Vergleich Und Klagerucknahme Im Internationalen Prozess (Tubinger Schriften Zum Internationalen Und Europaischen Rech) (German Edition) 3428061799, 9783428061792


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German Pages 484 [486] Year 1987

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Vergleich Und Klagerucknahme Im Internationalen Prozess (Tubinger Schriften Zum Internationalen Und Europaischen Rech) (German Edition)
 3428061799, 9783428061792

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GERHARD WEGEN

Vergleich und Klagerücknahme im internationalen Prozeß

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thoma8 Oppermann in Gemeinschaft mit Klaus J. Hopt, Hans v. Mangoldt Wernhard Möschel, Wolfgang Graf Vitzthum sämtlich in Tübingen

Band 14

Vergleich und Klagerücknahme im internationalen Prozeß

Von

Dr. Gerhard Wegen LL.M. (Harvard)

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Wegen, Gerhard: Vergleich und Klagerücknahme im internationalen Prozess / von Gerhard Wegen. - Berlin: Duncker und Humblot, 1987. (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht; Bd. 14) ISBN 3-428-06179-9 NE:GT

D 21 Alle Rechte vorbehalten

© 1987 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41

Gedruckt 1987 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06179-9

Meiner Frau Vli

Vorwort Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Sommersemester 1985 als Dissertation angenommen. Erstgutachter war Professor Dr. Hans von Mangoldt, Zweitgutachter Professor Dr. Wolfgang Graf Vitzthum. Das Manuskript wurde am 15.02.1985 abgeschlossen. Mein besonderer Dank gilt zwei Personen, die diese Arbeit entscheidend gefördert haben. Die Anregung zu der Arbeit stammt aus einem bisher unvollendeten Projekt von Professor Dr. von Mangoldt zum Verfahrensrecht internationaler Gerichte und Schiedsgerichte, an dem ich während meiner Assistentenzeit mitgearbeitet habe. Ich verdanke meinem Doktorvater viel als Wissenschaftler, strengem Lehrer und väterlichem Freund. Meine Frau Uli hat mich in allen Phasen außerordentlich tatkräftig unterstützt; sie nahm mir alle schreib- und drucktechnischen Arbeiten ab. An der Harvard Law School fand ich in Professor Louis B. Sohn, jetzt Athens, Georgia, einen unermüdlichen Ratgeber und Betreuer für Vorstudien im Rahmen einer Magisterarbeit. Ganz besonders danke ich meinen verehrten Eltern Luise und Gerhard Wegen, die mich nicht nur während des Studiums, sondern ebenso während dieser Arbeit, auch in finanzieller Hinsicht, maßgeblich unterstützt und ermutigt haben. Für finanzielle Unterstützung danke ich der Reinhold- und Maria-TeufelStiftung, Tuttlingen und der Harvard Law School, die einen Forschungsaufenthalt als Visiting Scholar an der Harvard Law School ermöglichten. Ich freue mich ganz besonders - und danke zugleich -, daß das Auswärtige Amt nach Vorlage des Manuskripts einen namhaften Druckkostenzuschuß gewährt hat. Schließlich danke ich den Herausgebern für die Aufnahme meiner Arbeit in die Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht. Möge der Leser entscheiden, ob all die Unterstützung und Förderung durch die Vorlage dieser Arbeit tatsächlich den gebührenden Dank erhält. Stuttgart, im August 1986 Der Verfasser

Inhaltsverzeichnis Einleitung I. Untersuchungsgegenstand

25 25

II. Wille der Parteien und Stellung des Gerichts ........... . ...... . .......

28

III. Drei Ebenen der Erledigungsumstände . . . . ... . . .. ... . . .. .. .. .. . ... . ..

32

IV. Zur Rechtsvergleichung .. . ...... . ......... . .. .. ... . . .. .... . ...... ..

34

V. Die einbezogenen Instanzen und ihre Abgrenzung ............. .. .......

38

VI. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

I. HAUPTTEIL

Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung im Verhältnis zur Verfahrensbeendigung des Einzelstreitfalles

46

Vorbemerkung: Abstrakte und konkrete Jurisdiktionsbeendigung

46

1. Kapitel Jurisdiktionsbegründung und Verfahrenseinleitung

49

I. Jurisdiktionsbegründung ..... . . . ..... .. .................. . ..........

49

1. Jurisdiktion - Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemein ...... . ............................................ b. Generelle und spezielle Jurisdiktion ...... . .............. . .... . .. c. Abstrakte und konkrete Jurisdiktion . .... .. ........... . . . ........ d. Jurisdiktion als Vertrags- und Interpretationsproblem . . . . . . . . . . . . . . .

49 49 51 53 54

2. Begründung der Jurisdiktion . ...... . .. . ....... .. .......... . .......

55

II. Verfahrenseinleitung ............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

l. Die Einleitung des Verfahrens .. .. . . . . .... .. . . . ... .. . .. . ... ... . .. ..

58

2. Voraussetzungen .. . ..... ... ...... . ...... . ..... . ............. . ...

61

3. Wirkungen .. .. ... ... .. . ........ .... ..... . ..... . .... . . .. ..... . ..

64

10

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

I. Gründe und Wirkungen abstrakter Jurisdiktionsbeendigung

66 66

1. Beendigungsgründe .......... . ....................... . ...........

66

2. Wirkungen ..................................................... a. Ausdrückliche Regelungen ............................. . ....... (1) Vertragliche Regelung zur Verfahrensbeendigung ..... . . . . . . . . . . (2) Vertragliche Regelung: Keine neuen Verfahren ab Kündigung .... (3) Vertragliche Regelung: Frist/Termin bedeutet Ende jeglicher Verfahren ................................................ (4) Bei Unterwerfungserklärungen: Vorbehalte .................... b. Keine Regelungen ............................................ (1) Automatische Beendigung des Verfahrens? .................... (2) Perpetuatio fori: Rechtsprechung und Literatur ................ (a) Begriff: perpetuatio jurisdictionis ......................... (b) Perpetuatio jurisdictionis bei Verträgen .................... (c) Perpetuatio jurisdictionis bei Unterwerfungserklärungen .....

68 69 69 72 75 77 79 79 81 81 82 84

11. Perpetuatio jurisdictionis - Folgerungen .................... . ...........

88

1. Begründung der perpetuatio jurisdictionis ........................... a. Statut und das Gericht konstituierende Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gerichtsverfahrensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Vertrauensschutzgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Prinzipien des allgemeinen Völkerprozeßrechts ...... . . . . . . . . . . . . . . e. Argumentation aus dem Partei willen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) More/li's Ansatz ........................................... (2) Weiterfiihrung: Vertragsrechtskonstruktion .................... (3) Perpetuatio jurisdictionis gemäß Auslegung des Jurisdiktionstitels

88 88 89 89 90 90 90 92 94

2. Weiterungen des perpetuatio jurisdictionis-Grundsatzes ............... a. Ausdrückliche Regelungen ..................................... (1) Modell des Europäischen Streitbeilegungsübereinkommens von 1957 ................................................. (2) Europäische Menschenrechtskonvention ...................... (3) Folgerungen für zweistufige Verfahren ........................ b. Regelungen, daß anhängige Verfahren "unberührt bleiben" . . . . . . . . .. c. Keine ausdrücklichen Regelungen ............................... (1) Das Prinzip ............................................... (2) Die Praxis ................................................

95 96

3. Beschränkungen des perpetuatio jurisdictionis-Grundsatzes ............ a. Zukunftsorientierter Vertragsinhalt bei Vertragsende ............... b. Fortgesetzte Verhaltenspflichten bei Vertragsende . . . . . . . . . . . . . . . . .. c. Vertragsstruktur und Vertragsende ............. . . . . . . . . . . . . . . . . .. d. Folgerungen .................................................

96 97 99 100 104 104 107 109 111

112 112

117

Inhaltsverzeichnis

11

3. Kapitel Konkrete Jurisdiktionsbeendigung

118

I. Originäre und sekundäre Jurisdiktionsbeendigung .......... . . . . . . . . . . . ..

118

11. Originär konkrete Jurisdiktionsbeendigung .............................

118

1. "Halbständige" Instanzen ......................................... a. Allgemeines.................................................. b. Die Praxis ...................................................

118 118 119

2. Ad hoc (Schieds-)Instanzen .......................................

122

III. Sekundäre Jurisdiktionsbeendigung ...................................

124

IV. Einseitige konkrete Jurisdiktionsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

125

2. HAUPTTEIL

Grundlagen und Geschichte

126

1. Kapitel

Ausgrenzungen verschiedener Prozeßrechtsinstitute und -situationen I. Desistement - Discontinuance: Bedeutungsinhalt

126 126

11. Ausgrenzungen zum Vergleich .......................................

128

1. Zum Vergleich im allgemeinen ....................................

2. Der materielle Vergleich

128 128

3. Der Verfahrensvergleich ..........................................

130

4. Der Prozeßvergleich .............................................

130

5. "Consentjudgment"/"Jugement d'accord" ...........................

131

6. "Settlement by Compromise" . . . . .. . . .. . . . . . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . . . . .133 7. "Kenntnisnahme" eines Vergleichs .................................

134

8. "Homologisierung" eines Vergleichs ................................

135

9. ,,Agreed Facts" ..................................................

136

10. Übereinstimmende Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137

III. Ausgrenzungen zur KlagefÜcknahme . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . .. . . . . ...

137

1. KlagefÜcknahme: Einfiihrung .....................................

137

2. Verzicht, Rechtsverzicht und Verzicht auf Klagerecht: desistement d'instance - desistement d'action ..................................

139

3. Klägeverzicht und Anerkenntnis ...................................

144

4. "Dessaisissement" und "desistement" .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

147

12

Inhaltsverzeichnis 5. Klageänderung und Antragsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

148

6. Klagerücknahmevertrag, Klagerücknahmeversprechen und einseitige Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

151

7. Zur Terminologie der Klagerücknahme .............................

151

IV. Ausgrenzungen zu ähnlichen Prozeßrechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

153

1. Die Verfahrensvexjährung (Peremption) ....................... . .....

153

2. Abbrechen des Verfahrens (Suppression de I'instance) ................

157

3. Streichung/Löschung einer Rechtssache aus dem Register .............

158

4. Aussetzung des Verfahrens (Suspension) ............................

162

5. Die Entscheidung des Gerichts, "to moot a case" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

165

V. Prozedurale Sonderlagen ............................................

168

1. Das Connally-Amendment und "the right of nations to withdraw their litigation" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

168

2. Die "Sabotage" des Verfahrens ....................................

169

3. Faktische Erledigung durch parteiunabhängige Ereignisse .............

170

2. Kapitel Die Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme in den Verfahrensordnungen des (St)IGH, in dem Projekt der International Law Commission (Model Rules) und bei ICSID

172

1. Die Entwicklung in den Verfahrensordnungen des (St)IGH . . . . . . . . . . . . . ..

172

1. Die Ausgangslage . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . ..

172

2. Die Verfahrensordnung von 1922 ..................................

175

3. Die Revisionsdiskussion von 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

179

4. Die Reformdiskussion von 1931 bis 1936 und die Verfahrensordnung von 1936 .......................................................

181

5. Die Verfahrensordnungen von 1946 und 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

186

6. Die (Revidierte) Verfahrensordnung von 1978 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

186

II. Die Entwicklung des Schiedsverfahrensprojektes der International Law Commission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

191

1. Der Scelle-Rapport von 1950 ......................................

191

2. Der Zweite Scelle-Rapport von 1951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

192

3. Konventionsentwurfund "Commentary" .............. . .............

195

4. Die Diskussion 1957/58: Model Rules ......... . ...... . .............

196

5. Zusammenfassung...............................................

197

III. Die Konzeption der Verfahrenseinstellung in der Schiedsverfahrensordnung des Weltbankübereinkommens (ICSID) (Kurze Einfuhrung) ..............

198

Inhaltsverzeichnis

13

3. HAUPITEIL

Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

201

l. Kapitel

Der Vergleich und die Parteien

202

I. Der materielle Vergleich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

202

l. Die Rechtsnatur .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

202

2. Form und Inhalt ................................................

203

3. Vergleichsschlußbefugnis .........................................

204

4. Fristen .........................................................

205

5. Wirkungen des Vergleichsschlusses selbst auf das Verfahren ........... a. Ausdrückliche Regelungen ..................................... b. Keine ausdrücklichen Regelungen ............................... (1) Die Verfahrensordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Praxis und Lehre ..........................................

206 206 207 207 207

6. Mitteilungen an das Gericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Form ........................................................ (1) Erklärungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Schriftform ............................................... (3) Übereinstimmende Erklärungen oder gemeinsames Dokument. .. b. Inhalt und Umfang der Mitteilungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (1) Die Praxis des (St)IGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Die Praxis anderer Gerichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c. Untätigkeit der Parteien. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d. Wirkung der Mitteilungen. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

210 210 210 212 212 213 213 216 217 217

7. Anträge an das Gericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Allgemeines.................................................. b. Anträge beim materiellen Vergleich seit VerfO IGH 1978 ...........

219 219 220

11. Der Verfahrensvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

221

l. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

221

2. Form, Inhalt, Vergleichsschlußbefugnis und Wirkungen in materieller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

222

3. Fristen .........................................................

222

4. Mitteilungen an das Gericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Form ........................................................ (1) Erklärungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Schriftform ............................................... (3) Übereinstimmende Erklärungen oder gemeinsames Dokument. .. (4) Das Erfordernis der Prozeßerklärung durch alle Streitparteien .... (5) Bedingungsfeindlichkeit der Mitteilungen an den Hof . . . . . . . . . ..

222 222 222 224 224 224 225

14

Inhaltsverzeichnis b. Inhalt und Umfang der Mitteilungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c. Untätigkeit der Parteien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d. Wirkung der Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

226 228 229

5. Anträge ..................... . . . .............. . .................

229

III. Der Prozeßvergleich ................................................

230

1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

230

2. Form und Inhalt des Prozeßvergleichs .............................. a. Form ........................................................ b. Inhalt .......................................................

230 230 231

3. Vergleichsschlußbefugnis .........................................

231

4. Fristen ............................................... . .........

232

5. Die Wirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 232 a. Verfahren ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 232 b. Parteien ...................................................... 233 6. Vergleichsschluß in mündlicher Verhandlung ohne Regelung. . . . . . . . . ..

233

IV. Die Homologisierung/Bestätigung eines Vergleichs ....... . . . . . . . . . . . . . ..

234

1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

234

2. Form und Inhalt ................................................ a. Form ........................................................ b. Inhalt .......................................................

234 234 235

3. Vergleichsschlußbefugnis ......................................... a. Staatenvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b. Parteien .................... . ................................

235 235 235

4. Fristen .........................................................

236

5. Die Nichterhebung des Widerspruchs durch Staatenvertreter . . . . . . . . . .. a. Allgemeines.................................................. b. Die rechtliche Konstruktion ....................................

236 236 237

6. Mitteilung des Vergleichs an das Gericht, die Anträge

237

V. Vergleich als Grundlage eines "consent judgment" ......................

238

1. Die Rechtsnatur des Vergleichs ....................................

238

2. Form und Inhalt des Vergleichs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Form ........................................................ b. Inhalt .......................................................

238 238 239

3. Vergleichsschlußbefugnis .........................................

239

4. Fristen .........................................................

240

5. Wirkungen des Vergleichs als Urteilsgrundlage ......... . . . . . . . . . . . . ..

240

6. Mitteilung des Vergleichs an das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

240

Inhaltsverzeichnis

15

7. Anträge an das Gericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 241 a. Ausdrückliche Regelungen ..................................... 241 b. Keine Regelungen ............. . .............................. 242 VI. Folgerungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

242

l. Anforderungen der Verfahrensordnungen ...........................

242

2. Vergleichsschluß ohne Regelung ...................................

243

3. Materiell-rechtliche Wirkungen der Verfahrensbeendigung durch Vergleich

245

2. Kapitel Der Vergleich und das Gericht

247

1. Die Kenntnisnahme des Vergleichs durch das Gericht ................... 247 l. Die verschiedenen Ebenen der Verfahrensbeendigung ................ 247 2. Mit der Notifikation des Vergleichs ausgelöste "prozessuale Schwebelage"

247

3. Verkürzung der Befugnisse des Gerichts bei "prozessualer Schwebelage" . a. Grundlage ................................................... b. Die Praxis des (St)IGH zur "prozessualen Schwebelage" ............ c. Besonderheiten des Prozeßvergleichs ............................ d. Das Zwischenverfahren bei der Homologisierung von Vergleichen ... e. Die Vorgehensweise bei "consent judgment" ...................... f. Wirkung der Mitteilung des Vergleichs bei fehlender Regelung und bei ad hoc-Instanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. g. Sonderlage: Menschenrechtskonventionen ........................ h. Prozessualer status quo bei einseitiger Notifikation. . . . . . . . . . . . . . . ..

249 249 250 252 252 253

II. Allgemeine Prüfungsbefugnisse des Gerichts bei der Verfahrensbeendigung durch Vergleich ....................................................

253 254 254 254

l. Das Vorliegen der formellen Voraussetzungen der Verfahrensbeendigung

254

2. Das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Materieller und Verfahrensvergleich ............................. b. Der Prozeßvergleich .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c. Homologisierung und Aufnahme von Vergleichen in ein Urteil ...... d. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

255 255 256 257 260

III. Prüfungs- und Zustimmungserfordemisse in bezug auf den Inhalt des geschlossenen Vergleichs (Verweisung) ................................

260

IV. Vergleich und Säumnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

261

l. Die Voraussetzungen des Art. 88 (1) VerfD IGH ..................... a. Wortlaut und Entstehungsgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b. Die "separate" Notifikation ..................................... (1) Die Form ................................................ (2) Der Inhalt ................................................

261 261 262 262 263

16

Inhaltsverzeichnis 2. Eine korrigierende Auslegung im Falle der Säumnis .................. a. Das Bedürfnis für eine abweichende Auslegung ................... b. Anwendbarkeit des Art. 53 IGH Statut bei Verfah,renseinstellung . . . .. (1) Art. 53 (1) IGH Statut ...................................... (2) Art. 53 (2) IGH Statut ...................................... (3) Bestätigung: Die "prozessuale Schwebelage" . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c. Lösung aus der Struktur der Artikel 88 und 89 VertU IGH . . . . . . . . ..

263 263 264 264 265 266 266

4. HAUPTTEIL

Einzelfragen der Klagerücknahme im internationalen Prozeß

269

1. Kapitel Funktioneller Anwendungsbereich, Rechtsnatur und Wirkungen der Klagerücknahme I. Funktioneller Anwendungsbereich der Klagerücknahme

271 271

1. Die Art der Verfahrenseinleitung als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . ..

271

2. Verfahrenseinleitung durch Kompromiß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

273

3. VerfahrenseinIeitung durch einseitigen Antrag ......... . ............. a. Obligatorium, Säumnis und Klagerücknahme ..................... b. Internationale Instanzen und einseitiges Antragsrecht .............. c. Klagemöglichkeiten mit Anfechtungscharakter .................... d. Folgerungen .................................................

274 274 276 277 278

II. Die Rechtsnatur der Klagerücknahme .................................

278

1. Die drei Regelungstypen in Verfahrensordnungen ..................... a. Klagerücknahme ohne Einverständnis des Beklagten ............... b. Klagerücknahme nur mit Einverständnis des Beklagten .... . . . . . . . .. c. Die teilweise ohne, teilweise mit Einverständnis des Beklagten zurückzunehmende Klage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . .. 2. Die Rechtsnatur der Klagerücknahme nach Aufnahme des Prozesses durch den Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Vertragsrechtliche Begründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (1) Die Argumentation mit dem Wortlaut der Vorschriften. . . . . . . . .. (2) Die Argumentation mit der Entstehungsgeschichte im StIGH .... (3) Die These von Suy: Zuständigkeiten werden vertraglich begründet und aufgehoben ........................................... (4) Suy's These von der besonderen Vertragsschlußforrn ............ b. Prozeßrechtliche Begründung (Salvioli, Tommasi di Vignano) ........ c. Der IGH: Einseitiger Akt und unqualifiziertes Einverständnis .......

278 278 279 281 282 282 283 284 284 286 287 289

Inhaltsverzeichnis

17

d. Klagerücknahme als einseitiges Rechtsgeschäft mit der aufschiebenden Bedingung des Nichtwiderspruches (Lehre von Seerni) . . . . . . . . . . . . .. (1) Entstehungsgeschichte ..................................... (2) Charakter der Prozeßerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (3) Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (4) Die Konsistenz der Verfahrenseinstellungsregeln ............... (5) Interessengerechte Lösung .................................. (6) Die Bestätigung des IGH ................................... e. Eigene Stellungnahme: Bedingungstheorie Scerni's . . . . . . . . . . . . . . . ..

290 291 292 292 293 293 294 295

1. Bedingte oder unbedingte Klagerücknahme ...... : . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Die unbedingte Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b. Die bedingte Klagerücknahme ................. . .... . ........ . .. (1) Nichtwiderspruch des Beklagten ............................. (2) Nichtwiderspruch des Staatenvertreters (TAM) . . . . . . . . . . . . . . . ..

296 296 296 297 297 298

2. Folge der Klagerücknahmeerklärung: "prozessuale Schwebelage" und formelle Prüfungsbefugnisse des Gerichts ...........................

298

IV. Die Wirkungen der Klagerücknahme ..................................

299

III. Die Wirksamkeit der Klagerückriahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

2. Kapitel Die Förmlichkeiten der Klagerücknahmeerklärung

302

1. Die Berechtigung zur Abgabe der Klagerücknahmeerklärung .............

302

1. Die ausdrückliche Regelung der Erklärungsbefugnis .......... . .......

302

2. Allgemeine Regeln: Die Parteien ..................................

302

3. Allgemeine Regeln: Die Prozeßbevollmächtigten .....................

304

11. Die Form der Klagerücknahmeerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Besondere Formvorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Schriftform .....................................................

307

III. Fristbestimmungen .................................................

309

1. Die verschiedenen Funktionen von Fristbestimmungen ............... 2. Ausschlußfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Verkürzte Ausschlußfristen ..................................... b. Die übliche Ausschlußfrist .....................................

309 309 309 310

3. Fristen zur Qualifizierung der Wirksamkeit der Klagerücknahme ....'. . ..

310

IV. Inhalt und Umfang der Klagerücknahmeerklärung ......................

311 311

1. Der Grundsatz in den Verfahrensordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

307 307

2. Die Praxis ...................................................... 311

18

Inhaltsverzeichnis

V. Bedingungsfeindlichkeit und Widerruf der Klagerücknahmeerklärung

312

1. Bedingungsfeindlichkeit .......................................... 312 2. Widerruflichkeit.................................................

312

VI. Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

315

VII. Prüfungsbefugnisse .................................................

315

3. Kapitel Die "Mitwirkung" Dritter bei der Klagerücknahme

316

I. Die "Mitwirkung" des Beklagten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

316

1. Das Problem: Die Klagerücknahme nach Verfahrensaufnahme .........

316

2. Die Verfahrensaufnahme ......................................... 316 a. Der Begriff: "Allgemein" und "Verfahrensschritt" .................. 316 (1) Reisman: Jegliche Befassung des Beklagten mit der Streitigkeit. .. 317 (2) Jegliche "Mitteilungen" durch Parteien an das Gericht .......... 317 (3) Die Ernennung eines ad hoc-Richters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 318 (4) Formelle Prozeßhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 318 (5) Die ständige Praxis: Benennung des Agenten.................. 318 b. Der Zeitpunkt der Verfahrensaufnahme .......................... 320 c. Die Entscheidung über das Vorliegen einer Verfahrensaufnahme . . . .. 321 3. Das (Zwischen-)Verfahren nach der Verfahrensaufnahme .............. a. Die Fristsetzung ...................................... . ....... (1) Die Befugnis zur Fristsetzung ......... . .................. . .. (2) Die Praxis der Fristsetzung ................................. (3) Die Mitteilung der Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (4) Die Abstandnahme von der Fristsetzung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b. Die Erklärung des Nichtwiderspruches und dessen Fiktion .......... (1) Recht und Pflicht zur Erklärung über den Nichtwiderspruch ..... (2) Befugnis, Form und Inhalt der Erklärung ..................... (3) Die Wirkung von Erklärung oder Ablauf der Erklärungsfrist ohne sie c. Die Erhebung des Widerspruches ............................... (1) Befugnis zum Widerspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Frist und Form der Abgabe ................................. (3) Inhalt der Widerspruchserklärung ............................ (4) Entscheidungsbefugnisse des Gerichts ........................ (5) Wirkungen des Widerspruches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d. Das Zwischenverfahren .................. . ................ . ....

321 321 321 322 322 323 324 324 325 326 326 326 326 327 327 327 328

II. Die Widerspruchsmöglichkeiten von Staatenvertretern vor Gemischten Schiedsgerichtshöfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

329

III. Weitergehende Prüfung und Genehmigung durch das Gericht ............

330

1. Der Grundsatz ..................................................

330

Inhaltsverzeichnis 2. Die Ausnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Gerichte mit Annäherung an die Offizialmaxime .................. b. Die Menschenrechtsgerichtshöfe .......................... . .....

19 332 332 333

5. HAUPTTEIL

Die Entscheidung des Gerichts

1. Schwerpunkt der Untersuchung: Vergleich und Klagerücknahme ohne Sonderformen der Entscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

335

335

1. Ausgrenzung der Sonderformen ............... . ...................

335

2. Der Begriff Entscheidung .........................................

335

H. Die Zuständigkeit zum Erlaß der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

336

1. Der Begriff des Gerichts ..........................................

336 336 337 337 337

a. Der funktionelle Spruchkörper ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b. Die Anwesenheit der ad hoc-Richter im (St)IGH .................. (1) Das Statut ................................................ (2) Die Praxis ................................................ 2. Die ausschließliche Organzuständigkeit des Gerichts .................. a. Genehmigungs- und Zulassungsbefugnisse hinsichtlich der Verfahrensbeendigung .................................................. b. Ad hoc-Instanzen ............................................. c. Die Modellregeln ................... . ......................... d. Die ständigen Instanzen ....................................... (1) EGKS und EuGH ......................................... (2) StIGH und SchKGRI ...................................... 3. Die Differenzierung der Organzuständigkeit zwischen Gericht und Präsident a. (St)IGH bis 1978 ............................................. b. Saar SchG ............................... . ................... c. Überlegungen de lege ferenda ..................................

338 339 339 339 340 340 340 341 341 342 342

4. Die Sonderlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Die ausschließliche Befugnis des Präsidenten ..................... b. Die Sonderrolle des Generalsekretärs von ICSID ..... . .... . .... . ..

343 343 344

5. Kompetenzverschiebungen bei besonderen Verfahren .................

344

III. Die Form der Entscheidung .........................................

345

1. Der Ausgangspunkt: Der Charakter der Entscheidung ................

345

2. Die Verfahrensordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

346

3. Die Praxis ohne ausdrückliche Regelung ............................ a. Der StIGH bis 1936: Verfügung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b. Die Praxis internationaler ad hoc-Instanzen: Kenntnisnahme ........

348 348 348

20

Inhaltsverzeichnis

IV. Der Inhalt der Entscheidung ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

349

1. Allgemeines ......................................... . .... . .....

349

2. Die Tenorierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Der (St)IGH und ihm folgende Instanzen ........................ (1) VerfD und Praxis bis 1936 .................................. (2) VerfD und Praxis bis 1978 ............................... . .. (3) VerfD und Praxis seit 1978: Teheraner Geisel-Fall. . . . . . . . . . . . .. (4) UN Tribunal in Eritrea ..................................... (5) Folgerung ................................................ b. Andere Gerichte mit ausdrücklicher Regelung .................... c. Die Praxis der Gerichte ohne Regelung ..........................

350 350 350 353 356 357 357 357 358

3. Entscheidungsgründe und Prüfungsbefugnisse des Gerichts . . . . . . . . . . .. a. Die schlichte Kenntnisnahme oder Feststellung des materiellen Vergleichs ................................................... (1) Die Ausgangslage und Entwicklung im (St)IGH . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Die abweichende Auffassung Giardina's . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (a) Die Wortwahl des (St)IGH: "prendre/donner acte" .......... (b) Die Mitteilung des materiellen Vergleichs durch die Parteien. (3) Die Konzeption der IGH VerfD von 1978 ..................... (a) Artikel 88 (1) VerfD: Verfahrenseinstellung ................ (b) Artikel 88 (2) VerfD .................................... (4) Die Praxis anderer internationaler Instanzen. . . . . . . . . . . . . . . . . .. (a) Die Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (b) "Ordre public international" ................. . ........... (c) "Ordre public conventionnel" ............................ (5) Ergebnis ................................................. b. Der Verfahrensvergleich .......... . ..................... . ...... c. Der Prozeßvergleich ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d. Homologisierung von Vergleichen ............................... (I) Der Wortlaut der VerfD'en .................................. (2) Die Rolle der Staatenvertreter ............................... (3) Die Praxis .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e. Das "consent judgment" ........ . ....................... . ...... (1) Der (St)IGH ................................ . . . ........... (2) Die Regelungen anderer Instanzen ........................... (3) Sonstige Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. f. Die Entscheidungsgründe ...................................... (1) Allgemeines .............................................. (2) (St)IGH ..................................................

360 361 361 362 362 363 364 364 364 365 365 366 367 368 369 369 369 370 370 370 371 371 372 373 374 374 375

V. Wirkungen der Entscheidung ........................................

378

1. Die Konzeption .................................................

378

2. Feststellung/Kenntnisnahme der Verfahrenseinstellung . . . . . . . . . . . . . . ..

378

3. Streichung aus dem Register ......................................

379

4. res iudicata .....................................................

380

Inhaltsverzeichnis

21

5. Quasi-res iudicata-Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

381

6. Die Anwendbarkeit von "estoppel"-Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a. Allgemeines.................................................. b. Art. 88 (2) VerfO IGH .........................................

381 381 382

7. Kosten.................................... . .................. . . 383 VI. Sonderformen der Entscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

384

1. Die Homologisierung ............................................ 384 a. Die Form der Entscheidung .................................... 384 b. Die Wirkung der Entscheidung ............................... . . 385 2. Das "consent judgment" ..................... . .... . . . ...... . .... . . 386 a. Charakter des "consent judgment" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 386 b. Wirkungen des "consent judgment" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 386 3. Das Urteil der Menschenrechtsgerichtshöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

387

Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

388

Anhang...............................................................

395

I. Verzeichnis der einschlägigen Vorschriften für die verschiedenen internationalen Gerichte und Schiedsgerichte einschließlich Modellregeln und Regeln bedeutender privater internationaler Schiedsgerichtsbarkeit ...............

395

11. Verzeichnis der einschlägigen Entscheidungen der internationalen Gerichte und Schiedsgerichte einschließlich der Instanzen für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten ...............

448

III. Abdruck der englischsprachigen Kommentierung des ICSID-Sekretariats zu der ICSID-Einleitungs- und Schiedsverfahrensordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

462

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

466

Abkürzungsverzeichnis AAA ABAJ AFDI AJIL AmGHMR AJCL AmKMR AmMRK AnnCIJ AnnIDI Arb. ArchVR ASIL AT BaöRV BGBI. BYIL c Camb. L.J. Cal. Can.

CU

CI. CI.Com. CJunet CoLJ. Transnat'l L. Col.L.Rev. Com. Com.e Stud. CPJI DGVR Diss. DJZ EA EACMT ECAFE ECE ECHR ECHR Publ. ECHRY EGKS EPIL Esp.

American Arbitration Association Amcrican Bar Association Journal Annuaire fran9ais de droit international American Journal of International Law Inter-Amerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte American Journal of Comparative Law Inter-Amerikanische Kommission für Menschenrechte Amerikanische Menschenrechtskonvention Annuaire de la Cour internationale de Justice Annuaire de !'Institut de droit international Arbitration oder Arbitrage Archiv des Völkerrechts American Society of International Law Administrative Tribunal Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bundesgesetzblatt British Yearbook of International Law contre Cambridge Law Journal Californian Canadian Cour international de Justice Claim oder Claims Claims Commission Journal du Droit International Columbia Journal of Transnational Law Columbia Law Review Commercial, Commerce oder Commission Communicazione e Studi Cour permanente de Justice internationale Deutsche Gesellschaft für Völkerrecht Dissertation Deutsche Juristenzeitung Europa-Archiv East African Common Market Tribunal Economic Commis si on for Africa and the Far East Economic Commission for Europe European Court of Human Rights Publications of the European Court of Human Rights Yearbook of the European Convention on Human Rights Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Bd. 1,2 etc.: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia ofPublic International Law, Bd 1, 2 usw. 1981 ff. Espana, Espanola

Abkürzungsverzeichnis EuGH EuGHE EuGHMR EuKernEG EuKMR EuMRK EuR EWG EWGV FS FW GA GAOR Gern. Gern. Kom. Gern. Kom.OS Gern. SchG GemSchGH GYIL Harv. Ibid ICC ICJ ICJ Pleadings ICJ Rep. ICLQ ICSID IGH IGH Saar ILA ILC ILCY ILM ILR Int'l J. JIR JW KSE L.

LoN LSchA NF NedTIR-NILR OAU Ö/D SchGFAG Ö/D SchG VV ORG

23

Europäischer Gerichtshof Sammlung der Rechtsprechung des EuGH Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäisches Kernenergiegericht Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Europarecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag Festschrift, Gedächtnisschrift oder Liber amicorum Die Friedens-Warte General Assembly, Generalversammlung der UN Official Records of the UN-General Assembly Gemischt Gemischte Kommission Gemischte Kommission für Oberschlesien Gemischtes Schiedsgericht Gemischter Schiedsgerichtshof German Yearbook of International Law (ab Bd 18, zuvor JIR) Harvard Ebenda International Chamber of Commerce International Court of Justice International Court of Justice. Pleadings, Oral Arguments, Documents International Court of Justice. Reports of Judgments, Advisory Opinions and Orders The International and Comparative Law Quarterly International Centre for Settlement of Investment Disputes Internationaler Gerichtshof Internationaler Gerichtshof im Saarland International Law Association International Law Commission Yearbook of the International Law Commission International Legal Materials International Law Reports International (e, es, er, em) Internazionale, Internacional Journal Jahrbuch für Internationales Recht (bis Bd. 17, dann GYIL) Juristische Wochenschrift Zehn Jahre Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, Kölner Schriften zum Europarecht -KSE- Bd. 1 (1965)

Law oder Legal League of Nations Londoner Schulden abkommen Neue Folge Nederlands Tijdsschrift vor Internationaal Recht - Netherlands International Law Review Organisation of African Unity Österreichisch-Deutsches Schiedsgericht nach dem Finanz- und Ausgleichsvertrag Schiedsgericht des Österreich-Deutschen Vermögensvertrages Oberstes Rückerstattungsgericht

24 Org. PCIl PCA RBDI RdC Rec. Rev. RGW Rev. Droit. Int'l U:gis Comp. Rev. Esp. Derecho Int'l Res. RGDIP RIAA Riv.Dir.Int. RzW SaarSchG SchG SchGH SchGH LSchA SchKGRI SchG OS SdN StIGH (St)IGH TAM Tripartite CI.Com. UN UNCITRAL UNTS US / Dt. Cl. Com. v. Verf. VerfO VRÜ WV WVK Y. ZaöRV Z.f.Schw.R.

Abkürzungsverzeichnis Organisation, organization Permanent Court of International Justice Permanent Court of Arbitration Revue Beige de Droit International Recueil des Cours, Academie de Droit International Recueil Review, Revue oder Revista Comecon, CMEA Revue de Droit International et de Legislation Compares Revista Espafiola dei Derecho Internacional Resolution Revue generale de droit international public Reports of International Arbitral Awards Rivista di Diritto Internazionale Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht Deutsch-Französisches Saar-Schiedsgericht Schiedsgericht Schiedsgerichtshof Schiedsgericht des Londoner Schuldenabkommens Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen Schiedsgericht für Oberschlesien Societe des Nations Ständiger Internationaler Gerichtshof StIGH oder IGH Tribunal Arbitral Mixte (oder Plural) zugleich: Recueil des Decisions des TAM institues par les Traites de Paix Tripartite Claims Commission Uni ted Nations, Vereinte Nationen Uni ted Nations Conference on International Trade Law Uni ted Nations Treaty Series US-German Mixed Claims Commis si on versus, gegen, contre, against Verfasser Verfahrensordnung Verfassung und Recht in Übersee Wörterbuch des Völkerrechts, 3 Bde (Schlochauer Hrsg) (1962) Wiener Vertragsrechts konvention Yearbook Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Schweizerisches Recht

Einleitung I. Untersuchungsgegenstand

Gegenstand der Untersuchung bildet die prozessuale Bewältigung von Vorgängen im Völkerrecht, die sachlichrechtlich als gütliche Einigung, Verzicht, Abstandnehmen von Rechtsverfolgung, prozessualrechtlich als Verzicht auf die Fortsetzung des Verfahrens bezeichnet werden können, d.h. als Verfahrensbeendigung auf Initiative eines oder aller Streitbeteiligten. Unter einem strikt formalen Aspekt kann gesagt werden, daß ein gerichtliches Verfahren immer mit einem Akt des Gerichts abgeschlossen wird. Es mag den Parteien freistehen, über den eingeführten Streitstoff anders zu disponieren l , aber, so bereits der StIGH, "l'accord entre les Parties mettait fin au differend, mais non a la procedure".2 Das Gericht muß zumindest die Streichung der Rechtssache aus dem Register verfügen, wenn es sich um eine ständige Instanz handelt. Fraglich ist dies bereits bei einem ad hoc errichteten Gericht. Wann denn ein Prozeß derart beendet werden kann, unter welchen Voraussetzungen dies mit welchen Rechtsfolgen geschehen kann, ist dabei noch völlig offen. Jedoch lehrt ein Blick in die zwischenstaatliche Prozeßrechtspraxis, daß solche Konstellationen häufig aufgetreten sind 3 , auch wenn es bisher nur ganz ausgesprochen selten zu einem Streit um die Wirkungen der Prozeßbeendigung durch Vergleich oder Klagerücknahme gekommen ist. 4 Das Thema ist bisher noch nicht Gegenstand monographischer Behandlung gewesen. Ausgesprochen selten wurden diese Probleme in Aufsätzen und in kleineren Beiträgen angesprochen. 5

Seerni, Procedure, RdC 65 (1938 II1), S. 565 (659). Beratung des Borchgrave-Falles, PCIJ, Series E, No. 16, S. 182. So stellte dies auch A. dei Vecchio, Le parti, S. 229/230, zutreffend dar: " ... le suddette manifestazioni di volontä non hanno l'effetto di interrompere immediatamente il procedimiento, ma ela Corte, ehe, prendendo atto della volontä delle parti, mette final rapporto processuale". 3 Vgl. nur die Entscheidungssammlung in Anhang II. 4 Vgl. insbesondere Barcelona Traction, 1. Phase, ICJ Rep. 1964, S. 6 ff. Siehe ferner Deutscher-Belgischer Gemischter Schiedsgerichtshof, U.v. 5.5.1927 O.V.C. (Winand) v. Reichsausgleichsamt (Gasmotorenfabrik), TAM VII, S. 520. 5 Giardina, Arrangements amiables, Com. e Stud. 14 (1975), S. 337 ff.; Pecourt Garcia, EI desistimiento, Rev. Esp. Derecho Int'123 (1970), S. 231 ff.; Suy, Contribution, RBDI 1966, S. 68 ff.; Wegen, Discontinuance, AJIL 76 (1982), S. 717 ff. 1

2

26

Einleitung

Dieser Bereich wurde meist kursorisch thematisiert in den Kommentaren zur Verfahrens ordnung des (St)IGH6 oder in den monographischen Darstellungen des Prozeßrechts bzw. bestimmter Einzelaspekte davon.? Nach gängiger deutscher Prozeßrechtsdogmatik endet ein gerichtliches Verfahrens, wenn das mit dem Verfahren angestrebte Rechtsschutzziel erreicht ist, oder aus besonderen Gründen nicht mehr erreicht werden kann. So bei Klagerücknahme, Vergleich, Erledigung und Urteil. Nur die Verfahrensbeendigung ohne streitiges Urteil wird in die Studie einbezogen. 9 Damit aber sind für den völkerrechtlichen Bereich die Fälle faktischer Erledigung einer Instanz noch nicht erfaßt. Dies ist denkbar aufgrund von Kriegswirren oder durch Verfahrenssabotage einer Partei, oder, undramatischer, bei schlichtem Nichtbetreiben des Verfahrens durch die Parteien: Ruhenlassen des Verfahrens, Aussetzung usw. Insbesondere kommt im Völkerrecht eine Vereinbarung der Parteien in Betracht, eine Streitbeilegungjedenfalls nicht der Gerichtsinstanz zu überlassen. Gerichtsförmige Verfahren werden in der Regel eingeleitet und betrieben, um eine Entscheidung der Instanz über den unterbreiteten Streits toff am Maßstabe des Rechts herbeizuführen. Dabei wird an eine Instanz ein Rechtsschutzgesuch gerichtet, welches sie authoritativ entscheiden soll. Solchem Ansinnen liegt ein Streit zwischen zwei Parteien zugrunde. Die Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens liegt bei allein einer Partei im Falle der Inanspruchnahme einer Instanz, deren Gerichtsbarkeit diese Parteien zumindest generell unterworfen sind: institutionalisierte obligatorische Gerichtsbarkeit. Möglicherweise entscheiden die Streitparteien gemeinsam, den bereits entstandenen Fall einer dritten Instanz zur Entscheidung zu unterbreiten: ad hoc (Schieds-) Gerichtsbarkeit qua Komprorniß. Wird nun der Streit rechtlich oder tatsächlich beigelegt, erledigt sich der Streit sonstwie, oder will eine - oder beide - Partei schlicht vom bereits initiierten Verfahren loskommen, dann entsteht die Frage 6 Stauffenberg, Statut et reglement, S. 405 ff.; Guyornar, Commentaire, S. 395 ff.; Rosenne, Commentary, S. 185 ff. 7 Vgl. Hudson, PCIJ 1943, S. 545 ff.; Salvioli, Tutela, S. 371 ff.; Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 534 ff.; dei Vecchio, Le parti, S. 229 ff.; Martin, L'estoppel, S. 157 ff.; Witenberg, Organisation judiciaire, S. 343 ff.; Sirnpsonl Fox, lnt'l Arbitration, S. 214 ff. a Technisch auch "relinquishment ofjurisdiction" oder "desaississement" genannt, vgl. nur VerfO des EuGHMR vom 24.11.1982, Conseil de l'Europe, Doc. No. Cour (82) 107 v. 2.12.1982: Artikel 50. Es herrscht immer wieder Verwirrung über die Zuordnung solcher verfahrensbeendigenden Vorgänge. Der IGH macht in seinen eigenen Publikationen teilweise unzutreffende Angaben über seine eigene Jurisprudenz: so soll seit 1945 kein Verfahren mehr durch Vergleich beendet worden sein, hier wird der Compagnie du PortFall vergessen und zugleich den Klagerücknahmen zugeschlagen. Bei dem Vergleich wird ein Fall nicht erwähnt (Factory at Chorz6w) oder von einem Fall stillschweigender Klagerücknahme gesprochen, was der lGH selbst im Monetary Gold-Fall anzuerkennen abgelehnt hat, vgl. zu allen Angaben des lGH, lGH 1978, S. 63. Rosenne, Commentary, S. 94 führt als "discontinuance" einen Fall ein, der durch Urteil abgeschlosssen wurde (Lighthouses in Crete and Samos, Jugdment, 1937, PCJI, Series AI B, No. 71, S. 94). 9 Vgl. für das deutsche Recht Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, S. 763 statt aller.

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nach den, hier nicht behandelten, materiell-rechtlichen und prozessualen Voraussetzungen und Wirkungen 'solcher Streiterledigung. Im staatlichen Bereich wird, wie gesagt, die Klage zurückgenommen, ein Vergleich geschlossen oder die Sache für erledigt erklärt. Solche Verhaltensweisen sind auch im Völkerrecht denkbar. Darüberhinaus ist jedoch zu bedenken, daß jenseits der staatlichen Ebenen mit ihren zentralen Rechtserzeugungs- und -erzwingungsinstanzen der Wille der gleichgeordneten Parteien von ganz erheblich größerer Bedeutung ist, als Ausdruck der souveränen Gleichheit der Staaten. So kann dem Gericht jeweils durch Parteivereinbarung schlicht die Jurisdiktionsgrundlage entzogen werden, d.h. die Zuständigkeit, überhaupt über Streitfälle der beteiligten Staaten zu entscheiden. Dies ist bei einem ad hoc Gericht ebenso denkbar wie bei einer ständigen Instanz. 10 10 Bleckmann hat eine sehr instruktive "Check-Liste" der besonderen Strukturanlagen des Völkerrechts zusammengetragen, von denen die für die internationale Streitbeilegung, das Völkerprozeßrecht und die Verfahrensbeendigung einschlägigen zusammengefaßt werden; Bleckmann. Die Aufgaben einer Methodenlehre des Völkerrechts (1978), S. 45-49 = Bleckmann, Zur Strukturanalyse im Völkerrecht, Rechtstheorie 9 (1978), S. 143 (144148): ,,- Die Völkerrechtsgemeinschaft setzt sich primär aus souveränen, gleichgeordneten Staaten zusammen. Die Staaten sind einander nicht übergeordnet, sondern gleichgeordnet. Die Völkerrechtsordnung ist also im Gegensatz zur hierarchisch aufgebauten Staatsordnung eine "paritätische Koordinationsordnung" . - Mit der gleichen Souveränität der Staaten hängt das Fehlen zentraler Organe der Völkerrechtsgemeinschaft zusammen. Soweit Verträge die Funktion der Gesetzgebung übernehmen und soweit eine Gerichtsbarkeit besteht, beruhen sie auf dem Konsens der beteiligten Staaten. - Das Fehlen einer Gerichtsbarkeit und der staatlichen Zwangsmittel haben zur Folge, daß die Rechtsansprüche durch die Staaten selbst beurteilt werden, und daß die Verhandlungen zwischen den Staaten und die Selbsthilfe in den Vordergrund treten. - Da das Völkerrecht keine zentralen Repräsentativorgane i.e.S., keine Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit kennt, folgen die Staaten meist ihren Individualinteressen; das völkerrechtliche Gesamtinteresse bleibt relativ unterentwickelt. Die Folge ist eine relative Autonomie der Staaten. - Mangels zentraler Organe, welche das Allgemeininteresse vertreten könnten, stellt die Völkerrechtsordnung kein objektives Recht i.e.S. dar; sie beruht vielmehr auf der Gegenseitigkeit (Relativität) der Rechte und Pflichten; die objektive Rechtsordnung zerfällt in zahlreiche bilaterale Rechtsverhältnisse; nur der jeweils berechtigte Staat kann die Realisierung der Rechte verlangen. - Mangels umfassender AUgemeininteressen ist das Völkerrecht weitgehend dispositiv. - Obwohl die Satzung der UNO und die Statuten des IGH die Gerechtigkeit anstreben, ist das Ziel der Völkerrechtsordnung auch heute noch weniger die Durchsetzung der objektiven Gerechtigkeit als die Garantie des Friedens, der Ordnung und der Rechtssicherheit. - Da es im Völkerrecht keine Gesetzgebung und keine obligatorische Gerichtsbarkeit gibt, welche den Rechtssubjekten von der heutigen Wirklichkeit stark abweichende Ziele setzen können, muß die Völkerrechtsordnung stärker als das nationale Recht am Grundsatz der Effektivität ausgerichtet sein. - Die "Weltrechtsordnung" setzt sich in der Tat aus einer "Pluralität der Rechtsordnungen" zusammen. Die Völkerrechtsordnung ist mangels zentraler Organe und wegen der

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11. WiUe der Parteien und SteUung des Gerichts Völkerrecht als System der Koordination, und nicht der Subordination, bedingt unter anderem, daß die Staaten nur ihre Streitigkeiten vor eine dritte Instanz bringen müssen, wenn sie dies frei konsentieren: "It is weil established in internationallaw that no State can, without its consent, be compelled to submit its disputes with other States either to mediation or to arbitration, or to any other kind of pacific settlement. Such consent can be given once and for all in the form of an obligation freely undertaken, but it can, on the contrary, also be given in a special case apart from any existing obligation". 11 Der Parteiwille als Basis jeglicher Zuständigkeit internationaler Gerichte ist so fest etabliert, so daß 1959 geschrieben werden konnte: "The jurisdiction ofthe Court is based on the consent ofStates. That principle is too firmly established in the jurisprudence of the Court and in international law in general to require confirmation by reference to precedents or otherwise. Their authority is beyond challenge" .12 Es gab zwar immer Staaten -dies ist bis heute so geblieben-, die in der Unterwerfung unter die (Schieds-)Gerichtsbarkeit eine Beeinträchtigung ihrer Souveränität sahen. 13 Allerdings wird hier die Unterwerfung der Staaten unter eine Gerichtsbarkeit nicht als Verzicht auf Souveränität verstanden, sondern als eine aufgeklärte Ausübung derselben:

Autonomie der Staaten auf die Mitwirkung der Staaten bei ihrer Verwirklichung angewiesen. - Während im nationalen Rechtsraum grundsätzlich jede Streitigkeit einer rechtlichen, d.h. gerichtlichen Regelung zugeführt werden kann, hat das spezielle Verhältnis von Macht und Recht im Völkerrecht zur Folge, daß es neben rechtlichen auch politische Streitigkeiten gibt, weiche die vitalen Interessen der Staaten betreffen und deshalb einer rechtlichen und gerichtlichen Regelung nicht zugänglich sind". 11 Status of Eastern Carelia, Advisory Opinion, 1923, PCIJ Series B, No. 5, S. 27. 12 Aerial Incident of27 July 1955 (Israel v. Bulgaria), Judgment, ICJ Rep. 1959, S. 127 (187), Diss. Op. H. Lauterpacht, Wellington Koo und Spender; vgl. inbesondere Corfu Channel, Preliminary Objection, J udgment 1948, ICJ Rep. 1948, S. 15 (27); Reparation for Injuries Suffered in the Service ofthe United Nations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1949, S. 174 (178); Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, First Phase, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1959, S. 65 (71); Anglo-Iranian Oil Co., Judgment, ICJ Rep. 1952, S. 93 (102/03); Ambatielos, Merits, Judgment, ICJ Rep. 1953, S. 10 (19); Nottebohm, Preliminary Objection, Judgment, ICJ Rep. 1954, S. 19 (32); aus dem StIGH vgl. nur Rights ofMinorities in Upper Silesia (Minority Schools), Judgment No. 12, 1928, PCIJ, Series A, No. 15, S. 22. 13 So insbesondere die Staaten des sozialistischen Lagers, hierzu von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 31 ff.; aber auch andere europäische Staaten, vgl. Bos, ILC Draft in UNGA, NedTIR-NILR 3 (1956), S. 234 ff., und Staaten der Dritten Welt, vgl. nur Chehata, L'attitude des nouveaux Etats envers la Cour internationale de Justice, Rev. Egyptienne Droit Infl 20 (1964), S. 37 ff. Insgesamt siehe Jully, Arbitration, AJIL 48 (1954), S. 380 (391) für Sowjetunion und S. 386 Fn. 30 für Gründungskonferenz der UNo

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"Juridiction volontaire dans son fondement comme dans sa competence, il se concilie avec les justes exigences de la souverainete dont il n'est qu'un exercice eclaire" . 14 W.c. Jenks hat allgemeiner formuliert, daß ,,(t)he principle that the conclusi on of a treaty whereby aState undertakes to perform or refrain from performing a particular act is not an abandonment of souvereignty but an exercise of an attribute of souvereignty" .15 Ist also der Wille der Parteien für die Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit entscheidend, dann fragt sich sogleich, ob dieses Strukturelement auch die Frage der Verfahrensbeendigung prägt. Mit Blick auf das Problem einer möglicherweise erforderlichen Zustimmung des Gerichts sogar zu einer einvernehmlichen Beendigung des zwischenstaatlichen Streitverfahrens hat von Mangoldt zutreffend hingewiesen: ,,( ... ) aux differences structurelles du dessaisissement en droit national et en droit international. Le premier soumet toutes les personnes en tant que sujets de droit a la justice etatique et, de ce fait, le droit national peut determiner a discretion sous quelles conditions une affaire peut etre retiree: 11 peut meme introduire la notion d'interet public comme cause d'empechement a un dessaisissement. A l'inverse, en droit international on n'echappe pas ä la volonte concordante des Etats, qui doit etre respectee a l'occasion de tout reglement procedural. 16 " Aber schon läßt sich der Bericht von Georges Scelle über das Schiedsverfahrensrecht dagegen halten: "Tout cela va de soi, mais peut-etre cependant pas autant qu'ille parait. Tout d'abord, cela ne parait pas en accord avec la Charte de San-Francisco, notamment avec ses Articles 2 et 33".17 Sicherlich, so fährt Scelle fort, können die beiden Parteien übereinkommen, die Streitsache zu begraben und dem Gericht zu entziehen, 14 Baron Descamps, Conference internationale de la paix, La Haye, Nouvelle Edition, 1907, lere Partie, S. 84. Siehe dazu von Mangoldt, Versäumnisverfahren, FS Mosler, 503 (511/512 insbes. Fn 42 mwN); von Mangoldt, Tradition, FS Tübinger luristenfakultät, 435 (448). IS Jenks, International Adjudication, S. 498. lenks gibt daran anschließend eine Übersicht über die Entscheidungen des (St)IGH zu diesem Konzept der relativen Souveränität. Vgl. Mosler, International Society, RdC 140 (1974 IV), S. 1 (21). 16 Von Mangoldt, Comparaison, ZaöRV 40 (1980), S. 554 (565). Er fährt fort mit Blick auf die Rechtsvergleichung: "Celui qui se borne a comparer les systemes juridiques nationaux pour, ensuite, dans son argumentation, s'appuyer seulement sur un principe commun aux droits nationaux pour eJaborer une regle de procedure internationale, s'expose au risque de perdre de vue la base de toute juridiction internationale: la volonte des parties". 17 Arbitral Procedure. Rapport par Georges Scelle, 21.3.1950 Document A/CN. 4/18, ILCY 1950 II 114 (130 § 53). Vgl. weiter 2. Hauptteil, 2. Kapitel.

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"mais l'on ne saurait se dissimuler que, du point de vue social, et de ['ordre public international, cette decision peut etre regrettable surtout si la solution litigieuse le demeure, qu'il n'y ait pas accord sur un autre mode de reglement et que par consequent l'ordonnancementjuridique ne soit pas apure. La situation est meme beaucoup plus grave que lorsqu'elle se produit en droit interne entre deux particuliers, a la suite d'un desistement, parce que l'enjeu du proces est d'une tout autre importance". 18 Hier wird also ein ordre public oder öffentliches Interesse-Argument aufgenommen, welches unter Umständen einer freien Parteivereinbarung entgegenstehen können soll. Es kann sich also, bei der Annahme zwingender Völkerrechtsnormen bzw. der Ausgestaltung bi- und multilateraler Konventionen mit einem "ordre public conventionnel", ein Spannungsverhältnis zwischen dem Willen der Parteien und den Befugnissen des Gerichts ergeben. 19 Andererseits können die Parteien nicht ohne weiteres gegen ihren übereinstimmenden Willen an einem Verfahren festgehalten werden. Nun könnte man argumentieren, daß ein übereinstimmender Unterwerfungswille der Parteien nur zur Einleitung des Verfahrens nötig sei. Danach fände das einschlägige Verfahrensrecht Anwendung: wenn es eine einvernehmliche Klagerücknahme ausschließe, so müßten die Parteien sich dem fügen. Das setzte aber unzutreffend voraus, daß ein übereinstimmender Unterwerfungswille der Parteien nur zu Beginn des Verfahrens vorliegen müßte, nicht jedoch auch im Zeitpunkt der Entscheidung. 20 Die Parteien können zu Beginn des Verfahrens vereinbaren, eine einvernehmliche Beendigung der Jurisdiktion für den konkreten Streitfall auszuschließen. 21 Für die Verfahrensordnung des (St)IGH ist die vorhergehenIbid. (Hervorhebung vom Verf.). Vgl. zum ordre public conventionnel und zum Spannungsverhältnis zwischen Parteien und Gericht, Wegen, Mootness, S. 22 ff; S. 75; Walter, Übermäßige Objektivierung, ZaöRV 35 (1975), S. 108 ff.: Walter, Die Europäische Menschenrechtsordnung, S. 99 ff. 20 Von Mangoldt, Projekt, S. 45. Davon abzugrenzen ist dann die perpetuatio fori, nämlich die Partei an der zu Beginn des Verfahrens vorhandenen Unterwerfung festzuhalten, wenn sie einseitig versucht, von dem Verfahren loszukommen. "Denn hier geht es neben der Erfüllung einer einmal begründeten konkreten Streitbeilegungsverpflichtung ebenso um den Schutz des Vertrauens der anderen Partei, die auf die Durchführung eines vor der kompetenten Instanz rechtshängig gewordenen Verfahrens nicht zu verzichten braucht". Von Mangoldt, ibid. Etwas anderes ist es, wenn nur "deklaratorisch" das Verbot eines einseitigen Widerrufs der Unterwerfung unter die Jurisdiktion eines Gerichts in einem Vertrag vorgesehen ist: vgl. Artikel 25 Abs. 1 Satz 2 , Weltbankabkommen, BGBl, 1969 II, S. 371: "Haben die Parteien ihre Zustimmung erteilt, so kann keine von ihnen sie einseitig zurücknehmen". Dazu Pirrung, Weltbankübereinkommen, S. 77 f. 21 Davon ließe sich bei einem bilateralen Vertrag durch pactum subsequens durchaus wieder loskommen. Bei einem multilateralen Vertrag über das Verbot der Klagerücknahme ließe sich ein pactum separatum der Streitbeteiligten denken. Von Mangoldt, Projekt, S. 45. Allerdings ist in der Praxis eine solche Vereinbarung nicht bekannt. 18

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de Konstellation gegenstandslos, denn keines der jurisdiktionsbegründenden Instrumente enthält einen Hinweis in diese Richtung. Wenn sich für den Ausschluß der Klagerücknahme kein ursprünglicher Konsens der Parteien ergibt, würde eine Fortsetzung des Verfahrens zum Oktroi des Gerichts über die Parteien. 22 Für das Verhältnis Parteien/internationale Instanz ist weiterhin die Frage nach der Funktion internationaler (Schieds-) Gerichtsbarkeit von großer Bedeutung. Sieht man die Hauptaufgabe internationaler Instanzen in der Streitschlichtung und -beilegung, d.h. in der Konfliktlösung, einem eher "diplomatischen" Zweck 23 , dann wird man auch fast jeden Schritt in diese Richtung begrüßen müssen, mag er auch prozeßrechtlich "unorthodox" und angreifbar sein. 24 Sieht man hingegen die Hauptaufgabe des internationalen (Schieds-)Gerichts in der Feststellung der objektiven Wahrheit und der "objektiven" Rechtslage 25 , so scheint dies eher für eine starke Betonung des formalen Prozeßrechts und für eine weite Auslegung der Befugnisse des Gerichts zu sprechen: damit wird die Stellung des Gerichts stärker. 26 Um das Spannungsverhältnis Parteien / (Schieds-)Gericht richtig zu erfassen und zu bewerten, wird in erster Linie eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Gerichtsinstanz und seiner Zwecke anhand der Vertragstexte und -dokumente vorzunehmen sein. Damit aber sind auch apriori-Erkenntnisse kaum möglich. Die die Instanz errichtenden Staaten haben sehr konkrete Erwartungen an die

22 So richtig von Mangoldt, Projekt, S. 46. Er weist zugleich aber auf zumindest eine Sonderlage im Menschenrechtsbereich hin. Diese Differenz scheint schon in den Verträgen selbst angelegt, in den Verfahrensordnungen dann erheblich verdeutlicht. Siehe bereits zuvor zum "ordre public conventionnel". 23 So Bruns, La Cour permanente, RdC 62 (1937 IV), S. 551 (629); vgl. Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 90 ff.; Rosenne, The International Court and the ludicial Process, In1'IOrg. 19 (1965), S. 518 ff.; Gross, On the lusticiability of International Disputes, A Tribute to Hans Morgenthau (Myers / Thompsen, Hrsg.) (1979), S. 203 ff.; vgl. Higgins, Policy considerations, ICLQ 17 (1968), S. 58 ff.; kritisch dazu Guyomar, La revision du reglement de la Cour internationale de lustice, RGDIP 77 (1973), S. 751 (761). 24 Lamberti Zanardi, Forme nuove di contestazione della competenza della Corte internazionale di Giustizia e potere della Corte di aprire d'ufficio un procedimento sulla competenza, Com. e Stud. 14 (1975), S. 439 (insbes. 462 ff.). Vgl. Rosenne, Reconceptualization, Com. e Stud. 14 (1975), S. 735 ff.; aber von Mangoldt, Versäumnisverfahren, FS Mosler, S. 503 (526 Fn. 92: "Flexiblität um des Zieles der Feststellung der wirklichen Wahrheit Willen"). 25 Forster, Fact Finding and the World Court, Can. Y. Int'1 L. 7 (1969), S. 150 (183); Mabrouk, Exceptions, S. 198 ff.; Lachs, Revised Procedure, FS van Panhuys, S. 21 (38 f); Hammarskjöld, Sidelights, Michigan L. Rev. 25 (1927), S. 327 (335). 26 Insbesondere Lachs, Revised Procedure, FS van Panhuys, S. 21 (37 ff), vgl. C.Smith Premises, S. 11 f.; siehe aber von Mangoldt, Versäumnisverfahren, FS Mosler, S. 503 (526 Fn. 92), der dieses Argument umdreht.

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Arbeitsweise der durch sie eingerichteten Instanz 27 , die sich aus der Entscheidung über ihre Errichtung selbst ergeben. Damit aber erscheint es wesentlich, die Verfahrenserwartungen der potentiell beteiligten Staaten an die Instanz zu stabilisieren. Dies geschieht durch die Berücksichtigung der mit der Einrichtung der Instanz verfolgten, oder sich später herauskristallisierenden Zwecke, die die "Gründerparteien" mit ihr verfolgen. Dies gilt auch für die Untersuchung prozessualer Einzelfragen. 28

IH. Drei Ebenen der Erledigungsumstände Aus den Strukturprinzipien des Völkerrechts ergeben sich direkte Konsequenzen für den Gegenstand der Arbeit. Die summarisch beschriebenen Erledigungsumstände (Vergleich, rechtliche oder tatsächliche Erledigung etc.) können im Völkerrecht auf drei Ebenen wirksam werden. (1) Im materiellen Recht stellt sich die Frage nach den sachlichen Voraussetzungen und Wirkungen von den die materielle Seite der der Instanz unterbreiteten Streitigkeit berührenden Rechtshandlungen der beteiligten Parteien. Mit Blick auf die angerufene Instanz ergibt sich ein doppeltes. (2) Einmal können durch die Erledigung die Regeln zur Bildung, Einrichtung und Etablierung des (Schieds-)Gerichts betroffen sein. Es basiert ja allein auf dem Unterwerfungswillen der Parteien. 29 Einigen sich nämlich die Parteien über eine Beilegung des Streites, dann kann das gesamte Gericht durch actus contrarius im Zusammenhang mit der gütlichen Einigung der Parteien in der Sache aufgelöst werden. Dies gilt insbesondere für ad hoc Gerichte, denn bei ständigen Gerichten bliebe zumeist die Institution als solche unberührt. Es kann aber außerhalb der formalen Prozeßinstitutionen die Zuständigkeit insgesamt entzogen werden. Allerdings ist in jüngerer Zeit durchaus eine Tendenz zu konstatieren, daß auch die Parteien eines ad hoc-Gerichts einen formellen 27 Hier können natürlich vom innerstaatlichen Recht geprägte Vorstellungen über die Arbeitsweise und Funktionen eines (Schieds-)Gerichts eine große Rolle spielen: vgl. die Instruktion von Elihu Roof, die er der amerikanischen Delegation für die zweite Haager Friedenskonferenz von 1907 erteilte; J.B.Scott, Instructions to the American delegates to the Hague Peace Conferences and their official reports (1916), S. 79. Dazu von Mangoldf, Tradition, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 435 (444 ff.). 28 Damit aber ist bereits eine umfassende Prozeßrechtslehre kaum möglich, wie sie immer wieder postuliert oder aber behauptet wird. So ist es denn dekouvrierend, wenn ein Verfechter dieser Ansicht in seinem eigenen Werk zwischen den Prozeßrechtslagen verschiedener internationaler Instanzen sehr genau und deutlich unterscheidet: Mani, Procedural Aspects, S. 5 f. mit einem unitarischen Konzept, obwohl er die Besonderheit jedes internationalen Gerichts auch unterstreicht, S. 4, dann bei seiner Darstellung verschiedener Aspekte jedoch immer die verschiedenen Gerichte getrennt behandelt, vgl. nur S. 60f, S. 70 ff.; 110 ff. 29 Eine ganz seltene Ausnahme sind die UN Tribunals in Libyen und Eritrea, die von der Generalversammlung der UN errichtet wurden; eine Sonderstellung nehmen insoweit ebenfalls die internationalen Verwaltungsgerichte ein.

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Schlußakt beantragen. 3o Andererseits wird eine Tendenz deutlich, für ad hocGerichte vorformulierte Verfahrensordnungen anzubieten, die detaillierte Regelungen enthalten, sodaß zunehmend die prozeßrechtlichen Institute der Klagerücknahme o.ä. bei ad hoc-Instanzen verwendet werden. 31 Es kommt sogar vor, daß ein ad hoc-Gericht tatsächlich auch in seiner VerfO die Möglichkeit der Klagerücknahme vorsieht. 32 (3) Darüberhinaus gibt es dann die dritte Ebene der prozeßrechtlichen Regelung von Instituten, die innerhalb des bereits eingeleiteten Verfahrens zur Anwendung kommen, die also die formalrechtliche Seite der Einzelverfahrensbeendigung regeln. Damit aber gibt es nicht nur die "klassischen" zwei Ebenen, wie sie aus dem nationalen Recht bekannt sind, wo es dann zu Problemen der Abgrenzung von Prozeß- und materiellem Recht kommt. 33 Vielmehr kommt es zu einer Dreiteilung: (1) Die materiellrechtliche Seite, die in dieser Arbeit nicht weiter behandelt wird. (2) Der Nexus zwischen materiellem Recht und Prozeßrecht, soweit es die Einsetzung des Gerichts, seine grundlegenden Funktionsregeln qua Willensentscheidung der Streitparteien, insbesondere seine Zuständigkeit, betrifft: die Metaebene des Prozeßrechts, welche mangels eines entsprechenden innerstaatlichen Prozeßrechtsinstituts im folgenden lurisdiktionsrecht genannt wird. Diese Probleme werden als zentrales Anliegen der Arbeit im 1. Hauptteil zur lurisdiktionsbeendigung dargestellt. 34 (3) Das Prozeßrecht im engeren Sinne, welches die Durchführung eines Verfahrens in concreto regelt. Hierauf konzentrieren sich Hauptteile 2 bis 5. Während das sogenannte lurisdiktionsrecht 35 die Organisation des Gerichts zumindest in Grundzügen, seine Zuständigkeiten sowie die Besetzung regelt, hat 30 So z.B. Deutsches Säkulares Eigentum, RIAA XVI, S. 1 f.; Anhang II/Nr. B; vgl. schon Tavignano, Rapport 13 (1913), S. 11; Anhang IIINr. A. 31 Vgl. insbesondere die VerfO'en für Verfahren zwischen Staaten und Privaten: ICSID Schiedsordnung, ArU. 42-45, Anhang IINr. 30; Anhang II 130. 32 Österreichisch-Deutsches-Schiedsgericht nach FAG, ZaöRV 32 (1972), S. 36; Anhang IINr.6. 33 Vgl. zum deutschen Recht nur Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970). 34 Man könnte vom Gerichtsverfassungsrecht sprechen, wenn man die grundsätzliche Zuständigkeitsübertragung davon umfaßt sieht; vgl. Hudson, PC/J 1943, S. 413; Jully, Arbitration, AJIL 48 (1954), S. 380 (398); vgl. für die private Schiedsgerichtsbarkeit Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit, Bd. 1, S. 432 ff.; vgl. schließlich schon vom Namen her das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz, Schönfelder Nr. 95, welches die entsprechenden landeseigenen "oktroiierten" Funktionsregeln enthält. 35 Also der das Gericht errichtende Vertrag für die ad hoc-Instanz, meist das Komprorniß, das als multilaterale Konvention angelegte Statut der ständigen Instanzen, oder aber kompromissarische Klauseln.

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das Prozeßrecht im engeren Sinne also den Verfahrensablauf selbst zum Gegenstand. Letzteres arbeitet häufig das errichtete Gericht selbst aus. 36 Es gibt auch nicht ein Allgemeines Internationales Prozeßrecht, welches sich apriori feststellen ließe, z.B. durch Rechtsvergleichung oder ähnliches. Auch ein Zugang zu einem solchen Modell qua ius cogens ist versperrt. 37 Damit aber ist zunächst bei Erledigungstatbeständen zu fragen, ob die Ebene der Jurisdiktionsbeendigung im allgemeinen ("Jurisdiktionsrecht"), oder das Prozeßrecht im engeren Sinne angesprochen sind. Damit aber sind die jeweils einschlägigen Instrumente des Völkervertragsrechts, und der daraus abgeleiteten Verfahrensordnungen, zu analysieren im Lichte des konkreten rechtlichen Geschehens und im Lichte der jeweiligen besonderen, angesprochenen Instanz, für die die Regeln geschaffen wurden bzw. durch die die Instanz selbst errichtet wurde. Hierbei sind insbesondere der Parteiwille, eine bestehende Spruchpraxis und U.V. die Rechtsvergleichung heranzuziehen.

IV. Zur Rechtsvergleichung Zumeist werden nationale Rechte als Basis internationalen Prozeßrechts apostrophiert und folglich der Wert der Rechtsvergleichung zur Ermittlung desselben hervorgehoben. 38 Insbesondere das Prozeßrecht wird als exemplarischer Bereich der Rechtsvergleichung par excellence betont. 39 Allerdings wird 36 Völkerrechtliches Vertragsrecht im Gleichordnungsverhältnis ist die Basis internationaler Gerichtsbarkeit. Ein Selbsthilfeverbot analog dem des innerstaatlichen Rechts gibt es nicht, da es keine Rechtserzeugungs- und erzwingungsinstanz gibt, d.h. kein Gewaltmonopol eines Überstaates. Das bedeutet auch, daß es keinen Justizgewährungsc anspruch im internationalen Recht gibt. Damit aber ist auch klar, daß aufgrund des völkerrechtlichen Systems weder der potentielle AntragssteIler, der das Verfahren einleitende Staat, noch der potentielle Antragsgegner apriori einen Rechtsschutzanspruch geltend machen können, weder in der Form des Anspruchs auf eine Sachentscheidung über seinen Vortrag, noch in der Form des Anspruchs auf eine den Vortrag negativ bescheidende Entscheidung der internationalen Instanz. Damit aber ist schon von der Struktur her eine Massierung von Klagen nicht möglich, noch eine beliebige Klagemöglichkeit gegeben. Dann aber scheint man sich schon erheblich von den gängigen innerstaatlichen Denkmodellen für die Regelung von Klagerücknahme, Erledigung, Vergleich und notwendigen Zustimmungserfordernissen zu entfernen. 37 Vgl. nur H. W.A. Thirlway, Procedure before International Courts and Tribunals, EPIL 1, S. 183; dazu gleich unter VI. 38 Zur Problematik insgesamt kritisch von Mangoldt, Comparaison, ZaöRV 40 (1980), S. 554 ff.; vgl. die vielen Einzelbeiträge in ZaöRV 36 (1976) zur Rechtsvergleichung und den Sammelband von W.E.Butler (Hrsg.), International Law in Comparative Perspective (1980). Dazu E. Härle, Die Allgemeinen Entscheidungsgrundlagen des Ständigen Internationalen Gerichtshofes (1933), insbesondere S. 195 ff.; von der Heydte, Glossen ~u einer Theorie der Allgemeinen Rechtsgrundsätze, FW 33 (1933), S. 289 ff.; H. Lauterpacht, Private Law Sources and Analogies in International Law (1927), insbesondere S. 297 ff. 39 Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 1; Stauffenberg, Statut et reglement, S. 276 ff.; Giardina, Arrangements amiables, Com. e Stud. 14 (1975), S. 337 (Fn. 1). Vgl. Lord Phillimore in den Beratungen des Beratenden Juristenausschusses, Comite Consulta-

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die Rechtsvergleichung damit des öfteren zugleich fortgelobt; angebliche Gemeinsamkeiten werden dann nur behauptet. 40 Häufiger als eine zumindest ausgesprochene Anlehnung an ein nationales Recht, erlebt man bei der Darstellung völkerrechtlicher Prozeßrechtsprobleme die Zugrundelegung von Konzepten und Rechtsfiguren des nationalen Prozeßrechts, dem der jeweilige Völkerrechtler entstammt bzw. mit dem er vertraut ist. Dies mag einer einleuchtenden Präsentation der behandelten Probleme für die Weggenossen des eigenen Rechtskreises dienlich sein, der völkerrechtsgerechten Behandlung der anstehenden Probleme ist dies nicht ohne weiteres zuträglich. 41 Deshalb wurde für die vorliegende Untersuchung der Fragenkatalog für eine rechtsvergleichende Vorgehensweise in abgewandelter Form zugrunde gelegt, wie von von M angoldt vorgeschlagen. 42 (1) Die erste Frage ist, ob sich spezifische völkerrechtliche Regeln für die jeweilige Prozeßrechtsfrage feststellen lassen. Ist dies der Fall, so ist die Rechtsvergleichung irrelevant. Bei negativer Antwort ist dann die Frage zu stellen, ob sich aus den einschlägigen vertraglichen Regelungen oder aus genuin völkerrechtlichen Struktur- und Anlageprinzipien bereits eine Antwort gewinnen läßt. (2) Ist dies nicht möglich, so wird die nächste Stufe eine horizontale Rechtsvergleichung, eine völkerrechtsvergleichende Untersuchung des Prozeßrechts anderer Instanzen, sein. 43 tif, Proces-Verbaux, S. 335; besonders pauschal Bothe, Die Bedeutung der Rechtsvergleichung in der Praxis internationaler Gerichte, ZaöRV 36 (1976), S. 280 (297). 40 Vgl. z.B. Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 2 f., die die essentiellen Gemeinsamkeiten für den Kern der einstweiligen Anordnung im nationalen Recht und im internationalen Recht auch nur behauptet. Entgegen weitverbreiteter Ansicht gibt es ausgesprochen selten rechtsvergleichende Arbeiten zum Völkerprozeßrecht. Z.B. van Dijk, Judicial Review (1980). Die bei von Mangoldt, Comparaison, ZaöRv 40 (1980), S. 554 (562 Fn. 41) genannten Titel sind im übrigen nicht rechtsvergleichend orientiert, noch die daselbst, S. 562 (Fn 42) genannten. Damit soll die Übertragbarkeit nationaler Konzepte ins Völkerrecht nicht generell bestritten werden, wie dies Sereni, Principi generali di diritto e processo internazionale (1955) tat. Vgl. auch kritisch Pecourt Garcia, EI desistimiento, Rev. Esp. Derecho Int'1 23 (1970), S. 231 (236 ff.). 41 So sind die in sich konsistenten und kohärenten Darstellungen von Prozeßrechtsproblemen praktisch durchgängig auf ein bestimmtes Prozeßrechtssystem gestützt, soweit nicht genuin völkerrechtliche, und damit den nationalen Rechtsvorstellungen sowieso fremde Fragen, angesprochen werden: Abi-Saab, Exceptions, S. 112 ff. französisches Recht; Bos, Conditions S. 5-48 niederländisches Recht; van Dijk, Judicial Review, S.433, holländisches Recht. Zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen vgl. besonders pauschal Bin Cheng, General Principles (1955). 42 Von Mangoldt, Comparaison, ZaöRV 40 (1980), S. 554 (562). 43 Aus der Literatur seien die sehr instruktiven Beispiele zur Vergleichskommission nach der Rassendiskriminierungskonvention genannt: aus der BR Deutschland Eggers, Die Staatenbeschwerde, insbesondere S. 56 ff.; aus US-amerikanischer Sicht Coleman/ Pollock/ Robinson, Rules of Procedure for the New Tribunal: A Proposed Draft, California L. Rev. 56 (1968), S. 1569 ff. Für den allgemeinen Entwurf einer Schiedsordnung siehe Carlston, Codification, AJIL 47 (1953), S. 203 (207 ff.). 3*

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(3) Erst wenn auch hier keine Klarheit geschaffen werden kann, erscheint der Rückgriff auf die - in diesem Sinne - vertikale Rechtsvergleichung verschiedener nationaler Systeme zur Ermittlung allgemeiner Rechtsgrundsätze angebracht. Eine Gewinnung von Prozeßrechtsinstituten aus der Rechtsvergleichung kann fraglich sein, wenn Strukturprinzipien des Völkerrechts greifen, die für den zwischenstaatlichen Prozeß entscheidend sind und allgemeine Regeln verdrängen, wie z.B. die Prinzipien der Waffengleichheit oder der souveränen Gleichheit der Parteien. 44 In der Völkerrechtspraxis jedoch orientieren sich die internationalen Gerichte, die das Gericht errichtenden Staaten oder die bereits benannten Richter, an bereits bestehenden Verfahrensordnungen anderer internationaler Instanzen. 45 Das völkerrechtliche Prozeßrecht hat im Laufe der Staaten- und Gerichtspraxis der letzten hundertfünfzig Jahre eine zunehmende Autonomie von den wohl ursprünglich national orientierten Vorstellungen erhalten, so daß es heute ein Maß an unterschiedlichen Verfahrensregeln für unterschiedliche Verfahrenssituationen und Gerichtstypen gibt, die einen Rückgriff auf nationale Rechte 44 Dazu bereits von Mangoldt, Comparaison, ZaöRV 40 (1980), S. 554 (564). Für ein Beispiel der Nutzbarmachung des Prinzips der souveränen Gleichheit für eine konkrete Prozeßrechtslage, siehe von Mangoldt, Versäumnisverfahren, FS Mosler, S. 503 (insbesondere 514 fT.). Vgl. aus dem deutschen Recht die Bemerkung: "Die zentrale Frage, die hinter der in jeder Verfahrensordnung angenommenen Geltung von Prozeßgrundsätzen steckt, ist die nach der Verteilung von Funktionen und Kompetenzen zwischen Verfahrensbeteiligten und Gericht", Engelmann, Prozeßgrundsätze im Verfassungsprozeßrecht (1977), S.20. 45 Dem StIGH fehlte ein einschlägiger Vorläufer. Dort orientierte man sich an ansatzweise vergleichbaren Instanzen, dem Obersten Gerichtshof der USA, dem schweizerischen Bundesgericht und den Ägyptischen Gemischten Gerichten: So A. Hammarskjöld, Reglement, Rev. Droit Int'1 LCgis. Comp. 49 (1922), S. 125 (136). Damit waren aber die obersten Bundesgerichte angesprochen, insbesondere in ihrer Funktion des Richters über zwischenländer- bzw. zwischenkantonale Streitigkeiten. Der IGH wiederum übernahm das Prozeßrecht des StIGH, vgl. die Verfahrens ordnung des IGH vom 6.5.1946, ICJ Acts and Documents, No. 1 (2. Aufl. 1947), S. 54; Rosenne, Commentary, S. 1. Am Verfahrensrecht des IGH orientieren sich (1) der EuGHMR, Mosler, Organisation und Verfahren des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, ZaöRV 20 (1960), S. 415 (425); Eissen, La Cour europeenne des Droits de I'Homme. De la Convention au Reglement, AFDI 1959, S. 618 (624); (2) im gewissen Umfange der EuGH, Wolf, Vorbemerkung, VerfO EuGH, S. 103; (3) die Schiedsinstanzen nach dem Londoner Schuldenabkommen und (4) die Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen, Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 70 mwN, (5) die UN Tribunals in Libya und Eritrea, vgl. Anhang I/No. 3. Die Verfahrensordnung des EuGHMR wurde partiell gleichlautend vom AmGHMR übernommen, vgl. nur Art. 42 VerfO AmGHMR und Art. 47 der alten VerfO EuGHMR von 1974. Die VerfO des EuGH wurde stark herangezogen bei der Ausarbeitung des EuKernEG, vgl. nur die Klagerücknahmevorschriften, Art. 77, 78 und 47. Als Vorlage für die US / Panama General Claims Commission dienten ältere USamerikanische Claims Commissions mit lateinamerikanischen Staaten, vgl. Hunt, Report, S. 13; Vgl. aber die abweichende Stellung der Mexican General/Special Claims Commissions, die sich nicht an der Commission von 1868 orientierten, vgl. Feiler, Commissions, S. 228 fT.

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obsolet werden lassen können, insbesondere wenn es tatsächlich eine hinreichende Praxis der internationalen Instanzen gibt. 46 Es fragt sich vielmehr, ob sich bestimmte Prozeßrechtsprinzipien im innerstaatlichen und internationalen Bereich nicht vollständig separat und möglicherweise parallel, jedoch zeitlich versetzt entwickelt haben und noch entwickeln, so daß eine Verknüpfung von nationalen und völkerrechtlichen Regeln sogar unrichtig sein kann. Die später sich entwickelnden wären nicht notwendig von den früher vorhandenen Regeln beeinflußtY Ein Urteil über die Prozeßrechtsvergleichung läßt sich insbesonders apriori nicht ohne weiteres, sondern nur für jede Prozeßrechtsfrage gesondert bilden.4.'l Es wäre ein Fehler anzunehmen, daß sich der genaue Begriffsinhalt international verwendeter Termin für das internationale Recht ergibt, wenn das jeweilige dahinterstehende nationale Mutter-Recht "mitgedacht" wird. Vielmehr können nationale Begriffe ein völkerrechtliches Eigenleben gewinnen, so daß eine nationalrechtliche Interpretation gerade an der Sache vorbeiginge. 49 Internationale Gerichte sind sehr behutsam in der Entwicklung von Prozeßrechtsregeln. 50 Der StIGH stellte bereits in seinem zweiten Streitfall fest: 4(j Vgl. Monaco, Representation, FS Bindschedler (1980), S. 373; Rosenne, The 1972 Revision ofthe Rules ofthe International Court of Justice, Israel L. Rev. 8 (1973), S. 197 (215); Lachs, Revised Procedure, FS van Panhuys, S. 21 (28). 47 Vgl. H. W.A. Thirlway, Procedure of International Courts and Tribunals, EPIL 1, S. 183; Ansätze bei von Mangoldt, Projekt, S. 42. 4S Hier wird der insoweit zutreffenden Meinung von von Mangoldt, Comparaison, ZaöRV 40 (1980), S. 562 gefolgt. Rechtsvergleichung erscheint vielmehr insbesondere von Erkenntnisinteresse, um den Hintergrund völkerrechtlicher Diskussion zu erhellen. Immer wieder sind Argumentationen im Völkerrecht auf nationalrechtlichen Rechtsfiguren und national geprägten Rechtsvorstellungen aufgebaut worden. Vgl. dazu insbesondere Mosler, Rechtsvergleichung, Infl FS Verdroß, S. 381 (391) mit der Charakterisierung als "unreflektierter Rechtsvergleichung"; von Mangoldt, Tradition, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 435 (458 ff.). 49 So einigen sich der common law-Jurist und der kontinentaleuropäische Berufskollege auf die Formel "moot", ohne daß jeder das eigene Recht im Hinterkopf hat, um ein internationalrechtliches Phänomen zu beschreiben. Als kontinentale Juristen Ruiz, Mootness, Gyil20 (1977), S. 358 und Wegen, Mootness, LLm. Thesis, einerseits und als angloamerikanische Juristen Rosenne, Law und Practice, Bd. 1, S. 309 ff. und L. Gross, Limitation, AJIL 58 (1964), S. 415 (430 ff.) andererseits. Etwas viel ärgerlicheres kann noch passieren, wenn der Kontinentaleuropäer das amerikanische Recht studiert und dann meint, (was durchaus der Fall sein kann bei einem völkerrechtlich unbedarften amerikanischen Juristen), mit dem amerikanischen Kollegen über ein internationalisiertes USRecht zu debattieren. 50 " ••• qu'il s'inspirera entierement des principes juridiques qui garantissent la plus entiere impartialite et objectivite et qui sont ä la base de toute procedure judiciaire ou arbitrale", so der Einzelschiedsrichter Max Huber im Marokkanische Ansprüche-Fall, Rapports, S. 27 (Anhang lIlNr. B). Hier war noch im Argument der Gerichtsbegriffselbst enthalten, so von Mangoldt, Tradition, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 435 (457). Weitgehend der StiGH im Text-Zitat unten.

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"Ni le Statut, ni le Reglement ne contiennent aucune disposition relative 11 la procedure 11 suivre dans le cas Oll la juridiction serait contestee in /imine fitis. Dans ces circonstances, la Cour est libre d'adopter la regle qu'elle considere comme la plus appropriee, 11 la bonne administration de la justice (1), 11 la procedure devant un tribunal international (2) et la plus conforme aux principes fondamentaux du droit international (3)".51 Die dreifache Orientierung des StIGH erscheint auch heute noch eine zutreffende Leitlinie für die Untersuchung von Prozeßrechtsmaximen: Betonung des (1) fallgerechten Verfahrens vor einer (2) internationalen Instanz in (3) Übereinstimmung mit den Fundamentalprinzipien des Völkerrechts - mit Rechtsvergleichung im eigentlichen Sinne hat dies wenig zu tun. 52 Als Ergebnis der Untersuchung von Klagerücknahme und Vergleich im internationalen Prozeß kann schon jetzt mitgeteilt werden, daß ein Rückgriff auf die Rechtsvergleichung nicht erforderlich ist, weil die bereits vorhandene völkerprozeßrechtliche Praxis hinreichend eigene Strukturen und Institutionen erkennen läßt.

V. Die einbezogenen Instanzen und ihre Abgrenzung Die vorliegende Arbeit konzentriert sich in Titel und Anspruch zunächst auf die umfassende Untersuchung der Tätigkeit des (St)IGH. Er ist die wohl gewichtigste ständige internationale Instanz zur Entscheidung zwischenstaatlicher Streitigkeiten mit einem umfassenden Tätigkeitsvolumen. Seine Statuten und Verfahrensordnungen haben darüberhinaus oft als Vorlage für andere internationale Instanzen gedient. 51 Mavrommatis Palestine Concessions, ]udgment No. 2,1924, PCIJ, Series A, No. 2, S. 16 (Numerierung vom Verfasser). Vergleiche weiter hierzu Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 66-7, insbesondere Fußnote 312 mit Zitaten aus der Gerichtspraxis. 52 So hieß es im Barcelona Traction-Fall zur Klagerücknahme einerseits: "A similar diversity of procedural systems manifest itself amongst international jurisdictions, according to the particular nature of each jurisdiction. The procedural systems of international tribunals reflect the differences in the jurisdiction where they operate and, in our view, the only conclusion that can be drawn from them, as from national systems, is that the effect of a discontinuance must be appreciate in the light of the rules and practice of the particular court..." Plädoyer Sir Humphrey Waldock, Barcelona Traction (New Application: 1962), IC] Pleadings, Bd. 2, S. 94. Allerdings hatte Spanien noch in der Begründungsschrift für die von ihm erhobenen Vorgängigen Einreden zwar die Vielfalt der Regelungen beschworen, jedoch noch zwei Prinzipien herausgefiltert: vgl. a.a.O. IC] Pleadings, Bd. 1, Vorgängige Einreden, S. 126. Demgegenüber meinte Sereni als Prozeßberater Belgiens, zunächt ein einheitliches Konzept des "desistement d'instance" als eines inhaltlich identischen prozeßrechtlichen Instituts nationaler Rechte feststellen zu können, welches sich als allgemeines Institut ebenso im Völkerrecht durchgesetzt habe. Plädoyer Sereni, Barcelona Traction (New Application: 1962), IC] Pleadings, Bd. 2, S. 429. Interessanterweise mußte hier Sereni eine Meinung vertreten als Prozeßberater, die er als Wissenschaftler einige] ahre zuvor gerade hatte gegenteilig beweisen wollen in seinen Principi generali (1955). Vgl. auch die Hinweise in der Klageschrift Belgiens, a.a.O., IC] Pleadings, Bd. 1, S. 134 ff.

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Allerdings gibt es eine ganze Reihe weiterer völkerrechtlicher Gerichte, Schiedsgerichte und Instanzen, die mit unterschiedlichen Verfahren, divergierenden Besetzungen, verschiedenen Parteien und variierenden Entscheidungsmöglichkeiten Konflikte zwischen Streitparteien regeln oder doch eine solche Regelung erleichtern sollten. 53 Darunter gibt es einige Instanzen, insbesondere ad hoc zwischen Staaten errichtete Schiedsgerichte, deren Entscheidungen gerade im Bereich von Vergleich und Klagerücknahme nicht zugänglich sind,54 oder nicht veröffentlicht werden dürfen. 55 Deshalb kann kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Es wurden die Verfahrensordnungen und die Judikatur der folgenden Instanzen berücksichtigt. 56 Zu den internationalen Instanzen zählen zunächst solche "eines ständigen und mit unabhängigen, ohne Einfluß der Streitparteien bestellten internationalen Richtern besetzten Gerichtshofes, der über völkerrechtliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Staaten nach geltendem Völkerrecht entscheidet". 57 Dieser sehr enge Gerichtsbegriff wird in neuester Zeit betont: "International courts and tribunals (ICTs) are permanent judicial bodies, composed of independent judges, whose tasks are to adjudicate international disputes on the basis ofinternationallaw ... according to a pre-determined set of rules of procedure, and to render decisions which are binding upon the parties. ICTs as they exist at present have nearly all been established on the basis of multilateral treaties". 58

53 Siehe hierzu von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 13 ff.; HallieT, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 1 ff., 12 ff., 18 ff., 25 ff.; Tomuschat, International Courts, ludicial Settlement, S. 285 ff. Siehe Anhang I und II mit den aufgeführten internationalen Instanzen. 54 Vgl. für den Ständigen Schiedshof, Den Haag, Tavignano- und Leuchttürme-Fall, vgl. Anhang II / N r. A. Dies gilt praktisch für die Fälle von Streitigkeiten zwischen Staaten und Privaten, so für ICSID Schiedsverfahren, siehe Anhang II / NT. 30. S5 Dies gilt insbesondere für Streitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten, bei denen eine verhältnismäßig große Anzahl von Erledigungen ohne Urteil zu verzeichnen ist, deren Entscheidungen jedoch selbst nicht zugänglich sind. Vgl. ICSID Annual Report 15 (1980/1981), Annex 6, S. 30 ff., iVm ICSID Annual Report 16 (1981/1982), S. 3 f.: Es gab bisher 11 Verfahren nach der ICSID Schiedsordnung, von denen 9 abgeschlossen sind, zwei noch anhängig sind. Von den 9 Verfahren wurden sechs ohne Streiturteil beendet, fünf durch Einstellungsverfügung, eines durch in das Urteil aufgenommenen Vergleich, vgl. auch Anhang II/Nr. 30. S6 Die Einbeziehung der sogenannten privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, zur Abgrenzung vgl. insbesondere Hallie;. Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 18 ff.. in der Sammlung der abgedruckten Rcgdungen in Anhang I hat rein informatorischen, illustrativen Charakter. Dies gilt auch für den Abdruck einiger Regelungen, deren Gerichtsbarkeit hier nicht verfolgt wird, wie die der Internationalen Verwaltungsgerichte, Anhang I/Nr. 26. 57 SchlochaueT, Internationale Gerichtsbarkeit, WV II, S. 56. 58 Tomuschat, International Courts and Tribunals, EPIL, 1, S. 92 f. Vgl. Ders., International Courts, ludicial Settlement, S. 285 (290 ff.).

