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German Pages 362 [364] Year 2023
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 515 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer und Ralf Michaels
Tatjana Tertsch
Reformbedarf im internationalen Abstammungsrecht
Mohr Siebeck
Tatjana Tertsch, geboren 1993; Studium der Rechtswissenschaft in München und Edinburgh; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Ludwig-Maximilians-Universität München; 2022 Promotion; Referendariat am Landgericht München I. orcid.com/0009-0007-8872-7413
ISBN 978-3-16-162498-8 / eISBN 978-3-16-162499-5 DOI 10.1628/978-3-16-162499-5 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über https://dnb.de abrufbar. © 2023 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Bodelshausen aus der Times gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2022/2023 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung von Professor Dr. Anatol Dutta, M. Jur. (Oxford). Für die Veröffentlichung konnten Literatur und Rechtsprechung bis April 2023 berücksichtigt werden. Mein herzlichster Dank gebührt meinem Doktorvater Professor Dr. Anatol Dutta, der nicht nur die Anregung zum Thema der Arbeit gab, sondern mit seiner begeisternden Art auch mein Interesse am internationalen Familienrecht weckte. Er war immer offen für Fragen und fand stets die passenden Worte, um mich zu fordern und zu motivieren. Die Zeit am Lehrstuhl war für mich in fachlicher, aber vor allem auch in persönlicher Hinsicht sehr prägend und wird mir immer in guter Erinnerung bleiben. Danken möchte ich auch Professor Dr. Andreas Spickhoff für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und Professor Dr. Stephan Lorenz für die Abnahme meiner mündlichen Prüfung. Den Direktoren des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe des Instituts. Ferner gilt mein Dank der Studienstiftung ius vivum für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Wesentlichen Anteil am Gelingen dieser Arbeit hatten darüber hinaus meine Kollegen am Lehrstuhl, insbesondere Dr. Felix Aiwanger, Dr. Christiane von Bary und Dr. Charlotte Wendland. Ihnen danke ich für die zahlreichen Diskussionen, ihre wertvollen Anmerkungen und ihren Zuspruch. Für die mühevolle sprachliche Durchsicht des Manuskripts bedanke ich mich ganz herzlich bei Rosa Wurm, Stephan Bichl sowie Sabine und Winfried Hanslmeier, die die Arbeit von so manchen Fehlern befreiten. Besonderen Dank schulde ich meinem Freund Christoph Herzog, der mich während der ganzen Zeit liebevoll unterstützte, ermutigte und für die nötige Ablenkung von der Arbeit sorgte. Mein größter Dank gilt schließlich meinen Eltern und meiner Schwester, die mich schon immer bei all meinen Vorhaben unterstützt haben und ohne deren Vertrauen und steten Rückhalt diese Arbeit nicht entstanden wäre. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. München, im April 2023
Tatjana Tertsch
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein rechtsvergleichender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 A. Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Abstammung bei medizinisch assistierter Zeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Gleichgeschlechtliche Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Abstammung von trans- und intergeschlechtlichen Personen . . . . . . . . . G. Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 8 22 29 40 50 54
2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht . . . . . . 59 A. B. C. D. E. F.
Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . Vorrangig zu beachtende Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB . . . . Probleme bei der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . Fazit: Reformbedürftigkeit des internationalen Abstammungsrechts . . .
59 61 63 69 117 191
3. Kapitel: Europarechtliche Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 A. Sekundärrechtliche Anerkennungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
VIII
Inhaltsübersicht
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV . . . . . . 196
4. Kapitel: Bestrebungen auf europäischer und internationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 A. Vorhaben der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht . . . . . . 227 B. Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zum internationalen Abstammungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 A. Anknüpfungsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Sonderanknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Renvoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Anpassung des Anfechtungsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Ergebnis: Ausformulierter Gesetzesvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
236 250 275 290 296 301
Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein rechtsvergleichender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 A. Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 B. Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 I. Vaterschaft kraft Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vaterschaftsvermutung des Ehemanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vaterschaftsvermutung des nichtehelichen Lebensgefährten . . . . . . . . . . II. Vaterschaft kraft Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gerichtliche Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Statusbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anfechtung der Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 9 11 11 15 17 18
C. Abstammung bei medizinisch assistierter Zeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Abstammung bei künstlicher Befruchtung mittels Eizellenund Samenspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Vaterschaft bei postmortaler Insemination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
D. Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zulässigkeit der Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abstammungsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern kraft Gesetzes . . . . . . . . . . 2. Gerichtliche Übertragung der Elternstellung auf die Wunscheltern . . . . . 3. Anwendung der allgemeinen Abstammungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 30 33 34 36 38
E. Gleichgeschlechtliche Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Co-Mutterschaft in Fällen von medizinisch assistierter Reproduktion . . . . . 42
X
Inhaltsverzeichnis
1. Abstammung aufgrund Zustimmung zur medizinisch assistierten Reproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abstammung aufgrund Ehe, Anerkennung und gerichtlicher Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Co-Mutterschaft unabhängig von der Art der Zeugung des Kindes . . . . . . . III. Gleichgeschlechtliche Elternschaft infolge Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . .
42 44 46 49
F. Abstammung von trans- und intergeschlechtlichen Personen . . . . . . . . . 50 G. Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht . . . . . . 59 A. Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . 59 B. Vorrangig zu beachtende Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 C. Historische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Rechtslage vor 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Rechtspolitischer Hintergrund der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB . . . . 69 I. Anwendungsbereich und Qualifikationsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Abgrenzung zur Anfechtung – Vaterschaftsbeseitigende Anerkennungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Ausländische dem deutschen Recht unbekannte Abstammungszuordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Abstammung von Embryonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Feststellung der leiblichen Abstammung ohne statusrechtlichen Folgen . 77 II. Anknüpfungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Ältere Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Kleinkinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) Der (erste) gewöhnliche Aufenthalt eines Neugeborenen . . . . . . . . . . 84 aa) Relevanz der Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Meinungsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Heimatrecht der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Mehrere potentielle Väter und Mütter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Mehrstaater, Staatenlose und Flüchtlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Ehewirkungsstatut der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Anwendbarkeit: Vorliegen einer Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Objektives Ehewirkungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Beschränkung auf die Abstammung von den Eheleuten . . . . . . . . . . . 93 d) Anwendbarkeit auf andere Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . 93 4. Auswahlentscheidung nach dem Günstigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 95 III. Wandelbarkeit und die Folgen eines Statutenwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Statutenwechsel nach einer Abstammungsbegründung . . . . . . . . . . . . . . 100
Inhaltsverzeichnis
a) Einschränkung der Wandelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösung über die Lehren zum Statutenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Statutenwechsel vor einer Abstammungsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit und Bewertung der Wandelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kumulative Berufung des Heimatrechts des Kindes für die Zustimmung zu einer Anerkennungserklärung nach Art. 23 EGBGB . . . . . 1. Kumulative Anknüpfung nach Art. 23 S. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hilfsweise Anwendung deutschen Rechts nach Art. 23 S. 2 EGBGB . . . V. Beachtung des renvoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
102 102 105 105 106 109 109 113 114
E. Probleme bei der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . 117 I. Konkurrierende Vaterschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kollision von gesetzlicher Zuordnung und Anerkennung . . . . . . . . . . b) Kollision zweier gesetzlicher Zuordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kollision zweier Anerkennungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis der Anknüpfungen zueinander: Alternative oder subsidiäre Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notwendigkeit der Begrenzung auf einen Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorliegen konkurrierender Vaterschaften im Falle einer Anerkennungssperre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nacheinander entstehende Vaterschaften: Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . 6. Gleichzeitig entstehende Vaterschaftszuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Relevanter Zeitpunkt für die Gleichzeitigkeit: Geburt oder Eintragung im Geburtenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragung der Wertungen der §§ 1591 ff. BGB ins Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wahrscheinlichste genetische Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Soziale Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Rechtsordnung mit der engeren Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Streitentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Fazit und Reformüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kollisionsrechtliche Prüfung der Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung der derzeitigen Rechtslage und Reformbedarf . . . . . . . . . e) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkurrierende Mutter- und Vaterschaften bei Leihmutterschaft . . . . . . III. Gleichgeschlechtliche Elternschaft, insbesondere Co-Mutterschaft . . . . . . . 1. Co-Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117 118 118 119 119 120 122 123 125 126 126 128 128 129 130 132 135 136 139 140 141 144 144 148 149 154 157 160 162 162
XII
Inhaltsverzeichnis
a) Keine Co-Mutterschaft bei Durchführung einer künstlichen Befruchtung eines deutschen Paares im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Co-Mutterschaft, wenn nur das Heimatrecht der gebärenden Frau eine solche kennt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Co-Mutterschaft nach ausländischem Abstammungsstatut . . . . . . . . . 2. Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gleichgeschlechtlichkeit per se . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verdrängung des biologischen Vaters bei der Co-Mutterschaft . . . . . . 3. Konkurrierende Eltern-Kind-Zuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit und Reformüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkurrenz zwischen einer Mehrelternschaft und einer Zwei-Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Missbräuchliche Anerkennungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutscher materiell-rechtlicher Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kollisionsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit § 1597a BGB . . . . . a) Vaterschaftsanerkennung eines in Deutschland lebenden Kindes durch einen deutschen Mann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vaterschaftsanerkennung durch einen ausländischen Mann und Vaterschaftsanerkennung eines im Ausland lebenden Kindes . . . . . . . c) Vaterschaftsanerkennung vor ausländischen Behörden . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Auswirkung der alternativen Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf das Anfechtungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anknüpfung der Anfechtung nach Art. 20 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung der Begünstigung der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerung für eine Reform des Art. 19 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . .
163 166 168 169 169 170 172 173 174 175 178 179 179 179 181 181 181 184 185 185 186 187 190
F. Fazit: Reformbedürftigkeit des internationalen Abstammungsrechts . . . 191
3. Kapitel: Europarechtliche Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 A. Sekundärrechtliche Anerkennungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV . . . . . . 196 I. Rechtsprechung des EuGH zum Namensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Garcia Avello . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grunkin Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sayn-Wittgenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bogendorff von Wolffersdorff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Freitag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weiterführung der Rechtsprechung auf die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen – der Fall Coman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197 197 198 198 199 200 200 202
Inhaltsverzeichnis
III. Weiterführung der Rechtsprechung auf die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Elternschaften – der Fall Pancharevo . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anerkennungspflicht eines Abstammungsverhältnisses für das gesamte Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkung der Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schwerwiegender Eingriff in die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nationale Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schlussanträge der Generalanwältin Kokott . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewertung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entgegenstehende Rechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eingriff in das Staatsangehörigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachteile einer durch den EuGH eingeführten Anerkennungspflicht . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
203 203 204 206 207 208 208 210 210 213 213 215 217 219 221 221 224
4. Kapitel: Bestrebungen auf europäischer und internationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 A. Vorhaben der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht . . . . . . 227 B. Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zum internationalen Abstammungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 II. Bestimmung des anwendbaren Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 III. Bewertung des Vorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 A. Anknüpfungsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Regelanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ersatzanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ehewirkungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heimatrecht des Kindes oder des jeweiligen potentiellen Elternteils . . .
237 238 239 241 243 244 245
XIV
Inhaltsverzeichnis
3. Gewöhnlicher Aufenthalt des jeweiligen potentiellen Elternteils . . . . . . III. Maßgeblicher Zeitpunkt der Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung und gerichtliche Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
246 247 248 248
B. Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 I. Modell 1: Alternative Anknüpfung mit einer gesetzlichen Lösung für den Fall von konkurrierenden Elternschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Gesetzliche Lösung für den Fall von widersprüchlichen Ergebnissen . . . 252 2. Konkreter Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Modell 2: Subsidiäre Anknüpfung mit Bestimmung eines Zeitpunktes für die Anwendung des subsidiären Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Bestimmung eines Zeitpunktes für die subsidiären Anknüpfungen . . . . . 259 a) Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Einführung eines Zeitpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Bedürfnis einer gesetzlichen Lösung für konkurrierende Vaterschaften 261 3. Konkreter Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 4. Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 III. Modell 3: Singuläre Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Konkreter Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 IV. Kombinationsmodell 4: Mehrfachanknüpfung nur für die Zuordnung aufgrund eines Rechtsgeschäfts und für die gerichtliche Feststellung . . . . . 265 1. Singuläre Anknüpfung für die Abstammung kraft Gesetzes . . . . . . . . . . 265 2. Alternative Anknüpfung hinsichtlich der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . 266 3. Alternative Anknüpfung hinsichtlich der gerichtlichen Feststellung . . . . 267 4. Normenmangel und Normenhäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Teleologische Auslegung des materiellen Rechts bei einem Normenmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Gesetzliche Lösung bei konkurrierenden Elternschaften . . . . . . . . . . 269 5. Qualifikation der Abstammungsbegründung aufgrund einer vor Zeugung getroffenen Vereinbarung über die Elternschaft sowie aufgrund einer Zustimmung zur Vornahme der künstlichen Befruchtung 270 6. Konkreter Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 7. Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 V. Diskussion und Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
C. Sonderanknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I. Sonderanknüpfung für das Zustimmungserfordernis bei der Anerkennung . 275 II. Sonderanknüpfung für die Abstammung eines mithilfe medizinisch assistierter Reproduktion gezeugten Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
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XV
2. Anknüpfung an den Ort, an dem die medizinisch assistierte Reproduktionsbehandlung durchgeführt wurde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 3. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Fehlende persönliche Verbindung zu dem berufenen Recht . . . . . . . . 280 b) Vergleich mit der Anknüpfung an das Registerstatut bei gleichgeschlechtlichen Paaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 c) Kindeswohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 d) Staatliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 e) Internationaler Entscheidungseinklang und hinkende Abstammungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Anknüpfung als zusätzliche und nicht ausschließliche Anknüpfung 284 b) Beschränkung auf medizinisch assistierte Reproduktionshandlungen mittels Gametenspende . . . . . . . . . . . . . . . 285 c) Konkreter Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 5. Rechtspolitische Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 III. Sonderanknüpfung für die statusunabhängige Klärung der genetischen Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 IV. Sonderanknüpfung bei nicht-leiblicher Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
D. Renvoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 I. Beachtung des renvoi bei den allgemeinen Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . 1. Argumente für eine Gesamtnormverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Argumente für eine Sachnormverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Streitentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beachtung des renvoi bei den Sonderanknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sonderanknüpfung für die Abstammung bei medizinisch assistierter Reproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderanknüpfung für die statusunabhängige Klärung der genetischen Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
291 291 292 294 295 295 295
E. Anpassung des Anfechtungsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Folgeänderung für Art. 20 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 II. Beachtung des renvoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
F. Ergebnis: Ausformulierter Gesetzesvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
Abkürzungsverzeichnis A.3d Atlantic Reporter, third series a. A. andere Ansicht a. F. alte Fassung ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AG Amtsgericht Anh, Anh. Anhang argent. argentinisch Art. Artikel AsylG Asylgesetz AufenthG Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Aufl. Auflage BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BeckOGK beck-online.Großkommentar BeckOK Beck’scher Online-Kommentar belg. belgisch BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BMJV Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz brasil. brasilianisch Brüssel IIb-VO Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen BT-Drucks. Bundestags-Drucksache bulg. bulgarisch BVerfG Bundesverfassungsgericht BW Burgerlijk Wetboek bzw. beziehungsweise Cal. 4th California Reports, Fourth Series Cal. App. 4th California Appellate Reports, fourth series Cal. App. 5th California Appellate Reports, fifth series Cal. Rptr. 2d California Reporter, Second series Cass. Civ. 1 La Cour de cassation, première chambre civile
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
CC Code Civil, Código Civil, Codice Civile CCCN Código Civil y Comercial de la Nación chil. chilenisch CIEC Commission Internationale de l’Etat Civil DÄBl. Deutsches Ärzteblatt dän. dänisch Del. Fam. Ct. The Family Court of the State of Delaware DIJuF Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V dom. dominikanisch DRiZ Deutsche Richterzeitung ed. Editor EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch EGMR Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Einl. Einleitung ElternGB Elterngesetzbuch EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg. endgültig Erwgr. Erwägungsgrund EschG Gesetz zum Schutz von Embryonen estl. estländisch EU Europäische Union EuErbVO Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses EuGH Europäischer Gerichtshof EuGüVO Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands EUV Vertrag über die Europäische Union EWCA Civ England and Wales Court of Appeal (Civil Division) EWCA Civ England and Wales Court of Appeal (Civil Division) EWHC England and Wales High Court; High Court of Justice EWHC (Fam). England and Wales High Court (Family Division) f., ff. folgende FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamG Familiengesetz FamGB Familiengesetzbuch FamPra.ch Die Praxis des Familienrechts FamRB Familien-Rechtsberater FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht FF Forum Familienrecht FGPrax Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit finn. finnisch
Abkürzungsverzeichnis
XIX
FMedG Fortpflanzungsmedizingesetz Fn. Fußnote FPR Familie Partnerschaft Recht frz., franz. französisch FS Festschrift FVGB Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch GA Generalanwalt, Generalanwältin gem. gemäß GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union griech. griechisch GS Gedächtnisschrift h. M. herrschende Meinung Haager Unterhalts- Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende protokoll Recht vom 23. November 2007 HKÜ Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz i. d. F. in der Fassung i. S. v. im Sinne von IntVaterschG Gesetz über internationale Vaterschaftsfragen IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRG Gesetz über das Internationale Privatrecht ital. italienisch IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht jurisPK juris PraxisKommentar JZ Juristenzeitung kanad. kanadisch Kap. Kapitel kat. katalanisch KG Kammergericht KinderG Kindergesetz KOM Europäische Kommission kroat. kroatisch KSÜ Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 lett. lettisch LG Landgericht lit. Litera LMK Leitsätze mit Kommentierung LPartG Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft lux. luxemburgisch m. w. N. mit weiteren Nachweisen
XX
Abkürzungsverzeichnis
MedR Medizinrecht MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern mon. monegassisch MüKo Münchener Kommentar MuSchG Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium niederl. niederländisch NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-Beil Neue Juristische Wochenschrift – Beilage norw., norweg. norwegisch Nr. Nummer NZFam Neue Zeitschrift für Familienrecht OLG Oberlandesgericht österr. österreichisch P.2d Pacific Reporter, Second Series P.3d Pacific Reporter, Third Series peruan. peruanisch poln. polnisch port., portug. portugiesisch PStG Personenstandsgesetz RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RGBl. Reichsgesetzblatt RL Richtlinie Rn. Randnummer Rom I-VO Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) Rom III-VO Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung rumän. rumänisch russisch., russ. russisch S. Seite, Satz schwed. schwedisch schweiz. schweizerisch Sec. Section slowen. slowenisch sog. sogenannt span. spanisch StAG Staatsangehörigkeitsgesetz StAZ Zeitschrift für Standesamtswesen tschech. tschechisch TSG Transsexuellengesetz türk. türkisch u. a. unter anderem
Abkürzungsverzeichnis
UBC Law Review University of British Columbia Law Review UK United Kingdom, Vereinigtes Königreich ukrain., ukr. ukrainisch USA United States of America, Vereinigte Staaten von Amerika v. von, versus VaterG Vaterschaftsgesetz VG Verwaltungsgericht vgl. vergleiche Vol. Volume Vorb. Vorbemerkung WL Westlaw z. B. zum Beispiel ZAR Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfJ Zentralblatt für Jugendrecht ZfPW Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft ZGB Zivilgesetzbuch ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik
XXI
Einleitung Aufgabe des Abstammungsrechts ist es zu bestimmen, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind.1 Dabei sind die leiblichen Eltern nicht automatisch auch die rechtlichen Eltern eines Kindes. Dies gilt nicht nur, wenn das Kind mithilfe einer Samen- und/oder Eizellenspende zur Welt gekommen ist, sondern selbst dann, wenn es auf natürliche Weise gezeugt wurde – eine Erkenntnis, die den einen oder anderen Nichtjuristen überraschen dürfte.2 Mit dem rechtlichen Abstammungsverhältnis ist eine Vielzahl an Rechten und Pflichten verbunden:3 So ist die rechtliche Abstammung etwa für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit entscheidend, da diese nach dem ius sanguinis-Prinzip von den Eltern an das Kind weitergegeben wird.4 Ferner spielt die Abstammung auch im Sorge- und Unterhaltsrecht eine entscheidende Rolle. Die rechtlichen Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen, und sind diesem zum Unterhalt verpflichtet.5 Umgekehrt kann aber auch das Kind seinen Eltern gegenüber unterhaltspflichtig sein.6 Schließlich ist das Kind gesetzlicher Erbe seiner rechtlichen Eltern und ihm steht im Fall der gewillkürten Erbfolge ein Pflichtteil aus deren Vermögen zu.7 Ebenso kann auch den rechtlichen Eltern ein gesetzliches Erbrecht sowie ein Pflichtteilsanspruch zustehen.8 Das deutsche Recht regelt die rechtliche Abstammung im Bürgerlichen Gesetzbuch in den §§ 1591 ff. Die Vorschriften sind aber nur anwendbar, wenn ein 1 Schwab, Familienrecht, § 55 Rn. 654; Dethloff, Familienrecht, § 10 Rn. 1; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 131; Helms, in: Hilbig-Lugani/Huber, Moderne Familienformen, 125; Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 4 f. Vgl. ausführlich zum Prinzip der rechtlichen Elternschaft als Status, Sanders, Mehrelternschaft, S. 11 ff. 2 Helms, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 105, 106; Sanders, Mehrelternschaft, S. 9; Muscheler, Familienrecht, § 30 Rn. 515. 3 Vgl. hierzu Sanders, Mehrelternschaft, S. 16 f.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 134 ff.; Heiderhoff, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 273, 274; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 Rn. 6. 4 § 4 Abs. 1 StAG („Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.“) 5 §§ 1601 ff.; §§ 1626 ff. BGB. 6 §§ 1601 ff. BGB. 7 § 1924 Abs. 1 BGB (gesetzliches Erbrecht) und § 2303 Abs. 1 BGB (Pflichtteilsanspruch). 8 § 1925 BGB (gesetzliches Erbrecht) und § 2303 Abs. 2 S. 1 BGB (Pflichtteilsanspruch).
2
Einleitung
hinreichender Inlandsbezug besteht. Liegt hingegen auch ein Bezug zu einer anderen Rechtsordnung vor, beispielsweise weil das Kind mit seinen deutschen Eltern im Ausland lebt oder weil ein Elternteil eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, stellt sich aus deutscher Sicht zunächst die Frage, ob das deutsche Sachrecht überhaupt anwendbar ist oder ob nicht eine andere Rechtsordnung für die Bestimmung der rechtlichen Elternschaft heranzuziehen ist. Die Antwort hierauf ergibt sich aus Art. 19 Abs. 1 EGBGB, der lautet: „1Die Abstammung eines Kindes unterliegt dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2Sie kann im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört. 3Ist die Mutter verheiratet, so kann die Abstammung ferner nach dem Recht bestimmt werden, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Art. 14 Abs. 2 EGBGB unterliegen; ist die Ehe vorher durch Tod aufgelöst worden, so ist der Zeitpunkt der Auflösung maßgebend.“
Diese für das internationale Abstammungsrecht zentrale Vorschrift geht auf die große Kindschaftsrechtsreform von 1997 zurück, hat ihren eigentlichen Ursprung aber in der Vorgängernorm von 1986.9 Der gesellschaftliche Wandel und der medizinische Fortschritt stellen jedoch das internationale Abstammungsrecht heute vor ganz neue Herausforderungen als noch im Jahre 1986 bzw. 1997,10 sodass sich die Frage stellt, ob das geltende Recht noch zeitgemäß ist. Kinder werden inzwischen häufiger als früher außerhalb einer Ehe geboren mit der Folge, dass Vaterschaftsanerkennungen sowie gerichtliche Feststellungen deutlich an Bedeutung gewonnen haben.11 Als Konsequenz der im Vergleich zu früher höheren Scheidungsrate12 und der geringeren Stabilität von Familienverhältnissen entspricht es im Sachrecht „der modernen rechtsvergleichenden Tendenz […], die Ehelichkeitsvermutung sachgerecht einzuschränken“13 und dem Interesse des Kindes an der rechtlichen Zuordnung zu seinen leiblichen Eltern ein stärkeres Gewicht beizumessen.14 Dieser Trend wird auch dadurch bestärkt, dass heute mit Hilfe von DNA-Gutachten die genetische Abstammung nahezu mit Sicherheit festgestellt werden kann.15 Hingegen führen die Methoden der medizinisch as9 Siehe ausführlich zur Gesetzesänderung und zur alten Rechtslage unten S. 63 ff. 10 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, § 4 Rn. 948; Büchler, FamPra.ch 2005,
437.
11 Vgl. Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, Private International Law Issues surrounding the Status of Children, including Issues arising from International Surrogacy Arrangements, 2011, S. 5 Fn. 7 m. w. N. 12 Vgl. Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, Private International Law Issues surrounding the Status of Children, including Issues arising from International Surrogacy Arrangements, 2011, S. 5 Fn. 7. 13 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 27. 14 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 5. 15 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 5; Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, Private International Law Issues surrounding the Status of Children, including Issues
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sistierten Reproduktion mittels Samen- und/oder Eizellspende zu einem gewollten Auseinanderfallen von genetischer und sozialer Elternschaft und ermöglichen auch gleichgeschlechtlichen Paaren die Erfüllung ihres Kinderwunsches.16 In einer zunehmenden Anzahl an Rechtsordnungen können daher heute auch zwei Frauen oder zwei Männer die rechtliche Elternschaft übernehmen, ohne auf eine Adoption angewiesen zu sein.17 Während bei lesbischen Paaren eine Samenspende ausreicht, sind Männer auf eine Leihmutterschaft angewiesen. Auch für verschiedengeschlechtliche Paare kann die Inanspruchnahme einer Leihmutter aus medizinischen Gründen der einzige Weg sein, um sich den eigenen Kinderwunsch zu erfüllen. Das Anbieten von Leihmutterschaften, bei der eine Frau das Kind nur für die Wunscheltern austrägt und es ihnen nach der Geburt übergibt, führt in einzelnen Ländern zu einem regelrechten Leihmutterschaftstourismus und hat sich dort zu einem lukrativen Geschäft entwickelt.18 Ein weiteres Phänomen der heutigen Zeit ist die sogenannte Mehrelternschaft, bei der mehr als zwei Personen die rechtliche Elternstellung einnehmen.19 Schließlich sind heute auch solche Anerkennungen Realität, die nur deshalb abgegeben werden, um sich oder einem der Beteiligten ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen.20 Die jeweiligen Rechtsordnungen reagieren unterschiedlich auf diese Veränderungen mit der Folge, dass sich heute die Abstammungsrechte mehr denn je unterscheiden. Ferrer i Riba bezeichnet das Abstammungsrecht insofern als eines „der dynamischsten und […] heterogensten Bereiche des Familienrechts.“21 Art. 19 Abs. 1 EGBGB sieht sich heute mit dieser Vielfalt von unterschiedlichen Abstammungsregeln konfrontiert, die wenig mit dem sachrechtlichen Regelungszustand gemein haben, als diese Norm in Kraft trat. In der Literatur22 mehreren sich mittlerweile die Stimmen, die eine Reform fordern und der Deutsche Rat für IPR23 hat bereits zwei Reformvorschläge vorarising from International Surrogacy Arrangements, 2011, S. 5 Fn. 8; Pauli, Der sog. biologische Vater, S. 15 f. Vgl. zu den Möglichkeiten und Grenze der DNA-Analyse, Anslinger/Rolf/ Eisenmenger, DRiZ 2005, 165 ff. 16 Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 438. 17 Siehe hierzu den rechtsvergleichenden Überblick unten auf S. 40 ff. 18 Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, § 4 Rn. 942; Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, S. 16 ff. 19 Sanders, Mehrelternschaft, S. 197 ff.; Dethloff/Timmermann, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin – Gutachten, S. 51 ff. 20 BT-Drucks. 16/3291, S. 2; BT-Drucks. 18/12415, S. 15. So hat in einem – wohl sehr extremen – Fall ein in Paraguay lebender Deutsche zahlreiche Kinder anerkannt, damit diese die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, Spickhoff, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 13, 59. 21 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 5. 22 Siehr, StAZ 2015, 258, 263; Siehr, in: FS Coester-Waltjen, 769, 777; Mankowski, NZFam 2020, 593 („Angesichts der heutigen und noch anstehenden Herausforderungen (Kuckuckskinder, Außerehelichkeit, ‚gekaufte‘ Anerkennungen, Samenspende, Leihmutterschaft, Kinderwünsche Gleichgeschlechtlicher) ist eine Reform überfällig.“).
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gelegt.24 Auch die zunehmende Anzahl an Rechtsprechung in diesem Bereich ist ein Indiz dafür, dass Art. 19 Abs. 1 EGBGB nicht mehr zeitgemäß ist. So müssen sich Gerichte immer wieder mit der Frage beschäftigen, wie zu verfahren ist, wenn die verschiedenen Anknüpfungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, weil die von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechtsordnungen zwei verschiedene Männer als rechtliche Väter berufen.25 Gerade bei scheidungsnah geborenen Kindern ordnet oftmals eine der berufenen Rechtsordnungen – wie vor der Reform von 1997 auch das deutsche Recht – das Kind dem Ex-Ehemann der Mutter zu, da die Zeugung des Kindes noch in die Ehe fällt, während eine andere ebenfalls anwendbare Rechtsordnung eine Vaterschaftsanerkennung durch einen Dritten, den vermeintlich leiblichen Vater, zulässt.26 Obwohl sich der BGH bereits wiederholt mit der Thematik beschäftigt hat,27 besteht immer noch in einigen Fällen Unklarheit, was sich insbesondere an den divergierenden Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte bemerkbar macht.28 Auch musste der BGH bereits zu der Frage Stellung nehmen, wie mit einer Co-Mutterschaft nach südafrikanischem Recht zu verfahren ist29 und auch Leihmutterschaftsfälle machten keinen Halt vor dem BGH.30 Ziel der Arbeit ist es daher aufzuzeigen, warum eine Reform von Art. 19 Abs. 1 EGBGB erforderlich ist, und einen entsprechenden Reformvorschlag zu erarbeiten. Da viele Probleme daraus resultieren, dass die Sachrechte der einzelnen Länder stark divergieren und einige Abstammungsregelungen wie die Co-Mutterschaft, die Zuordnung zu den Wunscheltern bei Leihmutterschaft oder die Mehrelternschaft dem deutschen Sachrecht unbekannt sind, erfolgt zunächst ein rechtsvergleichender Überblick über das Sachrecht (Kapitel 1). Daran schließt sich eine Analyse des Art. 19 Abs. 1 EGBGB an, die die bestehenden Probleme des geltenden Rechts aufdeckt (Kapitel 2). Darüber hinaus wird geprüft, ob sich aus dem Europarecht inhaltliche Vorgaben für das deutsche internationale Abstammungsrecht ergeben (Kapitel 3). Anschließend werden die Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene vorgestellt und bewertet (Kapitel 4). Auf Basis der vorhergehenden Untersuchungen wird schließlich ein Reformvorschlag erarbeitet (Kapitel 5). 23 Der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht ist ein autonomes Beratungsorgan des Bundesjustizministeriums, vgl. (zuletzt auf gerufen am 01.04.2023). Zum Wirken des Rates siehe auch Krause, Der deutsche Rat für IPR, S. 36 ff. 24 Zu den Reformvorschlägen Mansel, IPRax 2020, 188; Mansel, IPRax 2015, 185. 25 Siehe zum Problem der konkurrierenden Vaterschaften unten S. 117 ff. 26 Mayer, NZFam 2021, 525; Dutta, StAZ 2016, 200. 27 BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334; BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848; BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687. 28 Mankowski, NZFam 2020, 593; Mayer, NZFam 2021, 525, 526. 29 BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251. 30 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892; BGH (05.09.2018), FamRZ 2018, 1846; BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240.
1. Kapitel
Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein rechtsvergleichender Überblick Die Abstammungsrechte der einzelnen Länder bewegen sich heute zwischen Tradition und Moderne: Auf der einen Seite basieren immer noch einige Abstammungsregelungen auf den Rechtsgrundsätzen, die bereits dem römischen Recht bekannt waren.1 Auf der anderen Seite führen der medizinische Fortschritt und der gesellschaftliche Wandel dazu, dass die klassischen Zuordnungsregelungen immer mehr in Frage gestellt werden.2 Die Länder antworten auf diese Entwicklungen sehr unterschiedlich mit der Folge, dass sich die Rechtsordnungen heute mehr denn je unterscheiden.3 Für das internationale Privatrecht sind die Betrachtungen des (ausländischen) materiellen Rechts von elementarer Bedeutung: Das internationale Privatrecht baut auf dem Sachrecht auf und lässt sich nur untersuchen, indem man sich auch mit der zugrundeliegenden Materie beschäftigt.4 Dies gilt im internationalen Abstammungsrecht im besonderen Maße, da sich das Problem der konkurrierenden Elternschaften5 erst aufgrund der großen Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen ergibt und zudem einige ausländische Institute dem deutschen Recht unbekannt sind. Da die Vaterschaft oftmals von der Feststellung der rechtlichen Mutter abhängig ist, bietet es sich an, zunächst die Feststellung der mütterlichen Abstammung zu betrachten. 1 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 4 ff.; Büchler, FamPra.ch 2005, 437 ff. 2 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 1 ff., S. 36 ff.; Büchler, FamPra.ch 2005, 438. 3 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 4 ff. spricht von „einer der dynamischsten und – in rechtsvergleichender Sicht – heterogensten Bereiche des Familienrechts.“ 4 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 82: „Die Vergleichung materiellen Rechts […] hat für das IPR eine ähnliche Bedeutung wie die Rechtstatsachenforschung für das materielle Recht. Denn das IPR hat mit den einzelnen materiellen Rechtsordnungen, deren Anwendungsbereich es abgrenzen soll, sozusagen als seinem ‚Rohstoff‘ zu tun. Sowohl für die Aufstellung von Kollisionsnormen, insbesondere auf der Tatbestandsseite, wie für ihre Auslegung und ihre Anwendung im Einzelfall ist die Kenntnis ausländischen Rechts – und zwar besonders in seinen Abweichungen wie Übereinstimmungen gegenüber dem inländischen Recht, also die Rechtsvergleichung – nicht nur nützlich, sondern geradezu unentbehrlich.“ 5 Siehe hierzu ausführlich unten S. 117 ff. (konkurrierende Vaterschaften), S. 160 ff. (konkurrierende Mutterschaften), S. 172 f. (Konkurrenz zwischen einer Co-Mutter und einem Vater), S. 178 f. (Konkurrenz zwischen einer Zwei-Elternschaft und einer Mehrelternschaft).
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
A. Mutterschaft In fast allen Rechtsordnungen erfolgt die Bestimmung der Mutterschaft nach dem römischen Grundsatz mater semper certa est („Die Mutter ist immer sicher“).6 Danach gilt als rechtliche Mutter des Kindes die Frau,7 die es geboren hat. Die Abstammung wird mithin automatisch kraft Gesetzes zum Zeitpunkt der Geburt begründet und ist unanfechtbar.8 Dieser Grundsatz gilt heute nicht mehr uneingeschränkt: Einzelnen Rechtsordnung lassen im Fall der Leihmutterschaft eine Ausnahme hiervon zu, indem sie das Kind der Wunschmutter anstelle der gebärenden Frau zuordnen. Die Besonderheiten der Leihmutterschaft werden noch unten im Abschnitt D gesondert erörtert.9 In vielen Staaten des romanischen Rechtskreises wie Frankreich, Italien, Belgien, Portugal und den Niederlanden galt die automatische Zuordnung zur gebärenden Frau lange Zeit nur für die verheiratete Frau, während eine unverheiratete Frau ihre Elternstellung nur durch eine Anerkennung herbeiführen konnte oder die Mutterschaft gerichtlich festgestellt werden musste.10 Die Regelung beruhte auf der „Befürchtung, da[ss] eine automatische Zuordnung der Mutter familiäre und soziale Probleme schaffen könne, und damit für das Kind die Gefahr erhöhe, abgetrieben, ausgesetzt oder getötet zu werden. Daneben wollte man vermeiden, Vater und Mutter des nichtehelichen Kindes völlig unterschiedlich zu behandeln“.11 In den letzten Jahrzehnten haben jedoch die meisten dieser Staaten vom Anerkennungsprinzip grundsätzlich Abstand genommen.12 In Frankreich, Spanien und Portugal steht das Abstammungs6 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 5; Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 448 f.; Henrich, in: Spickhoff/Schwab/ Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 395, 398; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 12. Ausdrücklich geregelt etwa in Deutschland (§ 1591 BGB), Niederlande (Art. 1:198 Abs. 1 lit. b BW), Österreich (§ 143 ABGB), Polen (Art. 61/9 FVGB), Rumänien (Art. 408 Abs. 1 ZGB), Schweiz (Art. 252 Abs. 1 ZGB), Slowenien (Art. 112 FamGB), Türkei (Art. 282 Abs. 1 ZGB), Schweden (Kap. 1 § 7 ElternGB, für den Fall der Eizellenspende), Dänemark (§ 30 KinderG bei künstlicher Befruchtung), im australischen Bundesstaat New South Wales (Sec. 9(1) Status of Children Act 1996 No 76 für die natürliche Zeugung; Sec. 14(1)(b) bei künstlicher Befruchtung) und in der kanadischen Provinz British Columbia (Sec. 26(1) Family Law Act); Argentinien (Art. 565 CCCN). Vgl. Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Study of Legal Parentage and the Issues arising from international Surrogacy Arrangements, 2014, S. 8 Rn. 35 mit weiteren Beispielen. 7 Zu den Herausforderungen, die sich im Abstammungsrecht aus der Erosion des Geschlechtsbegriffs ergeben wie bei trans- und intergeschlechtlichen Personen siehe unten S. 50 ff. Hinsichtlich der Zuordnung zur gebärenden Frau stellt sich insofern die Frage, ob hierunter auch eine Trans*Frau oder eine intergeschlechtliche Person fällt. 8 Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 448 f. 9 S. 29 ff. 10 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-166 f. 11 Gabrielli, in: Schwab/Henrich, Entwicklungen des europäischen Kindschaftsrechts, 59, 67. 12 So etwa die Niederlande (1948), Portugal (1977), Luxemburg (1979), Spanien (1981),
A. Mutterschaft
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verhältnis nun bereits fest, wenn die Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen wird.13 Entscheidend hierfür war vor allem die Marckx-Entscheidung des EGMR vom 13.06.1979.14 Der Gerichtshof sah in der Vorschrift des belgischen Rechts, welche die mütterliche Anerkennung von nichtehelichen Kindern für die Begründung eines Abstammungsverhältnisses vorschrieb, eine Verletzung des Rechts der Mutter und des Kindes aus Art. 8 EMRK (Recht auf Familienleben) allein und in Verbindung mit Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot).15 Teilweise finden sich in diesen Rechtsordnungen zwar immer noch Regelungen zur Mutterschaftsanerkennung und zur gerichtlichen Feststellung;16 diese werden aber nur noch äußerst selten relevant, nämlich dann, wenn die Mutter nicht in die Geburtsurkunde eingetragen ist oder diese gänzlich fehlt.17 So erlaubt beispielsweise das französische Recht eine anonyme Geburt, bei der keine Angaben zur Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen werden.18 Der EGMR bestätigte die Vereinbarkeit der französischen Vorschriften mit der EMRK.19 Da diese Fälle jedoch nur äußerst selten vorkommen dürften, hat die Anerkennung und die gerichtliche Feststellung mithin in diesen Rechtsordnungen praktisch keine Bedeutung mehr. Hingegen ist in Italien für die Begründung eines Abstammungsverhältnisses zwischen einer unverheirateten Frau und ihrem Kind weiterhin stets eine Anerkennung seitens der Mutter erforderlich.20 Auch bei der letzten Reform des Abstammungsrechts hat man sich ausdrücklich gegen eine Abschaffung der Regelung ausgesprochen, um die Freiheit der Mutter zu Belgien (1987), Frankreich (2006), vgl. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV166 f.; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 19; Henrich, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 395, 398. 13 Art. 311 25 frz. CC; Art. 120 Nr. 4 span. CC; Art. 1804 port. CC. 14 EGMR (13.06.1979), FamRZ 1979, 903 ff., Marckx/Belgien. Hierzu unter anderem Sturm, FamRZ 1982, 1150 ff. mit kritischer Betrachtung. 15 EGMR (13.06.1979), FamRZ 1979, 903 ff., Marckx/Belgien. 16 Die Mutterschaftsanerkennung existiert beispielsweise noch in Belgien (Art. 313 § 1 belg. CC), Frankreich (Art. 316 frz. CC), Luxemburg (Art. 334 Abs. 1 lux. CC), Spanien (Art. 120 Nr. 2, Art. 121 ff. span. CC; vgl. hierzu Ferrer i Riba, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/ Gottwald, Streit um die Abstammung, 293, 296), Rumänien (Art 415 Abs. 1 rumän. ZGB) und Chile (Art. 183 chil. CC). 17 Vgl. Henrich, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 395, 398; Pintens, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 119, 123 für das belgische Recht. 18 Art. 326 frz. CC. Zu weiteren Rechtsordnungen, die eine anonyme Geburt erlauben, siehe die Studie des Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Study of Legal Parentage and the Issues arising from international Surrogacy Arrangements, 2014, S. 7 f. Rn. 9. 19 EGMR (13.02.2003), FamRZ 2003, 1367 – Odièvre/France. Vgl. hierzu Henrich, FamRZ 2003, 1370; Ferrand, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 93, 112 f. 20 Art. 250 ital. CC. Siehe auch Henrich, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Italien, S. 46; Troiano, ZEuP 2015, 469, 481 f., 484.
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
schützen.21 Auch fordern noch manche lateinamerikanischen Staaten eine Anerkennung.22 Wird das Abstammungsverhältnis zu einer Frau durch eine Anerkennung begründet, kann dieses Abstammungsverhältnis regelmäßig durch Anfechtung wieder beseitigt werden, wenn die Frau, die das Kind anerkannt hat, nicht die Geburtsmutter ist.23 Praktische Relevanz kann die Mutterschaftsanfechtung in Leihmutterschaftsfällen haben, wenn die Wunschmutter das Kind anerkennt, obwohl sie das Kind nicht ausgetragen hat.24 Die Mutterschaft kann regelmäßig auch in solchen Länder angefochten werden, die das Kind kraft Gesetzes der Frau zuordnen, die in die Geburtsurkunde eingetragen ist.25 Auch hier kann es zu einem Auseinanderfallen der rechtlichen Mutter und der Geburtsmutter kommen, wenn ausnahmsweise nicht die Geburtsmutter in die Geburtsurkunde eingetragen wurde. Demgegenüber sehen die Rechtsordnungen, die das Kind automatisch der gebärenden Frau zuordnen, konsequenterweise auch keine Anfechtungsmöglichkeit vor.26
B. Vaterschaft Die rechtliche Vaterschaft kann in den allermeisten Rechtsordnungen über drei Wege erreicht werden: durch eine Zuordnung kraft Gesetzes, durch Anerkennung und durch gerichtliche Feststellung.27 Besonderheiten, die sich bei der Begründung der Vaterschaft im Falle einer medizinisch assistierten Reproduktion ergeben, werden im nachfolgenden Abschnitt C behandelt.28
21
Troiano, ZEuP 2015, 469, 481 f. So etwa in Peru (Art. 387, 388 peruan. CC) und Brasilien (Art. 1607 brasil. CC; Schmidt, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Brasilien, S. 40). Vgl. auch JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 19. 23 So etwa in Belgien (Art. 330 § 1 Abs. 1 S. 1 CC, hierzu Pintens, in: Spickhoff/Schwab/ Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 119, 126) und Italien (Art 263 Abs. 1 CC). Siehe auch Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 42 ff., 47; NomosK/Bischoff, Art. 20 EGBGB Rn. 18; JurisPK/Duden, Art. 20 EGBGB Rn. 8. 24 Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 48; NomosK/Bischoff, Art. 20 EGBGB Rn. 18; JurisPK/Duden, Art. 20 EGBGB Rn. 8. 25 So etwa in Belgien (Art. 312 § 2, hierzu Pintens, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 119, 126), Kroatien (Art. 75 FamG), Serbien (Art. 44 Abs. 2 FamG), Peru (Art. 371 CC) und Polen (Art. 61/12 FVGB). 26 So etwa in Deutschland. Siehe auch Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 448 f. 27 Vgl. DIJuF, Umgangsrechte des biologischen Vaters – Europäische Staaten im Vergleich, S. 13 f.; Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 453 ff. Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6 f. 28 S. 22 ff. 22
B. Vaterschaft
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I. Vaterschaft kraft Gesetzes 1. Vaterschaftsvermutung des Ehemanns Zwar ist die Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern mittlerweile in den meisten Staaten abgeschafft, dennoch hat die Ehe im Abstammungsrecht weiterhin einen wichtigen Stellenwert.29 So kennen praktisch alle Rechtsordnungen den bereits im römischen Recht verankerten Grundsatz Pater est, quem nuptiae demonstrant,30 wonach der Ehemann der Mutter als rechtlicher Vater angesehen wird.31 Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Regelung unterscheiden sich die Rechtsordnungen allerdings; insbesondere wird unterschiedlich bewertet, in welchem zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe die Zuordnung erfolgt und unter welchen Voraussetzungen die Vaterschaftsvermutung widerlegt werden kann.32 In den meisten Staaten wie auch in Deutschland greift die Vermutung bereits, wenn das Kind in die Ehe geboren wird, mithin auch dann, wenn die Eltern erst kurz vor der Geburt geheiratet haben und die Empfängnis noch vor der Eheschließung stattfand.33 Einzelne Rechtsordnungen wie das brasilianische Recht lassen die Vaterschaftsvermutung hingegen erst gelten, wenn das Kind mindestens 180 Tage nach der Heirat geboren wird.34 Nach portugiesischen Recht kann die Vaterschaftsvermutung in diesem Fall dadurch widerlegt werden, dass die Mutter oder der Ehemann bei der Beurkundung der Geburt erklären, dass der Ehemann nicht der 29
Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 453. Lateinisch für Vater ist, wer durch die Heirat als solcher erwiesen ist. Zum Ursprung der Regel siehe Schwenzer, FamRZ 1985, 1. 31 Beispielhaft: Belgien (Art. 315 CC), Deutschland (§ 1592 Nr. 1 BGB), Frankreich (Art. 312 CC), Italien (Art. 231 f. CC), Niederlande (Art. 1:199 lit. a BW), Österreich (§ 144 Abs. 1 ABGB), Polen (Art 361 FVGB), Portugal (Art. 1826 Abs. 1 CC), Schweden (Kap. 1 § 1 ElternGB), Schweiz (Art. 255 Abs. 1 ZGB), Slowenien (Art. 113 FamGB), Spanien (Art. 116 CC), Brasilien (Art. 1597 CC), British Columbia (Sec. 26(2)(a) Family Law Act), Kalifornien (Sec. 7540(a) Family Code), New South Wales (Sec. 9(1) Status of Children Act 1996 No 76). Vgl. auch Schwenzer, FamRZ 1985, 1 f.; Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6; Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 453; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-198; Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Study of Legal Parentage and the Issues arising from international Surrogacy Arrangements, 2014, S. 9. 32 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-198; Ferrer i Riba, in: Basedow/ Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 118; Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 453. Lediglich eine Vermutung, die widerlegt werden kann, nehmen einige Common Law Staaten an wie etwa das britische Recht und das Recht von British Columbia (Sec. 26(2) Family Law Act, „unless the contrary is proved“), vgl. zum englischen Recht Henrich, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Vereinigtes Königreich-England, S. 48; Lowe, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 319, 324 ff. 33 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6. 34 Art. 1597 Nr. 1 brasil. CC. 30
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
leibliche Vater ist.35 Während schließlich in Deutschland wie auch in vielen anderen Rechtsordnungen die Zuordnungsregelung zum Ehemann erst dann nicht mehr zum Tragen kommt, wenn das Ehepaar zum Zeitpunkt der Geburt bereits rechtskräftig geschieden ist,36 ordnen andere Rechtsordnungen die Vaterschaft dem Ehemann bereits dann nicht mehr zu, wenn die Ehegatten seit 300 Tagen vor der Geburt faktisch getrennt gelebt haben37 bzw. die Trennung gerichtlich bestätigt wurde.38 Ebenso gibt es aber auch Rechtsordnungen, zu denen bis 1998 auch noch das deutsche Recht zählte, die das Kind dem Ex-Ehemann der Mutter zuordnen, sofern das Kind innerhalb von 300 Tagen nach der Scheidung geboren wird.39 Hintergrund der Regelung ist, dass die Empfängniszeit selbst noch in die Ehe fällt. In den meisten Rechtsordnungen gilt die 300-Tage-Regelung hingegen nur noch, wenn der Ehemann vor der Geburt gestorben ist.40 In manchen Rechtsordnungen wie dem italienischen und französischen Recht gilt die Vaterschaft des Ehemanns erst dann, wenn der Vater in die Geburtsurkunde eingetragen ist. Erklärt die Mutter eines Kindes gegenüber dem Standesbeamten, dass ihr Ehemann nicht der Vater des Kindes sei, wird dieser nach französischem Recht nicht in das Geburtenregister eingetragen und dadurch ist die Vaterschaftsvermutung ausgeschlossen.41 Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das Kind gegenüber dem Ehemann einen Statusbesitz hat.42 Auch im italienischen Recht wird die Vaterschaft des Ehemanns erst durch die Registereintragung verbindlich festgestellt.43 Lässt die Mutter das Kind als 35 Art. 1828 port. CC. Siehe hierzu auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-212. 36 § 1592 Nr. 1 BGB e contrario; Schweiz (Art. 255 CC). Vgl. Ferrer i Riba, in: Basedow/ Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6. 37 Dänemark (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 KinderG), Spanien (Art. 116 CC), Argentinien (Art. 566 CCCN). 38 Belgien (Art. 316bis CC), Frankreich (Art. 313 CC), Italien (Art. 232 CC), Luxemburg (Art. 313 CC). 39 So etwa in Griechenland (Art. 1465 Abs. 1 ZGB), Kroatien (Art. 61 Abs. 1 FamG), Lettland (Art. 146 Abs. 1 ZGB, 306 Tage), Polen (Art. 62 § 1 FVGB), Rumänien (Art. 414 Abs. 1 i. V. m. Art. 412 Abs. 1 ZGB), Türkei (Art. 285 ZGB), Peru (Art. 361 CC, hier hat die Mutter jedoch ein einfaches Widerspruchsrecht). 40 Vgl. Belgien (Art. 315 i. V. m. 316bis CC), Deutschland (§ 1593 BGB), Frankreich (Art. 311, 312, 313 CC), Niederlande (Art. 1:199 lit. b BW), Österreich (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 ABGB), Spanien (Art. 116 CC), Slowenien (Art. 113 Abs. 2 FamGB), Argentinien (Art. 566 CCCN). Vgl. DIJuF, Umgangsrechte des biologischen Vaters – Europäische Staaten im Vergleich, S. 13 f. 41 Art. 313 S. 1 franz. CC. Vgl. Ferrand/Francoz-Terminal, FamRZ 2009, 1539, 1541. 42 Art. 314 franz. CC. 43 Gabrielli, in: Schwab/Henrich, Entwicklungen des europäischen Kindschaftsrechts, 59, 63 („Obwohl der Wortlaut des Gesetzes den Anschein erweckt, die Zuerkennung des Status eines ehelichen Kindes folge ohne weiteres aus der Tatsache, daß das Kind von einer verheirateten Frau geboren wird, ist es seit Jahrzehnten gefestigte Rechtsprechung, daß nicht die Tatsache an sich konstitutiv für die Begründung des Statusverhältnisses ist, sondern die Erklärung darüber vor dem Standesbeamten und deren Aufnahme in die Geburtsurkunde“); Calvigioni, StAZ 2002, 265, 267; Wedemann, StAZ 2012, 225, 228.
B. Vaterschaft
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nichteheliches Kind eintragen, greift die Vaterschaftsvermutung zugunsten des Ehemanns trotz der bestehenden Ehe daher nicht. Unterschiedliche Sichtweisen bestehen in den Rechtsordnungen auch hinsichtlich der Frage, welche Vaterschaft maßgeblich sein soll, wenn für zwei unterschiedliche Männer Vaterschaftsvermutungen bestehen. So kann die Vermutung der Vaterschaft des verstorbenen Ehemanns mit der Vermutung der Vaterschaft des neuen Ehemanns kollidieren, wenn die Mutter kurz nach dem Tod ihres ersten Ehemanns erneut heiratet und ein Kind bekommt. Die meisten Rechtsordnungen lösen diesen Konflikt zugunsten des zweiten Ehemanns auf;44 es gibt aber auch Rechtsordnungen wie das argentinische Recht, dass dem ersten Ehemann das Kind zuweist, sofern das Kind innerhalb von 180 Tagen nach der zweiten Eheschließung geboren wird.45
2. Vaterschaftsvermutung des nichtehelichen Lebensgefährten Ist die Mutter nicht verheiratet, sondern lebt in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, bestehen regelmäßig keine Vaterschaftsvermutungen und die Vaterschaft muss regelmäßig über einen anderen Weg wie einer Anerkennung oder einer gerichtlichen Feststellung begründet werden (hierzu gleich). Nur vereinzelt kennen Rechtsordnungen auch eine automatische Zuordnung des Kindes zum nichtehelichen Lebensgefährten wie insbesondere manche Provinzen in Kanada und manche Bundesstaaten in Australien.46 So wird etwa nach dem Recht von Ontario derjenige als Vater des Kindes vermutet, der mit der Mutter während der Empfängnis oder bei Geburt in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebte.47
II. Vaterschaft kraft Anerkennung Liegt nicht bereits eine gesetzliche Vaterschaft vor, kann die Abstammung regelmäßig privatautonom über eine Vaterschaftsanerkennung begründet wer44 So
auch im deutschen Recht (§ 1593 S. 3 BGB), ferner etwa in Belgien (Art. 317 CC), Griechenland (Art. 1466 ZGB), Lettland (Art. 146 Abs. 2 ZGB), Polen (Art. 62 § 2 FVGB). Vgl. DIJuF, Umgangsrechte des biologischen Vaters – Europäische Staaten im Vergleich, S. 13 f.; Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Study of Legal Parentage and the Issues arising from international Surrogacy Arrangements, 2014, S. 9. 45 Art. 568 Abs. 1 argent. CCCN. Ebenso im brasilianischen Recht (Art. 1598 CC). 46 Etwa in Ontario (s. nächste Fußnote), British Columbia (Sec. 26(2)(d) Family Law Act, „marriage-like relationship“), New South Wales (Sec 10 Status of Children Act), Northern Territory of Australia (Sec. 5 Status of Children Act), Western Australia (Sec. 189 Family Court Act 1997). Vgl. auch Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Study of Legal Parentage and the Issues arising from international Surrogacy Arrangements, 2014, S. 9 Fn. 45. 47 Sec. 7(2)(No. 1) iVm Sec. 1(1) und Sec. 7(2)(No. 3) Children’s Law Reform Act („conjugal relationship“).
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
den.48 Die Vaterschaftsanerkennung existiert in allen europäischen Rechtsordnungen außer in England. Dort wird die Vaterschaft eines Mannes allerdings vermutet, wenn er im Geburtenregister eingetragen ist oder wenn er mit der Mutter eine gemeinsame Erklärung über die elterliche Sorge getroffen hat.49 Die Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Vaterschaftsanerkennung fallen in den verschiedenen Rechtsordnungen sehr unterschiedlich aus.50 Insbesondere unterscheiden sich die Rechtsordnungen hinsichtlich den Zustimmungserfordernissen. Häufig wird für die Wirksamkeit die Zustimmung der Mutter verlangt wie etwa auch im deutschen Recht.51 Daneben kann auch ab einem gewissen Alter die Zustimmung des Kindes erforderlich sein. Während es nach deutschem Recht die Zustimmung des Kindes nur bedarf, wenn der Mutter das Sorgerecht nicht zusteht, was etwa der Fall ist, wenn das Kind volljährig ist,52 sehen andere Rechtsordnungen bereits früher eine Mitwirkung des Kindes vor. Nach belgischem und niederländischem Recht muss das Kind bereits ab einem Alter von 12 Jahren der Anerkennung zustimmen,53 im italienischen Recht ab einem Alter von 14 Jahren54 und im slowenischen Recht ab 15 Jahren.55 Keine Zustimmung der Mutter oder des Kindes zur Anerkennung verlangen demgegenüber etwa das französische,56 türkische57 und österreichische58 48
Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6; Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 456. 49 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6 („[…] außer in England, wo das Fehlen der Anerkennung als rechtliches Institut durch Tatsachen oder Rechtsakte ersetzt wird, die als Nachweis der väterlichen Abstammung gelten, wie der Namenseintrag des Vaters im Geburtenregister oder sogar die mit der Mutter getroffene Vereinbarung über die elterliche Verantwortung“); Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 457 f.; Lowe, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 319, 326. Vgl. zum englischen Recht unten auf S. 21 (Die Besonderheit des englischen Rechts ergibt sich daraus, dass es die Abstammung nicht als umfassenden Status, sondern lediglich als zu beweisende Tatsache versteht). 50 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6; Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Study of Legal Parentage and the Issues arising from international Surrogacy Arrangements, 2014, S. 10. 51 § 1595 BGB. So etwa auch in Belgien (Art. 329bis § 2 CC), Griechenland (Art. 1475 ZGB), Italien (Art. 250 Abs. 1, 3 CC), Niederlande (Art. 1:204 Abs. 1 lit. b BW, vor Vollendung des 16. Lebensjahres des Kindes), Polen (Art 73 § 1 FVGB), Schweden (Kap. 1 § 4 ElternGB), Slowenien (Art. 117 FamGB), vgl. DIJuF, Umgangsrechte des biologischen Vaters – Europäische Staaten im Vergleich, S. 14; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 108. Seit 2008 ist auch in der Schweiz die Zustimmung der Mutter erforderlich, Art. 260 Abs. 2 ZGB. 52 § 1595 Abs. 2 BGB. So ferner auch im spanischen Recht (Art. 123 CC). 53 Art. 329bis § 2 belg. CC; Art. 1:204 Abs. 1 lit. d niederl. BW. 54 Art. 250 Abs. 2 ital. CC. 55 Art. 117 Abs. 1 slowen. FamGB. 56 Art. 316 franz. CC. 57 Art. 295 türk. ZGB; Rumpf/Odendahl, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Türkei, S. 49. 58 § 145 österr. ABGB.
B. Vaterschaft
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Recht.59 In Bezug auf die Mutter wird nämlich befürchtet, dass die Mutter aus persönlichen Motiven handeln könnte und nicht alleine im Hinblick darauf, ob der Anerkennende der leibliche Vater ist.60 Liegen die erforderlichen Zustimmungen nicht vor, können diese entweder durch den Richter ersetzt werden oder aber die Beteiligten werden sofort auf ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren verwiesen, so etwa in Deutschland.61 Schließlich gibt es auch Staaten wie Finnland und Schweden, die die Wirksamkeit des Anerkenntnisses von einer staatlichen Genehmigung abhängig machen.62 Die Genehmigung wird dabei nur erteilt, wenn die Behörden davon überzeugt sind, dass der Anerkennende auch der leibliche Vater des Kindes ist.63 In der Praxis ist hierfür meist ausreichend, dass die Eltern versichern, dass der Mann der leibliche Vater ist.64 In vielen Ländern ist die biologische Wahrheit der Abstammung keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Vaterschaft, das heißt, das Anerkenntnis ist auch wirksam, wenn bekannt ist, dass der Anerkennende nicht der leibliche Vater ist.65 Die Anerkennung ist trotz fehlender genetischer Verwandtschaft erwünscht, da das Kind so einen Vater erhält und damit abgesichert ist.66 Anders 59 Ferner in Argentinien (vgl. Art. 571 ff. CCCN) und in Peru (Art. 388 CC). Auch das spanische Recht fordert keine Zustimmung der Mutter, wenn die Vaterschaftsanerkennung innerhalb von 30 Tagen nach der Geburt erfolgt, Art. 124 Abs. 2 span. CC, siehe auch Ferrer i Riba, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 293, 302. 60 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6; v. Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie, S. 97 f. hinsichtlich den Motiven des französischen Rechts. 61 Eine richterliche Ersetzung sehen etwa Niederlande (Art. 1:204 Abs. 3 BW) und Italien (Art. 250 Abs. 5 CC) vor. Vgl. Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6. 62 In Finnland ist gem. § 3, 26 finn. VaterG die Zustimmung der Digitalisierungs- und Bevölkerungsbehörde erforderlich, vgl. Pöpken/Huhtala, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht, Finnland Rn. 27; Arends, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Finnland, S. 34 f. In Schweden bedarf es der Zustimmung des Sozialausschusses zur Anerkennung, Kap. 1 § 4 ElternGB; vgl. Singer, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 139, 142. 63 So § 26 finn. VaterG („Die Vaterschaft wird bei der Digi- und Bevölkerungsbehörde bestätigt, wenn 1) der Mann seine Vaterschaft gemäß §§ 15–22 anerkannt hat und kein Zweifel daran besteht, dass der Mann Vater des Kindes ist; […]“, Übersetzung bei Arends, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Finnland, S. 72 f.) und Kap. 1 § 4 Abs. 1 S. 4 schwed. ElternGB („Der Sozialausschuss darf seine Zustimmung nur erteilen, wenn angenommen werden kann, dass der Mann der Vater des Kindes ist.“, Übersetzung bei Giesen, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Schweden, S. 71). 64 So für Schweden Singer, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 139, 142. 65 Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Study of Legal Parentage and the Issues arising from international Surrogacy Arrangements, 2014, S. 10. 66 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 66a.
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ist dies allerdings in Spanien, wo der Registerbeamte befugt ist, die Anerkennung zu verweigern, „wenn sich aus den Erklärungen der Parteien oder anderen konkludenten Angaben ohne Zweifel die Falschheit der Anerkennung ergibt.“67 Zweifel reichen hier jedoch nicht aus, sodass dies nur selten eintreten wird.68 Eine Ausnahme sieht mittlerweile auch das deutsche Recht vor, wenn es sich um eine Scheinanerkennung handelt, das heißt um eine Anerkennung, die nur abgegeben wird, um dem Anerkennenden oder dem Kind und seiner Mutter ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Liegt eine missbräuchliche Anerkennung vor, was nur von der Ausländerbehörde festgestellt werden kann, darf die Anerkennung nicht mehr beurkundet werden und ist damit nicht wirksam.69 Anerkennungsverbote bestehen heute in wesentlich geringeren Umfang als früher.70 Das belgische, französische und niederländische Recht kennen etwa ein Anerkennungsverbot in Bezug auf solche Kinder, die in inzestösen Verbindungen gezeugt wurden.71 Das deutsche Recht kennt ein solches Anerkennungsverbot zwar nicht, da hier aber der Beischlaf zwischen leiblichen Verwandten strafrechtlich verboten ist,72 wird es in diesen Fällen jedoch nur höchst selten zu einem Anerkenntnis kommen. Früher war zudem oftmals die Anerkennung einem Mann verboten, wenn die Zeugung des Kindes für ihn einen Ehebruch darstellte.73 Solche Anerkennungsverbote von „Ehebruchskindern“ finden sich heute jedenfalls im europäischen Raum keine mehr. Anders ist dies jedoch wohl noch in einigen islamisch geprägten Ländern. Das islamische Recht kennt nämlich nur die eheliche, legitime Abstammung.74 Ist das Kind nicht in eine Ehe geboren, besteht noch die Möglichkeit das Kind als eheliches Kind anzuerkennen, sogenannte iqrar.75 Der Vater gibt hierbei zu verstehen, dass das Kind durch eine legitime Geschlechtsverbindung entstanden ist.76 Eine Anerkennung als 67
Ferrer i Riba, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 293, 303; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 66a. 68 Ferrer i Riba, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 293, 303. 69 § 1597a BGB; vgl. hierzu ausführlich unten S. 179 ff. 70 Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 119. 71 Art. 321 belg. CC; Art. 310-2 franz. CC, hierzu v. Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie, S. 189 ff.; Art. 1:204 Abs. 1 lit. a BW. Im italienischen Recht ist eine Anerkennung nur bei vorheriger Ermächtigung durch ein Gericht möglich, Art. 251 CC. 72 Vgl. § 173 StGB. 73 So etwa früher das niederländische Recht, vgl. Breemhaar, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 149, 158 („Grundsätzlich ist auch die Anerkennung durch einen anderweitig verheirateten Mann nichtig.“). 74 Hierzu ausführlich Ebert, Islamisches Familien- und Erbrecht der arabischen Länder, S. 116 ff. 75 Hierzu ausführlich Ebert, Islamisches Familien- und Erbrecht der arabischen Länder, S. 120 f.; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 274 ff.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-254 f. 76 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-255.
B. Vaterschaft
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eheliches Kind ist aber nicht möglich, wenn die Eltern noch anderweitig verheiratet sind und die Zeugung damit einen Ehebruch (Zina) darstellt.77
III. Gerichtliche Feststellung Liegt auch keine freiwillige Anerkennung vor, besteht in praktisch allen Ländern die Möglichkeit die Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen. Dabei bestehen vor allem deutliche Unterschiede hinsichtlich der Frage, wer in einem Vaterschaftsverfahren antrags- bzw. klageberechtigt ist und welche Fristen eingehalten werden müssen.78 In den meisten Ländern ist das Kind befugt, die rechtliche Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen.79 Häufig wird daneben auch der Mutter ein eigenes Recht zugestanden,80 wohingegen etwa in Italien die Mutter lediglich als Vertreterin des Kindes eine Klage erheben kann.81 Sehr unterschiedlich beurteilt wird auch, ob der leiblichen Vater seine Vaterschaft gerichtlich feststellen lassen kann, wenn seine Anerkennung keinen Erfolgt hatte. Die meisten Länder wie das deutsche Recht bejahen dies,82 wohingegen etwa das italienische, niederländische und das schweizerische Recht dem Mann kein eigenes Antragsrecht gewähren.83 Keine Begrenzung auf einen bestimmten Personenkreis sieht indes das englische Recht vor: Dort ist es grundsätzlich jedermann, der ein rechtliches Interesse daran hat, erlaubt, ein Vaterschaftsverfahren einzuleiten, „,wobei das Gericht die Möglichkeit hat, die Feststellungsklage abzuweisen, wenn es der Auffassung ist, dass der Kläger kein hinrei77
Ebert, Islamisches Familien- und Erbrecht der arabischen Länder, S. 121; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 274. 78 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6. 79 Deutschland (die Antragsbefugnis ist nicht mehr ausdrücklich geregelt, vgl. hierzu MüKo/Wellenhofer, § 1600d BGB Rn. 14), Griechenland (Art. 1479 ZGB), Italien (Art. 270 CC), Niederlande (Art. 1:207 Abs. 1 lit. b BW), Österreich (§ 148 ABGB), Spanien (Art. 132 Abs. 1 CC), Brasilien (Art 1606 CC). In Frankreich ist die Klage gem. Art. 327 CC ausschließlich dem Kind vorbehalten. Solange das Kind aber noch minderjährig ist, ist gem. Art. 328 Abs. 1 CC allein die Mutter klagebefugt. Vgl. Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6; Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 458. 80 Deutschland (MüKo/Wellenhofer, § 1600d BGB Rn. 14), Belgien (Art. 332ter Abs. 1 CC), Griechenland (Art. 1479 ZGB), Niederlande (Art. 1:207 Abs. 1 lit. a BW, bis zum 16. Lebensjahr des Kindes), Spanien (Art. 132 Abs. 1 CC), Slowenien (Art. 121 FamGB). 81 Art. 273 Abs. 1 ital. CC. Vgl. auch Henrich, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 395, 403. 82 Zum deutschen Recht MüKo/Wellenhofer, § 1600d BGB Rn. 14. Vgl. Henrich, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 395, 403; Büchler, FamPra. ch 2005, 437, 458 f. 83 Art. 269 ff. ital. CC.; Art. 1:207 Abs. 1 niederl. BW; Art. 261 schweiz. ZGB. In Frankreich hat der leibliche Vater ebenfalls keine Antragsbefugnis, allerdings ist dort die Anerkennung nicht an eine Zustimmung der Mutter oder des Kindes gebunden, sodass er seine Vaterschaft stets durch eine Anerkennung begründen kann, vgl. Art. 316 und 327 franz. CC.
