regenwasserzisterne
KINDERGARTEN IN MONHEIM
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1 extensive Begrünung 80 mm Dachbahn Dämmung 120 mm Dampfsperre Dachschalung 20 mm Dachbalken 240 mm Sparrendämmung 240 mm Dampfsperre Akustikdecke 175 mm 2 Wärmedämmverbundsystem 120 mm OSB-Platte 15 mm Ständerwerk 240 mm Dämmung 240 mm OSB-Platte 15 mm, PE-Folie Gipsplatte 12 mm 3 feststehende Verglasung lichtlenkende Lamellen 4 Sonnenschutzjalousie 5 Perimeterdämmung 150 mm 6 Bodenbelag 10 mm Zementestrich 75 mm Trennlage PE-Folie Trittschalldämmung 30 mm Wärmedämmung 180 mm Abdichtung Bodenplatte 250 mm Perimeterdämmung 100 mm
Endenergiebezug
erneuerbare Energie
Solarstromanlage
Energieerzeugung gebäudenah
2
Stromnetz
Erdregister
Wärmepumpe
thermische Solarkollektoren
Speicher
Energieverbrauch
Abluft
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Zuluft
dez. Übergangsstationen
Trinkwarmwasser
Heizung
elektrische Verbraucher
B 21.07 B 21.08
BILDUNGSGEBÄUDE
PV-Strom 35 kWh/m2a Strom Beleuchtung 10 kWh/m2a Strom TGA 10 kWh/m2a
WP-Strom 7 kWh/m2a Erdwärme 18 kWh/m2a WP-Wärme 26 kWh/m2a Solarwärme 8 kWh/m2a
Strom Sonstige 7 kWh/m2a Wärme 22 kWh/m2a Warmwasser 12 kWh/m2a
B 21.05 B 21.06 B 21.07 B 21.08
Fassadenschnitt, Maßstab 1:50 technische Übersicht der Energieversorgung Eingangsbereich zum zentralen Raum zentraler Raum als Gemeinschaftsbereich und Verbin-
Lüftungsnetz und hohe Ventilatorwirkungsgrade mit einer spezifischen Leistungsaufnahme von 0,71 W/(m3/h) stromsparend ausgelegt. Die Wärme der Abluft wird über eine Wärmerückgewinnung für die Erwärmung der Zuluft genutzt. Zur Reduzierung des notwendigen Luftvolumenstroms auf ein Minimum wird das gesamte Gebäude nach dem Prinzip der Überströmung be- und entlüftet. Die vorwiegend in die außen liegenden Gruppenräume eingebrachte Zuluft strömt mittels Überströmelementen in den zentralen Innenbereich des Gebäudes. Hier wird über ein Lüftungsgitter bzw. über die Sanitär- und Abstellräume Luft abgesaugt und nach außen befördert. So wird mit einem verhältnismäßig geringen Zuluft-Volumenstrom gewährleistet, dass sämtliche Bereiche des Gebäudes mit ausreichend Frischluft versorgt werden. Vorteil der geringen Luftmengen ist der niedrige Energiebedarf zur Belüftung des Gebäudes. Bei einer standardmäßigen Ausstattung aller Räume mit Zu- und Abluft wären wesentlich höhere Luftvolumenströme erforderlich. Im Winter unterstützt ein Wärmetauscher am Erdreichsondenfeld die Frostfreihaltung der Lüftungsanlage. Die KINDERGARTEN IN MONHEIM
dungszone zwischen den angrenzenden Funktionsflächen und Gruppenräumen B 21.09 Sankey-Diagramm mit Planungsdaten, Strom (oben) und Wärme (unten)
Sole aus dem Erdsondenfeld wird indirekt zum Enteisen des Wärmetauschers genutzt. Zur Vermeidung von Brandschutzkonflikten ist der einzige Brandabschnitt in einzelne Rauchabschnitte unterteilt. Motorgesteuerte Rauchschutzklappen schließen selbsttätig und verhindern eine Rauchübertragung im Brandfall. Bei der Dimensionierung der Überströmelemente liegt der Druckverlust je Element zwischen ca. 5 und 8 Pa. Somit wird sichergestellt, dass die Luft nur über die Überströmelemente und nicht durch Türschlitze oder andere Undichtigkeiten geführt wird. ENERGIEVERSORGUNG Die Wärmeerzeugung basiert auf einer 28-kWth-Sole-Wasser-Wärmepumpe, die das geothermische Potenzial am Standort über vier Erdreichsonden mit einer Tiefe von 98 m nutzt. Solare Wärme wird über 22 m2 Solarkollektoren auf hohem Temperaturniveau eingespeist. Die einzelnen Röhrenkollektoren sind auf dem Dach entsprechend einer möglichst hohen Bedarfsdeckung gemäß den Nutzungszeiten des Kindergartens außerhalb der Ferien ausgerichtet und gedreht. Die solarthermi-
sche Anlage speist einen von zwei 1000-Liter-Pufferspeichern, der sich im Technikraum und damit in der gedämmten Gebäudehülle befindet, erwärmt vorrangig das Frischwasser und dient im Winter auch zur Heizungsunterstützung. Bei fehlenden Solarerträgen übernimmt dies die Wärmepumpe bei einer Vorlauftemperatur von 50 °C. Dezentrale Frischwasserstationen bereiten das Warmwasser. Sie funktionieren über Wärmetauscher, ähnlich dem Durchlauferhitzerprinzip, werden aus einem der Speicher gespeist und sind jedem Sanitärbereich zugeordnet. Bei niedrigen Speichertemperaturen von 50 °C und verringerten Zirkulationslaufzeiten gewährleistet dies den erforderlichen Legionellenschutz und bewirkt eine höhere Effizienz der solarthermischen Anlage. Eine Fußbodentemperierung deckt den Heizwärmebedarf der Räume. Die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe wird durch niedrige Vorlauftemperaturen im Heizungssystem von ca. 25 °C und ein auf eine hohe Entnahmetemperatur ausgelegtes Erdreichsondenfeld verbessert. Im Sommer kann über das Leitungssystem der Fußbodenheizung bei Bedarf die Kühlenergie aus den Erdreichsonden über einen Wärmetauscher genutzt werden. Die in die differenzierte Dachgeometrie des Gebäudes integrierte Solarstromanlage mit 344 m2 Modulfläche multikristalliner Zellen und einer Leistung von 49 kWp wird aus der normalen Straßen-Perspektive nicht wahrgenommen. Über die Netzkopplung deckt sie den gesamten Stromverbrauch von Wärmepumpe, Beleuchtung, Hilfsenergie, Bürogeräten und Küche (Abb. B 21.06). ENERGIEBILANZ Für Heizung, Lüftung, Beleuchtung, Warmwasser und den Betrieb aller elektrischen Geräte hat das Gebäude rechnerisch einen jährlichen Nutzenergiebedarf von 61 kWh/m2a (34 kWh/m2a Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser und 27 kWh/m2a für Strom). Schon nach den ersten zwölf Monaten nach der Inbetriebnahme und einer Datenerfassung durch Bayer MaterialScience wird im November 2009 festgestellt, dass der gemessene Verbrauch um mehr als 10 % unter den Prognosen der Simulationen liegt. Der Ertrag der Solarstromanlage übertrifft hingegen das vorhergesagte Ergebnis um mehr als 20 %, sodass das Ziel der 100-prozentigen Energieversorgung aus regene-
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B 21.09
Primärenergiegutschrift [kWhprim/m2NGF a]
162
150
e
gi
er
rativen Energien und der Status des CO2-neutralen Gebäudes deutlich übererfüllt wird. Die jährliche Emissionsbilanz ergibt eine Einsparung von insgesamt knapp 50 Tonnen CO2 – neun Tonnen mehr als erwartet (Abb. B 21.09, S. 161, 10 und 11).
n lle
Nu
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90
ERFAHRUNGEN Kinder und Betreuer bezeichnen die Erfahrungen mit und in diesem Gebäude als sehr positiv. Der Raumeindruck und die indirekte Tageslichtnutzung sind angenehm. Die Nutzung stellt sich als unkompliziert und intuitiv bedienbar heraus. Vor allem der thermische Komfort wird als behaglich beschrieben. Das liegt zum einen an den sehr geringen Luftmengen, die zugfrei in den Raum gelangen, und zum anderen an den temperierten Flächen, welche die Restheizwärme über sehr geringe Temperaturdifferenzen unmerklich an den Raum abgeben und die Bodenflächen erwärmen, auf denen die Kinder häufig spielen. Das Bauvorhaben Kindertagesstätte Monheim wird während der Planung vom Bundeswirtschaftsministerium mit dem Preis »Energieoptimiertes Bauen 2009 – Architektur mit Energie« ausgezeichnet und das fertige Gebäude mit der »Auszeichnung guter Bauten 2010« vom BDA sowie dem »green building award« 2011 der EU gewürdigt.
60
30
0 0
30
60 90 120 150 Primärenergiebezug [kWhprim/m2NGF a]
Folgende Aspekte ergeben den NEH-18-Standard: z jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch inklusive aller Verbraucher (80 kWh/m2a) z Eigenbedarfsdeckung durch monatlich anrechenbare Erträge (62 kWh/m2a) z Ausgleich verbleibender Verbräuche durch monatliche Überschüsse z jährliches Energieplus, Einspeisung in öffentliches Stromnetz (18 kWh/m2) Die geringen Verbräuche resultieren aus der Gebäudeeffizienz und der überwiegenden Tagnutzung. Sie können durch die großen Solarstromanlagen in insgesamt acht Monaten mehr als ausgeglichen werden.
B 21.10 energetische Charakterisierung B 21.11 monatliche Bilanzgrafik, Primärenergie B 21.12 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehen sich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
Primärenergiefaktoren nach DIN 18 599 (siehe Abb. A 2.07, S. 31)
[kWh/m2a]
Heizwärme
Trinkwarmwasser
Strom Sonstige
Photovoltaik
20 18 16 14 12
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Monheim (D) 900 kWh/m2a 10,0 °C suburban
Kennwerte Gebäudehülle U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Oberlichter (inkl. Rahmen) U-Wert Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,14 0,94 0,10 0,94 0,09 0,15
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarkollektoren Fläche Fläche pro m2 thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2 Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
22 m2 0,02 m2/m2 1000 l 1 l/m2 344 m2 0,34 m2/m2 49 kWp 50,60 Wp /m2
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz Energieträger Bezug Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskomponenten, mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Photovoltaik, Solarthermie, geothermische Wärmepumpe, Tageslichtoptimierung
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A/V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
969 m2 1218 m2 5105 m3 2877 m2 0,56 m2/m3 2200 €/m2 (2009) 1 Stück 71 Personen (60 Kinder + 11 Mitarbeiter)
10 8 6 4 B 21.10 B 21.11 B 21.12
2 0 Jan
Feb
Mrz
Apr
Mai
Jun
Jul
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Sep
Okt
Nov
Dez
VERBRAUCHSKENNWERTE (2010) Heizwärmebedarf Bedarf Warmwassererwärmung Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) Strombedarf Primärenergieverbrauch gesamt Primärenergieerzeugung (simuliert) gesamt
kWh/m2a 16 8 6 25 80 116
BILDUNGSGEBÄUDE
Die dreizügige Grundschule mit Dreifach-Sporthalle wird 2011 in Hohen Neuendorf fertiggestellt. Die Stadt reagiert damit auf das stetige Wachstum der Region am nördlichen Stadtrand Berlins und auf die daraus resultierende zunehmende Nachfrage nach Grundschulplätzen. Das Energiekonzept des 7400 m2 großen Gebäudes basiert auf der Bauweise als Passivhaus und der Nutzung lokal verfügbarer, regenerativer Energiequellen zur Bedarfsdeckung. Durch Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplung und eine Solarstromanlage ist sowohl die rechnerische Primärenergieals auch die Emissionsbilanz ausgeglichen, sofern nur die gebäudetechnischen Verbräuche betrachtet werden. Die Schule ist damit eine der
B 22.01 Ansicht von Südwesten vor der Fertigstellung B 22.02 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:1500
ersten in Deutschland, die als Plusenergiegebäude errichtet wird. ENTWICKLUNG, PLANUNG UND AKTEURE Der »Grüne i-Punkt von Berlin« zu sein ist das Leitbild der Stadt Hohen Neuendorf. Ihr war es deshalb als Bauherr der neuen Grundschule im Stadtteil Niederheide ein Anliegen, höchste Anforderungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit in Bau und Betrieb sowie des Nutzungskomforts unter Beachtung von günstigen Investitions- und Baunutzungskosten umzusetzen. Durch die sichtbare Integration der Solarstromanlage sowie der Sonnenschutz- und Lüftungselemente wird das Image eines Plusenergiegebäudes auch als optisches Signal umgesetzt.
GRUNDSCHULE
163
Hohen Neuendorf, D 2011
TGA
Bauherr: Stadt Hohen Neuendorf Architekt: IBUS Architekten und Ingenieure Prof. Ingo Lütkemeyer, Dr. Gustav Hillmann, Hans-Martin Schmid, Berlin/Bremen Energieplaner: IBUS Architekten/BLS Energieplan, Berlin Technische Gebäudeausrüstung: BLS Energieplan, Berlin Monitoring: sol∙id∙ar planungswerkstatt Berlin HTW/IB, Prof. Dr. Friedrich Sick, Berlin Hauptakteure: Architekt und Energieplaner
1 Klassenzimmer mit Flex-/Gruppenraum 2 Fachraum 3 Lehrerzimmer/ Verwaltung 4 Bibliothek 5 Aula 6 Küche 7 Sporthalle 8 Geräteraum
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GRUNDSCHULE IN HOHEN NEUENDORF
1
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B 22.01 B 22.02
1 Klassenraum 2 Ruhezone bzw. Flex-/Gruppenraum 3 Garderobe/Umkleide 4 WC 5 direkte Belichtung 6 indirekte Belichtung 7 Tageslichtlenkung/ Blendschutz 8 Zuluft 9 Abluft 10 natürliche Belüftung
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7
Damit werden im Verlauf der Planung die Voraussetzungen für ein Projekt im Rahmen des Förderkonzepts »Energieoptimiertes Bauen« (EnOB) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geschaffen. Gefördert werden besonders innovative bauliche Maßnahmen und ein mehrjähriges Monitoring.