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Die Kriterien der bindenden Entscheidung und der Unparteilichkeit sind von besonderer Bedeutung. 59 Damit werden joint oder mixed commissions ausgeschieden, in denen weisungsabhängige Staatenvertreter Mitglied sind. 60 Unter diese enge Definition fallen der Ständige und Internationale Gerichtshof, der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, der Europäische und Inter-Amerikanische Menschenrechtsgerichtshof, der Gerichtshof Zentralamerikas von 1907, sowie der Gerichtshof der Ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. 61 Darüberhinaus ist der Begriff des internationalen Gerichtes weit zu fassen. Ohne hier den Streit um die Abgrenzung von Gerichten und Schiedsgerichten aufzunehmen 62 , insbesondere die Frage, ob überhaupt eine Unterscheidung sinnvoll ist 63 , bei der die Ständigkeit der Instanz 64 ein entscheidendes Kriterium ist. 65 Ein richtiger Ansatz für die Bestimmung internationaler Gerichte ist der Maßstab, anhand dessen entschieden wird, nämlich Völkerrecht. 66 Andererseits 59 Wengier, Völkerrecht, Bd. 1, S. 701: die institutionellen Sicherungen für eine unparteiische Arbeit dienten nicht nur der Wahrscheinlichkeit für die "richtige" Feststellung von Fakten und die "richtige" Subsumtion der Fakten unter die Rechtsnormen, sondern auch der "gerechten" Auslegung der anzuwendenden gesetzten Völkerrechtsnormen. 60 Vgl. von Mangoldt, Mixed Commissions, EPIL 1, S. 149 ff. und dagegen abgrenzend Dolzer, Mixed Claims Commissions, EPIL 1, S. 146 ff. 61 Vgl. Tomuschat, International Courts, ludicial Settlement, S. 285 (290). Der Zentralamerikanische Gerichtshof von 1907 hatte weder eine Regelung noch Praxis zu Vergleich und Klagerücknahme. Der Amerikanische Gerichtshoffür Menschenrechte hat bisher überhaupt keine Praxis, wie auch der Ostafrikanische Hof. Der Mittelamerikanische Gerichtshof von 1923 blieb im Projektstadium. Die regionalen sowie die Menschenrechtsgerichtshöfe verfügen über Eigenarten, die sie von den "normalen" Internationalen Gerichten für unsere Untersuchung wiederum unterscheidet. 62 Lammasch, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 8 ff.; Loder, La difference entre l'arbitrage international et lajustice internationale (1923); Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 55 ff.; Jully, Arbitration, AJIL 48 (1954), S. 380; von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 15 ff. 63 L.B. Sohn, Report on the Changing Röle of Arbitration in the Settlement of International Disputes, ILA 52.nd Conference Helsinki (1966), S. 325 (326f.); Hudson, International Tribunals, S. 100; dagegen von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S.18 (mit Fn.57). 64 Wengier weist zutreffend darauf hin, daß nicht-ständige Gerichte meist als Schiedsgerichte bezeichnet werden, während die Bezeichnung "Gericht" ständigen Organgen vorbehalten bleibt, Völkerrecht, Bd. 1, S. 715 Fn. 1. Dazu kritisch von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 15 ff., siehe insbesondere S. 15, wo das Beispiel des Schiedsgerichtshofes nach dem Londoner Schuldenabkommen genannt wird: es bleibt die Zuordnung offen, später wird es als ständiges Schiedsgericht bezeichnet, a.a.O., S. 84, Fn.

344. 65 Sehr instruktiv, doch letztendlich auch offen bei von Mangoldt, Methods, Space Law, S. 15 (19f.), und Ders., Schiedsgerichtsbarkeit, S. 15 ff. 66 Von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 14 Fn. 35; vgl. die oben zitierten Definitionen von Schlochauer und Tomuschat; vgl. Art. 37 des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfalle vom 18.10.1907, RGBI. 1910, S. 5 Martens, Nrg, 3e serie, Bd. 3, S. 360.

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ist ebenso auf die Art des Verfahrens der Entscheidungsfindung abzustellen: nämlich als eines "process which retains the essential features of the international judicial technique as applied in contentious cases".67 Zum justizförmigen Verfahren gehört unstreitig die Beachtung einiger fundamentaler Verfahrensprinzipien; eine Auseinandersetzung mit deren Inhalten kann hier nicht geführt werden. 68 Hier wird meist aus dem Gerichtsbegriff heraus argumentiert. 69 Damit kann hier der Definition von Oellers-Frahm gefolgt werden, die als internationale Gerichte bezeichnet " ... alle justizförmig organisierten, mit Entscheidungsbefugnis durch einen unabhängigen Richter ausgestatteten, nach rechtlichen Methoden vorgehenden internationalen Rechtssprechungsorgane".70 Damit aber scheiden die Menschenrechtskommissionen der Europäischen und Amerikanischen Konventionen aus. 71 Es bleibt zu klären, welche Gerichte als "internationale" anzusehen sind. Unabhängig von dem bereits 67 Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 324; Higgins, Policy Considerations, ICLQ 17 (1967), S. 58 (83); Tomuschat, International Courts, Judicial Settlement, S. 285, 311 f. 68 Hierbei sei verwiesen auf Bin Cheng, General Principles, S. 251 ff.; Carlston, Process, S. 36 ff.; Mani, Procedural Aspects, S. 12 ff.; Korsch, insbesondere für den EuGH, Prozeßmaximen, Korreferat, KSE 1, S. 122 ff. 69 Vgl. für eine Darstellung der Rechtsprechung des StIGH zur Ausfüllung der Begriffe ,judicial" und "Court of Law" und "international court", Shihata, Power, S. 206 ff. sehr ausführlich; ebenso Münch, Wesen der Rechtsprechung, ZaöRV 31 (1971), S. 712 ff. So schon der Einzelrichter M ax Huber, Marokkanische Ansprüche, Rapport 25 (1925), S. 27. Anhang II/Nr. A. Sehr plastisch hat Bleckmann den "Ringbegrifr' eingeführt, den er gerade am Beispiel des Gerichtsbegriffes erläutert: "So kann aus der Unabhänigkeit einer Instanz, einem bestimmten Verfahren vor dieser Instanz usw. auf die Gerichtsqualität dieser Instanz und hieraus auf die Rechtskraft der Entscheidungen geschlossen werden; in anderen Fällen sind das Gericht, die Unabhängigkeit und die Rechtskraft bekannt, das Verfahren unbekannt, hier kann aus den positivrechtlich festgelegten Elementen über den Gerichtsbegriff auf das Verfahren geschlossen werden. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Gerichtsbegriffes sind also zum Teil auswechselbar und damit "ringförmig" angelegt. Bei diesen Verfahren greifen die Strukturanalyse, die teleologische Auslegung und die Rechtsvergleichung ineinander über". A. Bleckmann, Die Aufgaben einer Methodenlehre des Völkerrechts (1978), S. 55-56. Mosler hat dieses Problem andererseits umschrieben mit "unreflektierter Rechtsvergleichung"; der Begriff des Gerichts als einer Institution, die zwischen Streitparteien unabhängig entscheidet, wird nämlich von den die Institution einsetzenden Verträgen vorausgesetzt: ,,(Das Gericht muß) bewußt oder unbewußt von der Vorstellung ausgehen, die allenthalben mit der Institution "Gericht" verbunden wird. Diese Vorstellung (kann) er, ebenso wie wir es bei der Aufstellung der Verfahrensregeln gesehen haben, an dem Erscheinungsbild internationaler und nationaler Gerichte ablesen. Es handelt sich um eine Art von unreflektierter Rechtsvergleichung, um die Anwendung eines Satzes, der, weil er allenthalben für einleuchtend gehalten wird, allgemein akzeptiert ist. Solche spontanen Folgerungen werden uns bei der Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze wieder begegnen". Mosler, Rechtsvergleichung, Int'l FS Verdroß, S. 381 (390 f.). 70 Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 3; vgl. Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S.324. 71 Vgl. Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 8 und Bastid, La fonction juridictionelle dans les relations internationales (1957), S. 128 f., es fehlt an einer res judicata-fähigen Entscheidung.

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erwähnten Maßstab des anzuwendenden Völkerrechts, ist eine internationale Instanz eine solche, die von Subjekten des Völkerrechts geschaffen wird.n Damit werden Schiedsgerichte ausgeschieden, die Streitigkeiten zwischen Staaten und Privaten zu entscheiden haben, soweit sie nicht von Staaten errichtet werden. Diese Gerichte werden teils als "sui generis", oder als "transnational arbitral tribunal"73 bezeichnet und zunehmend als international bezeichnet wegen des angewendeten, nicht eindeutig privatrechtlichen Rechts. 74 Diese Schiedsinstanzen sind nicht der völkerrechtlichen Ebene zuzurechnen. Sie bilden eine Sonderkategorie der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit mit Z.T. der zwischenstaatlichen ähnlichen Strukturanlagen. Regeln und Praxis werden miterwähnt, weil sie zunehmende Bedeutung erhalten haben, und sich ihre Praxis stark der zwischenstaatlichen verpflichtet fühlt. 7S ZU den zwischenstaatlichen Instanzen gehören aber Schiedsinstanzen, die dem Einzelnen offenstehen, wenn sie nur durch die Staaten eingerichtet sind. 76 Der Einzelne kann vor einer völkerrechtlichen Instanz auftreten, soweit die Staaten dies zur Ausübung völkerrechtlich eingeräumter Befugnisse konzedieren. 77 72 So schon der IGH 1952 zu einem Ölkonzessionsvertrag zwischen einem Staat und dem Angehörigen eines anderen Staates, Anglo-Iranian Oil Co, Iudgment, ICI Rep. 1952, S. 93 (112). Vgl. Tomuschat, International Courts, Iudicial Settlement, S. 285 (389) mit Blick aufICSID; mit zahlreichen Hinweisen Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 14 ff. 73 Zuletzt: The Arbitration Tribunal In the Matter of an Arbitration between the Government ofthe State ofKuweit and the American Independant Oil Company, Spruch vom 24.3.1982, ILM 21 (1982), S. 976 (999). 74 Carabiber, L'arbitrage international entre gouvernements et particuliers, RdC 76 (1950 I), S. 221; Guyomar, L'arbitrage concernant les rapports entre etats et particuliers, AFDI 5 (1959), S. 333. Zuletzt Delaume, State Contracts and Transnational Arbitration, AJIL 75 (1981), S. 784 ff; R.van Mehren/Kouridis, International Arbitration Between States and Foreign Private Parties: The Libyan Nationalization Cases, AJIL 75 (1981), S. 476 ff. 7S Vgl. Tomuschat, International Courts, Iudicial Settlement, S. 285 (389). 76 So überzeugend Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 18 ff., der sich auch mit den entgegengesetzten Meinungen insbesondere von Anzilotti, Völkerrecht (1929), S. 100; Makowski, L'organisation actuelle, RdC 36 (1931 IJ), S. 257 (298 f); Kaufmann, Regles generales du droit de la paix, RdC 54 (1935 IV), S. 313 (423), und Blühdorn, Fonctionnement, RdC 41 (1932 III), S. 141 (144) auseinandersetzt. Dem hält Hallier zutreffend entgegen, daß entscheidend sein müsse, auf Grund welcher Rechtsordnung ein Schiedsgericht errichtet werde und welcher Rechtsquelle es demgemäß seine Entscheidungsbefugnis entnimmt; Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 14 f mit zahlreichen Nachweisen; auch Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S: 32; Schätzei, Gern. Schiedsgericht, S. 28. 77 "International disputes, which are the subject-matter of the adjudicatory functions ofICTs, are not always confined to inter-State controversies. In accordance with presentday trends in internationallaw, international organizations as well as individuals also qualifiy as parties to international disputes, in as much as access to ICTs has been granted to them with a view to the protection of their international status". Tomuschat, International Courts and Tribunals, EPIL I, S. 92 f.

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Diese Untersuchung berücksichtigt, daß diese Instanzen in ihren Verfahrensordnungen zum Teil stark an nationalem Vorbild orientiert sind. Die Besonderheiten der TAM und Mixed Claims Commissions sind meist deshalb separat festgehalten. 78 Für die vorliegende Untersuchung ist die materielle Funktion internationaler Gerichte ein weiteres Unterscheidungsmerkmal. Dabei wird gefragt, ob die internationale Instanz eine Entsprechung auf der nationalen Ebene hat, ob also das formell völkerrechtliche Gericht materielle Eigenschaften innerstaatlicher Gerichte aufweist, Z.B. der Verfassungs-, Verwaltungs- oder gar der ordentlichen Gerichtsbarkeit. 79 Eine "echte" internationale Instanz hat keine Entsprechung auf der innerstaatlichen Ebene,80 so bei Überprüfung und Wahrung des "Dienstrechts internationaler Organisation". 81 Schließlich ist eine weitere Differenzierung wesentlich. Den ständigen Gerichten, die losgelöst von einer konkreten Streitigkeit im vorhinein bereits gebildet sind, stehen die anläßlich eines konkreten Streits ad hoc gebildeten Gerichte, als "isolierte" Schiedsgerichte gegenüber. Als "institutionelle" Schiedsgerichtsbarkeit bezeichnet man Gerichte, bei denen sich die Parteien verpflichtet haben, auch für zukünftige Fälle ein Schiedsgericht zu bilden und anzurufen. 82 Darüberhinaus spricht Wengier von "halbständigen internationalen Gerichten"83, die zwar ad hoc für einen bereits entstandenen Streitkomplex mit einer Vielzahl von Ansprüchen gebildet werden, wegen der Anzahl der Fälle und der mit der Erledigung verstreichenden Zeit jedoch praktisch zu "halbständigen" Instanzen werden. 84 78 Vgl. dazu insbesondere Zacharias, Über das Verfahren vor dem deutsch-englischen Gemischten Schiedsgerichtshofe, JW 1921, S. 129; SchätzeI, Die Prozeßordnungen der Gemischten Schiedsgerichtshöfe, DJZ 26 (1921), Spalte 243; deI Vecchio, Le parti, S. 231 f. Die Entscheidungspraxis ist nur zu einem ganz geringen Teil veröffentlicht. 79 Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 2; vgl. Wemmer, Trägerschaft, S. 6 ff. 80 Vgl. Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 2; hierzu Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 14, der meint, daß mit zunehmender Verdichtung des Völkerrechts auch eine Differenzierung internationaler Instanzen nach Sachgebieten erfolgen wird, die "echte" zwischenstaatliche Instanz für zwischenstaatliche Streitigkeiten nicht die alleinige Gerichtsbarkeit bleiben werde. 81 So werden nur die Regelungen in Anhang I/Nr. 26 mitgeteilt. Es fallt jedoch auf, daß nur wenige dieser Instanzen überhaupt Vorschriften zur Verfahrenserledigung enthalten. Die Rechtsprechung des EuGH zu Beamtenstreitigkeiten wurden ebenfalls nicht erfaßt. 82 Hierzu von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 13 ff., 86 ff. 83 Wengier, Völkerrecht, Bd. 1, S. 718, oder "quasiständige Instanzen". 84 Hierzu gehören insbesondere die in Ausübung diplomatischen Schutzes entstehenden Schiedsinstanzen, die die Einzelansprüche der Staatsangehörigen der beteiligten Staaten entscheiden sollen; so die Gemischten Schiedsgerichtshöfe, die Mixed Claims Commisssions, das US/Iran Claims Tribunal u.a., vgl. Anhang I/Nm. 15-25; vgl. von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 14 ff., S. 86 ff. Es fehlt hier das Element des auf zukünftige Streitfalle Ausgelegtseins. Deshalb kann sich die Tätigkeit dieser Instanzen durch Zeitablauf oder durch ein die Ansprüche insgesamt abgeltendes Pauschalentschädigungsabkommen ohne weiteres erledigen.

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Der Schwerpunkt der Darstellung liegt bei "echten" internationalen Gerichten: (St)IGH, den weiteren ständigen zwischenstaatlichen Gerichts- und Schiedsinstanzen. 85 Regionale und Menschenrechtsgerichtshöfe werden einbezogen. 86 Die Menschenrechtsgerichtshöfe sind zwar echte internationale Instanzen, bei ihnen ergeben sich jedoch im Bereich der Verfahrensbeendigung durch den vertraglichen "ordre public" Besonderheiten, die sie aus der allgemeinen Gruppe abheben. 87 Der EuGH hat sich mit seiner Stellung und seiner Rechtsprechung "als gerichtliches Organ einer am Leitbild des gewaltenteilenden Staates orientierten Organisation unter Betonung seiner Rolle als Gemeinschaftsorgan der (zwölf) europäischen Mitgliedstaaten Ansätze zu einer eigenständigen Entwicklung (ge)zeigt"88, so daß auf eine umfassende Darstellung verzichtet wird, zumal eine umfangreiche Literatur existiert. 89 Schließlich werden die Schiedsinstanzen im Verfolg des diplomatischen Schutzes einbezogen 90 , wobei die Instanzen, die dem Einzelnen direkt ein Klagerecht zubilligen, nur begrenzt verwertet werden. Ohne Interesse ist die Praxis des deutschösterreichisehen Vermögensvertrages, weil es sich um eine Art Vorabentscheidungsverfahren handelt. 91 VI. Gang der Untersuchung Im ersten Hauptteil werden die zentralen Probleme der lurisdiktionsbeendigung behandelt. Hierbei ist die "jurisdiktionsrechtliche" Ebene angesprochen, auf der die Staaten die Gerichtsbarkeit insgesamt beenden können, d.h. eine Fortsetzung der Gesamtstreitbeilegung durch das Gericht ausgeschaltet wird, weil die Parteien sich willentlich und einvernehmlich der Entscheidung durch das Gericht entziehen. Vgl. Anhang I/Nm. 1 bis 8; Anhang ll/Nm. 1 bis 8 und A, B. Vgl. Anhang I und II /Nrn. 9 bis 14. 87 Hierzu bereits ausführlich Mosler, Procedure, FS Cassin, Bd. 1 (1969), S. 196 (197 ff.), der zwar eine prinzipielle Vergleichbarkeit der Institutionen als internationale Gerichte bejaht, jedoch wichtige Unterschiede sieht gerade in der Art der Fälle, in der Zwischenschaltung der Kommission, dem nur "hinkend kontradiktorischen Verfahren" und der fehlenden Waffengleichheit. Siehe den früheren Beitrag von Mosler, Kritische Bemerkungen zum Rechtsschutzsystem FS, Jahrreiß (196~), S. 289. Dazu Walter, Die Europäische Menschenrechtsordnung, S. 99 ff.; Ders., Ubermäßige Objektivierung, ZaöRV 35 (1975), S. 108. 88 Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 7. Vgl. Shihata, Power, S.30; Bebr, Development, S. 21 f.; und schon Bebr, Judicial Control, S. 4 f. 89 Zuletzt umfassend Bebr, Development; Audretsch, Supervision ; Schermers, Judicial Protection; Vandersanden / Barav, Le contentieux communautaire (1977); Valentine, Court of Justice; Reepinghen/ Orianne, La procedure devant la Cour de Justice des Communautes europeenes (1961); Wolf, Kommentierung, VerfO EuGH. 90 Anhänge I und II /Nrn. 15 bis 25, C, D, (e), (f). 91 Vgl. Anhang I und ll/Nr. 17; dazu Seidl-Hohenveldern, Austrian-German Arbitral Tribunal, S. 40 ff. 85

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Einleitung

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Im zweiten Hauptteil werden dann zunächst die Begrifflichkeiten der prozeßrechtlichen Institutionen abgegrenzt, und soweit erforderlich, die Bezüge zum materiellen Recht beschrieben. Es wird die Terminologie in verschiedenen Sprachen erläutert. Danach wird die Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme in der VerfO des (St)IGH dargestellt, um die Entwicklung der Prozeßrechtsinstitute in den letzten 60 Jahren zu klären. Dem wird die Entwicklung dieser Institute in der Schiedsgerichtsbarkeit anhand der Diskussionen der International Law Commission zum Schiedsverfahrensrecht gegenüber gestellt. Als ganz außergewöhnlich instruktiv für neue Rechtsentwicklungen wird die ICSID-Schiedsordnung kurz gestreift. Die Erläuterungen, die das Sekretariat von ICSID den von ihm vorgeschlagenen und vom Verwaltungsrat dieser Institution verabschiedeten, in der ICSID-Schiedsordnung enthaltenen Regeln zu Vergleich und Klagerücknahme, beigefügt hat, sind als Anhang III abgedruckt. Im dritten und vierten Hauptteil werden dann systematisch die Institute des Vergleichs und der Klagerücknahme in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten herausgearbeitet. Soweit es disparate Entwicklungen zu verzeichnen gibt, werden diese jeweils dargestellt. Es scheint sich herauszukristallisieren, daß sich, von den Fällen eines "konsentierten Urteils" in bestimmten Gerichtsarten einmal abgesehen, bei zwischenstaatlichen Gerichten ein einheitliches / prozessuales Institut der Verfahrenseinstellung (desistement, discontinuance) entwickelt hat. Dies gilt nicht für die regionalen Gerichtshöfe. Im finften Hauptteil wird dann die Entscheidung des Gerichts bei einer Verfahrensbeendigung dargestellt und diskutiert.

In den Schlußfolgerungen werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefaßt.

I. HAUPTTEIL

Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung im Verhältnis zur Verfahrensbeendigung des Einzelstreitfalles Vorbemerkung: Abstrakte und konkrete Jurisdiktionsbeendigung Fragen der Jurisdiktion, d.h. der Zuständigkeit, der angerufenen Instanz stellen sich häufig in zwischenstaatlichen Streitigkeiten. Es gibt keinen ständigen, umfassenden Gerichtsapparat wie im innerstaatlichen Bereich, der den Rechtunterworfenen zur Verfügung steht, wobei die Zuständigkeit jeweils nur die Frage nach dem "richtigen" Gericht betrifft, bei negativer Antwort also eine Residualinstanz zur Verfügung steht.! Demgegenüber wird in der internationalen (Schieds-)Gerichtsbarkeit mit der Frage nach der Zuständigkeit die Ausschaltung jeglicher Gerichtsbarkeit angesprochen. 2 Die sachliche, persönliche und auch zeitliche Zuständigkeit internationaler Instanzen ergibt sich allein aus dem Willen der beteiligten Staaten. 3 Jurisdiktionstitel, also völkerrechtliche 1 Andrassy hat dies einmal sehr plastisch umschrieben, Zuständigkeit, ZaöRV 19 (1958), S. 1 (3): "Die Bestimmungen über Zuständigkeit (im innerstaatlichen Bereich) lösen Kollisionsfragen." 2 Wiederum Andrassy. a.a.O., S. 3/4: "Es frägt sich nicht, welches Gericht für die Behandlung eines bestimmten Falles in Betracht kommt, sondern ob das betreffende internationale Gericht für einen gegebenen Streitfall zuständig ist oder nicht." (Hervorhebungen vom Verfasser). Vgl. Rosenne. Law und Practice, Bd. 1, S. 297. Damit sind auch Jurisdiktionseinreden besonders häufig im zwischenstaatlichen Bereich: dazu Ammoun. Jonction, Com. e Stud. 14 (1975), S. 17 (22). 3 Völkerrechtliche Zuständigkeit ist nicht allgemeine, sondern stets spezifisch begründete Zuständigkeit: ,,11 est vrai que la juridiction de la Cour est toujours une juridiction limitee n'existant que dans la mesure ou les Etats l'ont admise ... c'est toujours l'existence d'une volonte des parties de confher juridiction ala Cour qui fait l'objet de l'examen de la question de savoir s'i! y a competence ou non", Factory at Chorzow, Jurisdiction, Judgment No. 8,1927, PCIJ Series A, No. 9, S. 32 (Hervorhebung vom Verfasser). Diese Zustimmung aber kann in zeitlich befristeten oder kündbaren bi- und multilateralen Schieds- und / oder Sachverträgen erfolgen, generell für künftige Fälle. Spätere Verträge können die Verpflichtungen früherer modifizieren. Unterwerfungserklärungen nach Artikel 36 (2) IGH-Statut können mit Vorbehalten auch zeitlicher Art versehen werden, mit Geltungsfristen und Kündigungsvorbehalten. Damit aber ergeben sich auch oft Fragen in der zeitlichen Dimension der Gerichtsbarkeit. Vgl. insgesamt Rossenne. The Time Factor in the Jurisdiction of the International Court of Justice (1960). Die Ausführungen hat Rosenne später in sein zweibändiges Standardwerk über den Hof übernommen: Law and Practice, Bd. 1, S. 471 ff.

1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

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Instrumente, die die Gerichtsbarkeit einer internationalen Instanz zu begründen vermögen, können automatisch, mit Fristablauf, mit Eintritt einer Bedingung oder durch Kündigung ihre Wirkung verlieren. 4 Solche Vorgänge werden hier als Fälle der abstrakten Jurisdiktionsbeendigung bezeichnet, nämlich als unabhängig von einem konkreten Streitfall. 5 Für solche Fälle hat man versucht, das Prinzip der perpetuatio fori fruchtbar zu machen: 6 daß nämlich die Hinr:illigkeit des Jurisdiktionsbandes zuvor ordnungsgemäß anhängig gemachte Verfahren nicht mehr berühre. Solche Hinfälligkeit soll nur für die Zukunft wirken. 7 Andererseits sind immer wieder Versuche gemacht worden, die abstrakte Beendigung der Jurisdiktion für die Entziehung eines konkreten Streitfalles zu instrumentalisieren. Die Problematik muß insbesondere zur Abgrenzung von der prozessualen Klagerücknahme einbezogen werden. Den vorerwähnten Vorgängen stehen die Fälle der konkreten Jurisdiktionsbeendigung gegenüber. In diesen Fällen wird die Jurisdiktion gerade mit der Absicht aufgehoben - oder zumindest mit der sich tatsächlich ergebenden Folge -, die Zuständigkeit eines Gerichts für den konkreten Streitfall, aber dann notfalls insgesamt, zu beenden. Hier werden originäre und sekundäre Jurisdiktionsbeendigung unterschieden. Bei der originären Jurisdiktionsbeendigung ist der Parteiwille aller beteiligten Streitparteien gerade darauf gerichtet, dem Gericht die Zuständigkeit für bereits anhängige Verfahren zu entziehen. 8 Ihr stehen die Fälle sekundärer Jurisdiktonsbeendigung gegenüber, die sich nicht direkt aus dem Parteiwillen herleiten lassen, sondern Folge eines anderen, primären Rechtsaktes sind. So kann darunter eine gütliche Einigung in der Sache fallen, die keine ausdrückliche Regelung über das Schicksal des bereits befaßten Gerichts trifft. 9 Im Falle der Einleitung eines Verfahrens durch echtes Kompromiß kann ein formaler Verfahrensvergleich oder eine Klagerücknahme 4 Für weitere Fälle der Gegenstandslosigkeit einer Unterwerfungserklärung, siehe Aerial Incident of27 July 1955 (Israel v. Bulgaria), Judgment, ICJ Rep. 1959, S. 127. Z.B. auch Beendigungsgründe für Verträge aus dem allgemeinen Völkerrecht, die im Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehen sind. 5 Für die dieser Bezeichnung entsprechende Teilung der Zuständigkeit in generelle und spezielle Jurisdiktion, siehe Abi-Saab, Exceptions, S. 61 ff. und sogleich im Text. Die hier vorgenommene Einteilung findet sich wieder in der Charakterisierung der allgemeinen Beendigungsgründe von völkerrechtlichen Verträgen, vgl. nur Berber, Lehrbuch,Bd. 1, S.487. 6 Zum Begriff siehe Morelli, "Perpetuatio jurisdictionis", Studi, S. 79 ff.; Rosenne, Law und Practice, Bd. 1, S. 312, S. 322 f., S. 329 f., S.471 ff., S. 501 ff., Salvioli. Procedure, RdC 91 (1957 I), S. 553 (595); Bos, Conditions du proces, S. 259 ff.; von Mangoldt, Projekt, S. 108 ff., von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 53 Fn. 211. 7 Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 502. S Hierher gehören die Vereinbarungen über die Beendigung internationaler Instanzen durch Vertrag, u. U. Verzicht, wie sie sich insbesondere in der älteren Schiedsgerichtsbarkeit ergaben. 9 Bos, Conditions du proces, S. 261, sieht die Möglichkeit einer stillschweigenden Klausel über die Jurisdiktionsbeendigung in der vertraglichen Einigung selbst.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

nach Art. 89 (2) VerfO IGH durchaus als zugleich Aufhebung der Jurisdiktion angesehen werden. lO Diese Fälle der sekundären Jurisdiktionsbeendigung werden im jeweiligen Zusammenhang der Hauptteile 3 und 4 behandelt. Obwohl zuvorderst denkbar nur im Falle ständiger Institutionen, so kann doch gesagt werden, daß gütliche Einigung und Klagerücknahme die generelle Zuständigkeit eines (Schieds-)Gerichts unberührt lassen und nur den konkreten Fall einer Entscheidung durch die Instanz entziehen. 11

10 Bei einseitiger Anrufung des Gerichts und erst nachträglicher Zustimmung des Beklagten zur Gerichtsbarkeit (prorogatio fori) kann eine Klagerücknahme zugleich den Verlust der Gerichtsbarkeit bedeuten. Der IGH hat solche Konstellationen neu geregelt in Art. 38 (5) seiner VerfO von 1978 - eine prorogatio fori bleibt aber auch danach möglich. 11 Vgl. Fitzmaurice, Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1 (18): "Such action has no relevance to the basic jurisdiction of the Court. It merely "de-seises" the Court of the particular case". Eine solche Ausweitung der Aussage verbietet sich nur für die aufgrund eines echten Kompromisses konstituierten isolierten (Schieds-)Gerichte.

1. Kapitel

Jurisdiktionsbegründung und Verfahrenseinleitung Um die Probleme der Jurisdiktionsbeendigung diskutieren zu können, müssen zunächst kurz die Jurisdiktionsbegründung und die Verfahrenseinleitung dargestellt werden. Dazu muß zunächst der Begriff "Jurisdiktion" geklärt werden.

I. Jurisdiktionsbegründung 1. Jurisdiktion -

Begriff

a. Allgemein In der völkerrechtlichen Terminologie werden die Begriffe "jurisdiction / competence" und "juridiction / competence" verwendet. Sie werden zumeist mit "Gerichtsbarkeit" und "Zuständigkeit" wiedergegeben. 1z Ist man sich der strukturellen Unterschiede zwischen staatlicher und internationaler Gerichtsbarkeit und der eigenständigen Bedeutung der Begriffe im Völkerrecht bewußt, so können sie ohne weiteres beibehalten werden. 13 Allerdings wird in dieser Arbeit zumeist anstelle von "Gerichtsbarkeit" auch im Deutschen der Begriff "Jurisdiktion" in Fällen verwendet, in denen er auch im Englischen wie im Französischen gebräuchlich ist. 14 Hauptsache- und Inzidentkompetenz 12 Andrassy, Zuständigkeit, ZaöRV 19 (1958), S. 1 (6); Münch, Stand, ZaöRV 21 (1961), S. 221 (222). Vgl. Basdevant, Dictionnaire "Gerichtsbarkeit": S. 661, 693; "Zuständigkeit": S. 679, 685; "Jurisdiktion": S. 663, 693. Vgl. die Praxis in den Bänden der Fontes Juris Gentium, Series A, Sectio 1, Tomus I-VI. 13 Siehe Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 296: "In approaching questions of

jurisdiction -the core work ofthe Court- it is necessary to put aside all notions having their origin in concepts ofmunicipallaw, even the words possess different meanings." - Vgl. Andrassy, Zuständigkeit, ZaöRV 19 (1958) S. 1, 5 f.; Niedermeier, Beitritt, S. 21 f.; Berber, Lehrbuch, Bd. 3, S. 74. Niedermeier will die "Gerichtsbarkeit" mit "Entscheidungsgewalt" gleichsetzen. Dieser Vorschlag gibt der "Jurisdictionfjuridiction" sprachlich eine plastischere Wendung, ändert jedoch nichts in der Sache; vgl. Niedermeier, Beitritt, S. 22. Deshalb wird von der Einführung weiterer Begriffe abgeraten. 14 Im Übrigen ist auch in den angezogenen Sprachen die Verwendung der Begriffe nicht deckungsgleich. "Jurisdiction" wird im Englischen meist weiter gefaßt und als sowohl ,juridiction" als auch "competence" umfassend angesehen. Die "competence" wird im Englischen mit "jurisdiction" austauschbar verwendet oder aber um die "competence" des Französischen wiederzugeben. Vgl. Hudson, International Tribunals, S. 69; Carlston, Process, S. 62 (78/9); Fitzmaurice, Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1, (8 f., insbes. Fn.2). 4 Wegen

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

werden hier nicht behandelt. In diesem Zusammenhang geht es nur um die Frage der sachlichen Zuständigkeit internationaler Instanzen. 1s Die Gerichte selbst haben zur rechtstheoretischen Präzisierung der "Jurisdiktion" kaum beigetragen. Mit Bezug auf ein internationales Verwaltungsgericht führte der IGH aus: "Les termes "competent pour connaitre" (Competent to hear) employes dans la demande d'avis signifient qu'il s'agit de determiner si le Tribunal administratif etait juridiquement qualifie pour examiner les requetes dont il etait saisi et statuer au fond sur les pretentions qui y etaient enoncees ... "16 Im Nottebohm-Fall bemerkte der IGH lapidar, daß er "is not concerned with defining the meaning ofthe word 'jurisdiction' in general".1? Allerdings wurden in Sondervoten Präzisierungen versucht, nämlich Jurisdiktion/Gerichtsbarkeit als die dem Gericht durch die Rechtsunterworfenen selbst zugestandene Befugnis zur Entscheidung der vor es gebrachten Streitsachen zu verstehen. 18 Ähnlich wurde die Jurisdiktion auch in der Literatur definiert, nämlich als "pouvoir du juge de connaitre du differend entre les parties en cause sur la question juridique qui lui est soumise et qui porte sur les faits donnes." 19 15 Die Jurisdiktionsbegründung bedeutet hier nur die Jurisdiktionsbegründung in der Hauptsache. Natürlich ist streitig, wie und in welchem Umfang, ab welchem Zeitpunkt und mit welcher Begründung internationale Instanzen "inhärente", "funktionelle", "inzidente" Kompetenzen haben. Dazu Fitzmaurice, Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1 (8 ff.): Sep. Op. Fitzmaurice, Northern Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15 (104 fT.). Vgl. Nottebohm, Preliminary Objection, Judgment, ICJ Rep. 1953, S. 111 (122). 16 Judgments ofthe Administrative Tribunal ofthe ILO upon complaints made against Unesco, Advisory opinion, ICJ Rep. 1956, S. 77 (87). Vgl. die Diss.Op. Moore, Mavrommatis Palestine Concessions, Judgment No. 2, 1924, PCIJ, Series A, No. 2, S. 74. 17 Nottebohm, Preliminary Objection, Judgment, ICJ Rep. 1953, S. 111 (121). 18 "The word 'jurisdiction' signifies 'the authority by which judicial officers take cognizance of and decide cases, the power to hear and determine a cause." (Bouvier, Law Dictionary, "Jurisdiction"). Diss. Op. Urrutia, Electricity Company ofSofia and Bulgaria, Judgment, 1939, PCIJ, Series A/B, No. 77, S. 64 (102/03): " ... to make sure of its jurisdiction, that is of its power to take cognizance of a case in accordance with the texts goveming said jurisdiction... ". Im Salem-Fall führte Nielsen in seiner Diss. Op. aus, RIAA II, S. 1161, (1205): "Jurisdiction is the power of a tribunal to determine a case conformably to the law creating the tribunal or some other law defining its jurisdiction". Zur Diss. Op. Daxner, Corfu Channel, Pre1iminary Objection, Judgment, ICJ Rep. 1948, S. 15 (33 ff. insbes. 39), siehe noch weiter unten. 19 Bos, Conditions du proces, S. 90; vgl. Witenberg, Organisationjudiciaire, S. 101 mit Hinweisen zu älteren Auffassungen, die von einer "Kompetenzlehre" im Völkerrecht nichts wissen wollen. Von common law-Juristen wird überwiegend das Element der verbindlichen Entscheidung stärker betont, Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 302; Hudson, International Tribunals, S. 79: "In a strict sense of the term jurisdiction is exercised by an international tribunal only when it is vested with power to decide the issues involved in a dispute in such a way as to bind the parties". Dubisson, La Cour, S. 208fT.; More/li, Perpetuatio jurisdictionis, Stud., S. 78 (82); Andrassy, Zuständigkeit, ZaÖRV 19 (1958), S. 1 (15ff.); dei Vecchio, Le parti, S. 76ff.; Shihata, Power, S. 91ff.

1. Kap.: Jurisdiktionsbegründung und Verfahrenseinleitung

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Weitere Klärung versuchte man, durch die Gegenüberstellung von "juridiction" und "competence" zu erreichen. Allerdings haben die Gerichte selbst eine solche Unterscheidung nicht gemacht,20 oder aber die Begriffe sind austauschbar verwendet. 21 Auch in Statut und VerfO'en des Hofes besteht keine konsistente Praxis. 22 b. Generelle und spezielle Jurisdiktion Bedeutsam ist die Abgrenzung zwischen "jurisdiction" und "competence"23 , soweit herausgearbeitet werden sollte der Unterschied zwischen der Jurisdiktion als Bezeichnung des Aufgabenbereiches einer Gerichtsinstanz, innerhalb dessen es tätig werden kann, hier generelle Jurisdiktion genannt 24 , und der Jurisdiktion 20 StIGH, Mavrommatis Palestine concessions, Judgment, No. 2, 1924, PCIJ, Series A, No. 2, S. 10: " ... elle (der StIGH) n'a pas a se demander notamment si comperence (competence) et juridiction Gurisdiction), incomperence et fin de nonrecevoir doivent etre considerees toujours et partout comme des expressions synonymes". (In Klammern die englische Version). 21 Siehe die zahlreichen Nachweise bei Abi-Saab, Exceptions, S. 58 Fn. 13; Bos, Conditions du proces, S. 50. 22 Hierzu Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 300 ff. mwN.; Andrassy, Zuständigkeit, ZaöRV 19 (1958), S. 1 (5 ff.). Es wurde teilweise als überflüssig angesehen, eine Abgrenzung vorzunehmen, Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 300; vgl. die Nachweise bei Bos, Conditions du proces S. 51 Fn. 2. 23 Smit, The Terms Jurisdiction and Competence in Comparative Law, Am. J. Compl. L. 10 (1961), S. 164 zu nationalrechtlichen Vorstellungen. 24 So z.B. die Aufgabenzuweisungen und Tätigkeitsfelder, wie sie im Statut für den Hof vereinbart wurden. Bos, Conditions du proces, S. 20/1,49/52,90; Witenberg, Organisation judiciaire, S. 101; Rosenne, Lawand Practice, Bd. 1, S. 302; Hudson, International Tribunals, S. 79; Carlston, Process, S. 62-64, 79; insbesondere Fitzmaurice, Law and Procedure, BYIL 29 (1952), S. 1 (40) und BYIL 32 (1958) S. 1 (8/9): Jurisdiction in the "field sense" and "case sense". Diese Zuständigkeit als sachlicher Wirkungskreis einer Instanz, innerhalb dessen sie rechtmäßig handeln kann, wird auch als Jurisdiktion 1Zuständigkeit im weiteren Sinne bezeichnet: Wemmer, Trägerschaft, S. 54. ,,25. While consent of the parties is an essential prerequisite for the jurisdiction of the Centre, consent alone will not suffice to bring a dispute within its jurisdiction. In keeping with the purpose of the Convention, the jurisdiction is further limited by reference to the nature of the dispute and the parties thereto". Report ofthe Executive Directors on the Convention on Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of other States, Wetter, Arbitral Process, Bd. 4, S. 451, 464. Sehr präzise ad hoc Richter Daxner in Corfu Channel, Preliminary Objection, Judgment, 1948, ICJ Rep. 1948, S. 15 (39): "Selon moi le mot "juridiction" possede en droit international deux acceptations essentielles. Ce mot sert; 1) a reconnaitre la Cour en tant qu'organe institute pour "dire le droit" et afin d'acquerir qualite pour ester devant elle; 2) a determiner la competence de la Cour, c'est-a-dire a conferer a la Cour le droit de resoudre des cas concrets. Vgl. Blociszewski, De la Competence de la Cour permanente de Justice internationale, RGDIP 29 (1922), S. 22 (24). Siehe Fitzmaurice, Law and Procedure, BYlL 29 (1952), S. 1 (40/1): "There is first the generalfield in which a court exercises and is entitled to exercise its functions, as for instance when it is said that courts are competent (or have jurisdiction)

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

als Bezeichnung für das Tätigkeitsfeld zur Streitschlichtung, welches die Staaten der Gerichtsinstanz dann tatsächlich in Schiedsverträgen, Kompromissen, kompromissarischen Klauseln etc. zuweisen, hier spezielle Jurisdiktion genannt. Hier wird auch des öfteren von der Zuständigkeit im weiteren und im engeren Sinne gesprochen. 25 "Un organe ne peut s'occuper d'un differend determine que quand il possede la capacite juridique de trancher cette categorie de litiges, et secondement, quand les Parties ont expresse dans un traite general ou par une clause compromissoire leur volonte de lui soumettre les differends respectifs". Diese Differenzierung erscheint zum Verständnis internationaler Gerichte erforderlich. Die hier verwendete Terminologie lehnt sich an die "competence generale" und "competence speciale" von Abi-Saab an. 26 Abzulehnen ist demgegenüber der sachliche Deutungsversuch von Abi-Saab, der sich auf rein interne französisch-rechtliche Konzeptionen für die Unterscheidung juridiction / jurisdiction und competence / competence beruft: ersteres sei die Gerichtsbarkeit als solche, letzteres sei die Zuständigkeit im Sinne der Zuständigkeit innerhalb einer gegebenen Zuständigkeitsordnung. 27 Damit wird zugleich to hear and determine legal questions, but not political questions; or if it is said that a tribunal set up under a treaty to decide disputes regarding its interpretation and application has competence (or jurisdiction) to hear cases arising on that treaty, but not cases arising under some other treaty. Next there is the question of the competence of a court to hear and determine a particular case belonging to the category to which its general jurisdiction relates. Thus a court may be competent to deal with a certain dass of cases, but only if certain conditions are fulfilled in the individual case, e.g. the parties must consent, or some preliminary procedure such as an attempt to settle this dispute by recourse to diplomatic methods must have been gone through". Allerdings rückte Fitzmaurice von dieser Sichtweise vier Jahre später erheblich ab, als er wesentlich deutlicher seine "Field" und "Case" -Unterscheidung auf den tatsächlichen Subsumtionsvorgang abstellte, Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1 (8/9). 25 Wemmer, Trägerschaft, S. 54; Hudson, International Tribunals, S. 79. 26 Exceptions, S. 61 ff. Vgl. Makowski, Organisation actuelle, RdC 36 (1931 11), S. 267 (351). 27 Abi-Saab, Exceptions, S. 60: "juridiction" sei "L'activite et les pouvoir de l'organe juridictionnel, une description de ce pouvoir en tant que tel", während "competence" "delimite le champ d'application de cette activite et de ces pouvoirs" sei. Siehe auch Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 300 ff.: Unterscheidung nicht von Bedeutung wie in nationalen Rechten, wenn überhaupt, so um einen Unterschied zwischen streitiger und Gutachtertätigkeit des IGH zu ziehen. Im übrigen meint Abi-Saab zu unrecht, Rosenne und Fitzmaurice seien der Auffassung, es ergäbe sich kein Unterschied. Ganz im Gegenteil, Fitzmaurice hat ja gerade verdienstvollerweise die Ausführungen des ad hoc Richters Daxner im Korfu Chanal-Fall erweitert, Law and Procedure, BYIL 29 (1952), S. 1, (40f.) und BYIL 34 (1958), S. 1, (8f.). Abi-Saab, Exception, S. 61, nimmt dagegen die Ausführungen Daxners in Anspruch für seine competence generale als "reconnaissance de l'organe arbitral ou judiciaire possedant des pouvoirs de juridiction", nach der hier vertretenen Auffassung die "jurisdiction", und für seine competence speciale als "l'acceptation de soumettre cl. la juridiction du meme organe une affaire determinee", nach der hier vertretenen Auffassung die "competence"; das sind aber generelle und spezielle Jurisdiktion. Somit erweist sich die Auffassung von Abi-Saab als bereits aufgenommen in die hier vertretene Begriffiichkeit genereller und spezieller Jurisdiktion. Offensichtlich

1. Kap.: Jurisdiktionsbegründung und Verfahrenseinleitung

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deutlich, daß das Willenselement bei ständigen Instanzen sich vor allem in der Begründung der speziellen Jurisdiktion zeigt: hier liegt der Bereich der "jurisdiktionsbegründenden Instrumente" und "Titel".28 Bei einem echten Komprorniß fallen demgegenüber die Begründungen genereller und spezieller Jurisdiktion zusammen. 29 c. Abstrakte und konkrete Jurisdiktion Weiterhin ist zwischen der Jurisdiktion / Zuständigkeit in abstracto und in concreto zu unterscheiden. "Ensuite, il y a heu de distinguer la competence in abstracto et la competence in concreto. La premiere se transforme en la seconde tantöt d'un commun accord

des Parties, reahse par un compromis donnant naissance a la procedure arbitrale, tantöt par une requete unilaterale productive du reglement judiciaire".30 "Den Gegenstand des Streits zu bezeichnen. den Richter zuständig zu machen und das Versprechen abzugeben, seinen Entscheid als völkerrechtliche Verpflichtung gelten zu lassen, ist in der isolierten Schiedsgerichtsbarkeit Sache des Kompromisses. Die institutionelle Gerichtsbarkeit nimmt zwar jenes Versprechen vorweg, macht den Richter in allgemeiner Weise zuständig, bestellt ihn unter Umständen sogar bereits, kann aber den Streitgegenstand nur der Kategorie nach bezeichnen. Da Gerichtsbarkeit aber die Entscheidung von Einzelfällen ist, muß die institutionelle Gerichtsbarkeit einen Akt vorsehen, der

führt Abi-Saab diese Differenzierung wegen der ständigen Gerichte ein. Nur so ließe sich erklären, daß Staaten zwar dem Statut beitreten (Konsens 1. Stufe) und sich davon getrennt der Gerichtsbarkeit unterwerfen (Konsens 2. Stufe) können. Damit behauptet Abi-Saab zugleich, daß die competence generale sich nur bei ständigen Gerichten ergeben könne, siehe Abi-Saab. Exceptions, S. 62, insbesondere Fn. 30. Dagegen ist mit Fitzmaurice anzunehmen, daß auch einem ad hoc zu bildenden Schiedsgericht bereits generelle Jurisdiktion zugestanden werden kann; vgl. Fitzmaurice. Law and Procedure, BYIL 29 (1952), S. 1 (40(1). Abi-Saab verwechselt nämlich die institutionalisierte Gerichtsbarkeit mit der ständigen, die überdies noch ausgestattet sein muß mit der Möglichkeit der einseitigen Klageerhebung, Exceptions, S. 62 f. mit Fn. 30. 28 Die Fragen der Differenzierung von "funktioneller", Andrassy. Zuständigkeit, ZaöRV 19 (1958), S. 1 (5 ff.) "statutärer", Abi-Saab. Exceptions, S. 63, Fn. 31, oder "konstitutioneller", Hudson. PCIJ 1943, S. 4(3 gegenüber konventioneller Zuständigkeit können hier nicht vertieft werden. 29 So richtig, Abi-Saab. Exception, S. 61 f. 30 Makowski. Organisation actuelle, RdC 36 (1939 II), S. 267 (351). Dies wurde von Abi-Saab. Exceptions, S. 63, Fn. 31 a.E. als Hinweis auf die noch ausstehende Subsumtion des jeweiligen konkreten Falles unter die jeweiligen jurisdiktionsbegründenden Instrumente mißverstanden. Jedoch sprach Makowski den Vorgang der tatsächlichen Einleitung des Verfahrens an. Vgl. Morelli. Observations, Ann. IDI 47 I (1957), S. 308 (310), der die abstrakte Jurisdiktion als competence generale und die konkrete als competence speciale bezeichnet.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

den Einzelfall für den Richter konkretisiert". 31 Damit ist angesprochen, daß die Jurisdiktion des Gerichts zunächst noch abstrakt ist, nämlich noch nicht konkretisiert in einem laufenden Verfahren. Erst wenn ein Streitfall tatsächlich vor die Instanz gebracht wird, aktualisiert oder konkretisiert sich die Zuständigkeit der Instanz. 32 Erst jetzt ist zu fragen, ob das Gericht innerhalb seiner generellen Jurisdiktion, d.h. innerhalb seiner Gerichtsbarkeit, und innerhalb seiner speziellen Jurisdiktion, d.h. innerhalb des Rahmens der ihm tatsächlich zugewiesenen Zuständigkeit, für den unterbreiteten Fall konkret zuständig ist: Prüfung des konkreten Falles hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zu den Fällen, die dem Gericht abstrakt zur Entscheidung übertragen wurden. 33

d. Jurisdiktion als Vertrags- und Interpretationsproblem Die Jurisdiktion internationaler Instanzen ergibt sich allein aus dem Willen der Staaten, nämlich deren Übereinstimmung, eine dritte Instanz zur Beurteilung eines Sachverhaltes einzusetzen. "Le phenomene juridictionnel est exclusivement d'ordre conventionnel".34 Damit ergibt sich zugleich, daß apriori kaum allgemeine Regeln aufgestellt werden können. 35 Das heißt aber auch, daß die Frage nach der Jurisdiktion in allererster Linie eine Frage der Interpretation der jurisdiktionsbegründenden Instrumente ist. 31 So sehr treffend Münch, Obligatorische Gerichtsbarkeit, ZaöRV 21 (1961), S. 221 (233). Wie hier auch Scelle, Arbitral Procedure, Rapport, 21.3.1950. ILCY 195011, S. 114 (119/120): "Elle (Schiedsverpflichtung) nait souvent originairement d'un engagement pris in abstracto pour des litiges d'une categorie determinee ou susceptibles de naitre de rapports interetatiques enumeres, mais non individualises in concreto" (Hervorhebungen im Original). 32 Zur Einleitung des Verfahrens gleich im Text. Es handelt sich also nicht um eine gesonderte Art Zuständigkeit abstrakter /konkreter Art, sondern um die Unterbreitung des Falles vor die Instanz und deren Subsumtion. 33 Was hier mit spezieller Jurisdiktion in abstracto und concreto gemeint ist, bezeichnet Balasco, -obwohl inhaltlich identisch als "juridiction" und "competence": "juridiction" ist die "aptitude juridique legale, attribuee par la volonte explicite commune de deux ou plusieurs Etats, d'un organe international d'ordre juridictionnel regulü:rement constitue, pour instruire et pour juger des litiges nes ou ä naitre entre ces memes Etats", während ,,(in)competence d'un tribunal" bedeutet "ayant juridiction internationale entre deux ou plusieurs de ces Etats, tel qu'il est formule dans la requete introductive d'instance, et ä la juger", Balasco, Causes de nullite, S. 139. Er ist insoweit durch Abi-Saab, Exceptions, S. 58f. und Bos, Conditions du proces, S 51, Fn. 31 nicht ganz zurecht für deren Konzeption von "juridiction" und "competence" in Anspruch genommen worden, die darin den Unterschied zwischen -in unserem Sinne- genereller und spezieller Jurisdiktion finden wollten. 34 So plastisch Witenberg, Organisation judiciaire, S. 101. 35 "De son fondement conventionnel, la competence internationale echappe ä toute regle apriori", Witenberg, Organisation judiciaire, S. 103.

1. Kap.: Jurisdiktionsbegründung und Verfahrenseinleitung

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"La cour n'entend pas s'attacher a determiner le sens qu'a le terme juridiction ("jurisdiction") en general. Dans le cas present, illui faut determiner la portee et le sens de la declaration faite par le Guatemala sur la base de l'aricle 36, paragraphe 2, declaration qui, avec cette derniere disposition et avec la declaration correspondante du Liechtenstein, forme le droit regissant la matiere ici consideree". 36 "Le probleme de la competence est donc, en droit international, un probleme d'interpretation de traite. "37 Dem ist in seiner Deutlichkeit nur hinzufügen, daß sich im Falle ständiger Gerichte diese Interpretation mehrerer vertraglicher Instrumente ergeben wird. Auf der einen Seite steht dann das die Instanz konstituierende Instrument mit Zuständigkeitsregeln, meist die generelle Jurisdiktion betreffend z.B. das IGH Statut, und auf der anderen das die spezielle Jurisdiktion begründende Instrument z.B. Unterwerfungserklärung. Beide werden dann in ihrer Zusammenschau die Jurisdiktion der Instanz ergeben. Nur letztere werden üblicherweise 38 als jurisdiktionsbegründende Instrumente oder Titel bezeichnet. 39 2. Begründung der Jurisdiktion

Die Zuständigkeit internationaler Instanzen ergibt sich allein durch Zustimmung der Staaten, die in völkerrechtlichen Instrumenten, Titeln oder auch in einem sonstigen Verhalten zum Ausdruck kommt, die hinsichtlich ihrer Entstehung und Wirksamkeit den allgemeinen völkerrechtlichen Regeln unterliegen. Hinzukommen können, soweit es sich um ständige Instanzen handelt, präformulierte Erfordernisse, sofern deren vertragliche Grundlage (Statut) solche vorsieht. Sind die jurisdiktionsbegründenden Instrumente, wie zumeist, Verträge, so findet allgemeines Völkervertragsrecht Anwendung. 4O Daneben Nottebohm, Preliminary Objection, Judgment, ICJ Rep. 1953, S. 111 (121/2). Witenberg, Organisation judiciaire, S. 104, "Il est cela et il n'est que cela" fahrt er fort, "En chaque cas il faudra interpreter ce document de manit!re ä lui faire produire tous ses effets mais sans le denaturer ni en exeder les limites. Au delä de celles-ci, le juge international est, en effet, as important as a morning mist. (Hervorhebungen im Original als Zitat). Vgl. aber die sehr kritische Haltung bei Reisman, Nullity and Revision, S. 67, der eher Arbitration als "institutional" den "contractual" sehen will. 38 Siehe nur Nottebohm, Preliminary Objection, Judgment, ICJ Rep. 1953, S. 111 (121 ff.). 39 "In the broader sense, the jurisdiction of the Court (ICJ) is founded on a combination of the constitutional texts governing the constitution and working of the Court -the Charter, the Statute and the Rules of Court- together with the instrument or instruments by which the parties to a case express their consent that the Court should decide the case. The latter instruments are here designed as the "title of jurisdiction". So Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 469 deutlich zur Nennung und zum Zusammenlesen der Titel, sowie ihrer Bezeichnung. 40 Für das Kompromiß siehe Lammasch, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 111; Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 143, siehe den Artikel 1 des "Goldschrnidt-Entwurfes" für die 36

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

gibt es keine allgemeinen Regeln über eine besondere Form der Jurisdiktionsbegründung. 41 Die Unterbreitung von Streitfällen vor einer internationalen Instanz kann auf vielfältige Weise geschehen. Generelle und konkrete spezielle Jurisdiktion können durch ein Instrument, generelle und spezielle Jurisdiktion in zwei getrennten "Konsensstufen" verliehen werdenY Streitigkeiten können einem Gericht zunächst durch echtes Komprorniß vorgelegt werden. 43 Darüberhinaus können bi- oder multilaterale allgemeine (Schieds-)Gerichtsverträge eine auch künftige Streitfälle umfassende Gerichtsbindung begründen. Die Gerichtsbarkeit kann weiter durch kompromissarische Klauseln in bi- oder multilateralen Sachverträgen begründet werden. 44 Zur Jurisdiktionsbegründung für den konkreten Fall wird in den letzteren beiden Varianten der Abschluß einer Schiedsordnung erforderlich sein, es sei denn, die Möglichkeit einseitiger Klageerhebung ist vorgesehen. Die allgemeine Gerichtsbindung ohne "echtes" Obligatorium ist nämlich ein pactum de compromittendo, welches selbst die konkrete Streitbeilegungsverpflichtung für diesen Streit nicht begründet, ebensowenig wie die spezielle und konkrete Zuständigkeit des Gerichts: "Das Komprorniß bildet auch dann die Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit, wenn es in Anwendung eines institutionellen Schiedsvertrages, ja selbst dann, wenn es in Anwendung eines obligatorischen Schiedsvertrages abgeschlossen worden ist. Es bildet die juristisch maßgebende Willenseinigung International Law Association von 1875: "An Agreement to arbitrate is concluded by a valid international treaty ... " abgedruckt bei Darby, International Tribunals (1904) S. 488. Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 471: "On the other hand, all treaties conferring jurisdiction on the Court are subject to the general internationallaw of treaties." 41 Lauterpacht, Development, S. 202 ff.; Shihata, Power, S. 95 ff. Insbesondere gibt es keine besonderen Erfordernisse hinsichtlich des prorogatio fori-Prinzips. Für eine Übersicht über die Staatenpraxis zur Form der Jurisdiktionsbegründung, siehe Commentury. S. 11 f.; vgl. Memorandum prepared by the Secretariat, ILCY 195011, S. 157, 160. 42 Zum letzteren Abi-Saab, Exceptions, S. 61 f. Insgesamt siehe Hudson, PCIJ 1943, S. 435 fr.; Shihata, Power, S. 92 ff., 125 ff.; Salvioli, Tutela, S. 51 ff., S. 181; Makowski, Organisation actuelle, RdC 36 (1931 II), S. 267 (301 ff.); Jacoby, Some Aspects of the Jurisdiction of the Permanent Court of Internation;tl Justice, AJIL 30 (1936), S. 233; Salvioli, Procedure, RdC 91 (1957 I), S. 553 (581 ff.). 43 Special agreement, compromis. Das echte Komprorniß führt in die isolierte (Schieds-) Gerichtsbarkeit, d.h. zu Instanzen, die für einen einzelnen zur Erledigung anstehenden Streitfall ohne vorhergehende Verpflichtung der Parteien dazu verabredet und gebildet werden. Eine solche Instanz kann allerdings auch eine unabhängig vom Streit bereits bestehende Institution sein. Die institutionelle (Schieds-)Gerichtsbarkeit demgegenüber beruht auf einer auch künftige Fälle umfassenden Bindung der Parteien. Hier ist dann ein "unechtes" Komprorniß oder eine Schiedsordnung erforderlich, welche die Einzelheiten der Anhängigmachung des Streits regeln. Siehe hierzu insgesamt von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 14 ff. Als völkerrechtlicher Vertrag unterliegt das Komprorniß den allgemeinen Vertragsschließungsregeln Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 143. 44 Hierzu umfassend von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 51 ff. Vgl. CociitreZilgien, Justice internationale, RGDIP 80 (1976), S. 689 (698).

1. Kap.: Jurisdiktionsbegründung und Verfahrenseinleitung

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zwischen den Parteien, dahingehend, die abstrakte Schiedsverpflichtung eines Schiedsvertrages auf einen konkreten Streitfall anzuwenden".45 Eine weitere Gruppe von Jurisdiktionstiteln bilden Unterwerfungserklärungen nach Artikel 36 (2) IGH Statut, in denen die Vertragsstaaten des IGH Statuts~ erklären, daß sie die Zuständigkeit des Gerichtshofes von Rechts wegen und ohne besondere Übereinkunft gegenüber jedem anderen Staat, der dieselbe Verpflichtung übernimmt, für alle Rechtsstreitigkeiten, die näher umschrieben werden, als obligatorisch anerkennen. 47 45 Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 143; von Mangoldt, Projekt, S. 112; von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 94 ff.; Lammasch, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 98 ff. mwN. hingegen vertritt die gegenteilige Meinung, daß im Falle institutioneller Schiedsgerichtsbarkeit kein weiteres unechtes Komprorniß zur Anerkennung der Schiedsverpflichtung und Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit erforderlich sei; die Einlassungspflicht der Streitbeteiligten sei schon entstanden. Während man früher als obligatorische (Schieds-)Gerichtsbarkeit die auf die Zukunft gerichtete, unabhängig von einem konkreten Streit eingegangene Verpflichtung ansah, Streitfälle der (Schieds-)Instanz zu unterbreiten, zur konkreten Zuständigkeit der Instanz mußte dann noch die Schiedsordnung treten; Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S 57; dazu von Mangoldt, Schiedsgenchtsbarkeit, S. 89 ff.; vgl. Lammasch, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 55, wird das Obligatorium im eigentlichen Sinne heute enger verstanden: "Obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit liegt in diesem engeren Sinne dann vor, wenn ein Schiedsvertrag in der Weise gestaltet ist, daß nach Entstehung eines Streites die Unterbreitung unter das Schiedsgericht nicht mehr notwendig einer Willenseinigung der Parteien in Form eines Kompromisses bedarf, sondern der Streitfall von einer Partei durch einseitige Klageerhebung beim Gericht anhängig gemacht und bis zum Endurteil durchgeführt werden kann." Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 58: "Das Postulat der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit ergibt sich aus dem logischen Zuendeführen des Gedankens der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit". Dazu sehr zurückhaltend von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 89 ff. 46 Alle Mitglieder der Vereinten Nationen sind ipso facto Mitglieder des Statuts des IGH; Art. 92 UN Charta. Damit ist die generelle Jurisdiktion konsentiert. Zugleich aber haben sich die Vertragsstaaten noch nicht der speziellen Zuständigkeit des Hofes unterworfen, vielmehr steht ihnen nur die Möglichkeit offen, die Jurisdiktion des IGH in Anspruch zu nehmen. Siehe hierzu allgemein Gross, International Court and United Nations, RdC 120 (1967 I), S. 313 ff.; S. Engel, States Parties to the Statute of the International Court of Justice, in: Future [Cl, Bd. 1 (Gross Hrsg.) (1976), S. 287 ff. Es ist überdies möglich, dem Statut beizutreten, ohne Mitglied der UN zu sein, bzw. im Einzelfall einen Streit vor den IGH zu bringen, ohne Mitglied der UN und des Statuts zu sein. Die Vorschriften des Statuts sind aber zu konsentieren; dazu siehe nur Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 271 ff., S. 278 ff.; vgl. Art. 35 (2) IGH Statut. 47 Ganz überwiegend werden Unterwerfungserklärungen als Sonderfälle einseitiger konkordierender Akte beider Parteien angesehen, siehe Wengier, Völkerrecht, Bd. 1, S. 727, oder als unbefristetes, bindendes Angebot, Wengier, a.a.O., S. 232, Fn. 3, siehe aber die Möglichkeiten von Vorbehalten in Art. 36 (3) IGH Statut. Der Hof selbst hat die Unterwerfung in Phosphate im Marokko-Fall, PCIl, Series AlB, No. 74, S. 10 (23) als einseitigen Akt angesehen; jedenfalls aber als vertragliches Verhältnis, wie im Elektrizitätsgesellschaft von Sofia-Fall, PCIl, Series AlB, No. 74, No. 77, S. 64 (77). Für eine konzise Zusammenfassung aller Meinungen zum Charakter der Unterwerfungserklärung siehe Shihata, Power, S. 144 ff. Inzwischen gibt es auch den Versuch einer Deutung als (öffentlich-rechtliche) einseitige Erklärung mit Geltungsbedingungen, siehe Rotter, Art.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Darüberhinaus sind schließlich Sonderlagen als jurisdiktionsbegründend zu erwähnen, die in der Praxis eine gewisse Rolle gespielt haben, wie die ad hocZuständigkeit aufgrund Prorogation. 4S Die Zuständigkeit des Hofes soll auf Resolutionen des Sicherheitsrates basieren können. 49 Wenn also die generelle Zuständigkeit des Gerichts in einer der vorgenannten Formen begründet worden ist, so ist danach zu fragen, ob diese abstrakte Jurisdiktion in einem konkreten Fall aktualisiert worden ist. Diese Aktualisierung erfolgt durch die Einleitung eines konkreten Verfahrens. Dieser Zeitpunkt entscheidet über die Zuständigkeit des Gerichts für den konkreten Streit. Damit ist die Einleitung des Verfahrens von erheblicher Bedeutung für die "Operationalisierung" des Jurisdiktionsbandes. ,,(1)1 faut et il suffit que lajuridiction de la Cour soit obligatoire acette date". so

11. Verfahrenseinleitung j.

Die Einleitung des Verfahrens

Durch echtes Komprorniß werden uno actu die generelle Jurisdiktion des Gerichts begründet und zugleich der konkrete Streitfall vor dieser Instanz anhängig gemacht - die Parteien haben sich konkret zur (schieds-) gerichtlichen Beilegung dieses Streites verpflichtet. In den anderen Fällen ist zu unterscheiden zwischen der Streitbeilegungsverpflichtung, d.h. der generellen / speziellen Jurisdiktion eines (Schieds-)Gerichts und der Einleitung des Verfahrens, dem Anhängigmachen des Streites, welches zugleich die konkrete

36 Abs. 2 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes, lus H umanitatis, FS Verdroß zum 90. Geburtstag, (1980), S. 631. 48 Forum prorogatum. Hierzu siehe Shihata, Power, S. 128 ff. mit vielen Hinweisen zur Praxis des Weltgerichtshofes; Rosenne, The forum prorogatum ofthe International Court ofJustice, Rev. Hellenique Droit Int'16 (1953), S. 1; Soubeyrol, "Forum Prorogatum" et la Cour internationale de Justice: de la procedure contentieuse a la procedure consultative, RGDIP 76 (1972), S. 1098; Waldock, Forum prorogatum or Acceptance of a Unilateral Summons to Appear before the International Court, ICLQ 2 (1948), S. 377; Winiarski, Quelques reflexions sur le soi-disant forum prorogatum en droit international, FS Spiropoulos, (1957), S. 445. 49 Dies ist jedoch als krasse Ausnahmeargumentation nicht weiter zu verfolgen, siehe Shihata, Power, S. 135 ff. Der hier einschlägige Korfu-Fall ist in diesem Aspekt singulär geblieben. Vergleiche insbesondere die klärende Darstellung der Entstehungsgeschichte des Art. 36 (1) bei Shihata, Power, S. 136-7, siehe im übrigen Chung, Legal Problems Involved in the Corfu Channel Incident (1959). so Pinto, Jurisclasseur, Fase. 217, S. 4; Nottebohm (Preliminary Objection), Judgment, ICJ Rep. 1953, S. 111 (123); Right of Passage over Indian Territory, Preliminary Objections, Judgment, ICJ Rep. 1957, S. 125 (142). Zum ganzen sehr konzise Abi-Saab, Exceptions, S. 49 ff.

1. Kap.: Jurisdiktionsbegründung und Verfahrenseinleitung

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Zuständigkeit der Instanz zu begründen vermag. 51 So etwa, wenn durch allgemeinen (Schieds-)Gerichtsvertrag oder kompromissarische Klausel nur die generelle Schiedsverpflichtung für bestimmte Streitigkeiten vereinbart wird, und zur Einleitung des Verfahrens dann ein unechtes Kompromiß, oder Schiedsordnung, durch die Parteien zu kontrahieren ist. Denkbar ist allerdings die Zulassung des einseitigen Antragrechts. 52 Die obige Unterscheidung trifft auch die Fälle der Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 (2) IGH Statut. Aus der Unterwerfung selbst ergibt sich nur die spezielle Zuständigkeit. Erst wenn die Klage durch Einreichung der Klageschrift anhängig gemacht wird, ergibt sich die konkrete Zuständigkeit des IGHY Das Anhängigmachen, "saisine" / "seizing", erfolgt durch die Parteihandlung der Unterbreitung des Prozeßstoffes an das Gericht, die zur Befassung des Gerichts mit dem in dem Instrument beschriebenen Streitfall führt. 54 Fitzmaurice, der diese Problematik als erster systematisch durchleuchtete, charakterisierte das "seizing" des IGH als "depending on the carrying out of the correct procedural steps for bringing the dispute before the Court, as prescribed by the Statute and Rules of Court". 55 Für den IGH sind die erforderlichen Verfahrensschritte in Art. 40 Statut und Art. 38, 39 VerfO niedergelegt. Fraglich kann sein, wann genau die Einleitung eines Verfahrens anzunehmen ist. Sicher ist von denjurisdiktionsbegründenden 51 Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 142 ff.; Lammasch, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 97 ff.; vgl. Morel/i, Perpetuatio jurisdictionis, Studi, S. 78 (82); Artikel 40 des IGH Statuts spricht von "anhängig machen", "porter devant la Cour" / "bring before the Court". Artikel 38 und 39 VerfO sprechen davon, daß die "instance est introduite" und "proceedings are instituted" als auch "proceedings are brought". Diese Ausgestaltung der Verfahrenseinleitung ergibt sich aus der Sache heraus nur bei ständigen Instanzen. 52 Zur Vereinbarung eines einseitigen Antragsrechts sehr vorsichtig und abwägend von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 94 ff. Zur Zweiaktigkeit einer Durchführung der Schiedsverpflichtung, nämlich Konstituierung des Gerichts und Anhängigmachen des Verfahrens siehe Commentary Art. 10, S. 43 und dei Vecchio, Le parti, S. 74 fT. Im übrigen ist durchaus streitig, welche prozessuale Funktion die Schiedsordnung hat. Siehe einerseits Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 143 und von Mangoldt, Projekt, S. 112 und andererseits Lammasch, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 98 ff. mit weiteren Nachweisen. Über die Frage, ob sich die spezielle Jurisdiktion des durch Schiedsordnung gebildeten Gerichts aus dem Schiedsvertrag selbst oder erst aus der Schiedsordnung ergibt (so die Erstgenannten), kann hier noch dahin stehen, denn hier wird nur die Einleitung des Verfahrens angesprochen. Diese aber hat jeweils die konkrete Zuständigkeit der gebildeten Instanz dann zur Folge.

53 Siehe Fitzmaurice, Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1 (15 ff.). Im übrigen wird man im internationalen Prozeß nicht weiter differenzieren können nach Anhängigkeit und Rechtshängigkeit, wie im deutschen Zivilprozeß. Dafür geben die Verfahrensordnungen nichts her.

54 DeI Vecchio, Le Parti, S. 75: "La saisine, al contrario, el'azione materiale con cui si istituisce la competenza della Corte rispetto ad una data controversia concreta". Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 311: " ... formal step by which the proceedings (are) instituted". Abi Saab, Exceptions, S. 49; Scerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (620 ff.). Der Prozeß selbst wird als "seizing the Court" bezeichnet, die Rechtsfolge als "saisine / Seisin" . Shihata, Power, S. 84/5 und 81 mwN. ss Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1 (14); Abi-Saab, Exceptions, S. 49 ff.

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Instrumenten selbst auszugehen. So sind die Notifikation eines Kompromisses bzw. die Einreichung der schriftlichen Klage beim (St)IGH gemäß Art. 40 (1) Statut als Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung anzunehmen. 56 Ansonsten können Jurisdiktionstitel durchaus andere Zeitpunkte bestimmen. So wurde im Nicaragua-Honduras-Grenzstreit die Anhängigkeit der Sache mit dem Zeitpunkt der Annahme des Schiedsrichteramtes durch den spanischen König angenommen; d.h. mit der Konstituierung der Schiedsinstanz, nicht mit der Einreichung der Schriftsätze. 57 Die Model Rules on Arbitral Procedure von 1958 sehen als Beginn des Verfahrens den Augenblick an, in dem der Präsident des -bereits gebildetenSchiedsgerichts die erste verfahrensleitende Verfügung hinsichtlich des schriftlichen oder mündlichen Verfahrens macht. 58 In den verschiedenen Verfahrensordnungen des ICSID wurde der Beginn des Verfahrens früher festgelegt. Dort ist eine Streitigkeit eingeleitet, wenn das Streitschlichtungsbegehren eines Staates durch den Generalsekretär bei ICSID registriert ist. 59 Einige Autoren wollen den Abschluß des echten oder unechten Kompromisses zur Anhängigkeit des Streites ausreichen lassen 60 , während ganz zurückhaltende Autoren auch im Falle des echten oder unechten Kompromisses noch zwischen der Konstituierung der Schiedsinstanz und dem technischen Anhängigmachen des Streits unterscheiden wollen. 61 Allerdings scheint eine solche Betrachtung zu rigide und dem jeweiligen Parteiwillen sowie den jurisdiktionsbegründenden Instrumenten nicht ohne weiteres gerecht zu werden. 62 56 Vgl. Mani, Procedural Aspects, S. 73 ff.; Staujenberg, Statut et reglement, S. 295 ff. Vgl. hier auch die Konsequenzen der perpetuatio jurisdictionis-Konzeption unten, 2. Kapi~el, II. 57 Vgl. Carlston, Process, S. 68. Zu den Vorgängen in tatsächlicher Hinsicht siehe den Arbitral Award Made by the King ofSpain on 23. December 1906, Judgment, ICJ Rep. 1960, S. 192 (207/8). Dieser Zeitpunkt wurde ebenso von IGH als entscheidend angenommen; a.a.O. S. 209. Vgl. auch die Ausführungen der Parteien in ICJ Pleadings, Arbitral Award Made By the King ofSpain on 23. December 1906, Bd. 1, S. 175 ff, S. 521 ff., S. 792 ff. 58 Art. 4 (4): The proceedings are deemed to have begun when the president or sole arbitrator has made the first procedural order, Wetter, Arbitral Process, Bd. 4, S. 232, 235; vgl. Commentary, S. 26, der keine weiteren Ausführungen macht, sondern nur erwähnt, daß eine klare und präzise Formulierung des Zeitpunktes vereinbart wurde, um Zweifel zu vermeiden. Allerdings schien dies technisch gemeint für die Frage der Besetzung des Gerichts, während die Frage der Anhängigkeit des Streits als zwei stufiges Verfahren angesehen wurde, vgl. Art. 5, 6 und Art. 8 Model Rules auf der anderen Seite. 59 Art. 28 (3) und 36 (3) der Weltbankkonvention und Art. 6 (2) der Einleitungsordnung (Verfahrensordnung für die Einleitung von Vergleichs- und Schiedsverfahren). 60 Vgl. Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 142 ff. mwN. 61 Von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 94 ff. Vgl. auch Commentary, S. 43 f. mit Bezug auf die Zweiaktigkeit der Anhängigkeit in der Revidierten Genfer Generalakte. Vgl. dazu sogleich noch im Text.

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2. Voraussetzungen Zur Anhängigkeit eines Verfahrens ist erforderlich, daß die formalen Voraussetzungen der jeweils herangezogenen jurisdiktionsbegründenden Instrumente erfüllt werden. Allerdings haben sich die Gerichte in der Auslegung solcher Regeln flexibel gezeigt. Der IGH hat es ausdrücklich abgelehnt, sehr strikte formale Anforderungen im Falle des Statuts und der VerfO zu stellen. 63 "L'article 36, paragraph 2, et les declarations qui s'y rattachent ont po ur objet de regler la saisine de la Cour: la saisine de la Cour par voie de requete, dans le systeme du Statut, n 'est pas ouverte de plein droit atout Etat parti au Statut, elle n'est ouverte que dans la mesure detinie par les declarations applicables ... La saisine de la Cour est ainsi dominee par les dülarations emanant des parties lorsqu'il est fait recours a la juridiction obligatoire conformement a l'article 36, paragraphe 2".64 Soweit andere lurisdiktionstitel in Betracht kommen, müssen auch deren formale Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Anhängigmachung des Streites vorliegen 65 , wenn nicht ausnahmsweise eine Heilung in Fällen der prorogatio fori nachträglich erfolgt. Auf der anderen Seite ist eine ordnungsgemäße Einleitung des Verfahrens Voraussetzung dafür, daß ein lurisdiktionstitel 62 Die Völkerrechtspraxis scheint eine Reihe von Fällen aufzuweisen, in denen die "saisine" schon vor der endgültigen Besetzung der Richterbank angenommen wurde; so hieß es im Jahresbericht des IGH immer wieder, daß der Präsident des IGH seine vertragliche Ersatzbestellungsbefugnis auszuüben gebeten wurde, nämlich "de bien vouloir proceder la disposition du President du tribunal arbitral saisi d'un differend". Ann CU 23 (1968/9), S. 112 f. (2 Fälle); Ann CU 24 (1969/70), S. 117 f. (3 Fälle); Ann CU 26 (1971 /2), S. 128 (1 Fall), dagegen aber Ann CU 17 (1962/3), S. 27 (1 Fall); Ann CU 20 (1965/6), S. 95 (1 Fall); Ann CU 25 (1970/1), S. 113 (1 Fall). Hier handelt es sich jedoch nicht um die "saisine" im gerade definierten Sinne, sondern um eine Charakterisierung "des mit der Streitsache zu befassenden Gerichts". 63 So hatte das Vereinigte Königreich im Nordkamerun-Fall eine vorgängige EinreJe erhoben dahin, daß die Klage nicht hinreichend die genaue Natur der geltend gemachten Ansprüche und die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen präzisiere, auf denen der Anspruch beruhen sollte. Der Hof hält dagegen: "The Court notes that whilst under Article 40 of its Statute the subject of the dispute brought before the Court shall be indicated, Article 32 (2) ofthe Rules ofCourt requires the Applicant "as far as possible" to do certain things". Dies beziehe sich auf die gesamte Präsentation der Klage. Dem aber, so lapidar der IGH, habe der Kläger Rechnung getragen. Northern Cameroons, Judgrnent, ICJ Rep. 1963, S. 6 (28). Der Hof nahm ausdrücklich die frühere Praxis beider Höfe in Bezug, eine "interpretation large" von Formerfordernissen vorzunehmen, Societe Commerciale de Belgique, Judgrnent, 1939, PCU Series A/B, No. 78, S. 160 (173). Vgl. schon Mavrommatis Palestine Concessions, Judgment, No. 2, 1924, PCU; Series A, No. 2, S. 34. 64 Nottebohm, Preliminary Objection, Judgrnent, ICJ Rep. 1953, S. 111 (122) (Hervorhebungen vorn Verfasser). 6S Dies hat der Hof ausdrücklich ausgesprochen im Elektrizitätsgesellschaft von SofiaFall. Dort war als alternative Jurisdiktionsgrundlage ein allgemeiner Schiedsvertrag angezogen worden. Der Hof prüfte dann die weiteren Voraussetzungen eines wirksamen Anhängigrnachens des Streites: Electricity Company of Sofia and Bulgaria, Judgrnent, 1939, PCU, Series A/B, No. 77, S. 64 (80).

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seine Wirksamkeit entfalten kann. Es gibt also eine gegenseitige Wechselwirkung zwischen der Jurisdiktionsbegründung und der "saisine". Damit ist aber auch klar, daß es eine "pre-preliminary" Bedingung für die konkrete Jurisdiktionsbegründung gibt: ordnungsgemäße Klageerhebung. Dies ist im Elektrizitätsgesellschaft von Sofia-Fall nicht klar herausgearbeitet. 66 Dort war ein allgemeiner Schiedsvertrag als Jurisdiktionsgrundlage herangezogen worden. Allerdings entschied der StIGH, daß die Anwendung der Vorschriften dieses Jurisdiktionstitels eine wirksame Einleitung des konkreten Streites voraussetzten: "Cette disposition (des Schiedsvertrages) ne trouve pas son application: elle suppose une procedure valablement engagee (proceedings validly instituted) , ce qui, faute d'une decision definitive ala date du 26 janvier 1938, n'est pas le cas ici".67 Diese Rechtsprechung wurde im Nottebohm-Fall mit etwas anderen Worten bestätigt: "Une fois la Cour regulierement saisie, la Cour doit exercer ses pouvoirs tels qu'ils sont definis par le Statut". 68 66 Und so auch richtig kritisiert von Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 472. Vgl. aber den Letitia-Streit zwischen Kolumbien und Peru, der wegen fehlender ordnungsgemäßer Antragsschrift gar nicht in das Allgemeine Register eingetragen wurde, PCIJ, Series E, No. 9, S. 16 Fn. 2 und Hudson PCIJ 1943, S. 416 f. 67 Electricity Company ofSofia and Bulgaria, Judgment, 1939, PCIJ, Series AlB, No. 77, S. 64 (80) (Hervorhebung vom Verfasser). Im vorliegenden Fall trat der Schiedsvertrag am 26.1.1938 außer Kraft. Das Verfahren war zuvor eingeleitet worden. Jedoch stand noch eine letztinstanzliche "definitive" Entscheidung der obersten staatlichen Instanz des beklagten Staates aus. Als diese Entscheidung im März 1938 dann noch erging, war der Schiedsvertrag bereits außer Kraft. Artikel 3 des Schiedsvertrages aber forderte vor Klageerhebung ein solches letztinstanzliches "definitives" Urteil. Im Hof war offensichtlich die Möglichkeit diskutiert worden, eine "Heilung des Mangels" zuzulassen. Er lehnte es aber ab. Da diese letztinstanzliche Entscheidung acht Wochen nach Klageerhebung, und fünf Wochen nach Außerkrafttreten des Schiedsvertrages erging, wollten die Richter de Visscher und Erich eine Heilung zulassen, weil eine andere Haltung zu "formalistisch" sei. Electricity Company ofSofia and Bulgaria, a.a.O., S. 139 u. S. 145. Der Hof war hier jedoch sehr strikt in seinen Anforderungen, wohl auch deshalb, weil er sich -zumindest nach der Mehrheitsansicht- auf ein anderes jurisdiktionsbegründendes Instrument berufen konnte, nämlich jeweils Unterwerfungserklärungen der Streitparteien nach Art. 36 (2) Statut. Aus diesem Grunde ist der Elektrizitätsgesellschaft-Fall wohl auch nicht als Präjudiz für ordnungsgemäße Klageerhebung bekannt. Weitere Fälle, in denen die Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung von Bedeutung war: Pajzs, Csaky, Esterhazy, Judgment, 1939, PCIJ Series AlB, No. 68, S. 30; (Besonderheiten der Zulässigkeit einer Überprüfung von Urteilen gern. SchGH durch den StIGH); Corfu Channel, Preliminary Objection, Judgment, ICJ Rep. 1947-48, S. 15. (Klage kann weder auf Kompromiß noch einseitige Anrufung gestützt werden mangels entsprechender Unterwerfung durch Beklagte). 68 Im Englischen: "Once the Court has been regularly seized, the Court must exercise its powers, as these are defined in the Statute". Nottebohm, Preliminary Objection, Judgment,ICJ Rep. 1953, S. 111 (122). (Hervorhebungen vom Verfasser). Diese Rechtsprechung wurde gefestigt im Durchgangsrechte-Fall und im Nordkamerun-Fall; Right of

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Die Bedingungen für die ordnungsgemäße Verfahrenseinleitung sind für ständige Instanzen, insbesondere den (St)IGH, entwickelt worden. 69 Die Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung umfaßt zwei Elemente: (1) Vorhandensein eines "acte introductif d'instance", eines verfahrenseinleitenden Schriftstückes, welches bestimmte Elemente enthalten muß, die in den das Gericht konstituierenden Instrumenten vorgeschrieben sind. 70 (2) Vorhandensein eines Jurisdiktionstitels prima facie. 71 Damit reicht aber nicht einfach die Einreichung eines Schriftstückes, welches formal die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt 72 , sondern es muß auch prima facie ein Jurisdiktionsband zwischen den Beteiligten bestehen. 73 Die zweite Voraussetzung wurde durch die VerfO des IGH von 1978 neu gefaßt, die vorsieht, daß im Falle der fehlenden Unterwerfung einer Partei unter die Jurisdikton des Gerichtshofes, das das Verfahren einleitende Schriftstück außer dessen Weiterleitung an den Gegner keine Wirkung hat, d.h. die Klage weder in das Register aufgenommen, noch irgendeine Prozeßhandlung vorgenommen wird, bis der Staat, gegen den die Klage gerichtet ist, sich der Zuständigkeit des Hofes für den Streit unterwirft. Allerdings kann folgerichtig Passage, (Preliminary Objections), ICJ Rep. 1957, S. 125 (142); Northern Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15 (29). Zu den erforderlichen Schritten siehe im übrigen Shihata. Power, S. 84 ff. 69 "In the nature of the case, the whole of this matter arises mainly with reference to standing tribunals such as the Court (ICJ), or tribunals set up under particular treaties or to institutional tribunals belonging to international organs or organizations". Fitzmaurice. Law and Procedure, BYlL 34 (1958), S. 1 (16 Fn.). Allerdings wurden diese Grundsätze auch auf institutionelle ad hoc-Schiedsinstanzen angewendet, vgl. Plädoyer Paul de Visscher, v. 21.9.1969, im Nicaragua-Honduras- Grenzstreit, ICJ Pleadings, Arbitral Award Made by the King of Spain on 23 December 1906, Bd. 2, S. 149. 70 Beim IGH die Notifikation eines Kompromisses oder die Einrichtung der Klageschrift: Art. 40 Statut, Art, 38 ff. VerfO. 71 Diese Kriterien hat Abi-Saab sehr deutlich herausgearbeitet, Exceptions, S. 50; Dubisson. La Cour, S. 209; Briggs, Competence incidente, RGDIP 64 (1960), S. 217 (222); Stillmunkes. Le "forum prorogatum" devant la Cour permanente de Justice international et la Cour internationale de justice, RGDIP 68 (1964), S. 665 (686). 72 Deshalb kritisiert Abi-Saab, Exceptions, S. 51/2 zurecht die rein umschreibenden Definitionen von Rosenne und Fitzmaurice. die nur auf den Akt der Verfahrenseinleitung selbst abstellen. Allerdings gesteht Abi-Saab auch zu, daß die common law-Juristen dann unterscheiden zwischen seisin (saisine) und seizing (acte de saisir la Cour). Damit wird im Ergebnis ebenfalls ein Jurisdiktionstitel für erforderlich gehalten: Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 313; Fitzmaurice, Law and Procedure, BYlL 34 (1958), S. 1 (12); Shihata, Power, S. 87. 73 Art. 38 (5) VerfO. Das ist eine Reaktion unter anderem auf die "Einladungsfälle der 50er Jahre", in denen eine Reihe von Verfahren ohne jegliches Jurisdiktionsband vor den Hof gebracht werden sollten. Hierzu siehe noch unten, 2. Hauptteil, bei Fn. 199. Jedenfalls wurde die Meinung Abi-Saab's in diesem Punkt durch die spätere Änderung der VerfO bestätigt. Rosenne, Commentary, S. 92 f.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

nicht mehr als ein prima facie-Jurisdiktionstitel verlangt werden, sonst würde die spezielle Jurisdiktion zur Voraussetzung der Einleitung des Verfahrens. 74 Die Ordnungsgemäßheit der Klageerhebung wird dann auf den Zeitpunkt des Anhängigmachens des Verfahrens geprüft. 75

3. Wirkungen Die Folgen der Einleitung des Verfahrens können nicht detailliert erörtert werden. Es entstehen zwischen den Parteien selbst und dann zwischen den Parteien und dem Gericht jeweils Prozeßrechtsverhältnisse, die sich auf eine konkrete Streitfrage beziehen. 76 Im übrigen gibt eine ordnungsgemäße Klageerhebung dem Hof eine Reihe inzidenter Kompetenzen 77, und ist in vielen Fällen der "maßgebliche Zeitpunkt", the "critical date" oder "la date critique" für die Bestimmung des anwendbaren Rechts und der Fakten 78, und für die Frage der Fortführung des Verfahrens, wenn der Jurisdiktonstitel nach Verfahrenseinleitung außer Kraft tritt (perpetuatio fori). 79 Vor allem aber hat die Einleitung des 74 Abi-Saab. Exceptions, S. 53; Grisel. Exceptions, S. 68; vgl. Corfu Channel, Preliminary Objection, Judgment, 1948, ICJ Rep. 1948, S. 15 (27/8). Ebenso Rosenne. Commentary, S. 93. 7S SO ausdrücklich Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Judgment, ICJ Rep. 1954, S. 19 (30): "Quant a la conclusion tendant a declarer la requete italienne "nulle et non avenue", il suffit de dire que la requete, qui n'etait pas entachee de nuIlite au moment de son introduction .... ". Schon in Electricity Company of Sofia and Bulgaria, Judgment, 1939, PCIJ, Series AlB, No. 77, S. 64 (80) hatte der Hof das Bestehen einer Bedingung des Jurisdiktionsinstrumentes zum Zeitpunkt der Klageerhebung und damit eine ordnungsgemäße Klageerhebung verneint. Diese Rechtsprechung wird im Schrifttum geteilt, siehe nur Terre. Theorie generale, Z.f.Schw.R., NF, Bd. 93, 1. Halbband (1974), S. 41 (44); Pinto. Juris-Classeur, Fasc. 217, Nr. 13; Briggs. Competence incidente, RGDIP 64 (1960), S. 217 (221). 76 "La saisine se borne donc a mettre en action le mecanisme judiciaire par rapport a une affaire donnee, c'est-a-dire a engager l'instance a etablir entre les parties d'une part, et entre les parties et la Cour d'autre part, un rapport de procedure portant sur un objet determine et dans le cadre duquella Cour exerce ses pouvoirs de juridiction". Abi-Saab. Exceptions, S. 49 150; Fitzmaurice. Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1 (8 0; Rosenne. Law and Practice, Bd. 1, S. 311 f. 77 "Une fois la Cour regulierement saisie, la Cour doit exercer ses pouvoirs, tels qu'ils sont definis par le Statut". Nottebohm, Preliminary Objection, Judgment, ICl Rep. 1953, S. 111 (122): "Seisin, the first result of a valid seizing of the Court, ... confers, however, on the latter by force of the Statute many jurisdictional powers which are all incidental to substantive jurisdiction and which are meant to enable the Court to function as a judicial institution". Shihata. Power, S. 87; deI Vecchio. Le parti, S. 74 ff. 78 Terre. Theorie generale, Z.F.SchwR, NF, Bd.93, 1. Halbband (1974), S.41 (46); Fitzmaurice, Law and Procedure, BYIL 32 (195516), S. 20.; Pinto, Juris-Classeur, Fasc. 217, No. 14; siehe zu Teilaspekten Mengel, Der entscheidungsrelevante Zeitpunkt für die völkerrechtliche Beurteilung von Streitigkeiten territorialer Souveränität, G YIL 24 (1981), S. 92; Rosenne. Law and Practice, Bd. 2, S. 509ff. 79 Vgl. Morelli, Perpetuatio jurisdictionis, Studi, S. 7'6.