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chendes persönliches Interesse an der Feststellung nachgewiesen hat oder dass die Feststellung dem Interesse des Kindes widerstreitet.“84 Hierbei ist zunächst anzumerken, dass es in England, anders als im kontinentaleuropäischen Raum zwei Arten gibt, die Abstammung festzustellen: Einmal kann die Abstammung in jedem Verfahren, in dem das Verhältnis relevant wird, inzident festgestellt werden wie etwa in einem Unterhaltsprozess.85 In diesem Fall wirkt die Feststellung jedoch nur inter partes.86 Daneben besteht die Möglichkeit die Vaterschaft in einem besonderen Statusverfahren gegenüber jedermann feststellen zu lassen.87 In diesem Statusverfahren ist grundsätzlich jedermann, der ein rechtliches Interesse daran hat, antragsberechtigt.88 In vielen Rechtsordnungen sind schließlich Klagefristen einzuhalten, wobei sich diese oftmals danach unterscheiden, ob das Kind, die Mutter oder der Vater die Feststellung begehrt.89 In der Schweiz muss die Klage der Mutter etwa innerhalb eines Jahres nach der Geburt eingereicht werden, während für das Kind die Jahresfrist erst mit Volljährigkeit zu laufen beginnt.90 Das griechische Recht sieht demgegenüber für die Mutter eine Frist von fünf Jahren ab Geburt vor, für das Kind eine einjährige Frist ab Volljährigkeit und für den Mann eine zweijährige Frist ab Verweigerung der Zustimmung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung.91 In diesen Ländern wird mithin der Rechtssicherheit Vorrang gegenüber dem Interesse des Kindes an der Zuordnung zu einem zweiten Elternteil und seinem Recht auf Kenntnis seiner Abstammung einge84 Sec. 55A Family Law Act 1986 („any person may apply to the High Court or the family court for a declaration as to whether or not a person named in the application is or was the parent of another person so named.“); Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69a; Lowe, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 319, 330. Die Besonderheit des englischen Rechts ergibt sich daraus, dass es die Abstammung nicht als umfassenden Status, sondern lediglich als zu beweisende Tatsache versteht; siehe hierzu unten S. 21. 85 Lowe, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 319, 330; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69a; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 132. 86 Lowe, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 319, 330; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69a; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 132. 87 Sec. 55A Family Law Act 1986 („any person may apply to the High Court or the family court for a declaration as to whether or not a person named in the application is or was the parent of another person so named.“); Lowe, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 319, 330; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69a. 88 Sec. 55A Family Law Act 1986; Lowe, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 319, 330; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69a („wobei das Gericht die Möglichkeit hat, die Feststellungsklage abzuweisen, wenn es der Auffassung ist, dass der Kläger kein hinreichendes persönliches Interesse an der Feststellung nachgewiesen hat oder dass die Feststellung dem Interesse des Kindes widerstreitet.“) 89 Vgl. Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6; Henrich, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 395, 403. 90 Art. 263 Abs. 1 schweiz. ZGB. Bestand bereits ein Abstammungsverhältnis zu einem anderen Mann, beginnt die Jahresfrist erst mit der Beseitigung der vorherigen Vaterschaft. 91 Art. 1483 Abs. 1 griech. ZGB.
B. Vaterschaft
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räumt.92 Anders ist dies im deutschen Recht, das für das Feststellungsverfahren keinerlei Fristen fordert – unabhängig davon, wer die Feststellung begehrt;93 so auch im italienischen Recht für das Antragsrecht des Kindes.94
IV. Statusbesitz Wenige Länder wie etwa Frankreich kennen darüber hinaus noch eine weitere Möglichkeit, die Abstammung zu begründen: die Abstammungsbegründung aufgrund eines Statusbesitzes ( possession d’état).95 Für die Annahme einer possession d’état nach französischem Recht müssen bestimmte Tatsachen vorliegen, die auf das Bestehen eines Abstammungsverhältnisses schließen lassen.96 Ein Statusverhältnis ist unter anderem anzunehmen, wenn der Vater das Kind als eigenes behandelt, er zum Unterhalt und zur Erziehung beiträgt, das Kind in der Gesellschaft, in der Familie und vom Staat als das Kind des Mannes betrachtet wird und schließlich das Kind den Namen der Person führt.97 Des Weiteren muss der Statusbesitz dauerhaft, ungestört, öffentlich und eindeutig sein.98 Liegen die Voraussetzungen vor, wird die Vaterschaft des Mannes jedoch nur dann rechtlich anerkannt, wenn der Statusbesitz in einer Urkunde, der acte de notoriété, nachgewiesen wird.99 Die acte de notoriété wird von einem Notar auf Antrag einer der beiden Eltern oder des Kindes errichtet.100 Sie kann allerdings nur bis zu fünf Jahren nach Beendigung des Statusbesitzes oder nach dem Tod des angeblichen Elternteils beantragt werden.101 Daneben kann die possession d’etat gerichtlich bis zu zehn Jahren nach Beendigung des Statusbesitzes festgestellt werden.102 92 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6. 93 Vgl. § 1600d BGB. 94 Art. 270 Abs. 1 ital. CC. 95 Ferner kennt etwa auch die kanadische Provinz Québec eine Abstammungsbegründung durch Statusbesitz, Art. 523 Abs. 2, 524 québec. CC. Das belgische Recht kennt zwar ebenfalls das Institut des Statusbesitzes; Bedeutung erlangt er dort aber nur als Unzulässigkeitsgrund für eine Anfechtung, vgl. Art. 318 § 1 belg. CC (die Norm wurde jedoch ohnehin als verfassungswidrig erklärt, vgl. hierzu Pintens, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Belgien, S. 63 f., 130 Fn. 38, siehe auch S. 20 Fn. 124). 96 Art. 311-1 i. V. m. Art. 317 franz. CC. Vgl. zum französischen Recht Ferrand, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 93, 99 f.; Brandhuber, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Frankreich, S. 52 f.; v. Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie, S. 116. und Helms, Feststellung der biologischen Abstammung, S. 75 (zur Rechtslage noch vor der Kindschaftsrechtsreform 2005). 97 Art. 311-1 franz. CC. 98 Art. 311-2 franz. CC. 99 Art. 317 franz. CC, vgl. Ferrand, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 93, 100. 100 Art. 317 Abs. 1 franz. CC. 101 Art. 317 Abs. 3 franz. CC. 102 Art. 330 franz. CC.
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Eine entscheidende Rolle spielt der Statusbesitz bei der Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche.103 Die Abstammungsbegründung aufgrund eines Statusbesitzes wird hierbei relevant, wenn der Mann, der jahrelang für das Kind gesorgt hat, verstirbt, ohne zu Lebzeiten eine Vaterschaftsanerkennung abgegeben zu haben.104 Ist in diesem Fall die zehnjährige Frist für die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft bereits abgelaufen, kann die Abstammung nur noch über die possession d’état festgestellt werden.105 Selbst wenn die Frist noch nicht abgelaufen ist, ist die gerichtliche Feststellung regelmäßig auch deshalb nicht mehr möglich, da ein Abstammungsgutachten im französischen Recht post mortem unzulässig ist, sofern der Vater zu Lebzeiten nicht ausdrücklich der Untersuchung zugestimmt hat.106 Eine ähnliche Regelung findet sich schließlich auch in manchen US-Bundesstaaten wie Kalifornien. Nach kalifornischem Recht gilt etwa eine Person als rechtlicher Elternteil, wenn sie das Kind zuhause aufnimmt und es öffentlich als eigenes Kind ausgibt.107 Allein die tatsächliche Übernahme der Elternrolle begründet hier ein rechtliches Abstammungsverhältnis.
V. Anfechtung der Vaterschaft Da die Zuordnungsregeln nicht immer mit der biologischen Vaterschaft korrespondieren, besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit die rechtliche Vaterschaft des nicht genetischen Vaters wieder zu beseitigen.108 Wer die Vaterschaft anfechten darf und welche Fristen hierbei einzuhalten sind, 103 104
Helms, Feststellung der biologischen Abstammung, S. 76 Fn. 97. Helms, Feststellung der biologischen Abstammung, S. 76; v. Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie, S. 116. 105 Zu berücksichtigen ist, dass früher die Frist zur Erhebung einer Vaterschaftsfeststellungklage sehr kurz (2 Jahre) bemessen war, Helms, Feststellung der biologischen Abstammung, S. 75. 106 Ferrand, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 105; v. Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie, S. 114 meint, dass eine Vaterschaftsfeststellung post mortem aufgrund von Art. 16–11 Abs. 2 CC sogar verboten ist. 107 Sec. 7611 lit. d California Family Code („A person is presumed to be the natural parent of a child if the person meets the conditions provided in any of the following subdivisions: […] (d) The presumed parent receives the child into their home and openly holds out the child as their natural child.“). Zwar besagt Sec. 7612 lit. a California Family Code, dass es sich hierbei um eine Vermutung handelt, die durch Beweise widerlegt werden kann. Allerdings reicht nach der Rechtsprechung allein die fehlende genetische Verbindung nicht aus, um die Vermutung zu widerlegen, so In re Nicholas H., 28 Cal.4th 56, 46 P.3d 932 (Cal. 2002), vgl. hierzu ausführlich, Roach, 43 California Western Law Review 2006, 235, 244 f. („the fact that the man has no biological connection to the child would not automatically rebut a presumption under section 7611(d) but would be a factor the court would consider in determining his legal rights as a parent.“ (noch zur Vorgängervorschrift). 108 Einen Ausschluss des Anfechtungsrechts trotz fehlender genetischer Verbindung sehen zahlreiche Rechtsordnungen für den Fall einer Samenspende vor, vgl. hierzu unten S. 24 f. und S. 25 Fn. 156.
B. Vaterschaft
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wird rechtsvergleichend uneinheitlich beantwortet.109 Im Rechtsvergleich zeigt sich, dass regelmäßig Anfechtungsfristen von einem Jahr bis fünf Jahren üblich sind.110 In vielen Rechtsordnungen beginnen die Fristen dabei erst zu laufen, wenn der Berechtigte Kenntnis von dem Umständen erhält, die gegen die Vaterschaft sprechen.111 Kenntnisunabhängige Fristen finden sich demgegenüber etwa in Griechenland und Tschechien.112 Manche Rechtsordnungen wie Russland, Norwegen und Rumänien erlauben die Anfechtung auch ganz ohne zeitliche Befristung.113 Zu dem Kreis der Anfechtungsberechtigten zählen regelmäßig das Kind, die Mutter und der rechtliche Vater.114 Hat der Anerkennende jedoch bewusst eine unwahre Vaterschaftsanerkennung erklärt, wird ihm in einigen Rechtsordnungen ein Anfechtungsrecht verweigert.115 In manchen Rechtsordnungen können außerdem die Eltern oder andere Abkömmlinge die Vaterschaft anfechten, wenn der Mann, dessen Vaterschaft bestritten werden soll, bereits gestorben ist.116 Ebenso ist teilweise ein Anfechtungsrecht des Staatsanwalts oder einer 109 Helms, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 105, 108 f.; Henrich, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 395, 403; Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6 f.; Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Study of Legal Parentage and the Issues arising from international Surrogacy Arrangements, 2014, S. 8 Rn. 35; Frank, in: FS Schwab, 1127 ff. 110 MüKo/Wellenhofer, § 1600b BGB Rn. 4; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 421; Frank, FamRZ 2016, 530 f. für die Anfechtungsfrist des leiblichen Vaters. 111 Etwa in Deutschland (§ 1600 Abs. 1 BGB), Österreich (§ 153 Abs. 1 ABGB, kenntnisunabhängige Ausschlussfrist allerdings für den rechtlichen Vater nach 30 Jahren), Portugal (Art. 1842 CC), Spanien (Art. 136, 137 Abs. 3 CC), Niederlande (Art. 1:200 Abs. 5, 6 BW) und Rumänien (Art. 430 Abs. 1 ZGB für das Anfechtungsrecht des Ehemanns; das Anfechtungsrecht des biologischen Vaters ist hingegen unbefristet). 112 Art. 1470 griech. ZGB (Ausschlussfrist von 5 Jahren für den Ehemann); § 785 Abs. 1 tschech. ZGB (Ausschlussfrist von 6 Jahren für den Ehemann). Auch in der Schweiz ist die 5-Jahres-Frist des Art. 265c schweiz. ZGB für den Ehemann kenntnisunabhängig ausgestaltet. Allerdings kann die fehlende Kenntnis ein Entschuldigungsgrund i. S. v. Art. 256c Abs. 3 ZGB sein und damit kann auch noch nach Ablauf der Frist eine Anfechtung möglich sein, vgl. Aebi-Müller/Jaggi, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 343, 356. Kenntnisunabhängige Fristen können nach der Rechtsprechung des EGMR gegen Art. 8 EMRK verstoßen, wenn sie zu kurz bemessen sind, siehe EGMR (24.11.2005), FamRZ 2005, 181 ff. 113 Beispielsweise in Russland (Art. 52 FamGB), Norwegen (§ 6 KinderG) und Rumänien (Art. 432 Abs. 2 CC, für das Anfechtungsrecht des biologischen Vaters), vgl. Frank, FamRZ 2016, 530; MüKo/Wellenhofer, § 1600b BGB Rn. 4; Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 50 ff. 114 Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 6; Helms, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 105, 108. 115 So etwa in Österreich (§ 154 Abs. 1 Nr. 3 lit. b AGBGB) und der Schweiz (Art. 260a Abs. 2 ZGB). Vgl. Henrich, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 395, 411. 116 So etwa im türkischen Recht (Art. 291 türk. ZGB, Anfechtungsrecht der Abkömm-
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
Behörde vorgesehen.117 Das Anfechtungsrecht des potentiellen leiblichen Vaters ist hingegen oftmals noch beschränkt oder sogar nicht existent.118 Rechtsvergleichend zeichnet sich aber „die klare Tendenz ab, die Stellung des potenziellen biologischen Vaters zu stärken.“119 (Noch) gar keine Möglichkeit die bestehende Vaterschaft anzufechten hat der biologische Vater in den Niederlanden, Österreich und Schweden.120 Manche Rechtsordnungen wie das italienische und portugiesische Recht erlauben dem leiblichen Vater nur die Anfechtung einer Vaterschaftsanerkennung, nicht aber die Anfechtung der Vaterschaft des Ehemanns.121 „Die hierin zum Ausdruck kommende Privilegierung der Ehe erscheint vor dem Hintergrund veränderter Familien- und Beziehungsstrukturen zweifelhaft und wird sich auf Dauer wohl kaum aufrechterhalten lassen“.122 Das deutsche Recht sieht schließlich eine Anfechtung des leiblichen Vaters nur vor, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Bindung besteht.123 Auch im französischen Recht ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn der rechtliche Vater Statusbesitz gegenüber dem Kind hat; allerdings muss der Statusbesitz bereits mindestens fünf Jahre andauern.124 Schränken die Länder das Anfechtungsrecht des biologischen Vaters zu sehr ein, kann hierin ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK liegen.125 Der EGMR beschäftigte sich bereits in mehreren Entscheidungen mit dem Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters.126 Art. 8 EMRK fordere nach der Rechtsprechung eine Ablinge und der Eltern des rechtlichen Vaters) sowie im italienischen Recht (Art. 246 ital. CC Anfechtungsrecht der Abkömmlinge und der Eltern des rechtlichen Vaters und der rechtlichen Mutter). 117 Etwa in Frankreich (Art. 336 CC), Italien (Art. 244 Abs. 6 CC, auf Antrag eines minderjährigen Kindes), Portugal (§ 1841 Abs. 1, 1859 Abs. 2CC), Niederlande (Art. 1:201 BW) und in der Türkei (Art. 298 ZGB, sofern die Vaterschaft kraft Anerkennung begründet wurde). 118 Vgl. ausführlich die rechtsvergleichenden Betrachtungen zur Stellung des potenziellen biologischen Vaters im Abstammungsrecht Helms, FamRZ 2010, 1 und Frank, in: FS Schwab, 1127. Die nachfolgenden Beispiele stammen größtenteils aus diesen Aufsätzen. 119 Helms, FamRZ 2010, 1, 4. 120 Vgl. Art. 1:200 niederl. BW; Art. 151 Abs. 2 österr. ABGB; Kap. 3 § 1, 2 schwed. ElternGB, vgl. Frank, FamRZ 2016, 530. 121 Art. 243bis Abs. 1, Art. 263 Abs. 1 ital. CC; Art. 1839 Abs. 1, 1859 Abs. 2 portug. CC (der leibliche Vater kann jedoch im Falle der ehelichen Abstammung einen Antrag auf Anfechtung an die Staatsanwaltschaft stellen). 122 Helms, FamRZ 2010, 1, 3. 123 § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 BGB. 124 Art. 333 franz. CC, vgl. Ferrand, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 93, 100. So ursprünglich auch in Belgien (Art. 318 § 1, 330 § 1 Abs. 1 CC); der Anfechtungsausschluss aufgrund eines Statusbesitzes wurde jedoch als verfassungswidrig erklärt, vgl. hierzu Pintens, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Belgien, S. 130 Fn. 38. 125 Vgl. Frank, FamRZ 2021, 1081, 1083 ff. zur Vereinbarkeit des § 1600 Abs. 2 BGB mit Art. 8 EMRK. 126 Siehe etwa EGMR (07.04.2022), Beschwerde Nr. 13344/20, FamRZ 2022, 799; EGMR (13.10.2020), Beschwerde Nr. 32495/15, FamRZ 2021, 111; EMRK (08.12.2016), Beschwerden Nr. 7949/11 und 45522/13, FamRZ 2017, 385.
B. Vaterschaft
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wägung der unterschiedlichen Interessen von Kind, Mutter, rechtlichem und biologischem Vater sowie die Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles.127 Der Gerichtshof erklärte unter anderem eine Regelung des bulgarischen Rechts, nach der dem biologischen Vater kein Anfechtungsrecht zustand, als mit Art. 8 EMRK unvereinbar.128 Demgegenüber gibt es eine zunehmende Anzahl an Ländern, die dem biologischen Vater ein unbeschränktes Anfechtungsrecht einräumen. Ein unbeschränktes Anfechtungsrecht kennt etwa das slowenische Recht, wobei dieses die Anfechtungsfrist mit einem Jahr ab Kenntniserlangung der relevanten Umstände nur sehr kurz bemisst.129 Noch weiter gehen Russland und Norwegen, die dem leiblichen Vater sogar ein unbeschränktes und auch unbefristetes Anfechtungsrecht gewähren.130 Auch bei einem unbeschränkten und insbesondere unbefristeten Anfechtungsrecht liegt ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK nahe, da in diesem Fall die Rechte des rechtlichen Vaters nicht hinreichend berücksichtigt werden können. Eine Sonderstellung nimmt schließlich das englische Recht ein.131 Im englischen Recht bestehen grundsätzlich keine Anfechtungsfristen und auch der Kreis der Anfechtungsberechtigten ist nicht eingeschränkt. Zudem bedarf es keines besonderen Anfechtungsverfahrens, wie dies in den kontinentaleuropäischen Rechten vorgesehen ist, sondern die Abstammung kann in jedem Verfahren, in der die Vaterschaft eine Rolle spielt, wie etwa einem Sorgerechtsstreit, von jedem Beteiligten behauptet und bestritten werden.132 Der Hintergrund ist, dass das englische Recht die Abstammung nicht als umfassenden Status ansieht, sondern die Abstammung lediglich als zu beweisende Tatsache versteht.133 So kennt das englische Recht zwar auch die Vaterschaft des Ehemanns, allerdings handelt es sich hierbei lediglich um eine Vermutungsregel, die jederzeit von jedermann, der hieran ein berechtigtes Interesse vorweisen kann, durch einen Gegenbeweis widerlegt werden kann.134 127
Siehe die Entscheidungen der vorherigen Fußnote sowie Frank, FamRZ 2021, 112. Nr. 7949/11 und 45522/13, FamRZ 2017, 385.
128 EMRK (08.12.2016), Beschwerden 129 Art. 131 slowen. FamGB.
130 Art. 52 russisch. FamGB und § 6 norw. KinderG. So auch in weiteren osteuropäischen Staaten, siehe hierzu Frank, in: FS Schwab, 1127, 1137. 131 Helms, FamRZ 2010, 1, 3 f.; Helms, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 105, 111 f.; Sanders, Mehrelternschaft, S. 13 ff.; Lowe, in: Spickhoff/ Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 319, 330 ff.; Frank, in: FS Schwab, 1127, 1134 ff. 132 Helms, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 105, 111 f.; Frank, in: FS Schwab, 1127, 1134. Vgl. bereits oben zur gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung, S. 15 f. 133 Sanders, Mehrelternschaft, S. 14; Helms, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 105, 111. 134 Sanders, Mehrelternschaft, S. 14; Helms, FamRZ 2010, 1, 3 f.; Frank, in: FS Schwab, 1127, 1134 ff.
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
C. Abstammung bei medizinisch assistierter Zeugung I. Abstammung bei künstlicher Befruchtung mittels Eizellen- und Samenspende Die Fortpflanzungsmedizin hat die Unterschiede in den Abstammungsrechten noch weiter verschärft.135 Sehr unterschiedlich wird bereits bewertet, welche Methoden der assistierten Reproduktion überhaupt in den jeweiligen Staaten erlaubt sind und ferner für wen diese Techniken offenstehen – nur verheirateten Paaren oder auch nichtehelichen Lebensgemeinschaften oder alleinstehenden Frauen.136 Die heterologe Insemination, bei der die Zeugung des Kindes mittels Samenspende eines Dritten und gerade nicht des Partners erfolgt, ist jedenfalls für verschiedengeschlechtliche Paare in den meisten Ländern erlaubt.137 Nicht gestattet ist sie demgegenüber im türkischen Recht.138 Die Schweiz gestattet die Befruchtung mittels Samenspende ferner nur verheirateten verschieden geschlechtlichen Paaren.139 Eine zunehmende Anzahl an Rechtsordnungen öffnen den Zugang zur Samenspende zudem auch für lesbische Paare.140 Da die Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare rechtsvergleichend besonders kontrovers beurteilt wird, wird diese im Abschnitt E noch eigens betrachtet.141 Ferner wird auch die Eizellenspende mittlerweile in einigen Ländern als zulässig erachtet;142 verboten ist sie etwa (noch) in Deutschland, der Türkei und der Schweiz.143 Ebenso erlauben einige Rechtsordnungen eine Spende von über135
Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 7. Eine Zusammenfassung über die unterschiedlichen Regelungen findet sich bei Henrich, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 371 ff.; Henrich, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 395, 408 f.; Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 16 ff. und Dethloff, Familienrecht, § 10 Rn. 112 ff. 136 Schwenzer, in: Schwenzer, Tensions between legal, biological and social conception of parentage, 1, 9; Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 7; Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig (Hrsg.), Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, S. 1 ff. 137 Schwenzer, in: Schwenzer, Tensions between legal, biological and social conception of parentage, 1, 9; Henrich, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 371 ff. 138 Kaman Kaplan, in: Rieck/Lettmaier, Ausländisches Familienrecht, Türkei, Rn. 31; Dethloff, Familienrecht, § 10 Rn. 113. 139 Art. 4 schweiz. FMedG. 140 Siehe hierzu unten S. 42 ff. 141 Unten S. 40 ff. 142 So etwa in Europa in Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Polen, Slowenien, Spanien, vgl. Henrich, in: Dutta/Schwab/Henrich/ Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 371, 374; Dethloff, Familienrecht, § 10 Rn. 114. 143 § 1 Abs. 1 Nr. 1 deutsch. EschG; Art. 4 schweiz. FMedG. Zum türkischen Recht Kaman
C. Abstammung bei medizinisch assistierter Zeugung
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zähligen Embryonen, die im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung eines Paares erzeugt und von diesem freigegeben wurden.144 Das Paar benötigt die Embryonen in diesen Fällen nicht mehr selbst, weil entweder seine Behandlung erfolgreich abgeschlossen ist oder die Behandlung aus anderen Gründen nicht weiter verfolgt wird.145 In anderen Rechtsordnungen ist auch die gezielte Herstellung von Embryonen mit gespendeten Ei-und Samenzellen rechtlich möglich.146 Die verschiedenen Ansichten hinsichtlich der Zulässigkeit machen sich auch bei der abstammungsrechtlichen Zuordnung bemerkbar. Die Zuordnung der rechtlichen Mutterschaft erfolgt im Falle einer Eizellen- oder Embryonenspende wie bei der natürlichen Zeugung zu der Frau, die das Kind geboren hat.147 Dies gilt sowohl für die Länder, die eine Eizellen- oder Embryonenspende erlauben, als auch für Länder, die diese verbieten. Die medizinische Möglichkeit einer solchen Spende hat in manchen Rechtsordnungen wie Deutschland gerade dazu geführt, dass eine Vorschrift für die Bestimmung der rechtlichen Mutter überhaupt erlassen wurde.148 Nur wenn zusätzlich ein Fall der Leihmutterschaft vorliegt, weichen manche Länder von dieser Regelung ab. Die Leihmutterschaft wird aufgrund ihrer besonderen Brisanz im nächsten Abschnitt (D.) noch ausführlich behandelt.149 Bei einer künstlichen Befruchtung mittels Samenspende wird in einigen Rechtsordnungen wie etwa Dänemark, Großbritannien, Italien und Schweden die Vaterschaft des Mannes, der in die Behandlung eingewilligt hat, bereits aufgrund dieser Zustimmung kraft Gesetzes begründet.150 Auch außerhalb Europas Kaplan, in: Rieck/Lettmaier, Ausländisches Familienrecht, Türkei, Rn. 31; Dethloff, Familienrecht, § 10 Rn. 114. 144 So etwa in Belgien, Neuseeland, Deutschland. Zum belgischen Recht Pintens, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, S. 105, 113, zum deutschen und neuseeländischen Recht Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, S. 18 ff. 145 Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, S. 9. 146 So etwa in England und Wales, Polen, Tschechien und einigen US-Bundesstaaten, siehe Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, S. 18 ff.; zum polnischen Recht Bugajski, FamRZ 2016, 1546, 1548 f. Fn. 34, 46. 147 Vgl. Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 7; Dethloff, Familienrecht, § 10 Rn. 117; Schwenzer, in: Schwenzer, Tensions between legal, biological and social conception of parentage, 1, 10. 148 BT-Drucks. 13/4899, S. 82. Schweden regelt schließlich nur für den Fall der Eizellenspende die Mutterschaft, Kap. 1 § 7 schwed. ElternGB. 149 Unten S. 29 ff. 150 § 27 dän. KinderG; Sec. 35–37 brit. Human Fertilisation and Embryology Act 2008; Art. 8 ital. Gesetz Nr. 40/2004 Norme in materia di procreazione medicalmente assistita; Kap. 1 § 8 schwed. ElternGB. Außerdem in Katalonien (Art. 235–3 CC), Portugal (Art. 20 Abs. 1 Gesetz Nr 32/2006) und Slowenien (Art. 134 Abs. 1 FamGB). Vgl. Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 17; Henrich, in: FS Frank, 249, 253 f.
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
kennen einige Rechtsordnungen, vor allem einige Bundesstaaten der USA und Australiens, die automatische Zuordnung zu der Person, die in die künstliche Befruchtung eingewilligt hat.151 In Griechenland gilt ferner die vorherige Einwilligung wie eine vorweggenommene Anerkennung.152 In anderen – vor allem europäischen – Rechtsordnungen werden hingegen die allgemeinen Abstammungsregelungen angewendet: Bei einer verheirateten Mutter wird das Kind kraft Gesetzes dem Ehemann zugeordnet; bei einer unverheirateten Mutter muss demgegenüber der Wunschvater das Kind anerkennen. Verweigert jedoch der Mann, der ursprünglich seine Zustimmung erklärt hat, nach der Zeugung des Kindes die Anerkennung, kommt eine gerichtliche Feststellung mangels genetischer Verbindung nach den traditionellen Abstammungsregeln nicht in Betracht. Die meisten Länder, die die heterologe Insemination für unverheiratete Paare erlauben, haben ihre allgemeinen Vorschriften jedoch für die Fälle der medizinisch assistierten Reproduktion dahingehend modifiziert, dass der Mann, der in die Behandlung eingewilligt hat, gerichtlich festgestellt werden kann.153 Keine Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung sieht allerdings das deutsche Recht vor.154 Da das Kind folglich vaterlos bleiben kann, obwohl der Mann einen entscheidenden Beitrag für dessen Existenz geleistet hat, wird die Regelung in der Literatur stark kritisiert und ist bereits Gegenstand von Reformüberlegungen.155 Ferner werden auch solche Länder, die die heterologe Insemination allgemein oder jedenfalls für unverheiratete Paare verbieten, ebenfalls keine Möglichkeit vorsehen, den mit dem Kind nicht genetisch verwandten Mann als rechtlichen Vater feststellen zu lassen. Um die Vaterschaft des Mannes, der in die heterologe Insemination eingewilligt hat, abzusichern, wird regelmäßig in den Ländern, die die Samenspende erlauben, die Vaterschaftsanfechtung trotz fehlender genetischer Verbindung 151 Siehe
zu den Rechtsordnungen in den USA auch Storrow, 53 Hastings Law Journal 2002, 597, 623 ff.; Joslin, 39 Family Law Quarterly 2005, 683, 686 f.; Meyer, in: Schwenzer, Tensions between legal, biological and social conception of parentage, 369, 377. 152 Art. 1475 Abs. 2 griech. ZGB. 153 So etwa in Frankreich (Art. 311-20 Abs. 4, 5 CC); Österreich (§ 148 Abs. 3 ABGB), Niederlande (Art. 1:207 Abs. 1 BW); Spanien (Art. 8 Abs. 2 Ley 14/2006 sobre técnicas de reproducción humana asistida). Vgl. Henrich, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 371, 375; Henrich, in: Spickhoff/ Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 395, 409; Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 17. 154 Vgl. § 1600d BGB. 155 Siehe den Diskussionsteilentwurf des Bundesjustizministeriums, verfügbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023); BMJV, Arbeitskreis Abstammungsrecht. Abschlussbericht, S. 55; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 347 f.; Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 17; Helms, NJW-Beil 2016, 49, 50; Coester-Waltjen/Lipp/Reuß/Schumann/ Veit, FamRZ 2021, 1790 f.
C. Abstammung bei medizinisch assistierter Zeugung
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untersagt.156 Umgekehrt wird die Feststellung der Vaterschaft des genetischen Samenspenders normalerweise ausgeschlossen.157 Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen sieht das deutsche Recht vor: Hier gilt der Anfechtungsausschluss nicht für das Kind.158 Bei der Abstammungsbegründung sowie der Anfechtung der Vaterschaft kommt wie gesehen der Einwilligung in die heterologe Insemination eine entscheidende Bedeutung zu. Die Rechtsordnungen stellen jedoch unterschiedliche Voraussetzungen an die Einwilligung und insbesondere an deren Widerruf bzw. deren Erlöschen. So sieht etwa das deutsche Recht weder für die Einwilligung noch für den Widerruf eine besondere Form vor, während etwa in Frankreich und Österreich die Einwilligung vor einem Richter oder Notar zu erfolgen hat.159 Der Widerruf kann im französischen Recht hingegen schriftlich gegenüber dem Arzt erfolgen.160 Zudem ist nach französischem Recht die Einwilligung automatisch auch bei Aufhebung der Lebensgemeinschaft oder bei Einreichung des Scheidungsantrags oder eines Antrags auf gerichtliche Trennung ungültig, ohne dass ein Widerspruch ausgesprochen werden muss.161 Ebenfalls unterschiedlich bewertet wird, wie lange überhaupt ein Widerruf erfolgen kann. In Österreich und Großbritannien kann der Mann etwa bis zur Einpflanzung des in vitro gezeugten Embryos noch widersprechen,162 während hingegen in Italien der Widerruf nur bis zum Zeitpunkt der Befruchtung erklärt werden kann.163 Aufgrund dieser unterschiedlichen Regelungen kann es daher sein, dass eine 156 Bspw. in Frankreich (Art. 311-20 Abs. 2 CC), Österreich (§§ 152, 154 Abs. 1 Nr. 2 AGBGB), Schweiz (Art. 23 Abs. 1 FMedG, Art. 256 Abs. 3 ZGB), Spanien (Art. 8 Abs. 1 Ley 14/2006 sobre técnicas de reproducción humana asistida) und Slowenien (Art. 134 Abs. 2 FamGB). Vgl. Ferrer i Riba, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 1, S. 7; Dethloff, Familienrecht, § 10 Rn. 118. 157 So in Deutschland (§ 1600d BGB), Frankreich (Art. 311-19 CC), Griechenland (Art. 1479 Abs. 2 ZGB); Österreich (§ 148 Abs. 4 ABGB), Spanien (Art. 8 Abs. 3 Ley 14/2006 sobre técnicas de reproducción humana asistida) und Slowenien (Art. 134 Abs. 3 FamGB). Vgl. Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 17; Dethloff, Familienrecht, § 10 Rn. 118. 158 § 1600 Abs. 4 BGB, vgl. hierzu Spickhoff, ZfPW 2017, 257, 270; Frie, NZFam 2018, 817, 822. Im spanischen Recht ist das Anfechtungsrecht des Kindes umstritten, wird aber von der überwiegenden Meinung abgelehnt, vgl. Ferrer i Riba, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 229, 244. 159 Art. 311-20 Abs. 3 franz. CC (Richter oder Notar); § 148 Abs. 3 österr. ABGB (Notariatsakts). Vgl. zum deutschen Recht Spickhoff, ZfPW 2017, 257, 264, 266; Spickhoff, in: FS Schwab, 923, 934, 937; Henrich, in: FS Frank, 249, 250. 160 Art. 311-20 Abs. 3 franz. CC. 161 Art. 311-20 Abs. 3 franz. CC. 162 § 8 Abs. 4 österr. FMedG; Schedule 3(4) des Human Fertilisation and Embryology Act 2008, vgl. zum britischen Recht, Scherpe, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 295, 309. 163 Art. 6 ital. Gesetz Nr. 40/2004 Norme in materia di procreazione medicalmente assistita. Vgl. hierzu die Entscheidung EGMR (07.03.2006), FamRZ 2006, 533 mit weiteren (teils nicht mehr aktuellen) Beispielen.
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
Rechtsordnung das Kind dem Mann zuordnet, der ursprünglich der Befruchtungshandlung zugestimmt hat, da ein Widerruf nicht mehr möglich war, eine andere Rechtsordnung den Widerruf hingegen als noch rechtzeitig ansieht und das Kind daher nicht mehr dem Mann zuordnet.164 In den meisten Staaten beschränken sich die speziellen Abstammungsregelungen auf Fälle von offiziellen Samenspenden, die in anerkannten Stellen wie einer Samenbank abgegeben werden, während eine private Samenspende wie eine natürliche Zeugung gehandhabt wird.165 Bei der privaten Samenspende beschaffen sich die Beteiligten die Samen selbst, wobei sehr unterschiedliche Erscheinungsformen existieren: Manche Paare finden einen Spender (anonym) über das Internet, andere bevorzugen eine Spende aus dem Freundeskreis mit dem zugrundeliegenden Wunsch, dass das Kind den Spender später kennenlernen kann.166 Vereinzelt gibt es Länder, die auch für die private Samenspende spezielle Regelungen vorsehen. So können etwa in Ontario die Wunscheltern mit einem privaten Samenspender vor der Zeugung mit gesetzlicher Wirkung vereinbaren, dass nur der Wunschvater der rechtliche Vater wird und der private Samenspender von der Vaterstellung ausgeschlossen wird.167
II. Vaterschaft bei postmortaler Insemination Durch die Kryokonservierung ist es medizinisch möglich, menschliche Keimzellen über einen langen Zeitraum aufzubewahren.168 Dadurch kann eine künstliche Befruchtung auch noch nach dem Tod des Samenspenders erfolgen. Praktisch relevant wird dies, wenn der Mann früh verstirbt und sich seine Ehefrau oder Partnerin auch noch nach dessen Tod ihren Kinderwunsch durch eine Befruchtung mit seinem Samen erfüllen möchte.169 Hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der postmortalen Insemination herrscht kein Konsens zwischen den Ländern.170 Während sie in einigen Ländern wie Deutschland, Frankreich, Ös164 Staudinger/Henrich, Art. 19
EGBGB Rn. 28a. Beispielweise in Italien (Art. 10 Gesetz Nr. 40/2004 Norme in materia di procreazione medicalmente assistita), Österreich (§ 148 Abs. 4 ABGB), Dänemark (vgl. § 27 ff. KinderG) und Großbritannien (Sec. 36(a) Human Fertilisation and Embryology Act 2008), vgl. Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 17. 166 Helms, NJW-Beil 2016, 49, 50. 167 Sec. 7(4) Ontario Children’s Law Reform Act („This section is deemed not to apply to a person whose sperm is used to conceive a child through sexual intercourse if, before the child is conceived, the person and the intended birth parent agree in writing that the person does not intend to be a parent of the child.“) 168 Zum Verfahren der Kryokonservierung siehe Velte, Die postmortale Befruchtung im deutschen und spanischen Recht, S. 9 ff. 169 Velte, Die postmortale Befruchtung im deutschen und spanischen Recht, S. 1. 170 Rechtsvergleichender Überblick bei Simana, Journal of Law and the Biosciences 2018, 329 ff. hinsichtlich der Zulässigkeit in Australien, USA, UK und Israel. Vgl. die einzelnen Län165
C. Abstammung bei medizinisch assistierter Zeugung
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terreich und der Schweiz verboten ist,171 ist sie in anderen Staaten unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt oder jedenfalls nicht ausdrücklich verboten. Beispiele für Rechtsordnungen, in denen die postmortale Insemination ausdrücklich erlaubt ist, sind Großbritannien, Spanien, Griechenland, Belgien, Norwegen, Niederlande, Russland, Kanada und New South Wales.172 Voraussetzung für die Zulässigkeit ist regelmäßig, dass der Mann, dessen Samen für die Insemination verwendet werden soll, der postmortalen Befruchtung zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat.173 Diese muss meist schriftlich erfolgen,174 das griechische Recht fordert sogar eine notarielle Beurkundung der Zustimmung.175 Einige Rechtsordnungen verlangen zudem eine bestimmte Zeitspanne, in der die Insemination zu erfolgen hat. In Spanien muss die Befruchtung der Ehefrau oder Lebensgefährtin innerhalb von 12 Monaten nach dem Versterben des Mannes erfolgen.176 In Belgien und Griechenland besteht eine Wartezeit von 6 Monaten nach dem Tod und eine Ausschlussfrist, bis zu der die Insemination zu erfolgen hat, von zwei Jahren.177 Die Wartezeit erklärt sich damit, dass die Frau ihre Entscheidung nicht in der schwierigen Phase unmittelbar nach dem Tod ihres Partners treffen soll.178 Die Ausschlussfrist soll hingegen Rechtssicherheit hinsichtlich der Erbfolge garantieren.179 In Griechenland ist die Zulässigkeit darüber hinaus noch an eine gerichtliche Genehmigung gekoppelt.180 derberichte in Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig (Hrsg.), Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, S. 1 ff. 171 Deutschland (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG), Frankreich (Art. L21412 Abs. 4 Nr. 1 Code de la santé publique); Schweiz (Art. 3 Abs. 4 FMedG), Österreich (§ 17 Abs. 1 FMedG). 172 Großbritannien (Sec. 39 Human Fertilisation and Embryology Act 2008), Spanien (Art. 9 Abs. 2 Ley 14/2006 sobre técnicas de reproducción humana asistida), Griechenland (Art. 1457 ZGB), Belgien (Art. 15 Loi relative à la procréation médicalement assistée et à la destination des embryons surnuméraires et des gametes), Norwegen (§ 2–17 Bioteknologiloven), Niederlande (Art. 7 S. 2 HS 2 Embryowet 2002), Russland (siehe Svitnev, Reproductive BioMedicine Online 2010, 892 ff.), Kanada (Sec. 8(2) Assisted Human Reproduction), New South Australia (Sec. 23 Assisted Reproductive Technology Act 2007). 173 Simana, Journal of Law and the Biosciences 2018, 329, 334 ff. 174 Vgl. etwa Art. 7 S. 2 HS 2 niederl. Embryowet 2002; Sec. 8(2) kanad. Assisted Human Reproduction; Sec. 17 New South Wales Assisted Reproductive Technology Act 2007. In Belgien ist ein schriftlicher Vertrag mit dem Fertilisationszentrum zu schließen, Art. 7 Loi relative à la procréation médicalement assistée et à la destination des embryons surnuméraires et des gametes. 175 Art. 1457 Abs. 1 lit. b griech. ZGB. 176 Art. 9 Abs. 2 Gesetz 14/2006. 177 § 1457 Abs. 2 griech. ZGB; Art. 45 belg. Loi relative à la procréation médicalement assistée et à la destination des embryons surnuméraires et des gametes. Zu dem Beispiel auch Henrich, in: FS Frank, 249, 257 f. 178 Zervogianni, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 205, 225 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung. 179 Zervogianni, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 205, 225 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung. 180 Art. 1457 Abs. 1 griech. ZGB.
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
Wurde eine künstliche Befruchtung post mortem erfolgreich durchgeführt, stellt sich die Frage der Abstammung des dadurch gezeugten Kindes. Die Rechtsordnungen, die die postmortale Insemination ausdrücklich erlauben, regeln meist zugleich auch die Fragen der Abstammung. Das Kind wird in diesen Rechtsordnungen dem Verstorbenen, dessen Samen für die Befruchtung verwendet wurde und der in die postmortale Verwendung seines Samens eingewilligt hat, bei der Geburt rechtlich zugeordnet, sofern die in dem jeweiligen Staat erforderlichen Voraussetzungen eingehalten worden sind: In Griechenland wurde dafür die Vaterschaftszuordnung zum Ehemann auf Kinder ausgeweitet, die durch eine postmortale Befruchtung gezeugt werden, sofern die erforderliche gerichtliche Erlaubnis vorliegt.181 Nicht erforderlich ist mithin, dass das Kind innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod des Ehemanns zur Welt kommt. War die Frau nicht mit dem Verstorbenen verheiratet, wird die Zustimmung zur künstlichen Befruchtung als Anerkennung gewertet.182 Ähnliche Regelungen finden sich auch in Spanien.183 Im australischen Bundesstaat South Australia bestimmt Art. 10C(5) des Family Relationships Act 1975 ausdrücklich, dass der Verstorbene, der in die postmortale Verwendung seines Samens eingewilligt hat, der rechtliche Vater des Kindes ist. Nach dem Uniform Parentage Act 2017, einem Modellgesetz der Uniform Law Commission,184 wird ein Kind dem Vater nur dann zugeordnet, wenn dieser ausdrücklich zugestimmt hat und der befruchtete Embryo der Mutter spätestens 36 Monate nach dem Tod des Mannes eingepflanzt wurde oder das Kind innerhalb von 45 Monate nach dessen Tod geboren wird.185 In diesen Rechtsordnungen wird ein umfassendes Statusverhältnis zwischen Verstorbenen und dem Kind begründet, welches für das gesamte Recht Bestand hat: Dem post mortem gezeugten Kind können damit insbesondere auch erbrechtliche Positionen zustehen, obwohl es zum Zeitpunkt des Todes noch nicht gezeugt war.186 Anders ist dies in Großbritannien und im 181
Art. 1465 Abs. 2 griech. ZGB. Abs. 2 griech. ZGB verweist zwar nicht direkt auf Art. 1457 Abs. 2, ist aber nach der Gesetzesbegründung auch hierauf anwendbar, Kiriakaki, MedR 2005, 143, 152. 183 In Spanien gilt ein postmortal gezeugtes Kind, dessen Eltern verheiratet sind, nach Art. 9 Abs. 2 Ley 14/2006 sobre técnicas de reproducción humana asistida als Kind des Ehepaares. Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wird die Vaterschaftsbegründung über den Umweg eines Verwaltungsverfahrens begründet, bei dem die schriftlich erklärte Zustimmung als Grundlage für die Zuordnung dient, Art. 9 Abs. 3. Siehe hierzu Velte, Die postmortale Befruchtung im deutschen und spanischen Recht, S. 194. 184 Das Gesetz wurde bisher nur von wenigen Bundesstaaten tatsächlich ratifiziert. Seine Vorbildfunktion sollte dennoch nicht unterschätzt werden. Zu dem Gesetz und den teilnehmenden Staaten siehe (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 185 Sec. 708(b) Uniform Parentage Act 2017. Die Zulässigkeit der postmortalen Insemination ist nicht an diese Voraussetzungen geknüpft, aber nur in diesem Fall wird die rechtliche Elternschaft begründet. 186 In Griechenland ist in Art. 1711 S. 2 ZGB ausdrücklich geregelt, dass auch das post 182 Art. 1475
D. Leihmutterschaft
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australischen Bundesstaat Victoria, die zwar ebenfalls die Vaterschaft des Verstorbenen anerkennen, jedoch nur für die Eintragung des Mannes in das Geburtenregister.187 Für alle anderen Rechtsbereiche wird der Mann ausdrücklich nicht als rechtlicher Vater angesehen. Ländern, in denen die postmortale Insemination verboten ist oder nicht geregelt ist, sehen konsequenterweise auch keine speziellen Abstammungsregelungen für diese Fälle vor. Bei einer im Ausland vorgenommenen Befruchtung post mortem besteht damit nur die Möglichkeit auf die allgemeinen Regelungen zurückzugreifen: War das Paar verheiratet, kann gegebenenfalls auf die 300-Tage-Regelungen zurückgegriffen werden, sofern die Insemination unmittelbar nach dem Tod des Mannes erfolgte.188 Ansonsten besteht die Möglichkeit einer gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft, da der Verstorbene der biologische Vater des post mortem gezeugten Kindes ist.189 Die Anwendung dieser allgemeinen Regelungen auf den Fall eines post mortem gezeugten Kindes ist aber in manchen Ländern umstritten. Im polnischen Recht wird etwa vertreten, dass die Vaterschaftsfeststellung in diesem Fall nicht möglich sein soll.190
D. Leihmutterschaft Die Leihmutterschaft gehört zu den wohl strittigsten Themen des modernen Abstammungsrechts.191 Da der Begriff in der Literatur nicht einheitlich verwendet wird,192 bedarf es zunächst einer kurzen Erläuterung der Terminologie. In diemortem gezeugte Kind Erbe sein kann, vgl. hierzu Zervogianni, in: Dutta/Schwab/Henrich/ Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 205, 224. Auch im spanischen Recht ist dies die überwiegende Ansicht, aber wohl nicht unumstritten, siehe Velte, Die postmortale Befruchtung im deutschen und spanischen Recht, S. 197 f. Im Uniform Probate Code, einem Modellgesetz der Uniform Law Commission, welches in einigen Bundesstaaten der USA gilt, wird das Erbrecht ebenfalls ausdrücklich geregelt, siehe Sec 2–120(f ) (k) Uniform Probate Code 2010. 187 Sec 48(3) und 39(3) brit. Human Fertilisation and Embryology Act 2008, vgl. zum britischen Recht Scherpe, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 295, 311; Sec. 37(2)(b) des Status of Children Act 1974 von Victoria. 188 Vgl. zum deutschen Recht etwa Henrich, in: FS Frank, 249, 257; BeckOGK/Balzer, § 1592 BGB Rn. 157; MüKo/Wellenhofer, § 1593 BGB Rn. 10. 189 Vgl. zum deutschen Recht etwa Henrich, in: FS Frank, 249, 257; BeckOGK/Balzer, § 1593 BGB Rn. 37. Zum griechischen Recht, wenn die erforderliche gerichtliche Genehmigung nicht eingeholt wurde, siehe Zervogianni, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 205, 225. 190 Bugajski, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 259, 274. Vor der gesetzlichen Regelung war auch im belgischen Recht strittig, ob eine gerichtliche Feststellung in diesem Fall möglich sei, siehe hierzu Pintens, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 117, 137. 191 Dethloff, JZ 2014, 922,923. 192 Teilweise wird zwischen den Begriffen Leihmutterschaft und Ersatzmutterschaft unter-
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
ser Arbeit werden mit dem Begriff der Leihmutterschaft Fälle umschrieben, in denen eine Frau, die sogenannte Leihmutter, mit den Wunscheltern vereinbart, dass sie das Kind für die Wunscheltern austrägt und es ihnen nach der Geburt übergibt – unabhängig davon, von wem das Kind genetisch abstammt.193 Oftmals werden für die Zeugung des Kindes die Gameten der Wunscheltern verwendet, sodass das Kind genetisch von diesen abstammt.194 Möglich ist aber auch, dass zusätzlich eine Eizellenspende und/oder eine Samenspende verwendet werden, sodass das Kind mit nur einem Wunschelternteil oder auch keinem genetisch verwandt ist. In der Praxis eher unüblich ist, dass die Eizelle der Leihmutter selbst verwendet wird.195
I. Zulässigkeit der Leihmutterschaft Ob und unter welchen Voraussetzungen die Leihmutterschaft zulässig ist, wird sehr unterschiedlich geregelt.196 In vielen Ländern, insbesondere in Europa, ist sie immer noch verboten.197 Auch der deutsche Gesetzgeber lehnt die Leihmutterschaft ausdrücklich ab und versucht sie zu verhindern, indem er zum einen in § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG die Strafbarkeit von Personen anordnet, die bei einer Leihmutter eine künstliche Befruchtung oder einen Embryonentransfer durchschieden, je nachdem, ob die Leihmutter mit dem Kind verwandt ist oder nicht. Wenn eine genetische Verbindung zu der Geburtsmutter vorliegt, bevorzugen manche Autoren den Begriff der Ersatzmutter. Vgl. zu den unterschiedlichen Verwendungen der Begriffe Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 11 Fn. 25 m. w. N.; Benicke, StAZ 2013, 101, 102; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1244; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 12; Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, S. 12. 193 Wie hier auch Benicke, StAZ 2013, 101, 102; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 12 f. 194 Helms, StAZ 2013, 114. 195 In diesem Fall wird oftmals auch von „Ersatzmutterschaft“ gesprochen, vgl. oben S. 29 Fn. 192. 196 Rechtsvergleichende Übersicht bei Helms, StAZ 2013, 114 ff.; Dethloff, JZ 2014, 922 ff.; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. ’8; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 555 ff.; Henrich, in: FS Schwab, 1141 ff.; Gruenbaum, 60 The American Journal of Comparative Law 2012, 475 ff.; Trimmings/Beaumont (Hrsg.), International Surrogacy Arrangements; Hofman, 35 William Mitchell Law Review 2009, 449 ff. mit einem Überblick über die Rechtsordnungen einiger US-Bundesstaaten; Millbank, 35 Melbourne University Law Review 2011, 165 ff. zu den Regelungen in Australien; Europäisches Parlament, A comparative study on the regime of surrogacy in EU Member States, S. 37 ff., 200 ff. 197 Beispiele aus dem europäischen Raum: Frankreich (Art. 16–7 CC, zivilrechtliches Verbot und Art. 227–12 Code Pénal, strafrechtliches Verbot); Italien (Art. 9 Abs. 2, Art. 12 Abs. 6 Gesetz Nr. 40/2004 Norme in materia di procreazione medicalmente assistita); Österreich (§ 3 FMedG, siehe hierzu Ferrari, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 181, 198 f.); Schweiz (Art. 119 Abs. 2 lit. d Bundesverfassung, Art. 4, 31 FMedG); Norwegen und Schweden (Sperr, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 327, 339, Fn. 50). Außerhalb Europas etwa in Québec (Art. 541 CC).
D. Leihmutterschaft
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führen, und zum anderen die Vermittlung von Leihmüttern nach § 13c i. V. m. § 14b AdVermiG bestraft.198 Nicht bestraft werden hingegen im deutschen Recht die Leihmutter und die Wunscheltern, § 1 Abs. 3 EschG und § 14b Abs. 3 AdVermiG. Demgegenüber gibt es heutzutage eine zunehmende Anzahl an Rechtsordnungen, die die Leihmutter grundsätzlich erlauben, wobei auch hier kein Konsens hinsichtlich den Zulassungsvoraussetzungen besteht. In vielen Ländern wird nur die altruistische Leihmutterschaft erlaubt, wie beispielsweise in Großbritannien, Portugal und Griechenland sowie in den Bundesstaaten Australiens, in Brasilien, Kanada (mit Ausnahme Québec), Neuseeland und Südafrika.199 Die Leihmutter darf kein Entgelt für ihre Dienste verlangen, allerdings ist in der Regel eine Erstattung der Kosten, die der Leihmutter während der Schwangerschaft angefallen sind, vorgesehen.200 Um einen Leihmutterschaftstourismus zu verhindern, wird neben der Unentgeltlichkeit vermehrt gefordert, dass die Leihmutter und/oder die Wunscheltern ihren Wohnsitz in dem jeweiligen Staat haben müssen – so etwa in den Bundesstaaten Australiens, in Großbritannien, 198 Ferner werden in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2, 6 ESchG alle Methoden der medizinisch assistierten Zeugung unter Strafe gestellt, die zu einer Leihmutterschaft führen können wie etwa die Eizellenspende. § 13d iVm 14 Abs. 1 Nr. 1 lit. c AdVermiG beinhaltet zudem ein bußgeldbewertes Verbot, Leihmütter oder Wunscheltern durch öffentliche Erklärung zu suchen oder anzubieten, siehe Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 17 ff.; Helms, StAZ 2013, 114, 115; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1245; Dethloff, JZ 2014, 922, 923; Benicke, StAZ 2013, 101; Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 206. Für eine Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland Hoven/Rostalski, JZ 2022, 482 ff. Die Regierungsparteien möchten die Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft prüfen, siehe hierzu den Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ 2021–2025, S. 116. 199 Großbritannien (Sec. 54(8) Human Fertilisation and Embryology Act 2008, gem. Sec. 67(1) gilt das Gesetz für ganz Großbritannien); Portugal (Art. 8 Abs. 5 Lei n.º32/2006, Procriação medicamente assistida); Griechenland (Art. 1458 S. 1 ZGB); Australien (u. a. Queensland: Sec. 22(2)(e)(vi) Surrogacy Act 2010, New South Wales: Sec. 8 und 23 Surrogacy Act 2010, siehe Keyes, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 25, 28 Fn. 24 mit dem Nachweis aller 7 Bundesstaaten); Brasilien (Abschnitt VII Abs. 2 Resolução CFM no 1.957/2010, siehe zu der Verbindlichkeit der Richlinie Araujo/Vargas/Campos Velho Martel, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 85 Fn. 1, 3); Kanada (Sec. 6 Assisted Human Reproduction Act 2004 verbietet die kommerzielle Leihmutterschaft für ganz Kanada. Québec hat die Leihmutterschaft darüber hinaus gänzlich verboten, Art. 541 CC); Neuseeland (Sec. 14(3) Human Assisted Reproductive Technology Act 2004); Südafrika (Sec. 295(c)(iv) und 301 Children’s Act 2005). 200 Vgl. etwa zum griechischen Recht Zervogianni, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/ Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 205, 218 f. Das britische Recht spricht von „reasonable expenses“ in Sec. 54(8) Human Fertilisation and Embryology Act 2008, allerdings existiert keine offizielle Definition, ab wann diese überschritten ist, siehe Wells-Greco, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 367, 377 ff. Ebenso in Australien (bspw. New South Wales: Sec. 6(2), 9(2) Surrogacy Act 2010, zu den weiteren Rechtsordnungen Keyes, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 25, 32 f.) und Südafrika (Sec. 301(2) Children’s Act 2005). Dies kann im Einzelfall eine erhebliche Summe sein oder jedenfalls als finanzieller Anreiz ausreichen.
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
Israel und Südafrika.201 Für ausländische Paare, die im Inland keine Leihmutterschaft in Anspruch nehmen dürfen, sind aber gerade die Länder interessant, die eine kommerzielle Leihmutterschaft erlauben und keine Verbindung zu dem Land verlangen.202 Zu diesen „Anbieterrechtsordnungen“203 zählen insbesondere Russland, die Ukraine sowie Kalifornien und Indien.204 Schließlich enthalten einige Rechtsordnungen Vorgaben dahingehend, von wem das Kind genetisch abstammen muss. Nach griechischem, portugiesischem und israelischem Recht sowie dem Recht des australischen Bundesstaats Victoria ist etwa die traditionelle Form der Leihmutterschaft, bei der das Kind von der Leihmutter genetisch abstammt, verboten.205 In Portugal, Australia Capital Territory und Illinois muss das Kind zumindest mit einem Wunschelternteil genetisch verwandt sein;206 in Nevada und in der Ukraine sogar mit beiden 201 Australien (u. a. New South Wales: Sec. 32 Surrogacy Act 2010, „residence“, siehe Keyes, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 25, 29 Fn. 27 zu den anderen Bundesstaaten); Großbritannien (Sec. 54(4)(b) Human Fertilisation and Embryology Act 2008, „domicile“); Israel (siehe Shakargy, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 231, 235); Südafrika (Sec. 292(1)(c) Children’s Act 2005, „domicile“). Auch das griechische Recht sah ursprünglich vor, dass sowohl die Wunscheltern als auch die Leihmutter ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland haben mussten. Die Regelung wurde jedoch in der Praxis als ineffektiv angesehen, da der Nachweis leicht zu erbringen war, und wurde daher abgeschafft. Ausreichend ist nun bereits ein vorübergehender Aufenthalt in Griechenland, Zervogianni, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 205, 217 f. 202 Dutta, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 355, 358 ff.; Helms, StAZ 2013, 114, 118. 203 Vgl. zu dem Begriff Dutta, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 355, 357 ff. 204 Die Zulässigkeit kommerzieller Leihmutterschaften wird regelmäßig nicht ausdrücklich erlaubt, sondern ergibt sich vielmehr aus dem Fehlen entsprechender Regelungen. Zum russischen Recht siehe Svitnev, Reproductive BioMedicine Online 2010, 892, 894; Khazova, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 311, 318 f. Zum ukrainischen Recht siehe Druzenko, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 357, 359. Zum kalifornischen Recht vgl. die Voraussetzungen in Sec. 7960 ff. California Family Code; siehe auch Lorenz, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, USA-California, S. 20; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 9 Rn. 47. Zum indischen Recht siehe Smerdon, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 187, 192. Vgl. Dutta, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 355, 358 ff.; Helms, StAZ 2013, 114, 118; Dethloff, JZ 2014, 922, 923 f. Weitere Länder, die die kommerzielle Leihmutterschaft erlauben sind Armenien, Belarus, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, so Svitnev, in: Schenker, Ethical Dilemmas in Assisted Reproductive Technologies, 149, 153, 159. 205 Griechenland (Art. 1458 S. 1 ZGB); Portugal (Art. 8 Abs. 3 Lei n.º32/2006, Procriação medicamente assistida); Israel (Art. 8 Abs. 4 Gesetz über Verträge zur Austragung von Embryonen, abgedruckt bei Margalith/Dan Assan, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Israel, S. 113 ff.); Victoria (Sec. 40(1)(ab) Assisted Reproductive Treatment Act 2008). 206 Portugal (Art. 8 Abs. 3 Lei n.º32/2006, Procriação medicamente assistida); Australia Capital Territory (Sec. 24(d) Parentage Act 2004); Illinois (750 Illinois Compiled Statutes 47/10).
D. Leihmutterschaft
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Wunscheltern.207 Daneben verlangen manche Rechtsordnungen für die Durchführung der Leihmutterschaft eine gerichtliche oder behördliche Genehmigung. Dies ist etwa der Fall in Griechenland, Südafrika und einigen US-Bundesstaaten.208 Teils werden darüber hinaus weitere Voraussetzungen gefordert – vergleichbar mit den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer künstlichen Befruchtung – wie etwa bestimmte Altersgrenzen der Leihmutter und/oder der Wunschmutter, ferner dass die Wunschmutter selbst keine Kinder zeugen kann oder dies mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden ist und/oder dass die Wunschmutter bereits eigene Kinder zur Welt gebracht hat.209 Unterschiedlich geregelt ist ebenfalls, wer Zugang zu der Inanspruchnahme einer Leihmutterschaft hat: nur verheiratete, verschiedengeschlechtliche Paare210 oder auch gleichgeschlechtliche Paare,211 nichteheliche Paare oder ledige Personen.212
II. Abstammungsrechtliche Folgen Die abstammungsrechtliche Zuordnung eines durch Leihmutterschaft gezeugten Kindes ist ebenso unterschiedlich geregelt wie die Zulässigkeit selbst. Auch in Rechtsordnungen, in denen die Leihmutterschaft erlaubt ist, werden die Wunscheltern nicht immer automatisch als rechtliche Eltern anerkannt. Die Rechtsordnungen können unterschieden werden in solche, in denen die Wunscheltern kraft Gesetzes als rechtliche Eltern angesehen werden, solche, in denen die Zuweisung der Elternschaft durch ein Gericht erfolgt und schließlich solche, die die Elternschaft der Wunscheltern über das Adoptionsrecht und nicht über das Abstammungsrecht lösen.213 207 Sec. 126.045(4)(a) Nevada Revised Statutes; Art. 123 Abs. 2, 3, 139 Abs. 2 S. 2 ukrain. FamGB. Wohl in der Praxis auch in den Niederlanden gefordert, Boele-Woelki, FamRZ 2011, 1455, 1456. 208 Griechenland (Art. 1458 ZGB); Südafrika (Sec. 292(1)(d) Children’s Act 38 of 2005); Texas (Sec. 160.756 Texas Family Code); Utah (Sec. 78B-15–803), vgl. Helms, StAZ 2013, 114, 117 f.; Dethloff, JZ 2014, 922, 925. 209 Vgl. beispielsweise die Regelungen in den australischen Bundesstaaten Victoria, Sec. 40(1)(ab) Assisted Reproductive Treatment Act 2008, und South Australia, Sec. 10 Surrogacy Act 2019 sowie in Südafrika, Sec. 295(c) Children’s Act 38 of 2005. Siehe auch Dethloff, JZ 2014, 922, 925. 210 So etwa in der Ukraine (Art. 123 Abs. 2, 3 ukrain. FamGB), vgl. hierzu Daschenko, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ukraine, S. 37. 211 So etwa in Südafrika, Sec. 292 ff. Children’s Act 38 of 2005 und Kalifornien, Sec 7960(c) California Family Code, vgl. Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 74; Hofman, 35 William Mitchell Law Review 2009, 449, 461. 212 In Griechenland dürfen etwa sowohl nichteheliche Paare als auch alleinstehende Frauen eine Leihmutter in Anspruch nehmen, Rokas, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 143, 145. Ebenso in Kalifornien, Sec 7960(c) California Family Code. Zu weiteren Voraussetzungen Dethloff, JZ 2014, 922, 925. 213 Vgl. den rechtsvergleichenden Überblick bei Helms, StAZ 2013, 114, 115 ff.; Dethloff, JZ 2014, 922, 924 f.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 555 ff.
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
1. Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern kraft Gesetzes Eine abstammungsrechtliche Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern sieht etwa das griechische, südafrikanische, ukrainische Recht und kalifornische Recht vor. Damit gilt in diesen Rechtsordnungen der Grundsatz, dass stets die Frau, die das Kind geboren hat, die rechtliche Mutter des Kindes ist, nicht mehr ausnahmslos. Liegt nach griechischem Recht die erforderliche gerichtliche Genehmigung zur Durchführung der Leihmutterschaft vor, wird das Kind bei Geburt kraft Gesetzes der Wunschmutter zugeordnet.214 Die Vaterschaft des Wunschvaters ergibt sich entweder aus der Tatsache, dass er mit der Wunschmutter verheiratet ist oder bei einem unverheirateten Paar daraus, dass der Wunschvater der künstlichen Befruchtung zugestimmt hat.215 Das südafrikanische Recht enthält eine ähnliche Regelung: Die Wunscheltern gelten automatisch zum Zeitpunkt der Geburt als die rechtlichen Eltern des Kindes, sofern eine wirksame Leihmutterschaftsvereinbarung vorliegt und diese vom Gericht zuvor genehmigt wurde.216 In der Ukraine erfolgt die Zuordnung kraft Gesetzes zum Zeitpunkt der Geburt sogar, ohne dass es einer vorherigen gerichtlichen oder behördlichen Genehmigung bedarf.217 Auch im US-Bundesstaat Kalifornien erwerben die Wunscheltern wohl unmittelbar mit der Geburt die Stellung als rechtliche Eltern.218 Grundlage für diese auf Fallrecht beruhende abstammungsrechtliche Zuordnung ist die Absicht der Wunscheltern, das Kind in die Welt zu setzen und dessen Eltern zu werden.219 Die Leihmutterschaft wurde zwar 2012 teilweise 214 § 1464
Abs. 1 griech. ZGB. Die gerichtliche Genehmigung ist entscheidend für die Zuordnung des Kindes zu der Wunschmutter. Fehlt die Genehmigung sind die allgemeinen Regelungen anwendbar und die Leihmutter ist die Mutter, auch wenn alle Voraussetzungen eingehalten wurden, siehe hierzu Zervogianni, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 205, 220; Rokas, in: Trimmings/ Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 143, 148; Kiriakaki, MedR 2005, 143, 149. Die gerichtliche Genehmigung begründet insbesondere nicht selbst die Elternschaft der Wunscheltern, sondern die gerichtliche Erlaubnis ist lediglich ein Tatbestandsmerkmal der materiellen Abstammungsnorm. 215 Art. 1465 und Art. 1475 Abs. 2, 1456 Abs. 1, griech. ZGB, vgl. hierzu Rokas, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 143, 148. 216 Sec. 297(1)(a) South Africa Children’s Act 2005. 217 Art. 123 Abs. 2 ukrain. FamGB. 218 Strittig, wie hier auch Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 74; Helms, StAZ 2013, 114, 118; Dutta, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 355, 363; Lorenz, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, USA-California, S. 20; Benicke, StAZ 2013, 101, 104, vgl. auch den Fall des OLG Stuttgart (07.02.2012), FamRZ 2012, 1740. A. A. Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 556; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 49 mit weiteren Nachweisen in Fn. 125. Offengelassen von BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240, 241. 219 Johnson v. Calvert, 5 Cal. 4th 84, 851 P.2d 776 (Cal. 1993) („[S]he who intended to procreate the child – that is, she who intended to bring about the birth of a child that she intended to raise as her own – is the natural mother under California law.“). In dieser Entscheidung des Supreme Courts waren beide Wunscheltern mit dem Kind genetisch verwandt. Demgegen-
D. Leihmutterschaft
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gesetzlich geregelt, das bestehende Fallrecht sollte aber dadurch nicht geändert oder gar aufgehoben werden.220 Das Gesetz sieht nun die Möglichkeit für die Wunscheltern vor, ihre Elternschaft verbindlich durch ein Gericht feststellen zu lassen.221 Es handelt sich hierbei um eine deklaratorische Feststellungsklage, die bereits vor Geburt erhoben werden kann. Aufgrund der Rechtssicherheit, die mit einer solchen Entscheidung für die Wunscheltern in Bezug auf ihre rechtliche Elternstellung einhergeht, dürfte in der Praxis hiervon regelmäßig Gebrauch gemacht werden.222 Zwingend ist das Urteil für die abstammungsrechtliche Zuordnung zu den Wunscheltern jedoch wohl nicht. Schließlich werden auch in Russland die Wunscheltern als rechtliche Eltern anerkannt. Wie im ukrainischen Recht ist auch hier keine Beteiligung eines Gerichts vorgesehen. Erforderlich für die Zuordnung zu den Wunscheltern ist lediglich, dass die Leihmutter nach der Geburt der Eintragung der Wunscheltern in das Geburtenregister zustimmt.223 Mit der Eintragung gelten die Wunscheltern sodann als die rechtlichen Eltern des Kindes.224 Ebenfalls für dieses Modell hat sich nun die amerikanische Uniform Law Commission entschieden, welche Modellgesetze mit dem Ziel entwirft, einzelne in die Kompetenz der Bundesstaaten fallende Rechtsbereiche innerhalb der USA zu vereinheitlichen.225 Während der Uniform Parentage Act von 2002 noch eine gerichtliche Übertragung der Elternschaft auf die Wunscheltern vorsah (hierzu sogleich), ordnet der neue Uniform Parentage Act von 2017 das Kind kraft Gesetzes seinen Wunscheltern zu, sofern die Bestimmungen des Gesetzes erfüllt worden sind.226 Das Gesetz wurde allerdings erst von wenigen Bundesstaaten übernommen.257
über bestand in In re Marriage of Buzzanca, 61 Cal. App. 4th 1410, 72 Cal. Rptr. 2d 280 (Ct. App. 1998) keine genetische Verbindung zwischen dem Kind und den Wunscheltern. Siehe hierzu auch Spivack, 58 The American Journal of Comparative Law 2010, 97, 102 ff.; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 74; Voß, FamRZ 2000, 1552 ff. 220 Vgl. Sec. 7962 California Family Code. Vgl. die Gesetzesmaterialien vom 24.08.2012 zum Gesetz AB 1217 (Fuentes), S. 2. Siehe hierzu auch Dutta, in: Dutta/Schwab/Henrich/ Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 355, 364; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 48. 221 Sec. 7962(e) California Family Code. 222 Dutta, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 355, 364 sieht die verbindliche gerichtlichen Feststellung insofern als möglichen Vorteil des kalifornischen Rechts im internationalen Wettbewerb. 223 Art. 51 Abs. 4 russ. FamGB. 224 Svitnev, in: Schenker, Ethical Dilemmas in Assisted Reproductive Technologies, 149, 156. 225 Siehe die Homepage der Uniform Law Commision (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 226 Vgl. den Kommentar vor Sec. 801 ff. Uniform Parentage Act 2017: „[…] UPA (2017) eliminates the requirement imposed under UPA (2002) that parties to a gestational agreement obtain court approval of the agreement before any medical procedures related to the agree-
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
2. Gerichtliche Übertragung der Elternstellung auf die Wunscheltern In anderen Rechtsordnungen erfolgt die Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern nicht kraft Gesetzes, sondern erst durch eine gerichtliche Entscheidung, die die rechtliche Elternstellung auf die Wunscheltern überträgt. Hierzu gehört etwa das Vereinigte Königreich. Nach britischem Recht gilt zunächst die Leihmutter als die rechtliche Mutter.228 Allerdings können die Wunscheltern innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt eine parental order nach Sec. 54 Human Fertilisation and Embryology Act 2008 beantragen, durch die ein Gericht die Elternstellung auf die Wunscheltern übertragen kann.229 Voraussetzung für den Erlass ist insbesondere, dass die Leihmutter und gegebenenfalls ihr Ehemann der Übertragung freiwillig zugestimmt haben, wobei die Zustimmung der Leihmutter nicht innerhalb der ersten sechs Wochen nach der Geburt erklärt werden darf, und die Leihmutter kein Geld für ihre Dienste bekommen hat.230 Darüber hinaus muss das Kind mindestens von einem der beiden Wunscheltern genetisch abstammen und einer der beiden Wunscheltern muss sein domicile im Vereinigten Königreich haben.231 Im Ergebnis handelt es sich bei der parental order, „um eine vereinfachte und beschleunigte Alternative zur Adoption, bei der die umfangreiche und zeitraubende Feststellung der Elterneignung der Wunscheltern entfällt.“232 Die Law Commission schlägt jedoch eine Neuregelung dergestalt vor, dass zukünftig das Kind automatisch ab Geburt den Wunscheltern zugeordnet wird, wobei der Leihmutter für eine kurze Zeit nach der Geburt ein Widerspruchsrecht ein-
ment.“. Das Modellgesetz mit Kommentaren ist abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). Es ist jedoch weiterhin möglich eine parentage order zu beantragen, wenn dies gewollt ist, Sec. 811 Uniform Parentage Act 2017. Vgl. hierzu auch Joslin, 52 Family Law Quarterly 2018, 437, 463 ff. 227 Zu dem Gesetz und den teilnehmenden Staaten siehe (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 228 Sec. 33 Human Fertilisation and Embryology Act 2008, siehe hierzu Scherpe, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 295, 315; Gerecke/Valentin, in: GS Eckert, 233, 241. 229 Siehe hierzu auch Coester, in: FS Jayme, 1243, 1255 f.; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1143; Helms, StAZ 2013, 114, 116; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 559; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 80. 230 Sec. 54(6)(7) und (8) Human Fertilisation and Embryology Act 2008. Ausnahme sind jedoch angemessene Aufwandsentschädigung („expenses reasonably incurred“), vgl. zu dieser Voraussetzung, die teilweise in der Rechtsprechung auch zugunsten des Kindeswohls umgangen wird, Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 559. 231 Sec. 54(1)(b), (4)(b) Human Fertilisation and Embryology Act 2008. 232 Coester, in: FS Jayme, 1243, 1255 f.; Scherpe, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/ Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 295, 315 spricht von „fasttrack adoption“.