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5
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8 10
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1 3 8 2 B 22.03 B 22.04 B 22.05
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ARCHITEKTUR Die Kubatur und Gestalt des Schulkomplexes folgt den funktionalen und technischen Erfordernissen. Das Grundstück liegt an einem Sportplatzgelände, von dem sich die Schule über einen zweigeschossigen Gebäuderiegel abgrenzt (Abb. B 22.01 und 02, S. 163). Er bildet mit einer zentralen, langgestreckten und lichtdurchfluteten Halle das Rückgrat der Schule. Richtung Westen öffnet sich das Gebäude hiervon abgehend und der funktionalen Struktur der Schule folgend kammartig zum Schulhof. Sämtliche Funktionsbereiche der Schule sind von der Halle aus unmittelbar zu erreichen: Auf der östlichen Seite befinden sich die Bibliothek, die Fachunterrichtsräume und die Aula als Mehrzweckraum (Mensa) mit den dazugehörigen Nebenräumen. Gegenüber gehen drei Gebäudeflügel ab, in denen die Klassenräume den Jahrgängen entsprechend angeordnet sind. Die Verwaltung befindet sich unmittelbar am Haupteingang am südlichen Ende der Halle. Das Lehrerzimmer liegt darüber im Obergeschoss. Die Unterrichtsbereiche in den Unterrichtsflügeln sind nach Süden ausgerichtet und überwiegend einbündig organisiert, so-
dass über teilweise verglaste Innenwände eine zweiseitige Tageslichtbeleuchtung gegeben ist. Die Flurzonen und Nebenräume befinden sich auf der Nordseite. Die Erschließungshalle bietet einen externen Zutritt in die Aula und die Schülerbücherei auch außerhalb der Unterrichtszeiten. Solange die Schule nicht durchgängig dreizügig genutzt wird, kann zudem der benachbarte Hort einige Räume nutzen. An den dritten Klassenraumflügel angrenzend schließt die Sporthalle mit Ihren Nebenräumen den Baukörper nach Norden hin ab. Sie verfügt über einen unabhängig von der Schule nutzbaren Eingangs- und Erschließungsbereich und kann ebenfalls außerhalb des Schulbetriebs z. B. durch Vereine genutzt werden. Im Erdgeschoss befinden sich das in drei Bereiche teilbare, 1200 m2 große Spielfeld sowie Geräte- und Nebenräume. Im Obergeschoss liegen die Umkleiden mit den dazugehörigen Sanitäreinheiten. KONSTRUKTION UND DÄMMUNG Die der Gebäudekonzeption zugrunde liegenden aktuellen grundschulpädagogischen Konzepte definieren Unterricht nicht mehr als klassischen Frontalunterricht, sondern fordern u. a. selbstständige Prozesse, vielfältige Unterrichtssituationen und jahrgangsübergreifende Gruppenzusammensetzungen. Daher sind in der Größe anpassbare und flexibel nutzbare Räume für Projektarbeiten und für die Nutzung unterschiedlicher Medien nötig. Die hierzu entwickelten sogeBILDUNGSGEBÄUDE
165
B 22.03 Schnitt durch den Heimatbereich, Maßstab 1:250 B 22.04 Tageslichtbeleuchtung des Heimatbereichs, Maßstab 1:250 B 22.05 Lüftungskonzept des Heimatbereichs, Maßstab 1:250
nannten Heimatbereiche bilden aus Unterrichtsraum, angegliedertem Flex- oder Gruppenraum und einer eigenen erweiterten Flurzone mit Garderobe und WC-Räumen je einen Cluster. Sie ermöglichen den Kindern, sich mit ihrem eigenen überschaubaren Bereich zu identifizieren. Alle Lehr- und Nebenräume sind durch Transparenz und Offenheit geprägt, individuell gestaltbar und fördern bei den Schülern ein Gefühl der Verantwortlichkeit für ihren Bereich (Abb. B 22.04). Die tragenden Wandbauteile in Massivbauweise sind ebenso wie die Dächer und Bodenplatten in Stahlbeton errichtet. Die Fassade ist zweischalig mit einer Ziegel-Vormauerschale und Mineralwolledämmung (20 cm) ausgeführt und erreicht einen U-Wert von 0,15 W/m2K. In den Brüstungsbereichen der südorientierten Klassenraumfenster und der ostorientierten Fachraumfenster und zur Minimierung kleinflächiger Wärmebrücken werden Vakuum-Dämmpaneele eingesetzt. Das Dach ist unter einer extensiven Dachbegrünung mit 35 cm Mineralwolle gedämmt. Im Bereich der Bodenplatte führen eine 8 cm dicke Dämmung oberhalb sowie eine weitere lastabtragende Dämmung unterhalb der Sohlplatte zu einem UWert von 0,10 W/m2K. Die hochwärmegedämmte Konstruktion ist weitestgehend wärmebrückenfrei. Die bauliche Detailausbildung zielt auf eine hohe Luftdichtheit im Rahmen der Passivhausanforderungen. Die Fenster weisen mit einer DreischeibenWärmeschutzverglasung in einem Holz-AluminiumRahmen einen U-Wert von unter 0,8 W/m2K auf. GRUNDSCHULE IN HOHEN NEUENDORF
ENERGIEEFFIZIENZ Die technische Konzeption ist unmittelbar mit der räumlichen Konfiguration verknüpft. Eine gute natürliche Beleuchtung in den Klassenräumen bei unterschiedlichen Unterrichtssituationen wird durch den Tageslichteinfall von mehreren Seiten ermöglicht (Abb. B 22.03 und 04). Auf äußere Bedingungen der verschiedenen Orientierungen und innere Anforderungen durch unterschiedliche Unterrichtssituationen wird mit dem Einsatz von spezifischen Sonnenschutz- und Tageslichtsystemen reagiert. Das können lichtstreuende Nanogel-Verglasungen und lichtlenkende oder in der Transparenz schaltbare elektrochrome Verglasungen sein. Die Klassenräume erhalten eine raumtiefenabhängige Lichtsteuerung mit parallel zur Fensterfront verlaufenden Leuchtbändern und mehreren über die Raumtiefe verteilten Lichtsensoren. Der über die Raumtiefe abnehmende Tageslichtanteil lässt sich so mit geringstem Licht-/Energieeinsatz kompensieren und die Beleuchtungsstärke im gesamten Raum auf gleichem Niveau halten. In den Verkehrsbereichen sorgen LED-Leuchten für eine bedarfsgesteuerte Grund- und Orientierungsbeleuchtung. Dimmbare konventionelle Langfeldleuchtstoffröhren werden über Präsenz- und Lichtsensoren zugeschaltet, wenn mit den LEDs allein das notwendige Lichtniveau nicht mehr eingehalten werden kann. Für die Sicherheitsbeleuchtung werden ausschließlich mit LEDs bestückte Lampen genutzt. Durch den kombinierten Einsatz wird das nach
derzeitiger Marktlage optimale Kosten-Nutzen-Verhältnis bei höchster Energieeffizienz erreicht und werden die thermischen Belastungen in den Sommermonaten minimiert. HAUSTECHNIK Jeder Heimatbereich erhält eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (82 %). Die Lufttransportwege und Druckverluste können somit kurz gehalten werden. Frischluft wird in den Klassenräumen bereitgestellt, strömt über die Flurbereiche und wird in den Garderoben und WC-Räumen abgeführt. Somit wird die für das WC ohnehin benötigte maschinelle Abluft bzw. Luftmenge mehrfach und effizient genutzt. Die Lüftungsanlage kann bei Bedarf in eine zweite, höhere Stufe geschaltet werden. Es sind Lüftungsgeräte mit Doppelventilatoren vorgesehen, sodass die Antriebsmotoren in jeder Stufe im Effizienzmaximum arbeiten. Neben der maschinellen Grundlüftung ist eine freie Lüftung über deckenhohe, motorisch angetriebene Lüftungsflügel vorgesehen. Die Höhe der Flügel wirkt sich positiv auf das Anströmprofil aus, da im oberen Bereich warme, verbrauchte Luft ab- und gleichzeitig im unteren Bereich kühlere Frischluft ungehindert einströmen kann. Die Drehflügel eignen sich damit gut für das automatische Stoßlüften in den Pausen, in denen diese automatisch öffnen. Beide Lüftungsarten werden abhängig von den Nutzungs- und Außenluftbedingungen verschieden miteinander kombiniert, zentral gesteuert und
Endenergiebezug
erneuerbare Energie
Solarstromanlage
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Energieverbrauch
Holzpellets
Abluft
Energieerzeugung gebäudenah
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
BHKW
Zuluft
Pelletkessel
Trinkwarmwasser
Speicher
Heizung
elektrische Verbraucher
Stromnetz
[kWh/m2NGFa]
Wärmebedarf Strombedarf Beleuchtung Warmwasserbedarf
Strombedarf Nutzer Strombedarf Kühlung Stromerzeugung BHKW
können auch auf lokale Erfordernisse reagieren. Zusätzlich kann der Nutzer jederzeit das Raumklima über ein manuell zu öffnendes Fenster beeinflussen. Die motorischen Fensterflügel mit Wetter- und Einbruchschutz ermöglichen in Kombination mit der großen Speichermasse der massiven Gebäudestruktur eine freie Nachtlüftung gegen sommerliche Überhitzung ohne Aufwendung elektrischer Energie. Um die Speicherwirkung der Geschossdecken nicht zu beeinträchtigen und dennoch eine akustische Bedämpfung zu ermöglichen, kommen Breitbandabsorber nur an den Wandflächen zum Einsatz. ENERGIEVERSORGUNG Bei der Erstellung des Energiekonzepts steht die Verwendung einer »schlanken Gebäudetechnik« im Vordergrund. Durch sparsam und gezielt eingesetzte Gebäudetechnik werden die Lebenszykluskosten der technischen Anlagen gesenkt und der Energiebedarf des Gebäudes verringert. Um eine CO2-Neutralität zu erreichen und die Zielsetzungen des Plusenergiekonzepts zu erfüllen, basiert die Energieversorgung auf einer nachhaltigen Energieerzeugung durch nachwachsende Rohstoffe sowie solarer Energienutzung. Ein 220-kWth-PelletHeizkessel deckt die Hauptwärmelast des Gebäudes. Ein 10-kWth-Pellet-BHKW (1,5 kWth) ist zur Unterstützung bei der Warmwasserbereitung und zum
Strombedarf Belüftung Stromerzeugung PV
6 5 4 3 2 1
B 22.06 B 22.07
0 Jan
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Mai
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B 22.06 technische Übersicht der Energieversorgung B 22.07 Diagramm mit den (monatlichen) Bedarfs- und Erzeugungswerten (synthetisiert) B 22.08 energetische Charakterisierung B 22.09 Gebäude- und Energiekennwerte (die Werte beziehensich auf die Nettogeschossfläche, NGF)
BILDUNGSGEBÄUDE
ENERGIEBILANZ Mit der Erzeugung von elektrischer Energie durch das Pellet-BHKW und die Solarstromanlage soll der Primärenergiebedarf der Schule kompensiert und in der Primärenergiebilanz mehr Energie erzeugt als verbraucht werden. Es werden planerisch nur die nach EnEV 2009 festgelegten Energieströme erfasst. Zum Energiebedarf zählen somit die Wärme- und Hilfsenergie für Raumbeheizung und Trinkwassererwärmung, die Hilfsenergie für Lüftung und Kühlung sowie der Strom für Beleuchtung. Als Bilanzgrenze gilt die Gebäudehülle. Die Bilanz bezieht die hierzu anfallenden Energiemengen ein, die innerhalb eines Jahres über die Bilanzgrenze fließen. Der regenerative Brennstoff Holz senkt mit seinem niedrigen Primärenergiefaktor von 0,2 den jährlichen Gesamtprimärenergiebedarf für die Wärme- und Warmwasserversorgung sowie Lüftung, Kühlung und Beleuchtung (Umrechnungsfaktor 2,6) auf knapp 39 kWh/m2NGFa (ohne Stromeinspeisung durch BHKW) und verursacht geringe CO2-Emissionen in Höhe von 9 kg/m2NGFa. Als Gutschrift werden die Stromeinspeisung aus der Photovoltaik (21 kWhprim /m2NGFa) und der Kraft-Wärme-Kopplung
(18 kWhprim /m2NGFa) gegenübergestellt. Die CO2-äquivalenten Gutschriften belaufen sich auf knapp 10 kg m2a. Zuzüglich eines anzunehmenden, aber im Entwurf nicht bilanzierten, nutzungsspezifischen Strombedarfs in Höhe von 5 kWhprim/m2NGFa ergibt sich eine Deckungslücke von ca. 6 kWhprim/m2NGFa bzw. 2 kgCO2/m2NGFa. Ohne eine Reduzierung des Energiebedarfs erforderte dies eine zusätzliche Solarstromleistung von ca. 16 kWp (Abb. B 22.07 und 08). ERFAHRUNGEN Zu Beginn des Projekts war geplant, die Ermittlung des Energiebedarfs nach DIN V 18 599 unter Zuhilfenahme einer StandardEnEV-Berechnungssoftware durchzuführen. Tests verschiedener Softwarelösungen zeigten jedoch insbesondere im Zusammenhang mit dem Pellet-BHKW stark schwankende Rechenergebnisse. Aus diesem Grund wurde der Energiebedarf auf der Basis zonenweiser Simulation mit anschließender Extrapolation auf das gesamte Gebäude ermittelt. Da das Gebäude erst im Jahr 2011 fertiggestellt wird, liegen noch keine Betriebserfahrungen vor. Für die Optimierung des Gebäudes ist eine zweijährige Monitoring-Phase vorgesehen. Hier werden die in die Bilanz einfließenden Größen von der Hochschule für Wirtschaft und Technik Berlin messtechnisch erfasst und ausgewertet. Die Ergebnisse werden zukünftig auf der Internetseite des Förderkonzepts EnOB zur Verfügung gestellt.
STANDORT Jahresglobalstrahlung vor Ort Jahresmitteltemperatur vor Ort städtebauliches Umfeld
Hohen Neuendorf (D) 1000 kWh/m2a 9,3 °C suburban
thermischer Speicher Volumen Speichervolumen pro m2 KWK Leistung Leistung pro m2
KENNWERTE GEBÄUDEHÜLLE U-Wert Außenwände U-Wert Fenster (inkl. Rahmen) U-Wert Dachfläche U-Wert Oberlichter (inkl. Rahmen) U-Wert Kellerdecke/Bodenplatte mittlerer U-Wert der Gebäudehülle
W/m2K 0,14 0,80 0,11 0,80 0,10 0,20
NETZINFRASTRUKTUR UND ENERGIETRÄGER Infrastruktur Bezug Stromnetz, Anlieferung der Holzpellets Energieträger Bezug Holzpellets, Strom Infrastruktur Einspeisung Stromnetz Energieträger Einspeisung Strom
KENNWERTE GEBÄUDETECHNIK Solarstromanlage Fläche Fläche pro m2 Leistung Leistung pro m2
412 m2 0,06 m2/m2 55 kWp 8,40 Wp /m2
GRUNDSCHULE IN HOHEN NEUENDORF
4300 l 0,66 l/m2 10 kWth 1,50 Wth/m2
LÖSUNGSSTRATEGIEN, KONZEPTSCHWERPUNKTE Passivhauskomponenten, Mikro-Kraft-Wärme-Kopplung mit Biomassenutzung, Photovoltaik, hybrides Lüftungskonzept, Vakuumdämmung, Tageslichtoptimierung
Primärenergiegutschrift [kWhprim/m2NGFa]
Ausgleich der Zirkulationsverluste vorgesehen. Es generiert ebenso wie eine 55-kWp-Photovoltaikanlage auf den geneigten Dachflächen Strom zur Deckung des Eigenbedarfs und zur Netzeinspeisung (Abb. B 22.06).
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60 90 120 150 Primärenergiebezug [kWhprim/m2NGFa]
Alle Verbraucher können nicht komplett ausgeglichen werden. Konzeptionell sind nutzerspezifische Verbraucher in der Energiebilanz nicht vorgesehen. z berechneter Jahres-Gesamtprimärenergieverbrauch (44 kWh/m2a) z gebäudespezifische Primärenergieverbräuche (39 kWh/m2a) z Eigenbedarfsdeckung durch monatlich anrechenbare Erträge (38 kWh/m2a) z zusätzliche Energieerzeugung (1 kWh/m2) Das hohe Maß an monatlich anrechenbaren Erträgen liegt an der Kombination von Solarstromanlage und BHKW sowie deren alleiniger Auslegung für den Ausgleich gebäudespezifischer Verbräuche. Primärenergiekennwerte nach DIN 18 599 (siehe Abb. A 2.07, S. 31)
GEBÄUDEKENNWERTE Nettogrundfläche NGF Bruttogrundfläche BGF Bruttovolumen V Hüllfläche A A/V-Verhältnis Bauwerkskosten (netto, KG 300/400) Nutzeinheiten Anzahl Nutzer (gesamt)
6563 m2 7414 m2 38 184 m3 15 021 m2 0,39 m2/m3 1252 €/m2 (2011) 2 Stück 540 Personen
BEDARFSKENNWERTE (Simulationen aus 2010) kWh/m2a Heizwärmebedarf 19 Wassererwärmung 6 Endenergie Wärme (inkl. Warmwasser) 35 Strombedarf 13 Primärenergiebedarf gesamt 44 Primärenergieerzeugung gesamt 39 B 22.08 B 22.09
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SOLAR DECATHLON EUROPE Madrid, E 2010 TGA
Team Rosenheim: Hochschule für angewandte Wissenschaften Rosenheim Team Stuttgart: Hochschule für Technik Stuttgart Team Wuppertal: Bergische Universität Wuppertal Team Berlin: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Universität der Künste Berlin und Beuth Hochschule für Technik Berlin
B 23.01
Um die Entwicklung innovativer Energiekonzepte zu unterstützen, veranstaltet das U.S. Department of Energy (DOE) im Oktober 2002 zum ersten Mal einen Wettbewerb – den Solar Decathlon. Ausgewählte Hochschulteams aus aller Welt treten dabei mit ihren Solarhäusern im Praxistest unter denselben klimatischen Bedingungen zum Wettkampf an. Seit 2005 wird der Solar Decathlon regelmäßig im Abstand von zwei Jahren auf der National Mall in Washington ausgetragen. 2008 fällt der Startschuss für den Solar Decathlon Europe 2010 in Madrid, der auch 2012 erneut dort stattfinden wird. In integralen Projektteams verknüpfen die Studierenden ihr Wissen aus den unterschiedlichsten Bereichen von Architektur über Bauingenieurwesen und Maschinenbau bis hin zu Ökonomie sowie Produktund Mediendesign. SOLARER ZEHNKAMPF – DER WETTBEWERB Im Herbst 2008 qualifizieren sich aus 100 Bewerbern 21 Hochschulteams aus der ganzen Welt für den Solar Decathlon Europe. Diese planen, entwickeln und realisieren ihre Gebäude über eine Projektlaufzeit von 18 Monaten zunächst am jeweiligen Hochschulstandort, um sie anschließend zum Austragungsort nach Madrid zu transportieren, innerhalb von zehn Tagen aufzubauen und für weitere zehn Tage im Wettbewerb zu betreiben (Abb. B 23.01). Da vier Teilnehmer aus verschiedenen Gründen vorzeitig aus dem Wett-
bewerb ausscheiden, nehmen am Finale insgesamt 17 Teams aus sieben Ländern (China, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien, USA) mit ihren Häusern teil. Aus Deutschland qualifizieren sich vier deutsche Hochschulteams aus Rosenheim, Stuttgart, Wuppertal und Berlin. Ein strenges Wettbewerbsreglement, das allgemeine Grundlagen und alle weiteren Vorgaben genau definiert, garantiert für alle Wettbewerbsteilnehmer gleiche Voraussetzungen. Die Solarhäuser dürfen auf einer Grundfläche von maximal 74 m2 eine Höhe von 5,50 m nicht überschreiten. Weitere Festlegungen betreffen die Anforderungen an den Raumkomfort. Unter den klimatischen Bedingungen Madrids im Austragungsmonat Juni sollen beispielsweise 23 –25 °C Innenraumtemperatur bei 40 – 55 % Luftfeuchte erreicht werden. Ausgelegt für einen ZweiPersonen-Haushalt mit voll ausgestatteter Küche, Bad und Arbeitsplatz, stellen sich die Gebäude nicht nur den technischen Anforderungen eines Wohnhauses, sondern darüber hinaus den hohen Erwartungen an innovative Konzepte zum Wohnkomfort. Der Name Solar Decathlon, also Solarer Zehnkampf, verweist auf die zehn Wettbewerbsdisziplinen, in denen in der Summe 1000 Punkte zu erreichen sind (Abb. B 23.02). Diese Punkte erzielen die einzelnen Teams während der Wettbewerbsphase einerseits durch die Präsentation des eigenen Konzepts gegenüber interdiszipli-
B 23.01 Villa Solar 2010: Die erste europäische Ausgabe des Solar Decathlon wurde in Madrid ausgetragen. B 23.02 Wettbewerbsstruktur und Punkteverteilung des Solar Decathlon Europe 2010. Insgesamt werden 1000 Punkte in 10 Disziplinen vergeben.