1. Kap.: Jurisdiktionsbegründung und Verfahrenseinleitung

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Verfahrens zur Folge, daß die Instanz danach berufen ist, von der streitigen Sache Kenntnis zu nehmen und sich mit ihr im Rahmen der damit verbundenen Rechtschutzgesuche zu befassen. Damit bestimmt sich nach der Verfahrenseinleitung auch der Streitgegenstand. 80 " ... le depot de la requete n'est que la condition po ur que la clause de juridiction obligatoire produise effet al'egard de la demande qui fait fohjet de la requete".81

80 "La saisine est la prise de connaissance par la Cour d'une situation litigieuse dument introduite devant elle, en vue d'instruire et eventuellement de trancher la ou les demandes qui s'y rattachent". Abi-Saab, Exceptions, S. 49; Mani, Procedural- Aspects, S. 88 f; vgl. Fitzrnaurice, Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1 (14 f); Damit ist auch angesprochen der Zeitpunkt der Bestimmung des Streitgegenstandes. "On peut conclure que la saisine fixe I'objet du litige, sous reserves de modification ulterieures acceptees par les parties"; Pinto, Juris Classeur, Fasc. 217, No. 42. 81 Nottebohm, Preliminary Objection, Judgment, lCJ Rep. 1953, S. 111 (123). So verlangt Art. 40 (1) des Statuts, daß in dem verfahrenseinleitenden Schriftstück "l'objet du differend" / "subject ofthe dispute" bezeichnet werden müsse. Art. 38 (1) und Art. 39 (2) schreiben für den einseitigen Antrag vor, daß die "nature precise de la demande" / "the precise nature of the claim" spezifiziert werden soll. Dazu bereits Basdevant, Erklärung, lnterhandel, lCJ Rep. 1959, S. 6 (30 f); Aslaoui, Conclusions, S. 21 ff; Bos, Conditions du proces, S. 169 ff

5 Wegen

2. Kapitel

Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung I. Gründe und Wirkungen abstrakter Jurisdiktionsbeendigung 1. Beendigungsgründe

Die Beendigung der Jurisdiktion internationaler Instanzen wird ebenso vom materiellen allgemeinen Völkerrecht geregelt wie deren Begründung. 82 Es steht den Parteien frei, durch pactum subsequens Abstand von früheren Vereinbarungen oder Modifizierungen derselben vorzunehmen. 83 Dies wäre nur ausgeschlossen, wenn die Parteien sich schon von vornherein verpflichtet hätten, keine späteren Änderungs- oder Aufhebungsverträge zuzulassen. 84 Tatsächlich aber gibt es in der Völkerrechtspraxis wohl nur ein einziges Schiedsverfahren, in dessen zugrundeliegender Vereinbarung sich die Parteien zu einer "Unberührbarkeitsklausel" entschlossen hatten. Der Fall ist atypisch und stellt eine krasse Ausnahme dar. 85 Die Streitparteien hatten sich in gleichlautenden, separaten Schreiben an den Schiedsrichter verpflichtet, ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung nur noch über den Schiedsrichter (und nicht mehr direkt) zu verkehren: ,,- bien que dans un proces les parties demeurent toujours libres de se concilier, - ici les deux parties se voient refuser le droit de poursuivre des pourparlers entre elles, une fois l'arbitre saisi, comme un manquement a la parole donne par elles a l'arbitre" _.86 82 Vgl. Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 471, wo er dies mit Hinblick auf die Jurisdiktionsbegründung ausführt. Vgl. Joint Diss. Op. Sir Hersh Lauterpacht, Wellington Koo, Sir Percy Spender, Aerial Incident of27 July 1955 (Israel v. Bulgaria), Judgment, ICJ Rep. 1959, S. 127 (162), in der mit Blick auf Unterwerfungserklärungen ausgeführt ist: " ... an international obligation may cease to exist for reasons other than lapse of time; it may, for instance, terminate because of the fulfillment of its object, denunciation in a manner provided in the instrument, or its dissolution by mutual agreement". 83 Vgl. zum Derogationsproblem insgesamt Karl, Vertrag, S. 58 ff. insbes. S. 13 ff. und zur Theorie des "acte contraire" , S. 17 ff. 84 So zutreffend von Mangoldt, Projekt, S. 45; allg. Karl, Vertrag, S. 10 ff. 8S Affaire Mascate-Zanzibar / Affaire du portage des Etats de Seyid-Sai, de Lapradelle / Politis, Bd. 2, S. 76. 86 De Lapradelle / Politis, Bd. 2, S. 76. Diese Regelung wurde bei Lapradelle / Politis als ausgesprochen ungewöhnlich bezeichnet. Sie ist wohl zurückzuführen auf die politischen Besonderheiten der Beziehungen zwischen den (verwandten) Streitparteien. Es handelte sich weniger um Schiedssprechung eines Neutralen, als um die kaschierte Intervention einer interessierten (Kolonial-)Großmacht: dann sind natürlich kaum Absprachen zwischen den Streitparteien erwünscht, vgl. de Lapradelle / Politis, Bd. 2, S. 77. Ein pactum

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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Basiert die Jurisdiktion auf einem echten Komprorniß oder bi- bzw. multilateralen (Schieds-)Gerichts- bzw. Sachverträge mit kompromissarischer Klausel, so finden die allgemeinen völkerrechtlichen Vertragsregeln über die Beendigung von Verträgen Anwendung. Die Parteien können schlicht einen Vertrag schließen, der die Zuständigkeit des Gerichts beendet. 87 Hat ein ständiges, institutionelles oder isoliertes (Schieds-)Gericht durch ein echtes Komprorniß Jurisdiktion, so wird der Abschluß des Verfahrens durch den Spruch zugleich die Jurisdiktion beendigen. 88 Andererseits können U nterwerfungserklärungen nach Art. 36 (2) IGH Statut nur für eine bestimmte Zeit gelten 89 , oder auch auf unbestimmte Zeit mit Kündigungsvorbehalt und bestimmter Kündigungsfrist 90 , oder mit Kündigungsvorbehalt und sofortiger Wirkung einer Kündigung. 91 Denkbar ist auch, daß eine Unterwerfung aus de non negotiando ist dem Verfasser sonst nicht erkenntlich geworden. Ebenso konnte von Mangoldt keine Absprachen herausfinden, die ein Verbot der Klagerücknahme zum Gegenstand haben, dies aber wäre der parallele Fall auf der Prozeßrechtsebene; von Mangoldt, Projekt, S. 45. 87 Vgl. Artikel 54 ff. der Wiener Vertragsrechtskonvention, Uni ted Nations Conference on the Law Treaties, Off. Rec., Documents of the Conference, UN Doc. A/Conf. 39/11/ Add. 2 (1971), S. 287; Offiziöser deutscher Text, wie in Österreich zur Ratifikation benutzt, in Sartorius Band H, Internationale Verträge -Europarecht, Nr. 320. Damit liegt der Schwerpunkt auf einer Regelung durch die Parteien. Insbesondere aber sind bei Schieds- oder Sachverträgen mit kompromissarischer Klausel Beendigung durch Fristablauf, durch Erfüllung, durch zulässige Kündigung oder durch schlicht späteren Vertrag denkbar, siehe die von Karl gebildeten Fallgruppen, Karl, Vertrag, S. 47 ff. Zur Kündigung einer Schiedsklausel ohne Kündigungsklausel siehe zuletzt Fisheries Jurisdiction, Jurisdiction of the Court, Judgment (UK v. Iceland) (Federal Republic of Germany v. Iceland), ICJ Rep. 1973, S. 3 (14 ff.) und S. 49 (59 ff.). 88 Siehe Witenberg, Organisationjudiciaire, S. 351:"dessaisissement'·, Wl:i1 Jurisdiktion und Anhängigkeit hier parallel laufen. Etwas anderes ist nur denkbar, wenn noch die Interpretation oder Revision des Spruches im Kompromiß ausdrücklich vorgesehen ist. Vgl. dazu die Beispielfälle bei Witenberg, ibid. Siehe allgemein dazu More/li, La sentenza internazionale (1931); Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 166 ff. 89 So Art. 36 (3) IGH Statut. 90 Ungeklärt ist, wie eine Kündigung der Unterwerfung ohne entsprechenden Vorbehalt behandelt werden sollte. Farmanfarma, The Declarations of the Members accepting the Compulsory Jurisdiction ofthe International Court of Justice (1952), S. 79 ff.; Fachiri, Repudiation ofthe Optional Clause, BYlL 20 (1939), S. 52. Vgl. aber Rosenne, Lawand Practice, Bd. 1, S. 415 ff. mit Hinweisen zum Fall Paraguay 1938, sowie Shihata, Power, S. 166 ff., insbesondere S. 167 mit Fn. 1. 91 Es ist noch nicht endgültig geklärt, ob solche Vorbehalte vereinbar sind mit Art. 36 (3) Statut; Delbez, Contentieux International, S. 74 ff.; Briggs, Reservations to the Acceptance of Compulsory Jurisdiction of the International Court of Justice, RdC 93 (1958 I), S. 229 (278); Maus, Les reserves dans les declaration d'acceptation de la juridiction obligatoire dela Cour internationale de Justice (1958), S. 78 ff. Allerdings wird trotz Bedenken ein solcher Vorbehalt überwiegend für zulässig gehalten, vgl. Waldock, The Decline ofthe Optional Clause, BYlL 32 (1955-1956), S. 244 (265); Shihata, Power, S. 164 ff., ebenfalls mit einer Darstellung der Praxis von Vorbehalten; vgl. Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 417 ff. S*

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

anderen Gründen als durch Kündigung oder Beendigung gegenstandslos wird;92 ähnliche Konstellationen können sich auch bei Schieds- oder Sachverträgen ergeben. 93

2. Wirkungen Sind keinerlei Verfahren zum Zeitpunkt der Beendigung der Jurisdiktion aufgrund des fraglichen Jurisdiktionstitels anhängig, dann entfällt die Gerichtsbarkeit der internationalen Instanz ohne weiteres. Dies geschieht, um präziser zu sein, mit Wirkung für die Zukunft, denn für die Dauer des lurisdiktionsinstrumentes war die Gerichtsbarkeit gegeben. 94 Dies ist zwar offensichtlich, jedoch wurde in einem Fall vor dem StlGH eine Unterwerfungserklärung als alternative Jurisdiktionsgrundlage zunächst herangezogen, obwohl diese einige Tage vor der Klageerhebung automatisch außer Kraft getreten war, was unstreitig war. 95 Allerdings hob der klägerische Staat dann in den Schlußanträgen gesondert hervor, daß er die Unterwerfungserklärung des beklagten Staates nicht mehr zur 92 So im Aerial lncident of27 July 1955 (Israel v. Bulgaria), Judgment, ICJ Rep. 1959, S. 127: hierbei ging es um spezielle Fragen der Weitergeltung von Unterwerfungserklärungen bezüglich des StIGH gemäß Art. 36 (5) lGH Statut, wenn der betroffene Staat erst nach Außerkrafttreten der Unterwerfung dem Statut des neuen Hofes beitrat. Vgl. auch TempleofPreah Vihar, PreliminaryObjections, Judgment, ICJ Rep.1961, S.17: Frage der Unterwerfungserklärungen bezüglich des StIGH und des späteren IGH und deren Wirkungen gern Art. 36 (2)-(4) und Art. 36 (5) IGH-Statut. Dazu kritisch Rosenne. Law and Practice, Bd. 1, S. 502 Fn. 2, wo er die Annahme eines solchen "lapse of title" für potentiell gefährlich hält. 93 South-West Africa, Preliminary Objections, Judgment, ICJ Rep. 1962, S. 319: Frage der Weitergeltung des Mandats aus der Völkerbundzeit unter Art. 37 Statut; Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, Judgment, ICJ Rep. 1964, S. 6: Frage der Jurisdiktionsbeendigung durch Erschöpfung der Mechanismen eines Freundschaftsvertrages aufgrund Klagerücknahme; Frage der Anwendbarkeit des Art. 37 IHG Statut auf einen Vorkriegsfreundschaftsvertrag mit einer Partei, die dem Statut des IGH erst 1955 beitrat. Hierher gehört auch die Frage, ob die Genfer Generalakte von 1928 z.B. durch desuetudo obsolet geworden sein kann. Diese Frage war in mehreren Verfahren vor dem IGH virulent, allerdings hat der IGH nicht dazu Stellung nehmen müssen, siehe hierzu zuletzt Merril/s. lCJ and General Act, Camb. L.J. 1980, S. 137, mit Besprechung der einschlägigen Entscheidungen. 94 Rosenne. Law and Practice, Bd. 1, S. 502. Der Hofhat dies einmal knapp subsumiert: "Of course Artic1e 19 of the Agreement which provided for the jurisdiction of the Court in the cases which it covered, was terminated with all other Artic1es ofthe Agreement, so that after June 1, 1961 it could not be invoked as a basis for the Court's jurisdiction. The Application in the instant case was filed before 1 June 1961 ... " Northem Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15 (35). 95 Pajzs, Csaaky, Esterhazy, Order of 23 May 1936, PCIJ, Series A, B, No 66, S. 4 (5), und Series C, No 79, S. 188; vgl. aber Wengier. der zutreffend meint, eine Unterwerfungserklärung könnte auch eine zeitliche Unterwerfung unter die Jurisdiktion derart bedeuten, daß diese für alle während der Laufzeit der Unterwerfung entstehenden Streitigkeiten gelten soll, auch wenn die Klage erst später -nach Außerkrafttreten der Unterwerfungeingereicht wird: Wengier. Lehrbuch, Bd. 1, S. 234 Fn. 5.

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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Jurisdiktionsbegründung heranziehe. Der Hof nahm dies in den Tenor seiner Entscheidung auf. 96 Einmal wurde der Einleitung eines Schiedsverfahrens widersprochen mit der Begründung, dies sei nach Außerkrafttreten des Schiedsvertrages geschehen, weil sich der Beginn der Laufzeit des Schiedsvertrages, hier zehn Jahre, nach dessen Unterzeichung und nicht dem Austausch der Ratifikationsurkunden richte. Die völkervertragsrechtliche Frage der Geltungsdauer eines Vertrages kann also Anlaß zu einem Streit über die Rechtzeitigkeit der Einleitung des Schiedsbegehrens geben. 97 Damit werden Fragen des Vertragsrechts berührt. Besondere Probleme ergeben sich also nur, wenn ein Verfahren bereits eingeleitet wurde und der Jurisdiktionstitel danach entfällt. Fraglich ist dann, was mit der konkret begründeten Zuständigkeit für einen Streitfall passiert, wenn der Jurisdiktionstitel, auf dem die konkrete Zuständigkeit beruht, außer Kraft tritt. Zunächst können die Parteien im Instrument selbst Vorsorge getroffen haben. Wenn dies nicht im Vorwege durch die Parteien geregelt wurde, ist nach den allgemeinen Prinzipien zu fragen, die angewendet werden können. a. Ausdrückliche Regelungen ( 1) Vertragliche Regelung zur Verfahrensbeendigung

In (Schieds-)Gerichts- und Freundschaftsverträgen wird häufig ausdrücklich der Fall geregelt, daß die Verträge durch Kündigung oder Zeitablauf außer Kraft treten und noch Streitbeilegungsverfahren anhängig sind. Allein in der Zeit von 1928 bis 1948 wurden 102 Verträge geschlossen, die eine entsprechende Re~elung enthielten. 98 96 Pajzs, Csaaky, Esterhazy, Judgment, PCIJ, Series AlB, No. 68, S. 30 (65). Die Unterwerfungserklärung trat außer Kraft kurz bevor die Klageschrift fertig wurde. Vgl. Nottebohm, Preliminary Objection, ICJ Rep. 1953, S. 111 (121). Der umgekehrte Fall gilt nicht ohne weiteres, daß nämlich die Einreichung vor dem Inkrafttreten eines jurisdiktionsbegründenden Instruments die Klage hinfallig macht; darauf hat Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 503 zurecht hingewiesen. Denn es wäre formalistisch, eine Klage deshalb abzuweisen, wenn eine erneute Klageerhebung nach Inkrafttreten des Titels, z.B. durch Ratifikation, mit Sicherheit zu erwarten war, vielleicht nur Tage später. Certain German Interests in Polish Upper Silesia, Jurisdiction, Judgment Nr. 6,1925, PCIJ, Series A, No. 6, S. 11. Im übrigen wäre es in einem solchen Falle nicht möglich, von einem Prinzip des forum prorogatum im zwischenstaatlichen Prozeß zu sprechen; vgl. Cocatre-Zilgien, Justice internationale, RGDIP 60 (1976), S. 689 (706). 97 Nicaragua-Honduras Boundary Dispute, Schiedsspruch vom 23.12.1906: siehe die ausführliche Darstellung bei Carlston, Process, S. 66fT.; vgl. Arbitral Award Made by the King of Spain on 23 December 1906, Judgment, ICJ Rep. 1960, S. 192. Vgl. zu der Sachfrage bereits Opinion von J. B. Moore als Vertreter Honduras' in dem Schlichtungsverfahren vor dem USamerikanischen Außenminister, Collcted Papers of John Bassett Moore, Bd. 5, S. 118fT. 98 Systematic Survey, 1948, S. 302fT. Diese Praxis kann auch für die darauffolgenden Jahre berichtet werden. Siehe z. B. die Freundschafts- und (Schieds-)Gerichtsverträge Italiens mit Libanon (15. 2.1949 -155 British and Foreign State Papers 1949, Teil III,

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Zumeist wird vereinbart, daß, unabhängig von einer Kündigung, alle zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des Vertrages anhängigen Verfahren ordnungsgemäß beendet werden. 99 Des öfteren wird präzisiert, daß die Verfahren in Übereinstimmung mit den Regeln des vorliegenden (außerkrafttretenden) Vertrages ordnungsgemäß abgeschlossen werden sollen. 100 Besonders instruktiv ist der deutsch-luxemburgische Schiedsvertrag vom 11.9.1929, der bestimmt, daß, wenn zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des Vertrages noch Verfahren anhängig sind, der Vertrag für den betreffenden Streitfall in Kraft bleibt, bis dieser endgültig beigelegt ist. 101 Die Rechtsprechung des Weltgerichtshofes verzeichnet zwei Fälle, in denen ein Schiedsvertrag als alternative Jurisdiktionsbasis herangezogen wurde, der daraufhin gekündigt wurde. Im Elektrizitätsgesellschaft von Sofia-Fall hatte der beklagte Staat den bilateralen Schiedsvertrag termingerecht gekündigt. Erst danach, aber vor dessen Außerkrafttreten, wurde Klage erhoben. Der StIGH ließ ausreichen, daß die Klage vor dem tatsächlichen Außerkrafttreten des Vertrages erhoben wurde. 102 In den Atomtest-Fällen stützten die klägerischen Staaten ihre Verfahren auf Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 (2) IGH Statut und alternativ auf die Genfer Generalakte von 1928. 103 Unter Wahrung ihrer Rechtsposition, daß die Genfer Generalakte durch desuetudo obsolet geworden sei, kündigte das beklagte Frankreich mit Schreiben vom 10. Januar 1974 die Akte gemäß dessen Art. 45 (3).1114 Der Hof brauchte der Frage des Einflusses der Kündigung nicht nachzugehen, weil nach seiner Ansicht die Anträge schon an einem "pre-preliminary" Prüfungspunkt scheiterten. Die gewichtige Gemeinsame Dissenting Opinion der S. 707), mit Türkei (24. 3. 1959 - Unts 96, S.207) und mit Brasilien (24. 11. 1954 UNTS 284, S. 325). Siehe auch die von der Schweiz Mitte der 60er Jahre abgeschlossenen acht bilateralen Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverträge, ZaöRV 26 (1966), S. 732, (insbes. 745). Dazu Münch, Die schweizerische Initiative zu zweiseitigen Abmachungen über die friedliche Beilegung von Streitigkeiten, ZaöRV 26 (1966), S. 705, und die Botschaft des Bundesrates, a.a.O., S. 723 ff. 99 Vgl. die Beispiele, Systematic Survey, 1948, S. 302/2: I,lI,IV,XV 100 Vgl. Systematic Survey, 1948, S. 306: III,VI,VlI,IX,X,XI,XlI,XIII,XIV. 101 Art. 23 (3); RGBI. 1931 1I, S. 83; LNTS 118, S. 97 = Systematic Survey, 1948, S. 655 (660), S. 306, V. 102 Electricity Company of Sofia and Bulgaria, Judgment, PCIJ, Series AlB, No. 77, S. 64. Der Vertrag enthielt eine ausdrückliche Klausel, wie in Fn. 98 angesprochen. Allerdings entschied der Hof aus anderen Gründen, daß der Vertrag keine wirksame Jurisdiktionsgrundlage bot, er konnte sich aber aufUnterwerfungserklärungen nach Art. 36 (2) StIGH Statut stützen. 103 Für den Text vgl. z.B. Berber, Dokumente, Bd, 2, S. 1734. 104 Siehe P. Lellouche, The Nuclear Tests Cases: Judicial Silence v. Atomic Blasts, Harv. Int'! LJ. 16 (1975), S. 614 (628f.). In den Jahren 1973 und 1974 "kündigten" "vorsorglich" ebenfalls Großbritannien und Indien die Genfer Generalakte. Ibid. Zu dem Problem von deren Weitergeltung siehe zusammenfassend l.G. Merrills, ICJ and General Act, Camb. LJ. 39 (1980), S. 137.

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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Richter Onyeama, Dillard, Jimenez de Arechaga und Sir Humphrey Waldock prüfte die Zuständigkeit des IGH aufgrund der Generalakte und bemerkte zur Kündigung durch Frankreich: "Under the settled jurisprudence of the Court, such a notification (of its denunciation) could not have any retroactive effect on jurisdiction conferred upon the Court earlier by filing of the Application; the Nottebohm case (Preliminary Objection, /.C.J. Reports 1953, at pp. 120-124)".105 Allerdings dürfte hier richtigerweise schon die Genfer Generalakte selbst Aufschluß geben, denn in deren Art. 45 (5) findet sich eine ausdrückliche Vorschrift dahin, daß auch bei einer Kündigung durch eine der Parteien, die an einem konkreten Streit beteiligt ist, "toutes les procedures engagees au moment de l'expiration du terme de l'Acte general continuerontjusqu'a leur achevement normal".I06 Allein der ad hoc-Richter Sir Garfield Barwick wies zutreffend auf die Regelung hin. Er bezog sich ferner auf den allgemeinen Grundsatz aus dem Nottebohm-Fall. l07 Als einzige Begrenzung des Kündigungsrechtes mit der Folge der Jurisdiktionsbeendigung "ex nunc" läßt sich daran denken, eine Kündigung als rechtsmißbräuchlich zu charakterisieren. l08 Allerdings kann die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts schwerlich als rechtsmißbräuchlich bezeichnet werden. Die Ausübung dieses Rechts liegt allein· im Ermessen der VertragsparteienH19, solange das Kündigungsrecht nicht ausdrücklich beschränkt ist. 110 Im übrigen mahnte Anzilotti zur Vorsicht bei der Argumentation mit Rechtsrnißbrauch im Verhältnis zur obligatorischen Gerichtsbarkeit. lll Als weitere Variante kommt vor, daß die Instanz für eine bestimmte Zeit konstituiert und ausdrücklich geregelt wird, daß nach Ablauf dieser Periode noch alle anhängigen Verfahren abgewickelt werden. ll2 Auf der anderen Seite 105 Nuc1ear Tests (Australia v. France), Judgment, ICJ Rep. 1974, S. 253 (344 § 69). Im Parallelfall Neuseelands ist diese Stelle in Bezug genommen, a.a.O., S. 457 (509 1510). 106 Berber, Dokumente, Bd. 2, S. 1745. Die Dissenter brauchten auf die Parallele der Unterwerfungserklärung und deren Schicksal nicht mehr ausdrücklich einzugehen, weil eine Jurisdiktionsbasis nach ihrer Meinung ausreichte. De Castro in seiner Dissenting Opinion teilt in einer Fußnote gar nur mit, daß Frankreich den Akt nach Einleitung der Atomtest-Fälle gekündigt hatte; er ging auf etwaige Wirkungen überhaupt nicht ein, Nuc1ear Tests (Australia v. France), Judgment, ICJ Rep. 1974, S. 253, (382). 107 Diss. Op. Sir Garfield Barwiek, Nuclear Tests (Australia v. France), Judgment, ICJ Rep. 1974, S. 253 (403). lOS Dieses Argument wurde vorgebracht im Elektrizitätsgesellschaft von Sofia-Fall, aber nur von Anzilotti in seiner Dissenting Opinion gewürdigt; Electricity Company of Sofia and Bulgaria, Judgment, PCIJ, Series AlB, No. 77, S. 64 (98); vgl. Bin Cheng, General Principles, S. 119 f. 109 Diss. Op. Anzilotti, Elektrizitätsgesellschaft von Sofia, PCIJ, Series AlB, No. 77, S. 64 (98). 110 Dazu auch Art. 54 WVRK. 111 Diss. Op. Anzilotti, a.a.O., S. 98.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

ist denkbar, daß Parteien vorweg bereits in einem Vertrag bestimmen, daß etwa anhängige Verfahren mit Außerkrafttreten des Vertrages ebenfalls als beendet bzw. ersatzlos hinfällig anzusehen sind. Eine solche Vertragsklausel erscheint auch zulässig. 113 (2) Vertragliche Regelung: Keine neuen Verfahren ab Kündigung

Es sind einige Verträge zu berichten, die eine Regelung dahin enthalten, daß Verfahren nur vor der Kündigung des Vertrages eingeleitet werden können, auch wenn diese erst mit Ablauf eines Jahres wirksam wird. 114 Diese Verträge enthalten eine obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit, wie in vielen LuftfahrtAbkommen üblich. Die kompromissarische Klausel wird unter den Vorbehalt der - klassischen - ICAO-Kündigungsregel gestellt, daß nämlich jeder Vertragsteiljederzeit mit der Wirkung des Außerkrafttretens des Vertrages nach 12 Monaten kündigen kann. Der Klausel vorangestellt wird "Sans prejudice de l'artic1e 17 (Kündigung - d. Verf.) ci-apn':s".l15 Diese Klausel wurde nicht nur zweimal, sondern wohl neunmal verwendet, und zwar nur durch drei Staaten, von denen zwei diese Praxis bereits wieder aufgegeben haben. Der letzte solche Vertrag stammt von 1970.116

112 So die Satzung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland, Hallier, Materialien, S. 276, Art. 1 (1): Zehn Jahre, Art. 1 (3): "Nach Ablauf dieses Zeitabschnittes führt die Komission ihre Amtsgeschäfte weiter, bis alle bei ihr zu diesem Zeitpunkt anhängigen Fälle erledigt sind". Praktisch alle Gemischten Kommissionen und Gemischten Schiedsgerichtshöfe zur Abwicklung einer Vielzahl von Fällen aus einem konkreten historischen Sachverhalt im Rahmen des diplomatischen Schutzes waren in ihrem Wirkungsbereich zeitlich begrenzt, vgl. nur die Hinweise bei Hallier, Schiedsinstanzen, S. 53 ff. 113 Eine solche Möglichkeit deutet Bos, Conditions du proces, S. 260, an. Nottebohm, Preliminary Objection, Judgment, ICJ Rep. 1913, S. 111 (121) sagt dies in einem dictum. 114 Auf zwei dieser Verträge und die darin liegenden Implikationen hat von Mangoldt hingewiesen, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 53 Fn. 211. l1S Art. 15 des schweizerisch-ägyptischen Luftverkehrsabkommens vom 14.7.1960, UNTS 497, S. 161.; Art. 17 des französisch-irakischen Luftverkehrsabkommens vom 19.5.1966, Journal Officiel (Frankreich) 1967, S. 3286. Eine Un-initiierte nichtamtliche Übersetzung im Englischen lautet: "Subject to article 17 hereunder", UNTS 497, S. 161. 116 (1) Ägypten hat in der Zeit von 1950 bis 1960 sechs Luftverkehrsabkommen mit einem solchen Kündigungsvorbehalt geschlossen: mit Norwegen, 11.3.1950, UNTS 95, 157 (=Survey, S. 366); Dänemark, 14.3.1950, UNTS 95,197 (=Survey, S. 367); Frankreich, 6.8.1950, UNTS 127, S. 293 (= Survey, S. 373); Jordanien, 2.1.1950, UNTS 192, 157 (= Survey, S. 380); Yugoslawien, 20.2.1955, UNTS 255, S. 199 (=Survey, S. 402); Schweiz, 14.7.1960, UNTS 497, S. 161. Allerdings ist kein Luftverkehrsabkommen Ägyptens seit 1960 ersichtlich, in welchem diese Formel verwendet worden ist. Vielmehr wurde die ICAO-übliche Kündigungsformel verwendet, und überwiegend der übliche Streitbeilegungsmechanismus; siehe die Verträge

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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Nun hat es die Rechtsprechung des Weltgerichtshofes für ohne weiteres zulässig erachtet, daß ein Verfahren anhängig gemacht wird, nachdem der zugrunde liegende Schiedsvertrag gekündigt war, und bevor er außer Kraft trat. ll7 Allerdings enthielt der Schiedsvertrag in dem Elektrizitätsgesellschaft von Sofia-Fall eine ausdrückliche Regelung in Art. 37 (4), die von dem hier in Frage stehenden Kündigungsvorbehalt ganz entscheidend abweicht: "Nonobstant la denonciation par l'une des Parties contractantes, les procedures engagees au moment de l'expiration du terme du traite continueront jusqu'a leur achevement normal".u s Das Gericht bejahte die Möglichkeit der Klagerhebung nach Kündigung, weil der Vertrag klar unterschied zwischen der Kündigung und dem Außerkraftreten des Vertrages, ab dessen Zeitpunkt anhängige Verfahren (z.Zt. des Außerkrafttretens) nicht mehr berührt werden konnten. Im Falle der Luftverkehrsabkommenjedoch wurde der gesamte Streitbeilegungsmechanismus unter den Vorbehalt des Kündigungrechts gebracht, also nicht erst zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens anhängige Verfahren unberührt gelassen. Vielmehr sollte Zweck der Regelung sein, "daß bereits die wirksame Kündigung des Abkommens die Durchführung der kompromissarischen Klausel hindert". 119 Fraglich wäre aber noch, ob ein solcher Kündigungsvorbehalt die Regelung beinhaltet, daß nach erfolgter Kündigung und mit Ablauf des Vertrages jegliche mit Marokko, 19.5.1960, UNTS 563, S. 121; Japan, 10.5.1962, UNTS 498, S. 69; USA, 5.5.1964, UNTS 531, S. 229; Philippinen, 17.11.1970, UNTS 819, S. 223. (2) Der Staat Syrien hat anscheinend nur ein einziges Mal die "ägyptische" Formel in einern Luftverkehrsabkommen mit dem Vereinigten Königreich im Jahre 1954 verwendet: Vereinigtes Königreich/Syrien, 30.1.1954, UNTS 449, S. 47 (= Survey, S. 400). Allerdings scheint sich diese Praxis nicht eingebürgert zu haben, denn spätere Abkommen sind ohne diesen Vorbehalt geschlossen worden. Zypern/Syrien, 22.12.1964, UNTS 602, S. 25; Jugoslawien/Syrien, 17.7.1966, UNTS 708, S. 23. (3) Der dritte Staat schließlich, Irak, hatte noch 1961 keinen entsprechenden Vorbehalt in einern Abkommen vereinbart: vgl. Luxemburg/Irak, 14.3.1961, UNTS 866, S. 219. Allerdings tauchte dieser in einern Luftverkehrsabkommen 1966 auf, von dem von Mangoldt berichtete, Frankreich/Irak, 19.5.1966, Journal Officie1 (Frankreich), 1967, S. 3286, und dann wieder im Jahre 1970 Österreich/Irak, 21.11.1970, UNTS 819, S. 255. Dort heißt es im deutschen Text des Art. XIII: "Ohne Beeinträchtigung des Artikels XIV (Kündigung) ... " . 117 Electricity Company ofSofia and Bulgaria, Judgrnent, 1939, PCIl Series A/B, No. 77, S. 64 (80). Der StIGH hat diese Problematik nicht vertieft. 118 Ibid. vgl. Systematic Survey, 1948, S. 903 (911). Damit kann der entsprechende Art. 45 (5) der Genfer Generalakte gleichgestellt werden, der eine identische Klausel enthält; diese wurde in der Gemeinsamen Dissenting Opinion und der des Richters ad hoc in den Atomtestfällen angezogen. 119 So richtig von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 53 Fn. 211. von Mangoldt wertet diese Auslegung als Möglichkeit, die Verpflichtung zur Streitbeilegung zu begrenzengerade für Staaten, die einer solchen eher ablehnend gegenüber stehen. Sinnvoll wirkt diese Regelung einer Verfahrenseinleitung im letzten Moment bei Streitigkeiten entgegen, um derentwillen gerade der Vertrag gekündigt wird - um der Streitbeilegung zu entgehen.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Jurisdiktion, auch mit Wirkung für anhängige Verfahren, beendet wird. 120 Dem wird man entgegenhalten können, daß nach dem Wortlaut der Klausel, und gerade im Gegensatz zu den üblichen perpetuatio-Klauseln, der gesamte Prozeß der Aktivierung der Streitbeilegung - und nicht nur bereits anhängige Verfahren - unter den Vorbehalt der Kündigung gestellt wird. Damit aber wird ein "Aktionsverbot" ab dem Zeitpunkt der Kündigung ausgesprochen, soweit es die Streitbeilegung betrifft. 121 Im Völkervertragsrecht können für trennbare Vertragsklauseln durchaus unterschiedliche Sonderbestimmungen hinsichtlich Kündigung, Beendigung und Suspension getroffen werden. 122 Die kompromissarische Klausel wird auch als trennbarer Vertragsbestandteil, als "unabhängige Klausel von besonderem Charakter" verstanden. 123 Damit aber steht es den Staaten frei zu vereinbaren, daß der Streitbeilegungsmechanismus nicht mehr in Gang gesetzt werden kann, nachdem einer der Beteiligten den Gesamtvertrag gekündigt hat. 124 Andererseits kann ebenso vereinbart werden, daß die Kündigung auf alle Verpflichtungen aus dem Vertrage, die vor dessen Außerkrafttreten entstehen, keinen Einfluß hat. So bestimmt Artikel 65 (2) EuMRK hinsichtlich der in Absatz 1 enthaltenen sechsmonatigen Kündigungsfrist, daß diese nicht bewirkt, daß der betreffende Hohe Vertragsschließende Teil in Bezug auf irgendeine Handlung, welche eine Verletzung seiner vertraglichen Verpflichtungen darstellen könnte, und von dem Hohen Vertragsschließenden Teil vor seinem rechtswirksamen Ausscheiden vorgenommen wurde, von seinen Verpflichtungen nach dieser Konvention befreit wird. 12s

120 Der schlichte Verweis von von Mangoldt, ibid., auf die perpetuatio fori-Prinzipien, wie ausgedrückt in der Rechtssprechung des (St)IGH, erscheint in sich nicht tragend, da die Fälle vor dem Weltgerichtshof stets Verträge mit ausdrücklicher Regelung der perpetuatio jurisdictionis zum Gegenstand hatten. 121 Diese Problematik hat Rosenne nicht gesehen; Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S.471. 122 Vgl. Art. 44 (1),54 und 57 WVRK. 123 Balasco, Causes de nullite, S. 107. 124 Als Frage bliebe lediglich, ob die Klausel für die Entscheidung über die Wirksamkeit gerade dieser Kündigung herangezogen werden kann; oder ob U.U. diese Formulierung gerade den Streit über die Kündigung aus dem Bereich der kompromissarischen Klausel herausnimmt. Hier wird wohl mit der Figur des autonomen Charakters, oder der "separabilite de la clause compromissoire" argumentiert werden können, die besonders in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit diskutiert wird. Vgl. Francescarts, Le principe jurisprudentiel de l'autonomie de l'accord compromissoire, Rev. de l'Arbitrage 1974, S. 67 ff. Zutreffend bezeichnet Balasco, Causes de nullite, S. 107, die Klausel als integralen Bestandteil des Gesamtvertrages, jedoch mit Sonderstatus bei Streit um die Beendigung des Vertrages. Dafür sei die Klausel gerade vorgesehen. 125 Zu den sehr weitreichenden Formulierungen der Menschenrechtskommision in der Interpretation dieser Vorschrift im Falle Griechenlands die Teilentscheidung vom 26.5.1970, ECHRY 13 (1979), S. 108 (120).

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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(3) Vertragliche Regelung: Frist / Termin bedeutet Ende jeglicher Verfahren

Es gibt einige Verträge, die eine ausdrückliche Regelung der Jurisdiktionsbeendigung beinhalten. Auf diese Praxis nahm Guatemala vor dem IGH Bezug, um eine generelle Regel. zu behaupten, daß mit Außerkrafttreten eines jurisdiktionbegründenden Instrumentes jegliche - auch anhängige - Verfahren beendet werden. 126 Vor allem in der älteren Vertragspraxis von Schiedskomrnissionen, die über eine Vielzahl privater Ansprüche zu entscheiden hatten, waren oft Klauseln zu finden, die ganz klar definierte Fristen vorsahen, innerhalb derer die Schiedsinstanzen die Verfahren einschließlich Urteil abgewickelt haben mußten 127 • In manchen Fällen wurden schlicht Enddaten im Schiedsvertrag aufgenommen 128 und zugleich eine Verlängerung bei Krankheit der Richter u.ä. 129 oder eine Verlängerungsmöglichkeit allgemein zugelassen. 130 Diese Bestimmungen wurden getroffen, um eine zügige Arbeit in der jeweiligen Schiedsinstanz zu garantieren. In all diesen Fällen sollte bei Zeitablauf die Jurisdiktion beendet und eine Weiterbefassung der Instanz mit anhängigen Fällen unzulässig sein. 131 Dies wird in der Staatenpraxis bestätigt. 132 Es gibt eine Reihe von Verträgen, die 126 Letter ofthe Minister ofForeign AfTairs ofGuatemala, Nottebohm, ICJ Pleadings 1957, S. 162 (165). 127 Vgl. hierzu insgesamt Witenberg, Organisationjudiciaire, S. 284. Bei Verträgen über einen einzelnen Streitfall wurde eher formuliert, daß die Kommission in der Frist entscheiden sollte, "sofern möglich"; vgl. USA/Venezuela vom 19.1.1892 (Venezuelan Steam), Lafontaine, Pasicrisie, S. 420; USA/Paraguay vom 4.2.1859 (Navigation Company), Lafontaine, Pasicrisie, S. 37. Siehe die Verträge in der Mexikanisch-Französisehen Claims Commission zwischen 1924-1930, wo sich Mexiko weigerte, seinen Richter an weiteren Sitzungen teilnehmen zu lassen, weil der Vertrag beendet war; Carlston, Process, S. 46 ff. und Feiler, Commissions, S. 423 fT. mit den Konventionstexten. 128 USA/Venezuela vom 26.12.1885, Art. 20, Lafontaine, Paricrisie, S. 61; USA/Peru vom 4.12.1868, LaJontaine, Pasicrisie, S. 81; USA/Mexico vom 4.7.1868, Art. III, Lafontaine, a.a.O., S. 72. 129 Siehe die chilenischen Verträge mit Frankreich vom 19.10.1894, Art. VII, Lafontaine, Pasicrisie, S. 481; mit Großbritannien vom 26.9.1893, Art. VI, Lafontaine, a.a.O., S. 452; mit USA vom 7.8.1892, Art. VIII, Lafontaine, a.a.O., S. 475. 130 USA/Mexico General Claims Commission, Vertrag vom 8.9.1923, Artt. VI, VII, in F"lIer, Commissions, S. 326/7; dies gilt nicht für die Verträge Mexikos mit anderen Staaten wie Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien, vgl. Feiler, Lommissions, S. 418, 448, 474, 508 und 524, sowie die USA/Mexico Special Claims Commission, Vertrag vom 10.9.1923, Feiler, a.a.O., S. 391. 131 Witenberg, Organisation judiciaire, S. 287; vgl. die Fälle bei Witenberg, a.a.O., S. 288, Fn. 1 und Balasco, Causes de nullite, S. 107. Merignhac, Traite, S. 279: absolute Nichtigkeit eines Spruches. 132 "An obvious limitation upon the competence of the tribunal is the duration of its life. The compromis may require that the tribunal complete its work by a given date, after which it is not competent to act"; Arbitral Procedure, Memorandum Prepared by the Secretariat, 21.11.1950, ILCY 1950 H, S. 157, 167, S. 53.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

vorsehen, daß bei Zeitablauf die nationalen Vertreter in solchen Instanzen sich nicht mit noch anhängigen Fällen weiter befassen dürfen, der Obmann jedoch die Fälle noch entscheiden darf, die ihm beim Außerkrafttreten bereits unterbreitet waren. 133 Einige Verträge schränkten die "perpetuatio jurisdictionis" zeitlich derart ein, daß der Obmann in noch anhängigen Fällen innerhalb von sechzig Tagen 134 oder gar dreißig Tagen 135 nach Fristablauffür die Arbeit der nationalen Richter seine Entscheidung zu fällen hatte, sollte er die anhängigen Fälle noch in zulässiger Weise durch Spruch beenden wollen. Damit erweist sich, daß die Parteien durch Vereinbarung der Schiedsinstanz schon vorweg die Jurisdiktion insgesamt entziehen können. 136

Hallier kommt hinsichtlich des Klagerechts des Einzelnen vor internationalen Schiedsinstanzen zu dem Schluß, daß die Staatenpraxis eine Aufhebung der Instanzen ohne weiteres zulasse und sich das Prinzip der perpetuatio fori in diesem besonderen Bereich de lege lata nicht durchgesetzt habe. 137 In diesem speziellen Fall hingegen wird man eher von einer "abgeleiteten perpetuatio fori" sprechen können. Nur die zwischenstaatlichen Vereinbarungen begründen ein Klagrecht des Einzelnen. Über dies Klagrecht können die Staaten disponieren wie über die materiellen Ansprüche selbst. Damit aber kann ein perpetuatio foriPrinzip zugunsten des Individuums innerhalb des Verfahrens wirken, nicht jedoch gegenüber den Staaten als Beschränkung ihres Handelns. 138 Die zuvor geschilderte Praxis bezog sich durchweg auf quasi-ständige Gerichte, also Instanzen, die ad hoc für bereits entstandene Streitkomplexe zuständig waren. 139

133 USA/Peru, Vertrag vom 12.1.1863 (Gemischte Kommission von Lima), Art. VIII, Lafontaine, Pasicrisie, S. 44; Großbritannien/Nicaragua, Vertrag vom 1.11.1895, Art. VI, Lafontaine, a.a.O., S. 517. Dies betrifft Schiedsinstanzen, bei denen dem Obmann Streitigkeiten vorgelegt werden, wenn sich die nationalen Richter nicht einigen können. 134 USA/Ecuador, Vertrag vom 25.11.1962, Art. IV, Lafontaine, Pasicrisie, S. 40. 135 USA/Costa Rica, Vertrag vom 2.7.1860, Art. V, Lafontaine, Pasicrisie, S. 39. 136 Witenberg, Organisationjudiciaire, S. 287/8, berichtet dann von den Folgen solcher Verträge. Es ist oft vorgekommen, daß tatsächlich die Schiedsinstanzen nicht alle Fälle hatte erledigen können. Manchmal hatten sich die beteiligten Staaten auf eine Verlängerung des Schiedsvertrages geeinigt. Es ist aber ebenso häufig vorgekommen, daß Schiedsinstanzen ihre Arbeit hatten schlicht aufgeben müssen. Vgl. Feiler, Commissions, S. 34 f.; Statement of the observations of the Govemment of the Principality of Liechtenstein, mit dem auf die Einwendungen Guatemalas im Nottebohm-Fall hinsichtlich der Jurisdiktionsbeendigung geantwortet wurde, Nottebohm, ICJ Pleading (1955), S. 170 (176 f.). 137 Haitier, Schiedsinstanzen, S. 54. 138 Siehe hierzu insgesamt Haitier, a.a.O., S. 54. 139 Siehe insbesondere die Schilderung der Zeitprobleme in den Mexican Claims Commissions bei Feiler, Commissions, S. 56 fr und hinsichtlich Oberschlesien bei Kaeckenbeeck, Upper Silesia, S. 505 ff.

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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Insoweit lassen sich die dortigen Erfahrungen nicht ohne weiteres in einen Satz des Völkerrechts ummünzen, wie von Guatemala behauptet wurde. Die allgemeine Völkerrechtspraxis wird vielmehr in der unter (1) aufgeführten Vertragspraxis dokumentiert. (4) Bei Unterwerfungserklärungen: Vorbehalte

Die Frage der Regelung der Wirkungen der Jurisdiktionsbeendigung auf anhängige Verfahren stellt sich auch für Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 (2) IGH Statut. Keine Unterwerfung unter dem (St)IGH-Statut macht einen Vorbehalt, daß das Außerkrafttreten der Unterwerfung auch anhängige Verfahren umfassen soll. Demgemäß gibt es dazu keine Rechtsprechung. Hält man eine solche Regelung aber im Falle einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien für zulässig, dann steht ihrer Zulässigkeit als Reserve nach Art. 36 (3) Statut kaum etwas entgegen. Vielmehr hat der IGH selbst angedeutet, daß die perpetuatio fori-Prinzipien, die er selbst im Nottebohm-Fall entwickelt, unanwendbar wären, wenn der unterwerfende Staat eine entsprechende Reserve anbrächte: "Mais, ni dans cette declaration, ni d'une autre facon al'epoque de celle- ci, le Guatemala n'a fait connaitre que la limitation dans le temps qu'elle contient signifiait que l'echeance du terme fixe ferait perdre a la Cour competence pour traiter les affaires dont elle aurait ete anterieurement saisie" .140

Sicherlich würde ein solcher Vorbehalt eine weitgehende Einschränkung der Wirksamkeit der Unterwerfung bedeuten. Der Hof hatte einen weniger weitgehenden Vorbehalt im Durchgangsrechts-Fall zu beurteilen. Dort behielt sich Portugal vor, jederzeit eine oder bestimmte Klassen von Streitigkeiten aus der Unterwerfung durch Notifikation "and with effect from the moment ofsuch notification" auszunehmen. 141 Während Indien als Gegenpartei dieser Klausel Rückwirkung zusprechen wollte, sagte Portugal ausdrücklich, daß anhängige Verfahren nicht berührt werden sollten. 142 Auf dieser Basis charakterisierte, falls herangezogen, der Hof die Reserve als partielle Kündigung; diese unterläge dann derselben Regelung wie eine Gesamtkündigung. 143

Nottebohm, Preliminary Objection, Judgment, lCJ Rep. 1953, S. 111 (121). Right of Passage (Preliminary Objections), lCI Rep. 1957, S. 125 (141): Third Condition of the Dec1aration of Portugal. 142 Diese Auffassung vertrat Portugal auch außergerichtlich in einem Briefwechsel Schwedens und Portugals mit dem damaligen UN Generalsekretär Hammerskjöld. Schweden hatte die Unterwerfung auch mit dem - weiten - Effekt des Ausschlusses der perpetuatio jurisdictionis verstehen wollen. Siehe den Text bei Mabrouk, Exceptions, S. 59/60. 143 Right of Passage (Preliminary Objections), a.a.O., S. 143 f. 140

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Eine eindeutige Stellungnahme des Hofes läßt sich daraus nicht herleiten. 144 Nur der indische ad hoc-Richter Chagla diskutierte diese Frage in seiner Dissenting Opinion. Er wollte eine retroaktive wie auch eine nur für die Zukunft geltende Reserve als Verstoß gegen die obligatorische Gerichtsbarkeit gewertet sehen, weil letztere gerade durch solche partiellen Kündigungen ausgehöhlt würde. Hierbei argumentierte Chagla pauschal mit dem Lauterpacht'schen Sondervotum 14S zur "automatie reservation", daß dadurch nämlich das Minimum an Kompromiß zerstört werde, welches in der Fakultativklausel verkörpert sei. l46 Allerdings bemerkte Morelli zurecht, daß Art. 36 (2) die U nterwerfung selbst freistellt und daß Art. 36 (3) des IGH- Statuts es dem Staat erlaube, seine Unterwerfung zu befristen; dann stehe es ihm auch frei zu bestimmen, mit welcher Wirkung er seine Erklärung abgebe. 147 Demgegenüber betonen Fitzmaurice l48 und Rosenne, 149 daß der Hof wohl kaum so weit gehen und eine solche Einschränkung der Unterwerfung habe zulasssen wollen. Die Zulässigkeit einer solchen Reserve kann nur in Frage gestellt werden, wenn es schlagende Argumente mit der Gerichtsqualität des IGH und der Unvereinbarkeit einer solchen Klausel damit gäbe. Jedoch steht es den Staaten stets frei, übereinstimmend einem Gericht die Jurisdiktion zu entziehen. Anderes könnte gelten, wenn ausdrückliche Regelungen - ex ante oder post hoc - ersichtlich wären. Dann aber reduziert sich die Problematik auf die mit dem Connally-Amendment verbundene Diskussion um Vorbehalte, die die Unterwerfung für den konkreten Fall praktisch in das Belieben des sich formal unterwerfenden Staates stellen, die hier nicht vertieft werden kann. ISO

144 Der Hof hat es strikt vermieden, auf indische Argumente einzugehen, daß jede Rückwirkung unvereinbar sei mit der obligatorischen Gerichtsbarkeit des IGH unter Art. 36 Statut. 145 Certain Norwegian Loans, Judgment, ICJ Rep. 1957, S. 9 (64 f). Sep. Op. Lauterpacht. 146 Right of Passage (Preliminary Objections), ICJ Rep. 1957, S. 125 (168). 147 Morelli, Perpetuatio jurisdictionis, Studi, S. 78 (86/7). So auch zwanglos Bos, Conditions du proces, S. 260, der aber auch die das Obligatorium stark reduzierende Wirkung sieht. 148 Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S.l (18 Fn.l): " ... acceptance subject to a rider which enables the Court to be deprived of jurisdiction even after it had been seised of a case on the basis of this acceptance" - das sei ja überhaupt kein Obligatorium mehr. 149 Law and Practice, Bd. 1, S. 504. 150 Dazu Shihata, Power, S. 271 ff.; Gross, Bulgaria Invokes the Connally Amendment, AJIL 57 (1962), S. 357; Waldock, The Decline of the Optional Clause, BYIL 32 (1956), S. 244; Briggs, Reservations, RdC 93 (1958 I), S.229; Jennings, Recent Cases on "Automatic" Reservations to the Optional Clause, ICLQ. 7 (1958), S. 349; Hudson, The World Court: America's Declaration Accepting Jurisdiction, ABAJ 23 (1946), S. 832.

2. Kap.: Abstrakte Iurisdiktionsbeendigung

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b. Keine Regelungen (1) Automatische Beendigung des Verfahrens?

Nur selten ist konsequent vertreten worden, daß der lurisdiktionstitel nicht nur zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung, sondern auch während des gesamten Verfahrens bis hin zur Verkündigung der Entscheidung in Kraft sein muß. Dies wurde für echte Kompromisse und allgemeine Schiedsverträge sowie für kompromissarische Klauseln behauptet. 151 Begründet wird dies kaum. Es wird auf die Vertragspraxis verwiesen, die eben beweise, daß zur Vermeidung der Hinfälligkeit des konkreten Verfahrens aus allgemeinen Gründen besondere Vorkehrungen getroffen würden. 152 Hierbei werden überdies alle Beendigungsgründe gleichgestellt, egal ob neue "engagements, transactions ou accords intervenus entre les Etats contendants ou par expiration du deJai stipule".153 Das dürfte viel zu weit gehen. Sicherlich können die Parteien übereinstimmend einem Gericht die lurisdiktion entziehen, ausdrücklich oder U.U. in einer stillschweigenden Klausel. Dies gilt nicht ohne weiteres für bereits anhängig gemachte Verfahren, wenn der zugrunde liegende Vertrag erlischt. Das Goldschmidt-Projekt der späteren International Law Association von 1874 sah zwar eine Regelung vor, daß ein Schiedsspruch angefochten werden konnte, "si le compromis valablement condu s'est ensuite eteint" .154 Darüberhinaus will Balasco im Falle einer Schiedsordnung (Unechtes Komprorniß) dem Fall des Außerkrafttretens des lurisdiktionsinstrumentes alle Fälle der "Verhinderung" oder "Behinderung" der tatsächlichen Durchführung des Verfahrens gleichstellen, es sei denn, die Parteien hätten ausdrücklich den Fall der jeweiligen "Ver- / Behinderung" antizipiert und geregelt. 155 Die von Balasco aufgezählten Varianten sind danach zu differenzieren, ob eine faktische Beendigung des Verfahrens wie in Richter-bezogenen Umständen einer Nichtfortführung des Verfahrens, oder ob ein Fall der Erledigung der Aufgabe des (Schieds-)Gerichts, wie im Falle des Erlasses eines Urteils

151 Balasco, Causes de nullite, S. 107. Vor internationalen Instanzen ist dies nur einmal vorgebracht worden, doch ohne Erfolg, im Nottebohm-Fall durch Guatemala, deren Unterwerfungserklärung durch Zeitablauf erlosch: Brief des guatemaltekischen Außenministers an den IGH vom 9.9.1952, Nottebohm, ICI Pleadings (1955), S. 162 (165). 152 Balasco, Causes de nullite, S. 107. Das kehrt aber gerade die gängige Meinung um, daß eine einmal begründete Zuständigkeit auch für anhängige Verfahren nur durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien dem Gericht entzogen werden kann: vgl. nur Bos, Conditions du proces, S. 260. 153 Balasco, Causes de nullite, S. 107. 154 Rev. Droit Int'l Leg. Comp. 6(1874), S. 445. Vgl. auch die Nicaragua/Honduras Grenzstreitigkeiten, Carlston, Process, S. 66 f. 155 Dazu zählt er z.B. den Tod, den Rücktritt, die Verhinderung oder Geistesgestörtheit eines Richters, und schließlich als letzten Fall der Beendigung, das Urteil. Ibid.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

vorliegt. 156 Hinsichtlich der kompromissarischen Klausel vertritt Balasco die Ansicht, daß diese das rechtliche Schicksal des Gesamtvertrages teile. Dies gelte auch für die allgemeinen Gründe, die einen Vertrag anfechtbar machten (Irrtum, Täuschung, Drohung). Ausgenommen sei allein der Fall der einseitigen Kündigung / Suspension / Aufhebung des Gesamtvertrages, wenn es gerade darüber zum Streit komme. Dann nämlich finde gerade die kompromissarische Klausel Anwendung. 157 Diese vereinzelte, kaum begründete Meinung fand in der Staatenpraxis manche Zustimmung. So gab es bei der Diskussion der Draft Convention on Arbitral Procedure im Sixth Committee sehr starke Gegenstimmen zu einem strengen Obligatorium. So wurde der Vorrang des Parteiwillen auch während des Verfahrens betont: ,,(at) any time before or during the arbitral proceedings a party is at liberty to withdraw" .158 "The main innovation (des Konventionsentwurfes) was the restrietion ofthe scope of the will of the parties and, in particular, the abandonment of the idea that their will had to remain unchanged".159 Mit anderen Worten, so resümiert Bos diese Haltung, "a change in the will of the parties would henceforth be of no consequence, and that was why the Government was opposed to the Draft";I60 und dies nach einem von Scelle vorgelegten Bericht,161 der sogar Überlegungen zum ordre public international anstellte. 156 Hier hätte der Begriff des "desaisissement" eingeführt werden können, der Balasco aus dem französischen Prozeßrecht bekannt sein müßte. Auch die Völkerrechtspraxis ist sehr vorsichtig und spricht gegen eine pauschale Übernahme der These Balasco's. In dem Abgrenzungsstreitfall im Golf von Maine (USA und Kanada) haben die Parteien einen Vertrag geschlossen, in dem sie sich zur verbindlichen Streitbeilegung verpflichten; Treaty between the Government of Canada and the Government of the Uni ted States of America to Submit to Binding Dispute Settlement the Delimitation in the Gulf of Maine Area vom 29.3.1979, ILM 20 (1981), S. 1377. Gemäß dessen Artikel I ist der Streitfall inzwischen einer Kammer des IGH durch Komprorniß unterbreitet worden. Allerdings sieht der vorgenannte Vertrag in Art. 2 vor, daß bei nicht abredegemäßer Bildung der Kammer jede der Parteien den Komprorniß kündigen kann, woraufuin die Schiedsordnung zur U nterbreitung des Streits vor ein Schiedsgericht in Kraft tritt. Eine gleiche Regelung sieht Artikel 3 vor für den Fall, daß bei einer Vakanz in der Kammer in der Person eines Richters keine einer der beiden Parteien genehme Nachfolgeregelung getroffen wird. Es ist jeweils vereinbart, daß dann das Verfahren vor dem IGH durch gemeinsame Erklärung zu beenden ist: "The Parties shall jointly notify the International Court of Justice that the proceedings under the Special Agreement are discontinued". 157 Balasco, Causes de nullite, S. 107. 158 So berichtet Bos, ILC Draft in UNGA NedTIR-NILR 3 (1956), S. 234 (238). Vgl. von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 31 ff. 159 Vertreter Belgiens, 383. Treffen, 10.11.1953, Sixth Committee, A(C.6( SR. 383, §46. 160 Bos, ILC Draft in UNGA, NedTIR-NILR 3 (1956), S. 234 (238). 161 Arbitral Procedure, Rapport Georges Scelle, 21.3.1950, A(CN. 4(18, ILCY 1950 I (1958), S. 114 (130) § 53.

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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Mit der fast einhelligen Literatur 162 ergibt sich jedoch, daß bei Stillschweigen der vertraglichen Instrumente anhängige Verfahren nicht berührt werden. In der "cause ceh!bre" des Beagle Kanal- Schiedsverfahren wurde diese Position in Staatenpraxis durch Richterspruch bekräftigt. Aufgrund des Allgemeinen Schiedsvertrages vom 28.5.1902 163 wurde zur Beilegung des Beagle KanaIStreites eine Schiedsordnung ("Compromiso") am 22.7.1971 geschlossen. l64 Beide Instrumente enthielten keine Vorschriften über das Schicksal des anhängigen Verfahrens bei Kündigung. Tatsächlich kündigte Argentinien den Allgemeinen Schiedsvertrag von 1902 am 11.3.1972 mit Wirkung vom 22.9.1972. 165 Die Parteien und die englische Krone als Schiedsrichter waren sich einig, daß die Kündigung das bereits anhängige Verfahren bis zu dessen endgültiger Beilegung nicht mehr berühren konnte: " ... both Parties stated their understanding, which was shared by Our Government in the United Kingdom, that this would in no way affect the arbitration proceedings in the present case and that the Treaty and the Agreement for Arbitration (Compromiso) would continue in force with respect to those proceedings until their final conclusion ".166 (2) Perpetuatio fori: Rechtsprechung und Literatur (a) Begriff: perpetuatio jurisdictionis Der Begriff "perpetuatio fori" scheint im Völkerprozeßrecht anerkannt.I 67 Die Grundlagen der Geltung dieses Prinzips sind im nationalen und im internationalen Recht jedoch unterschiedlich. Dies sollte im Begriff selbst zum Ausdruck kommen. In vielen nationalen Systemen gibt es ein Prozeßrechtsprinzip "perpetuatio fori", welches besagt, daß eine nachträgliche Änderung der die

Dazu siehe unmittelbar im Anschluß unter (2). Brit. & Foreign State Papers, Bd, 95, S. 759 = Wetter, Arbitral Process, Bd. 1, S.285. 164 ILM 10 (1971), S. 1182. 165 Erklärung der englischen Krone in: ILR 52, S. 97 (98). 166 Declaration of Her Majesty Queen Elizabeth 11, Pursuant to the Agreement for Arbitration (Compromiso) Determined by the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and Signed on Behalf of that Government and the Govemments ofthe Arbitration of a Controversy Between the Argentine Republic and the Republic of Chile Concerning the Region of the Beagle Channel vom 18.4.1977, ILR 52, S. 97 (98). Hier kann dahingestellt bleiben, zu welchem Zeitpunkt dann tatsächlich eine "final conclusion" des Schiedsverfahrens anzunehmen sein wird; vgl. Artikel 15 des Compromiso vom 22.7.1971, ILM 10 (1971), S. 1182 und die Note des Präsidenten des Schiedsgerichts vom 10.7.1978 einschließlich der vom 12.1.1978, ILM 17 (1978), S. 1198 ff., S. 1203 ff. 167 Rallier, Schiedsinstanzen, S. 58; von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 53; Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Bundesrepublik Deutschland, Urteil vom 3.7.1958, Entscheidung und Gutachten, Schiedsgerichtshofund Gemischte Kommission für das Abkommen über deutsche Auslandsschulden, Band 2 (1958), S. 7 (33). 162 163

6 Wegen

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Zuständigkeit begründenden Umstände die einmal begründete Zuständigkeit nicht mehr berührt. 168 Morelli hat aber zutreffend entwickelt, daß es sich im internationalen Prozeß um ein ganz anderes Problem handele. Es sei der Situation vergleichbar, daß der Gesetzgeber eines Staates seinen Gerichten durch Gesetz eine ganze Klasse von Rechtsstreitigkeiten entzieht; d.h. die Normen des Zuständigkeitsrechts werden derart geändert, daß bestimmte Fälle dem Gericht nicht mehr unterbreitet werden können. Dann müsse man fragen, welche Folgen sich daraus für bereits anhängige Streitigkeiten ergäben. 169 Um diesen Strukturunterschied deutlich zu machen, wird hier der Terminologie Morelli's gefolgt. (b) Perpetuatio jurisdictionis bei Verträgen Hinsichtlich der Anwendung von perpetuatio jurisdictionis-Prinzipien bei Verträgen ist darauf hinzuweisen, daß in zwei von drei (St)IGH-Fällen, in denen auch Verträge zur Jurisdiktionsbegründung herangezogen wurden, ausdrückliche Vorschriften gegeben waren, daß bei ihrem Außerkrafttreten anhängige Verfahren zu Ende zu führen seien. 170 Diese Streitigkeiten und ihre Behandlung durch die Gerichte und Sondervoten sind deshalb nur von eingeschränktem Wert, es sei denn, man sieht diese Vertragsklauseln als Beweis für ein bestehendes allgemeines Prinzip. 171 Der Hof brauchte jedoch in beiden Fällen nicht ausdrücklich auf die Verträge in dieser Hinsicht einzugehen. Allerdings bestätigte der IGH diesen allgemeinen Grundsatz in Bezug auf Verträge im Nordkamerun-Fall. Die Generalversammlung der UN hatte am 21. April 1961 beschlossen, das Treuhandabkommen mit Großbritannien für Nordkamerun zum 1. Juni 1961 zu beenden. Am 30. Mai Vgl. nur § 261 Abs. 3, S. 2 ZPO; Rosenberg I Schwab. Zivilprozeßrecht, 1981, S. 582. More/li. Perpetuatio jurisdictionis, Studi, S. 78 (86). 170 Electricity Company ofSofia and Bulgaria, Judgment, 1939 PCIl, Series AlB, No. 77, S. 64: Belgisch-Bulgarischer Schiedsvertrag vom 23.6.1931, LNTS 137, S. 191 = Systematic Survey, 1948, S. 903, Art. 37 (4); Nuclear Tests, (Australia v. France) (New Zealand v. France), Judgments, ICJ Rep. 1974, S. 253 und S. 457: Genfer Generalakte vom 26.9.1928, LNTS 93, S. 343 = Berber. Dokumente Bd. 2, S. 1734, Art. 45 (5). 171 Das scheint die Ansicht von Richter M. O. Hudson gewesen zu sein, der in seiner Dissenting Opinion des Electricity Company of Sofia and Bulgaria, a.a.O., S. 64 (123): "The fact that the Treaty of 1931 ceased to be in force some nine days later can have no bearing on the Court's jurisdiction with respect to this case. If the jurisdiction existed on January 26, 1938 (Tag der Anhängigkeit der Klage), it will continue until the case is disposed of in due course; this is expressly recognized, indeed, in Article 37 (4) of the Treaty". Vgl. so auch Statement of the Observation of the Government of Liechtenstein vom 9.9.1952; Nottebohm, ICJ Pleadings 1957, S. 170 (171). Zumeist wurde Hudson aber verkürzt zitiert, ohne den letzten Satz, siehe nur Observations of the Government of the United Kingdom with regard to Jurisdiction of the Court to Deal with the Merits of the Case, Anglo-Iranian Oil Co, ICl Pleadings 1952, S. 145 (148). 168

169

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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1961 erhob Kamerun Klage vor dem IGH.172 Zwischen den Parteien wurde nicht über die Frage gestritten, ob der Hof nach dem 1.6.1961 noch zuständig war. Das Treuhandabkommen enthielt keine perpetuatio-Klausel. l73 Der Hof stellte vielmehr schlicht fest: "Of course Artic1e 19 ofthe Agreement (Jurisdiktionsklausel) which provided for the jurisdiction of the Court in the cases which it covered, was terminated with all other Articles ofthe Agreement, so that after June 1, 1961 it could not be invoked as a basis for the Court's jurisdiction. The Application in the instant case was filed before 1 June 1961..." und daher, so der Umkehrschluß, findet die Jurisdiktionsklausel noch Anwendung. 174 In einem (Schieds-)Fall wurde ein Verfahren durch einseitigen Antrag vor ein Schiedsgericht gebracht. Es schien fraglich, ob eine später gebildete Kommission für den bereits anhängigen Fall zuständig war. Dazu erklärte der Schiedsgerichtshof für das Abkommen über deutsche Auslandsschulden in seiner Entscheidung vom 3. Juli 1958, unter Bezug auf das Nottebohm-Urteil des IGH: "Dabei handelt es sich um den jedenfalls in den Verfahren vor den internationalen Schiedsinstanzen allgemein gültigen Grundsatz (perpetuatio fori - d. Verf.) , daß, wenn die Zuständigkeit der Schiedsinstanz durch Einreichung des Antrages auf Entscheidung einmal begründet ist, außerhalb des Verfahrens eingetretene Tatsachen und Umstände diese Zuständigkeit nicht mehr berühren". 175 So jedoch erscheint der Satz zu allgemein. Es wurde schon gezeigt, daß die Parteien durch Abrede vorweg bereits etwas anderes bestimmen können. 176 Der Schiedsgerichtshof hatte sich mit dem Einwand auseinanderzusetzen, daß nach der Verfahrenseinleitung eine weitere Schiedsinstanz gebildet worden sei, die in demselben Vertragswerk für spezielle Fragen vorgesehen sei. Weil eine solche spezielle Frage vorliege, sei der Hof selbst unzuständig geworden. Daraufhin machte der Hof Ausführungen dazu, daß der unterbreitete Streitfall in seine - alleinige - Zuständigkeit fiele. Dies ergab sich für den Hof aus der Auslegung des gesamten Vertragswerkes des Londoner SchuldenabNorthern Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15 (23). Streitig war, ob ein Feststellungsinteresse oder ein "dispute" zwischen den Parteien vorlag, hierzu Northem Cameroons, ICJ Rep. 1963, S. 15 (29 ff.). 174 Northem Cameroons, a.a.O., S. 35. Eine ganz andere Dimension hat dann der Hauptpunkt des Urteils, daß nämlich der Kläger keine konkreten Vertragsverletzungen geltend machte. Die mit der "mootness" verbundenen Probleme können hier nicht behandelt werden, siehe Wegen, Mootness (1981). Es können aber U.U. andere Prüfungspunkte der "Zulässigkeit" durch Vorgänge nach Klagerhebung berührt werden, siehe Rossenne, Law and Practice, Bd. 1 S. 501, Fn. 3. 175 Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Bundesrepublik Deutschland, Urteil vom 3.7.1958, Entscheidungen und Gutachten, Schiedsgerichtshof und Gemischte Kommission für das Abkommen über deutsche Auslandsschulden, Band 2 (1958), S. 7 (33-34). 176 Siehe Text bei Fn. 108 ff. 172 173

6'

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

kommens. Nur hilfsweise argumentiert der Hof dann mit dem Prinzip der perpetuatio fori. 177 Damit aber ergibt sich hier ein sehr spezieller Fall der Auslegung eines Gesamtvertragswerkes und des Verhältnisses mehrerer Schiedsinstanzen zueinander. Damit aber muß zur Begründung der perpetuatioRegel auf die Rechtssprechung des IGH zur Unterwerfungserklärung zurückgegriffen werden, in welcher perpetuatio jurisdictionis-Grundsätze deutlich entwickelt wurden. (c) Perpetuatio jurisdictionis bei Unterwerfungserklärungen In der Praxis der (St)IGH sind drei Fälle zu berichten, in denen Unterwerfungen unter die Gerichtsbarkeit während des Verfahrens durch Fristablauf außer Kraft traten. Es schien so selbstverständlich, daß die anhängigen Verfahren davon nicht berührt wurden, daß in den ersten beiden Fällen vor dem StlGH keine vorgängigen Einreden durch die Parteien dazu erhoben wurden, obwohl Jurisdiktionseinreden in anderer Hinsicht jeweils vorgebracht wurden. 178 Rosenne kommentierte die Rechtslage vor dem Nottebohm-Fall dahin, daß es eine klare Praxis gab und erst im Nottebohm-Fall eine überraschende Einrede vorgebracht wurde. 179 Liechtenstein hatte am 17.12.1951 Klage eingereicht, gestützt auf zwei Unterwerfungserklärungen. Die Unterwerfungserklärung Guatemalas erlosch durch Zeitablauf automatisch am 26.1.1952. In einem Kommunique an den Hof erhob Guatemala den Einwand 180, daß der IGH mit Ablauf des 26.1.1951 "n'a aucune juridiction pour traiter, elucider ou trancher des affaires affectant le Guatemala, sauf si le Guatemala prolonge la duree de sa declaration, se

Hierzu Urteil vom 3.7.1958, Entscheidungen und Gutachten, a.a.O., S. 7 (33). Im Losinger-Fall erlosch die Unterwerfung des klägerischen Staates kurz nach Klagerhebung, die des beklagten Staates erlosch am Tage selbst des Anhängigmachens. Allerdings hielt es der StIGH in diesem ersten Fall für ausdrücklich erforderlich, die Daten der Unterwerfungserklärungen anzugeben und sich mit der auf stillschweigendes Einverständnis der beteiligten Staaten abstellenden Formel abzusichern: " ... qu'il n'y a pas desaccord entre les Parties ä cet egard". Losinger, Order of27 June 1936, PCIJ, Series A / B, No. 67, S. 15 (16). So könnte man diesen Fall zwanglos nach forum prorogatumGrundsätzen der Zuständigkeit des Hofes unterstellen; so schien es der Hof auch vorsichtshalber anzudeuten. Im Phosphate in Marokko-Fall erloschen ebenfalls beide Unterwerfungserklärungen im Laufe des Verfahrens. Es wurden sogar Einreden gegen die Zuständigkeit des Hofes ratione temporis vorgebracht, jedoch keine bezogen auf das Erlöschen der Unterwerfung. Der beklagte Staat hat dann noch während des Verfahrens die Unterwerfung erneuert; Phosphates in Morocco, Judgment, 1938, PCIJ, Series A/B, No. 74, S. 10. 179 Law and Practice, Bd. 1, S. 503/4. 180 Zur irregulären Präsentation der Ansichten des beklagten Staates und seinem Fernbleiben in der ersten Phase des Prozesses und einer mit dem NoUebohm-Fall begonnenen Praxis, siehe Rosenne, Reconceptualization, Com. e Stud. 14 (1975), S. 735 ff. 177

178

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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soumet en deposant une dec1aration nouvelle ... ". 181 In einer einstimmigen Entscheidung stellte der Hof fest, daß die Klage zur Geltungszeit beider Unterwerfungen eingereicht worden war. Der Hof ging auf das System obligatorischer Unterwerfung und die Auslegung der jeweiligen Unterwerfungserklärungen als Grundlage der Gerichtsbarkeit ein. Dann beschrieb der Hof den Vorgang der Verfahrenseinleitung nach Statut und VerfO. Die entscheidende Argumentation unterschied das Anhängigmachen des Rechtsstreits, das sich aus den Unterwerfungen und der Klagerhebung ergebe und somit bei den Parteien läge, und die Befugnisse des Hofes, die sich aus Statut und Regeln ergäben, und ab Anhängigkeit gegeben seien. Demgemäß könnte das Außerkrafttreten der Unterwerfung keinen Einfluß mehr auf anhängige Verfahren haben. "La saisine de la Cour est ainsi dominee par les dec1arations emanant des parties lorsqu'il est fait recours a la juridiction obligatoire conformement a l'artic1e 36 paragraphe 2. Mais la saisine de la Cour est une chose, l'administration de lajustice en est une autre. Celle-ci est regie par le Statut et par le Reglement que la Cour a arrete en vertu des pouvoirs que lui a confere l'artic1e 30 du Statut. Une fois la Cour regulierement saisie, la Cour doit exercer ses pouvoirs tels qu'ils sont definis par le Statut. Apres cela, l'echeance du terme fixe pour l'une des dec1arations sur lesquelles se fonde la requete est un evenement sans rapport avec l'exercice des pouvoirs que le Statut confere a la Cour et qu'il ne lui a pas ete demontre, sur une autre base, qu'elle est incompetente ou que la demande est irrecevable". 182 Zunächst werden also Anhängigkeit und Rechtsprechungsfunktion getrennt. Der zum Zeitpunkt des Anhängigmachens zwischen den Parteien bestehende wirksame Jurisdiktionstitel sei entscheidend, dann entstehe das Recht zur "administration de la justice". "Lorsque la requete est deposee a un moment Oll le droit en vigueur entre les parties comporte la juridiction obligatoire le 17 decembre 1951, le depot de la requete n'est que la condition po ur que la c1ause de juridiction obligatoire produise effet a l'egard de la demande qui fait l'objet de la requete. Cette condition remplie, la Cour doit connaitre de la demande; elle a competence, a la recevabilite ou au fond. Un fait exterieur (extrinsic fact) tel que la caducite ulterieure de la dec1aration par echeance du terme ou par denonciation ne saurait retirer a la Cour une competence deja etablie" .183

181 Nottebohm (Preliminary Objection), ICJ Rep. 1953, S. 111 (115). Guatemala versuchte überdies, sich auf eine allgemeine Praxis zu berufen, nach der die Zuständigkeit internationaler Gerichte absolut mit Zeitablauf des jurisdiktionsbegründeten Instruments endet; Letter ofthe Minister ofForeign Affairs ofGuatemala, Nottebohm, ICJ Pleadings 1957, S. 162 (165). 182 Nottebohm (Preliminary Objection), ICJ Rep. 1953, S. 111 (122). 183 Nottebohm (Preliminary Objection), ICJ Rep. 1953, S. 111 (123).

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Damit begründet der Hof die perpetuatio fori weitgehend aus dem Mechanismus vom Statut und VerfO, ohne klar werden zu lassen, welches genau die Vorschriften sind, aus denen sich die perpetuatio fori ergeben soll. Der Wille der Parteien als entscheidendes Jurisdiktionsband wird hier nicht hinreichend herausgearbeitet. l84 Das Ergebnis jedenfalls wird in der Literatur und völkerrechtlichen Rechtsprechung praktisch einhellig geteilt. lBs Darüberhinaus brachte Nottebohm zugleich eine Erweiterung dahin, daß die perpetuatio foriGrundsätze auf jedes Außerkrafttreten von Unterwerfungserklärungen anzuwenden seien. Noch 1934 formulierte Hudson zurückhaltend, daß im Falle einer Kündigung der Unterwerfung die Zuständigkeit des Hofes für bereits anhängige Verfahren wohl bestehen bleibe. lB6 Der IGH wurde kurz vor dem Nottebohm-Fall mit der Kündigung einer Unterwerfung während des anhängigen Verfahrens konfrontiert. lB7 Der beklagte Staat Iran argumentierte jedoch nicht mit der fehlenden, nunmehr entzogenen Jurisdiktion, sondern mit mangelnder Jurisdiktion aufgrund anderer Umstände ratione temporis. Deshalb mußte der IGH nicht über die Wirkungen der Kündigung entscheiden, weil er bereits aus Gründen seine Zuständigkeit verneinte, die in der Unterwerfungserklärung selbst lagen. Allerdings meinte Rosenne, daß der Anglo-Iranian-Fall trotzdem beträchtliches Gewicht habe. Da er von großer politischer Bedeutung gewesen sei, hätte Iran jedes Argument vorgebracht, welches auch nur ansatzweise seiner Position hätte weiterhelf~n können. Damit unterstellt Rosenne, daß Iran sehr wohl gewußt habe, daß eine Einrede der Unzuständigkeit wegen der gekündigten Unterwerfung keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. lBB

184

S.78.

Dazu gleich bei Fn. 197 ff; siehe zur Kritik Morelli, Perpetuatio jurisdictionis, Studi,

185 So kann 1964 lapidar festgestellt werden: ,,24. Consent of the parties must exist when the Centre is seized ... " Report of the Executive Directors on the Convention on the Settlement ofInvestment. Disputes between States and Nationals ofOther States, Wetter, Arbitral Process, Bd.4, S.457, 463. Vgl. Shihata, Power, S. 167; Bos, Conditions du proct:s, S. 259ff.; Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S.502f.; Ahi-Saab. Exceptions. S. 49 ff.; Wengier, Lehrbuch, Bd. 1, S. 234 Fn. 5; von Mangold!, Schiedsgerichtsbarkeit, S.95. 186 "It would seem that under such a provision (Kündigungsvorbehalt) a denunciation would not deprive the Court of jurisdiction in any case in which an application is filed before the denunciation is made". Hudson, PCIJ 1934, S. 404. Siehe aber seine eigene, sehr viel dezidiertere Haltung in der Diss. Op. zum Electricity Company of Sofia and Bulgaria (Preliminary Objections), PCIJ, Series AlB, No. 77, S. 64 (123). 187 Für den Text: Anglo-Iranian Oil Co., ICJ Pleadings 1952, S. 130 und 718. 188 Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 323. Ein Jahr später erging dann auch die Entscheidung des IGH im Nottebohm-Fall. Es sollte erwähnt werden, daß Iran nur argumentierte, daß Anträge unzulässig würden, die erst im Lauf des Verfahrens gestellt würden, und nicht von dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz gedeckt seien. ICJ Rep. 1952, S. 93 (98). Der Hof brauchte diesen Punkt nicht zu entscheiden, da er sich insgesamt für unzuständig hielt.

2. Kap.: Abstrakte ]urisdiktionsbeendigung

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Diese Rechtsprechung wurde im Durchgangsrechte-Fa1l1957 bestätigt. Der Beklagte hatte die Einrede fehlender Jurisdiktion wegen eines angeblich unwirksamen Vorbehaltes erhoben, der die ganze Unterwerfungserklärung hätte unwirksam werden lassen. 189 Der Hof mußte sich mit der Wirksamkeit einer Reserve auseinandersetzen, die den Auschluß weiterer Streitigkeiten aus dem Obligatorium während des Verfahrens betraf. Wie bereits ausgeführt, klassifizierte der Hof dies als partiellen Kündigungsvorbehalt und stellte fest: "It is a rule oflaw generally accepted, as well as one acted upon in the past by the Court, that, once the Court has been validly seised of a dispute, unilateral action by the respondent State in terminating its Declaration, in whole or in part, cannot divest the Court of jurisdiction" .190 Damit präzisierte der Hof seine früheren, etwas pauschalen Aussagen und betonte die Unmöglichkeit des einseitigen Entzuges der Jurisdiktion. Besonders auffällig ist in diesem Fall, daß der beklagte Staat sich mit dieser Einrede gegen partielle Kündigungsmöglichkeiten einer Unterwerfungserklärung wehrt, und derselbe Staat während des Verfahrens seine Unterwerfungserklärung zulässigerweise insgesamt kündigte und zugleich durch eine neue ersetzte, die weitere Vorbehalte enthielt, nämlich Streitigkeiten wie die anhängigen von der Jurisdiktion ausnahm. 191

Schließlich wurde in den Atomtest-Fällen eine Unterwerfungserklärung im Anschluß an die Bezeichnung vorsorglicher Maßnahmen gekündigt. In beiden Fällen wurden gleiche Jurisdiktionsgrundlagen - alternativ - angegeben, nämlich die Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 (2) IGH Statut und Art. 17 der Genfer Generalakte von 1928. 192 Frankreich kündigte mit Wirkung vom 2. Januar 1974 die Unterwerfung nach Art. 36 (2) IGH Statut. 193 Der Hofbrauchte in beiden Urteilen zu der Frage des Einflusses der Kündigung auf die Verfahren 189 Der Kläger hatte eine Third Condition of the Declaration eingefügt: ,,3) The Portuguese Gouvernment reserves the right to exclude from the scope of the present declaration, at any time during its validity any given category or categories of disputes, by notifying the Secretary-General ofthe United Nations and with effect from the moment of such notification". Right ofPassage (Preliminary Objections), IC] Rep.1957, S. 125 (141). 190 Right of Passage (Preliminary Objections), IC] Rep. 1957, S. 125. 191 Der Hof hat hervorgehoben, daß damit im Ergebnis genau das erreicht wird, was dem anderen Beteiligten vorgeworfen wird. Right of Passage (Preliminary Objections), IC] Rep. 1957, S. 125 (143). Siehe dort auch für weitere Einwände und deren Begründungen hinsichtlich des Verstoßes der Kündigungsmöglichkeit einer Unterwerfungserklärung. Der Hof prüfte erst gar nicht, ob dieses Verhalten des Beklagten auf den Prozeß Einfluß habe, sondern erwähnt dies nur als Kuriosität "perplexen" Verhaltens am Rande. 192 Vgl. zur letzteren Berber, Dokumente, Bd. 2, S. 1734; LNTS Bd. 93, S. 343. 193 Ann. CH 28 (1973-1974), S. 50. Die französische Unterwerfungserklärung enthielt den Zusatz, daß sie gelte ,Jusqu'cl. ce qu'i! soit donne notification de l'abrogation de cette acceptation". Ann. CH 27 (1972-1973), S. 61. Solche Kündigungsvorbehalte sind recht häufig und ohne weiteres zulässig, siehe nur Shihata, Power, S. 153 f, S. 164 ff. Mit Nachweisen zu den politischen Implikationen siehe von Mangoldt, Tradition, S. 435 (476 Fn. 142).

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der lurisdiktionsbeendigung

nicht Stellung nehmen, weil er bereits an einem "pre-preliminary" Punkt seine Prüfung abbrechen konnte und somit nicht zur Zuständigkeitsprüfung gelangte. Die gewichtige Gemeinsame Dissenting Opinion der Richter Onyeama, Dillard, limenez de Arechaga und Sir Humphrey Waldock prüfte die Zuständigkeit des IGH aufgrund der Generalakte und begnügte sich mit dem Hinweis auf die Nottebohm-Entscheidung. l94 Diese Rechtsprechung des Hofes wurde in der Schiedsgerichtsbarkeit unter Hinweis auf Nottebohm übernommen. 195 In der Rechtsprechung des Hofes fällt eines auf. In den Fällen des Außerkrafttretens des lurisdiktionstitels während des Verfahrens ist faktisch fast stets der klägerische Staat unterlegen. Es gab nur einen Fall, in dem der Kläger in der Sache zumindest teilweise obsiegte (Durchgangsrechte). Ein Streit wurde einvernehmlich zurückgenommen (Losinger). In allen anderen fünf Fällen erging ein Prozeßurteil - aus anderen Gründen - gegen die Kläger (Phosphate in Marokko, Anglo-Iranian Oil Co, Nottebohm, Nordkamerun, Atomtest-Fälle). Im Elektrizitätsgesellschaft von Sofia-Fall kam es nach einem teilweisen obsiegenden Prozeßurteil zu keiner weiteren Prozeßphase wegen des Ausbruches 2. Weltkrieges.

11. Perpetuatio jurisdictionis - Folgerungen 1. Begründung der perpetuatio jurisdictionis 196

a. Statut und das Gericht konstituierende Instrumente Vor allem der IGH leitete im Nottebohm-Fall die Geltungskraft des perpetuatio jurisdictionis-Grundsatzes aus den Vorschriften von Statut und VerfO ab. Daraus sollen sich nicht nur die Vorschriften für den Verfahrensablauf, sondern auch zugleich die grundsätzliche Pflicht des Hofes ergeben, seine Aufgaben nach dem Statut nach wirksamer Anrufung wahrzunehmen. 197 Ist die lustizmaschine einmal "angelaufen", so könne ein außerhalb von ihr selbst 194 Es wurde schon angeführt, daß die Gemeinsame Dissenting Opinion auf die Generalakte selbst hätte abstellen müssen; so auch der doppelte Hinweis des ad hocRichters Sir Garfield Barwiek auf die vertragliche Regelung der Generalakte und die Nottebohm-Entscheidung, oben Fußnote 107 mit Begleittext. 195 Schweiz v. Bundesrepublik Deutschland, Urteil vom 3.7.1958, Entscheidung und Gutachten, Schiedsgerichtshof und Gemischte Kommission für das Abkommen über deutsche Auslandsschulden, Bd. 2, S. 7 (33/34). 196 Salvioli, Procedure, RdC 91 (1951 I), S. 553, 592, hält einen Streit über den Geltungsgrund der perpetuatio fori für müßig, allerdings geht es ihm nur um Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 (2) Statut. Hier jedoch geht es um eine Erfassung aller Lagen möglicher Perpetuatio. 197 "Une fois la Cour regulierement saisie, la Cour doit exercer ses pouvoirs tels qu'ils so nt detinis par le Statut". Nottebohm (Preliminary Objection), ICJ Rep. 1953, S. 111 (122).

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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liegendes Ereignis sie nicht mehr "aufhalten". Diese Auffassung hat viele Anhänger gefunden. 198 Der Hof selbst hat seine Aussagen präzisiert, als er im Durchgangsrechte-Fall nicht auf das Statut, sondern auf die im Verfahren zugrunde liegende Zustimmung des Gerichtsunterworfenen abstellte. l99 Zwar kann dagegen gehalten werden, daß das Statut wiederum ja auch ein multilateraler Vertrag sei, der gerade die Organisation und Aufgaben des IGH festlegt, und sich daraus Pflichten für den Hof ableiten ließen. Andererseits ergibt sich die Gerichtsbarkeit gegenüber einem konkreten Staat aber eben doch erst aus den speziellen jurisdiktionsbegründenden Instrumenten. b. Gerichtsverfahrensbegriff Die Anwendbarkeit des perpetuatio-Grundsatzes wurde mit dem dem Verfahren notwendig innewohnenden Zeitelement begründet. Durch Prozeßverschleppung oder durch schlichten Zeitablauf wirksamer Wegfall der Jurisdiktionsgrundlage zugunsten des Beklagten wird dadurch verhindert. 200

Terre will das Verfahren als eine Abfolge von vorher festgelegten Verfahrensschritten begreifen, die sich auseinander ergeben und bedingen. Deren Ausgangspunkt sei aber die Zuständigkeit, die jedenfalls zu Beginn dieses Prozesses gegeben sein muß.201 c. Vertrauensschutzgedanke Eine einmal erteilte Zustimmung zur gerichtlichen Beilegung einer Streitigkeit könne, so wird vertreten, nicht mehr einseitig zurückgezogen werden, wenn die andere Partei sich darauf bereits eingerichtet habe. 202 Hierher gehört auch das Argument, daß sich an ein Verfahren vor einer Gerichtsinstanz bestimmte Erwartungen knüpften, die nicht mehr enttäuscht werden dürften, wenn die Unterbreitung des Streits bereits vereinbart worden sei: "The inability of aState to withdraw consent once it has been acted upon assurnes importance in connection with the doctrine of forum prorogatum. Its 198 Vgl. Salvioli, Procedure, RdC 91 (1957 I), S. 553, 554, der allerdings dann selber beide Elemente betont, das Statut und die spezielle Jurisdiktion; Shihata, Power, S. 88; Abi-Saab, Exceptions, S. 50; Pinto, Juris-Classeur, Fase. 217, No. 2. 199 Right of Passage (Preliminary Objections), lCJ Rep. 1957, S. 125 (142). 200 So Bos, Conditions du proces, S. 259; vgl. Morelli, Perpetuatio jurisdictionis, Studi, S. 78 (88): ,,(i)1 principio per cui il tempo dei processo non deve tomare a donno dell'attore". Zeitablauf im Prozeß kann sich nicht zu Lasten des Klägers auswirken. 201 Terre, Theorie generale, Z.f.Schw.R., Ne, Bd. 93, 1. Halbband 1974, S. 41 (45/46). Diese Argumente greifen zu kurz, denn es muß dann doch auf allgemeine Prozeßrechtsprinzipien zurückgegriffen werden; vgl. hierzu Salvioli, Procedure, RdC 91 (1957 I), S. 553, 594. 202 Von Mangoldt, Projekt, S. 45; Rosenne, lCJ 1957, S. 268. Zum Vertrauensschutzgedanken, Lauterpacht, Development, S. 106.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

effect is to introduce an element of stability in recourse to the judicial process and to create a distance between the conduct of a case before the Court, and ephemeral considerations based upon immediate fluctuations in a political situation". 203 d. Prinzipien des allgemeinen Völkerprozeßrechts Es soll ein allgemeines Völkerprozeßrechtsprinzip geben, demzufolge ein Verfahren auch dann fortgesetzt wird, wenn eine neue Rechtsnorm dem schon befaßten Organ die Kompetenz entzieht, die ihm bereits vorgelegte Streitsache zu entscheiden, vorausgesetzt, das Verfahren war in Übereinstimmung mit einer zu früherer Zeit wirksamen Norm anhängig. 204 Aus der Rechtsprechung selbst läßt sich dieses Prinzip nicht ableiten, denn der Hof bezog sich stets auf seine Aufgaben aus dem Statut, bzw. auf den Parteiwillen. In der Literatur wird dieses allgemeine Prinzip allerdings stets nur behauptet, so daß es hier als zunächst nicht tragfähig erscheint. 205 e. Argumentation aus dem Parteiwillen (1 ) More/Ws Ansatz

Morelli hat Ansätze einer überzeugenden Begründung für die perpetuatio jurisdictionis im internationalen Prozeß gefunden, die hier weitergeführt werden sollen. 206 Er wendet sich gegen eine Begründung aus Statut und VerfO des Hofes, und führt aus, daß sich die Gerichtsbarkeit nur jeweils aus der einzelnen Unterwerfungserklärung im jeweiligen Umfange ergeben könne. Im Falle des Art. 36 (2) Statut seien die Erklärungen also auszulegen. Dies gelte auch für andere vertragliche Jurisdiktionstitel. Es sei durchaus möglich, daß sich daraus für die Frage des Fortfalles der Jurisdiktionsgrundlage selbst etwas herleite. Es sei nicht richtig, wie im Nottebohm-Fall, eine Art vorgegebene Zuständigkeit des Hofes als Angebot in Statut und VerfO zu sehen, welche durch Unterwerfung - auch einschränkend - angenommen werden könne. Vielmehr ergebe sich die Zuständigkeit erst aus der Unterwerfung, in dem durch Interpretation im Einzelfall zu ermittelnden Umfang.

Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 323; cf. Nottebohm, lCJ Rep. 1953, S. 123. Hierzu Salvioli, Procedure, RdC 91 (1957 l), S. 553, 595/6, der im übrigen die Frage der Herleitung der perpetuatio fori für müßig hält. So scheint auch der Schiedsgerichtshof nach dem Londoner Schuldenabkommen die perpetuatio fori für Schiedsgerichte ableiten zu wollen, wenn er sich auf den "allgemein gültigen Grundsatz" bezieht. Schweiz gegen BRDeutschland, Urteil vom 3. Juli 1958, Schiedsgerichtshof für das Abkommen über Deutsche Auslandsschulden, Amtliche Sammlung, Bd. 2, S. 7, 33. 205 Vgl. dazu sehr kritisch von Mangoldt, Projekt, S. 108 ff. 206 Siehe insgesamt Morelli, Perpetuatio Jurisdictionis, Stud., S. 79 ff. 203

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2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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"La giurisdizione della Corte, formando ogetto del'accettazione espressa con la singola dichiarazione, non e qualche cosa che preesista alla dichiarazione stessa, ma ecreata dalla singola dichiarazione, in quanta questa si combini, nel modo richiesto, con le dichiarazione degli altri stati". 207 Art. 36 (2 bis 4) des Statuts enthalte nur Vorschriften, die die Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit formal regelten. Sei die Zuständigkeit einmal gegeben, dann werde diese aus sich heraus wirksam. 208 Auch das Anhängigmachen (la saisine) habe keine andere Bedeutung, als eine abstrakte Zuständigkeit für einen konkreten Fall zu aktualisieren; die "saisine" würde von der Jurisdiktion sachlich abhängen, und nicht diese auslösen. 209 Das Anhängigmachen eines Streites sei insoweit die Ausübung eines Klagerechts, welches sich nur prozessual verstehe und allen Staaten als Parteien des Statuts zustehe. 210 Damit sei aber entscheidend, daß nicht die Wirkung des Entfalls eines das Klagerecht begründenden Umstands in Frage stehe, sondern die Wirkung des Entfalls der jurisdiktionsbegründenden Norm selbst. Dem stehe gleich das Problem des Wegfalls eines jurisdiktionsbegründenden Schiedsvertrages gegenüber. In allen Fällen sei die Existenz der Jurisdiktionsgrundlage in Frage gestellt. 211 Schließlich sei stets genau zu prüfen, welches der Grund für die Beendigung der Jurisdiktion sei. Das Statut lege für Unterwerfungen nach Art. 36 (2) nicht fest, wie deren Außerkrafttreten zu behandeln sei. Vielmehr lasse Art. 36 (3) Statut den Staaten die Freiheit, die Unterwerfung nur "für eine bestimmte Zeit" zu bestimmen, darin könne man durchaus auch die Befugnis sehen, anhängige Verfahren dem Hof zu entziehen. 212 Bei Schiedsverträgen sei offenkundig, daß es den Parteien frei stehe zu vereinbaren, welches Schicksal anhängige Verfahren bei Außerkrafttreten des Vertrages nähmen. So könnten die Parteien dem Gericht die Jurisdiktion durch Vereinbarung entziehen. 213

Morelli meint, daß im Falle der Nichterkennbarkeit eines besonderen Parteiwillens auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden müsse. 214 Die Morelli, Perpetuatio jurisdictionis, Studi, S. 78 (82 ff), insbes. S. 83; Morelli, a.a.O., S. 83. 209 Morelli, a.a.O., S. 84. Die Richtigkeit dieser These wird in Rechtsprechung des Hofes bestätigt, denn die ordnungsgemäße Klagerhebung wird beurteilt nach dem jurisdiktionsbegründenden Instrument, .Electricity Company of Sofia and Bulgaria, Judgment, 1939, PCIJ, Series AlB, No. 77, S. 64 (80). 210 Morelli, a.a.O., S. 85. Auch dies wurde vom Hof bestätigt. Northern Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15 (29). 2ll Morelli, a.a.O., S. 85. Diese verschiedenen Lagen hat der Hof in seiner Rechtsprechung ebenso wie die Literatur, nicht getrennt. 212 Morelli, Perpetuatio jurisdictionis, Studi, S. 78 (86 I 87) 213 Morelli, a.a.O., S. 87. 214 Hier nimmt Morelli schlicht das allgemeine Prinzip an, daß die Zeitdauer eines Verfahrens nicht dem Kläger zum Nachteil geraten könne. Morelli, a.a.O., S. 88. Das ist etwas unspezifisch. 207

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

zeitliche Begrenzung der Wirksamkeit einer jurisdiktionsbegründenden Norm müsse differenziert betrachtet werden. Das Außerkrafttreten der Jurisdiktionsnorm beziehe sich auf die Jurisdiktion, soweit keine Verfahren anhängig seien. Soweit jedoch die Jurisdiktion durch Anhängigmachen eines Streites aktualisiert worden ist, bleibe die Jurisdiktionsnorm hinsichtlich dieses Verfahrens in Kraft. 215 Im Falle der Unterwerfung nach Art. 36 (2) Statut sei dem Hof die Zuständigkeit über solche Streitigkeiten - im Rahmen der Unterwerfungübertragen worden, bei denen innerhalb der Geltungsdauer der Jurisdiktionsnorm Klage erhoben worden sei. Damit aber sei eine Prozeßrechtslage entstanden, für die die Jurisdiktionsnorm isoliert bestehen bleibe. 216 (2) Weiterführung: Vertragsrechtskonstruktion

Der bedeutende Vorteil dieser Konstruktion von Morelli zeigt sich in der Kompatibilität mit der Lage bei Kompromissen, Schiedsverträgen und Sachverträgen mit kompromissarischen Klauseln. Auf all diese Verträge findet allgemeines Völkervertragsrecht Anwendung. Artikel 70 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) regelt die Folgen der Beendigung von Verträgen. Er sieht vor, daß, falls nichts anderes im Vertrag oder später vereinbart wird, folgende Wirkungen eintreten: a) sie befreit die Vertragsparteien von der Verpflichtung, den Vertrag weiterhin zu erfüllen; b) sie berührt nicht die vor Beendigung des Vertrages durch dessen Durchführung begründeten Rechte und Pflichten der Vertragsparteien und ihre dadurch geschaffene Rechtslage. 217 Auch wenn Streit über die Begründung der Verbindlichkeit der Unterwerfungserklärungen, über ihre rechtliche Zuordnung und die anwendbaren Interpretationsprinzipien besteht, so besteht doch Einigkeit über ihren vertraglichen Charakter, so daß auch im Falle von Unterwerfungen die Regeln des Vertragsrechts von Bedeutung sind. 218 Ist ein Verfahren bereits anhängig (aufgrund von Verträgen oder Unterwerfungen), so wird man eine solche bereits geschaffene Rechtslage nämlich als eine gegenwärtige Prozeßrechtslage ansehen müssen, die nicht mehr durch die

215 Morelli, a.a.O., S. 88. Insoweit kann mit Rosenne gesagt werden, daß die Jurisdiktion mit Wirkung für die Zukunft entfällt, Law and Practice, Bd, 1, S. 502 oder auch "ex nunc", Niedermeier, Beitritt, S. 104. Vgl. die Erklärung der englischen Krone im Beagle Kanal-Fall, ILR 52, 98 (99). 216 Morel/i, Perpetuatio jurisdictionis, Studi, S. 78 (88). 217 Art. 70 in der offiziösen Fassung der österreichischen Regierungsvorlage, abgedruckt in Sartorius II, Nr. 320. Vgl. schon Second Report, Fitzmaurice, Special Rapporteur, Law ofTreaties, Document A/CN.4/107, ILCY 1957 II, S. 16 (35,67). 218 Vgl. nur Shihata, Power, S. 144 ff.; Niedermeier, Beitritt, S. 27 ff.; Witenberg, Organisation judiciaire, S. 101.