D. Leihmutterschaft
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geräumt werden soll.233 Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag veröffentlichte sie im März 2023.234 Der Mechanismus des britischen Rechts wurde im Grundsatz auch in den einzelnen australischen Bundesstaaten übernommen.235 Das Kind wird auch in diesen Rechtsordnungen zunächst der Leihmutter zugeordnet.236 Die Wunscheltern haben jedoch unter bestimmten – in den jeweiligen Rechtsordnungen unterschiedlichen – Voraussetzungen die Möglichkeit nach der Geburt mit Zustimmung der Leihmutter eine parental order zu beantragen, die ihnen den Status als rechtliche Eltern zuweist.237 Auch in einigen US-Bundesstaaten wird die Elternschaft der Wunscheltern durch ein Urteil begründet wie etwa in Utah und Texas, die den Uniform Parentage Act (2002) übernommen haben.238 Die Wunscheltern müssen bereits vor der Zeugung des Kindes beim Gericht den Leihmutterschaftsvertrag genehmigen lassen.239 Mit der Genehmigung des Vertrags überträgt das Gericht sodann auch die Elternschaft auf die Wunscheltern.240 Anders als im Vereinigten Königreich und in den australischen Bundesstaaten steht die Elternschaft der 233 „Our recommendations for reform (…) a new regulatory route for domestic surrogacy arrangements, under which intended parents would become parents of the child from birth, rather than wait for months to obtain a parental order. This would be subject to the surrogate having the right to withdraw consent.“ , zuletzt aufgerufen am 01.04.2023. 234 Law Commission/Scottish Law Commission, Building Families through Surrogacy: A new law. Volume III: Draft Surrogacy Bill, 2023, abrufbar unter , zuletzt aufgerufen am 01.04.2023. 235 Millbank, 35 Melbourne University Law Review 2011, 165, 177 ff.; Keyes, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 25, 27 ff. 236 Vgl. etwa Sec. 8 South Australia Surrogacy Act 2019, der anordnet, dass die allgemeinen Abstammungsregeln solange anwendbar sind, bis eine parentage order erlassen wurde. 237 Vgl. beispielsweise die Regelung in Queensland (Art. 22, 39 Surrogacy Act 2010); New South Wales (Sec. 18 und 39 Surrogacy Act 2010); South Australia (Sec. 18 Surrogacy Act 2019); Australian Capital Territory (Art. 26 Parentage Act 2004). 238 Der Uniform Parentage Act (2002) ist ein Modellgesetz, welches von der amerikanischen Uniform Law Commission mit dem Ziel erarbeitet wurde, das Abstammungsrecht innerhalb der USA zu vereinheitlichen, vgl. oben S. 35 Fn. 225. Texas hatte die frühere Version von 2000 übernommen, siehe hierzu Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1142 f. sowie die Seite der Uniform Law Commission (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). Siehe auch Helms, StAZ 2013, 114, 117 f.; Byrn/Synder, 39 Family Law Quarterly 2005, 633, 651 ff. 239 Sec. 801(c), 803 Uniform Parentage Act (2002); Sec. 160.753, 160.756 Texas Family Code; Sec. 78B-15–807 Utah Uniform Parentage Act. 240 Sec. 803(a) Uniform Parentage Act (2002) („(a) If the requirements […] are satisfied, a court may issue an order validating the gestational agreement and declaring that the intended parents will be the parents of a child born during the term of the of the agreement.“); Sec. 160.756(c) Texas Family Code; Sec. 78B-15–803 (1) Utah Uniform Parentage Act. Siehe auch Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1142 f. („Mit der Genehmigung verbunden ist der Ausspruch, daß die Wunscheltern Eltern des Kindes werden sollen.“)
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
Wunscheltern damit bereits vor der Zeugung des Kindes fest. Die Leihmutter kann der Zuordnung zu den Wunscheltern insofern nach der Geburt nicht mehr widersprechen.241 Nach der Geburt des Kindes müssen die Wunscheltern dem Gericht zwar noch die Geburt anzeigen, woraufhin das Gericht die Elternschaft der Wunscheltern bestätigt.242 Dieser zweite Beschluss hat jedoch nur noch deklaratorischen Charakter.243
3. Anwendung der allgemeinen Abstammungsregeln Im niederländischen und belgischen Recht finden sich hingegen, obwohl die Leihmutterschaft mangels Verbots zulässig ist, keine spezifisch auf die Leihmutterschaft zugeschnittenen Abstammungsregelungen.244 Die Frage der Abstammung richtet sich daher nach den allgemeinen Regelungen über die Mutter- und Vaterschaft. Das gleiche gilt für Länder, die die Leihmutterschaft verbieten wie etwa Deutschland245 oder für die Länder, in denen die konkreten Voraussetzungen nicht eingehalten wurden wie etwa in Griechenland bei fehlender gerichtlicher Genehmigung.246 Auch hier muss mangels spezieller Regelung der Leihmutterschaft auf die allgemeinen Regelungen zurückgegriffen werden. Als rechtliche Mutter gilt damit die Leihmutter, da sie das Kind geboren hat. Die Wunschmutter hat somit nur die Möglichkeit die Elternstellung über eine Adoption zu erlangen – gegebenenfalls über einer Stiefkindadoption, sofern ihr Ehemann oder Lebensgefährte der rechtliche Vater ist.247 In manchen Rechtsordnungen wie beispielsweise Frankreich wurde jedoch lange Zeit auch eine Adoption durch die Wunscheltern untersagt, um die Leihmutterschaft ef241 Sec. 801(c), 803 Uniform Parentage Act (2002); Sec. 160.760 Texas Family Code; Sec. 78B-15–801(4) Utah Uniform Parentage Act. 242 Sec. 807 Uniform Parentage Act 2002 („(a) […] Thereupon, the court shall issue an order: (1) confirming that the intended parents are the parents of the child; […]“, Hervorhebung durch die Verfasserin); Sec. 160.760 Texas Family Code; Sec. 78B-15-807 Utah Uniform Parentage Act. 243 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1145. 244 Helms, StAZ 2013, 114, 116; zum niederländischen Recht Reuß, in: Dutta/Schwab/ Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 127, 137 f.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 446; zum belgischen Recht Pintens, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Belgien, S. 63. 245 Coester, in: FS Jayme, 1243, 1246 ff.; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 208 ff.; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 21 ff.; Helms, StAZ 2013, 114, 115. Vorschlag für eine Neuregelung des deutschen Abstammungsrechts für den Fall der Legalisierung der Leihmutterschaft: Gössl/Sanders, JZ 2022, 492 ff. 246 Zervogianni, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 205, 223. 247 Ausführlich zum deutschen Recht und den rechtlichen Voraussetzungen der Adoption Benicke, StAZ 2013, 101, 112; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1249 ff.; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 23 f. Zum niederländischen Recht Reuß, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 127, 137 f. Allgemein Engel, ZEuP 2014, 538, 551.
D. Leihmutterschaft
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fektiv zu verhindern.248 Allerdings hat der EGMR in den Sachen Mennesson und Labassee entschieden, dass zumindest dann, wenn das Kind von einem Wunschelternteil genetisch abstammt, den Wunscheltern jedenfalls der Weg über die Adoption zur Begründung ihrer Elternschaft offen stehen muss.249 Zu der Frage, wie der Fall zu entscheiden ist, wenn das Kind von keinem der beiden Wunscheltern genetisch abstammt, musste der EGMR bisher noch keine Stellung nehmen.250 Hinsichtlich der Stellung des Wunschvaters ist zu unterscheiden: Bei einer ledigen Leihmutter kann der Wunschvater in den meisten Rechtsordnungen durch eine Vaterschaftsanerkennung rechtlicher Vater werden.251 Ist die Leihmutter hingegen verheiratet, wird das Kind regelmäßig ihrem Ehemann zugeordnet.252 Nach deutschem Recht kann nach überwiegender Ansicht der Wunschvater in diesem Fall die Vaterschaft immerhin dann anfechten, wenn er genetisch mit dem Kind verwandt ist, da normalerweise zwischen dem Ehemann der Leihmutter und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht.253 Im niederländischen Recht scheidet eine Anfechtung hingegen aus, wenn der Ehemann der künstlichen Befruchtung zugestimmt hat.254 Kann der Wunschvater seine Vaterstellung nicht bereits über das Abstammungsrecht begründen, bleibt ihm ebenfalls nur der Weg der Adoption.255 248 Coester, in: FS Jayme, 1243, 1254; Frank, FamRZ 2014, 1527. Ferrand/Francoz-Terminal, FamRZ 2018, 1385 ff. 249 EGMR (26.06.2014), FamRZ 2014, 1525, Ménnesson v. Frankreich; EGMR (26.06.2014), FamRZ 2014, 1525, Labassée v. Frankreich. Vgl. hierzu den Überblick bei Duden, StAZ 2018, 137 ff. sowie die Entscheidungsanmerkung bei Frank, FamRZ 2014, 1527 ff. 250 Vgl. Duden, StAZ 2018, 137, 140. 251 Im deutschen Recht gem. § 1592 Nr. 2 BGB. Vgl. die rechtsvergleichende Übersicht zum Vaterschaftsanerkenntnis oben auf S. 11 ff. 252 Im deutschen Recht gem. § 1592 Nr. 1 BGB. Vgl. die rechtsvergleichende Übersicht zur Zuordnung zum Ehemann oben auf S. 9 ff. 253 Die Anwendung von § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf den Wunschvater ist umstritten, da die Norm fordert, dass der Mann an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Ausgeschlossen ist die Beiwohnung jedenfalls dann, wenn ein typischer Fall einer heterologen Insemination vorliegt, bei der nicht der Samenspender, sondern der Wunschvater, der in die Insemination eingewilligt hat, die elterliche Verantwortung übernehmen möchte. Nach überzeugender Ansicht liegt der Fall aber bei der Leihmutterschaft, bei der der „Samenspender“ auch die rechtliche Vaterstellung erlangen möchte, anders und daher ist § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB in diesen Fällen teleologisch zu reduzieren, so Witzleb, in: FS Martiny, 203, 212 ff.; Helms, StAZ 2013, 114, 115 Fn. 9; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 566; vgl. auch BGH (15.05.2013), FamRZ 2013, 1209, 1210. A. A. hingegen Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 25 f., der eine Anfechtung durch den Wunschvater nur annimmt, wenn der Ehemann der Leihmutter nicht in die Befruchtung eingewilligt hat. 254 Curry-Sumner/Vonk, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 273, 278. 255 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 26; Mayer, IPRax 2014, 57.
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
E. Gleichgeschlechtliche Elternschaft Die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Paaren und deren zunehmende Anerkennung im Recht lässt auch das Abstammungsrecht nicht unberührt. Immer mehr Rechtsordnungen ermöglichen eine gleichgeschlechtliche Elternschaft bereits kraft Gesetzes, ohne die Paare auf den langwierigen Weg einer Adoption zu verweisen.256 In vielen dieser Rechtsordnungen ist eine abstammungsrechtliche Zuordnung zu einem gleich geschlechtlichen Paar nur für den Fall vorgesehen, dass zwei Frauen mit Hilfe einer medizinisch assistierten Befruchtung mit einer Samenspende ein Kind zeugen (hierzu unter I.). Manche Rechtsordnungen gehen noch einen Schritt weiter und sehen eine Zuordnung auch für den Fall der Selbstinsemination mit einer privaten Samenspende und der natürlichen Zeugung vor (hierzu unter II.). In beiden Gruppen kann nur die Elternschaft von zwei Frauen begründet werden, da die Regelungen am Grundsatz mater semper certa est festhalten. Eine gleichgeschlechtliche Elternschaft von zwei Männern ist nur bei einer Inanspruchnahme einer Leihmutter möglich. Einige Rechtsordnungen, die die Leihmutterschaft grundsätzlich zulassen, erlauben den Zugang zu einer Leihmutter auch gleichgeschlechtlichen Paaren – sowohl zwei Frauen als auch zwei Männern – und ordnen in Folge diesen das Kind zu (hierzu unter III.). In Deutschland ist die Begründung einer gleichgeschlechtlichen Elternschaft über den Weg des Abstammungsrechts nach der derzeitigen Rechtslage nicht möglich. Die Vorschriften der § 1591 ff. BGB sehen nur eine Elternschaft von einer Frau und einem Mann vor.257 Eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB, der die Vaterschaft kraft Ehe regelt, auf die Ehefrau der leiblichen Mutter wie sie in der Literatur teils vertreten wird,258 wird von der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre zurecht abgelehnt.259 Der Gesetzgeber war sich bei Er256 Rechtsvergleichender Überblick bei Dethloff, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 161, 177 ff.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 29 ff.; Dethloff/Timmermann, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin – Gutachten, S. 17 ff.; Dethloff, in: FS Roth, 51, 56 f. 257 Vgl. BGH (10.10.2018), FamRZ 2018, 1919, 1920; BGH (29.11.2017), FamRZ 2018, 290 f.; BGH (06.09.2017), FamRZ 2017, 1855, 1858; BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240. Vgl. auch BVerfG (09.04.2003), FamRZ 2003, 816, 819 („Träger des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG können für ein Kind nur eine Mutter und ein Vater sein.“). 258 Binder/Kiehnle, NZFam 2017, 742, 743; Erbarth, FamRB 2017, 429, 436; Kemper, FamRB 2017, 438, 442 f.; Kiehnle, NZFam 2018, 759; Löhnig, NZFam 2017, 643 f.; Löhnig, NJW 2019, 122, 123 f.; Zschiebsch, Notar 2017, 363.; Kiehnle, Jura 2019, 563; Engelhardt NZFam 2017, 1042, 1047, der zu diesem Ergebnis wohl bereits durch eine Auslegung der Norm kommt. 259 BGH (10.10.2018), FamRZ 2018, 1919. So auch das KG (09.02.2018), FamRZ 2018, 1925. Für eine Ablehnung auch die überwiegende Ansicht in der Literatur: Hammer, FamRZ 2017, 1236; Helms, StAZ 2018, 33, 34; Kaiser, FamRZ 2017, 1889, 1895 f.; Salzmann, MittBayNot 2019, 355 ff.; Schmidt, NZFam 2017, 832, 833.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 6 ff.; Jauernig/Budzikiewicz, § 1592 BGB Rn. 1; BeckOGK/Balzer, § 1592
E. Gleichgeschlechtliche Elternschaft
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lass des Gesetzes zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtlichen Paare260 der fehlenden Regelung hinsichtlich der Abstammung von gleichgeschlechtlichen Paaren durchaus bewusst, sodass bereits keine planwidrige Regelungslücke vorliegt.261 Zum anderen fehlt es an der Vergleichbarkeit der beiden Sachverhalte, da die Vaterschaft kraft Ehe auf der Vermutung beruht, dass der Ehemann tatsächlich auch der biologische Vater des Kindes ist, dies aber auf die Ehefrau der gebärenden Frau naturgemäß – mit Ausnahme der in Deutschland verbotenen reziproken Eizellspende – nicht zutrifft.262 Gleichgeschlechtliche Paaren können ihre Elternschaft damit nur über den Weg einer (gemeinsamen oder Sukzessiv-) Adoption begründen.263 Über eine Einführung einer Co-Mutterschaft wird jedoch diskutiert und es liegen bereits konkrete Vorschläge des Bundesjustizministeriums vor.264 Die Regierungsparteien haben sich im Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen, die Co-Mutterschaft einzuführen.265 Ferner sind derzeit zwei Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig, die sich mit der Frage beschäftigen, ob die derzeitige Rechtslage mit dem Grundgesetz vereinbar ist.266 BGB Rn. 46; MüKo/Wellenhofer, § 1592 BGB Rn. 14; Wellenhofer, in: Hilbig-Lugani/Huber, Moderne Familienformen, 59, 66 ff.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 305; Staudinger/Rauscher, § 1592 BGB Rn. 25a; Coester-Waltjen, FamRZ 2018, 1922. 260 Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts v. 20.07.2017, BGBl. 2017 I 2787. 261 BGH (10.10.2018), FamRZ 2018, 1919, 1920 m. w. N. 262 BGH (10.10.2018), FamRZ 2018, 1919, 1921 m. w. N. 263 Entweder durch eine Sukzessivadoption, wenn ein Partner bereits Elternteil ist (§§ 1741 Abs.2 S. 3, 1754 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB), oder durch eine gemeinsame Adoption, die durch das Gesetz zur Öffnung der Ehe erlaubt wurde. 264 BMJV, Diskussionsteilentwurf – Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts, verfügbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). Vgl. auch die Empfehlungen des BMJV, Arbeitskreis Abstammungsrecht. Abschlussbericht, S. 70 f. Siehe ferner Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 33 ff.; Dethloff, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 18.03.2019 zum Gesetzesentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ (BT-Drucks. 19/2665), 1 ff.; Dethloff/Timmermann, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin – Gutachten, S. 28 ff.; Wellenhofer, FamRZ 2016, 1333, 1334 f.; Wellenhofer, in: Hilbig-Lugani/Huber, Moderne Familienformen, 59, 65 ff.; Löhnig, ZRP 2017, 205 ff.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 315, 318; Coester-Waltjen/Lipp/Reuß/Schumann/Veit, FamRZ 2021, 1790 f. 265 Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ 2021 – 2025, S. 101: „Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes […]. Auch außerhalb der Ehe soll die Elternschaftsanerkennung unabhängig vom Geschlecht […] möglich sein.“, abrufbar unter . 266 KG (24.03.2021), FamRZ 2021, 854 („Der Senat hält es für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, dass ein Kind, das nach einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung im
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
I. Co-Mutterschaft in Fällen von medizinisch assistierter Reproduktion Viele Rechtsordnungen, die eine Elternschaft von zwei Müttern gesetzlich vorsehen, beschränken diese auf Fälle medizinisch assistierter Reproduktion.267 Nur wenn ein lesbisches Paar mittels Samenspende ein Kind bekommt, kann als zweiter Elternteil anstelle eines Mannes eine andere Frau festgestellt werden. Die genaue Ausgestaltung und die Voraussetzungen unterscheiden sich dabei von Land zu Land. Zum Teil sind die Regelungen, die für verschieden geschlechtliche Paare im Falle von künstlicher Befruchtung gelten, übernommen worden, häufig wird hingegen auch weiterhin zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren unterschieden.268 Unterschiedlich geregelt ist insbesondere auch, in welcher Beziehung die beiden Frauen zueinanderstehen müssen: manche Rechtsordnungen öffnen die Möglichkeit der gleich geschlechtlichen Elternschaft nur für Ehepaare beziehungsweise eingetragene Partner, andere lassen hingegen auch faktische Lebensgemeinschaften zu.
1. Abstammung aufgrund Zustimmung zur medizinisch assistierten Reproduktion Einige Rechtsordnungen ordnen das Kind – entsprechend den Regelungen bei verschiedengeschlechtlichen Paaren – automatisch im Zeitpunkt der Geburt einer zweiten Frau zu, wenn diese der Reproduktionsbehandlung mit einem Spendersamen zugestimmt hat.269 In Europa findet sich diese Regelung etwa im katalonischen Recht. Nach katalonischem Recht kann über die vorherige Zustimmung zur künstlichen Befruchtung sowohl die Ehefrau als auch die faktische Lebensgefährtin die rechtliche Elternstellung erlangen.270 Auch in Großbritannien wird die Co-Mutterschaft der Partnerin durch die vorangegangene Sinne des § 1600d Abs. 4 BGB von einer in gleichgeschlechtlicher Ehe lebenden Mutter geboren wird, kraft Gesetzes nur einen rechtlichen Elternteil hat.“); OLG Celle (24.03.2021), FamRZ 2021, 862 („1. § 1592 BGB ermöglicht nicht die abstammungsrechtliche Zuordnung eines zweiten Elternteils, wenn ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen Ehe zweier Frauen geboren wird, und ist aus diesem Grund mit Art. 6 Abs. 2 iVm Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. 2. Zugleich ist das Grundrecht des betroffenen Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern verletzt. […]“). Zur Vereinbarung des geltenden Rechts mit dem Grundgesetz Reuß, FamRZ 2021, 824 ff. 267 Vgl. Dethloff, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 161, 177 ff.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 29 ff.; Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 32. 268 Für konkrete Beispiele siehe die folgenden Abschnitte (1.) und (2.). 269 Schwenzer, in: Schwenzer, Tensions between legal, biological and social conception of parentage, 1, 9; Dethloff, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 161, 177 ff. 270 Art. 235–8 Abs. 1 und 235–13 Abs. 1 kat. CC; hierzu Ferrer i Riba, in: Dutta/Schwab/ Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 229, 249, 252.
E. Gleichgeschlechtliche Elternschaft
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Zustimmung begründet.271 Allerdings unterscheidet das Gesetz hier zwischen verheirateten bzw. eingetragenen und faktischen Lebensgemeinschaften: Sind die Partnerinnen verheiratet oder leben sie in einer eingetragenen Partnerschaft (civil partnership), wird die Elternschaft der zweiten Frau vermutet, solange nicht bewiesen ist, dass sie der künstlichen Befruchtung nicht zugestimmt hat.272 Bei faktischen Lebensgefährten muss die Zustimmung hingegen ausdrücklich nachgewiesen werden.273 Auch außerhalb Europas ist diese Abstammungsregelung bekannt. In Südafrika kann die registrierte Partnerin der Mutter wie ein Ehemann durch Zustimmung zur künstlichen Befruchtung ihre Elternschaft begründen.274 Ähnlich wie in Großbritannien wird die Zustimmung sogar widerlegbar vermutet.275 Die Co-Mutterschaft ist in Südafrika allerdings auf Ehepaare und registrierte Partnerschaften beschränkt.276 Ferner sehen auch die meisten Bundesstaaten Australiens eine Elternschaft von zwei Müttern für den Fall vor, dass die Partnerin der künstlichen Befruchtung zugestimmt hat.277 Dies gilt auch für faktische Lebenspartnerinnen. In Western Australia wird die Zustimmung zur künstlichen Befruchtung dabei widerlegbar vermutet.278 Schließlich knüpfen auch eine Reihe von Staaten der USA die Elternschaft bei einer künstlichen Befruchtung an die vorherige Zustimmung.279 In einer Vielzahl dieser Staaten ist der Gesetzestext geschlechtsneutral formuliert und gilt damit für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare gleichermaßen.280 Zu diesen Staaten zählen Kalifornien, Connecticut, Illinois, Maine, Nevada, New Hampshire, New Mexico, 271 Sec. 42 ff. Human Fertilisation and Embryology Act 2008; hierzu Dethloff, in: Funcke/ Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 161, 179 f. 272 Sec. 42(1) Human Fertilisation and Embryology Act 2008. 273 Sec. 43 und 44 Human Fertilisation and Embryology Act 2008. 274 Sec. 40(1)(a) Children’s Act 38 of 2005 i. V. m. Sec. 13(2)(b) South Africa Civil Union Act 17 of 2006. 275 Sec. 40(1)(b) Children’s Act 38 of 2005. 276 Dethloff, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 161, 183; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 52. 277 Sec. 14(1A)(a) New South Wales Status of Children Act 1996; Sec. 19C(3) i. V. m. 19B Queensland Status of Children Act 1978; Sec. 10C(1A) Tasmania Status of Children Act 1974; Sec. 13(b) Victoria Status of Children Act 1974; Sec. 6A (1) Western Australia Artificial Conception Act 1985. Siehe hierzu Tobin, 33 Alternative Law Journal 2008, 36, 38 f. 278 Sec. 6A(2) Western Australia Artificial Conception Act 1985. 279 Joslin/Minter/Sakimura, Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Family Law, § 3:4, § 3:5; Joslin, 39 Family Law Quarterly 2005, 683 ff.; Dethloff, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 161, 181 f.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 39 ff. 280 Joslin/Minter/Sakimura, Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Family Law, § 3:5 („The provisions in some […] jurisdictions […] are both marital status neutral and gender neutral“). Die Rechtsordnungen verwenden geschlechtsneutrale Formulierungen wie „a person“ (Sec. 126.670 Nevada Revised Statutes), „intended parent“ (etwa in Sec. 7613(a)(1) California Family Code) oder „an individual“ (Sec. 26.26A.610 Revised Code of Washington).
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
New York, Rhode Island Vermont, Washington und D. C.281 Die Gesetze dieser Staaten fordern keine formalisierte Paarbeziehung, sondern umfassen faktische Paare gleichermaßen.282 Damit kann in diesen Staaten ausweislich des Gesetzeswortlauts eine Elternschaft von zwei Müttern im Falle einer Samenspende begründet werden. Diese Regelung wird schließlich auch von der Uniform Law Commission im Rahmen des Uniform Parentage Act (2017) befürwortet.283
2. Abstammung aufgrund Ehe, Anerkennung und gerichtlicher Feststellung Andere Rechtsordnungen knüpfen hingegen die Elternschaft der Co-Mutter an die Ehe mit der gebärenden Frau oder bei der faktischen Partnerin an eine Anerkennung. Im Unterschied zu den Regelungen bei der Vaterschaft ist die Zuordnung aber in einigen Rechtsordnungen auf die Fälle einer künstlichen Befruchtung begrenzt. Österreich hat sich etwa für dieses Regelungsmodell entschieden. Die Mutterschaft einer zweiten Frau kann begründet werden, wenn diese mit der Mutter verheiratet war oder sie die Elternschaft anerkannt hat, aber nur wenn innerhalb der Empfängniszeit bei der gebärenden Frau eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden ist.284 Darüber hinaus kann die Abstammung der Co-Mutter auch gerichtlich festgestellt werden.285 Auch in Norwegen wird ein durch künstliche Befruchtung gezeugtes Kind automatisch der Ehefrau der leiblichen Mutter zugeordnet, sofern diese der künstlichen Befruchtung vorab zugestimmt hat und die Behandlung in einem anerkannten Institut vorgenommen worden ist.286 Bei einem unverheirateten Paar muss die Lebensgefährtin das Kind anerkennen und bei einer fehlenden Anerkennung wird die Mutterschaft der zweiten Frau gerichtlich festgestellt.287 Der Nachbarstaat Dänemark erlaubt die gleich geschlechtliche Elternschaft unter ähnlichen Voraussetzungen.288 Besondere Regelungen sieht das dänische 281 Vgl.
die Übersicht bei Joslin/Minter/Sakimura, Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Family Law, § 3:5. 282 Joslin/Minter/Sakimura, Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Family Law, § 3:5. 283 Sec. 703 Uniform Parentage Act 2017(„An individual who consents under Section 704 to assisted reproduction by a woman with the intent to be a parent of a child conceived by the assisted reproduction is a parent of the child.“), vgl. hierzu Joslin/Minter/Sakimura, Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Family Law, § 3:3; Joslin, 52 Family Law Quarterly 2018, 437, 445 ff. 284 § 144 Abs. 2 AGBGB. Die künstliche Befruchtung darf nicht früher als 300 Tage und nicht später als 180 Tage vor der Geburt erfolgt sein, damit die Regelung greift, § 144 Abs. 2 AGBGB. 285 § 144 Abs. 2 Nr. 3 AGBGB. 286 § 3 Abs. 2 und § 4a Abs. 1 norweg. KinderG. Vgl. zum norwegischen Recht Frantzen, FamRZ 2008, 1707, 1708; Sperr, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 327, 334 f.; Giesen, StAZ 2015, 193, 199). 287 § 4 Abs. 4 i. V. m. § 4a Abs. 1 norweg. KinderG (Anerkennung) sowie § 9 Abs. 4 i. V. m. § 4a Abs. 1 norweg. KinderG (gerichtliche Feststellung). 288 Die Abstammungsregelungen sind allerdings nicht ganz klar formuliert, so auch Giesen, StAZ 2015, 193, 200. Gem. § 3a, 27 KinderG gilt die Ehefrau oder eingetragene Lebens-
E. Gleichgeschlechtliche Elternschaft
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Recht allerdings für den Fall vor, dass die künstliche Befruchtung mit dem Samen eines Bekannten durchgeführt wurde. Wird das Kind mittels einer Samenspende eines Bekannten gezeugt, kann die Co-Mutter auch dann die zweite Elternstellung einnehmen, wenn der Bekannte und die beiden Frauen dies ausdrücklich vor der Zeugung erklären.289 Erforderlich ist jedoch, dass die assistierte Reproduktionsbehandlung in einer offizielle Einrichtung durchgeführt wurde.290 Bei einer Selbstinsemination greifen die Abstammungsregelungen hingegen nicht.291 In Spanien und Schweden reicht hingegen bei einem gleichgeschlechtlichen Paar anders als bei verschiedengeschlechtlichen die Tatsache der Ehe mit der leiblichen Mutter nicht für eine abstammungsrechtliche Zuordnung aus. Vielmehr ist in diesen Rechtsordnungen auch bei verheirateten Paaren erforderlich, dass das durch künstliche Befruchtung gezeugte Kind durch die zweite Frau anerkannt wird: In Spanien muss die Ehefrau der gebärenden Mutter dafür beim Standesamt nach der Geburt292 eine Erklärung hinsichtlich ihrer Mutterschaft abgeben, um ihre Elternschaft zu begründen.293 Ändert die Ehefrau der austragenden Mutter jedoch ihre Meinung und gibt im Zuge dessen keine Erklärung ab, kann die Mutterschaft nicht gerichtlich festgestellt werden, weshalb die Regelung in der Literatur kritisiert wird.294 Zudem ist die Möglichkeit der CoMutterschaft auf verheiratete Paare begrenzt.295 Die Abstammungszuordnung unterscheidet sich demnach von der von verschiedengeschlechtlichen Paaren, gefährtin der Geburtsmutter als rechtliche Mutter, wenn sie der künstlichen Befruchtung ihrer Partnerin zugestimmt hat. Leben die Frauen hingegen in keiner formalisierten Paarbeziehung, wird eine Co-Mutterschaft nur eingetragen, wenn beide Frauen erklären, dass sie zusammen die Fürsorge und Verantwortung für das Kind wahrnehmen wollen (§ 3b KinderG) oder die Co-Mutter das Kind anerkennt (§ 3c KinderG); in beiden Fällen ist ebenfalls die Zustimmung zur künstlichen Befruchtung erforderlich (§ 27 KinderG). Vgl. hierzu Giesen, StAZ 2015, 193, 200; Giesen, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark, S. 42; Fötschl, FamRZ 2013, 1445 ff. 289 § 27a Abs. 2 KinderG; Giesen, StAZ 2015, 193, 200. 290 § 27a Abs. 2 KinderG; Fötschl, FamRZ 2013, 1445, 1446. 291 Fötschl, FamRZ 2013, 1445, 1447. 292 Ursprünglich musste die Erklärung noch vor der Geburt, also während der Schwangerschaft erfolgen. Diese Voraussetzung wurde mit der Reform von 2015 jedoch geändert. Der Gesetzeswortlaut spricht nun von einer Erklärung „hinsichtlich des Kindes, das von ihrer Ehegattin zur Welt gebracht wurde“, Ferrer i Riba, FamRZ 2016, 1557, 1560. 293 Art. 7 Abs. 3 Ley 14/2006 sobre técnicas de reproducción humana asistida. Siehe hierzu Ferrer i Riba, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 229, 245 ff.; Ferrer i Riba, FamRZ 2016, 1557, 1559 f.; Dethloff, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 161, 179; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 30 f. 294 Ferrer i Riba, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 229, 246 f. Trotz Kritik in der Literatur hat die Reform von 2015 diesen Zustand nicht beseitigt, Ferrer i Riba, FamRZ 2016, 1557, 1560. 295 Vgl. den Wortlaut in Art. 7 Abs. 3 Ley 14/2006 sobre técnicas de reproducción humana asistida. Vgl. zu dieser Beschränkung Ferrer i Riba, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 229, 247.
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
wonach der Ehemann automatisch mit Geburt Vater wird und ein nichtehelicher Lebensgefährte das Kind anerkennen kann.296 Der Oberste Gerichtshof hat jedoch in zwei Fällen, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren – einmal fehlte es an einer Ehe, einmal an der Erklärung vor dem Standesamt –, dennoch die Elternschaft der zweiten Frau „auf Grundlage des faktischen Besitzes des Personenstandes ( posesión de estado), gemäß Art. 131 CC“297 angenommen. In Schweden kann demgegenüber sowohl eine Ehefrau, eine eingetragene Partnerin als auch eine faktische Lebensgefährtin, sofern sie mit der leiblichen Mutter zusammenlebt, zweiter Elternteil werden.298 Erforderlich für die Zuordnung ist aber stets, dass die zweite Frau das Kind anerkennt.299 Eine Vaterschaftsvermutung für verheiratete Paare wie dies für verschieden geschlechtliche Paare gilt, gibt es nicht.300 Die Anerkennung bedarf neben der Zustimmung der leiblichen Mutter, der Genehmigung des Sozialausschusses.301 Die Genehmigung wird nur dann erteilt, wenn die künstliche Befruchtung in einem öffentlichen Krankenhaus erfolgt ist, die Frau der künstlichen Befruchtung ihrer Partnerin zugestimmt hat und anzunehmen ist, dass das Kind Resultat der künstlichen Befruchtung ist.302 Erfolgt keine Anerkennung durch die zweite Frau, kann anders als in Spanien die Elternschaft der Partnerin zudem gerichtlich festgestellt werden.303
II. Co-Mutterschaft unabhängig von der Art der Zeugung des Kindes Einzelne Rechtsordnungen ermöglichen eine Zuordnung zu einem gleich geschlechtlichen Paar nicht nur in Folge einer künstlichen Befruchtung in einer offiziellen Einrichtung, sondern auch für den Fall einer privaten Samenspende oder einer natürlichen Zeugung.304 Zu diesen Rechtsordnungen gehören das belgische und das niederländische Recht. Nach belgischem Recht ist die Ehe296 Hierauf auch hinweisend Dethloff, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 161, 179; Ferrer i Riba, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 229, 246. 297 Ferrer i Riba, FamRZ 2016, 1557, 1560. 298 Kap. 1 § 9 Abs. 1 schwed. ElternGB. Vgl. zum schwedischen Recht Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329 f.; Giesen, StAZ 2015, 193, 195 ff.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 37 f. 299 Kap. 1§ 9 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 schwed. ElternGB. Andernfalls bedarf es einer gerichtlichen Feststellung. 300 Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329, 1330; Dethloff, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 161, 178. 301 Kap. 1 § 9 Abs. 1 schwed. ElternGB verweist insofern auf Kap. 1 § 4 ElternGB, Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329, 1330. 302 Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329, 1330 Fn. 17. 303 § 9 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 schwed. ElternGB. 304 Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 33.
E. Gleichgeschlechtliche Elternschaft
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frau der leiblichen Mutter ab dem Zeitpunkt der Geburt kraft Gesetzes rechtliche Mutter des Kindes.305 Das Gesetz verweist hierbei auf die Regelungen, die für die Vaterschaft des Ehemanns gelten. Bei einem unverheirateten Paar kann die Partnerin die Stellung als Co-Mutter durch Anerkennung erlangen.306 Die Vorschriften sind nicht auf künstliche Befruchtung beschränkt und gelten demnach auch, wenn das Kind auf natürlichem Wege gezeugt wurde.307 Im letzteren Fall sind aber die Rechte des genetischen Vaters zu beachten, der die Ehevermutung sowie die Anerkennung bei Gericht anfechten kann, um selbst die rechtliche Elternschaft zu erlangen.308 Hat die Co-Mutter allerdings bereits Statusbesitz an dem Kind erlangt, ist eine Anfechtung ausgeschlossen.309 Eine gerichtliche Feststellung der Elternschaft ist hingegen nur in den Fällen möglich, in denen eine medizinisch assistierte Befruchtung vorlag und die Partnerin der Behandlung zugestimmt hat.310 In den Niederlanden ist zwar die Vermutung der Co-Mutterschaft kraft Ehe wie etwa im österreichischen Recht nur auf Fälle künstlicher Befruchtung beschränkt.311 Die Anerkennung unterliegt hingegen keiner Beschränkung und ist damit auf Fälle natürlicher Zeugung sowie privater Samenspende anwendbar.312 Damit ist die Anerkennung nicht nur für die faktische Lebensgefährtin, sondern auch für die Ehefrau der biologischen Mutter relevant, wenn das Kind mittels privater Samenspende oder natürlich gezeugt wurde und es damit nicht zu einer automatischen Zuordnung aufgrund der Ehe kommt.313 Die Anerkennung bedarf der Zustimmung der Geburtsmutter sowie die des Kindes, sofern dieses bereits das zwölfte Lebensjahr vollendet hat.314 Wurde die Mitmutterschaft kraft Anerkennung begründet, kann unter engen Voraussetzungen ein Anfechtungsrecht des genetischen Vaters bestehen.315 Das Anfechtungsrecht ist nicht gesetzlich geregelt, sondern wurde von der Rechtsprechung für 305 Art. 325/2
belg. CC. belg. CC. 307 Umkehrschluss aus Art. 325/3 belg. CC, der besagt, dass der leibliche Vater die Mutterschaft unter bestimmten Voraussetzungen anfechten darf. Vgl. auch Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 35; Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 33. 308 Art. 325/3 belg. CC. 309 Art. 325/3 § 1 belg. CC. 310 Art. 325/9 § 2 belg. CC. 311 Art. 1:198 Abs. 1 lit. b niederl. BW. Zur niederländischen Co-Mutterschaft siehe auch Curry-Sumner/Vonk, International Survey of Family Law 2014, 361 ff.; Boele-Woelki, FamRZ 2015, 1554 f.; Reuß, StAZ 2015, 139 ff.; Reuß, in: FS Coester-Waltjen, 681 ff. 312 Art. 1:198 Abs. 1 lit. c niederl. BW. Siehe hierzu Reuß, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 127, 140; Reuß, in: FS Coester-Waltjen, 681, 683. 313 Reuß, in: FS Coester-Waltjen, 681, 683; Reuß, StAZ 2015, 139, 140. 314 Art. 1:204 Abs. 1 lit. c und d niederl. BW. 315 Curry-Sumner/Vonk, International Survey of Family Law 2014, 361, 365; Reuß, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Famili306 Art. 325/4
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den Fall entwickelt, dass die Zustimmung der leiblichen Mutter zur Anerkennung rechtsmissbräuchlich war.316 Das Gericht berücksichtigt hierfür die Interessen aller Parteien und das Wohl des Kindes.317 Lag vorab eine Vereinbarung zwischen der Co-Mutter, der biologischen Mutter und dem genetischen Vater dahingehend vor, dass dieser nicht zweiter Elternteil werden soll, wird aber wohl nicht von einer rechtsmissbräuchliche Zustimmung auszugehen sein.318 Hat die Co-Mutter schließlich keine Anerkennungserklärung abgegeben, kann ihre Elternschaft auf Antrag der leiblichen Mutter oder des Kindes gerichtlich festgestellt werden, wenn sie dem Zeugungsvorgang vorab zugestimmt hat.319 Anders als im belgischen Recht ist damit auch die gerichtliche Feststellung der Co-Mutterschaft in Fällen einer natürlichen Zeugung möglich.320 Umgekehrt kann die Co-Mutter, wenn sie der Zeugung des Kindes zugestimmt hat und dies dem Wohl des Kindes entspricht, beim Gericht beantragen, dass die Zustimmung der Geburtsmutter zur Anerkennung ersetzt wird, wenn diese ihre Zustimmung verweigert.321 Liegt jedoch bereits eine Anerkennung des genetischen Vaters vor, kann sie hingegen dessen Vaterschaft nicht mehr anfechten und auch keine gerichtliche Zuordnung erwirken.322
enrecht, 127, 145; Reuß, StAZ 2015, 139, 141 f. Gesetzlich nominiert ist nur ein Anfechtungsrecht der beiden rechtlichen Mütter und des Kindes, siehe Art. 1:205 BW. 316 Curry-Sumner/Vonk, International Survey of Family Law 2014, 361, 365; Reuß, StAZ 2015, 139, 141 f.; Reuß, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 127, 145 f. 317 Das Gericht nimmt eine ausführliche Abwägung allerdings nur vor, wenn der biologische Vater zeitlich keine Möglichkeit hatte, seine Anerkennung zu erklären und notfalls eine gerichtliche Ersetzung der Zustimmung zu beantragen. Hat der genetische Vater hingegen nur zu lange mit seiner Anerkennungserklärung gewartet, steht ihm ein Anfechtungsrecht nur zu, wenn die mütterliche Zustimmung zur Anerkennung ausschließlich das Ziel verfolgte, den biologischen Vater von einer Elternschaft auszuschließen, Curry-Sumner/Vonk, International Survey of Family Law 2014, 361, 365; vgl. auch die Gesetzesbegründung vom 13.10.2011, Kamerstuk 33032, Nr. 3, S. 19. 318 Vgl. Curry-Sumner/Vonk, International Survey of Family Law 2014, 361, 365; Gesetzesbegründung vom 13.10.2011, Kamerstuk 33032, Nr. 3, S. 19. 319 Art. 1:198 Abs. 1 lit. d i. V. m. Art. 1:207 niederl. BW. 320 So auch Reuß, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 127, 144; Reuß, StAZ 2015, 139, 141; Vinnen, in: Rieck/Lettmaier, Ausländisches Familienrecht, Niederlande Rn. 27; wohl auch Curry-Sumner/Vonk, International Survey of Family Law 2014, 361, 367. Nach Boele-Woelki, FamRZ 2015, 1554 kann die gerichtliche Feststellung nur im Falle der Zustimmung zur künstlichen Befruchtung erfolgen. Der Wortlaut der Norm spricht jedoch dafür die Fälle der Zustimmung zur natürlichen Zeugung ebenfalls zu erfassen. 321 Art. 1:204 Abs. 4 BW. 322 Ein Anfechtungsrecht steht der Co-Mutter nach Art. 1:205 BW nicht zu. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass ein Gericht ein solches in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Anfechtungsrecht des genetischen Vaters bejahen würde, da zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind eine genetische Verbindung besteht, Curry-Sumner/Vonk, International Survey of Family Law 2014, 361, 366 f.
E. Gleichgeschlechtliche Elternschaft
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Eine weitere Rechtsordnung, in der die Elternschaft aufgrund Ehe auch für die Ehefrau der leiblichen Mutter gilt, ist das kalifornische Recht.323 Die Vorschrift ist unabhängig davon anwendbar, ob das Kind mittels Geschlechtsverkehr, privater Samenspende oder medizinisch assistierter Befruchtung gezeugt wurde.324 Bei unverheirateten Frauen kann eine Elternschaft der Partnerin, abgesehen von den Fällen der Zustimmung zur medizinisch assistierten Befruchtung,325 auch dann begründet werden, wenn sie das Kind wie ihr eigenes behandelt und als Elternteil auftritt.326
III. Gleichgeschlechtliche Elternschaft infolge Leihmutterschaft Schließlich kann eine gleichgeschlechtliche Elternschaft auch in Folge einer Leihmutterschaftsvereinbarung entstehen. Einige Rechtsordnungen, die eine Leihmutterschaft erlauben, haben diese auch für gleichgeschlechtliche Paare eröffnet.327 Über diesen Weg können nicht nur zwei Frauen, sondern auch zwei Männer rechtliche Eltern eines Kindes werden. Länder, die eine Leihmutterschaft für gleichgeschlechtliche Paare erlauben, sind etwa das Vereinigte Königreich,328 Kalifornien,329 Südafrika330 und einige australischen Bundesstaaten331 sowie Teile Kanadas.332 Hinsichtlich der abstammungsrechtlichen Zuordnung in Leihmutterschaftsfällen gilt das zu verschiedengeschlechtlichen Paaren Gesagte entsprechend.333 323
Sec. 7611(a) California Family Code. So auch Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 48. Sec. 7613(a)(1) California Family Code. 326 Sec. 7611(d) California Family Code ist geschlechtsneutral formuliert („(d) The presumed parent receives the child into their home and openly holds out the child as their natural child.“). Der California Supreme Court hat bereits die Vorgängernorm, die noch explizit von einem Mann gesprochen hat, auch auf eine zweite Frau angewendet, Elisa B. v. Superior Court, 37 Cal. 4th 108, 117 P.3d 660, 670 (Cal. 2005); Polikoff, 100 Georgetown Law Journal 2012, 2015, 2030; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 48. 327 Siehe den Überblick bei Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 44 ff. 328 Nach Sec. 54(2)(b) und (c) Human Fertilisation and Embryology Act 2008 können gleichgeschlechtliche Paare, die entweder in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer nicht-formalisierten aber dauerhaften Beziehung leben, eine Leihmutterschaft in Anspruch nehmen. 329 Sec. 7960(c) California Family Code; Hofman, 35 William Mitchell Law Review 2009, 449, 461. 330 Sec. 293(1) South Africa Children’s Act 35 of 2005. 331 Sec. 14(1), 30(2)(b) New South Wales Surrogacy Act 2010; Sec. 7(1)(b), 14 (1) (b) Queensland Surrogacy Act 2010; Sec. 5(1)(b), 7(1)(b) Tasmania Surrogacy Act 2012; Sec. 17(1) Victoria Status of Children Act 1974; Sec.10(2)(b) South Australia Surrogacy Act 2019. 332 Etwa Sec. 8.1(2)(b), (3)(b) Alberta Family Law Act 2003; Sec. 20(1), 29(2) British Columbia Family Law Act; Sec. 10(1), (2) No. 1 Ontario Children’s Law Reform Act 1990. 333 Siehe hierzu oben S. 33 ff. 324 325
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
F. Abstammung von trans- und intergeschlechtlichen Personen Auch die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz von trans- und intergeschlechtlichen Personen und die rechtliche Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit stellen das Abstammungsrecht vor neue Herausforderungen. In den meisten Rechtsordnungen wird eine bestehende Eltern-Kind-Beziehung von einer späteren rechtlichen Änderung der Geschlechtszugehörigkeit nicht berührt.334 Die Änderung hat insofern keine Auswirkungen auf eine bereits bestehende Abstammungsbeziehung. Eine Person, die als Mutter oder Vater feststeht, bleibt dies auch nach der rechtlichen Anerkennung des neuen Geschlechts. Erfolgt die Geschlechtsänderung eines Elternteils hingegen vor der Geburt ist die Anwendung der allgemeinen Abstammungsvorschriften meist problematisch, da die meisten Rechtsordnungen wie oben gesehen die Zuordnungsregelungen an das Geschlecht anknüpfen. So erfolgt die Zuordnung in der Regel zu der Frau, die das Kind geboren hat. Hier ist fraglich, ob unter die Regelung auch ein Trans*Mann335 fällt, der nach der Geschlechtsänderung ein Kind gebärt.336 Ebenso fraglich ist, ob eine Person, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht, sondern einem dritten Geschlecht zugeordnet wird, von der Vorschrift erfasst ist. Eine Trans*Frau kann jedenfalls nicht unter diese Regelung fallen, da es bei ihr bereits an der biologischen Fähigkeit fehlt, ein Kind zu gebären. Die Vaterschaft wird umgekehrt an das männliche Geschlecht geknüpft: Vater ist der Ehemann oder der Mann, der die Anerkennung erklärt. Hier stellt sich sodann die Frage, ob ein Trans*Mann, der rechtlich als Mann anerkannt ist, auch im Abstammungsrecht als solcher anzusehen ist. 334 So
etwa in Deutschland (§ 11 TSG), Belgien (Art. 135/2 § 1 belg. CC), England und Wales (Sec. 12 Gender Recognition Act 2004) und den Niederlanden (Art. 1:28c BW). Außerdem in Dänemark, Italien, Spanien; Schweden, Türkei, Argentinien und Japan, siehe hierzu die rechtsvergleichende Untersuchung von Scherpe/Dunne, in: Scherpe, The Legal Status of Transsexual and Transgender Persons, 615, 637 mit Nachweisen in Fn. 209 sowie die einzelnen Länderberichte in Scherpe, The Legal Status of Transsexual and Transgender Persons. Aufgrund der rasanten Entwicklung in diesem Bereich sind manche Berichte allerdings nicht mehr aktuell. 335 Für eine Frau-zu-Mann transgeschlechtliche Person wird der Begriff Trans*Mann und für eine Mann-zu-Frau transgeschlechtliche Person der Begriff Trans*Frau verwendet. Vgl. zur Begrifflichkeit sowie („Da es um die oben genannten Begriffe diverse Diskussionen gibt, wird in Deutschland inzwischen immer häufiger der Begriff ‚Trans*‘ (‚Trans-Sternchen‘) verwendet. Er ist der Versuch einen nicht wertenden und nicht kategorisierenden Oberbegriff für das gesamte Trans*Spektrum zu finden.“) 336 Zu der Problematik Margaria, International Journal of Law, Policy and The Family, 2020, Vol. 34, 225 ff. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung in England und Wales und Deutschland.
F. Abstammung von trans- und intergeschlechtlichen Personen
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Einige Rechtsordnungen stellen im Abstammungsrecht auf das biologische Geschlecht und die biologischen Umstände ab. So hat etwa der BGH für das deutsche Recht entschieden, dass „ein Frau-zu-Mann-Transsexueller, der nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit ein Kind geboren hat, […] im Rechtssinne Mutter des Kindes ist“ und auch als Mutter in dem Geburtenregister mit seinem weiblichen Vornahmen einzutragen ist.337 Eine Trans*Frau kann umgekehrt nicht Mutter sein, sondern nur die Vaterschaft nach § 1592 BGB begründen.338 Unter der bisherigen Rechtsprechung ist ferner anzunehmen, dass ein Trans*Mann, wenn nicht er, sondern seine Partnerin ein Kind gebärt, nicht nach § 1592 BGB die Vaterstellung erlangen kann, da die Regelung des § 1592 BGB nach der Rechtsprechung des BGH nicht auf eine Frau anwendbar ist.339 Bei intergeschlechtlichen Personen, die biologisch nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, ist die Anwendung der Grundsätze des BGH nicht so einfach. Trägt eine intergeschlechtliche Person ein Kind aus, wird sie nach der Argumentation des BGH wohl aufgrund des Geburtsvorgangs rechtliche Mutter. Umgekehrt wird die Vaterschaft einer intergeschlechtlichen Person jedenfalls dann gegeben sein, wenn das Kind mit seinem Samen gezeugt wurde und die Voraussetzungen des § 1592 Nr. 1 bis 3 BGB gegeben sind.340 Auch im englischen Recht mussten sich die Gerichte mit der Frage befassen, ob ein Trans*Mann, der nach seiner Umwandlung ein Kind gebärt, als „Mutter“ oder „Vater“ einzutragen ist. Der High Court entschied, dass zwischen dem rechtlichen Geschlecht und dem Status als Elternteil unterschieden werden müsse.341 Der Status als Mutter sei an den Zu337 BGH (06.09.2017), FamRZ 2017, 1855; BGH (26.01.2022), FamRZ 2022, 701 f. Kritisch hierzu Wapler, FamRZ 2017, 1861 ff.; Gössl, ZRP 2018, 174. 338 BGH (29.11.2017), FamRZ 2018, 290 („1. Eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle, mit deren konserviertem Spendersamen ein Kind gezeugt wurde, das nach rechtskräftiger Entscheidung über die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit geboren worden ist, kann abstammungsrechtlich nur die Vater- und nicht die Mutterstellung erlangen […]. 2. Eine von ihr gleichwohl erklärte Mutterschaftsanerkennung ist unwirksam.“). 339 So auch KG (15.08.2019), FamRZ 2020, 109; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-970. Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 8/2947, S. 16, wonach § 11 TSG „auch dann gelten [soll], wenn das Kind erst nach der Änderung der Geschlechtszugehörigkeit des Vaters geboren oder die Vaterschaft später festgestellt wird.“ A. A. OLG Schleswig (04.06.2019), FamRZ 2020, 1095, wobei sich hier die Geschlechtszuordnung nach dem norwegischen Recht bestimmte und damit § 11 TSG nicht anwendbar war, sowie erst kürzlich das AG Regensburg (04.02.2022), FamRZ 2022, 704. Zur (abgelehnten) Anwendung von § 1592 BGB auf eine Frau: BGH (10.10.2018), FamRZ 2018, 1919. 340 Die Bestimmung der Vaterschaft einer intergeschlechtlichen Person nach § 1592 BGB ist schwieriger als die Bestimmung der Mutterschaft, da bei § 1592 BGB grundsätzlich keine genetische Verbindung vorausgesetzt wird, folglich das Kind genetisch nicht von der intergeschlechtlichen Person abstammen muss. Vor dem Hintergrund, dass die Vorschrift des § 1592 BGB nicht analog auf eine andere Frau angewendet wird, kann wohl auch nicht die Tatsache allein, dass die intergeschlechtliche Person Ehepartner ist oder die Anerkennung erklärt hat, für eine Anwendung von § 1592 BGB ausreichen. Ausführlich hierzu Gössl, ZRP 2018, 174 ff. 341 R. (on the application of TT) v Registrar General for England and Wales [2019] EWHC
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
stand der Schwangerschaft und an den Geburtsvorgang geknüpft und nicht von dem rechtlich anerkannten Geschlecht abhängig. Die Cour de cassation kam ebenfalls zum Ergebnis, dass es für das Abstammungsrecht auf das ursprüngliche Geschlecht ankommt.342 Sie urteilte, dass eine Trans*Frau nur als Vater in die Geburtsurkunde eingetragen werden kann.343 In den Niederlanden ist in Art. 1:28c Abs. 3 BW ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass für das Abstammungsrecht das Geschlecht vor der Geschlechtsumwandlung maßgeblich ist. Das dänische Recht definiert ferner in seinem Gesetz zur Vornahme von medizinisch assistierter Reproduktionsbehandlungen die Begriffe Frau und Mann.344 Der Begriff Frau bezeichnet danach eine Person mit einer Gebärmutter, der Begriff Mann eine Person mit mindestens einem Hoden.345 Damit ist auch im dänischen Recht für die künstliche Befruchtung das biologische Geschlecht entscheidend.346 Das Abstellen auf die biologischen Tatsachen hat zur Folge, dass ein Trans*Mann trotz seiner rechtlichen Anerkennung als Mann „Mutter“ und eine Trans*Frau „Vater“ ist. Einige wenige Rechtsordnung wie das schwedische und belgische Recht haben für transgeschlechtliche Personen eigene Abstammungsregeln eingeführt. Seit 2019 regelt das schwedische Recht ausdrücklich die Elternschaft von Personen, die ihr rechtliches Geschlecht geändert haben. Nach § 11 des schwedischen Elterngesetzes gilt der Mann, der ein Kind gebärt, als der rechtliche Vater des Kindes. Ein Trans*Mann gilt ferner dann als rechtlicher Vater, wenn er mit der Geburtsperson verheiratet ist, das Kind anerkennt oder in eine künstliche Befruchtung einwilligt.347 Das gleiche gilt umgekehrt auch für eine Trans*Frau: sie wird rechtliche Mutter, wenn sie mit der Geburtsperson verheiratet ist, das Kind anerkennt oder in eine künstliche Befruchtung einwilligt.348 Auch das belgische Recht hat mit Änderung des Gesetzes zur Geschlechtsanerkennung die Eltern-Kind-Beziehung von transgeschlechtlichen Personen gesetzlich geregelt.349 Danach ist ein Trans*Mann, der ein Kind gebärt, rechtlich 2384 (Fam). Die Entscheidung wurde vom Court of Appeal bestätigt, R. (on the application of McConnell) v Registrar General for England and Wales [2020] EWCA Civ 559. Ausführlich zur Entscheidung Fenton-Glynn, Cambridge Law Journal 2020, Vol. 79(1), 34 ff. 342 Cass. Civ. 1 (16.09.2020), Nr. 18–50.080, D. 2020, 179; siehe hierzu Ferrand, FamRZ 2022, 1438, 1439 f. 343 Ferrand, FamRZ 2022, 1438, 1440. 344 Munkholm, in: Scherpe, The Legal Status of Transsexual and Transgender Persons, 147, 169. 345 Munkholm, in: Scherpe, The Legal Status of Transsexual and Transgender Persons, 147, 169. 346 Munkholm, in: Scherpe, The Legal Status of Transsexual and Transgender Persons, 147, 169 („The Amendment Act clarified that the right to assisted reproduction is attached to the biological gender of a person, not the legal gender.“) 347 Kap. 1 § 10, 11a, 13 schwed. ElternGB. 348 Kap. 1 § 10, 11a, 14 schwed. ElternGB. 349 Vgl. hierzu Gallus/Verschelden, in: Jaramillo/Carlson, Trans Rights and Wrongs, 207, 251 f.; Meier/Motmans, Politics and Governance, Vol. 8(3), 242, 244 f.
F. Abstammung von trans- und intergeschlechtlichen Personen
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gesehen dessen Mutter.350 Eine Eintragung als Vater ist in diesem Fall nicht möglich. Die Bezeichnung „Mutter“ ist nach belgischem Recht stets an den Geburtsvorgang geknüpft und dementsprechend kann eine Trans*Frau nicht als Mutter eingetragen werden.351 Auf sie sind die Vorschriften über die Vaterschaft anwendbar.352 Sie wird allerdings in der Geburtsurkunde nicht als Vater bezeichnet, sondern als Co-Mutter.353 Ebenso wird ein Trans*Mann, in dem Fall, dass er das Kind nicht austrägt, sondern einer medizinisch assistierten Befruchtung einer anderen Frau zugestimmt hat, als Vater eingetragen.354 Keine Probleme und Diskrepanzen ergeben sich für trans- und intergeschlechtliche Personen, wenn das Abstammungsrecht eine geschlechtsneutrale Sprache verwendet: Im kalifornischen Recht sind die Abstammungsregeln zumindest teilweise geschlechtsneutral formuliert.355 Danach ist unter anderem die Person, die das Kind geboren hat, rechtlicher Elternteil.356 Die geschlechtsneutrale Sprache wird im Gesetz aber nicht stringent durchgezogen; insbesondere in älteren Vorschriften ist noch von „mother“ und „father“ die Rede.357 Es lässt sich hier aber jedenfalls ein Trend dahingehend erkennen, Neuregelungen in einer geschlechtsneutralen Sprache zu verfassen. Abschließend lässt sich sagen, dass wohl in den meisten Rechtsordnungen die Erosion des Geschlechtsbegriffs die einst so eindeutigen und klaren Abstammungsregeln ins Wanken gebracht hat. Die aus der Verwendung geschlechtsbezogener Begriffe resultierenden Probleme sind aber nicht auf das Sachrecht beschränkt. Auch im internationalen Abstammungsrecht können sich diese Fragen gleichermaßen stellen. Dies sollte bei einer Neuregelung berücksichtigt werden und sofern möglich, auf Begriffe, die mit dem Geschlecht verbunden sind, verzichtet werden.358
350 Art. 135/2
§ 2 Abs. 1 belg. CC.
351 Gallus/Verschelden, in: Jaramillo/Carlson, Trans Rights and Wrongs, 207, 251. 352 Art. 135/2 § 2 Abs. 2 belg. CC; Meier/Motmans, Politics and Governance, Vol. 8(3),
242, 244 f. 353 Art. 135/2 § 2 Abs. 3 belg. CC; Gallus/Verschelden, in: Jaramillo/Carlson, Trans Rights and Wrongs, 207, 251 f.; Meier/Motmans, Politics and Governance, Vol. 8(3), 242, 244 f. 354 Art. 135/2 § 2 Abs. 4; Gallus/Verschelden, in: Jaramillo/Carlson, Trans Rights and Wrongs, 207, 251 f. 355 Siehe Sec. 7610 und 7611 lit. d California Family Code. 356 Sec. 7610 California Family Code („The parent and child relationship may be established as follows: (a) Between a child and the natural parent, it may be established by proof of having given birth to the child, or under this part.“). In Sec. 7611 wird allerdings dann doch von „natural mother“ gesprochen. 357 Vgl. Sec. 7611.5 California Family Code. 358 Aus diesem Grund wurde bei dem hier vorgestellten Reformvorschlag von Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf die gebärende Person abgestellt, siehe unten S. 239 ff.
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
G. Mehrelternschaft Nicht nur die Frage, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind, wird von den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich beantwortet, sondern auch die Frage, wie viele Eltern ein Kind haben kann, lässt sich heute nicht mehr einheitlich beantworten. Während die große Mehrheit der Staaten am Zwei-ElternPrinzip festhalten, gibt es eine kleine, aber zunehmende Anzahl an Staaten, die eine Elternschaft von mehr als zwei Personen rechtlich anerkennen.359 Zu unterscheiden ist die Mehrelternschaft von der Möglichkeit, weiteren Personen als den rechtlichen Eltern einzelne Elternrechte wie das Sorgerecht zu gewähren.360 In diesem Fall werden Dritte zwar mit bestimmten Rechten ausgestattet, sie erlangen jedoch keine originäre Elternstellung und fallen damit nicht unter die Kategorie der Mehrelternschaft. Zudem kann eine Mehrelternschaft auch über den Weg einer Adoption durch eine dritte Person entstehen.361 In diesem Fall wird zwar ebenfalls eine echte Mehrelternschaft begründet, nicht aber über den Weg der Abstammung, der hier untersucht werden soll, sondern eben über den Weg der Adoption. British Columbia ist einer der wenigen Staaten, die eine Mehrelternschaft ab Geburt anerkennen.362 Ein Kind, welches durch künstliche Befruchtung gezeugt wurde, kann ab Geburt kraft Gesetzes neben seinen Wunscheltern auch die Leihmutter, die Eizellenspenderin oder den Samenspender als rechtlichen Elternteil haben und damit drei Eltern.363 Voraussetzung hierfür ist, dass die Wunscheltern mit der Leihmutter, der Eizellenspenderin oder dem Samenspender vor der Geburt eine schriftliche Vereinbarung schließen, aus der sich die Absicht ergibt, die rechtliche Elternschaft gemeinsam übernehmen zu wollen.364 Eine solche Vereinbarung mit der Leihmutter oder dem Samenspender kann 359 Rechtsvergleichender
Überblick bei Abraham, 25:4 Journal of Gender, Social Policy and the Law 2017, 405, 425 ff.; Dethloff/Timmermann, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin – Gutachten, S. 53. 360 Siehe hierzu Dimsey, in: Boele-Woelki/Sverdrup, European Challenges in Contemporary Family Law, 101, 108 f.; Abraham, 25:4 Journal of Gender, Social Policy and the Law 2017, 405, 425 ff.; Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1904; Helms, in: Hilbig-Lugani/Huber, Moderne Familienformen, 125, 128, der in diesem Fall von „einer Mehrelternschaft im weiteren Sinne“ spricht; Helms, in: FS Prütting, 41, 45. Beispielsweise können in England mehrere Personen die elterliche Verantwortung innehaben, Abraham, 25:4 Journal of Gender, Social Policy and the Law 2017, 405, 428. 361 Polikoff, 100 Georgetown Law Journal 2012, 2015, 2026; Polikoff, Where can a child have three parents?, 14.07.2012, verfügbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 362 Siehe hierzu Kelly, 47 UBC Law Review 2014, 565 ff.; Abraham, 25:4 Journal of Gender, Social Policy and the Law 2017, 405, 432. 363 Sec. 30 British Columbia Family Law Act. 364 Die Voraussetzung der schriftlichen Vereinbarung ergibt sich aus Sec. 30(1) British Columbia Family Law Act, die möglichen Parteien ergeben sich aus Sec. 30(1)(b)(i) und
G. Mehrelternschaft
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sowohl von verschieden- als auch von gleichgeschlechtlichen Paaren abgeschlossen werden.365 Möglich ist die Mehrelternschaft allerdings nur in Fällen von künstlicher Befruchtung und nicht auch bei natürlicher Zeugung.366 Zudem ist die Elternschaft auf drei Personen begrenzt;367 anders noch der Gesetzvorschlag, der eine Elternschaft von bis zu vier Personen vorsah.368 Noch weiter geht die Möglichkeit in der kanadischen Provinz Ontario. Unabhängig wie das Kind gezeugt wurde – ob auf natürlichem Weg oder durch künstliche Befruchtung –, können bis zu vier Personen eine vorgeburtliche Vereinbarung abschließen und sind dadurch ab Geburt die rechtlichen Eltern des Kindes.369 Als Elternteil vorgeschrieben ist nur die Geburtsmutter sowie im Falle der natürlichen Zeugung der genetische Vater.370 Auch im Falle der Leihmutterschaft, wenn diese durch künstlich Befruchtung erfolgte, können bis zu vier Wunscheltern durch eine Vereinbarung mit der Leihmutter ihre Elternschaft begründen.371 Darüber hinaus sind die Gerichte im Falle der Leihmutterschaft ausdrücklich ermächtigt, auf Antrag auch mehr als vier Eltern festzustellen.372 Auch in einigen US-Bundesstaaten ist die Mehrelternschaft ausdrücklich gesetzlich erlaubt.373 Anders als in den kanarischen Provinzen entsteht die ElSec. 30(1)(b)(ii) i. V. m. der Definition des Begriffs „donor“ aus Sec. 20(1) und der Inhalt der Erklärung ergibt sich aus Sec. 30(1)(c). 365 Die Paare müssen entweder verheiratet sein oder in einer eheähnlichen Beziehung zueinanderstehen, vgl. Sec. 30(1)(b)(i) iVm Sec. 20(1) sowie Sec. 30(1)(b)(ii) British Columbia Family Law Act. Vgl. Kelly, 47 UBC Law Review 2014, 565, 567. 366 Sec. 30(1)(a) British Columbia Family Law Act. 367 Vgl. Sec. 30(1)(b) (i) und (ii) British Columbia Family Law Act. Kelly, 47 UBC Law Review 2014, 565, 585 ff. schlägt eine weite Auslegung der Vorschrift dergestalt vor, dass eine Elternschaft von mehr als drei Personen möglich wäre. Sie geht jedoch selbst davon aus, dass dies nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 166 geht hingegen davon aus, dass das Kind bis zu fünf rechtliche Elternteile nach der Vorschrift haben kann. 368 Ministry of Attorney General Justice Services Branch Civil Policy and Legislation Office (British Columbia), White Paper on Family Relations Act Reform. Proposals for a new Family Law Act, Juli 2010, S. 38 f., Recommended Sec. 35 und 36. 369 Sec. 9 Ontario Children’s Law Reform Act, eingefügt durch den All Families Are Equal Act vom 29.09.2016, siehe hierzu Snow, 32 Canadian Journal of Law and Society 2017, 329, 335. 370 Sec. 9(2)(b) und (c) Ontario Children’s Law Reform Act. 371 Sec. 10 Ontario Children’s Law Reform Act. Die Elternschaft der Wunscheltern tritt aber erst in den Moment ein, in dem die Leihmutter ihre schriftliche Zustimmung hierzu erklärt hat, was erst sieben Tage nach Geburt möglich ist, Sec. 10(3) und (4). Verweigert sie ihre Zustimmung, können sich die Wunscheltern jedoch an ein Gericht wenden, Sec. 10(6) Ontario Children’s Law Reform Act. 372 Sec. 11 Children’s Law Reform Act, Snow, 32 Canadian Journal of Law and Society 2017, 329, 335. 373 Ausdrücklich gesetzlich erlaubt in Kalifornien (Sec. 7612(c) California Family Code); Maine (Tit. 19A, Sec. 1853(2) Maine Revised Statutes), Vermont (Tit. 15C, Sec. 206(b) Vermont Statutes Annotated.) und Washington (Sec. 26.26A.460(3) Revised Code of Washington). In den Bundesstaaten Delaware (Tit. 13, Sec. 8–201(c)(1) Delaware Code Annotated) und District of Columbia (Sec. 16–909(e) Code of the District of Columbia) lässt der Ge-
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1. Kapitel: Diversität und Vielfalt im Sachrecht – ein Überblick
ternschaft jedoch meist nicht kraft Gesetzes, sondern wird erst durch Richterspruch begründet.374 In Maine und Kalifornien ist etwa eine Mehrelternschaft dann möglich, wenn sich nach den jeweiligen Abstammungsregelungen mehr als zwei Personen als Eltern ergeben.375 Insbesondere werden in Maine und Kalifornien Personen, die zwar nicht nach den traditionellen Abstammungsregelungen (Zuordnung zur Geburtsmutter, Vaterschaftsvermutung des Ehemanns, Anerkennung, gerichtliche Feststellung des biologischen Vaters) Eltern sind, aber eine elterliche Rolle übernommen haben (Maine)376 oder das Kind wie ein eigenes behandelt haben (Kalifornien),377 als rechtliche Eltern anerkannt (sogenannte de-facto parents). Hat das Kind bereits zwei Eltern nach den traditionellen Abstammungsregeln, kann es so zu mehr als zwei rechtlichen Eltern kommen. Das kalifornische Recht erlaubt eine Elternschaft von mehr als zwei Personen aber nur dann, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass die Anerkennung von lediglich zwei Personen als rechtliche Eltern dem Wohl des Kindes schaden würde.378 Dies ist nach dem bestehenden Fallrecht nur dann ansetzeswortlaut die Annahme einer Elternschaft von drei Personen zumindest zu, siehe Joslin/ Minter/Sakimura, Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Family Law, § 5:23 Fn. 6 und 10; Polikoff, More thoughts on the Delaware de facto parent law – a child can have three parents, 15.08.2009, verfügbar unter (zuletzt auf¬gerufen am 01.04.2023). Bejahend für Delaware A. L. v. D. L., 2012 WL 6765564, *3 (Del. Fam. Ct. Sept. 19, 2012); abgelehnt hingegen in Bancroft v. Jameson, 19 A.3d 730, 748 ff. (Del Fam. Ct. 2010). 374 Vgl. Joslin/Minter/Sakimura, Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Family Law, § 5:23. 375 Tit. 19A, Sec. 1853(2) Maine Revised Statutes: „Consistent with the establishment of parentage under this chapter, a court may determine that a child has more than 2 parents.“); Sec. 7612(c) California Family Code („In an appropriate action, a court may find that more than two persons with a claim to parentage under this division are parents if the court finds that recognizing only two would be detrimental to the child“). Der kalifornische Gesetzgeber hat die Norm eingefügt, um das bestehende Fallrecht zu ändern, nachdem der kalifornische Supreme Court im Fall In re M. C., 195 Cal. App. 4th 197 (2011) entschieden hat, dass ein Kind nur zwei Eltern haben kann, siehe California Senate Bill No. 274, An act to amend Sections 3040, 4057, 7601, 7612, and 8617 of, and to add Section 4052.5 to, the Family Code, relating to family law, Section 1(b) („(b) The purpose of this bill is to abrogate In re M. C. (2011) 195 Cal. App.4th 197 insofar as it held that where there are more than two people who have a claim to parentage under the Uniform Parentage Act, courts are prohibited from recognizing more than two of these people as the parents of a child, regardless of the circumstances.“). 376 Tit. 19A, Sec. 1891(3) Maine Revised Statutes („(3) The court shall adjudicate a person to be a de facto parent if the court finds by clear and convincing evidence that the person has fully and completely undertaken a permanent, unequivocal, committed and responsible parental role in the child’s life. […]“). 377 Sec. 7611(d) California Family Code („The presumed parent receives the child into his or her home and openly holds out the child as his or her natural child.“). 378 In In re L. L., 13 Cal. App. 5th 1302, 1316 (2017) hat das Gericht klargestellt, dass es für die Begründung einer Mehrelternschaft nicht ausreichend ist, wenn die Mehrelternschaft dem Kindeswohl lediglich nicht entgegensteht, sondern die Nichtanerkennung des dritten Elternteils muss dem Wohl des Kindes schaden. („the court did not consider whether recognizing only two parents […] would be detrimental to [the child] […], but instead found it would not
G. Mehrelternschaft
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zunehmen, wenn bereits eine Eltern-Kind-Beziehung zu allen Elternteilen besteht.379 Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die Mehrelternschaft damit nur für die seltenen Fälle vorgesehen, in denen bereits tatsächlich mehrere Personen als Eltern fungieren.380 Damit wird in Kalifornien anders als in British Columbia und Ontario nur eine bereits gelebte Mehrelternschaft rechtlich anerkannt; eine Mehrelternschaft ab Geburt vor Entstehungen etwaiger Bindungen zwischen dem Kind und den potentiellen Eltern ist hingegen nicht gesetzlich geregelt.
be detrimental to [the child] […] if B. S. was added as a third parent. In so doing, the court misinterpreted and misapplied section 7612, subdivision (c)“). 379 Eingeführt in In re Donovan L., 244 Cal. App. 4th 1075, 1089–1094 (2016); übernommen in Martinez v Vaziri, 246 Cal. App. 4th 373, 385 (2016); In re L. L., 13 Cal. App. 5th 1302, 1316 (2017); In re Alexander P., 4 Cal. App. 5th 475, 497 (2016); In re M. Z., 5 Cal. App. 5th 53, 65 (2016). Wenn eine Elternschaft nach Sec. 7611(d) vorliegt, wird jedoch in der Regel eine solche Eltern-Kind-Beziehung vorliegen, Reagan, 52 U. C. Davis Law Review 2019, 2165, 2190, außer die Beziehung bestand nur in der Vergangenheit, aber nicht mehr in der Gegenwart, In re L. L., 13 Cal. App. 5th 1302, 1312 (2017). 380 Sen. Bill No. 274, 2013–2014 Reg. Sess., Section 1: „(a) Most children have two parents, but in rare cases, children have more than two people who are that child’s parent in every way. […] (d) It is the intent of the Legislature that this bill will only apply in the rare case where a child truly has more than two parents […]“ (Hervorhebung durch die Verfasserin).