EXPERIMENTELLE BAUTEN
Architektur
120
Jury
120
Gebäudetechnik & Konstruktion
80
Jury
80
solare Systeme & Warmwasser
80
elektrische Energiebilanz
120
Komfort & Raumklima
120
Haushaltsgeräte & Funktionalität
120
Kommunikation & gesellschaftliche Wahrnehmung
80
Industrialisierung & Marktfähigkeit
80
Jury
80
Innovation
80
Jury
80
Nachhaltigkeit
120
Jury
120
Architektur
Jury
169 Aufgabe Warmwasserbezug
60
20
Solar Messung positive Energiebilanz Messung 70 Temperatur
75
Messung höchster Solarstromertrag
Messung 10 Luftfeuchtigkeit
Messung 5 Luftqualität
10
Messung Erzeugung / Verbrauch
Aufgabe Beleuchtungsstärke
20
35
Messung 15 Akustik
Komfort Messung 10 Kühl-/Gefrierschrank
Jury
Aufgabe 55 Waschen/Spülen
Aufgabe 10 Unterhaltungstechnik
Aufgabe 35 Kochen
Aufgabe Darstellung des Projekts
55
Aufgabe 10 Dinner
25
Soziales und Wirtschaft
Strategie B 23.02
nären Experten-Jurys, andererseits durch das Einhalten der im Reglement festgelegten und vor Ort gemessenen Energie- und Raumklimawerte. Dabei gehen die Ansprüche weit über die essenziellen Anforderungen architektonischer und technischer Lösungen hinaus, denn auch logistische, ökonomische und soziokulturelle Fragen nehmen einen großen Stellenwert ein. Während der zehntägigen Wettbewerbsphase erfassen Messgeräte alle relevanten Daten eines simulierten durchschnittlichen Zwei-Personen-Haushalts. Sämtliche Energieverbraucher werden in einem festgelegten Umfang betrieben, um vergleichbare Verbrauchswerte aller Gebäude zu generieren. Es wird täglich gekocht, Wäsche gewaschen, Warmwasser bereitgestellt und das HomeSOLAR DECATHLON EUROPE IN MADRID
Entertainment betrieben. Ziel ist es, den Verbrauch zu größtmöglichen Anteilen durch eigens am Gebäude erzeugten Solarstrom zu decken sowie einen Überschuss von mindestens 40 kWh in das öffentliche Netz einzuspeisen. Die Platzierungen in den einzelnen Disziplinen und der Gesamtsieger werden durch die Jurybewertungen und die Auswertung der Messdaten ermittelt. ENERGETISCHE KONZEPTION Entgegen der ersten Wettbewerbsvarianten, in denen bis 2007 energieautarke Gebäude mit großen Batteriepuffern zu bauen waren, erhalten die Wettbewerbshäuser seit 2009 und so auch in Madrid 2010 einen Stromnetzanschluss. Die Anforderungen wurden auf
»net zero energy buildings« umgestellt. Entscheidend für das Erreichen der Netto-Plusenergiebilanz sind die Messwerte über die Wettbewerbsdauer. Eine ausgeglichene Jahresbilanz wird rechnerisch nachgewiesen. Bei den energetischen Konzepten stehen, bedingt durch den Wettbewerbsort und -zeitpunkt im heißen Madrid, der Sonnenschutz und eine effiziente Kühlung der Gebäude im Vordergrund. Ohne aktive Kühlung sind die raumklimatischen Ziele nicht zu erreichen. Die Warmwasserversorgung leisten Wärmepumpen, die teilweise durch Solarkollektoren unterstützt werden. Großflächige Solarstromanlagen decken den Strombedarf der Häuser und sorgen für die Einspeisung von Überschüssen ins Netz.
170
TEAM ROSENHEIM – IKAROS BAVARIA Das Solarhaus ist nach den Prinzipien eines Passiv- und Solarhauses geplant und aus 4 Modulen zusammengesetzt. Im Wettbewerb erreicht das Team den 2. Platz in der Gesamtwertung sowie drei 1. Plätze in den Disziplinen Elektrische Energiebilanz, Komfort & Behaglichkeit und Haushaltsgeräte & Funktionalität. Auch der 1. Platz für den Sonderpreis Lichtdesign geht an das Team IKAROS Bavaria. ARCHITEKTUR Das Gebäude mit einer Wohnfläche von rund 65 m2 besteht aus vier Modulen in hochwärmegedämmter Holz-Skelett-Bauweise. Ein System aus modularen Raumzellen mit hohem Vorfertigungsgrad wird den Vorgaben der Transportfähigkeit und des zeitlich begrenzten Auf- und Abbaus gerecht, wobei sich alle Abmessungen an den üblichen LKW-Transportmaßen orientieren. Die Module erreichen mit integriertem Innenausbau und technischer Installation einen Vorfertigungsgrad von über 90 %. Auf der Baustelle werden die einzelnen Bestandteile des Gebäudes lediglich zusammengesetzt. Der kleine Innenraum wird durch flexible Möbelsysteme sowie eine Mehrfachbelegung der Grundfläche mit unterschiedlichen Wohnfunktionen effizient genutzt. Raumhohe Glasflächen öffnen den Wohnbereich zum Außenraum und sorgen für ausreichende Belichtung (Abb. B 23.03). Durch einen eigens entwickelten faltbaren Sicht- und Sonnenschutz kann der Bewohner die Umwelt individuell einbeziehen oder ausblenden. Die Verschattung besteht aus einer faltbaren Zackenstruktur, die nach Bedarf von unten nach oben beliebig positionierbar oder im geöffneten Zustand unterhalb des Hauses im Terrassenboden versenkbar ist. Je nach Sonnenstand erhält das Gebäude dadurch fortlaufend ein anderes Gesicht. ENERGIEEFFIZIENZ UND -VERSORGUNG Hohe Kühllasten werden durch eine gute Wärmedämmung, höchste Luftdichtheit, den effizienten Sonnenschutz und eine aktive Wohnraumlüftung mit Kälterückgewinnung vermieden. Durch den Einsatz von Vakuumdämmpaneelen (46 mm) sowie einer zusätzlichen Flachsdämmung (80 –120 mm) in den Zwischenräumen der Holzständerkonstruktion erreicht die gesamte geschlossene Gebäudehülle U-Werte
unter 0,1 W/m2K. Um alle Anforderungen hinsichtlich des Schall-, Wärme- und Sonnenschutzes zu erfüllen, wurde bei den großzügigen Fensterflächen auf der Süd- und Nordseite ein spezielles Drei-Scheiben-Isolierglas eingesetzt. Die verbleibenden Kühllasten werden mit der Unterstützung von passiven Systemen gedeckt: zum einen durch eine Strahlungskühlung, die mit der Oberfläche der Photovoltaikmodule am Dach arbeitet, und zum anderen durch den Einsatz von Phasenwechselmaterialien (siehe Phasenwechselmaterialien, S. 19). In kühlen, klaren Nachtstunden wird die Dachfläche kontinuierlich mit Wasser benetzt. Durch Konvektion, Strahlungsaustausch mit dem Nachthimmel und Verdunstung kühlt das Wasser ab und wird anschließend in einem gedämmten Speicher gesammelt. Dieser speist tagsüber die im Innenraum eingesetzte Heiz- bzw. Kühldecke. Unterstützt wird die Strahlungskühlung durch einen Lüftungskanal unterhalb des Gebäudes mit integriertem Phasenwechselmaterial (PCM). Warme Raumluft wird tagsüber gezielt durch den Kanal geleitet, gibt Wärme an das PCM ab und tritt gekühlt wieder in den Innenraum ein. Die Rückkühlung des PCM erfolgt nachts über kühle Außenluft. Spitzenlasten fängt eine reversible Sole-Wasser-Wärmepumpe ab. Der Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser wird über diese reversible Wärmepumpe gedeckt. In den Sommermonaten wird die bei der Kühlung anfallende Abwärme zur Warmwasserbereitung genutzt. Neben sparsamen Haushaltsgeräten wird auf eine besonders energiesparende LED-Beleuchtung gesetzt. Die gesamte Beleuchtung besitzt eine Anschlussleistung von lediglich 200 W. Die Solarstromanlage ist mit fast 70 m2 (12,6 kWp) gestalterisch zurückhaltend in das gesamte Flachdach integriert. Selbst am Standort Rosenheim erzeugt die Anlage in der Jahresbilanz deutlich mehr Solarstrom, als verbraucht wird. Auf eine thermische Solaranlage wurde aufgrund der Deckung des Warmwasserbedarfs durch die Wärmepumpe verzichtet. TEAM STUTTGART – HOME+ home+ verkörpert ein Wohnhaus, das die maßgeblichen energetischen Komponenten als prägende Elemente der Gestaltung einsetzt. Das Gebäude erreicht in der Gesamtwertung den 3. Platz. In den Disziplinen Gebäude-
technik & Konstruktion, Solarsysteme & Warmwasser sowie bei Innovation wird das Solarhaus jeweils mit dem 1. Preis ausgezeichnet, in den Kategorien Solarsysteme & Warmwasser und Haushaltsgeräte & Funktionalität mit dem 2. Preis. ARCHITEKTUR Das kompakte und gut gedämmte Gebäudevolumen mit einer Wohnfläche von 48 m2 gliedert sich in vier werkseitig vorgefertigte Holzrahmenmodule, die über Stahl-Glas-Fugen verbunden sind. Das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes bestimmt eine stromerzeugende Hülle aus teils polykristallinen bronze- und goldfarbenen Solarzellen an der Ost-und Westfassade sowie auf dem Dach (Abb. B 23.04). Zur Dachmitte hin gehen die farbigen Solarzellen zu großformatigen und effizienteren monokristallinen Photovoltaikmodulen über. Im Bereich der Gebäudefugen sind über der horizontalen Verglasung Vakuumröhrenkollektoren angeordnet. Neben der Warmwassererzeugung übernehmen diese zusätzlich die Funktion des Sonnenschutzes, ihre Absorberflächen wirken in ihrer Schrägstellung wie ein Shed-Dach. Eine der Fugen wird durch den sogenannten Energieturm überhöht, der im Zusammenspiel von Wind und Verdunstungskühlung zur Erzeugung eines angenehmen Innenraumklimas in heißen und trockenen Regionen beiträgt. Er bedient sich tradierter Prinzipien und Bauformen historischer Vorbilder aus entsprechenden Regionen wie zum Beispiel der Windtürme im arabischen Raum (siehe Stadtbauprojekt Masdar, S. 108ff.). Die Übertragung auf aktuelle Materialien und Technologien lässt ein zentrales Element entstehen, das bei niedrigem Energieverbrauch hohen Komfort ermöglicht. ENERGIEEFFIZIENZ UND -VERSORGUNG Die Wärmedämmung der Module erfolgt über Vakuumdämmpaneele (40 mm) und zusätzlich Schafwolle im Bereich von Decke (in der Summe 280 mm) und Boden (240 mm). Durch den Einsatz von RecyclingPolyurethan in der Unterkonstruktion der Dämmpaneele erreicht der Wandaufbau einen U-Wert von 0,13 W/m2K, der Decken-und Bodenaufbau einen U-Wert von 0,10 W/m2K. Die Verglasungen sind durchgängig in Dreifach-Wärmeschutzglas ausgeführt. EXPERIMENTELLE BAUTEN
SOLAR DECATHLON EUROPE IN MADRID
B 23.03 B 23.04
171
B 23.03 Team Rosenheim – IKAROS Bavaria. Ansicht aus Nord-Westen mit Wintergarten und geschlossenem Sonnenschutz B 23.04 Team Stuttgart – home+. Ansicht aus Süd-Osten mit
Endenergiebezug
Blick auf die Loggia: Glasfugen verbinden die geschlossenen Module. B 23.05 exemplarisches Energieversorgungskonzept des Wuppertaler Hauses
Energieverbrauch
erneuerbare Energie
thermische Solarkollektoren
Solarstromanlage
Abluft
adiabate Kühlung Energieerzeugung gebäudenah
Als Sonnenschutz fungieren an den östlich und westlich orientierten vertikalen Glasflächen Rollstores, während an der Südseite ein außen liegender Vorhang aus Glasfasergewebe diese Aufgabe übernimmt. Zusätzlich dient die Auskragung des Terrassenmoduls im Süden als saisonaler Sonnenschutz. Im Inneren des Energieturms werden abgehängte Stoffbahnen von oben über perforierte Leitungen gleichmäßig mit Wasser benetzt. Dadurch kühlt die durchströmende Luft von oben nach unten über Verdunstungskühlung ab und tritt anschließend quellluftartig in den Innenraum ein. Die warme Abluft verlässt das Gebäude durch öffenbare Bereiche im Dach neben dem Energieturm, den sogenannten Solarkaminen (siehe Stadtbauprojekt Masdar, S. 108ff.). Erst bei sehr hohen Temperaturen und Luftfeuchten wird auf die aktive Kühlung über ein adiabates Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung und eine reversible Wärmepumpe zurückgegriffen. Um den Leichtbau mit zusätzlicher thermischer Trägheit zu versehen, ist in der abgehängten Decke PCM integriert. Die aus dem Innenraum tagsüber aufgenommene Wärme wird nachts durch vorbeiströmendes kaltes Wasser wieder entzogen. Um das dazu notwendige Kühlwasser mit möglichst geringem Energieaufwand bereitzustellen, wird die langwellige Abstrahlung der Dachflächen gegen den kalten Nachhimmel genutzt, indem Wasser an der Rückseite der PV-Module entlanggeführt und somit abgekühlt wird. Diese speziell zur nächtlichen Strahlungskühlung entwickelten photovoltaischthermischen (PV/ T-)Kollektoren kühlen einen 1,2 m3 großen Speichertank, der tagsüber die Fußbodenkühlung speist und als Wärmesenke für die Wärmepumpe dient. Zur Stromerzeugung dienen die gesamte opake Gebäudehülle mit den farbigen polykristallinen PV-Zellen im Osten und Westen sowie die PV/TDachmodule mit monokristallinen Zellen, die den größten Anteil des jährlichen Stromertrags bereitstellen (6 kWp an den Fassaden, 6 kWp auf dem Dach). Solarthermische Kollektoren werden zur solaren Warmwasserbereitung und am späteren Standort in Stuttgart im Winter zusätzlich zur Heizungsunterstützung bzw. zur Erwärmung des Rückkühlspeichers als Wärmequelle für die Wärmepumpe genutzt.
Stromnetz
Batterien
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Zuluft
Wärmepumpe
Heizung / Kühlung
Speicher
Trinkwarmwasser
elektrische Verbraucher B 23.05
B 23.06
172
B 23.06 Team Wuppertal – Ein Haus für Europa. Die Südfassade mit Solarwand – PV-Module mit schwarzen, monokristallinen und blauen, polykristallinen Zellen erzeugen eine dynamische Pixelgrafik.