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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Beendigung des vertraglichen Verhältnisses im übrigen berührt werden kann. Hier wirken die Jurisdiktionsnormen des angezogenen Instruments weiter, wie auch im Falle bereits geschaffener Lagen nach Art. 70 WVRK der beendete Vertrag dafür weiterhin Geltungsgrundlage bleibt. "ln other words, after a treaty has been terminated, and because of that fact, there can be no undoing ofwhat was already done in carrying out the provisions of the treaty while it was in force ... "219 Nun könnte man einwenden, daß die Streitbeilegungsverpflichtung eine "executory" und noch nicht "executed" Verpflichtung sei,220 also eine fortgesetzte und fortdauernd zu erfüllende Pflicht, die mit dem Außerkrafttreten des Vertrages auch erlischt. Dem kann entgegengehalten werden, daß die Streitbeilegungsverpflichtung, wenn ein Verfahren konkret anhängig gemacht worden ist, bereits realisiert ist, und der Beginn einer Ausführung vorliegt, der durch das Vertragsende nicht mehr berührt wird: der Konsens zu einer Streitbeilegung ist konkretisiert, die Vertragspflicht aktualisiert. Im übrigen ist mit dem Anhängigmachen des Verfahrens bereits eine "Prozeßrechtslage"221 entstanden, ebenso wie die Streitbeilegungsverpflichtung für die betroffenen Staaten und die Befassungspflicht für die mit der Jurisdiktion betrauten Instanz;222 es sind, mit anderen Worten, wohlerworbene Positionen entstanden. 223 Dieser Gedanke war auch Grundlage eines Vorschlages des Sonderberichterstatters in der ILC, der später in den Beratungen als nicht notwendig fallen gelassen wurde; die Beendigung eines Vertrages (does) "c) not affect any rights accrued or any obligations incurred prior to such termination ... "224 219 Harvard Law School, Research in International Law, III. Law of Treaties, Supplement to AJIL 29 (1935), S. 1172. Vgl. Talalajew, Das Recht der internationalen Verträge (1977), S. 135: "In diesem Sinne behält der völkerrechtliche Vertrag als Quelle, aus der bestimmte Rechte und Pflichten, sowie ein juristischer Status hinsichtlich seiner Partner entstanden sind, seine rechtliche Bedeutung auch nach Beendigung, wenngleich er keine Rechte und Pflichten mehr begründet". 220 Hierzu Fitzmaurice, Second Report, Law of Treaties, ILCY 1957 II, S. 16 (35). 221 Fitzmaurice, a.a.O., S. 67: "The treaty may be terminated, but not the legal force of the situation it has created." 222 So der IGH im Northern Cameroons, Iudgment, ICJ Rep, 1963, S. 15 (34). 223 Zu den "acquired rights" siehe Fitzmaurice, Second Report, Law ofTreaties, ILCY 1957 II, S. 16 (35); siehe auch die Stellungnahme des Vereinigten Königreiches bei Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, Fifth Report, Law of Treaties, ILCY 1966 II, S. 51 (56). Dazu auch Guggenheim, Lehrbuch, Bd. 2, S. 613; von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 94. 224 Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, Fifth Report, Law on Treaties, ILCY 1966 II, S. 51 (57). So auch jeweils Lord McNair und Richter Zoricic in ihren Dissenting Opinions im Ambatielos-Fall, Ambatielos (Prel. Obj.), Judgment, lCI Rep. 1952, S. 28 (63) und (76). Deutlich Sir Hersh Lauterpacht, Sep. Op. Voting Procedure on Question Relating to Reports and Petitions Concerning the Territory of South West Africa, Advisory Opinion, lCI Rep. 1955, S. 67 (105). Eine andere Auffassung scheint sich nur zu finden bei Richter Hsu Mo in dessen Dissent, Ambatielos (Prel. Obj.), Iudgment, ICI Rep.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Die Sachlage bei Jurisdiktionsnormen hat Capotorti am präzisesten beschrieben: ,,(i)l y ades traites prevoyant la naissance de droits, d'obligations, de facultes ou de pouvoirs, lorsque certains actes ou faits se verifient. Par rapport a ces traites, l'extinction signifie que les actes ou les evenements consideres perdent leur aptitude a produire les effets juridiques prevus; et il est indifferent que des effets se soient anterieurement realises, ou au contraire, qu'aucun des actes ou des faits prevus ne se soit jamais verifie." Note: ,,4. Par ex. le pouvoir de saisir par une requete la Cour internationale de Justice surgit, par effet du Protocole concernant le reglement obligatoire des differends, annexe la Convention de Vienne sur les relations consulaires de 1963, lorsqu'il y a un differend relatif al'interpretation ou al'application de cette Convention (et plus precisement deux mois apres qu'une partie a notifie al'autre qu'il existe a son avis un litige)."225

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Spätestens mit der "saisine", dem Anhängigmachen des Streits, wird die Streitbeilegungsverpflichtung für das Verfahren konkretisiert: die "effets juridiques" des anhängigen Verfahrens und der Verpflichtung der anderen Seite zur Mitwirkung im anhängigen Streit. Damit aber können diese durch die Beendigung des Vertrages nicht mehr berührt werden. 226 Diese Betrachtung einer Schiedsklausel als einer "faculte", einer aufschiebend bedingten Schiedsverpflichtung, wurde in den Fischereihoheits- Fällen vom IGH nachdrücklich übernommen. 227 Damit aber läßt sich die Ansicht Capotorti's auf die Frage einer rein vertraglichen Begründung der perpetuatio jurisdictionis anwenden. (3) Perpetuatio jurisdictionis gemäß Auslegung des Jurisdiktionstitels

Die Jurisdiktionstitel müssen zur Bestimmung der Wirkungen einer Jurisdiktionsbeendigung angezogen werden. Die hier vertretene vertragsrechtliche Fundierung des perpetuatio-Prinzips hat den Vorteil, daß keine schematische 1952, S. 28 (86), wo er ausführt: "But for the Declaration, no claims based on the provisions of the 1886 Treaty could be entertained ... because (said Treaty) ... would have complete1y lost its force". Allerdings hat die ILC in der Convention on the Law ofTreaties dann einen Bezug auf "vested rights" vermieden, weil der Begriffpolitisch umstritten war: Report of the International Law Commission to the United Nations General Assembly, ILCY 1966 H, S. 265. 225 Capatarti, L'extinction, RdC 134 (1971 III), S. 419 (451/2). 226 "Mais le fondement des droits, des facultes, des pouvoirs, des obligations et des situations juridiques anterieurs reste le traite ... " Capatarti, L'extinction, RdC 134 (197 III), S. 419 (457). 227 "The right to invoke the Court's jurisdiction was thus deferred until the occurrence ofwell-defined future events and was therefore subject to a suspensive condition. In other words, it was subject to a condition which could, at any time, materialize ifIceland made a claim to extend her fishery limits, and the right of recourse to the Court could be invoked only in that event". Fisheries Jurisdiction, Jurisdiction ofthe Court, (United Kingdom v. Ieeland) (Federal Republic of Germany v. Ieeland), Judgments, ICJ Rep. 1973, S. 3 (15) und S. 49 (60).

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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perpetuatio-Lehre im zwischenstaatlichen Prozeß etabliert wird, sondern der jeweilige Einzelfall durch Auslegung der jurisdiktions begründenden Instrumente betrachtet wird. Es ist nämlich ohne weiteres denkbar, daß sich aus der Auslegung aller einschlägigen Normen ergibt, daß mit dem Wegfall des jurisdiktionsbegründenden Instruments auch alle anhängigen Verfahren beendet werden sollen. Ebenso denkbar ist, daß auch eine erst im Vorfeld der Anhängigkeit sich befindliche Streitigkeit noch einem etablierten Streitbeilegungsverfahren unterstellt werden soll, obwohl noch nicht formal "anhängig". 228 Mit Blick auf das Komprorniß stellte Scelle fest: "But what is unacceptable is that a convention on procedure should allow flaws in the compromis that may mnder or block the course of the procedure, and above all implicitly or explicitly result in extinguishing the obligation. In other words the tribunal cannot be "the slave of the compromis", and must retain control of the proceedings until the award. Otherwise -we repeat- it is no longer the provision prescribing arbitration that is intrinsically binding, but only the compromis. The undertaking ceases to exist if it contains a purely optional clause that may paralyse the procedure". 229 2. Weiterungen des perpetuatio jurisdictionis-Grundsatzes

Die Geltung des perpetuatio jurisdictionis-Grundsatzes scheint demnach unproblematisch. Allerdings entstehen sofort Probleme, wenn es sich nicht um ständige Gerichtsinstanzen handelt. Bei letzteren ist die Frage der Jurisdiktion bei Außerkrafttreten des jurisdiktionsbegründenden Instrumentes eine Frage der Rechtzeitigkeit der Verfahrenseinleitung. "Thus, the matter resolves itself into a question of getting the application in in time". 230 In den meisten Instrumenten zur Jurisdiktionsbegründung wird nun kein "lupenreines Obligatorium" vereinbart. 231 Häufig wird ein pactum de negotiando vereinbart, daß nämlich ein konkreter Streitfall durch weitere Parteivereinbarung einem Schiedsgericht unterbreitet werden kann. 232 228 Insbesondere von Mangoldt, Projekt, S. 113 und Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 142 f. betonen, daß allein das Kompromiß bzw. die Schiedsordnung die konkrete Jurisdiktion begründen. Hier wird aber die mögliche Weite der abstrakten Schiedsverpflichtung und das Zusammenspiel der abstrakten Schiedsverpflichtung mit den dann konkretisierenden Einzelheiten verkannt, die die Schiedsordnung niederlegt. 229 Report by Georges Scelle, Special Rapporteur, Arbitral Procedure, 24.4.1957, ILCY 1957 II, S. 1,4/5, § 25. Wie verschiedentlich angedeutet, war gerade wegen des rigiden Ansatzes von Scelle die Kodifizierung gescheitert. Allerdings erlebten die Model Rules jüngst ein come back in zwei Investitionsschutzverträgen der USA mit Ägypten v. 29.9.1982, ILM 21 (1982), S. 927 und mit Panama v. 27.10.1982, ILM 21 (1982), S. 1227. 230 Fitzmaurice, Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1 (19). 231 Von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 89. Darunter wird eine Klausel verstanden, die - im Notfalle - keine weitere Willenseinigung der Parteien voraussetzt. Der Fall kann von einer Partei durch einseitige Klagerhebung beim Gericht anhängig gemacht und bis zum Endurteil durchgeführt werden. So die Definition von Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 58; Jenks, AnnIDI 47 I (1957), S. 166 f.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Ist eine solche Klausel vereinbart, dann müssen die beteiligten Staaten sicherlich in Verhandlungen über den Abschluß eines Kompromisses eintreten und solche Verhandlungen in Treu und Glauben führen. Allerdings gilt nach dem StlGH, daß "an obligation to negotiate does not imply an obligation to reach an agreement". 233 Eine Vielzahl von kompromissarischen Klauseln und Schiedsverträgen sieht eine institutionelle ad hoc-(Schieds-)Gerichtsbarkeit vor, so daß sich eine Zweistufigkeit der Verfahrenseinleitung ergeben kann. Das Streitbeilegungsbegehren einer Partei hinsichtlich eines konkreten Falles und die sich daran anschließende Konstituierung des Gerichts ist zu unterscheiden von der erst später erfolgenden Unterbreitung des Falles durch einseitige Anrufung oder Schiedsordnung. "Diese Abfolge hat ihre logische Notwendigkeit: Solange das Schiedsgericht nicht konstituiert ist, kann auch der Streit in der Sache nicht gut anhängig sein, da diese Rechtsanhängigkeit doch wohl das Bestehen der Entscheidungsinstanz zur unabdingbaren Voraussetzung hat". 234 Will man also Rechtshängigkeit aus dem Gerichts(verfahrens-)begriff heraus verstehen, dann wird eine perpetuatio jurisdictionis-Argumentation in der Tat begrifflich für solche Fälle schwierig. Setzt man bei den vertraglich begründeten Pflichten an, dann können sich Weiterungen ergeben für die Möglichkeiten der Abwicklung "anhängiger" Verfahren trotz Beendigung des Vertrages. Damit ergäbe sich eine Erweiterung des perpetuatio-Gedankens. a. Ausdrückliche Regelungen (1) Modell des Europäischen Streitbeilegungsübereinkommens von 1957

Ohne ausdrückliche Regelung ginge es wohl zu weit, die Vorschriften des Art. 40 (2) des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten als allgemeine Regel anzusehen. Dort wird ausdrücklich bestimmt, daß die Kündigung des Abkommens die betreffende Vertragspartei nicht entbindet " ... von den Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen in Bezug auf Streitigkeiten, die Tatsachen oder Verhältnisse betreffen, welche vor dem Zeitpunkt der Mitteilung der Kündigung entstanden sind".235 Die Regelung geht nämlich über die normale Bedeutung des perpetuatio jurisdictionis-Prinzips hinaus. Es reicht schon die aktuelle Entstehung der 232 Siehe hierzu die Charakterisierung von Simpson I Fox, In1'l Arbitration, S. 44 f. vor allem bezüglich der älteren "Schiedsempfehlungspraxis" . 233 Railway Traffic between Lithuania and Poland, Advisory Opinion, 1931, PCIJ, Series AlB, No. 42, S. 108 (116). Im übrigen sind eine ganze Reihe von Gründen denkbar, in denen das Nichtzustandekommen eines Kompromisses sich in keiner Weise als Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben darstellt. Hierzu siehe Simpsonl Fox, In1'l Arbitration, S. 45. 234 Von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 94. 235 BGBI 1961 II, S. 82 = UNTS 320, S. 243.

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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tatsächlichen Grundlagen eines Streites, um diesen unter die Streitbeilegungsverpflichtung zu bringen. Darüberhinaus muß einer der im Vertrag vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismen innerhalb eines Jahres nach der Mitteilung der Kündigung in Gang gesetzt werden. Da nach Art. 40 (1) des Übereinkommens die Kündigungsfrist sechs Monate beträgt, können Verfahren sogar noch sechs Monate nach Außerkrafttreten des Abkommens eingeleitet werden, soweit der Streitstoff vor der Kündigungsmitteilung bereits bestand. Schon Fitzmaurice hatte in diese Richtung argumentiert: es gäbe zumindest gewichtige "equitable grounds for holding that not only does the claim subsist (because it arose while the parties were both still bound by the treaty) but that so also does the obligation to refer it to the tribunal".236 Man kann wohl nicht ohne weiteres die Entstehung der Tatsachen eines Streites unter einem Vertrag als "anhängiges Verfahren" im Sinne der perpetuatio-Grundsätze ansehen, es sei denn aufgrund ausdrücklicher Regelung. Die Konvention selbst begrenzt die zeitliche Dimension auf ein Jahr, innerhalb derer noch Verfahren anhängig gemacht werden können. Es erscheint sehr wesentlich, daß das Übereinkommen andererseits sehr viel enger ist als es unter der perpetuatio jurisdictionis der Fall wäre. Denn Streitigkeiten, deren Tatsachen nach der Mitteilung der Kündigung entstehen, können auch innerhalb der Restlaufzeit des Abkommens nicht mehr einer der Streitbeilegungsmechanismen unterworfen werden. Damit ergibt sich hier eine Verkürzung der Streitbeilegungseinleitungsperiode um die sechsmonatige Kündigungsfrist, wie sie bereits von einigen Luftverkehrsabkommen berichtet wurde. 237 (2) Europäische Menschenrechtskonvention

Die EuMRK scheint zunächst eine sogar noch weitergehende Regelung zu enthalten. Artikel 65 (2) besagt: "Eine derartige Kündigung bewirkt nicht, daß der betreffende Hohe Vertragsschließende Teil in bezug auf irgendeine Handlung, welche eine Verletzung dieser Verpflichtungen darstellen könnte, und von dem Hohen Vertragsschließenden Teil vor dem Datum seines rechtswirksamen Ausscheiden vorgenommen wurde, von seinen Verpflichtungen nach dieser Konvention befreit wird". 238 Diese "Verpflichtung" könnte nur auf die materiellen Vertragsbestimmungen bezogen sein, oder aber auch alle Streitbeilegungsmechanismen umfassen, soweit der Staat sich diesen unterworfen hat, d.h. auch nach Außerkrafttreten der Konvention. Im Gegensatz zur Europäischen Streitbeilegungskonvention gibt es in Artikel 65 keine zeitliche Befristung der Einleitung von Verfahren, noch eine Verkürzung der Beilegungspflichten ab dem Zeitpunkt der Kündigung.

237

Fitzmaurice, Law and Produre, BYIL 34 (1958), S.1 (20). Siehe oben Text bei Fußnoten 114 ff.

238

EuMRK; Sart. II, Nr. 130.

236

7 Wegen

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Die Kommission hatte sich mit Artikel 65 in einem Falle auseinanderzusetzen und zog den Anwendungsbereich überraschend weit. Aufgrund politischer Umstände und wachsenden Druckes kündigte Griechenland die EuMRK am 12.12.1969. Demgemäß trat die Konvention mit Ablauf des 12.6.1970 für Griechenland außer Kraft. Bereits zuvor hatten einige Europarats- Mitgliedsstaaten eine Staatenbeschwerde gegen Griechenland eingeleitet. 239 Nach der Kündigung leiteten Dänemark, Norwegen und Schweden am 10.4.1970 ein weiteres Verfahren gegen Griechenland ein, in welchem Verletzungen der Konvention gerügt wurden, die auf Vorfälle in der Zeit vom 27.3.1970 bis 12.4.1970 basierten. 24O Griechenland blieb dem Verfahren fern, machte jedoch in Noten vom 12.12.1969 geltend, daß es ab dem 12.12.1969 durch die Konvention nicht mehr gebunden sei. 241 Die Kommission sagte in der Teilentscheidung vom 26.5.1970: ,,3. that in accordance with paragraph (2) of the same Article (65), Greece remains bound by the Convention after June 12, 1970, in respect of any act which, being capable of constituting a violation ofthe Convention, may have been performed by Greek authorities before 13th June, 1970, being the date at which the denunciation will become effective".242 Auf dieses Zitat folgt eine kurze Darstellung der Daten zur Einleitung des Verfahrens, worauf die Kommission schließt, "and whereas it follows from the above conclusions that the Commission is, and remains, competent ratione temporis to deal with these allegations" . 243 Diese Formulierungen der Kommission scheinen zu weit gefaßt. Sie können verstanden werden als nicht auf die Einleitung des Verfahrens, sondern auf die Fortdauer der materiellen Verpflichtungen aus der Konvention über deren Geltungsdauer hinaus abstellende Wertung. Dies kann schon im Hinblick auf den Text der Konvention selbst nicht zutreffen. Artikel 19 nämlich nimmt als eigener Abschitt 11 allein die Artikel 2 bis 18 des Abschnittes I (Menschenrechte und Grundfreiheiten) in Bezug und bestimmt, daß zur Prüfung der Einhaltung der Verpflichtungen, welche die Parteien in der Konvention übernommen haben, Menschenrechtskommission und -gerichtshof errichtet werden. Daraus folgt, daß nur die materiellen Verpflichtungen, die bis zum Außerkrafttreten der Konvention entstehen, als darüberhinaus danach geltend angesehen werden müssen. Überdies brauchte die Kommission die Frage der perpetuatio jurisdictionis nicht zu entscheiden, weil die Verfahrenseinleitung vor dem Außerkrafttreten 239 Application No. 3321-22-23/67, 3344/67 (Norwegen, Schweden, Dänemark, Niederlande v. Griechenland) vom September 1967/März 1968. 240 Application No. 4448/70 vom 10.4.1970. 241 Teilentscheidung der EuMKR vom 26.5.1970 zu 4448 /70, ECHRY 13 (1970), S. 108 (120). 242 Ibd. 243 Ibd.

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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der Konvention geschah. Die Kommission konnte sich also damit begnügen, unter Verweis auf Artikel 65 (2) EuMRK die Fakten zu subsumieren und jegliche über den FaII hinausgehenden Schlußfolgerungen und dicta zu vermeiden. So ist dem in der Literatur vertretenen Schluß zuzustimmen, daß die Kommission zwar nicht ausdrücklich entschieden, jedoch anerkannt habe, daß das Außerkrafttreten der Konvention nur dann unschädlich ist, wenn vor diesem Zeitpunkt ein Verfahren tatsächlich eingeleitet worden ist. " .. .it is difficult to imagine, that Article 65 paragraphe 2 could make it possible to accept applications introduced subsequent to the expiry of the Convention".244 Auch in diesem FaII kann das Fortbestehen der materiellen Pflichten in Verbindung mit der AufrechterhaItung des Streitbeilegungsmechanismus ad infinitum über das Außerkrafttreten der Konvention hinaus nicht angenommen werden. Vielmehr handelt es sich auch bei einer ausdrücklichen Regelung der vorliegenden Art um eine rein materieIIe Regelung. Dafür spricht auch, daß sich Vertragsstaaten den Verpflichtungen der Konvention unterwerfen können und diese verletzen können -, ohne daß es automatisch eine Möglichkeit des Individual- oder Staatenverfahrens gibt. Die Systematik der Konvention spricht also gegen eine schematische Annahme des unbegrenzten perpetuatio-Grundsatzes in Artikel 65 (2) EuMRK.24s (3) Folgerungen für zweistufige Verfahren

Die Entstehung der Tatsachen des späteren Streits als "anhängiges Verfahren" im Sinne der ausdrücklichen Regelungen anzusehen, und somit anzunehmen, daß die perpetuatio jurisdictionis auch greift ohne ein tatsächlich rechtzeitig eingeleitetes Verfahren, ginge zu weit. Die Rechtsprechung der (Schieds-) Gerichte verlangt ausdrücklich, daß das Gericht" validly seized" sein muß. 246 Will man bei einem zweistufigen Streitbeilegungsverfahren die Entstehung der Streitbeilegungsverpflichtung selbst für die Rechtshängigkeit ausreichen lassen, so kann man sagen, daß diese zwar generell besteht, jedoch erst als tatsächlich-aktueIIe Pflicht konkretisiert wird, wenn nach dem jurisdiktionsbegründenden Instrument das Verlangen einer Partei vorliegt, einen StreitfaII einem konkreten Streitbeilegungsmechanismus zu unterwerfen. Es ist zu unterscheiden zwischen der vertraglichen Verpflichtung, aIIe Streitigkeiten Mikaelsen, Human Rights, S. 103. Zu den weiteren Vorgängen um die Wiederratifizierung der Menschenrechtskonvention durch Griechenland und die abschließende Behandlung der Applications 3321-2223/67 3344/67 und 4448/70 durch eine Erklärung der Kommission, daß die Fälle abgeschlossen seien, siehe die Entscheidung der Kommission vom 4.10.1976, Decisions und Reports of the European Commission on Human Rights 6 (1976), S. 5. 246 Dazu oben Text Fn. 51ff. 244

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7'

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Iurisdiktionsbeendigung

einem bestimmten Beilegungsverfahren zu unterwerfen, und der politischen Entscheidung, ein solches Verfahren in einem konkreten Streitfall anzuziehen. Die Streitbeilegungsverpflichtung verpflichtet nicht zur Inanspruchnahme solcher Instanzen, sondern zur Kooperation und Durchführung eines vertraglich fixierten Streitbeilegungsverfahrens, wenn sich eine Vertragspartei auf eine solche Vereinbarung beruft. Damit aber ist auf jeden Fall als erste Bedingung des Entstehens der konkreten Mitwirkungspflicht die Berufung der anderen Seite darauf erforderlich. 247 Der IGH hat in seinem Gutachten zur Auslegung der Friedensverträge ausdrücklich festgestellt: "La Cour constate que toutes les conditions requises pour que soit ouverte la phase du reglement des differends par commissions sont remplies. Les traites prevoyant que tout differend sera soumis aux commissions "a la requete des l'une ou l'autre des parties", il en resulte que chacune d'elles est tenue, a la requete de l'autre, de cooperer ala constitution de la commission, notamment en designant son representant".248 b. Regelungen, daß anhängige Verfahren "unberührt bleiben" Eine Ausdehnung des perpetuatio-Grundsatzes ist durch eine Interpretation denkbar, die den Begriff "anhängiges Verfahren" weit definiert. Dies dürfte schon nach dem Wortlaut der entsprechenden Klauseln nicht möglich sein, in denen von anhängigen Verfahren die Rede ist, die "vor dem StIGH(IGH), vor Schiedsgerichten oder Vergleichskommissionen zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens anhängig sind". 249 Diese Formulierung läßt nur den Schluß zu, daß das jeweilige Verfahren vor der fraglichen Instanz eingeleitet worden sein muß. Damit aber ist man bei den Grundsätzen der Rechtshängigkeit und der perpetuatio jurisdictionis. Anderes könnte nur gelten bei der Formulierung, daß zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des Vertrages "anhängige Verfahren" beendet werden sollen. 250 Handelt es sich um ein "lupenreines Obligatorium", wo das Begehren nach (schieds-)gerichtlicher Streitbeilegung die konkrete Schiedsverpflichtung entste- . 247 Dieser Umstand ist vor allem hinsichtlich der Unterwerfungserklärung nach Art. 36 (2) IGH Statut als "Einlassungspflicht" charakterisiert worden, Guggenheim. Lehrbuch, Bd. 2, S. 614. 248 Interpretation ofPeace Treaties with Bulgaria, Hungary and Rumania, First Phase, Advisory Opinion, ICI Rep. 1950, S. 65 (77). "Bereits das Verlangen einer Partei" also "soll die Verpflichtung der anderen bewirken, bei der Konstitutierung des Schiedsgerichts mitzuwirken" für den Fall einer Schiedsverpflichtung, die weiter geht als das pactum de negotiando, von Mangoldt. Schiedsgerichtsbarkeit, S. 95. 249 Siehe die Nachweise solcher Formulierungen in Systematic Survey, 1948, S. 304 ff.: unter II, IV, V, VIII, XIII, XV. 250 Siehe die Nachweise solcher Formulierungen in Systematic Survey, 1948, S. 304 ff.: unter I, III, VI, VII, IX -XII, XIV.

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hen läßt, ist ein "anhängiges Verfahren" ab dem Zeitpunkt gegeben, in dem der die Verfahrensvorschriften anziehende Staat sein Begehren vertragsgemäß vorgebracht hat. 251 Der Fortgang des Verfahrens nach Außerkrafttreten des Vertrages kann nur angenommen werden, wenn jeder der Streitbeteiligten es ohne Zutun des anderen in der Hand hat, das Verfahren allein weiter zu betreiben. Das ergibt sich allein aus der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Streitbeilegungsmechanismus. Die "Rechtshängigkeit" durch Einreichung der Klageschrift oder Notifikation des Kompromisses beim IGH, wäre bei ad hocGerichten mit der definitiven Ingangsetzung des Konstituierungsvorganges durch eine Partei vergleichbar, wenn keine Blockademöglichkeit für die Durchführung des Verfahrens durch die andere Partei besteht. "Rechtshängigkeit" läge dann vor, wenn das Verfahren durch Disposition nur einer Partei weiterbetrieben werden kann. 252 Nach anderer Auffassung muß der konkrete Streit bereits bei dem konstituierten Gericht anhängig sein, um eine perpetuatio jurisdictionis annehmen zu können. Im übrigen wird eine ausdrückliche Parteivereinbarung über eine Fortsetzung noch nicht angestrengter Verfahren verlangt. 253 Dagegen wird hier eine stillschweigende Parteierklärung für ausreichend erachtet. 254 Da bei einem strikten Obligatorium bereits mit dem ersten Streitbeilegungsbegehren dem betreffenden Staat die Fortführung des Verfahrens auch gegen den Willen der anderen Partei gesichert ist, liegt eine "saisine", ein Anhängigmachen, schon in diesem Zeitpunkt vor. Eine weitere bedeutende Frage stellt sich dann: Wann gilt eine Vereinbarung als "lupenreines Obligatorium"?255 Eine sehr kritische Bestandsaufnahme meinte, der jüngeren Schiedsvertragspraxis entnehmen zu können, daß eine einseitige Anrufungsmöglichkeit des Gerichts praktisch nie geregelt, und auch nicht praktiziert wurde, also stets eine 251 Dies geschieht nach bestimmten Vorstadien, oder auch ohne solche, durch Notifikation des Streitbeilegungswunsches. 252 So wird Basdevant verstanden werden müssen in seiner Dissenting Opinion des Ambatielos Falles, wenn er meint, daß eine Verpflichtung eines Staates zur Arbitrage dann nicht durch den Hof ausgesprochen werden könne, wenn dieser sich bereits klar und deutlich einem solchen Ansinnen widersetzt habe, und damit die Streitbeilegungsklausel hinfällig geworden sei. Anderes kann dann nämlich nur gelten, wenn eine solche Mitwirkungspflicht des beteiligten Staates nicht besteht, d.h. ein Staat allein handeln kann. Diss. Op. Basdevant, Ambatielos, Preliminary Objection, Judgment, ICJ Rep. 1952, S. 28 (68). 253 Fitzmaurice, Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1 (2). 254 Bos, Conditions du proces, S. 261, jedenfalls scheidet eine stillschweigende Erklärung der Parteien über eine Jurisdiktionsbeendigung nicht aus. Wie Fitzmaurice auch Richter McNair in seiner Dissenting Opinion, in der er davon ausgeht, daß materiell entstandene Ansprüche durch Vertragsbeendigung nicht berührt werden, hingegen die verfahrensrechtlichen Vorschriften, wenn keine besonderen Vorschriften dazu bestehen, Ambatielos (Preliminary Objections), Judgment, ICJ Rep. 1952, S. 28 (63-64). 255 Hierzu insbesondere von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 92 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der jüngeren Vertragspraxis.

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gesonderte Schiedsordnung übereinstimmend durch die Parteien auch nach Konstituierung des Schiedsgerichts erforderlich sei. 256 Es wurde insbesondere davor gewarnt, kompromissarische Klauseln zwanglos im Sinne der Zulassung einer einseitigen Begründung der Zuständigkeit von internationalen Instanzen zu deuten. 257 Allerdings stellt von Mangoldt auf die jeweils erforderliche Einzelauslegung ab, wie zum Beispiel in der Differenzierung von kompromissarischen Klauseln, die den IGH vorsehen und solchen, die ad hoc-Schiedsgerichte vorsehen; im ersteren Falle könne zwangloser die einseitige Anrufung als gewollt angesehen werden. 258 Über diese vorsichtige Haltung ging der IGH im Teheraner Geisel-Fall hinaus. Der klägerische Staat hatte seine Klage auf die Protokolle zu den multilateralen Diplomaten- und Konsularkonventionen gestützt, die eine einseitige Anrufung des Hofes unter bestimmten Voraussetzungen zulassen. 259 Demgegenüber lautet der ebenfalls als Jurisdiktionsgrundlage angezogene Artikel 21 (2) des USamerikanisch-iranischen Freundschaftsvertrages -eine bekannte Klausel, die von Mangoldt wohl als noch zum Anhängigmachen des Streits eine Schiedsordnung erfordernde bezeichnen würde: "Any dispute between the High Contracting Parties as to the interpretation or application ofthe present Treaty, not satisfactorily adjusted by diplomacy, shall be submitted to the International Court of Justice, unless the High Contracting Parties agree to settlement by some other pacific means".260 Diese Klausel legte der IGH im Sinne des "effet utile"261 sehr weit aus: "Consequently, under the terms of Article XXI, paragraph 2, the United States 256 Ibid. von Mangoldt selbst sieht, daß sein sehr die Souveränität der Staaten und deren Empfindlichkeiten in rechtstatsächlicher Hinsicht - übrigens zu recht - berücksichtigender Standpunkt unter dem Gesichtspunkt des effet utile "unmöglich"·erscheint. Selbst bei Ersatzbestellungsmöglichkeiten des Gerichts, d.h. zwangsweise Konstituierung der Instanz, läßt die Bejahung des Erfordernisses der Schiedsordnung eine Sabotage des Verfahrens zu. Hier behilft sich von Mangoldt zurecht mit einer auf Text, Vertragszweck und travaux preparatoires zur Auslegung des jeweiligen Vertrages zurückgreifenden Betrachtung jedes Einzelvertrages: von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 96. 257 Von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 97. 258 Von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 97, Fn. 385. 259 So heißt es in beiden Artikeln 1 der Protokolle: "Disputes arising out of the interpretation or application of the Convention shalliie within the compulsory jurisdiction of the International Court of Justice and may accordingly be brought before the Court by an application made by any party to the dispute being a Party to the present Protocol". Fakultativprotokoll über die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten zum Wiener Übereinkommen vom 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen BG BI, 1964. Teil 2, 1018 und zum Wiener Übereinkommen vom 24.4.1963 über konsularische Beziehungen, BGB11969, Teil 2, S. 1674. 260 United States Diplomatie and Consular Staff in Teheran, Judgment, ICJ Rep. 1981, S. 3, 27; von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 94. 261 So Oellers-Frahm, United States Diplomatie and Consular Staff in Teheran Case, EPIL S. 282 (284).

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was free on 29 November 1979 to invoke its provisions for the purpose of referring its claims against Iran under the 1955 Treaty to the Court. While that Article does not provide in express terms that either party may bring a ca se to the Court by unilateral application, it is evident, as the United States contended in its Memorial, that this is what the parties intended. Provisions drawn in similar terms are very common in bilateral treaties of amity or of establishment, and the intention ofthe parties in accepting such clauses is clearly to provide for such a right ofunilateral recourse to the Court, in the absence ofagreement to employ some other pacific means of settlement". 262 Die von dreizehn Richtern getragene Ansicht erscheint zutreffend und sehr gewichtig, insbesondere weil der starke Dissens des sowjetischen Richters M orozow auf eine Debatte über diesen Punkt schließen läßt. 263 Auch der lOH teilt also die zurückhaltende Interpretation kompromissarischer Klauseln nicht, sondern ist geneigt, einseitige Anrufungen als vereinbart anzunehmen. 264

262 United States Diplomatie and Consular Staff in Teheran, Iudgment, ICI Rep. 1981, S. 3,27. Dieser weiten Auslegung widersprach im Hof nur der Richter Morozow in seiner Dissenting opinion. Richter Tarazi stellte nur fest, daß der Freundschaftsvertrag nicht direkt oder indirekt herangezogen werden darf, ohne eine Begründung abzugeben; a.a.O., S.65. 263 Das gilt auch für das "Memorial" der klägerischen USA, in dem dieser Punkt ausführlich diskutiert wurde, a.a.O., Diss. Op. Morozow, S. 52. Im übrigen war eine Heranziehung des Freundschaftsvertrages nicht unbedingt erforderlich, um auch die Zuständigkeit für zwei Zivilisten-Geiseln zu begründen, vgl. Gross, The Case Concerning United States Diplomatie and Consular Staffin Teheran: Phase ofProvisional Measures, AJIL 74 (1980), S. 395, 401. 264 So gesteht auch von Mangoldt zu, daß eine einseitige Anrufung eher angenommen werden kann, wenn die kompromissarische Klausel die Anrufung des (ständigen) Internationalen Gerichtshofes vorsieht, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 97, Fn. 385. Das dort vorgebrachte Argument mit der prorogatio fori als Erklärung für eine einseitige Anrufung bei Vorliegen einer zweideutigen Klausel ohne Prüfung durch den Hofkann im Teheraner Geisel-Fall nicht gelten, denn dort blieb ja gerade Iran dem Verfahren fern. Die Ansicht von von Mangoldt hat Kritik in Lehre und Praxis mit dem Argument der systematischen und historischen Auslegung und Staatenpraxis erfahren: es sei meist eine einseitige Verfahrenseinleitung bei Formulierungen wie der im USamerikanisch-iranischen Freundschaftsvertrag gewollt; Diskussionsvoten Seidl-Hohenveldern und Frowein, Iudicial Settlement, S. 155 und S. 162 zu von Mangoldt, Arbitration, Iudicial Settlement S. 417, 497 ff. und zugleich von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 93 ff. Vgl. auch die neueste Praxis hinsichtlich der Kapitalschutzabkommen der BR Deutschland: einerseits von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 94 ff., andererseits die Verträge mit Syrien vom 2.8.1977, BGBI 1978 II, S. 422; mit Mali vom 28.6.1977, BGBI 1979 II, S. 77; mit Rumänien vom 12.10.1979, BGBI, 1980 II, S. 1157; mit Saudi-Arabien vom 2.2.1979, BGBI, 1980 II, S. 693, mit dichtem Obligatorium. Siehe Art. 11 des Musterinvestitionsförderungsvertrages, abgedruckt bei: Alenfeld, Die Investitionsförderungsverträge der Bundesrepublik Deutschland (1971), S. 170 ff.

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Dieser Auffassung ist mit der Maßgabe zuzustimmen, daß die Frage des "lupenreinen Obligatorium" eine Frage der Einzelvertragsauslegung ist. Ist letzteres gegeben, so macht die Kündigung des zugrunde liegenden Vertrags eine nach den Vertragsbestimmungen bereits definitiv verlangte Beilegung eines konkreten Streites nicht mehr gegenstandslos. 265 So hat Guggenheim zutreffend ausgeführt: "Die einseitige Klagerhebung bei dem vorgesehenen Schiedsgericht oder Gericht, oder falls ein solches nicht konstituiert ist, die Geltendmachung des Rechtsanspruches gegenüber der beklagten Partei, genügt, um den Konflikt der schiedsgerichtlichen oder gerichtlichen Beurteilung zu unterstellen".266 Das gilt nur insoweit, als die andere Streitpartei - in zulässiger Weise - an einer Stelle das Verfahren nicht mehr blockieren kann. Als "anhängiges Verfahren" mit der Konsequenz der perpetuatio jurisdictionis können dann problemlos nur die Fälle des wirklich obligatorisch vereinbarten Streitbeilegungsmechanismus gelten. Gibt es "escape"-Möglichkeiten, dann mögen die Schiedsverpflichtungen bestehen und im Prinzip die perpetuatio-Grundsätze greifen. Jedoch ist die Klausel erschöpft, und damit die perpetuatio hinfällig, wenn einer der Streitbeteiligten seine nach der Klausel erforderliche Mitwirkung versagt. 267 c. Keine ausdrücklichen Regelungen ( 1) Das Prinzip

Schließlich ist zu fragen, ob die vertragsrechtliche Konstruktion des perpetuatio jurisdictionis-Prinzips auch eine weitergehende Anwendung in Fällen 265 Vgl. Diss. Op. Basdevant. Ambatielos (Preliminary Objection), Judgment, ICJ Rep. 1952, S. 28 (68): "On s'est trouve lä en presence d'une lacune dans le mechanisme d'une clause d'arbitrage, lorsqu'elle celle ci - comme c'est frequemment le cas - necessite le concours des deux Etats en litige pour la constitution de la commission arbitrale. Lorsqu'un des Etats estime que I'on n'est pas dans un cas ou il a lieu ä l'arbitrage, le fonctionnement de la clause d'arbitrage devient impossible. Cette lacune, qui se rencontre aus si pour d'autres dispositions conventionnelles, s'est revelee en d'autres circonstances que celles de la presente affaire". Und da Griechenland es bereits abgelehnt habe, ein Schiedsverfahren nach dem Ansinnen des klägerischen Staates Großbritannien durchzuführen: "et ainsi, la clause d'arbitrage du protocole de 1886 n'a pasjoue". Damit aber wird die Frage nach der Effektivität der Schiedsklausel zuerst zu stellen sein. Ist eine solche nicht gegeben, dann kann schon nicht die Frage der Schiedspflicht entstehen. 266 Mit der Geltendmachung des Anspruches wird die Einlassungspflicht des beklagten Staates begründet. Diese werde nicht berührt durch vorgängige Einreden, sondern bestehe jenseits solcher Einwände. Guggenheim. Lehrbuch, Bd. 2, S. 613/4. Auch Lammasch. Schiedsgerichtsbarkeit, S. 97 f. 267 Siehe die oben zitierte Diss. Op. Basdevant. Ambatielos (Preliminary Objection), Judgrnent ICJ Rep. 1952, S. 28 (68). Der hier vorgeschlagene Weg hatte im AmbatielosFall nicht zur Entscheidung gestanden. Dort hatten die Parteien ausdrücklich vereinbart, daß einern außer Kraft tretenden Vertrag entspringende Forderungen sowie die darin vorgesehene Streitbeilegungsmaschinerie weiter gegeben sein sollten. Im Streit war später die rechtliche Qualifizierung dieser Vereinbarung; Ambatielos, a.a.O., S. 41.

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erlaubt, in denen zwar ein (Schieds-)Gerichtsvertrag oder eine kompromissarische Klausel vorliegt, jedoch keine Bestimmung über deren Fortgeltung getroffen worden ist. Es ist verschiedentlich vertreten worden, daß die - sehr häufigen - ausdrücklichen Regelungen des Inhalts, daß anhängige Verfahren von dem Außerkrafttreten des Vertrages nicht berührt werden, zugleich Ausdruck eines allgemeinen Satzes seien, eben des perpetuatio juristictionisGedankens. Allerdings bezog sich diese Argumentation nur auf bereits "anhängige" Verfahren. 268' Es stellt sich die Frage, ob allgemeine vertragsrechtliche Kategorien die Möglichkeit der Abwicklung von Streitverfahren auch zulassen, nachdem die entsprechende Klausel außer Kraft getreten ist, ohne daß bereits die Einleitung des Verfahrens vollzogen ist. Es wurde bereits entwickelt, daß nach allgemeinem Völkervertragsrecht sachlich-rechtliche Ansprüche, die aufgrund eines Vertrages entstanden sind, in ihrem Bestand durch das Außerkrafttreten des jeweiligen Vertrages nicht berührt werden. 269 "This", so wurde vertreten, "is not the case as regards the particular treaty machinery for their settlement". 270 Es ist die Prozeßmaschinerie entfallen. Es kommt aber entscheidend auf die Beurteilung des rechtlichen Schicksals einer möglicherweise bereits aktualisierten Schiedsverpflichtung an. Gern. Artikel 70 der Wiener Vertragsrechtskonvention ist auf die Rechtslage bzw. einer aktualisierten vertraglichen Pflicht abzustellen, deren Bestand durch Außerkrafttreten des Vertrages nicht mehr berührt wird, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsendes definitif und eindeutig nach den Vorschriften des Vertrages die Schiedsverpflichtung für einen konkreten Streitfall durch das entsprechende Schiedsbegehren einer Vertragspartei entstanden ist. 271 Das Außerkrafttreten des Vertrages kann einer auch nachträglichen Konstitution des Gerichts nicht entgegenstehen, auch wenn es keine ständige Instanz ist. Daß Rechtshängigkeit die bestehende Instanz voraussetze, ist eine rein formale - gerichtsverfahrens- oder gerichts bezogene Betrachtungsweise. 272 Für die vertragliche Konstruktion hat sich insbesondere Capotorti ausgesprochen, der die Möglichkeit der Anrufung eines Gerichtes als "pouvoir" ansieht, deren Bestand auf den Vertrag gestützt ist, wenn die faktischen Voraussetzungen noch vor Außerkrafttreten des Vertrages vorliegen und die "pouvoir" ausgeübt wird. 273 Hinsichtlich der Schaffung solcher Insbesondere Nottebohm, Pleadings (1955), S. 173. Art. 70 WVRK. Siehe oben Text bei Fn. 217 ff. Insbesondere dazu Capotorti, L'extinction, RdC 134 (1971 III), S. 417 ff. 270 Fitzmaurice, Law and Procedure, BYIL 34 (1958), S. 1 (21), der sich hier bezog auf die Diss. Op. Lord McNairs in Ambatielos (Preliminary Objection), Judgrnent, ICJ Rep. 1952, S. 28 (63-64). 271 Dazu von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 95. 272 Zum letzteren von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 95. 268

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"pouvoirs" bedeute die Beendigung des zugrundeliegenden Vertrages, "que les actes ou les evenements consideres perdent leur aptitude a produire les effets juridiques prevus ... "274 Damit aber kann nach vertragsgemäßen Heranziehen der kompromissarischen Klausel oder des (Schieds-)Gerichtsvertrages der Wegfall der Vertragsgrundlage die bereits bestehende Rechtslage nicht mehr ändern. 275 Diese Schieds- oder Einlassungspflicht besteht dann jeweils in dem Umfang, in dem sie vereinbart wurde. Das heißt aber, daß sie mit der "Effektivität" des Obligatoriums parallel läuft: Läßt die Streitbeilegungsklausel Möglichkeiten offen für den anderen Staat, sich dem Verfahren zu entziehen, so bestehen diese Möglichkeiten genau in dem Umfange fort, wie sie schon zuvor bestanden. Es kommt insoweit nicht zu einer Ausweitung des Obligatoriums. Dadurch wird der Zeitpunkt des Entstehens der Schiedsverpflichtung klarer als Zeitpunkt herausgestellt, für den es auf die Beendigung des (Schieds-) Gerichtsvertrages oder der kompromissarischen Klausel ankommt. Für Unterwerfungen nach Art. 36 (2) IGH Statut und für kompromissarische Klauseln, die die Anrufung eines ständigen Gerichts vorsehen, gelten insoweit etwas andere Grundsätze, als es dort auf die tatsächliche Anziehung der Jurisdiktionsgrundlage durch die Einleitung des Verfahrens ankommt. Damit aber wird eine Überdehnung der Schiedsklausel im Sinne einer Zulassung der einseitigen Begründung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts in der Sache nicht vorgenommen. 276 Mit der hier vorgeschlagenen Auslegung wird erreicht, daß die in dem perpetuatio jurisdictionis-Prinzip sichtbare Grundannahme auch bei noch zu konstituierenden Gerichten anwendbar wird; schlichter Zeitablauf geht nicht zu Lasten eines ein Rechtsschutzgesuch vorbringenden Streitbeteiligten, wenn nach den von den Parteien vereinbarten Regelungen anzunehmen ist, daß Schiedsverpflichtungen nach ihrer Entstehung im Rahmen des Obligatoriums durchzuführen sind. 277 Andererseits bleibt es dem Vertragspartner unbenommen, sich auf die Streitbeilegungsklausel so einzurichten, wie es bei weiterhin wirksamer Vereinbarung wäre. 278 Außerdem wird dem Grundsatz des allgemei273 Capotorti, L'extinction, RdC 134 (1971 III), S. 417 (451/2), wo ausdrücklich eine kompromissarische Klausel als Beispiel einer "pouvoir" angeführt wird. 274 Ibid. 275 Dazu schon Text bei Fußnoten 217 ff. So wohl auch Guggenheim, Lehrbuch, Bd. 2, S. 613/4. Zu der Konstruktion der kompromissarischen Klausel und ihrer Konstruktion als aufschiebend bedingt schon der IGH in Fischereihoheits-Fällen sehr deutlich, oben Fußnote 223. V gl. Dahm, Lehrbuch, Bd. 3, S. 133; vgl. Lammasch, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 97 f. 276 So vor allem von M angoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 97, der zurecht die vorsichtige Einschätzung solcher strikten Klauseln als erforderlich betont. Dort auch gute Hinweise zur Praxis der Formulierung von Schiedsklauseln und deren Auslegung. 277 More/li, Perpetuatio jurisdictionis, Studi, S. 78 (87); Bos, Conditions du proces, S. 260.

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nen Vertragsrecht Rechnung getragen, daß die einmal begründete Rechtslagen, Rechte und Pflichten durch Wegfall der sie begründenden Umstände nicht ohne ausdrückliche Regelung rückwirkend entfallen, sondern nur ex nunc, mit Wirkung für die Zukunft. 279 Es gibt wohl nur eine Stellungnahme im Zusammenhang mit dem Ambatielos-Fall, die über das hier vertretene, vertragsrechtlich fundierte hinaus annehmen wollte, daß der "lapse of tide (does) not operate the lapse of either substantive or corresponding procedural rights accrued to the parties under it".280 Eine solche Annahme geht weit über das in Rechtsprechung und Literatur vertretene und die Staatenpraxis hinaus und läßt sich nicht mit einer auf Vertragsauslegung gestützten impliziten Regelung begründen. Die kompromissarische Klausel und der gesamte Freundschaftsvertrag gaben im AmbatielosFall dafür nichts her. Im übrigen hatte sich auch keine Schiedsverpflichtung konkretisiert, da bei Außerkrafttreten des ursprünglichen Vertrages kein Schiedsbegehren vorlag. 281 Deshalb erscheint die Auffassung von Richter LeviCarneiro in seinem Sondervotum zum Ambatielos-Fall nicht haltbar: "Or, dans le traite de 1926 (der spätere Handelsvertrag), il n'y a pas de disposition supprimant la commission arbitrale prevue par le traite de 1886; au contraire, rien n'empt\che que cette commission soit encore constituee quand cela est necessaire". 282 Eine Regelung, die der des Europäischen Streitbeilegungsübereinkommens gleichkommt, oder gar darüber hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung. (2) Die Praxis

Die Staatenpraxis bietet insbesondere zwei Beispiele der perpetuatio jurisdictionis, wie sie hier verstanden wird. Zunächst läßt sich eine solche in dem Streitbeilegungsmechanismus des Weltbankübereinkommens und der darunter erlassenen Verfahrensordnungen finden. 283 Es bietet keine ständige Gerichts278 So zurecht und sehr deutlich Diss. Op. Basdevant, Ambatielos (Prelirninary Objection), Judgment, ICJ Rep. 1952, S. 28 (68): nämlich Mitwirkungshandlungen nicht vorzunehmen, wenn es auch bei wirksamen Vertrag möglich wäre, z.B. die Ausstellung einer Schiedsordnung zu sabotieren. 279 Statt aller hier nur ein Verweis auf Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 502. 280 So charakterisierte Verzijl diese Position, ohne sie zu übernehmen: Problems of Jurisdiction Ambatielos, NedTIR 1 (1953-54), S. 1, 65. 281 Vergleiche die Textteile des Handelsvertrages von 1886 und die Vorgeschichte des Ambatielos-Falles in Ambatielos, Preliminary Objection, Judgment, ICJ Rep. 1952, S. 28, 34 ff. 282 Sep. Op. Levi-Carneiro, Ambatielos, a.a.O., S. 54. 283 Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten, 18. März 1965, BGBl. 1969 11, S. 371. Dazu insgesamt Pirrung, Weltbankübereinkommen, (1972).

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barkeit, sondern ein Sekretariat und ein Verfahren, durch das ein Gericht konstituiert werden kann, sowie eine VerfO und Schiedsrichterliste. Allerdings regelt das Weltbankübereinkommen für Investitionsstreitigkeiten eine obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit im strengen Sinne. Es wird ausgedrücklich vorgesehen, daß die Anhängigkeit des Verfahrens, also die "saisine", mit der Registrierung des Schiedsbegehrens durch eine (oder alle) streitbeteiligte Partei bei dem Sekretariat vorliegt. Allein das Schiedsbegehren führt also zur Konkretisierung der Streitigkeit, d.h. die spezielle Jurisdiktion wird auch zur konkreten Zuständigkeit des noch zu bildenden Schiedsgerichts, oder anders ausgedrückt, mit dem definitiven Schiedsbegehren-Vorbringen ist ein "Verfahren" gegeben. 284 Dies ist konsequent, denn nach dem Weltbankübereinkommen und den Verfahrensordnungen ergibt sich, daß das einmal registrierte Schiedsbegehren durch die andere Seite nicht mehr blockiert werden kann. 285 Dieses strenge Obligatorium mit der Anhängigkeit des Verfahrens ab dem Zeitpunkt der Registrierung des definitiven Schiedsbegehrens ist ebenfalls in den Verfahrensordnungen des ICSID als "Zusätzliche Fazilität" geregelt, d.h. in der Eigenschaft als Sekretariat für andere Streitigkeiten, die nicht dem Weltbankübereinkommen unterfallen. 286 Die dazu ergangenen Verfahrensordnungen sehen keine eigene Einleitungsordnung vor, sondern inkorporieren die entspre284 Art. 28 (3) für das Vergleichsverfahren und Art. 36 (3) des Weltbankübereinkommens für das Schiedsverfahren sehen die Registrierung des jeweiligen Begehrens durch den Generalsekretär des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (des Sekretariats) vor.In der Verfahrensordnung für die Einleitung von Vergleichs- und Schiedsverfahren (Einleitungsordnung) heißt es Artikel 6 (2): "A proceeding under the Convention shall be deemed to have been instituted on the date of the registration of the request". Vgl. Pirrung, Weltbankübereinkommen, S. 97: "Rechtshängigkeit". Es ist in diesem Zusammenhang ebenso von Interesse, daß das Schiedsbegehren vor seiner Registrierung jederzeit zurückgenommen werden kann, Art. 8 der Einleitungsordnung. Ab dem Zeitpunkt der Registrierung finden dann allein die Vorschriften über Klagerücknahme und Vergleich Anwendung, die auch nach Bildung des Schiedsgerichts gelten, Art. 43, 44, 45 der Verfahrensordnung für das Schiedsverfahren (Schiedsordnung). Vielmehr bestimmt Art. 44 der Schiedsordnung ausdrücklich: "If a party request the discontinuance of the Proceeding, the Tribunal, or the Secretary-General if the Tribunal has not yet been constituted ... " Vgl. Pirrung, Weltbankübereinkommen, S. 93 ff. Damit aber ist klargestellt, daß der Verfahrensbegriff erweitert wurde auf den Zeitpunkt des registrierten Schiedsbegehrens. 28S Vgl. die entsprechende Liste bei Münch, Stand, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 230: 1) Konstituierung des Organs; 2) Kompetenzkompetenz; 3) einseitige Anrufmöglichkeit; und 4) Versäumnisverfahrensregelung, als die Merkmale, die ein strenges Obligatorium konstituieren. 286 Siehe zur Einführung die Introductory Note by the International Centre for the Settlement of Investment Disputes, Wetter, Arbitral Process, Bd. 4, S. 542; Broches, The "Additional Facility" of the International Centre for the Settlement of Investment Disputes (lCSID), Y. Com. Arb. 4 (1979), S. 373 ff.

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chenden Vorschriften in die Verfahrensordnungen. Auch hier wird das Schiedsbegehren beim Zentrum registriert. Ab diesem Zeitpunkt gilt das Verfahren als eingeleitet, genau wie bei den bereits erwähnten Verfahrensordnungen. Damit wurde wieder die Regelung getroffen, daß das definitive Schiedsbegehren einer Partei -bei strengem Obligatorium- das Verfahren mit der Folge der Anhängigkeit einleitet. 287 Auch der IGH scheint in mehreren Fällen der Ersatzbestellung von Schiedsrichtern davon ausgegangen zu sein, daß eine Verfahrenseinleitung bereits vor der endgültigen Konstituierung des Gerichts vorliegen kann. 288 Auch sonst werden, je nach den Umständen des einzelnen Falles, durchaus verschiedene Zeitpunkte als entscheidend für Anhängigkeit des Verfahrens betrachtet. 289 3. Beschränkungen des perpetuatio jurisdictionis-Grundsatzes

Betont man die vertragliche Grundlage der Jurisdiktion als wesentlich und nimmt man die jurisdiktionsbegründenden Instrumente als Ausgangspunkt der Bestimmung der zeitlichen Geltung der Jurisdiktion, dann ergeben sich nicht nur Ausweitungen, sondern auch Beschränkungen der Zuständigkeit gegenüber einem strikten "perpetuatio fori"-Grundsatz. Dies gilt zumindest für kompromissarische Klauseln in Sachverträgen. Tritt nämlich der Sachvertrag außer Kraft, dann berührt das die Jurisdiktionsklausel ebenso wie das materielle Recht, welches auf einen etwa anhängigen Streit anzuwenden wäre: die maßgebliche Rechtsordnung, der Maßstab anhand dessen der Richter zu judizieren hat, entfällt dann. 290 Typischerweise 287 Die Schiedsordnung (Zusätzliche Fazilität) regelt in Artt. 2 5 die Einleitung des Verfahrens. Es wird zwar nicht ausdrücklich bestimmt, daß die Registrierung des Schiedsbegehrens zugleich die Verfahrenseinleitung darstellt, wie in der Einleitungsordnung, Art. 6 (2), jedoch ergibt sich dies u.a. aus Art. 51 der Schiedsordnung, (Zusätzliche Fazilität), in dem es wortgleich mit Art. 44 der Schiedsordnung heißt: "If a party requests the discontinuance of the proceeding, the Tribunal, or the Secretary-General if the Tribunal has not yet been consitituted, ... ", Wetter, Arbitral Process, Bd. 5, S. 41. 288 Im Jahresbericht des IGH ist immer wieder vermerkt, daß der Präsident seine vertragliche Ersatzbestellungsbefugnis nach Aufforderung durch die Parteien (oder einer Partei) ausgeübt habe, nämlich "de bien vouloir proceder ä la disposition du President du tribunal arbitral saisi d'un differend". AnnCIJ 23 (1968/69), S. 112 f. (2 Fälle) AnnCIJ 24 (1969/70), S. 117 f. (3 Fälle) AnnCIJ 26 (1971 /72), S. 128 (1 Fall), dagegen aber AnnCIJ 17 (1962/63), S. 27 (1 Fall); AnnCIJ 20 (1965/ 66), S. 95 (1 Fall); AnnCIJ 25 (1970 /71), S. 113 (1 Fall). 289 Vgl. hierzu schon oben Text bei Fußnote 235 ff. mit weiteren Beispielen aus der Staatenpraxis. 290 Dies gilt nur bei kompromissarischen Klauseln in Sachverträgen, in denen keine ausdrückliche Regelung getroffen worden ist: der ausdrückliche Parteiwille ginge vor. Davon zu unterscheiden sind die Fallagen, daß nach Rechtshängigkeit des Streits weitere Umstände eintreten oder entfallen, die die Zulässigkeit des Streitverfahrens im übrigen betreffen. Noch 1965 meinte Rosenne, daß ein nachträglicher Wegfall der Jurisdiktion

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

sehen solche kompromissarischen Klauseln vor, daß Streitigkeiten über die Auslegung und/ oder Anwendung des Vertrages durch (schieds-)gerichtliche Verfahren beigelegt werden sollen. 291 Eine Auslegung und / oder Anwendung des Vertrages im konkreten Falle muß also überhaupt noch möglich erscheinen. 292 So wies Shihata zurecht auf den Nordkamerun-Fall hin und stellte zunächst noch etwas allgemein - kurz nach dessen Entscheidung fest, daß eine kompromissarische Klausel in einem Treuhandvertrag vorgelegen habe, der zwei Tage nach Anrufung des 1GB außer Kraft getreten sei. "The Court finding that adjudication would be "devoid ofpurpose" as a result ofthe termination of the whole trusteeship system over the territory involved, refused to exercise jurisdiction on the case despite the validity of the seisin, justifying this attidute, in part, by the argument that the judicial protection provided for in the agreement cannot survive "when all the concomitant elements to which it was related had disappeared". This conclusion clearly suggests that the effectivity of jurisdictional titles may be greatly influenced by events subsequent to seisin. The impact of such events pertains however to considerations of propriety rather than to the technicals rules of jurisdiction". 293 Es werden also Fragen der richterlichen Würdigung von tatsächlichen Umständen bedeutsam, die sich nicht strikt unter die Kategorie der Jurisdiktion bringen lassen. Dies hat auch von Mangoldt im Auge, wenn er sehr vorsichtig formuliert, daß hier "die These von der fortdauernden Gerichtsbarkeit ins Leere (führt). Streitigkeiten aus dem erloschenen Sachvertrag mit kompromissarischer Klausel wären zwar nicht wegen mangelnder Gerichtsbarkeit unzulässig, wohl aber unter allen Umständen mangels praktischer Bedeutung der gestellten Rechtsfragen. Damit würde letzten Endes für die angesprochenen Verträge jedes Verständnis sinnwidrig, welches den kompromissarischen Klauseln eine über die sachliche Geltung des Vertrages hinausreichende Bedeutung beimessen will'',2!» "Eine internationale Gerichtsbarkeit zu begründen, nur, um sie sogleich in allen denkbaren Fällen an anderen Zulässigkeitskriterien scheitern zu lassen, kann nicht die Absicht der Staaten sein, auf deren gemeinsamen Willen die zwischen ihnen einzurichtende internationale Gerichtsbarkeit beruht. In solcher Lage kann die kompromissarische Klausel folglich nur dahingehend ausgelegt werden, daß die Aufrechterhaltung irgendeiner Gerichtsbarkeit über das Ende des Vertrages nicht vorgesehen nicht in Betracht komme, wohl aber eine Unzulässigkeit der Klage im übrigen, Law and Practice, Bd. 1, S. 502 Fn. 3. 291 Hierzu insgesamt L.B. Sohn, Settlement of Disputes Relating to the Interpretation and Application of Treaties, RdC 150 (1976 II), S. 195 ff. 292 So zurecht in der Fragestellung von Mangoldt, Projekt, S. 114 f. 293 Shihata, Power, S. 89. Im Anschluß daran verweist Shihata im Unterschied zum vorgehenden auf die "jurisdictional facts", die stets - also nach dem Anhängigmachen des Streits - zu beachten seien, allerdings meist zur späteren Unzulässigkeit der Klage führten, vgl. Shihata, Power, S. 106. 294 Von Mangoldt, Projekt, S. 114.

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ist".295 Damit weist von Mangoldt zugleich auf ein praktikables Abgrenzungskriterium, ob ein solcher Fall zur Unzuständigkeit oder zur Unzulässigkeit, nämlich zur Abweisung wegen Verstoßes gegen das Wesen der Rechtsprechung, eines mangelnden Rechtsschutzinteresses oder ähnlichem, führt. Es sollte gefragt werden, ob der konkrete Streitfall von der jurisdiktionsbegründenden Norm umfaßt wird. Damit ist aber von der Interpretation des gesamten Instruments auszugehen. 296 Im Rahmen der Themenstellung dieser Arbeit können denkbare Fallgruppen nur "angetippt" werden. Eine systematische Durchdringung ist hier nicht möglich. 297 a. Zukunftsorientierter Vertragsinhalt bei Vertragsende Eine erste Fallgruppe betrifft Verträge, nach deren Vertragsinhalt "Streitigkeiten und richterliche Entscheidungen bei der Auslegung und Anwendung nur Rechte, bzw. Pflichten, betreffen (können), welche für die Zukunft zu gewähren wären, nicht aber auch solche, deren Verletzung in der Vergangenheit eine Pflicht zur Wiedergutmachung begründen könnte". 298 Ein solches Verfahren würde mit der Beendigung des Vertrages hinfällig, "da der Richter nicht mehr mit irgendeiner praktischen Wirkung für die Zukunft über Auslegung und Anwendung der streitigen, aber hinfälligen Vorschrift entscheiden kann". 299 Von Mangoldt erwähnt als praktischen Fall eine Luftverkehrsstreitigkeit, bei der der eine Staat aufgrund eines bilateralen Luftverkehrsabkommens eine bestimmte Luftverkehrslinie neu betreiben will, deren vertragliche Berechtigung der andere Staat aber bestreitet. "Fällt in das anhängige Schiedsverfahren das Ende des Vertrages, kann das Schiedsgericht in Auslegung des Vertrages eine solche Linie nicht mehr zusprechen. Der Streitfall behält allenfalls theoretische Bedeutung". 300 295 Von Mangoldt, a.a.O., S. 114/5. Damit bleibt offen, ob denn nur die "Zuständigkeit" verneint werden soll, oder die "Zulässigkeit" im übrigen. 296 Deshalb kann man zu einer starren "perpetuatio jurisdictionis"-Theorie nur bei Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 (2) IGH Statut gelangen, weil es keine sie "umgebende Zuständigkeitsordnung" gibt, während beim Kompromiß, beim allgemeinen Schiedsvertrag und insbesondere bei kompromissarischen Klauseln den von den Parteien im übrigen vereinbarten Regelungen viel stärkere Beachtung zu schenken ist. Darauf hat schon Shihata hingewiesen, Power, S. 88. 297 Vgl. nur Reuter, Introduction au droit des traites, (1972), S. 108. 298 Von Mangoldt, Projekt, S. 113/4. 299 Von Mangoldt, Projekt, S. 114, der hier zutreffenderweise den Begriff "moot" übernimmt. Vgl. Sep. Op. Fitzmaurice, Northern Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15,97 ff. und siehe insgesamt Wegen, Mootness. 300 Von Mangoldt, Projekt, S. 114. Der dieser Variante zugrundeliegende Luftverkehrsstreit zwischen USA und Italien wurde 1963 entschieden, RIAA, XVI, S. 75. Als Italien mit seiner Ansicht unterlag, kündigte es übrigens den Luftverkehrsvertrag. Der spätere enthielt dann eine Regelung im Sinne des früher unterlegenen Italien; von Mangoldl.

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b. Fortgesetzte Verhaltenspflichten bei Vertragsende Eine andere Gruppe von Verträgen, deren Außerkrafttreten auch anhängige Verfahren berühren würde, umschreibt Capotorti, die nämlich "impose(nt) aux parties obligations, ou bien conferent des facultes ou des pouvoirs, dont l'execution ou l'exercice se prolongent dans le temps par un comportement de nature permanente. Dans les cas de ce genre l' extinction arrete 1'execution des obligations, ainsi que 1'exercice des facultes et des pouvoirs".301 Es handelt sich also um Verträge, die fortgesetzte Verhaltens- oder Unterlassungspflichten normieren. Mit deren Beendigung entfallen solche Pflichten, weil um deren Einhaltung für die Zukunft nicht mehr gestritten werden kann. Capotorti nennt beispielhaft den Fall des Atomtestabkommens von 1963. Mit dessen Beendigung entfiele eine Vertragsstreitigkeit um die Nichtdurchführung von Atomtests nach Vertragsende. Über die weitere Erfüllung könne nicht mehr gestritten werden. 302 c. Vertragsstruktur und Vertragsende Aus der Struktur und dem Charakter von Verträgen kann sich ergeben, daß mit ihrem Außerkrafttreten zugleich auch jeglicher Streit, und anhängige Verfahren, als beendet angesehen werden müssen. Hierzu können Treuhandabkommen im Rahmen des UN -Treuhandsystems gezählt werden. Die UN Charta sieht nämlich eine Treuhandverwaltung mit Überwachungsorganen und Funktionen von Generalversammlung und Sicherheitsrat vor. 303 Es hatte sich die feste Praxis eingebürgert, daß unter Zustimmung des Treuhänders, nach Prüfung durch den Treuhandrat, die Generalversammlung durch Resolution das Treuhandabkommen beendet, welches einer Treuhand zugrunde liegt. 304 Schiedsgerichtsbarkeit, S. 64, mit Fn. 248. Allerdings muß betont werden, daß damit noch keine Entscheidung über die Frage möglichen Schadenersatzes oder Genugtuung getroffen ist, wenn solches begehrt wird, dann kann der Streit sehr wohl noch nicht "moot" sein. 301 Capotorti, L'extinction, RdC 134 (1971 III), S. 417 (451). 302 Allerdings gilt auch hier, daß Streitigkeiten um Schadenersatz oder Genugtuung aus vergangenen Vertragsverletzungen anders beurteilt werden müßten. 303 Vgl. Art. 75 ff. UN Charta. Dazu insgesamt Toussaint, The Trusteeship System of the Unites Nations (1956); Murray, The United Nations Trusteeship System (1957). 304 Vgl. für Mandate: Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), Advisory Opinion, lCJ Rep. 1971, S. 16. Für "Trusts" siehe insbesondere Parry, The Legal Nature ofthe Trusteeship Agreements, BYlL 27 (1950), S. 164. Als Vertragspartner des Treuhänders hat sich "in praxi" die Organisation der Vereinten Nationen selbst herausgeschält, vgl. Parry, a.a.O., S. 164 (180). Es gibt zwar keine ausdrückliche Vorschrift über die Beendigung der Treuhandverträge, aber hier wird mit Art. 85 UN Charta argumentiert, der "Änderungen und Ergänzungen" umfasse und diese Kompetenz der Generalversammlung zuweise, Northem Cameroons, Judgment, lCJ Rep. 1963, S. 15, (32).

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Im Nordkamerun-Fall ergab sich die Frage nach dem Schicksal einer Klage, die zwei Tage vor dem Außerkrafttreten des Treuhandvertrages dem IGH unter Berufung auf eine kompromissarische Klausel in diesem Vertrages unterbreitet wurde. 30s Der klägerische Staat Kamerun begehrte Feststellung, daß das Vereinigte Königreich als Treuhänder verschiedene Bestimmungen des Treuhandabkommens verletzt hätte. 306 Kamerun machte keine Schadensersatzansprüche geltend. Einem solchen Begehren wurde entgegengehalten, daß die Generalversammlung die Frage der Rechtmäßigkeit der Treuhand und der Durchführung des Treuhandabkommens abschließend und verbindlich für alle UN-Mitglieder in seinen Resolutionen beurteilte. Erlösche die Treuhand, so erlösche auch die vertraglich eingeräumte Klagemöglichkeit für die anderen UN-Mitglieder, soweit es die allgemeine Durchführung der Treuhand betreffe. Der IGH machte solche Überlegungen, als er ausführte, daß die Treuhand als Gegenstand des Vertrages selbst und mit ihr jegliche Überwachungs rechte und -möglichkeiten des Treuhänders auf das Treuhandgebiet entfallen seien, da es Nigeria zugeschlagen worden sei. "The Court cannot agree that under these circumstances the judicial protection claimed by the Applicant to have existed under the Trusteeship system, would have alone survived when all of the concomitant elements to which it was related had disappeared".307

Gross brachte die Problematik auf die kurze Formel, daß die Resolution der UN -Vollversammlung den Effekt hatte "of putting an end to any procedural or substantive rights which Members of the United Nations possessed during the life time of the Trusteeship, and could not, solely for this reason, survive the comprehensive extinction of the Trusteeschip" .308

Artikel 19 des Abkommens lautete: "If any dispute whatever should arise between the Administering Authority and another Member of the United Nations relating to the interpretation and application of this Agreement..." Northern Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15, 25. Die Generalversammlung hatte mit ihrer Resolution No. 1608 (XV) vom 21.4.1961 entschieden, daß Nordkamerun zum 1.6.1961 zu Nigeria gehören sollte und zugleich das Treuhandabkommen beendet sei. Das Vereinigte Königreich wurde als Treuhänder in der Resolution entlastet. Vgl. hierzu Verzijl, International Court of Justice, South West Africa and Northern Cameroons Cases (Preliminary Objections), NedTIR-NILR 9 (1964), S. 1 (25 ff.). 306 Northern Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15, (20). 301 Northern Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15 (36). 308 Gross, Limitations, AJIL 58 (1964), S. 415 (429(30). Gross liefert noch eine sehr interessante weitere Erklärung für die Beendigung des gesamten Vertrages inklusive anhängiger Verfahren. Die Beendigung der Treuhand und die Entlastung des Treuhänders, in gemeinsamer Aktion mit diesem, könne als eine authentische Interpretation gelten, verbindlich für alle UN-Mitglieder, derart, daß alle (Rechts-)Fragen und Ansprüche hinsichtlich der Verwaltung der Treuhand endgültig geklärt seien, Gross, a.a.O., S. 430. 305

8 Wegen

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Hier ist die Einbettung des Treuhandabkommen in das System der UN und dessen Ausgestaltung in concreto entscheidend. Damit aber wird einer pauschalen Anwendung des perpetuatio jurisdictionis-Gedankens auch hier eine Absage erteilt werden müssen. 309 Zurecht betonte der IGH, daß sich eine andere Bewertung ergeben könne, wenn der klägerische Staat Schadensersatz oder Genugtuung für vergangene Verletzungen des Treuhandabkommens gefordert hätte. Das war aber nicht der Fall. 310 Davon getrennt zu sehen sind schließlich weitere Fragen, die auch mit der Frage nach Schadensersatz verknüpft sind, um eine Anwendung der Jurisdiktionsklausel doch zu bejahen: die nach den Wirkungen eines Feststellungsurteiles bzw. die Frage der Genugtuung. 3l1 Während der Hofformal mit dem "Wesen der Rechtsprechung" argumentierte,312 nahm er aber tatsächlich eine Jurisdiktionsprüfung im Nordkamerun-Fall vor, die die hier vertretene Ansicht stützt: der IGH hat zutreffend die Jurisdiktion zum Zeitpunkt des Außerkrafttreten des Vertrages geprüft. Nachdem der Hof nämlich feststellte, daß eine "schlichte Streitigkeit" vorläge 313 , 309 So auch sehr ausführlich Sep. Op. Wellington Koo, Northern Cameroons, Judgment, lCJ Rep. 1963, S. 15 (51 ff., 56 ff.), der aber mehr mit dem Verhältnis von lGH und UNGA im Rahmen des Treuhandsystems und mit der kompromissarischen Klausel argumentiert, die die Anrufung des lGH vorsieht, wenn der Streit nicht anders beigelegt wird: Wellington Koo, a.a.O., S. 61, hält die definitive Beendigung der Treuhand für eine zugleich allgemeine anderweitige Streitbeilegung aller Treuhandstreitigkeiten: "Therefore, when the ultimate objective of a Trust is attained, and the particular Trusteeship Agreement is terminated, all questions relating to the Administering Authority's observance ofthe obligations thereunder are obviously intended to have been settled also. Doubtless, this was the intention and purpose of resolution 1608 (XV), which is a legally valid act of the competent body". So auch Wegen, Mootness, S. 72. Vgl. im übrigen G. White, International Court ofJustice -Judgment in Case ofNorthern Cameroons- The Judicial Function, Cambridge L.J. 1965, S. 9 (12). 310 Northern Cameroons, Judgment, lCJ Rep. 1963, S. 15 (35): " a claim for reparation would not be liquidated by the termination of the Trust". Vgl. so auch Sep. Op. Sir Gerald Fitzmaurice, a.a.O., S. 120. 311 Hierzu Gross, Limitations, AJIL 54 (1964), S. 415 (419 ff.); Sep. Op. Morelli, Northern Cameroons, Judgment, lCJ Rep. 1963, S. 15, (138); Sep. Op. Fitzmaurice, a.a.O., S. 97; Diss. Op. Badawi, a.a.O., S.151, 153; Diss. Op. Bustamante, a.a.O., S.l72; zu dem parallelen Korfu Kanal-Fall siehe insbesondere Sep. Op. Morelli, a.a.O., S. 144, contra: Sep. Op. Fitzmaurice, a.a.O., S. 98. Dazu insgesamt Gross, Limitations, AJIL 58 (1964), S. 415 (421 ff.). Der Hof selbst operierte mit dem "Wesen der Rechtsprechung", welches ihm Grenzen setzte, deren Einhaltung er selbst stets überprüfen müsse. Diese Grenzen prüft der Hofim Nordkamerun-Fall noch vor seiner Zuständigkeit, weil es um eine (so nicht ausgesprochen charakterisierte) "prepreliminary question" gehe, Northern Cameroons, Judgment, lCJ Rep. 1963, S. 15 (29); letztere Probleme hat Sir Gerald Fitzmaurice in seiner sehr gewichtigen Separate Opinion angesprochen, a.a.O., S. 97 ff. 312 Dazu die vorhergehende Fußnote und Münch, Wesen der Rechtsprechung, ZaöRV 31 (1971), S. 712; Miaja de la Muela, Sobre los limites de la funci6n jurisdiccional dei tribunal internacional de justicia, Rev. Espanola Derecho lnt'l 17 (1964), S. 344. 313 Northern Cameroons, Judgment, lCJ Rep. 1963, S. 15 (27). Zum Begriff ausführlich Wegen, Mootness, S. 36 ff.; im deutschen Schrifttum Kewenig, Kernkraftversuche, S. 323,

2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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prüfte er nicht, ob auch eine Streitigkeit im Sinne der jurisdiktionsbegründenden Norm vorläge, sondern er nahm nur "arguendo" an, daß das Vorbringen des Klägers inhaltlich richtig sei, und die kompromissarische Klausel jeweils die vorgetragene Streitigkeit umfaßte. Er nahm weiter an, daß die kompromissarische Klausel Streitigkeiten umfaßte, die den Kläger direkt in ihm zustehenden Rechten berührten. Danach verneinte der Hof ein Klagebegehren, welchem er stattgeben könnte. Der Hof ging dann alle Möglichkeiten von Klagebegehren durch, für die die Jurisdiktion über die Beendigung des Sachvertrages hinaus hätte angezogen werden können. 314 Der Hof stellte fest, daß ein solches Klagebegehren nicht vorläge, und daß die Jurisdiktionsklausel nicht die Feststellung vergangener Vertragsverletzungen urnfaßte, um diese zur Grundlage weiteren rechtlichen Handeins zu machen. 315 Hinsichtlich der früheren Vertragsverletzungen sei mit Beendigung der Treuhand jegliche Jurisdiktion entfallen. 316 In einem zweiten Schritt nahm der Hof dann an, daß die kompromissarische Klausel auch - was streitig war - Klagen im allgemeinen Interesse an der ordnungsgemäßen Durchführung der Treuhand umfassen sollte. 317 Dazu führte der Hof aus, daß mit dem Außerkrafttreten des Treuhandabkommens der gesamte Überwachungsapparat ersatzlos hinfällig geworden sei, daß die UN keine Rechte mehr hätten, und daß es keine zu schützenden Einwohner in dem Treuhandgebiet, ja kein Treuhandgebiet selbst mehr gäbe. 318 Damit aber, um das bereits angeführte Zitat zu ergänzen, kam der Hof zu dem Ergebnis: "The Court cannot agree that under these circumstances the judicial protection claimed by the Applicant to have existed under the Trusteeship System, would have alone survived when all ofthe concomitant elements to which it was related had disappeared. Accordingly, the Republic of Cameroon would not have had a (333). Zu Unrecht nehmen die meisten Autoren an, daß der Hof hier das Vorliegen einer Streitigkeit im Sinne der kompromissarischen Klausel geprüft habe; Gross, Limitations, AJIL 58 (1964), S. 415 (418); de Visscher, Aspects recents, S. 35; vgl. aber Abi-Saab, Exceptions, S. 240. 314 "But the Court is not asked to redress the alleged injustice; it is not asked to detach territory from Nigeria; it is not asked to restore to the Republic of Cameroon peoples on territories claimed to have been lost; it is not asked to award reparation of any kind". Northern Cameroons, a.a.O., S. 32, 33. 315 "Since the Court has not, in the Applicant's submissions, been asked to review that conclusion of the General Assembly, adecision by the Court, for example that the Administering Authority had violated the Trusteeship Agreement, would not establish a causal connection between that violation and the result of the plebiscite". Northern Cameroon, a.a.O., S. 33. 316 "It (Kläger) has not asked the Court to find any causal connection between the alleged maladministration and the result of the vote favouring union with the Federation of Nigeria". Northern Cameroons, a.a.O., S. 33. 317 Northern Cameroons, a.a.O., S. 35. D.h., daß die Klagebefugnis für alle UNMitglieder im Sinne des Art. 19 Treuhandabkommen gegeben war. 318 Northern Cameroons, a.a.O., S. 36. S"

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

right after 1 June 1961 when the Trusteeship Agreement was terminated and the Trust itself came to an end, to ask the Court to adjudicate at this stage upon questions affecting the rights ofthe inhabitants ofthe former Trust Territory and the general interest in the successful functioning of the Trusteeship System". 319 Das ist der zutreffende Standpunkt von von Mangoldt, daß es widersinnig sei, eine Jurisdiktion zu bejahen, um sie sogleich an weiteren Zulässigkeitsgesichtspunkten scheitern zu lassen. 32o Die Vorgehensweise des Hofes ist trotzdem unrichtig, ohne jegliche Jurisdiktionsprüfung die Klage in einem pre-preliminary Stadium wegen eines Verstoßes gegen die "judicial function" abzuweisen. 321 Es erscheint nämlich nicht möglich, einen "dispute-Begriff apriori" zu definieren und damit eine Art "Filter der offensichtlichen Unbegründetheit" in die internationale Gerichtsbarkeit einzuführen, wie dies Fitzmaurice in seinem Sondervotum ausdrücklich vorschlug, und der Hof de facto vormachte. 322 Vielmehr zeigte der Hof den richtigen Weg, in dem er nämlich die Jurisdiktionsklausel in der sie umgebenden Rechtsordnung heranzog und dann mit dem Streitgegenstand und dem klägerischen Begehren abglich, um festzustellen, ob die Jurisdiktion in concreto noch über das Außerkrafttreten des Sachvertrages hinaus für die unterbreitete Streitigkeit gegeben sein könnte. Ergibt sich aus der Interpretation des gesamten Vertrages, daß eine Aufrechterhaltung der Jurisdiktion sinnwidrig ist, dann sollte der Hof seine Zuständigkeit zum jetzigen Prüfungszeitpunkt verneinen. 323 Der Hof selbst sagte, daß eine Aufrechterhaltung der Jurisdiktionsklausel sinnwidrig sei, ohne daraus die zutreffende Konzequenz zu ziehen. 324

Northern Cameroons, a.a.O., S. 36 (Hervorhebungen vom Verf.). Von Mangoldt, Projekt, S. 114 f. 321 So auch Grass, Limitations, AJIL 58 (1964), S. 415 (423 ff.). 322 Sep. Op. Fitzmaurice, Northern Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15 (106 f.). 323 In Anlehnung an amerikanische Literatur wurde dies bereits begründet und bezeichnet als jurisdiction in specie, die auch noch zu einem Zeitpunkt, der später liegt als die Anhängigmachung des Streits, abgelehnt werden kann: Wegen, Mootness, S. 63 ff., insbes. S. 66. 324 "The Court observes that if in a declaratory judgment it expounds a rule of customary law or interprets a treaty which remain in force, its judgment has a continuing applicability. But in this case there is a dispute about the interpretation and application of a treaty - the Trusteeship Agreement - which has now been terminated, is no longer in force, and there can be no opportunity for a future act of interPretation or application of that treaty in accordance with any judgment the Court might render" . Northern Cameroons, Judgment, ICJ Rep. 1963, S. 15 (37). Allerdings brachte der Hof im Tenor zum Ausdruck, daß er nicht die Zuständigkeit verneinte, sondern schon früher in der Prüfung seiner Gerichtsbarkeit zur Wahrung seiner Rechtsprechungsfunktion sich nicht gehalten sah, eine Entscheidung in der Sache zu fällen: "The Court... finds that it cannot adjudicate upon the merits ofthe claim ofthe Federal Republic of Cameroon". Northern Cameroons, a.a.O., S. 38. 319

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2. Kap.: Abstrakte Jurisdiktionsbeendigung

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d. Folgerungen Die vorhergehenden Fallgruppen von Verträgen, in denen die angezogene kompromissarische Klausel nach Auslegung ergibt, daß eine perpetuatio jurisdictionis nicht ohne weiteres angenommen werden kann, lassen deutlich werden, daß die perpetuatio in engem Zusammenhang mit dem Streitgegenstand der unterbreiteten Streitsache und dem Rechtsschutzbegehren der betroffenen Streitparteien steht. Je nachdem, ob Z.B. Entschädigung oder Genugtuung für vergangenes Verhalten, oder nur eine isolierte Feststellung, begehrt wird, kann die Jurisdiktion weiter bestehen oder nicht. Damit aber kann es "kompromissarische Klauseln geben, bei denen der anhängige Streit je nach seiner Eigenart bei Außerkrafttreten des Vertrages mal "moot" wird, mal praktische Bedeutung behält. Hier ganz unterschiedslos den Wegfall der Gerichtsbarkeit zu postulieren, hieße, die Eigenheiten des konkreten Vertrages zu mißachten".325 Bei der Ermittlung der perpetuatio jurisdictionis- Wirkungen müssen die kompromissarischen Klauseln im Lichte der Klageschrift oder der Schiedsordnung interpretiert werden, und folglich die "saisine", die Jurisdiktionsbegründung, die Definition des Streitgegenstandes und die Erfassung des Begehrens der Streitparteien zusammen gesehen werden. Nichts anderes ergibt sich bereits aus der Nottebohm-Entscheidung, wenn dort gesagt wird, daß "le depot de la requete n'est que la condition pour que la c1ause de juridiction obligatoire produise effet ä l'egard de la demande qui fait l'objet de la requete".326

325 Von Mangoldt, Projekt, S. 115. Für einen ausschließlich gerichtsbezogenen Ansatz zur Lösung dieser Problematik, siehe Van Dijk, Judicial Review, S. 372 ff. 326 Nottebohm, Prelirninary Objection, Judgment, lCJ Rep. 1953, S. 111 (123).

3. Kapitel

Konkrete Jurisdiktionsbeendigung I. Originäre und sekundäre Jurisdiktionsbeendigung

Bei der konkreten Jurisdiktionsbeendigung wird mit Blick auf einen bereits anhängigen Streitkomplex der damit befaßten Instanz die konkret begründete Zuständigkeit entzogen, notfalls insgesamt die generelle und spezielle abstrakte Jurisdiktion. Es wurde bereits zwischen Varianten originärer und sekundärer Beendigung unterschieden. 327 Im ersteren Falle wird die Jurisdiktion ausdrücklich aufgehoben, im letzteren ergibt sich dies nur aus der betreffenden Vereinbarung der Parteien und der Interpretation der Gesamtumstände. Wie bei der abstrakten Jurisdiktionsbeendigung, so finden auch hier die allgemeinen völker(-vertrags-)rechtlichen Regelungen Anwendung. 328 Hinsichtlich der völkerrechtlichen Vertretung der beteiligten Staaten läßt sich aus der Staatenpraxis eine fast durchgängige Übung feststellen, besonders dazu bevollmächtigte Vertreter die Jurisdiktionsbeendigung kontrahieren zu lassen. Allerdings ist es vorgekommen, daß die Prozeßagenten selbst einen umfassenden Vergleich einschließlich der Aufhebung der Instanz schlossen. In diesen Fällen wurde dann aber das völkerrechtliche Instrument selbst von ihnen als dazu besonders bevollmächtigten Botschaftern geschlossen. 329

11. Originär konkrete Jurisdiktionsbeendigung 1. "Halbständige" Instanzen

a. Allgemeines Originäre Jurisdiktionsbeendigung läßt sich in der internationalen Praxis, insbesondere für halb ständige (Schieds-) Instanzen feststellen, d.h. bei ad hoc Siehe oben Text bei Fn. 8ff. So meint denn dei Vecchio, Le parti, S. 231, daß die Frage der völkerrechtlichen gütlichen Einigung kein besonderes dogmatisches Erkenntnisinteresse beinhalte. Vgl. aber Witenberg, Recevabilite, RdC 41 (1932 II), S. 5 (31 ff.). Hier werden die materiellrechtlichen Varianten der Erledigungsklauseln von Ansprüchen nicht weiterbehandelt, dazu Witenberg, ibid. 329 Vgl. die Fälle bei Stuyt, Nm. 123, 124, 125; vgl. aber auch Nr. 224, wo kein Staatsvertrag geschlossen wurde, und Nr. 431, in dem die Prozeßagenten, zugleich als Staatsvertreter eine gemeinsame Erklärung abgaben, die das Schiedsgericht zu den Akten nahm. 327 328

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eingerichteten Schiedskommissionen und -gerichten, die eine Vielzahl von Ansprüchen abwickeln, die aus einem in der Vergangenheit abgeschlossenen Streitkomplex resultieren. 33o Bei diesen Instanzen wird man zwei Ebenen der Jurisdiktion auseinanderhalten müssen. 331 Die generell / speziell abstrakte Jurisdiktion kann nur durch die jeweiligen Rechtssubjekte beendet werden, d.h. die Staaten. Bei der Beendigung der konkreten Jurisdiktion ist es denkbar, daß dies durch die Staaten selbst oder die im übrigen zur Betreibung des Verfahrens Ennächtigten geschieht. Je nach Ausgestaltung der jurisdiktionsbegründenden Instrumente und der Verfahrensordnungen können dies andere Entitäten als Staaten sein. 332 Damit aber wird der -in diesem Hauptteil nicht behandelteBereich des Vergleichs und seiner prozessualen Folgen und die Klagerücknahme als Instrument der Verfahrensbeendigung für den konkreten Streit angesprochen. Letzteres ist Gegenstand der Hauptteile 3 und 4. Nur der erstere Fall wird im folgenden behandelt. b. Die Praxis Bis zum I. Weltkrieg 333 wurden halbständige Instanzen in sieben Fällen ausdrücklich im Rahmen einer Gesamtregelung des jeweiligen Streitkomplexes aufgehoben oder abgeschafft. 334 In den jeweiligen endgültigen gütlichen Einigungen wurde in zwei Fällen die Vorschrift über die Errichtung der (Schieds-)Instanz aufgehoben. 335 In vier weiteren Fällen wurde in der gütlichen Regelung des Gesamtstreitkomplexes niedergelegt, daß die Tätigkeit der bisher aktiven Schiedsinstanzen beendet ist. 336 Nur einmal scheint ausdrücklich vereinbart worden zu sein, daß die Schiedsinstanz aufgelöst wird. 337 330 Von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 87: "Im Grunde sind das keine echten ständigen Schiedsgerichte, sondern letztlich doch nur für die Erledigung eines Bündels, statt einer einzelnen Streitigkeit, weitgehend parallel liegender, bereits entstandener Streitfälle eingerichtete ad hoc-Instanzen". Vgl. Wengier, Lehrbuch, Bd. 1, S. 718. 331 Dies gilt ebenso für die Gruppe sekundärer Jurisdiktionsbeendigung. 332 Wie z.B. der Einzelne vor den Gemischten Schiedsgerichtshöfen und ähnlichen Instanzen klageberechtigt sein konnten, dazu insgesamt, Hallier, Schiedsinstanzen, S. 51 ff. 333 Da die Streitbeileglffigspraxis nur teilweise zugänglich ist, gelten die folgende Aussagen cum grano salis, gestützt auf die in der Literatur bearbeiteten Fälle. Die Darstellung muß deshalb kursorisch bleiben. 334 Interessanterweise sind fünf von den sieben von Li/lieh / Weston, Lump Sum Agreements, Bd. 1, S. 28 Fn. 39 und S. 26 f. Fn. 36 zugleich als "lump sum agreement" (Pauschalentschädigungsabkommen) im Sinne ihrer Definition bezeichnet worden. Diese hohe Korrelation scheint aber Zufall zu sein. 335 (1) Stuyt, Nr. 2, Artikel6desJAV-Vertrages wurde durch Abkommen vom 8.1.1802 zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich aufgehoben, Lafontaine, S. 4. (2) Durch Abkommen vom 22.2.1819 zwischen den Vereinigten Staaten und Spanien wurde der Artike112 des früheren Freundschaftsvertrages, der eine Schiedskommission vorsah, ebenso schlicht aufgehoben, Lafontaine, Pasicrisie, S. 79.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Auch nach dem 1. Weltkrieg gab es Fälle originärer konkreter lurisdiktionsbeendigung bei "halbständigen" Instanzen; so bei den Gemischten Schiedsgerichtshöfen des Versailler Friedensvertrages. Das Liquidationsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und Italien enthielt eine sehr weitgehende Regelung; in Artikel 2 wurden alle einschlägigen Ansprüche als endgültig geregelt angesehen, auch wenn diese bereits vor dem Gemischten Schiedsgerichtshof anhängig waren; Artikel 5 sah darüberhinaus vor, daß der Hof alle noch anhängigen Verfahren einzustellen hatte und anschließend aufgelöst sei. 338 Andere Liquidationsabkommen sahen einen materiellen Verzicht auf alle Ansprüche, auch auf die bereits anhängigen, vor. 339 Wiederum andere Liquidationsabkommen entzogen den Gemischten Schiedsgerichten die Zuständigkeit, über bestimmte - auch bereits anhängigen - Anspruchsgruppen zu judizieren, und wiesen die Instanzen an, darauf (1) Stuyt, Nr. 21: So heißt es in Artikel 6 des Abkommens vom 25.4.1818 zwischen den Allierten Mächten und Frankreich: "En consequence des dispositions precedentes les commissions mixtes instituees par l'Art. 5 de la Convention du 20 Novembre 1815 cesseront le travail de liquidation ordonee par le meme Convention". De Martens, Nr.III, Bd. 3, S. 417; Lafontaine, S. 107. (2) Stuyt, Nr. 26: In dem lump sum agreement "Convention between His Majesty (UK) and the Catholic King for the final settlement of the claims of british and spanish subjects under the Convention concluded at Madrid, the 12th of March 1923" vom 28.10.1828 heißt es in Artikel XI: "To prevent any of those claims which shall be satisfied by the present Convention, from again being produced under any other form or pretence ... the mixed Commission, prior to the cessation ofthe exercice ofits functions ... " De Martens, Nr. Bd. 7, Teil 2, S. 727; Lafontaine, S. 88. (3) Stuyt, Nr. 134 (und 139, 143): In diesem lump sum agreement zwischen Chile und dem Deutschen Reich vom 23.8.1887 (auch Österreich und die Schweiz) vom 22.4.1887 heißt es in Artikel 1: "Se declaran terminados las funciones del Tribunal Chileno-Germanico". Lafontaine, S. 276. (4) Stuyt, Nr. 181: Das "arrangement du 2.2.1896" zwischen Frankreich und Chile bestimmt in Ziffer 1: "Il est mis fin au fonctionnement du tribunal franco-chilien institue par le traite du 19.10.1894.... pour connaitre et decider. .. ". Lafontaine, S. 484, vg!. Witenberg, Organisation judiciaire, S. 343/4, Fn. 4; de Martens, NRG, 2 serie, Bd. 28, S. 231. 337 Stuyt, Nr. 25: Im Rahmen mehrerer Sklavenhandelsansprüche-Konventionen wurde eine einvernehmliche Regelung der Streitsache erreicht. In dem Abkommen vom 13.11.1826 zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA heißt es in Artikel 5: "It is agreed that from the date ofthe exchange ofthe ratifications ofthe present convention, the joint commission appointed under the said Convention shall be dissolved ... " De M artens, Nr. III, Bd. 6, S. 1076; Lafontaine, S. 20. 338 Liquidationsabkommen vom 20.1.1930, RGB!. 1930 II, S. 586: Artikel 5: "Das auf Grund des Artikels 304 des Vertrages von Versailles bestellte deutsch-italienische Gemischte Schiedsgericht wird aufgehoben .... Die vor dem Gemischten Schiedsgericht und vor dem Schiedsrichter schwebenden Verfahren werden eingestellt". 339 Deutsch-polnische Übereinkunft und Protokoll vom 31.10.1929, Ziffern 1, 2, RGB!. 1930 II, S. 557. 336

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gestützte Klagen als unzulässig abzuweisen. Grundsätze der perpetuatio tori sollten nur auf die nicht ausdrücklich geregelten Ansprüche Anwendung finden. 34O Schließlich wurde verschiedentlich die Aufhebung der Gemischten Schiedsgerichte für alle künftigen Fälle vereinbart, die Abwicklung der noch anhängigen aber zugelassen. 341 In der Praxis nach dem 2. Weltkrieg scheint sich durchgesetzt zu haben, daß (Schieds-)Instanzen halbständiger Art zwar aufgehoben werden, jedoch nur mit einer festen Fristenregelung, oder, bei ad hoc-Vereinbarungen, mit zumindest teilweiser Anwendung von perpetuatio fori-Gedanken. 342 Die vorhergehende geschilderte Staatenpraxis unterstützt die These, daß es den völkerrechtlichen Vertragspartnern stets frei steht, "im gegenseitigen Einvernehmen Vertrag und Schiedsinstanz aufzuheben", auch wenn dem Einzelnen ein Klagrecht eingeräumt worden ist. 343 Die Problematik der Disponibilität des dem Einzelnen eingeräumten Klagerechts kann hier nicht vertieft werden. Es werden Grundfragen des diplomatischen Schutzes, der 340 So das Liquidationsabkommen vom 31.12.1929·zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich in Artikel 12, RGBI. 1930 II, S. 562; identisch das Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Vereinigten Königreich vom 28.12.1929, RGBI. 1930 II, S. 552 in Artikel 11 : dieses Abkommen scheirit Hallier, Schiedsinstanzen, S. 54, Fn. 255 nicht zu sehen. Ähnlich schließlich, doch stärker die Abscheidung von bereits anhängigen Klagen vornehmend, das Liquidationsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und Belgien vom 13.7.1929 sowie vom 16.1.1930 in jeweils Art!. 9 und 2, Ziff. 1,2; Artikel 4. 341 So das Deutsch-Siamesische Abkommen vom 12.2.1926 in Ziffer 1: " ... however, if any cases are still pending on such date before the said Tribunal, the latter shall be suppressed only from the date when the last pending case has been adjudicated or otherwise finally disposed of'. TAM, V, S. 982. Vgl. das Englisch-Bulgarische Abkommen vom 17.6.1927, in dem vereinbart wurde, daß die Autbebung des Gerichts jedenfalls keine Beeinträchtigung der Rechte der Parteien bedeuten dürfte, Tarn, VII, S. 1003. Vgl. Hallier, Schiedsinstanzen, S. 53. 342 Im Falle des Internationalen Gerichtshofes im Saarland wurde eine Ausschlußfrist für das Einreichen von Klagen und eine Abschlußfrist zur Bewältigung anhängiger Verfahren gesetzt, vgl. Hallier, Schiedsinstanzen, S. 54, Fn. 253. Beim Gemischten Schiedsgerichtshofirn Saarland wurden Endtermine gesetzt, bis zu denen alle anhängigen Verfahren abgewickelt werden mußten. Es kamjedoch zu mehreren Verlängerungen dieser Fristen, vgl. Hallier, Schiedsinstanzen, S. 54, Fn. 253. Im Falle der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland wurde von vornherein in deren Satzung eine zehnjährige Amtsdauer vereinbart mit der Maßgabe, daß nach deren Ablauf noch anhängige Verfahren abzuwickeln sind, Art. 1 (1) und (3), Hallier, Materialien, S. 27617. Besonders interessant ist die Schilderung der politischen Umstände, die die beteiligten Staaten veranlassen können, einen Streitbeilegungsmechanismus nicht aufzuheben, obwohl dieser ganz offensichtlich seinen Zweck erreicht hat: für das Schiedsgericht des Vertrages zwischen der BR Deutschland und Österreich zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen vom 15.6.1957 (Text: Hallier, Materialien; S. 402 ff.) bei SeidlHohenveldern, The Austrian-German Arbitral Tribunal, S. 100 ff. 343 Hallier, Schiedsinstanzen, S. 53 mwN.; ebenso Seidl-Hohenveldern, The AustrianGerman Arbitral Tribunal, S. 102; insbesondere Runtlstein, L'arbitrage international en matü:re prive, RdC 23 (1928 III), S. 427 (429 f.).