2. Kapitel
Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht Wie die vorherige rechtsvergleichende Untersuchung zeigte, haben der gesellschaftliche Wandel und der medizinische Fortschritt einen starken Einfluss auf das Abstammungsrecht mit der Folge, dass sich die Sachrechte der einzelnen Staaten heute mehr denn je unterscheiden. Auch das internationale Abstammungsrecht bleibt von dieser Entwicklung nicht verschont. Art. 19 Abs. 1 EGBGB sieht sich heute mit dieser Vielfalt von unterschiedlichen Abstammungsregeln konfrontiert, die es in diesem Ausmaß bei Inkrafttreten der Norm nicht gab. Es stellt sich insofern die Frage, ob Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf diese neue Realität noch angemessen reagieren kann. Um dies beantworten zu können, wird im Folgenden die Vorschrift ausführlich analysiert.
A. Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Anerkennung Weist ein Sachverhalt einen Bezug zu mehreren Staaten auf – etwa weil das Kind zwei Staatsangehörigkeiten besitzt oder es sich nicht in seinem Heimatland1 aufhält –, bestimmt Art. 19 Abs. 1 EGBGB für das deutsche Recht, welche Rechtsordnung auf den konkreten Fall anwendbar ist. Die Frage des Bestehens eines Abstammungsverhältnisses richtet sich nach diesem Recht. Eine materiell-rechtliche Prüfung der Abstammung nach dem kollisionsrechtlich anwendbaren Recht ist aber dann nicht angezeigt, wenn das Abstammungsverhältnis bereits in einer ausländischen Entscheidung festgestellt wurde. Im diesem Fall erfolgt die Anerkennung nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen.2 Die verfahrensrechtliche Anerkennung genießt gegenüber der kollisionsrechtlichen Prüfung Vorrang.3 In Abstammungssachen erfolgt die Anerkennung nach § 108 FamFG,4 der bestimmt, dass ausländische Entscheidungen anerkannt werden, 1
Mit diesem Begriff ist das Land gemeint, dessen Staatsangehörigkeit das Kind besitzt. Benicke, StAZ 2013, 101, 104; Wagner, StAZ 2012, 294, 295; Wagner, FamRZ 2013, 1620, 1622; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674. 3 Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rn. 22; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 12.10; Wagner, FamRZ 2013, 1620, 1622; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 568; Benicke, StAZ 2013, 101, 104; Wagner, StAZ 2012, 294, 295. 4 Vorrangige europarechtliche Regelungen existieren nicht. Insbesondere schließt die Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die el2
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit findet in diesem Fall nicht statt.5 Insbesondere wird auch nicht geprüft, ob das ausländische Gericht der Entscheidung das nach deutschem Kollisionsrecht berufene Recht zugrunde gelegt hat.6 Ob eine kollisionsrechtliche Prüfung erforderlich ist oder hingegen eine verfahrensrechtliche Anerkennung im Raum steht, hängt davon ab, ob eine ausländische Entscheidung vorliegt. Dies ist zu bejahen, wenn ein Gericht eine Sachentscheidung in Bezug auf das Abstammungsverhältnis getroffen hat.7 Unerheblich ist dabei, ob die Entscheidung das Abstammungsverhältnis erst begründet oder lediglich feststellende Wirkung hat.8 Auch Entscheidungen ausländischer Behörden können Gegenstand einer verfahrensrechtlichen Anerkennung sein, „wenn diese mit staatlicher Autorität ausgestattet sind und funktional deutschen Gerichten entsprechen.“9 Keine ausländische Entscheidung liegt demgegenüber vor, „wenn eine ausländische Behörde […] lediglich ein materiell-rechtlich begründetes familienrechtliches Rechtsverhältnis beurkundet hat.“10 Das OLG Celle ging in einer Entscheidung davon aus, dass eine von einer ukrainischen Behörde ausgestellte Geburtsurkunde eine anerkennungsfähige Entscheidung darstellt mit der Begründung, dass die Behörde das Abstammungsverhältnis vor der Eintragung geprüft habe.11 Dieser Ansicht ist der BGH zu Recht nicht gefolgt.12 Trotz der Prüfung der materiellen Rechtslage fehlt es in diesem Fall an der für die funktionale Vergleichbarkeit mit deutschen terliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (sog. Brüssel IIb-VO) die Feststellung des Eltern-Kind-Verhältnisses in Art. 1 Abs. 4 lit. a ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus. Vereinzelt können jedoch bilaterale Übereinkommen einschlägig sein, vgl. hierzu JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 121 ff. 5 § 109 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 5 FamFG. § 109 Abs. 5 besagt ausdrücklich, dass eine Überprüfung der Gesetzesmäßigkeit nicht stattfindet. Es wird inhaltlich nur eine Vereinbarkeit mit dem ordre public geprüft, MüKo/Rauscher, § 109 FamFG Rn. 10; BeckOK/Sieghörtner, § 109 FamFG Rn. 49; Zöller/Geimer, § 109 FamFG Rn. 69, 72; Musielak/Borth/Grandel, § 109 FamFG Rn. 15; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 12.10. 6 Vgl. hierzu MüKo/Rauscher, § 109 FamFG Rn. 10; BeckOK/Sieghörtner, § 109 FamFG Rn. 49; Zöller/Geimer, § 109 FamFG Rn. 69, 72; Musielak/Borth/Grandel, § 109 FamFG Rn. 15; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 12.10. 7 BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240; BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 890, 891; Duden, StAZ 2018, 137, 142 f.; BeckOK/Sieghörtner, § 108 FamFG Rn. 30; MüKo/Rauscher, § 108 FamFG Rn. 15 ff. 8 BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240; BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 890, 891; MüKo/Rauscher, § 108 FamFG Rn. 10; BeckOK/Sieghörtner, § 108 FamFG Rn. 30. 9 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 890, 891; Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rn. 5; MüKo/Rauscher, § 108 FamFG Rn. 10; BeckOK/Sieghörtner, § 108 FamFG Rn. 30. 10 MüKo/Rauscher, § 108 FamFG Rn. 10; Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rn. 8. 11 OLG Celle (22.05.2017), FamRZ 2017, 1496. 12 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 890. Die Ansicht des BGH vertrat auch bereits zuvor das OLG München (12.10.2017), FamRZ 2018, 696. Zustimmend u. a. Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rn. 5; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 49; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 82.
B. Vorrangig zu beachtende Staatsverträge
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Gerichten erforderlichen Bindungswirkung.13 Die Registereintragung und die Geburtsurkunde haben lediglich Beweiskraft aber keine darüber hinausgehende Bindungswirkung.14 Ebenso unterliegt eine im Ausland abgegebene Mutteroder Vaterschaftsanerkennung nicht den Regeln der verfahrensrechtlichen Anerkennung.15 Die Erklärung wird hier ebenfalls nur beurkundet. Als schwierig kann sich die Abgrenzung zwischen der kollisionsrechtlichen Prüfung der Abstammung und der verfahrensrechtlichen Anerkennung in Leihmutterschaftsfällen darstellen, da hier – wie die vorangegangene rechtsvergleichende Untersuchung gezeigt hat16 – oftmals eine gerichtliche Mitwirkung für die Abstammungsbeziehung erforderlich ist. Die speziellen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, werden in einem eigenen Abschnitt zur Leihmutterschaft noch näher beleuchtet.17
B. Vorrangig zu beachtende Staatsverträge Liegt keine anzuerkennende ausländische Entscheidung vor, ist die Rechtslage nach dem nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB anzuwenden Recht zu prüfen. Der Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 1 EGBGB wird praktisch nicht durch Staatsverträge, die nach Art. 3 Nr. 2 EBGB vorrangig zu beachten wären, eingeschränkt. Im Bereich des internationalen Abstammungsrechts gibt es zwar drei Übereinkommen, diese verdrängen Art. 19 Abs. 1 EGBGB jedoch nur teilweise und haben zudem jeweils nur eine geringe praktische Relevanz, weshalb sie hier auch nur kurz erläutert werden. Im Verhältnis zu den Niederlanden, der Schweiz, der Türkei, Griechenland, Luxemburg und Spanien gilt für Deutschland das CIEC-Übereinkommen über die Feststellung der mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder vom 12.09.1962.18 Das Abkommen verfolgt den Zweck, die Unterschiede, die sich in den Rechtsordnungen bei der mütterlichen Abstammung eines nichtehelichen Kindes ergeben, abzubauen.19 Hierzu führt Art. 1 des Übereinkommens eine materiell-rechtliche Vorschrift ein, wonach die mütterliche Abstammung 13 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 890, 891; Gomille, StAZ 2017, 321, 323; Frie, NZFam 2018, 97, 99 f. 14 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 890, 891; OLG München (12.10.2017), FamRZ 2018, 696; Gomille, StAZ 2017, 321, 323; Frie, NZFam 2018, 97, 99 f. 15 OLG Köln (17.10.2012), BeckRS 2013, 5190; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 83; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 126; Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rn. 7; MüKo/ Rauscher, § 109 FamFG Rn. 13. 16 Siehe hierzu oben S. 36 ff. 17 Siehe hierzu unten S. 141 ff. 18 BGBl. 1965 II 23. 19 MüKo/Helms, Anh. II zu Art. 19 EGBGB Rn. 1 mit Verweis auf die Präambel des Abkommens; Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 17; Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 34.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
als festgestellt gilt, wenn im Geburtseintrag eines nichtehelichen Kindes eine Frau als Mutter des Kindes bezeichnet ist.20 Ein Mutterschaftsanerkenntnis soll damit im Anwendungsbereich des Abkommens nicht mehr erforderlich sein.21 Da jedoch nach überzeugenderer – wenn auch nicht unbestrittener – Ansicht, das Abkommen nur anwendbar ist, wenn das nationale Kollisionsrecht auf das Recht eines der Vertragsstaaten verweist22 und alle Vertragsstaaten bereits dem Abstammungssystem folgen, hat das Abkommen keine praktische Bedeutung. Die Vereinheitlichungsbemühungen des Übereinkommens können insofern als gescheitert angesehen werden.23 Schließlich kann das Übereinkommen auch nicht auf die Begründung der Co-Mutterschaft oder der Anerkennung der Wunschmutter bei der Leihmutterschaft angewendet werden, da der Sinn und Zweck des Abkommens der Einbeziehung dieser Institute in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens entgegenstehen.24 Daneben ist Deutschland auch Vertragspartner des CIEC-Übereinkommens vom 14.09.1961 über die Erweiterung der Zuständigkeit der Behörden, vor denen nichteheliche Kinder anerkannt werden können.25 Hintergrund des Übereinkommens ist, dass es einerseits Rechtsordnungen gibt, nach denen ein Anerkenntnis ein Vater-Kind-Verhältnis begründet, sogenannte Anerkennung mit Standesfolge, und auf der anderen Seite solche Rechtsordnungen, die an das Anerkenntnis lediglich Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den Vater knüpfen, sogenannte Anerkennung ohne Standesfolge, auch „Zahlvaterschaft“ genannt.26 Das deutsche Recht etwa kannte eine Zahlvaterschaft noch bis zum Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes am 01.07.1970.27 Das Übereinkommen verfolgt den Zweck, „einerseits die Beurkundung von Anerkennungen der einen Art auch in Ländern zu ermöglichen, deren Recht nur Anerkennungen der anderen Art kennt (Art. 2, 3, 4 S. 1 [des Übereinkommens]) und andererseits die 20 Staudinger/Henrich,
Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 17, 28; MüKo/Helms, Anh. II zu Art. 19 EGBGB Rn. 1, 3; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 3. 21 Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn.; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 4; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 7; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 3. 22 Dies entspricht der überwiegenden Auffassung der anderen Vertragsstaaten. Dafür auch Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 23 mit ausführlichem Streitstand. A. A. etwa MüKo/Helms, Anh. II zu Art. 19 EGBGB Rn. 2 m. w. N.; Hepting/Gaaz, PStR Bd. 2 Rn. IV317. 23 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-187; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 14. 24 BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1253 f. für die Co-Mutterschaft; Staudinger/ Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 17; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 3; MüKo/ Helms, Anh. II zu Art. 19 EGBGB Rn. 2, 4; Benicke, StAZ 2013, 101, 108. Vgl. ausführlich zu der Anwendbarkeit des Übereinkommens auf die Co-Mutterschaft unten S. 162 f. 25 BGBl. 1965 II 19. 26 MüKo/Helms, Anh. I zu Art. 19 EGBGB Rn. 1; Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 4; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 16. 27 Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 4.
C. Historische Betrachtung
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Berücksichtigung […] der auf solche Weise beurkundeten Vaterschaftsanerkennungen auch in den anderen Vertragsstaaten zu erleichtern.“28 Das Übereinkommen betrifft damit im Wesentlichen nur das Verfahrensrecht; nicht geregelt wird hingegen, welches Recht auf die materiellen Fragen der Vaterschaftsanerkennung anwendbar ist.29 Eine kollisionsrechtliche Regelung besteht lediglich für die Form, für die Art. 4 S. 1 des Übereinkommens auf das Ortsrecht verweist.30 Das Übereinkommen beschränkt folglich nicht den Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Aber auch sonst hat das Übereinkommen keine praktische Bedeutung mehr, da mittlerweile alle Vertragsstaaten nur noch die Anerkennung mit Standesfolge kennen.31 Verdrängt wird Art. 19 Abs. 1 EGBGB allerdings von Art. 8 Abs. 3 des Deutsch-Iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.02.1929,32 wenn alle Beteiligten, das heißt das Kind sowie die Eltern, iranische Staatsangehörige sind.33 In diesem Fall findet ausschließlich iranisches Recht auf die Abstammung Anwendung. Besitzen die Beteiligten jedoch neben der iranischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit, findet das Abkommen keine Anwendung; bei anderen Doppel- oder Mehrstaatern kommt es darauf an, ob die iranische Staatsangehörigkeit die effektive Staatsangehörigkeit ist.34 Ist sie es nicht, bleibt es bei der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB.
C. Historische Betrachtung I. Rechtslage vor 1998 Art. 19 Abs. 1 EGBGB in seiner jetzigen Fassung hat seinen Ursprung in seinen Vorgängernormen Art. 19 Abs. 1 EGBGB a. F. und Art. 20 Abs. 1 EGBGB a. F.35 Für das Verständnis des geltenden Rechts ist daher die alte Rechtslage durchaus 28 MüKo/Helms, Anh.
I zu Art. 19 EGBGB Rn. 1. Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 3; MüKo/Helms, Anh. I zu Art. 19 EGBGB Rn. 3 f.; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 16. 30 MüKo/Helms, Anh. I zu Art. 19 EGBGB Rn. 4; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 16; Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 3. 31 Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 5; MüKo/Helms, Anh. I zu Art. 19 EGBGB Rn. 2; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 16. 32 RGBl. 1930 II 1006, RGBl. 1931 II 9; BGBl. 1955 II 829. 33 BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 5; Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 36; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 8. 34 MüKo/Dutta, Art. 75 EuErbVO Rn. 10 m. w. N. (zum ebenfalls in den Anwendungsbereich des Abkommens fallenden Erbrecht); BeckOK/Lorenz, Art. 25 EGBGB Rn. 8 (ebenfalls zum Erbrecht); BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 5. 35 Vgl. BT-Drucks. 13/4899, S. 137 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 409 („Die Vorschrift des Art. 19 I 3 EGBGB ist ein Relikt aus der Zeit, als zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterschieden wurde […]“). 29 Staudinger/Henrich,
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
noch von Bedeutung und insofern bietet es sich an, einen kurzen historischen Exkurs vorwegzunehmen. Die Vorgängernormen in der Fassung vom 01.09.198636 lauteten wie folgt: Art. 19 Abs. 1 EGBGB a. F.: „Die eheliche Abstammung eines Kindes unterliegt dem Recht, das nach Artikel 14 Abs. 1 für die allgemeinen Wirkungen der Ehe der Mutter bei der Geburt des Kindes maßgebend ist. Gehören in diesem Zeitpunkt die Ehegatten verschiedenen Staaten an, so ist das Kind auch dann ehelich, wenn es nach dem Recht eines dieser Staaten ehelich ist. Ist die Ehe vor der Geburt aufgelöst worden, so ist der Zeitpunkt der Auflösung maßgebend. […]“ Art. 20 Abs. 1 EGBGB a. F.: „Die Abstammung eines nichtehelichen Kindes unterliegt dem Recht des Staates, dem die Mutter bei der Geburt des Kindes angehört. Dies gilt auch für die Verpflichtung des Vaters gegenüber der Mutter auf Grund der Schwangerschaft. Die Vaterschaft kann auch nach dem Recht des Staates, dem der Vater im Zeitpunkt der Geburt des Kindes angehört, oder nach dem Recht des Staates festgestellt werden, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“
Das Kollisionsrecht von 1986 unterschied ebenso wie das deutsche materielle Recht zur damaligen Zeit zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern. Art. 19 EGBGB a. F. regelte die eheliche Abstammung und Art. 20 EGBGB a. F. die Abstammung nichtehelicher Kinder. Art. 19 EGBGB a. F. war gegenüber Art. 20 EGBGB a. F. vorrangig zu prüfen und setzte voraus, dass eine wirksame Ehe der Mutter aus deutscher Sicht bestand.37 Die eheliche Abstammung unterlag gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB a. F. unwandelbar dem gesetzlichen Ehewirkungsstatut38 der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes. Bestand die Ehe zum Zeitpunkt der Geburt nicht mehr, war hingegen der Zeitpunkt der Auflösung maßgebend (S. 3). Der Gesetzgeber sah die unwandelbare Anknüpfung als erforderlich an, „um Veränderungen der Rechtsstellung des Kindes zu seinen Lasten etwa auf Grund zufälligen Wechsels der Anknüpfungsvoraussetzun36 Eingeführt
durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.07.1986, BGBl. 1986 I 1142, 1146. 37 Es handelte sich hierbei um eine Erstfrage, die selbstständig anzuknüpfen war, so Soergel/Kegel, Art. 19 EGBGB Rn. 5 ff.; Erman/Hohloch, 9. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 18; MüKo/ Schwimann, 2. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 23, 25 m. w. N.; Andrae, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., Rn. 437, 443; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 362; Ferid, Internationales Privatrecht, Rn. 8–251; Beitzke, ZfJ 1986, 477, 482; für eine alternative Anknüpfung der Vorfrage hingegen Palandt/Heldrich, 56. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 6 m. w.N; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 179. Siehe zur Frage, wie bei Nichtehen und fehlerhaften Ehen zu verfahren ist, den Überblick bei Soergel/Kegel, Art. 19 EGBGB Rn. 6 f. 38 Das Ehewirkungsstatut wurde nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB a. F. objektiv wie folgt angeknüpft: Primär wurde das gemeinsame Heimatrecht der Eltern für anwendbar berufen oder das letzte gemeinsame Heimatrecht, sofern noch einer von ihnen diesem Staat angehörte (Nr. 1). Hatten die Ehegatten kein gemeinsames Heimatrecht, war subsidiär das Recht des Staates maßgebend, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten oder zuletzt gehabt haben, wenn einer der Ehegatten diesen beibehielt (Nr. 2). Fehlte es auch an einem gemeinsamen Aufenthalt, wurde hilfsweise auf das Recht verwiesen, mit dem die Ehegatten auf andere Weise am engsten verbunden sind (Nr. 3). Vgl. Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 175 ff.
C. Historische Betrachtung
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gen zu verhindern.“39 Sofern die Ehegatten im Zeitpunkt der Geburt bzw. der Auflösung der Ehe unterschiedlichen Staaten angehörten, galt das Kind auch dann als ehelich, wenn es nach einem dieser Heimatrechte als eheliches Kind angesehen wurde, Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB a. F. Die Regelung verfolgte das Ziel, die eheliche Abstammung zu fördern, da der Status der Ehelichkeit als für das Kind günstiger bewertet wurde.40 Aus diesem Grund ging die überwiegende Ansicht in der Lehre von einer alternativen Anknüpfung aus.41 Demgegenüber bestimmte Art. 20 EGBGB a. F. das anwendbare Recht hinsichtlich der Abstammung nichtehelicher Kinder. Sowohl die Abstammung von der Mutter als auch vom Vater unterlag dem Heimatrecht der Mutter des Kindes im Zeitpunkt der Geburt (S.1).42 Die Vorschrift knüpft damit, wie auch Art. 19 EGBGB a. F. (Ehewirkungsstatut der Mutter), an die Person der „Mutter“ an. Es stellt sich die Frage, wer mit Mutter im Sinne der Kollisionsnormen gemeint war, da sich die Antwort gerade erst aus dem verwiesenen Recht ergibt. Es handelt sich um einen Zirkelschluss, wenn das Kollisionsrecht als Tatbestandsmerkmal das Ergebnis voraussetzt. Der Gesetzgeber von 1986 sah hierin kein Problem,43 sondern ging offensichtlich davon aus, dass die Bestimmung der Mutter gemäß dem Grundsatz Mater semper certa est eindeutig ist und daher als Bezugspunkt für die Anknüpfung in Betracht kommt.44 Als Mutter im Sinne der Kollisionsnorm war somit die Frau gemeint, die das Kind zur Welt brachte.45 Das verwiesene Recht bestimmte nur, ob für die Begründung 39
BT-Drucks. 10/504, S. 65. 10/504, S. 65; Erman/Hohloch, 9. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 15; Henrich, IPRax 1993, 392; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 177; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 362 bezweifelte hingegen, dass die Ehelichkeit stets förderlich sei, da das Kind so dem wahren Vater, der möglicherweise die Sorge ausüben möchte und leistungsfähiger ist, nicht zugeordnet werden kann. 41 MüKo/Schwimann, 2. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 15; Staudinger/Henrich, 13. Aufl., Art. 19 Rn. 35 ff.; Soergel/Kegel, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Kropholler, Internationales Privatrecht, 1. Aufl., § 48 III 2; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 362; v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rn. 307; Henrich, IPRax 1993, 392 f.; Dörner, StAZ 1990, 1, 7 f.; a. A. für eine subsidiäre Anknüpfung hingegen Palandt/Heldrich, 56. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 4; Erman/ Hohloch, 9. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 15; Beitzke, ZfJ 1986, 477, 483; Andrae, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., Rn. 442. Im Regierungsentwurf war sowohl von alternativer als auch von subsidiärer Anknüpfung die Rede, vgl. BT-Drucks. 10/504, S. 65. Die Ansichten führten jedoch hinsichtlich der Feststellung der Ehelichkeit zum gleichen Ergebnis. Relevant war die Frage der Anknüpfung nur für die Anfechtung, die nach dem Recht zu erfolgen hatte, aus dem sich die Ehelichkeit ergab. Hier wurde jedoch überwiegend eine subsidiäre Anknüpfung angenommen, BGH (11.05.1994), NJW 1994, 2360, 2361 f. m. w. N. 42 Staudinger/Kropholler, 12. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 37; MüKo/Klinkhardt, 2. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 1, 8; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 367. 43 Vgl. BT-Drucks. 10/504, S. 64 ff. 44 Vgl. Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 362, 367, der die Anknüpfung für rechtspolitisch vertretbar hält, „weil die Mutterschaft evident ist“. 45 v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rn. 311 Fn. 1024; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 362, 367. 40 BT-Drucks.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
eines rechtlichen Abstammungsverhältnisses zu der gebärenden Frau eine Mutterschaftsanerkennung, wie es in den romanischen Rechtskreisen teils vorgesehen war,46 erklärt werden musste.47 Die Vaterschaft konnte neben dem Heimatrecht der Mutter alternativ48 auch nach dem Heimatrecht des potentiellen Vaters zum Zeitpunkt der Geburt sowie nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes begründet werden. Die Besonderheit bei der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt war, dass sie, anders als die beiden anderen Anknüpfungen, nicht auf den Zeitpunkt der Geburt, sondern auf den Zeitpunkt der Feststellung abstellte und damit wandelbar war.49 Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt wurde erst nachträglich durch den Rechtsausschuss des Bundestages eingefügt.50 Die Regelung hatte den Zweck einen Gleichlauf mit dem Unterhaltsstatut herbeizuführen.51 In der Begründung des Regierungsentwurfs wurde die Anknüpfung noch mit der Begründung abgelehnt, dass Manipulationen zu befürchtet wären und die Ansicht bestand, dass ein Kind ohnehin nur einen abgeleiteten gewöhnlichen Aufenthalt haben kann.52 Ferner hielt man, wie auch bei der ehelichen Abstammung, die Unwandelbarkeit für erforderlich, um die Stabilität des Statusverhältnisses und den internationalen Entscheidungseinklang zu gewährleisten.53 Die alternative Anknüpfung sollte die Feststellung der Vaterschaft im Interesse des Kindes fördern.54 Bei der Auswahl der in Betracht kommenden Rechte war 46 Siehe hierzu Ferid, Internationales Privatrecht, Rn. 8–286 ff.; MüKo/Klinkhardt, 2. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 8. 47 Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 193, 197; MüKo/Klinkhardt, 2. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 8; Soergel/Kegel, Art. 20 EGBGB Rn. 2, 19; Ferid, Internationales Privatrecht, Rn. 8–296,1; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 367; Palandt/Heldrich, 56. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 4. 48 MüKo/Klinkhardt, 2. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 23; Soergel/Kegel, Art. 20 EGBGB Rn. 10; Staudinger/Kropholler, 12. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 53; Palandt/Heldrich, 56. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 6; Erman/Hohloch, 9. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 12; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 193, 195; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 367; Ferid, Internationales Privatrecht, Rn. 8–307; v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rn. 311, Beitzke, ZfJ 1986, 537. 49 Staudinger/Kropholler, 12. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 53; Soergel/Kegel, Art. 20 EGBGB Rn. 16; MüKo/Klinkhardt, 2. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 29; Kegel, Internationales Privatrecht, 7. Aufl., S. 714, § 20 XI 1 f.; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 368. 50 BT-Drucks. 10/5632, S. 43; Ferid, Internationales Privatrecht, Rn. 8–296,1; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 368. 51 Dadurch sollte die Rechtsprechung des BGH (28.02.1973), NJW 1973, 948 fortgeführt werden, wonach die Feststellung der Vaterschaft nach deutschem Recht zu erfolgen hatte, wenn deutsches Recht für den Unterhaltsanspruch maßgebend war, BT-Drucks. 10/5632, S. 43; Staudinger/Kropholler, 12. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 52; Soergel/Kegel, Art. 20 EGBGB Rn. 9; Ferid, Internationales Privatrecht, Rn. 8–309; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 368. 52 BT-Drucks. 10/504, S. 68. 53 BT-Drucks. 10/504, S. 68 („Wie bei der ehelichen Abstammung muß auch hier die Anknüpfung im Interesse der Stabilität und der internationalen Entscheidungsharmonie an einem festen Zeitpunkt ansetzen“.) 54 BT-Drucks. 10/5632, S. 43; MüKo/Klinkhardt, 2. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 5, 23; Stau-
C. Historische Betrachtung
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daher das Kindeswohl ausschlaggebend.55 Wenn die Vaterschaft nur nach einem der drei zur Verfügung gestellten Rechte begründet werden konnte, forderte es das Kindeswohl dieses anzuwenden.56 Führten hingegen mehrere Rechte zu der Vaterschaft eines Mannes, war das Recht zu bevorzugen, welches die weitgehendsten Folgen an diese Beziehung knüpfte; eine Vaterschaft mit Statusbegründung war gegenüber einer bloßen Zahlvaterschaft für das Kind günstiger.57 Schließlich war auch entscheidend, welche Anforderungen das Unterhaltsstatut an die Vaterschaft stellte.58 Verlangte etwa das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts für die Begründung von Unterhaltspflichten die Feststellung der Vaterschaft in einem Statusverfahren, war es nicht im Interesse des Kindes, wenn nur die Zahlvaterschaft nach dem Heimatrecht der Mutter oder des Vaters festgestellt wurde.59 Die Vaterschaft nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts konnte auch dann für das Kind vorteilhafter sein, wenn das an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpfende Unterhaltsstatut den Unterhaltsanspruch davon abhängig machte, dass die Vaterschaft nach diesem Recht festgestellt worden ist.60
II. Rechtspolitischer Hintergrund der Reform Seine jetzige Fassung erhielt Art. 19 Abs. 1 EGBGB durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG) vom 16.12.1997,61 welches am 01.07.1998 in Kraft getreten ist. Ziel der Reform war es, die noch in Teilbereichen vorherrschenden Unterschiede zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern zu beseitigen.62 Dies führte nicht nur zu Änderungen im materiellen Recht, sondern auch im internationalen Privatrecht.63 Die unterschiedliche Anknüpfung dinger/Kropholler, 12. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 39; Kropholler, Internationales Privatrecht, 1. Aufl., § 48 III 3; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 196; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 368. Nach v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rn. 311 dient die Alternativanknüpfung zusätzlich auch dem Interesse der Mutter. 55 OLG Hamm (24.07.1990), FamRZ 1991, 221, 223; BT-Drucks. 10/5632, S. 43; Staudinger/Kropholler, 12. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 39; Palandt/Heldrich, 56. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 8; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 196. 56 Soergel/Kegel, Art. 20 EGBGB Rn. 16; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 27 f. 57 Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 196; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 28. 58 Erman/Hohloch, 9. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 12; Palandt/Heldrich, 56. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 8. 59 Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 196; Staudinger/Kropholler, 12. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 39; Palandt/Heldrich, 56. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 8; Erman/ Hohloch, 9. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 12. 60 Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 196; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 28; Erman/Hohloch, 9. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 12. 61 Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16.12.1997, BGBl. 1997 I 2942. 62 BT-Drucks. 13/4899, S. 1; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 1. 63 Gaaz, StAZ 1998, 241, 249; Henrich, StAZ 1996, 353; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 1; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 1.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
für eheliche und nichteheliche Kinder wurde aufgehoben und Art. 19 Abs. 1 EGBGB bestimmt nun für alle Kinder einheitlich das anwendbare Recht auf die Abstammung.64 Art. 19 Abs. 1 EGBGB stellt hierfür mehrere Rechtsordnungen zur Auswahl. Dadurch soll die Feststellung der Abstammung auch unter Art. 19 EGBGB erleichtert werden und damit dem Kindeswohl dienen.65 Der Gesetzgeber hat die Regelung des Art. 20 EGBGB a. F. insoweit übernommen und mit Art. 19 EGBGB a. F. kombiniert.66 Die Alternativen sind sowohl für die Feststellung der Mutterschaft als auch der Vaterschaft maßgebend.67 Nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes bestimmen sich nun auch die Abstammungsregelungen kraft Gesetzes aufgrund Ehe.68 Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes wurde außerdem als primäre Anknüpfung in den Vordergrund gerückt.69 Die Neufassung von 1997 ging damit weg von einer vorrangig elternzentrierten Anknüpfung und hin zu einer kindeszentrierten Anknüpfung.70 Damit verwirklichte der Gesetzgeber sein Ziel, das Kind mehr in den Mittelpunkt zu stellen und „die Stellung des Kindes als eigenes Rechtssubjekt […] zu betonen“.71 An der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeiten der Eltern wurde aber als zusätzliche Anknüpfung festgehalten. Berufen ist das Heimatrecht des jeweiligen (potentiellen) Elternteils. Auch das Ehewirkungsstatut, dem früher die eheliche Abstammung unterlag, besteht als zusätzliche Anknüpfung fort. Trotz der Abschaffung der Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern hielt der Gesetzgeber es weiterhin für sinnvoll, für die Abstammung eines Kindes einer verheirateten Frau an das Ehewirkungsstatut anzuknüpfen. Ferner wurde mit der Neufassung der Grundsatz der Wandelbarkeit des Abstammungsstatuts eingeführt.72 Anders als der Gesetzgeber von 1986 sah es der Gesetzgeber von 1997 als nicht mehr erforderlich an, an einen bestimmten Zeitpunkt anzuknüpfen. Damit unterliegen nun auch die gesetzlichen Zuordnungsregelungen zum Ehemann einem wandelbaren Statut. Nur die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut ist weiterhin unwandelbar. 64 BT-Drucks. 13/4899, S. 137; Looschelders, IPRax 1999, 420; Henrich, FamRZ 1998, 1401; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 4. 65 Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; Henrich, FamRZ 1998, 1401, 1402; Hepting, StAZ 2000, 33, 34; Henrich, StAZ 1996, 353, 355; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 2; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 5. 66 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 2; Henrich, StAZ 1996, 353 f.; Gaaz, StAZ 1998, 241, 249. 67 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-89. 68 Henrich, FamRZ 1998, 1401. 69 Looschelders, IPRax 1999, 420; Henrich, FamRZ 1998, 1401; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 13. 70 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 5; Looschelders, IPRax 1999, 420. 71 BT-Drucks. 13/8511, S. 64; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 5. 72 BT-Drucks. 13/4899, S. 137 f.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; Henrich, FamRZ 1998, 1401. Henrich, StAZ 1998, 1, 2 f. ging zunächst von einem Redaktionsversehen aus.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB I. Anwendungsbereich und Qualifikationsfragen Nach dem Abstammungsstatut richten sich alle Fragen, die die Begründung der Abstammung betreffen. Das Abstammungsstatut entscheidet damit zunächst einmal darüber, ob für die Begründung der rechtlichen Mutterschaft eine Anerkennung erforderlich ist oder ob die Tatsache der Geburt bereits automatisch die Mutterschaft entstehen lässt.73 Für die Feststellung der gesetzlichen Vaterschaft bestimmt das anwendbare Recht sodann, ob und welche Beiwohnungs- und Vaterschaftsvermutungen bestehen, deren Widerlegung, welche Empfängniszeiten gelten und welche Folgen eine Nichteintragung in das Geburtenregister hat.74 Das Abstammungsstatut ist damit beispielsweise auf die Fragen anwendbar, ob die Vaterschaftsvermutung auch bei getrennt lebenden Ehepaaren greift, und ob eine Vermutung auch für den bereits von der Mutter geschiedenen Ehemann besteht, sofern die Empfängniszeit noch in die Ehe fällt. Schließlich regelt das Abstammungsstatut die Voraussetzungen für ein Vaterschaftsanerkenntnis wie insbesondere erforderliche Zustimmungserfordernisse sowie Anerkennungsverbote.75 Die Zustimmungserfordernisse richten sich jedoch nicht ausschließlich nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB, sondern zusätzlich auch nach Art. 23 EGBGB.76 Die Formgültigkeit der Anerkennungserklärung sowie deren Zustimmungen ist demgegenüber eine Teilfrage,77 die nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB anzuknüpfen ist.78 Schließlich bestimmt das Abstammungsstatut auch darüber, welche materiell-rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein gerichtliches Feststellungsverfahren bestehen und welche materiell-rechtlichen Beweisregeln im Verfahren gelten.79 Nach dem Abstammungsstatut richtet sich damit insbesondere, wer klage- bzw. antragsberechtigt ist, und, welche Fristen einzuhalten sind.80 73 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-174 ff.; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 8; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 11; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 6.1, 7. 74 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 37; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 21; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 32; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 11; BeckOK/ Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 7; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 406. 75 NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 10 f.; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 32; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 8. 76 Hierzu ausführlich unten auf S. 109 ff. 77 Zum Begriff der Teilfrage etwa MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 104; BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 69. 78 BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 7; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 86. 79 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 38; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 32. 80 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69a, 69b; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 38.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
Nicht von Art. 19 Abs. 1 EGBGB erfasst ist hingegen die Beseitigung der Abstammung, diese unterliegt allein dem nach Art. 20 EGBGB berufenen Recht.81 Die Rechtsfolgen der Abstammung wie insbesondere das Umgangsund Sorgerecht richten sich schließlich nach Art. 21 EGBGB bzw. dem vorrangig anwendbaren KSÜ.82
1. Abgrenzung zur Anfechtung – Vaterschaftsbeseitigende Anerkennungen Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung zwischen Abstammungsstatut und Anfechtungsstatut bei „vaterschaftsdurchbrechenden Anerkennungen“.83 Einzelne Rechtsordnungen erlauben trotz bestehender Vaterschaft des Ehemanns unter bestimmten Voraussetzungen eine Anerkennung durch einen Dritten, die sodann die Vaterschaft des Ehemanns beseitigt. Das deutsche Recht enthält mit § 1599 Abs. 2 BGB eine solche Regelung.84 Nach § 1599 Abs. 2 BGB gilt die Vaterschaftszuordnung zum Ehemann nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird, ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des Scheidungsurteils die Vaterschaft anerkennt und der Ehemann der Anerkennung zustimmt. Die Vorschrift weist insofern eine Doppelnatur85 auf: Auf er einen Seite beseitigt sie die bisherige Vaterschaft des Ehemanns und auf der anderen Seite begründet sie gleichzeitig die Vaterschaft des Anerkennenden.86 „Dieser Doppelfunktion ist auch kollisionsrechtlich Rechnung zu tragen: Ob § 1599 Abs. 2 BGB seine vaterschaftsdurchbrechende Wirkung entfalten kann, bestimmt sich nach dem für die (gerichtliche) Vaterschaftsanfechtung geltenden Anfechtungsstatut des Art. 20 [EGBGB]. Demgegenüber beurteilt sich die Vorfrage, ob alle Voraussetzungen für die wirksame Anerkennung seitens des Dritten erfüllt sind, nach Art. 19 Abs. 1 [EGBGB]; dabei ist allerdings nicht eine Anerkennungssperre wegen bestehender Vaterschaft zu berücksichtigen, denn diese wird durch die gleichzeitig eintretende Anfechtungswirkung gerade überwunden.“87 Die Anwendung 81 NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 5, 10; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 1; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 31. 82 BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 1; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 19a; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 1. 83 Zum Begriff MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 11; MüKo/Wellenhofer, § 1599 BGB Rn. 63. 84 Ausführlich zur Regelung Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-150 ff.; MüKo/Wellenhofer, § 1599 BGB Rn. 63 ff. 85 Wedemann, StAZ 2012, 225, 226; Rauscher, FPR 2002, 352, 358. 86 BGH (23.11.2011), FamRZ 2012, 616, 617. MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 11 spricht daher von einem „Janusköpfige[m] Institut“; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-329. 87 MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 11. So mittlerweile die ständige Rechtsprechung des BGH, BGH (23.11.2011), FamRZ 2012, 616, 617; BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848, 1849; BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334, 1335 f. Vgl. auch Frie, StAZ 2019, 1, 5 f.; Freitag, StAZ 2013, 333, 336 ff.; Wedemann, StAZ 2012, 225, 226; Helms, FamRZ 2012, 618;
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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von Art. 20 EGBGB ist damit zu begründen, dass das vaterschaftsdurchbrechende Anerkenntnis nach § 1599 Abs. 2 BGB zu ähnlichen Wirkungen wie ein gerichtliches Anfechtungsverfahren führt und es insofern das gerichtliche Anfechtungsverfahren ersetzt.88 Diese Grundsätze lassen sich auch auf vergleichbare ausländische Institute übertragen. Vergleichbare vaterschaftsdurchbrechende Institute kennen etwa das österreichische sowie das ukrainische Recht. Nach österreichischem Recht kann ein Dritter trotz bestehender Vaterschaft des Ehemanns ein wirksames Vaterschaftsanerkenntnis nach § 147 Abs. 2 ABGB abgeben, wenn das Kind, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger, und die Mutter diesem zustimmen.89 Eine Zustimmung des Ehemanns ist hingegen nicht vorgesehen; diesem wird nur ein Widerspruchsrecht zugesprochen.90 Das ukrainische Recht erlaubt ferner ein vaterschaftsdurchbrechendes Anerkenntnis, wenn die Ehegatten bereits geschieden sind und der Ex-Mann der Anerkennung zustimmt.91 Ebenso sieht es eine Beseitigung der Vaterschaft des vor Geburt verstorbenen Ehemanns durch eine Drittanerkennung vor, wenn die Mutter hierzu ihre Zustimmung erklärt.92 Entscheidend für die Anwendung des Art. 20 EGBGB ist jeweils, dass die konkrete Regelung eine bereits entstandene Vaterschaft wieder beseitigt. Anders verhält es sich daher mit ausländischen Regelungen, die von vornherein das Entstehen einer Vaterschaft verhindern.93 Im französischen und italienischen Recht kann ein Dritter ein Kind einer verheiraten Frau anerkennen, wenn der Ehemann nicht in die Geburtsurkunde eingetragen wurde. Die Vaterschaft des Ehemanns wird nicht automatisch mit Geburt begründet, sondern Frank, StAZ 2009, 65, 68; Rauscher, FPR 2002, 352, 358 f.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-329 ff. 88 BGH (23.11.2011), FamRZ 2012, 616, 617; Frie, StAZ 2019, 1, 6. Führt keine der Rechtsordnungen des Art. 20 S. 1 EGBGB zum deutschen Recht, weil es etwa um eine nach ausländischem Recht bestehende Vaterschaft des bereits rechtskräftig von der Mutter geschiedenen Ehemanns geht, kann § 1599 Abs. 2 BGB (analog) auch über Art. 20 S. 2 EGBGB Anwendung finden. Zwar ist das Kind selbst nicht unmittelbar an den Erklärungen beteiligt – es sei denn, der Mutter steht das Sorgerecht nicht zu, § 1595 Abs. 2 BGB –, seine Beteiligung ergibt sich jedoch mittelbar aus der Zustimmung der sorgeberechtigten Mutter, die die Interessen des Kindes kraft des ihr zustehenden Sorgerechts repräsentiert, so BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334, 1336, ablehnend Wedemann, StAZ 2012, 225, 227; Freitag, StAZ 2013, 333, 338 f. 89 Sofern das Kind bereits volljährig ist, bedarf es ausschließlich seiner Zustimmung. Ebenfalls für eine Qualifikation unter Art. 20 EGBGB Frie, StAZ 2019, 1, 7; Krömer, StAZ 2019, 348, 349; Krömer, StAZ 2016, 151 f. (noch zur Vorgängernorm); Wedemann, StAZ 2012, 225, 227 (noch zur Vorgängernorm). 90 § 147 Abs. 3 österr. AGBGB, vgl. Frie, StAZ 2019, 1, 7; Krömer, StAZ 2016, 151, 152. 91 Art. 122 Abs. 3 S. 1 und 2 ukr. FamGB; hierzu auch Frie, StAZ 2019, 1, 7. 92 Art. 122 Abs. 3 S. 3 ukr. FamGB. 93 BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848, 1850 (zum italienischen Recht); MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 13; Frie, StAZ 2019, 1, 7; Wedemann, StAZ 2012, 225, 228; Hepting/ Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-332 ff.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
entsteht erst durch die Beurkundung des Kindes als eheliches Kind.94 Unterbleibt die Registrierung des Ehemanns, wird hierdurch seine Vaterschaft nicht beseitigt, sondern kommt erst gar nicht zum Entstehen und daher ist hier allein Art. 19 Abs. 1 EGBGB maßgeblich.95 Dies hat zur Folge, dass, wenn eine andere Alternative des Art. 19 Abs. 1 EGBGB die Vaterschaft bereits kraft Gesetzes verbindlich feststellt, diese nicht durch die italienische oder französische Regelung beseitigt wird.96
2. Ausländische dem deutschen Recht unbekannte Abstammungszuordnungen Der Begriff der Abstammung in Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist nach allgemeiner Ansicht weit zu verstehen und erfasst auch solche Institute, die dem deutschen Abstammungsrecht nicht bekannt sind.97 Erfasst sind damit neben der Zuordnung aufgrund der natürlichen Abstammung insbesondere auch die Zuordnung bei künstlicher Befruchtung,98 die Begründung der Elternschaft einer zweiten Frau (Co-Mutterschaft)99 und die Abstammung von den Wunscheltern aufgrund einer Leihmutterschaftsvereinbarung.100 Nur vereinzelt wird an der traditionel94 Gem. Art. 313 S. 1 franz. CC greift die Vaterschaftsvermutung nicht, wenn die Geburtsurkunde den Ehemann nicht als Vater ausweist; vgl. zum französischen Recht Ferrand/ Francoz-Terminal, FamRZ 2009, 1539, 1541. Zum italienischen Recht Gabrielli, in: Schwab/ Henrich, Entwicklungen des europäischen Kindschaftsrechts, 59, 63 („Obwohl der Wortlaut des Gesetzes den Anschein erweckt, die Zuerkennung des Status eines ehelichen Kindes folge ohne weiteres aus der Tatsache, daß das Kind von einer verheirateten Frau geboren wird, ist es seit Jahrzehnten gefestigte Rechtsprechung, daß nicht die Tatsache an sich konstitutiv für die Begründung des Statusverhältnisses ist, sondern die Erklärung darüber vor dem Standesbeamten und deren Aufnahme in die Geburtsurkunde“); Calvigioni, StAZ 2002, 265, 267 („Die verheiratete Frau [hat] die Möglichkeit, ein Kind, das aus der Verbindung mit einem anderen Mann als ihrem Ehemann stammt, als unehelich anzuerkennen, obwohl sie verheiratet ist.“). Vgl. Wedemann, StAZ 2012, 225, 228; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-211, V-334. 95 BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848, 1850 (zum italienischen Recht); MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 13; Frie, StAZ 2019, 1, 7; Wedemann, StAZ 2012, 225, 228; Hepting/ Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-332 ff. 96 BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848, 1850 (zum italienischen Recht); MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 13. 97 BGH (20.4.2016), NJW 2016, 2322, 2324; KG (02.12.2014), FamRZ 2015, 943, 944; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, Rn. G-42; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-90; Benicke, StAZ 2013, 101, 106; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 1. 98 Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 97 f.; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 3. 99 BGH (20.4.2016), NJW 2016, 2322, 2324; KG (02.12.2014), FamRZ 2015, 943, 944; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 5, 39; JurisPK /Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 31; Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132, 133; Frie, FamRZ 2015, 889, 890; Sieberichs, StAZ 2015, 1, 2; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, Rn. G-42; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 61 ff. A. A. Andrae, StAZ 2015, 163, 168 f.; Andrae, Internationales Familienrecht, 3. Aufl., § 5 Rn. 54, die eine adoptionsrechtliche Qualifikation vertritt. 100 OLG Stuttgart (07.02.2012), FamRZ 2012, 1740; Duden, Leihmutterschaft im IPR
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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len Auffassung festgehalten, nach der das Abstammungsstatut nur für die Begründung der rechtlichen Elternschaft, die auf einer vermuteten natürlichen Abstammung beruht, anwendbar sein soll.101 Sofern es um die Eltern-Kind-Zuordnung geht, die nicht auf einer biologischen Verbindung beruht, soll nach dieser Meinung hingegen das Adoptionsstatut anwendbar sein, Art. 22 EGBGB.102 Diese Sicht ist jedoch abzulehnen. Zwar beruht das deutsche Abstammungsrecht auf einer – jedenfalls vermuteten – natürlichen Abstammung und die Systembegriffe des Kollisionsrechts gehen grundsätzlich vom eigenen Sachrecht aus, allerdings sind sie weiter auszulegen als im materiellen Recht, um auch ausländische Institute erfassen zu können.103 Für die Frage, ob ein dem deutschen Recht unbekanntes Rechtsinstitut, wie die Zuordnung zu einer Co-Mutter und die Zuordnung zu den Wunscheltern bei einer Leihmutterschaft, von einer Kollisionsnorm erfasst wird, ist entscheidend, ob sie funktional dem deutschen Abstammungsbegriff entsprechen.104 Die ausländischen Zuordnungsregeln begründen wie das deutsche Recht eine Eltern-Kind-Beziehung kraft Gesetzes, kraft Anerkennung oder aufgrund gerichtlicher Feststellung.105 Es geht um die Begründung der originären Elternschaft eines Kindes und nicht wie bei der Adoption um einen nachträglichen Austausch der ursprünglichen Eltern, weil diese gestorben sind oder das Kind nicht wollen.106 Die ausländischen Reund IZVR, S. 29 f.; Benicke, StAZ 2013, 101, 106; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 38; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 31; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-90, IV-159; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, Rn. G-43; Dethloff, JZ 2014, 922, 929; Wagner, StAZ 2012, 294, 297; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 579; Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, S. 185; A. A. Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 993, der eine adoptionsrechtliche Qualifikation vertritt. Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 66 ff. möchte Art. 19 EGBGB nur dann anwenden, wenn eine genetische Verbindung zu einem oder beiden Wunschelternteilen besteht. 101 So Andrae, StAZ 2015, 163, 168; Andrae, Internationales Familienrecht, 3. Aufl., § 5 Rn. 54 (Andrae nimmt in der neuen Auflage jedoch Abstand von ihrer Meinung, vgl. Andrae, Internationales Familienrecht, 4. Aufl., § 7 Rn. 3); MüKo/Klinkhardt, 5. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 5. Ähnlich auch Looschelders, Internationales Privatrecht, Art. 19 EGBGB Rn. 3. Vgl. auch Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 1; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, Rn. G-41. 102 Andrae, StAZ 2015, 163, 168; Andrae, Internationales Familienrecht, 3. Aufl., § 5 Rn. 54; MüKo/Klinkhardt, 5. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 5. 103 Allgemein zur Qualifikation Grüneberg/Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 26; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 124; BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 60; MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 118, 121. Vgl. die Argumentation zu der Qualifikation einer gleichgeschlechtlichen Elternschaft nach südafrikanischem Recht bei KG (02.12.2014), FamRZ 2015, 943, 944. 104 BGH (22.03.1967), FamRZ 1967, 452 ff.; Grüneberg/Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 26; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 124; BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 59 f.; MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 122 ff. Vgl. die Argumentation des KG (02.12.2014), FamRZ 2015, 943, 944. 105 Vgl. hierzu die rechtsvergleichende Übersicht oben auf S. 34 ff. (gesetzliche Abstammung von den Wunscheltern bei Leihmutterschaft) und S. 40 ff. (Abstammung von einer Co-Mutter). 106 Rauscher, NJW 2016, 2327; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 29.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
gelungen beruhen zwar nicht auf dem Prinzip der biologischen Abstammung, dafür aber auf dem Verursacherprinzip bzw. dem Prinzip der intendierten Elternschaft. Anders als bei der Adoption wird also nicht eine Eltern-Kind-Beziehung zu einem fremden Kind begründet, sondern es besteht bereits vor Geburt eine Verbindung zu dem Kind.107 Im Falle der Leihmutterschaft wird sogar in den meisten Fällen auch eine genetische Verbindung zwischen dem Kind und zumindest einem Elternteil vorliegen. Für die Vergleichbarkeit der ausländischen Zuordnungsregelungen mit den deutschen Abstammungsregeln spricht auch, dass selbst das deutsche Recht mit der Regelung des § 1600 Abs. 5 BGB vom Grundsatz der natürlichen Abstammung bei der heterologen Insemination bei verschiedengeschlechtlichen Eltern abweicht.108 Nach deutschem Recht schließt die vorherige Zustimmung zur künstlichen Befruchtung die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den Vater und die Mutter trotz der fehlenden genetischen Abstammung aus. Damit ist auch dem deutschen Recht das Verursacherprinzip nicht gänzlich fremd. Auch die Begründung einer originären Mehrelternschaft, wie sie etwa in Ontario möglich ist,109 ist mit den gleichen Argumenten als abstammungsrechtliche Regelung zu qualifizieren.110 Art. 19 Abs. 1 EGBGB gilt somit für alle originären Eltern-Kind-Zuordnungen, unabhängig davon, ob sie auf einer natürlichen Abstammung oder aber auf dem Verursacherprinzip beruhen. Ein weiteres dem deutschen Recht unbekanntes Institut ist die Zuordnung aufgrund der faktischen Übernahme der Elternstellung. Nach kalifornischem Recht wird etwa die Elternschaft auch dadurch begründet, dass eine Person (unabhängig davon, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt) ein Kind zuhause aufnimmt und es als eigenes behandelt.111 Auch hier ist eine Qualifikation unter das Abstammungsstatut vorzunehmen. Zwar erfolgt die Zuordnung nicht bereits im Zeitpunkt der Geburt, sondern erst eine gewisse Zeit danach, da an eine Tatsache geknüpft wird, die erst nach der Geburt entstehen kann. Dies ist jedoch für eine Qualifikation als Abstammung unschädlich, wie der Vergleich mit der Anerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB zeigt. Auch bei der Anerkennung wird – sofern keine vorgeburtliche Anerkennung vorliegt – die Elternschaft erst nach der Geburt begründet. Es gibt im deutschen Sachrecht keine zeitliche Grenze, bis wann die Anerkennung zu erfolgen hat. Auch im Übrigen ist die Regelung mit der Anerkennung vergleichbar. Mit einer Anerkennung erklärt eine Person vor einer Behörde oder einem Notar die rechtliche Elternschaft zu übernehmen.112 Durch die Behandlung als eigenes Kind wird diese Erklärung 107 108
Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 29. So auch Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132, 134; Sieberichs, StAZ 2015, 1, 2. 109 Vgl. hierzu die rechtsvergleichende Übersicht oben auf S. 54 ff. 110 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-90, IV-219. 111 Sec. 7611 lit. d California Family Code, siehe den Gesetzestext in S. 18 Fn. 107. 112 MüKo/Wellenhofer, § 1594 BGB Rn. 5.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber es wird durch das Handeln konkludent erklärt, die Elternschaft übernehmen zu wollen. Das Vaterschaftsanerkenntnis nach deutschem Recht beruht indes auf der Vermutung, dass der Anerkennende auch der leibliche Vater des Kindes ist. Dies ist hingegen für die kalifornische Regelung nicht der Fall, da nach der Regelung nicht nur die Elternschaft eines Mannes, sondern auch einer zweiten Frau begründet werden kann. Wie oben gesehen, wird aber auch die Anerkennung durch eine zweite Frau als eine mögliche Form der Elternschaft von gleichgeschlechtlichen Paaren von Art. 19 Abs. 1 EGBGB erfasst. Dies muss somit auch hier gelten.
3. Abstammung von Embryonen Neben der klassischen Eltern-Kind-Zuordnung ist Art. 19 Abs. 1 EGBGB auch für die Bestimmung der Abstammung von Embryonen entsprechend heranzuziehen.113 Der BGH114 hatte sich mit einem Fall zu befassen, wonach ein Mann die Feststellung seiner Vaterschaft für Embryonen begehrte, die mit seinen Spermazellen und mit Hilfe einer Eizellenspende gezeugt und in einer Klinik in Kalifornien kryokonserviert aufbewahrt wurden. Mangels ausdrücklicher Kollisionsnorm für diese Fallkonstellation ist die Lücke durch eine Analogie zu den bestehenden Kollisionsnormen zu füllen.115 Eine direkte Anwendung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB scheidet aus, da die Vorschrift die Abstammung eines Kindes regelt und dies auf einen Embryo mangels Geburt gerade (noch) nicht zutrifft.116 Art. 19 Abs. 1 EGBGB kann jedoch analog angewendet werden. Für eine Analogie bedarf es einer planwidrigen Regelungslücke und einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor, da der Gesetzgeber von 1986 nicht mit derartigen Fallkonstellationen gerechnet hat.117 Für die Vergleichbarkeit spricht, dass die Feststellung der Abstammung des Embryos automatisch auch die spätere Abstammung des Kindes – sofern es zu einer Geburt kommt – bestimmt. Die Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB können jedoch nicht uneingeschränkt auf Embryonen angewendet werden: Das Ehewirkungsstatut nach S. 3 knüpft an den Zeitpunkt der Geburt des Kindes an und eignet sich damit 113 BGH (24.08.2016), FamRZ 2016, 1849, 1850; Mayer, IPRax 2016, 432, 433 f.; Mankowski, FamRZ 2015, 1980; Coester-Waltjen, FamRZ 2015, 1981; Dutta/Hammer, FamRZ 2016, 1852; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 18; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 42; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 80; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 493 f.; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 993. A. A. Gössl, IPRax 2019, 41, 46 ff., die eine Kollisionsnorm sui generis bildet und auf den Aufbewahrungsort des Embryos abstellt. 114 BGH (24.08.2016), FamRZ 2016, 1849. 115 Mayer, IPRax 2016, 432, 433. 116 BGH (24.08.2016), FamRZ 2016, 1849, 1850; OLG Düsseldorf (31.07.2015), FamRZ 2015, 1979, 1980; Mankowski, FamRZ 2015, 1980. 117 BGH (24.08.2016), FamRZ 2016, 1849, 1850; Mankowski, FamRZ 2015, 1980.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
hier nicht als Anknüpfungspunkt.118 Ferner kann ein Embryo mangels sozialer Bindungen auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB haben.119 Im Rahmen der Analogie120 bietet es sich jedoch an, ersatzweise auf dessen Aufbewahrungsort abzustellen.121 Der BGH verneint dies mit der Begründung, dass der Aufbewahrungsort nicht mit dem gewöhnlichen Aufenthalt vergleichbar ist, da er keinerlei soziale Integration erfordert und damit beliebig ist.122 Nach Ansicht des BGH kommt damit nur das Personalstatut des jeweiligen Elternteils nach S. 2 zur Bestimmung des anwendbaren Rechts in Betracht. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in S. 1 führt zu der Rechtsordnung, mit der das Kind die engste Verbindung aufweist.123 Ein Embryo ist demgegenüber mit der Rechtsordnung seines Aufbewahrungsortes am engsten verbunden. Diese entscheidet über die maximale Dauer seiner Aufbewahrung, die Voraussetzungen für die weitere Verwendung sowie die Vernichtung. Die Verbindung ist zwar nicht so stark wie die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes, aber für den Embryo dennoch die engste und damit sind die beiden Anknüpfungen durchaus vergleichbar.124 Für die Vergleichbarkeit der Anknüpfungskriterien spricht zudem der Rechtsgedanke des Art. 5 Abs. 2 EGBGB.125 Das Gesetz stellt dort selbst subsidiär auf den schlichten Aufenthalt ab, wenn eine Person keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die Tatsache überhaupt auf eine Ersatzanknüpfung abzustellen und nicht, wie der BGH, lediglich das Personalstatut anzuwenden, lassen sich zwei Argumente anführen: Art. 19 Abs. 1 EGBGB stellt mehrere Rechtsordnungen zur Auswahl, um die Begründung einer Elternschaft zu erleichtern.126 Der Zweck der Vorschrift gilt auch für die Abstammung von Embryonen, da die Frage der 118
BGH (24.08.2016), FamRZ 2016, 1849, 1850; Mankowski, LMK 2016, 382308. Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 80; Dutta/Hammer, FamRZ 2016, 1852; Mankowski, FamRZ 2015, 1980. 120 Mankowski spricht insofern von einer doppelten Analogie, einmal beim Anknüpfungsgegenstand und einmal beim Anknüpfungspunkt, Mankowski, FamRZ 2015, 1980, 1981; Mankowski, LMK 2016, 382308. 121 Mayer, IPRax 2016, 432, 433; Mankowski, FamRZ 2015, 1980, 1981; Mankowski, LMK 2016, 382308; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 9; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 80. 122 BGH (24.08.2016), FamRZ 2016, 1849, 1850 zustimmend Dutta/Hammer, FamRZ 2016, 1852; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 494; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 18. 123 BGH (24.08.2016), FamRZ 2016, 1849, 1851 mit Verweis auf BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 11. 124 Ähnlich Mayer, IPRax 2016, 432, 433. 125 Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 80; Mankowski, FamRZ 2015, 1980, 1981; Mankowski, LMK 2016, 382308. 126 Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; Henrich, FamRZ 1998, 1401, 1402; Hepting, StAZ 2000, 33, 34; Henrich, StAZ 1996, 353, 355; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 2; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 5. 119
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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Abstammung eines Embryos automatisch über die spätere Abstammung des später geborenen Kindes entscheidet. Es widerspricht aber diesem Zweck, wenn die Anknüpfungen reduziert werden. Daher ist nach einer vergleichbaren Ersatzanknüpfung zu suchen und – sofern eine solche existiert – auf diese abzustellen.127 Hier steht mit dem Aufenthaltsort gerade eine solche vergleichbare Anknüpfung zur Verfügung. Zum anderen spricht auch ein Vergleich mit Art. 21 EGBGB für das Heranziehen einer Ersatzanknüpfung. Stellt sich die Frage nach dem anwendbaren Recht auf die elterliche Sorge für einen Embryo, ist Art. 21 EGBGB analog heranzuziehen.128 Anders als Art. 19 Abs. 1 EGBGB stellt Art. 21 EGBGB nur auf den gewöhnlichen Aufenthalt ab und bietet gerade nicht die Möglichkeit auf eine andere Anknüpfung auszuweichen. Hier ist es somit einmal mehr geboten, ersatzweise auf den Aufbewahrungsort abzustellen.129 Kann aber im Rahmen von Art. 21 EGBGB ersatzweise auf dem Aufbewahrungsort abgestellt werden, sollte dies auch für Art. 19 Abs. 1 EGBGB gelten.
4. Feststellung der leiblichen Abstammung ohne statusrechtlichen Folgen Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist analog schließlich auch für solche Ansprüche und Verfahren heranzuziehen, die auf die Klärung der genetischen Abstammung abzielen, ohne jedoch statusrechtliche Folge nach sich zu ziehen.130 Im deutschen materiellen Recht ist ein solcher Anspruch in § 1598a BGB verankert. Danach kann der rechtliche Vater, die rechtliche Mutter oder das Kind zur Klärung der leiblichen Abstammung von den jeweils anderen beiden verlangen, in eine genetische Abstammungsuntersuchung einzuwilligen.131 Die Besonderheit dieses Anspruchs ist, dass die daraus gewonnen Erkenntnisse keinerlei statusrechtliche Konsequenzen für das rechtliche Abstammungsverhältnis haben.132 Das Verfahren dient lediglich dem Wissen der Beteiligten um die tatsächliche, leibliche Abstammung.133 127 128
So auch Mankowski, LMK 2016, 382308. Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 80; Dutta/Hammer, FamRZ 2016, 1852; Mankowski, LMK 2016, 382308. 129 Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 80; Dutta/Hammer, FamRZ 2016, 1852; Mankowski, LMK 2016, 382308. 130 BGH (10.07.2019), FamRZ 2019, 1543; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 33, Art. 20 EGBGB Rn. 13; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69d; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 992; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 6. A. A. MüKo/Helms, 7. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 13 (in der neuen Auflage schließt er sich jedoch auch der h. M. an). 131 Der (vermeintlich) leibliche Vater ist hingegen weder aktiv- noch passivlegitimiert, sofern er nicht die rechtliche Vaterstellung innehat, Spickhoff, ZfPW 2017, 257, 283 f.; Helms, FamRZ 2008, 1033. 132 Helms, FamRZ 2008, 1033. 133 Helms, FamRZ 2008, 1033.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
Da aber sowohl Art. 19 Abs. 1 EGBGB als auch Art. 20 EGBGB nur die Begründung bzw. Beseitigung einer statusrechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung umfassen, kann keine der beiden Normen direkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf ein solches Klärungsverfahren ohne statusrechtlicher Folgen herangezogen werden.134 Es muss daher eine Analogie zu den bestehenden Regelungen gebildet werden. Ob die Lücke durch eine analoge Anwendung des Art. 20 EGBGB oder des Art. 19 EGBGB zu schließen ist, ist dabei umstritten.135 Für eine analoge Anwendung des Art. 20 EGBGB wird angeführt, dass § 1598a BGB parallel zum Anfechtungsrecht des § 1600 Abs. 1 BGB konzipiert ist und zudem die in einem solchen Verfahren festgestellte fehlende leibliche Abstammung den erforderlichen Anfechtungsverdacht in einem späteren Anfechtungsverfahren begründet.136 Dagegen spricht jedoch, dass ein Anfechtungsverfahren nicht zwingend einem Klärungsverfahren folgt. Vielmehr soll das Klärungsverfahren gerade eine Alternative zum Anfechtungsverfahren darstellen.137 Ferner geht es nicht um eine Beseitigung einer Abstammung, sondern es wird lediglich festgestellt, ob eine leibliche Abstammung besteht oder nicht.138 Damit ist die Regelung vergleichbar mit dem Regelungsgehalt des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, der die Frage regelt, ob ein rechtliches Abstammungsverhältnis besteht oder nicht.139 Für diese Sichtweise spricht schließlich auch ein Vergleich zwischen den Verweisungen von Art. 19 Abs. 1 und 20 EGBGB. Art. 20 S. 1 EGBGB verweist für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf all die Rechtsordnungen, aus denen sich das Abstammungsverhältnis ergibt. Es stellt sich die Frage, wie die Verweisung im Rahmen der analogen Anwendung für ein Klärungsverfahren zu verstehen wäre. Mangels Alternative müsste auch hier die Rechtsordnung maßgeblich sein, aus der sich das rechtliche Abstammungsverhältnis ergibt. Der Anspruch auf Klärung der leiblichen Abstammung würde sich folglich nach dem Recht richten, aus dem sich die Voraussetzungen für die rechtliche Abstammung ergeben. Bezogen auf § 1598a BGB würde das bedeuten, der Anspruch wäre nur anwendbar, wenn sich auch die rechtliche Abstammung nach dem deutschen materiellen Recht ergäbe. Wendet man hingegen Art. 19 Abs. 1 EGBGB analog auf die Konstellation an, wäre § 1598a BGB bereits anwendbar, wenn eine der Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf deutsches Recht verweist, unabhängig davon, ob sich hieraus auch das rechtliche Abstammungsverhältnis ergibt. Das Erfordernis der rechtlichen Abstammung in § 1598a BGB („Vater“; „Mutter“) wäre dann als Vorfrage nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB an134 BGH (10.07.2019), FamRZ 2019, 1543, 1544; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69d. 135 Vgl. BGH (10.07.2019), FamRZ 2019, 1543, 1544. 136 MüKo/Helms, 7. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 13. 137 BGH (10.07.2019), FamRZ 2019, 1543, 1545. 138 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 33. 139 NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 11.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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zuknüpfen und könnte sich auch aus einem anderen von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Recht ergeben. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen: Eine Frau und ihr polnischer Ex-Ehemann leben beide in Deutschland. Kurze Zeit nach der Scheidung bringt die Frau ein Kind zur Welt. Nach dem Heimatrecht des polnischen Mannes wird diesem das Kind zugeordnet, da die Zeugung noch in die Zeit der Ehe fällt;140 nach deutschem materiellem Recht besteht hingegen keine Eltern-Kind-Zuordnung. Fraglich ist nun, ob dem Vater ein Anspruch aus § 1598a Abs. 1 Nr. 1 BGB gegenüber dem Kind und der Mutter zusteht. Wendet man Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf die Frage an, ist dies zu bejahen, da der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in Deutschland ist. Würde man hingegen Art. 20 EGBGB anwenden, wäre dies zu verneinen, da nach deutschem Recht keine rechtliche Vaterschaft besteht. Die Frage, ob ein solcher Klärungsanspruch besteht, würde sich ausschließlich nach dem polnischen Heimatrecht des Vaters richten.