TEAM WUPPERTAL – EIN HAUS FÜR EUROPA Die Leitidee des Wuppertaler Projekts besteht von Beginn an in der Entwicklung eines Gebäudes, das seinen Standort vom Süden bis zum Norden Europas einnehmen kann – ein Haus für Europa. Es zielt dabei u. a. auf das Marktsegment der Ferienparks, wo Urlauber das Erlebnis »Wohnen im Plusenergiehaus« testen können und zur privaten Nutzung innovativer, energieeffizienter Technologien motiviert werden. Ein minimaler Ressourcenverbrauch des Hauses und seiner Bewohner ermöglicht an Standorten von Madrid bis Kopenhagen einen Energieausgleich ausschließlich durch Solarenergie. Im Wettbewerb wird das Wuppertaler Haus mit dem 2. Preis in der Kategorie Architektur ausgezeichnet. Darüber hinaus erzielt das Team den 3. Platz für Haushaltsgeräte & Funktionalität sowie den 2. Platz in der Sonderkategorie Lichtdesign. In der Gesamtwertung wird die 6. Platzierung erreicht. Das Solarhaus erhält außerdem die »Auszeichnung guter Bauten 2010« des BDA Wuppertal. ARCHITEKTUR Zwei solaraktive Wandscheiben sind die prägenden Elemente des Gebäudes und auffälliges Merkmal des architektonischen und energetischen Konzepts (Abb. B 23.06). Zwischen diesen beiden Solarwänden spannt sich der Innenraum von ca. 50 m2 auf, der sich mittels Glasschiebeelementen gänzlich und stützenfrei nach Osten, Westen und zum Außenraum erweitern lässt. Den oberen
Raumabschluss bildet ein auf den Wandscheiben aufliegender Körper, der den Raum auf seiner kompletten Länge von mehr als 12 m frei überspannt. Er definiert den teils zweigeschossigen Innenraum sowie einen Dachpatio. Das gesamte Gebäude inklusive der Terrassen ist so konzipiert, dass es aus 34 Großelementen montiert werden kann. Die äußere Hülle bildet im oberen Bereich eine vorgehängte, hinterlüftete Fassade aus Textilgewebe. Ergänzend dazu dienen beidseitig vor den Schiebefenstern angebrachte bewegliche Vorhänge gleichen Materials als Sonnenschutz. Die beiden Solarwände verdeutlichen die räumliche Verbindung von innen und außen und integrieren Photovoltaik und Solarthermie als gestalterisches Element. 115 individuell gestaltete PV-Module mit unterschiedlichen Zellentypen und transparentem Rückseitenlaminat bestimmen die Südwand. Das nördliche Wandelement nimmt auf seiner Südseite Vakuumröhrenkollektoren auf. Bestimmendes Element im Innenraum ist ein multifunktionales, begehbares Raummöbel, das auf zwei Ebenen alle häuslichen Funktionen sowie zentrale Elemente der Haustechnik beherbergt. ENERGIEEFFIZIENZ UND -VERSORGUNG Die hochwärmegedämmte, luftdichte Gebäudehülle besteht aus Holzstegträgerelementen mit Mineralfaserdämmung (300 mm mit WLG 032). Im Bereich des freispannenden Trägers aus Furnierschichtholz werden Vakuumdämmpaneele (80 mm) eingesetzt. Da-
mit erreicht die gesamte opake Gebäudehülle einen U-Wert von 0,1 W/m2K. Die Schiebefenster mit Dreifach-Wärmeschutzverglasung haben einen Uw-Wert von rund 0,8 W/m2K. Als Herzstück der Gebäudetechnik fungiert ein Lüftungskompaktgerät, das neben der aktiven Lüftung alle notwendigen Funktionen wie Heizen, Kühlen und Warmwasserbereitung übernimmt. Eine Wärmepumpe mit solarthermischer Unterstützung liefert die benötigte Energie zum Heizen und zur Warmwasserbereitung. Über hydraulische Umschaltung kann sie vom Heiz- auf Kühlbetrieb wechseln. Der Wärmetauscher des Geräts sorgt im Winter für eine Wärmerückgewinnung von über 80 %. Im Sommer wird er zur Kühlung der Zuluft durch indirekte Verdunstungskühlung (adiabate Kühlung) eingesetzt. Im Inneren des Gebäudes erhöhen Hohlkammerplatten mit PCM die thermische Masse und stabilisieren das Raumklima. Die Regenerierung der PCM übernimmt die freie Nachtlüftung über automatisch steuerbare Lüftungsklappen. Eine in den Fußboden integrierte wassergeführte Kühl- bzw. Heizfläche unterstützt die aktive Luftheizung bzw. -kühlung. Zur Minimierung des Stromverbrauchs wird konsequent auf Hocheffizienzgeräte bei der Gebäudetechnik, sparsame Haushaltsgeräte und innovative LEDBeleuchtung gesetzt. Als experimenteller Ansatz zur Senkung des Energieverbrauchs wurde eine nutzeraktive Lichtdecke entwickelt. Über Bewegungssensoren folgt das Licht dem Bewohner im Raum, woEXPERIMENTELLE BAUTEN
B 23.07a B 23.07b
173
B 23.07 Team Berlin – Living EQUIA. Blick aus Süden – die dunkle Außenhaut kombiniert Holz, Photovoltaik und Solarthermie. a geöffnete Verschattung b geschlossene Verschattung
durch nur dort Strom zur Beleuchtung verbraucht wird, wo das Licht tatsächlich benötigt wird. Die Stromerzeugung erfolgt über die Solarstromanlagen auf dem Dach (6,3 kWp) und in der Südwand (3,9 kWp). Das Energiemanagement zielt darauf ab, einen möglichst hohen Anteil des Stromverbrauchs direkt durch eigenen Solarstrom zu decken. Dazu verfügt das Haus über einen Batteriesatz mit 7,2 kWh Speicherkapazität, der in etwa den elektrischen Tagesbedarf puffern kann (siehe Das Problem der Langzeitspeicherung, S. 22f.). Die Batteriepufferung steigert die jährliche direkte Deckungsrate durch eigenen Solarstrom rechnerisch von rund 50 auf 90 % am Standort Madrid. TEAM BERLIN – LIVING EQUIA Die besondere Zielsetzung des Teams living EQUIA waren der Einsatz und die Integration von technischen Innovationen in eine traditionelle mitteleuropäische Bauform. Im Wettbewerb konnten der 10. Platz in der Gesamtwertung sowie der 2. Platz für Solarsysteme & Warmwasser erreicht werden. Für seine überzeugende Öffentlichkeitsarbeit wurde das Team Berlin mit dem 3. Preis in der Kategorie Kommunikation ausgezeichnet. ARCHITEKTUR Das Berliner Solarhaus orientiert sich durch sein Satteldach an der Gestalt eines traditionellen Haustypus. Die Verdrehung des Firsts um 12 Grad zum Grundriss erzeugt dennoch eine dynamische Gebäudeform (Abb. B 23.07). Der NeigungsSOLAR DECATHLON EUROPE IN MADRID
winkel des Satteldachs von 29 Grad bewirkt den größtmöglichen Solarstromertrag für unterschiedlichste Standorte. Zwei Lichtachsen definieren als architektonisches Gestaltungselement die verschiedenen Nutzungsbereiche im Innenraum. Zusätzliche großzügige Öffnungen an der Süd- und Westseite sorgen für ausreichend Tageslicht im Innenraum. Auf 49 m2 erstreckt sich der offene Wohnraum bis unter den Giebel. Lediglich Bad, Küche und Technikraum sind in einem Funktionskörper zusammengefasst. Der Konstruktion liegt ein Holztafelbausystem zugrunde, sodass sich das Gebäude zum Transport in einzelne Elemente zerlegen lässt. Wände, Boden und Dach sind in 31 Tafeln aufgeteilt. Trotz der durchgehenden Einschnitte durch die Lichtachsen steifen zwei Dreigelenkrahmen aus Stahlprofilen den Baukörper aus. Alle Elementtafeln bestehen aus einer Holzrahmenkonstruktion mit Holzfaserdämmung (240 mm). Im Innenraum bilden Lehmbauplatten die Oberflächen von Wänden und Decke. Zusätzliche thermische Speichermasse wird durch die Beimischung von PCM in den Lehmplatten im Wandbereich bereitgestellt. Die Deckenplatten werden durch ein integriertes Leitungssystem zur Bauteilaktivierung genutzt. Eine hinterlüftete Vorhangfassade aus abgeflammten Lärchenholztafeln bildet die äußere Hülle. Zusammen mit den in die Dachfläche integrierten Solarstrommodulen mit schwarzer Rückseitenfolie entsteht eine einheitlich dunkle Hülle, die im Kontrast zum hellen Innenraum steht.
ENERGIEEFFIZIENZ UND -VERSORGUNG Durch einen U-Wert von 0,14 W/m2K für die opaken Bauteile sowie einen Uw-Wert von 0,75 W/m2K der DreifachWärmeschutzverglasungen erreicht die Gebäudehülle Passivhausstandard. Faltläden mit integrierten PV-Zellen vor den Fenstern der Süd- und Westfassade kombinieren effizienten Sonnenschutz und Solarstromgewinnung. Auf einer Fläche von 8 m2 erzeugen Flachkollektoren an der Südfassade Wärme, während die auf der nördlichen Dachfläche installierten Abstrahlflächen einerseits zur nächtlichen Kältegewinnung genutzt werden und andererseits an Wintertagen mit geringer solarer Einstrahlung Niedertemperaturwärme für die Wärmepumpe bereitstellen. Die Flachkollektoren speisen einen 450-Liter-Kombispeicher mit Schichtenladesystem zur Brauchwassererwärmung und Heizungsunterstützung. Ein weiterer Wasserspeicher mit 1,4 m³ Fassungsvermögen unterhalb der Terrasse steht als Kälte- und gleichzeitig als Pufferspeicher für die Wärmepumpe zur Verfügung. Die Abstrahlfläche besteht aus 26 quadratischen Metallplatten mit je 1 m2 Fläche. Die Wärme- bzw. Kälteverteilung erfolgt primär über die Lehmbauplatten mit wasserführenden Rohrleitungen in der Decke. Für eine zügige Wohnraumkonditionierung sorgt zusätzlich ein Lüftungsgerät mit Sorptionsrad zur kombinierten Wärme- und Feuchterückgewinnung. Die Solarstromanlage auf dem Dach besitzt eine Nennleistung von 4,6 kWp. Die 16 vertikalen PV-Module der Verschattungselemente erreichen eine Gesamtleistung von 1,1 kWp.
Wohnfläche
174
Rosenheim
Stuttgart
Wuppertal
Berlin
65 m2
48 m2
48,5 m2
48 m2
3
3
Bruttorauminhalt
250 m
200 m
290 m
220 m3
Hüllfläche
260 m2
206 m2
280 m2
296 m2
Anteil Fensterfläche
13 %
23 %
25 %
13,9 %
A/ V-Verhältnis
1,04
1,03
0,96
1,34
g-Wert Fenster
0,35
0,50; 0,40 (Nord)
0,55
0,41
τvis
0,55
0,70; 0,60 (Nord)
0,72
0,095 – 0,098 W/m K
0,1– 0,13 W/m K
0,1 W/m K
0,1– 0,14 W/m2K
U-Wert Fenster
0,71 W/m2K
0,67 W/m2K
0,8 W/m2K
0,75 W/m2K
mittlerer U-Wert (HT')
0,14 W/m2K
0,2 W/m2K
0,2 W/m2K
0,14 W/m2K
Strombedarf unter Wettbewerbsbedingungen
4500 kWh/a
3800 kWh/a
3500 kWh/a
4200 kWh/a
PV-Fläche
69 m2
100,2 m2 Dach 50,5 m2 Fassade 49,5 m2
73 m2 Dach 40 m2 Fassade 33 m2
42 m2 Dach 34 m2 Fassade 8 m2
installierte Leistung
12,6 kWp
12,0 kWp Dach 6,0 kWp Fassade 6,0 kWp
10,2 kWp Dach 6,4 kWp Fassade 3,8 kWp
5,69 kWp Dach 4,59 kWp Sonnenschutz Fassade 1,1 kWp
PV-Ertrag
Madrid 16 000 kWh/a Rosenheim 11 000 kWh/a
Madrid 11 400 kWh/a Stuttgart 7500 kWh/a
Madrid 12 500 kWh/a Wuppertal 7000 kWh/a
Madrid 8300 kWh/a Berlin 5300 kWh/a
Batterie
–
–
7,2 kWh
37 kWh
–
2
–
U-Wert opake Gebäudehülle
Solarthermie
2
3
2
6,6 m Vakuumröhrenkollektoren
2
2
6 m Vakuumröhrenkollektoren
8 m2 Flachkollektoren
B 23.09
DAS ERGEBNIS NACH 10 TAGEN MADRID Angesichts des sonnigen Wetters und der sehr großen Solarstromanlagen stellt die Forderung von 40 kWh Überschusseinspeisung in acht Tagen für keines der Teams ein Problem dar. Die installierten Solarstromanlagen sind bezogen auf die Wohnfläche drei bis viermal größer als bei Einfamilienhäusern in Deutschland üblich. Mit 550 kWh Überschuss nach acht Tagen erzielt das Rosenheimer Haus den höchsten Ertrag und überschreitet den Wert des Siegergebäudes des Solar Decathlon 2009 in Washington, dem Haus der Technischen
Universität Darmstadt, um das Fünffache. Der größte Teil des Verbauchs der Häuser wird in die Zeiten mit hohen Solarstromerträgen gelegt. Lediglich die abendlichen Verbräuche, wie vor allem die Beleuchtung, werden durch Netzstrom gedeckt. Auf den Betrieb der installierten Batteriepufferung des Wuppertaler und Berliner Teams wird verzichtet, da die Veranstalter kurzfristig beschließen, dass die zeitliche Übereinstimmung von Verbrauch und Erzeugung nur bis 20 Uhr in die Punktewertung eingeht. Die beiden Häuser hätten mit Einsatz der Batterien auch ohne jeden Netzstrombezug betrie-
ben werden können (siehe Abb. A 2.19, S. 38). In der berechneten Jahresbilanz der Betriebsenergie erreichen die vier Projekte sowohl am Standort Madrid als auch in Deutschland ein deutliches Plus. Einem elektrischen Energiebedarf zwischen 70 und 90 kWh /m2NGFa stehen in Madrid Erträge zwischen 170 und 270 kWh /m2NGFa gegenüber; die Erträge liegen in Deutschland bei ähnlichen Bedarfswerten zwischen 110 und 180 kWh /m2NGFa. Ein Profildiagramm zeigt die Stärken und Schwächen der vier deutschen Teams verglichen mit dem Siegerteam der Virginia Tech, USA (Abb. B 23.13). EXPERIMENTELLE BAUTEN
350
a
[kWh]
800
Stromquellen: Netzstrombezug Solarstromertrag
ie
rg
ne
e ull
300
Stromverbrauch: Netzeinspeisung diverse Verbraucher
Medien Beleuchtung Haushaltsgeräte HLK & Warmwasser
600
N
175
c
250
b
200
400
150 b
d
100
d 50
200
c
a
0 0
a dc
b
50
100
c
a d b
150 200 250 300 350 Primärenergiebezug [kWh/m2NGFa]
Für die vier Solar-Decathlon-Häuser ergeben sich an ihren Heimstandorten Standards zwischen NEH 97 und NEH 18: z berechneter jährlicher Gesamtprimärenergieverbrauch inklusive Haushaltsstrom z Eigenbedarfsdeckung durch monatlich anrechenbare Erträge z saisonaler Ausgleich verbleibender Verbräuche z jährliches Energieplus Die hohe Eigenverbrauchsdeckung resultiert aus den verhältnismäßig sehr großen Solarstromanlagen.
0 Rosenheim [kWh/m2a]
Primärenergiegutschrift [kWh/m2NGFa]
a Rosenheim c Wuppertal b Stuttgart d Berlin
Stuttgart
300
Wuppertal
Berlin
Bedarf Wettbewerbsbedingungen kWh/m2a Erzeugung Madrid kWh/m2a Erzeugung Heimstandort kWh/m2a
250
200
150
100
50 0 Rosenheim
B 23.09 B 23.10 B 23.11
B 23.12
B 23.13
Ergebnisse der vier Häuser im Vergleich energetische Charakterisierung Energiebilanz aller vier Gebäude über die achttägige Wettbewerbszeit. Für das Berliner Gebäude liegen verbrauchsseitig keine nach Teilverbräuchen aufgeteilten Messwerte vor. Gegenüberstellung des Verbrauchs und der Solarstromerzeugung am Wettbewerbsort Madrid und der jeweiligen Heimatstadt Wettbewerbsdisziplinen im Vergleich zwischen den vier deutschen Teams und dem Siegerteam von Virginia Tech. Abgebildet sind die relativen Ergebnisse, wobei 100 % jeweils der vollen Punktzahl in der Disziplin entsprechen.