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

Qualifizierung des Klagerechts als prozessual und der "wohlerworbenen Rechte" akut. 344 2. Ad hoc (Schieds-)Instanzen

Im Falle isolierter ad hoc-Instanzen scheint es kaum originäre Jurisdiktionsbeendigungen gegeben zu haben. Eventuell einschlägige Fälle konnten nicht aufgeklärt werden. Im Simpson-Fall wurde dem Einzelschiedsrichter der Streit nach Unterbreitung entzogen. Es ist denkbar, daß die Parteien hier dem Einzelschiedsrichter die Jurisdiktion wegen Beweismangel entzogen. 345 Allerdings heißt es zu dem Fortgang des Verfahrens nur: "This claim was withdrawn from the consideration ofthe Arbitrator for want of evidence. November 28,1902".346 Im Falle der Entführung des Salomon aus der Schweiz 1935 durch Deutsche kam es zu keinem Spruch des aufgrund des allgemeinen deutsch-schweizerischen Schiedsvertrages von 1921 errichteten Schiedsgerichts,347 denn nach dem ersten Wechsel von Schriftsätzen überstellte das Deutsche Reich Salomon an die Schweiz. 348 Allerdings läßt sich nicht klären, in welcher Form genau die Tätigkeit des Schiedsgerichts beendet wurde. Es hieß lediglich in einer Pressenotiz, "that the parties are in accord in terminating the arbitral procedure by an agreement".349 Sonderlagen stellen darüberhinaus die gütlichen Einigungen der Streitparteien im "Tavignano"-Fall,350 dem Deutschen Säkularen EigentumsStreit, 351 und dem USamerikanisch-kanadischen Gut Dam-Streit 352 dar. Es 344 Zum Ganzen sehr gut die zuvor zitierten Autoren mit vielen Nachweisen, insbes. Hallier, Schiedsinstanzen, S. 51 ff. und Borchard, Diplomatie Proteetion, S. 366 ff. 345 Die Einsetzung des Einzelschiedsrichters erfolgte durch ad hoc-Vereinbarung zwischen Brasilien und den Vereinigten Staaten vom 6.9.1902, de Martens, NRG, 2 series, Bd. 31, S. 406: die Entscheidung sollte sich im wesentlichen auf nicht bekanntes, innerhalb kürzester Fristen dem Richter vorzulegendes Beweismaterial stützen. 346 Stuyt, Nr. 248; vgl. von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 67. 347 Hierzu Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 22 f. 348 Wohl in Vorwegnahme des konkret zu erwartenden Schiedsspruches in der Sache. 349 Preuss, Settlement ofthe Jakob kidnapping case, AJIL 30 (1936), S. 123; vgl. auch Preuss, Kidnapping offugatives fromjustice on foreign territory, AJIL 29 (1935), S. 502. 350 Scott, The Hague Court Reports (1916), S. 622, für den Text; vgl. Hudson, PCIJ 1934, S. 22; Hudson, PCIJ 1943, S. 26; von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 67, Fn. 261 und S. 68, Fn. 264. Unrichtig die Darstellung bei Ralston, Athens/Locarno, S. 294, der noch meinte, die Beilegung des Streites erfolgte aufgrund des Berichts der U ntersuchungskommission, während tatsächlich der Fall einem bereits für ähnliche Fälle gebildeten Schiedsgericht unterbreitet wurde und kurz vor (vier Tage) der Entscheidung in den anderen Fällen durch die nationalen Richter verglichen wurde. Vgl. dazu weiter Scott, The Hague Court Reports (1916), S. 616 ff.; Stuyt, Nr. 308; vgl. J.P.A. Franfois, La Cour permanente d'arbitrage, son origine, sajurisprudence, son avenir, RdC 87 (1955 I), S. 461, 533. 351 RIAA, XVI, S. 1; dazu von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 68, Fn. 267; BTDrs. IV /2516: hier wurde der Einzelschiedsrichter als "amiable compositeur" tätig. Vgl. Dei Vecchio, Le parti, S. 232, Fn. 7, die die Einstellungsverfügung unzutreffenderwei-

3. Kap.: Konkrete Jurisdiktionsbeendigung

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wurde zwar keine originäre Jurisdiktionsbeendigung vereinbart, aber doch die gemeinsame Notifikation einer gütlichen Einigung in der Sache an die Schiedsinstanzen bzw. ein gemeinsamer Antrag an die Instanz, von der Regelung Kenntnis zu nehmen und ein Exemplar der Einigung zu den Akten zu nehmen, vorgenommen. Die (Schieds-)Instanzen nahmen dann in einer Verfügung von der gütlichen Regelung Kenntnis. 353 Damit aber erscheint die originäre Jurisdiktionsbeendigung bei ad hoc isolierten (Schieds-)Gerichten in der Staatenpraxis eine krasse Ausnahme zu sein. 354

se als "sentenza arbitrale" bezeichnet. Dazu siehe Wegen, Discontinuance, AJIL 76 (1982), S. 727, Fn. 73 und Wühler, German Secular Property in Israel Case, EPIL 2, S. 116. 352 Stuyt, Nr. 431; von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 68, Fn. 266; Handl, Gut Dam Claims, EPIL 2, S. 126 ff. Im Gut Dam Streit löste sich das Gericht schlicht auf. Nach dem "Joint Statement" der Parteienvertreter vor dem Gericht verfügte es: "Now therefore the Tribunal records this settlement and dec1ares that the business of this Tribunal is dissolved,,, Goodman, Report ILM 9 (1969), S. 118 (142). 353 Diese Vorgehensweise unterscheidet sich auch vor allem von der in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit üblichen Praxis, einen "award on agreed terms" / "consentjudgment" oder "judgment d'accord" zu erlassen, in dem das Schiedsgericht den Vergleich in der Sache homologisiert bzw. als Urteil erläßt. Es gab ein solches "consent judgment" einmal in der völkerrechtlichen Schiedspraxis; im britisch-peruanischen Bergwerksstreit, Stuyt, Nr. 340, der durch den den Vergleich enthaltenden Spruch entschieden wurde, LNTS 10, S. 464. Diese Möglichkeit war im Komprorniß, Artikel 10, freilich ausdrücklich vorgesehen, LNTS 7, S. 280. Von Mangoldt bezeichnet diesen Fall unzutreffend als ohne einen Spruch in der Sache beigelegten, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 67. 354 Von Mangoldt zählt noch mehr Fälle auf, in denen bereits konstituierte und mit der Sache befaßten Gerichte keine Entscheidung in der Sache erließen, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 67 ff. Es handelt sich jedoch um nicht einschlägige Fälle; z.B. wurde die Arbeit der (Schieds-)Instanzen faktisch beendet, weil Schiedsrichter einer Seite an der Arbeit des Tribunals nicht teilnahmen, so im Falle des französisch-tunesischen Schiedsgerichts, RIAA XII, S. 271, oder weil Schiedsrichter ihr Amt niederlegten, so im Buraimi OasenFall, Stuyt, Nr. 421; dazu insbesondere von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 68, Fn. 270; Münch, Buraimi Oasis Dispute, EPIL 2, S. 41 mwN. Daneben steht der Samoanische Ansprüche-Fall, Stuyt, Nr. 227 und Nr. 229, in dem das Gericht zunächst ein "Grundurteil" über die Genugtuungspflicht erließ und die Bestimmung des Schadensersatzes für einen weiteren Verfahrensabschnitt reservierte, die Parteien sich dann aber über die Entschädigung vor einern weiteren Verfahren einigten, vgl. RIAA IX, S. 15 ff.; dazu Pennfield, The Settlement ofthe Samoans Claims. AJIL 7 (1913), S. 767. Schließlich sind ebenso zwei Fälle nicht einschlägig, in denen jeweils eine einvernehmliche Regelung des Streits erfolgte, bevor ein Gericht damit befaßt wurde, so im kolumbianisch-peruanischen Grenzstreit von 1906, in dem, abhängig vorn Ausgang einer Arbitrage zwischen einern Drittstaat und Peru (Stuyt, Nr. 149), jedoch ein Stillhalteabkommen als Modus vivendi geschlossen wurde, welches zu einer endgültigen Regelung ohne Anrufung des Einzelschiedsrichters führte, Stuyt, Nr. 281 und de Martens, NRG, 3eme serie, Bd. 6, S. 635; überdies im französisch-venezolanischen Fall, der nach Abschluß der Schiedsordnung, doch noch vor Anrufung der vereinbarten Instanz durch Protokoll vorn 14.1.1915 beigelegt wurde: Stuyt, Nr. 309 (vgl. Nos. 242, 260); JO (Frankreich) 94 (1915), 1902.

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1. Hauptteil: Abgrenzung und Darstellung der Jurisdiktionsbeendigung

III. Sekundäre Jurisdiktionsbeendigung Viel häufiger als die direkte Aufhebung der eingesetzten Instanz im Falle einer einvernehmlichen Regelung sind in der Staatenpraxis die Fälle der Jurisdiktionsbeendigung, die sich implizit durch die Auslegung der vertraglichen Instrumente und völkerrechtlichen Vorgänge selbst ergeben. Dies kann im Titel selbst des Vertragstextes zum Ausdruck kommen 35S , im Vorspann deutlich werden 356 , oder sich aus den einzelnen Vorschriften der Abmachung bzw. aus der Gesamtinterpretation ergeben, daß als stillschweigende Klause\357 die Auflösung der mit der (schieds-)gerichtlicht:n Beilegung der den Gegenstand der gütlichen Einigung bildenden Streitigkeit befaßten Instanz mitvereinbart gilt. Die Hinralligkeit des (Schieds-)Gerichts ergibt sich also sekundär. 358 So gab es im 19. und 20. Jahrhundert eine Reihe von quasi-ständigen Gerichten, über deren ihrer Tätigkeit zugrunde liegenden Streitigkeitskomplexe die Streitparteien sich einvernehmlich verständigten 359 und deren Jurisdiktion sekundär beendeten. 36o

355 Z.B. Convention entre la Grande-Bretagne et la France pour l'arrangement final des reciamations des sujets de sa Majeste Britannique envers le Gouvemment Fran~ais signee a Paris, le 25 Avri11818, Lafontaine, S. 103, Stuyt, Nr. 22. 356 Vgl. Agreement between Great Britain and Portugal, London, 26th August 1842; Lafontaine, S. 96, Stuyt,. Nr. 35. 357 Bos, Conditions du proces, S. 261: "ciause sous-entendu". 358 In Bezug auf Streitigkeiten aus der Ausübung diplomatischen Schutzes wollen LilUch / Weston, Lump Sum Agreements, Bd. 1, S. 26, von 1789 bis 1939 ca. 249 Fälle der Streitbeilegung durch Schiedsinstanzen und 26 Fälle von Pauschalabkommen gezählt haben. Von diesen 249 Schiedsverfahrenskomplexen ("adjudications") sollen 25 zu "inconciusive results" (wohl Beendigung aus sonstigen Gründen, die nicht zu einem settlement führten) und 30 zu "settlements by agreement" geführt haben. Dies bedeutete eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Jurisdiktionsbeendigungen. Da hierin wiederum 7 lump sum agreements enthalten sind, von denen 5 der originären Jurisdiktionsbeendigung zuzurechnen sind, bleiben hier z.B. 23 gütliche Einigungen übrig, von denen 21 sekundär die Jurisdiktion beendeten und nur 2 originär. 359 Es sollte nochmals betont werden, daß es sich hier nicht um die Beilegung der konkreten Einzelstreitigkeit zwischen den Klageberechtigten handelt, deren Regelung durch Jurisdiktionsinstrument oder Verfahrensordnung vorgesehen sein kann: so bei den Mixed Claims Commissions, den Gemischten Schiedsgerichtshöfen des Versailler Vertrages oder den mit Modellregeln arbeitenden halbständigen oder ad hoc Instanzen; Model Rules on Arbitral Procedure 1958, ICSID Verfahrensregeln oder UNCITRAL Verfahrensregeln. 360 Beispiele für die Auflösung halbständiger Instanzen siehe Stuyt, Nm. 5, 16, 22, 33/40,34,35,64,109,123,124,125,192,193,309 (Mit 242 und 260),355,356,431. Siehe auch teilweise die Praxis bei den Gemischten Schiedsgerichtshöfen nach dem Versailler Friedensvertrag wie zuvor geschildert. Weiterhin das Abkommen vom 19.11.1888 zwischen Chile und Portugal, British State & Foreign Relations Papers, Bd. 82 (1889/90), S. 1292 und Lillich/ Weston, Lump Sum Agreements, Bd. 1, S. 27, Fn. 76, No. 17; Vertrag vom 19.11.1896 zwischen Brasilien und Italien, Lafontaine, S. 519.

3. Kap.: Konkrete Jurisdiktionsbeendigung

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Es kann -und zwar überwiegend- vorkommen, daß sich die betreffenden Streitparteien ins Einvernehmen setzen und den Streit direkt beilegen, ohne die ad hoc errichtete (Schieds-)Instanz ausdrücklich aufzuheben. 361 Eine Sonderlage ergibt sich bei einer Reihe von ad hoc isolierten (Schieds-) Instanzen, für die die Geltung eines bestimmten Musters von Verfahrensregeln vereinbart ist, oder die innerhalb von Streitbeilegungsmechanismen eingerichtet werden, die permanent zur Verfügung stehen, aber ad hoc in Anspruch genommen werden. Hier kann einmal eine Beilegung erfolgen, indem die Jurisdiktion nach allgemeinen Völkerrecht beendet wird; oder die (Schieds-)Instanz durch Verfahrenshandlungen des Prozeßrechts im engeren Sinne beendet wird. Dabei werden Verfahrenserledigungsmechanismen herangezogen, die in den Hauptteilen 3 und 4 besprochen werden. Zwar wird formal nur die angezogene Instanz beendet, zugleich aber funktionell die Jurisdiktion der ad hoc gebildeten Instanz. Diese Fälle werden in den Hauptteilen 3 und 4 mitbehandelt, denn eine Klagerücknahme kann durchaus die Jurisdiktionsbeendigung der Instanz bedeuten. 362 IV. Einseitige konkrete Jurisdiktionsbeendigung Es gibt keinerlei Vertragspraxis dahin, daß die Beendigung der konkreten Jurisdiktion einseitig möglich ist. Dieses Ergebnis wurde schon für die abstrakte Jurisdiktionsbeendigung gefunden. Auch die einmal angezogene Instanz für den konkreten Streit kann ihrer Zuständigkeit nur durch einvernehmlichen Willensakt beraubt werden. Es gelten die Grundsätze des "pacta sunt servanda", ebenso wie eher prozeßrechtliche Argumente mit dem Vertrauensschutz, und dem prozessualen Klaganspruch wie bei der abstrakten Jurisdiktion.

361 Beispiele für die Auflösung ad hoc errichteter Instanzen, siehe Stuyt, Nm. 57, 86, 106,136, 140, 141, 159, 160, 163, 166, 194,204,213,222 (teilweise), 223, 229 (Einigung über Schadensersatz bei dafür reserviertem Verfahren: 227, 231, 281,308,396 b. Davon zu trennen sind die Fälle des "consent judgment", siehe Stuyt, Nm. 174,340 und den SantosFall vom 22.9.1896, Lafontaine, S. 449 und Witenberg, Organisationjudiciaire, S. 343, Fn. 3. Für einige Fälle der Beendigung der Instanz, die zu "inconclusive results" geführt haben, siehe Stuyt, Nm. 69, 80, 110, 224, 248, 404, 412, 421 und 296 (mit 144 und 179). Für eine Art protokollierten Vergleich vor einer isolierten Instanz, siehe Stuyt, Nr. 431. 362 Als Beispiele seien hier genannt insbesondere die Model Rules on Arbitral Procedure (Artt. 22, 23), die Einleitungs und Schiedsordnungen der ICSID (Rule 8 und Rules 43, 44, 45), und die UNCITRAL Schiedsordnung (Art. 34), siehe den Abdruck der einschlägigen Texte im Anhang I jNm. 27, 28, 30.

2. HAUPTTEIL

Grundlagen und Geschichte 1. Kapitel

Ausgrenzungen verschiedener Prozeßrechtsinstitute und -situationen I. Desistement - Discontinuance: Bedeutungsinhalt Für das Verständnis der Regelung von Vergleich und Klagerücknahme im internationalen Prozeß ist der Begriff des "desistement" oder der "discontinuance" entscheidend. Schon in den Beratungen zur VerfO des StlGH wurde darauf hingewiesen, daß "desistement" ein schillernder Begriff sei. Er umfasse im französischen Recht die einseitige wie auch die übereinstimmende Klagerücknahme, weil es entscheidend auf die damit bewirkte Rechtsfolge der Beendigung des aktuellen, anhängigen Verfahrens ankomme. 1 Das "Dictionnaire de la terminologie du droit international" definiert "desistement" im Jahre 1960: "A. Terme de procedure designant la renonciation a poursuivre une instance en justice de la part de la partie ou des parties par qui cette instance a ete introduite.

B. Terme pouvant servir a designer la renonciation a une pretention ou a un droit".2 Damit wird deutlich unterschieden zwischen der prozessualen (A) und der materiellen (B) Dimension des Begriffes "desistement". Die in internationalen Instanzen manchmal angedeutete Dichotomie des "desistement d'instance" und "desistement d'action"3, erweist sich als unzureichend. 4 Der 1GB hat es auch vermieden, diese Dichotomie zu übernehmen. 5 PCIJ, Series D, Nr. 2 (3rd add.), S. 853: Fromageot und Sir eeeil Hurst. Basdevant, Dictionnaire, S. 208. Dort werden als dem "desistement" entsprechende Ausdrucke angegeben: im Deutschen: Klagerücknahme (S. 665), im Englischen: Discontinuance (S. 688), im Spanischen: Desistimiento (S. 715), im Italienischen: Rinuncia und Rinuncia all' vitanza (ersteres auch als Verzicht) (S. 750). 3 VerfO EuGH: Vgl. Art. 77 ("Verzicht auf Geltendmachung der Ansprüche") und Art. 78 ("Rücknahme der Klage"), Anhang IINr. 9 (2); VerfO Belgisch-Deutsches TAM: Vgl. Art. 68 ("desistement de ses droit") und Art. 69 ("desistement d'instance"), Anhang I INr. 18 (1). 4 Darauf hat insbesondere Morelli in seiner Diss. Op. hingewiesen Barcelona Traction, (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6, (107). Vgl. auch Giardina, Arrangements amiabks, ClHll. 1

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1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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In der VerfO des IGH von 1978 wurde der Versuch gemacht, den Wortlaut der die Verfahrenseinstellung regelnden Vorschriften "wertungsneutral" zu halten. 6 Im Barcelona Traction-Fall bezogen die Parteien diametral entgegengesetzte Positionen. Während auf der einen Seite behauptet wurde, daß die Staatenpraxis die Begriffe beliebig verwendet?, wurde andererseits versucht nachzuweisen, daß die Begrifflichkeiten sehr akkurat und genau gewählt werden. 8 Ein Grundkonsens läßt sich feststellen. "Desistement / discontinuance" bezeichnet den Vorgang des Widerrufs, der Beendigung des Verfahrens durch den oder die, die das zu Widerrufende, zu Beendigende zunächst initiiert hatten. 9 Als gemeinsamer Nenner kann daher das Abstandnehmen von etwas bezeichnet werden. Weiter kann man zwischen der prozessualen und der materiellrechtlichen Ebene trennen. 10 Auf der prozessualen Ebene gibt es den prozeduralen Vorgang der Beendigung des konkreten Einzelstreitverfahrens ohne Urteil; dieser wird in dieser Arbeit als Einstellung des Verfahrens als Oberbegriff bezeichnet. Darunter fallen alle Vorgänge der auf Parteiwillen beruhenden Beendigung des Prozeßrechtsverhältnisses in ihren prozessualen Aspekten. 11 Diese sind auch von "desistement" und "discontinuance" umfaßt. 12 Die Einzelaspekte der Abgrenzung von Vergleich und Klagerücknahme zu anderen Instituten des Prozeß- und materiellen Völkerrechts werden im folgenden untersucht. e. Stud. 14 (1975), S. 337 (352); Tommasi di Vignano, Rinuncia, S. 51 ff.; Sulriu/i. lu tela, S. 373 ff. Vgl. aber Hallier, Schiedsinstanzen, S. 81, insbesondere Fn. 375. 5 Barcelona Traction (1. Phase) ICJ Rep. 1964, S. 6 (18t). Dazu auch die Erklärung des Richters Koretzky, a.a.O., S. 48, der ebenfalls auf die verkürzende Ausdrucksweise hinweist. Vgl. Rosenne, Law and Practice, Bd. 2, S. 536 f. Unzutreffend ist also die Behauptung von Mabrouk, Exceptions, S. 74, daß der IGH diese Dichotomie ins Völkerrecht getragen habe. 6 Vgl. hierzu unten 2. Kapitel. Es wird nur "se desister de l'instance" verwendet in Art. 88(1); Anhang [INr. 2(2). 7 Sir Humphrey Waldock, Plädoyer, Barcelona Traction, ICJ Pleadings, Bd. 2 (19), S. 88 ff. (insbesondere S. 97). 8 Dazu Diss. Op. Richter ad hoc Armand-Ugon, Barcelona Traction (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (117 ff.); Giardina, Arrangements arniables, Com. e Stud. 14 (1975), 9 Vgl. Scerni, Procedure, RdC 65 (1938 IlI), S. 565 (662): Diese sind auch von "desistement" und "discontinuance" um faßt. "Ie pouvoir de produire par une manifestation contraire, cest ä dire par une expresse declaration d'abandon ... ". 10 Das wird teilweise versucht mit der Dichotomie "instance" (= prozessual) und "action" (= materiell-rechtlich). Dazu MorelWs Diss. Op., Barcelona Traction (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (107). 11 Vgl. nur Hallier, Schiedsinstanzen, S. 80 12 Vgl. allein die zutreffende Überschrift der deutschen Fassung der VerfO des IGH von 1978 von Oellers-Frahm und Wühler, der Internationale Gerichtshof (IGH 1978), S. 160; Anhang [INr. 2 (2). Vgl. A. dei Vecchio, Le parti, S. 243 f.; Rosenne, Law and Practice, Bd. 2, S. 538. Davon zu unterscheiden der rechtstechnische Vorgang der "Streichung aus dem Register", welcher zumeist die Konsequenz sein wird: vgl. unten Text bei Fn. 202 ff.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

11. Ausgrenzungen zum Vergleich 1. Zum Vergleich im allgemeinen

Im Völkervertragsrecht gibt es keine normativen Kategorien des Vergleichs. 13 Auch hier bleibt es bei allgemeinem Völkervertragsrecht der souveränen Staaten. DeI Vecchio ging soweit anzunehmen, daß der Vergleich keine besonderen Probleme bereite, so daß sich kein besonderes dogmatisches Erkenntnisinteresse daran rechtfertige. 14 Streitfragen werden im Völkerrecht ganz überwiegend auf vertraglicher Basis gelöst. Jedoch läßt sich nicht daraus schließen, daß "tanto che nelle norme che disciplinano la procedura dei vari tribunali non si trova per 10 piu cenno di questo modo di soluzione delle controversie".15 In dieser Arbeit interessieren nicht die materiellen Völkervertragsrechtsregeln zum Vergleich, sondern nur Prozeßrechtsregeln zur Abwicklung bestehender Prozeßverhältnisse . Die "Einstellung des Verfahrens" berührt nur die Beendigung des Prozeßrechtsverhältnisses. Der materielle Vergleich stellt eine Grundlage dar, die zur Verfahrenseinstellung führen kann. Inwieweit der Vergleich ein besonderer Prozeßvertrag sein kann, wird im 3. Hauptteil untersucht. Jedenfalls ist es unrichtig zu behaupten, nur die Verfahrensordnungen der Gemischten Schiedsgerichtshöfe regelten den Vergleich. 16 2. Der materielle Vergleich

Der Vergleich stellt eine materiell-rechtliche gütliche Einigung in der Sache über den Streitkomplex dar: das "arrangement" oder die "transaction". Im Deutschen spricht man dann vom "außergerichtlichen Vergleich"Y Darunter 13 Zu den spärlichen inhaltlich bezogenen Kategorien des Völkervertragsrechts, vgl. Berber, Lehrbuch, Bd. 1, S. 443 ff.; Giardina, Arrangements amiables, Com. e Stud. 14 (1975), S. 337 (340 ff.) Vgl. Witenberg, Recevabilite, RdC 41 (1932 II), S. 5 (31 f.). 14 Dei Vecchio. Le parti, S. 231. 15 Dei Vecchio, Le parti, S. 231. 16 So aber dei Vecchio, Le parti, S. 232: dies läge nur daran, daß diese VerfO'en eng an nationale Rechtsordnungen angelehnt seien. Obwohl dei Vecchio zuzustimmen ist, daß prozessual im Vordergrund die Frage der Beendigung des Prozeßrechtsverhältnisses und nicht die Frage steht, warum es beendigt wird, so ist es zu pauschal und ungenau, wenn sie schlicht das Institut der "rinuncia", der "Verfahrenseinstellung", in den VerfO'en von EuGH und (St)IGH entdecken will: "quello della rinuncia che si concreta in due diverse ipotesi, ossia come risultato di un accordo delle parti 0 come dichiarizione unilaterale dello Stato attore. Viene quindi preso in esame il risultato di un atto di transazione e non l'instituto come tale," dei Vecchio, Le parti, S. 232. Zu Fällen der Regelung des Vergleiches siehe jetzt nur Eggers. Staaten beschwerde, S. 196 ff. und Hallier. Schiedsinstanzen, S. 82 ff. Zur älteren Schiedspraxis vgl. Witenberg, Organisation judicaire, S. 343 ff. Zur Aufarbeitung der Vergleichspraxis im (St)IGH siehe Giardina, Arrangements amiables, Com. e Stud. 14 (1975), S. 337 ff.

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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fällt zunächst die einvernehmliche Regelung eines ungewissen, streitigen Zustandes: das "arrangement": "A. Action d'arranger, de mettre en ordre, en une disposition convenable, ce qui ne l'est pas. Par extension, action de regler une affaire, une contestation, de mettre fin ä un litige. Par extension encore, ce reglement lui-meme. B. Terme employe parfois pour designer un accord international en quelque forme qu'il soit intervenu, destine ä regler une situation juridique difficile ou litigieuse" .18

In einem engeren Sinne fällt darunter auch die "transaction" im Sinne des deutschrechtlichen Vergleichs des § 779 BGB: "A. Accord par lequel deux on plusieurs Etats reglent une conte station entre eux en se faisant des concessions mutuelles. (Es folgen Definitionen von Vattel und Pradier-Fodere, die das gegenseitige Nachgeben, auch den gegenseitigen, zumindest teilweisen Rechtsverzicht betonen)." 19 Dieser außergerichtliche Vergleich hat direkt prozeßbeendigende Konsequenzen, wenn aufgrund einer übereinstimmenden Mitteilung der Prozeßparteien das Gericht den Abschluß des Vergleichs feststellt und das Verfahren beendet, wie dies in einer Reihe von VerfO'en vorgesehen ist. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen und Wirkungen eines solchen Vergleichs werden nur in Bezug genommen, soweit diese prozeßrechtliche Bedeutung haben. Davon ist die Frage zu trennen, welche Wirkungen der Vergleichsschluß selbst auf das anhängige Verfahren haben kann.

17 Meist als "accord sur la solution ä donner au litige" I "agreement regarding the settlement ofthe dispute" beschrieben: vgl. Art. 68 VerfO IGH, Anhang IINr. 2 (1); aber auch Art. 61 VerfO StIGH 1922, Anhang I/Nr. 1 (1). Der Vergleich ist geregelt in . folgenden Verfahrensordnungen: StIGH und IGH, Anhang IINr. 1 und 2; vgl. UN Tribunals for "Libya and Eritrea", Anhang I/Nr. 3; SchG und Gern. Kom. des LSchA, Anhang IINr. 4; Komprorniß im Peruanischen Bergwerksfall, Anhang IINr. 7; Model Ru/es on Arbitral Procedure, Anhang IINr. 8; EGKS und EuGH, Anhang IINr. 9: EuKEG, Anhang IINr. 10; und die Menschenrechtsgerichtshöfe, Anhang I I N rn. 13 (2), 14 (2); SchKomGRI, Anhang IINr.15; vgl. dieTAM, Anhang IINr.18 (1)-(6); UNCITRAL, Arbitration Rules, Anhang IINrn. 27 und 28; ICSID Arbitration Rules einschließlich der Additional Facility, Anhang IINr. 30. Noch getrennt zu nennen sind Prozeßvergleiche, awards on agreed terms, oder Formulierungen, daß Regelungen zur "Kenntnis" genommen werden. 18 Basdevant, Dictionnaire, S. 60. Bei Basdevant finden sich als Entsprechungen zu "arrangement" im Deutschen: Vergleich (S. 676); im Englischen: arrangement, settlement (S. 682 und S. 702); im Spanischen: arreglo (S. 708); im Italienischen: transazione (S. 753). 19 Basdevant, Dictionnaire, S. 612/613. Basdevant gibt als Entsprechung für "transaction" im Deutschen: Transaktion (S. 674), im Englischen: transaction (S. 703); im Spanischen: transacci6n (S. 728), und im Italienischen: transazione (S. 753), accordo transattivo (S. 731).

9 Wegen

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

3. Der Verfahrensvergleich

Vom materiellen Vergleich verschieden in seinem Inhalte ist der Verfahrensvergleich. 20 Hier kommen die Streitparteien überein, das konkret anhängige Verfahren nicht fortzusetzen. Die Einigung erfaßt nur das prozessuale Ziel, das tatsächlich angestrengte Verfahren vor der angerufenen Instanz nicht fortzusetzen; eine einvernehmliche Rücknahme des Rechtsschutzgesuches. 21 Der Verfahrensvergleich unterscheidet sich von einer einvernehmlichen Klagerücknahme dadurch, daß bei ersterem dem Gericht gegenüber die Einigung aller Streitparteien über den Widerruf des Rechtsschutzgesuches erklärt wird, während die einvernehmliche Klagerücknahme auf einer einseitigen Erklärung der Kläger beruht, die u.U. zu ihrer Wirksamkeit einer Zustimmung anderer Prozeßbeteiligter bedarf. 22 Der Begriff "einvernehmliche Klagerücknahme" wird in dieser Arbeit vermieden, um die unterschiedliche Konstruktion der Institute deutlich zu machen. Allerdings werden Verfahrensvergleich und Klagerücknahme beide häufig als "desistement" bezeichnet, um den Gegensatz dieser prozessualen Institute zum materiellen Vergleich zu betonen. 23 Ein Verfahrensvergleich hinsichtlich eines anhängigen Verfahrens beinhaltet nicht ohne weiteres ein pactum de non petendo 24 , nur eine übereinstimmende Verfahrensbeendigung bei zwischenstaatlichen Gerichten und den Verfahrensordnungen mit Modellcharakter.25 4. Der Prozeßvergleich

Der Verfahrensvergleich unterscheidet sich vom Prozeßvergleich dadurch, daß im letzteren Falle ein materiell-rechtlicher Vergleich in der mündlichen 20 Siehe: Scerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (660f.); dei Vecchio, Le parti, S. 235. Dagegen vgl. nur De Visscher, Aspects recents, S. 89. 21 Meist wird der Verfahrensvergleich bezeichnet als "renonciation d'un commun accord ä poursuivre l'instance" / "mutual agreement not to go on with the proceedings", vgl. Art. 68 VerfO IGH von 1946, Anhang I/Nr. 2 (1); oder noch deutlicher im Sinne des "se desister de l'instance" in Art. 88 VerfO IGH von 1978, Anhang I/Nr. 2(2): (die Parteien) "qu'elles sont convenus de se desister de l'instance" / "they have agreed to discontinue the proceedings". Im deutschen Recht ist der Verfahrensvergleich als "abstrakter Prozeßvergleich" geläufig: vgl. nur Grunsky, Verfahrensrecht, S. 92. 22 Eine Besonderheit des internationalen Prozesses liegt in der Einleitung eines Verfahrens durch Komprorniß. Hier sind alle Streitbeteiligten Initiatoren des Verfahrens: die (initiative) Beendigungserklärung aller "Kläger" ist erforderlich. Damit überschneiden sich Verfahrensvergleich und Klagerücknahme im Falle eines Kompromisses. 23 Vgl. zu dieser Begrifflichkeit de Visscher, Aspects recents, S. 89; siehe ICSID SchiedsverfO, Art. 43: "desistement mutuel". 24 Declaration Koretsky, Barcelona Traction (1. Phase), ICl Rep. 1964, S. 6 (49). 25 Der Verfahrensvergleich ist geregelt in den folgenden Verfahrensordnungen: StIHG und IHG, Anhang I/Nr. 1 und 2; vgl. UN Tribunals for Eritrea and Libya, Anhang 1/ Nr. 3; SchG und Gem.Kom. des LSchA, Anhang I/Nr. 4; Draft Convention on Arbitral Procedure und Model Rules, Anhang I/Nr. 8; ICSID Arbitration Rules einschließlich der Additional Facility, Anhang I/Nr. 30 (2) und (3).

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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Verhandlung geschlossen oder nach außergerichtlicher Einigung zu Protokoll genommen wird. 26 Es kommt vor, daß eine Protokollierung durch die Instanz sogar zwingend vorgeschrieben wird. 27 Allerdings wird ein Protokollierungszwang nur bei völkerrechtlichen Schiedsinstanzen für den Einzelnen vorgesehen. 28 Dem so protokollierten Vergleich kann die Wirkung eines Urteils 29 , unmittelbare Vollstreckbarkeit 30 , nur verfahrensbeendigende Wirkung 31 , oder Wirkung in Zusammenhang mit einer gerichtlichen Verfügung zugeschrieben werden. 32 Im rein zwischenstaatlichen Verfahren entfällt das Bedürfnis der Betonung der Bindungswirkung eines Vertrages durch einen formalisierenden Akt des Gerichts. 33 In zwischenstaatlichen Streitigkeiten sind ähnliche Regelungen nur anzutreffen, wenn sich die Staatenvertreter über bestimmte Einzelpunkte des Verfahrensrechts oder über Einzelposten geltend gemachter Ansprüche in der mündlichen Verhandlung verständigen. Dann ist es schon zu einer ausdrücklichen Protokollierung bzw. zu einer Kenntnisnahme des Einigungsumstandes in den Urteilsgründen oder gar im Tenor gekommen. 34 5. "Consent judgment" J"Jugement d'accorcl' Eine dem deutschen Juristen fremde Figur ist das "jugement d'accordJconsentjudgmentJaward on agreed terms".Es zeigt Ähnlichkeit mit dem Anerkenntnisurteil gern §308 ZPO. Das Gericht macht den Wortlaut des zwischen den Streitparteien vereinbarten Vergleichs zur Grundlage seines Urteils. Neben der Wiedergabe von Rubrum und Prozeßgeschichte wird, ohne eigene Begründung des Gerichts, der Wortlaut der Parteivereinbarung als Urteil erlassen: "La Cour a la faculte de statuer en conformite de tout accord intervenu entre les Parties" oder ,,(La Cour a) la faculte d'adopter par un arret les 26 Vgl. TAM mit "Jugoslawischer" VerfO, Art, 56, und "Türkischer B" VerfO, Art. 101, Anhang I/Nr. 18 (5) und (6); SchKGRI, Art. 59 Anhang I/Nr. 15 (1) und die in der nächsten Fußnote genannten VerfO'en. 27 IGH Saar, Anhang I/Nr. 16, Art. 7; vgl. Art 25 Ö/D Schb VV, Anhang I/Nr. 17. 28 Etwas unzutreffend wird die Bestätigung des Vergleichs in der "Italienischen" VerfO als "Transazione della lite" in der deutschen Fassung mit "Prozeßvergleich" wiedergegeben. Tatsächlich aber liegt eine Homologisierung vor, wie sie den Gern. SchGH eigen war. Dazu noch Text bei Fn. 54 ff. 29 SchKGRI, Art. 59 (b). 30 IGH Saar, Art. 25. 31 Ö/D SchG Vv, Art. 25. 32 Art. 56 und Art. 106 jeweils "Jugoslawische" bzw. "Türikische B" VerfO'en Gern. SchGH. 33 Es kommt ausgesprochen selten vor, daß eine zwischenstaatliche Schiedsinstanz tatsächlich einen Vergleich protokolliert; vgl. allerdings die West-Ungarn-Abtretung, Anhang II/Nr. B. 34 Vgl. Portugiesischer Kirchengüterstreit, Anhang II / Nr. A; Marokkanische Ansprüche-Fall, Anhang II /Nr. B. Zu den Vorgängen im Chorz6w-Fall, Rupp, Staatsvertreter, S.63.

9'

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

conclusions conformes des Parties". 35 Eine typisch englische F ormel 36 enthalten die Model Rules on Arbitral Procedure, daß das Gericht "may embody the settlement in an award"37, und das Kompromiß im Peruanischen BergwerkFall, nämlich "in case the two governments should themselves agree upon the terms of settlement, the Tribunal shall, ... incorporate such settlement in an award which shall be treated as the award of the Tribunal".38 Damit ist der wesentliche Gehalt eines solchen Urteils umschrieben: gerichtliche Sanktion der vergleichsweisen Regelung, um ihr die rechtlichen Wirkungen eines Urteiles zuschreiben zu können. Im zwischenstaatlichen Verfahren scheint sich eine Notwendigkeit dafür nicht ohne weiteres zu ergeben. 39 Anders ist dies bereits in Verfahren zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten, in denen die Frage der Vollstreckbarkeit eine Rolle spielt. 40 Das "consentjudgment" ist aber auch in den Verfahrensordnungen vornehmlich aus dem angloamerikanischen Bereich stammender Schiedsinstanzen vorgesehen, vor denen nur die Staaten Klagerecht zur Verfolgung von Ansprüchen ihrer Staatsangehörigen in Ausübung diplomatischen Schutzes haben; also auch dann, wenn die Vollstreckbarkeit nicht von Bedeutung scheint. 41 In vielen Schiedsordnungen der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit finden sich Regeln über den "award on agreed terms".42 35 So die Vorschläge zur Änderung der VerfO des StrGH. In den VerfO-Diskussionen vom 1922 und 1926 wurde die Möglichkeit eines "consent judgment" durch den StIGH wiederholt und intensiv diskutiert, vgl. hierzu Stauffenberg, Statut et reglement, S. 404 ff. und insbesondere das 2. Kapitel dieses Hauptteils, in dem die geschichtliche Entwicklung der VerfO zu Vergleich und Klagerücknahme dargestellt wird. 36 Vgl. zum "consent judgment" im englischen Zivilprozeß nur Langan / Lawrence, Civil Procedure, S. 227 f. 37 Vgl. Art. 23, Anhang I/Nr. 8 (2). 38 Art. 10, Anhang I/Nr. 7. Eine bemerkenswerte Ausnahme im zwischenstaatlichen Verkehr. 39 Dazu insbesondere in den Beratungen der International Law Commission zum Schiedsverfahrensrecht Hsu, ILCY 1953 I, S. 31, § 46: ,,(He) did not consider that it would be either harmful or dangerous if a tribunal refused to register a settlement. Since the parties to a dispute would be sovereign states, agreement between them would be sufficiently binding without an award". Allerdings soll selbst im Statut des (St)IGH durch die Zulassung eines Urteils ex aequo et bono in Art. 38 das "consent judgment" anerkannt sein; so jedenfalls berichtet Hammarskjöld, Sidelights Michigan L. Rev. 25 (1927), S. 327 (357 Fn. 8). 40 So ist ein "consentjudgment" auch vorgesehen in den VerfO'en von ICSID, Art. 43, Anhang I/Nr. 30 (1) und den UNCITRAL Arbitration Rules. 41 Vgl. nur US- / Mexican General/Special Cl. Com.; English/ Mexican Cl. Com,; US / Panamanian Cl. Com,; US/ Japanese Eig. Kom.; aber auch "Kontinentale" /Mexican Cl. Com., Anhang I/Nr. 20 (3). 42 Verwendet wird auch der Begriff des "stipulation of award". In allen in Anhang I /Nr. 31 fT. abgedruckten VerfO'en mit Ausnahme der des London Court of Arbitration finden sich daher Regeln zum "award on agreed terms". Hier zeigt sich ja auch besonders deutlich, daß ein Bedürfnis nach einem vollstreckungsfähigen Urteil besteht; dies gilt insbesondere bei den Möglichkeiten unter internationalen Konventionen zur Anerken-

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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Da zwischen Staaten keine Zwangsvollstreckung in nationalen Mechanismen vergleichbaren Sinne existiert, und der Geltungsgrund der Bindungswirkung durch Vertrag dem durch Urteil im Völkerrecht zwischen souverän gleichen Staaten nicht qualitativ als Minus gegenübersteht, sondern gleichrangig ist, wird ein "consent judgment" in zwischenstaatlichen Verfahren eine Ausnahme bleiben. 4J Allerdings bieten die Diskussionen um die VerfO des (S t)1 G H und um die Ausarbeitung des Schiedsverfahrensrechts durch die ILC Beispiele dafür, daß ein "consent judgment" im zwischenstaatlichen Bereich für möglich gehalten wurde. 44 6. "Settlement by Compromise"

Es wurde vorgeschlagen, "consent judgment" und "settlement by compromise" zu unterscheiden. Ersteres beinhalte ein Urteil auf der Basis einer gütlichen Regelung, die sich auf eine Lösung nach rechtlichen Kriterien richte. Damit antizipierten die Parteien eine (Rechts-)Entscheidung des Gerichts, das den Vergleich in das Urteil aufnehme, weil es eine solche Regelung selbst hätte treffen können. 4s Demgegenüber sei das "settlement by compromise" eine Regelung zwischen den Parteien auf der Grundlage von politischen und pragmatischen Zweckmäßigkeitserwägungen, welche das Gericht nicht anstellen dürfe, jedoch bereit sei "to enter on its record". Als Konsequenz dieser Unterscheidung ergebe sich, daß ein "consent judgment" in Rechtskraft erwachsen könnte, während dies bei einem "settlement by compromise" nicht der Fall sei. 46 Damit aber wird die Streitfrage angesprochen, ob ein (Schieds-) nung und Vollstreckung ausländischer Gerichts- und Schiedsgerichtsurteilen. Dazu insgesamt Giardina, La mise en oeuvre au niveau national des arrets et des decisions internationaux, RdC 165 (1979 IV), S. 359. Vgl. insbesondere die Erläuterungen des ICSID Sekretariats zu Art. 43 (2); abgedruckt in Anhang III = Wetter, Arbitral Process, Bd. 4, S. 530; und zu den UNCITRAL Arbitration Rules, Art. 34, den Report of Secretary / General; revised draft set of arbitration rules for optional use in ad hoc arbitration relating to international trade (A/CN. 9/112), UNCITRALY, (1976), S. 157 (179) zu vormals Art. 29. 43 Im Peruanischen Bergwerk-Fall sah das Kompromiß ein "consent judgment" vor, Anhang I/Nr. 7, welches später dann auch tatsächlich erlassen wurde, Anhang lI/Nr. 7. Vgl. allerdings auch die Regelungen in den Schiedsverfahren zu "INTELSAT" und "INMARSAT", Anhang I/Nr. 12; Art. 23 Model Rules der ILC, Anhang I/Nr. 8 (2). 44 Vgl. dazu im übrigen das 2. Kapitel. Der StIGH hat in einer Verfügung die Zulässigkeit und Möglichkeit des "consent judgment"ausdrücklich bejaht, Free Zones of Upper Savoy and the District ofGex, Order of6 December 1930, PCIl, Series A, No. 24, S. 14. Allerdings scheint es fraglich, ob nach der Neufassung des Art. 88 (2) VerfO IGH noch ein "consent judgment" für zulässig gehalten werden kann. Dort wird nämlich eine Aufnahme des Textes der gütlichen Regelung und die Entscheidung über die Streichung aus dem Register selbst ausdrücklich nicht vorgesehen. Dazu noch im 5. Hauptteil, Text bei Fn. 103 ff. 4S Simpson / Fox, Int'l Arbitration, S. 215 unter Berufung auf den Genfer FreizonenFall. 46 Simpson/ Fox, Int'l Arbitration, S. 215.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Gericht auch nicht am Recht orientierte Vergleiche sanktionieren darf, und wenn ja, mit welcher Wirkung. 47 Aus den Diskussionen der ILC um das Schiedsverfahrensrecht ergibt sich für eine Unterscheidung ebensowenig wie aus den Entscheidungen des StlGH zum Genfer Freizonen-Streit. 48 Praktisch läuft diese Unterscheidung nur auf die Konzession hinaus, daß internationale Instanzen auch nicht am Recht orientierte Vergleiche in quasijudizieller Form sanktionieren können, und sie bei der Frage, ob sie diese "bestätigen", einen Beurteilungsspielraum haben. Damit ist man aber bei den allgemeinen Problemen der Befugnisse des Gerichts im Falle eines Vergleichs, die im 3. Hauptteil diskutiert werden, ohne daß analytisch durch die U nterscheidung etwas gewonnen würde. 7. "Kenntnisnahme" eines Vergleichs

In manchen VerfO'en wird die Formulierung verwendet, daß das Gericht "shall take note / shall record / donne acte a / prend acte de" von einem "settlement".49 Diese Terminologie findet sich auch bei der "Klagerücknahme / desistement / discontinuance" . 50 Hierbei geht es nicht um die Sanktionierung eines Vergleichs durch eine wie immer geartete Entscheidung, sondern um ein schlichtes Zurkenntnisnehmen, um eine Feststellung von Fakten oder Prozeßhandlungen, die in die Entscheidung des Gerichts aufgenommen werden. Es handelt sich also um gerichtliche Feststellungen von im Prozeßrechtsverhältnis relevanten Handlungen. 51 So definiert auch Basdevant: "Constater expressement et avec l'effet de droit s'attachent acette constatation, soit spontanement (prendre acte), soit sur demande (donner acte) un fait, une declaration, une renonciation. une decision, une pretention, un accord, etc.". 52 Basdevant gibt als englisches Äqivalent für beide französische Ausdrücke "to record", "to place on record" und "to take note" an. 53 Ob einer solchen 47

Dazu siehe die im 2. Kapitel unten wiedergegebenen Diskussionen im StlGH und der

ILC. 48 Daraufberufen sich jeweils Simpson/ Fox, lnt'l Arbitration, S. 216. Zwar verwendet die YerfO der US-Japanischen Eigentumskommission in Art. 19, Anhang I/Nr. 25 (1) den Begriff "compromise", aber auch dort ist nur eine gütliche Regelung gemeint. 49 Ygl. die YerfO'en: StIGH 1922, Art. 61, Anhang I/Nr. 1(1), StIGH 1036, Art. 68, Anhang l/Nr. 1(2); IGH 1946, Art. 68, Anhang I/Nr. 2(1); IGH 1978, Art. 88 (1), Anhang 1/ Nr. 2(2); UNTribunals in Libya und Eritrea, Anhang I/Nr. 3; SchGH LSchA, Art. 40, Anhang I/Nr. 4; ILC Schiedsverfahrensentwürfe, Art. 22, und Art. 23, Anhang I/Nr. 8(1) und (2) 50 Ygl. nur YerfO des StIGH 1936, Art. 69 und YerfO 1946, Art. 69 und YerfO IGH 1978, Art. 89, Anhang I/Nr. 1(2) und Nr. 2(1) und (2); EACMT, Art. 26, Anhang I/Nr. 11. 51 So der Französisch-Deutsche GemSchGH in Junkerather Gewerkschaft, TAM YIII, S. 108 (111). 52 Basdevant, Dictionnaire, S. 15. Es folgt ein Verweis auf Art. 68 mit bei den Varianten (VerfO IGH 1946).

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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Zurkenntnisnahme rechtliche Wirkungen zukommen, wird im jeweiligen Zusammenhang über die Wirkungen der Verfahrensbeendigung untersucht. 8. "Homologisierung" eines Vergleichs

Die "Homologisierung / Bestätigung / homologation / confirmation" eines Vergleiches zwischen den Streitparteien bedeutet, daß die Gerichtsinstanz eine gütliche Einigung "bestätigt".54 Diese Bestätigung muß nicht durch ein Urteil erfolgen wie beim "award on agreed terms / consent judgment". Der Wortlaut des homologisierten Vergleiches selbst muß nicht in die Entscheidung aufgenommen werden. Diese vom "consentjudgment" abgestufte Form der Bestätigung eines Vergleiches findet sich allerdings nur in den Verfahrens ordnungen der Gemischten Schiedsgerichtshöfe nach Weltkrieg I. 55 Die einschlägigen Verfahrensordnungen regeln die Homologisierung stets im Sachzusammenhang mit dem materiellen Vergleich und bestimmen zugleich, daß erstere in Rechtskraft erwächst 56, oder in den Rechtswirkungen einem Urteil gleichgestellt ist. 57 Zwar finden sich die "confirmation" bzw. die "homologation" eines Vergleichs auch in VerfO'en von Mexican Claims Commissions 5B , dort ergibt sich aber aus dem Wortlaut bzw. aus der systematischen Stellung der jeweiligen Vorschrift, daß eine Bestätigung durch einen entsprechenden Spruch der Kommission gemeint ist. Für die Beurteilung, ob die Homologisierung eines Vergleiches ein gesondertes Institut der jeweiligen VerfO ist, kommt es allein darauf an, wie sie im einzelnen ausgestaltet ist. 59 53 Basdevant, Dictionnaire, jeweils S. 700, S. 697 und S. 703. Im Deutschen wird dies übersetzt mit "zu Protokoll geben" für "donner acte" und mit "zu Protokoll nehmen" für "prendre acte", Basdevant, a.a.O., S. 678, im Italienischen mit "dare atto" und "prendere atto", a.a.O., S. 737 und S. 747, und im Spanischen für beide Ausdrücke mit "tomar nota", a.a.O., S. 728. 54 Dies kann auch für Anerkenntnis und Verzicht gelten, vgl. Art. 68 der "Belgischen" VerfO TAM, Anhang I/Nr. 18(1). 55 Hierbei kann zunächst dahingestellt bleiben, ob die bereits angesprochene "Kenntnisnahme" durch die Instanz oder das "consent judgment" als funktionelles Äquivalent angesehen werden können. 56 So die "Belgische", "Französische", "Jugoslawische" und "Türkische" A und B Verfahrensordnungen. 57 So die "Japanische" VerfO, Art. 32: "same effect as adecision of the Tribunal". 58 Zum ersteren siehe die VerfO der US-Mexican Special Claims Commission in Art. XI (3), zum letzteren siehe Art. 45 der "Kontinentalen" VerfO'en von Mexican Claims Commissions, Anhang I/Nr. 18 (2) und (3). 59 So faßt auch Witenberg, Organisationjudiciaire, S. 343 die Homologisierung weit. In der US-Mexican Sp. Cl. Com., Art. XI (3) heißt es beispielsweise, daß ein Vergleich der Kommission vorzulegen ist zu "confirmation and award". Art. 45 der "Kontinentalen" VerfO'en von Mexican Claims Commissions regelt die Homologisierung im Artikel über das Urteil und die Urteilswirkungen. In den Artikeln 48 und 42 der EuGHMR und

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

9. "Agreed Facts"

Die Parteien können sich über Teile der geltend gemachten Ansprüche, über einige Aspekte des Gesamtstreitkomplexes, oder aber über Tatsachen, die einem Anspruch zugrunde liegen, einigen, so daß die Instanz eine Entscheidung erlassen kann "on a basis agreed between the parties". Das so Konsentierte wird als unstreitig gelten. Das hat Bedeutung insbesondere für anglo-amerikanisch orientierte Instanzen, die, ihrer Rechtstradition entsprechend, viel weitergehend die tatsächliche Fundierung von Ansprüchen bereits zur Ausgangslage für eine Rechtsentscheidung machen. 6O Insbesondere für Claims Commissions finden sich Vorschriften, die eine Spruchpraxis auf der Basis konsentierter Faktenlagen zulassen. 61 Ein davon zu unterscheidendes Problem ist der von Jenks so wiederholt genannte Richterspruch "on a basis agreed between the parties". 62 Hier setzt sich Jenks mit der Meinung auseinander, daß das Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit der Parteien und der Freiheit des Gerichts es zugunsten des Gerichts nicht zulasse, daß ihm die Basis von den Parteien vorgeschrieben werden könne, auf deren Grundlage es dann judizieren müsse. Dies betrifft insbesondere die Auswahl des anzuwendenden Rechts und die Beschränkung der Prüfung des Gerichts auf nur einige rechtliche Alternativen. Damit aber sind hier nicht einschlägige Fragen der Entscheidungsgrundlagen eines internationalen Gerichts angesprochen. 63 AmGHMR respektive, wird die Klagerücknahme im französischen Text "homologisiert"; damit ist gemeint die eigenständige Entscheidung des Gerichts über die Zulassung der Klagerücknahme, so der deutsche nichtamtliche Text, bzw. das "approval of the discontinuance" im englischen verbindlichen Text. 60 Z.B. für die Mexican Claims Commissions, Feiler, Commissions, S. 231 ff.; Carlston, Procedural Problems, AJIL 39 (1945), S. 426 (432f.). Vgl. mit dem Beispiel des Kronprinz Gustav-Adolf-Falles, von Mangoldt, Projekt, S. 33. 61 Z.B. "Englische" VerfO'en TAM, Art. 38, Anhang IjNr. 18(1) Dt-Amerikanische Gern. Kom. Rule XI VerfO, Anhang IjNr. 22; Tripartite Claims Commission, Rule X VerfÖ, Anhang Ij Nr. 23; USjI Vergleichskom., Art. 10 (c), Anhang IjNr. 24. Vgl. insbesondere deutlich, Protocol of an Agreement between the United States of America and the Republic of Mexico vom 22.5.1902, Kalifornische Kirchengüter, Art. XI: "The agents and counsel for the respective parties may stipulate for the admission on any facts, and such stipulation, duly signed, shall be accepted as proof thereof"; Handbuch Ständiger Schiedshof, S. 201 (204). 62 Jenks, International Adjudication, S. 604 ff.; Ders., International Adjudication on a Basis Agreed Between the Parties, FS Schätzel (1970), S. 231 ff. 63 Interessant könnte dies indirekt werden, wenn man nämlich wie beim "consent judgment" mit der Möglichkeit zur Entscheidung ex aequo et bono argumentiert. Danach wäre ein Vergleich ja nicht nur transaktionell - rechtsgeschäftlich, sondern zugleich rechtssetzend, hierzu Berber, Lehrbuch, Bd. 1, S. 444. Weiterführen könnte Jenks' Idee, wenn man sich einen Vergleich über die Auslegung eines multilateralen Vertrages vorstellt, dazu Hallier, Schiedsinstanzen, S. 81: Kann es eine authentische Interpretation durch pactum separatum geben, sanktioniert durch ein "consentjudgment" mit nicht verbindlicher, doch präjudizieller Wirkung? Dazu Jenks, Prospects S. 612 ff.

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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10. Übereinstimmende Erledigungserklärung

Aus keiner der angezogenen Verfahrensordnungen ergibt sich ein Institut der übereinstimmenden Erledigungserklärung, wie es dem deutschen Juristen vertraut ist. 64 Einen Hinweis geben die Kostenregelung der VerfO des EuGH65 und die VerfO der USamerikanisch-Japanischen Eigentumskommission, die im Fall einer gütlichen Einigung die Befugnis hat, "to dec1are the dispute settled". 66 Zunächst könnte an eine Abgrenzung zur übereinstimmenden Klagerücknahme gedacht werden. Allerdings wird dogmatisch auch im Völkerprozeßrecht zwischen einer Erledigung der Hauptsache und einer einverständlichen Klagerücknahme festgehalten. Während eine Klagerücknahme den Widerruf des Rechtsschutzgesuches an die angerufene Instanz bedeutet 67 , wird bei einer Erledigungserklärung das Gericht die eingeleitete Streitigkeit selbst für gegenstandslos erklären. 68 Der Verfahrensvergleich unterscheidet sich von der übereinstimmenden Erledigung auch durch die übereinstimmende Rücknahme des Rechtsschutzgesuches, während die Erledigung wiederum das Rechtsschutzgesuch selbst für gegenstandslos erklärt.

111. Ausgrenzungen zur Klagerücknahme 1. Klagerücknahme: Einführung

Die Klagerücknahme 69 ist der Widerruf des Gesuches um Rechtsschutz an die angerufene Instanz durch den Kläger: eine Klagerücknahme auch nach deutschem Verständnis, die grundsätzlich einseitig ist, d.h. vom Kläger initiiert wird, dem aber u. U. der Beklagte zustimmen muß.70 Dagegen ist der Klageverzicht der Widerruf der in der Klage aufgestellten Rechtsbehauptung; der Klageverzicht auch nach deutschem Prozeßrecht. 71 Schließlich kann auf die 64 Vgl. § 91 a ZPO. Dazu insgesamt Göppinger, Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (1958); W. Habscheid, Der gegenwärtige Stand der Lehre von der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, JZ 1963, S. 579 ff. und S. 624 ff. 65 Art. 69 (5) VerfO EuGH, Anhang I/Nr. 9 (2). 66 Art. 19 B VerfO US-Japanische Eig. Kom., Anhang I/Nr. 25. 67 Vgl. nur de Visscher, Aspects recents, S. 89; Seerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (660 und 662). 68 Vgl. hierzu insbesondere Giardina, Arrangements amiables, Com. e Stud. 14 (1975), S. 337 (354 ff.) 69 Ebenfalls als "desistement" und "discontinuance" bezeichnet. 70 Vgl. Grunsky, Verfahrensrecht, S. 68; Morelli bezeichnet dies als "desistement pur et simple", welches schlicht die Beendigung der anhängigen Instanz zur Folge hat: Diss. Op., Barcelona Traction, (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (106). 71 Vgl. Grunsky, Verfahrensrecht, S. 80 f.; More/li bezeichnet diese Variante als "abandon de la pretention", mit der Rechtsfolge, daß die Rechtsberühmung entfällt und der Streit sich erledigt, die Jurisdiktion der Instanz jedoch unberührt bleibt; Diss. Op., Barcelona Traction (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (106).

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Ausübung des Klagerechts verzichtet werden; hierbei wird also auf die gerichtliche Geltendmachung des Anspruches verzichtet. Es handelt sich um ein auf die angezogene Gerichtsbarkeit beschränktes petitum de non petendo. 72 Auf der materiell-rechtlichen Ebene gibt es schließlich den Rechtsverzicht, mit dem der Rechtsinhaber auf das materielle Recht verzichtet, wie dies auch dem deutschen Recht geläufig ist. 73 Dies wird überwiegend als "desistement d'action" verstanden, nämlich als Aufgabe des materiellen Rechts. 74 Manchmal wird durchaus differenziert zwischen Verzicht auf Ausübung des Klagerechts und dem Rechtsverzicht, der Unterschied aber als praktisch irrelevant hervorgehoben. 75 Es ist immer genau zu ermitteln, welchen Inhalt die angesprochene "desistementj discontinuancejVerfahrenseinstellung" in der jeweiligen Verfahrensordnung, in der Verwendung durch die Staaten und die Gerichte haben soll. Einer reinen Wortinterpretation ist mit Vorsicht entgegenzutreten, wie sich schon aus der unklaren Dichotomie von "instance" und "action" ergibt. Die Entstehungsgeschichte von Verfahrens ordnungen läßt sich nur selten verfolgen. 76 Deshalb muß die systematische Auslegung der Institute im Kontext der VerfO insgesamt, oder möglicherweise ein Vergleich mit gleichzeitigen oder abgeleiteten VerfO'en, wenn diese eine unterschiedliche Terminologie aufweisen, erfolgen. 77 Im folgenden werden die Begriffe geklärt und Institute ausgegrenzt.

72 So sehr richtig Koretzky in seiner Erklärung, Barcelona Traction (1. Phase), ICJ Rep., 1964, S. 6 (49): "Discontinuance ... is not necessarily a pactum de non petendo, which supposes not only discontinuance of a given action but an obligation not to sue at all ... ", MoreIli bezeichnet dies als "desistement accompagne de la renonciation au pouvoir d'action devant la Cour", mit der Rechtsfolge, daß das Klagerecht vor der betreffenden Instanz und damit dessen Jurisdiktion erlischt, wobei das materielle Recht aber außerhalb der Instanz weiterverfolgt werden kann. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob es sich um den sachlich-rechtlichen Fall des Klagerücknahmeversprechens handelt. Vgl. ebenso Basdevant, Dictionnaire, S. 28. 73 Vgl. hierzu nur Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, S. 809f,. M ore/li charakterisiert dies als "desistement accompagne de la renonciation au droit substantiei" mit der Rechtsfolge, daß das Klagerecht und die Jurisdiktion des Gerichts erhalten bleiben, die Klage hingegen in der Sache unbegründet wird, Diss. Op., Barcelona Traction (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (106). Hierbei seien die Differenzierungen nach ein- und zweiseitigem Verzicht dahin gestellt; hierzu Suy, Actes unilateraux, S. 169 ff. 74 Vgl. nur de Visscher, Aspects recents, S. 90; dei Vecchio, Le parti, S. 233. 75 Vgl. etwa Koretzky, Erklärung, Barcelona Traction (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (49), der den Verzicht aufklageweise Geltendmachung eines Anspruches als "tantamount to the abondonment of the claim" bezeichnet. 76 So für den StIGH, IGH, die Model Rules und UNCITRAL oder ICSID. 77 Vgl. ebenfalls Hallier, Schiedsinstanzen, S. 81 und Text bei Fn. 45 ff.

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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2. Verzicht, Rechtsverzicht und Verzicht auf Klagerecht: desistement d'instance - desistement d'action

Als Verzicht wird bezeichnet ein "einseitiges, im allgemeinen nicht richtungsbedürftiges Rechtsgeschäft eines völkerrechtlichen Subjekts, gerichtet auf die Aufgabe subjektiver Rechte".78 Im französischen Sprachgebrauch wird der Verzicht als "renonciation" bezeichnet: "Action de renoncer a un droit, a une faculte, a une pretention, a une reclamation, de l'abandonner, de l'eteindre par la. Terme employe po ur designer un acte unilateral manifestant la volonte d'abandonner un droit et ainsi l'eteindre". 7~ Dieser Verzicht als einseitiges Rechtsgeschäft des materiellen Rechts unterliegt allgemeinem Völkerrecht; er hat keine direkten prozessualen Wirkungen. 80 Auch im Völkerrecht kann auf Rechte verzichtet werden. 81 Vom einseitigen Verzicht ist zu unterscheiden der Verzichtsvertrag, der allenfalls als Verzicht im weiteren Sinne angesehen werden kann, denn als Verzicht im engeren Sinne wird nur der einseitige bezeichnet. 82 In Bezug auf den Verzichtsvertrag gilt allgemeines Völker(vertrags)recht. 83 Für die Klagerück78 Pfluger, Einseitige Rechtsgeschäfte, S. 253. Engelhardt, Verzicht, WV III, S. 587: " ... einseitige völkerrechtliche Rechtshandlung durch die absolute oder Forderungsrechte aufgegeben werden". Vgl. Suy, Actes unilateraux, S. 156; Venturini, Actes unilat.:raux, RdC 112 (1964 II), S. 367 (394). 79 Basdevant, Dictionnaire, S. 527. Basdevant gibt an als Entsprechung für "renonciation" im Deutschen: Verzicht (S. 677); im Englischen: Renunciation (aber auch für desistement) (S. 700); im Spanischen: Renuncia (S. 726) und im Italienischen: Rinuncia (auch desistement) (S. 750). Siehe dagegen A. Rubin, The International Legal Effects of Unilateral Dedarations, AJIL 71 (1977), S. 1 (13 fI.), der Unterschiede zwischen "renonciation" und" waiver" aufzuzeigen versucht, allerdings im Zusammenhang der hier nicht interessierenden Frage der Widerruflichkeit des einseitigen Verzichts. 80 Pfluger, Einseitige Rechtsgeschäfte, S. 273: "Ist nämlich ein Rechtsstreit über die Zugehörigkeit eines subjektiven Rechts ausgebrochen und verzichtet eine Partei auf ihren Anspruch, so wird der Streit gegenstandslos und f.Hlt hin". "' Eine Grenze bildet hier die Verfügungsbefugnis des jeweiligen Völkerrechtssubjekts. Allerdings sind hier die Grenzen weit zu ziehen, Venturini, Actes unilateraux, RdC 112 (1964 II), S. 367 (394). Vgl. ausführlich Pfluger, Einseitige Rechtsgeschäfte, S. 249 fT. 82 Als Verzicht im engeren Sinne wird nur der einseitige verstanden; so die gesamte Literatur zu den einseitigen Rechtsgeschäften, Suy, Actes unilateraux, S. 154 ff. (156); Pfluger, Einseitige Rechtsgeschäfte, S. 253; Tommasi di Vignano, Rinuncia, S. 21; Venturini, Actes unilateraux, RdC 112 (1964 II), S. 367 (395); Im italienischen wird diese Unterscheidung als "rinuncia abdicativa" und "traslativa", Tommasi di Vignano, Rinuncia, S. 21 ff, im französichen mit "renonciation abdicative" und "translative" bezeichnet: Suy, Actes unilateraux, S. 155, der zurecht darauf hinweist, daß ein Verzichtsvertrag durchaus materiell eine einseitige Aufgabe einer Rechtsposition zum Gegenstand haben könne, während ein Verzicht zugunsten eines Dritten stets vertraglicher Natur sein muß. Dazu Pfluger, Einseitige Rechtsgeschäfte, S. 257 fT., der als Verzicht nur den einseitigen bezeichnet. 83 Vgl. die Beispiele aus der Vertragspraxis bei Suy, Actes unilateraux, S. 154 f.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

nahme sind die materiellen Regeln über die Form und die Feststellung des Vorliegens eines Verzichts nur in einer Hinsicht von Bedeutung. Die Klagerücknahme ist der rein prozessuale Akt der Rücknahme des Rechtsschutzgesuches. Fraglich ist, ob mit diesem Akt zugleich ein weiteres materielles Rechtsgeschäft wie der Verzicht verbunden sein kann.84- Die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur 85 nimmt hinsichtlich des Verzichts, wie fast stets im Völkerrecht, Formfreiheit an, es sei denn, eine bestimmte Form ist ausnahmsweise einmal kontrahiert. Damit aber bedarf es keines ausdrücklichen 86 und in bestimmter Form gegebenen Verzichts,87 wenn nur die willensgetragene Absicht der Aufgabe der jeweiligen Rechtsposition deutlich und unmißverständlich zum Ausdruck kommt. 88 Damit steht ein weiterer Grundsatz in engem Zusammenhang: Es gibt keine Vermutung (Präsumption) für die Aufgabe eines Rechtes: "Ce principe ne demande pas de justification: il repose sur le bon sens car, l'independance et la souverainete des sujets de droit etant la regle, une restriction de ce1le-ci ne pourra etre interpretee que strictement". 89 Der IGH hatte Gelegenheit, diesen Satz in Barcelona Traction (1.Phase) sehr pointiert herauszuarbeiten. Es wurde argumentiert, es gebe eine Vermutung, daß eine Klagerücknahme nach Art. 69 (heute 89) VerfO zugleich einen Klageverzicht bedeute. Dem hielt der IGH entgegen: "There is no need to discuss this contention any further, except to say that, in view ofthe reasonable and legitimate circumstances which, as has already been seen, may motivate a discontinuance, without it being possible to question the right to further action, the Court would, if any presumption governed the matter, be obliged to conc1ude that it was in the opposite sense to that contended for by the Respondent; and that a discontinuance must be taken to be no bar to further action, unless the contrary c1early appeared or could be established".90 84 Der I G H hatte im Barcelona Traction-F all (1.Phase) nicht die Möglichkeit mehrerer gleichzeitiger Akte bestritten, sondern nur die Perplexität der Argumentation der Parteien gerügt, ICJ Rep. 1964, S. 6 (21). 85Vgl. nur Suy, Actes unilateraux, S. 157 f. (insbes. 157 Fn. 13 und 14). 86 Vgl. nur Tommani di Vignano, Rinuncia, S. 90. 87 Suy weist auf die Ausnahmeregelung in Verfahrensordnungen hin, die eine bestimmte Form für die Klagerücknahme vorsehen, Suy, Actes unilateraux, S. 157, Fn. 14. Weiter Suy, Actes unilateraux, S. 157; Pfluger, Einseitige Rechtsgeschäfte, S. 269; Vgl. Barcelona Traction (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (21). 88 Pfluger, Einseitige Rechtsgeschäfte, S. 269; Suy, Actes unilateraux, S. 157. Temple of Preah Vihear, Preliminary Objections, Judgment, ICJ Rep. 1961, S. 17: " .. .lorsquela loi ne prescrit pas de fonne particuliere, les parties sont libres de choisir celle qui leur plait, pourvu que leur intention en ressorte clairement." Vgl. Z.B. Warschauer Elektrizitätsgesellschaft, 2. Phase, RIAA III, S. 1679 (1684), wo der Schiedsrichter Asser sehr genau darlegt, auf welche Rechte gegenüber welchen Personen verzichtet worden ist. 89 Suy, Actes unilateraux, S. 159; deI Vecchio, Le parti, S. 242. Vgl. Jaque, Acte juridique, S. 342 f.

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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Es gilt also Gebot restriktiver Interpretation von Staatshandeln als Verzicht;91 eine Interpretation, die dem Umstand Rechnung tragen muß, daß es sich um einseitige Rechtsgeschäfte handelt. 92 Es fragt sich, was Gegenstand eines Verzichts sein kann; Staaten können auf Rechte verzichten, soweit diese ihrer Verfügungs befugnis unterliegen. 93 Darüberhinaus ist der Verzicht auf das materielle Recht von dem Verzicht auf die Ausübung dieses Rechtes zu unterscheiden. Dies führt allerdings zu einem "nudum ius", so daß teilweise letzteres zugleich als Verzicht auf das Recht selbst angesehen wird. 94 Richtigerweise ist eine solche Unterscheidung anzuerkennen, weil sich ja ein zeitlich begrenzter Verzicht oder ein in sachlicher Hinsicht partieller Verzicht auf Rechtsausübung denken läßt. 95 Ferner ist zu unterscheiden zwischen der Möglichkeit des Verzichts auf ein Recht und der Möglichkeit des Verzichts auf einen konkreten Anspruch,96 z:B. ein Recht wird verletzt und der Rechtsträger kann aus der Verletzung Ansprüche geltend machen. Schadensersatz, Repressalie etc. Aufletzteres kann verzichtet werden, ohne daß zugleich auf das Recht selbst verzichtet wird. 97 Der Kläger kann also auf den spezifisch mit der Klage geltend gemachten Anspruch

90 Barcelona Traction (1.Phase), ICl Rep. 1964, S. 6 (21). Für den Verzicht ergeben sich eine Reihe von Präjudizien, in denen eine Vermutung zugunsten seines Vorliegens verneint wurde; Vgl. die dargestellte Praxis bei Suy, Actes unilateraux, S. 159 ff. und praktisch identisch dei Vecchio, Le parti, S. 242 Fn. 36. Zusätzlich siehe den lapanese House Tax Case (1905) (Affaire des baux perpetuels au lapon), RIAA XI, S. 41 (55). 91 So richtig Suy, Actes unilateraux, S. 166. Vgl. Suy, ibid. mit Hinweisen auch zur Völkervertragspraxis des Verbots der Verzichtsvermutung. Darüberhinaus ist anzumerken, daß für die Prozeßhandlung der Klagerücknahme praktisch durchgängig eine bestimmte, meist Schriftform vorgesehen ist. Allerdings gibt es eine Vorschrift in den Schiedsordnungen von ICSID, die eine Vermutung der Klagerücknahme enthalten: Art. 45 Schiedsordnung und Art. 52 Schiedsordnung (Zusätzliche Fazilität), Anhang I/Nr. 30 (2), (3). 92 Sereni, Plädoyer, Barcelona Traction (l.Phase), ICl Pleadings, Bd. 2, S. 437; AngloIranian Oil Co., ludgment ICl Rep. 1952, S. 93 (105). 93 Pfluger, Einseitige Rechtsgeschäfte, S. 249 f. 94 Wengier, Lehrbuch, Bd. 1, S. 305: "Der Verzicht auf das Recht zur Erzwingung eines Anspruches wird durchweg als Verzicht auf den Anspruch selbst verstanden". 95 Suy, Actes unilateraux, S. 169 ff., der dies für denkbar hält nur als einer "renonciation translative". Vgl. aber auch Suy, a.a.O., S. 174. 96 Pfluger, Einseitige Rechtsgeschäfte, S. 264; Suy, Actes unilateraux, S. 172 ff. 97 So ebenfalls Suy, Actes unilateraux, S. 174, der hier spricht von "la renonciation au fait de faire valoir ses droits". Pfluger, Einseitige Rechtsgeschäfte, S. 264, der zutreffend ausführt, daß auf Ansprüche infolge einer Rechtsverletzung verzichtet werden könne. Komme es aber zu einer erneuten Verletzung desselben Rechts, so könnten durch diese wiederholte Rechtsverletzung erneute Ansprüche erwachsen. So auch Morelli, Diss. Op. Barcelona Traction (1. Phase), ICl Rep. 1964, S. 6 (106); Vgl. Wengier, Lehrbuch, Bd. 1, S. 305.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

materiell verzichten. 98 Während der Anspruch als "pretention" oder "claim"99 als "allegation par un Etat d'un droit a son profit"lOO verstanden werden kann, verdichtet sich dieser bei einer tatsächlich anhängigen Klage zum Klaganspruch. Nur in dieser Variante hat der Verzicht dann einen eigenständigen prozessualen Gehalt als Klageverzicht, der in einigen VerfO'en zu einem Verzichtsurteil führen kann. Weiter ist der materiellrechtliche Verzicht auf das Recht, überhaupt Klage vor einem internationalen Gericht zu erheben, abzugrenzen. Hier wird nur auf eine gerichtliche, nicht aber die außergerichtliche Geltendmachung des Rechts verzichtet. 101 Hierbei ist der Verzicht auf das Klagerecht materiell, denn Klagemöglichkeiten ergeben sich im Völkerrecht nur auf konsensueller Basis, durch freiwillige Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit. Ein Klagerecht wird regelmäßig vertragsrechtlich begründet. Das Abstandnehmen davon kann also nur vertragsrechtlieh oder nach den materiellrechtlichen Grundsätzen des einseitigen Verzichts erfolgen. 102 Morelli hat diesen Verzicht auf das Klagerecht plastisch umschrieben: "Etant donne que ... le pouvoir d'action et lajuridiction correspondante n'ont pas, comme dans le droit interne un caractere general et qu'ils decoulent au contraire, de certaines regles particulieres, il est aise d'envisager une renonciation au pouvoir d'action decoulant d'une regle donnee, renonciation ne touchant pas du tout au droit subjectif substantiel".lo3 Damit aber bleiben für eine prozeßrechtliche Darstellung in diesem Zusammenhang das desistement als (1) Einstellung des Verfahrens, als (2) Klagerücknahme und schließlich als (3) Klageverzicht. Als rein materiellrechtliche Probleme werden im folgenden der Rechtsverzicht und der Verzicht auf die Geltendmachung der Klage aus der weitergehenden Behandlung ausgeschlos-

98 Morelli, "abandon de la pretention", Diss. Op. Barcelona Traction (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (106). 99 Dazu grundlegend Salvioli, Tutela, S. 213 ff.; Aslaoui, Conclusions, S. 32 ff. 100 Basdevant, Dictionnaire, S. 470. 101 Die Unterscheidung ist deutlicher im Völkerrecht als im innerstaatlichen Recht, weil die "Klagbarkeit" nicht als mögliches Begriffselement eines "Anspruches" im internationalen Recht vertreten werden kann, weil es keinen dem Parteiwillen übergeordneten Rechtsdurchsetzungsmechanismus gibt, der die gerichtliche als obligatorische Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit sozusagen automatisch mitenthalten lassen kann. Vgl. hierzu ausführlich M. Schoch, Klagbarkeit, Prozeßanspruch und Beweis im Licht des Internationalen Rechts (1934) für gute rechtsvergleichende und grundsätzliche Überlegungen. So auch Morelli, Diss. Op. Barcelona Traction (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (106). 102 Dei Vecchio, Le parti, S. 233, die richtig erkennt, daß "desistement d'action" auch dieses Institut umfassen kann, ebenso wie den materiellen Rechtsverzicht. 103 Morelli, Diss. Op. Barcelona Traction (1.Phase), ICJ Rep, 1064, S. 6 (106). Morelli fährt fort: "Dans le droit interne au contraire, on envisage d'ordinaire la renonciation, non pas au pouvoir d'action (Klagerecht) en tant que tel, mais plutöt au droit subjectif substantiei". Damit werde, so Morelli, ibid. etwas irreführend nationale Terminologie übernommen, die im Völkerrecht nicht paßt. Vgl. ebenso dei Vecchio, Le parti, S. 233.

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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sen. Wie Morelli dargelegt hat 104 , ist die Verwendung des Begriffes "desistement d'action" zur Bezeichnung des materiellen Rechtsverzicht und des Verzichts auf die Geltendmachung der Klage im Völkerrecht verwirrend und inkorrekt. Es wird hier im folgenden von einer Verwendung des "desistement d'action" abgesehen und statt dessen die oben entwickelte Terminologie verwendet. In der Literatur wird das "desistement d'action" auch mit unterschiedlichem Gehalt verwendet. Während teilweise darunter der Rechtsverzicht subsumiert wird lOS, teilweise schlicht der Verzicht auf die Geltendmachung der Klage 106 , oder aber beide Tatbestände unterschiedslos, weil letzteres nicht losgelöst von ersterem gesehen wird 107, wird teilweise der Klageverzicht in seiner prozessualen Auswirkung als "desistement d' action" angesprochen. lOB Die angezogenen Verfahrensordnungen sind eindeutig: keine einzige verwendet den Begriff des "desistement d'action". Allein zwei VerfO'en der GemSchGH nach dem Versailler Vertrag scheinen diesen Begriff aufzunehmen. Die "Italienische" VerfO regelt in Artikel 64 die "rinuncia" derart, daß es dem Kläger freistehe, "rinunciare alla sua pretesa".I09 Der anschließende Artikel 65 regelt die Wirkungen einer solchen "rinuncia": "La rinuncia estingue l'azione e il diritto". Es erlöschen also die Klage selbst und das materielle Recht. Das ist die einzige VerfO einer internationalen Instanz, die überhaupt die Wirkungen einer "Rücknahme" regelt, und zwar der Klagerücknahme und des Rechtsverzicht. 110 Die "Belgisehe" Verfahrensordnung regelt in Diss. Op. Barcelona Traction (1.Phase), lCJ Rep. 1964, S. 6 (107). Z.B. Mabrouk, Exceptions, S. 14. 106 So Suy, Actes unilateraux, S. 182. 107 Vgl. de Visscher, Aspects recents, S. 88 f. 108 So faßt Sir Humphrey Waldock in seinem Plädoyer die Praxis ,..,ie folgt zusammen: "On the contrary, the evidence of the practice of States, and more especially of their practice under the Rules of this Court, shows that the use they make of the formula of "desistement d'instance" is quite inconsequential, indifferent, for any type of case and, not infrequently, even in cases of settlement by mutual agreement." Vgl. zu Charakterisierungen noch Tommasi di Vignano, Rinuncia, S. 54 und Sa!violi, Tutela, S. 371, die noch die Kategorie des Anerkenntnisses zur Differenzierung einführen. 109 Anhang I/Nr. 18 (3); die Begrifflichkeit des "rinunciare alla sua pretesa" ist auch in der italienischen Völkerrechtsdoktrin nicht eindeutig als Rechtsverzicht, Klagerechtsverzicht oder Klageverzicht definiert; vgl. Sa!violi, Tutela, S. 373ff.; dei Vecchio, Le parti, S. 243 fT.; Tommasi di Vignano, Rinuncia, S. 46 ff. Die deutsche Fassung verwendet: "Anspruchsverzicht" . 110 Die deutsche Fassung der VerfO gibt dies wieder: "Der Verzicht löst das Prozeßrechtsverhältnis und bringt den mit der Klage geltend gemachten Anspruch zum Erlöschen". Es scheint, daß auch im lGH Tendenzen bestanden, im Nachgang zum Barcelona Traction-Fall eine eindeutige Regelung der Wirkungen des "desistement" (nicht die obige "rinuncia ") vorzunehmen, davon wurde aber offensichtlich Abstand genommen. Der lGH selbst hatte ja in dem Urteil sehr deutlich zum rein prozeduralen Gehalt des "desistement" in Artikel 69 (heute 89) Stellung genommen, vgl. Barcelona Traction (1. Phase), lCJ Rep. 1964, S. 6 (21). 104

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Artikel 68 (1) den Fall eines "desistement du demandeur de ses droits". 111 Damit scheint ein Rechtsverzicht gemeint zu sein. Allerdings ist durchweg die Meinung vertreten worden, daß der prozessuale Klageverzicht geregelt wurde. 112 Dafür sprechen einmal der Regelungszusammenhang des "desistement" mit Vergleich und Anerkenntnis, denen ebenfalls Rechtskraft zukommen soll, mit den Regelungen in anderen VerfO'en, die ebenfalls den Klageverzicht regeln 113, und die hier vertretene Auffassung, daß es sich hier um ein redaktionelles Problem handelt, denn "les droits" wurden als Klageansprüche verstanden. In dem vorhergehenden Satzteil der Vorschrift wird "aquiescement du defendeur aux concIusions" verwandt, so daß nicht wieder "concIusions" als terminus technicus für Anträge verwendet werden konnte. 114 3. Klageverzicht und Anerkenntnis

Der Klageverzicht hat den Widerruf der mit der Klage aufgestellten Rechtsbehauptung zum Gegenstand. Dies Institut wird in den VerfO'en internationaler Instanz~n selten geregelt. Die VerfO'en der europäischen regionalen Instanzen sehen vor, daß die Parteien "renoncent atoute pretention reciproque",11S oder "qu'elles renoncent a toute pretention".u 6 Der Klageverzicht ist nur geregelt, wenn auch das Anerkenntnis in der jeweiligen VerfO vorgesehen ist. Dies Anerkenntnis ist als Institut des Prozeßrechts von dem materiell- rechtlichen Anerkenntnis zu unterscheiden. Es handelt sich um einen ,,(t)erme de procedure designant l'acte par lequel une partie a un differend Anhang I/Nr. 18 (1). So spricht die nichtverbindliche deutsche Übersetzung von einem "Verzicht des Klägers auf den Klaganspruch", Anhang I/Nr. 18 (1). Hallier. Schiedsinstanzen, S. 81 stellt dem "desistement de ses droit" das im folgenden Artikel geregelte "desistement d'instance" gegenüber. 113 Vgl. die Regelungen der VerfO'en TAM französischer, Art. 63, jugoslawischer, Art. 56 und türkischer A, Art. 70 und BArt. 101 ff. Vgl. Art. 25 SchGÖ /D VV, Anhang I/Nr. 17. Besonders deutlich macht dies die "jugoslawische" VerfO in der Kapitelüberschrift. Abweichend von der französischen Fassung wird dort differenziert. Letztere spricht nur von "desistement", im Deutschen heißt es "Verzicht und Klagerücknahme". 114 Allerdings hätte ebenso die Formel der "pretention" verwendet werden können, vgl. VerfO GH EGKS, Art. 80, Anhang IINr. 9 (1). 115 EGKS, Art. 80, Anhang IINr. 9 (1) im deutschen Text: " ... daß sie (die Parteien) gegenseitig auf prozessuale Geltendmachung ihrer Ansprüche verzichten". Dies scheint für einen Verzicht auf das Klagerecht zu sprechen, jedoch ist ganz herrschende Meinung, daß Art. 80 EGKS den Klageverzicht regelt, Hallier. Schiedsinstanzen, S. -81; Reephingen / Orianne. Procedure, S. 68. 116 EuGH, Art. 77, Anhang I/Nr. 9 (2): im Englischen: ,,(the parties) intimate to the Court the abandonment of their claims", im Deutschen: "auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche verzichten". Anders heißt es in Art. 47 des EuKernEG, Anhang IINr. 10 im Englischen: " ... they withdraw all claims" und im Deutschen: " ... sie ihre Forderung zurückziehen" . 11l

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accepte, expressement ou tacitement, purement et simplement ou sous condition, une allegation ou pretention de l'autre partie".117 Das Anerkenntnis wird entweder als "acquiescement"118 , oder als "passe-expedient" bezeichnet, welches Anerkenntnis und Verzicht gleichermaßen umfaßt, weil beides "l'acte par lequel une partie adhere aux conc1usions de son adversaire" ist. 119 Diese Institute wurden in den Verfahrensordnungen der TAM geregelt, nach dem Zweiten Weltkrieg allein in Art. 25 (2) der VerfO des SchG Ö / D VV. 120 Bei allen vorher genannten Instanzen ist dem Einzelnen ein Klagerecht eingeräumt. Daraus kann geschlossen werden, daß es bei solchen Instanzen einen Regelungsbedarf gibt, um eine entsprechende Kostenentscheidung, Rechtskraftwirkung und Vollstreckbarkeit auch beim Klageverzicht zu erreichen. 121 Die ersten Entwürfe der VerfO des StlGH im Jahre 1922 enthielten Regelungen über Anerkenntnis und Verzicht. Sie wurden jedoch ersatzlos fallengelassen. Eine Initiative in der Reformdiskussion 1935 brachte keine Änderung. 122 Ein neuerer Ansatz findet sich nur in den Model Rules on Arbitral Procedure in Art. 23 (1), in denen die Zustimmung des Beklagten zur Zurückziehung der Klage als entbehrlich angesehen wird, wenn der Kläger neben der Klagerücknahme zugleich die Begründetheit des Vortrages des Beklagten zugesteht. 123 Allerdings liegt kein Anerkenntnis im prozessualen Sinne vor. Die Begründetheit des jeweiligen Anspruches der anderen Seite in 117 Basdevant, Dictionnaire, S. 12. Im deutschen Recht versteht man unter Anerkenntnis eine einseitige Erklärung des Beklagten an das Gericht, daß der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ganz oder teilweise besteht". Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, S.801. 118 Art. 68, Belgisehe VerfO TAM; Art. 56 Jugoslawische VerfO TAM; Art. 70 Türkische VerfO A, und Art. 101 VerfO B TAM. 119 So Art. 63 Französische VerfO TAM. Vgl. dazu insbesondere Witenberg, Organisation judiciaire, S: 343 ff., der als dispositifs d'expedients alle "Bestätigungen" von Vergleichen, Anerkenntnissen und Verzichten zusammenfassen will. 120 Insofern ist Hallier's Annahme unzutreffend, daß nach dem 2. Weltkrieg keine Schiedsinstanz für Einzelne mehr Anerkenntnis und Verzicht geregelt hat, Hallier, Schiedsinstanzen, S. 84. 121 Dies sind aber auch die Gründe für die Regelung solcher Institute im nationalen Recht. Vgl. zur Vollstreckbarkeit § 4 des deutschen Ausführungsgesetzes zum Versailler Vertrag vom 10.8.1920, RGBI. 1920, S. 1569, in dem die deutschen Zwangsvollstreckungsregelungen auf Urteile des GemSchGH für anwendbar erklärt wurden; vgl. insgesamt Hallier, Schiedsinstanzen, S. 109, Fn. 463. 122 Siehe insbesondere peIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 313, die Voten von Frornageot, Sir Cecil Hurst, Jonkherr Van Eysinga und dem Kanzler. 123 Dazu siehe schon Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 76, Fn. 3: "Nur dann, wenn der Beklagte den Rechtsanspruch des Klägers ausdrücklich anerkennt, braucht das Gericht lediglich von der Anerkennung Akt zu nehmen und kein Urteil zu fällen, denn in diesem Falle liegt über die Rechtsfrage überhaupt kein Streit vor". Mit der gleichen Begründung will vor allem die italienische Völkerrechtslehre auf das Erfordernis der Zustimmung des Beklagten verzichten; Salvioli, Tutela, S. 373 f.; Tornrnasi di Vignano, Rinuncia, S. 49.