Da das Klärungsverfahren gerade keine Auswirkung auf den Status der Abstammung hat, ist es überzeugender, dieses nicht nach der Rechtsordnung anzuknüpfen, nach der das rechtliche Abstammungsverhältnis besteht, sondern davon unabhängig. Daher ist eine analoge Anknüpfung nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB für die Fallkonstellation überzeugender.
II. Anknüpfungskriterien 1. Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes Nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB unterliegt die Abstammung dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach dem Aufenthaltsrecht kann sowohl die Abstammung von der Mutter als auch vom Vater festgestellt werden.141 Der Vorteil der Anknüpfung besteht für Standesämter darin, dass sie bei der Eintragung einer Inlandsgeburt in der Regel deutsches Recht anwenden können, da ein Kind, welches im Inland geboren wurde, regelmäßig auch hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben wird.142 Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt fungiert mittlerweile neben dem Staatsangehörigkeitsprinzip als das zweite wichtige Anknüpfungsmerkmal im autonomen Kollisionsrecht zur Bestimmung des Rechts, zu der eine Person die engste Beziehung aufweist und löst das Staatsangehörigkeitsprinzip immer mehr ab.143 Trotz dieser Bedeutung bereitet die Definition des 140 Art. 62
§ 1 poln. FVGB. Art. 19 EGBGB Rn. 8; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-95; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 4. 142 BT-Drucks. 13/4899, S. 137; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-96; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 35; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 998; Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 39. 143 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 273; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 35; Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 39; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. VI-30 f., VI-49. Vgl. allgemein zum Wandel vom Staatsangehörigkeitsprinzip hin zum gewöhnlichen Aufenthalt Dutta, IPRax 2017, 139 ff. 141 MüKo/Helms,
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
gewöhnlichen Aufenthalts teils Schwierigkeiten.144 Eine Legaldefinition des Begriffs existiert nicht. Der Begriff wird daher durch die Rechtsprechung geprägt. Der BGH lokalisiert den gewöhnlichen Aufenthalt an dem Ort, an dem „der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, ihr Daseinsmittelpunkt, lieg[t]“.145 Insofern stimmt er im Kern mit der Rechtsprechung des EuGH überein.146 Ob die Begriffe jedoch auch außerhalb dieses Begriffskerns einheitlich auszulegen sind, ist nicht abschließend geklärt.147 Die Rechtsprechung des EuGH lässt sich folglich nicht ohne weiteres ins nationale Kollisionsrecht übertragen, sie kann jedoch als Orientierung für die Auslegung der nationalen Vorschriften dienen. Auch der BGH selbst verweist bei der Auslegung des Begriffs im nationalen Recht auf die Rechtsprechung des EuGH und geht somit offensichtlich von einer weitestgehend einheitlichen Auslegung des Begriffs im Kindschaftsrecht aus.148 Der gewöhnliche Aufenthalt setzt zunächst einen regelmäßigen, auf Dauer angelegten Aufenthalt voraus.149 Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ist grundsätzlich ohne Bedeutung, sofern nicht eine sofortige Rückführung droht.150 Ein vorübergehender Aufenthalt in einem anderen Staat führt noch nicht zu einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts, „sofern die Absicht besteht, an den früheren Aufenthaltsort zurückzukehren“.151 Darüber hinaus muss sich der Schwerpunkt der familiären, beruflichen und sonstigen Beziehungen an diesem Ort befinden, sodass von einem Daseinsmittelpunkt ausgegangen werden 144 Vgl. Heiderhoff, IPRax 2019, 506, 508; Weller, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-VO?, 293, 296. Dutta, IPRax 2017, 139, 145 ist der Auffassung, dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts einer Definition nur schwer zugänglich sei, und verweist darauf, dass es sich, wie auch der EuGH stets betont, jeweils um eine Frage des Einzelfalls handle. 145 BGH (05.02.1975), FamRZ 1975, 272, 273; jüngst BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 893. 146 Vgl. EuGH (02.04.2009), Rs. C-523/07, A, Rn. 44 = FamRZ 2009, 843, 845; EuGH (22.12.2010), Rs. C-497/10, Mercredi, Rn. 47 = FamRZ 2011, 617, 619; EuGH (09.10.2014), Rs. C-376/14 PPU, C/M, Rn. 51 = FamRZ 2015, 107; EuGH (28.06.2018), Rs. C-512/17, HR/ KO, Rn. 41 und 42 = IPRax 2019, 248. Siehe auch JurisPK/Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 18; Antomo, IPRax 2019, 405, 408; Gruber, IPRax 2019, 217; Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 9. 147 Selbst innerhalb des europäischen Kollisionsrechts ist offen, ob der Begriff einheitlich auszulegen ist oder sich vielmehr von Verordnung zu Verordnung unterscheidet. Heiderhoff, IPRax 2019, 506, 510; Antomo, IPRax 2019, 405, 408; Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 10 ff.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. VI-50. 148 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 893 f. So auch v. Bary, FamRZ 2019, 895, 896. 149 BGH (05.02.1975), FamRZ 1975, 272, 273; BeckOK/Lorenz, Art. 5 EGBGB Rn. 16 f.; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 277; EuGH (02.04.2009), Rs. C-523/07, A, Rn. 38 f. = FamRZ 2009, 843; EuGH (22.12.2010), Rs. C-497/10, Mercredi, Rn. 51 = FamRZ 2011, 617. 150 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 276; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 169; BeckOK/Lorenz, Art. 5 EGBGB Rn. 17; JurisPK/Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 24; Baetge, in: FS Kropholler, 77, 83. 151 BGH (05.02.1975), FamRZ 1975, 272, 273; BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 893; BeckOK/Lorenz, Art. 5 EGBGB Rn. 16 f.; JurisPK/Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 22.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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kann.152 Der gewöhnliche Aufenthalt ist dabei nach objektiven Umständen zu beurteilen.153 Ein zusätzlicher Wille, den Aufenthaltsort zum Lebensmittelpunkt zu machen, ist, anders als für die Begründung des Wohnsitzes, nicht erforderlich.154 Gänzlich unbeachtlich ist der Wille dennoch nicht: Sofern die Absicht besteht, sich dauerhaft an einem neuen Ort niederzulassen, kann bereits unmittelbar nach dem Umzug in diesen Staat ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden, ohne dass erst eine Mindestdauer des Aufenthalts erforderlich wäre.155 In der Regel wird der gewöhnliche Aufenthalt einfach zu bestimmen sein; er ist dort wo sich die Person überwiegend aufhält.156 Nur wenn sich eine Person in mehreren Länder regelmäßig aufhält oder gerade umgezogen ist, bedarf es einer genauen Prüfung, wo sich der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person befindet.157 Diese allgemeinen Grundsätze gelten ebenso für Kinder.158 Teils sind jedoch Besonderheiten zu beachten, die sich auch je nach Alter unterscheiden können.159 Im Rahmen des Abstammungsstatuts kann sich die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts für Kinder jedes Alters stellen, da es für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt wie 152 BGH
(05.02.1975), FamRZ 1975, 272, 273; OLG Frankfurt (15.02.2006), FamRZ 2006, 883, 885; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 11; EuGH (02.04.2009), Rs. C-523/07, A, Rn. 38 f. = FamRZ 2009, 843; EuGH (28.06.2018), Rs. C-512/17, HR/KO, Rn. 41 = IPRax 2019, 248, 250 f. 153 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 893; BGH (29.10.1980), NJW 1981, 520, 522; BeckOK/Lorenz, Art. 5 EGBGB Rn. 16 f.; Baetge, in: FS Kropholler, 77, 80 ff.; JurisPK/Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 26; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 163; Grüneberg/Thorn, Art. 5 EGBGB Rn. 10; Erman/Stürner, Art. 5 EGBGB Rn. 48, 52. 154 BGH (05.02.1975), FamRZ 1975, 272, 273; BGH (29.10.1980), NJW 1981, 520; BGH (18.06.1997), NJW 1997, 3024; Erman/Stürner, Art. 5 EGBGB Rn. 52; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 277; JurisPK/Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 26; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 163. Für eine stärkere Beachtung des Willens hingegen Weller, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-VO?, 293 ff.; Rauscher, in: FS Coester-Waltjen, 637, 648 f. Weller, IPRax 2014, 225, 227 geht davon aus, dass im europäischen Kollisionsrecht primär der subjektive Wille entscheidend ist. Dies ist im Hinblick auf die Entscheidung EuGH (17.10.2018), Rs. C-393/18 PPU, UD/XB, Rn. 51 = FamRZ 2019, 132 jedoch zweifelhaft. Vgl. zu diesem Streit auch Heiderhoff, IPRax 2019, 506, 508. 155 BGH (29.10.1980), NJW 1981, 520; Erman/Stürner, Art. 5 EGBGB Rn. 52; JurisPK/ Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 27; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 11; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 155, 163; BeckOK/Lorenz, Art. 5 EGBGB Rn. 17; Heiderhoff, IPRax 2019, 506, 509; Antomo, IPRax 2019, 405, 408; EuGH (22.12.2010), Rs. C-497/10, Mercredi, Rn. 50 f. = FamRZ 2011, 617. 156 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 8; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. VI-50. 157 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 8. 158 MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 177; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 18. 159 EuGH (22.12.2010), Rs. C-497/10, Mercredi, Rn. 53 = FamRZ 2011, 617; Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 11.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
etwa der Geburt ankommt, sondern der jeweilige Zeitpunkt der Bestimmung der Abstammung entscheidend ist.160 Die Abstammungsfrage stellt sich das erste Mal bei Säuglingen bei der Eintragung der Geburt in das Geburtenregister durch das Standesamt. Bei einer Anerkennung oder bei einer gerichtlichen Feststellung der Abstammung kann das Kind hingegen bereits älter sein. Im Folgenden werden daher die Besonderheiten je nach Alter betrachtet.
a) Ältere Kinder Der gewöhnliche Aufenthalt von Kindern ist grundsätzlich selbstständig zu bestimmen.161 Er leitet sich anders als der Wohnsitz (§ 11 S. 1 BGB) nicht vom gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern ab.162 Es ist somit zu prüfen, an welchen Ort ein Minderjähriger seinen Lebensmittelpunkt hat. Für die neben der körperlichen Anwesenheit erforderlichen sozialen Eingliederung spielen insbesondere bei Kindern die familiären Beziehungen eine wichtige Rolle.163 Daneben sind bei älteren Kindern auch weitere Kriterien zu berücksichtigen wie freundschaftliche Bindungen, der Ort des Schulbesuches, der Antritt einer Lehrstelle, die Sprachkenntnisse sowie auch der eigene Wille.164 Ein wichtiges Indiz für die soziale Integration an einem Ort ist schließlich – wie bei Erwachsenen – die Dauer des Aufenthalts, da eine Integration umso wahrscheinlich wird, desto länger man an einem Ort verweilt.165 160 BGH (05.07.2017), FamRZ 2017, 1682, 1683; BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 893; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 31; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 14; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 35; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 400; BT-Drucks. 13/4899, S. 137; a. A. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 914. Siehe ausführlich zur Wandelbarkeit des Abstammungsstatuts unten S. 99 ff. 161 BGH (29.10.1980), NJW 1981, 520; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 14; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 8; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 11; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 177; Erman/Stürner, Art. 5 EGBGB Rn. 54.; JurisPK/ Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 28; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-93; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 289; Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 11; Weller/Schulz, IPRax 2015, 176, 178. 162 BGH (29.10.1980), NJW 1981, 520; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 14; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 8; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 177; JurisPK/Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 28; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-93; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 289; Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 9; Weller/Schulz, IPRax 2015, 176, 178. 163 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 9; OLG Frankfurt (15.02.2006), FamRZ 2006, 883, 885; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 159; EuGH (02.04.2009), Rs. C-523/07, A, Rn. 38 = FamRZ 2009, 843; EuGH (22.12.2010), Rs. C-497/10 PPU, Mercredi, Rn. 47 = FamRZ 2011, 617; EuGH (09.10.2014), Rs. C-376/14 PPU, C/M, Rn. 51 = FamRZ 2015, 107; EuGH (28.06.2018), Rs. C-512/17, HR/KO, Rn. 43 = IPRax 2019, 248. 164 OLG Frankfurt (15.02.2006), FamRZ 2006, 883, 884 f.; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 9; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 159, 179; EuGH (02.04.2009), Rs. C-523/07, A, Rn. 39, 44 = FamRZ 2009, 843. 165 OLG Frankfurt (15.02.2006), FamRZ 2006, 883, 884; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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b) Kleinkinder Bei Kleinkindern und insbesondere bei Säuglingen besteht die Besonderheit, dass diese in besonderem Maße von ihren Betreuungspersonen abhängig sind.166 Andere soziale Kontakte als zu den Betreuungspersonen spielen bei kleinen Kindern nur eine geringe Rolle.167 Sie teilen insofern das soziale und familiäre Umfeld der Personen, die sie tatsächlich betreuen und für sie sorgen.168 Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes folgt somit zwar nicht rechtlich, aber in der Regel faktisch dem gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter beziehungsweise dem der Eltern.169 Bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ist somit die soziale Integration der Mutter (oder einer anderen Bezugsperson) mit zu berücksichtigen.170 Bei einer Verlegung des Aufenthalts ist ebenfalls auf die Absicht der Mutter und nicht des Kindes, sich an einem Ort nur vorübergehend oder aber dauerhaft niederzulassen, abzustellen, da ein Kleinkind einen solchen gerade noch nicht haben kann und vom Willen der Betreuungsperson abhängig ist.171 Gleichwohl ist auch bei einem Kleinkind der Wille der Betreuungsperson alleine nicht ausreichend, um einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen.172 Die körperliche Anwesenheit bildet auch bei Kleinkindern die Grundvoraussetzung für die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts.173
Rn. 159; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 35; JurisPK/ Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 21; EuGH (02.04.2009), Rs. C-523/07, A, Rn. 39 = FamRZ 2009, 843; EuGH (28.06.2018), Rs. C-512/17, HR/KO, Rn. 43 = IPRax 2019, 248. 166 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 8 f. 167 BGH (29.10.1980), NJW 1981, 520, 521; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 9; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 179. 168 OLG Köln (15.03.2012), FamRZ 2012, 1406, 1407; EuGH (22.12.2010), Rs. C-497/10 PPU, Mercredi, Rn. 54 f. = FamRZ 2011, 617; EuGH (08.06.2017), Rs. C-111/17 PPU, OL/PQ, Rn. 45 = FamRZ 2017, 1506; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 8 f. 169 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 894; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 14; JurisPK/ Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 28; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 35; Erman/Stürner, Art. 5 EGBGB Rn. 54; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 11; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 8 f.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-93; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 215; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 400. 170 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 893 f.; EuGH (22.12.2010), Rs. C-497/10 PPU, Mercredi, Rn. 54 f. = FamRZ 2011, 617; EuGH (28.06.2018), Rs. C-512/17, HR/KO, Rn. 43 = IPRax 2019, 248; OLG Köln (15.03.2012), FamRZ 2012, 1406, 1407; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 8 f.; JurisPK/ Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 28. 171 EuGH (02.04.2009), Rs. C-523/07, A, Rn. 40 = FamRZ 2009, 843; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. VI-52; Weller, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-VO?, 293, 321. 172 EuGH (28.06.2018), Rs. C-512/17, HR/KO, Rn. 64 ff. = IPRax 2019, 248; JurisPK/ Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 30. 173 MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 178; EuGH (02.04.2009), Rs. C-523/07, A, Rn. 38 = FamRZ 2009, 843; EuGH (17.10.2018), Rs. C-393/18 PPU, UD/XB, Rn. 53, 70 = FamRZ 2019, 132.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
c) Der (erste) gewöhnliche Aufenthalt eines Neugeborenen Bei der Anwendung der soeben dargelegten Kriterien können sich Probleme bei der Bestimmung der Abstammung eines Kindes unmittelbar nach der Geburt, das heißt bei einem Neugeborenen, ergeben.174 Keine Schwierigkeiten bereitet der Regelfall, wenn das Kind in dem Land geboren wird, in dem es nach dem Willen seiner Bezugsperson auch nach der Geburt verbleiben soll. In diesem Fall hat das Kind dort ab Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt.175 Wird das Kind hingegen im Ausland geboren, soll aber unmittelbar nach der Geburt mit seinen Eltern nach Deutschland zurückkehren, stellt sich die Frage, ob das Kind bereits ab Geburt, noch vor einer tatsächlichen körperlichen Anwesenheit im Inland, einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, oder, ob es diesen (frühestens) zum Zeitpunkt der Einreise begründet. Ein gewöhnlicher Aufenthalt am Geburtsort besteht jedenfalls nicht, da der Aufenthalt dort nur vorübergehend und gerade nicht auf Dauer angelegt ist.176 Gründe für eine Auslandsgeburt können sein, dass die Mutter ihr Kind ungeplant auf einer Reise bekommt,177 aber auch, dass das Land gezielt wegen der medizinisches Versorgung gewählt wurde oder weil sich die Familie der Mutter dort befindet. Schließlich müssen sich auch deutsche Wunscheltern für eine Leihmutterschaft wegen des inländischen Verbots ins Ausland begeben, um dort „ihr“ Kind von einer Leihmutter zur Welt bringen zu lassen.178
aa) Relevanz der Frage Die Frage, ob das Kind in diesen Fällen bereits ab Geburt einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, stellt sich, wenn die Abstammung zu prüfen ist, bevor sich das Kind bereits im Zielland befindet. Dies ist etwa der Fall, wenn eine deutsche Auslandsvertretung über die Ausstellung eines Reisepasses für das Kind zu entscheiden hat, den das Kind braucht, um überhaupt ins Inland einrei174 Ausführlich zu der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts bei einem Neugeborenen, Coester-Waltjen, in: FS Kronke, 39 ff. 175 So auch Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 13. A. A. hingegen CoesterWaltjen, in: FS Kronke, 39, 47 f., die nicht darauf abstellen möchte, wo das Kind zukünftig leben soll, sondern darauf, wo „das werdende Kind vor der Geburt seinen Daseinsmittelpunkt hatte.“ Sie sieht den gewöhnlichen Aufenthalt eines Neugeborenen daher an dem Ort, „an dem es sich ‚in utero‘ während der Schwangerschaft befunden hat.“ 176 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 894; OLG Celle (10.03.2011), FamRZ 2011, 1518, 1519; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 11; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 9; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 13; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 99; Henrich, IPRax 2015, 229, 232; Dethloff, JZ 2014, 922, 929; Benicke, StAZ 2013, 101, 107. A. A. Siehr, StAZ 2015, 258, 266. 177 Vgl. die Konstellation bei Kropholler, in: FS Jayme, 471, 473; MüKo/v. Hein, 7. Aufl., Art. 5 EGBGB Rn. 168; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 13; Gruber, IPRax 2019, 217, 220 Fn. 29; Fiorini, 61 International and Comparative Law Quarterly 2012, 530. 178 Vgl. die Konstellation bei Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 97 ff.; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 14.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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sen zu können.179 Die Ausstellung des Reisepasses hängt von der Staatsangehörigkeit des Kindes ab, welche wiederum durch die rechtlichen Eltern vermittelt wird,180 sodass zunächst die Abstammung geprüft werden muss. Ebenso kann ein deutsches Standesamt bei der Eintragung ins Geburtenregister mit der Frage konfrontiert sein, wenn eine Frau, welche im Ausland ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, in Deutschland ihr Kind gebärt.181 In diesen Fällen werden jedoch meist die anderen beiden Anknüpfungskriterien weiterhelfen, sodass der Streit hier nur eine untergeordnete Rolle spielt. Relevant wird der Streit hingegen, wenn das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts und das Heimatrecht zu unterschiedlichen Ergebnissen, sprich zu unterschiedlichen Vätern (oder Müttern), führt. Folgt man hier der Ansicht, die eine zuerst entstandene Vaterschaft einer später entstandenen Vaterschaft vorzieht (Prioritätsprinzip),182 ist es entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der gewöhnliche Aufenthalt begründet wurde. Auch in Leihmutterschaften gehen die beiden anderen Alternativen teilweise ins Leere und es kommt insofern entscheidend auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes an.183 Darüber hinaus ist die damit einhergehende Frage, ob ein Kind stets einen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Geburt hat, relevant für die spätere Untersuchung, da möglicherweise de lege ferenda eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Geburt in Betracht kommt. Diese wäre jedoch nur sinnvoll, wenn ein solcher überhaupt immer bereits im Zeitpunkt der Geburt besteht.
bb) Meinungsstreit Nach einer Ansicht kann ausnahmsweise bei Neugeborenen auf das Erfordernis der körperlichen Anwesenheit verzichtet werden.184 Ein Neugeborenes hat nach dieser Meinung seinen gewöhnlichen Aufenthalt ab Geburt in dem Land, in dem es zukünftig leben soll, auch wenn es sich dort noch nie aufgehalten hat. Die Vertreter dieser Ansicht halten diese Auslegung für geboten, um Zu179 Vgl. die Konstellation bei Henrich, IPRax 2015, 229, 232; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 216. 180 § 4 Abs. 1 StAG. 181 Vgl. die Fallkonstellation bei Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 13. 182 Siehe hierzu unten S. 125 f. 183 Siehe hierzu unten S. 144 ff. 184 Mayer, IPRax 2023, 264, 265 f.; MüKo/v. Hein, 7. Aufl., Art. 5 EGBGB Rn. 168 (jedoch in der 8. Auflage zurückhaltender, MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 178); Kropholler, in: FS Jayme, 471, 473; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 281; im Ergebnis auch Witzleb, in: FS Martiny, 203, 215, 216; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, Rn. G-44; v. Bary, FamRZ 2019, 895, 896. So auch die französische Rechtsprechung in einem HKÜ-Fall, siehe Fiorini, 61 International and Comparative Law Quarterly 2012, 530 ff.; ebenso Lurger, IPRax 2013, 282, 284 zur österreichischen Auslegung. Auch nach CoesterWaltjen, in: FS Kronke, 39, 48 ist die körperliche Anwesenheit nicht zwingend erforderlich, da sie den gewöhnlichen Aufenthalt eines Neugeborenen an dem Ort sieht, „an dem es sich ‚in utero‘ während der Schwangerschaft befunden hat.“
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
fallsergebnisse auszuschließen.185 Schließlich wird argumentiert, dass die körperliche Anwesenheit auch deshalb zu vernachlässigen sei, da die Zeit, die ein Neugeborenes bereits an einem Ort verbracht hat, naturgemäß nur sehr kurz ist und insofern keine entscheidende Bedeutung zukommt und zudem ein Neugeborenes noch gar nicht wahrnimmt, an welchem Ort es sich befindet.186 Nach dieser Ansicht kommt es somit für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts eines Neugeborene nur auf den Willen der Eltern und damit auf den voraussichtlichen zukünftigen Daseinsmittelpunkt des Kindes an.187 Diese Sichtweise ist jedoch abzulehnen.188 Auch für Neugeborene ist an den allgemeinen Grundsätzen festzuhalten, nach denen sich der gewöhnliche Aufenthalt nach objektiven Tatsachen beurteilt und für jede Person – auch für Kinder – eigenständig zu bestimmen ist. Knüpft man lediglich an den voraussichtlichen zukünftigen Daseinsmittelpunkt an, erhält der gewöhnliche Aufenthalt einen fiktiven Charakter.189 Dies ist jedoch gerade mit dem Konzept eines faktischen Wohnsitzes190 nicht zu vereinbaren. Der gewöhnliche Aufenthalt stellt eine Verfestigung des schlichten Aufenthalts dar191 und setzt somit die körperliche Anwesenheit als Mindestvoraussetzung voraus. Bei der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts eines Säuglings – das heißt bei einer Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts – ist es unstreitig, dass hierfür die körperliche Anwesenheit erforderlich und der Wille der Eltern allein nicht ausreichend ist.192 Wieso dieses Erfordernis bei der Begründung des ersten gewöhnlichen Aufenthalts anders sein soll, erschließt sich 185 MüKo/v. Hein,
7. Aufl., Art. 5 EGBGB Rn. 168. Vgl. auch MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 178. 186 Fiorini, 61 International and Comparative Law Quarterly 2012, 530, 538. 187 Vgl. Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 13. 188 Ebenso die physische Präsenz voraussetzend: MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 9; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 13; JurisPK/Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 31; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 100. Wohl auch Henrich, IPRax 2015, 229, 232. Auch Siehr, StAZ 2015, 258, 266 nimmt an, dass man „seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Staat haben [kann], in dem man sich nicht einmal schlicht aufhält.“ Er sieht jedoch den gewöhnlichen Aufenthalt eines von einer Leihmutter geborenen Kindes an dem Ort, „wo auch die Frau ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, die das Kind zur Welt gebracht hat“ und damit, anders als die hier vertretene Meinung, im Geburtsland. Offen gelassen von BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, der zwar einen gewöhnlichen Aufenthalt im Geburtsland ablehnte, jedoch nicht darüber entschied, ob das Kind bereits ab Geburt oder erst ab tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründete, vgl. hierzu auch Klinkhammer, in: Budzikiewicz/Heiderhoff/Klinkhammer/Niethammer-Jürgens, Standards und Abgrenzungen im internationalen Familienrecht, 161, 170 f. Nicht eindeutig: Benicke, StAZ 2013, 101, 107 f.; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 523; Dethloff, JZ 2014, 922, 929. 189 Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 13; JurisPK/Baetge, Art. 5 EGBGB Rn. 31. 190 Vgl. zum Begriff BeckOK/Lorenz, Art. 5 EGBGB Rn. 16; auch bereits BGH (05.02.1975), FamRZ 1975, 272, 273. 191 v. Bary, FamRZ 2019, 895, 896. 192 Siehe oben S. 83.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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nicht. Zudem kann sich der ursprüngliche Wille der Eltern nach der Geburt noch ändern, mit der Folge, dass das Kind nie an seinem ersten gewöhnlichen Aufenthalt seinen Daseinsmittelpunkt gehabt hätte. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen: Eine Frau begibt sich für die Geburt in ihr Heimatland, da sie dort familiäre Unterstützung erhält, und hat die Absicht, wenige Wochen nach der Geburt wieder an ihren ursprünglichen Aufenthaltsort zurückzukehren. Nach der Geburt, aber noch vor der geplanten Rückkehr entscheidet sie sich jedoch entgegen ihrer ursprünglichen Absicht für längere Zeit in ihrem Heimatland zu bleiben. In diesem Fall kann es nicht überzeugen, ab Geburt aufgrund des voraussichtlichen unmittelbaren Umzugs einen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes an dem gewöhnlichen Aufenthaltsort der Mutter anzunehmen, in welchem es sich – wie sich im Nachhinein rausstellt – nie aufgehalten hat und somit dort nie seinen Daseinsmittelpunkt hatte. Auch der EuGH fordert jedenfalls, wenn der Geburtsort bewusst ausgesucht wurde, zwingend die körperliche Anwesenheit für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts.193 Setzt man das Erfordernis der physischen Anwesenheit für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts voraus, bedeutet das, dass ein Kind nicht immer bereits ab Geburt einen gewöhnlichen Aufenthalt hat.194 Dies ist jedoch hinzunehmen. Auch das Gesetz selbst geht davon aus, dass eine Person nicht zwingend einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vgl. Art. 5 Abs. 2 Var. 2 EGBGB. Hat das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt, läuft die Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB somit ins Leere. In diesem Fall kann die Abstammung nur nach den anderen beiden Anknüpfungen bestimmt werden.195 193 In der Entscheidung EuGH (08.06.2017), Rs. C-111/17 PPU, OL/PQ, Rn. 70 = FamRZ 2017, 1506 hat der EuGH entschieden, dass „die ursprüngliche Intention der Eltern, dass die Mutter mit dem Kind in den früheren Aufenthaltsstaat der Eltern zurückkehren sollte, nicht den Schluss zulässt, dass das Kind dort seinen ‚gewöhnlichen Aufenthalt‘ […] hat.“ „Würde unter solchen Umständen als ausschlaggebende Erwägung auf die ursprünglich geäußerte Intention der Eltern abgestellt, wonach die Mutter mit dem Kind in einen zweiten Mitgliedstaat, und zwar den des gewöhnlichen Aufenthalts der Eltern vor der Geburt des Kindes, zurückkehren sollte, und damit de facto eine allgemeine und abstrakte Regel des Inhalts aufgestellt, dass der gewöhnliche Aufenthalt eines Säuglings zwangsläufig der seiner Eltern ist, ginge dies über die Grenzen des Begriffs ‚gewöhnlicher Aufenthalt‘ […] hinaus […].“ (Rn. 50). So auch die Interpretation bei Rentsch, FamRZ 2017, 1510, 1511. Vgl. auch Kohler/Pintens, FamRZ 2017, 1441, 1444. Gruber, IPRax 2019, 217, 220 Fn. 29 sieht im Lichte der bisherigen Rechtsprechung „durchgreifende Zweifel“ daran, dass der EuGH den gewöhnlichen Aufenthalt eines Neugeborenen, der zufällig im Ausland geboren ist, in dem Land lokalisieren würde, in dem sich der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter befindet. 194 Auch nach Ansicht des BGH (12.01.2022), FamRZ 2022, 624, 626 Rn. 33 f. hat ein Kind nicht zwingend bereits im Zeitpunkt der Geburt einen gewöhnlichen Aufenthalt. Offen blieb jedoch, ob in Ausnahmekonstellationen wie einer Geburt auf einer Urlaubsreise ausnahmsweise auf die Voraussetzung der physischen Anwesenheit verzichtet werden kann. 195 Vgl. hierzu Klinkhammer, in: Budzikiewicz/Heiderhoff/Klinkhammer/NiethammerJürgens, Standards und Abgrenzungen im internationalen Familienrecht, 161, 170 f., der zutreffend feststellt, dass es zwar erforderlich sei, dass das IPR bereits im Zeitpunkt der Geburt ein Abstammungsstatut beruft. Aufgrund der Mehrfachanknüpfung in Art. 19 EGBGB sei dies
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
2. Heimatrecht der Eltern Neben dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts kann die Abstammung im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört, Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Die Abstammung vom (potentiellen) Vater bestimmt sich daher nach seinem Heimatrecht und die Abstammung von der (potentiellen) Mutter nach ihrem Heimatrecht.
a) Mehrere potentielle Väter und Mütter Sofern zwei Männer als Väter im Raum stehen, kann die Abstammung für jeden nur nach dem jeweiligen eigenen Heimatrecht festgestellt werden.196 Ist beispielsweise nach dem Heimatrecht des Anerkennenden nicht er selbst, sondern der Ex-Ehemann der Mutter der rechtliche Vater des Kindes, wird eine Abstammung nach dieser Anknüpfung nicht begründet. Die Vaterschaft des Ex-Ehemanns kann nur festgestellt werden, wenn sie auch nach seinem Heimatrecht besteht. Dies führt zu folgender Situation: Sofern die beiden Rechtsordnungen inhaltlich voneinander abweichen, kann es zum einen dazu kommen, dass beide Männer jeweils nach ihrem jeweiligen Heimatrecht als rechtliche Väter angesehen werden. Die Anknüpfung führt in diesem Fall zu einer konkurrierenden Vaterschaft.197 Zum anderen kann die Anknüpfung auch ins Leere gehen und somit zu keiner Abstammung führen: Sehen die Heimatrechte der beiden Männer jeweils den anderen als Vater an, kann keiner der beiden als rechtlicher Vater festgestellt werden. Das gleiche Szenario kann sich auch bei der Feststellung der Mutterschaft im Falle einer Leihmutterschaft ergeben.198 Auch hier kommen zwei Frauen als Mütter in Betracht – die gebärende Frau und die (meist genetisch mit dem Kind verwandte) Wunschmutter. Wie zu verfahren ist, wenn die Anknüpfung zwei Männer als Väter bzw. zwei Frauen als Mütter beruft, wird weiter unten zusammen mit der Frage erörtert, wie der Konflikt zu lösen ist, wenn die drei Anknüpfungskriterium zu verschiedenen Ergebnissen, also zu unterschiedlichen Vätern oder Müttern, führen.199 Es gelten hierbei die gleichen Erwägungen. Festzuhalten ist an dieser Stelle jedenfalls, dass die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des hypoaber auch dann gewährleistet, wenn kein gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Geburt besteht. 196 Helms, StAZ 2013, 261; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, Rn. G-49; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 10; Waldburg, Anpassungsprobleme im internationalen Abstammungsrecht, S. 123 ff. 197 Waldburg, Anpassungsprobleme im internationalen Abstammungsrecht, S. 110 ff. 198 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1147 f.; Benicke, StAZ 2013, 101, 106 f.; MüKo/ Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 10; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, Rn. G-48. 199 Siehe unten S. 117 ff. (Konkurrierende Vaterschaften).
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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thetischen Elternteils bei mehreren in Betracht kommenden Elternteilen nicht immer zu einem eindeutigen Ergebnis führt.
b) Mehrstaater, Staatenlose und Flüchtlinge Besitzt ein (potentieller) Elternteil mehrere Staatsangehörigkeiten, ein sogenannter Mehrstaater, ist Art. 5 Abs. 1 EGBGB zu beachten.200 Es wird danach auf das Recht der effektiven Staatsangehörigkeit abgestellt, also das Recht mit dem die Person am engsten verbunden ist.201 Sofern jedoch eine der Staatsangehörigkeiten die deutsche ist, ist diese entscheidend, Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Teils wird in der Literatur im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, mehrere Rechtsordnungen zur Anwendung zu berufen, um die Feststellung der Vaterschaft (und Mutterschaft) zu erleichtern, dafür plädiert, Art. 5 Abs. 1 EGBGB teleologisch zu reduzieren und beide Heimatrechte hinsichtlich der Abstammung zu befragen.202 Kann nach einem dieser Rechte, die Elternschaft festgestellt werden, sei dieses Heimatrecht anzuwenden. Zwar ist nicht zu leugnen, dass diese Auslegung dem Zweck der alternativen Anknüpfung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB entspricht, dennoch ist eine solche Auslegung aufgrund des klaren Wortlauts von Art. 5 Abs. 1 EGBGB und mangels einer entsprechenden Ausnahmeregelung abzulehnen.203 Der Gesetzgeber hat an anderer Stelle, wie etwa in Art. 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 sowie Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB ausdrücklich die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 1 EGBGB ausgeschlossen.204 Mangels einer solchen gesetzlichen Anordnung für Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber von der Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 EGBGB ausging. Bei Staatenlosen sowie Flüchtlingen und Asylberechtigten wird nach den allgemeinen Regeln anstelle der Staatsangehörigkeit auf den gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt,205 sodass in diesen Fällen die Anknüpfung nach S. 2 mit der Anknüpfung nach S. 1 zusammenfällt. 200 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 16; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 11; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 10; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 17; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 126; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 16. 201 Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 265; Staudinger/ Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 16; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 11. 202 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 70 f. MüKo/Sonnenberger, 5. Aufl., Art. 5 EGBGB Rn. 14 befürwortet lediglich eine teleologische Reduktion des S. 2; BeckOK/ Lorenz, Art. 5 EGBGB Rn. 11 hält eine teleologische Reduktion des S. 2 jedenfalls für „denkbar“. 203 So im Ergebnis auch MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 74 m. w. N.; siehe auch die Nachweise in S. 89 Fn. 200. 204 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 266 f. 205 Für Staatenlose ergibt sich dies aus Art. 12 des New Yorker Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.09.1954, welcher gem. Art. 3 Nr. 2 EGBGB vorrangig gegenüber Art. 5 Abs. 2 EGBGB ist; für Flüchtlinge aus Art. 12 des Genfer Abkommens über
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
3. Ehewirkungsstatut der Mutter Wenn die Mutter verheiratet ist, kann die Abstammung zusätzlich nach dem objektiven Ehewirkungsstatut nach Art. 14 Abs. 2 EGBGB bestimmt werden, Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB. Die Bezugnahme auf die Person der Mutter stellt freilich einen Zirkelschluss dar, da ihre rechtliche Elternschaft gerade erst durch das berufene Recht festgestellt werden kann. Der Begriff „Mutter“ sollte so verstanden werden, dass damit die potentielle Mutter gemeint ist, deren rechtliche Elternschaft sich erst aus dem verwiesenen Recht ergibt.206 Diese Auslegung, die, im Gegensatz zu der im alten Recht vertretenen Ansicht,207 nicht mehr ausschließlich auf die gebärende Frau abstellt, rechtfertigt sich damit, dass im internationalen Vergleich immer mehr Staaten im Falle einer Leihmutterschaft die Wunschmutter als rechtliche Mutter anerkennen. Dies sollte auch im deutschen Kollisionsrecht berücksichtigt werden. Im Falle der Leihmutterschaft kann dies daher zu zwei anwendbaren Ehewirkungsstatuten führen – das der Leihmutter und das der Wunschmutter – mit der Folge, dass, ähnlich wie bei der Staatsangehörigkeit,208 theoretisch zwei Frauen sowie deren Ehemännern als rechtliche Eltern berufen werden können oder auch keiner.209 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Ehewirkungsstatuts ist der Zeitpunkt der Geburt beziehungsweise, wenn die Ehe durch Tod aufgelöst wurde, der Zeitpunkt der Auflösung (Hs. 2). Die Anknüpfung ist aufgrund dieser zeitlichen Fixierung, anders als die Anknüpfungen an den gewöhnlichen Aufenthalt und an die Staatsangehörigkeit, unwandelbar.210
a) Anwendbarkeit: Vorliegen einer Ehe Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Ehewirkungsstatuts ist, dass die Mutter im Zeitpunkt der Geburt rechtsgültig verheiratet ist. Die Frage nach dem Bestehen einer wirksamen Ehe ist eine kollisionsrechtliche Vorfrage, auch Erstdie Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951. Der von beiden Abkommen verwendete Wohnsitzbegriff entspricht jeweils dem gewöhnlichen Aufenthalt, Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 269. Für Asylberechtigte ist § 2 AsylG einschlägig. Hierzu Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 52 f.; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 18; Hepting/ Dutta, Familie und Personenstand, Rn. VI-39 ff. 206 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1147 f.; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 90 m. w. N.; Wagner, StAZ 2012, 294, 197 Fn. 28; a. A. Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 580, die auf die lex fori abstellt und daher nur die Leihmutter als die gebärende Frau als Mutter i. S. v. S. 3 ansieht. 207 Siehe oben S. 65 f. 208 Siehe oben S. 88 f. 209 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 90. 210 BT-Drucks. 10/504, S. 65; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 21; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 32; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 12; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 19; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 130; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, G-50.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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frage genannt, welche selbstständig211 nach Art. 13 und 11 Abs. 1 EGBGB anzuknüpfen ist. Liegt danach keine gültige212 Ehe im Zeitpunkt der Geburt vor, so scheidet die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut aus. Ebenso ist das Ehewirkungsstatut unanwendbar, wenn die Ehe bereits vor der Geburt durch ein inländisches Scheidungs- oder Aufhebungsurteil aufgelöst wurde.213 Wurde die Ehe im Ausland geschieden, aufgehoben oder als nichtig erklärt, kommt es darauf an, ob das Urteil im Inland anerkannt wurde.214 Das Ehewirkungsstatut ist aber aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift (S. 3 Hs. 1) dann heranzuziehen, wenn die Ehe durch Tod aufgelöst wurde. Wie lange der Tod des Ehemanns bereits zurückliegt, ist für die Anwendung des Ehewirkungsstatuts unerheblich.215 Es obliegt allein dem Sachrecht zu bestimmen, ob es den verstorbenen Ehemann als Vater bestimmt.216 Daher kann das Ehewirkungsstatut auch noch bei einer postmortalen Insemination relevant werden, bei der sich die Frau erst – teils auch erhebliche Zeit – nach dem Tod ihres Mannes einer künstlichen Befruchtung mit dessen Samen unterzieht.217
b) Objektives Ehewirkungsstatut Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB verweist ausdrücklich nur auf das objektive Ehewirkungsstatut nach Art. 14 Abs. 2 EGBGB. Ein von den Ehegatten nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB gewähltes Recht bleibt mithin für die Abstammung unberücksichtigt.218 Zu beachten ist, dass für Kinder die vor dem 29.01.2019 geboren 211 So die h. M. Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 408; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 78 m. w. N.; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 24; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-111; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 19; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 19; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 12; MüKo/ Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 48; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 130. A. A. MüKo/Klinkhardt, 5. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 35, der unter Berufung auf das Günstigkeitsprinzip eine alternative (selbstständige und unselbstständige) Anknüpfung befürwortet; ausführlich zum Streit Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 59 ff.; Waldburg, Anpassungsprobleme im internationalen Abstammungsrecht, S. 66 f. 212 Die Rechtsfolge einer fehlerhaften Ehe ergibt sich aus dem verletzten Recht, vgl. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-112 ff. 213 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB, Rn. 21; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 19; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 24; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 13; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-116. 214 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB, Rn. 21; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 24; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-112; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 13. 215 Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 16; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-108; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 17. 216 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-108; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 16. 217 Henrich, in: FS Frank, 249, 258; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 54; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 99 f. 218 BT-Drucks. 10/504, S. 65; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 130; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 21; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 24;
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
wurden, noch die Vorgängernorm, Art. 14 Abs. 1 EGBGB i. d. F. 1986, maßgebend ist.219 Art. 14 As. 2 EGBGB enthält eine Anknüpfungsleiter.220 Das bedeutet, die nachfolgenden Anknüpfungspunkte stehen nur hilfsweise für den Fall zur Verfügung, dass die vorausfolgende Anknüpfung versagt.221 Maßgeblich ist danach in erster Linie das Recht des gemeinsamen222 gewöhnlichen Aufenthalts (Nr. 1). Leben die Eltern nicht im selben Land, ist der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt während der Ehe maßgebend, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Nr. 2). Fehlt es auch daran, ist subsidiär das gemeinsame Heimatrecht heranzuziehen (Nr. 3) und auf letzter Stufe das Recht des Staates, mit dem die Ehegatten auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind (Nr. 4). In den meisten Fällen wird die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut nicht zu einer zusätzlichen Rechtsordnung als bereits S. 1 und S. 2 führen.223 Da der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes mit dem der Eltern übereinstimmen wird, entspricht die Verweisung des Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB im Ergebnis der Anknüpfung nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB (gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes). Sofern als Ehewirkungsstatut das Heimatrecht der Ehegatten maßgebend ist (Art. 14 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB), stimmt dieses mit der Verweisung nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB (Staatsangehörigkeit des jeweiligen Elternteils) überein. Nur in den Fällen des Art. 14 Abs. 2 Nr. 2 (letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt) und Nr. 4 (sonstige engste Verbindung) wird theoretisch ein weiteres Recht berufen. In einer intakten Ehe werden die Ehepartner jedoch meist zusammenleben und einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, sodass die zusätzlichen Anknüpfungen nicht zum Zuge kommen. Die Bedeutung des Ehewirkungsstatuts für die Abstammung ist damit grundsätzlich gering.224 Relevant wird es dann, wenn die Eltern sich getrennt haben und die Mutter noch vor der Geburt entweder in ihr Heimatland zurückkehrt oder sich in einem anderen Land niederlässt. In diesem Fall ist das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Vaters als das Recht des letzten gemeinsamen Aufenthalts zusätzlich auf die Bestimmung der Abstammung anwendbar. Eine weitere Konstellation, in der es auf das Ehewirkungsstatut ankommen kann, ist schließlich die, in der Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 408; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 15; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 19; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 52. 219 Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 25. 220 Zum Begriff Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 143. 221 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 14. 222 Ausreichend ist, dass die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im gleichen Staat haben. Nicht erforderlich ist, dass der gewöhnliche Aufenthalt auch am gleichen Ort ist, siehe MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 15. 223 Dies war bereits unter Geltung des Art. 14 Abs. 1 EGBGB a. F. der Fall, vgl. Hepting/ Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-105 f.; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 90 f. 224 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-106.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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das Neugeborene noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und somit S. 1 ins Leere läuft.225
c) Beschränkung auf die Abstammung von den Eheleuten Das Ehewirkungsstatut ist auf die Bestimmung der Abstammung von der Mutter und ihres Ehemanns beschränkt.226 Die Vaterschaft eines außerhalb der Ehe stehenden Dritten kann demgegenüber nicht begründet werden.227 Für ihn fehlt es an einem kollisionsrechtlichen Bezug zum Ehewirkungsstatut.228 Das Ehewirkungsstatut dient als Familienstatut dazu, die wesentliche Rechtsbeziehung innerhalb einer Familie dem gleichen Recht zu unterstellen.229 Der Dritte ist aber gerade nicht Teil der Familie und hat daher auch keine hinreichende Verbindung zu diesem Statut. Teils wird die Beschränkung auf die Ehegatten mit der Begründung abgelehnt, dass dies auf den Status der Ehelichkeit hinauslaufen würde.230 Die Feststellung der Abstammung von den Ehegatten hat jedoch keinerlei Auswirkungen auf den Status des Kindes.231 Es handelt sich lediglich um eine zusätzliche Anknüpfung, um die Feststellung der Elternschaft zu erleichtern, die sich damit erklären lässt, dass die Ehe auch im Sachrecht für die Begründung der Vaterschaft entscheidend ist.232
d) Anwendbarkeit auf andere Lebensgemeinschaften Umstritten ist, ob Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB auch auf andere Lebensgemeinschaften als der verschiedengeschlechtlichen Ehe anwendbar ist. Aufgrund des Wortlauts („ist die Mutter verheiratet“) kommt jedenfalls nur eine Anwendbarkeit auf lesbische Paare in Betracht.233 Die Frage, ob Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB auf gleichgeschlechtliche Ehen anwendbar ist, wurde mittlerweile vom Gesetzgeber geklärt. Nach Art. 17 b Abs. 5 EGBGB234 gilt Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB entsprechend auch für gleich 225 Zu der Feststellung, dass ein Neugeborenes nicht zwingend einen gewöhnlichen Aufenthalt bei Geburt hat, oben S. 87. 226 Hepting, StAZ 2000, 33, 34; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 130; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 18; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-109; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 53. A. A. Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB, Rn. 19; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 7; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 23. 227 Siehe die Nachweise in der vorherigen Fußnote. 228 Hepting, StAZ 2000, 33, 34. 229 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 11. 230 Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 7. 231 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 53. 232 Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 57 f.; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 9; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 53. 233 Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 28. 234 Eingefügt durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Gesetzes zur Einfüh-
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geschlechtliche Ehen. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird jedoch nicht das Registerstatut berufen, welches nach Art. 17b Abs. 4 i. V. m. 1 die Ehewirkungen von gleichgeschlechtlichen Ehen beherrscht, sondern es wird auf das sich aus Art. 14 Abs. 2 EGBGB ergebende Recht verwiesen.235 Dies ist überzeugend, da das Registerstatut keinen hinreichenden kollisionsrechtlichen Bezug zu dem Kind ausweist und aus seiner Sicht vollkommen zufällig sein kann.236 Weiterhin umstritten bleibt jedoch, ob auch eingetragene Lebenspartnerschaften oder sogar faktische Lebensgemeinschaften von Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB erfasst sind. Aufgrund des Wortlauts „verheiratet“ kommt für beide Varianten nur eine analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht.237 Überwiegend wird in der Literatur eine solche analoge Anwendung abgelehnt.238 Für eine Ausdehnung der Vorschrift auf eingetragene Lebenspartnerschaft spricht jedoch insbesondere die Nähe zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Die beiden Institute unterscheiden sich nur marginal bis gar nicht voneinander und sollten daher grundsätzlich auch gleich behandelt werden.239 Die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut wird zudem damit gerechtfertigt, dass die Ehe im Sachrecht für die Abstammung eine entscheidende Rolle spielt.240 Dies trifft gerade nicht nur auf verschieden geschlechtliche, sondern auch auf gleich geschlechtliche Ehen zu, aber eben auch auf eingetragene Partnerschaften. So bestimmen einige Rechtsordnungen nicht nur den Ehemann als Vater, sondern ebenso die Ehefrau oder die eingetragene Partnerin als zweiten Elternteil.241 Die Interessenslage ist somit die gleiche wie bei verschieden- und gleich geschlechtlichen Ehen.242 Als Abstammungsstatut sollte, wie bei der gleich geschlechtlichen Ehe auch, das hypothetische Ehewirkungsstatut nach Art. 14 Abs. 2 EGBGB berufen werden. Die Anwendung des Registerrechts ist, wie bereits gesagt, für das Kind sachfremd und würde zudem indirekt auf ein Wahlrung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 18.12.2018, BGBl. 2018 I 2639, 2640. 235 BT-Drucks. 19/4670, S. 27. So bereits schon vor der Gesetzesklarstellung MüKo/ Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 12. 236 So auch MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 12; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 28; a. A. JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 55, der nicht davon ausgeht, dass das Registerstatut zufällig ist. 237 Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 69. 238 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 55; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 27; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 55; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 12; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 5; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 20; anders als noch in der Vorauflage nun auch ablehnend MüKo/Coester, Art. 17b EGBGB Rn. 64. Dafür hingegen BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 21 und Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 69 f. (für eingetragene Partnerschaften). 239 Vgl. Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 73. 240 Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 58. 241 Vgl. den rechtsvergleichenden Überblick auf S. 44 ff. 242 Vgl. hierzu auch die Argumentation bei Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 69 f.; Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132, 135.
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recht hinauslaufen,243 was vom Gesetzgeber offensichtlich nicht bezweckt war, wie der ausdrückliche Verweis auf das objektive Ehewirkungsstatut für die gleichgeschlechtliche Ehe zeigt. Neben der vergleichbaren Interessenslage ist auch von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen, da der Gesetzgeber von 1986 noch nicht davon ausgegangen ist, dass es auch gleichgeschlechtliche Elternschaften gibt und dass daher auch im Abstammungsrecht an eine eingetragene Partnerschaft angeknüpft wird.244 Ein anderer gesetzgeberischer Wille ergibt sich auch nicht aus dem Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber die Anwendbarkeit für gleich geschlechtliche Ehen ausdrücklich geregelt hat, für eingetragene Partnerschaften hingegen nicht.245 Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass es sich nur um eine Klarstellung handelt und außerdem zielte die Änderung des Gesetzes nur auf die Umsetzung der gleichgeschlechtlichen Ehe ab.246 Es kann daraus nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber wollte eine Anwendung auf eingetragene Partnerschaften nicht. Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist damit analog auch für die eingetragene Lebenspartnerschaft anwendbar. Eine analoge Anwendung auf faktische Lebensgemeinschaften ist demgegenüber abzulehnen, da es hier an einer mit der Ehe und eingetragenen Partnerschaft vergleichbaren Institutionalisierung fehlt.247
4. Auswahlentscheidung nach dem Günstigkeitsprinzip Die Anknüpfungen stehen nach überwiegender und überzeugenderer Ansicht in einem Alternativverhältnis zueinander und sind dementsprechend als gleichwertig anzusehen.248 Welche der Alternativen im konkreten Fall anzuwenden 243
Mankowski, IPRax 2017, 541, 545.
244 Mankowski, IPRax 2017, 541, 545. 245 BeckOK/Heiderhoff, Art. 17b EGBGB
Rn. 62. A. A. hingegen JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 55, der vor der Einführung des Art. 17 Abs. 5 EGBGB ebenfalls eine analoge Anwendung auf eingetragene Partnerschaften befürwortet hat, JurisPK/Duden, 8. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 55; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 55. 246 BT-Drucks. 19/4670, S. 27. Siehe auch BeckOK/Heiderhoff, Art. 17b EGBGB Rn. 62. 247 Im Ergebnis ebenso Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 5; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 55; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 12; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 20. Für eine analoge Anwendung hingegen BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 21, „wenn eine ausländische Rechtsordnung gerade für diese Form der Paarbeziehung eine besondere Abstammungsregelung vorsieht, die dem Kind zugutekommen kann.“ 248 Die Frage, ob Art. 19 Abs. 1 EGBGB eine subsidiäre oder alternative Anknüpfung darstellt, wird ausführlich im Zusammenhang mit konkurrierenden Vaterschaften erörtert, siehe unten S. 120 ff. Für eine alternative Anknüpfung BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 893; BGH (03.08.2016), FamRZ 2016, 1847 f.; BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1253; BGH (03.05.2006), FamRZ 2006, 1745; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 58 m. w. N. zur Rechtsprechung; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 22; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 6; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 22; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 16; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 17; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 23. Gaaz, StAZ 1998, 241, 250; Sturm, StAZ 2003, 353, 355; Dörner, in: FS Henrich, 119, 120; Loo-
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
ist, bestimmt sich nach dem Günstigkeitsprinzip: Die Alternativanknüpfung verfolgt im Interesse des Kindes das Ziel, die Feststellung der Abstammung zu ermöglichen und zu erleichtern.249 Die Mehrfachanknüpfung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest nach einer der berufenen Rechtsordnungen eine Feststellung der Elternschaft ermöglicht wird.250 Für das Kind ist es im Hinblick auf unterhalts- und erbrechtliche Ansprüche günstiger, zwei Elternteilen zu haben als nur einen.251 Kann daher nur nach einem der berufenen Rechte ein Abstammungsverhältnis begründet werden, ist diese Rechtsordnung für die Abstammung heranzuziehen.252 Besteht das Abstammungsverhältnis nach mehreren der alternativ anwendbaren Rechte, ist diejenige Rechtsordnung zu wählen, nach der sich das Abstammungsverhältnis möglichst schnell und unkompliziert feststellen lässt.253 Erlaubt etwa eines der von Art. 19 Abs. 1 berufenen Rechte die Widerlegung der Vaterschaftsvermutung des Ehemanns, ist das Recht günstiger, welches eine solche Widerlegung nicht kennt und insofern zur Vaterschaft führt. Die Vaterschaft eines in Italien lebenden Deutschen besteht daher aus deutscher Sicht auch dann, wenn er nicht in das Geburtenregister als Vater eingetragen ist und somit nach italienischem Recht254 nicht als Vater angesehen wird, da das deutsche Sachrecht als das Heimatrecht des Mannes eine Widerlegung der gesetzlichen Zuordnung nicht kennt. Im Falle eines Vaterschaftsanerkenntnisses setzt sich im Zweifel die Rechtsordnung durch, die die geringsten Anforderungen an die Anerkennung stellt.255 Erklärt ein Franzose die Anschelders, IPRax 1999, 420, 421; Hepting, StAZ 2002, 129, 131 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 409; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 997; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-145; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 496; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 81 ff. Dagegen und für eine subsidiäre Anknüpfung hingegen Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 909 f.; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 35 ff.; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 132; Dethloff, IPRax 2005, 326, 329; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 106. 249 Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; Henrich, StAZ 1998, 1, 2; Henrich, FamRZ 1998, 1401, 1402; Henrich, StAZ 1996, 353, 355; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 2, 16; JurisPK/ Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 5, 56; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 23; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 2, 22; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-144. 250 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 29, 56; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-148. 251 KG (05.01.2016), FamRZ 2016, 922, 923; BayObLG (11.01.2002), FamRZ 2002, 686, 687; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 61; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 24; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 37; Dörner, in: FS Henrich, 119, 122. 252 BGH (03.08.2016), FamRZ 2016, 1847, 1848; BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1253; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 23; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 6; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 22; Henrich, StAZ 1998, 1, 2; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 410; Hepting, StAZ 2000, 33, 39 („Ein unwahrscheinlicher Vater ist besser als gar keiner.“); Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-145. 253 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 23; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-145. 254 Gabrielli, in: Schwab/Henrich, Entwicklungen des europäischen Kindschaftsrechts, 59, 63; Calvigioni, StAZ 2002, 265, 267. Vgl. oben S. 72 Fn. 94. 255 Sturm, StAZ 1997, 261; vgl. Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 46 f.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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erkennung eines in Deutschland lebenden, französischen Kindes ist diese nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB auch dann wirksam, wenn die Mutter der Anerkennung nicht zugestimmt hat, da das französische Recht256 keine Zustimmung voraussetzt und sich somit gegenüber dem deutschen Recht durchsetzt. Eingeschränkt wird das Günstigkeitsprinzip bei der Anerkennung durch Art. 23 S. 1 EGBGB, wonach sich die Zustimmung zu einer Abstammungserklärung zusätzlich nach dem Heimatrecht des Kindes richtet.257 Die Mehrfachanknüpfung führt schließlich dazu, dass die Mutterschaftsanerkennung, die ohnehin im internationalen Vergleich nur noch selten vorkommt, praktisch keine Bedeutung mehr hat:258 Verweist nur eine der Alternativen auf eine Rechtsordnung, die das Kind automatisch der Mutter zuordnet, ist eine Mutterschaftsanerkennung aus deutscher Sicht nicht mehr erforderlich, auch wenn eines der anderen berufenen Rechte eine solche voraussetzt. Nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB wird somit nur noch äußerst selten eine Mutterschaftsanerkennung erforderlich sein. Im Hinblick auf ein gerichtliches Feststellungsverfahren bedeutet das Günstigkeitsprinzip, dass sich dadurch dasjenige Recht durchsetzt, das die gerichtliche Feststellung ermöglicht.259 Hat der biologische Vater nach einem der Rechte keine Klageberechtigung, nach dem anderen schon, ist letzteres anzuwenden. Sieht ferner das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts vor, dass die Frist für eine Vaterschaftsklage bereits abgelaufen ist, kann ein Deutscher trotzdem nach deutschem Recht als seinem Heimatrecht gerichtlich als Vater festgestellt werden, da das deutsche Recht keine Frist vorsieht. Für die Praxis hat die Alternativanknüpfung den Vorteil, dass die Standesbeamten in den allermeisten Fällen deutsches Recht anwenden können, da entweder das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat oder weil der jeweilige Elternteil Deutscher ist.260 Sieht bereits das deutsche Recht eine Abstammung vor, kann auf die Prüfung von ausländischem Recht verzichtet werden.261 Es kann dahingestellt bleiben, ob auch das ausländische Recht die Elternschaft vorsieht, da es ausreichend ist, wenn die Elternschaft nur nach einem der berufenen Rechte besteht.262 Es erübrigen sich mithin die oftmals zeitaufwendigen Nachforschungen zum ausländischen Recht. Ein Rückgriff auf das ausländische Recht bedarf es allerdings dann, wenn das deutsche Recht keine 256 Art. 316
frz. CC. Siehe hierzu ausführlich unten S. 109 ff. 258 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-175. 259 Vgl. Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69a. 260 BT-Drucks. 13/4899, S. 137; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-145, IV-96. 261 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 23. Anders ist dies bloß, wenn die Möglichkeit besteht, dass das ausländische Recht die Vaterschaft eines anderen Mannes begründet. In diesem Fall bedarf es auch der Prüfung des ausländischen Rechts. Kommen die Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu unterschiedlichen Ergebnissen, sog. konkurrierenden Vaterschaften, ist strittig, wie in diesem Fall zu verfahren ist, vgl. hierzu unten S. 117 ff. 262 Dörner, in: FS Henrich, 119, 120. 257
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
Abstammung zulässt. So besteht etwa nach deutschem Recht keine Möglichkeit die Vaterschaft eines Mannes gerichtlich feststellen zu lassen, der zwar zuvor in eine heterologe Insemination seiner Partnerin eingewilligt hat, aber nach der Geburt des Kindes die Anerkennung verweigert. In diesem Fall hat also das Gericht zu prüfen, ob nicht nach einer der anderen Alternativen der Mann als Vater festgestellt werden kann. In einigen Ländern gilt der Einwilligende bereits kraft Gesetzes als rechtlicher Vater oder kann jedenfalls aufgrund der Einwilligung gerichtlich als Vater festgestellt werden.263 Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Land, dass eine solche Regelung kennt, kann somit auch die Vaterschaft eines Deutschen festgestellt werden. Ebenso erlaubt das deutsche Recht keine Elternschaft einer zweiten Frau. Wurde das Kind mittels einer offiziellen Samenspende mit Zustimmung der Ehefrau oder der Partnerin der gebärenden Frau gezeugt, bleibt die zweite Elternstelle nach deutschem Recht unbesetzt. Die Elternschaft kann sich auch hier nur aus dem ausländischen Recht ergeben. Erlaubt eine der anderen berufenen Rechtsordnungen eine Anerkennung durch eine zweite Frau oder ordnet eine Rechtsordnung sogar gleich die Mutterschaft der zweiten Frau aufgrund der vorherigen Zustimmung kraft Gesetzes zu, ist diese Rechtsordnung folglich anzuwenden.264 Ferner ist auch dann das ausländisches Recht dem deutschen Recht vorzuziehen, wenn nach deutschem Recht die Elternschaft nur aufgrund einer zeitaufwendigen und kostspieligen Vaterschaftsklage möglich wäre, wohingegen das ausländische Recht bereits kraft Gesetzes eine Vaterschaft begründet. Ist das Kind nach der Scheidung geboren, muss das Kind daher nicht den Weg eines Feststellungsverfahrens gehen, wenn bereits das Heimatrecht, weil die Empfängniszeit noch in die Zeit der Ehe fällt, das Kind dem geschiedenen Ehemann der Mutter zuordnet.265 Ebenso verhält es sich im Falle einer postmortalen Insemination: Wurde das Kind durch eine postmortale Insemination erst nach dem Tod des Mannes, mit dessen Samen und mit dessen Zustimmung das Kind gezeugt wurde, geboren, könnte nach deutschem Recht die Vaterschaft nur noch gerichtlich festgestellt werden, was bei einem Toten mit erheblichen Aufwand verbunden ist. Sieht eine der anderen Alternativen die Vaterschaft des Verstorbenen bereits kraft Gesetzes aufgrund der vorherigen Zustimmung vor, ist diese dem deutschen Recht vorzuziehen.266 Ist der Vater etwa Grieche, muss das in Deutschland lebende Kind somit kein Feststellungsverfahren in die Wege leiten, um die Elternschaft 263 Staudinger/Henrich,
Art. 19 EGBGB Rn. 59, 66a; Henrich, in: FS Frank, 249, 253. Vgl. die rechtsvergleichende Übersicht oben auf S. 22 ff. 264 Henrich, in: FS Frank, 249, 253, 255 f. Siehe zu möglichen Rechtsordnungen den rechtsvergleichenden Überblick oben auf S. 42 ff. 265 Vgl. den Fall bei BGH (03.08.2016), FamRZ 2016, 1847, 1848 (Zuordnung zum türkischen Ex-Ehemann). 266 Henrich, in: FS Frank, 249, 257; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 50a. Vgl. zu möglichen Rechtsordnungen, die eine postmortale Insemination erlauben, den Überblick auf S. 26 ff.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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zu begründen, da die Vaterschaft bereits nach griechischem Recht267 als dem Heimatrecht des Vaters kraft Gesetzes feststeht.
III. Wandelbarkeit und die Folgen eines Statutenwechsels Grundsätzlich werden Statusverhältnisse im Interesse an der Stabilität unwandelbar angeknüpft.268 Die Abstammung stellt hiervon jedoch eine Ausnahme dar: Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt und die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit sind nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt fixiert und damit ist das Abstammungsstatut in diesen Fällen wandelbar.269 Jede Änderung der Anknüpfungstatsachen, sprich die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts oder die Änderung der Staatsangehörigkeit, bewirkt deshalb einen Wechsel des anzuwendenden Rechts.270 Dieser Vorgang wird als Statutenwechsel bezeichnet.271 Da ein Statutenwechsel beim gewöhnlichen Aufenthalt weitaus häufiger eintritt als bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit konzentrieren sich die nachstehenden Ausführungen auf ersteres; es gilt jedoch jeweils das gleiche bei einer Änderung der Staatsangehörigkeit. Ein Statutenwechsel führt dazu, dass, wenn nach dem alten Statut noch kein Abstammungsverhältnis begründet werden konnte, die Abstammung nach dem neuen Recht festgestellt werden kann.272 In dieser Konstellation kann die Wandelbarkeit dem Kind also zu einer Abstammung verhelfen und verwirklicht damit das der Norm zugrundeliegende Ziel, dem Kind möglichst einen Vater und eine Mutter zuzuordnen.273 Probleme bereitet hingegen der umgekehrte Fall, in dem eine Vaterschaft (oder auch 267 Art. 1465 Abs. 2 griech. ZGB i. V. m. Art. 1457 griech. ZGB. Zum Beispiel Henrich, in: FS Frank, 249, 257. 268 Vgl. Art. 13 Abs. 1 EGBGB (Ehe); Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB (eingetragene Lebenspartnerschaft); Art. 17 Abs. 4 S. 1 i. V. m. Abs. 1 (gleichgeschlechtliche Ehe); Art. 22 Abs. 1 S. 2 EGBGB (Adoption). Vgl. auch die alte Gesetzesbegründung BT-Drucks. 10/504, S. 31 („[…] wenn aus Gründen der notwenigen Beständigkeit Statusverhältnisse unwandelbar angeknüpft werden müssen.“). 269 BT-Drucks. 13/4899, S. 137 f.; BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 893; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 407 f.; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 124; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 19, 22; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 31; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 13, 17; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 10 f.; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 4, 5; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14, 15. A. A. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 914, die trotz des eindeutigen Wortlauts des Art. 19 Abs. 1 EGBGB und der unmissverständlichen Gesetzesbegründung („Die Entscheidung für eine wandelbare Anknüpfung“) eine unwandelbare Anknüpfung bezogen auf den Zeitpunkt der Geburt annehmen. 270 BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 43. 271 BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 43. 272 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Henrich, StAZ 1998, 1, 3; JurisPK/ Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 37; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 15; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 14. 273 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-121, IV-133; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 37.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
eine Mutterschaft) nach dem Recht des früheren Aufenthalts, nicht jedoch nach dem Recht des späteren gewöhnlichen Aufenthalts besteht,274 etwa wenn das Altstatut eine Vaterschaft des Ex-Ehemanns oder die Elternschaft der Ehefrau der Mutter annimmt, das Neustatut hingegen nicht. Bei strikter Anwendung des Gesetzes könnte so ein unter dem Vorstatut begründetes Abstammungsverhältnis wieder entfallen.275 Möglich wäre auch, dass sich eine nach dem alten Statut bestehende Elternschaft nach dem Statutenwechsel ändert, beispielsweise, wenn in einem Leihmutterschaftsfall nach dem Recht des alten gewöhnlichen Aufenthalts die Wunschmutter als rechtliche Mutter angesehen wird, das Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts hingegen der gebärenden Frau die Mutterstellung zuweist.