SOLAR DECATHLON EUROPE IN MADRID
Virginia (Platz 1) Rosenheim (Platz 2) Stuttgart (Platz 3) Wuppertal (Platz 6) Berlin (Platz 10)
Stuttgart
Wuppertal
Berlin
Architektur 100% Nachhaltigkeit 75
Gebäudetechnik & Konstruktion
50 Innovation
solare Systeme & Warmwaser
25 0
elektrische Energiebilanz
Industrialisierung & Marktfähigkeit Virginia (Platz 1) Rosenheim (Platz 2) Stuttgart (Platz 3) Wuppertal (Platz 6) Berlin (Platz 10)
Kommunikation & gesellschaftliche Wahrnehmung
Komfort & Raumklima Haushaltsgeräte & Funktionalität
B 23.10 B 23.11 B 23.12 B 23.13
176
PROJEKTLISTE KLEINE WOHNHÄUSER
Einfamilienhaus, Thening (A) Velux Sunlighthouse, Pressbaum (A) ÉcoTerra Alouette Home, Eastman (CDN) Riverdale NetZero Project, Edmonton (CDN) R128, Stuttgart (D) Haus der Zukunft, Regensburg (D) Einfamilienhaus, Leonberg (D) Nullemissionshaus Pola-Roid, Emmendingen (D) Einfamilienhaus, Pforzheim (D) Energy flex house, Taastrup (DK) Haus SOLTAG, Horsholm (DK) Little greenie, Golden Bay (NZ)
GROSSE WOHNHÄUSER
Abondance house, Montréal (CDN) Zweifamilienhaus, Zürich (CH) Sunny Woods, Zürich (CH) Berg am Laim, München (D) elementar, Tübingen (D) Bolig+, Aalborg (DK)
SIEDLUNGEN
Sundays, Gleisdorf (A) SunnyWatt, Watt (CH) Wohnsiedlung Eulachhof, Winterthur (CH) Siedlung Kronsberg, Hannover (D) Messestadt Riem, München (D) Siedlung Bad Aibling, Bad Aibling (D)
ANHANG
BILANZIERTE ENERGIEVERBRÄUCHE
ENERGIEBEREITSTELLUNG
TGA Technische Gebäudeausrüstung
www.plusenergiehaus.at www.velux.at/ueber_velux/sunlighthouse www.maisonalouette.com/english/ecoterra2 www.riverdalenetzero.ca www.wernersobek.com www.fabi-architekten.de/projekte/hausderzukunft_plus
www.solares-bauen.de/
www.energyflexhouse.dk www.soltag.net www.goldenbayhideaway.co.nz/abodes/little_greenie
www.ecocite.ca/home.html www.kaempfen.com www.kaempfen.com www.nullenergieprojekt.de www.stahl-weiss.de/projekte www.boligplus.org www.aee-intec.at www.kaempfen.com www.eulachhof.ch www.cepheus.de/Kurzberichte/Kurzbericht-PI18.html
www.nullenergieprojekt.de www.eneff-stadt.info/de/pilotprojekte
PROJEKTLISTE
nutzerspezifische Verbräuche
Elektromobilität
graue Energie
Solarstrom
Solarthermie
KWK
Windkraft
Wärmepumpe
Wärmenetze
Biomasse
grüner Strom
177
178 BÜROGEBÄUDE
Halle 8, Freiburg (D) Firmenzentrale, Wörrstadt (D) Solar Info Centre, Freiburg (D) IBA Dock, Hamburg (D) Firmenzentrale, Mainz (D) Elithis tower, Dijon (F) green Office, Meudon (F) Naturalia Bau, Merano (I) Solar XXI, Lissabon (P) Acciona, Egües (E) National Renewable Energy Lab, Golden (USA) Aldo Leopold Legacy centre, Baraboo (USA) IdeasZ2, San Jose (USA)
PRODUKTION UND VERWALTUNG
Solarfabrik, Freiburg (D) Wechselrichterfabrik, Niestetal (D)
BILDUNGSGEBÄUDE
Volksschule, Wolfurt Mähdle (A) Solar Academy, Niestetal (D) Green Lighthouse, Kopenhagen (DK) École Limeil, Paris (F)
EXPERIMENTELLE BAUTEN
Primarschule, Lajen (I) Christiaan Huygens College, Eindhoven (NL) Oberlin College, Oberlin (USA)
DIENSTLEISTUNG
Hotel, Wien (A) Hotel, Freiburg (D) Supermarkt, Thening (A)
ANHANG
BILANZIERTE ENERGIEVERBRÄUCHE
ENERGIEBEREITSTELLUNG
TGA Technische Gebäudeausrüstung
www.halle8-freiburg.de www.juwi.de/ueber_uns/standorte_weltweit/woerrstadt.html
www.solares-bauen.de www.iba-hamburg.de www.werner-mertz.de www.arte-charpentier.fr/en/index.htm www.green-office.fr www.naturalia-bau.it www.ineti.pt www.accionaenergia.es/ www.nrel.gov www.aldoleopold.org/legacycenter/ www.z2building.com www.solar-fabrik.de/unternehmen/firmenprofil/nullemissionsfabrik www.sma.de/de/unternehmen/co2-neutrale-produktion.html
www.zweier.at www.hhs-architekten.de/projektgalerie www.velux.com/sustainable_living/model_home_2020
www.limeil-brevannes.fr
www.rau.eu www.oberlin.edu/ajlc www.hotelstadthalle.at www.solares-bauen.de www.poppeprehal.at/
PROJEKTLISTE
nutzerspezifische Verbräuche
Elektromobilität
graue Energie
Solarstrom
Solarthermie
KWK
Windkraft
Wärmepumpe
Wärmenetze
Biomasse
grüner Strom
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GLOSSAR ABKÜRZUNGEN
ABSORPTIONSKÄLTEMASCHINE Kälteerzeugung mit dem Einsatz von Wärmeenergie, wenn Abwärme aus anderen Prozessen kostengünstig zur Verfügung steht. Durch die temperaturabhängige Löslichkeit zweier Stoffe wird ein Kältemittel in einem Lösungsmittelkreislauf bei geringer Temperatur in einem zweiten Stoff absorbiert und bei höheren Temperaturen desorbiert. ADIABATE KÜHLUNG Wärmeentzug aus der Luft durch Verdunstung von Wasser. In der Regel wird eine indirekte Verdunstungskühlung genutzt, um den Wassergehalt der Raumluft nicht unnötig zu erhöhen und hygienische Belastungen zu vermeiden. Dabei wird nur die Abluft befeuchtet. Die Kühlung der Zuluft erfolgt indirekt über einen Wärmetausch mit der Abluft. AMORTISATION Der anfängliche Aufwand für eine Einrichtung (z. B. Solarstromanlage) wird durch daraus entstehende Erträge und mit zunehmender Zeit ausgeglichen. Der gesamte Zeitraum wird als Amortisationszeit bezeichnet. A / V-VERHÄLTNIS [m-1] Bauphysikalische Kenngröße für die Kompaktheit eines Gebäudes. Das Verhältnis wird berechnet als Quotient aus allen wärmeübertragenden Hüllflächenanteilen inklusive derjenigen gegen das Erdreich und der Außenabmessungen des beheizten Gebäudevolumens. BEHAGLICHKEIT, THERMISCHE Dieser bauphysikalische Begriff beschreibt den Zusammenhang zwischen Raumklima und dem Wohlbefinden der sich darin aufhaltenden Personen. Als definierte Grenze gilt der Behaglichkeitsbereich, der durch Luft- und Oberflächentemperatur, Luftfeuchte, -bewegung, -qualität, Beleuchtung und Akustik bestimmt wird. Vom Menschen abhängig und damit subjektive Auswirkungen auf das Behaglichkeitsempfinden sind seine Aktivität und Kleidung, aber auch Jahreszeit, Alter und Geschlecht. BETONKERNTEMPERIERUNG Nutzung der Bauwerksmasse von Betonbauteilen zur Temperierung eines Raums, zumeist durch die Integration wasserführender Rohrregister. Die große wärmeübertragende Fläche ermöglicht es, die relativ geringen Temperaturunterschiede natürlicher Wärmequellen bzw. -senken effektiv zu nutzen. BLENDSCHUTZ Damit die Sonneneinstrahlung, helle Wolken oder Reflexionen auf helle Flächen nicht blenden, wenn sie sich im Sichtbereich des Nutzers befinden, gewährleisten Blendschutzsysteme eine möglichst diffuse Tageslichteinstrahlung. Ist die Sonne im Gesichtsfeld des Nutzers, muss sie aufgrund ihrer hohen Leuchtdichte mit lichtundurchlässigen Materialien abgeschirmt werden können. BLOCKHEIZKRAFTWERK (BHKW) Anlagen zur gleichzeitigen Erzeugung von elektrischem Strom und Wärme. Die Abwärme der Stromerzeugung wird lokal als Wärme genutzt. Dadurch wird eine hohe Ausnutzung der eingesetzten Primärenergie erreicht. Als sogenannte Mikro-BHKW können sie auch für die Versorgung einzelner Gebäude ausgelegt werden. Ohne Nutzung der Wärme lassen sich BHKW nicht energetisch effizient betreiben.
BLOWER-DOOR-TEST Messung der Luftdichtheit von Gebäuden als baubegleitende Qualitätssicherung. Bei geschlossenen Fenstern und Außentüren wird mit einem Ventilator ein konstanter Differenzdruck zwischen innen und außen erzeugt. Durch die Messung des von dem Gebläse geförderten Volumenstroms wird die Luftwechselzahl n50 (bei Druckdifferenz 50 Pa) ermittelt. Zusätzlich lassen sich gezielt Ursachen für Bauschäden identifizieren, indem das Verfahren mit Thermografie, Nebel oder Luftgeschwindigkeitsmessung (Thermoanemometer) kombiniert wird. BUS-SYSTEM Ein Bus bezeichnet in der Datenverarbeitung ein Leitsystem, das zum Austausch von Daten zwischen Hardwarekomponenten dient. In Gebäuden lassen sich damit Beleuchtung, Sonnenschutz, Fenster- und Türüberwachung, Heizung, Klima und Lüftung steuern. CO2-ÄQUIVALENT Das Treibhauspotenzial (engl.: Global Warming Potential, Greenhouse Warming Potential – GWP) oder CO2-Äquivalent gibt an, wie viel eine festgelegte Menge eines Treibhausgases zum Treibhauseffekt beiträgt. Umrechnung in eine wirkungsäquivalente Menge an CO2. COEFFICIENT OF PERFORMANCE (LEISTUNGSZAHL, ARBEITSZAHL – COP) Wichtigste Kennzahl zur Beschreibung der Leistungsfähigkeit einer Wärmepumpe oder Kompressionskältemaschine. Sie beschreibt das Verhältnis der abgegebenen Wärmeleistung zur aufgenommenen elektrischen Energie. Je nach Systemtechnik werden dabei unterschiedliche Hilfsenergien in die Bilanzierung einbezogen (Pumpen, Regelung etc.). Bei Herstellerangaben bezieht sich der COP auf einen festen Betriebspunkt (konstante Temperaturen und eingeschwungener Zustand) und stellt somit die sogenannte Leistungszahl dar. Bei gemessenen Energieverbräuchen von Anlagen im realen Gebäudebetrieb wird der COP durch die variierenden Betriebspunkte zu einem Mittelwert, der Arbeitszahl. Gleiche Aggregate besitzen gleiche Leistungszahlen, im Einsatz können sie jedoch sehr unterschiedliche Arbeitszahlen aufweisen (siehe Jahresarbeitszahl, S. 181). DECKUNGSRATE Prozentangabe, wie viel des erforderlichen Energieaufwands eine technische Anlage in einem definierten Betrachtungszeitraum deckt. DIN V 18 599 Die Anfang 2007 veröffentlichte Normenreihe beschreibt ein Berechnungsverfahren für die energetische Bewertung von Gebäuden unter Einbeziehung des Nutz-, Endund Primärenergiebedarfs für Beheizung und Warmwasserbereitung sowie für die Kühlung und Beleuchtung. Die neue Norm bildet die Grundlage für den Energiepass und dient zugleich als Berechnungsmethode für die novellierte Energieeinsparverordnung (EnEV). Dabei wird das zu untersuchende Projekt einem Gebäude mit standardisierten Parametern (Referenzgebäude) gegenübergestellt. EINSPEISEVERGÜTUNG Monetärer Gegenwert für die in ein Netz eingespeiste Energie, überwiegend Strom. Die Vergütungssätze werden meist durch politische Rahmenbedingungen
ANHANG
definiert und für einen bestimmten Zeitraum festgelegt. Sie unterscheiden sich signifikant in den einzelnen Ländern und teilweise auch regional. EN 13 779 Diese europäische Norm formuliert allgemeine Grundlagen zum Thema Lüftung in Nichtwohngebäuden und spezifiziert Anforderungen an Lüftungs- und Klimaanlagen sowie Raumkühlsysteme. EN 15 251 Die EU-Norm formuliert Parameter für das Raumklima (Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik) zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden. Insbesondere werden Komfortklassen für das sommerliche Raumklima in Gebäuden ohne aktive Kühlung definiert. Die Komfortklassen berücksichtigen die Adaption des Behaglichkeitsbereichs bei erhöhten Außentemperaturen. Sie basieren auf umfangreichen Nutzerbefragungen in Gebäuden. EN 15 603 Europäische Norm zur Energieeffizienz von Gebäuden und der Berechnung des Gesamtenergiebedarfs sowie zur Festlegung der Energiekennwerte. ENDENERGIE Teil der Primärenergie, z. B. Strom, Holzpellets, Heizöl, Fernwärme, die dem Endverbraucher vor Ort zur Verfügung steht. Es werden Transport-, Verteil- und Umwandlungsverluste abgezogen. ENERGIEBEDARF [kWh /a] Menge an Energie, die ein Gebäude unter festgelegten Bedingungen in einem bestimmten Zeitraum benötigt. Der Energiebedarf ist eine kalkulatorische Größe und wird nach einem definierten Verfahren berechnet. Aufgrund von Einflüssen wie Wetter, Nutzerverhalten oder Anlagenbetrieb kann der tatsächliche Energieverbrauch von dem kalkulierten Energiebedarf abweichen. (für CH: [MJ/a]) ENERGIEKENNWERT [kWh /m2, kWh / Person] Auf eine Fläche oder eine Person und einen Zeitraum berechneter oder gemessener Energieaufwand mit der Angabe, welche Fläche gemeint ist. Dieses Buch verwendet durchgängig die Nettogeschossfläche als Bezugseinheit. (für CH: [MJ/a]) ENERGIEVERBRAUCH [kWh /a] Im Unterschied zum Energiebedarf ist der Energieverbrauch eine gemessene Menge Energie, die in einem bestimmten Zeitraum verbraucht wurde. Daher schließt der Energieverbrauch das reale Klima und das Nutzerverhalten ein. Mit einer normierten Klimabereinigung lässt sich der Einfluss des variierenden Außenklimas neutralisieren. Physikalisch gesehen kann Energie allerdings nicht verbraucht, sondern nur in eine andere Energieform umgewandelt werden. (für CH: [MJ/a]) EPBD (ENERGY PERFORMANCE OF BUILDINGS DIRECTIVE) Richtlinie für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aus dem Jahr 2002. Sie bildet die Grundlage zur Einführung einer vergleichbaren Methodik zur Berechnung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und gab Anlass zur Erstellung von Energieausweisen für neue und bestehende Gebäude. Mit der
GLOSSAR
Neufassung 2010 wird der Standard »nearly zero energy building« als Zielsetzung für 2020 eingeführt. ERDSONDE Ein oder mehrere Doppelmantelrohre, die in einem aus dem Bohrbrunnenbau entlehnten Bohrverfahren in den Boden eingebracht werden. Mit ihrer Hilfe wird dem Erdreich Wärme entzogen, die zumeist zum Heizen über eine Wärmepumpe verwendet wird. Erdsonden eignen sich zur Erschließung des Erdreichs als sommerliche Wärmesenke. Im langjährigen Betrieb sind solche Anlagen ideal, bei denen der Wärmeentzug im Winter durch eine sommerliche Wärmezufuhr ausgeglichen wird. GEBÄUDEAUTOMATION / GEBÄUDELEITTECHNIK (GLT) Sammelbegriff für das gesamte Instrumentarium zur zentralen automatischen Steuerung, Regelung und Überwachung der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA). Oft Gleichsetzung mit der Software, mit der Gebäude – auf der Managementebene – überwacht und gesteuert werden. Es gibt verschiedene herstellerspezifische und einige wenige herstellerunabhängige Gebäudeleittechnik-Systeme. Diese kommunizieren mit der Automatisierungstechnik in den Gebäuden über herstellerspezifische oder standardisierte Schnittstellen. GEMIS (GLOBALES EMISSIONS-MODELL INTEGRIERTER SYSTEME) Instrument zur vergleichenden Analyse von Umwelteffekten der Energiebereitstellung und -nutzung. Die GEMIS-Datenbasis enthält Informationen zur Bereitstellung fossiler Energieträger, regenerativer Energien, nuklearer Energien, von Wärme, Strom, nachwachsenden Rohstoffen und Wasserstoff.