10 Wegen

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materiell-rechtlicher Hinsicht wird anerkannt. Dann entfällt tatsächlich der Streit in der Hauptsache; es ist kein Urteil mehr nötig. l24 Damit aber liegt ein Sonderfall des materiellen Anerkenntnisses vor, der hier nicht weiter verfolgt wird. 125 Offen ist, welche materiellen Wirkungen Klageverzicht und Anerkenntnis haben. Es gibt in den TAM keine Praxis zum Verzicht. Allerdings wurden mehrere Anerkenntnisse durch die Gerichte bestätigt. Da beide parallel geregelt sind, lassen sich die Ergebnisse beim Anerkenntnis durchaus übertragen. Entscheidend ist schon nach den VerfO'en jeweils, daß Anerkenntnis und Verzicht mit Rechtskraft ausgestattet werden. 126 Der Griechisch-Deutsche GemSchGH bestätigt die zuvor vorgetragenen Gründe für die Regelung von Anerkenntnis und Verzicht. In drei Fällen wurden dem Kläger die eingeklagten Beträge über die Ausgleichsämter erst gutgebracht, nachdem Klage erhoben worden war. Während die Beklagten eine Klagerücknahme forderten und Kostenübernahme durch den Kläger wegen vorzeitiger Klagerhebung geltend machten, beantragten die Kläger jeweils "passe-expedients" unter Verurteilung der Beklagten in die Kosten, dem der GemSchGH entsprach. 127 Nachdem der beklagte Staat ohne weiteres die Klagforderung anerkannt hatte, homologisierte der Französich-Deutsche GemSchGH ohne jegliche weitere Zulässigkeits- oder Begründetheitsprüfung das Anerkenntnis und verurteilte den Beklagten zur Kostentragung. 128 Schließlich hatte sich der Belgisch- Deutsche GemSchGH mit zwei Fällen des Anerkenntnisses zu befassen. In beiden Fällen kam es zu einem Anerkenntnis, einmal in der Klagerwiderung und einmal in der mündlichen Verhandlung. Der SchGH bestätigte ohne weitere Sachprüfung unter Schilderung des Prozeßverlaufes das Anerkenntnis und verurteilte den Beklagten jeweils in die Kosten. 129 Diese Praxis bestätigt den Regelungszweck von Verzicht und Anerkenntnis, keine neue materielle Rechtsgrundlage für Klagabweisung bei Verzicht und 124 So Salvioli und Tommasi di Vignano, ibid. So insbesondere Salvioli, Procedure, RdC 91 (1957 I), S. 553 (562) zu den Verknüpfungen von Klagebefugnis - Streitigkeit Anerkenntnis - Verzicht - Erledigung der Hauptsache. 125 Mit Suy, Actes unilateraux, S. 182 kann festgehalten werden, daß dies kein Fall des Verzichts bzw. des Anerkenntnisses ist, sondern vielmehr eine tatsächliche Erledigung des Rechtsstreits darstellt. Suy selbst führt an, daß der Kläger dann die Klage zurücknehmen wird. 126 "Donner force de chose jugeejKraft eines rechtskräftigen Urteils erlangen", Belgisehe VerfO; "a force de chose jugee", Französische VerfO, "force executoire", Jugoslawische VerfO, Türkische VerfO. Vgl. die Kostenregelungjeweils im selben Artikel, die den Verzicht und das Anerkenntnis regeln, und die Kostenjeweils dem Verzichtenden bzw. dem Anerkennenden auferlegen. 127 TAM VII, S. 684 (Günther Wagner); TAM VII, S. 683 (zwei ähnliche Entscheidungen). 128 TAM I, S. 88 (Walter). 129 TAM I, S. 294 (DupontjFlender); TAM I, S. 561 (VogeljLappenberg).

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Klagzuspruch bei Anerkenntnis zu schaffen, sondern das Urteil auf eine prozessual zulässige neue Grundlage aufgrund von Prozeßhandlungen der Parteien zu stellen. 130 Allerdings liegt dann eine Entscheidung mit Rechtskraft vor, so daß, anders als bei der Klagerücknahme, einer erneuten Klagerhebung der res iudicata- Einwand entgegensteht. 131 Im Gegensatz zur Klagerücknahme wird damit die Instanz durch eine Sachentscheidung beendet. 4. "Dessaisissement" und "desistement"

Aus der französischen Rechtsterminologie stammt die Dichotomie "dessaisissement" und "desistement". Bei letzterem nimmt der Kläger Abstand von dem von ihm initiierten Verfahren oder dem von ihm geltend gemachten Anspruch. Das "dessaisissement" hingegen bezeichnet eine Handlung und deren Ergebnis bezogen auf die vom Handelnden angerufene Instanz: Zunächst wird eine Gerichtsinstanz um Rechtsschutz angerufen: "saisir d'un litige". So dann wird das Verfahren beendet: "dessaisir l' instance". "Dessaisissement" bedeutet also die Beendigung der Befassung des Gerichts mit dem Streitfall. 132 Diese Beendigung des Verfahrens kann verschiedene Ursachen haben. Es kann ein Endurteil ergangen sein, die Parteien können einen Vergleich geschlossen haben, oder die Klage kann zurückgenommen worden sein. "Dessaisissement" liegt vor, wenn das Rechtsschutzziel des Verfahrens erreicht ist oder aus besonderen Gründen nicht mehr erreicht werden kann. 133 In erster Linie wird das Gericht "dessaisi" durch Erlaß des Urteils. "La sentence rendue, la mission du juge est terrninee. Ses pouvoirs cessent. C' est ce qu'indique le vieil adage: lata sententia judex desinit esse judex. Une fois la sentence rendue, le juge cesse d'etrejuge". Und: "Ledessaisissement n'a lieu que dans la mesure dece qui a ete juge". 134 Die Parteien können aber ebenso die Beendigung des Verfahrens durch ihre gütliche Einigung oder eine Klagerücknahme herbeiführen. 135 In der internationalen Praxis ist das "dessaisissement" nur in den Berichten des (französischen) Rapporteur Georges Scelle in der International Law Commission angesprochen worden, der als "dessaisissement" allgemein die Beendigung der Befassung des Gerichts mit einer gegebenen Streitigkeit So Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, S. 801. Vgl. Art. 68 Belgische VerfO; Art. 64 Französische VerfO; Art. 56 Jugoslawische VerfO und Art. 70 Türkische VerfO A und 106 VerfO B, alle TAM. 132 Pinto, Juris-Classeur, Fasc. 217, Nr. 44: "Fin de la saisine de la Cour". 133 So Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, S. 762 für das deutsche Recht. 134 Witenberg, Organisation judiciaire, S. 351. Vgl. Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 166 zu den Urteilswirkungen, und insgesamt Morelli, La sentenza intemazionale (1931). Hierbei soll zunächst dahingestellt bleiben, ob ein dessaisissement ipso iure eintritt aufgrund der Parteierklärungen, oder ob eine abschließende Verfügung des Gerichts erfolgen muß. 135 Vgl. Pinto, Juris-Classeur, Facs. 217, Nr. 44; Stauffenberg, Statut et reglement, S.405. 130

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10·

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ansah. 136 Die Draft Convention on Arbitral Procedure in Artikel 21 und die Model Rules on Arbitral Procedure in Art. 22 sprechen im Fall eines Vergleiches zwischen den Streitparteien von "dessaisissement", während die englische Fassung stets den terminus "discontinuance" verwendet. 137 Schließlich wird das "dessaisissement" noch in Art. 50 der VerfO EuGHMR verwendet, in dem vorgesehen ist, daß eine Kammer des Gerichtshofes eine Rechtssache an das Plenum abgeben kann, wenn es sich um eine bedeutende Rechtsfrage handelt: "La chambre peut en tout etat de cause se dessaisir au profit de la Cour pleniere/the Chambe may, at any time during the proceedings, relinquish jurisdiction in favour of the plenary Court". 138 "Dessaisissement" wird als Bezeichnung für die Beendigung der Befassung einer Instanz mit einer Streitigkeit verwendet, so daß keine weiteren Befugnisse der Gerichtsinstanz in Bezug auf den zuvor anhängigen Streit mehr bestehen. 139 5. Klageänderung und Antragsänderung

Von der Klagerücknahme sind Klage- und Antragsänderung zu unterscheiden. Anhang I gibt die Regeln über die Klagerücknahme wieder. Sie sehen durchweg vor, daß mit der Klagerücknahme nur die auf die Beendigung des Verfahrens oder eines bestimmten Verfahrensabschnittes gerichteten Erklärungen gemeint sind; es werden die "proceedings" / "the proceeding" oder "l'instance" beendet. l40 Für die Klageänderung finden sich keine Vorschriften. Als eine solche wird im eigentlichen Sinne nur die "Veränderung des Klagegrundes oder Streitgegenstandes, d.h. der Gesamtheit der zur Stützung des Klagebegehrens vorgebrachten Tatsachen" verstanden. 141 Eine Änderung der Klage in diesem engeren Sinne ist in jeder Lage des Verfahrens unzulässig, weil damit der Streitgegenstand selbst verändert würde. 142 Der Streitgegenstand wird aber mit 136

(130).

Arbitral Procedure, Rapport par Georges Scelle, v. 21.3.1950, ILCY 1950 II, S. 114

137 Der Commentary, S. 81 ff. selbst macht keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Bezeichnungen. Sachlich wurden hier keine unterschiedlichen Regelungen ~etroffen. Allerdings diskutiert Stauffenberg, Statut et reglement, S. 405 unter "dessaisissement" nur die Verfahrensbeendigung durch Parteiwillen. 138 Anhang I/Nr. 13 (2). 139 Witenberg, Organisation judiciaire, S. 351 mit Hinweisen aus der Schiedspraxis. 140 Vgl. nur Art. 89 VerfO IGH. Eine Ausnahme ist allein die "Französische" Verfahrensordnung TAM, die eine Rückname der "Klaganträge" zuläßt, "les conclusions", Art 69 (1). 141 Hallier, Schiedsinstanzen, S. 78; vgl. Aslaoui, Conclusions, S. 56 ff; Salvioli, Tutela S. 224 f; vgl. dei Vecchio, Le parti, S. 68 f; Scerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (633 f.); Witenberg, Organisation judiciaire, S. 211; Rupp, Staatsvertreter, S. 59 Feiler, Conclusions ofthe Parties in the Procedure ofthe PCIJ, AJIL 25 (1931), S. 490 (497 ff.). 142 So Hallier, Schiedsinstanzen, S. 79; Rupp, Staatsvertreter, S. 60; Witenberg, Organisationjudiciaire, S. 211; Mosler, Wiener Schiedsspruch, ZaöRV 32 (1972), S. 36 (62 f.); Aslaoui, Conclusions, S. 60 ff.; Mani, Procedural Aspects, S. 137 ff. Aus der

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der Einleitung des Verfahrens bereits umschrieben und festgelegt. 143 Dagegen stellen sich Änderungen der Anträge als Präzisierungen oder Korrekturen früherer Anträge dar, die auf demselben Klaggrund beruhen. Der Unterschied zur Klagerücknahme liegt darin, daß keine Verfahrensbeendigung vorliegt, sondern Anträge auf Bescheidung im Rahmen eines identischen Klaggrundes umgestellt werden, u.U. teilweise zurückgenommen werden. "Enfin des rectifications ou amendments to pleadings viendront preciser le domaine de la litigation". 144 Antragsänderungen werden nur teilweise ausdrücklich in ihrem zulässigen Umfange geregelt. 145 In der Praxis des (St) IGH haben sich eigene, sehr liberale Grundsätze entwickelt, insbesondere in der Unterscheidung der Anträge und Schlußanträge, sodaß ein eigenständiger Regelbereich entstanden ist, der hier nicht behandelt wird. 146 Eine Anwendung per analogiam oder durch direkte Übernahme der Klagerücknahmevorschriften auf Antragsänderungen, die nach nationalem Verständnis eine teilweise Klagerücknahme darstellen, findet sich nur selten. 147 Es gibt Rechtsprechung siehe insbesondere mit vielen Nachweisen zum (St)IGH; Societe Commerciale de Belgique, Judgment, 1939, PCIJ, Series AlB, No. 78, S.160 (173); Prince von Pless Administration, Order of 4 February 1933, PCIJ, Series AlB, No. 52. S. 11 (14); die Spruchpraxis der Gemischten SchGH findet sich zusammengestellt bei Haitier, Schiedsinstanzen, S. 80, Fn. 371; dazu auch Aslaoui, Conclusions, S. 94 ff.; Bos, Conditions du proces, S. 179 ff. Zum Streitgegenstand vgl. Bruns, La Cour permanente, RdC 62 (1937 IV), S. 655 (611,614,646); Terre, Theorie generale, Z.f.Schw.R.NF. 93 (1974), S. 41 (47). 143 Nottebohm, ICJ Rep. 1953, S. 111 (122), vgl. 1. Hauptteil, 1. Kapitel, H., 3; AbiSaab, Exceptions, S. 351. Dazu insbesondere auch aus der Schiedsgerichtsbarkeit zuletzt der Wiener Schiedsspruch, Ö/D SchG FAG, ZaöRV 32 (1972), S. 36 (49 f.) mit Anm. Mosler, a.a.O., S. 57 (60ff.) 144 Witenberg, Organisation judiciaire, S. 188; zur Definition vgl. Basdevant, Conclusions, FS Perassi S. 173 (174); vgl. Rosenne, The 1972 Revision of the Rules of the International Court of Justice, Israel L. Rev. 8 (1973), S. 197 (224): "By "submissions" the Court probably means a precise and direct statement of the claim", mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des IGH; Societe Commerciale de Belgique, Judgment, 1939., PCIJ, Series AlB, No. 78, S. 160 /173); Atomtestfälle, ICJ Rep. 1974, S. 253 insbesondere zur Auslegung der Parteianträge. 145 Hierzu die Übersichten bei Aslaoui, Conclusions, S. 93 f. (Mexican Cl. Com.); S. 94 ff. (TAM); S. 97 ff. und 102 ff.«St)IGH); so auch sehr detailliert bei Bos, Conditions du proces, S. 179 ff.; vgl. Haitier, Schiedsinstanzen S. 79 f. mit Fußnoten 368 ff.; Feiler, Commissions, S. 238 ff. 146 So Haitier, Schiedsinstanzen, S. 78; Aslaoui, Conclusions, 102 ff., Basdevant, Conclusions, FS Perassi, S. 173 ff.; dei Vecchio, Le parti, S. 69 f.; Salvioli, Tutela, S. 225 ff.; Mani, Procedural Aspects, S. 137 ff; Bos, Conditions du proces, S. 190 f., der eine gewisse uneinheitliche Rechtsprechung konstatiert. Für eine ausführliche Darstellung der Urteilsgrundlagen C. Smith, Premises, S. 11 ff. Vgl. allerdings die Unterscheidung von Anträgen und Schlußanträgen zu Art. 49 (1), (2); 60 (2) VerfO IGH 1978. Dazu bereits PCIJ, Series E, No. 16, S. 183. 147 Dies geschieht insbesondere in der ständigen Rechtssprechung des EuGH, vgl. Rs: 12(74, U. v. 20.2.1975, Slg. XXI, S. 181 (200); vgl. die Nachweise bei Wolf, Art 18, VerfO

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aber einen Teilbereich, in dem Überschneidungen denkbar sind. In Ausübung diplomatischen Schutzes vor internationalen Instanzen werden häufig ganze Bündel von Ansprüchen geltend gemacht, von denen einzelne im Laufe des Verfahrens zurückgenommen wurden. Es handelt sich um die Rücknahme eines vollständigen Antrags, der jedoch als Rechnungsposten innerhalb einer Gesamtklage aufgefaßt wird. Insoweit erfolgt nur eine Reduzierung des Gesamtanspruches. Dies gilt aber nur für die Schiedspraxis 148 und nicht für die (St)IGHPraxis. So wurden im Chorzow-Fall einzelne Ansprüche zurückgezogen. Die Rücknahme wurde aber nur im Protokoll vermerkt, und der Präsident "donna acte au retrait de la requete", soweit es den jeweiligen Anspruch betraf. 149 Klage- und Antragsänderung werden zu Recht in der internationalen Gerichtspraxis als eigenständige Institute von der Klagerücknahme klar getrennt.

EuGH, S. 213 f.; auch D. Möller, Die Klageänderung im Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Diss. Bonn 1976, insbes. S. 113 f. und insbesondere beim Französisch-Deutschen GemSchGH, der ja ausdrücklich die Antragsrücknahme zuläßt; Pacotte, TAM H, S. 430 (433); vgl. den Englisch-Deutschen GemSchGH, der eine Parteiauswechslung als Klagerücknahme ansah, Beers, TAM VII, S. 449. 148 So z.B. im Portugiesischen Kirchgüter-Fall, in dem die englische Regierung erklärte, daß sie auf die von ihr im Namen Joseph Bramley's vorgebrachten Ansprüche vollständig und vorbehaltlos verzichte. Das Schiedsgericht stellte lapidar fest: ,,3. Arecord is made of the declaration of the British Government that it abandons absolutely and without reservation the claims presented by it in the name of Joseph Bramley: the said claims are in this matter discarded." J.B. Scott, The Hague Court Reports, 2nd series (1932), S. 8: Portugiesischer Kirchengüterstreit. Vgl. die Fälle Französischer Ansprüche gegen Peru; Leuchttürme-Schiedsfall, alle Anhang lI/Nr. A; Marrokkanische Ansprüche Fall, RIAA XII, S. 615 (721) = Anhang II/Nr. B. 149 Es scheint, daß der StIGH dies zunächst im Prozeßurteil als Rücknahme eines einzelnen Antrages gesehen hat, Certain German Interests in Polish Upper Silesia, Judgment No. 6, Jurisdiction, 1925, PCIl, Series A. No. 6, S. 6: "Lors de la procedure orale devant la Cour, le representant allemand a declare retirer la conclusion (submission) no.3, pour autant qu'elle se rHere a la propriete rurale appartenant aMme Hedwig Voigt; illui a ete donne acte de cette declaration." Rupp, Staatsvertreter, S. 63 Fn. 82. Im Endurteil jedoch wurden die zurückgezogenen Anträge dann als zulässige Antragsänderungen behandelt, auch wenn es als."Klageänderung" angesprochen wurde; Certain German Interests in Polish Upper Silesia, Merits, Judgment No. 7, PCJI, Series A, No. 7. S. 10. Allerdings prüfte das Gericht unabhängig vom übereinstimmenden Willen der Parteiendas heißt U.U. ihrer Disposition entzogen - die Frage, ob die modifizierte Fassung des Antrages "is substantially equivalent to the submission in the Application". a.a.O., S. 45. Dies scheint geprüft zu werden allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt der Ersetzung des Klagegrundes durch Klageänderung (was möglich sein müßte unter forum prorogatum-Gesichtspunkten), sondern unter dem Aspekt, ob beide Anträge (der alte und der modifizierte) zu prüfen sind, da der alte Antrag nicht zurück genommen worden ist. D.h. bei Klageänderung muß der Hof prüfen, ob eine Gleichartigkeit oder Übereinstimmung der Anträge vorliegt - d.h. die Änderung voll den alten Antrag erfaßt, denn sonst könnte der überschließende Teil des alten Antrages neben dem modifizierten zu prüfen sein, a.a.O., S. 45.

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6. Klagerücknahmevertrag , Klagerücknahmeversprechen und einseitige Erledigungserklärung

Schließlich fragt sich, ob das internationale Prozeßrecht Figuren kennt, die dem deutschen Juristen als Klagerücknahmevertrag oder Klagerücknahmeversprechen bekannt sind. Hauptstreitpunkt unter deutschem Recht ist die Frage nach dem Rechtscharakter solcher Verträge. ISO Die Verfahrensordnungen und die Praxis selbst enthalten keinerlei Hinweise in dieser Richtung. A prioriAbleitungen sind zu vermeiden. Dies gilt ebenfalls für die Frage, ob es einseitige Erledigungserklärungen im Völkerprozeßrecht gibt. Auch dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte in Verfahrens ordnungen, Lehre und Praxis, sodaß eine eigenständige Untersuchung dieser Fragen nicht erfolgt.

7. Zur Terminologie der K/agerücknahme Die rein prozessuale Natur der Klagerücknahme, des "desistement pur et simple" (More/li) kommt in vielen Verfahrensordnungen klar zum Ausdruck. lsl So ist in manchen VerfOen in deutscher Sprache nur die Rede von Antrags- oder Klagerücknahme lS2 , oder in englisch von "withdrawal of submissions and defence" IS3 oder schlicht von "desistement". 154 Allerdings wird "desistement" ohne weiteren Zusatz auch in den VerfO'en der GemSchGH verwendet, wobei sich aus dem Zusammenhang mit den übrigen Normen ergibt, daß es sich hierbei um den Klageverzicht handelt. Zum einen wird "desistement" erwähnt im Zusammenhang mit "transaction" und "acquiescement", also Vergleich und Anerkenntnis, zum anderen wird in einem separaten Artikel zusätzlich das "desistement d'instance" als Klagerücknahme geregelt. 15S Eine Klagerücknahme enthält auch die Formulierung "se desister de 150 Barz, Das Klagerücknahmeversprechen (1933); Schiedermaier, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935); Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970), S. 134 ff. 151 Damit ist noch nicht entschieden, ob mit der Prozeßhandlung der Klagerücknahme noch weitere Erklärungen verbunden sein können, die die Annahme weiterer Wirkungen auch im materiellen Recht erlauben; vgl. Barcelona Traction (1. Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (21). 152 ORG. 2. Senat, Art. 31, und ORG, 3. Senat, Art. 8, VerfO'en, Anhang I/Nr. 15 (2), (3); Ö/D SchG Fag, Art. 20VerfO, Anhang I/Nr. 6; Gern. Kom. OS, Art. 8, Anhang I/Nr. 19 (1). Nach deutschem Prozeßrechtsverständnis ist eine solche Terminologie völlig eindeutig die prozedurale Rücknahme des Rechtsschutzgesuches. 153 Vgl. Netherlands-Japanese Property Commission, Art. 19 VerfO, Anhang 1/ Nr. 25 (2). 154 Vgl. die ILC-Entwürfe 1953, Art. 21 und der Model Rules 1958, in Art. 22: desistement bzw. discontinuance, Anhang I/Nr. 8 (1), (2); Art. 48 (1) der VerfO EuGHMR, Anhang I/Nr. 13 (2). 155 Vgl. die GemSchGH mit "Jugoslawischer", VerfO, Art. 56. Vgl. aber die Türkische VerfO A, Art. 70, wo sich nur aus dem Regelungszusammenhang mit Anerkenntnis und Vergleich ergibt, daß es sich dort um Klageverzicht handelt. Demgegenüber behandelt die Türkische VerfO B, Art. 107 nur das "desistement d'instance".

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ses conc1usions" .156 In einigen Fällen wird auch die an die Dichotomie "instance / action" erinnernde Wendung "se desister de l'instance" (to discontinue proceedings) verwendet. Dies geschieht in drei VerfO'en von GemSchGH nach dem 1. Weltkrieg im Zusammenhang mit der einseitigen Klagerücknahme 157 , und bemerkenswerterweise in der Verfahrensordnung des IGH von 1978 im Zusammenhang mit dem Verfahrensvergleich in Art. 88 (1).158 Bei den Europäischen Gerichtshöfen wird im Falle der einseitigen Klagerücknahme die abgewandelte Form des "renoncer al'instance" (to discontinue proceedingsVerzichten auf das Verfahren/ Zurücknehmen der Klage) verwendet. 159 Schließlich findet sich die Wendung des "mettre fin a l'instance" (to discontinue the proceedings).l60 Sehr häufig wird die Wendung "renoncer a poursuivre la procedure" (not to go on with or to break off proceedings) verwendet, und zwar durchgängig in allen (St)IGH und den ihnen nachgebildeten Verfahrensordnungen, soweit es sich um die einseitige Klagerücknahme und den Verfahrensvergleich handelt 161 • Es läßt sich als Ergebnis festhalten, daß die englische Version stets den Begriff "proceedings" verwendet, während in der französischen Sprache die Praxis zwischen "procedure" und "instance" schwankt. Allerdings ist damit kein materieller Unterschied verbunden; die Begriffe werden synonym gebraucht. 162 156 Vgl. die "Französische" Verfahrensordnung, TAM, Art. 65, Anhang [INr. 18 (2). Hier liegt zunächst auch ein Klageverzicht nahe. Allerdings werden im französischen Sprachgebrauch "conclusions" stets als "Anträge" verstanden und nicht als damit geltend gemachte Ansprüche, vgl. Aslaoui. Conclusions, S. 9 ff., Witenberg. Organisation judiciaire, S. 215. 157 VerfO'en TAM: "Belgische", Art. 69, "lugoslawische", Art. 57, und "Türkische B", Art. 107. 158 Anhang [INr. 2 (2). 159 Art. 81 (1) EGKS VerfO, Anhang [INr. 9 (1) und Art. 78 EuGH VerfO, Anhang [INr. 9 (2), sowie Art. 47 (b) VerfO EuKernEG, Anhang [INr. 10. Im jeweils gleichen Artikel wird dann noch separat von "desistement" gesprochen, so daß die Bedeutung des "renoncer" dem "se desister" deutlich gleichgestellt ist. 160 Art. 43 (1) und 44 ICSID Schiedsordnungen, Anhang [INr. 30 (2) und (3). 161 Folgende VerfO'en: StIGH 1936, Art 68, Art. 69 (1), IGH 1946 und 1972, Art. 68 Art. 69 (1) und Art. 71 (1),74 (1); IGH 1978, Art. 89 (1); Saar SchG, Art. 15 (1); SchGH LSchA, Art 40, Art. 41 (a); SchKGRI, Art. 60. Auf die Angabe des jeweiligen Anhangs wurde hier verzichtet. Ebenso die Regelung für den Verfahrensvergleich in der StIGH VerfO von 1922. Art. 61(2), Anhang [INr.l (1). Vgl. ebenso die englische Fassung in Art. 26 EACMT, Anhang [INr. 11. 162 Ebenso dei Vecchio. Le parti, S. 238; de Visscher; Aspects recents, S. 88; Morelli in seiner Diss.Qp. Barcelona Traction (1.Phase), ICl Rep. 1964, S. 6 (102). Die jüngste internationale Praxis weist einen noch davon abweichenden Sprachgebrauch auf. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada unterbreiteten zum ersten Male einer vom Internationalen Gerichtshof zu bildenden Kammer per Komprorniß ihre Abgrenzungsstreitigkeit im Golf von Maine; vgl. Artikel 1, Treaty to Submit to Binding Dispute Settlement the Delimitation ofthe Maritime Boundary in the Gulf ofMaine Area of 1979, ILM 20 (1981), S. 1377. Art. 2 und 3 desselben Vertrages sehen vor, daß die Streitigkeit

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Weitergehende Folgerungen können an variierenden Gebrauch nicht geknüpft werden. 163

IV. Ausgrenzungen zu ähnlichen Prozeßrechtsinstituten 1. Die Verfahrensverjährung (Peremption)

Einige der mit zwischenstaatlichen Streitigkeiten befaßten Instanzen sehen in ihrer VerfO ein Institut vor, welches die Hinfälligkeit des Verfahrens insgesamt vorschreibt, wenn innerhalb einer bestimmten Zeit das Verfahren nicht betrieben wird. l64 Hierbei geht es nicht um eine "Klageverwirkung", 165 sondern um die Möglichkeit für das Gericht, ein Verfahren einzustellen, wenn die Parteien es nicht betreiben. Eine solche Regelung findet sich in den Verfahrensordnungen fast aller Gemischter Schiedsgerichtshöfe, nämlich in den "Französischen", den "Belgisehen", den "Italienischen" und den "Türkischen" Verfahrensordnungen. l66 In einem Schiedsgericht unterbreitet wird, wenn das Komprorniß aufgehoben werden sollte. Dies kann passieren, wenn (1) entweder die Kammer des lOH nicht zur Zufriedenheit der Parteien besetzt wird (Art. 2), oder aber, wenn eine etwa eintretende Vakanz in der Person eines Richters der Kammer nicht zur Zufriedenheit der Parteien ausgefüllt würde (Art. 3). Wird dann das Komprorniß aufgehoben, "the Parties shalljointly notify the International Court of Justice that the proceedings under the Special Agreement are discontinued". Oanz abweichend wird in dem französichen, ebenso autoritativen Text der Begriff "discontinuation" verwendet, der ansonsten in der völkerrechtlichen Praxis überhaupt nicht gebräuchlich ist. Der französische Text wurde dem Verfasser freundlicherweise von der kanadischen Botschaft für die Vereinten Nationen in New York zur Verfügung gestellt, später auch vom State Department. Nachfragen bei der New Yorker kanadischen Botschaft haben ergeben, daß "discontinuation" keine in dem kanada-französischen Sprachgebrauch des dortigen Prozeßrechts gebräuchliche Figur ist; allerdings werde der Begriff für "Beendigung" untechnisch-umgangssprachlich verwendet. 163 Es gibt keine weiteren Hinweise in Statut und VerfO auf Verzicht/Rücknahme etc. außer in Art. 53 des lOH Statuts zur Säumnis: " .. or fails to defend its case ... " / " .. ou s'abstient de faire valoir ses moyens ... " / " .. oder verzichtet sie darauf, sich zur Sache zu äußern .. ". 164 Allerdings schlug Nyholm in den Vorarbeiten zur Erstellung der VerfO des StrOH in seinem eigenen VerfO-Entwurf eine Regelung der Verfahrensverjährung vor, die identisch mit den Artt. 68 und 69 der "Französischen" VerfO TAM war. Diese Regelung wurde in den Diskussionen und der VerfO nicht aufgenommen. Vgl. für den Wortlaut unten, übernächste Fußnote; Nyholm, Reglement revise de procedure pour la Cour de Justice internationale, Annex 56 a, pcn, Series D, No. 2, S. 353 (375). 165 Dazu im deutschen Recht sehr kritisch Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, S. 375. 166 Siehe Artikel 74, Anhang I/Nr. 18 (2), Artikel 68, Anhang I/Nr. 18 (1), Artikel 64, Anhang I/Nr. 18 (3), Artikel 112, Anhang I/Nr. 18 (6) B, jeweils für FundsteIlen und Nachweis, welche TAM sich dieser VerfO'enjeweiis bedient haben. Als Beispiel seien hier abgedruckt Artt. 68 und 69 der "Französischen" Verfahrensordnung, Anhang I/Nr. 18 (2): Peremption de l'instance, Art. 68: "L'instance dans laquelle les parties se sont abstenues de toute acte de procedure pendant une annee ä partir de la derniere operation

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

allen Fällen muß die Verfahrensverjährung von der sich darauf berufenden Partei vorgetragen werden. Es steht im Ermessen des Gerichts, ob es eine Verfahrensverjährung annehmen will. Die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Gründe für eine lange Passivität der Prozeßparteien, werden entscheidend berücksichtigt,167 Entscheidend ist, daß keine der Prozeßparteien eine Prozeßhandlung vorgenommen haben darf. Nach den "Belgischen" und "Türkischen" VerfO'en 168 war es ausreichend, daß eine Partei sich über ein Jahr jeglicher Prozeßhandlung enthielt, damit sich die Gegenpartei aufProzeßverjährung berufen konnte. Nach den "Französischen" und "Italienischen" VerfO'en 169 mußten sich beide Parteien über ein Jahr jeglicher Prozeßhandlung enthalten haben, damit sich eine von ihnen auf den Einwand der Verjährung berufen konnte. Das Gericht kann nach seinem Ermessen dem Einwand stattgeben. 170 Das materielle Recht bleibt unberührt,l71 Die ausgesprochene Verjährung läßt die Parteien in der Lage, in der sie ohne Einleitung des Verfahrens gewesen wären. 172 Damit aber ist der Zweck der Regelung klar. Die Klagen vor den Gemischten Schiedsgerichtshöfen mußten innerhalb verhältnismäßig kurzer Fristen eingereicht werden 173, deren Überschreitung zur Abweisung als verspätet und damit unzulässig führten. Die Verfahrensverjährung war ein weiteres prozeßtechnisches "Druckmittel" auf die Parteien, die Verfahren möglichst zügig zu betreiben. 174 Im Ergebnis wird als Sanktion verhängt, daß peut, par decision du Tribunal, !:tre annulee comme perimee lorsque l'une ou l'autre des parties fait valoir cette peremption. La partie qui veut se prevaloir de la peremption doit, sous peine de decheance, l'opposer en reponse au premier acte tendant ä reprendre ou ä continuer l'instance". Art. 69: "Tous les actes de l'instance perimee sont annules et consideres comme n'ayant pas existe. Chaque partie supporte les frais qu'elle a faits. La peremption de l'instance n'invalide pas le droit litigieux". 167 Französisch-Deutsches TAM; Leparcq-Planque Fils c. Etat allemand, TAM VII, S. 576 (578) mit Hinweisen auf einundzwanzig weitere Urteile der Dritten Section; Societe des Glacieres de I'Alimentation Lilloise c. Etat allemand, TAM VI, S. 909 (910); Mazeraud et Consorts c. Etat allemand, TAM VI, S. 938 (940). 168 Wiederum hier als Muster gemeint, für die betroffenen TAM siehe Anhang I/Nr. 18 (1) und (6) A, Artikel 68 und 112. 169 Auch hier als Muster gemeint, Anhang I/Nr. 18 (2) und (3). 170 Nach der Französischen VerfO wird das Verfahren "durch Entscheidung des Gerichtshofes als verjährt für nichtig erklärt". 171 So ausdrücklich die Französische und Italienische VerfO'en. 172 So ausdrücklich die "Belgische" und die "Türkische" VerfO'en. 173 Vgl. Artikel 3 und 5 der VerfO Französisch-Deutsches TAM. 174 Die Praxis der TAM zeigt, daß die Prozeßverjährung stets in Fällen eingewandt wurde, in denen die Klageerhebung erst nach Ablauf der gesetzten Fristen erfolgte und die beklagte Partei zunächst nicht in das Verfahren eintrat, sondern erst über ein Jahr nach Klagerhebung eine Prozeßhandlung vornahm, nämlich die verspätete Klagerhebung rügte und Klagabweisung wegen Unzulässigkeit beantragte. Darauf erhob dann die klägerische Partei den Einwand, daß die Verfahrenshandlung der Erhebung der Unzulässigkeitseinrede verjährt sei und somit die Klage deshalb nicht abgewiesen werden könnte. Diese Fälle wurden dahin entschieden, daß die Prozeßverjährung nur auf das Verfahren insgesamt, und nicht auf eine einzelne Verfahrenshandlung Anwendung findet. Vgl. insbesondere mit

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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eine Durchsetzung des mit der Klage verfolgten Anspruches jedenfalls vor dem TAM überhaupt nicht mehr möglich ist, wenn die Fristen für die Einreichung der Klagen abgelaufen sind, und jetzt dem Einwand der Prozeßverjährung stattgegeben wird. Eine andere Regelung sieht die VerfO der EuKMR vor. Die Kommission kann eine Beschwerde aus dem Register streichen, wenn der Beschwerdeführer keine Absicht zeigt, seine Beschwerde weiterzuverfolgen. 175 Diese Streichung steht unter dem Vorbehalt, daß nicht die allgemeine Bedeutung der Beschwerde für die Anwendung der Konvention ihre Weiterverfolgung rechtfertigt. 176 Die Kommission kann die Beschwerde wieder in das Register eintragen, wenn es die Umstände des Falles rechtfertigen. Hier also kann man nicht von einer Verfahrensverjährung im strikten Sinne sprechen. Vielmehr wird hier über das Verhalten des Beschwerdeführers hinaus der Zweck der Europäischen Menschenrechtsordnung in den Vordergrund gestellt. 177 Es bedarf zudem keiner Parteiinitiative, die zur Streichung der Beschwerde im Register führt. Im Verfahren vor der Kommission gibt es kein eigentliches Streitverfahren, in dem sich Parteien gegenüberstehen. Damit hebt sich die Regelung der VerfO der EuKMR von dem Zweck der "Verfahrensbeschleunigung" deutlich ab. Eine ganz andere Regelung liegt Artikel 45 der ICSID Arbitration Rules zugrunde. 17s Dort wird bereits nach einer sechsmonatigen Frist seit der letzten Verfahrenshandlung 179 vermutet, daß das Verfahren "auf ihre (der Parteien) Veranlassung hin als beendet" gilt. ISO Den Parteien ist von dieser Absicht des Gerichts zahlreichen Nachweisen, Französisch-Deutsches TAM; Leparcq-Planque Fils c. Etat allemand, TAM VII, S: 576. Vgl. die übrigen oben angeführten Entscheidungen des Französisch-Deutschen TAM. 175 Art. 44 (1) (b) VerfO EuKMR, Anhang I/Nr. 13 (1). 176 Z.B. Applications Nos. 2840/66, 3625/68, 4056/69, 4738/71. Vgl. Mikaelsen, Human Rights, S. 50 f. 177 Vgl. Applications Nos. 2840/66, 4428/70; Mikaelsen, Human Rights, S. 51 f. 178 Anhang I/Nr. 30 (2). Vgl. auch Art. 52 der Schiedsordnung (Additional Facility), Anhang [/Nr. 3 (3). 179 Oder einer abweichend von den Parteien konsentierten und vom Gericht sanktionierten Frist, vgl. Art. 45. 180 In der englischen Fassung wird deutlicher, daß eine übereinstimmende Klagerücknahme fingiert wird, von welcher das Gericht oder der Generalsekretär, wenn das Gericht noch nicht gebildet ist, in einer Verfügung Kenntnis nimmt - dies entspricht dem Verfahren bei der Klagerücknahme: "they (the Parties) shall be deemed to have dicscontinued the proceeding". Um eine Verfahrensbeschleunigung, und auch eine "Entschlackung" der anhängigen Verfahren zu erreichen, wurde für den FranzösischDeutschen GemSchGH 1928 eine Änderung der Verfahrensordnung durch die Einführung des Radiationsverfahrens vorgenommen. Hier bei wurde eine Fiktion der einseitigen Klagerücknahme durch den Kläger normiert für den Fall, daß dieser nicht innerhalb bestimmter Fristen bzw. nach mehrmaliger Androhung die Klagebegründung einreichte. Kam der Kläger diesen Aufforderungen nicht nach, dann wurde aufgrund der fingierten Klagerücknahme die Rechtssache aus dem Register gestrichen; vgl. hierzu insgesamt SchätzeI, Gern. Schiedsgericht, S. 106.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Kenntnis zu geben, so daß es ihnen offen steht, im Anschluß an die Mitteilung von der beabsichtigten Verfahrenseinstellung eine Verlängerung der SechsMonats-Frist zu vereinbaren, um einer Einstellung durch das Gericht zuvorzukommen. Diese Regelung wurde mit der ausdrücklichen Absicht eingeführt zu vermeiden, daß die Verfahren "stay in limbo indefinitely".181 Erstaunlich ist, daß das Gericht von Amts wegen die Initiative zur Einstellung des Verfahrens ergreifen kann, und nach dem Wortlaut des Artikels 45 insoweit auch kein Ermessen hat. In der Praxis stehen die Schiedsgerichte Parteiwünschen nach einer Verlängerung der gesetzten Fristen für die Vornahme von Prozeßhandlungen, oder einer Verlängerung der Sechs-Monats-Frist, sehr positiv gegenüber, insbesondere um fortdauernde Vermittlungs- und Vergleichsgespräche zu ermöglichen. 182 Von großer Bedeutung ist die rechtliche Konstruktion einer fingierten übereinstimmenden Klagerücknahme durch die Parteien im Falle der Passitivität der Parteien über sechs Monate hinaus. Allein damit wird die Befugnis des Schiedsgerichts begründbar, von Amts wegen die Schritte einzuleiten, die zu einer Verfahrenseinstellung führen. Es handelt sich um eine der Verfahrensverjährung der TAM nahestehende Institution, die allerdings eine Abwendung von der parteibezogenen Einrede hin auf eine Verselbständigung der Befugnisse des Schiedsgerichts bedeutet. 183 Noch weiter geht schließlich Artikel 34 (2) der UNCITRAL Arbitration Rules l84 , der vorsieht, daß das Gericht eine Verfügung zur Verfahrenseinstellung erlassen kann, wenn die Fortsetzung des Verfahrens unnötig oder unmöglich erscheint, die Parteien über diese Ansicht des Schiedsgerichts informiert sind und keine rechtfertigenden Gründe für die Aufrechterhaltung des Verfahrens vorbringen können. Eine Fiktion der übereinstimmenden Klagerücknahme, wie bei ICSID, wird nicht vorgesehen, sondern eine Befugnis für das Gericht, das Verfahren durch Verfügung einzustellen. In der Konsequenz ist die Regelung der UNCITRAL Rules die

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So die Erläuterungen zu Art. 45 durch das Sekretariat, siehe Abdruck in Anhang IIl.

Vgl. die Schilderungen der Prozeßabläufe in ICSID, Annual Report 15 (1980/1981), Annexe 6, S. 30 ff. Dazu auch Lalive, The First "World Bank" Arbitration (Holiday Inns v. Morocco) - Some Legal Problems, BYIL 51 (1980), S. 123. 183 Im übrigen soll hier nur angedeutet werden, daß es selbst für den Generalsekretär die Möglichkeit gibt, vor dem Schiedsgericht die Einstellung des Verfahrens zu beantragen, wenn nämlich die Parteien nicht mehr sicherstellen, daß genügend Vorschuß zum Bestreiten der Kosten für das Verfahren gegeben ist, vgl. Regulation 13(3) (d) der ICSID, Administrative and Financial Regulations, Wetter, Arbitral Process, Bd. 4, S. 471 (477). Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß auch dem Generalsekretär die Befugnis zustehen kann, nach Artikel 45 vorzugehen, wenn nämlich in Analogie zu Artikeln 43 und 44 die Parteien davon Abstand nehmen, das Schiedsgericht zu bilden, dann kann der Generalsekretär Art. 45 anwenden, vgl. die Erläuterungen z.B. a.E. zu Art. 45, Anhang IIl, Abschnitt 182

C.

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Vgl. Anhang I/Nr. 2 und Nr. 28.

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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weitestgehende Regelung eines allgemeinen Instituts "Verfahrenseinstellung" auf Initiative des Schiedsgerichts. 18s Damit werden die Akzente der Verfahrensverjährung sehr verschoben. Von der praktischen Entwicklung her scheint sich ein Institut, welches der Verfahrensbeschleunigung dient, für den Bereich der halbständigen Instanzen anzubieten, die vor allem eine Fülle privat initiierter Ansprüche zu bewältigen haben. Anderes gilt für ICSID und UNCITRAL Arbitration Rules. Bei ihnen ergibt sich eine starke Stellung des Gerichts hinsichtlich Beendigung des Verfahrens von Amts wegen. Dies ist jedoch kaum noch als Verfahrensverjährung aufzufassen, sondern als eigenständiges Institut der Verfahrenseinstellung von Amts wegen. Es fragt sich, ob eine solche Ausdehnung der Befugnisse zu einem Gericht paßt, welches über zwischenstaatliche Verfahren zu entscheiden hat. Die Position von zwei staatlichen Parteien in einem Prozeß ist sehr verschieden von der Privater. Auch beim (St)IGH ist die Länge der Verfahren immer wieder bedauert und kritisiert worden. 186 Dies liegt jedoch an den äußerst komplexen Streitsachverhalten und dem Bemühen der beteiligten Staaten, ihren Fall äußerst sorgfältig vorzubereiten, zu dokumentieren und zu plädieren. Ein zwischenstaatliches Streitverfahren wird nicht leichtfertig angestrengt. Es gibt auch keine engen Fristen oder Ausschlußfristen im materiellen Völkerrecht, welche eine vorsorgliche Klagerhebung nötig machen und zu anschließender Prozeßverschleppung führen. 187 2. Abbrechen des Verfahrens (Suppression de l'instance)

Eine eher kuriose Verfahrensfigur wurde im Französisch-Österreichischen TAM bemüht, um mit einer ungewohnten Verfahrenskonstellation fertig zu werden. In einem Fall 188 teilten die Kläger dem Gericht nach dem Austausch der Schriftsätze und vor der mündlichen Verhandlung mit, daß es zu einer gütlichen Einigung mit dem Beklagten gekommen sei. Der Beklagte teilte dem TAM nur mit, daß sich der Prozeß erledigt habe. Artikel 62 der VerfO über den Vergleich 189 war nicht anwendbar, weil die Parteien einen außergerichtlichen 185 In der Entstehungsgeschichte der Rules ist diese weitgehende Regelung nicht ausführlich diskutiert worden. Vgl. Report of the Secretary-General: revised draft set of arbitration rules for optional use in ad hoc arbitration relating to international trade (ACN, 9/112), UNCITRALY, 7 (1976), S. 157 (179) zu Art. 29. 186 Vgl. nur Gross, The Time Element in the Contentious Proceedings in the International Court of Justice, AJIL 63 (1969), S. 74 ff. 187 Zu den politischen Implikationen einer Klagerhebung Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 509 ff.; siehe aber auch Sep. op. Levi Carneiro, Minquiers and Ecrehos, Judgment, ICJ Rep. 1953, S. 47 (101 f.). Vgl. Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (Factory at Chorzow), Judgment No. 11, 1927, PCIJ, Series A, No. 13, S. 10. 188 Maier et Pfeiffer c. Pokorny, TAM 11, S. 478 189 "Französische" Verfahrensordnung, Anhang [/Nr. 18 (2).

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Vergleich geschlossen hatten, der nicht einer Homologisierungspflicht durch das Gericht unterlag. Art. 65 VerfO zur Klagerücknahme war nach seinem Wortlaut auch nicht anwendbar, weil eine Klage nur bis zur Einreichung der Klagerwiderung zurückgenommen werden konnte. l90 Das Gericht besann sich auf Art. 99 der VerfO, der ihm die Befugnis gab, bei einer Regelungslücke selbst nach den Prinzipien "justice und equite" vorzugehen. Es entschied, daß eine Fortsetzung des Verfahrens sinnlos geworden sei und "supprime purement et simplement l'instance introduite ... ". 191 Angeboten hätte sich eine weite Auslegung der Klagerücknahmevorschrift dahin, daß Art. 65 unvollständig nur die Regelung der Klagerücknahme ohne Zustimmung der beklagten Partei enthalte, und es im Regelungszweck liege, eine Klagerücknahme auch zu einem späteren Zeitpunkt, allerdings unter Zustimmung des Beklagten, zuzulassen. 192

3. Streichung / Löschung einer Rechtssache aus dem Register Ein allgemeines Register wird teilweise von halb ständigen, jedenfalls stets von ständigen Gerichtsinstanzen geführt, um in bestimmter Form alle Rechtssachen aufzuführen, "die in der Reihenfolge eingetragen und numeriert werden, in der die das Verfahren einleitenden Schriftstücke ... " eingehen. 193 Darüberhinaus enthält es alle für die Bezeichnung der Rechtssache und ihre Behandlung vor der Instanz wesentlichen Informationen. l94 Es enthält auch Angaben über die Art der Erledigung des Falles, so beim (St)IGH unter "XX", eine Rubrik für Urteile, unter "XIX", eine Rubrik über sonstige Erledigungen, z.B. Klagerücknahme und Vergleich. Die einschlägigen VerfO'en sehen vor, daß das Gericht bei einer Klagerücknahme oder einem Vergleich eine Verfügung erläßt, in der unter anderem auch die Streichung aus dem Register angeordnet wird. 195 190 In einem anderen Fall erklärte das Französisch-Deutsche TAM die Klagerücknahme für unzulässig als verspätet; die Beklagte war säumig, sodaß auch eine "Zustimmung" nicht gegeben werden konnte: Orosdi-Back, TAM I, S. 914. 191 Maier et Pfeiffer c. Pokomy, TAM II, S. 478 (480). 192 So mit überzeugender Begründung der Französisch-Bulgarische GemSchGH in de Majo, TAM III, S. 434. 193 Vgl. Art. 26 (1) (b) IGH VerfO von 1978. Zur Entwicklung des Gerichtsregisters im StIGH vgl. Stauffenberg, Statut et reglement, S. 127 ff. 194 Siehe zum Inhalt zum Beispiel die Aufzählung des Registers des (St)IGH in Artikel 20 (1) der StIGH VerfO von 1936 und der IGH VerfO'en von 1946 und 1972. Eine vollständige Wiedergabe des Registers des StIGH findet sich in PCIJ, Series E, Nr. 16, S. 92 ff.; das Register des IGH wurde jeweils abgedruckt in ICJY bis 1963; zuletzt Ann. CIJ 1963-1964, S. 53 ff.; seit der Zeit wird nur auszugsweise auf Anfrage dessen Inhalt mitgeteilt, ICJY 36 (1981-1982), S. 117. Es wird von dem Kanzler oder Sekretär des Gerichts unter Aufsicht des Gerichtspräsidenten geführt. Vgl. Artikel 26 (1) (b) IGH VerfO; vgl. aber Art. 38 (5). Für den IGH siehe darüberhinaus die Instructions for the Registry, insbes. Art. 6, ICJY 1946-1947, S. 72 ff.; ICJY 1949-1950, S. 24. Für den EuGH vgl. Art. 16 VerfO und Art. 15 der Dienstanweisung für den Kanzler vom 4.12.1974, ABI. Nr. L 350 (33.

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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Von dieser Anordnung der Streichung aus dem Register im Zuge einer Beendigung des Verfahrens durch Parteiwillen ist eine Serie von acht Fällen zu unterscheiden, in denen der IGH von Amts wegen die Streichung aus dem Register angeordnet hat. Der IGH handelte auf eigene Initiative, obwohl ihm eine solche Kompetenz nicht ausdrücklich zugestanden war. Die acht Fälle waren politisch motivierte Klagen, in denen die beklagten Staaten jeweils aufgefordert wurden, sich der Jurisdiktion des IGH ad hoc für den konkreten Streitfall zu unterwerfen, wobei die klägerischen Staaten offen legten, daß es außerhalb dieser potentiell ad hoc prorogierten Zuständigkeit kein eigenständiges jurisdiktionsbegründendes Instrument gab; sog. "Einladungsfälle" . 196 Nach der damaligen VerfO 1946 wurden die Fälle in das Register eingetragen und die Klagschriften den beklagten Staaten übermittelt. Diese lehnten die Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des IGH ab. Eine Zuständigkeit des IGH war damit nicht gegeben. Die klägerischen Staaten unternahmen keine Schritte, die Klagen zurückzunehmen. Daraufhin orientierte sich der Hof an der Praxis zu Klagerücknahme und Vergleich und erließ Verfügungen, in denen er seine Unzuständigkeit feststellte und, gestützt auf die allgemeine Prozeßleitungsbefugnis des Hofes aus Art. 48 IGH Statut, die Streichung aus dem Register anordnete. 197/19B Obwohl die Vorgehensweise der Kläger mit der auch im Völkerrecht anerkannten Figur des forum prorogatum gerechtfertigt werden kann, ergaben sich in der Praxis des IGH Probleme, die zu einer Änderung in der VerfO 1978 führten, so daß die acht Einladungsfälle nur historische, aber keine weitere Bedeutung mehr haben. In zwei der jüngeren Fälle vor dem IGH bestritten die beklagten Staaten in informellen Noten an den Gerichtshof jegliche Zuständigkeit des Gerichtshofes zur Sachentscheidung, weil es "evidentermaßen" an dessen Jurisdiktion fehle. Überdies waren die beklagten Staaten säumig und 195 Vgl. nur Artt. 88, 89 IGH VerfO, Art. 77, 78 EuGH VerfO. Bei einem Endurteil ist dies nicht erforderlich, weil ja das Urteil als solches eine Beendigung der Instanz bewirkt, vgl. nur Witenberg, Organisation judiciaire, S. 351. 196 Die acht Fälle waren: Treatment in Hungary of Aircraft and Crew ofUnited States of America (United States of America v. Hungary), Order of12 July 1954, ICJ Rep. 1954, S. 99; Treatment in Hungary of Aircraft and Crew of United States of Amerika (United States of America v. Union ofSoviet Socialist Republics), Order of12. July 1954, ICJ Rep. 1954 S. 103; Aerial Incident of 10 March 1953, Order of 14 March 1956, ICJ Rep. 1956, S. 6; Aerial Incident of 7 October 1952, Order of 14 March 1956, ICJ Rep. 1956, S. 9; Antarctica (United Kingdom v. Argentina), Order of16 March 1956, ICJ Rep.1956, S. 12; Antarctica (United Kingdom v. Chile), Order of 16 March 1956, ICJ Rep. 1956, S. 15; Aerial Incident of4 September 1954, Order of9 December 1958, ICJ Rep. 1958, S. 158; Aerial Incident of 7 November 1954, Order of 7 October 1959, ICJ Rep. 1959, S. 276. 197/198 Zustimmend die Literatur, vgl. Guyomar, Commentaire, S. 84 f.; Rosenne, Law and Practice, Bd. 2, S. 540; Dubisson, La Cour, S. 239; Shihata, Power, S. 58 Fn. 3 und S. 86, Fn. 2. Dem StIGH war eine solche Kompetenz ebenso nicht ausdrücklich zugestanden, vgl. Guyomar, Commentaire, S. 85. Diese Vorgehensweise hat keine Auswirkungen auf das mit der eingereichten Klage geltend gemachte Recht; Rosenne, Law and Practice, Bd. 2, S.540.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

"beantragten", ohne Prozeßvertreter ernannt zu haben und ohne auch fonnal am Prozeß teilzunehmen, die Streichung der Streitigkeit aus dem Register. 199 In beiden Fällen waren zumindest prima facie einschlägige jurisdiktionsbegründende Instrumente gegeben; jeweils die Genfer Generalakte. In den Atomtestfällen existierten darüberhinaus Unterwerfungserklärungen alter Streitparteien, im Aegäis-Fall wurde noch ein Kompromiß behauptet. Hinsichtlich der Unterwerfungserklärungen bzw. der Genfer Generalakte argumentierten die beklagten Staaten mit den in den Instrumenten selbst enthaltenen Reserven, auf die sie sich beriefen. Der Hof entschied, daß die Atomtest-Fälle nicht zu denen gehörten "in which the summary removal from the list would be appropriate".2oo Allerdings fanden sich vier Richter, die in ihren Sondervoten dem Antrag Frankreichs auf Streichung der Klage aus dem Register stattgeben wollten, die also ohne eine Entscheidung in den klassischen Fonnen über die Zuständigkeit, Zulässigkeit oder andere Sachurteilshindernisse die Rechtsache ohne weiteres aus dem Register streichen wollten. 201 Im Aegäis-Fall vennied es der Hof, auf die Frage der Streichung aus dem Register einzugehen. Mit Rosenne läßt sich annehmen, daß eigentlich die Frage nach dem ordnungsgemäßen Anhängigmachen des Verfahrens, der "valid seisin" , infrage steht. 202 Bedenklich ist in den beiden Fällen, daß unter die Ordnungsgemäßheit der Klagerhebung Fragen subsumiert werden, die klassischerweise als zur Zuständigkeit, zur Zulässigkeit, oder gar zur Begründetheit gehörig angesehen werden; so wenn Petren die Frage nach bereits existierenden Völkerrechtsregeln zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Atomtests an dieser Stelle hier prüfen will.203 Der Hof hat sicherlich die Befugnis, die Ordnungsgemäßheit der Klagerhebung zu überpfüfen 204 . Diese Befugnis würde völlig überzogen, wenn die Ordnungsgemäßheit umfassend verstanden und nicht auf die Fonnalien 199 So Frankreich in den Atomtestfällen, ICJ Pleadings, Bd. 2, (1973), S. 347 (348); ebenso die Türkei in Aegean Sea Continental Shelf, ICJ Pleadings, (1976), S. 76. 200 So im Atomtestfall, Urteil, Australien, ICJ Rep. 1974, S. 253 (257). Der Hof prüfte den Antrag auf " Removal" unter dem Gesichtspunkt der Kompetenzkompetenz, denn der Präsident sagte in der Eröffnungssitzung zur Verhandlung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, daß man zu gegebener Zeit in Anwendung des Art. 36 (6) IGH Statut sich damit befassen wolle. Ibid. 201 Atomtestfall, Urteil, Australien, ICJ Rep. 1974, S. 253; Forster, mit der gleichen Begründung wie Frankreich, a.a.O., S. 275; Gros mit der Begründung des "abus de droit de saisir le juge", a.a.O., S. 279; Petren, Streichung aus dem Register, weil es an einer Frage des Völkerrechts mangelte, a.a.O., S. 302; Ignacio-Pinto, unzulässige Klage, weil es an einem Gegenstand fehlte, und deshalb Streichung aus dem Register, a.a.O., S. 310. Dagegen (Diss.Op.) Sir Garfield Barwiek, Atomtestfall, a.a.O., S. 400, mit dem Argument, daß die VerfO ja bestimmte Verfahren zur Entscheidung über die Jurisdiktion und Zulässigkeit zur Verfügung stelle und deshalb richtigerweise die Klagen nicht einfach summarisch aus dem Register gelöscht werden könnten. 202 Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 313. 203 Sep. Op. Petren, Atomtestfall, Urteil, Australien, TCJ Rep. 1974, S. 253 (310). 204 Dazu ausführlich im 1. Hauptteil Text bei Fußnoten 63 ff.

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beschränkt würde. 20s Folgerichtig wurde in die VerfO 1978 ein völlig neuer Art. 38 (5) eingefügt, der eine Prozeßsituation wie bei den "Einladungsfallen" ausschließen soll. 206 Danach werden Klagen, die sich auf die noch zu prorogierende Zuständigkeit stützen, nicht mehr in das Allgemeine Register eingetragen. Damit entfällt die Notwendigkeit eines allgemeinen Instituts der Streichung aus dem Register, Unabhängig davon bleibt das Problem der Anträge Frankreichs und der Türkei bestehen, die Sache zu streichen, weil zwar lurisdiktionsinstrumente bestehen, die im konkreten Fall jedoch nicht einschlägig seien. Der Hofwird sich darauf besinnen müssen, die angesprochenen Fragen bei der einschlägigen Prozeß-, Schlüssigkeits- oder Begründetheitsstation zu prüfen. 207 Der IGH selbst hat es vermieden, sich auf die Argumentation der beklagten Staaten zur Streichung aus dem Register durch einfache Verfügung einzulassen. 208 Rosenne hat zum Vergleich die Regelung in Art. 92 Abs. 1 VerfO EuGH herangezogen. 209 Dort ist ein begründeter Beschluß über die Streichung erforderlich, wenn der EuGH "offensichtlich unzuständig" ist. Art. 38 (5) VerfO IGH aber bezieht sich nur auf die Fälle der Einladung zur Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit. Rosenne, Law and Practice, Bd, 1, S. 312 f., insbes. S. 313 Fn. 1. Im Zusammenhang damit ist zu sehen, daß bei einer Klage die Jursidiktionsbasis "nach Möglichkeit" anzugeben ist. Art, 38 (2); vgl. insbesondere Rosenne, Commentary, S. 92 ff. Artikel 38 (5): "When the applicant State proposes to found the jurisdiction of the Court upon a consent thereto yet to be given or manifested by the State against which such application is made, the application shall be transmitted to that State. It shall not however be entered in the General List, nor any action be taken in the proceedings, unless and until the State against which such application is made consents to the Court's jurisdiction for the purposes of the case". 207 So auch im Ergebnis Rosenne: Zunächst sah er die Vorschrift als Schranke für den Mißbrauch des Klagerechts im allgemeinen an und verglich sie mit den Vorschriften zur offensichtlichen Unzuständigkeit in der VerfO des EuGH, Art. 92 (1) und dem Ausschluß des Verfahrensmißbrauches in den Streitbeilegungsvorschriften der Seerechtskonvention: zum ersteren Rosenne, Revised Rules, Col.J. Transnat'l L. 19 (1981), S. 235 (244), zum letzteren Rosenne, Settlement ofFisheries Disputes in the Exclusive Economic Zone, AJIL 73 (1979), S. 89 (tOO). Später behauptete er zwar die große Bedeutung der Vorschrift, mußte jedoch konzedieren, daß sie eigentlich nicht zur Ausschaltung der" vexatious" oder "frivolous" proceedings gemeint war, noch in diesem Sinne eingesetzt werden kann. So Rosenne, Commentary, S. 92 f.; vgl. auch Oellers-Frahm, Verfahrensordnung 1978, ArchVR 18 (1979/80), S. 309 (313). Allerdings soll Art. 92 (1) VerfO EuGH zu einer Abweisung wegen offensichtlicher Unzuständigkeit führen, wenn ein späteres Zuständigwerden ausgeschlossen ist; Jung, Änderungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, EuR 15 (1980), S. 372 (381). Art. 38 (5) der VerfO IGH sollte aber gerade die Fälle möglicher späterer prorogierter Zuständigkeit regeln. 208 Atomtestfall, Urteil, Australien, ICJ Rep. 1974, S. 253 (257). 209 ,,§ 1. Ist der Gerichtshof für eine bei ihm gemäß Artikel 38 § 1 erhobene Klage offensichtlich unzuständig, so kann er die Klage durch begründeten Beschluß als unzulässig abweisen. Diese Entscheidung kann bereits vor der Übermittlung der Klageschrift an die beklagte Partei ergehen." 205

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Wegen

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Allein die VerfOen der europäischen und interamerikanischen Menschenrechtsinstitutionen enthalten die Möglichkeit der Streichung eines Falles aus dem Register von Amts wegen. Allerdings stellt sie kein eigenständiges Institut dar, sondern funktionell die Regelung von Klagerücknahme und Vergleich. Nur in den Überschriften erscheint die Überschrift "Löschung im Gerichtsregister" 210, oder schlicht "discontinuance" .211 Aufgrund des in den Menschenrechtskonventionen vorrangigen öffentlichen Interesses (ordre public), zu dessen Wahrung die Instanzen verpflichtet sind, können diese von Amts wegen eine Löschung vornehmen oder auch verweigern. 212 Es liegt eine Sonderlage der Verfahrensbeendigung bei den Menschenrechtskonventionen vor. Sonst läßt sich festhalten, daß es kein allgemein anerkanntes oder eigenständiges Institut der "Streichung aus dem Register" im internationalen Prozeßrecht gibt. Vielmehr bleibt die Streichung eine Folge anderweitiger Verfahrensbeendigung. 4. Aussetzung des Verfahrens (Suspension)

Die Aussetzung des Verfahrens führt zu einem "rechtlichen Aufhalten (sistieren) eines bereits anhängigen und noch nicht rechtskräftig erledigten Verfahrens".213 Davon ist das tatsächliche Nichtweiterbetriebenwerden eines Prozesses durch Passivität der Parteien oder durch entgegenstehende äußere Umstände zu unterscheiden. Nationale Prozeßrechtsordnungen treffen dazu sehr differenzierte Unterscheidungen 214, während im internationalen Recht bei internationalen VerfO'en , wenn überhaupt, nur die "suspension", die hier so genannte Aussetzung des Verfahrens, bekannt ist. 215 Während bei Klagerücknahme oder Vergleich und der darauf folgenden Streichung aus dem Register das Prozeßverhältnis für den damit anhängigen Streit beendet wird, wird diese So beim EuGHMR. Bei der Kommission heißt es "Streichung der Beschwerde". So beim AmGHMR in Artikel 42. Letzteres weist schon den funktionellen Zusammenhang aus mit Klagerücknahme. 212 Dazu Walter, Die Europäische Menschenrechtsordnung, S. 118 ff. 213 So die plastische Umschreibung für das deutsche Recht bei Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, S. 744. 214 Vgl. im deutschen Recht zum Beispiel die Differenzierungen von Stillstand des Verfahrens als Oberbegriff, dann die Institute der Unterbrechung, der Aussetzung und des Ruhens des Verfahrens, Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, jeweils S. 744 ff., S. 749 ff., S. 757 ff., S. 761 ff. 215 Vgl. zur Terminologie auch die deutschen Übersetzungen der "BeIgischen" und "Französischen" VerfO TAM, Anhang I/Nr. 18 (1) und (2). Es wird meist unterschieden zwischen freiwilliger und notwendiger Aussetzung. Diese Unterscheidung ist nur von Bedeutung für Instanzen, zu denen auch Einzelne Zugang haben, sie betrifft Fälle des Todes, des Konkurses, der Geschäftsunfähigkeit, der Rechtsnachfolge etc. einer Partei; Vgl. die Artt. 71-73 der Belgischen Verfahrensordnung, TAM Anhang I/ Nr. 18 (1); Artt. 66 und 67 der Französischen VerfO TAM, Anhang. I/Nr. 18 (2); Art. 63 der Italienischen VerfO TAM, Anhang I/Nr. 18 (3); Artt. 60-61 der Jugoslawischen VerfO TAM, Anhang I/Nr. 18 (5); Artt. 109-111 der Türkischen VerfO TAM, Anhang I/Nr. 18 (6). 210 211

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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Rechtsfolge bei der Aussetzung gerade vermieden; das Verfahren bleibt anhängig, die prozessualen Rechte und die prozessuale Stellung ebenso wie die Jurisdiktion der angerufenen Instanz bleiben gewahrt. 216 Die Aussetzung des Verfahrens kann also erhebliche Bedeutung haben. Die Aussetzung des Verfahrens kann die möglicherweise endgültigen Folgen einer Klagerücknahme mildern und an ihre Stelle treten. Ist das Prozeßrechtsverhältnis nach der Klagerücknahme beendet, so wirken sich ein mögliches Außerkrafttreten des jurisdiktionsbegründenden Instruments, oder andere die Zulässigkeit der erneuten Klagerhebung möglicherweise beeinträchtigenden Umstände, negativ aus. 217

Rosenne hat einmal vorgeschlagen, das Institut des "disrnissal with the liberty to apply" im internationalen Prozeß einzuführen. 218 Funktionell könnte das gleiche durch Aussetzung des Verfahrens erreicht werden. So meint Hallier, daß bei einer nachholbaren Prozeßvoraussetzung die völkerrechtliche Schiedsinstanz bei Nichtvorliegen dieser Prozeßvoraussetzung das Verfahren aussetzen könne. 219 Dies ist nicht zweifelsfrei. Die von H allier angezogenen Beispielsfälle einer solchen Aussetzung betrafen eine Schiedsinstanz, deren VerfO das Institut der Aussetzung vorsah. 220 Es finden sich kaum Vorschriften in den angezogenen VerfO'en außerhalb der TAM. Im StIGH wurde in der Reformdiskussionen die Möglichkeit angesprochen, die Suspension in der VerfO ausdrücklich zu regeln. 221 Dafür fand sich aber keine überzeugende Mehrheit. Im übrigen schien die Meinung vorzuherrschen, daß auch ohne eine solche Regelung das Gericht befugt sei, eine Aussetzung des Verfahrens auf Antrag der Parteien zu verfügen. 222 Sofern einverständliche Parteianträge vorliegen, kann das Gericht 216 So ausdrücklich Art. 71 (2) der Belgischen VerfO, Anhang IINr. 18 (1): "Le proces reprend son cours ä l'expiration du delai". Vgl. Diss. Op. Morelli, Barcelona Traction (1.Phase), ICI Rep. 1964, S. 6 (104). 217 Vgl. die Konstellation, daß die Unterwerfungserklärung Spaniens nach der Klagerücknahme durch Belgien ausgelaufen wäre, siehe Barcelona Traction (l.Phase), ICI Rep. 1964, S. 6 (18). 218 Rosenne, Law and Practice, Bd. 2, S. 518 Fn. 2, mit einer der Aussetzung ähnlichen Rechtsfolge. 219 Hallier, Schiedsinstanzen, S. 64. 220 Artt. 66, 67, TAM Französische VerfO. Allerdings lagen die Voraussetzungen nach dem Wortlaut nicht vor; das Gericht nahm im übrigen Abstand davor, ein "suspension de proces" zu verfügen: es verfügte einen "Auflagenentscheid" , bei dem es zu einem Aufschub der Entscheidung kam: "sursis ä statuer" I "postponement of decision" I indugio de statuire" im Zusammenhang mit der Erwartung neuen Materials und neuer Erkenntnisse der nationalen Behörden: Französisch-Deutscher GemSchGH, Loyer c. Meyer, TAM I, S. 27. 221 Reformdiskussion 1926: pcn, Series D, No. 2 (add.), S. 167 ff. Insbesondere Anzilotti: die Aussetzung sei sozusagen als Minus in der Befugnis der Parteien enthalten, das Verfahren übereinstimmend zu beenden, siehe pcn, Series E, No. 7, S. 221 ff. 222 Stauffenberg, Statut et reglement, S. 407 und PCIJ, Series D, No. 2 (add.), S. 167 ff.; ebenso Guyomar, Commentaire, S. 401; Morelli in seiner Diss.Op., Barcelona Traction (1.Phase), ICI Rep. 1964, S. 6 (104).

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

durch eine geschmeidige Handhabung der Möglichkeit, Fristen zu verlängern, eine der Aussetzung des Verfahrens ähnliche Situation schaffen. 223 Ist überhaupt nur eine Partei vor Gericht vertreten, so kann es durchaus sein, daß die Einräumung weiterer Fristen nicht angemessen ist. Das Betreiben eines Verfahrens, mit zahlreichen Fristverlängerungen, kann sich für den säumigen beklagten Staat als Druckmittel darstellen. 224 Die Verfahrensordnung des IGH kennt einen Fall der Suspension des Verfahrens auch ohne einvernehmliches Parteihandeln. Wenn der beklagte Staat vorgängige Einreden erhebtz25, dann ist gern. Art. 79 (3) VerfO IGH das Verfahren in der Hauptsache ohne weiteres suspendiert. Das gilt für alle VerfO'en, die eine Vorgängige Einreden-Phase normiert haben. 226 Damit ist das Institut der Aussetzung des Verfahrens zumindest im Prinzip im internationalen Prozeß bekannt. In einem Fall vor dem StIGH suspendierte dessen Präsident das Verfahren. Die Parteien hatten dem StIGH ihre Absicht mitgeteilt,das Verfahren nicht fortsetzen zu wollen. Da der Präsident nicht befugt war, die Einstellung des Verfahrens zu verfügen, suspendierte er das Verfahren bis zum Zusammentritt des Plenums. 227 Kürzlich gab ein Fall vor dem IGH Anlaß, über die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens von Amts wegen nachzudenken. Im Fischereihoheitsstreit ging es um die Fischereiberechtigung englischer Fischer in einer von Island ausschließlich beanspruchten 50-Meilen-Zone. Während des anhän223 Vgl. zur flexiblen Gestaltung des Verfahrens in dieser Hinsicht durch den StIGH im Freizonenfall; Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex, Order of 19 August 1929, PCIJ, Series A, No. 22; Order of6 December 1930, PCIJ, Series A, No 24; Judgment, 1932, PCIJ, Series AlB, No. 46, S. 96. Prince von Pless Administration, Order of 4 February 1933, PCIJ, Series AlB, No. 52, S. 11 (16). Dazu Rosenne, Law and Practice, Bd. 2, S. 559 ff.; Mani, Procedural Aspects, S. 93 ff.; Shihata, Power, S. 243 ff.; vgl. VerfO IGH, Art. 44 (1), (2) und (3), Art. 48. 224 Vgl. die Reaktion der Türkei im Ägäis-Fall, in dem Griechenland wegen andauernder Verhandlungen mit der Türkei eine Verschiebung des Termins der mündlichen Verhandlung beantragte. Dem widersprach die Türkei mit dem Hinweis, daß die Klagerücknahme ,,(the discontinuance) of the proceedings and the removal of the case from the list ofthe International Court of Justice would be more conducive to the creation of a favourable political climate for an agreed settlement"; Aegean Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1978, S. 3 (12). Das dürfte auch der Grund gewesen sein für die spanischen Stellen, von Belgien eine Klagerücknahme vor dem Beginn ernsthafter Vergleichsverhandlungen zu verlangen, siehe Barcelona Traction (1.Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (18). 225 Zu Beginn und Bedeutung siehe insbesondere Abi-Saab, Exceptions, S. 15 ff, 27 ff.; Grisel, Exceptions, S. 47 ff.; Mabrouk, Exceptions, S. 8 ff. 226 Vgl. dazu Abi-Saab, Exception, S. 224 ff.; Barcelona Traction (1.Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (43). Vgl. die Übersicht bei Witenberg, Recevabilite, RdC 41,1932 (III), S. 1 (97 ff.). 227 Borchgrave, PCIJ, Series AlB, No. 73, S. 4; PCIJ, Series E, No. 16, S. 182. Diese Vorgehensweise wurde im Ergebnis im Hof gebilligt, ebenso wie von der Literatur, Guyomar, Commentaire, S. 400; Giardina, Arrangements amiables, Com. e Stud. 14 (1975), S. 337 (345).

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1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

gigen Verfahrens schlossen die Parteien ein Interimsabkommen über Fangquoten für britische Fischer. Zum einen war der Charakter des Abkommens streitig, zum anderen dann dessen Einfluß auf die Fortsetzung des Prozesses. Ein Richter ging der Frage nach, ob die Verhandlungen 228 zwischen den Streitparteien eine Aussetzung des Verfahrens rechtfertigten; und zwar eines Verfahrens,in welchem eine der Streitparteien säumig war. Richter De Castro legte dar, daß der Hof den Staaten offenstehe, wenn eine Einigung auf dem Verhandlungswege nicht mehr gewollt oder möglich sei. Im konkreten Fall liege aber gerade ein Interimsabkommen vor. "Je ne connais pas de precedents qui aident resoudre la question; mon avis, une fois la procedure ouverte, il n'y a pas de moyens de la suspendre, et en l'absence d'un arrangement amiable ou d'un desistement elle doit se poursuivre". 229

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Diese Aussage bezog sich nur auf die Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens auf Veranlassung des Gerichts proprio motu. In der Tat gibt es bisher keinen Fall, der die Aussetzung durch das Gericht von Amts wegen zuließ. Es stellt sich aber nicht die Frage nach der Aussetzung des Verfahrens, sondern einer Möglichkeit für den Hof, das Verfahren insgesamt zu beenden. 230 Die damit angesprochene Möglichkeit eines Handeins von Amts wegen hat der Internationale Gerichtshof schon 1974 nicht ausgeschlossen: "It would of course have been open to Australia, if it had considered that the case had in effect been concluded, to discontinue the proceedings in accordance with the Rules of Court. If it has not done so, this does not prevent the Court from making its own independent finding on the subject". 231

5. Die Entscheidung des Gerichts, "to moot a case" Schließlich ist eine aus dem amerikanischen Recht kommende prozeßrechtliche Figur auszugrenzen, die "mootness"232, die im Völkerprozeßrecht noch 228 Gemeint war dann wohl doch im Zusammenhang nicht die bloße Tatsache von Vergleichsverhandlungen, sondern ein zumindest interimistisches Ergebnis dieser Verhandlungen und die Fortsetzung der Verhandlungen mit der erklärten Absicht, eine endgültige Regelung der Streitfragen ebenfalls zu erreichen. 229 Sep. Op. De Castro, Fischereihoheit, Sachurteil, VK, ICI Rep. 1974, S. 3 (77). (Hervorhebung vom Verf.). 230 Z.B. durch eine Entscheidung des Gerichts, daß das Verfahren sich erledigt habe. Davon zu trennen sind die automatische Suspension im Falle vorgängiger Einreden, und die bereits erwähnte Suspension des Verfahrens durch den Präsidenten bis zur Entscheidung durch das Plenum. 231 Atomtestfälle, Sachurteil, Australien, ICI Rep. 1974, S. 253 (270) und Neuseeland, ICI Rep. 1974, S. 457 (475). Zu den damit angesprochenen Fragen sogleich im Text. 232 Zum VSamerikanischen Recht siehe nur die Fälle: Southern Pacific Terminal Co. v. lnterstate Commerce Commission 219 V.S. 498, 31 S.Ct. 279 (1911); Sibron v. New York, 392 V.S. 40, 88 S.Ct. 1889 (1968); De Funis v. Odegaard, 416 V.S. 312, 94 S.Ct. 1704 (1974) und Vnited States Parole Commission v. Geraghty, 100 S. Ct. 1202 (1980). Dazu siehe Note, Mootness on Appeal in the Supreme Court, Harv. L. Rev. 83 (1970), S. 1672;

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

nicht dogmatisch erfaßt ist, deren Konturen jedoch deutlicher werden, von kontinentalen Juristen allerdings anders systematisiert werden. 233 Der entscheidende Unterschied zu dem hier behandelten Thema liegt darin, daß das Gericht bei "mootness" die Befugnis hat, proprio motu die Frage der Gegenstandslosigkeit des Rechtsstreits aufzuwerfen und zu entscheiden. Es handelt sich also um einen Fall der Verfahrens beendigung unabhängig von dem Willen der beteiligten Streitparteien. In die Richtung ging bereits eine Bemerkung des Amerikaners Hudson 1934 im Zusammenhang mit der discontinuance. "In consequence of events, also, an application may cease to have any object, and the action of the Court may be confined to a declaration to this effect". 234 In der kontinentalen Prozeßrechtslehre sind diese Fragen im Bereich der Klagebefugnis und des Rechtsschutzbedürfnisses angesiedelt. 235 Für kontinentale Juristen stellen sich mootness-Probleme als Rechtsfragen der Zulässigkeit der Klage und der Befugnis des internationalen Gerichts dar, Fragen der Zulässigkeit "von Amts wegen", proprio motu, zu prüfen, und auch ohne entsprechende Anträge "sua sponte" eine Klage abzuweisen. 236 In diesem Zusammenhang sind die völkerrechtlichen Begriffe der Rechtsstreitigkeit und der schlichten Streitigkeit von Bedeutung, deren Vorliegen Prozeßvoraussetzung im internationalen Prozeß sind. 237

Note, The Mootness Doctrine in the Supreme Court, Harv. L.Rev. 88 (1974 I), S. 373; Kates I Barker, Mootness in Judicial Proceedings: Toward a Coherent Theory, Ca!. L. Rev. 62 (1974), S. 1385; insgesamt Brilmayer, The Jurisprudence of Artic1e III: Perspectives on the "Case or Controversy" Requirement, Harv. L. Rev. 93 (1979), S. 297. Schließlich als Klassiker E. Borchard, Dec1aratory Judgrnents (2. Auf}. 1941), S. 33ff.; und Radcliffe, The Case-or-Controversy Provision (1978), S. 202 ff.; dazu Tribe, American Constitutional Law (1978), S. 62 ff. 233 Für einen englischen Ansatz siehe Zamir, Dec1aratory Judgment (1962), S. 43 ff., 50 ff., S. 196 ff. Für ein Beispiel, in dem englische Richter sehr vorsichtig mit der von Amerikanern vorgetragenen "mootness" argumentieren, Gorthon Invest. AB v. Ford Motor Co. Ltd., Q.B. (Commercial Ct.), Lloyd's Rep. 2 (1976), S. 720. 234 Hudson, PCIJ 1934, S. 519 In der späteren Ausgabe desselben Werkes hingegeri findet sich diese Bemerkung nicht mehr; Vg!. Hudson, PCIJ 1943, S. 545 f. 235 Hierzu siehe die umfassende Darstellung nationaler und internationaler Prozeßrechtssysteme bei van Dijk, Judicial Review, S. 372 ff, der ebenfalls die Fragen der "mootness" anspricht. 236 Vg!. ausführlich van Dijk, Judicial Review, im allgemeinen, mit Länderberichten zu USA, England, Deutschland und Frankreich, sowie zu den Prozeßfragen des Rechtsschutzinteresses vor dem EuGH, dem EuGHMR und dem (St)IGH; Abi-Saab, Exceptions, S. 130 ff.; Bos, Conditions du proces, S. 27 f. und 214 ff.; de Visscher, Aspects recents, S. 63 ff.; Scandamis, Jugement dec1aratoire, S. 270 ff.; Diaite, L'interet agir devant la C.U., Annales africaines 1968, S. 37 ff.; SaLvioli, Tutela, S. 203 ff. und Ders., Procedure, RdC 91 (1957 I), S. 553 (559 ff.); und sehr ausführlich Miaja de La MueLa, EI interes, Com.eStud. 14 (1975), S. 525 (531 ff.). Siehe hierzu insbesondere die Auseinandersetzungen um das "standing" im Südwestafrika-Fall in der 1. und 2. Phase, ICJ Rep. 1962, S. 319 und ICJ Rep. 1966, S. 6; zu den Positionen insbesondere van Dijk, Judicial Review, S.427ff.

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1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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Der Begriff "moot" wurde im untechnischen Sinne durch den US-amerikanischen Agenten im Interhandel-Fall in die internationalprozeßrechtliche Terminologie eingebracht 238 , im N ordkamerun-Fall vertieft 239 , und in Sondervoten 240 und Urteilsanmerkungen zum Nordkamerun-Fall aufgenommen. 241 In den Atomtestfällen wurde die "mootness" dann in Sondervoten 242 und in der Literatur 243 ausführlich diskutiert. 244 Der IGH selbst hat die Terminologie 1981 in der Entscheidung über die Intervention Maltas im Rechtsstreit zwischen Tunesien und Libyen über den Festlandsockel in indirekter Anknüpfung an die Atomtestfälle aufgenommen. Der Hof erwähnt nämlich, daß" Fiji applied for permission to intervene in the Nuclear Tests cases. These cases having become moot, ... " der IGH hatte sich 1974 mit der Intervention nicht mehr zu befassen. ("Ces affaires etant plus tard devenues sans objet, ... "). 245 Eine eigenständige Theorie der "mootness" im Völkerprozeßrecht ist damit noch nicht ausgeformt. Die angesprochene Problematik läßt sich von den Problemen von Vergleich und Klagerücknahme abgrenzen, weil bei letzteren das Verfahren durch Parteiinitiative zu einem Abschluß gebracht wird. Verschränkungen können sich bei der Frage nach der Vorgehensweise ergeben, wenn die Parteien trotz möglicher Erledigung des Rechtsstreits das Verfahren fortzusetzen trachten. ~ 237 More/li, Estinzione, Stud (1963), S. 45. Morelli, Nozione, Stud. (1963), S. 113. Dazu Cassese, "Legal Dispute", Com. e Stud. 14 (1974), S. 173 und Minagawa, Various Aspects of Dispute, Hitotsubashi J.L. and Pol. 9 (1981), S. 1 ff. 238 Loftus Becker, Interhandel, lCJ Pleadings, S. 475 und 507. 239 Sir lohn Hobson, Nordkamerun, lCJ Pleadings, S. 263 und 301 und Weil, a.a.O., S. 419 ff. 240 Nordkamerun, lCJ Rep. 1963, S. 15, Sep. Op. Wellington Koo (64), Diss. Op. Badawi (151) und besonders Sep. Op. Sir Gerald Fitzmaurice (97 ff.). 24! Gross, Limitations, AJIL 58 (1964), S. 415 (430); vgl. Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 309, 310, 520, 705. 242 Joint Diss. Op. Onyeama, Dillard, limenez de Arechaga. \ir Humphrey Waldock, Atomtestfall, Urteil, Australien, ICJ Rep. 1974, S. 253 (321 und;23 ff.) 243 Lellouche, NucIear Tests Cases, Harv. Infl LJ. 16 (1975), S. 372; fusle Ruiz, Mootness, GYIL 20 (1977), S. 358. 244 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Wegen, Mootness, S. 2 ff. Vgl. luste Ruiz, Mootness, GYIL 20 (1977), S. 358; und van Dijk, Judicial Review, S. 372 ff. 245 Continental Shelf (TunesiejLibyan Arab Jamahiriya), Application by Malta for Permission to Intervene, ICJ Rep. 1981, S. 3 (16). Zur jüngsten internationalgerichtlichen Praxis, siehe die Einwendungen der beklagten BR Deutschland im Young-Anleihe-Fall, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Schweiz, USA gegen BR Deutschland, U. vom 16.5:1980, SchGH LSchA, Entscheidungen und Gutachten 8 (1980), S. 3 (28 ff.) und insbes. Diss.Op. Arndt, a.a.O., S. 55 f. Vor dem EuGHMR siehe die Einwendung der "disparition de l'objet du litige" durch die italienische Regierung, Guzzardi, Publ. ECHR, Series A, Vol. 39, S. 30 f.; vgl. Irland V. Vereinigtes Königreich Publ. ECHR, Series A, Vol. 25, S. 61 f. hinsichtlich zugestandener Konventionsverletzungen, und die Sep. Op. Sir Sir Gerald Fitzmaurice. a.a.O., S. 110 (111 1). 246 Vgl. dazu Kewenig, Kernwaffenversuche, FS Menzel, S. 323 (328 ff.).

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Hierbei werden Fragen aufgeworfen, die in den Bereich des Rechtsschutzbedürfnisses reichen und gesonderter Behandlung bedürfen. 247

V. Prozedurale Sonderlagen Abschließend sollen kurz einige prozedurale Sonderlagen beschrieben werden, die nur faktisch eine Verfahrensbeendigung bedeuten, und außerhalb des Gegenstandes dieser Arbeit liegen.

i. Das Connally-Amendment und

"the right

0/ nations to

withdraw their litigation"

Mit dem Connally-Amendment wird ein Vorbehalt in der Unterwerfungserklärung zum IGH bezeichnet, der zum ersten Mal in dem US-amerikanischen Instrument von 1946 auftauchte. Darin heißt es "Provided that this declaration shall not apply to (a) ... (b) disputes with regard to matters which are essentially within the domestic jurisdiction ofthe United States of America as determined by the United States of America; ... ". 248 Gemeint ist der subjektive Vorbehalt der ausschließlich zur inneren Zuständigkeit gehörenden Angelegenheiten. Diesen Vorbehalt hat Jennings der Wirkung nach als eine Art verbrieftes Recht für die betreffenden Staaten beschrieben, "to withdraw their litigation".249 Damit wollte Jennings eine Charakterisierung des Staatenverhaltens im Zusammenhang mit dem N orwegischen Anleihen-Fall vornehmen 250 , diesen Begriff rechtstechnisch zu verwenden. Bei dem Connally-Amendment stellt sich weniger das Problem eines einseitigen Rückzuges aus dem Verfahren, als die Frage nach der Wirksamkeit des Obligatoriums und die Frage nach dem grundlegenden Verhältnis von Gericht und unterworfenem Staat. Dem Hof wird die Kompetenzkompetenz, d.h. die Zuständigkeit zur Entscheidung über seine eigene Zuständigkeit, in Artikel 36 (6) IGH Statut ausdrücklich zugestanden. Diese Kompetenz ist heute 247 Vgl. die oben in Fn. 243 angegebene kontinentale Literatur, insbesondere van Dijk, Judicial Review, S. 21 ff.; S. 372 ff. 248 ICJY 36 (1981-1982), S. 92. Zum Stande vom 30.7.1982 ergaben sich 45 allgemeinere Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 (2) IGH Statut von insgesamt 157 UN -Mitgliedern. Hinzu kommen Ägypten mi t einer auf Suez-Angelegenheiten begrenzten Unterwerfung und die Schweiz. Erklärungen nach dem Muster der USA haben überdies Liberia, Malawi, Mexico, Philippinen und Sudan, also sechs Staaten abgegeben; ICJY 36 (1981-1982), S. 59 ff. 249 Jennings, The International Court of Justice, On the Right ofNations To Withdraw Their Litigation, The Listener 60 (1958), S. 191. 250 Certain Norwegian Loans, Judgment, ICJ Rep. 1957, S. 9.

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

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ganz allgemein, auch ohne ausdrückliche Fixierung in den Statuten internationaler Gerichte anerkannt. 251 Dieser Problemkreis kann also von dem vorliegenden Thema ausgegrenzt werden als Grundfragen der Zuständigkeit, nicht jedoch die konkrete Verfahrensbeendigung betreffend. 252

2. Die "Sabotage" des Verfahrens Es gibt eine Reihe von Methoden, ein Verfahren zu "sabotieren". Damit sind Möglichkeiten für einen schieds- oder gerichtsunwilligen Staat gemeint, ein Verfahren in seiner Durchführung zu hindern, von der Verweigerung der Mitwirkung bei der Vereinbarung einer Schiedsordnung bis zur Nichtausführung eines Urteils. 253 Es geht um eine der Grundfragen internationaler Gerichtsbarkeit: die des Obligatoriums und seiner feinen Abstufungen. Meist werden die Staaten, solche "escape c1auses" oder "loopholes" absichtlich, wissentlich oder jedenfalls duldend in ihre Schiedsverpflichtungen eingebaut haben. Gerade der Versuch, diese Klauseln im Sinne einer um jeden Preis zu rettenden Durchführung eines gerichtlichen Verfahren zu interpretieren, kann eine Verfälschung des Parteiwillens sein. Denn solche Schlupflöcher sind gerade frei kontrahiert: "Les rendres inefficaces, serait aller contre la volonte des Parties". 254 251 Vgl. zum Ganzen Shihata, Power. Der IGH hat es bisher vermieden, zu der Wirksamkeit solcher Unterwerfungserklärungen, und einem solchen Vorbehalt insbesondere, Stellung zu nehmen; vgl. Certain Norwegian Loans, Judgment, ICJ Rep. 1957, S. 9. Siehe dazu auch US Nationals in Morocco, Judgment, ICJ Rep. 1952, S. 176; Interhandel, Judgment, ICJ Rep. 1959, S. 6 insbes. mit Sep. Op. Lauterpacht, S. 111 ff.; Aerial Incident of 27 July, 1955 (USA v. Bulgaria), ICJ Pleadings 1959. 252 Siehe ferner von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 100 ff.; Ders., Versäumnisverfahren, S. 503 (514). Vgl. zum Connally-Amendment Berber, Lehrbuch, Bd. 3, (1977), S. 78. Eine Verknüpfung zwischen dem Gegenstand dieser Arbeit und dem ConnallyAmendment kann sich bei folgender Frage ergeben: Beruft sich ein Staat nach Verfahrenseinleitung darauf, daß es sich bei dem Streit um eine ausschließliche innere Angelegenheit in der eigenen souveränen Beurteilung dieses Staates handele, so wäre zu prüfen, ob die Jurisdiktion des angerufenen Gerichts ausgeschlossen bzw. beendet ist, oder perpetuatio jurisdictionis-Grundsätze greifen, wie im 1. Hauptteil, Text bei Fn. 217 ff. entwickelt. Entscheidend dürfte sein, ob die subjektive Berufung (determination) auf den Vorbehalt zeitlich beschränkt ist. Es scheint, daß noch kurz nach der Verfahrenseinleitung eine solche determination durch den beklaten Staat möglich sein muß, denn erst mit der Verfahrenseinleitung und der Bestimmung des Streitgegenstandes wird der beklagte Staat in die Lage versetzt zu bestimmen, ob es sich um eine innere Angelegenheit i.s.d. Unterwerfungserklärung handelt vgl. dazu jüngst die Nikaragua-Zulässigkeitsentscheidung des IGH. 253 Hierzu insbesondere von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 67 ff.; Ders., Tradition, S. 435 (488 ff.). Hierbei steht in Frage bereits die Konstituierung des Gerichts, die Wahl der Richter etc. Vgl. noch Münch, Obligatorische Gerichtsbarkeit, ZaöRV 21 (1961), S. 221.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Damit aber sind die Grundfragen obligatorischer internationaler (Schieds-) Gerichtsbarkeit und seiner Sicherungen angesprochen, nicht jedoch prozeßrechtlichen Fragen der Verfahrensbeendigung. 3. Faktische Erledigung durch parteiunabhängige Ereignisse

Faktische Erledigung von Streitfällen gab es vor ad hoc-Schiedsgerichten und dem StlGH. Neben den bereits geschilderten Fällen 255 wurden zwei noch 1938 bzw. 1939 durch Klage anhängig gemachte Verfahren vor dem StlGH wegen des 2. Weltkrieges nicht abgeschlossen. Im Elektrizitätsgesellschaft von Sofia-Fall wurden vorsorgliche Maßnahmen bezeichnet, über vorgängige Einreden entschieden 256 , und die mündliche Verhandlung vorbereitet. Aufgrund der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen wurde die Tätigkeit des StIGH unterbrochen. Erst zur Vorbereitung einer Sitzung des Hofes im Oktober 1945 wandte sich der Kanzler im September 1945 an den klägerischen Staat Belgien mit der Frage, welches die Absichten hinsichtlich des anhängigen Streites seien. Der Außenminister Belgiens antwortete, daß Hoffnung bestehe, daß Belgien sein Schutzrecht nicht mehr ausuben müsse, daher "le Gouvernment beIge se desiste de l'instance introduite devant la Cour ... ".257 Der Kanzler teilte diese Absicht dem beklagten Staate ebenso mit wie die Festsetzung einer Widerspruchsfrist durch den Präsidenten des StIGH. Innerhalb dieser Frist ging kein Widerspruch ein. Damit hatte das Verfahren einen Abschluß im Sinne von Art. 69 (2) der VerfO 1936 gefunden, mit Ausnahme des Umstandes, daß keine formale Verfügungen ergingen, sondern ein Briefwechsel erfolgte. 258 Der zweite Fall, Gerliczy, wurde auch formal inkorrekt abgeschlossen. Die Klage war durch Liechtenstein anhängig gemacht worden, beide Seiten hatten Prozeßvertreter ernannt. Es wurden Fristen für die Schriftsätze bestimmt und auch einmal verlängert. Im September 1945 richtete der Kanzler des StIGH auch ein Schreiben an Liechtenstein, in dem um Stellungnahme zum Schicksal des eingeleiteten Verfahrens gegen Ungarn gebeten wurde. Dieses Schreiben wurde nie beantwortet. 259 254 Guyomar, Le refus de compromettre, RGDIP 64 (1960), S. 499 (503). Vgl. Balasco, Causes de nullite, S. 107, der den Fällen des Außerkrafttretens des Komprorniß oder einer anderen Jurisdiktionsgrundlage gleich stellen will die - vom Verf. so charakterisiertenFälle der tatsächlichen Obstruktion oder Verhinderung der Fortführung des Verfahrens, wenn die Parteien nicht eine entsprechende ausdrückliche "Ersatzregelung" vorgesehen haben. Vgl. aus der Praxis nur die Vorgänge um die Friedensverträge mit Ostblockstaaten: Interpretation ofPeace Treaties with Bulgaria, Hungary, Romania, First Phase, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1950, S. 65 und die Second Phase, ICJ Rep. 1950, S. 221. 255 Vgl. bereits 1. Hauptteil Fn. 354. 256 PCIJ, Series AlB, No. 77, 79. 257 PCIJ, Series E, No. 16, S. 143. 258 PCIJ, Series E, No. 16, S. 143. Formell korrekt wurde die Sache im Register nicht gelöscht und auch keine Angabe über die Beilegung gemacht. PCIl, Series E, No. 16, S.134/5.