1. Statutenwechsel nach einer Abstammungsbegründung Vereinzelt wird dieses Ergebnis mit der Begründung hingenommen, dass es aufgrund der Mehrfachanknüpfung nur selten tatsächlich zu einem Verlust oder zu einem Wechsel der Elternschaft kommen wird.276 Gerade jedoch die Zuordnungsregelungen zum Ex-Ehemann, zur Co-Mutterschaft, die Zuordnung zur Wunschmutter bei der Leihmutterschaft und auch die Elternschaft aufgrund Zustimmung zur künstlichen Befruchtung sind (noch) nicht beziehungsweise nicht mehr so weit verbreitet,277 sodass es in diesen Fällen bei uneingeschränkter Befolgung der Wandelbarkeit häufig zu einem Verlust oder Wechsel der Elternschaft kommen würde. Auch wenn diese Fälle nur einen kleinen Teil der Abstammungsfälle insgesamt ausmachen, ist es nicht mit dem Art. 19 Abs. 1 EGBGB zugrundeliegenden Kindeswohl und dem Günstigkeitsprinzip vereinbar, wenn ein Kind in diesen Fällen einen Elternteil verlieren kann.278 Das Kind sowie die sonstigen Beteiligten (Mutter und Vater) haben ein schützenswertes Interesse daran, dass die Abstammungsbegründung dauerhaft ist und nicht ohne Weiteres geändert oder entfallen kann.279 Auch im Kollisionsrecht sollte 274 Staudinger/Henrich, Art. 19
EGBGB Rn. 14; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423. Hamm (28.03.2012), FamRZ 2012, 1504, 1505; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Henrich, StAZ 1998, 1, 2; Dörner, in: FS Henrich, 119, 124; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 15. 276 So OLG Hamm (28.03.2012), FamRZ 2012, 1504, 1505; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 10. Auch BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 13 und NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 15 schätzen, dass ein Wegfall oder Änderung einer Abstammung nur selten eintreten wird, gehen aber dennoch davon aus, dass in diesem seltenen Fall eine Abstammung nicht wieder entfallen kann. 277 Siehe hierzu die rechtsvergleichende Übersicht in Kapitel 1, S. 5 ff. 278 Dörner, in: FS Henrich, 119, 124; Looschelders, IPRax 1999, 420, 424; JurisPK/ Duden, Art. 19 EGBGB, Rn. 38; Henrich, StAZ 1998, 1, 3; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 14. 279 Looschelders, IPRax 1999, 420, 424 (Interesse an der Kontinuität); JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB, Rn. 37 (Kontinuitätsinteresse des Kindes); Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 20 (Interesse an der Stabilität). Vgl. die Argumentation zum Sachrecht bei 275 OLG
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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insofern der Grundsatz der Statusbeständigkeit280 beachtet werden. Das einmal entstandene Abstammungsverhältnis sollte nur durch Anfechtung wieder beseitigt werden können; über diese Frage entscheidet ausschließlich das in Art. 20 EGBGB berufene Recht. Für den Fortbestand einer einmal begründeten Elternschaft spricht auch der Umstand, dass anderenfalls das Kind lediglich aufgrund eines Wechsels des gewöhnlichen Aufenthalts seine deutsche Staatsangehörigkeit verlieren könnte, wenn nach dem neuen Statut das Kind nun nicht mehr von dem deutschen Elternteil abstammt.281 Befolgt man, wie die Gegenansicht, die Wandelbarkeit bei der Anknüpfung des gewöhnlichen Aufenthalts uneingeschränkt, hätte dies außerdem zur Konsequenz, dass die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt „zu einer Verweisung zweiter Klasse degradiert würde“:282 Die Elternschaft, die nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts bestünde, wäre für die Beteiligten ungünstiger als eine Elternschaft nach dem Heimatrecht oder dem Ehewirkungsstatut, da sich erstere jederzeit mit einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts ändern könnte und insofern nur temporär wäre.283 Das Heimatrecht ist zwar ebenfalls wandelbar, ein Wechsel der Staatsangehörigkeit tritt jedoch wesentlich seltener ein.284 Insbesondere wären dadurch die Kinder, die in einer Ehe geboren werden, im Vorteil, da für sie die unwandelbare Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut existiert, welche in jedem Fall ein stabiles Abstammungsverhältnis gewährleistet.285 Diese unterschiedliche Rangordnung kann aber nicht vom Gesetzgeber gewollt sein.286 Sofern als weiteres Argument die Gefahr der Manipulation vorgebracht wird,287 da so ein Mann durch den Wechsel seiner Staatsangehörigkeit theoretisch seine rechtliche Vaterschaft ohne den Umweg über die Anfechtung beseitigen könne, ist dem jedoch entgegenzusetzen, dass eine Änderung der Staatsangehörigkeit nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich und daher die Gefahr zu vernachlässigen ist.
Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 149; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 Rn. 14. 280 Vgl. zum Grundsatz im materiellen Recht Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 Rn. 14; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 149; Brock, Die Prinzipien des deutschen Abstammungsrechts, S. 48; MüKo/Wellenhofer, Vor § 1591 BGB Rn. 17; BeckOGK/ Balzer, § 1592 BGB Rn. 27. 281 Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 104 f.; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 15; Sturm, in: FS Stoll, 451, 454. 282 Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 105. 283 Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 105. 284 Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 105. 285 So aber Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 10. 286 Auch JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 37 sieht dies im Hinblick auf die Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern als problematisch. 287 So Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 71; Waldburg, Anpassungsprobleme im internationalen Abstammungsrecht, S. 54.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
Aus den oben genannten Gründen ist daher mit der herrschenden Meinung288 davon auszugehen, dass eine einmal entstandene Elternschaft nicht mehr wegfallen darf. Die Frage, wie dieses Ergebnis im geltenden Recht erreicht wird, ist indes umstritten.
a) Einschränkung der Wandelbarkeit Nach einer Ansicht gebiete es der Schutz wohlerworbener Rechte die Wandelbarkeit einzuschränken.289 Im Ergebnis handelt es sich hierbei um eine teleologische Reduktion der Vorschrift. Die Wandelbarkeit ist nur solange beachtlich, bis eine Abstammung begründet wurde. Liegt nach dem Recht des früheren gewöhnlichen Aufenthalts noch keine Abstammung vor, kann demnach das Recht des späteren gewöhnlichen Aufenthalts befragt werden. Ab Bestehen der Abstammung ist das Abstammungsstatut hingegen unwandelbar und ein Statutenwechsel findet ab diesem Zeitpunkt nicht mehr statt. Das Recht, nach dem die Abstammung besteht, bleibt daher auch weiterhin trotz der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts als Abstammungsstatut maßgebend.
b) Lösung über die Lehren zum Statutenwechsel Eine andere Meinung versucht das Problem mit Hilfe der allgemeinen Lehren über den Statutenwechsel zu lösen.290 Das Gesetz enthält keine speziellen Vorschriften zu den Auswirkungen eines Statutenwechsels bei der Abstammung, sodass es auf die von der Lehre entwickelten Grundsätze zum Statutenwechsel 288 U. a. OLG Hamm (18.06.2004), FamRZ 2005, 291, 293; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 13; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 38 ff.; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 15; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 31; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-124 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 407; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, § 4 Rn. 969; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1002; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 125; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 20 f.; Henrich, IPRax 2005, 454; Sturm, in: FS Stoll, 451, 454. 289 Henrich, StAZ 1998, 1, 3; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 125; wohl auch BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 13 f.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 424 (so bei der gesetzlichen Zuordnung; bei der Anerkennung müsse hingegen geprüft werden, „ob das im Ausland abgegebene Anerkenntnis dem inländischen nach den Grundsätzen der Substitution gleichgestellt werden kann“); Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 105. 290 OLG Karlsruhe (30.12.1998), FamRZ 1999, 1370, 1371; OLG Hamm (18.06.2004), FamRZ 2005, 291, 293; Dörner, in: FS Henrich, 119, 125 f.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-124 ff.; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 31; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 37 ff.; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 20 f. Teils wird auch nur vom Fortbestand des Abstammungsverhältnisses als wohlerworbenes Recht gesprochen: Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 407; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 15; Henrich, IPRax 2005, 454; Sturm, in: FS Stoll, 451, 454; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, § 4 Rn. 969; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1002 (intertemporaler Grundsatz des Erhalts wohlerworbener Rechte); Benicke, StAZ 2013, 101, 108; Dethloff, JZ 2014, 922, 929. Vgl. auch Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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ankommt. Danach wird grundsätzlich zwischen abgeschlossenen, offenen und gemischten Tatbeständen unterschieden, wobei die Einteilung nicht immer offensichtlich ist.291 Ein abgeschlossener Tatbestand beurteilt sich lediglich nach dem alten Statut und wird von einem Statutenwechsel nicht beeinflusst; ein unter dem alten Statut begründetes Recht besteht insofern als wohlerworbenes Recht fort.292 Ein Tatbestand gilt als abgeschlossen, wenn ein Recht oder ein Rechtsverhältnis bereits vor Eintritt des Statutenwechsels entstanden ist, mithin alle formellen und materiellen Voraussetzungen für die Rechtsänderung vorgelegen haben.293 Abzugrenzen ist ein abgeschlossener Sachverhalt von einem gemischten Sachverhalt, bei dem zwar ebenfalls ein Recht oder ein Rechtsverhältnis unter dem alten Statut entstanden ist, dieses aber unter dem neuen Statut fortwirkt.294 Die Einordnung der Abstammung unter diese Kategorie bereitet Schwierigkeiten: Für eine Einordnung als gemischter Sachverhalt wird angeführt, dass die Abstammung als Statusverhältnis eine lebenslange Rechtsbeziehung zwischen Eltern und Kind begründe, an die das Gesetz verschiedene Wirkungen anknüpfe; das Abstammungsverhältnis wirke somit auch nach seiner Begründung in die Zukunft fort.295 Gegen diese Einteilung spricht jedoch, dass Art. 19 Abs. 1 EGBGB nur die Begründung der Abstammung umfasst, die anschließenden Wirkungen dieser Rechtsbeziehung wie die elterliche Sorge, Unterhaltsverpflichtungen und das Erbrecht werden hingegen separat angeknüpft.296 Auch die Frage der Beseitigung des Abstammungsverhältnisses unterfällt nicht dem Abstammungsstatut, sondern unterliegt dem Anfechtungsstatut. Der Tatbestand der Begründung der Abstammung ist damit bereits abgeschlossen.297 Letztendlich kann die Unterscheidung offen bleiben, wenn auch unter der Annahme eines gemischten Sachverhalts die unter dem Vorstatut entstandene Elternschaft fortzubestehen hat. Bei einem gemischten Sachverhalt „bleiben alle vor 291 v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 5 Rn. 102 ff.; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 440 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 189 ff.; MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 80 f. Vgl. auch MüKo/Sonnenberger, 5. Aufl., Einl. IPR Rn. 668; BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 43 f. 292 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 440, 442; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 5 Rn. 103; BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 43; MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 80. 293 v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 5 Rn. 103. 294 MüKo/Sonnenberger, 5. Aufl., Einl. IPR Rn. 670; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 5 Rn. 105; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 189; MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 81; BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 44. 295 Dafür Muschter, Statutenwechsel im internationalen Kindschaftsrecht, S. 290 ff. Vgl. hierzu auch JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 39. 296 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 39; Waldburg, Anpassungsprobleme im internationalen Abstammungsrecht, S. 53. 297 So OLG Karlsruhe (30.12.1998), FamRZ 1999, 1370, 1371; MüKo/Sonnenberger, 5. Aufl., Einl. IPR Rn. 668; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. VI-125; Waldburg, Anpassungsprobleme im internationalen Abstammungsrecht, S. 53.
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dem Statutenwechsel eingetretenen Sachverhalte einschließlich ihrer bisherigen Wirkungen dem alten Statut unterworfen“,298 nur der Inhalt des unter dem alten Statut entstandenen Rechts sowie dessen zukünftigen Wirkungen bemessen sich ab dem Zeitpunkt des Statutenwechsels nach dem neuen Statut.299 Sofern das neue Statut dieses Recht nicht kennt, kann es jedoch nur entsprechend dem funktionsäquivalenten inländischen Rechtsinstitut ausgeübt werden.300 Dies ist etwa im Sachenrecht oder im Gesellschaftsrecht relevant, da es hier Rechte und Rechtsverhältnisse gibt, die in anderen Ländern unbekannt sind. Da das ElternKind-Verhältnis jedoch überall anerkannt ist, bedarf es hierfür keiner Umwandlung und der Statutenwechsel bereitet insofern auch unter Annahme eines gemischten Sachverhalts keine Probleme: Die begründete Abstammung bleibt als wohlerworbenes Recht auch unter dem neuen Statut erhalten und lediglich die neuen Wirkungen wie Sorgerecht und Unterhalt würden dem neuen Statut unterstehen. Da diese jedoch separat anknüpft werden, gibt es keinerlei Wirkungen, über die das neue Recht unterteilen könnte. Teilweise wird, entgegen der hier vertretenen Meinung,301 davon ausgegangen, dass das neue Statut über den Fortbestand des unter dem alten Statut entstandenen Rechts entscheidet.302 Danach käme es darauf an, ob das neue Statut den Grundsatz der wohlerworbenen Rechte kennt. Wird ein früheres Abstammungsverhältnis danach nicht akzeptiert, könne dies jedoch einen Verstoß gegen den ordre public begründen.303 Diese Ansicht überzeugt indes nicht: Die Fortgeltung bereits begründeter („wohlerworbener“) Rechte beruht auf dem Vertrauensgrundsatz.304 Dieser Vertrauensschutz findet sich nicht erst im deutschen materiellen Recht, sondern wirkt bereits auf der Ebene des Kollisions298 299
v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 5 Rn. 106. Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 442; BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 44; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 189; MüKo/Sonnenberger, 5. Aufl., Einl. IPR Rn. 670. 300 Die genaue Folge ist indes umstritten, vgl. hierzu etwa MüKo/Sonnenberger, 5. Aufl., Einl. IPR Rn. 670 f.; MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 240 f.; BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 44. Zum Streitstand im Sachenrecht: ausführlich MüKo/Wendehorst, Art. 43 EGBGB Rn. 153 ff.; BeckOK/Spickhoff, Art. 43 EGBGB Rn. 12 ff.; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 12 Rn. 32. 301 Wie hier auch MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 31; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 37 ff.; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 20 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 407; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 15; Henrich, IPRax 2005, 454; Sturm, in: FS Stoll, 451, 454; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, § 4 Rn. 969; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14. 302 Dörner, in: FS Henrich, 119, 125 f.; differenzierend Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-124 ff.; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 4; Muschter, Statutenwechsel im internationalen Kindschaftsrecht, S. 293; Waldburg, Anpassungsprobleme im internationalen Abstammungsrecht, S. 53 unter Berufung auf die Entscheidung des BGH (16.10.1974), BGHZ 63, 107 zum Namensrecht; Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 78 f. 303 Dörner, in: FS Henrich, 119, 126; dem zustimmend Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-128; Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 78 f. 304 MüKo/Sonnenberger, 5. Aufl., Einl. IPR Rn. 668.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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rechts mit der Folge, dass das Kollisionsrecht bei Berufung des neuen Statuts den Fortbestand eines einmal entstandenen Rechts anordnet und das neue Statut nur hinsichtlich der weiteren Wirkungen dieses Rechts befragt.305 Nach den allgemeinen Regeln berührt somit ein Wechsel des Statuts eine einmal entstandene Elternschaft nicht.
c) Zwischenergebnis Beide Lösungsansätze kommen damit zum Ergebnis, dass ein Kind durch den Wechsel seines gewöhnlichen Aufenthalts oder einem Wechsel der Staatsangehörigkeit eines Elternteils seinen Elternteil nicht wieder verlieren kann. Dogmatisch überzeugt dabei die zweite Lösung über die allgemeinen Regeln zum Statutenwechsel: Wenn sich das gewünschte Ergebnis bereits aus den allgemein anerkannten Regeln ergibt, ist für eine teleologische Reduktion kein Raum mehr.
2. Statutenwechsel vor einer Abstammungsbegründung Besteht nach dem alten Statut kein Abstammungsverhältnis, so ist die Wandelbarkeit uneingeschränkt zu befolgen, mit der Folge, dass die Abstammung noch nach dem neuen Recht festgestellt werden kann.306 Der BGH hat in einer neuen Entscheidung in einem obiter dictum darauf hingewiesen, dass wenn „das zunächst anwendbare Aufenthaltsstatut nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis bewusst verneint“, dieses Ergebnis „bei späterem Statutenwechsel möglicherweise beibehalten werden muss.“307 Angesprochen ist hiermit die Frage, ob die Abstammung kraft Gesetzes nur nach dem Abstammungsstatut im Zeitpunkt der Geburt bestimmt werden kann. Dies ist abzulehnen, da es dem Sinn und Zweck der Vorschrift widerspräche, dem Kind möglichst zu zwei Elternteilen zu verhelfen.308 Das neue Statut entscheidet mithin auch über eine gesetzliche Zuordnung. Das neue Statut entscheidet auch darüber, inwiefern Tatbestandselemente zu berücksichtigen sind, die noch unter Geltung des alten Statuts verwirklicht wor305 Vgl. hierzu die Nachweise in S. 104 Fn. 301. Vgl. im Sachenrecht auch MüKo/Wendehorst, Art. 43 EGBGB Rn. 150 f. 306 Dörner, in: FS Henrich, 119, 124; Henrich, StAZ 1998, 1, 3; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 41; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-132; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 15; Helms, IPRax 2023, 232, 233 f. spricht von der heilenden Wirkung eines Statutenwechsels; a. A. Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 20 f. (die gesetzliche Zuordnung könne nur nach dem Statut im Zeitpunkt der Geburt und nicht auch nach dem neuen Statut festgestellt werden); Benicke, FamRZ 2017, 1684, 1685 (die Anerkennung könne als abgeschlossener Sachverhalt nicht durch einen Statutenwechsel geheilt werden). 307 BGH (12.01.2022), FamRZ 2022, 624, 625. 308 So auch Franck, FamRZ 2022, 628, 629.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
den sind.309 Hat ein Mann etwa seine Anerkennungserklärung unter Herrschaft des alten Rechts abgegeben, aber fehlte nach diesem Recht noch die Zustimmung der Mutter oder des Kindes für eine wirksame Zuordnung, muss er diese nicht wiederholen, wenn die ursprüngliche Anerkennungserklärung den Anforderungen des neuen Statuts genügt.310 Es reicht in diesem Fall für eine wirksame Abstammungsbegründung aus, dass nur noch die fehlende Zustimmung nachgeholt wird.311
3. Fazit und Bewertung der Wandelbarkeit Aus dem soeben Gesagten ergibt sich somit Folgendes: Begründete das alte Recht keine Eltern-Kind-Zuordnung, entscheidet das neue Recht über diese Frage; wird hingegen die Elternschaft festgestellt, überdauert diese jeden weiteren Statutenwechsel. Das Abstammungsstatut bleibt zwar – nach der hier vertretenen Ansicht – auch nach einer Abstammungsbegründung wandelbar, allerdings besteht das bereits begründete Abstammungsverhältnis als wohlerworbenes Recht fort. Dies gilt auch für den Fall, dass das neue Statut die Elternschaft einer anderen Person zuweist. Die zuerst begründete Elternschaft wird auch hier nicht durch den Statutenwechsel berührt und setzt sich nach dem Prioritätsprinzip (hierzu noch ausführlich unten312) gegenüber der später begründeten Elternschaft durch. Im Ergebnis bleibt der Statutenwechsel also nur solange relevant bis eine Elternschaft festgestellt wurde. Da die Wandelbarkeit aber somit im Ergebnis sehr eingeschränkt ist, drängt sich die Frage auf, ob sie denn überhaupt gegenüber einer unwandelbaren Anknüpfung einen Mehrwert bietet. Zwar tritt nach herrschender Meinung kein Wechsel oder Verlust einer einmal entstandenen Elternschaft ein, einfacher und ohne Unsicherheiten ließe sich dieses Ergebnis freilich durch eine unwandelbare Anknüpfung erzielen. Auch sonst werden Statusverhältnisse im Interesse der Stabilität stets unwandelbar angeknüpft.313 Fraglich ist somit, wie die Wandelbarkeit zu bewerten ist. Die Wandelbarkeit bietet zunächst den Vorteil, dass sich die Voraussetzungen der Anerkennung und der gerichtlichen Feststellung stets nach dem gegen309 Sogenannter gestreckter Sachverhalt, vgl. Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 441; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 42; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-134. 310 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-134; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 441. 311 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-134. 312 Es gilt insofern der gleiche Grundsatz wie wenn die verschiedenen Alternativen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Zum Prioritätsprinzip siehe S. 125 f. 313 Vgl. Art. 13 Abs. 1 EGBGB (Ehe); Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB (eingetragene Lebenspartnerschaft); Art. 17 Abs. 4 S. 1 i. V. m. Abs. 1 (gleichgeschlechtliche Ehe); Art. 22 Abs. 1 S. 2 EGBGB (Adoption).
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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wärtigen Umweltrecht des Kindes beurteilen.314 Dies ist als positiv zu bewerten, da eine Anerkennung oder eine gerichtliche Feststellung auch erst Jahre nach der Geburt erfolgen können und das Kind möglicherweise mit dem im Zeitpunkt der Geburt maßgeblichem Recht keinerlei Beziehung mehr hat. Allerdings ließe sich dieses Ergebnis auch durch eine unwandelbare Anknüpfung erzielen, nämlich dann, wenn man für die Anerkennung nicht den Zeitpunkt der Geburt, sondern den Zeitpunkt der Anerkennungserklärung und für die gerichtliche Feststellung den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung als maßgeblich erklärt. Dies ist mithin kein zwingendes Argument für die Wandelbarkeit. Für die Wandelbarkeit des gewöhnlichen Aufenthalts spreche nach der Gesetzesbegründung ferner, dass die Standesbeamten so in weitem Umfang, das ihnen bekannte interne Recht anwenden könnten.315 Der Standesbeamte wird zwar in der Tat häufig sein eigenes Recht anwenden, da das Standesamt für die Eintragung von Inlandsgeburten zuständig ist und in aller Regel die Kinder, die im Inland geboren werden, auch hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.316 Der Grund hierfür liegt jedoch nicht in der wandelbaren Anknüpfung, sondern darin, dass als Anknüpfungsmerkmal der gewöhnliche Aufenthalt gewählt wurde. Das gleiche Ergebnis würde man erzielen, wenn die Anknüpfung unwandelbar auf den Zeitpunkt der Geburt abstellen würde. Positiv bewertet wird schließlich der Umstand, dass die Wandelbarkeit einem Kind, welches nach dem alten Statut keinen Vater (bzw. keine Mutter) hat, die Möglichkeit bietet, nach dem neuen Statut einen Vater zu bekommen.317 Die wandelbare Anknüpfung fördere insofern die Abstammungsfeststellung und entspreche damit dem der Norm zugrundeliegenden Günstigkeitsprinzip.318 Die nachträgliche Statusbegründung ist jedoch nicht ausschließlich positiv zu bewerten, da sie in einigen Fällen für die Beteiligten gänzlich unbekannt bleibt, weil der Statutenwechsel als solcher keinen Anlass für eine erneute Prüfung der Abstammung setzt. Dies sind Fälle, in denen der Statutenwechsel erst nach der Eintragung der Geburt ins deutsche Geburtenregister erfolgt und das neue Statut, anders als das alte, eine Vaterschaft kraft Gesetzes annimmt. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlich: Eine erst kürzlich von ihrem deutschen Ehemann geschiedene Polin mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland bekommt hier ein Kind von einem Unbekannten. Mangels einer gesetzlichen Zuordnung nach deutschem Recht, welches nach allen drei Alterna314 So
auch Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 407; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 178 ff. 315 BT-Drucks. 13/4899, S. 137. 316 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-96. 317 Vgl. Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Henrich, StAZ 1998, 1, 3; JurisPK/ Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 37; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 15; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Helms, IPRax 2023, 232, 233 f. (für den Fall der Co-Mutterschaft). 318 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-121, IV-132.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
tiven des Art. 19 Abs. 1 EGBGB als Abstammungsstatut berufen ist, und mangels einer Vaterschaftsanerkennung hat das Kind keinen Vater. Diese Rechtslage wird so auch vom Standesamt in das Geburtenregister eingetragen. Später ziehen die Mutter und ihr Kind für ein paar Jahre nach Polen. Ab Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in Polen und dem damit einhergehenden Statutenwechsel ist das polnische Recht erstmals auch Abstammungsstatut. Da das polnische Recht eine Vaterschaftsvermutung zugunsten des Ex-Ehemanns vorsieht,319 erhält das Kind aus deutscher Sicht ab Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts in Polen den deutschen Ex-Ehemann als rechtlichen Vater. Mangels erneuter Prüfung der Abstammung durch das Standesamt – hierfür besteht kein Anlass –, bleibt diese Statusänderung den Beteiligten jedoch unbekannt. Sie rechnen nicht mit einer aus ihrer Sicht „plötzlichen“ Änderung der Abstammung. Es ist in diesen Fällen wohl eher Zufall, wenn die entstandene Vaterschaft auch tatsächlich festgestellt wird. Nur wenn das Standesamt nochmals mit der Frage der Abstammung konfrontiert wird, würde die Vaterschaft festgestellt werden. Dies wäre etwa denkbar, wenn die Mutter mit ihrem Kind wieder in Deutschland wohnt und sich der neue Lebensgefährte dazu entscheidet das Kind anzuerkennen (eine Adoption wäre in dem Fall, in dem das Kind noch keinen Vater hat, nicht erforderlich und der umständlichere Weg). Hier würde das Standesamt die Vaterschaft nochmals prüfen und – sofern es über die Tatsache des zwischenzeitlichen gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland Bescheid weiß – zur Verwunderung aller Beteiligten und entgegen der erstmaligen Prüfung eine Vaterschaft des ExEhemanns annehmen.
Die Tatsache, dass die Statusbegründung in diesen Fällen unentdeckt bleibt, ist mit dem Prinzip der Statuserkennbarkeit320 nicht vereinbar. Dieses im materiellen Abstammungsrecht verankerte Prinzip sollte im Interesse der Rechtssicherheit auch im Kollisionsrecht beachtet werden. Es muss für alle Beteiligten erkennbar sein, ob ein Abstammungsverhältnis begründet wurde oder nicht, „damit die Beteiligten ihr Verhalten entsprechend dieser Statuszuordnung ausrichten können“.321 Hat das Standesamt festgestellt, dass keine Vaterschaft vorliegt, ist es mit der Erkennbarkeit nicht verträglich, wenn ohne Zutun der Beteiligten, allein durch einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, eine Vaterschaft begründet wird. Aufgrund der Rechte und Pflichten, die mit der Begründung eines Abstammungsverhältnisses einhergehen, haben die Beteiligten ein schützenswertes Interesse an Rechtssicherheit hinsichtlich der Frage, ob ein Abstammungsverhältnis besteht oder nicht.322 Dieses wird durch die Wandelbarkeit nicht hinreichend gewahrt. Gleiches gilt für den Fall, dass nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Abgabe der Anerkennungserklärung keine wirksame Vaterschaftsanerkennung vorliegt, etwa, weil die Mutter oder das Kind der Anerkennung nicht zugestimmt haben, das Recht 319 Art. 62 § 1 S. 1 poln. FVGB. 320 Vgl. hierzu Reuß, Theorie eines
Elternschaftsrechts, S. 147 mit Verweis auf Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6. Aufl., S. 9, 10. 321 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 147 mit Verweis auf Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, 6. Aufl., S. 10. 322 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 147.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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eines späteren gewöhnlichen Aufenthalts eine Zustimmung hingegen nicht erfordert und die Anerkennung daher als wirksam erachtet.323 Auch hier kann es zu dem unbefriedigenden Ergebnis kommen, dass die statusrechtliche Zuordnung den Beteiligten unbekannt bleibt. Abschließend lässt sich somit feststellen, dass sich die wandelbare Anknüpfung nicht bewährt hat. Zum einen bestehen mangels gesetzlicher Klarstellung Unsicherheiten bei den Folgen eines Statutenwechsels, die so weit gehen, dass ein Teil der Literatur324 und dem folgend auch teilweise die Rechtsprechung325 davon ausgehen, dass ein Kind einen Elternteil als Folge eines Statutenwechsels wieder verlieren kann. Dieses Ergebnis ist offensichtlich mit dem Interesse der Parteien an der Stabilität der Zuordnung nicht zu vereinbaren. Grund für die Unsicherheiten ist, dass die allgemeinen Grundsätze zum Statutenwechsel von der Lehre entwickelt und nicht gesetzlich geregelt sind und somit deren Anwendung Schwierigkeiten bereitet. Aber auch wenn man mit der hier vertretenen Ansicht vom Fortbestand einer einmal entstandenen Abstammungsbeziehung ausgeht, führt die wandelbare Anknüpfung zu unbefriedigenden Ergebnissen, die mit dem Prinzip der Statuserkennbarkeit nicht zu vereinbaren sind. Es sollte daher im Interesse der Rechtssicherheit de lege ferenda, wie bereits im alten Recht auch und wie sonst bei Statusverhältnissen absolut üblich, unwandelbar angeknüpft werden. Der Vorteil im Falle der Anerkennung oder der gerichtlichen Feststellung der Abstammung das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zu diesem Zeitpunkt anzuwenden, lässt sich ohne die Nachteile des Statutenwechsels de lege ferenda auch dadurch erreichen, dass für die Anerkennung und die gerichtliche Feststellung (unwandelbar) auf den Zeitpunkt der Anerkennungserklärung beziehungsweise auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung abgestellt wird. Bei der Zuordnung kraft Gesetzes müsste auf den frühestmöglichen Zeitpunkt und damit den Zeitpunkt der Geburt abgestellt werden.
IV. Kumulative Berufung des Heimatrechts des Kindes für die Zustimmung zu einer Anerkennungserklärung nach Art. 23 EGBGB 1. Kumulative Anknüpfung nach Art. 23 S. 1 EGBGB Erfolgt die Begründung der Elternschaft durch eine Anerkennung, muss neben Art. 19 Abs. 1 EGBGB zusätzlich Art. 23 EGBGB beachtet werden. Nach Art. 23 S. 1 EGBGB unterliegt die Erforderlichkeit und die Erteilung der Zustimmung des Kindes und einer Person, zu der das Kind in einem familienrechtlichen Ver323 A. A. Benicke, FamRZ 2017, 1684, 1695, der hier von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgeht und daher den Statutenwechsel nicht beachtet. Wie hier aber BGH (05.07.2017), FamRZ 2017, 1682, 1683 f.; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 14. Vgl. auch die Nachweise in S. 105 Fn. 306. 324 Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 10. 325 OLG Hamm (28.03.2012), FamRZ 2012, 1504, 1505.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
hältnis steht, zu einer Abstammungserklärung zusätzlich dem Heimatrecht des Kindes. Die Zustimmung des Kindes oder seines Elternteils zu einer Anerkennungserklärung richtet sich demnach kumulativ nach dem Abstammungsstatut und dem Heimatrecht des Kindes.326 Maßgebend ist dabei die Staatsangehörigkeit des Kindes, die es im Zeitpunkt der Statusbegründung bereits besitzt; eine erst durch die Statusbegründung erworbene Staatsangehörigkeit ist im Rahmen von Art. 23 S. 1 EGBGB nicht zu berücksichtigen.327 Das Zustimmungsstatut bestimmt neben der Frage, ob überhaupt eine Zustimmung erforderlich ist, über die Voraussetzungen für eine wirksame Zustimmung sowie über die Frage ihrer Ersetzbarkeit.328 Ebenso entscheidet es darüber, ob gerichtliche oder behördliche Genehmigungen der Zustimmung notwendig sind.329 Die Form der Zustimmung richtet sich hingegen nicht nach dem von Art. 23 S. 1 EGBGB berufenen Recht, sondern nach Art. 11 EGBGB.330 Umstritten ist, ob eine Rück- oder Weiterverweisung durch das Heimatrecht des Kindes zu beachten ist. Im Hinblick auf das Ziel der Vorschrift, „die Anerkennungschancen im Heimatland zu erhöhen“331 (dazu gleich), ist es überzeugender, den renvoi zu befolgen und damit dasjenige Recht anzuwenden, das auch der Heimatstaat letztendlich heranziehen würde.332 326 BT-Drucks. 10/504, S. 72; OLG Köln (07.06.2013), StAZ 2013, 319, 320 (zum Namensrecht); Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 53; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1009; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 148; BeckOK/ Heiderhoff, Art. 23 EGBGB Rn. 5; MüKo/Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 5; Grüneberg/Thorn, Art. 23 EGBGB Rn. 1; Staudinger/Henrich, Art. 23 EGBGB Rn. 5; JurisPK/Behrentin, Art. 23 EGBGB Rn. 1. 327 OLG Frankfurt (24.10.1996), FamRZ 1997, 241, 243; BeckOK/Heiderhoff, Art. 23 EGBGB Rn. 19; MüKo/Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 3; Grüneberg/Thorn, Art. 23 EGBGB Rn. 3; Staudinger/Henrich, Art. 23 EGBGB Rn. 5, 8; JurisPK/Behrentin, Art. 23 EGBGB Rn. 19. 328 BT-Drucks. 10/504, S. 72; MüKo/Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 8 ff.; Grüneberg/Thorn, Art. 23 EGBGB Rn. 3; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 54; BeckOK/Heiderhoff, Art. 23 EGBGB Rn. 16. 329 BT-Drucks. 10/504, S. 72; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 54; MüKo/ Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 9; BeckOK/Heiderhoff, Art. 23 EGBGB Rn. 16; Grüneberg/Thorn, Art. 23 EGBGB Rn. 3. 330 Frie, StAZ 2016, 161, 163; JurisPK/Behrentin, Art. 23 EGBGB Rn. 11; Staudinger/ Henrich, Art. 23 EGBGB Rn. 9; MüKo/Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 10. 331 MüKo/Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 4. 332 So im Ergebnis auch AG Siegen (15.01.1992), IPRax 1992, 259; AG Bielefeld (08.03.1988), IPRax 1989, 172; Jayme, IPRax 1989, 157; MüKo/Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 4; NomosK/Benicke, Art. 23 EGBGB Rn. 19 f.; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, § 4 Rn. 1059; Staudinger/Henrich, Art. 23 EGBGB Rn. 6; Erman/Stürner, Art. 23 EGBGB Rn. 3; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 148; Henrich, Internationales Familienrecht, S. 235. Für eine Sachnormverweisung hingegen OLG München (16.03.2007), FGPrax 2007, 127, 128; BayObLG (16.12.2004), FamRZ 2005, 1694, 1695; BayObLG (17.02.1989), IPRax 1989, 172, 173; Grüneberg/Thorn, Art. 23 EGBGB Rn. 2; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 54; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 423. Differenzierend danach, ob das Heimatrecht eine mit Art. 23 S. 1 EGBGB vergleichbare, speziell auf die Zustimmung abstellende Vorschrift vorsieht: BeckOK/Heiderhoff, Art. 23 EGBGB Rn. 20.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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Durch die Vorschrift wird das in Art. 19 Abs. 1 EGBGB zugrundeliegende Günstigkeitsprinzip zugunsten des Kindes und der Mutter wieder eingeschränkt: Die Mehrfachanknüpfung in Art. 19 Abs. 1 EGBGB führt dazu, dass das Recht zur Anwendung berufen wird, das die geringsten Anforderungen an die Anerkennung stellt und damit im Zweifel dasjenige das keine Zustimmungserfordernisse vorsieht.333 Zustimmungserfordernisse sollen aber gerade das Kind und die Mutter vor unwahren Vaterschaftsanerkennungen schützen.334 Da die Zustimmungserfordernisse mithin im Interesse des Kindes und der Mutter bestehen, soll die kumulative Anknüpfung dieses Ergebnis wieder korrigieren.335 Art. 23 S. 1 EGBGB schütze so insbesondere deutsche Kinder und ihre Mütter vor einseitigen Vaterschaftsanerkennungen.336 Zweck der Regelung sei es außerdem hinkende Rechtsverhältnisse zu vermeiden, die dadurch entstehen, dass das Heimatrecht strengere Voraussetzungen vorsieht als das Abstammungsstatut.337 Die Vorschrift möchte mithin sicherstellen, dass das Abstammungsverhältnis im Heimatstaat des Kindes anerkannt wird.338 Bei einer Anerkennung eines in Deutschland lebenden Kindes mit ausländischer Staatsangehörigkeit wird Art. 23 S. 1 EGBGB jedoch nur noch selten relevant, da das ausländische Recht in der Regel keine weitergehenden Zustimmungserfordernisse als das deutsche Recht vorsieht.339 Seit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes ist auch in Deutschland, wie in den meisten anderen Rechtsordnungen, die Zustimmung der Mutter zur Anerkennung erforderlich und damit hat sich Deutschland an den internationalen Standard angeglichen.340 Fordert das Heimatrecht alternativ bzw. zusätzlich die Zustimmung des Kindes, wird diese in der Regel bereits in der Zustimmung der Mutter vorliegen, da die Mutter normalerweise die gesetzliche Vertreterin des Kindes ist und ihre Zustimmungserklärung im Zweifel zugleich auch als Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin gewertet werden kann.341 Mithin bestünde in die333
Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 53; Sturm, StAZ 1997, 261, 261, 263. zum deutschen Sachrecht etwa MüKo/Wellenhofer, § 1595 BGB Rn. 1; BeckOGK/Balzer, § 1595 BGB Rn. 1. 335 Sturm, StAZ 1997, 261 ff. 336 Frie, StAZ 2016, 161, 169; NomosK/Benicke, Art. 23 EGBGB Rn. 2. 337 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1009; Sturm, StAZ 1997, 261, 266; BeckOK/Heiderhoff, Art. 23 EGBGB Rn. 1; JurisPK/Behrentin, Art. 23 EGBGB Rn. 1; BayObLG (16.12.2004), FamRZ 2005, 1694, 1695 (für Adoptionen); v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 148; NomosK/Benicke, Art. 23 EGBGB Rn. 3; Henrich, Internationales Familienrecht, S. 320 (für Adoptionen). 338 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 108; BeckOK/Heiderhoff, Art. 23 EGBGB Rn. 1. 339 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 108; Henrich, Internationales Familienrecht, S. 234 f. 340 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 108; Henrich, Internationales Familienrecht, S. 234 f. 341 Frie, StAZ 2016, 161, 163; MüKo/Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 18; Staudinger/Henrich, Art. 23 EGBGB Rn. 11. 334 Vgl.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
sen Fällen auch ohne Art. 23 S. 1 EGBGB nur eine geringe Gefahr für hinkende Abstammungsverhältnisse. In anderen Konstellationen werden hinkende Abstammungsverhältnisse durch Art. 23 S. 1 EGBGB jedoch gerade begünstigt anstatt verhindert.342 Dies ist der Fall, wenn das Abstammungsstatut keine Zustimmung der Mutter oder des Kindes vorsieht, das Kind aber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und die Anerkennung im Ausland erklärt wird. Der folgende Beispielsfall343 möchte dies verdeutlichen: Ein Franzose kennt die Vaterschaft für das Kind seiner deutschen Freundin in Frankreich, dem Aufenthaltsort aller Beteiligten, an. Eine Zustimmung der Mutter erfolgt nicht, da das französische Recht eine solche nicht voraussetzt.344 Möchten die Eltern die Geburt nachträglich in das deutsche Geburtenregister eintragen lassen, liegt zwar nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 und S. 2 EGBGB eine wirksame Anerkennung nach französischem Recht vor, aufgrund von Art. 23 S. 1 EGBGB ist aber zusätzlich deutsches Recht hinsichtlich der Zustimmung zu berücksichtigen. Mangels der nach deutschem Recht erforderlichen Zustimmung der Mutter ist die Anerkennung aus deutscher Sicht (Art. 19 Abs. 1, 23 S. 1 EGBGB), anders als am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, unwirksam und es besteht damit ein hinkendes Rechtsverhältnis.
Der internationale Entscheidungseinklang wird durch Art. 23 S. 1 EGBGB mithin nur dann gefördert, wenn die Anerkennung im Inland erklärt wird oder wenn das ausländische Recht des Staates, in dem die Anerkennung erklärt wird, auf das deutsche Kollisionsrecht verweist, da nur in diesen Fällen der Standesbeamte oder die ausländische Urkundsperson auf eine nach dem Heimatrecht zusätzlich erforderliche Zustimmung hinwirken kann. Wird hingegen die Anerkennung, wie im obigen Beispielsfall, im Ausland vorgenommen und verweist dieses auf ein Recht, welches keine Zustimmung erfordert und wird aus diesem Grund keine Zustimmung erklärt, entsteht ein hinkendes Abstammungsverhältnis. Hinkende Rechtsverhältnisse sind freilich nicht im Interesse des Kindes. Sie werden jedoch zum Schutz deutscher Kinder und Mütter vor einseitigen Vaterschaftsanerkennungen hingenommen.345 Gerade aber wenn das Umweltrecht die Anerkennung als wirksam erachtet, erscheint es nicht interessensgerecht, das Anerkenntnis aus deutscher Sicht nicht anzuerkennen, da das Kind mit seinem Aufenthaltsrecht den engsten Bezug aufweist. Das Aufenthaltsrecht ist vielmehr am besten geeignet, darüber zu entscheiden, ob eine Zustimmung 342
Frie, StAZ 2016, 161, 161, 165; MüKo/Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 18. zu dem Beispielsfall Frie, StAZ 2016, 161, 165; Staudinger/Henrich, Art. 23 EGBGB Rn. 8. Einen ähnlichen Fall hatte auch das KG (23.09.2010), FamRZ 2011, 652 zu entscheiden, welches sodann eine Anerkennungspflicht aus dem Europarecht herleitete, hierzu unten S. 207 f. 344 Das französische Kollisionsrecht verweist u. a. auf das Heimatrecht des Vaters, Art. 311-17 frz. CC, und nimmt damit die Verweisung an. Das französische Sachrecht fordert gem. Art. 316 frz. CC. keine Zustimmung. 345 Frie, StAZ 2016, 161, 169; NomosK/Benicke, Art. 23 EGBGB Rn. 2. 343 Vgl.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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erforderlich ist oder nicht. Dies spräche dafür de lege ferenda nicht an das Heimatrecht, sondern zusätzlich an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts anzuknüpfen, wenn dieses nicht bereits das Abstammungsstatut ist. Alternativ wäre zu überlegen, zukünftig gänzlich auf eine kumulative Anknüpfung zu verzichten.346 Dafür würde sprechen, dass oftmals einseitige Vaterschaftsanerkenntnisse mit einfachen Widerspruchsrechten einhergehen.347 So sieht etwa das österreichische Recht zwar keine Zustimmung der Mutter vor, erlaubt ihr jedoch durch einfachen Widerspruch die Vaterschaft des Anerkennenden zu beseitigen.348 Die Mutter und das Kind würden insofern auch ohne kumulative Anknüpfung bereits ausreichend vor unliebsamen Anerkenntnissen geschützt werden. Sieht das ausländische Recht hingegen kein einfaches Widerspruchsrecht vor, wären Mutter und Kind immerhin dadurch ausreichend geschützt, dass die Möglichkeit einer regulären Anfechtung besteht.
2. Hilfsweise Anwendung deutschen Rechts nach Art. 23 S. 2 EGBGB Schließlich ist gemäß Art. 23 S. 2 EGBGB ausnahmsweise deutsches Recht anstelle des (ausländischen) Heimatrechts anzuwenden, wenn das Wohl des Kindes dies erfordert.349 Der Gesetzgeber hat selbst gesehen, dass die durch S. 1 erzielte Erschwerung der Abstammungsbegründung auch zu Lasten des Kindes gehen kann und sah sich deshalb gezwungen, diesen Umstand durch die Anwendung deutschen Rechts wieder abzuschwächen.350 Die Hilfsanknüpfung ist eng auszulegen und greift nur dann, wenn dem Kind anderenfalls ernsthafte Nachteile drohen.351 In Betracht kommt dies etwa, wenn die Zustimmung nach dem Heimatrecht innerhalb einer Frist hätte erfolgen müssen, diese aber bereits abgelaufen ist und die Anerkennungserklärung nicht erneut erklärt werden kann (etwa weil der Vater bereits verstorben oder 346 Vgl.
169.
347 348
hierzu die Überlegungen bei Sturm, StAZ 1997, 261, 270; Frie, StAZ 2016, 161,
Sturm, StAZ 1997, 261, 270. Vgl. auch Frie, StAZ 2016, 161, 165. § 146 österr. ABGB. 349 Es handelt sich bei der Vorschrift um eine spezielle Ausprägung des ordre public-Vorbehalts, OLG Köln (07.06.2013), StAZ 2013, 319, 320 (zum Namensrecht); BeckOK/Heiderhoff, Art. 23 EGBGB Rn. 20; Erman/Stürner, Art. 23 EGBGB Rn. 15; NomosK/Benicke, Art. 23 EGBGB Rn. 36; MüKo/Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 28; Staudinger/Henrich, Art. 23 EGBGB Rn. 32. 350 Sturm, StAZ 1997, 261, 263 („Die Hürde, die Art. 23 Satz 1 EGBGB aufbaut, räumt Art. 23 Satz 2 EGBGB teilweise wieder ab. Die Bremse, die man in Art. 23 Satz 1 EGBGB zog, wird in Art. 23 Satz 2 EGBGB gelockert.“); NomosK/Benicke, Art. 23 EGBGB Rn. 36. 351 OLG Köln (07.06.2013), StAZ 2013, 319, 320 (zum Namensrecht); OLG Hamm (18.06.2004), FamRZ 2005, 291, 293; Grüneberg/Thorn, Art. 23 EGBGB Rn. 6; MüKo/ Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 28; BeckOK/Heiderhoff, Art. 23 EGBGB Rn. 24; JurisPK/Behrentin, Art. 23 EGBGB Rn. 20; Erman/Stürner, Art. 23 EGBGB Rn. 15; Sturm, StAZ 1997, 261, 267, 269.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
mittlerweile an einem anderen Ort wohnhaft ist).352 Da aber auch das deutsche Recht zwingend die Zustimmung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung erfordert, hilft Art. 23 S. 2 EGBGB auch dann nicht weiter, wenn die Zustimmung der Mutter nicht mehr nachgeholt werden kann.353 Die Notwendigkeit der Hilfsanknüpfung spricht ebenfalls dafür, dass auf die ganze Vorschrift (jedenfalls in Bezug auf die Anerkennungserklärung) besser verzichtet worden wäre, zumal auch die Anwendung von Satz 2 in der Praxis Schwierigkeiten bereitet.354
V. Beachtung des renvoi Verweist eine der Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf ein ausländisches Recht, stellt sich die Frage, ob eine Rück- oder Weiterverweisung (renvoi) durch das internationale Privatrecht dieses Staates zu befolgen ist. Häufig wird der renvoi zu einer Rechtsordnung führen, auf die bereits eine der anderen Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB verweist. Das ausländische Kollisionsrecht kann jedoch auch zu einer weiteren Rechtsordnung führen: So gibt es Rechtsordnungen, die einen anderen Anknüpfungspunkt als das deutsche Recht verwenden wie etwa das Heimatrecht des Kindes,355 das Heimatrecht der Mutter356 oder auch das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Mutter.357 Grundsätzlich ist nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB eine Rück- und Weiterverweisung zu befolgen. Nur sofern die Anwendung des ausländischen Kollisionsrechts dem Sinn der Verweisung widerspricht, ist die Verweisung als Sachnormverweisung zu verstehen, S. 2. Im Rahmen von Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist umstritten, ob und wann die Beachtung des renvoi dem Sinn der Verweisung widerspricht.358 Nach einer überwiegenden Meinung in der Literatur und der Rechtsprechung liegt ein Widerspruch dann vor, wenn sich durch die Befolgung des 352 OLG Celle (18.10.1988), StAZ 1989, 9 f.; Sturm, StAZ 1997, 261, 266 mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung. Weitere Fälle außerdem bei BeckOK/Heiderhoff, Art. 23 EGBGB Rn. 24; MüKo/Helms, Art. 23 EGBGB Rn. 29. 353 NomosK/Benicke, Art. 23 EGBGB Rn. 38. 354 Vgl. Sturm, StAZ 1997, 261, 270, der ebenso vorschlägt, auf Art. 23 EGBGB ganz zu verzichten. 355 Beispielsweise Ungarn (§ 31 Abs. 1 IPRG), Rumänien (für die nichteheliche Abstammung, Art. 2.605 Abs. 1 ZGB); Italien (§ 33 Abs. 1 IPRG), Österreich (bei einem ehelichen Kind, sofern kein gemeinsames Heimatrecht der Eltern existiert, § 21 i. V. m. 9 Abs. 1 sowie bei einem nichtehelichen Kind § 25 Abs. 1 i. V. m. 9 Abs. 1 IPRG), Frankreich (für die Anerkennung, Art. 311-17 CC). Der Unterschied zu Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB besteht darin, dass auch das Heimatrecht der Mutter, sofern sie ihre Staatsangehörigkeit an das Kind weitergibt (ius sanguinis Prinzip), für die Vaterschaftsfeststellung heranzogen werden kann oder das Recht des Geburtsstaates Abstammungsstatut ist, wenn dieses dem ius soli Prinzip folgt. 356 So etwa Frankreich für die gesetzliche Zuordnung (Art. 311-14 CC). 357 Zum Beispiel Finnland (für die Vaterschaft kraft Gesetzes, § 48 VaterG). 358 Ausführlich zum Streitstand Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 27.
D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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renvoi die Anzahl der anwendbaren Rechtsordnungen verringert.359 Dies ist der Fall, wenn das ausländische Kollisionsrecht auf eine Rechtsordnung verweist, die bereits von einer anderen Alternative des Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufen ist. Begründet wird dies mit dem Günstigkeitsprinzip: Art. 19 Abs. 1 EGBGB stelle mit seiner Mehrfachanknüpfung gerade eine Vielzahl an Rechtsordnungen zur Verfügung, um eine Feststellung einer Abstammung zu ermöglichen. Verkleinere sich durch die Befolgung der Rück- oder Weiterverweisung der Kreis der anwendbaren Rechtsordnungen, so verminderten sich dadurch die Chancen einer Abstammungsfeststellung und widersprächen damit dem Günstigkeitsprinzip.360 Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Zuzustimmen ist zwar, dass das Günstigkeitsprinzip für die Frage heranzuziehen ist, ob der renvoi dem Sinn der Verweisung widerspricht; das daraus resultierende Ergebnis ist indes ein anderes. Sinn der Mehrfachanknüpfung ist es schließlich nicht, möglichst viele Rechtsordnungen zu berufen – dies ist nur das Mittel zum Ziel –, sondern die Feststellung der Abstammung zu ermöglichen. Führt die Gesamtverweisung zu einer Elternschaft, ist dieses Ziel bereits erreicht und damit widerspricht die Gesamtverweisung in diesem Fall nicht dem Sinn der Verweisung. Nur wenn durch den renvoi eine Rechtsordnung berufen wird, die keine Feststellung der Abstammung zulässt, das materielle Recht des erstverwiesenen Staates hingegen eine Abstammungsbegründung vorsieht, fordert es das Günstigkeitsprinzip eine Sachnormverweisung anzunehmen.361 Die Vorzugswürdigkeit der hier vertretenen Ansicht soll folgendes Beispiel verdeutlichen: Art. 19 Abs. 1 EGBGB verweist auf Rechtsordnung 1 (R1) und Rechtsordnung 2 (R2). R2 wiederum verweist auf R3. Nach der ersten Meinung müsste in diesem Fall die Weiterverweisung berücksichtigt werden, da sich die Anzahl der anwendbaren Rechtsordnungen dadurch nicht verringert – es bleiben zwei Rechtsordnungen anwendbar. Sofern allerdings nur R2 eine Vaterschaft begründet, bliebe diese damit – jedenfalls bei stringenter Anwendung 359 OLG Celle (10.03.2011), FamRZ 2011, 1518, 1520; OLG Hamm (07.04.2008), FamRZ 2009, 126, 127; OLG Stuttgart (03.08.2000), FamRZ 2001, 246, 248 (zum alten Recht); Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 25; Henrich, Internationales Familienrecht, S. 224 f.; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 34; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 107; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, § 4 Rn. 1011 f.; Sturm, StAZ 2003, 353, 356; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 45. Differenzierend zwischen den Anknüpfungspunkten: Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB Rn. 311 ff.; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 4; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 131, 134; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 410. 360 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 25; Henrich, Internationales Familienrecht, S. 225. 361 Vgl. BGH (03.08.2016), FamRZ 2016, 1847, 1849; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 39; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 33 f.; OLG Nürnberg (25.05.2005), FamRZ 2005, 1697, 1698; OLG München (19.07.2016), FamRZ 2016, 1599, 1600; OLG Nürnberg (14.09.2015), FamRZ 2016, 920, 921; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB Rn. 311 ff.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
dieses Kriteriums – unberücksichtigt. Das Kriterium eignet sich folglich nicht für die Frage, ob der renvoi dem Sinn des Art. 19 Abs. 1 EGBGB widerspricht. Die hier vertretene Ansicht würde die Vaterschaft ohne Weiteres bejahen und entspricht damit dem Günstigkeitsprinzip. Teilweise wird auch – ebenso unter Bezugnahme auf das Günstigkeitsprinzip – die Ansicht vertreten, Sachnorm- und Gesamtverweisung seien gleichermaßen zu berücksichtigen. So sollen nach Ansicht dieser Vertreter „die Beachtung und Nichtbeachtung des renvoi ebenso gleichrangige, gegenseitig austauschbare Alternativen darstellen wie die Anwendung der von Art. 19 Abs. 1 EGBGB nebeneinander angebotenen Statute“.362 Dies kann jedoch zur Folge haben, dass das erstberufene und das zweitberufene Recht zwei unterschiedliche Väter (oder Mütter) feststellen. Im Hinblick auf die Schwierigkeit konkurrierende Elternschaften interessensgerecht zu lösen, sollte dieses Ergebnis möglichst vermieden werden. Auch das Günstigkeitsprinzip erfordert eine solche Auslegung nicht: Die Mehrfachanknüpfung möchte dem Kind lediglich zu einer Mutter und einem Vater verhelfen, nicht hingegen mehrere Elternteile zur Auswahl bereitstellen.363 Durch den renvoi sollte man mithin die Gefahr von konkurrierenden Vaterschaften nicht zusätzlich erhöhen und daher ist primär eine Gesamtverweisung anzunehmen.364 Sofern wiederum ein anderer Teil in der Literatur365 vom Grundsatz der Sachnormverweisung ausgeht und nur sekundär eine Gesamtverweisung annimmt, wenn das Sachrecht des erstverwiesenen Rechts keine Abstammung vorsieht, widerspricht dies Art. 4 Abs. 1 EGBGB und ist deshalb ebenso abzulehnen. Die Annahme einer Gesamtverweisung entspricht ferner auch dem Interesse der deutschen Standesämter und Gerichte, da eine Rückverweisung auf deutsches Recht somit grundsätzlich zu beachten ist.366 Wird deutsches Recht nicht bereits direkt von Art. 19 Abs. 1 EGBGB für anwendbar erklärt – etwa weil das Kind im Ausland lebt und nur die Mutter, nicht aber der Vater, die deutsche 362 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-150; im Ergebnis letztlich auch JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 107. 363 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 34; a. A. JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 107, der den Widerspruch nach den gleichen Kriterien lösen möchte, wie wenn die verschiedenen Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. 364 So auch MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 34 („Weisen demgegenüber die nach Art. 19 Abs. 1 anwendbaren Rechte ausnahmsweise einem Kind zum gleichen Zeitpunkt unterschiedliche Personen als Vater oder Mutter zu, kann nach der hier vertretenen Ansicht der hieraus resultierende Normenwiderspruch durch Berücksichtigung des Renvoi eventuell durchaus vermieden werden.“ Hervorhebungen wurden von der Verfasserin entfernt). 365 Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 45; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 410 (allerdings nur für Art. 19 Abs. 1 S. 2 und S. 3 EGBGB); v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 134 (nur für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt). 366 Vgl. allgemein zur Förderung des Heimwärtsstrebens durch Beachtung des renvoi, Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 141.
E. Probleme bei der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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Staatsangehörigkeit besitzt –, eröffnet die Anerkennung der Rückverweisung noch die Möglichkeit das eigene, bekannte Recht anzuwenden.367
E. Probleme bei der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB Nachdem im vorherigen Abschnitt dargelegt wurde, wie sich das Abstammungsstatut nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB bestimmt und welche Schwierigkeiten sich hierbei ergeben können, befasst sich der folgende Abschnitt mit den Problemen, die die Anwendung der Vorschrift mit sich bringt. Angefangen mit der Frage, wie zu verfahren ist, wenn die verschiedenen Anknüpfungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wird ein besonderes Augenmerk auf die Frage gelegt, wie Art. 19 Abs. 1 EGBGB die neuen Herausforderungen wie Leihmutterschaft, gleichgeschlechtliche Elternschaft, Mehrelternschaft und missbräuchlich abgegebene Vaterschaftsanerkenntnisse bewältigt. Abschließend wird untersucht, inwiefern die alternative Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, die über Art. 20 Abs. 1 EGBGB auch für die Anfechtung einer Abstammungsbeziehung gilt – wenn auch nur im eingeschränkten Maße –, dort zu überzeugenden Ergebnissen führt.
I. Konkurrierende Vaterschaften Begründen die jeweiligen Anknüpfungen alle die Vaterschaft des gleichen Mannes oder besteht nur nach einer Rechtsordnung eine Vaterschaft, während die anderen Rechtsordnungen keine Zuordnung vorsehen, ergeben sich bei der Anwendung der Norm keine Schwierigkeiten. Äußerst misslich ist die Lage jedoch, wenn die Anknüpfungen zu unterschiedlichen Ergebnissen, sprich zu unterschiedlichen Vätern, führen. Ist etwa ein Kind kurz nach der Scheidung der Mutter geboren, kann das Kind bei einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nach deutschem Sachrecht von dem neuen Lebensgefährten der Mutter anerkannt werden. Andere Rechtsordnungen wie etwa das polnische Recht weisen hingegen das Kind dem Ex-Ehemann zu, wenn die Empfängniszeit in die Zeit der Ehe fällt.368 Sieht das Heimatrecht des Ehemanns eine solche Zuordnung vor, stellt sich die Frage, welche Anknüpfung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB nun anwendbar sein soll und mithin, wer von beiden der rechtliche Vater ist. Nach der alten Rechtslage war zwar grundsätzlich eine Konkurrenzsituation ebenfalls möglich, allerdings nur zwischen zwei Ehemännern oder zwischen zwei Anerkennenden; diese Fälle traten jedoch nur äußerst selten auf.369 Das Problem bestand nicht im gleichen Maße, da eine Konkurrenz zwischen einem 367
Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-151. § 1 S. 1 poln. FVGB. Für weitere Rechtsordnung siehe oben S. 10 Fn. 39. 369 Vgl. hierzu Looschelders, Anpassung im IPR, S. 386 ff.; Müller, StAZ 1989, 301, 305. 368 Art. 62
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
(geschiedenen) Ehemann und einem Anerkennenden bereits durch das Kollisionsrecht ausgeschlossen war.370 Nur wenn keine der Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB a. F. eine Abstammung als eheliches Kind vorsah, konnte nach Art. 20 Abs. 1 EGBGB a. F. die nichteheliche Abstammung geprüft werden.371 Die eheliche Abstammung hatte insofern stets Vorrang gegenüber der unehelichen Abstammung. Durch die Neufassung der Vorschrift, in der die Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern aufgehoben und die Abstammung in einer Vorschrift zusammengefasst wurde, ist dieser Vorrang abgeschafft worden. Das dadurch vermehrt entstehende Problem der kollidierenden Vaterschaft hat der Gesetzgeber offenbar nicht bedacht und es beschäftigt daher seit Beginn der Neufassung die Literatur und Gerichte.
1. Fallgruppen Die Fallkonstellationen, in denen konkurrierende Vaterschaften entstehen können, sind vielfältig.372 Es soll hier nicht jede erdenklich mögliche Konstellation im Detail aufgezeigt werden, sondern nur ein Überblick über die Fallgruppen gegeben werden, wobei die häufigsten Konstellationen hervorgehoben werden.
a) Kollision von gesetzlicher Zuordnung und Anerkennung Der häufigste Fall konkurrierender Vaterschaften ist der, dass eine gesetzliche Vaterschaftszuordnung mit einer Anerkennung kollidiert.373 Dies geschieht, wie auch anfangs bereits genannt, insbesondere häufig bei scheidungsnah geborenen Kindern:374 Bekommt eine Frau kurze Zeit nach ihrer Scheidung ein Kind in Deutschland, kann ihr neuer Lebensgefährte nach deutschem Recht dieses anerkennen, da das deutsche Recht keine Zuordnung zum geschiedenen Ehemann mehr vorsieht. Sofern der geschiedene Ehemann jedoch einem Staat angehört, der das Kind dem Ex-Ehemann zuordnet, wenn die Empfängniszeit noch in die Ehe fällt, ist er nach seinem Heimatrecht Vater des Kindes. Ebenso können widersprüchliche Zuweisungen entstehen, wenn zwei Rechtsordnungen berufen werden, die die Konkurrenz zwischen einem Anerkennenden und einem Ehemann unterschiedlich lösen. Nach deutschem Recht ist der Ehemann der rechtliche Vater des Kindes, § 1592 Nr. 1 BGB; die Anerkennung des Dritten ist in diesem Fall nach § 1594 Abs. 2 BGB unwirksam. Andere Rechtsordnungen schränken hingegen die Vaterschaft des Ehemanns in bestimmten Konstellatio370
Hepting, StAZ 2000, 33, 34. die historische Betrachtung oben auf S. 63 ff. den Überblick bei Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 24 ff. Vgl. ferner auch die Beispiele bei MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 20 ff.; Frie, StAZ 2019, 1, 8 ff.; Sturm, StAZ 2003, 353 und Hepting, StAZ 2000, 33, 36 ff. 373 Sturm, StAZ 2003, 353, 356. 374 Mayer, NZFam 2021, 525; Dutta, StAZ 2016, 200. 371 Vgl. 372 Vgl.
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nen ein. Nach französischem Recht wird der Ehemann etwa nicht der rechtliche Vater, wenn die Mutter ihn nicht in die Geburtsurkunde eintragen lässt.375 In diesem Fall ist somit eine Anerkennung eines Dritten, etwa dem neuen Lebensgefährten der Mutter, möglich. Beruft Art. 19 Abs. 1 EGBGB beide Rechtsordnungen zur Anwendung, etwa, weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hat (S. 1) und der Anerkennende Deutscher ist (S. 2), kommt es damit zu einer Konkurrenz zwischen dem Ehemann und dem Anerkennenden. Eine Konkurrenz von gesetzlicher Zuordnung und Anerkennenden ist ferner auch denkbar in Fällen der künstlichen Befruchtung mittels einer anonymen Samenspende:376 So sehen einige Rechtsordnungen den Mann, der der heterologen Insemination zugestimmt hat, bereits kraft Gesetzes als Vater an, während andere Rechtsordnungen wie das deutsche Recht eine solche automatische Zuordnung nicht kennen und daher auch eine Anerkennung eines Dritten, etwa des neuen Lebensgefährten der Mutter, zulassen.377 Dieser Fall dürfte jedoch eher selten sein, da anzunehmen ist, dass wenn die Beteiligten sich bei der künstlichen Befruchtung über den Kinderwunsch einig waren, sie dies auch noch neun Monate später sind – sicher ist dies aber freilich nicht.
b) Kollision zweier gesetzlicher Zuordnungen Ebenso möglich – wenn auch weniger wahrscheinlich – ist das Zusammentreffen zweier gesetzlicher Zuordnungen.378 Denkbar ist dies, wenn die Mutter innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod ihres ersten Ehemanns ein Kind bekommt und sie zum Zeitpunkt der Geburt bereits wieder verheiratet ist. Die Entscheidung, ob das Kind dem ersten oder dem zweiten Ehemann zugeordnet werden soll, wird unterschiedlich bewertet.379 So wird etwa nach deutschem Recht das Kind dem neuen Ehemann zugeordnet, § 1593 S. 3 BGB, wohingegen das niederländische Recht den verstorbenen Ehemann als rechtlichen Vater des Kindes ansieht.380 Die Anknüpfungen führen mithin zu unterschiedlichen Ergebnissen.
c) Kollision zweier Anerkennungen Schließlich ist auch eine Kollision zwischen zwei Anerkennenden denkbar, wenn auch erneut eher unwahrscheinlich.381 Erklären zwei Männer ihre Vaterschaft, etwa der alte und der neue Lebensgefährte der Mutter, weil beide sich 375 Art. 313
S. 1 franz. CC; vgl. hierzu auch Ferrand/Francoz-Terminal, FamRZ 2009, 1539, 1541. 376 Beispiel auch bei Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 37. 377 Vgl. zu den unterschiedlichen Regelungen bei Durchführung einer heterologen Insemination oben S. 22 ff. 378 Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 31 f.; Sturm, StAZ 2003, 353, 360. 379 Vgl. die rechtsvergleichende Übersicht oben auf S. 11. 380 Art. 1:199 b niederl. BW. 381 Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 33 ff.; Sturm, StAZ 2003, 353, 360.
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für den Vater des Kindes halten, kann es vorkommen, dass beide Männer nach unterschiedlichen Rechten als Väter angesehen werden. Hat die Mutter nur dem später Anerkennenden zugestimmt, ist nach deutschem Recht dieser der rechtliche Vater, da das deutsche Recht eine Zustimmung für die Wirksamkeit voraussetzt. Zwar geht grundsätzlich eine zuerst entstehende Anerkennung einer später erklärten Anerkennung vor, allerdings nur wenn auch die erste wirksam ist und mithin alle Voraussetzungen erfüllt sind. Ist der zuerst Anerkennende allerdings Franzose ist seine Anerkennung nach seinem Heimatrecht wirksam, da eine Zustimmung nach französischem Recht382 nicht erforderlich ist.383 Die zuerst erklärte Anerkennung geht nach französischem Recht der zweiten Anerkennung vor. Damit konkurriert hier die Vaterschaft des deutschen mit der Vaterschaft des französischen Anerkennenden.