Innenraumtemperatur die Wärmeverluste zu decken. Sie ergibt sich aus den Transmissions- und Lüftungswärmeverlusten abzüglich der solaren und internen Gewinne bei physikalisch idealer, verlustfreier Wärmezufuhr an die Raumluft. INSELSYSTEM autarke Stromversorgung ohne Anschluss an eine Netzinfrastruktur JAHRESARBEITSZAHL Die Jahresarbeitszahl beschreibt das Verhältnis der abgegebenen (Wärmepumpe) bzw. aufgenommenen Wärmemenge (Kältemaschine) zur Antriebsenergie einer Wärmepumpe bzw. Kältemaschine über den Zeitraum eines Jahres. Momentanwerte (Leistung) werden als Leistungszahlen dargestellt (siehe COP, S. 180) KOMPRESSIONSKÄLTEMASCHINE Bauform der Kältemaschine. Sie nutzt die Verdampfungswärme eines Kältemittels bei Wechsel des Aggregatzustands. Durch den Wärmeentzug aus der Umgebung (Kühlung) wird das Kältemittel bei niedrigem Druck verdampft. Der Dampf wird durch einen elektrisch angetriebenen Kompressor verdichtet und kondensiert unter Wärmeabgabe (Rückkühlwerk). Das flüssige Kältemittel wird zu einem Drosselorgan geleitet, das den Druck wieder abbaut; es entsteht ein Kreislauf. KRAFT-WÄRME-KÄLTE-KOPPLUNG (KWKK) Erweiterung eines BHKW durch Nutzung der Abwärme für den Betrieb einer thermisch angetriebenen Kältemaschine (siehe Absorptionskältemaschine, S. 180) KRAFT-WÄRME-KOPPLUNG (KWK) siehe BHKW, S.180
GEOTHERMIE In der Erde gespeicherte Wärmeenergie, soweit sie entzogen und genutzt werden kann. Sie zählt zu den regenerativen Energien und wird zum Heizen meist in Kombination mit einer Wärmepumpe genutzt. Nur bei höheren Temperaturen im Erdreich bzw. großer Tiefe ist eine direkte Nutzung möglich. GESAMTENERGIEDURCHLASSGRAD (G-WERT) Kennzeichnung des Energiedurchlasses bei Fenstern von außen nach innen. Ein hoher g-Wert bedeutet im Winter höhere Wärmegewinne, kann im Sommer aber eher zur Überhitzung eines Raums führen. GLOBALSTRAHLUNG [W /m2] Menge solarer Energie, die, bezogen auf eine horizontale Fläche, auf die Erdoberfläche trifft. Sie besteht aus Direkt- und Diffusstrahlung (Streuung an Wolken, Wasser- und Staubteilchen). Die Globalstrahlung kann auch als Jahressumme angegeben werden [kWh/m2a]. GRAUE ENERGIE Energiebedarf zur Erstellung, Instandhaltung und Entsorgung eines Gebäudes über den gesamten Nutzungszeitraum HEIZWÄRMEBEDARF [kWh /a, kWh /m2a] Energiemenge, die rechnerisch ermittelt wird. Sie muss in der Heizperiode dem Gebäude mindestens zugeführt werden, um bei der geforderten
LASTMANAGEMENT Durch gezieltes Ein- und Ausschalten von (elektrischen) Energieverbrauchern in einem Gebäude werden der zeitliche Verlauf und die maximal bezogene Leistung beeinflusst. Dies hat u. a. Einfluss auf die erzielbare Deckungsrate bei der Eigenversorgung. LEBENSZYKLUSANALYSE (ÖKOBILANZ) Analyse der Umwelteinwirkungen eines Gebäudes während seiner gesamten Lebensdauer. Unterteilt in die Lebenszyklusphasen Neubau, Nutzung, Erneuerung und Rückbau. Zu den Umwelteinwirkungen zählen sämtliche umweltrelevanten Entnahmen aus der Umwelt und die Emissionen in die Umwelt. LÜFTUNGSANLAGE Einrichtungen für einen einstellbaren bzw. automatischen Luftwechsel, der dadurch unabhängig von aktuellen Wind- und Temperaturverhältnissen ist, im Unterschied zur freien Lüftung durch Fenster. Einsatz von mindestens einem Ventilator (Abluftanlage). Eine zentrale Lüftungsanlage versorgt mehrere Räume, eine Wohnung oder ein gesamtes Haus, ist im Technikraum untergebracht, und der Luftaustausch erfolgt über ein Rohrnetz. Dezentrale Lüftungsgeräte lüften jeweils nur einzelne Räume. In der Regel Verwendung von Zu- und Abluftanlagen mit zwei Ventilatoren mit Wärmerückgewinnung. Diese ist nur effizient bei niedrigem Stromverbrauch.
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LÜFTUNGSWÄRMEVERLUST [W/K] Lüftungswärmeverluste entstehen, wenn warme Raumluft gegen kältere Außenluft ausgetauscht wird. Der Luftaustausch ist aus hygienischen Gründen erforderlich, um die verbrauchte Raumluft auszutauschen. Durch undichte Bauteil- und Anschlussfugen können unkontrollierte Lüftungswärmeverluste den Heizwärmebedarf deutlich erhöhen. Eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung reduziert Lüftungswärmeverluste. LUFTWECHSEL Kontinuierlicher Austausch der Raumluft. Ein Maß für die Höhe des Luftwechsels ist die Luftwechselrate n (1/h). Sie gibt an, wie oft die Luft eines Raums pro Stunde ausgetauscht wird. MONITORING systematische, zeitlich aufgelöste Erfassung, Analyse und Bewertung von Betriebsdaten eines Gebäudes mit Hilfe einer Datenerfassungsanlage, in der Regel als Teil der Gebäudeleittechnik NULLENERGIEHAUS Gebäude, deren rechnerische oder messtechnisch ermittelte Jahresenergiebilanz null ergibt. Energie wird durch Anlagen des Gebäudes selbst bereitgestellt (meist Solaranlagen). Im Unterschied zu energieautarken Gebäuden sind Nullenergiehäuser an Energienetze angeschlossen, die sie zum zeitlichen und leistungsmäßigen Ausgleich von Energieangebot und -nachfrage beanspruchen. PASSIVHAUS Baukonzept, dessen Anforderungen nicht von öffentlicher Seite, sondern von einem Institut (Passivhaus-Institut, Darmstadt) formuliert wurden. Gebäude, in dem eine behagliche Temperatur sowohl im Winter als auch im Sommer ohne separates Heiz- bzw. Klimatisierungssystem erreicht wird. Der Heizleistungsbedarf darf maximal 10 W/m2 betragen. Unter mitteleuropäischen Klimabedingungen ergibt sich daraus ein Heizwärmebedarf von maximal 15 kWh/m2a; die Obergrenze für den Primärenergiebedarf einschließlich Warmwasser und Haushaltsstrom liegt bei 120 kWh/m2a. Berechnung mit dem Passivhaus-Projektierungspaket – PHPP. PCM (PHASENWECHSELMATERIALIEN) PCM (engl.: Phase Changing Materials) speichern Wärmeenergie, indem durch Wärmezufuhr in einem definierten Temperaturband ein Phasenübergang angeregt wird (zumeist fest zu flüssig). Meist Verwendung von Paraffinen oder Salzhydraten. PCM können viel Wärme auf engem Raum speichern (Speicherbehälter) oder in Baustoffe eingelagert werden (z. B. durch Mikroverkapselung), um die in Räumen aktivierbare Wärmekapazität zu erhöhen. Werden PCM z. B. in Trockenbauplatten oder Innenputze eingebracht, lässt sich trotz Leichtbauweise und geringen Platzverbrauchs die thermische Trägheit eines Raums erhöhen. PELLETHEIZUNG Verbrennung von Holzpellets (kleine Presslinge aus Holzspänen und Sägemehl) in Zimmeröfen oder zentralen Heizkesseln. Zentralheizungen mit Pellets können durch maschinelle Beschickung einen hohen Automatisierungsgrad erreichen und sind in Betrieb und Wartung mit Öl- und Gas-
heizungen gleicher Leistungsstärke vergleichbar. Der Ascheanfall ist verglichen mit anderen Formen der Holzheizung gering. PHOTOVOLTAIK Direkte Umwandlung von solarer Strahlungsenergie in elektrische Energie. Die Energiewandlung erfolgt in Solarzellen, die zu sogenannten Solarmodulen (PV-Modulen) verbunden werden. PHOTOVOLTAISCH-THERMISCHE KOLLEKTOREN (PV/T) Zusammenfassung von elektrischer und thermischer Solarenergienutzung in einem Bauteil. Dabei werden die PV-Module in der Regel durch einen Wasserkreislauf gekühlt. Vorteilhaft ist die homogene Gesamterscheinung als ein einziges Bauteil. Nachteilig wirkt sich das nur mäßige erzielbare Temperaturniveau aus, ohne den Wirkungsgrad der solaren Stromerzeugung zu stark zu beeinträchtigen. PHPP (PASSIVHAUS-PROJEKTIERUNGSPAKET) siehe Passivhaus, S. 182 PRIMÄRENERGIE [J, Wh] Energie in Formen, die in der Natur direkt vorkommen. Dazu zählen Primärenergieträger wie Steinund Braunkohle, Erdöl oder Erdgas sowie erneuerbare Energiequellen. In den meisten Fällen muss diese Primärenergie in Kohlebau, Raffinerien, (Heiz-)Kraftwerken etc. in Sekundärenergie umgewandelt werden (Koks, Briketts, Strom, Fernwärme, Heizöl oder Benzin). Die Energie am Ort des Verbrauchs ist die Endenergie, die wiederum in Nutzenergie transformiert wird, in Heiz- und Prozesswärme, Licht sowie mechanische Energie. PUBLIC PRIVATE PARTNERSHIP (ÖFFENTLICH-PRIVATE PARTNERSCHAFT – PPP) Vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, bei der die erforderlichen Ressourcen (z. B. Kapital, Betriebsmittel, Personal etc.) von den Partnern zum gegenseitigen Nutzen in einen gemeinsamen Organisationszusammenhang eingestellt werden. PUFFERSPEICHER Wärmespeicher zur Einbindung in Wärme- und Kälteversorgungsanlagen. Er entkoppelt den Verbrauch von der Erzeugung und erlaubt damit Einflussnahme auf die installierten Leistungen und die erzielbaren Deckungsraten einzelner Erzeugungssysteme. SANKEY-DIAGRAMM grafische Darstellung von Energiemengen als Energieflussdiagramm zur Visualisierung und Verfolgung von Energiebezug und Energieverbrauch SIA 380/4 Richtlinie zur elektrischen Energieverwendung im Hochbau nach dem Schweizer Ingenieur- und Architekten-Verein SIA 2031 Richtlinie zum Energieausweis für Gebäude in der Schweiz auf Basis der Europäischen Richtlinie über die Energieeffizienz. Die SIA 3031 bietet die Grundlagen für eine einheitliche Deklaration des Energieverbrauchs und den damit verbundenen Ausstoß von Treibhausgasen durch Gebäude. SMART GRID Sogenannte intelligente Stromnetze, die die kommunikative Vernetzung von Verbrauchern (in Gebäuden),
Speichern (Batterien, Pumpspeicherwerke) und Erzeugern (Kraftwerke, aber auch Gebäude) erlauben. Ziel sind u. a. eine hohe Betriebssicherheit und eine Versorgung mit erneuerbarer Energie. SOLARE GEWINNE Bezeichnung auch als solare Wärmegewinne oder passive Solarenergienutzung. Dabei handelt es sich um Wärmemengen, die durch die Einstrahlung von Solarenergie auf transparente Gebäudeteile zur Erwärmung des Gebäudeinnern und zur Reduzierung des Heizwärmebedarfs beitragen. SOLARSTRAHLUNG
siehe Globalstrahlung, S. 181
SOLARTRACKER Solaranlagen, die ein- oder zweiachsig gelagert sind. Sie sind automatisch gesteuert, werden der direkten Sonnenstrahlung nachgeführt und steigern damit den Energieertrag pro Fläche. SONNENSCHUTZ Sonnenschutzsysteme mindern die sommerliche Sonneneinstrahlung in einen Raum und beugen einer Überhitzung vor. Ihr Effekt kann mit dem Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert) der Fassade beziffert werden. Dieser g-Wert der Gesamtkonstruktion umfasst sowohl den Strahlungsdurchgang als auch die sekundäre Wärmeabgabe nach innen. SPEICHERMASSE Bauwerksmasse, die speicherwirksam ist und durch ihre thermische Trägheit Einfluss auf das zeitliche thermische Verhalten des Gebäudes nimmt. Sie kann Wärme speichern und zeitversetzt abgeben. TABS Thermisch aktive Bauteilsysteme (siehe Betonkernaktivierung) nutzen die Gebäudemassen zur Temperaturregulierung. Sie können zur alleinigen oder ergänzenden Raumheizung bzw. Kühlung verwendet werden. TRANSMISSIONSWÄRMEVERLUSTE [W/K] Transmissionswärmeverluste entstehen infolge von Wärmetransport durch die Umschließungsflächen beheizter Räume (Dach, Außenwände, Fenster, Bodenplatte, Kellerdecke) sowie aufgrund von Wärmebrücken. ÜBERSTRÖMÖFFNUNG Einsatz bei einer kontrollierten Gebäudelüftung. Es handelt sich um Öffnungen in Wänden oder Türen, die die Zuluftbereiche und die Abluftzonen verbinden. U-WERT [W/m2K] Wärmedurchgangskoeffizient und damit das Maß für den Wärmedurchgang durch ein Bauteil. Er gibt an, wie viel Energie pro 1 Kelvin über eine Fläche von einem Quadratmeter des Bauteils entweicht. VAKUUMDÄMMUNG Der durch die Gasmoleküle der Luft bedingte Wärmetransport wird durch die Erzeugung eines Vakuums verhindert. Da die Konvektion den größten Anteil am Wärmeübertrag hat und Wärmeleitung und Wärmestrahlung sehr gering sind, entstehen Systeme mit sehr guter Dämmleistung. Gängige Vakuumdämmpaneele (engl.: VIP) dämmen bis etwa zehnmal so gut wie konventionelle Mineralfaser- oder Hartschaumdämmung.
ANHANG
VAKUUMRÖHRENKOLLEKTOREN Anordnung von mehreren evakuierten Glasröhren zu einem Kollektormodul für die thermische Solarenergienutzung. Durch die sehr gute Dämmwirkung des Vakuums um den eigentlichen Absorber werden höhere Temperaturen und Wirkungsgrade als bei üblichen Flachkollektoren erreicht. Aufgrund der Mehrkosten für Vakuumkollektoren sind Flachkollektoren oft wirtschaftlicher einzusetzen, benötigen aber eine größere Fläche. WÄRMEDURCHGANGSKOEFFIZIENT
siehe U-Wert, S. 182
WÄRMEPUMPE (WP) Einrichtung, die dem Erdreich, dem Grundwasser, der Außenluft oder der Fortluft Wärme entzieht und sie an ein Heizungssystem abgibt. Für den Betrieb wird in der Regel elektrische Energie eingesetzt (Kompressionswärmepumpe). WÄRMERÜCKGEWINNUNG (WRG) Verwendung von thermischer Energie, die sonst das Gebäude ungenutzt über die Lüftung verlassen würde. Dabei wird über einen Wärmetauscher der Energieinhalt der Abluft genutzt, um die Zuluft zu temperieren. Eventuell auch Rückgewinnung von Wärme aus Abwasser (mit Wärmepumpe). WÄRMESPEICHERFÄHIGKEIT [Wh/m2K] Die Wärmespeicherfähigkeit errechnet sich aus dem Produkt der spezifischen Wärmespeicherkapazität, der Rohdichte und der Schichtdicke des betrachteten Bauteils. In kurzen Zeitintervallen (Stunden oder wenige Tage) wird nur ein Bruchteil der gesamten Wärmespeicherfähigkeit eines Bauteils wirksam, da die Wärmeaustauschvorgänge mit der umgebenden Luft schwach sind. WÄRMETAUSCHER Gerät, mit dem Wärmeenergie von einem Medium (flüssig oder gasförmig) an ein anderes übertragen werden kann. In einer zentralen Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung überträgt der Wärmetauscher die mit der Abluft abgeführte Raumwärme auf die Zuluft. Die Zuluft strömt vorgewärmt in den Raum ein. WATT-PEAK [MWP] Maximale Leistungsabgabe eines PV-Moduls oder einer PV-Anlage bei sogenannten Standard-Testbedingungen. Diese treten in der Praxis fast nie auf, sondern sind Laborwerte. Die maximalen in der Praxis beobachteten Leistungen sind geringer. WECHSELRICHTER elektrisches Gerät zur möglichst verlustarmen Umwandlung von Gleichstrom (z. B. von Solarstromanlagen) in den für Gebäude üblichen Wechselstrom WIRKUNGSGRAD Verhältnis von abgegebener Leistung (Nutzen) zu zugeführter Leistung (Aufwand). Der Wirkungsgrad ist somit das Maß für die Effizienz von Energieumwandlung und Energieübertragungen. Er gibt für Energieerzeugungsanlagen das Verhältnis zwischen nutzbarer und aufgewendeter Energie wieder. Die entstehende Differenz von zugeführter und abgegebener Leistung ist der Verlust.