1. Kap.: Prozeßrechtsinstitute und -situationen

171

Jedenfalls versuchte der (St)IGH, auch im Falle faktischer Verhinderung eine den Anforderungen der VerfO möglichst entsprechende Abwicklung solcher Fälle faktischer Erledigung zu erreichen.

259 PCIJ, Series E, No. 16, S. 148 und siehe dasselbe S. 136/7. Es sollte erwähnt werden, daß nach der Prozeßagentenbestellung "aucun acte de procedure n'a eu lieu". Ibid. Allerdings wird man diesen Passus nicht so verstehen dürfen, daß der Hof selbst die Bestellung des Agenten nicht als "acte de procedure" ansieht, i.s.d. der Klagerücknahmevorschriften, so auch später der IGH im POW-Fall, lCJ Rep. 1973, S. 348.

2. Kapitel

Die Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme in den Verfahrensordnungen des (St)IGH, in dem Projekt der International Law Commission (Model Rules) und bei ICSID I. Die Entwicklung in den Verfahrensordnungen des (St)IGH

1. Die Ausgangslage

Bis zur Errichtung des StIGH im Jahre 1922 gab es praktisch keine internationale (Schieds-)Gerichtsinstanz, welche in irgendeiner konkretisierenden Form Vergleich und / oder Klagerücknahme regelte, sei es in Statut, Satzung oder Verfahrensordnung. Eine Ausnahme bilden die "halbständigen"260 Gemischten Schiedsgerichtshöfe des Versailler Friedensvertrages. Die Verfahrensordnungen fast aller GemSchGH, die bereits überwiegend 1920 und 1921 ausgearbeitet wurden 261 , enthalten zum Teil detaillierte Vorschriften. Ihr Prozeßrecht war stark an die jeweiligen nationalen Prozeßrechtsordnungen angelehnt. 262 Der StIGH hat sich deshalb das Prozeßrecht der TAM nicht zum Vorbild genommen. 263 Als einziges Vorbild einer ständig eingerichteten Instanz kam der Zentralamerikanische Gerichtshof von 1907 in Betracht. 264260 Zum Begriff siehe von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 14 und Wengier, Völkerrecht, Bd. 1, S. 718. 261 Siehe die in Anhang I abgedruckten Regelungen, Nr. 18 (1) -(7). 262 Zacharias, Über das Verfahren vor dem deutsch-englischen Schiedsgerichtshofe, JW 1921, S. 129 ff.; Schätzei, Prozeßordnungen, DJZ 26 (1921), S. 243 ff.; vgl. Grimm, Die Vorkriegsverträge nach dem Friedensvertrag und das Verfahren vor den gemischten Schiedsgerichtshöfen nach dem Stande vom 1. März 1921 (1921), S. 55 ff.; Blühdorn, TAM, RdC 41 (1932 III), S. 137 ff.; zuletzt del Vecchio, Le parti, S. 231 f 263 A. Hammarskjöld, Reglement, Rev. Droit Int'l Legis Comp. 49 (1922), S. 125 (136): Der StIGH sah als entscheidend an zunächst den Parteiwillen; sodann, daß Staaten allein als Parteien agieren konnten (damit schied eine Anlehnung an nationale Prozeßordnungen aus); daß der Hof ständigen Charakter hatte (damit schied eine Anlehnung an die Schiedsgerichtsbarkeit und insbesondere an die Haager Konventionen aus). So teilte Hammarsköld, ebenda, als Schlußfolgerungen des Hofes mit: "Les tribunaux qui, par leur nature, se rapprochaient peut etre le plus d'elle, sont la Cour supreme des Etats-Unis, le Tribunal federal de la Suisse et, sous certains aspects, les tribunaux mixtes d'Egypte". Danach stellte sich aber noch das gravierende Problem der so abgrundtiefen Differenzen zwischen common law und kontinentalem Rechtsverständnis, so daß der Hof die Politik betrieb "a prefer(er) ne rien prejuger des apresent dans son Reglement, en se reservant d'y ajouter ulterieurement, ou bien de donner des solutions lorsque les cas se presenteront

2. Kap.: Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme

173

Obwohl dessen Statut, Satzung und Verfahrensordnung sehr detailliert waren 265 , findet sich keine Regelung der Verfahrenseinstellung. Dies gilt auch für den projektierten Internationalen Zentral-Amerikanischen Gerichtshofvon 1923. 266 Auch die Statuten der Gerichtshof-Projekte der 2. Haager Konferenz von 1907 sind unergiebig. 267 Die ältere Schiedspraxis ließ bei ad hoc-Instanzen einmal im Kompromiß ein "consent judgment" zu, welches dann tatsächlich erging. 26S Daneben gab es Fälle, in denen Vergleich und Klagerücknahme tatsächllch vorkamen ohne ihre explizite Regelung in den das Gericht konstituierenden Instrumenten. 269 Der Tavignano-Fall vor dem Ständigen Schiedshofwurde bei den Vorarbeiten für die VerfO des StIGH tatsächlich in Bezug genommen. Die Rechtsabteilung des Ständigen Sekretariats des Völkerbundes legte dem Beratenden luristenausschuß, welcher ein Statut erarbeiten sollte, ein Memo-

dans la pratique, laissant ainsi a la jurisprudence le so in de formuler des regles precises", Hammarsköld, ibid. 264 Es ist etwas verwunderlich, daß Hammarsköld, a.a.O., in seinem Aufsatz diesen Gerichtshof nicht einbezieht. Vielleicht hat der Hof sich tatsächlich nicht auf einen Vorläufer beziehen wollen, der ein doch unrühmliches Ende fand. Dazu Eyma, La Cour de lustice Centre-Americaine, Diss. Poitiers (1928), S. 28 ff.; Kraske, Der Mittelamerikanische Gerichtshof 1908-1918, ArchVR 2 (1950), S. 204 ff. 265 Convention for the Establishment of a Central American Court of lustice vom 20.12.1907, Foreign Relations of the United States 1907 II, S. 697; Regulations of the Central American Court of lustice vom 2.12.1911, AJIL 8 (1914 Off. Docs), S. 179; Ordinance of Procedure of the Central American Court ofJustice vom 6.11.1912, AJIL 8 (1914 Off. Docs.), S. 194. 266 Convention for the Establishment of an International Central American Tribunal vom 7.2.1923, AJIL (1923 Off. Docs.), S. 85; Rules ofProcedure Referred to in Paragraph One of Artic1e XIX, and Paragraph Two of Artic1e XIX respectively, ofsaid Convention, (Annexes A and B), AJIL (1923 Off. Docs.), S. 93 und S. 96. 267 Die "Verweisungstechnik" macht den angesprochenen Unterschied zwischen dem Prozeßrecht des StIGH und der ad hoc-Schiedsgerichte deutlich, und zugleich die Bedeutung der (St)IGH Verfahrensordnung für Verfahren vor anderen Instanzen: Die Sammlung Arbitrage et Securite, S. 37 I 8, weist zum Dezember 1927 39 Verträge aus, in denen auf das Verfahren (Statut und VerfO) des StIGH oder gar in allgemeineren Formeln auf den "Rechtskreis" StIGH verwiesen wird. Daneben werden 46 Verträge verzeichnet, die Bezug nehmen auf das Prozeßrecht der Haager Konventionen. Der Systematic Survey, S. 107 ff., enthält für die Zeit von 1928 bis 1948 Verweisungen auf das Verfahrensrecht: (1) durch Verweis auf Haager Konventionen 83 x; (2) durch Verweis auf StIGH-Statut 3 x; (3) alternierende Verweise, ob Schiedsverfahren oder Gerichtsverfahren 8 x. Nach dem 2. Weltkrieg finden sich weniger Verweisungen, als wörtliche oder praktische Übernahmen der IGH-Verfahrensregelungen; vgl. Einführung Fn 45. Anhang IINr. 9. 268 Peruanischer Bergwerks-Fall, Stuyt No. 340, Anhang IINr. 6 und Anhang 1I /Nr. 6. 269 Vgl. nur Tavignano, Stuyt No. 308, Anhang lI/Nr. A; Portugiesischer Kirchengüterstreit, Stuyt No. 317, Anhang 1I/Nr. A; Französische Ansprüche gegen Peru, Stuyt No. 317, Anhang lI/Nr. A; die Fälle Stuyt Nos. 296, 174,213,229,248, Anhang II/Nr. B CERRUTI, Santos, Freraut, Samoanische Ansprüche, Simpson).

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

randum vor. Im Abschnitt "VI. Procedure de la Cour et autres questions" wird die Frage aufgeworfen:

,,26. Les parties peuvent-elles, par consentement mutueI, retirer une affaire au cours des debats? Rapport du Bureau de la Haye de 1913, p. 13, sur l'affaire Tavignano".270 Ein weiteres Dokument enthält einen Hinweis auf die Problematik einverständlicher Verfahrensbeendigung vor einem Spruch. Das schweizerische "Avantprojet" von der Jahreswende 1918/1919, verwendet sogar den späteren terminus technicus "desistement". Artikel 39 im Abschnitt "Voie Judiciaire" behandelt in den ersten Absätzen Einwendungen aus dem Grundsatz des non liquet, der Ehren- und Interessenklausel, der vitalen Interessen, und fährt in einem Schlußabsatz fort: "Si aucune des Parties ne souleve une des exceptions prevues au present article, le juge auquel elles ont soumis le litige doit, sauf desistement, statuer conformement al'article 42".271 Hier wird die Möglichkeit der Klagerücknahme vorausgesetzt. Bei fehlenden Einwendungen wird die Pflicht des Richters statuiert, den Fall auf der Basis von Artikel 42 zu entscheiden, der wiederum die Entscheidungsmaßstäbe aufzählt anhand derer der Richter zu judizieren hat, es sei denn eben, daß die Klage nicht weiter verfolgt wird. Diese beiden Anregungen sind in das spätere Avant-Projet des Beratenden Juristenausschusses nicht eingegangen. Auch das spätere (Revidierte) Statut des StlGH und des IGH schweigen in dieser Hinsicht. Die Problematik wurde erst in den internen Beratungen des StlGH zum Erlaß seiner Verfahrensordnung und deren späteren Revisionen aufgegriffen. 272 Im Zusammenhang mit dem Obligatorium, dem Versäumnisverfahren sowie dem Abschluß des Verfahrens ist die Frage der Präponderanz des Parteiwillens, einschließlich der Möglichkeit, die Parteien gegen ihren Willen am Verfahren festzuhalten, zumindest ansatzweise diskutiert worden. 273 270 Cour permanente de Justice internationale. Comite Consultatif de Juristes. Documents Presentes au Comite et relatifs ä des projets dejä existants pour l'etablissement d'une Cour Permanente de Justice Internationale, S. 103. Die englische Version lautet: ,,26. Whether parties may by agreement withdraw a case during the hearing". 271 Avant-Projet Suisse. Statut Constitutionnel de la Ligue des Nations, Annex 9 au Memorandum, Cour permanente de Justice internationale. Comite Consultatif de Juristes, Documents, S. 266. In englicher Version: "If neither of the Parties raises either of the pleas mentioned in this Article, the judge to whom the matter is submitted pronounces, unless the case is abandoned, in accordance with Articles 42". Im Article 45, der "revision" und "cassation" behandelt, heißt es dann weiter, ebenda: "Une Partie qui s'est derobee ä la procedure judiciaire, ne peut recourir ni en revision, ni en cassation" . "A Party which has withdrawn fromjudicial process can make no claim for revision or cassation". Im übrigen aber schweigt das Avant-Projet zu desistement und withdrawal. 272 Avant-Projet pour l'etablissement de la Cour permanente de Justice internationale, presente au Conseil de la Societe par le Comite Consultatif de Juristes, in: Cour permanente des Justice internationale. Comite Consultatif de Juristes. Proces-Verbaux des Seances du Comite 16 juin- 24 juillet 1920 avec Annexes. Annex ä la 32me Seance du Comite consultatif, S. 673. 273 Vgl. Memorandum, Richter Altamira, PCIJ Series D, No. 2, S. 272 (279), Annex 5.

2. Kap.: Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme

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2. Die Verfahrensordnung von 1922

Bereits der erste Entwurf einer VerfO, den das Sekretariat des Gerichtshofes vorbereitete, enthielt einige detaillierte Vorschriften in Abschnitt ,,3. Judicial Procedure" : Article 44: "If during the proceedings the parties come to an agreement concerning the subject matter of the dispute, and notify such agreement to the Court in writing before the oral proceedings are closed, the Court shall embody this agreement in a formal judgment. A party may agree to all or apart of the conclusions ofthe opposing party. Such agreement shall be taken into account in the judgment, provided that a declaration recording the agreement has been filed with the Court before the closure of the oral proceedings. The same shall apply to a declaration made by a party renouncing all or a portion of its conclusions. Special account shall be taken ofthe declarations referred to in the present Rule, for the purposes of the decision to be taken by the Court under Article 64 of the Court Statute. 274 An diesem Entwurf fällt auf, daß das consent judgment vorgesehen ist. 275 Artikel 44 enthielt Regelungen über Anerkenntnis und Verzicht. Diese konnten in ein Urteil aufgenommen werden, wenn dem Gericht über das Anerkenntnis bzw. den Verzicht eine entsprechende schriftliche Erklärung vorgelegt wird. Im übrigen sollte das Gericht solche Vorgänge in der Kostenentscheidung berücksichtigen. 276

274 Rules ofCourt, Draft Prepared by the Secretariat, Annex Ic, PCIJ, Series D, No. 2, S. 252 (265). Die französische Übersetzung lautet: Article 44 "Si, au cours des debats, les parties tombent d'accord sur l'objet qui fait le fond du litige, et notifient par ecrit leur accord ä la Cour avant la clöture des debats, la Cour homologue cet accord par un judgment en bonne et due forme. S'il arrive qu'une des parties accepte tout ou partie des conclusions de la partie adverse, i! sera tenu compte de cet accord dans le jugement, pourvu qu'i! ait ete dument notifie par declaration faite ä la Cour avant la clöture des debats. La meme regle est applicable lorsqu'une des parties declare abandonner tout ou partie des ses conclusions. Il sera expressement tenu compte des declarations visees par les dispositions du present article aux fins de l'arret que la Cour devra rendre en vertu de l'article 64 du Statut de la Cour. 275 Vgl. dazu oben Text bei Fn. 35 ff. Es ist zwischen Staaten untypisch, siehe den Peruanischen Bergwerk-Fall, Stuyt No. 340,1 Anhang /,lIINr. 7, und gebräuchlich allein in Schiedsverfahren, deren Urteile einer tatsächlichen Vollstreckung zugänglich sind, wie z.B. die der transnationalen und intemational-privatrechtlichen (Handels-) Schiedsgerichte und Claims Commissions, dazu die im Anhang I abgedruckten Vorschriften in jeweils Nm. 20-25, 27-30, 31-39. 276 Der Verweis auf Artikel 64 des Statuts ist so zu verstehen, daß der StIGH unter Berücksichtigung des Vergleichs, des Anerkenntnisses und des Verzichts eine von dem Regelfall des Art. 64 Statut abweichende Regelung treffen kann. Art. 64 sagt: "Unless otherwise decided by the Court, eachparty shall bearits own costs". PCIJ, Series D, No. 1, S. 27. Dieser Art. 64 besteht übrigens noch im selben Umfange unter dem jetzigen Statut des IGH.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Damit wurden Regelungen vorgeschlagen, die sich auch in vielen VerfO'en von Gemischten Schiedsgerichtshöfen wiederfinden, die zu einem früheren Zeitpunkt ausgearbeitet wurden. 277 Eine Reaktion auf diese Vorschriften findet sich in dem Memorandum des Richters Altamira, der sich fragte: "Autre question est celle de determiner si les parties ont le droit de retirer l'affaire apres l'avoir portee devant la Cour. Cette question a ete posee et discutee autrefois. Mon avis est egalement negatif'. 278

In dieser Phase wurde ein VerfO-Ausschuß gebildet, welcher einen Katalog der Hauptprobleme aufstellen sollte. Art 44 des Sekretariats-Entwurfes wurde übernommen und um einen Absatz (2) ergänzt (Verfahrensvergleich): "Si les parties notifient par ecrit ala Cour qu'elles se desistent de poursuivre la procedure, la Cour prend acte de cette dec1aration, et la procedure est interrompue".279 Die Fragestellung Altamiras wurde in dem Fragebogen des Verfahrensausschusses an das Plenum aufgegriffen: "Est-ce que les parties peuvent dessaisir la Cour une fois qu'elles l'ont saisie?" 280

In der 15ten Plenar-Sitzung des StlGH zur Ausarbeitung der VerfO wurde diese Frage behandelt. Es wurde bereits sehr deutlich unterschieden zwischen der einvernehmlichen und einseitigen Klagerücknahme. 281 Allein die Frage der einvernehmlichen Klagerücknahme wurde behandelt. Es wurde auf das französische Prozeßrecht hingewiesen, das eine solche Klagerücknahme durch die Parteien zulasse. 282 Lord Finlay schlug vor, eine Regel zu verabschieden, die die einvernehmliche Verfahrensbeendigung von der Zustimmung des Gerichts abhängig machte, weil "in some rare instances it would be found desirable to pronounce a judgrnent even if the parties wished to withdraw' the suit". 283 Es 277 Dies deutet Hammarsköld als Kanzler nicht in seinem Aufsatz an, Reglement, Rev. Droit Int'l Legis. Comp. 49 (1922), S. 125ff. 278 Memoranda de M. Altamira, PCIJ, Series D, No. 2, S. 272 (279), Annexe 5 ("to withdraw a case" in der Übersetzung). 279 Compte-Rendu du resultat de la troisieme reunion du Comite de Procedure, Annex 21 b, PCIJ Series D, No. 2, S. 303 (304). Die englische Übersetzung lautet: "Ifthe parties notify the Court in writing that they intend to break off proceedings, the Court shall place this declaration on record, and proceedings shall be stayed". Artikel 44 (2) dieses Entwurfes gebraucht zum ersten Mal die Terminologie des se desister (to break off proceedings). 280 Questions asoumettre ala discussion de la Cour, en seance pleniere le 7 fevrier 1922 PCIJ, Series D, No. 2, S. 289 (291). (Annexe 21 a). Die englische Übersetzung: "Can the parties remove a case from the Court once they have submitted it?" 281 So Max Huber, PCIJ, Series D, No. 2, S. 83. 282 Richter Weiss, ibid.

2. Kap.: Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme

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kann dahingestellt bleiben, ob sich Lord Finlay vom nationalen Recht beeinflussen ließ, oder ob er bereits an einen ordre public auf internationaler Ebene dachte. Entscheidend aber war die Bemerkung Anzilotti's "que la juridiction de la Cour repose entü!rement sur la volonte des parties, et que pour cette raison, ainsi que pour des raisons d'ordre pratique, le desir des parties devrait prevaloir dans tous les cas". 284 Damit aber wurde - zurecht - eine völlig selbständige völkerrechtliche Begründung der einvernehmlichen Klagerücknahme geliefert. 285 Daraufhin zog Lord Finlay seinen Vorschlag zurück, und man einigte sich, die einvernehmliche Prozeßbeendigung zuzulassen. 286 Das Sekretariat erstellte eine Revidierte Fassung der VerfO, in die der frühere Artikel 44 mit der Änderung übernommen wurde, daß es dem Hof freigestellt wurde, ein "consent judgment" zu erlassen. 287 Es folgte ein VerfO-Entwurf des Redaktionsausschusses, welcher in seinem Artikel 44 die spätere Endfassung enthielt mit Ausnahme der Absätze über Anerkenntnis, Verzicht und die Kostenfrage, die noch im Verlauf der Beratungen entfielen. Es entfiel ebenso die Möglichkeit des "consent judgment". Article 44: "Si, au cours des debats, les parties tombent d'accord sur la solution ä. donner au litige, et notifient cet accord par ecrit ä. la Cour avant la clöture de la procedure, la Cour donne acte de l'accord intervenu. Si, d'un commun accord, les parties notifient par ecrit ä. la Cour qu'elles renoncent ä. poursuivre la procedure, la Cour prend acte de ce desistement et la procedure prend fin". 288 Das Sekretariat erstellte dann eine Übersicht der zu regelnden Materien. 289 Ibid. Anzilotti, a. a. 0., S. 84. Ebenso Richter Beichmann, a. a. 0., S. 83. 285 Ebenso von Mangoldt, Comparaison, ZaöRV 40 (1980), S. 554 (564ft). 286 PCIJ, Series D, No. 2, S. 84. 287 Es hieß jetzt "la Cour a la faculte de/may embody" anstatt "la Cour homologue/shall embody"; Nouvelle redaction de l'avant-projet du Secretariat, PCIJ, Series D, No. 2, S. 399 (410), Annexe 59a. 288 Projet de reglement interieur de la Cour permanente de Justice internationale, elabore par le Comite de Redaction, PCIJ, Series D, No. 2, S. 425 (435), Annexe 61 a. Die englische Version lautet: Artiele 44: "If during the oral proceedings the parties come to an angreement regarding the settlement of a dispute and notify such agreement to the Court in writing before the elose ofthe proceedings, the Court shall officially record the conelusion ofthe agreement. Should the parties by common agreement notify the Court in writing that they intend to break off proceedings, the Court shall officially record the fact and proceedings shall be terminated" . 289 Plan pour la disposition des divers artieles du Reglement de la Cour, PCIJ, Series D, No. 2, S. 444 (447), Annexe 61 c. Hierbei wurde die Überschrift gewählt im Französischen: "VII) Accord. Art. 64. Accord des pafties sur la solution du litige". Und im Englischen: "VII) Agreement. Art. 64. Agreement between parties regarding the settlement of the dispute". 283

284

12 Wegen

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Artikel 44 wurde in dem neuen Entwurf des Redaktionskomitees zu Art. 64. 290 Dieser Entwurf führte im Plenum zu einer erneuten Diskussion über die Zulassung des consent judgment. Es wurde vertreten, daß eine ausdrückliche Regelung nicht erforderlich sei, denn schon aus Art. 38 Statut ergebe sich diese Möglichkeit 291 , im übrigen sei es sowieso zulässig. 292 Präsident Loder wollte den Parteien die Möglichkeit zubilligen, ihrer Übereinkunft res iudicata-Effekt zu verleihen und schlug einen entsprechenden Passus vor. 293 Allerdings folgt man der Anregung Nyholms, den Artikel nicht zu ändern. 294 Ein weiterer Entwurf des Redaktionsausschusses änderte die Numerierung in Artikel 63. 295 In der Diskussion dieses Artikels im Plenum schlug Anzilotti einen neuen Absatz vor, der den Erlaß von consent judgments vorsah. 296 Er befürchtete, das Schweigen der VerfO könnte als Entscheidung gegen ein consent judgment gedeutet werden. 297 Lord Fin!ay bemerkte, daß es einen Unterscchied mache, ob der Hof nur den Abschluß einer Übereinkunft zwischen den Parteien zur Kenntnis nehme - was vorzuziehen sei - oder ob er Absprachen in seinem Urteil selbst bestätige. Wolle man letzteres, so sei eine ausdrückliche Regelung zu treffen, weil sonst der Eindruck entstehen könne, der Hof übe hinsichtlich des Inhalts des Abkommens Ermessen aus, d. h. er interveniere "au fond de l'affaire". 298 Der Artikel wurde ohne die Änderung Anzilottis beschlossen. 299 Schließlich wurde Artikel 63 als Artikel 61 300 in die VerfO 1922 unter der Überschrift "Accord / Agreement" aufgenommen. 301 Die Entstehungsgeschichte ergibt, daß die einvernehmliche Klagerücknahme ermöglicht werden sollte. Es wurde klargestellt, daß das Gericht "se contente ainsi d'enregistrer l'accord dans un proces-verbal, sans l'englober dans un arret;

290 Projet de Reglement de la Cour, eJabore par le Comite de Redaction d'apres les deliberations de la Cour, PCIl, Series D., No. 2, S. 444 (469), Annexe 61c. 291 So Huber, PCIl, Series D, No. 2, S. 154. 292 So Anzilotti, ibid. 293 "La Cour a la faculte de statuer en conformite de tout accord intervenu entre les parties", PCIl, Series D, No. 2, S. 154. 294 Ibid. 295 Projetde Reglement soumis par le Comitede Redaction, 13. 3. 1922, PCIl, Series D, No. 2, S. 481 (495), Annexe 61 g. 296 "Les dispositions du present artic1e ne prejugent pas la faculte pour la Cour d'adopter par un arret les conc1usions conformes des parties". PCIl, Series D, No. 2, S.217. 297 Sehr dezidiert vertraten die Richter Beichmann und Weiss die Meinung, daß solche Urteile nicht mit der maßgeblichen Funktion der StIGH vereinbar seien, nämlich Fallrecht zu entwickeln. Ibid. 298 PCIl, Series D, No. 2, S. 217. 299 Sein Vorschlag wurde mit 9 zu 3 Stimmen zurückgewiesen, ibid. 300 Projet de Reglement de la Cour, PCIl, Series D, No. 2, S. 538 (551), Annexe 72a. 301 PCIl, Series D., No. 1, S. 66 (1926).

2. Kap.: Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme

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donc sans lui donner force de chose jugee". 302 Die Möglichkeit zum Erlaß von consent judgments wurde nicht vorgesehen. 303 3. Die Revisionsdiskussion von 1926

Im Rahmen der Revisionsdiskussion 1926 wurde vorgeschlagen, den Absatz 1 (Vergleich) von Art. 61 ganz zu streichen, weil er sinnlos sei: "Quel que soit le moment Oll les parties se mettent d'accord, la procedure perd sa raison d' etre". 304 Zwei Richter schlugen vor, die einseitige Klagerücknahme auch ohne Zustimmungserfordernis zuzulassen. Während Bustamante meinte, zwischen Schiedsverfahren und durch Kompromiß einerseits und durch einseitige Anträge andererseits anhängig gemachten Sachen differenzieren zu können, wobei dann im letzteren Falle zwanglos ein "desistement" zulässig sei 305, wollte Pessoa einfach den zweiten Absatz von Artikel 61 umforrnulieren: "Si le demandeur notifie, par ecrit, a la Cour, qu'il renonce a poursuivre la procedure, la Cour prend acte de cette renonciation et la procedure prend fin".306 Beide Richter haben ihre Vorschläge bei der Diskussion des Art. 61 in der 26. Sitzung zurückgezogen. Trotz längerer Debatte wurde der Artikel nicht geändert. 307 Die Diskussion im Plenum konzentrierte sich auf die Zulässigkeit des "consent judgment". Es wurde vor allem damit argumentiert, daß die Parteien für ihre Übereinkunft res iudicata-Wirkung erreichen wollten, wobei auf das Recht Englands verwiesen wurde. 308 Präsident Huber machte demgegenüber auf die anders geartete Lage im Völkerrecht aufmerksam; den Sprüchen des StlGH

A. Hammarskjöld, Reglement, Rev. Droit In1'l Legis. Comp. 49 (1922), S. 125 (144). A. Hammarsköld, ibid.: "Mais celle-ci a evidemment tenu ä eviter que dans sa jurisprudence, destinee ä etre I'une des sources les plus importantes et les plus pures du droit international futur, ne se meJassent des elements dont elle ne CUt pas directement responsable" . 304 Observations et Propositions de M. Pessoa, PCIJ, Series D., No. 2, (add.). S. 268 (271). Hierin liegt auch eine Kritik der Begrenzung der Zulässigkeit des Vergleichs bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung. Das hat auch Bustamante als völlig unverständlich kritisiert: Critiques et Suggestions Formulees par M. Bustamante, PCIJ, Series D, No. 2 (add.), S. 259 (261). 305 Bustamante, ibid. Übrigens begründete Bustamente die mit den "doch vernünftigen Regelungen solchen Inhalts in nationalen Rechten." 306 Observations et Propositions de M. Pessoa, PCIJ, Series D, No. 2 (add.), S. 268 (271). 301 PCIJ, Series D, No. 2 (add.), S. 167 (1926). 308 Loder, PCIJ, Series D, No. 2 (add.), S. 168. 302

303

12"

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

lägen im Rahmen des Völkerbundes ganz andere Verpflichtungen zugrunde als nur einfache schuldrechtliche. 309 Anzilotti drang wieder darauf, in einem neuen Absatz das consent judgment zuzulassen. Dagegen wurden vorgebracht:

"For an agreement between the Parties to a dispute is not entered into on a legal basis, but on the basis of political, diplomatie and economic considerations, whereas the Court must give judgment from the stand point of law". 310 Im Falle eines Streites zweier Parteien über den Inhalt einer multilateralen Konvention und dessen Regelung durch einvernehmliche gleichlautende Interpretation könne ein solches pactum separatum nicht mit Rechtskraft ausgestattet werden. 311 Lord Finlay bemerkte dazu unter Bezug auf das englische Recht, daß das Gericht die Einzelheiten der Entstehung und des Inhalts der Übereinkunft der Parteien zu prüfen hätte. 312 Der Gerichtshof könne natürlich nicht verpflichtet sein, dem Antrag auf Erlaß eines consent jugment nachzukommen: "The Court could never allow itself to be in the position ofbeing bound simply to register the agreement of the Parties. It always rested with the Court to say whether it was satisfied with that agreement or not". 313 Dem trat Bustamante entgegen: "The Court would give judgment not on the merits but on the agreement. But the Court had not to decide whether an agreement conc1uded in accordance with the interest ofthe Parties was or was not in accordance with the law. The Court must confine itself to "recording" the agreement as was said by the present text, which should be retained". 314 Präsident Huber teilte diese Ansicht. Er habe Artikel 61 stets so verstanden, daß dem Gericht eine reine Formalität auferlegt würde. 315 Die Diskussion wurde mit dem Hinweis Lord Finlay's abgeschlossen, daß mit Art. 61 jedenfalls nicht beabsichtigt sei, dem Gericht eine irgendwie geartete Pflicht aufzuerlegen, sondern nur die Möglichkeit eröffnen wollte, eine Übereinkunft durch Urteil zu bestätigen (to confirmjhomologuer). 316 Eine Änderung des Art. 61 wurde nicht beschlossen. 309 PCIJ, Series D, No. 2 (add.), S. 168. Dieses Argument wurde noch von Anzilotti aufgenommen, der meinte, daß den Sprüchen des StIGH, unabhängig davon, ob man sie als executory I executoire bezeichnen wolle, jedenfalls ganz andere Wirkungen zugesprochen werden müßten als simplen Verträgen, ibid. 310 Bustamante, PCIJ, Series D, No 2 (add.), S. 169. 3ll Ibid. 312 PCIJ, Series D, No. 2 (add.), S. 168. 313 Lord Finlay, PCIJ, Series D, No. 2 (add.), S. 170. 314 PCIJ, Series D, No. 2 (add.). S. 170. 315 Huber, ibid. Dies unterstrich auch Judge Moore mit seiner Bemerkung, daß Art. 61 gerade so formuliert worden sei, um eine Entscheidung durch Urteil als nicht denkbar zu bezeichnen. Dem widersprach wiederum Lord Finlay, ibid. Es blieb also offen.

2. Kap.: Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme

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4. Die Reformdiskussion von 1931 bis 1936 und die Verfahrensordnung von 1936

In den Jahren 1931 bis 1936 wurde eine intensive Refonndiskussion geführt. 317 Als Ausgangspunkt diente ein Bericht des Kanzlers des StlGH vom Juni 1933. 318 Dieser Bericht stellte die inzwischen vorhandene Spruchspraxis und die interne Diskussion dar. Die einseitige Klagerücknahme sei zwar nicht direkt angesprochen worden, jedoch sollte sie geregelt werden. Es habe sich bereits die Meinung herausgebildet, daß eine einseitige Klagerücknahme ohne Zustimmung des Antragsgegners möglich sein sollte, es sei denn dieser "faisait acte de presence / entered an appearance". Der Bericht schlug vor: "a) que le desistement unilateral du demandeur suffit pour dessaisir la Cour tant que le defendeur n'a pas fait acte de presence; b) qu'une fois le proces lie, le desistement, s'il n'est pas fait d'un commun accord par les parties, peut etre le fait d'une partie, ä condition d'etre fonnellement accepte par les autres". 319 Die Klagerücknahme wurde als einheitliches Institut "desistement" begriffen, welches in verschiedenen Fonnen und unter verschiedenen Bedingungen im internationalen Prozeß anwendbar sein kann. Weiter wurde gefragt, ob sich Art. 61 nur auf Verfahren beziehe, die durch Komprorniß eingeleitet worden seien. Dies wurde zurecht unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte verneint; es fehle aber die Regelung der einseitigen Klagerücknahme bei einseitiger Anrufung. 320 Die Zulässigkeit der einseitigen Klagerücknahme wurde in mehreren Fällen akut, als sie noch nicht in der VerfO geregelt war. In einer längeren Diskussion unter den Richtern wurden nationale Regelungen vorgetragen. Es wurde sowohl vertreten, daß Art. 61 Kompromiß und einseitige Anrufung umfasse bzw. nicht umfasse, als auch daß einseitige Klagerücknahme nach Art. 61 zulässig sei bzw. nicht zulässig sei. Der zentrale Begriff des ac te de procedure und die daran anknüpfende Zustimmungspflicht des Antragsgegners wurde bereits herausgearbeitet. 321 Ibid. Bereits 1929 wurden einige weitere Änderungen der Verfahrensordnung vorgenommen, die jedoch die Klagerücknahme nicht tangierten, siehe die VerfO von 1931, PCH, Series D, No. 1, (2. Aufl. 1931), S. 23. 318 Rapport du Greffier de la Cour (Juin 1933), Revision du Reglement, PCH, Series D, No. 2, (3rd add.), S. 803. 319 In der englischen Übersetzung wird jeweils von withdrawal gesprochen, in das acquiesced werden müsse: Rapport du Greffier de la Cour, Juin 1933, Revision du Reglement, PCH, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 803 (829). 320 Rapport du Greffier; a. a. 0., S. 829/830. 321 Vgl. Extrait du proces-verbal de la 3me seance de la 28me Session, tenue le 12 mai 1933, PCH, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 318/9, Fn. 2. 316 317

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Die Dritte (Reform-)Kommission beschäftigte sich mit der Verfahrensbeendigung. In ihrem Bericht stellte die Kommission kurz die Beendigungsarten nebeneinander. Sie fragte sich, ob "une procedure par requete ne devait pas pouvoir prendre fin, ä cöte d'une renonciation par commun accord, par desistement unilateral". 322 Der Bericht griff die Praxis des StIGH auf, eine "nonopposition" des Antragsgegners zu verlangen, wenn er bereits eine Prozeßhandlung vorgenommen hat. Er schlug eine Formulierung vor, die schon die wesentlichen Elemente der späteren Fassung enthielt: "Si, dans une affaire portee devant la Cour soit par compromis, soit par requete, les parties, d'un commun accord, notifient par ecrit ä la Cour qu'elles renoncent ä poursuivre la procedure, la Cour prend acte de cette renonciation et la procedure prend fin. En outre, dans une affaire portee dans la Cour par requete, la partie demanderesse peut notifier par ecrit ä la Cour qu'elle renonce ä poursuivre la procedure. Si, au moment ou la Cour re~oit cette notification, la partie defenderesse n'a pas encore fait acte de procedure, la Cour prend acte de cette renonciation et en donne communication ä la partie defenderesse, par quoi la procedure prend fin. Si, au moment indique, la partie defenderesse a dejä fait acte de procedure, la Cour ou si elle n'est pas reunie, le President fixe un delai dans lequella partie defenderesse doit se prononcer sur la question de savoir si elle ne s'oppose pas ä la renonciation. Au cas ou elle ne s'y oppose pas, la Cour prend acte de ce fait et en donne communication a la partie demanderesse, par quoi la procedure prend fin. Au cas ou la partie defenderesse s'oppose ä la renonciation, la procedure continue". 323 Außerdem wurde die Überschrift "Accord" für ungenügend gehalten und "Accord et Renonciation" vorgezogen. 324 Die Vorschläge des Berichts wurden im Plenum diskutiert. Der französische Richter Fromageot zog statt des "Accord et Renonciation" die Bezeichnung "desistement" / "discontinuance" unter Hinweis auf französisches Recht als Überschrift vor. 325 Der Präsident zweifelte, "if it was wise to introduce into the Rules words such as desistement, which had a technical meaning in the procedure of a particular country".326 Jedenfalls betrachtete man eine Änderung als nicht dringlich. Der Koordinierungsausschuß übernahm die Vorschläge der Dritten Kommission in Artikel 61 bis 61 ter mit einer Änderung der Überschrift in "Accord et Desistement" statt "Accord et Renonciation". 327

322 Rapport de la Troisieme Commission, (14 mars 1934), PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 778 (780). 323 Ibid. 324 Ibid. 325 23te Sitzung vom 16. März 1934, PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 853. 326 Sir Cecil Hurst, PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 853.

2. Kap.: Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme

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Diese Artikel wurden in das endgültige Projekt übernommen, welches der Ausschuß dem Plenum vorlegte. 328 In der Diskussion des Plenums vom 22. 2. 1935 ergaben sich mit Blick auf eine gütliche Regelung des Streites (Art. 61) vier Probleme. Zum einen wurde vorgeschlagen, die Entscheidung durch Verfügung ausdrücklich vorzusehen. 329 Hieran schloß sich erneut eine Diskussion über "consent judgments" und die Möglichkeit an, einen Vergleich der Parteien mit res iudicata-Effekt zu versehen. 330 Negulesco erwog, daß der alte Art. 61 doch beide Möglichkeiten für das Gericht offen ließ: schlicht Kenntnis von der gütlichen Einigung zu nehmen oder den Vergleich in die Entscheidung aufzunehmen. Im letzteren Falle könne es nur ein Urteil sein. 331 Dem hielt Vizepräsident Guerrero entgegen:

a

"Tous les cas prevus dans le projet d'articles soumis la Cour so nt des cas de desistement, ou la Cour n'a autre chose faire que de rendre une ordnonnance

a

327 Rapport, Commission de Coordination (14 mai 1934), PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 857 (877). VI. Accord et Desistement. Artic1es 61 ä 61ter. Artic1e 61: "Si les parties tombent d'accord sur la solution ä donner au litige, et notifient cet accord par ecrit ä la Cour avant la c1öture de la procedure, la Cour donne acte de l'accord intervenu. - Artic1e 61 bis: "Si, dans une affaire portee devant la Cour, soit par compromis, soit par requete, les parties, d'un commun accord, notifient par ecrit ä la Cour qu'elles renoncent ä poursuivre la procedure, la Cour prend acte de cette renonciation et la procedure prend fin". Artic1e 61ter: "Dans une affaire portee devant la Cour par requete, la partie demanderesse peut notifier par ecrit ä la Cour qu'elle renonce apoursuivre la procedure. Si, au moment Oll la Cour recoit cette notification, la partie defenderesse n'a pas encore fait acte de procedure, la Cour prend acte de cette renonciation et en donne communication ä la partie dHenderesse, par quoi la procedure prend fin. Si, au moment indique, la partie dHenderesse a dejä fait acte de procedure, la Cour, ou, si elle n'est pas reunie, le President, fixe un detai dans lequella partie dHenderesse doit se prononcer sur la question de savoir si elle ne s'oppose pas ä la renonciation. Au cas Oll elle ne s'y oppose pas, la Cour prend acte de ce fait et en donne communication ä la partie demanderesse, par quoi la procedure prend fin. Au cas Oll la partie dHenderesse s'oppose ä la renonciation, la procedure continue". 328 Reglement de la Cour, Projet presente par la Commission de Coordination, PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 883 (890/1). Sir Cecil Hurst legte noch im Mai 1934 einen eigenen Entwurf der revidierten VerfO in Englisch vor, der in Artikeln 75 (Agreement), 7677 (Discontinuance) die gleiche.Regelung vorsah: Memorandum by Sir Ceeil Hurst, May 3rd, 1934, PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 896 (904). Dieser Numerierung paßte sich ein Vorschlag des Koordinationskomittees an, Disposition Nouvelle proposee, ä titre d'alternative, pour les artic1es du reglement tels qu'ils figurent ä l'appendice 1, PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 894 (895): Accord des parties sur la solution d'un litige (75), Accord des parties pour mettre fin ä la procedure (76), Desistement unilateral (77). 329 22te Sitzung, 22.2. 1935, PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 313; (Richter

Fromageot).

330 Insbesondere wiederum Anzilotti, PCIl, Series D, No. 2/3rd add.), S. 315: Anzilotti sagte ausdrücklich, daß der Inhalt der gütlichen Regelung eben nicht in die Entscheidung des Gerichts aufgenommen werde: ibid. 331 PCIl, Series D, No. 2 (3rd add,), S. 314.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

pour dec1arer que l'affaire a pri fin ... ", deshalb könne die Entscheidung ohne weiteres durch Verfügung getroffen werden. 332 Eine Entscheidung durch Verfügung wurde beschlossen, weil nur eine bestehende Praxis festgeschrieben wurde. 333 Ein weiterer Diskussionspunkt war der Zeitpunkt, bis zu dem die Parteien ein Verfahren beendigen können sollten. 334 Überwiegend wurde mit dem Parteiwillen argumentiert, dem der Vorrang gebühre. 335 Weiterhin wurde die Terminologie der Überschriften und den daraus zu ziehenden Schlüssen diskutiert. So meinte Fromageot, daß "Accord" zu sehr an "jugement d'accord" erinnere, was jedoch nicht beabsichtigt sei. 336 Inhalt des Artikels sei die gütliche Beilegung des Streites, so daß sich die Überschrift "Arrangement amiable et desistement" / "Settlement and abandonment of proceedings" anbiete. 337 Der Präsident regte an, schlicht den Titel "Desistement" / "Abandonment of proceedings" zu wählen. 338 Der deutsche Richter Schücking meinte unter Verweis auf deutsches Recht, daß "accord" einen genauenjuristischen Inhalt habe, während "desistement" eine einseitige Handlung darstelle. 339 Fromageot unterstrich, im französischen Recht "desistement couvre aussi les accords, car a la suite de l'arrangement amiable intervient le desistement". 340 Schließlich einigte man sich auf den Titel "Des arrangements amiables et des desistements".

Fromageot fragte weiter, ob die Parteien dem Gericht den Wortlaut der getroffenen Regelung mitzuteilen hätten oder nur den Umstand selbst, daß eine gütliche Regelung getroffen worden ist. 341 Dem wurde entgegengehalten, daß die Entscheidung des Gerichts sich nur auf die Prozeßbeendigung richte, eine Aufnahme des Vergleichs die Frage nach dem consent judgment stelle. 342 Ibid. Vgl. Anzilotti, a.a. 0.,316. Richter Negulesco gab eine Erklärung des Inhalts ab, daß mit der Entscheidung die VerfO nach den verabschiedeten Texten ein consent judgment nicht mehr zulasse. 334 Richter Fromageot schlug vor, daß die Parteien dies tun könnten "jusqu'au moment du prononce de l'arret"; PCIJ, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 313. 335 PCIJ, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 653 -655. 336 PCIJ, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 314. 337 Ibid. 338 Man könne aber solche Frage wohl dem Redaktionskomittee überlassen, Sir Cecil Hurst, ibid. 339 Ibid. 340 Ibid. 341 PCIJ, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 315. Der Wortlaut sei unklar: "Si les parties tombent d'accord sur la solution ä donner au litige et notifient cet accord par ecrit ä la Cour ... ". Damit seien beide Möglichkeiten offen gelassen. 342 So Vizepräsident Guerrero, im Zusammenhang mit der in ähnliche Richtung weisenden Frage Negulesco 's, ob die im Text genannte Formulierung ein consent judgment zulasse oder nicht. Ibid. 332 333

2. Kap.: Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme

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Der Kanzler des StlGH antwortete mit der bereits bestehenden Praxis des StlGH im Factory at Chorzow-Fall 343 und dem Castellorizo-Fall. 344 Fromageot schlug daraufhin vor, statt "notifient cet accord" zu sagen, "font connaitre qu'elles sont tombees d'accord", um auf jeden Fall den Eindruck zu vermeiden, daß der Vergleichstext selbst mitgeteilt werden müßte, und nicht nur die Tatsache des Vergleichsschlusses. 345 Dagegen argumentierte Jonkheer van Eysinga, daß die Geheimhaltung eines Abkommens gegen die Satzung des Völkerbundes verstoßen könne, als dessen Organ der StlGH begriffen werden müsse. Schließlich hieße es in der Präambel der LoN, daß die Hohen Vertragsschließenden Teile es als grundlegend ansähen, ,,(pour) developper la cooperation entre les nations et (pour) leur garantir la paix et la surete il importe d'entretenir au grandjour des relations internatinales fondees sur la justice et l'honneur (open, just and honourable relations)".346 Fromageot's Vorschlag wurde mit acht gegen drei Stimmen angenommen. 347 Damit wurde eine Pflicht zur Mitteilung des Inhalts des Vergleichs abgelehnt.

Die Rechtsfolge einer gütlichen Einigung schien so selbstverständlich, daß ein entsprechender Antrag Fromageot's kurz vor der Abstimmung ohne jegliche Aussprache einstimmig angenommen wurde: "que la Cour ordonne la radiation de l'affaire du röle de la Cour"348, obwohl Hudson kommentierte, es sei "somewhat difficult to see why the Court has now added (that phrase)". 349 Zum ersten Mal diskutierte das Plenum anhand des Art. 61ter die Frage der einseitigen Klagerücknahme. Jonkheer van Eysinga meinte, daß bis zum derzeitigen Zeitpunkt nur die einvernehmliche Verfahrensbeendigung vorgesehen sei. 350 .343 Factory at Chorz6w, Order, PCIl, SeriesA, No. 19, S.l-13; SeriesC, No. 16, Bd. 2. Dort hatten sich die Parteien in der Sache verglichen. Sie teilten dem StIGH den Wortlaut des Vertrages mit, untersagten aber eine Veröffentlichung, weil der Vertrag eine Geheimhaltungsklausel enthielt. In der Order selbst sah das Gericht den erforderlichen Vertrag (in dem Notenwechsel) in den Mitteilungen über den Abschluß des Vergleichs. 344 Castellorizo, PCIl, Series AlB, No. 51, S.4; Series C, No. 61: Hier teilten die Parteien zunächst nur den Umstand mit, daß eine gütliche Regelung getroffen worden sei, dann wurde ganz allgemein der Inhalt mitgeteilt. Erst nach Erlaß der Verfügung wurde, nur zur Information, der Text des Abkommens mitgeteilt. Vgl. PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 315. 345 PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 315. 346 Van Eysinga, PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 316. Der Präsident selbst sekundierte dieser Auffassung mit dem Hinweis, daß die Parteien ja sich des Art. 61 bis bedienen könnten, der keine Offenlegung vorsehe und schlicht die übereinstimmende Beendigung der Instanz vorsehe, Sir Cecil Hurst, ibid. 347 Ibid. 348 PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 316/7. J4q The 1936 Rules of the Permanent Court of International Justice, AJIL 30 (1936), S. 463 (469). 350 Unter Bezug auf die Appeals TAM-Fälle; PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 318/9, Fn 2. Dort beriefen sich mehrere Richter auf die nationalen Rechtsordnungen.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Man sollte die einseitige Klagerücknahme zulassen. Fromageot bemerkte, es werde der Eindruck erweckt, als solle eine neue Institution eingeführt werden. Es handele sich aber um eine gefestigte Praxis, deshalb spreche man von einem Redaktionsproblem. 3S1 Art. 61 ter wurde einstimmig beschlossen. 352 In den weiteren Lesungen kamen keine wesentlichen Änderungen zu den neu numerierten Artt. 68 und 69 hinzu. 353 Insgesamt gesehen brachte die Reform der Verfahrensordnung wesentliche Änderungen im Bereich von Vergleich und Klagerücknahme. Allerdings wurde nur eine bereits bestehende Praxis des StlGH sanktioniert. 5. Die Verfahrensordnungen von 1946 und 1972

Die VerfO des IGH von 1946 übernahm die Artt. 68 und 69 mit einer inhaltlichen Änderung. Der Präsident wurde ermächtigt, die Verfügungen zu erlassen, wenn der Gerichtshof nicht tagte. Diese Änderung scheint auf Gedanken der Prozeßökonomie und den Erfahrungen im Borchgrave-Fall zu beruhen. 354 Bei der Teilrevision der VerfO 1972 wurden die Artt. 68 und 69 nur neu numeriert in Artt. 73 und 74. Es wurden keinerlei Änderungen vorgenommen. 355 6. Die (Revidierte) Verfahrensordnung von 1978

Die Revidierte Verfahrensordnung 1978 jedoch führte zu einer weitgehenden Umstrukturierung der Regeln über die Verfahrensbeendigung im Zuge der Entwicklungen in Literatur und Praxis. Allerdings können nur Schlußfolgerungen aus den Textänderungen gezogen werden, da der IGH im Gegensatz zu seinem Vorgänger die Revisionsdiskussionen zur Verfahrensordnung nicht veröffentlicht. 356 Die bisherigen Kommentare zur Revidierten Verfahrensord-

PCIl, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 319. Ibid. 353 Das verkennt dei Vecchio. Noch 1975 schreibt sie, daß Art. 69 erst 1946 neu in die VerfO IGH 1946 eingeführt worden sei, Le parti S.234 Fn. 14. Ebenso gibt sie die Überschrift mit "desistement" an, während dies bis 1936 "Accord" war. PCIJ, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 734. 354 Guyomar, Commentaire, S. 400; es handelte sich sowieso um eine rein prozeßleitende Verfügung, nämlich das Prozeß-Rechtsverhältnis zu beenden. Vgl. Borchgrave, PCIl, Series AlB, No. 73, S. 4; PCIl, Series E, No. 16, S. 182. 355 Insoweit ist die Bemerkung Verzijl's unzutreffend, daß die VerfO 1972 in den Regeln über die Verfahrenseinstellung geändert wurde. Verzijl, Bd. 8, Inter-State Disputes, S. 460. Im übrigen siehe Jimenez de Arechaga, The Amendment of the Rules of Procedure ofthe International Court of lustice, AJIL 67 (1973), S. 1 ff.; Rosenne, The 1972 Revision of the Rules of the International Court of lustice Israel L. Rev. 8 (1973), S. 197 ff.; J. G. Starke, Die neue Verfahrensordnung des Internationalen Gerichtshofes, JIR-GYIL 16 (1973), S. 11 ff. 351

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nung haben sich nicht ausgiebig mit den Klagerücknahmevorschriften beschäftigt. Die Äußerungen von Mitgliedern des IGH sind spärlich. 357 Die Verfahrensordnung 1978 scheint vor allem eine weitere Erleichterung der Verfahrensbeendigung in prozessualer Hinsicht im Auge gehabt zu haben, die überdies jegliche Folgerungen aus Vorgängen um die prozeßrechtliche Einstellung auf materiellrechtliche Wirkungen ausschließen sollte. Die jetzige Fassung hat die einheitliche Prozeßrechtsinstitution der "Einstellung des Verfahrens"358 zum Gegenstand. Dies wird schon deutlich aus der Entwicklung der Überschriften. Von 1922 bis 1936 lautete sie "Accord" / "Agreement", von 1936 bis 1978 "Des arrangements amiables et des desistements" /Settlement and Discontinuance", nunmehr schlicht "Desistement" / "Discontinuance". 359 Artikel 89, der die einseitige Klagerücknahme regelt, ist nur redaktionell und nur in einer Hinsicht sachlich geändert worden. Die Erklärungspflicht wurde zu einem Erklärungsrecht über den Widerspruch umgewandelt. Daß keine weitergehenden Änderungen erfolgten, erstaunt unter dem Gesichtspunkt, daß der IGH in den Jahren seit 1972 in allen einseitig anhängig gemachten Verfahren mit säumigen Beklagten konfrontiert war, die zwar dem Verfahren fern blieben, sich jedoch im Verfahren vor dem IGH Gehör verschafften. 360 Es hätte nahe gelegen, den "acte de procedure" neu zu definieren, ganz zu streichen oder aber u. U. eine Sonderlage bei Säumnisverfahren zumindest in Art. 88 (1) zu regeln. 361 Des weiteren hätten die Fischereihoheit- und die Atomtestr:ille zu einer Regelung einer mißbräuchlichen Weiterbefassung des Gerichts (zum Beispiel

356 Dies ist zurecht bedauert worden. Rosenne, Commentary, S. 52; Hambro, Quelques observations sur la revision du reglement de la Cour internationale de Justice, Melanges Charles Rousseau (Paris 1974), S. 125 Fn. 3. 357 Lachs, Revised Procedure, FS van Panhuys, S. 21 ff.; Mosler, Aktuelle Aspekte, FS Verosta, S. 249ff.; Mosler, Present stage, Dalhousie L. J. 5 (1979), S. 545. 358 So die zutreffende Übersetzung von Oellers-Frahm und Wühler in: Der Internationale Gerichtshof, Hrsg. IGH, Den Haag, 1978, S. 160; bei Hallier, Materialien, S. 82 mußte es noch heißen "Vergleich und Einstellung des Verfahrens". 359 Schon ad hoc Richter Armand-Ugon hat in seiner abweichenden Meinung im Barcelona Traction-Fall größten Wert gelegt auf die Abschnittsbezeichnung, wie es auch bereits in den jeweiligen Reformdiskussionen im StIG H der Fall war: siehe PCIJ, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 853,877, sowie 314, 652 und 734- 5. Es ist durchaus fraglich, ob nicht schon allein aus diesem Grunde Armand- Ugon heute seinen Dissens aufgeben müßte; siehe Barcelona-Traction, ICJ Rep. 1964, S. 116 (119/129) Kritisch aber Rosenne, Commentary, S. 185, der zu Unrecht meint, daß diese Äußerung nicht mit dem Regelungsgegenstand übereinstimme. 360 Hierzu siehe nur Stuyt, Livre Blanc, RGDIP 82 (1978), S. 401; Mosler, Nichtteilnahme, FS Schlochauer, S. 439; von Mangoldt, Versäumnisverfahren, FS Mosler, S. 503; Fitzmaurice, Non-Appearing Defendant, BYIL 51 (1980), S. 89ff. 361 Zwischen Säumnis und Art. 88 sieht auch Rosenne ein Spannungsverhältnis; Rosenne, Commentary, S. 186.

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durch Bestehen auf Weiterführung des Prozesses) in Art. 89 Anlaß geben können. 362 Die wesentlichen Änderungen erfolgten in Artikel 88. Dieser lautet wie folgt: 1. If at any time before the final judgment on the merits has been delivered the parties, either jointly or separatly, notify the Court in writing that they have agreed to discontinue the proceedings, the Court shall make an order recording the discontinuance and directing that the case be removed from the list. 2. Ifthe parties have agreed to discontinue the proceedings in consequence of having reached a settlement of the dispute and if they so desire, the Court may record this fact in the order for the removal ofthe case from the list, or indicate in, or annex to, the order, the terms of the settlement. 3. Ifthe Court is not sitting, any order under this Artic1e may be made by the President. 363 Dieser Artikel schafft die seit 1922 übliche Unterscheidung zwischen einem (materiellen) Vergleich und einem Verfahrensvergleich ab. Es entfällt die frühere Unterscheidung zwischen "agreement as to the settlement of a dispute" ("accord sur la solution a donner au litige") und "agreement as to the discontinuance of proceedings" ("accord sur la renonciation a poursuivre l'instance"). Diese Vergleichsarten wurden früher unterschiedlich geregelt und nunmehr in Art. 88 (1) als desistement d'instance gleichgestellt. In Art. 88 (2) wird der materielle Vergleich gesondert erwähnt: Beruht die Einstellung des Verfahrens auf einer gütlichen Einigung der Parteien, so kann das Gericht, wenn die Parteien dies wünschen, diese Tatsache (daß eine gütliche Einigung vorliegt) in der Verfügung angeben. Er kann auch in der Verfügung selbst oder in einer Anlage die Bestimmungen der Einigung selbst wiedergeben. 364 Die Neufassung von Art. 88 (1) läßt erstmalig eine gemeinsame oder getrennte Notifizierung der einvernehmlichen Verfahrens beendigung zu. Die französische Version zeigt eine klare Aussage zugunsten einer rein prozessualen Konzeption der Einstellung des Verfahrens. Sie führt als neuen Begriff "desistement d'instance" ein. Diese Formulierung ist Teil der Dichotomie desistement d'instance und desistement d 'action. 365 Seit der Barcelona-Traction- Entscheidung hätte man denken können, daß die Aufnahme dieser Terminologie nicht notwendig ist, weil dieser Dichotomie jedenfalls für die Verfahrensordnung keine Bedeutung beigemessen Vgl. hierzu Kewenig, Kernwaffenversuche, FS Menzel, S. 323, 326. Für die französische und eine deutsche Fassung siehe Anhang I/Nr. 2 (2). 364 Im Lichte der oben beschriebenen Entstehungsgeschichte handelt es sich um ausgesprochen vorsichtige Formulierungen, die in der zurückhaltenden Regelung des Vergleichs erstaunen, wenn man bedenkt, welche weitreichenden Konsequenzen in der Literatur solchen Verfügungen - unter den früheren Fassungen - unterstellt wurden, vgl. nur Giardina, Arrangements arniables, Com. e Stud. 14 (1975), S. 337 (359) und Verfasser's Kommentierung dazu in: Discontinuance, AJIL 76 (1982), S. 717 (729). 365 Hierzu oben Text bei Fn. 69 ff. 362 363

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werden konnte. 366 1978 wird das "desistement d'instance" in die VerfO eingeführt, daß nämlich der IGH eine Einstellungsverfügung erläßt, "prenant acte du desistement". Damit wird auch an eine weitere Terminologie der früheren VerfO'en angeknüpft: in der Verwendung des "officially to record" als "donner acte a" und "prendre acte de". Der Hof "donnait acte a l'arrangement amiable (accord intervenue)", und "prenait acte du desistement". "Donner acte a" soll im Sinne des Anerkennens/Bestätigens zu verstehen sein, während "prendre acte de" als "zur Kenntnis nehmen" anzusehen sein soll. Diese Unterscheidung führte Giardiana, zusammen mit weiteren Argumenten, dazu, den Verfügungen res iudicata-Wirkungen zuzuerkennen, in denen der Hof "donne acte aune solution du litige" und zugleich den Inhalt der Vereinbarungen aufnimmt. 367 Die Anknüpfung an diese Unterscheidung ist obsolet, seit der IGH 1978 auf jegliche Differenzierung dieser Art verzichtete. 368 Der IGH hat 1978 Artikel 88 im englischen Text geändert. Seit 1922 wurden "donner acte" und "prendre acte" in der englischen Fassung gleichermaßen wiedergegeben mit "officially recording", und zwar gleichermaßen für Vergleich, einvernehmliche Verfahrensbeendigung und, seit 1936, für die Klagerücknahme. Artikel 89 (Klagerücknahme) behält auch in der Fassung von 1978 den englischen Wortlaut bei, daß eine "order officially recording the discontinuance" vom Hof erlassen wird. 369 Im neuen Artikel 88 (1) ist das Wörtchen "officially" ersatzlos gestrichen worden. Zwar scheint der Zusatz "officially" in der Tat keine sachliche Bedeutung zu haben. Auffällig ist, daß bei der Revision 1978 die Änderung nur in dem Artikel erfolgt, der auch in anderer Hinsicht geändert worden ist, wohl, um jeden Eindruck jeglicher materiell-rechtlicher, über die prozeßrechtliche Bedeutung hinaus, Änderungen 1978 zu vermeiden. Deshalb wäre auch die Erklärung durch ein Redaktionsversehen nicht stichhaltig. 370 Eine weitere Differenz zwischen dem englischen und französischen Text ist auffällig. Im Englischen wird in Art. 88 (1) und (2) jeweils "to record" 366 Der lOH hatte sich geweigert, diese Dichotomie in die Regeln hineinzulesen oder sonstwie für bedeutsam zu halten, Barcelone Traction, ICJ Rep. 1964, S. 18 ff. Siehe insbes. auch die abweichenden Meinungen der Richter Morelli und Armand- Ugon, a.a.O., S. 101 ff. und S. 117 ff. 367 Giardina, Arrangements amiables, Com. e Stud. 14 (1975), S. 337 (353 ff.); dazu 3. Hauptteil, Text bei Fn. 369 ff. 368 Es sollte noch erwähnt werden, daß die Terminologie des "donner acte a" sich ausschließlich auf die gütliche Streitbeilegung selbst bezog, während für alle anderen Fälle, i.e. die Vereinbarung der Verfahrensbeendigung und die Fälle einseitiger Klagerücknahme seitens des Hofes seit 1922 nur "prendre acte" verwendet wurde. 369 Und zwar gleichermaßen in Absatz 1 und 2. 370 Dem Ansatz trägt auch die deutsche Übersetzung sehr gut Rechnung, wenn von der Einstellung des Verfahrens die Rede ist, und nicht von einer Erledigung - dieser Begriff ist ja insbesondere in der deutschen Prozeßrechtsdogmatik mit vielerlei Denkfiguren, Rechtsfragen und Rechtsfolgen verbunden; Oellers-Frahm und Wühler in: lOH, S. 160 f.

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verwendet, d.h. im Zusammenhang mit der "discontinuance", die "recorded" wird (Abs. 1), und dem "fact", welcher "recorded" wird, daß eine gütliche Einigung der Einstellung zugrunde liege (Abs. 2). Der französische Text hingegen mit seinem feinsinnigen Unterschied zwischen "donner acte ä" und "prendre acte de" ist weiter gegangen. Absatz 1 regelt, daß "la Cour prend acte du desistement". Absatz 2 vermeidet sogar die Terminologie des "prendre acte de" und ersetzt sie durch "fait mention de ce fait" (einer gütlichen Einigung) in der Verfügung, wenn die Parteien es wünschen. Eine sehr weitgehende Distanzierung von der früheren Terminologie, die nicht zufällig sein dürfte. Diese Interpretation der Reform der Artikel 88 und 89 wird von den bisher vorliegenden Kommentaren zur Reform der Verfahrens ordnung nicht geteilt. Überwiegend wird die Neuregelung als nebensächlich bezeichnet 371 , überhaupt nicht zur Kenntnis genommen 372 als in der Sache nichts ändernd hingestellt 373 , oder die Änderung konstatiert, ohne ihre Dimension richtig zu würdigen. 374 Das alles ist unzutreffend. Vielmehr scheint eine auch inhaltliche Neu-Strukturierung der Verfahrenseinstellung beabsichtigt gewesen zu sein, und zwar in Richtung eines einheitlichen Prozeßrechtsinstituts mit verschiedenen Varianten: die Einstellung des Verfahrens aufgrund übereinstimmender oder einseitiger Erklärungen der Parteien an das Gericht. Die Publikationen des IGH selbst sind noch nicht soweit, den Änderungen der Artikel 88 und 89 Rechnung zu tragen. Das Jahrbuch des IGH beschreibt die Tätigkeit des Hofes in Bezug auf die Klagerücknahme 1982 wie folgt: "The Court, or the President if the Court is not sitting, may by an order, officially record the conclusion of a settlement or a discontinuance" . 375 Nach Art. 88 kann der Hof nur "record the discontinuance", und unter Umständen die Tatsache des Vergleichsschlusses vermerken, oder in einen Anhang zur Order den Text des Vergleichs aufnehmen. Nach Art. 89 kann der IGH allein "officially record the discontinuance of the proceedings".

371 Mosler, Aktuelle Aspekte, FS Verosta,S. 249, 252; Rosenne, Commentary, S. 185; (useful addition). 372 Rosenne, Revised Rules, Co!. J. Transnat'l L. 335 (1981) (1980); Lachs, Revised Procedure, FS van Panhuys, S. 21 ff.; Guyomar, Nouveau Reglement, AFDI 24 (1981), S. 321. 373 Mosler, Aktuelle Aspekte, FS Verosta, S. 249, 252 nochmals; Rosenne, Commentary, S. 185. 374 Oellers-Frahm, Verfahrensordnung 1978, Arch VR 18 (1979(80), S. 309 (316(7). 375 ICJY 36 (1981-1982), S. 123. Vg!. auch ICJ, Background Note V, Note by the Register on the Revised Rules ofCourt (1978), (1978) S. 15, in der behauptet wird, Art 88 (1) und (3) "cover the same ground as Artic1e 79 ofthe 1972 Rules, but are differently worded". Das ist unzutreffend.

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11. Die Entwicklung des Schiedsverfahrensprojektes der International Law Commission

1. Der Scelle-Rapport von 1950

Bereits in der ersten Sitzungsperiode der Völkerrechtskommission (ILC) wurde beschlossen, als wichtigen Tagesordnungspunkt die Kodifizierung des Schiedsverfahrensrecht aufzunehmen. In seinem ersten Bericht 1950 knüpfte der Berichterstatter Scelle an die Ausarbeitung der Verfahrensordnung des StIGH von 1922 an, wenn er die damalige Fragestellung für das Schiedsverfahren paraphrasierte: "C'est celle de savoir, si, d'un commun accord, les parties peuvent atout moment renoncer a l'arbitrage et des le debut, dessaisir le tribunal, choisir un autre mode de reglement, ou meme s'abstenir de tout reglement". 376 Zunächst würde man dies für selbstverständlich halten, so Scelle selbst, angesichts der Freiheit der Staaten, einen Vertrag durch einen anderen abzuändern oder aufzuheben. Scelle meint aber, solcher Argumentation stünde der "ordre public international" entgegen, insbesondere Artikel 2 und 33 der UN Charta. 377 Unter Berufung auf die Praxis des StIGH378 und von Schiedsgerichten 379 will Scelle das "jugement d'expedient" (consent judgment)38o als Verzichtsund / oder Anerkennungsurteil zulassen. Allerdings zieht er die Prüfungsbefugnisse der Schiedsinstanz sehr weit, weil er ihr ein Prüfungsrecht hinsichtlich der Zulässigkeit und Wirksamkeit der gütlichen Regelung zugestehen will. Insbesondere soll das Gericht bei Verstößen gegen den "ordre public international" nicht befugt sein, den Vergleich zu homologisieren. 381 376 Arbitral Procedure, Rapport par Georges Scelle, vom 21.3.1950, ILCY 1950 H, S. 114, (130, § 53). 377 Scelle, a.a.O., S. 130, § 53. 378 Beim StIGH nennt Scelle den Freizonen-Fall, der allerdings die Möglichkeit eines "consent judgment" nur erwähnt. 379 Bei den genannten Schiedssachen handelt es sich ebenso um Fälle vor dem StIGH, so daß Scelle diese zu Unrecht anführt. Überdies ist die Charakterisierung der Castellorizo- und Prinz von Pless-Fälle als ,jugement d'expMient" mehr als zweifelhaft, dazu aber noch näher im dritten Hauptteil. Ein praktischer Fall ist dagegen allein der Peruanische Bergwerks-Fall, Stuyt No. 340(Anhang I(H(Nr. 6. Zahlreiche Beispiele ließen sich in der Praxis von Schiedskommissionen finden; vgl. nur Anhang I (Nr.20-25. 380 "L accord d'expedient est une transaction qui intervient entre les agents des Etats, des le debut ou au cours de la procedure et qui est basee soit sur le desistement du demandeur, soit sur l'acquiescement du defendeur". Scelle, a.a.O., S. 130 § 54. 381 Als ein Beispiel des Verstoßes gegen den internationalen "ordre public" sieht Scelle offfensichtlich Geheimabkommen, die dem Generalsekretär der UN nicht zur Registrierung angemeldet werden. Dieser Gedanke wurde bereits in der Verfahrensordnungsdiskussion des StIGH geäußert. Scelle, a.a.O., S. 130 § 54.

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

Darüber hinaus will Scelle das Institut der Klagerücknahme als ein rein prozeßrechtliches einführen. 382 Begründet wird dies mit parallelen Instituten in nationalen Rechten. Stets soll die Zustimmung des Beklagten erforderlich sein, weil letzterer ein Interesse an baldiger Entscheidung über die Behauptungen des Klägers und Widerklage erhoben haben könnte. 383 Dann schlug Scelle folgende Regelung vor, die im Jahre 1950 allerdings nicht mehr diskutiert wurde: 384 Art. VI "Le tribunal une fois saisi par les conclusions des parties doit mener la procedure jusqu'au prononce de l'arn:\t. (Art. 15). Le desistement du demandeur ne peut etre accepte par le tribunal que si le defendeur y acquiesce. (Art. 16). Au cas de dessaisissement du tribunal par accord des deux parties, le tribunal en prend acte. Ce dessaisissement ne porte aucune atteinte aux dispositions du Chapitre VI de la Charte des Nations U nies et notamment acelles de l' Article 36. (Art. 17). Le tribunal prend acte, le cas echeant, de la transaction d'expedient intervenue entre les parties, apres en avoir verifie le caractere certain et la validite" (Art. 18).385 2. Der Zweite Scelle-Rapport von 1951

Die oben abgedruckten Artikel sind identisch mit den Artikeln 15 bis 18 des Zweiten Berichts von Scelle von 1951. 386 Eine Diskussion in der ILC fand 1952 statt. Zunächst wurde Artikel 15 als selbstverständlich gestrichen. 387 Hinsichtlich der Klagerücknahme und der stets erforderlichen Zustimmung des Beklagten, verwies Hudson auf die abweichende Regelung in der Verfahrensordnung des IGH, nach der die zumindest stillschweigende Zustimmung des Beklagten nur erforderlich ist, wenn dieser bereits einen "step in the proceedings" getan habe; so sollte auch hier verfahren werden. 388 Dem trat El-Khoury mit dem 382 "Dessaisissement par le demandeur" durch sein "desistement", wobei Scelle deutlich nur "desistement d'instance" meint und nicht auch "desistement d'action". Scelle, a.a.O., S. 131, § 55, Fn. 383· Etwas inkonsistent wird dann der Augenblick als entscheidend angesehen, in dem "Ie proces est lie": das wäre aber erst nach einer irgendwie gearteten Prozeßeinlassung durch den Beklagten der Fall: "Ainsi toutes les fois que la procedure est liee le desistement du demandeur ne saurait empecher l'apurement du litige". Scelle, a.a.O., S. 131, § 55. 384 Ein vorbereitendes Memorandum des UN -Generalsekretariats ging auf die Problematik der Prozeßbeendigung neben der durch Urteil nicht ein, Memorandum prepared by the Secretariat, ILCY 1950 II, S. 157. 385 Avant-Projet de text propose, Rapport Georges Scelle vom 21.3.1950, ILCY 1950 II, S. 148, 149. In Klammern ist angegeben die Numerierung der Artikel im Zweiten Vorentwurf von Scelle, der diese Vorschriften unverändert in das Plenum der ILC 1952 einbrachte. 386 Diese waren zusammengefaßt unter dem Titel "Les pouvoirs du Tribunal: Le desistement". 2eme Rapport par Georges Scelle vom 28.5.1951, ILCY 1951 II, S. 110, 118. 387 ILCY 1952 I, S.52, § 45. 388 Hudson, ILCY 1952 I, S. 52, § 47, : zu Art. 16.

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Argument entgegen, daß bei Schiedsverfahren die Unterbreitung des Streitstoffes stets einvernehmlich erfolge, deshalb könne eine Klagerücknahme zwingend auch nur einvernehmlich erfolgen. 389 Dieser Ansicht wurde mit acht zu zwei Stimmen zugestimmt. Bei Artikel 17 wurde einstimmig der zweite Satz gestrichen, weil bereits Art. 103 UN Charta den Vorrang der UN Charta vorsehe. 390 Bei Art. 18 konzentrierte sich die Diskussion auf die Prüfungsbefugnisse des Gerichts. Zum einen sollte das Schiedsgericht auf jeden Fall einen etwaigen Vergleich sanktionieren können; allerdings nur, wenn es sich von der Völkerrechtskonformität einer solchen Vereinbarung überzeugen konnte: z.B. daß keine Rechte Dritter berührt würden, daß der Streit tatsächlich erledigt werden konnte durch die Art der Vereinbarung, daß der internationale ordre public nicht tangiert war. 391 Andererseits schlug Lauterpacht vor, den Anwendungsbereich des Art. 18 durch die Möglichkeit eines "judgment by consent" oder "agreed award" auszudehnen. 392 Dem wurde entgegenhalten, daß eine solche Regelung im Schiedsverfahren sinnlos sei. Sie sei vielleicht zweckmäßig im staatlichen Recht oder in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, um die Vollstreckbarkeit und tatsächliche Vollstreckung der Vergleiche sicherzustellen. Das gelte nicht bei der allein auf dem Willen der Parteien beruhenden zwischenstaatlichen Schiedsgerichtsbarkeit. Ein Urteil könne nie mehr Gewicht haben als eine vertragliche Regelung zwischen den Staaten. 393 Allerdings wurde beschlossen, die Möglichkeit des Erlasses eines "award on agreed terms" vorzusehen, ohne eine entsprechende Pflicht des Gerichts zu normieren. Kerno faßte die Streitpunkte gut zusammen: "One was that, if a settlement was concluded between the parties, it seemed unreasonable that the tribunal should be able to ignore that settlement and render its award notwithstanding; the other was that it seemed illogical for the tribunal to be compelled to give its sanction to a settlement which it did not approve".394 In einer weiteren Lesung wurde der Entwurf des Standing Drafting Committee diskutiert, in dem Artt. 16 und 17 zu Art. 21, und Art. 18 zu Art. 22 wurden. Die Fragen der Prüfungspflicht und des Prüfungsumfanges durch das Schiedsgericht wurden ohne neue Akzente nochmals diskutiert. 395 389

EI-Khoury, ILCY 1952 I, S. 52, § 47.

390 So Kerno, ILCY 1952 I, S. 52, § 52. 391 Hierzu Scelle, ILCY 1952 I, S. 53, § 66. 392 Lauterpacht, ILCY 1952 I, S. 52, § 53. Er verwies zur Begründung auf die Praxis verschiedener innerstaatlicher Rechtssysteme "giving added authority to the agreement". 393 Zourek, ILCY 1952 I, S. 54, § 3. 394 Kerno, ILCY 1952 I, S. 54, § 6. Der vorläufige Text des Artikels 18 lautete damit: "The tribunal may take note of the conclusion of a settlement between the parties. At the request of the parties, it may embody the settlement in an agreed award". ILCY 1952 I, S. 54, Fn. 3.

13 Wegen

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Der ILC-Entwurf wurde den Mitgliedsstaaten der UN zur Kommentierung vorgelegt und deren Ergebnisse 1953 in der 189. Sitzung der ILC diskutiert. Art. 21 wurde ohne Debatte einstimmig angenommen. Bei Art. 22 ergab sich eine klare Trennung von Klagerücknahme und gütlicher Regelung. 396 Im Mittelpunkt standen die Fragen der Homologisierung des Vergleichs und der Prüfungs befugnisse des Schiedsgerichts. Alfaro fragte sich, ob ein Schiedsgericht überhaupt noch einen Spruch fällen könne, wenn die Parteien sich einmal geeinigt hätten. Das verneinte er. 397 El-Khoury wollte, allerdings ohne jegliche Resonanz, ein "consent judgment" als reine "registration" des Vergleichs ohne Zustimmung des Gerichts ansehen. 398 Es setzte sich die Meinung durch, daß das Schiedsgericht berechtigt, aber nicht verpflichtet sei, ein "consent judgment" zu erlassen, und es auf jeden Fall ein Prüfungsrecht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Vergleiches habe; und dessen Erlaß sei Ermessenssache. 399 Hsu griff Argumente aus der VerfO-Diskussion des StIGH auf mit dem Bemerken, ,,(s)ince the parties to a dispute would be sovereign States, agreement between them would be sufficiently binding without an award".400 Die Kommission lehnte es ab, die Sanktionierung eines möglichen Vergleiches für das Gericht verbindlich zu machen. 401

395 ILCY 19521, S. 229/39, §§ 39-57. Etwas unscharf war Scelle in Beantwortung der Frage Cordova's, ob denn "discontinuance" bedeute "abandonment by one ofthe parties ofits claim". Dies bejahte Scelle, obwohl er zuvor klar herausgearbeitet hatte, daß er nur das prozeßrechtliche Institut der Klagerücknahme ansprechen wollte, vgl. ILCY 1952 I, S. 200, § 38 (174. Sitzung) und ILCY 1950 Ir, S. 131, § 55 Fn. 396 Scelle, Pal und Lauterpacht, insbesondere gegen einen Vorschlag von Yepes,ILCY 1953 I, S. 29/30, §§ 33-38. 397 Alfaro, ILCY 1953 I, S. 30, § 39, mit einem Beispiel über eine Grenzregelung. 398 El-Khoury, ILCY 1953 I, S. 30, § 42. 399 Scelle insbesondere, sowie Alfaro, Amado, Lauterpacht, bei der Frage des "expedient", ILCY 1953 I, S. 30, §§ 44ff.; § 50; § 40, 51; § 52. 400 Hsu, ILCY 1953 I, S. 30, § 46. Zu der Frage der Rechtmäßigkeit einer Regelung durch Vergleich bringt Scelle den instruktiven Fall der Menschenrechtsverletzung im Sinne der MRK, hinsichtlich derer zwei Staaten aber vertraglich vereinbarten, sie als hinfällig zu betrachten. Dem könne keine gerichtliche Sanktionierung zuteil werden; Scelle, ILCY 1953 I, S. 30, § 45, (189. Sitzung). Hier können tatsächlich Aspekte des "ordre public conventionnel" virulent werden, allerdings aufgrund ausdrücklicher Vorschrift und/ oder des Vertragszweckes, wie ja bekanntlich die Klagerücknahmevorschriften in den Verfahrensordnungen von Menschenrechtskommission und Menschenrechtsgerichtshöfen in Europa und Mittelamerika auch eine besondere Ausgestaltung erfahren haben. Vgl. Wegen, Mootness, S. 75 f. Siehe die im Anhang I/Nm. 13, 14 abgedruckten entsprechenden Verfahrensvorschriften und ganz allgemein Walter, Übermäßige Objektivierung, ZaöRV 35 (1975), S. 108. 401 Report of the International Law Commission covering 1 June-14 August 1953, ILCY 1953 11, S. 200, 106, § 44.

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3. Konventionsentwurf und "Commentary"

Der 1955 publizierte Kommentar des Generalsekretariats liegt ganz auf der Linie des ILC-Konventionsentwurfes. 402 Der Kommentar weist bei Art. 21 eine schwer verständliche Inkonsistenz auf. Mit einem Verweis auf nationale Rechte und internationale Verfahrensordnungen glaubt der Kommentar, die Regelung begründen zu können, daß bei einer Klagerücknahme die Zustimmung des Beklagten stets erforderlich sei. Die von ihm selbst angeführten Rechtsordnungen des Vereinigten Königreiches, der Niederlande und der BR Deutschland, sowie die VerfO'en der TAM und des (St)IGH weisen dagegen sehr differenzierte Zustimmungserfordernisse aus. Es wird nämlich abgestellt auf bestimmte Zeitpunkte, wie die Einlassung des Beklagten, der Beginn der mündlichen Verhandlung, der erste Verfahrensschritt, usw., dessen Vorliegen erst zu dem Entstehen des Zustimmungserfordernisses führt. 403 Für den Vergleich in Art. 22 gibt der Kommentar die einschlägigen Regelungen in VerfO'en wieder. Dieser Konventionsentwurfwurde im Sechsten Ausschuß und in der Generalversammlung sehr stark angegriffen und kritisiert, vor allem wegen der grundsätzlichen Konzeption des lupenreinen Obligatoriums. 4ü4 Daraus resultierte eine erneute Befassung der ILC mit dem Schiedsverfahrensrecht 1957/58. 405 402 Art. 21 1. Discontinuance of proceedings by the claimant party, may not be accepted by the tribunal without the consent of the respondent. 2. Ifthe case is discontinued by the agreement between the parties, the tribunal shall take note of the fact. Art. 22 The tribunal may take note ofthe settlement reached by the parties. At the request ofthe parties, it may embody the settlement in an award. (Commentary, S. 80 und S. 82.) 403 Vgl. hierzu Commentary, S. 80 ff. 404 Hierzu insbesondere den Bericht von Bos, ILC Draft in UNGA, NedTIR-NILR 3 (1956), S. 234 ff. 405 Survey of views expressed in the Sixth Committee of the General Assembly and in the written comments of Governments on the draft Convention on Arbitral Procedure adopted by the International Law Commission at its fifth session (Aj2456), Working document prepared by the Secretariat AjCN.4 jL. 71, 23.12.1957: Zu Art 21 (Discontinuance) wurde keine Kritik von Staaten geäußert. Zu Art. 22 (Settlement) hieß es: "This article seems contrary to the accepted principles ofjudicial arbitration. (Uruguay, SR. 464, para. 40). Die Haltung der Staaten kam noch sehr viel deutlicher heraus in den Debatten des Sechsten Ausschusses. Bos berichtet, daß der Wille als Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit sehr betont wurde: "According to one school of thought, the mutual consent to arbitrate a dispute, whether existing or not, does not bring about the slightest limitation of the freedom of the parties until the arbitral award has been given. At any time be/ore or during the arbitral proceedings a party is at liberty to withdraw". Bos, ILC Draft in the UNGA, NedTIR-NILR 3 (1956), S. 234 (238)(Hervorhebung vom Verf.). Er zählt hierher Staaten wie Belgien, Argentinien, CSSR und Indien. Diese rigide Haltung konnte sich nicht durchsetzen, erscheint aber weitgehend und für den "Mißerfolg" des Konventionsentwurfs und der Modellregeln symptomatisch, dazu eingehend von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 31 ff.

13*

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4. Die Diskussion 1957/58: Model Rules

Im Rahmen der erneuten Befassung mit dem Schiedsverfahrensrecht spielte die Problematik der Beendigung der Instanz eine unbedeutende Rolle. Scelle stellte fest, daß die jederzeitige Zustimmung des beklagten Staates den Zweck habe, das Schiedsverfahren nicht in das Belieben einer Partei zu stellen; daß habe keine Kritik hervorgerufen. Es sei positiv aufgenommen worden, daß der Erlaß eines "consent judgment" im Ermessen des Gerichts stehen sollte. 406 Eine Diskussion dieser Vorschriften erfolgte nicht. 1958 legte Scelle einen letzten Bericht vor, der die 1957 zu Artt. 20, 21 renumerierten Vorschriften in unveränderter Form zu Artt. 26 und 27 werden ließ.407 In der Diskussion von 1958 wurde bei Art. 26 im wesentlichen die prozeßrechtliche Klagerücknahme im Gegensatz zu einem damit verbundenen, materiellen Anspruchsverzicht angesprochen. Während Bartos eine redaktionelle Unterscheidung einfügen wollte 408 , meinte Verdross, daß der Text die Klagerücknahme, nicht jedoch den Anspruchsverzicht regelte. Im letzteren Falle sei die Hauptsache erledigt; für eine Kostenentscheidung müsse das Verfahren nicht aufrecht erhalten werden. 409 Demgegenüber meinte Zourek, daß bei einer Klagerücknahme die Zustimmung erforderlich sei, weil der Kläger erneut ein Verfahren anstrengen könne. Bei einem Anspruchsverzicht sei keine Zustimmung erforderlich, weil eine materielle Änderung der Rechtslage die erneute Klageerhebung hindere, es sei denn, eine Widerklage wäre bereits anhängig. 410 Ago wollte den Regelungsgehalt des Art. 26 darin sehen, daß eine Klagerücknahme durch den Kläger verhindert werden solle, wenn das Verfahren einen für ihn ungünstigen Verlauf zu nehmen beginne; dann seien die Rechte des Beklagten (auf Sachentscheidung) zu wahren. 4l1 Schließlich setzte sich die Auffassung durch, daß zwischen der Zustimmung des Beklagten bei rein prozessualer Klagerücknahme und dem sachlichen Scelle, Report vom 24.4.1957, ILCY Ir, S. 1, 9f.; §§ 67,68. Scelle, Report vom 6.3.1958, ILCY Ir, S. 1, 10. Zu Art. 26 heißt es im Vorspann: "Article 26 relates to discontinuance or proceedings by the claimant party. It is designed to ensure that the two parties receive equal treatment and that either ofthem may require the tribunal to dismiss the case". Zu Art. 27 heißt es dort: "Article 27 empowers the tribunal to take note of a settlement reached by the parties either during or at the closure of proceedings and to give it the authority of res iudicata. This is current practice in private arbitration arrangements". 408 Bartos, ILCY 1958 I, S. 69, § 45. 409 Verdross, ILCY 1958 I, S. 69, § 44, vgl. ders., a.a.O., S. 51: " . .if one party renounced its rights, the tribunal no longer had a dispute before it and could not continue to adjudicate. There was no need to continue the proceedings merely for the sake of apportioning costs; they could be apportioned as provided in the compromis". Ebenso Sir Gerald Fitzmaurice, a.a.O., § 46; anders hingegen Sandström, a.a.O., § 47, der doch eine Entscheidung des Gerichts über das Prozeßende zulassen wollte. 410 ILCY 1958 I, S. 69, § 52; so auch Sandström, a.a.O., § 54. Vgl. Pal, a.a.O., § 53. 411 ILCY 1958 I, S. 70, § 55. 406

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2. Kap.: Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme

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Anspruchsverzicht des Klägers bzw. dessen Zugeständnis der sachlichen Richtigkeit der Position des Beklagten zu unterscheiden sei; im letzteren Falle bedürfe es keiner Zustimmung des Beklagten. 412 Bei der Behandlung des Artikels 27 wurden schwerwiegende Bedenken gegen einen "award on agreed terms" im Völkerrecht geäußert. Sobald nämlich eine gütliche Regelung gefunden sei, entfiele der "dispute", und damit könne das Gericht nicht mehr in der Sache entscheiden. 413 Darüberhinaus sei ein solches Urteil unvereinbar mit dem allgemeinen Grundsatz, daß Urteile zu begründen seien, denn Vergleiche seien keine Entscheidungen am Maßstabe des Rechts. 414 Eine Orientierung an der Ausgestaltung nationaler Rechte sei völlig deplaziert, denn der Wille der gleichgeordneten Staaten im Völkerrecht hätte fundamentale Bedeutung. 415 Dagegen wurde geltend gemacht, daß ein solches Urteil von dem Antrag aller Streitbeteiligten abhinge,416 und manchmal der "additional status" hilfreich sein könne, den ein Vertrag durch Übernahme in ein Urteil erhalte: auf jeden Fall gelte aber: "it could do no harm".417 Es wurde Einigkeit erzielt, daß das Gericht jedenfalls verpflichtet sei, die Einigung der Parteien zur Kenntnis zu nehmen, weil der Parteiwille präponderant sei, und das "consent judgment" in das Ermessen der Instanz falle. Diese Auffassung setzte sich mit 13 gegen 1 Stimme bei einer Enthaltung durch. 418 Der abschließende Report der ILC erwähnt kurz die Änderung bei der Unterscheidung zwischen Klagerücknahme und Anspruchsverzicht. 419 Die beiden Vorschriften wurden in den Model Rules on Arbitral Procedure zu Artikeln 22 und 23. 420 5. Zusammenfassung Die Diskussion in der ILC wurde mit Blick auf die VerfO des (St)IGH und dessen Praxis geführt. Obwohl man die Unterschiede zur Gerichtsbarkeit 412 Vgl. Verdross, ILCY 1958 I, S. 70, § 56; Sir Gerald Fitzmaurice, a.a.O., § 57; Tunkin, a.a.O., § 58. Die Entscheidung war offensichtlich einstimmig. 413 So Verdross, ILCY 1958 I, S. 70, § 61. 414 Zourek, a.a.O., § 62. Dem entgegnete Fitzmaurice zurecht, daß sich eine solche Sonderklausel an die Vorschrift über die Begründung des Urteils anfügen ließe, Fitzmaurice , a.a.O., § 67. 415 Vgl. Bartos, a.a.O., § 63 und a.a.O., S. 71, § 76; vgl. Tunkin, a.a.O., S. 70, § 65: das Gericht könne einen Vergleich nur zur Kenntnis nehmen, es sei keine "supra-national institution" . 416 Sir Gerald Fitzmaurice, ILCY 1958 I, S. 70, § 66; Sandsträm, a.a.O., § 67 unter Hinweis auf die Praxis der Ägyptischen Gemischten Gerichte. 417 Sir Gerald Fitzmaurice, ILCY 1958 I, S. 70, § 66; Ago, a.a.O., S. 71, § 79; vgl. Yokota, a.a.O., § 78; Tunkin, a.a.O., § 75. 418 ILCY 1958 I, S. 71, § 83. 419 ILCY 1958 II, S. 80, § 87. 420 Für den Text siehe Anhang I jNr. 8 (2).

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

betonte, wurden viele strukturelle Probleme parallel diskutiert. Das "consent judgment" nahm einen breiteren Raum ein, das übereinstimmende Willensmoment wurde in den Regelungen stärker betont.