2. Verhältnis der Anknüpfungen zueinander: Alternative oder subsidiäre Anknüpfung Kommen die verschiedenen Anknüpfungen zu unterschiedlichen Ergebnissen stellt sich zunächst die Frage, ob die Anknüpfungen in einer vom Gesetz vorgegebenen Rangfolge zueinanderstehen. In diesem Fall ergäbe sich bereits aus dem Gesetz, welche Alternative bei einem Konfliktfall anzuwenden ist. Teilweise wird in der Literatur angenommen, die Anknüpfungen stehen in einem Hierarchieverhältnis: Danach solle der gewöhnliche Aufenthalt Vorrang gegenüber den anderen beiden Anknüpfungen haben.384 Es handle sich mithin um eine subsidiäre Anknüpfung. Bestimmt bereits das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eine Vaterschaft, erübrige sich die Prüfung der anderen beiden Anknüpfungen. Nur wenn das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zu keiner Vaterschaft führt,385 könne auf die anderen beiden Anknüpfungen abgestellt werden. Die Anknüpfungen an das Heimatrecht und an das Ehewirkungsstatut würden insofern nur als Hilfsanknüpfungen fungieren. Für die Subsidiarität wird zunächst der Wortlaut des Art. 19 Abs. 1 EGBGB angeführt. So „unterliegt“ die Abstammung dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts nach S. 1, während sie nach dem Heimatrecht und dem Ehewirkungsstatut lediglich „be382 Art. 316
frz. CC. das Kind hat nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, da dann aufgrund von Art. 23 S. 1 EGBGB doch die Zustimmung der Mutter für die Wirksamkeit erforderlich wäre. 384 So Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 909 f.; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 35 ff.; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 132; Dethloff, IPRax 2005, 326, 329; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 106. 385 Nach Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 42 ff. ist dies der Fall, wenn im Zeitpunkt der Geburt das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts keinen Vater bestimmt. Die anderen Vertreter äußern sich hingegen nicht zu dem relevanten Zeitpunkt, ab dem auf die subsidiären Anknüpfungen abgestellt werden dürfen. 383 Vorausgesetzt
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stimmt werden kann“.386 Zudem stützen sich die Vertreter dieser Ansicht auf die Gesetzesbegründung, in der die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt als „Regelanknüpfung“ bezeichnet wird.387 Für diese Ansicht spreche ferner, dass dadurch die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erhöht werden, da es keiner mit Unsicherheit verbundenen Auswahl des günstigsten Vaters bedarf.388 Die Feststellung der Abstammung nach dem Umweltrecht des Kindes entspreche schließlich dem kollisionsrechtlichen Interesse des Kindes, aber gleichzeitig auch dem Interesse der potentiellen Väter, da beide somit zunächst an der gleichen Rechtsordnung gemessen werden und damit keiner kollisionsrechtlich bevorzugt oder benachteiligt wird.389 Zwar hat die Annahme einer Rangfolge in der Tat den Vorteil, dass widersprüchliche Ergebnisse in der Regel vermieden werden,390 dennoch sprechen die besseren Argumente für eine alternative Anknüpfung.391 Der Wortlaut ist jedenfalls nicht eindeutig, aber lässt ebenso eine alternative Anknüpfung zu: die Worte „auch“ und „ferner“ sprechen etwa eher für eine Gleichrangigkeit der Anknüpfung als für ein hierarchisches Verhältnis.392 Jedenfalls spricht entscheidend für die Annahme einer alternativen Anknüpfung ein historischer Vergleich mit der Vorgängernorm des Art. 19 EGBGB. Der Wortlaut des heutigen Art. 19 Abs. 1 EGBGB entspricht nahezu dem Wortlaut des damaligen Art. 20 Abs. 1 EGBGB – wenn auch mit anderen Anknüpfungen. Zu Art. 20 EGBGB a. F. war es jedoch allgemeine Meinung, dass die Anknüp386 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 909; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 132; Dethloff, IPRax 2005, 326, 329; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 106; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 42. 387 BT-Drucks. 13/4899, S. 137; Dethloff, IPRax 2005, 326, 329; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 43; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 132. 388 v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 132; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 106. 389 Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 43. 390 Konkurrierende Vaterschaften werden jedoch auch bei Annahme der Subsidiarität dann nicht vermieden, wenn nur S. 2 und S. 3 zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Die Vertreter dieser Ansicht gehen nämlich nur von einem Vorrang von S. 1 aus, wohingegen die anderen beiden Alternativen auf gleicher Stufe stehen sollen, siehe Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 910; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 106 f. Allerdings dürfte dieser Fall nur selten eintreten, vgl. hierzu unten S. 136. 391 Für eine alternative Anknüpfung BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 893; BGH (03.08.2016), FamRZ 2016, 1847 f.; BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1253; BGH (03.05.2006), FamRZ 2006, 1745; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 58 m. w. N. zur Rechtsprechung; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 22; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 6; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 22; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 16; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 17; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 23. Gaaz, StAZ 1998, 241, 250; Sturm, StAZ 2003, 353, 355; Dörner, in: FS Henrich, 119, 120; Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; Hepting, StAZ 2002, 129, 131 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 409; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 997; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-145; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 496; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 81 ff. 392 Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 84.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
fungen in einem alternativen Verhältnis zueinanderstehen.393 Hätte der Gesetzgeber hieran etwas ändern wollen, hätte er dies mit Sicherheit im Wortlaut der Norm oder jedenfalls in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht.394 Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr lässt auch die Gesetzesbegründung auf eine alternative Anknüpfung schließen: So tritt laut der Begründung die Möglichkeit, die Abstammung nach dem Heimatrecht des jeweiligen Elternteils zu bestimmen, neben die Anknüpfung nach S. 1.395 Auch die Bezeichnung des gewöhnlichen Aufenthalts als Regelanknüpfung ändert hieran nichts: Dies lässt sich damit erklären, dass statistisch gesehen, die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt am häufigsten von den Standesämtern und den Gerichten angewandt wird, da sie in den meisten Fällen zum deutschen Recht führt.396
3. Notwendigkeit der Begrenzung auf einen Vater Bestimmen die Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zwei unterschiedliche Väter, muss eine Auswahl zwischen den Vätern getroffen werden.397 Die Notwendigkeit die Elternschaft auf einen der beiden Väter zu begrenzen, ergibt sich dadurch, dass keine der berufenen Rechtsordnungen eine doppelte Vaterschaft 393 MüKo/Klinkhardt, 2. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 23; Soergel/Kegel, Art. 20 EGBGB Rn. 10; Staudinger/Kropholler, 12. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 53; Palandt/Heldrich, 56. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 6; Erman/Hohloch, 9. Aufl., Art. 20 EGBGB Rn. 12; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 193, 195; Lüderitz, Internationales Privatrecht, Rn. 367; Ferid, Internationales Privatrecht, Rn. 8–307; v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rn. 311; Beitzke, ZfJ 1986, 537. Weitere Verweise bei Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 83 Fn. 60. Vgl. hierzu auch die historische Betrachtung auf S. 63 ff. 394 Dörner, in: FS Henrich, 119, 120; Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; Sturm, StAZ 2003, 353, 355; Henrich, StAZ 1998, 1, 3 f.; Gaaz, StAZ 1998, 241, 250. 395 BT-Drucks. 13/4899, S. 137 („daneben“); Vgl. Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 109. 396 OLG Schleswig (19.08.2002), FamRZ 2003, 781, 782; Hepting, StAZ 2002, 129, 133; Sturm, StAZ 2003, 353, 354. 397 Dass eine Auswahl zwischen den Vätern zu erfolgen hat, ist einhellige Meinung. Eine Begründung für die Begrenzung auf einen rechtlichen Vater unterbleibt jedoch in der Regel. Sofern die Frage thematisiert wird, fällt die Begründung unterschiedlich aus: Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 910 (Doppeleltern sind untragbar); Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 108 f. (ungewollte Normenhäufung, der kollisionsrechtlich zu begegnen ist); so auch JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 65; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 105 (allgemeiner, dem deutschen Familienrecht zugrundeliegender Rechtsgedanke, dass ein Kind nur zwei Eltern haben kann); Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 72 ff. mit einem Überblick über die Meinungen (verfassungskonforme Auslegung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, da eine doppelte Vaterschaft gegen Art. 6 Abs. 2 GG verstoßen würde); Waldburg, Anpassungsprobleme im internationalen Abstammungsrecht, S. 97 (Mehrvaterschaft ist mit den deutschen Wertvorstellungen und dem Kindeswohl unvereinbar); Witzleb, in: FS Martiny, 203, 219 (Mehrzahl von rechtlichen Vaterschaften ist dem deutschen Recht fremd); Sturm, in: FS Stoll, 451, 454 (Normenhäufung). Noch zum alten Recht Looschelders, Anpassung im IPR, S. 118 f. (der Zweck der berufenen Sachnormen, die klare und eindeutige Zuordnung des Kindes zu einem Vater, wird verfehlt); Müller, StAZ 1989, 301, 305 (Unvereinbarkeit mit den Grundprinzipien des deutschen Rechts).
E. Probleme bei der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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und damit eine Mehrelternschaft – bestehend aus der Mutter und den beiden Vätern – vorsieht.398 Die Rechtsordnungen bezwecken jeweils nur eine „Zuordnung des Kindes zu einem Vater“.399 Die doppelte Vaterschaft ergibt sich erst aufgrund der Anwendung mehrerer Rechtsordnungen.400 Es handelt sich folglich um einen Normenwiderspruch, der mittels Anpassung beseitigt werden muss.401 Es kommt insbesondere nicht, wie teils vertreten wird, darauf an, ob eine Mehrelternschaft mit den deutschen Wertvorstellungen vereinbar sei.402 Wie die Auswahl zwischen den konkurrierenden Vätern letztlich jedoch vorzunehmen ist, ist höchst umstritten und Gegenstand der folgenden Ausführungen.
4. Vorliegen konkurrierender Vaterschaften im Falle einer Anerkennungssperre? Nach einer Ansicht, der sich auch der BGH403 angeschlossen hat, liegen im Großteil der Fälle gar keine konkurrierenden Vaterschaften vor, da das Sachrecht den Konflikt häufig selbst löse: Ordnet eines der nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechte das Kind dem geschiedenen Ehemann zu, sei die Anerkennung durch den Lebensgefährten nach ebenfalls anwendbarem deutschen Recht gemäß § 1594 Abs. 2 BGB gesperrt.404 Die Vorschrift besagt, dass 398 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 65; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 109. 399 Looschelders, Anpassung im IPR, S. 118 f. 400 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 65. 401 Sturm, in: FS Stoll, 451, 453; Sturm, StAZ 2003, 353, 355; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 65; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 17; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 79 ff.; zum alten Recht Looschelders, Anpassung im IPR, S. 118 f. Ausdrücklich gegen die Methode der Anpassung Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 84. 402 So aber Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 910; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, S. 105; Waldburg, Anpassungsprobleme im internationalen Abstammungsrecht, S. 97; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 219; zum alten Recht Müller, StAZ 1989, 301, 305. 403 BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334, 1335; BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848, 1849; BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687, 1689. 404 OLG Düsseldorf (28.03.2019), FamRZ 2020, 357; OLG Hamm (24.07.2019), StAZ 2019, 370; OLG Nürnberg (14.09.2015), FamRZ 2016, 920, 922; OLG Köln (07.06.2013), StAZ 2013, 319; OLG Hamm (07.04.2008), FamRZ 2009, 126, 127; BayObLG (11.01.2002), FamRZ 2002, 686, 687; Hepting, StAZ 2000, 33, 39; Hepting, IPRax 2002, 388, 391; Looschelders, IPRax 1999, 420, 422; Looschelders, RabelsZ 67 (2003), 187, 192, 195; Hepting/ Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-200, V-203; Frie, StAZ 2017, 104, 107; Dutta, StAZ 2016, 200, 201; Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 109 f.; Gaaz, StAZ 1998, 241, 250; Mayer, IPRax 2023, 264, 267; im Ergebnis letztlich offengelassen KG (05.01.2016), FamRZ 2016, 922, 924 f.; a. A. KG (05.05.2020), FamRZ 2020, 1478, 1479; KG (29.11.2016), FamRZ 2017, 814, 815; OLG Karlsruhe (02.02.2015), FamRZ 2015, 1636, 1638; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 21, 26 f.; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 73; Sturm, StAZ 2003, 353, 359 Fn. 72; Sturm, in: FS Stoll, 451, 458; Franck, FamRZ 2020, 307, 309; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 121 f.; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 52 f.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 90 ff.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
eine Anerkennung nicht wirksam ist, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Hierunter könne nicht nur eine Vaterschaft nach deutschem Recht fallen, sondern auch eine solche nach ausländischem Recht.405 Die Frage, ob die Vaterschaft eines anderen besteht, stelle eine Vorfrage dar, die wiederum selbstständig nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB anzuknüpfen ist.406 Gleiches gelte, wenn ausländisches Recht auf die Anerkennung anwendbar ist und dieses eine dem § 1594 Abs. 2 BGB entsprechende Anerkennungssperre vorsieht.407 Ein tatsächlicher Konflikt zwischen gesetzlicher Zuordnung und Anerkennung besteht nach dieser Ansicht nur dann, wenn das auf die Anerkennung anwendbare Recht keine Anerkennungssperre kennt. Diese Ansicht überzeugt jedoch aus verschiedenen Gründen nicht und ist daher abzulehnen. So ist diese Auslegung mit dem Grundsatz der Gleichrangigkeit der Anknüpfungen nicht vereinbar: Werden mehrere Sachrechte gleichrangig nebeneinander berufen, so „müssen diese auch jeweils isoliert für sich geprüft werden.“408 Es ist widersprüchlich „den Konflikt zweier gleichrangiger Anknüpfungsvarianten dadurch zu lösen, die eine Anknüpfung in die andere zu integrieren, wodurch die eine der anderen untergeordnet wird.“409 Letztlich unterliegt die Ansicht auch einem Zirkelschluss, wenn sie im Rahmen der Abstammungsfrage die Frage der Abstammung als Vorfrage anknüpft.410 Stellt man bei der Anwendung von § 1594 Abs. 2 EGBGB die Vorfrage nach einer bereits bestehenden Vaterschaft und bestimmt eine der anderen Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB eine Vaterschaft eines anderen Mannes – etwa die Vaterschaft des geschiedenen Ehemanns – ist damit noch nicht entschieden, ob diese Alternative letztlich auch Anwendung findet und somit, ob diese Vaterschaft auch tatsächlich nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB besteht. Es handelt sich hierbei lediglich um ein Zwischenergebnis. Welcher Alternative der Vorrang zu geben ist, bedarf gerade noch der Entscheidung – sowohl bei der Hauptfrage als auch bei der Vorfrage. Entscheidet man sich insofern für die Alternative, die zum deutschen Recht führt, ist diese Alternative auch bei der Vorfrage anzuwenden und 405 BayObLG (11.01.2002), FamRZ 2002, 686, 687; Looschelders, IPRax 1999, 420, 422; Hepting, StAZ 2000, 33, 39; Frie, StAZ 2017, 103, 107. Siehe auch die Nachweise in den beiden vorherigen Fußnoten. 406 Dutta, StAZ 2016, 200, 201; Hepting, StAZ 2000, 33, 39; Looschelders, RabelsZ 67 (2003), 187, 192; Frie, StAZ 2017, 104, 107; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-203. 407 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-200; Hepting, IPRax 2002, 388, 391; Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 110. 408 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 21; dem u. a. zustimmend KG (05.05.2020), FamRZ 2020, 1478, 1479; Franck, FamRZ 2020, 307, 309; OLG Karlsruhe (02.02.2015), FamRZ 2015, 1636, 1638. 409 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 52 f.; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 73. 410 KG (05.05.2020), FamRZ 2020, 1478; Sturm, StAZ 2003, 353, 359 Fn. 72; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 121 f.
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danach besteht gerade keine Vaterschaft eines anderen. Zu dem Ergebnis, dass die Vaterschaft des geschiedenen Ehemanns besteht, kommt man nur, wenn man zusätzlich dem Prioritätsprinzip folgt und der früher eintretenden Vaterschaft kraft Gesetzes der später erklärten Anerkennung den Vorrang gibt.411 In diesem Fall wird der Konflikt aber gerade durch das Prioritätsprinzip gelöst und nicht durch die Anwendung der Anerkennungssperre. Noch weniger erschließt sich jedoch, wie man bei gleichzeitig entstehenden Vaterschaften zu der Erkenntnis kommt, dass die ausländische Vaterschaft bereits besteht.412 Das Problem der konkurrierenden Vaterschaften wird also nur scheinbar durch die Anwendung der Anerkennungssperre bei ausländischer Statuszuweisung gelöst; in Wirklichkeit bedarf es trotzdem eines Rückgriffs auf andere Lösungsvorschläge wie das Prioritätsprinzip. Letztlich ist es daher überzeugender die Sachrechte von vornherein isoliert voneinander zu prüfen.
5. Nacheinander entstehende Vaterschaften: Prioritätsprinzip Geht man mithin davon aus, dass der Konflikt nicht bereits sachrechtlich über die Anerkennungssperre gelöst ist oder aber im konkreten Fall keine Anerkennungssperre existiert, bedarf es des Rückgriffs auf ein anderes Kriterium. Entstehen die Vaterschaften nach den jeweiligen alternativ berufenen Rechtsordnungen nacheinander, ist nach der Zustimmung verdienenden herrschenden Meinung das Prioritätsprinzip anwendbar.413 Danach setzt sich die Rechtsordnung durch, die dem Kind zeitlich als Erste einen Vater zuordnet. Die Zuordnung zum Ehemann kraft Gesetzes im Zeitpunkt der Geburt hat mithin Vorrang gegenüber einer erst nach Geburt erklärten Anerkennung. Bei konkurrierenden 411 Aus diesem Grund haben das OLG Nürnberg (14.09.2015), FamRZ 2016, 920, 921 ff., das BayObLG (11.01.2002), FamRZ 2002, 686, 687 ff. und das OLG Hamm (07.04.2008), FamRZ 2009, 126, 128 ff. das Prioritätsprinzip ausdrücklich bejaht. Der BGH bejaht das Prioritätsprinzip nicht ausdrücklich, seine Ausführungen zur Frage des relevanten Zeitpunktes lassen jedoch darauf schließen, dass er vom Prioritätsprinzip ausgeht, BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334, 1335; BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848, 1849; BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687, 1689; so auch Helms, StAZ 2018, 85, 86; Duden, FamRZ 2017, 1690; Franck, FamRZ 2020, 307, 309. 412 Ausdrücklich für das Eingreifen der Anerkennungssperre auch bei pränataler Anerkennung etwa OLG Düsseldorf (28.03.2019), FamRZ 2020, 357,359; OLG Hamm (24.07.2019), StAZ 2019, 370; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-200. 413 BGH (12.01.2022), FamRZ 2022, 624, 626; BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334, 1335; BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848, 1849; BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687, 1689; KG (29.11.2016), FamRZ 2017, 814, 815; OLG Nürnberg (14.09.2015), FamRZ 2016, 920, 922; OLG Hamm (07.04.2008), FamRZ 2009, 126, 128; BayObLG (11.01.2002), FamRZ 2002, 686, 687; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 21, 26; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 23; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 24; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 17; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 6; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-209; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 409; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 57; Hepting, StAZ 2000, 33, 35, 41; Helms, StAZ 2009, 293, 294; Frank, StAZ 2009, 65, 67, 70.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
Vaterschaftsanerkennungen ist damit diejenige maßgeblich, die zuerst wirksam ist.414 Das Prioritätsprinzip ist Ausdruck des Günstigkeitsprinzips.415 Zum Zeitpunkt der Entstehung der ersten Vaterschaft begründet allein diese Rechtsordnung ein Abstammungsverhältnis. Zu diesem Zeitpunkt ist noch ungewiss, ob zu einem späteren Zeitpunkt eine Anerkennung erfolgen wird – insbesondere dann, wenn die Anerkennung erst Monate oder sogar Jahre nach der Geburt erklärt wird. Da eine feststehende Vaterschaft, wie oben gesehen, im Hinblick auf unterhalts- und erbrechtliche Ansprüche für das Kind günstiger ist als eine Vaterlosigkeit, ist diese Rechtsordnung anzuwenden.416 Das Ziel der Alternativität, dem Kind möglichst zu einem Vater zu verhelfen, ist erreicht und es hat damit sein Bewenden.417 Die einmal begründete Abstammung kann dann nur noch mittels einer Anfechtung beseitigt werden.418 Ein Wechsel der Vaterschaft allein aufgrund einer– möglicherweise erst Monate oder sogar Jahre– später erklärten Anerkennung, die nach einer alternativ berufenen Rechtsordnung wirksam ist, wäre mit dem Interesse des Kindes und der Eltern an Rechtssicherheit und Statusbeständigkeit nicht zu vereinbaren.
6. Gleichzeitig entstehende Vaterschaftszuweisungen Das Prioritätsprinzip versagt allerdings in den Fällen, in denen die konkurrierenden Vaterschaften gleichzeitig wirksam werden. Hier muss das Problem mithilfe eines anderen Kriteriums gelöst werden.
a) Relevanter Zeitpunkt für die Gleichzeitigkeit: Geburt oder Eintragung im Geburtenregister Zunächst muss hierfür geklärt werden, auf welchen Zeitpunkt für die Frage abzustellen ist, ob die Vaterschaften gleichzeitig eingetreten sind. Als relevanter Zeitpunkt kommt sowohl der Zeitpunkt der Geburt419 als auch der Zeitpunkt 414 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 29; Dörner, in: FS Henrich, 119, 124; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 23. 415 BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 24; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 23; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1005; Hepting, StAZ 2000, 33, 35. Dagegen MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 21, der das Prioritätsprinzip rein formal begründet; ähnlich Frank, StAZ 2009, 65, 66 f., 70. 416 BayObLG (11.01.2002), FamRZ 2002, 686, 687. Siehe oben zum Günstigkeitsprinzip S. 95 ff. und Fn. 251. 417 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 409; Erman/Stürner, Art. 19 EGBGB Rn. 17. 418 BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334, 1335; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 21; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1005; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 409; Dutta, StAZ 2016, 200, 202. 419 So die h. M.: BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334, 1335; BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848, 1849; BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687, 1689; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-210; Dutta, StAZ 2016, 200, 202 f.; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 24; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1006; Frie, StAZ 2017, 104, 108.
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der Eintragung in das Geburtenregister420 als der Zeitpunkt, in dem regelmäßig die Abstammung zuerst geprüft wird, in Betracht. Stellt man auf ersteren ab, kommt es nur dann zu einer gleichzeitigen Statuszuweisung, wenn beide Vaterschaften bereits zum Zeitpunkt der Geburt wirksam begründet wurden, wie dies beim Zusammentreffen einer pränatalen Anerkennung und einer Zuordnung zum geschiedenen Ehemann der Fall ist. Hält man demgegenüber den Zeitpunkt der Eintragung für maßgebend, ist auch ein postnatales Anerkenntnis als gleichzeitig entstehende Vaterschaft zu berücksichtigen, sofern die Anerkennung noch vor Eintragung der Geburt erklärt wird. Letzteres bedeutet mithin, dass das Prioritätsprinzip nur auf die Fälle angewendet werden kann, in denen ein Anerkenntnis erst nach der Eintragung in das Geburtenregister abgegeben wird. Für den Zeitpunkt der Eintragung in das Geburtenregister spreche nach Ansicht deren Befürworter das Günstigkeitsprinzip: Nur so könne sich auch eine postnatale Anerkennung des wahrscheinlicheren genetischen Vaters gegen eine Vater-Kind-Zuordnung aufgrund (geschiedener) Ehe durchsetzen.421 Vaterschaftsanfechtungsverfahren würden somit von vornherein vermieden. Da es meist zufällig ist, ob ein Anerkenntnis vorgeburtlich oder erst wenige Tage nach der Geburt abgegeben wird, erscheine es nicht gerechtfertigt diese unterschiedlich zu bewerten.422 Dem ist indes mit dem BGH423 nicht zu folgen. Die Eintragung in das Geburtenregister eignet sich nicht als relevanter Zeitpunkt für die Beurteilung, da der Eintragung der Abstammung in das Geburtenregister nach deutschem Recht lediglich deklaratorische und gerade keine konstitutive Wirkung zukommen soll: Es soll mithin lediglich die bestehende Rechtslage dokumentiert werden.424 Dem würde es aber widersprechen, wenn man bis zur Eintragung der Abstammung einen Schwebezustand annehmen würde, in dem die Vaterschaft gerade noch nicht feststellbar ist. Darüber hinaus ist ein solcher Schwebezustand auch unter dem Aspekt der Rechtssicherheit und Statusklarheit abzulehnen.425 Ein Schwebezustand von wenigen Tagen ließe sich noch mit der Rechtssicher420
OLG München (29.06.2017), FamRZ 2017, 1691, 1692; OLG München (19.07.2016), FamRZ 2016, 1599, 1600; OLG Karlsruhe (02.02.2015), FamRZ 2015, 1636, 1638; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 43; Henrich, FamRZ 2016, 926; Henrich, FamRZ 2016, 1601; Henrich, FamRZ 2009, 129; Henrich, FamRZ 2002, 688; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 68; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 27. 421 Henrich, FamRZ 2016, 926; Henrich, FamRZ 2016, 1601; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 27. 422 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 68; Henrich, FamRZ 2016, 926. 423 BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687, 1689; BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848, 1848; BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334, 1335. 424 BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687, 1689; KG (29.11.2016), FamRZ 2017, 814, 815; Frie, StAZ 2017, 104, 108. 425 OLG Nürnberg (14.09.2015), FamRZ 2016, 920, 922; Frie, StAZ 2017, 104, 108; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-210.
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heit vereinbaren. Insbesondere bei der Eintragung einer Auslandsgeburt eines deutschen Kindes kann die Eintragung aber auch erst Monate nach der Geburt erfolgen, da hier keine gesetzliche Pflicht zur Eintragung besteht.426 Ein Abstellen auf die Eintragung in das ausländische Geburtenregister für Auslandsgeburten ist ebenfalls nicht überzeugend,427 da der Grund für das Abstellen auf die Beurkundung der Geburt gerade der ist, dass in diesem Zeitpunkt erstmals die Abstammung aus deutscher Sicht geprüft wird – dies trifft aber natürlich nur für die Eintragung in das deutsche Geburtenregister zu. Aber auch bei einer Inlandsgeburt kann es durchaus länger dauern, bis die Geburt tatsächlich beurkundet wird. Es läge letztlich in der Hand des Standesbeamten, darüber zu entscheiden, wie lange er mit der Eintragung abwartet, um noch eine Anerkennung zu ermöglichen.428 Für den Zeitpunkt der Geburt spricht hingegen, dass im Sachrecht das Abstammungsverhältnis kraft Gesetzes in diesem Zeitpunkt entsteht, da das Kind mit der Vollendung der Geburt die Rechtsfähigkeit erlangt.429 Für die Prüfung, ob Vaterschaften gleichzeitig entstanden sind, ist mithin auf diesen Zeitpunkt abzustellen.
b) Lösungsansätze Gleichzeitige Vaterschaften liegen unter Berücksichtigung des soeben Gesagten unter anderem dann vor, wenn ein pränatales Anerkenntnis und eine gesetzliche Zuordnung aufeinandertreffen. Ebenso entstehen Vaterschaften gleichzeitig zum Zeitpunkt der Geburt, wenn zwei gesetzliche Zuordnungen miteinander konkurrieren oder aber zwei pränatale Anerkenntnisse vorliegen. Wie dieser Konflikt zu lösen ist, ist höchst umstritten. Einigkeit besteht nur dahingehend, dass bei der Auflösung das Günstigkeitsprinzip entscheiden soll.430 Welche Vaterschaft beziehungsweise welche Rechtsordnung für das Kind die günstige ist, wird jedoch wiederum sehr unterschiedlich gesehen.
aa) Wahlrecht Eine Ansicht in der Literatur will den Konflikt über ein Wahlrecht des Kindes lösen. Es obliege dem Kind zu entscheiden, welches Recht das günstigste ist und mithin welcher Mann der rechtliche Vater sein soll.431 Da ein minderjähriges Kind dieses Recht noch nicht selbst ausüben kann, sei die Wahl durch 426 § 36 PStG. Vgl. Frie, StAZ 2017, 104, 427 Davon geht aber wohl Reuß, Theorie
108. eines Elternschaftsrechts, S. 503 aus, wenn er meint, dass der Eintragungszeitpunkt „von den Registrierungserfordernissen in den jeweiligen Rechtssystemen abhängig“ ist. Er befürwortet deshalb ebenso den Zeitpunkt der Geburt. 428 MüKo/Helms, 7. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 19; Frie, StAZ 2017, 104, 108. 429 BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687, 1689. Vgl. § 1 BGB. 430 Dutta, StAZ 2016, 200, 202; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 70 m. w. N. 431 Prütting/Wegen/Weinreich/Martiny, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Backmann, Künstliche
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den gesetzlichen Vertreter zu treffen. Dies läuft mithin auf ein Wahlrecht der Mutter als alleinige gesetzliche Vertreterin des Kindes hinaus, da diese bereits als rechtlicher Elternteil feststeht, wohingegen der rechtliche Vater gerade erst durch die Wahl ermittelt werden soll und damit noch nicht als gesetzlicher Vertreter berücksichtigt werden kann.432 Es liege damit in der Hand der Mutter zu entscheiden, wer der rechtliche Vater des Kindes sein soll. Die Mutter wird sich bei der Entscheidung jedoch häufig nicht nur vom Wohl des Kindes, sondern gerade auch von eigenen Interessen leiten lassen, die mit denen des Kindes nicht unbedingt übereinstimmen müssen.433 Häufig wird sie den Mann als rechtlichen Vater bestimmen, dem sie näher steht und mit dem sie zukünftig zusammen leben möchte. Dies erscheint jedoch im Hinblick auf die Interessen des Kindes als auch der Interessen der Vaterschaftsprätendenten nicht hinnehmbar.434 Die Frage der Vaterschaft sollte nicht zur Disposition der Mutter stehen, sondern es sollte vielmehr ein objektiver Maßstab angelegt werden.435 Des Weiteren spricht gegen ein Wahlrecht auch, dass dieses „mit dem Bedürfnis nach rascher Klärung des Personenstands“436 nicht vereinbar ist.437 Verzögert die Mutter die Rechtswahl, etwa weil sie ihre familiären Verhältnisse erst klären möchte, entsteht ein Schwebezustand, dessen Länge in den Händen der Mutter liegt.
bb) Übertragung der Wertungen der §§ 1591 ff. BGB ins Kollisionsrecht Eine andere Ansicht in der Literatur orientiert sich bei der Auswahl des Vaters demgegenüber an den Wertungen der §§ 1591 ff. BGB.438 Es würde sich damit der Mann durchsetzen, der auch bei einem nationalen Sachverhalt als rechtlicher Vater anzusehen wäre. Begründet wird dieser Ansatz wie folgt: Die Bestimmung des günstigeren Vaters erfordere die Berücksichtigung des KindesFortpflanzung und IPR, S. 108; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 222 (Kindeswohl oder Wahlrecht); früher auch Palandt/Thorn, 79. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 6. 432 Palandt/Thorn, 79. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 6. Würde man den rechtlichen Vater hingegen miteinbeziehen, führe dies zu einem Zirkelschluss, Hepting, StAZ 2000, 33, 36; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 71; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 27. 433 NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 27; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 93 f. Vgl. auch Sturm, in: FS Stoll, 451, 454; Sturm, StAZ 2003, 353, 359; Hepting, StAZ 2000, 33, 36; Dörner, in: FS Henrich, 119, 123. 434 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 500. 435 OLG Hamm (07.04.2008), FamRZ 2009, 126, 128 f.; BayObLG (11.01.2002), FamRZ 2002, 686, 688. 436 Hepting, StAZ 2000, 33, 35. 437 Hepting, StAZ 2000, 33, 35; so auch NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 27. 438 Dörner, in: FS Henrich, 119, 123; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 26; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 111 ff., 157. Vgl. auch Looschelders, IPRax 1999, 420, 423, der die Wertungen des deutschen Rechts bei einer Konkurrenz zwischen Leihmutterschaft und gebärender Frau anwenden möchte (die konkurrierenden Vaterschaft löst er über die Anerkennungssperre des § 1594 Abs. 2 BGB).
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wohls und damit die Anwendung materiell-rechtlicher Kriterien.439 Diese seien den Wertungen des deutschen Abstammungsrechts zu entnehmen, da es anderenfalls zu einem Widerspruch mit den Wertungen des Sachrechts käme.440 Das Kindeswohl könne insofern im Kollisionsrecht nicht anders als im Sachrecht ausgelegt werden. Bei einem Konflikt zwischen geschiedenen Ehemann und Anerkennenden – als dem häufigsten Fall einer konkurrierenden Vaterschaft – käme daher dem Anerkennenden der Vorrang zu (§ 1593 S. 1 BGB e contrario).441 Dieser Auslegung steht jedoch der Grundsatz der Gleichwertigkeit der berufenen Rechtsordnungen entgegen, da sie auf einen Vorrang der lex fori hinaus läuft.442 Ferner verkennt diese Ansicht auch, dass das, was in einem rein nationalen Fall als kindeswohlgerechteste Lösung angesehen wird, nicht immer auch bei einem Fall mit internationalem Bezug die bestmögliche Lösung für das Kind sein muss.443 So ist etwa nach deutschem Recht vor einer Scheidung ein Trennungsjahr erforderlich,444 das die Annahme rechtfertigt, dass ein Kind nach Scheidung nicht mehr dem Ex-Ehemann zugeordnet wird, da die Empfängniszeit bereits in das Trennungsjahr fällt.445 Sieht ein ausländisches Recht hingegen kein Trennungsjahr vor, ist die Ausgangslage eine ganz andere.
cc) Wahrscheinlichste genetische Vater Eine weitere Möglichkeit die Kollision aufzulösen ist die, dem genetischen Vater den Vorrang zu geben. Nach Ansicht der Vertreter dieses Lösungsansatzes, der sowohl von einem Großteil in der Literatur446 als auch von der Rechtsprechung447 befürwortet wird, sei die Zuordnung zum genetischen Vater für 439 BeckOK/Heiderhoff, Art. 19
EGBGB Rn. 23, 26; Dörner, in: FS Henrich, 119, 123. Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 112, 157. Dörner, in: FS Henrich, 119, 123; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 27. 442 MüKo/Helms, 7. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 13; Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 41. Vgl. auch Looschelders, Anpassung im IPR, S. 199. 443 Vgl. JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 72, der jedenfalls daran zweifelt, dass das deutsche Recht bei Fällen der Reproduktionsmedizin und der gleichgeschlechtlichen Ehe durchweg die kindeswohlgerechteste Lösung bereithält. Vgl. auch für Fälle der Leihmutterschaft Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 56. 444 Vgl. § 1565 Abs. 2 BGB. 445 Vgl. OLG Nürnberg (14.09.2015), FamRZ 2016, 920, 922; Dethloff, IPRax 2005, 326, 328 f.; Frie, StAZ 2017, 103, 108. 446 Henrich, FamRZ 1998, 1401, 1402; Henrich, StAZ 1998, 1, 4; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 38, 49, 54; Henrich, FamRZ 2016, 926; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 28; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 410; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 23, 27; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 25 ff. (Wahrscheinlichkeit und Kindeswohl). Für den Vorrang des wahrscheinlicheren Vaters, wenn das Sachrecht keine Anerkennungssperre kennt: Hepting, StAZ 2000, 33, 35, 37; Hepting, IPRax 2002, 388, 391; Gaaz, StAZ 1998, 241, 251; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-200 f. So auch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 910 für den Fall, dass eine Vaterschaft nach S. 2 und S. 3 konkurriert. 447 OLG München (29.06.2017), FamRZ 2017, 1691, 1692; OLG München (19.07.2016), 440 441
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das Kind die günstigste Lösung. Es erhalte so gleich auf erster Stufe den wirklichen Vater und es werden damit aufwendige kostspielige Anfechtungsverfahren verhindert.448 Das Problem an diesem Lösungsansatz ist jedoch, dass nicht ohne weiteres erkennbar ist, wer der leibliche Vater ist. Es stellt sich daher die Frage, wie der Standesbeamte feststellen soll, wer der genetische Vater ist. Einigkeit herrscht darüber, dass ein Abstammungsgutachten zur Feststellung nicht erforderlich sein soll. Insofern wird daher von den Vertretern dieser Ansicht auf den Mann abgestellt, der am wahrscheinlichsten der genetische Elternteil ist. Teilweise wird hierfür eine Einzelfallprüfung gefordert.449 Mit der im Abstammungsrecht erforderlichen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wäre es aber nicht zu vereinbaren, müsste der Rechtsanwender in jedem konkreten Einzelfall prüfen, wer der wahrscheinlichere genetische Vater ist.450 Es bestünde insofern die Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse je nach Rechtsanwender. Außerdem kann es nicht die Aufgabe des Standesbeamten sein, herausfinden zu müssen, wer im konkreten Fall der wahrscheinlichere genetische Vater ist. Aus diesem Grund wird überwiegend eine typisierte Betrachtung vorgenommen.451 Die Vertreter dieser Ansicht haben daher Fallgruppen gebildet, um zu bestimmen, wer der wahrscheinlichste Vater ist. Einigkeit herrscht aber auch hier nicht. Nach einer Ansicht sei der Anerkennende mit höherer Wahrscheinlichkeit der genetische Vater als der (geschiedene) Ehemann.452 Andere sehen nur bei einer geschiedenen Ehe den Anerkennenden als den wahrscheinlicheren genetischen Vater an, bei einer intakten Ehe hingegen den Ehemann.453 Teilweise wird auch ausdrücklich auf die Wertungen des deutschen Rechts abgestellt, die gerade die typisierten Vaterschaftswahrscheinlichkeiten abbilden würden.454 Hier wird auch FamRZ 2016, 1599, 1600 m. w. N.; OLG Karlsruhe (02.02.2015), FamRZ 2015, 1636, 1638; OLG Hamm (27.03.2014), FamRZ 2014, 1559, 1560; OLG Hamm (07.04.2008), FamRZ 2009, 126, 128; OLG Celle (29.05.2006), StAZ 2007, 82; BayObLG (11.01.2002), FamRZ 2002, 686, 687. 448 Henrich, Internationales Familienrecht, S. 228. Vgl. auch Sturm, in: FS Stoll, 451, 454; Dethloff, IPRax 2005, 326, 328. 449 So das OLG Celle (29.05.2006), StAZ 2007, 82, 83, das zwar grundsätzlich davon ausgeht, dass der Anerkennende der wahrscheinlichere genetische Vater ist, da aber in dem zu entscheidenden Fall konkrete Anhaltspunkte für eine Scheinanerkennung vorlagen, sah das Gericht den geschiedenen Ehemann als den wahrscheinlicheren Vater an. Vgl. Dethloff, IPRax 2005, 326, 328 (Ergebnis sei oft nicht vorhersehbar). 450 Dethloff, IPRax 2005, 326, 328 (Ergebnis sei oft nicht vorhersehbar). 451 Etwa JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 74. 452 U. a. OLG München (19.07.2016), FamRZ 2016, 1599 ff.; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 74; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 54; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 27; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, Rn. G-59; Hepting, StAZ 2000, 33, 37; kritisch mittlerweile Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-206 ff.; Dutta, StAZ 2016, 200, 203. 453 NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 28. 454 Dörner, in: FS Henrich, 119, 123; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 26, 30.
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der Nachteil dieses Lösungsansatzes deutlich: Es lässt sich nicht generell beantworten, wer grundsätzlich der wahrscheinlichere genetische Vater ist.455 Gerade bei einer nicht angefochtenen Ehe ist es schwierig zu sagen, wer der wahrscheinlichere genetische Vater ist, jedenfalls wenn das Paar zum Zeitpunkt der Empfängnis noch nicht getrennt lebte. Generell von einer höheren Wahrscheinlichkeit des Anerkennenden auszugehen überzeugt daher genauso wenig wie grundsätzlich die Vaterschaft des Ehemanns als wahrscheinlicher zu bewerten. Aber auch wenn die Ehe bereits bei Geburt geschieden ist, ist zu beachten, dass das ausländische Recht anders als das deutsche nicht zwingend ein Trennungsjahr vor einer Scheidung vorsieht und es möglicherweise deshalb das Kind noch dem Ex-Ehemann zuordnet.456 Zudem zeigen gerade die Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen, die allein den Zweck verfolgen, einen Aufenthaltstitel beziehungsweise die deutsche Staatsangehörigkeit zu erlangen,457 dass die Annahme, der Anerkennende sei der genetische Vater, nicht immer zutreffend ist.458 Schließlich versagt dieser Lösungsansatz in Fällen der künstlichen Befruchtung mittels einer Samenspende.459 Sofern das Kind mittels anonymer Samenspende gezeugt wurde, kann es zu einer Konkurrenz zwischen einem Anerkennenden (der neuen Lebensgefährte der Mutter) und einem Mann (der frühere Lebensgefährte), der aufgrund vorheriger Zustimmung zur künstlichen Befruchtung kraft Gesetzes als Vater bestimmt wird, kommen, wobei beide Männer offensichtlich nicht mit dem Kind genetisch verwandt sind.460 Dem genetischen Vater den Vorzug zu geben, hilft in diesen – wenn auch eher seltenen461 – Fällen nicht weiter.
dd) Soziale Elternschaft Nach einer weiteren Ansicht in der Literatur sei es für das Kind am günstigsten dem Elternteil zugeordnet zu werden, der auch tatsächlich die Verantwortung 455
Dethloff, IPRax 2005, 326, 328 f. Vgl. OLG Nürnberg (14.09.2015), FamRZ 2016, 920, 922; Dethloff, IPRax 2005, 326, 328 f.; Frie, StAZ 2017, 103, 108. 457 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-219. Vgl. ausführlich zu den missbräuchlichen Anerkennungen unten S. 179 ff. 458 BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687, 1689; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-208. Vgl. etwa die Fälle des OLG Düsseldorf (28.03.2019), FamRZ 2020, 357 und OLG Celle (29.05.2006), StAZ 2007, 82, in denen der Verdacht einer missbräuchlichen Anerkennung im Raum stand. 459 Ausführlich hierzu JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 75; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 54. Vgl. auch Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 500. 460 Vgl. zu den verschiedenen Regelungen bei Durchführung einer heterologen Insemination oben S. 22 ff. 461 Vgl. oben S. 119 („Dieser Fall dürfte jedoch eher selten sein, da anzunehmen ist, dass wenn die Beteiligten sich bei der künstlichen Befruchtung über den Kinderwunsch einig waren, sie dies auch noch neun Monate später sind – sicher ist dies aber freilich nicht.“). 456
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für das Kind trägt beziehungsweise aller Voraussicht nach übernehmen wird.462 Der sozialen Elternschaft sei daher bei einer Kollision mehrerer Vaterschaften der Vorrang einzuräumen. Wird die Beziehung zu den primären Bezugspersonen rechtlich bestätigt, bestehe so ein dem Kindeswohl dienender Einklang zwischen den gelebten Verhältnissen und den rechtlichen Beziehungen.463 Begründet wird dieser Lösungsansatz ferner damit, dass auch im deutschen materiellen Recht der sozialen Vaterschaft eine entscheidende Bedeutung zukomme: So sei nach § 1600 Abs. 2 BGB eine Anfechtung durch den genetischen Vater ausgeschlossen, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht.464 Die Schwierigkeit dieses Lösungsansatzes besteht allerdings darin, den sozialen Elternteil zu bestimmen. Sofern darauf abgestellt wird, wer „für das Kind im Zeitpunkt der Entscheidung tatsächliche Verantwortung trägt“,465 kann dies aus zweierlei Gründen nicht überzeugen. Anfangs wird das Kind stets bei seiner Mutter sein und es läge zunächst in ihrem Ermessen, wer sich dem Kind nähern darf und zu diesem eine Beziehung aufbauen kann. Dies liefe im Ergebnis wiederum auf ein faktisches Wahlrecht der Mutter hinaus. Es wird in einigen Fällen gerade von der rechtlichen Vaterschaft abhängen, ob sich eine soziale Elternschaft entwickeln wird: Möchte die Mutter keinen Kontakt zu dem genetischen Vater, kann dieser eine soziale Verbindung zu dem Kind nur aufbauen, wenn er auch der rechtliche Vater ist und seine Rechte somit gerichtlich durchsetzen kann. Ferner spricht gegen eine solche Auslegung, dass die rechtliche Elternschaft bereits zum Zeitpunkt der Geburt entsteht und wie oben gesehen dieser Zeitpunkt für die Beurteilung der Elternschaft relevant ist. Zum Zeitpunkt der Geburt bestehen aber gerade noch keinerlei soziale Beziehungen zwischen den potentiellen Eltern und dem Kind. Es ist zudem noch ungewiss, wer die tatsächliche Elternrolle übernehmen wird. Wer sich als die sozialen Eltern des Kindes etablieren werden, kann sich erst in der Zukunft zeigen und eignet sich damit grundsätzlich nicht als Kriterium zur Lösung konkurrierender Vaterschaften. Aber auch wenn nur auf die Bereitschaft der Vaterschaftsprätendenten zur Übernahme der Elternrolle abgestellt werden würde, ist dies nicht überzeugend. Der Standesbeamte müsste dann vor der Eintragung beide in Betracht kommenden Väter danach befragen, ob sie die elterliche Rolle übernehmen wollen. Möchten beide Männer die tatsächliche Elternrolle übernehmen, bedürfte es zudem eines weiteren Kriteriums.466 462 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 75 f.; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 61 ff.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 501. 463 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 75; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 61 ff. 464 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 75; ausführlich zur Bedeutung der sozialen Vaterschaft im deutschen Recht Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 56 ff. 465 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 501. 466 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 501 stellt in diesem Fall auf das Recht des
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Aus diesem Grund stellt Duden467 auf eine typisierende Betrachtung ab. Es komme insofern nicht auf die tatsächliche Bereitschaft der Übernahme der Elternschaft oder gar auf die tatsächliche Übernahme der Elternrolle an, sondern es werde nach Fallgruppen unterschieden, welcher Vater vermutlich zum sozialen Vater wird. Danach solle sich die Anerkennung gegenüber der Zuordnung zum geschiedenen Ehemann durchsetzen, da davon ausgegangen werden könne, dass der Anerkennende auch bereit sein wird, die tatsächliche Elternrolle zu übernehmen.468 Gleiches solle gelten, wenn das Kind während einer bestehenden Ehe geboren wird und die Anerkennung mit Zustimmung der Mutter erfolgt, da die einvernehmliche Anerkennung eher für eine soziale Elternschaft spreche.469 Dagegen spricht jedoch, dass gerade die Fälle der Scheinanerkennungen, die nur dazu dienen, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, zeigen, dass der Anerkennende nicht immer auch die Vaterrolle übernehmen möchte. Ebenso verhält es sich bei Anerkennungen, die nur deshalb erklärt werden, um den genetischen Vater an der rechtlichen Vaterrolle zu hindern.470 Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Bevorzugung des sozialen Vaters gegenüber dem genetischen in Fällen der natürlichen Zeugung stets Gefahr läuft, dass die Zuordnung durch ein Anfechtungsverfahren wieder beseitigt wird und das Kind damit seinen rechtlichen Vater verliert. Die ursprüngliche Motivation des Mannes, die elterliche Verantwortung zu übernehmen, kann auch in dem Wunsch begründet sein, mit der Mutter in einer Beziehung zu leben. Geht die Beziehung jedoch kurze Zeit später in die Brüche, schwindet häufig auch seine Motivation, weiterhin die Vaterrolle auszuüben, wenn er nicht auch der genetische Vater des Kindes ist. In diesem Fall liegt es nahe, dass er die Vaterschaft anfechten wird. Die Bevorzugung des sozialen Vaters stellt also nicht sicher, dass dem Kind auch dauerhaft, sprich lebenslang, ein Vater zugeordnet wird. Ob die Bevorzugung des sozialen Vaters daher wirklich dem Kindeswohl dient, ist zweifelhaft.
gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ab, da der Sachverhalt zu diesem Recht die engste Verbindung aufweise. Duden (JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 75) kommt demgegenüber immer zu eindeutigen Ergebnissen, da er auf eine typisierende Betrachtung abstellt, hierzu gleich. Vgl. auch Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 61. 467 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 76; anders noch in Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 64 („Orientierung an der sozialen Familie im Einzelfall“). 468 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 76. 469 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 76. 470 Vgl. den Fall BGH (15.05.2013), FamRZ 2013, 1209 („Im vorliegenden Fall liege auch nach dem Vortrag der Beklagten keine sozial-familiäre Beziehung vor. Unstreitig bestehe zwischen dem Beklagten zu 1 und der Mutter lediglich eine kollegiale freundschaftliche Beziehung und mache die Mutter keinen Hehl daraus, dass jener sozusagen als ‚Sperrvater‘ ausgewählt worden sei, damit die Stiefkind-Adoption durch ihre Partnerin nicht erschwert oder unmöglich werde.“)
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ee) Rechtsordnung mit der engeren Verbindung Eine weitere Möglichkeit den Konflikt zu lösen, ist es schließlich, derjenigen Rechtsordnung den Vorzug zu geben, „zu der der Sachverhalt im Zeitpunkt der Begründung der konkurrierenden Vaterschaften die engere Verbindung aufweist.“471 Nach diesem Lösungsansatz wird nicht der für das Kind in materieller Hinsicht günstigere Vater gesucht, sondern es soll die Rechtsordnung maßgeblich sein, die am geeignetsten ist, diese Frage zu beantworten, mithin also die Rechtsordnung, die den engeren Bezug zu dem Sachverhalt aufweist. Es stehen hier folglich, anders als bei den anderen Lösungsvorschlägen, keine materiell-rechtlichen Erwägungen bei der Auswahl im Vordergrund, sondern kollisionsrechtliche. Bei der Frage, welche der Rechtsordnungen die engere Verbindung zu dem Sachverhalt aufweist, ist dabei darauf abzustellen, zu welcher der Rechtsordnungen das Kind eine engere Verbindung besitzt.472 Zwar sind bei der Vater-Kind-Zuordnung neben den Interessen des Kindes auch die Interessen der potentiellen Väter betroffen. Dennoch erscheint es gerechtfertigt alleine auf das Kind abzustellen und die Interessen der Väter hintanzustellen, da es gerade das Ziel des Kindschaftsrechtsreformgesetzes war, das Kindeswohl dadurch zu fördern, dass das Kind und seine Interessen in den Vordergrund gestellt werden.473 Diese Wertung gilt nicht nur für das Sachrecht, sondern schlägt sich auch im Kollisionsrecht nieder.474 Zum anderen stellt die Rechtsordnung, mit der das Kind enger verbunden ist, für beide konkurrierende Väter einen neutralen Anknüpfungspunkt dar.475 Eine Bevorzugung beziehungsweise Benachteiligung einer der beiden potentiellen Väter besteht damit nicht, sodass deren kollisionsrechtlichen Interessen ebenso gewahrt sind. 471 Dafür: Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 110 (allerdings nur für den Fall, dass das Sachrecht keine Anerkennungssperre vorsieht); Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 99 ff. (vertritt dies auch bei nacheinander eintretenden Vaterschaften – unabhängig davon, wann die zweite Vaterschaft eintritt); Gruber, ZAR 2006, 419, 420; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 503 (nur für den Fall, dass das Kriterium der sozialen Vaterschaft zu keiner eindeutigen Zuordnung führt). Dieser Ansicht hat sich auch das Kammergericht Berlin angeschlossen, KG (05.05.2020), FamRZ 2020, 1478 („Die Anknüpfungsalternativen des Art. 19 I EGBGB sind bezogen auf den Zeitpunkt der Geburt jeweils isoliert zu prüfen. Ergeben sich danach widersprüchliche Vaterschaftszuweisungen, ist dem Recht des gewöhnlichen – hier inländischen – Aufenthalts jedenfalls dann der Vorzug zu geben, wenn für das Kind – wie hier über die Staatsangehörigkeit – eine dauerhafte Verbindung zu dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts gesichert ist.“). 472 Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 99 ff. 473 BT-Drucks. 13/4899, S. 1, 29. Vgl. zur Bedeutung des Kindeswohls im Sachrecht Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 106 f. 474 Im Kollisionsrecht zeigt sich dies etwa durch die kindeszentrierte Anknüpfung in Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB und auch in Art. 21 EGBGB. Die Eltern sind insofern zu „Nebenpersonen“ geworden, vgl. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 136. So auch Gruber, ZAR 2006, 419, 420; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 100. 475 Vgl. die Argumentation bei Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 43 zum generellen Vorrang des gewöhnlichen Aufenthalts.
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Regelmäßig führt das Kriterium der engsten Verbindung zu dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes.476 Denn das Kind hat eine engere Verbindung zu dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts als zu dem Heimatrecht eines potentiellen Vaters. Damit wird das Kind demjenigen Mann als Vater zugeordnet, „der auch in dem Umfeld des Kindes als solcher angesehen wird.“477 Schwierigkeiten bereitet die Auswahl nach dem Kriterium der engsten Verbindung hingegen, wenn das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zu keiner Vaterschaft führt oder ein gewöhnlicher Aufenthalt noch nicht begründet wurde und eine Konkurrenz daher nur zwischen den beiden Heimatrechten der Vaterschaftsprätendenten oder zwischen dem Heimatrecht eines der Männer und dem Ehewirkungsstatut besteht.478 Auch hier muss letztlich geprüft werden, mit welchen der beiden Rechtsordnungen das Kind enger verbunden ist. Eine engere Verbindung kann etwa dadurch gegeben sein, dass das Kind die Staatsangehörigkeit einer dieser Staaten besitzt.479 Sofern das Kind noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und deshalb Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB ins Leere geht, kann auch der voraussichtliche gewöhnliche Aufenthalt für eine engere Verbindung sprechen. Festzuhalten ist aber, dass eine Konkurrenz nur zwischen den Heimatrechten oder zwischen einem Heimatrecht und dem Ehewirkungsstatut nur äußerst selten vorkommen wird. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Rechtsordnung des gewöhnlichen Aufenthalts das Kind keinem rechtlichen Vater zuordnet, während zwei andere Rechtsordnungen zwei unterschiedliche Väter bestimmen. Im Ergebnis führt dieser Ansatz zu einer Bevorzugung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes und hat sich daher der Kritik auszusetzen, dass dies einer subsidiären Anknüpfung gleichkomme, die aber gerade abzulehnen sei.480 Die Kritiker dieses Lösungsansatzes verweisen ferner darauf, dass eine Schwerpunktbildung einer alternativen Anknüpfung fremd sei.481
c) Streitentscheid Die Vielzahl der Ansätze zeigt, wie schwierig es ist, das Problem der konkurrierenden Vaterschaften angemessen zu lösen. Ein Wahlrecht des Kindes respektive der Mutter ist aufgrund der damit einhergehenden Machtposition jedenfalls abzulehnen. Im Ergebnis stehen sich damit letztlich zwei Lager gegenüber: Der 476 Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 110; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 503; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 100. 477 Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 110; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 101, der darauf hinweist, dass hierdurch auch die Integration des Kindes in die Gesellschaft gefördert wird. 478 Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 101. 479 Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 101 stellt neben der Staatsangehörigkeit hilfsweise auf den einfachen Aufenthalt ab. 480 JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 71. 481 Hepting, StAZ 2000, 33, 38.
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eine Ansatz möchte die Konkurrenzsituation dadurch lösen, dass unter Berücksichtigung materieller Wertungen der für das Kind günstigste Vater ausgewählt wird. Hierbei herrscht allerdings Streit, wer der günstigste Vater ist: der genetisch wahrscheinlichste, der soziale Vater oder derjenige, der nach den Wertungen des deutschen Rechts als Vater anzusehen wäre? Auf der anderen Seite steht der Ansatz, der die Lösung auf kollisionsrechtlicher Ebene sucht: Es solle diejenige der beiden kollidierenden Rechtsordnungen zur Anwendung kommen, mit der das Kind die engere Verbindung aufweist. Beide Lösungsansätze orientieren sich dabei am Kindeswohl: die einen bestimmen dies materiell-rechtlich und die anderen berücksichtigen dies durch eine Priorisierung der kollisionsrechtlichen Interessen des Kindes. Bei der Frage, welchem der beiden Lösungsansätze letztlich zu folgen ist, sollte die primäre Zielsetzung des Kollisionsrechts im Allgemeinen und die spezielle Zielsetzung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB mit dessen alternativer Anknüpfung vergegenwärtigt werden.482 Aufgabe des Kollisionsrechts ist es diejenige Rechtsordnung zu bestimmen, nach deren Vorschriften ein Sachverhalt entschieden werden soll.483 Die gerechteste Rechtsordnung ist hierbei nicht die, die materiell für die Betroffenen am günstigsten ist, sondern jene, mit der der Sachverhalt die engste Verbindung aufweist.484 Materiell-rechtliche Erwägungen treten damit grundsätzlich im Kollisionsrecht in den Hintergrund. Eine Ausnahme bildet die alternative Anknüpfung: Bei alternativen Anknüpfungen sind neben der Suche nach der engsten Verbindung zusätzliche Gerechtigkeitserwägungen maßgebend.485 Es werden mehrere Rechtsordnungen zur Verfügung gestellt, um ein bestimmtes materielles Ergebnis zu begünstigen. Auf diese Weise „nehmen Wertungen des materiellen Rechts Einfluss auf das IPR.“486 Vor diesem Hintergrund rechtfertigt das eine Lager seine Ansicht, dass die Auswahl der Rechtsordnungen nach materiellen Wertungen zu erfolgen hat. Allerdings ginge es zu weit, die Wertungen des eigenen materiellen Rechts vollständig in das Kollisionsrecht zu übertragen.487 Die Grenzen zwischen Kollisions- und Sachrecht würden so aufgehoben.488 „Nur solche materiell-rechtlichen Wertungen, die auch bei rechtsvergleichender Betrachtung als allgemeingültiger com482 Vgl. zum Folgenden die Argumentation von Dethloff, IPRax 2005, 326, 329 zum generellen Vorrang des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts (subsidiäre Anknüpfung) und Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 98 ff. 483 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 1, 16 f., 24 f.; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1 f.; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 34; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 53. 484 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 131; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 25. 485 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 28. 486 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 317; Dethloff, IPRax 2005, 326, 329. 487 Dethloff, IPRax 2005, 326, 329. 488 Dethloff, IPRax 2005, 326, 329.
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mon core anzusehen sind“,489 dürfen im Kollisionsrecht beachtet werden. Dies ist im Rahmen von Art. 19 Abs. 1 EGBGB das allgemein anerkannte Ziel, die rechtliche Vaterlosigkeit zu vermeiden.490 Bei konkurrierenden Vaterschaften ist dieses materiell-rechtliche Ziel aber bereits erreicht. Darüber hinaus kann der Norm nicht die Wertung entnommen werden, dass bei mehreren in Betracht kommenden Vätern, dem günstigsten Vater der Vorrang gebührt.491 Die beteiligten Rechtsordnungen stimmen gerade nicht überein, was für das Kind am günstigsten ist; ein common core besteht hierüber nicht. Wer der günstige Vater ist und damit welchem Vater das Kind zuzuordnen ist, ist eine materielle Frage, die nur vom berufenen Sachrecht beantwortet werden sollte, nicht aber vom Kollisionsrecht.492 Da also das Ziel der alternativen Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, eine Vaterschaft zu ermöglichen, erreicht wurde, ist insofern wieder die eigentliche Aufgabe des Kollisionsrechts zu verfolgen, und zwar die Rechtsordnung zu suchen, mit der der Sachverhalt am engsten verbunden ist.493 Dies ist, wie oben gesehen, grundsätzlich das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Es ist daher der Vaterschaft der Vorzug zu geben, die nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts besteht. Entgegen der vorgebrachten Kritik494 widerspricht dies auch nicht der Annahme einer alternativen Anknüpfung. Die Ansicht kommt zwar im Falle der gleichzeitig entstandenen konkurrierenden Vaterschaften zum gleichen Ergebnis wie eine subsidiäre Anknüpfung, aber eben nur in diesem Fall. Bei nacheinander entstehenden Elternschaften zeigt sich hingegen der Unterschied zur subsidiären Anknüpfung, da nach der hier vertretenen Ansicht aufgrund der als gleichrangig anzusehenden Anknüpfungen der zuerst entstandenen Elternschaft der Vorrang gebührt. Liegt ferner keine Konkurrenzsituation vor, steht es nach der hier vertretenen Ansicht dem Rechtsanwender frei, diejenige der von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechtsordnungen zu wählen, die die Abstammung am einfachsten und schnellsten feststellt – im Zweifel also die Anwendung des deutschen Rechts, auch wenn dieses nicht das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts ist. Ein Vorrang des gewöhnlichen Aufenthalts besteht hier also, anders als 489
Dethloff, IPRax 2005, 326, 329. Dethloff, IPRax 2005, 326, 329. 491 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 17 („Zwar steht hinter dem Konzept der Mehrfachanknüpfung in Art. 19 Abs. 1 das Anliegen, dem Kind – möglichst einfach – zu einem Vater zu verhelfen, doch geht es nicht darum, mehrere potenzielle Väter anzubieten, unter denen der aus Sicht des Kindes ‚beste‘ ausgewählt werden könnte.“). 492 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 502; Dethloff, IPRax 2005, 326, 329 f.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 99. Entgegen der herrschende Meinung, vgl. JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 70 Fn. 176 m. w. N. 493 Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 99. 494 Vgl. hierzu oben S. 136 („[Der Ansatz] hat sich daher der Kritik auszusetzen, dass dies einer subsidiären Anknüpfung gleichkomme […]. Die Kritiker dieses Lösungsansatzes verweisen ferner darauf, dass eine Schwerpunktbildung einer alternativen Anknüpfung fremd sei.“). 490
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bei der Annahme einer subsidiären Anknüpfung, gerade nicht. Schließlich ist es auch richtig, dass eine Schwerpunktbildung einer alternativen Anknüpfung grundsätzlich fremd ist. In allen anderen Fällen der alternativen Anknüpfung ist dem uneingeschränkt zuzustimmen; dort besteht aber auch nicht die Möglichkeit konkurrierender Ergebnisse. Sofern bei der Abstammung keine konkurrierenden Ergebnisse im Raum stehen, wird auch hier keine Schwerpunktbildung vorgenommen. Die Schwerpunktbildung wird gerade nur für den Fall angewandt, in dem die Rechtsordnungen zu widersprüchlichen, nicht miteinander zu vereinbarenden Ergebnissen führen. Es bedarf in diesem Fall einer Entscheidung, die die alternative Anknüpfung selbst nicht beantwortet und es ist überzeugender in diesen Fällen die Rechtsordnung zu wählen, mit der der Sachverhalt die engste Verbindung aufweist, als die Wertungen des deutschen Rechts stets gewinnen zu lassen. Letzteres würde zu einer mit den Zielen des Kollisionsrechts nicht zu vereinbarenden „Versachrechtlichung des Kollisionsrechts“495 führen.
7. Fazit und Reformüberlegungen Das Problem der konkurrierenden Vaterschaften beschäftigt seit dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes die Literatur und Gerichte. Es ist so gut wie alles umstritten: Angefangen von der Frage, ob die deutsche Anerkennungssperre auch bei einer ausländischen Vaterschaftszuordnung greift – deren Beantwortung darüber entscheidet, ob überhaupt ein Fall von konkurrierenden Vaterschaften vorliegt –, über die Frage, auf welchen Zeitpunkt für das Bestehen einer gleichzeitig eintretenden Vaterschaft abzustellen ist – die Geburt oder die Eintragung –, und letztendlich über die eigentliche Hauptfrage, wie ein Fall von gleichzeitig entstandenen konkurrierenden Vaterschaften zu lösen ist. Das Problem liegt darin begründet, dass Art. 19 Abs. 1 EGBGB selbst keine Vorgaben macht, wie der Konflikt zu lösen ist, und damit einen Nährboden für eine Vielzahl von Lösungsansätzen bietet. Lösungsansätze in der Literatur gibt es reichlich; sie unterscheiden sich teils stark, teils weniger stark. Dieses Meinungsspektrum setzt sich auch in der Rechtsprechung fort: Die einzelnen Oberlandesgerichte haben sich unterschiedlichen Lösungsansätzen angeschlossen.496 Auch die einschlägigen BGH-Entscheidungen konnten daran nur teilweise etwas ändern.497 Solch eine divergierende Rechtsprechung ist gerade in personenstandsrechtlichen Entscheidungen äußert misslich, da die Ent495 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-208; Dutta, StAZ 2016, 200, 203. 496 Vgl. nur KG (05.05.2020), FamRZ 2020, 1478 („… entgegen OLG Düsseldorf,
FamRZ 2020, 357; OLG Hamm, StAZ 2019, 370).“). Mankowski, NZFam 2020, 593; Dutta, StAZ 2016, 200. 497 Mankowski, NZFam 2020, 593; Mayer, NZFam 2021, 525 f. Die Rechtsprechung des BGH erging bislang nur zu nacheinander entstandenen Elternschaften, BGH (13.09.2017), FamRZ 2017, 1848; BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687; BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334.
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scheidungen „im Massengeschäft der Standesämter oftmals Präjudizcharakter haben und die Praxis der Personenstandsbehörden im jeweiligen Gerichtssprengel über den Einzelfall hinaus auf Jahre prägen“.498 Es hängt mithin weitgehend vom jeweiligen OLG-Bezirk ab, welcher Weg im jeweiligen Einzelfall – sei es vom Gericht oder von den Standesämtern – verfolgt wird.499 Dies kommt einer „faktischen interlokalen Rechtsspaltung“500 nahe. Eine Reform der Vorschrift ist vor diesem Hintergrund unerlässlich, um die bestehende Rechtsunklarheit und damit einhergehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen. De lege ferenda kommen zwei Möglichkeiten in Betracht, um den Konflikt zu lösen. Zum einen könnte gänzlich auf die alternative Anknüpfung verzichtet werden, wodurch das Problem bereits an der Wurzel beseitigt wäre. Es bleibt insofern zu untersuchen, inwiefern sich die alternative Anknüpfung ansonsten bewährt hat. Möchte man demgegenüber auch zukünftig an einer alternativen Anknüpfung festhalten, bedarf es einer ausdrücklichen Klarstellung im Gesetz, wie eine Konkurrenz zwischen den Alternativen aufzulösen ist. So könnte ausdrücklich die Anordnung des Prioritätsprinzips bei nacheinander entstehenden Vaterschaften und der Vorrang des gewöhnlichen Aufenthalts bei gleichzeitig entstehenden Vaterschaften angeordnet werden. Ob diese zum geltenden Recht vertretenen Lösungsansätze auch de lege ferenda überzeugen können, wird noch zu prüfen sein. Gegen eine Übernahme auch de lege ferenda spricht jedenfalls der Umstand, dass sich so ein pränatales und ein postnatales Anerkenntnis unterschiedlich gegenüber einer gesetzlichen Vaterschaftszuordnung durchsetzen: Während sich ein Anerkenntnis, das nach der Geburt abgegeben wird, aufgrund des Prioritätsprinzips nicht gegen eine Vaterschaft kraft Gesetzes durchsetzen kann, ist dies bei einem postnatal abgegebenen Anerkenntnis hingegen möglich. Es ist jedoch häufig zufällig, ob das Anerkenntnis vor oder nach der Geburt erklärt wird, etwa wenn die Geburt früher als geplant stattfand oder wenn keine Kenntnis über die Möglichkeit einer pränatalen Anerkennung bestand.501 Im geltenden Recht ist diese Unterscheidung hinzunehmen. De lege ferenda sollte dies jedoch vermieden werden.
II. Leihmutterschaft Angesichts des deutschen Leihmutterschaftsverbots begeben sich zunehmend deutsche Paare ins Ausland, um ihren Kinderwunsch dort durch eine Leihmutter zu erfüllen.502 In einigen Staaten ist die Leihmutterschaft unter bestimm498 499
Dutta, StAZ 2016, 200, 203. Mankowski, NZFam 2020, 593. 500 Dutta, StAZ 2016, 200, 203. 501 Dethloff, IPRax 2005, 326, 328. 502 Dethloff, JZ 2014, 922; Witzleb, in: FS Martiny, 203 f., 206; Benicke, StAZ 2013, 101, 102.
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ten Voraussetzungen erlaubt und die Wunscheltern können dort die rechtlichen Eltern des Kindes werden.503 Ist die Leihmutterschaft wie geplant verlaufen, stellt sich jedoch bei Rückkehr nach Deutschland die entscheidende Frage, ob die Wunscheltern auch aus deutscher Sicht die rechtlichen Eltern des von der Leihmutter zur Welt gebrachten Kindes sind. Häufig ist von dieser Frage abhängig, ob die Wunscheltern überhaupt mit dem Kind nach Deutschland einreisen dürfen. Für eine Einreise benötigt das Kind einen Reisepass und die deutschen Behörden stellen diesen nur aus, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.504 Diese erwirbt es aber nur, wenn es von den Wunscheltern abstammt.505 Aber selbst wenn eine Einreise ohne Reisepass geglückt ist, stellt sich die Frage der Elternschaft etwa bei der Nachbeurkundung der Geburt oder als Vorfrage in Unterhalts- oder Erbrechtsfragen.506 Sofern keine nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen anzuerkennende Entscheidung vorliegt, entscheidet das von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufene Recht über die Abstammungsfrage. Es ist daher zu untersuchen, ob Art. 19 Abs. 1 EGBGB in Leihmutterschaftsfällen zu sinnvollen Ergebnissen führt.
1. Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Anerkennung In vielen Staaten, in denen die Leihmutterschaft erlaubt ist, ist eine gerichtliche Beteiligung vorgesehen, sodass in Leihmutterschaftsfällen jeweils zunächst zu prüfen ist, ob überhaupt eine kollisionsrechtliche Prüfung der Abstammung erforderlich ist oder ob vielmehr die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nach § 108 FamFG im Raum steht.507 Im letzteren Fall beschränkt sich die inhaltliche Prüfung auf die Vereinbarkeit mit dem ordre public; nicht geprüft wird dementsprechend, ob das ausländische Gericht das nach deutschem Kollisionsrecht berufene Recht angewendet hat.508 Die Abgrenzung zwischen materiell-rechtlicher Prüfung der Rechtslage und der vereinfachten verfahrensrechtlichen Anerkennung richtet sich danach, ob die Elternschaft Gegenstand einer ausländischen Entscheidung ist. 503
Vgl. die rechtsvergleichende Übersicht oben auf S. 29 ff. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 206 f.; Sturm, in: FS Kühne, 919, 920; Dethloff, JZ 2014, 922, 925. 505 § 4 Abs. 1 StAG. 506 Dethloff, JZ 2014, 922, 925; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 231. 507 Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 568; Wagner, StAZ 2012, 294, 295; Benicke, StAZ 2013, 101, 104; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674; Dethloff, JZ 2014, 922, 925; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 206 f.; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1146 f.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 57 ff. Allgemein zur Abgrenzung zwischen kollisionsrechtlicher Prüfung und verfahrensrechtlicher Anerkennung oben S. 59 ff. 508 § 109 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 5 FamFG. § 109 Abs. 5 besagt ausdrücklich, dass eine Überprüfung der Gesetzesmäßigkeit nicht stattfindet. Vgl. hierzu MüKo/Rauscher, § 109 FamFG Rn. 10; BeckOK/Sieghörtner, § 109 FamFG Rn. 49; Zöller/Geimer, § 109 FamFG Rn. 69, 72; Musielak/Borth/Grandel, § 109 FamFG Rn. 15; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 12.10. 504
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Unzweifelhaft ist dies der Fall, wenn die Entscheidung die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern konstitutiv begründet.509 So ist etwa die englische parentage order, welche die rechtliche Elternschaft auf die Wunscheltern überträgt, eine anzuerkennende Entscheidung.510 Ebenso verhält es sich, wenn die Wunscheltern nach kalifornischem Recht ihre Elternschaft gerichtlich feststellen lassen. Dass dieser Entscheidung lediglich eine deklaratorische Wirkung zukommt, berührt die Anerkennungsfähigkeit nicht.511 Problematisch sind demgegenüber die Fälle, in denen die Abstammung nicht aufgrund eines Urteils begründet oder die Elternschaft durch ein Gericht deklaratorisch festgestellt wird, sondern nur der Leihmutterschaftsvertrag zuvor gerichtlich bewilligt oder nachträglich genehmigt wurde.512 Nach griechischem Recht sind etwa die griechischen Wunscheltern kraft Gesetzes die rechtlichen Eltern, wenn vor der Zeugung des Kindes der Leihmutterschaftsvertrag gerichtlich bewilligt wurde.513 Auch in Südafrika wird das Kind ab Geburt den Wunscheltern zugeordnet, sofern eine wirksame Leihmutterschaftsvereinbarung vorliegt und diese vom Gericht genehmigt wurde.514 Eine anzuerkennende Entscheidung liegt zwar jeweils vor, diese bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Wirksamkeit des Leihmutterschaftsvertrags, die Rechtsfolge der Elternschaft der Wunscheltern ergibt sich hingegen erst aus dem Gesetz. Fraglich ist hier, ob die verfahrensrechtliche Anerkennung der Genehmigungsentscheidung dazu führt, dass die Elternschaft der Wunscheltern aus deutscher Sicht verbindlich festgestellt ist. Verneint man dies, wäre eine materiell-rechtliche Prüfung der Abstammung nach dem von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Recht vorzunehmen; die anzuerkennende Entscheidung würde dann nur relevant, wenn das ausländische Recht anwendbar ist und insofern das Tatbestandsmerkmal „wirksamer Leihmutterschaftsvertrag“ zu prüfen ist.515
509 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1146; Benicke, StAZ 2013, 101, 104; Dethloff, JZ 2014, 922, 925. 510 Duden, StAZ 2014, 164, 167; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 123, 131; Benicke, StAZ 2013, 101, 104. 511 BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240; Duden, StAZ 2014, 164, 166; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 82; Benicke, StAZ 2013, 101, 104; a. A. Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, S. 162. 512 Vgl. hierzu ausführlich Benicke, StAZ 2013, 101, 104; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 59 ff. 513 Art. 1464 Abs. 1 griech. ZGB. Vgl. hierzu die rechtsvergleichende Übersicht zur Leihmutterschaft auf S. 34. 514 Sec. 292(1)(e) und Sec. 297(1)(a) Children’s Act 2005. Vgl. hierzu die rechtsvergleichende Übersicht zur Leihmutterschaft auf S. 34 f. 515 Dafür Duden, StAZ 2014, 164, 169, der in diesen Fällen die Elternschaft lediglich als eine mittelbare Wirkung der ausländischen Entscheidung ansieht, die nicht anerkennungsfähig ist. So auch Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1146; Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, S. 162.