GLOSSAR • ABKÜRZUNGEN
ABKÜRZUNGEN A BA BAFA BauO BGF BHKW BKI BMU
Hüllfläche Bauabschnitt Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Landesbauordnung Bruttogeschossfläche Blockheizkraftwerk Baukostenindex Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz EEX European Energy Exchange, Marktplatz für Energie und energienahe Produkte EFH Einfamilienhaus EnEV Energieeinsparverordnung EnWG Energiewirtschaftsgesetz EVU Energieversorgungsunternehmen g-Wert Gesamtenergiedurchlassgrad GEMIS Globales Emissions-Modell Integrierter Systeme ISE Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme IWU Institut Wohnen und Umwelt KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau KWK Kraft-Wärme-Kopplung KWKG Kraft-Wärmekopplungsgesetz Kilowatt peak, Leistungsspitze kWp Kilowatt thermisch kWth MFH Mehrfamilienhaus MW Megawatt Megawatt elektrisch MWel MWh Megawattstunden MWhel Megawattstunden elektrisch MWhth Megawattstunden thermisch NEH Nullenergiehaus NGF Nettogeschossfläche PCM Phase Change Material (Phasenwechselmaterial) PE Primärenergie PH Passivhaus PHPP Passivhaus-Projektierungspaket PV Photovoltaik RH Reihenhaus TGA Technische Gebäudeausrüstung Innentemperatur (in °C) Tinnen Außentemperatur (in °C) Taußen U-Wert Wärmedurchgangskoeffizient VDE Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik VDI Verein Deutscher Ingenieure WE Wohneinheit WRG Wärmerückgewinnung INDIZES außen außen BGF Bruttogeschossfläche el elektrisch end Endenergie f Rahmen (frame)
g innen ges N NGF p prim th w WRG
Glas innen gesamt NutzNettogeschossfläche peak Primärenergie thermisch Fenster (window) Wärmerückgewinnung
ZEICHEN α [W/m2K] A/V [m-1] [m2] AN HT HV Q U Uf
[W/m2K] [W/m2K] [kWh] [W/m2K] [W/m2K]
Ug Uw
[W/m2K] [W/m2K]
Wärmeübergangskoeffizient Oberflächen-zu-Volumen-Verhältnis Nutzfläche der Energieeinsparverordnung Transmissionswärmeverlustkoeffizient Lüftungswärmeverlustkoeffizient Wärme Wärmedurchgangskoeffizient Wärmedurchgangskoeffizient Fensterrahmen Wärmedurchgangskoeffizient Glas Wärmedurchgangskoeffizient Fenster
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LITERATURVERZEICHNIS
PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 1 • International Energy Agency – IEA: Solar Heating & Cooling Programme + Energy Conservation in Buildings and Community Systems Programme. www.iea-shc.org/task40/subtask/ index.html. Stand: 2.05.2011 • Musall, Eike u. a.: Net Zero energy solar buildings: an overview and analysis on worldwide building projects. Tagungsband EuroSun conference Graz 2010 • Musall, Eike: Emissionslos Wohnen – Quartier »Am Müggenberg«, Arnsberg-Neheim. Hamburg 2009 • www.enob.info. Stand: 2.05.2011 • www.buildingdata.energy.gov/ZEB (ab Ende Mai 2011 online) PROJEKT 01 EINFAMILIENHAUS, RIEHEN (CH) • Schweizer Solarpreis 2008. www.solaragentur.ch. Stand: 5.05.2011 • Förderprogramm P+D BAUTEN. www.pd-bauten.bs.ch. Stand: 5.05.2011 • Niederhäusern, Anita: Das Haus als Kraftwerk. In: Nachhaltig Bauen 01/2009, S. 6 –7 • Setz-Architektur, www.setz-architektur.ch. Stand: 29.4.2011 • Familie Wenk-Furter: Wohnen im Kraftwerk. In: Riehener Zeitung vom 5.02.2010 und persönliche Informationen • www.renggli-holz.ch. Stand: 2.05.2011 PROJEKT 02 WOHNHAUSSANIERUNG, STOSSAU (A) • Ökostromverordnung 2010 (ÖSVO 2010). www.e-control.at. Stand: 5.05.2011 • Planunterlagen, Fotos, Berechnungen und Datenmaterial zur Verfügung gestellt von Ing. Rudi Moschik PROJEKT 03 LIGHTHOUSE, WATFORD (GB) • Building Research Establishment (BRE): The Government’s Standard Assessment Procedure for Energy Rating of Dwellings. Watford 2008 • Committee on Climate Change: Climate Change Act. www. theccc.org.uk/about-the-ccc/climate-change-act. Stand: 17.11.2010. • Communities of Local Government: Code for Sustainable Homes. Technical Guide. London 2008 • Kingspan Group: Climate for Challenge. Cavan 2008 • Kingspan Off-Site: Energy. www.kingspanlighthouse.com/ energy.htm. Stand: 17.11.2010 PROJEKT 04 HOME FOR LIFE, LYSTRUP (DK) • aart architects: www.aart.dk/projects/?id=101&cat=4&view=i mages. Stand: 5.05.2011 • www.velux.com/sustainable_living/model_home_2020/home_ for_life/default.aspx. Stand: 5.05.2011 • www.velux.com/Sustainable_living/Model_Home_2020/Press/ Images_and_literature/default.aspx. Stand: 29.4.2011 • www.velux.com/modelhome2020. Stand: 5.05.2011 • Broschüre Velux Model Home 2020. 6 experiments from 2009 to 2011 • Broschüre Velux Model Home 2020. home for life • Broschüre Velux Model Home 2020. Update No. 4, Dezember 2009
• Broschüre Velux Model Home 2020. Update No. 5, Mai 2010 • Broschüre Velux Model Home 2020. Update No. 6, Oktober 2010 • Broschüre Velux Model Home 2020. Update No. 7, Dezember 2010 • Schoof, Jakob: Das Haus, das mehr gibt, als es verbraucht. In: Daylight and Architecture 13, 2010, S. 64–73 • IEA Task 39: Solar heating and cooling programme. Polymeric Materials for Solar Thermal Applications, »Home for life« concept house. Aarhus 2009 • www.activehouse.info/cases/home-life. Stand: 5.05.2011 • www.velfac.co.uk/Global/Home_for_life . Stand: 5.05.2011 • www.velfac.co.uk/velfac-uk/data.nsf/q/ Diary?OpenDocument&Click=. Stand: 5.05.2011 • www.detail.de/artikel_bolig-for-livet_23967_De.htm. Stand: 29.4.2011 • www.alexandra.dk. Stand: 5.05.2011 • www.iha.dk. Stand: 5.05.2011 • www.sbi.dk/en/publications/programs_models/beat-2002 Stand: 2.05.2011 • Solar complete Komplettheizungssystem, Technische Daten der Wärmepumpe: www.sonnenkraft.com. Stand 20.4.2011 PROJEKT 05 KRAFTWERK B, BENNAU (CH) • Schweizer Solarpreis 2009. www.solaragentur.ch. Stand: 5.05.2011 • Norman Forster Award 2010 • Mehrfamilienhaus in Bennau. In: Detail Green 1/2010. S. 38 – 41 • Piccolotto, Moreno: Synthese aus Energietechnik und Architektur. In: Detail Green 1/2010, S. 42 – 45 • Niederhäusern, Anita: Prunkstück an Effizienz. In: HK-Gebäudetechnik 4/2010, S. 40 – 43 • Piccolotto, Moreno; Vogelsang, Janine: Wohnen im Kraftwerk. In: DBZ 09/2010, S. 38 – 43 • grab-architekten: Ein modernes Wohnhaus mit EnergieÜberschuss. In: Schweizer Holz-Zeitung Nr. 22/30, 2008, S. 16 –18 • Gütermann, Andreas: Plus-Energie-Mehrfamilienhaus in Bennau. Erste Erfahrungen. Brenet-Status-Seminar 2010 • www.detail.de/artikel_kraftwerk-b-bennau-grab-architekten_24281_De.htm. Stand: 5.05.2011, Text: Cornelia Bauer/ Jakob Schoof, Interview: Cornelia Bauer, Intep – Integrale Planung GmbH • www.minergie.ch/buildings/de/details.php?gid=SZ-001-PECO. Stand: 5.05.2011 • issuu.com/hk-gt/docs/hkgt_201004/1?mode=a_p. Stand: 5.05.2011 • www.dbz.de/artikel/dbz_Wohnen_im_Kraftwerk_Mehrfamilienhaus_Bennau_CH_985379.html. Stand: 5.05.2011 PROJEKT 07 KLEEHÄUSER, FREIBURG/VAUBAN (D) • www.zero-haus.de. Stand: 5.05.2011 • www.2000watt-gesellschaft.ch. Stand 6.5.2011 • www.kleehaeuser.de. Stand 6.5.1011 • Lange, Jörg: Exposee der Kleehäuser. Freiburg 2010
ANHANG
PROJEKT 09 PLUSENERGIESIEDLUNG, FREIBURG (D) • Heinze, Mira; Voss, Karsten: GOAL. ZERO ENERGY BUILDING. Exemplary Experience Based on the Solar Estate Solarsiedlung Freiburg am Schlierberg. In: Journal of Green Building 04/2009 • Heinze, Mira; Voss, Karsten: Ziel Null Energie. Erfahrungen am Beispiel der Solarsiedlung Freiburg am Schlierberg. In: DBZ 01/2009, S. 72 – 74 • Bernard, Soara; Halbtuch, Andreas: Research Solarsiedlung am Schlierberg in Freiburg. Bergische Universität Wuppertal 2008 • Angeli, Thomas: Sonnen- und Schattenseiten, Bauen und Wohnen Beobachter Kompakt 22/2007, S. 51 – 56 PROJEKT 10 PLUSENERGIESIEDLUNG, WEIZ (A) • Ökostromverordnung 2010 (ÖSVO 2010). www.e-control.at. Stand: 5.05.2011 PROJEKT 11 SIEDLUNG BEDZED, SUTTON BEI LONDON (GB) • BioRegional Development Group, Beddington Zero Energy Development: Total Energy Strategy Including Green Transport Plan. Wallington 1999 • BioRegional Development Group, Beddington Zero Energy Development: Case Study Report. Wallington 2002 • BioRegional Development Group, BedZED: Toolkit Part II. A Practical Guide to Producing Affordable Carbon Neutral Developments. Wallington 2003 • BioRegional Development Group, BedZED Seven Years On: The Impact of the UK’s Best Known Eco-village and its Residents. Wallington 2009 • Building Research Establishment, General Information Report 89: BedZED. Beddington Zero Energy Development Sutton. Watford 2002 • Twinn, Chris: BedZED. In: The Arup Journal 01/2003, S.10 –16 • Hegger, Manfred u. a.: Energie Atlas. München 2007, S. 252 – 253 PROJEKTE UND IHRE MERKMALE IM ÜBERBLICK – TEIL 2 • Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Bekanntmachung der Regeln für Energieverbrauchskennwerte und der Vergleichswerte im Nichtwohngebäudebestand. Berlin 2009 • International Energy Agency – IEA: Solar Heating & Cooling Programme + Energy Conservation in Buildings and Community Systems Programme. www.iea-shc.org/task40/subtask/ index.html. Stand: 2.05.2011 • Musall, Eike u. a.: Net Zero energy solar buildings: an overview and analysis on worldwide building projects. Tagungsband EuroSun conference Graz 2010 • Voss, Karsten u. a.: Bürogebäude mit Zukunft. Berlin 2006 • www.enob.info. Stand: 5.05.2011 • www.buildingdata.energy.gov/ZEB (ab Ende Mai 2011 online) PROJEKT 13 FIRMENHAUPTSITZ, KEMPTTHAL (CH) • Factsheet 2010. www.marche-international.ch. Stand: 29.4.2011 • Factsheet 2007. www.marche-international.com. Stand: 5.05.2011
LITERATURVERZEICHNIS
• Schweizer Solarpreis 2007. www.solaragentur.ch. Stand: 5.05.2011 • EKZ Energiekontrakting. www.ekz.ch. Stand: 2.05.2011 • www.glassx.ch Stand: 5.05.2011 PROJEKT 14 WWF-HAUPTQUARTIER, ZEIST (NL) • Moreno, Concha u. a.: Broschüre zum EUROPEAN ENVIRONMENTAL DESIGN AWARD. Madrid 2009 • Sokol, David: Where the Wild Things Are. In: GreenSource Magazine, Mai/Juni 2009, S. 73ff. • Nendzig, Ursel; Tesselaar, Milo: Der Aktivist. In: BIORAMA – Magazin für nachhaltigen Lebensstil, 11/2010, S. 24 – 26 • Hannemann, Matthias: Was Menschen bewegt – Architektur. In: BRAND EINS 06/10, S. 130ff. • Hillen, Marieke: Oneplanetarchitecture – design with awareness. In: HOLLANDQUALITIME 2010, S. 104ff. • Ottosson, David: Rhythm is an Architect. In: Loft magazine 13/2010, S. 56ff. PROJEKT 16 PIXEL BUILDING, MELBOURNE (AUS) • www.pixelbuilding.com.au. Stand: 5.05.2011 • www.gbca.org.au/green-star/pixel/13600.htm. Stand: 5.05.2011 • www.airah.org.au/Ecolibrium/AM/ContentManagerNet/ContentDisplay.aspx?Section=Ecolibrium&ContentID=5654. Stand: 29.4.2011 • Torcellini, Paul u. a.: Zero Energy Buildings. A Critical Look at the Definition. Golden 2006. PROJEKT 18 NULLEMISSIONSFABRIK, BRAUNSCHWEIG (D) • Herkel, Sebastian: Nullemissionsfabrik Solvis. In: EB-Zeitschrift für EnergieEffizientes Bauen 03/2002, S. 34ff. • Jäger, Helmut: Nullemissionsfabrik Solvis. Förderkonzept solar optimiertes Bauen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Braunschweig 2003 • Herkel, Sebastian; Riecks, Dietmar; Ufheil, Martin: Verwaltungs- und Produktionsgebäude Solvis. Veröffentlichung zur Otti-Tagung. Freiburg 2002 • www.solares-bauen.de/projekte. Stand 6.5.2011 • www.enob.info/de/forschungsfelder/enbau. Stand 6.5.2011 PROJEKT 19 SCHULSANIERUNG, SCHWANENSTADT (A) • Plöderl, Heinz u. a.: Erste Passivhaus-Schulsanierung. Berichte aus Energie- und Umweltforschung 22/2004. Hrsg.: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie • Plöderl, Heinz u. a.: Erste Passivhaus-Schulsanierung. Berichte aus Energie- und Umweltforschung 33/2008. Hrsg.: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie • Wagner, Waldemar u. a.: Energietechnische, baubiologische und nutzerspezifische Begleituntersuchung zu innovativen Baukonzepten der im Rahmen von »Haus der Zukunft« umgesetzten Projekte. Gleisdorf 2009 PROJEKT 20 UNIVERSITÄTSGEBÄUDE, ST.-PIERRE (F) • Garde, François; Lenoir Aurélie; David, Mathieu: Building design and energy performance of buildings in the French island of La Réunion. Clima2010-Kongress, Antalya 2010
• Garde, François u. a.: ENERPOS. A French research program for developing new methods for the design of zero energy buildings in hot climates. CESB, Prag 2007 • Garde, François; David, Mathieu; Lenoir Aurélie: Towards Net Zero Energy buildings in hot climates. Part I. ASHRAE-Winterkonferenz, Las Vegas 2011 • Lenoir, Aurélie u. a.: Presentation of the experimental feedback of a zero energy building under tropical climate. ISES Solar World-Kongress, Johannesburg 2009 • Lenoir, Aurélie; Thellier, Françoise; Garde, François: Towards Net Zero Energy buildings in Hot climates. Part II. ASHRAE Winterkonferenz, Las Vegas 2011
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Allen, die durch Überlassung ihrer Bildvorlagen, durch Erteilung von Reproduktionserlaubnis und durch Auskünfte am Zustandekommen des Buches mitgeholfen haben, sagen die Autoren und der Verlag aufrichtigen Dank. Sämtliche Zeichnungen in diesem Werk sind eigens angefertigt.