111. Die Konzeption der VerfahrenseinsteUung in der Schiedsverfahrensordnung des Weltbankübereinkommens (ICSID) (Kurze Einführung) Das Weltbankzentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) wurde durch das Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18.3.1965 errichtet. 421 Es wurde konzeptionell an den Ständigen Schiedshof in Den Haag angelehnt, der ja selbst auch kein ständiges Gericht, sondern nur eine Schiedsrichterliste und ein Sekretariat für ad hoc-Schiedsverfahren darstellt. 422 ICSID war zunächst nur zuständig für Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten. 423 Der Zuständigkeitsbereich von ICSID wurde erheblich durch die "Additional Facility Rules" aus dem Jahre 1979 erweitert. 424 Bei der Ausarbeitung der Verfahrensordnungen für ICSID wurde horizontal rechtsvergleichend, unter Einschluß vor allem völkerrechtlicher Instanzen, gearbeitet. 425 Die ICSID VerfO'en dienen heute bereits als Modell bei der Ausarbeitung neuer Verfahrensordnungen. 426 Während die Vorschriften der Einleitungsordnung 427 zwingenden Charakter haben, weil hier die Organisation des Verfahrens vor dem ICSID strukturell BGBI. 1969 n, S. 371. Insgesamt dazu siehe Pirrung, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 15 ff. Hierzu im Vergleich näher Amadio, Le contentieux international de l'investissement prive et la Convention de la Banque Mondiale du 18 Mars 1965 (1967). 423 Art. 25 WBA. 424 ICSID Additional Facility, Doc. ICSID / 11 Juni 1979. Die Ermächtigung dazu erteilte der Verwaltungsrat von ICSID am 27. September 1978, vgl. Doc. ICSID /11, S. V. Damit aber gelten die Kommentierungen für die 1968 Regeln insoweit auch für die Additional Facility. 425 Vgl. z.B. Broches, The Convention on the Settlement of Investment Disputes Between States and Nationals of Other States: Applicable Law and Default Procedure, International Arbitration, Liber Amicorum for Martin Domke (Sanders Hrsg.), 1967, S. 12 (17 ff.). 426 Dies gilt zum Beispiel für die UNCITRAL Arbitration und Conciliation Rules, und die VerfO der IAE Gerichtsbarkeit, siehe Anhang I/Nr. 28. 427 Doc.ICSID / 4/Rev. 1, S. 25 (36) = Wetter, Arbitral Process, Bd. 4, S. 486 (494) = Anhang I/Nr. 30. Diese Regelung betrifft nur die Registrierung, nicht jedoch den Widerruf/Rückgängigmachung der Unterwerfung unter die Jurisdiktion von ICSID, die überhaupt nicht einseitig entzogen werden kann - es sei denn aus Gründen abstrakter Beendigung: vgl. Art. 25(1), S. 2 WBA: "When they have given their consent, no party, 421

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2. Kap.: Entwicklung von Vergleich und Klagerücknahme

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betroffen ist,428 haben die verschiedenen Verfahrensordnungen im Schieds- und Vermittlungsbereich, sowie zum Fact-Finding, durchweg dispositive Geltung. 429 Das Sekretariat des ICSID hat zu der Einleitungs- und Schiedsverfahrensordnung Erläuterungen verfaßt. Obwohl sie nicht Bestandteil der Verfahrensordnungen sind, und auch sonst keine Rechtsqualität haben, beschloß der Verwaltungsrat von ICSID, diese ebenfalls zu veröffentlichen, weil "they might be useful to the parties to proceedings".43o Deshalb erscheint es sinnvoll, diese Erläuterungen dem Leserkreis völkerrechtlichen Prozeßrechts zugänglich zu machen, weil es sehr viele vergleichbare Überlegungen darin gibt, die die Entwicklungen auch jenseits von Weltgerichtshof und zwischenstaatlicher Schiedsgerichtsbarkeit injüngerer Zeit aufnehmen und weiterführen. Sie sind als Anhang III abgedruckt. Die ICSID Regelungen sind beachtenswert, weil sie einen "award on agreed terms" vorsehen, den das Schiedsgericht aber nicht erlassen muß, auch wenn beide Parteien dies beantragen. Das Gericht muß hingegen bei einer Klagerücknahme durch Beschluß das Verfahren einstellen, wenn beide Parteien dies beantragen. Jede der beiden Parteien kann die Verfahrenseinstellung beantragen, allerdings muß die andere Seite zustimmen, bzw. wird die Zustimmung nach Ablauf einer Widerspruchs frist fingiert. Art. 45 regelt die Verfahrensverjährung, wenn nämlich länger als sechs Monate ein Verfahren nicht betrieben wird. Diese Regelung knüpft an die entsprechenden Vorschriften der Gemischten Schiedsgerichte an, und dient der Verfahrensbeschleunigung. Trotzdem ist eine solche Vorschrift selten. 431 may withdraw its consent unilaterally". Für einen deutschen nichtamtlichen Text von Pirrung siehe Anhang [INr. 30. 428 Es sei denn, die betroffene Norm läßt selbst eine Abdingbarkeit zu, vgl. SchiedsverfO, Introductory Note D, Doc. ICSID 14 rev. 1, S. 75. 429 Dazu jeweils die Introductory Notes zu den verschiedenen VerfO'en. Insgesamt siehe Pirrung, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 121 ff., Artikel 44 WBA. Doc. ICSID 14 IRev. 1, S. 71 (109 ff.) = Wetter, Arbitral Process, Bd. 4, S. 496 (530 ff.) = Anhang [INr. 30. Wort gleich mit der Schiedsordnung ist die (neue) Schiedsordnung für die Additional Facility, Artikel 50 bis 52, Doc. ICSID I 11, S. 33 (50f) = Wetter, Bd. 5, S. 22 (40f.) = ILM 21 (1982), S. 1458 (?). Dazu Broches, The "Additional Facility" ofthe International Center for Settlement of Investment Disputes (lCSID), Y. Com.Arb. 4 (1979), S. 373 ff. Eine Textabweichung besteht für Art. 43 (2), der zu Art. 50 (2) ohne inhaltliche Änderung der Formulierung in Art. 34 (1) S. 2 Uncitral Arbitration Rules übernimmt. Für einen deutschen nichtamtlichen Text von Pirrung, siehe Anhang [INr. 30. 430 Vorspann, ICSID Regulations and Rules, ILCSID/4/Rev. 1, S. 3. 431 Viel weiter gehen die Uncitral Arbitration Rules von 1976, die auch die ICSID VerfO'en zur Vorlage haUen. In Art. 34 (2) kann das Gericht nach Anhörung der Parteien durch Verfügung das Verfahren einstellen, wenn es aus anderen Gründen als einer gütlichen Einigung, "unnecessary" oder "impossible" wird. Wenn nicht zumindest eine der Parteien widerspricht, stellt das Gericht prorio motu das Verfahren ein. Diese Regelung wurde in die Uncitral Arbitration Rules erst im Laufe der verschiedenen Beratungen eingeführt. Der Report of the Secretary-General, Preliminary Draft Set of arbitration Rules for Optional Use in ad hoc Arbitration Relating to international Trade vom

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2. Hauptteil: Grundlagen und Geschichte

4.11.1975 (A/CN:9/97), UNCITRALY 6 (1975), S. 163 (178/9) enthielt eine solche Regelung mit Kommentar, sie stellt eine Ergänzung durch die Diskussion auf dem Neu Delhi Schiedsgerichts kongress 1975 dar. Dort heißt es: "Paragraph 1 also deals with instances where, before an award is made, the continuation of the arbitral proceedings becomes unnecessary or impossible even though the parties have not agreed to a settlement of their dispute. In such cases the arbitrators must notify the parties oftheir intention to discontinue the arbitral proceedings and may then issue an order of discontinuance. If one or both parties object, however, the arbitrators must proceed with the arbitration and make an award."

3. HAUPTTEIL

Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß Immer wieder wurde gesagt, daß ein Vergleich verfahrenserledigende Wirkung habe.! Es bedarf weiterer Präzisierung. Drei verschiedene Probleme werden in ihren Voraussetzungen und Wirkungen unterschieden, von denen die ersteren beiden in diesem Teil untersucht werden. Der Vergleichsabschluß zwischen den Parteien und dessen Notifikation an das internationale Gericht, sowie die Tätigkeit des Gerichts. Probleme der Entscheidung des Gerichts werden im 5. Hauptteil erörtert.

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Eggers, Staatenbeschwerde, S. 196.

i. Kapitel

Der Vergleich und die Parteien In diesem Kapitel werden die parteibezogenen Voraussetzungen und Erfordernisse von Vergleichen in internationalen Prozessen untersucht. I. Der materielle Vergleich

i. Die Rechtsnatur Für den materiellen, außergerichtlichen Vergleich 2 gilt allgemeines Völkerrecht. Er wird von den Verfahrensordnungen vorausgesetzt und nicht geregelt. Als einvernehmliche materiell-rechtliche Regelung eines streitigen Verhältnisses ist er weit zu fassen: jedes Einvernehmen über die Beilegung eines streitigen Rechtsverhältnisses. Die Erscheinungsformen können sehr verschieden sein. 3 Der materielle Vergleich wird nur insoweit in Bezug genommen, als dessen Abschluß dem Gericht durch die Parteien mitgeteilt und daran prozeßrechtliche Folgen geknüpft werden. 4 Trotz anfänglicher Kritik 5 ist allgemein anerkannt, daß ein außergerichtlicher Vergleich Grundlage einer Verfahrensbeendigung sein kann, unabhängig davon, ob das Verfahren durch einseitigen Antrag oder Kompromiß eingeleitet worden ist. 6 Ein materieller Vergleich kann überdies die Für eine Umschreibung und Abgrenzung siehe 2. Hauptteil, Text bei Fn. 17 ff. Siehe nur Schätzel, Gern. Schiedsgericht, S. 95 ff. mit seiner Schilderung der verschiedenen Vergleichsmechanismen allein beim Französisch-Deutschen GemSchGH. Neben materiell ausführbaren, schriftlichen Vereinbarungen stehen hier andere Formen der gütlichen Einigung, wie Z.B. daß zunächst der in Anspruch genommene Staat erklärt, eine gewisse Summe als Entschädigung zahlen zu wollen, woraufhin der anspruchstellende Staat erklärt, daß er die Zahlung als Entschädigung annehme und damit die Sache endgültig geregelt sei. Diese Erklärungen können in separaten Noten oder in einem Dokument festgehalten werden, Z.B. Tavignano, Scott, Hague Court Reports (1916), S. 623, wo die Einigung der beteiligten Staaten lautet: "Le Gouvernement royal italien s'etant dec1are pn:t a verser a cet effet la somme de cinq mille francs, le Gouvernement de la Republique franyaise a dec1are qu'ill'accepte et qu'il considere cette affaire comme etant aisi definitivement reglee". 4 Dazu schon 2. Hauptteil, Text bei Fn. 13 ff. 5 Vgl. Fromageot in der Diskussion um die Appeals TAM-Fälle, pcn, Series D, No. 2 (3rd add.), S. 318 Fn. 2 (Auszug aus dem Protokoll). 6 Guyomar, Commentaire, S. 396; Suy, Contribution, RBDI 1966, S. 68 (90 ff.); Pecourt Garcia, EI desistimiento, Rev. Esp. Derecho Int'l 23 (1970), S. 231 (239); Rosenne, Commentary, S. 185; Barcelona Traction (1. Phase), IC] Rep. 1964, S. 6 (20). Chorz6w, Order, wurde durch einseitigen Antrag eingeleitet ebenso wie Compagnie du Port; beide wurden durch materiellen Vergleich beendet. 2

3

1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

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Grundlage für anderweitige Verfahrensbeendigungsmechanismen bilden wie Klagerücknahme und Verfahrensvergleich. 7 Entscheidend für die prozessuale Betrachtung ist, in welcher Form die Parteien Konsequenzen für die Beendigung des Verfahrens ziehen. Die internationale Gerichtspraxis läßt erkennen, daß es entscheidend auf die Notifikation des Vergleichsschlusses durch die Parteien ankommt. 2. Form und Inhalt Für Form und Inhalt des materiellen Vergleichs gelten die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln. Insbesondere gilt die Formfreiheit des allgemeinen Völkervertragsrechts. Für den Inhalt gelten die allgemeinen Regeln über zulässige und unzulässige Vertragsinhalte. Beschränkungen des materiellen Inhalts von Vergleichen gibt es in den Verfahrensordnungen von EGKS und EuGH. Beide sehen vor, daß im Falle sogenannter Nichtigkeitsklagen 8 Vergleich und Klagerücknahme nicht möglich sind. Die Feststellung der Nichtigkeit von Akten der Organe der Gemeinschaft soll nämlich nicht der Beurteilung und Disposition der möglicherweise in einem solchen Verfahren auftretenden privaten Parteien unterliegen. 9 Die Verfügungsbefugnis der Parteien über den Streitgegenstand wird abgelehnt. 10 Ein materieller Vergleich kann im Falle einer Nichtigkeitsklage nicht als Grundlage für eine Verfahrensbeendigung dienen. VerfO'en von EGKS und EuGH lassen die einseitige Klagerücknahme jederzeit ohne Zustimmung von Gericht und Gegner zu. Damit kann ein Kläger stets von einem solchen Verfahren Abstand nehmen, und der Hof also jedenfalls daran gehindert werden, das Verhalten oder Unterlassen der EG-Organe zu prüfen. Demgegenüber bestimmt Art. 48 VerfO EuGHMR,l1 daß trotz eines freundschaftlichen Ausgleichs, Vergleichs oder sonstigen Umstandes, der zu einer Lösung der Streitigkeit führen kann, der Hof das Verfahren mit Rücksicht auf die dem Gerichtshof gern. Art. 19 MRK obliegende Verantwortung (,,sicherstellung der Einhaltung der Verpflichtungen dieser Konvention") fortsetzen kann. 7 Vgl. nur die (St)IGH-Fälle, in denen ein materieller Vergleich geschlossen wurde, das Verfahren aber nicht nach Art. 61 (1) bzw. Art. 68 (1) oder Art. 73 (1) VerfO (St)IGH abgeschlossen wurde: Sino-Belgian Treaty; Castellorizo; Südostgrönland; Electricite de Beyrouth; POW, Teheraner Geisel-Fall, alle Anhang II/Nr. 1 und 2. 8 Vgl. nur Art. 173, 175 EWGV. Dazu siehe H. Zache, Die Untätigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof - eine vergleichende Untersuchung (1969); also Anfechtungsund Unterlassungsklagen gegenüber Akten der Organe der EG. 9 Beteiligte in einem solchen Verfahren können Staaten, Organe und Private sein. 10 Wolf, Art. 77, Nr. 2, VerfO EuGH, S. 213; Bebr, Development, S. 19 ff., 29 ff. 11 Vgl. hierzu Art. 28 b) MRK, Art. 44 EuKMR VerfO, Art. 42, AmKMR VerfO und Art. 42 AmGHMR VerfO, Anhang I/Nm. 13, 14.

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

Auch hier hindert die VerfO die Parteien nicht an einem Vergleich. Allerdings kann das Verfahren trotz des Vergleichs fortgesetzt werden, wenn dieser nicht "auf der Grundlage der Achtung der Menschenrechte, wie sie in dieser Konvention niedergelegt sind, erreicht (wird)" .12 Allerdings reicht die Befugnis des EuGHMR weiter als die des EuGH, weil diese Grundsätze auch auf die Klagerücknahme Anwendung finden. 13 Die Beteiligten im Verfahren vor dem EuGHMR können in jedem Falle an dem Verfahren festgehalten werden, während vor dem EuGH eine einseitige Klagerücknahme möglich bleibt. Damit kann ein Vergleich, der nicht inhaltlich den Zielen des Art. 19 und 28 b) MRK entspricht, weder zur Grundlage einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich noch durch Klagerücknahme gemacht werden. In diesen Fällen wird nicht der materielle Inhalt außergerichtlicher Vergleiche direkt geregelt l 4, sondern ihnen eine prozessuale Wirkung versagt, wenn bestimmte Anforderungen der VerfO nicht erfüllt werden. 3. Vergleichsschlußbefugnis

Es gelten die allgemeinen völkerrechtlichen Vertretungsregeln. Die Vorschriften, die einen materiellen Vergleich für eine prozeßrechtliche Anknüpfung voraussetzen, sprechen regelmäßig nur von den "Parteien". Im Tavignano-Fall ergab sich gar die Konstellation, daß die beiden nationalen Richter des Schiedsgerichts, welches mehrere Fälle zu entscheiden hatte, über einen der anhängigen Streitfälle eine gütliche Einigung herbeiführten. 15 In der (Schieds-) Gerichtspraxis ist die Vertragsschlußkompetenz der jeweiligen Staatenvertreter nie geprüft worden. 16 Das folgt aus dem Grundsatz, daß das Gericht von den Vertragsschlußvollmachten der Beteiligten ohne weiteres auszugehen hat, es sei denn, gerade darüber bestünde Streit zwischen den Parteien. 17 12 So der Art. 28 b) MRK, auf den Walter, Die Europäische Menschenrechtsordnung, S. 123 f., die Begründung des ordre public in der Ausprägung des auch gegen den Willen der Parteien fortzusetzenden Verfahrens im Interesse der Wahrung der Menschenrechte im allgemeinen stützen will. 13 Vgl. nur de Becker, Anhang II/Nr. 13. 14 Dies dürfte auch kaum zulässig sein. Vgl. zu den Bedenken der jetzigen Regelung bereits, Walter, Die Europäische Menschenrechtsordnung, S. 122 ff. 1S Scott, Hague Court Reports, Bd. 1, S. 623 und S. 329 und 342. Dies wird im Rapport du Conseil Administratif 13 (1914), S. 11 (13) nicht mitgeteilt; dort ist nur von den Agenten die Rede. Im übrigen ist diese Besonderheit bisher stets übersehen worden. Es gibt einen einzigen Fall, in dem der Präsident des IGH in einer Einstellungsverfügung ausdrücklich hervorhob, daß die entsprechenden Dokumente "were ... initialled by dufy authorized representatives ... ". Teheraner Geisel-Fall, ICJ Rep. 1981, S. 45 (46). Für eine Erläuterung und Kritik siehe unten bei Fn 113. 16 Hierzu im einzelnen Rupp, Staatsvertreter, S. 64 ff. 17 Dazu insgesamt Rupp, Staatsvertreter, S. 65 ff. So hieß es auch im Tavignano-Fall in dem außergerichtlichen Vergleich, beispielsweise: "Les soussignes ont constäte I'accord de leurs Gouvernements par le present acte pour valoir ce que de droit". Scott, Hague Court Reports, Bd. 1, S. 623.

1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

205

4. Fristen Die VerfO des StIGH von 1922 setzte als Grenze für einen Vergleich den Schluß der mündlichen Verhandlung, also den Zeitpunkt, zu dem die Beratungen des Gerichts beginnen. 18 Dies erwies sich als eine mit der Dispositionsfreiheit der Parteien nicht vereinbare Beschränkung der Möglichkeiten einer Verfahrensbeendigung ohne Urteil. Es ist denkbar, daß sich die Parteien auch während der Beratungen des Gerichts vergleichen. 19 Eine Beendigung durch Parteiwillen wird gedanklich unmöglich erst, wenn das Verfahren beendet wird - durch Erlaß eines Urteils. Deshalb setzte sich im (St)IGH 1936 die Formulierung durch, daß eine vergleichsweise Beendigung bis zum Beginn der Verkündung des Urteils zulässig sei. 20 Seit 1978 heißt es noch weitergehend, daß eine Beendigung des Verfahrens durch die Parteien "jederzeit vor der Verkündung des Endurteils in der Hauptsache" erfolgen kann. 21 Andere VerfO'en regeln, daß eine vergleichsweise Regelung bis zur Verkündung des Urteils 22 , während des gesamten Verfahrens 23 oder "at any stage ofthe proceedings"24, möglich ist. Wird in den VerfO'en vorgeschrieben, daß eine gütliche Regelung möglich ist, "until the award is made"25 oder "before the award is rendered"26, dann regelt sie ebenso, wann der angezogene Zeitpunkt 18 Art. 61 (1) VerfO IGH, Anhang I/Nr. 1 (1): "avant la clöture de la procedure". 19 Vgl. die entsprechende Diskussion im StIGH, insbesondere Richter Bustamante, PCIJ, Series D, No. 2 (add.), S. 261. 20 Vgl. Art. 68 bzw. 73 VerfO'en 1936, 1946, 1972. 21 Dies kritisiert Rosenne, Commentary, S. 185 als vielleicht nicht wesentliche, so doch deutliche Abweichung von der generellen Struktur der Konzeption des Verfahrens in Teil III der VerfO 1978, weil jede Phase eines Rechtsstreits vor dem IGH als eigenständiger "case" angesehen werde. Das aber ist unbeachtlich, weil nur die Erfahrungen des Hofes über die Trennung zwischen "Grund"-Urteil über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Völkerrechtswidrigkeit und Entschädigungspflicht und dem Urteil über Art und Höhe einer Wiedergutmachung zum Ausdruck kommen, vgl. Factory at Chorzow, Merits, Judgment No. 13, 1928, PCIJ Series A, No. 17, S. 64; Teheraner Geisel-Fall, ICJ Rep. 1980, S. 3 (45). Diese wurden nur als eine teilweise Erledigung des Rechtsstreites angesehen, während Rosenne die noch reservierte Entscheidung über Art und Höhe als einen eigenständigen Verfahrensteil im Sinne eines "Derivat"-Verfahrens ansieht; vgl. Rosenne, Law and Practice, Bd. 2, S. 532, der sich hierbei auf den Korfu-Fall beruft, bei dem in der Tat die "Schadenszumessungsphase" als getrennte Phase in dem Allgemeinen Register des IGH verzeichnet wurde, vgl. Corfu Channel, Merits, Judgment, ICJ Rep. 1949, S. 4 (36). Rosenne selbst gestand ein, daß der Korfu-Fall sich auf der Basis anderer prozessualer Fakten abspielte. In Chorzow und Teheraner Geisel-Fall hingegen blieb es bei einer einheitlichen Behandlung im Allgemeinen Register, im Korfu-Fall wurde auch nur die Nummer 1 A benutzt und keine neue Folio-Nummer vergeben; vgl. dazu auch Rosenne, a.a.O., S. 533 Fn. 1. 22 SchGH LSchA; EGKS, EuGH, EuKemEG, Anhang I/Nm. 4, 9,10. 23 Vgl. die Regelungen in "INTELSAT" und "INMARSAT", Anhang I/Nr. 12. 24 US/Japanische Eig.Kom., Anhang I/Nr. 25. 25 Art. 34 (1) UNCITRAL Arbitration Rules, Anhang I/Nm. 27, 28. 26 Art. 43 (1) ICSID Arbitration Rules, Anhang I/Nr. 30 (2).

206

3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

vorliegt. 27 Die Praxis des IGH hat diese weite Konzeption bestätigt 28 , ebenso wie die von ad hoc Schiedsgerichten 29 und Schiedsinstanzen zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten. 30 Mangels Regelung ist ein Vergleich bis zum Beginn der Verkündung des Urteils als generell zulässig anzusehen. 5. Wirkungen des Vergleichsschlusses selbst auf das Verfahren

a. Ausdrückliche Regelungen Regelungen über die prozessualen oder sogar materiell-rechtlichen Wirkungen von außergerichtlichen Parteierklärungen oder Prozeßhandlungen im Zusammenhang mit der Verfahrens beendigung sind ausgesprochen selten. 31 Solche Normen finden sich eher bei Instituten, die zwar einen materiellen Vergleich zur Grundlage haben, selbst jedoch rein prozessualen Charakter aufweisen. 32 In Art. 61 (2) der VerfO StiGH von 1922 wurde noch ausdrücklich vorgeschrieben, daß der Hof bei einem Verfahrensvergleich die Einstellung des Verfahrens feststellt "et la procedure prend fin".33 Damit aber wurde zweierlei klargestellt. Zum einen ist das Verfahren allein mit Vergleichsschluß nicht beendet. Zum anderen hielt man eine solche Anordnung im Falle eines materiellen Vergleichs nicht für erforderlich, sondern für selbstverständlich. Nur die VerfO einer internationalen Instanz regelte den Einfluß des außergerichtlichen Vergleichs auf das Verfahren. Artikel 20 des ÖjD SchG FAG bestimmte schlicht, daß "ein Vergleich zwischen den Parteien das Verfahren (beendet)". 34 Damit war der materielle Vergleich gemeint. Dies kann man aus der klaren Sprache und dem Umstand schließen, daß es sich um ein ad hoc konstituiertes Gericht handelte, welches Prozeßrechtsregeln für den konkret unterbreiteten Streitfall schuf. 35 27 UNCITRAL: Art. 32 (4)-Unterschriften und Datum durch Richter; ICSID: Art. 48 (2)- award is deemed rendered, wenn bestätigte Kopien desselben versendet werden. 28 Zweimal kam es zu gütlichen Regelungen während der "subsequent procedure" der Bestimmung von Art und Weise der Entschädigung: Chorz6w, Order; Teheraner GeiselFall. 29 Leuchttürme-Schiedsfall, Anhang II/Nr. A; Samoanische Ansprüche, Anhang 1I/ Nr. B. 30 BP/Libya und Topco/Libya, Anhang II/Nr. E. 31 Ein Fall der Regelung materieller Folgen einer "Klagerücknahme" ("rinuncia") ist bereits in den VerfO'en von unter Mitwirkung Italiens gebildeter GemSchGH nachgewiesen worden. Anhang I/Nr. 18 (3). 32 So insbesondere bei Vorschriften über den Prozeßvergleich oder die Homologisierung von Vergleichen, in denen die prozeßbeendigende Wirkung selbst angeordnet oder eine Gleichstellung mit dem Urteil postuliert wird, welches ja selbst diese Wirkung hat. 33 Hervorhebung vom Verfasset. Dieser Satzteil entfiel ersatzlos ab 1936. 34 Anhang I/Nr. 6. 35 Die Ermächtigung zur Regelung des eigenen Verfahrens durch das Schiedsgericht sollte auch hier laut Mosler als Verweis auf das allgemein international praktizierte

1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

207

b. Keine ausdrücklichen Regelungen (1) Die Verfahrensordnungen

Die Verfahrensbeendigungsvorschriften internationaler Instanzen machen einen klaren Unterschied zwischen den Stufen: Vergleichsschluß - Mitteilung desselben an das Gericht - daraus resultierender Akt des Hofes. Es wird in der Regel eine förmliche Mitteilung in den VerfO'en vorgeschrieben und in der Praxis verlangt. 36 "Gelangen die Parteien zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Verkündigung des Urteils zu einem Vergleich und zeigen sie dem Gerichtshof dies schriftlich an ... ". 37 Die tatsächliche Erledigung des Rechtsstreits bedeutet daher keine automatische Beendigung des anhängigen Verfahrens. (2) Praxis und Lehre

Im Borchgrave-Fall erklärten die Parteien übereinstimmend, das Verfahren nicht fortsetzen zu wollen. Das StlGH erhielt diese Mitteilung, als er nicht tagte. Da der Präsident unter der VerfO von 1936 nicht ermächtigt war, die Verfahrenseinstellung zu verfügen, suspendierte er das Verfahren bis zum Zusammentritt des Hofes. In den Beratungen des Hofes wurde diskutiert, "si le desistement des parties ne mettait pas fin a l'instance, de telle sorte qu'il ne pouvait s'agir de suspendre une procedure qui avait cesse d' exister. L'opinion generale fut que l'accord entre les parties mettait fin au differend, mais non ala procedure ... ".38 Verfahrensrecht zu verstehen sein, Wiener Schiedsspruch, ZaöRV 32 (1972), S. 36 (67). Vgl. hierzu insbesondere die Diskussion in der ILC um das Schiedsverfahrensrecht hinsichtlich Vergleich und Klagerücknahme, insbesondere mit den Voten von Verdross, 2. Hauptteil, Text bei Fn. 409 ff., der auch Schiedsrichter im Ö /D SchG FAG war. Man hat den Eindruck, in der VerfO dieses Gerichts spiegele sich das früher von Verdross in der ILC vorgetragene Votum, daß ein Gericht nach einem außergerichtlichen Vergleich zu überhaupt keiner Verfahrenshandlung mehr berechtigt sei, auch keiner Einstellung durch Verfügung oder einem "consent judgment". In der ILC wurde dies einhellig abgelehnt. 36 Vgl. die VerfO'en des StIGH, Art. 61 (1),68 (1), des IGH von 1946, Art. 68 (1), von 1972, Art. 73 (1); GemSchGH LSchA, Art. 40; ILC Draft Convention, Art. 22 und ILC Model Rules, Art. 23; EGKS, Art. 80, EuGH, Art. 77, EuKemEG, Art. 10, mit jeweils formellen Anforderungen der gemeinsamen schriftlichen Notifikationen, jeweils Anhang I/Nm. 1,2,4,8,9,10. Siehe auch ICSID Arbitration Rules, Art. 43 (1), 50 (1); Anhang I/Nr. 30 (2), (3). 37 So Art. 73 (1) VerfO IGH 1972, Anhang I/Nr. 2. (Hervorhebung vom Verfasser). 38 PCIl, Series E, No. 16, S. 182; ebenso Guyomar, Commentaire, S. 400; deI Vecchio, Le parti, S. 230 f. Diese Überlegungen wurden im Rahmen eines Verfahrensvergleiches angestellt, allerdings gelten sie auch für den materiellen Vergleich, denn auch ein materieller Vergleich kann nicht mehr bewirken als eine Erledigung der Rechtsstreitigkeit, wie in dem Zitat umschrieben. Pessoa wollte 1926 Artikel 61 (1) VerfOStIGH ganz streichen, weil eine Regelung überflüssig sei, mit einem Vergleich in der Sache "la procedure perd sa raison d'etre", PCIl, Series D, No. 2 (add.), S. 271; diesen Vorschlag zog er aber zurück, a.a.O., S. 167.

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

Der Präsident des IGH brachte zum Ausdruck, daß der Umstand einer materiellen Einigung Wirkung für das anhängige Verfahren haben kann. 39 Der IGH betonte ebenso wie die Literatur, daß dies nicht für das Verfahren gellte, auch wenn der Streit sich materiell erledigt habe. 40 Liegt ein materieller Vergleich vor, so stehen den Parteien verschiedene Handlungsweisen offen. Durch den Vergleich kann neues Völkerrecht geschaffen werden, welches die Parteien, und auch das Gericht, bindet. 41 Es können die Ansprüche des gerichtlichen Verfahrens insgesamt verglichen werden, oder nur finanzielle Zahlungen des einen Staates, verbunden mit Erklärung des anderen, damit sei der Streit erledigt, vereinbart werden. Es gibt verschiedene prozessuale Ansatzmöglichkeiten, einen materiellen Vergleich zu behandeln, wenn es nicht zu der einvernehmlichen Mitteilung des Vergleichs an das Gericht kommt. Es soll die "Einrede des Vergleichs" geben 42 , oder die Einrede der fehlenden "Rechtsstreitigkeit" erhoben werden können. 43 39 So z.B. der Präsident des IGH in seinem Schreiben v. 15.4.1981 an den stellvertretenden Bevollmächtigten der USA im Teheraner Geisel-Fall, in dem er wiederholt, daß bereits am 23.2.1981 der Kanzler des Hofes auf Anweisung des Präsidenten sich an die USA wandte mit der Bitte, beglaubigtc Ausfertigungen aller Instrumcnte vorzulegen, die die Algiers Vereinbarungen beinhaltelen. Nachdem der Präsident feslslcllt, daß zwar englischsprachige Veröffentlichungen, nicht jedoch beglaubigte Ausfertigungen dem Hofe vorliegen, fährt er fort: "Having regard to the signijicance of those declarations in the present connection, I must stress once more that the Court desires to be furnished at an early date with certified copies of the instruments incorporating the declarations". Brief des Präsidenten vom 15.4.1981, abgedruckt nach einer Kopie des IGH. (Hervorhebung vom Verfasser). 40 Barcelona Traction (1. Phase), ICJ, Rep. 1964, S. 6 (19); Scerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (659); del Vecchio, Le parti, S. 230; Pecourt Garcia, EI desistimiento, Rev. Esp. Derecho Int'! 23 (1970). S. 231 (236); Hallier, Schiedsinstanzen, S. 82. . 41 Für den interessantesten Fall siehe den Fischereihoheit-Fall, Sachurteil, UK, ICJ Rep. 1974, S. 3 (18 ff.) mit insbesondere Sep. Op. de Castro (76 ff.); Diss.Op. Petren (S. 155 ff.). Dort ging es um die Wirkung eines "Interün-Abkommens" zwischen den Streitparteien über die im Prozeß gerade streitigen Fragen. Hierbei wurde insgesamt die Diskussion im IGH dadurch in eine besondere Lage versetzt, als der beklagte Staat Island, als Vertragspartner dieses Interimabkommens, nicht am Prozeß teilnahm und säumig war. In der Sache brauchte der Hof nicht Stellung zu nehmen, weil er davon ausging, daß es sich nicht um eine zwar befristete, doch für die Laufzeit endgültige Regelung handelte. R. Goy, Le reglement de l'affaire des pecheries islandaises, RGDIP 82 (1978), S. 434 (445 ff.). Vgl. auch Schätzel, Gern. Schiedsgericht, S. 96 f. 42 Vgl. Witenberg. Recevabilite, RdC 41 (1932 lIn. S. 5 (31 ff.). Hierbei kommt es nach Witenberg zu einer "extinction juridique de la reclamation": es ist ein Prozeßurteil zu erlassen, vgl. Witenberg; Organisation judiciaire, S. 143 f. 43 Vgl. Bos, Conditions du proces, S. 261. Dies wurde insbesondere in der italienischen Doktrine entwickelt im Anschluß an Morelli: vgl. nur Morelli, Estinzione e soluzione, Studi, S. 45; Morelli, Nozioni ed elementi, Studi, S. 113; Morelli, Ancora della controversia, Nuovi Studi, S. 1; Morelli, Esperienze giudiziarie, Nuovi Studi, S. 31; More/li, Controversia internazionale, Riv. Diritto Int'l 60 (1977), S. 5; und seine

1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

209

In Anlehnung an die US-amerikanische Tenninologie kann behauptet werden, daß der Streit "moot" geworden sei. 44 Andere wollen das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lassen 45 , oder die Klagebefugnis verneinen. 46 Schließlich ist die Abweisung der Klage als unbegründet denkbar, weil die Klagforderungen nicht mehr bestehen.47 Damit müßte zunächst eine Typologie materieller Vergleiche ennittelt werden, um dann deren Wirkungen auf das Verfahren zu analysieren. In der Judikatur internationaler Instanzen gibt es einen Fall, in dem nach Abschluß eines Vergleiches zwischen dem beklagten Staat und den (privaten) Anspruchsstellern, die deren Heimatstaat im Prozeß vertrat, allein der Bevollmächtigte des beklagten Staates dem Gericht den Vergleichsschluß mitteilte. Die Französisch-Italienische Vergleichskommission beendete das Verfahren durch Entscheidung ohne jegliche Erklärung des klägerischen Staates dazu. 48 Nach Wiedergabe der Anträge und der Mitteilung des Vergleichsschlusses hieß es nur "qu'il apparaft que lesdites societes .. ont accepte audit titre d'indemnite la somme ..... " und dann "Considerant que cet accord met fin au litige, Decide I. -11 n'y a lieu a statuer sur les requetes nos. 56, 57 et 58 presentees dans l'interet des societes d'assurances ... "49 Diesem Spruch der Französisch-Italienischen Vergleichskommission wird als selbst in deren Entscheidungspraxis außergewöhnliche, vereinzelte Entscheidung keine weiterreichende Bedeutung zugemessen werden können. In allen anderen Fällen der Streiterledigung durch materiellen Vergleich in zwischenstaatlichen Verfahren -mit Ausnahme der Säumnisfällewurde dessen Abschluß der Instanz einvernehmlich mitgeteilt, so daß Problemlagen der Beurteilung der Wirkungen eines Vergleichs auf das anhängige Verfahren nicht auftraten. Teilen die Parteien den Abschluß eines Vergleichs nicht übereinstimmend mit, dann bedarf es einer Entscheidung durch das Sondervotcll im Südwestafrika-Fall, South West Africa, Preliminary Objections, . Judgment; ICJ Rep. 1962, S. 319 (584 ff.); Nordkamerun, ICJ Rep.1963, S.15 (131 ff.) und noch SOlllh \\ C:,l Afrika, Second Phase. Judgment, ICJ Rep. 1966, S. 6 (59 ff.); dazu insgesamt Minagawa, Dispute, Hitotsubashi J.L.&Pol. 9 (1981), S. 1 ff.; Cassese, Legal Dispute, Com. e Stud. 14 (1975), S. 173 ff. 44 Dazu insbesondere 2. Hauptteil, Text bei Fn. 232 ff.; Wegen, Mootness, S. 35 ff., S. 87 ff. 4S SO insbesondere van Dijk, Judicial Review, S. 372 ff. 46 Vgl. z.B. die Ansätze bei Scandamis, Judgment declaratoire, S. 270 ff,; Miaja de La Muela, EI interes, Com. e Stud. 14 (1975), S. 525 (531 ff.). 47 Vgl. "Phenix", TAM VII, S. 103 (Rumänisch-Deutscher GemSchGH). 48 "Monde", "Metropole", "La Paterna", RIAA XIII, S. 171 (173). Dort schien jedoch eine, nicht aufklärbare, Sonderlage bestanden zu haben, denn in anderen Fällen der gleichen Kommission wurde stets die Mitwirkung des Bevollmächtigten des anderen Staates verlangt; Vgl. nur Heritiers Lebas de Courmant, RIAA XIII, S. 768, und eine Sachentscheidung der Kommission unter genauer Übernahme der vergleichsweisen Regelung getroffen, vgl. nur Sofimelec, RIAA XIII, S. 90 und 91; Dame Metanie Lachenal, RIAA XIII, S. 117 und S. 120; Fabricia Italiana Tubi, F.I.T., RIAA XIII, S. 97. 49 "Monde", "Metropole", "La Paterna", RIAA XIII, S. 171 (173). 14 Wegen

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

Gericht über das Schicksal des anhängigen Verfahrens durch Prozeß- oder Sachurteil, gestützt auf eine der im vorhergehenden Absatz aufgeführten Begründungen 50 , oder gestützt auf den Wegfall der Jurisdiktion,51 6. Mitteilungen an das Gericht

Entscheidend ist der klare Ausdruck des übereinstimmenden Willens der Parteien, den Streit zu beenden; implizit durch eine gütliche Regelung in der Sache oder ausdrücklich in dem Einvernehmen, das Verfahren zu beenden. 52 a. Form (1) Erklärungsberechtigung

Sehen die VerfO'en die Mitteilung des materiellen Vergleichs vor, so heißt es, daß "die Parteien" den Vergleich notifizieren. Daher finden die allgemeinen Grundsätze über Prozeßhandlungen Anwendung. Die zur Führung des Verfahrens bestellten Staatenvertreter oder Prozeßbevollmächtigte nehmen, alle Mitteilungen und Notifikationen sowie Prozeßhandlungen vor: "all steps on behalf of the parties after proceedings have been instituted shall be taken by agents".53 Eine Sonderlage entstand im Compagnie du Port-Fall vor dem IGH. Als Agent des beklagten Libanon war der Botschafter des Landes im Haag und in London bestellt worden. Der Botschafter wurde von seinem Posten abberufen und kein neuer Agent ernannt. 54 Der Agent Frankreichs teilte später mit, daß 50 Vgl. hierzu Mamkoff, TAM IX, S. 648 (Französisch-Bulgarischer GemSchGH) und insbesondere instruktiv "Phenix", TAM VII, S. 103 (Rumänisch-Deutscher GemSchGH): Vergleichsschluß der Parteien mit Klagerücknahmeverpflichtung für Kläger, der dieses nicht veranlaßt; später Betreibung des Verfahrens mit Anträgen zur Verurteilung gemäß in Vergleich übernommener Verpflichtungen oder Nichtigerklärung des Vergleichs mit Bescheidung ursprünglicher Anträge gegen die Beklagtenanträge der Feststellung der kompletten Erfüllung des Vergleichs; Tenor: Klagabweisung. 51 Dazu 1. Hauptteil, Text bei Fn. 323; Wegen, Mootness, S. 63 ff. 52 Vgl. nur Scerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (660): " ... c'est la volonte de mettre fin a l'instance qu'est notifiee a la Cour." 53 Art. 40 (1) IGH VerfO 1978; vgl. Rosenne, Commentary, S. 96 f; Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 214 ff.; Monaco, Representation, FS Bindschedler, S. 373 ff. Insbesondere Rupp, Staatsvertreter, S. 42 ff.; zum Vergleich und den Notifikationen, S. 65 f. und Witenberg, Organisationjudiciaire, S. 64 ff. Besondere Vorschriften gibt es erst, wenn es um die Regelung des Prozeßvergleiches, des zu homologisierenden Vergleiches geht. 54 Der Kanzler des IGH hatte von der Abberufung aus den Zeitungen erfahren und schon bald danach den Außenminister des Libanon darauf hingewiesen, daß zweckmäßigerweise umgehend ein anderer Staatenvertreter zu ernennen sei, unter weiterem Hinweis darauf, daß bis zu solcher Ernennung der Schriftwechsel mit Libanon über das Außenministerium direkt und ebenso über die Londoner Botschaft geführt werden würde; Brief vom 22.3.1960, Compagnie du Port, ICl Pleadings, S. 132, Nr. 63. Im folgenden richtete der Botschafter Libanons in London noch ein Telegramm an den IGH, sodaß die nächsten Briefe des IGH wiederum an den Agenten gerichtet wurden.

1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

211

eine befriedigende Regelung mit dem beklagten Libanon getroffen worden und die Streitigkeit für die Französische Republik somit erledigt sei. 55 Mehrere Schreiben des Kanzlers an den Agenten Libanons blieben unbeantwortet. Schließlich richtete sich der Kanzler wiederum direkt an das libanesische Außenministerium, woraufhin der "charge d'affaires" ad interim in London den Abschluß des Vergleichs mitteilte. Dieser war nicht Agent des Libanon, der IGH nahm jedoch die Erklärung als wirksam an. Dem wird man beipflichten können. Bei einem materiellen Vergleich muß die Mitteilung über dessen Abschluß durch diplomatische Vertreter genügen, wenn nur um dieser Mitteilung willen ein Agent hätte ernannt werden müssen. Sonst würde ein formales Element überbetont. Entscheidend ist allein, daß der gemeinsame Wille zur Verfahrensbeendigung deutlich wird. So hat der (St)IGH in seiner Praxis säumigen Parteien stets die Mitteilungen der anderen Seite über einen Vergleichsschluß zukommen lassen, um den Säumigen auch die Mitwirkung in dem Stadium der Verfahrensbeendigung zu ermöglichen. 56 Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die Prozeßbevollmächtigten die Notifikation des Vergleichs vorzunehmen haben. Sie kann durch diplomatische Kanäle geschehen, wenn die Intention der Parteien eindeutig ist, und eine Agentenbestellung nur um dieser Kommunikation willen erfolgen müßte. 57 Schließlich ist zu fragen, ob auch der stellvertretende Prozeßbevollmächtigte die entsprechenden Mitteilungen vornehmen kann. 58 Allerdings gibt es bereits Compagnie du Port, ICJ Pleadings, S. 134 ff. So im Teheraner Geisel-Fall, lCJ Rep. 1981, S. 45 (47): "Being satisfied that it is the common intention of the parties that the proceedings before the Court should now be brought to an end ... " (Hervorhebung vom Verf.). Im vorgenannten Companie du PortFall kann der "charge d'affaires" ad interim in London nach der Praxis des Hofes nicht als "provisorischer Vertreter" vor dem IGH betrachtet werden, denn der Verkehr mit dem Libanon sollte über das Außenministerium direkt, und nicht die Botschaft in London abgewickelt werden; vgl. AnnCIJ 1963-1964, S. 33. Zu der Praxis des "provisorischen Vertreters" vor dem StIGH siehe Hudson, PCIJ 1943, S. 528 Fn. 7 und 8. 57 Vgl. so auch Seerni, Procedure, RCD 65 (1938 III), S. 565 (661). Eine Besonderheit kann in einem Verfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht berichtet werden. Dort war der beklagte Staat säumig; das Schiedsgericht erhielt im Laufe des Verfahrens, vor dem mündlichen Teil, einen gemeinsamen Antrag der Parteien, das Verfahren durch eine Einstellungsverfügung zu beenden, weil sie sich in der Sache geeinigt hätten; Alcoa of Jamaica, ICSID Annual Report 15 (1980/81), S. 36 (Annex 6). Allerdings sieht die lCSID Schiedsverfahrensordnung nicht zwingend vor, daß sich die Parteien durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen müssen, Art. 18. Dies gälte nicht ohne weiteres im Verfahren vor dem IGH. Der Hof würde auch eine Notifikation durch diplomatische Vertreter zumindest im Falle der Säumnis durch den Säumigen hinnehmen. Davon zu unterscheiden ist die kritische Praxis, dem Hof "communications ä titre prive" auf diplomatischem Wege, ohne an dem betreffenden Verfahren tatsächlich auch teilzunehmen, zukommen zu lassen. 58 Teheraner Geisel-Fall, ICI Rep. 1981, S. 45; so auch Schriftwechsel des IGH mit den USA, Es sollte erwähnt werden, daß die USA im Geisel-Fall immerhin drei Stellvertreter für den Prozeßbevollmächtigten ernannt hatten. 55

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

eine ständige Gerichtspraxis zur Zulässigkeit eines "deputy agent", so daß eine ordnungsgemäße Vertretung des Staates ohne weiteres auch durch ihn gegeben ist. 59

(2) Schriftform Die VerfO'en des (St)IGH und die ihnen nachgebildeten sehen vor, daß der Vergleichsschluß schriftlich mitzuteilen ist. Andere VerfO'en schreiben dies nicht ausdrücklich vor 60 , wohl um zugleich die Möglichkeit des Vergleichs in der mündlichen Verhandlung offen zu lassen. 61 In der Praxis gehen die Erklärungen über den Vergleich dem Gericht stets schriftlich zu, so daß keine Probleme entstehen.

(3) Übereinstimmende Erklärungen oder gemeinsames Dokument Die Fonnulierung der ersten VerfO des StIGH gab Anlaß zu der Frage, ob die Mitteilung des Vergleichsschlusses in einem gemeinsamen Dokument erfolgen müsse. 62 Der IGH stellte noch im Barcelona Traction-Fall zur Abgrenzung der vergleichsweisen Verfahrensbeendigung von der Klagerücknahme fest: "One difference between the two provisions is, however, significant. Whereas Article 68 contemplates a discontinuance which not only is (in effect) an agreed one, but also takes the form of an agreed communication to the Court, Article 69 ... "63 Dies wurde erst 1978 ausdrücklich geändert, indem Art. 88 (1) VerfO die Notifikation "jointly or separately (conjointement ou separement)" zuläßt. Allerdings hat der Hof in seiner Praxis separate Mitteilungen identischen Inhalts von Beginn an zugelassen. 59 Vgl. mit zahlreichen Nachweisen Rosenne, Law and Practice, Bd. 1, S. 215 Fn. 2. Es gibt kritische Stimmen, die eine Mehrzahl von Agenten in einem einzelnen Fall für zumindest nicht wünschenswert halten, so jedenfalls Hudson, PCIJ 1934, S. 472. Allerdings gibt es Praxis im Hof, eine Mehrzahl von Agenten zuzulassen: vgl. die Darstellung bei Hudson, a.a.O., S. 472 und PCIJ, Series E, No. 7, S. 294. 1975 kann dei Vecchio auf sechs Fälle vor dem IGH verweisen, in denen zwei oder mehr Prozeßbevollmächtigte tätig waren. Sie schließt aber, daß es gebräuchlicher sei, einen Agenten und einen Stellvertreter zu benennen: dei Vecchio, Le parti, S. 126. 60 EGKS, EuGH, EuKernEG: die Entwürfe der ILC 1953 und 1958. 61 Für den EuGH siehe Wolf, Art. 77, Nr. 1, VerfO EuGH, S. 212. Siehe die Begründung zu Art. 34 UNCITRAL Arbitration Rules, UNICITRALY (1976), S. 157 (179) (Report ofthe Secretary General) (AjCN.9j112). Auch in den anderen Verfahren wird ein Vergleich in der mündlichen Verhandlung zulässig sein, er müßte jedoch schriftlich fixiert werden. 62 Ein gemeinsames Dokument der Agenten kann durchaus verlangt sein, wenn es sich um Instanzen handelt, die einen "award on agreed terms" vorsehen; das aber ist eine andere Sachlage. 63 Barcelona Traction (1. Phase), ICI Rep. 1964, S. 6 (20); " ... mais prend encore la forme d'une communication commune ä la Cour. .. ". (Hervorhebungen vom Verf.).

1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

213

Im Compagnie du Port-Fall teilte der Kanzler nach Notifikation einer gütlichen Regelung durch den Kläger dem beklagten Libanon mit: ,,J'ai l'honneur de signaler a l'attention de Votre Excellence que ledit article prevoit qu'a cet effet chacune des Parties fait connaitre par ecrit a la Cour qu'un accord est intervenu entre elles" .64 Hier kommt die Ständigkeit der Instanz zum Ausdruck, denn in der ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit ist es durchweg üblich, daß sich die Parteien in einer gemeinsamen Note an die Schiedsinstanz wenden, um den Vergleich und die Beendigung des Verfahrens mitzuteilen. 65 Vor ständigen Instanzen reichen sukzessive, separate Mitteilungen der Parteien aus. Für die Verfahrensordnungen nach dem Muster des (St) IGH ergibt dies die Praxis, für den IGH seit 1978 aus dem Wortlaut des Art. 88 (1) VerfO. b. Inhalt und Umfang der Mitteilungen Inhalt und Umfang des Mitteilungsbedürftigen korrelieren mit dem Ausmaß der Sanktions- und Prüfungsmöglichkeiten des Vergleichs durch die Gerichtsinstanz. 66 Die Rechtslage und Praxis zu außergerichtlichen Vergleichen läßt eine sehr starke Annäherung und Parallelität zum Verfahrensvergleich erkennen, sodaß auf die Ausführungen zum Verfahrensvergleich verwiesen wird. 67 (1) Die Praxis des (St)/GH

Artikel 61 (1) der VerfO StlGH 1922 ließ noch den Schluß zu, daß die Parteien im Falle des außergerichtlichen Vergleichs den Text desselben mitzuteilen hätten. 68 Demgegenüber deutete der IGH 1964 eine sehr zurückhaltende Interpretation des Mitteilungsbedürftigen an, wenn er ausführt, "for it is clear that there are few limits to the motives that might inspire a discontinuance, and these two Articles are not concernedwith that aspect ofthe matter". 69 Diese Ansicht wurde in die Verfahrens ordnung von 1978 umgesetzt, indem nur noch das Einverneh64 Briefvom 14.6.1960, Compagnie du Port, ICI Pleadings, S.137. Vgl. ebenso Seerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (661), der allerdings nicht ganz deutlich sagt, daß auch getrennte Mitteilungen ausreichen. Vgl. schon den Brief des Kanzlers im ChorzowFall, in dem um eine "communication analogue" gebeten wurde, PCIJ, Series C, No. 16 II, S.47. 65 Vgl. Tavignano und Leuchttürme-Schiedsfall, Anhang I jNr. A; Deutsches Säkulares Eigentum, Anhang IjNr. B; Holidays InnjMarocco; Alcoa of Iamaica; GabunjSerete, alle drei Anhang IIj Nr. 30 vor ICSID Schiedsinstanzen. 66 So wird bei Prozeßvergleichen und "awards on agreed terms" natürlich der Inhalt des Vergleiches mitzuteilen sein. 67 Unten bei Fußnote 151 ff. 68 " •.. et notifient cet accord"; vgl. aber schon im Englischen " ... and give written notice of such agreement". 69 Barcelona Traction (1.Phase), ICI Rep. 1964, S. 6 (19).

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

men der Parteien über die Verfahrensbeendigung für eine Verfahrenseinstellung entscheidend ist, und das Motiv oder der Wortlaut eines außergerichtlichen Vergleiches nur auf weiteren ausdrücklichen Antrag beider Parteien in der Verfügung genannt, bzw. dann annexiert werden kann. 70 Die Praxis des StlGH, sich bei außergerichtlichen Vergleichen die Vergleichstexte vorlegen zu lassen, widerspricht dem nur scheinbar. Im Chorzow- Fall hatte der deutsche Agent dem Hof die gütliche Regelung zwischen dem polnischen Staat und der deutschen Firma, zu deren Gunsten das deutsche Reich diplomatischen Schutz ausübte, und das Einvernehmen der Streitparteien, daß dadurch die Streitigkeit vor dem Hof beigelegt sei, mitgeteilt. Der deutsche Agent fügte die deutsche Übersetzung des Vertrags zwischen Polen und der deutschen Firma sowie den Notenwechsel zwischen den Staaten in Kopie von sich aus bei. 71 Daraufhin gab der polnische Agent eine entsprechende Erklärung ab, und verwies auf die bereits von deutscher Seite vorgelegten Texte, sodaß er sich von deren nochmaliger Vorlage befreit fühlte. 72 Der Kanzler antwortete, daß eine nochmalige Vorlage entfalle, da der Agent den bereits vorgelegten Text als authentischen anerkenne, der Hof allerdings noch keinen Text in polnischer Sprache erhalten habe, der allein verbindlich sei. 73 Der polnische Text wurde dem Hof dann übermittelt.Allerdings enthielt 70 Anders noch unzutreffender vor allem Rosenne, Commentary, S. 185. Der Hof stellte bereits 1964 fest, daß die Artikel 68 und 69 (heute 88 und 89) "impose no conditions as to the basis on which a discontinuance may be effected other than (in cases coming under Article 68) that the parties shall be in agreement about it". Barcelona Traction (1.Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (19). 71 PCIl, Series C, No. 1611, S. 45/6: "En vertu de l'article 61 du Reglement de la Cour permanente de Justice internationale, j'ai l'honneur de vous communiquer que, dans l'affaire concernant l'usine de Chorzow, les Parties sont tombees d'accord sur la solution a donner au litige. Je joins ala presente copie d'un exemplaire de la traduction allemande de l'accord intervenu entre le Gouvernement polonais, d'une part, et la Bayerische Stickstoffwerke A.G. et l'Oberschlesische Stickstoffwerke A.G., representees par M. le professeur Dr. Caro, d'autre part, en date du 12 novembre 1928, ainsi que les copies des notes echangees entre le Gouvernement allemand et le Gouvernement polonais, le 27 novembre 1928". 72 PCIl, Series C, No. 1611, S. 50: "Conformement a l'article 61 du Reglement, j"ai r honneur de porter a votre connaissance que, dans l'affaire de l'usine de Chorzow, les Parties sont tombees d'accord sur la solution a donner au litige, et notamment que - un acccord etant intervenu en date du 12 novembre 1928 entre le Fisc polonais, d'une part, et les societes Bayerische Stickstoffwerke A.G. et Oberschlesische Stickstoffwerke A.G., d'autre part - le Gouvernement allemand a declare, le 27 novembre dernier, au Gouvernement polonais ce qui suit: 1. En ce qui concerne l'affaire de Chorzow, il n'existe plus aucune divergence d'opinions entre l'Etat polonais et le Reich allemand. 2. La requete dans l'affaire de Chorzow pendante ala Cour de la Haye sera retiree comme etan t sans 0 bjet. Le Gouvernement polonais a pris acte de la declaration du Gouvernement allemand. 73 PCIl, Series C, No. 1611, S. 52. Hier ist der Wortlaut des Ansinnens des Kanzlers von Interesse, denn dieser scheint eine "Mitteilungspflicht" zu statuieren:

1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

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der Vertrag eine Geheimhaltungsklausel, sodaß beide Staaten den Hof baten, von einer Publikation des Dokuments Abstand zu nehmen, was auch geschah. 74 Im Gegensatz dazu verlangte der Hof im Compagnie du Port-Fall keine Übersetzung der beglaubigten Kopien des Vertragstextes. Der klägerische Agent hatte die die gütliche Regelung wiedergebenden Dokumente in französicher Sprache in Kopie beigefügt, von einem Dokument auch eine Kopie des arabischen Textes. 75 Der Hof verlangte aber keine Vorlage der Texte in ihrer authentischen arabischen Fassung. 76 Der Hof ist bei einem materiellen Vergleich um den Text in einer authentischen Sprache bemüht, wenn die Parteien den Vergleichstext selbst vorlegen. 77 Es bleibt bei den Aussagen des Hofes von 1964. Beim materiellen Vergleich war bis 1978 nur dessen Abschluß selbst mitzuteilen. 78 Dieser Grundsatz gilt auch für alle VerfO'en, die denen des (St)IGH bis 1978 folgen. Für den IGH sollte sich "Tout en m'empressant de vous informer que, du moment que vous acceptez comme authentiques les textes deposes au nom du Gouvernement allemand, il ne saurait y avoir d'objection ä acceder au desir que vous avez bien voulu exprimer, je me permets de faire observer que la Cour n'est pas encore en possession du texte polonais de l'accord du 12 novembre 1928, faisant foi dans les rapports entre les signataires de l'accord". 74 PCIl, Series C, No. 16 II, S. 60 f., S. 62. Wohl schon im Hinblick auf eine solche Klausel ist es richtig, daß allein die gütliche Regelung der Staaten für die Einstellung des Verfahrens entscheidend ist. 7S Der klägerische Agent teilte dem Hofmit, Compagnie du Port, IC] Pleadings, S. 134: ,,1' ai l'honneur de vous indiquer que, ä la suite des conversations entre le Gouvernement de la Republique du Liban et l'ambassade de France ä Beyrouth, des arrangements satisfaisants ont He conclu". Danach gibt er kurz die Daten zu den getroffenen Vereinbarungen und weist auf die in der Anlage beigefügten Texte hin. Der Agent schließt mit den Worten: "Dans ces conditions, le Gouvernement de la Republique fran~aise considere que les conclusions et l'execution de ces nouveaux engagements du Gouvernement de la Republique libanaise mettent fin aux differends dont il avait saisi la Cour par requete due 13 fevrier 1959". 76 Der Libanon legte diese aus eigenem Antrieb vor, Compagnie du Port, ICJ Pleadings, S. 140: "Me rHerant ä votre lettre du 14 juin 1960 sub no. 31824/27450 et en suite ä ma lettre no. 1161 du 15 aoiit 1960,j'ai l'honneur de vous indiquer que, ä la suite des conversations entre le Gouvernement libanais et l'ambassade de France ä Beyrouth, l'affaire de la Societe Radio-Orient a ete reglee par un arrangement en date du 11 mai 1960 et l'affaire de la Compagnie du Port a ete reglee par un arrangement en date du 13 avril 1960. Les documents relatifs au reglement de ces deux affaires seront expedies incessamment". Vier Tage später wurden die Texte der Vereinbarungen übermittelt. Die Mitteilung schließt; Ibid: "Les deux documents precites Hablissent les arrangements conclus en ce qui concerne les litiges soumis ä la Cour internationale de Justice". 77 Bestätigt im Teheraner Geisel-Fall; dort allerdings ist die Vorgehensweise aus anderen Gründen zu kritisieren, weil nämlich die Verfahrensordnung erheblich geändert wurde: dazu gleich Text bei Fn. 153 f. 78 Statt vieler Scemi, Procedure, RdC 65 (1938 II), S. 565 (661); Pinto, Juris-Classeur, Fase. 217 Nr. 9; Guyomar, Commentaire, S. 399.

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

das Problem seit der Verfahrensordnung 1978 aufgrund der bereits skizzierten Regelung nicht mehr stellen. 79

(2) Die Praxis anderer Gerichte Im Tavignano-Fall wurde eine gütliche Einigung zwischen den nationalen Schiedsrichtern des zu seiner Beurteilung eingesetzten Schiedsgerichts getroffen, welches noch zwei weitere Fälle zu entscheiden hatte, und somit über den verglichenen Fall hinaus bestand. Die Agenten beider Staaten notifizierten dem Gericht nur, daß die Parteien eine gütliche Regelung getroffen hätten, und es folglich davon Kenntnis nehmen und das Verfahren beenden sollte. 80 Im Fall des Deutschen Säkularen Eigentums einigten sich die Parteien gütlich in einem Abkommen, welches in Artikel V seine Übermittlung an das Gericht mit dem Antrag beider Parteien vorsah, das Vermittlungsverfahren offiziell zu beenden. 81 Die Abschlußverfügung zeichnet sich dadurch aus, daß der Vermittler in zurückhaltender Weise nur die Tatsache des Abschlusses eines Abkommens vermerkt. Er zitiert allein den in dem Abkommen selbst wiedergegebenen Antrag der Parteien zur formellen Beendigung des Verfahrens. Der Tenor hebt nur auf die Mitteilung der Parteien ab: "Having regard to the communication received from the agents ofthe parties on 1st Juni 1962, according to which representatives ofthe two governments, on the same date, have signed an agreement by which the matter has been settled". 82 Diese Vorgehensweise entspricht der hier vertretenen Auffassung, daßEinstellungsverfügungen im Hinblick auf die dem zugrundeliegenden Vorgang sorgfältig zu formulieren seien. Im Gut Dam-Fall kam es zu einer gemeinsamen Mitteilung der Agenten an das Schiedsgericht, in der die Tatsache und die Höhe des "lump sum agreement", sowie der Verzicht der USA auf die Geltendmachung der vor dem Gericht 79 Der Teheraner Geisel-Fall gibt zu erheblicher Kritik Anlaß, weil der Hof die Änderungen der VerfO 1978 nicht hinreichend berücksichtigt, dazu unten bei Fn. 153. 80 Der Wortlaut ist nicht publiziert. Der Rapport beschreibt dies so: "Par une note dat{:e du 2 mai les Agents ont annonce au Tribunal que les Gouvernements s'etaient mis d'accord po ur regler directement l'affaire ..... et ils I'ont prie de vouloir bien leur donner acte de cette communication et en consequence se dessaisir de l'affaire". Rapport du Conseil Administratif 13 (19, 14), S. 13. Vgl. Hudson, PCIl 1934, S. 22; etwas anders Hudson, PCIl 1943, S. 26: " ... the parties reached agreement for a direct settlement of the case and for withdrawing it from the tribunal". Unzutreffend Ralston, Athens/Locarno, S. 294, der noch meinte, die Beilegung der Streitigkeit sei aufgrund des vorhergehenden Berichts der Untersuchungskommission erfolgt. 81 Artikel 5, Agreement regarding German Secular Property in Israel vom 1.6.1962, UNTS 448, S. 228 (230): "This Agreement shall be communicated to the Mediator appointed under the Special Agreement, with the request of both Parties that the mediation proceedings be formally terminated". 82 RIAA XVI, S. 1 (4).

1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

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anhängigen Ansprüche und die mit der Zahlung verbundene Abgeltung aller von dem Gut Dam herrührenden Schäden ausgesprochen waren. All diese Punkte nahm das Gericht in seine Abschlußerklärung ("Final Statement") auf. 83 Besonders deutlich ist auch die entsprechend Art. 43 (1) ICSID SchiedsVerfO . geübte Praxis der Schiedsgerichte. Im Falle des Holiday Inns/Marokko-Falles hat das Schiedsgericht im Anschluß an die Darstellung der Prozeßgeschichte im Text der Verfügung den gemeinsamen Antrag der Streitparteien an das Schiedsgericht abgedruckt. 84 Im Alcoa of Jamaica-Fall haben die Parteien dem Schiedsgericht auch nur das Faktum einer gütlichen Regelung und den Antrag auf Erlaß der Einstellungsverfügung mitgeteilt. 85 Die Zurückhaltung der Parteien in Fällen vor ad hoc-Schiedsgerichten, in denen die Parteien ja ohne weiteres vereinbaren können, daß die Verfahren nicht publik gemacht werden, muß umsomehr in Verfahren vor Gerichten berücksichtigt werden, die aufgrund der sie konstituierenden Instrumente ihre Entscheidungen ebenso wie die Verhandlungen, Prozeßhandlungen und den Schriftverkehr mit den Parteien publizieren. c. Untätigkeit der Parteien Probleme im Zusammenhang mit der Untätigkeit einer oder beider Parteien im Verfahren nach einer gütlichen Regelung werden beim Verfahrensvergleich behandelt. 86 d. Wirkung der Mitteilungen In der Notifikation des materiellen Vergleichs durch beide Parteien an das Gericht wird der Wille der beteiligten Parteien manifest, das Verfahren zu Goodman. Report Gut Dam, ILM 8 (1969), S. 118 (141 f.). Die Verfügung ist nicht veröffentlicht, liegt dem Verfasser aber vor. Für einen publizierten Antrag an ein Schiedsgericht unter ICSID Schiedsregeln, siehe den Fall Alcoa of Jamaica, der die Praxis wiederzugeben scheint; nämlich nur das Faktum einer gütlichen Regelung des Streites zu erwähnen und im übrigen die Einstellungsverfügung zu beantragen. Dazu im Text. 8S "Whereas, proceedings were instituted by Alcoa Minerals of Jamaica, Inc. against the Government of Jamaica on the 17th day of June, 1974; and Whereas, the Tribunal, by its Decision adopted on the 6th day of July, 1975, found that it had jurisdiction and competence over the subject matter of the proceedings; and Whereas, the parties have agreed on the settlement of the dispute and further to discontinue the proceedings herein. Now, therefore, Alcoa Minerals of Jamaica, Inc. and the Government of Jamaica do hereby request this Honorable Tribunal to take note, in accordance with Arbitration Rule 43 (13 of the discontinuance of the proceedings and to have the same entered ofrecord and published". ICSID Annual Report 15 (1980-1981), S. 36 (Annex 6) (Hervorhebungen vom Verf.). Schließlich ergibt sich die gleiche Vorgehensweise im Fall Gabun / Serete; I CSID, a.a. 0., S. 39 86 Siehe unten Text bei Fußnote 129 ff. 83

84

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

beenden. Der Wille der Parteien wird dem Gericht gegenüber erklärt. Eine Weiterbefassung nach einem außergerichtlichen Vergleich erübrigt sich, weil ein anderes Mittel friedlicher Streitbeilegung bereits zum Ziele geführt hat. Die Parteien nehmen das Rechtsschutzgesuch an die Instanz zurück. Damit wird die Notifikation selbst zur entscheidenden Prozeßhandlung, die die Verfahrensbeendigung zur Folge hat. 87 Morelli hat diese Wirkung der Notifikation präzise umschrieben:

"La regle particuliere de l'artic1e 68 du Reglement, en tenant compte de l'effet produit par l'arrangement amiable sur la base du droit international general et du fait que le but propre au proces, c'est-a-dire la solution du litige, est atteint par un autre moyen, I'arrangement amiable, rattache au meme arrangement amiable, au cas Oll les parties le font connaltre par ecrit cl la Cour, la consequence de la c1öture de la procedure". 88 Besonders deutlich wird diese prozessuale Bedeutung der Notifikation des Vergleichs als Prozeßhandlung mit der Wirkung der Verfahrensbeendigung bei Pecourt Garcia dargestellt in der Gegenüberstellung zur Klagerücknahme: "Hay aqui, pues, los medios procesales previstos por el vigente Reglamento dei T.I.J., que permiten una terminaci6n excepcional de un proceso encurso ante dicho Tribunal por voluntad de las partes, tales medios son: a) el acto de declaracion de la existencia de un acuerdo entre las Partes sobre la soluci6n que hay dar allitio; y b) el desistimiento.

87 Es ist ja denkbar, daß die Parteien sich nur teilweise einigen und den "Rest" einer Erledigung durch das Gericht überlassen wollen. Dann werden sie entsprechende Erklärungen abgeben. Teilen sie nur mit, daß der Streit durch Vergleich beigelegt ist, dann ist die Mitteilung allein entscheidend als Manifestation des Parteiwillens zur Verfahrensbeendigung. 88 Morelli, Barcelona Traction (1.Phase), lCJ Rep. 1964, S. 6 (101). Vgl. auch a.a.O., S.102: "L'arrangement amiable, si les conditions indiquees a l'article 68 du Reglement sont remplies et sur la base de cet article, produit bien la consequence de la clöture du proces au cours duquel il est accompli"; und a.a.O., S. 103: "Le desistement prevu soit a l'article 69, comme c'est le cas dans l'espece, soit aussi a l'article 68 du Reglement (de meme que, sur la base de ce dernier article, l'arrangement amiable notifie par les parties ala Cour, abstraction faite, bien entendu, des effets produits par I'arrangement amiable sur la base du droit international general) ne produit donc d'autres consequences juridiques que ce1le consistant a eteindre les effets de la requete presentee a la Cour, c'est-a-dire a clore le proces au cours duquel le desistement est intervenu". Ebenso: dei Vecchio, Le parti, S. 243: "desistement que prende la forma di una communicazione comune ... "; Rosenne, Law and Practice, Bd. 2, S. 535; Seerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (660); Guyomar, Commentaire, S. 400.

1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

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En tanto que le primerio de es tos dos medios no presenta una conjiguracion tecnico-procesal sustantiva, pudiendo, si acaso, configurarse corno un acto dispositivo de las partes, el segundo constituye en esencia un concepto tecnicoprocesal en sentido estricto en el que se encapsula una instituci6n cuyasfunciones condiciones de funcionamiento y efectos importa precisar". 89 Für den IGH ist die jeweilige Mitteilung der Streitparteien die entscheidende prozessuale Handlung, die das Verfahren beendet. Der Effekt tritt ein, wenn die letzte konkordierende Erklärung vorliegt: "One difference between the two provisions is, however, significant. Whereas Article 68 contemplates a discontinuance which not only is (in effect) an agreed one, but also takes the form of an agreed communication to the Court... "90 Allerdings müssen die formalen Voraussetzungen der jeweiligen Prozeßordnung im übrigen erfüllt sein. Über die Einhaltung dieser Vorschriften hat das jeweilige Gericht zu wachen. Damit aber läßt sich abschließend sagen: Liegen der Instanz übereinstimmende Mitteilungen der Parteien darüber vor, daß ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen worden ist und erfüllen solche Notifikationen die formalen Voraussetzungen der jeweiligen Verfahrensordnung, dann wird damit das Verfahren beendet, es sei denn, die VerfO sieht weitergehende Mitteilungspflichten oder Prüfungsrechte des Hofes vor. Gibt es keine VerfO-Regelung, so gelten die oben dargelegten Grundsätze entsprechend, als ständige Praxis internationaler Gerichte. 7. Anträge an das Gericht

a. Allgemeines In den VerfO'en des (St)IGH, sowie den davon abgeleiteten, ist über die Mitteilung des außergerichtlichen Vergleichs hinaus kein weiterer Antrag vorgesehen. Die VerfO'en sehen als antragsunabhängige Rechtsfolge vor, daß das Gericht die Streichung aus dem Register anordnet. 91 Die Entwürfe der International Law Commission sehen keine Anträge zur Verfahrenseinstellung vor. Dies gilt auch für die europäischen Instanzen von EGKS, EuGH und EuKernEG. In den Fällen, in denen die Verfahrenseinstellung nicht ausdrücklich geregelt ist, weist die Praxis durchgängig neben der Mitteilung über den

Rev. Esp. Derecho In1'l 23 (1970), S. 231 (238). Barcelona Traction (1.Phase), ICJ Rep. 1964, S. 6 (20). 91 Ein entsprechender Antrag hat nur hinweisende Bedeutung; in der Praxis ist dies auch nicht üblich. Anders hingegen in den VerfO'en von ICSID, in denen Art. 43 (1) bzw. Art. 50 (1) ausdrücklich vorsehen, daß die Parteien den Erlaß einer Verfügung, die die Verfahrenseinstellung anordnet, beantragen müssen; solche Anträge sind auch durchgängige Praxis vor den ICSID-Schiedsgerichten. 89 90

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

außergerichtlichen Vergleich auch entsprechende Anträge der Parteien über die weitere Vorgehensweise der Instanz aus. Als allgemeiner Grundsatz läßt sich insoweit feststellen, daß die Parteien die Feststellung des Vergleichs und Feststellung der Beendigung der Instanz beantragen. 92 b. Anträge beim materiellen Vergleich seit VerfO IGH 1978 Gern. Artikel 88 (1) VerfO IGH 1978 kann nur die Verfahrenseinstellung selbst in der Verfügung des Gerichts vermerkt werden. Soll die Verfügung den Umstand einer gütlichen Einigung erwähnen, oder den Text dieser Einigung in die Verfügung oder einen Annex dazu aufnehmen, so bedarf es eines ausdrücklichen einvernehmlichen Antrages. Beide Parteien müssen diesen Wunsch an das Gericht richten. Damit ist ein Antrag nur des erscheinenden Staates unbeachtlich, wenn der andere säumig ist. 93 Diese Regelung in Art. 88 (1) entspricht der vorsichtigen Praxis des StlGH im Borchgrave-Fall, die beim Verfahrensvergleich dargestellt wird. 9492 " ••• et ils I'ont prie de vouloir bien leur donner acte de cette communication et en consequence de se dessaisir de la dite affaire". Tavignano, Rapport du Conseil Administratif 13 (1914), S. 13; "Art. V. des Abkommens zwischen der BR Deutschland und Israel vom 1.6.1962, UNTS 448, S. 230: " ... with the request ofboth Parties that the Mediation proceedings be formally terminated". Vgl. RIAA XVI; S. 1 (4). In Gut Dam gaben die Agenten eine gemeinsame Erklärung des Inhalts ab, daß sich die Parteien in der bestimmten Höhe über ein lump-sum agreement geeinigt hätten. Daß das Gericht den Vergleichsschluß feststellen sollte, wurde schlicht vorausgesetzt und nicht besonders beantragt. Goodman, Report, Gut Dam, ILM 8 (1969), S. 118 (141). Nicht ersichtlich ist, ob und welche Anträge die Parteien an das Schiedsgericht im Leuchttürme-Schiedsfall gestellt haben. Nachdem eine gütliche Regelung der ausstehenden Fragen zwischen dem Staat Griechenland und der französischen Gesellschaft, die Frankreich in dem Schiedsverfahren diplomatisch schützte, erreicht war, erklärten beide Vertragsparteien: "Toutes deux etaient d'accord pour considerer le proces pendant devant le Tribunal arbitral de La Haye en vertu dudit compromis comme termine et raye definitivement du röle de ce tribunal", so berichtet bei Rousseau, L'afTaire des phares, RGDIP 63 (1959), S. 248 (292); die Parteien des Schiedsverfahrens zeichneten am gleichen Tag ein Abkommen, in dem sich Griechenland als "comme entierement desinteresse" bezeichnete, und Frankreich den Streit "comme definitivement regle ... " betrachtete, Rousseau, ibid .. In einem Schlußprotokoll wurde dann aber das Verfahren beendet. "Dans ces conditions, le Tribunal, par un Protocol Final en date du 15 Juillet 1957, a constate qu'aucune sentence ulterieure n'etait necessaire et il a dec1are le litige definitivement liquide par la volonte commune des Parties contractantes". Rapport du Conseil Administratif 57 (1958), S. 8: hier können nur die Parteien des Schiedsverfahrens, nämlich Frankreich und Griechenland, gemeint und sich entsprechend ebenfalls über die gütliche Einigung verständigt haben. 93 Anders in der Verfügung im Teheraner Geisel-Fall, lCJ Rep. 1981, S. 45 (46 f.), und sogar gegen die Ausführungen des die Verfahrenseinstellung betreibenden Staates selbst, Brief des stellvertretenden Agenten Dunnigan, 1.5.1981, der ausdrücklich hervorhebt, daß es eine Einigung im Sinne von Art. 88 (2) VerfO IGH zwischen den Streitparteien nicht gegeben habe.

1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

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11. Der Verfahrensvergleich 1. Rechtsnatur Im Unterschied zum materiellen Vergleich ist Gegenstand des Verfahrensvergleiches allein die Einigung der Parteien, das anhängige Verfahren zu beenden. Während das rein prozessuale Element der einvernehmlichen Erklärung in der VerfO des StIGH von 1922 95 ebenso wie in den VerfO'en des (St)IGH von 1936, 1946 und 1972 betont wird, scheint im Gegensatz dazu die VerfO IGH 1978 stärker die materielle Einigung im Wortlaut niedergelegt zu haben. 96 Die Reformulierung ergibt sich aus der Reduzierung der Verfahrenseinstellung auf die einvernehmliche Beendigung der Instanz ohne Berücksichtigung von Motiven. 97 Es ist abzustellen auf die prozessual relevanten Erklärungshandlungen. Der Verfahrensvergleich erfordert nur parallele Prozeßerklärungen der Streitparteien, einvernehmlich das Verfahren nicht fortsetzen zu wollen. 98 Für diese Auffassung ist es unerheblich, ob das Verfahren durch einseitigen Antrag oder durch Kompromiß eingeleitet worden ist. Die Parteien disponieren einvernehmlich über das Schicksal des Verfahrens. In der Gerichtspraxis des IGH sind zwei Fälle durch Verfahrensvergleich beendet worden, die durch einseitigen Antrag 99 bzw. durch Komprorniß1OO eingeleitet worden waren. Eine dem Verfahrensvergleich in praxi nahe kommende Vereinbarung ist die, ein Verfahren "auf ewig" ruhen zu lassen. 101 94 PCIJ, Series AI B, No. 73, S. 4. Dazu unten Text bei Fußnote 145 ff. Selbst wenn also die Mitteilungen der Parteien über eine Verfahrenseinstellung nach 1978 mehr enthalten als die des "Borchgrave-Musters", dann darf doch nicht mehr als im "BorchgraveMuster" zum Gegenstand der Verfügung des Gerichts gemacht werden, es sei denn, daß eine ausdrückliche Erklärung über eine dahingehende Einigung zwischen den Parteien in der Mitteilung selbst enhalten ist, Borchgrave, PCIl, Series AlB, No. 73, S. 4. 95 Vgl. Art. 61 (2): "Should the parties by mutual agreement notify the Court in writing that they intend to break offproceedings ... ", und Art. 68 (1) bzw. 73 (1): " ... by mutual agreement inform the Court in writing that they are not going on with the proceedings". 96 Art. 88 (1):" ... the parties... notify the Court in writing that they have agreed to discontinue the proceedings ... ". 97 Vgl. auch die Model Rules der ILC von 1958, Art. 22 (2): "If the case is discontinued by agreement between the parties, ... " und auch die ICSID SchiedsverfO, Art. 43 (1): "The parties agree ... or otherwise to discontinue I ou conviennent de mettre autrement fin ä l'instance ... " . 98 Diss.Op. Morelli, Barcelona Traction (1.Phase), ICI Rep. 1964, S. 6 (101); dei Vecchio, Le parti, S. 234; Pecourt Garcia, EI desistimiento, Rev. Esp. Derodao Int'l 23 (197), S. 231 (238); Rosenne, Law and Practice, Bd. 2, S. 534. Dagegen Diss. Op. ad hoc Richter Armand-Ugon, Barcelona Traction (1.Phase), ICI Rep. 1964, S. 6 (116), der - in etwas anderem Zusammenhang - von einem "contrat judiciaire" spricht. 99 Losinger und Teheraner Geisel-Fall. 1()() Castellorizo und Borchgrave. 101 In der Praxis des Ö/D SchGVV gab es solche Fälle; Entscheidung No. 31 v. 25.2.1964 und Entscheidung No. 41 v. 1.7.1963, Anhang IIINr. 17. Seidl-Hohenveldern, Austrian German Arbitral Tribunal, S. 54.

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

2. Form, Inhalt, Vergleichsschlußbefugnis und Wirkungen in materieller Hinsicht

Auf Form, Inhalt und die Vergleichsbefugnis in materiell-rechtlicher Hinsicht kommt es nicht an. Das Gericht kann nur die prozessualen Voraussetzungen zur Kenntnis nehmen. 102 3. Fristen

Die verschiedenen Verfahrensordnungen, die den Verfahrensvergleich regeln, lassen diesen in den gleichen zeitlichen Grenzen zu, wie den materiellen Vergleich und dessen Notifikation an das Gericht. Deshalb kann auf das bereits dort Gesagte verwiesen werden. 103 4. Mitteilungen an das Gericht

a. Form ( 1) Erklärungsberechtigung

Es gelten die allgemeinen Regeln für Prozeßerklärungen. 104 Dazu gehört auch die Befugnis, Erklärungen über den Verfahrensvergleich abzugeben. !Os Der Agent ist zu den Erklärungen über eine Verfahrensbeendigung ebenso wie zur Klageerhebung selbst -als Verfahrensschritt- befugt. 106 Allerdings wurde im ersten Fall eines Verfahrensvergleichs eine abweichende Vorgehensweise sichtbar, die Einzelfall blieb. Der Castellorizo-Fall wurde durch eine einseitige Notifikation des Kompromisses anhängig gemacht, die auch den Prozeßagenten benannte. Der weitere streitbeteiligte Staat benannte im Laufe des gesamten Verfahrens keinen Agenten. 10? Das Verfahren wurde von Anfang nicht betrieben, denn die Parteien schlossen bereits knapp sechs Wochen nach der Notifikation einen Vergleich. Auf Antrag beider Parteien wurden verschiedene Losinger, PCIJ, Series AlB, No. 69 und Borchgrave, PCIJ Series AlB, No. 73. Oben Text bei Fußnote 18 ff. In der VerfO des StIGH von 1922 war in Abs. 2 des Artikels 61 noch keine zeitliche Grenze geregelt; seit 1936 ist dies jedoch für alle Vergleichsarten gleich geregelt. 104 Vgl. oben Text bei Fußnote 53. 105 Scerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (661); Rupp, Staatsvertreter, S. 64 ff. und S. 81 mit zahlreichen Hinweisen; vgl. dei Vecchio, Le parti, S. 126, und daselbst S. 129; für den EuGH Monaco, Representation, FS Bindschedler, S. 373 (376); Witenberg, Organisationjudiciaire, S. 70; Bruns, La Cour permanente, RdC 62 (1937 IV), S. 551 (585605), ausführlich hier. 106 Scerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (662 Fn. 1): Vgl. Art. 32 (3) VerfO StIGH 1936 und Art. 38 (3) VerfO IGH 1978. Losinger, PCIJ, Series C, No. 78, S. 209, Borchgrave, PCIJ, Series C, No. 83, S. 170 und Teheraner Geisel-Fall, IC] Pleadings (unveröff.), Brief v. 6.4.1981, IC] Rep. 1981, S. 45 (46), in denen die jeweiligen Erklärungen jeweils von den Agenten abgegeben wurden; seit 1936 also ständige Praxis. 107 Castellorizo, PCIJ, Series C, No. 61, S. 9 ff. 102

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1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

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Fristenverlängerungen gewährt, weil die Parteien das Verfahren erst nach der Ratifizierung des Sachabkommens beenden wollten. Hier wird man die Grundsätze über die Zuständigkeit für Prozeßhandlungen im Verfahren vor der Ernennung eines Agenten anwenden können. Rupp 108 hat überzeugend dargetan, daß in der Gerichtspraxis des (St)IGH die diplomatischen Vertreter den Verkehr mit dem Hof pflegen und vor der Ernennung des Agenten als auch nach Beendigung des Verfahrens die notwendigen Erklärungen abgeben. 109 Es ist nach der VerfO des (St)IGH durchaus zulässig, und auch praktiziert worden, daß diplomatische Vertreter Klage erheben und die Kompromisse notifizieren. llo Die diplomatischen Vertreter können prozeßbeendigende Erklärungen abgeben, wenn der Agent noch nicht ernannt worden ist. Die Ernennung nur um des verfahrensbeendigenden Aktes willen ist unsinnig. Der diplomatische Vertreter handelt dann als "vorläufiger Vertreter". 111 Im Castellorizo-Fall konnte also der italienische Botschafter im Haag die Erklärung über den Verfahrensvergleich abgeben, weil noch kein Agent benannt war. 1l2 Andererseits hat der andere Streitbeteiligte im Castellorizo-Fall die entsprechende Erklärung nicht durch seinen bereits benannten Agenten, sondern den Geschäftsträger der türkischen Botschaft im Haag abgegeben. 113 Ein "Übergehens des Agenten" kommt in der Praxis vor. Bereits Rupp hielt das Übergehen des Agenten für zulässig: "Aber auch ohne daß dem Agenten Rupp, Staatsvertreter, S. 43. Vgl. den Fall Compagnie du Port, ICl Rep. 1960, S. 140, in dem nach Abberufung des Botschafters des Libanon im Haag und London, der zugleich der Agent war, der charge d'affaire ad interim die entsprechenden Notifikationen vornahm. 110 Zur älteren Praxis vgl. Rupp, Staatsvertreter, S. 13 ff.; Hudson, PCIl 1943, S. 528: "provisional agents"; Lighthouses case between France and Greece, PCIl, Series C, No. 74, S. 404. 111 Vgl. ebenso Scerni, Procedure, RdC 65 (1938 III), S. 565 (662 Fn. 1), der aus dem Umstand, daß der Agent die Klage auch einreichen darf, schließt, daß er auch zurück nehmen darf. So müßte es dann auch für den diplomatischen Vertreter sein. Übrigens handelte der italienische Botschafter "D'ordre de mon Gouvernement", PCIl, Series C, No. 61, S. 29. Hierbei ist zu beachten, daß für den Verkehr zwischen dem internationalen Gericht und den Staaten nicht notwendigerweise die Gesandten zuständig sind, die bei der Regierung des Gerichtssitzes akkreditiert sind. Jeder Staat legt den Zustellungsbevollmächtigten durch Mitteilung an das Gericht fest. Für den StIGH vgl. PCIl, Series E, No. 1, S. 141. Dazu Rupp, Staatsvertreter, S. 12 ff.; vgl. die Abwicklung im Compagnie du Port-Fall, in dem lange kein Agent bestellt wurde, ICl Pleadings, S. 116. Mit weiteren Hinweisen zur "nachlässigen" Praxis in Hinsicht auf die Ernennung von Staatenvertretern siehe Rupp, Staatsvertreter, S. 24 ff. 112 So insbesondere Hudson, PCIl 1943, S. 528, Fn.8: "Provisional agents are sometimes appointed in the conc1uding stages of a proceeding also". So im übrigen der StIGH selbst in Interpretation ofthe Statute ofthe Meme! Territory, PCIl, Series C, No. 59, S. 602. !l3 Die entsprechende Erklärung des Geschäftsträgers beginnt mit den Worten: "D'ordre de mon gouvernement, ... ". Castellorizo, PCIl, Series C, No. 61, S. 29. 108

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

seine Vollmacht ausdrücklich entzogen wird, muß ein direktes Eingreifen der Regierung in das Verfahren durch den zur Abgabe von Erklärungen nach außen allgemein legitimierten Außenminister möglich sein. (... ) Außenminister und Staatspräsident sind zur Abgabe von Erklärungen nach außen allgemein legitimiert, während der Gesandte wie der Agent nur Bevollmächtigte für einen bestimmten Bereich sind".u4 Die Agenten sind für die Erklärungen zuständig. Es kann aber der allgemeine Vertreter des Staates nach außen Erklärungen abgeben, ebenso wie dies ausnahmsweise der "vorläufige Vertreter" kann. (2) Schriftform

In allen Verfahrensordnungen ist Schriftform vorgesehen. 115 (3) Übereinstimmende Erklärungen oder gemeinsames Dokument

Wie beim materiellen Vergleich bedarf es keines gemeinsamen Dokuments, in Clem der Abschluß des Vergleichs dem Gericht mitgeteilt wird, aber jedenfalls inhaltlich übereinstimmender Erklärungen der Parteien. 116 (4) Das Erfordernis der Prozeßerklärung durch alle Streitparteien

Fraglich ist, ob das Erfordernis, daß die Parteien auch einzeln (separately / separement) die einvernehmliche Verfahrens beendigung anzeigen können, so verstanden werden kann, daß überhaupt nur eine Partei diese Einigung mitteilen muß. Nach den Ausführungen des Hofes selbst, daß Art. 68 VerfO 1946 (88), "contemplates a discontinuance which not only is (in effect) an agreed one, but also takes the form of an agreed communication to the Court..."117, ist davon auszugehen, daß es stets einer Erklärung an das Gericht durch alle Parteien bedarf. 118 Entscheidend sind beim Verfahrensvergleich die Prozeßhandlungen der Parteien; die konkordierenden Erklärungen zur Verfahrensbeendigung. 119

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Rupp, Staatsvertreter, S. 48.

Dazu oben Text bei Fußnote 63 f. Oben Text bei Fußnote 62 ff. Während in den Fällen Castellorizo und Losinger separate, gleichlautende Noten an den Hof gerichtet wurden, erfolgten im BorchgraveFall sogar identische Mitteilungen; für den Abdruck siehe unten Fußnote 141 ff. 117 Barcelona Traction (1.Phase), ICI Rep. 1964, S. 6 (20). Vgl. aber Teheraner GeiselFall, ICI Rep. 1981, S. 45 (47). 118 So auch früher der IGH im "Compagnie du Port"-Fall, in dem der beklagte Staat zu einer parallelen Erklärung aufgefordert wurde, weil solche von "chaque parti" abzugeben sei. ICI Pleadings, S. 137. 119 Dazu bereits oben im Text bei Fußnote 95 ff. Anders der IGH im Teheraner GeiselFall, der zu unrecht als Fall des Art. 88 (1) VerfO, und nicht als Klagerücknahme nach Art. 89 (1) VerfO behandelt wurde; dazu noch unten Text bei Fn. 300 ff. l1S

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1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

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(5) Bedingungsfeindlichkeit der Mitteilungen an den Hof

Prozeßhandlungen im innerstaatlichen Prozeß gelten als bedingungsfeindlich. Fraglich ist, ob sich im internationalen Prozeß eine Verfahrensbeendigung unter Widerrufsvorbehalt vorstellen läßt. Im Teheraner Geisel-Fall jedenfalls, den der IGH zu Unrecht als Vergleich nach Art. 88 (1) IGH VerfO behandelte 120, wollte der USamerikanische Agent eine Verfahrenseinstellung unter folgendem Vorbehalt erwirken: "The United States reserves the right, however, to reinstitute such proceedings if the Government of Iran fails to live up to its commitments under the foregoing declarations. Independently of the foregoing, the United States reserves the right to seek redress in the Court if the Iran fails to return promptly the premises, property, archives and documents ofthe United States Embassy in Teheran and of its Consulates in Iran".12l Der Präsident des IGH wies daraufhin, daß eine Verfahrenseinstellung unter Bedingungen in Art. 88 (1) nicht geregelt sei, und daß es eine bedingte Streichung aus dem Register nicht gäbe. 122 Daraufhin präzisierte der US-Agent seine Erklärung: "In seeking a discontinuance, we intend that all currently pending proceedings relating to the United States claims against Iran for reparation be discontinued, and that the Court issue an order recording the discontinuance and directing the removal of those proceedings from the list. We understand that the effect of a discontinuance is exclusively procedural". (Unser Vorbehalt) "was intended to reflect for the record our understanding that the request for discontinuance would neither renounce nor prejudice any further right of action with regard to these claims in the circumstances mentioned in that statement. The statement was not meant to condition or qualify the normal procedural effect of a discontinuance".123 In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des IGH ist daran festzuhalten, daß Prozeßerklärungen "are notifications made to the Court and not passing between the parties, so that any understandings between them (... ) must precede and be sought for outside the act of discontinuance itself' .124 Der US-Agent wollte einen Vorbehalt hinsichtlich möglicher materieller Rechtsfolgen der Prozeßhandlungen in materiell-rechtlicher Sicht machen. Das aber ist nach gängiger Praxis möglich, allerdings als gesonderte Erklärung von Vorbehalten

120 Dazu Wegen, Discontinuance, AJIL 76 (1982), S. 717. 121 ICJ Rep. 1981, S. 45 (46). 122 ICJ Pleadings Brief des Präsidenten vom 15.4.1981 (unveröffentlicht); Abdruck

nach einer Kopie des IGH. 123 Ibid; Brief des US-Agenten vom 1.5.1981 (Hervorhebung vom Verf.). 124 Barcelona Traction (1.Phase), ICJ Rep. 1964, S. 4 (20). (Hervorhebung vom Verf.). 15 Wegen

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3. Hauptteil: Einzelfragen des Vergleichs im internationalen Prozeß

zu materiellen Rechtspositionen. 125 Damit ist klar, daß Rechtspositionen vorbehalten werden können 126 , Prozeßhandlungen jedoch nicht unter Bedingungen abgegeben werden können. b. Inhalt und Umfang der Mitteilungen Beim Verfahrensvergleich bedarf es nur der "abstrakten" Prozeßerklärung, daß die Parteien einvernehmlich die Verfahrensbeendigung wünschen. Über diese Erklärung hinaus sind keinerlei Angaben erforderlich. 127 In den anderen Fällen stellten die Parteien dar, wie es zu den in den Mitteilungen ebenfalls enthaltenen Prozeßerklärungen über die Beendigung des Verfahrens kam. 128 Es 125 Vgl. in POW die Mitteilung des pakistanischen Agenten an den Hof, ICI Pleadings, S. 175 f.; vgl. auch die Notifikation des englischen Agenten in Aerial Incident 1955 (UK), ICI Pleadings, S. 698. 126 Rosenne, Commentary, S. 186. Im übrigen sprach der US-Agent zwei verschiedene Sachverhalte in seinem Vorbehalt an. Zum einen wollte er klarstellen, daß die USA sich vorbehalten wollten, den IGH erneut anzurufen, falls sich der Iran nicht an die Abmachungen der Algiers-Erklärungen halten sollte. Hier aber ist fraglich, ob nicht vielmehr dann das Iran-U nited States Claims Tribunal zuständig wäre für die Feststellung solcher Vertragsverletzungen, so schon Wegen, Discontinuance, AJIL 76 (1982), S. 717 (735/6). Zum anderen wollten sich die USA den erneuten Weg zum IGH offenhalten, falls der Iran nicht unverzüglich alle Räumlichkeiten, Eigentum, Archive und Dokumente an die USA zurückgäben. Allerdings ist diese Verpflichtung bereits im Urteil des IGH ausgesprochen. Damit aber ist die Verletzung dieser Verpflichtung eine Frage der Ausführung und Vollstreckung eines Urteils des IGH und keine Frage des "Klagevorbehaltes"; so auch bei Wegen, Discontinuance, AJIL 76 (1982), S. 717 (733). 127 So geschah dies allerdings nur in einem Falle. Im Borchgrave-Fall sandten beide Streitparteien inhaltlich identische Erklärungen an das Gericht, die nur auf die Verfahrensbeendigung abzielende Prozeßerklärungen enthielten: "J'ai l'honneur de vous demander de bien vouloir porter la connaissance de la Cour que, de commun accord, les Gouvernements beige et espagnol renoncent a poursuivre l'instance concernant l'affaire de Borchgrave. Veuillez agreer, etc.".Borchgrave, PCII, Series C, No. 83, S. 170. 128 (1) Castellorizo: Die türkische Seite: "D'ordre de mon Gouvernement, j'ai l'honneur de porter a votre connaissance que le differend surgi entre l'Italie et la Turquie au sujet de l'appartenance des lies, 1I0ts et rochers environnant l'ile de Castellorizo se trouve regle par la signature d'un Accord negocie et conclu dans un esprit amical a Ankara le 4 janvier 1932 ... Je me permets donc, en me basant sur les dispositions de l'art. 61 du Reglement de la Cour, de vous faire savoir que le Gouvernement turc, d'accord en cela avec le Gouvernement royal d'Italie, se desiste de son action introduite par sa requete du 18 novembre 1931, et je vous prie de prendre acte de cette communication afin que ladite affaire soit rayee du röle de la Cour". Die italienische Seite: "D'ordre de mon Gouvernement,j'ai l'honneur de vous informer que le differend surgi entre L'Italie et la Turquie au sujet de l'appartenance des iles, ilots et rochers environnant l'ile de Castellorizo se trouve regle par la signature d'un Accord negocie et conclu dans un esprit amical a Ankara le 4 janvier 1932 ... le me permets donc, me basant sur les dispositions de l'art. 61 du Reglement de la Cour, de vous faire savoir que le Gouvernement italien, d'accord avec le Gouvernement turc, renonce a poursuivre la

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1. Kap.: Der Vergleich und die Parteien

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genügt allein eine Erklärung nach dem "Borchgrave-Muster". Dies bestätigt die Fassung von Art. 88 (1) und (2) VerfO IGH 1978. Absatz 1 regelt allein die einvernehmlichen Erklärungen an das Gericht, während Absatz 2 es zuläßt, bei zusätzlichem, ausdrücklichen Wunsch über die Mitteilung der Verfahrensbeendigung hinaus das Faktum eines materiellen, außergerichtlichen Vergleichs oder dessen Text in der Verfügung oder einem Annex mitzuteilen. Aus der neuen Regelung des Artikel 88 (2) VerfO IGH kann im Umkehrschluß gefolgert werden, daß der Hof den Wortlaut der Prozeßerklärungen der Parteien nicht in seine Verfügung aufnehmen darf. Hierzu bedarf es eines ausdrücklichen Antrages beider Parteien.

procedure prevue dans le compromis d'arbitrage intervenu ä Ankara le 30 mai 1929 entre l'Italie et la Turquie et initi