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BILDNACHWEIS A HINTERGRUNDINFORMATIONEN A 1 WEGE ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDE A 1.01– 02 McKinsey & Company: Kosten und Potenziale zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland. Sektorperspektive Gebäude. Düsseldorf 2007 A 1.03 Nigel Young, Foster + Partners, London A 1.04 Tomas Riehle, Bergisch-Gladbach A 1.05 Engelmann, Peter: Studentisches Wohnen im Passivhaus. Evaluierung energieeffizienter Studierendenwohnheime. Dissertation Universität Wuppertal 2010 A 1.06 Arup/Gem Advertising & Publications A 1.07– 08 www.novatlantis.ch A 1.09 S.O.L.I.D. Gesellschaft für Solarinstallation und Design GmbH, Graz A 1.12 Griffith, B. u. a.: Assessment of the Technical Potential for Achieving Net Zero-Energy Buildings in the Commercial Sector. In: Technical Report NREL / TP-550-41957, 2007, S. 55 A 1.13 Dennis Schroeder, NREL National Renewable Energy Laboratory, Golden / Washington, D.C. A 1.14 Güttinger, Herbert u. a.: Energie-Detailbilanz des Eawag Forum Chriesbach. Schweizer Bundesamt für Energie. Dübendorf 2009 A 1.15 Eawag, Dübendorf A 1.16 http://www.enob.info/de/analysen/ A 1.18 Wagner, Waldemar u. a.: Energietechnische und baubiologische Begleituntersuchung Lehm-Bürogebäude Tattendorf. In: Berichte aus Energie- und Umweltforschung 65/2009. Hrsg. Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). Wien 2010, S. 43 A 1.19 – 20 Voss, Karsten: Experimentelle und theoretische Analyse des thermischen Gebäudeverhaltens für das Energieautarke Solarhaus Freiburg. Dissertation Stuttgart 1997 A 1.26 ETH-Studio Monte Rosa / Tonatiuh Ambrosetti, Zürich/Lausanne A 1.27 Voss, Karsten u. a.: The self-sufficient solar house in Freiburg. Results of 3 years of operation. In: Solar Energy 58 (1– 3) 1996, S. 17– 23 A 1.28 Triolog, Freiburg A 1.29 Goetzberger, Adolf u. a.: Mobile Blockheizkraftwerke. In: Erneuerbare Energie. 04 /1996, S. 12 A 1.30 Solar Impulse SA / Revillard, Lausanne A 2 METHODISCHE GRUNDLAGEN DER BILANZIERUNG A 2.01 Doug Snower Photography, Chicago
ANHANG
A 2.04 A 2.06
A 2.10
A 2.11 A 2.13 A 2.14
A 2.15 A 2.16 A 2.17
SenerTec GmbH, Schweinfurt Institut Wohnen und Umwelt: Kumulierter Energieaufwand und CO2-Emissionsfaktoren verschiedener Energieträger und -versorgungen. Darmstadt 2009 Schweizer Ingenieur- und Architektenverein: SIA 2031. Energieausweis für Gebäude; SIA 2040: Effizienzpfad Energie. Zürich 2009 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS): Bekanntmachung der Regeln für Energieverbrauchskennwerte und der Vergleichswerte im Nichtwohngebäudebestand. Berlin 2009 ILEK, Universität Stuttgart Peter Engelmann, Wuppertal / Boston Güttinger, Herbert u. a.: Energie-Detailbilanz des EWAG Forum Chriesbach. Schweizer Bundesamt für Energie. Dübendorf 2009; Primas, Alex: Berechnung der Grauen Energie. Zürich 2010; Hall, Monika: Fachhochschule Nordwestschweiz, persönliche Auskünfte des Bauherren, 2010 Pedro Cabrito, Lissabon John Petersen, Oberlin College Berechnung mit EnerCalc, Markus Lichtmeß
A 3 ENERGIEBILANZIERUNG – PRAXIS, NORMUNG UND GESETZGEBUNG A 3.01 Oliver Kern, Freiburg A 3.05 Monika Hall, Fachhochschule Nordwestschweiz A 3.06 – 07 Allreal Generalunternehmung AG (www.eulachhof.ch), Zürich A 3.09 –10 Armin Binz, Fachhochschule Nordwestschweiz A 3.11 Adam Mørk, Kopenhagen A 3.12 Sonja Geier, Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), Gleisdorf
B PROJEKTE + ERFAHRUNGEN PROJEKT 02 WOHNHAUSSANIERUNG, STOSSAU (A) B 02.02 Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), Gleisdorf PROJEKT 03 LIGHTHOUSE, WATFORD (GB) B 03.05 Kingspan Off-Site, Kingscourt PROJEKT 04 HOME FOR LIFE, LYSTRUP (DK) B 04.02 Adam Mørk, Kopenhagen B 04.06 Martin Dyrløv, Kopenhagen PROJEKT 05 KRAFTWERK B, BENNAU (CH) B 05.09 Jakob Schoof, München PROJEKT 06 BLAUE HEIMAT (D) B 06.02, 08 Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz, Heidelberg
BILDNACHWEIS
PROJEKT 07 KLEEHÄUSER, FREIBURG / VAUBAN (D) B 07.10 Deutscher Mieterbund e.V., Berlin PROJEKT 09 PLUSENERGIESIEDLUNG, FREIBURG (D) B 09.06, 07 Soara Bernard, Andreas Halbtuch, Bergische Universität Wuppertal PROJEKT 10 PLUSENERGIESIEDLUNG, WEIZ (A) B 10.02 Harald Eisenberger, Wien PROJEKT 11 SIEDLUNG BEDZED, SUTTON BEI LONDON (GB) B 11.05 Dennis Gilbert, London /view/ artur B 11.08 Graham Gaunt, St. Ives PROJEKT 12 STADTBAUPROJEKT MASDAR, MASDAR (VAE) B 12.02 Foster + Partners, London B 12.09 Roland Halbe, Stuttgart B 12.11 Nigel Young, Foster + Partners, London PROJEKT 13 FIRMENHAUPTSITZ, KEMPTTHAL (CH) B 13.02, 05, 10 Willi Kracher, Zürich PROJEKT 14 WWF-HAUPTQUARTIER, ZEIST (NL) B 14.01, 07 Christian Richters, Münster PROJEKT 15 BÜROGEBÄUDE MIT WOHNUNG, VILLACH (A) B 15.01 Armin Themeßl, Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie Kärnten (AEE), Villach PROJEKT 16 PIXEL BUILDING, MELBOURNE (AUS) B 16.02, 06 John Gollings, St. Kilda PROJEKT 17 FIRMENZENTRALE, BERLIN (D) B 17.01, 04 – 07 Myrzik & Jarisch, München / Solon PROJEKT 18 NULLEMISSIONSFABRIK, BRAUNSCHWEIG (D) B 18.02. 06 – 07 und 09 Christian Richters, Münster PROJEKT 19 SCHULSANIERUNG, SCHWANENSTADT (A) B 19.02, 03, 07 Walter Luttenberger, Gratkorn B 19.08 Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), Gleisdorf PROJEKT 20 UNIVERSITÄTSGEBÄUDE, ST.-PIERRE (F) B 20.02, 07 Jérôme Balleydier, St. Leu, La Réunion PROJEKT 21 KINDERGARTEN, MONHEIM (D) B 21.02, 07 – 08 Antje Schröder, Stuttgart PROJEKT 23 SOLAR DECATHLON EUROPE, MADRID (E) B 23.01 Javier Alonso Huerta, Madrid B 23.03 Team IKAROS Bavaria, Rosenheim B 23.04 Jan Cremers, München B 23.06 Peter Keil photography, Düsseldorf B 23.07 Team Berlin living EQUIA / Markus Bachmann
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AUTOREN
KARSTEN VOSS, Prof. Dr.-Ing. Bergische Universität Wuppertal ¯ Forschungs- und Lehrgebiet Bauphysik und Technische Gebäudeausrüstung www.btga.uni-wuppertal.de
EIKE MUSALL, M.Sc.arch. Bergische Universität Wuppertal ¯ Forschungs- und Lehrgebiet Bauphysik und Technische Gebäudeausrüstung www.btga.uni-wuppertal.de
SOARA BERNARD, M.Sc.arch., Dipl.-Ing. Bergische Universität Wuppertal ¯ Forschungs- und Lehrgebiet Bauphysik und Technische Gebäudeausrüstung www.sdeurope.uni-wuppertal.de
ARMIN BINZ, Prof. Fachhochschule Nordwestschweiz – Institut Energie am Bau ¯ energieeffizientes Bauen, Wärmeschutz, passive Sonnenenergienutzung www.fhnw.ch/iebau
MARKO BRANDES, Dipl.-Ing. BLS Energieplan GmbH ¯ energieeffiziente und nachhaltige Gebäudetechnik www.bls-energieplan.de
ARNULF DINKEL, Dipl.-Ing. Architekt Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg ¯ internationale Kooperation, energieeffiziente Gebäude- und Stadtplanung www.ise.fraunhofer.de
SHANE ESMORE, Director & Principal Sustainability Consultant Umow Lai ¯ Multi-disciplinary Building Services, Engineering and Sustainability www.umowlai.com.au
M. NORBERT FISCH, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Technische Universität Braunschweig ¯ IGS – Institut für Gebäude- und Solartechnik www.igs.bau.tu-bs.de
FRANÇOIS GARDE, Prof. Universität Insel La Réunion ¯ Laboratoire de Physique du Bâtiment et des Systèmes www.lpbs.univ-reunion.fr/enerpos
SONJA GEIER, DI AEE – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), Gleisdorf ¯ nachhaltige Gebäude www.aee-intec.at
ANHANG
MICHAEL GIES, Dipl.-Ing. Gies Architekten BDA, Freiburg ¯ Architektur, Städtebau, Wissenstransfer www.giesarchitekten.de
MONIKA HALL, Dr.-Ing. Fachhochschule Nordwestschweiz – Institut Energie am Bau ¯ energieeffizientes und nachhaltiges Bauen www.fhnw.ch
SEBASTIAN HERKEL, Dipl.-Ing. Maschinenbau Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg ¯ solares Bauen, Simulation, Monitoring www.ise.fraunhofer.de
PATRICK JUNG, Dipl.-Ing., Visiting Prof. Donau-Universität Krems, IPJ Ingenieurbüro P. Jung GmbH ¯ Konzepte für innovative Gebäude www.jung-ingenieure.de
FLORIAN KAGERER, Dipl.-Ing. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg ¯ solares Bauen, Simulation, Monitoring www.ise.fraunhofer.de
AUTOREN
BEAT KÄMPFEN, Dipl. Architekt eth/sia, M.A. UC-Berkeley, CA Architekturbüro Kämpfen für Architektur, Zürich ¯ energieeffizientes und ökologisches Planen und Bauen www.kaempfen.com
JENS KRAUSE, Dipl.-Ing. BLS Energieplan GmbH ¯ energieeffiziente und nachhaltige Gebäudetechnik www.bls-energieplan.de
Dr. JÖRG LANGE Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ¯ nachhaltiges Bauen www.forum-vauban.de www.vauban.de
HENRIK LANGEHEIN, Dipl.-Ing. (FH ) IGS – Institut für Gebäude- und Solartechnik, Technische Universität Braunschweig ¯ Arbeitsgruppe Betriebsoptimierung www.igs.bau.tu-bs.de
AURÉLIE LENOIR Universität Insel La Réunion, Laboratoire Piment ¯ Monitoring und Komfort von Nullenergiegebäuden www.piment.univ-reunion.fr
INGO LÜTKEMEYER, Prof. Dipl.-Ing. Architekt IBUS Architekten und Ingenieure, Berlin / Bremen ¯ nachhaltiges Planen und Bauen www.IBUS-Architekten.de
LARS RÖSSING, Dipl.-Ing. Architekt tr.architekten ¯ ganzheitliche Architekturkonzepte und Energieberatung www.tr-architekten.com
Dr. MASA NOGUCHI, Senior Lecturer MEARU Mackintosh School of Architecture ¯ Zero energy mass custom home (ZEMCH) research and teaching www.gsa.ac.uk
TANJA SIEMS, Prof. Dr.-Ing. Bergische Universität Wuppertal und T2 spatialwork ltd Architektur und Stadtplanung, London ¯ Stadt- und Infrastrukturplanung in Lehre, Forschung und Praxis www.arch.uni-wuppertal.de/Forschungs_und_ Lehrbereich/Staedtebau, www.t-2.org
STEFAN PLESSER, Dipl.-Ing. Architekt IGS – Institut für Gebäude- und Solartechnik, Technische Universität Braunschweig ¯ Betriebsoptimierung www.igs.bau.tu-bs.de www.energydesign-bs.de www.synavision.de
DIETMAR RIECKS, Dipl.-Ing. Architekt BDA Banz + Riecks Architekten BDA, Bochum ¯ energieoptimierter Industrie- und Gewerbebau www.banz-riecks.de
AUDRIUS RINGAILA, Designer MEARU Mackintosh School of Architecture ¯ Zero energy mass custom home (ZEMCH) networking www.gsa.ac.uk
KATHARINA SIMON, M.Sc.arch. Bergische Universität Wuppertal ¯ Städtebau und Urban Scape www.arch.uni-wuppertal.de/Forschungs_und_ Lehrbereich/Staedtebau/
BERT TILICKE, Dipl.-Ing. Architekt / Landschaftsarchitekt tr.architekten ¯ ganzheitliche Architekturkonzepte und Energieberatung www.tr-architekten.com
MARTIN UFHEIL, Dipl.-Ing. solares bauen GmbH, Freiburg ¯ Energiekonzeption, Simulation www.solares-bauen.de
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2000-Watt-Gesellschaft
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SACHREGISTER
Abwasserwärmetauscher activehouse adiabate Kühlung autarke Gebäude autofrei Wohnen A / V-Verhältnis Batteriespeicher Batteriepufferung Baustoffkataster Baustoffökologie Bilanzprinzip Bilanzraum Biogas Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplung Blower-Door-Messung /-Test Brandschutzkonzept BREEAM (Building Research Establishment’s Environmental Assessment Method) britisches Bewertungsverfahren SAP Baugruppe CO2-Äquivalente CO2-neutral Code for Sustainable Homes Cradle-to-Cradle Deckenventilatoren Deckungsrate Denkmalschutz DIN EN ISO 7730-2006 DIN 18599 Durchlauferhitzerprinzip
14, 56, 84 75 68 172 18 104 93, 147 22 39, 172 105 112 25 148 136 144 81, 91, 131 147 135 67 84, 86 93 66, 125, 138 64f. 127 156 37 78 143 88, 148 161
EcoCommercial Building Program 158 Eco-Indikator 93 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 40f., 98 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) 40 Eigenverbrauchsdeckung 38 Einspeisetarife 83 Elektromobilität (Mobilität) 33, 112, 139 Energiedichte 22 Enegieeinsparverordnung (EnEV) 40f., 81, 86, 88, 138 Energieoptimiertes Bauen (EnOB) 144, 164 Energieturm 170 Energy Performance in Buildings Directive (EPBD) 12, 128 E-Shuttle 141 Feuchtepuffer Flüssigsalztank-Wärmespeicher Frostfreihaltung FSC (Forest Stewardship Council) graue Energie grüne Netze
73 111 161 127 34 23
Hausautomation Haus der Zukunft Heizwärme- und Primärenergiebedarf Herstellungsenergie Holzgas Holzvergaser indirekte Belichtung Input-/Output-Bilanzierung Inselhäuser integrale Planung intelligente Stromnetze Jahresbilanz Jahresheizenergieverbrauch Kamineffekt Kleinspeicheröfen klima:aktiv Gebäudedeklaration Kollektorfassade Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG)
70 150 139 34, 105 103 106 164 28 21 139, 158 110 66 83 66, 70 74 45 129 29 40
Lastmanagement 38 Lebenszyklus 34, 66 Lebenszyklusanalyse 93, 123 Lebenszykluskosten 166 LEED (Leadership in Energy & Environmental Design) 135 Lehmputz 127 Luftdichtheit 81 Lufterdregister 75 Lüftungskompaktgerät 96, 101, 172 Mikronetz MINERGIE MINERGIE-P MINERGIE-P-ECO mobiles Blockheizkraftwerk Mobilität Model Home 2020 Nahwärmenetz nachhaltiges Bauen natürliche Lüftung Net Zero Emission Net Zero Site Energy Net Zero Site Energy Cost Net Zero Source Energy Netzinfrastruktur Netzrückwirkung Niedrigstenergiegebäude Nullemissionsgebäude Nullenergiekonzept Nur-Strom-Gebäude nutzeraktive Lichtdecke nutzungsspezifische Energieverbräuche
132 45, 89, 122 56 57, 72f., 89, 120 24 15 68 97, 106 56 154 15 15 15 15 109 39 12 32 78 26, 30, 56, 68 172 33
ANHANG
Ökostrom Ökostromverordnung (ÖSVO) österreichisches Ökostromgesetz Önorm EN 13779
63 63 63, 132 153
passiv arbeitendes Lüftungssystem 105 passive Entwärmung, Kühlung 66, 70, 145, 154f. passive solare Gewinne 79 Passivhaus 16, 84, 122, 129, 150, 163 Passivhauskomponenten 144 Passivhauskonzept 96 Passivhausfenster 73 Passivhaus-Projektierungspaket 62 Passivhausstandard 81 Phasenwechselmaterialien, PCM 19, 121, 172 Plusenergiegebäude 57, 163 Plusenergiehaus 94 Primärenergiebilanz 129 Primärenergie- und Emissionsfaktoren 30f. Primärenergiegutschriften 78 Primärenergiekennwerte 18 Prismenglas 122 Querlüftung
156
Raumautomation Raumfeuchte Rating-System
141 73 113
Sanierung 78ff., 150ff. SIA (Schweizerischer Ingenieur und Architektenverein) 120 Siedlungskonzept 95, 104 smart grids 29, 111 smart meter 67 Solar mover 139 Solararchitektur 91 SOLAR DECATHLON 168 Solarfonds 95 Solarhaus 96 Solarkamin 171 Solarsiedlung 94 Solartankstelle 139 Solartracker 136f. sommerlicher Wärmeschutz 149 Sonnenschutz 135, 171 Sorptionsrad 173 Speicherverluste 83 Spot-Monitoring 143 Stadtentwicklung 109 Stadtklima 110 Standard Assessment Procedure (Standardbewertungsverfahren – SAP) 67 Strahlungskühlung 171 thermischer Puffer TQB (Total Quality Building)
SACHREGISTER
105 153
Überströmung umweltgerechte Stadtentwicklung
161 109
Vakuum-Isolierpaneele (VIP) Verdunstung Verdunstungskühlung Verkehrskonzept virtuelle Deckungsrate Volumenstromregler
140 110 111, 170, 172 112 37 77
Wärmekapazität Wärmepumpe Wärmespeicher Wärmeüberschuss Wasserstoffwirtschaft Wasserwirtschaft Windkraftnutzung Windtürme Windfänger
20 20 19 129 23 112 29 110, 170, 171 105, 110
zeitvariable Einspeisetarife zeroHAUS-Standard Zirkulationsverluste
83 86 83
191
Nullenergiehaus, Plusenergiehaus, Nullemissionsstadt: Bei den Diskussionen über den richtigen energiepolitischen Kurs in die Zukunft steht auch unsere gebaute Umwelt im Fokus. Noch werden die bereits bekannten und erprobten Maßnahmen zu selten angewendet, mit denen sich Energieverbrauch und Emissionen vermindern lassen, die neben der Errichtung und Instandhaltung von Gebäuden vor allem während ihres Betriebs entstehen. So einfach jedoch das Vorgehen der Energiebilanzierung auf den ersten Blick erscheint, so komplex wird es im Detail und so zahlreich sind die offenen Fragen. Diese Publikation stellt anhand 23 beispielhafter Projekte unterschiedlicher Nutzungstypologien und Größen die Umsetzung in verschiedenen Maßstäben und Klimaten vor. Die objektspezifische Dokumentation von Architektur und Energiekonzept wird durch die jeweiligen Erfahrungen auf dem Weg zu klimaneutralem Wohnen und Arbeiten ergänzt. Die aus dem Vergleich der Zielerreichung hergeleiteten Querschnittsergebnisse verweisen auf erfolgversprechende Strategien: »Nullenergie« ist machbar!