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Ein ähnliches Problem ist auch bei ausländischen Adoptionen anzutreffen.516 Manche Staaten kennen eine Vertragsadoption, bei der zusätzlich ein Gericht den Vertrag vor oder nach Abschluss genehmigen muss.517 Die Rechtsfolge der Adoption ergibt sich auch hier nicht aus dem Urteil, sondern erst aus dem Gesetz. Bei Adoptionen ist es überwiegend anerkannt, dass die gerichtliche Bewilligung oder Genehmigung des Adoptionsvertrags einer gerichtlichen Entscheidung, die die Adoption konstitutiv begründet (Dekretadoption), gleichgestellt ist, sofern eine inhaltliche Prüfung der Adoptionsvoraussetzungen durch das Gericht vorgenommen worden ist.518 Sinn und Zweck der vereinfachten verfahrensrechtlichen Anerkennung ist es gerade, auf eine vollumfänglich materiellrechtliche Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen zu verzichten, wenn ein ausländisches Gericht die Rechtslage bereits inhaltlich geprüft hat.519 Das ausländische gerichtliche Verfahren wird grundsätzlich als gleichwertig zu einem inländischen Verfahren erachtet und daher ist bei der Anerkennung einer ausländischen gerichtlichen Entscheidung ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab gerechtfertigt.520 Diese Grundsätze treffen aber gerade nicht nur dann zu, wenn eine Adoption durch einen gerichtlichen Beschluss herbeigeführt wird, sondern auch, wenn nur eine gerichtliche Bestätigung oder gerichtliche Genehmigung einer vertraglich begründeten Adoption vorliegt. Hinsichtlich des Umfangs der Prüfung macht es keinen Unterschied, ob das ausländische Gericht nur die Voraussetzungen des Adoptionsvertrags prüft oder ob es die Voraussetzungen prüft und sodann die Adoption ausspricht.521 Entscheidend für die Anwendung der verfahrensrechtlichen Regeln ist somit, dass eine inhaltliche Prüfung durch das Gericht vorgenommen wurde, während die formale Ausgestaltung im ausländischen Recht nicht entscheidend ist.522 516 Benicke, StAZ 2013, 101, 105; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 82; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 59. 517 Statt vieler MüKo/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 89. Ein Überblick über die Ausgestaltung der Adoption in den einzelnen Ländern findet sich bei Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 22 EGBGB Rn. 3 ff. 518 OLG Düsseldorf (18.01.2011), FamRZ 2011, 1522, 1523; KG (04.04.2006), FamRZ 2006, 1405, 1406; MüKo/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90 m. w. N. zur Rechtsprechung; NomosK/Benicke, Art. 22 EGBGB Rn. 82; Erman/Stürner, Art. 22 EGBGB Rn. 24, 24a; Staudinger/Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 98; Grüneberg/Thorn, Art. 22 EGBGB Rn. 13; BeckOK/ Heiderhoff, Art. 22 EGBGB R. 57; MüKo/Rauscher, § 108 FamFG, Rn. 25a; Henrich, Internationales Familienrecht, S. 330; Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 93; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 427; Benicke, Typenmehrheit im Adoptionsrecht und deutsches IPR, S. 188; Benicke, StAZ 2013, 101, 105. Teilweise wurde danach unterschieden, ob die gerichtliche Bestätigung vor oder nach Vertragsschluss erfolgt ist, so MüKo/Klinkhardt, 5. Aufl., Art. 22 EGBGB 92. Diese Unterscheidung überzeugt jedoch nicht. 519 Benicke, StAZ 2013, 101, 105; MüKo/Rauscher, § 109 FamFG Rn. 10; MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rn. 120. 520 Benicke, StAZ 2013, 101, 105; Biermann, NZFam 2017, 662, 663; Prütting/Helms/ Hau, § 109 FamFG Rn. 18; Zöller/Geimer, § 328 ZPO Rn. 16; Frie, NZFam 2018, 97, 98 f. 521 Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 60. 522 Benicke, StAZ 2013, 101, 105; MüKo/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90; vgl. auch Helms,
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
Diese Grundsätze lassen sich auch auf Leihmutterschaftsfälle übertragen: Hat ein ausländisches Gericht einen Leihmutterschaftsvertrag im Rahmen einer Bewilligung oder Genehmigung materiell-rechtlich geprüft, richtet sich die Anerkennung der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern nach den verfahrensrechtlichen Regeln.523 Eine vollumfängliche materiell-rechtliche Prüfung samt kollisionsrechtlicher Untersuchung hat dann zu unterbleiben. Die Elternschaft der Wunscheltern bei Durchführung einer Leihmutterschaft in Griechenland und Südafrika hängt aufgrund der gerichtlichen Bewilligung folglich nur davon ab, ob die gerichtliche Entscheidung verfahrensrechtlich anzuerkennen ist.
2. Kollisionsrechtliche Prüfung der Leihmutterschaft Liegt keine anerkennungsfähige ausländische Entscheidung vor, wie dies etwa im ukrainischen524 Recht der Fall ist, bedarf es aus deutscher Sicht einer umfassenden Prüfung der Abstammung des Kindes nach dem nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Recht. Ob die Wunscheltern auch aus deutscher Sicht als rechtliche Eltern angesehen werden, richtet sich also danach, ob das berufene Recht das Kind den Wunscheltern zuordnet.
a) Mutterschaft Problematisch ist in Leihmutterschaftskonstellationen vor allem die Elternschaft der Wunschmutter. Da das deutsche Recht die Mutterrolle unverrückbar der Leihmutter zuordnet, hängt die Elternschaft der Wunschmutter maßgeblich davon ab, ob das leihmutterschaftsfreundliche Recht des Staates, in dem die Leihmutterschaft durchgeführt wurde, als Abstammungsstatut berufen ist. Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB führt für die Bestimmung der Abstammung von der deutschen Wunschmutter zum deutschen Recht und für die Leihmutter zu ihrem ausländischen Heimatrecht. Das deutsche Recht erlaubt jedoch keine Leihmutterschaften und weist daher ausschließlich der gebärenden Frau die Mutterrolle zu. Das leihmutterschaftsfreundliche Heimatrecht der Leihmutter sieht hingegen die Wunschmutter als rechtliche Mutter vor. Beide Heimatrechte ordnen mithin jeweils der in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 59, 67 f. 523 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 82; Helms, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/ Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 59, 68; Benicke, StAZ 2013, 101, 105; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 59 ff. Im Ergebnis auch Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 568 f. A. A. je nach Konstellation Duden, StAZ, 164 ff.; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1146; Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, S. 163 ff.; wohl auch Dethloff, JZ 2014, 922, 925. Vgl. allgemein zur Anerkennungsfähigkeit von gerichtlichen Bewilligungen und Genehmigungen, Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rn. 21. 524 Art. 123 Abs. 2 ukr. FamGB.
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anderen Frau die Mutterstellung zu. Da aber die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit nur die Abstammung des jeweiligen Elternteils begründet und gerade nicht auch die einer anderen Person, führt die Anknüpfung hinsichtlich der Mutterschaft ins Leere und begründet mithin kein Abstammungsverhältnis.525 Ähnlich verhält es sich mit der Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut der „Mutter“. Nach überzeugender Auffassung ist danach sowohl das Ehewirkungsstatut der Leihmutter als auch der Wunschmutter zu verstehen.526 Das Ehewirkungsstatut der Leihmutter wird in der Regel zum ausländischen Recht führen, da die Leihmutter und ihr Ehemann normalerweise in dem Leihmutterschaftsstaat ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben werden.527 Danach wären die Wunscheltern die rechtlichen Eltern. Die Anknüpfung ist jedoch ebenfalls auf die Abstammung von den Eheleuten begrenzt.528 Das bedeutet, dass das Ehewirkungsstatut der Leihmutter nur ihre Elternschaft sowie die ihres Ehemanns begründen kann, nicht aber die Abstammung von den Wunscheltern. Das Ehewirkungsstatut der Wunschmutter ist hingegen deutsches Recht, da die deutschen Wunscheltern regelmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Das deutsche Recht begründet aber gerade nicht die Elternschaft der Wunscheltern. Damit führt also auch die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut zu keiner Abstammung des Kindes.529 Entscheidend kommt es damit auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes an, nach welchem die Abstammung im Verhältnis zu jedem Elternteil festgestellt werden kann. Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts bereitet indes in Leihmutterschaftsfällen Schwierigkeiten. Im typischen Fall wird das Kind im Ausland geboren und soll nach dem Willen der Wunscheltern mit Zustimmung der gebärenden Frau alsbald nach der Geburt nach Deutschland gebracht werden. Es stellt sich die Frage, wo sich der gewöhnliche Aufenthalt des Säuglings in diesen Fällen befindet. Begründet das Kind bereits im Geburtsstaat einen gewöhnlichen Aufenthalt, wäre das leihmutterschaftsfreundliche ausländische Recht Abstammungsstatut und die Wunscheltern wären damit aus deutscher Sicht als rechtliche Eltern anzusehen. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wird jedoch nicht begründet, wenn sich eine Person nur vorübergehend an einem Ort aufhält und den Willen hat, diesen alsbald zu verlassen. 525 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 88; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674; Benicke, StAZ 2013, 101, 106 f.; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 217 f.; Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, S. 188 f.; Helms, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 59, 63. 526 Siehe oben S. 90 f. und S. 90 Fn. 206. 527 Vgl. Art. 14 Abs. 2 EGBGB. 528 Vgl. oben S. 93 und S. 93 Fn. 226. 529 So auch Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 95 allerdings noch unter Bezug auf Art. 14 Abs. 1 EGBGB a. F. Die Überlegungen sind jedoch die gleichen. Ebenso Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2676. A. A. hingegen Witzleb, in: FS Martiny, 203, 218 f., der die Ansicht vertritt, dass das Ehewirkungsstatut der Leihmutter auch für die Abstammung der Wunscheltern anwendbar sein sollte.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
Da das Neugeborene einen dahingehenden Willen noch nicht haben kann, ist auf den Willen der tatsächlichen Betreuungspersonen abzustellen, mithin den der Wunscheltern.530 Diese wollen aber mit dem Kind unmittelbar nach der Geburt wieder zurück nach Deutschland und damit kann – jedenfalls zunächst – im Geburtsland kein gewöhnlicher Aufenthalt angenommen werden.531 Allerdings besteht unmittelbar nach der Geburt auch noch kein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland, da es hierfür an einem faktischen Aufenthalt fehlt.532 Die Anknüpfung des gewöhnlichen Aufenthalts als die alleinige Anknüpfung, die auf alle potentiellen Elternteile anwendbar ist, führt zu keinem Recht und versagt insofern als Abstammungsanknüpfung.533 Das Kind ist zunächst rechtlich mutterlos, obwohl beide Rechte eine Mutterschaft vorsehen würden – ein im Hinblick auf das Kindeswohl sehr ungünstiges Ergebnis. Gelingt es den Wunscheltern, wie geplant, mit dem Kind alsbald nach der Geburt nach Deutschland zu reisen, begründet das Kind ab dem Zeitpunkt der Einreise seinen (ersten) gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.534 Damit ist deutsches Recht Abstammungsstatut. Dieses Ergebnis ist jedoch unbefriedigend, da danach die Leihmutter die rechtliche Mutter aus deutscher Sicht ist, obwohl sie diese Rolle von Beginn an nicht übernehmen wollte und auch nicht übernehmen wird, da sie nach ihrem Heimatrecht hierzu nicht verpflichtet ist.535 Für die Wunschmutter, die in der Regel auch die genetische Mutter ist und die die tatsächliche Verantwortung für das Kind trägt, besteht hingegen allein die Möglichkeit einer (Stief-)Adoption.536 Dass eine Frau ihr eigenes genetisches Kind adoptieren muss, ist jedoch sehr befremdlich.537 530 Vgl. hierzu die allgemeinen Ausführungen zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts bei Neugeborenen oben S. 83 ff. 531 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 894; OLG Frankfurt (28.02.2019), FamRZ 2019, 899, 900; OLG München (12.10.2017), FamRZ 2018, 696 f.; KG (01.08.2013), IPRax 2014, 72, 76; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 9; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 98; Benicke, StAZ 2013, 101, 107; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675 f.; Dethloff, JZ 2014, 922, 929; Witzleb, in: FS Martiny, 203 f., 215 f. 532 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 100.Vgl. zu dem Erfordernis der physischen Präsenz oben S. 85 ff. 533 Zu diesem Ergebnis kommt auch Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525. Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 101 ff., möchte daher in den Fällen, in denen kein gewöhnlicher Aufenthalt besteht und auch über die anderen Anknüpfungen keine Abstammung begründet werden kann, mittels einer teleologischen Auslegung auf den einfachen Aufenthalt als dem „kleine[n] Bruder“ des gewöhnlichen Aufenthalts abstellen. 534 BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892; Benicke, StAZ 2013, 101, 107; Dethloff, JZ 2014, 922, 929. 535 Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675 spricht von einer drohenden „faktische[n] Elternlosigkeit“; ebenso Löhnig, NJW 2019, 1607, 1608. 536 Vgl. zu den Voraussetzungen der Adoption durch die Wunscheltern, Benicke, StAZ 2013, 101, 112 ff. 537 Helms, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 59, 74.
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Anders ist die Lage, wenn die Wunscheltern ausnahmsweise längere Zeit mit dem Kind im Geburtsland verweilen. Die Wunscheltern sind teilweise gezwungen mit dem Kind im Ausland zu bleiben, wenn eine Einreise des Kindes mangels Reisepasses verweigert wird.538 Die deutschen Behörden stellen einen Reisepass nur aus, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Das Kind erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 StAG jedoch nur, wenn es von den deutschen Wunscheltern oder zumindest von einem von beiden abstammt. Wie gesehen, ist aus deutscher Sicht wegen Art. 19 Abs. 1 EGBGB die Wunschmutter nicht die rechtliche Mutter und auch der Wunschvater kann seine Vaterschaft nur dann durch Anerkennung begründen, wenn die Leihmutter nicht verheiratet ist (hierzu gleich). Stammt das Kind nicht von den deutschen Wunscheltern ab, erhält das Kind somit keinen für die Aus- und Einreise erforderlichen deutschen Reisepass. Sofern nicht ausnahmsweise das Geburtsland dem ius soli-Prinzip folgt und das Kind aufgrund dieser ausländischen Staatsangehörigkeit einen ausländischen Pass erwirbt,539 kann eine Einreise nach Deutschland scheitern und das Kind muss zuerst in seinem Geburtsland bleiben. Nach einer gewissen Zeit im Geburtsstaat wird sich sodann der einfache Aufenthalt des Kindes zu einem gewöhnlichen Aufenthalt verfestigen.540 Da sich das Kind nie in einem anderen Land aufgehalten hat, sollte man keine allzu lange Aufenthaltsdauer für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts im Geburtsstaat fordern. Ein Aufenthalt von maximal sechs Monaten sollte daher trotz Rückreisewillen der Eltern als ausreichend erachtet werden.541 In dem Moment, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geburtsstaat begründet, ist sodann das leihmutterschaftsfreundliche ausländische Recht anwendbar mit der Folge, dass nun die Wunscheltern die rechtlichen Eltern aus deutscher Sicht sind. Dies bedeutet wiederum, dass das Kind auch die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt und damit die Voraussetzungen für die Einreise gegeben sind. An der rechtlichen Elternschaft ändert sich durch 538 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 206 f.; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 99; Benicke, StAZ 2013, 101, 107; Dethloff, JZ 2014, 922, 929; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. VI-161; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675. 539 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 99 f. Fn. 365; Dethloff, JZ 2014, 922, 930; Benicke, StAZ 2013, 101, 107. 540 Benicke, StAZ 2013, 101, 107; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. VI-161; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 216; Dethloff, JZ 2014, 922, 929; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 9. So auch VG Köln (20.02.2013), NJW 2013, 2617; VG Berlin (26.11.2009), Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 20. 541 So auch Benicke, StAZ 2013, 101, 107 unter Bezugnahme auf BGH (29.10.1980), NJW 1981, 520. Die sechs-Monats-Frist wird regelmäßig auch in Kindesentführungsfällen verwendet. Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525 möchte demgegenüber nur „auf die ersten Lebenswochen abstellen.“ Dem zustimmend MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Fn. 18. Anders hingegen das VG Berlin (05.09.2012), IPRax 2014, 80, 81, das an einem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Geburtsland auch noch nach sechs Monaten zweifelte. Vgl. hierzu MüKo/ Helms, Art. 19 EGBGB Fn. 18.
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die Einreise und der Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Inland nichts mehr: Zwar ist das Abstammungsstatut wandelbar, die begründete Abstammung bleibt als wohlerworbenes Recht aber weiterhin bestehen.542 Das Ergebnis ist indes paradox:543 Verneint man aufgrund des Rückkehrwillens der Eltern nach Deutschland den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Geburtsland, werden die Wunscheltern nicht als rechtliche Eltern angesehen und müssen mit dem Kind mangels Reisepasses im Ausland verweilen. Dieser Umstand führt dann gerade dazu, dass das Kind schließlich doch – zwar nicht sofort, aber jedenfalls nach einiger Zeit – seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland begründet, was wiederum die Elternschaft der Wunscheltern zur Folge hat und damit zugleich die Voraussetzungen für die Einreise und damit auch für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland schafft. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Mutterschaft eines von einer Leihmutter geborenen Kindes typischerweise nur nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts ergibt, da die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit und an das Ehewirkungsstatut in der Regel zu keinem Ergebnis führen. Letztlich richtet sich die Frage, ob die Wunschmutter nach deutscher Sicht die rechtliche Mutter ist, danach ob das Kind unmittelbar nach Geburt nach Deutschland verbracht wird oder aber eine längere Zeit im Ausland verbleibt, etwa, weil eine Einreise scheitert.
b) Vaterschaft Sofern ausnahmsweise das Recht des Durchführungsstaates als Abstammungsstatut berufen ist, weil das Kind dort aufgrund eines längeren Aufenthalts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wird die Elternschaft des Wunschvaters parallel zur Elternschaft der Wunschmutter begründet. Aber auch wenn (nur) deutsches Recht als Abstammungsstatut berufen ist, entweder aufgrund der Anknüpfung an sein Heimatrecht oder weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann der Wunschvater, anders als die Wunschmutter, in manchen Konstellationen seine Elternschaft begründen. Ob der Wunschvater aus deutscher Sicht als rechtlicher Vater angesehen wird, hängt maßgeblich vom Personenstand der Leihmutter ab.544 Nach deutschem Sachrecht richtet sich die Vaterschaft gemäß § 1592 BGB danach, ob die Mutter verheiratet oder ledig ist. Möglich wäre es hier die „Mutterschaft“ als Vorfrage anzusehen und (selbstständig 542 Vgl. allgemein zum Statutenwechsel nach einer Abstammungsbegründung oben S. 100 ff. 543 So auch Witzleb, in: FS Martiny, 203, 217; Dethloff, in: Ditzen/Weller, Regulierung der Leihmutterschaft, 55, 64; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525; Helms, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 59, 65; Benicke, StAZ 2013, 101, 108; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 515. 544 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 210.
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oder unselbstständig) nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB anzuknüpfen.545 Dies wirft jedoch Probleme auf, wenn die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt noch gar nicht feststeht. Die Vaterschaft könnte dann ebenfalls nicht begründet werden, weil nach deutschem Recht sowohl die Vaterschaft des Ehemanns als auch die Zustimmung zur Anerkennung von der Mutter abhängen. Das deutsche Recht ist von der Annahme ausgegangen, dass die Mutter immer feststeht. Zudem würde das deutsche Recht bei Annahme einer Vorfrage zu Ergebnissen kommen, dass es so nicht vorgesehen und nicht gewollt hat.546 Mutter ist daher im Sinne des deutschen Sachrechts auszulegen und meint damit die Leihmutter als die Frau, die das Kind geboren hat.547 Ist die Leihmutter unverheiratet, kann der Wunschvater unabhängig davon, ob er auch der genetische Vater des Kindes ist, seine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB anerkennen. Die erforderliche Zustimmung der Leihmutter nach § 1595 Abs. 1 BGB wird regelmäßig vorliegen.548 Ist die Leihmutter hingegen verheiratet, wird ihr Ehemann nach § 1592 Nr. 1 BGB als rechtlicher Vater angesehen. Hier käme nur eine Anfechtung des Wunschvaters in Betracht, wenn er zugleich der genetische Vater ist.549 Die Voraussetzungen für die Anfechtung dürften nach deutschem Recht erfüllt sein, da der Ehemann der Leihmutter keine sozio-familiäre Verbindung zu dem Kind aufgebaut hat. Befinden sich die Beteiligten noch im Ausland, kann sich die Anfechtung allerdings in der Praxis als schwierig erweisen.550 Solange die Vaterschaft des Ehemanns der Leihmutter besteht, kann der Wunschvater seine Vaterschaft nicht nach deutschem Recht begründen und somit ist in diesem Fall auch seine Elternschaft davon abhängig, ob zusätzlich das ausländische Abstammungsstatut zur Anwendung berufen ist.
c) Ordre public Führt nach den oben dargelegten Grundsätzen die Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB ausnahmsweise nicht zur Anwendung deutschen Rechts, sondern zum ausländischen Recht, das eine direkte Zuordnung zu den Wunsch545 So aber Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, S. 195; Vgl. auch Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 73, der wohl zum gleichen Ergebnis wie hier kommt, aber von einer unselbständigen Anknüpfung spricht. Unzweifelhaft ist die Frage des Bestehens der Ehe eine Vorfrage. 546 Vgl. Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 73, der darauf hinweist, dass sich anderenfalls „materielle Wertungen verschiedener Rechtsordnung […] mischen und widersprüchliche Ergebnisse erzeugen [könnten]. 547 So auch Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 73. Wohl auch die herrschende Meinung, ohne allerdings das Problem der Vorfrage anzusprechen, vgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 217; Wagner, StAZ 2012, 294, 295; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2676; Dethloff, JZ 2014, 922, 930. 548 Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2676. 549 Ausführlich hierzu Witzleb, in: FS Martiny, 203, 211. Im Falle des VG Köln (20.02.2013), NJW 2013, 2617 f. war die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen. 550 Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2676.
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eltern vorsieht, stellt sich die weitere Frage, ob dieses Ergebnis auch mit dem ordre public vereinbar ist.551 Nach Art. 6 S. 1 EGBGB ist eine ausländische Rechtsnorm nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nicht bereits dann vor, wenn das Ergebnis gegen Normen des deutschen Rechts verstößt, sondern nur wenn es „zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch [steht], dass es nach inländischer Vorstellung als schlechthin untragbar erscheint.“552 Keine Probleme bereitet insofern die Abstammung vom Wunschvater. Beruht die Zuordnung auf einem Vaterschaftsanerkenntnis, welches (auch) nach dem ebenfalls von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen deutschen Recht wirksam ist, scheidet eine ordre public-Prüfung ohnehin von vornherein aus.553 Aber auch wenn sich die Elternschaft des Wunschvaters nur aus ausländischen Recht ergibt – entweder weil die gebärende Frau verheiratet ist oder weil keine Anerkennung erklärt wurde –, liegt kein Widerspruch zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts vor:554 Sofern der Wunschvater zugleich der genetische Vater ist, kann dessen rechtliche Elternschaft auch nach deutschem Recht über eine Anerkennung oder – wenn die gebärende Frau verheiratet ist – über eine Anfechtung, da in diesen Fällen regelmäßig keine familiär-soziale Beziehung zwischen dem Ehemann und dem Kind besteht, begründet werden. Wenn das gleiche Ergebnis letztlich auch nach deutschen Vorschriften erzielt werden kann, steht es nicht mit deutschen Wertvorstellungen im Widerspruch.555 Ebenso ist die Zuordnung zu einem nicht mit dem Kind verwandten Wunschvater dem deutschen Recht nicht unbekannt und scheitert daher ebenfalls nicht am ordre public-Vorbehalt:556 So ist die genetische Verwandtschaft weder Voraus551 Siehe zu dieser Problematik ausführlich Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 133 ff.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551 ff. 552 St. Rspr. des BGH, zuletzt etwa BGH (16.09.1993), NJW 1993, 3269, 3270; vgl. auch BeckOK/Lorenz, Art. 6 EGBGB Rn. 14. 553 Vgl. BeckOK/Lorenz, Art. 6 EGBGB Rn. 6: „Deutsches sowie nicht-staatliches Recht ist keiner Kontrolle nach Art. 6 unterworfen […]. Verstößt das Ergebnis der Anwendung deutschen Rechts gegen grundlegende innerstaatliche Gerechtigkeitsvorstellungen, ist es entweder unrichtig angewendet oder aber verfassungswidrig und aus diesem Grunde nicht anzuwenden und ggf. nach Art. 100 GG durch das BVerfG zu überprüfen.“ 554 BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240, 241 (zum verfahrensrechtlichen ordre public); Witzleb, in: FS Martiny, 203, 224 ff.; Mayer, IPRax 2014, 57, 59; Dethloff, JZ 2014, 922, 926; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 67; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 511; Thomale, Mietmutterschaft, S. 26. 555 Vgl. die Rechtsprechung des BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240, 241 zur verfahrensrechtlichen Anerkennung. 556 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 225 f.; Helms, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 59, 76 f.; Mayer, IPRax 2014, 57, 59.
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setzung für ein Vaterschaftsanerkenntnis (§§ 1592 Nr. 2, 1594 BGB) noch für die Vaterschaft des Ehemanns (§ 1592 Nr. 1 BGB). Nicht so einfach zu beantworten ist hingegen die Frage, ob die nach ausländischem Recht begründete Elternschaft der Wunschmutter gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts verstößt. Nach § 1591 BGB ist immer nur die gebärende Frau die rechtliche Mutter. Die rechtliche Elternstellung der Wunschmutter lässt sich nach deutschem Recht hingegen nur über den Weg einer Adoption erzielen. Nach traditioneller Auffassung gehört die abstammungsrechtliche Zuordnung zur gebärenden Frau zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts.557 Die Regelung des § 1591 BGB verfolge gerade auch das Ziel eine Umgehung des nationalen Leihmutterschaftsverbots durch die Inanspruchnahme einer Leihmutter im Ausland zu verhindern.558 Das nationale Leihmutterschaftsverbot „würde ausgehöhlt, wenn die im Ausland vorgenommene Leihmutterschaft im Inland abstammungsrechtlich anerkannt würde.“559 Nach dieser Ansicht stehe die Zuordnung zur Wunschmutter im klaren Widerspruch zu den deutschen Grundsätzen. Überzeugender ist es jedoch, mit Blick auf die Interessen des Kindes keinen Verstoß gegen den ordre public anzunehmen.560 Das Kindeswohl gehört im Abstammungsrecht, wie auch im Kindschafts- und Adoptionsrecht, zu den wesentlichen Grundgedanken des deutschen Rechts und ist damit Bestandteil des ordre public.561 Auch Art. 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention562 fordert, dass unter anderen bei Entscheidungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden, die Kinder betreffen, „das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt [ist], der vorrangig zu berücksichtigen ist.“563 Die Zuordnung zu der Wunschmutter 557 Dafür etwa jüngst OLG Braunschweig (13.4.2017), FamRZ 2017, 972; VG Berlin (05.09.2012), IPRax 2014, 80, 81; Benicke, StAZ 2013, 101, 110 ff.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; Engel, ZEuP 2014, 538, 558, 561; Thomale, Mietmutterschaft, S. 26 ff., 36. Ebenfalls einen ordre public-Verstoß für die Zuordnung zu einem zweiten Wunschvater annehmend KG (01.08.2013), IPRax 2014, 72, 74 ff. 558 Benicke, StAZ 2013, 101, 110 f.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; Thomale, Mietmutterschaft, S. 17; vgl. zum Streit auch MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 66 m. w. N. und Witzleb, in: FS Martiny, 203, 227. 559 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 224. 560 Grundsätzlich gegen einen ordre public-Verstoß BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240 (zum verfahrensrechtlichen ordre public); MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 67; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 45; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 105; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 110a; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 580 ff.; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2676; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 227 ff.; Dethloff, JZ 2014, 922, 926 ff.; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 133 ff.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-164; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 511 ff.; Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, S. 191 ff. 561 Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 581; vgl. auch zum verfahrensrechtlichen ordre public Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 572; Mayer, IPRax 2014, 57, 59. 562 UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989, BGBl. 1992 II 122. 563 Vgl. auch Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 573; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 67.
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stellt aber nicht nur keinen Widerspruch zum Kindeswohl dar, sondern ist im Gegenteil regelmäßig gerade für das Wohl des Kindes geboten.564 Eine Zuordnung zu der gebärenden Frau hätte nämlich zur Folge, dass das Kind faktisch mutterlos wäre:565 Die gebärende Frau möchte gerade nicht die Verantwortung für das Kind übernehmen und ist nach dem Recht ihres Aufenthaltsstaates, in dem die Leihmutterschaft zulässig durchgeführt wurde, hierzu auch nicht verpflichtet, da das ausländische Recht gerade die Wunschmutter als rechtliche Mutter ansieht. Die Wunschmutter möchte hingegen die Elternrolle einnehmen und wird dies faktisch auch tun, allerdings bestünde aus deutscher Sicht bei Annahme eines ordre public-Verstoßes keinerlei rechtliche Beziehung zu dem Kind. Ein solches hinkendes Abstammungsverhältnis gilt es im Interesse des Kindes zu vermeiden. Es dürfte mithin dem Wohl des Kindes „am ehesten entsprechen, wenn die tatsächlich gelebte Elternschaft auch rechtlich verfestigt wird, wenn das Kind also in seiner sozialen Realität auch rechtlich geschützt wird.“566 Zwar gibt es durchaus gute Gründe für den Gesetzgeber die Leihmutterschaft zu verbieten,567 dennoch müssen generalpräventive Erwägungen dann zurücktreten, wenn im konkreten Fall das Verbot umgangen wurde und ein Kind auf diese Weise gezeugt wurde.568 Die mithilfe einer Leihmutter gezeugten Kinder dürfen nicht für das Fehlverhalten ihrer Eltern bestraft werden.569 Insbesondere ist dem Kindeswohl nicht bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass der Wunschmutter bei Nichtanerkennung ihrer Elternschaft die Möglichkeit der Adoption offen steht.570 Zunächst einmal überzeugt es nicht, die abstammungsrechtliche Zuordnung zur Wunschmutter als ordre public-widrig anzusehen, wenn sich das gleiche Ergebnis, die Elternschaft der 564 Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 573; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 36; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 77a; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 228. 565 Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 228; Dethloff, JZ 2014, 922, 927. 566 Duden, StAZ 2018, 137, 140. 567 Vgl. zu den Argumenten für und gegen die Aufrechterhaltung des Leihmutterschaftsverbots etwa Spickhoff/Müller-Terpitz, § 1 ESchG Rn. 20 f.; Günther/Taupitz/Kaiser, § 1 Abs. 1 Nr. 7 EschG Rn. 10 ff.; Helms, ff 2015, 234, 241 ff.; Thomale, Mietmutterschaft, S. 5 ff. 568 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 67; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674 f.; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 526; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 45; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1152; Coester-Waltjen, ff 2015, 186, 187. 569 BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240, 244; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 574; Dethloff, JZ 2014, 922, 931; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-164. 570 Dafür etwa KG (01.08.2013), IPRax 2014, 72, 75; Benicke, StAZ 2013, 101, 111 f. Nach der Rechtsprechung des EGMR (10.04.2019), FamRZ 2017, 972 ist das Recht des Kindes auf Achtung des Privatlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK bereits dann gewahrt, wenn eine rechtliche Beziehung zu seinen Wunscheltern durch Adoption begründet werden kann. Eine Adoption ebenfalls nicht als ausreichend erachtend Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 67; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV164; Helms, FamRZ 2015, 245 f.
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Wunschmutter, auch über das deutsches Adoptionsrecht herbeiführen lässt.571 Zum anderen ist eine solche Adoption immer mit gewissen Unsicherheiten verbunden und bietet daher keine Garantie, dass die Wunscheltern als die tatsächlichen Betreuungspersonen auch die rechtliche Elternschaft erlangen: Sofern sich das Kind noch im Ausland befindet, weil eine Einreise nicht geglückt ist, gestaltet sich die Durchführung einer Adoption als äußerst schwierig, da aus Sicht des ausländischen Staats, die Wunscheltern bereits die rechtlichen Eltern sind.572 Aber selbst wenn sich das Kind bereits in Deutschland aufhält, kann es mitunter schwierig und zeitaufwändig sein, die Zustimmung der „Mutter“, sprich der gebärenden Frau, aus dem Ausland zu erlangen.573 Schließlich ist auch nicht auszuschließen, dass die Wunschmutter das Interesse an der Adoption verliert oder vor Durchführung der Adoption stirbt.574 Auch der BGH575 hat in einer Entscheidung zur verfahrensrechtlichen Anerkennung eines kalifornischen Leihmutterschaftsurteils den Interessen des konkret betroffenen Kindes größere Bedeutung zugemessen als der Aufrechterhaltung des Leihmutterschaftsverbots und einen ordre public-Verstoß jedenfalls für den Fall verneint, dass einer der beiden Wunscheltern mit dem Kind genetisch verwandt ist. Der BGH betont ausdrücklich, dass eine andere Beurteilung möglicherweise angebracht ist, wenn kein Wunschelternteil mit dem Kind verwandt ist. Dem ist indes nicht zuzustimmen: Auch bei einer fehlenden genetischen Verbindung zwischen dem Kind und den Wunscheltern spricht das Wohl des Kindes für eine Zuordnung zu den Personen, die die Elternrolle übernehmen möchten und häufig auch bereits faktisch übernommen haben und zudem für die Existenz des Kindes verantwortlich sind. Die genetischen „Eltern“ – die Gametenspender – haben hingegen von vornherein auf ihre Elternstellung verzichtet und sind mithin weder tatsächlich bereit, die Verantwortung für das Kind zu tragen noch nach dem ausländischen Recht dazu verpflichtet. Wendet man das Kindeswohl als Maßstab für die Prüfung des ordre public an, ist somit auch bei einer fehlenden genetischen Verwandtschaft davon auszugehen, dass das Abstammungsverhältnis mit den Grundsätzen des deutschen Rechts vereinbar ist.576 571 BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240, 244 f.; Mayer, IPRax 2014, 57, 61 f.; JurisPK/ Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 105. 572 Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 67; Hepting/ Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-164. 573 Helms, FamRZ 2015, 245, 246; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 67; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 235. 574 Vgl. zu den Risiken einer Adoption für das Kind Löhnig, NZFam 2019, 430, 431. 575 BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240. Diese Linie wurde in BGH (05.09.2018), FamRZ 2018, 1846 bestätigt. 576 Dafür auch Duden, StAZ 2018, 137, 140 f.; Duden, StAZ 2017, 225, 228; JurisPK/ Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 105; Dethloff, JZ 2016, 207, 210; Coester-Waltjen, ff 2015, 186, 187 f. Hingegen möchte Helms, IPRax 2023, 232, 236 f. in Fällen, in denen keine genetische Verbindung zwischen dem Kind und den Wunscheltern besteht, die strengeren Anforderungen
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In der Regel verstößt die Zuordnung zu den Wunscheltern somit nicht gegen den ordre public. Eine andere Beurteilung ist jedoch dann angezeigt, wenn die gebärende Frau das Kind entgegen der Vereinbarung nicht an die Eltern übergeben, sondern es behalten möchte.577 Der freiwillige Verzicht der Leihmutter auf die Mutterstellung wird man „sicherlich zu den unverzichtbaren Grundsätzen des deutschen Abstammungs- und Adoptionsrechts“578 zählen müssen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in diesen Fällen oftmals bereits das ausländische Recht keine Elternschaft der Wunscheltern annimmt. Die abstammungsrechtliche Zuordnung ist in vielen Ländern an den freiwilligen Verzicht der Leihmutter gebunden.579 Ebenso verhält es sich, wenn einmal ein Fall von Kindeshandel vorliegen sollte.580 Auch hier werden bereits die Voraussetzungen des ausländische Sachrechts für die Zuordnung zu den Wunscheltern nicht gegeben sein und damit stellt sich die Folgefrage eines ordre public-Verstoßes erst gar nicht.581
d) Bewertung der derzeitigen Rechtslage und Reformbedarf Die gegenwärtige Rechtslage ist im Hinblick auf die durch Leihmütter geborenen Kinder und ihre Wunscheltern äußerst unbefriedigend. Für das Wohl des Kindes ist es erforderlich, dass das Kind den Personen rechtlich zugeordnet wird, die für seine Existenz verantwortlich sind und die sich bereits zum Zeitpunkt der Zeugung dazu bereit erklärt haben, die Verantwortung für das Kind zu tragen. Eine abstammungsrechtliche Zuordnung zu beiden Wunscheltern ist aus deutscher Sicht, sofern keine gerichtliche Entscheidung vorliegt, aber keinesfalls gesichert, sondern ist im Gegenteil von mehreren, aus Sicht der Beteiligten rein zufälligen Faktoren, abhängig. des Adoptionsrechts heranziehen, um Wertungswidersprüche zum internationalen Adoptionsrecht zu vermeiden. 577 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 199 ff., 215; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 106; Heiderhoff, NJW 2015, 485; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 45; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 68. 578 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 68. 579 Beispielsweise etwa in Russland (Art. 51 Abs. 4 FamGB), Großbritannien (Sec. 54(6) (7) Human Fertilisation and Embryology Act 2008), South Australia (Sec. 18(5)(c) Surrogacy Act 2019), Queensland (Sec. 22(2)(h) Surrogacy Act 2010); New South Wales (Sec. 31(1)(2) Surrogacy Act 2010). In der Ukraine werden die Wunscheltern hingegen wohl auch gegen den Willen der Leihmutter die rechtlichen Eltern, siehe Druzenko, in: Trimmings/Beaumont, International Surrogacy Arrangement, 357 f. 580 Gerade bei genetisch nicht verwandten Wunscheltern ist genau zu prüfen, ob tatsächlich ein Fall von Leihmutterschaft oder aber ein Fall von Kinderhandel vorliegt. Während nämlich bei Wunscheltern, die genetisch mit dem Kind verwandt sind, von vornherein feststeht, dass diese bei der Befruchtung involviert gewesen sind, ist dieser Rückschluss bei Wunscheltern, die nicht mit dem Kind genetisch verwandt sind, nicht ohne weiteres möglich. „Es ist nicht im selben Maße nachträglich erkennbar, ob die Wunscheltern bereits bei der Befruchtung beteiligt waren.“, Duden, StAZ 2018, 137, 141. 581 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 69.
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So ist die Abstammung von beiden Wunscheltern, insbesondere auch von der Wunschmutter, nur dann gesichert, wenn ausnahmsweise das leihmutterschaftsfreundliche ausländische Recht auf die Abstammung Anwendung findet. Dieses ist jedoch nur dann berufen, wenn das Kind zunächst eine längere Zeit im Geburtsstaat verbleibt und so dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Gerade wenn die Einreise des Kindes nicht möglich ist, weil die Behörden keine Ausweispapiere ausstellen wollen, begründet dieser Umstand paradoxerweise die Elternschaft der Wunscheltern. Es überzeugt nicht, dass die Wunscheltern, insbesondere die Wunschmutter, letztlich nur durch ein Ausharren mit dem Kind im Geburtsland ihre Elternstellung sichern können. Die Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB stoßen hier an ihre Grenzen: Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit und das Ehewirkungsstatut führen aufgrund ihres begrenzten Anwendungsbereichs zu keiner Abstammung und einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet das Kind erst nach einer gewissen Zeit im Geburtsland. Bis dahin kann kein Abstammungsverhältnis festgestellt werden und das Kind ist damit anfangs elternlos. Dieses Ergebnis widerspricht offensichtlichen den Interessen und dem Wohl des Kindes. In den meisten Fällen werden die Wunscheltern alsbald nach der Geburt mit dem Kind nach Deutschland reisen, sodass allein deutsches Recht über die Abstammung entscheidet. Die Elternschaft zum Wunschvater ist dann davon abhängig, ob die Leihmutter verheiratet ist oder nicht. Nur wenn sich die Wunscheltern eine ledige Leihmutter suchen, kann der Wunschvater nach deutschem Recht die Vaterschaft anerkennen. Der Personenstand der Leihmutter stellt sich jedoch für alle Beteiligte als rein zufällig dar und begründet sachlich keine Differenzierung.582 Der Grund für diese sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierung ist darin zu sehen, dass das deutsche Abstammungsrecht nicht auf Leihmutterschaftsfälle zugeschnitten ist, da es aus nationaler Sicht solche Fälle nicht gibt. Demgegenüber ist die Wunschmutter – selbst wenn sie mit dem Kind genetisch verwandt ist – bei Geltung des deutschen Abstammungsstatuts in jedem Fall auf eine (Stiefkind-)Adoption angewiesen. Eine solche ist jedoch immer mit gewissen Unsicherheiten und einem langwierigen Verfahren verbunden und bei einer Stiefkindadoption vom Wohlwollen des Wunschvaters abhängig.583 Die Elternschaft der Wunschmutter ist damit nicht im gleichen Maße abgesichert wie die des Wunschvaters. Gerade wenn die Wunschmutter die genetische Mutter ist, erscheint diese unterschiedliche Behandlung von Wunschmutter und Wunschvater nicht gerechtfertigt.584 Die Mutter kann also letztlich ihre rechtliche Mutterstellung nur sicherstellen, wenn sie mit dem Kind nach der Geburt im Ausland bleibt. 582
Mayer, IPRax 2014, 57, 58, 59 f.; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 214, 238; Benicke, StAZ 2013, 101, 113. 583 Helms, FamRZ 2015, 245, 246; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 67. 584 Benicke, StAZ 2013, 101, 113; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 214, 238.
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Die Rechtslage unterscheidet sich auch stark von der Rechtslage, wenn ein Gericht an der Leihmutterschaftsvereinbarung beteiligt ist.585 Suchen sich die Wunscheltern eine Rechtsordnung aus, in der ein Gericht die Leihmutterschaft bewilligt oder die Abstammung der Wunscheltern nachträglich feststellt, wird die Elternschaft beider Wunscheltern anerkannt.586 Je nach Ausgestaltung der nationalen Regelungen werden die Wunscheltern somit bei der Durchführung der Leihmutterschaft in einem Land wie Kalifornien regelmäßig anerkannt, hingegen in einem anderen Staat wie der Ukraine nicht, obwohl der zugrundeliegende Sachverhalt der gleiche ist. Der Grund liegt darin, dass bei einer Anerkennung einer Gerichtsentscheidung ein reduzierter Prüfungsmaßstab angelegt wird. Ein ausländisches Urteil wird daher unter weniger strengen Voraussetzungen anerkannt als eine ausländische Rechtslage, die erst rechtlich nachgeprüft wird. Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung ist grundsätzlich dadurch gerechtfertigt, dass bereits ein Gericht entschieden hat und im Hinblick auf den internationalen Entscheidungseinklang, somit nur noch eine vereinfachte Prüfung erfolgt. Hat bereits das ausländische Gericht die Rechtslage geprüft, bedarf es keiner vollen Nachprüfung der Rechtslage mehr, ähnlich wie wenn bereits ein deutsches Gericht über die Sache entschieden hat. Hat sich demgegenüber noch kein Gericht mit der Sache befasst, muss die Rechtslage erst rechtlich nachgeprüft werden. Der Umstand, dass das ausländische Gericht und die deutschen Behörden oder Gerichte nun zu so unterschiedlichen Ergebnissen kommen, liegt darin begründet, dass das ausländische Gericht auf die Leihmutterschaft sein ausländisches Recht anwendet,587 während die deutschen Behörden, wie gesehen, aufgrund Art. 19 Abs. 1 EGBGB in der Regel zum deutschen Recht kommen. Da sich die Abstammungsrechte der verschiedenen Staaten aber im Blick auf Leihmutterschaften so diametral unterscheiden, ergeben sich hierdurch unterschiedliche Ergebnisse. Diese konträren Ergebnisse stellen sich jedoch aus Sicht der Beteiligten und insbesondere für das Kind, das auf die Wahl des Leihmutterschaftsstaates keinen Einfluss 585
Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 56. 586 Vgl. ausführlich zur verfahrensrechtlichen Anerkennung einer Leihmutterschaftsentscheidung Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 111 ff.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 568 ff.; Benicke, StAZ 2013, 101, 103; Dethloff, JZ 2014, 922, 925. 587 Die meisten Rechtsordnungen, die die Leihmutterschaft erlauben und die Elternschaft den Wunscheltern zuordnen, wenden bei der Bestimmung der Abstammung ihr eigenes Recht an, vgl. Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 48; Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Study of Legal Parentage and the Issues arising from international Surrogacy Arrangements, 2014, S. 37 („When registering a child’s birth, many States reported that, regardless of any foreign elements in the case, their competent authorities will always apply the State’s internal law (i. e., the lex fori) to the question of who is/ are the legal parent(s) of the child by operation of law. Interestingly, these States represent the civil and common law traditions.“).
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hat, als rein zufällig dar.588 Daher sollte auch in den Fällen, in denen das ausländische Verfahren keine gerichtliche Beteiligung vorsieht, im Interesse des Kindes die Elternschaft beider Wunscheltern de lege ferenda ermöglicht werden. Die „erheblichen Defizite der geltenden Rechtslage […] treffen vor allem die so gezeugten Kinder, die für die Umstände ihrer Entstehung jedoch keine Verantwortung tragen.“589 Es besteht mithin dringend Bedarf an einer Änderung der momentanen Rechtslage.590
e) Lösungsansätze In der Literatur werden bereits verschiedene Lösungsansätze für das Problem der Leihmutterschaft diskutiert. Dabei sind Lösungsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen denkbar. Teilweise wird die Lösung nicht im internationalen Privatrecht, sondern im Sachrecht gesucht.591 So wird gefordert, die Leihmutterschaft im Inland, jedenfalls unter bestimmten engen Voraussetzungen wie etwa die unentgeltliche Leihmutterschaft, zuzulassen und das Kind in diesen Fällen den Wunscheltern zuzuordnen.592 Jedenfalls wenn die Abstammungsregelungen dann auch auf andere als im Inland erlaubte Formen der Leihmutterschaft anwendbar wären, wie etwa auch auf die entgeltliche Leihmutterschaft, wenn diese im Ausland durchgeführt wurde, würden sich keine Probleme mehr stellen, da dann auch das als anwendbar berufene deutsche Recht eine Zuordnung zu den Wunscheltern vorsehen würde. Eine Einführung der Leihmutterschaft im Inland ist jedoch höchst umstritten und deshalb hat auch der vom Justizministerium eingesetzte Arbeitskreis, der einen Vorschlag für eine Reform des nationalen Abstammungsrechts ausarbeiten sollte, eine Änderung des § 1591 BGB abgelehnt.593 Die Zulässig588 Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 56; Helms, FamRZ 2015, 245 f.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 515. 589 Dethloff, in: Ditzen/Weller, Regulierung der Leihmutterschaft, 55, 64. 590 Eine Änderung ebenfalls für dringend erforderlich haltend Dethloff, in: Ditzen/Weller, Regulierung der Leihmutterschaft, 55, 65 ff.; Dethloff, JZ 2014, 922, 931; Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 56; Benicke, StAZ 2013, 101, 113; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2676 f.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 553, 589 f.; jedenfalls für manche Konstellationen Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 325. Die bereits de lege lata vertretenen Lösungen sind hingegen sehr konstruiert und können nicht überzeugen. So schlägt Heiderhoff, NJW 2014, 2673 etwa vor, das leihmutterschaftsfreundliche ausländische Recht als Eingriffsnorm zu beachten. 591 Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2677. 592 Dethloff, in: Ditzen/Weller, Regulierung der Leihmutterschaft, 55, 65 ff.; Mayer, IPRax 2014, 57, 62; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 589; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1252; vgl. etwa einen möglichen Entwurf zur Zulässigkeit der Leihmutterschaft bei Gassner/Kersten/Krüger/Lindner/Rosenau/Schroth, Fortpflanzungsmedizingesetz, S. 6, 37, 61 (sog. Augsburg-Münchner-Entwurf ). 593 BMJV, Arbeitskreis Abstammungsrecht. Abschlussbericht, S. 38. Eine Änderung des nationalen Abstammungsrechts bezüglich der Mutterschaft ohne Beseitigung des Leihmutter-
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keit der Leihmutterschaft in Deutschland und eine diesbezügliche Änderung des Abstammungsrechts ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Eine andere Überlegung ist das nationale Verbot zwar unberührt zu lassen, aber eine Regelung speziell für durch ausländische Leihmütter geborene Kinder zu schaffen. So wird vorgeschlagen, dass in Fällen, in denen die Leihmutterschaft im Ausland rechtmäßig durchgeführt wurde, die Wunscheltern die Möglichkeit haben sollen, bei einem deutschen Gericht die Feststellung ihrer Wunschelternschaft zu beantragen.594 Ein deutsches Gericht könnte somit unter bestimmten Voraussetzungen die Elternschaft auf die Wunscheltern übertragen. Dieser Weg würde ebenfalls sicherstellen, dass das Kind rechtlich mit den Wunscheltern verbunden ist. Neben den Lösungen auf nationaler Ebene sind Lösungen auch auf internationaler Ebene denkbar. So könnte ein internationales Übereinkommen zur Anerkennung von im Ausland durchgeführten Leihmutterschaften ebenfalls die bestehenden Probleme beseitigen.595 Die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht setzt sich bereits seit Jahren mit dem Thema der Leihmutterschaft auseinander.596 Die eingesetzte Expertengruppe diskutiert derzeit neben einer grundsätzlichen Vereinheitlichung des internationalen Abstammungsrechts, über die Anerkennung von gerichtlichen Leihmutterschaftsurteilen sowie über eine kollisionsrechtliche Anerkennung von Eltern-Kind-Verhältnissen.597 Ein internationale Lösung wäre zwar wünschenswert, steht aber derzeit noch in weiter Ferne, sodass ein Handlungsbedarf auf nationaler Ebene weiterhin besteht.598 Schließlich könnte das Problem auf nationaler Ebene auch durch eine Änderung des Kollisionsrechts behoben werden. Würde Art. 19 Abs. 1 EGBGB stets das leihmutterschaftsfreundliche Recht des Durchführungsstaats berufen, wäre eine Abstammung von den Wunscheltern ebenfalls gesichert. Denkbar wäre etwa an den Geburtsort des Kindes anzuknüpfen, da das Kind in der Regel schaftsverbots wäre hingegen mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden, so der Arbeitskreis, S. 38. 594 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 326 ff.; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2677; Dethloff, JZ 2014, 922, 931; Dethloff, in: Ditzen/Weller, Regulierung der Leihmutterschaft, 55, 65; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 516 f.; für eine Rechtslagenanerkennung Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 56. 595 Dafür etwa Lederer, Grenzenloser Kinderwunsch, S. 207 ff.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 517; Wagner, StAZ 2012, 294, 298; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 327; Boele-Woelki, in: The Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Commitment to Private International Law, 47, 57; Sitter, Grenzüberschreitende Leihmutterschaft, S. 306 ff. 596 Siehe hierzu ausführlicher unten S. 227 ff. 597 Vgl. den Bericht der Expertengruppe vom November 2019, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 598 So auch Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 518.
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in dem Staat, in dem die Leihmutterschaft durchgeführt wird, auch geboren wird.599 Dagegen spricht jedoch, dass der Geburtsort teilweise auch sehr willkürlich sein kann. Bekommt die Leihmutter das Kind in einem anderen Land oder, im Falle der USA, in einem anderen Bundesstaat als dem, in dem die medizinisch assistierte Reproduktion durchgeführt wurde, wäre das Recht dieses Staates zur Anwendung berufen und damit die Abstammung wiederum nicht gesichert.600 Zudem hätten die anderen Beteiligten, sprich die Wunscheltern, mit dieser Rechtsordnung im Zweifel gar keine Verbindung. Überzeugender wäre es insofern gleich an das Recht des Durchführungsstaates anzuknüpfen.601 Grundsätzlich ist es zwar nicht Aufgabe des internationalen Privatrechts die Rechtsordnung zu bestimmen, die das von den Parteien gewünschte Ergebnis bereithält, sondern vielmehr die Rechtsordnung zu berufen, mit der der Sachverhalt am engsten verbunden ist.602 Zum einen ist es dem internationalen Privatrecht jedoch nicht gänzlich fremd auch materielle Interessen zu berücksichtigen. Gerade auch im geltenden internationalen Abstammungsrecht wird durch die alternative Anknüpfung ein materielles Ergebnis gefördert. Ebenso zeigt die Anknüpfung an das Registerrecht für die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft oder einer gleichgeschlechtlichen Ehe, dass im Kollisionsrecht teilweise auch vom Ergebnis her gedacht wird.603 Daher wäre es durchaus zu rechtfertigen, dass im Interesse und zum Wohle des Kindes aber auch im Interesse der Wunscheltern und der Leihmutter an das Recht des Durchführungsstaats anzuknüpfen. Zum anderen lässt sich aber durchaus auch vertreten, dass es sich um ein sachnahes Recht handelt: Das Recht, das über die Zulässigkeit einer medizinisch assistierten Reproduktion, wie beispielsweise der Leihmutterschaft, entscheidet, ist am besten geeignet, auch darüber zu entscheiden, wem das so gezeugte Kind zuzuordnen ist. Die Zulässigkeitsregeln und die Abstammungsregeln sind in der Regel so miteinander abgestimmt, dass es sinnvoll ist, dass das Recht des Staates, der eine bestimmte Technik erlaubt, auch darüber entscheidet, wem dieses Kind zugeordnet werden soll. Denn andere Staaten, die diese Techniken nicht erlauben oder aber nur unter anderen Voraussetzungen erlauben, werden hierfür auch keine Regelungen vorsehen. Ob die Einführung eines gerichtlichen Anerkenntnisverfahrens oder die Änderung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB den besseren Lösungsweg bietet, lässt sich nicht so einfach beantworten. Die Vorschläge schließen sich aber auch nicht ge599 Vorschlag
von Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 325 f.; vgl. auch Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 56. 600 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 515 f. 601 Diese Möglichkeit zieht auch Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 325 f. in Betracht. 602 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 131, 134 f. 603 Art. 17b Abs. 1 S. 1 und 4 S. 1 EGBGB. Vgl. hierzu die Gesetzesbegründung BTDrucks. 14/3751, S. 60. Siehe zu diesem Argument auch unten S. 280 f.
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genseitig aus. Eine Änderung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB wäre jedenfalls eine Möglichkeit die derzeitigen Widersprüche insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Ergebnisse zur verfahrensrechtlichen Anerkennung zu beseitigen. Gerade wenn auch andere Formen der medizinisch assistierten Reproduktion Probleme aufweisen sollten – dies wird noch zu untersuchen sein –, stellt die Änderung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB den Vorteil dar, dass damit nicht nur das Problem der Leihmutterschaft, sondern gleich auch die anderen Probleme behoben werden könnten.
3. Konkurrierende Mutter- und Vaterschaften bei Leihmutterschaft Während regelmäßig in Leihmutterschaftsfällen keine Zuordnung zu der Wunschmutter erfolgt, kann es unter bestimmten Umständen auch zu konkurrierenden Mutterschaften kommen, wenn die Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB einmal das Kind der Leihmutter und einmal das Kind der Wunschmutter zuordnen. Ebenfalls möglich sind konkurrierende Vaterschaften. Zu einer konkurrierenden Mutterschaft kann es kommen, wenn die Wunschmutter ausnahmsweise die Staatsangehörigkeit des Leihmutterschaftsstaates besitzt. Ist die Wunschmutter etwa Ukrainerin, wird sie nach ihrem Heimatrecht als die rechtliche Mutter angesehen.604 Ist aber gleichzeitig auch deutsches Recht Abstammungsstatut, weil das Kind im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat, ist danach die Leihmutter die rechtliche Mutter. Ein anderes denkbares Szenario wäre, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem leihmutterschaftsfreundlichen Staat begründet, welches die Mutterschaft der Wunschmutter vorsieht, die Leihmutter nach ihrem Heimatrecht aber ebenfalls rechtliche Mutter ist, da sie nicht die Staatsangehörigkeit des Leihmutterschaftsstaates besitzt, sondern die eines Staates, der die Leihmutterschaft verbietet und stets der gebärenden Frau das Kind zuordnet. Naheliegend wäre es hier auf die gleichen Grundsätze wie bei konkurrierenden Vaterschaften abzustellen. Zwar würde in dem ersten Beispielsfall das Prioritätsprinzip durchaus zu dem gewünschten Ergebnis führen, dass der Elternschaft der Wunschmutter der Vorrang zukommt, da der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes frühestens ab Einreise nach Deutschland begründet wird und damit die Elternschaft der Leihmutter, anders als die der Wunschmutter, noch nicht zum Zeitpunkt der Geburt besteht. Letztlich hängt es jedoch vom Zufall ab, welche Elternschaft zuerst begründet wird. Im zweiten Fall entsteht etwa die Elternschaft der Leihmutter zuerst, da das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt erst nach ungefähr sechs Monaten im Ausland begründet und damit die Elternschaft der Wunschmutter auch erst in diesem Zeitpunkt begründet wird. Auch wenn die Mutterschaften einmal gleichzeitig entstehen sollten, würde die Lösung über die engste Verbindung, wie sie hier bei konkurrierenden Vater604
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schaften vertreten wird, meist nicht überzeugen. Die engste Verbindung würde immer dann, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat – was dem Regelfall entspricht – zum deutschen Recht führen und damit zur Mutterschaft der Leihmutter. Wie aber bereits zum ordre public ausgeführt wurde, entspricht es gerade dem Wohl des Kindes seiner Wunschmutter zugeordnet zu werden. Diese Wertung muss sich auch bei der Auswahl der konkurrierenden Mutterschaften durchsetzen.605 Es muss mithin der Alternative der Vorrang gegeben werden, die die Zuordnung zur Wunschmutter vorsieht.606 Eine andere Beurteilung ist nur angezeigt, wenn die Leihmutter ausnahmsweise das Kind behalten möchte.607 Es handelt sich hierbei auch nicht um eine ungerechtfertigte Differenzierung zu den oben genannten Fällen der konkurrierenden Vaterschaften abseits von Leihmutterschaftsfällen. Während sich bei natürlicher Zeugung keine eindeutige Aussage darüber treffen lässt, ob nun der (Ex-)Ehemann oder der Anerkennende für das Kind der günstigere Vater ist, gebietet es das Kindeswohl in Leihmutterschaftsfällen gerade das Kind den Wunscheltern zuzuordnen. Die Elternschaft der Wunscheltern war nach Vereinbarung aller Beteiligten vom Zeitpunkt der Zeugung an beabsichtigt und die Leihmutter hat von Anfang an auf ihre Mutterrolle verzichtet. Die Ausgangssituation ist somit eine gänzlich andere als bei konkurrierenden Vaterschaften bei natürlicher Zeugung. Die gleichen Erwägungen zu konkurrierenden Mutterschaften gelten auch, wenn die verschiedenen Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB sowohl zur Vaterschaft des Wunschvaters als auch zur Vaterschaft des Ehemanns der Leihmutter führen. Im Interesse des Kindes ist auch hier der Abstammung vom Wunschvater der Vorzug zu geben.608 Hier zeigt sich erneut, dass die Alternativanknüpfung nicht mehr zeitgemäß ist. Die Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB können auch bei Leihmutterschaften zu widersprüchlichen Ergebnissen sowohl hinsichtlich der Mutterschaft als auch hinsichtlich der Vaterschaft führen – ein Umstand der wohl vom Gesetzgeber bei Erlass nicht bedacht wurde. Gerade die unterschiedliche Behandlung von konkurrierenden Vaterschaften bei natürlicher Zeugung und kon-
605 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-165; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 36; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 30. 606 BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 36; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 30; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-165; Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 78; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1149; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 109 f.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 580; Siede, FamRB 2019, 224, 226. Für eine Zuordnung zur gebärenden Frau hingegen Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, S. 141 f.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; NomosK/Bischoff, Art. 19 EGBGB Rn. 29. 607 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 78; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1149; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 36; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 30. 608 BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 36; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 580.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
kurrierende Elternschaften bei Leihmutterschaften verdeutlicht, dass es einer Reform der Vorschrift bedarf.
III. Gleichgeschlechtliche Elternschaft, insbesondere Co-Mutterschaft Mit der zunehmenden Anzahl an Staaten, die eine originäre gleichgeschlechtliche Elternschaft erlauben, stellt sich die Frage, inwiefern eine solche nach ausländischem Recht begründete gleichgeschlechtliche Elternschaft auch im Inland anzuerkennen ist.609 Eine Abstammung von zwei Personen gleichen Geschlechts ist auf zwei Wegen möglich: Manche Staaten erlauben gleichgeschlechtlichen Paaren die Inanspruchnahme einer Leihmutterschaft und ordnen ihnen das Kind anschließend zu.610 Daneben gibt es eine zunehmende Anzahl an Rechtsordnungen, die, in Anlehnung an die Vaterschaft des Ehemanns, die Ehefrau oder die eingetragene Partnerin der gebärenden Frau kraft Gesetzes als Mutter ansehen sowie die Anerkennung auch einer zweiten Frau ermöglichen.611 Ob die gleichgeschlechtliche Elternschaft auch aus deutscher Sicht besteht, richtet sich danach, wie das von Art. 19 Abs. 1 EGBGB zur Anwendung berufene Recht,612 die Abstammung beurteilt. Sofern es um die kollisionsrechtliche Beurteilung der Abstammung eines von einer Leihmutter geborenen Kindes geht, kann auf die vorherigen Ausführungen zur Leihmutterschaft verwiesen werden und nur hinsichtlich des ordre public sind zusätzliche Erwägungen anzustellen, da das deutsche Abstammungsrecht nur eine Elternschaft von einer Frau und einem Mann kennt. Die Abstammung von einer zweiten Frau aufgrund einer Anknüpfung an die Partnerschaft zur gebärenden Frau oder aufgrund Anerkennung bedarf demgegenüber noch einer eigenen Untersuchung. Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass es sich bei der gleich geschlechtlichen Elternschaft nicht um einen Fall von konkurrierenden ElternKind-Zuordnungen handelt.613 Anders als bei konkurrierenden Vaterschaften oder konkurrierenden Mutterschaften kommen nicht die verschiedenen Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu unterschiedlichen Vätern oder Müttern, sondern vielmehr sieht eine als Abstammungsstatut berufene Rechtsordnung die Zuordnung zu zwei gleichgeschlechtlichen Elternteile vor.
1. Co-Mutterschaft Zunächst ist zu untersuchen, ob ausnahmsweise bereits die Eintragung der CoMutter in einer ausländischen Geburtsurkunde die Abstammung aus deutscher 609 Hierzu Helms, IPRax 2023, 232 ff.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 57 ff. 610 Vgl. den rechtsvergleichenden Überblick oben auf S. 49. 611 Vgl. den rechtsvergleichenden Überblick oben auf S. 44 ff. 612 Vgl. zur Qualifikation bereits oben S. 72 ff. 613 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-219.
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Sicht feststellt. Eine solche Anerkennungspflicht könnte sich aus dem CIECÜbereinkommen über die Feststellung der mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder vom 12.09.1962614 ergeben. Gemäß Art. 1 des Übereinkommens gilt die mütterliche Abstammung als festgestellt, wenn im Geburtseintrag eines nichtehelichen Kindes eine Frau als Mutter des Kindes bezeichnet ist. Ob Art. 1 tatsächlich eine Anerkennungspflicht vorsieht, ist indes umstritten.615 Ebenso besteht keine Einigkeit über die Frage, ob das Übereinkommen auch im Verhältnis zu Drittstaaten oder nur im Verhältnis zu Vertragsstaaten anwendbar ist.616 Dies bedarf hier aber keiner weiteren Erörterung, da bereits der Anwendungsbereich des Abkommens nicht eröffnet ist.617 Aus der Entstehungsgeschichte und -zeit ergibt sich, dass das Übereinkommen „eindeutig nur von einer möglichen Mutterschaft ausging und sicher nicht die Feststellung einer Mitmutterschaft umfassen wollte.“618 Zweck des Übereinkommens ist die Angleichung der Vorschriften hinsichtlich der Begründung der Mutterschaft der gebärenden Frau in Bezug auf nichteheliche Kinder.619 So wird in den meisten Staaten die Abstammung des nichtehelichen Kindes von der Mutter bereits durch die Geburt begründet, „während es in anderen Staaten zur Begründung von Rechtsbeziehungen zwischen Mutter und Kind einer Anerkennung […] durch die Mutter bedarf“.620 Dieser Zweck schließt die Anwendung des Übereinkommens auf die Fälle der Mitmutterschaft aus.621 Die Abstammung beurteilt sich somit nach dem von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Recht.
a) Keine Co-Mutterschaft bei Durchführung einer künstlichen Befruchtung eines deutschen Paares im Ausland Der Zugang zur medizinisch assistierten Befruchtung für lesbische Frauen ist im Inland nicht gesetzlich geregelt und daher nicht verboten, aber gerade auch 614
BGBl 1965 II 17, 23. Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132, 133. Dafür etwa Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, Fn. 19. Vgl. den Streit zum sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens bei Hepting/ Gaaz, PStR Bd. 2 Rn. IV-314. 616 Ausführlich hierzu Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 19 ff. Vgl. auch MüKo/Helms, Anh. II zu Art. 19 EGBGB Rn. 2 m. w. N.; Simitis, RabelsZ 33 (1969), 30, 41 f. 617 BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1253; KG (02.12.2014), FamRZ 2015, 943, 944; OLG Celle (10.03.2011), FamRZ 2011, 1518, 1519; MüKo/Helms, Anh. II zu Art. 19 EGBGB Rn. 2; Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 17; Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132, 133; Frie, FamRZ 2015, 889, 890; Reuß, in: FS Coester-Waltjen, 681, 687; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 171 f. 618 Frie, FamRZ 2015, 889 890. 619 BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1253; Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 17; MüKo/Helms, Anh. II zu Art. 19 EGBGB Rn. 1; Simitis, RabelsZ 33 (1969), 30, 40 ff. 620 Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 17. 621 BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1253; Staudinger/Henrich, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Rn. 17; MüKo/Helms, Anh. II zu Art. 19 EGBGB Rn. 2. 615
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nicht ausdrücklich erlaubt.622 Die (Muster-)Richtlinie der Bundesärztekammer von 2006 hat grundsätzlich eine assistierte Reproduktion bei Frauen ausgeschlossen, die „in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben.“623 Eine Richtlinie der Bundesärztekammer ist für Ärzte zwar nicht verbindlich, da nur das Recht der jeweiligen Landesärztekammer maßgebend ist, jedoch wurde die Richtlinie zunächst von den meisten Landesärztekammern übernommen.624 Aus diesem Grund hatten es lesbische Paare trotz mangelndem gesetzlichen Verbot häufig schwer im Inland eine medizinisch assistierte Befruchtung mittels Samenspende durchführen zu lassen mit der Folge, dass sich lesbische Paare aus Deutschland oftmals im Ausland einer künstlichen Befruchtung unterzogen haben.625 Mittlerweile erlauben zwar immer mehr Samenbanken im Inland den Zugang auch für Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben – auch weil die meisten Richtlinien der Landesärztekammern mittlerweile nicht mehr ausdrücklich die Befruchtung verbieten –,626 dennoch ist davon auszugehen, dass auch weiterhin lesbische Paare Befruchtungszentren im Ausland in Anspruch nehmen – wenn auch nicht mehr in der gleichen Maße.627 622 Helms, in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunft, 49, 51; Taupitz, NJW 2021, 1430; Dethloff, in: FS Roth, 51, 52 ff.; Dethloff/Timmermann, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin – Gutachten, S. 17; Reuß, StAZ 2016, 353. 623 So der der Richtlinie beigefügte Kommentar zu 3.1.1, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion, DÄBl. 2006, A 1392, A. 1400: „Bei nicht miteinander verheirateten Paaren wird dabei einer heterologen Insemination mit besonderer Zurückhaltung zu begegnen sein; sie erklärt sich aus dem Ziel, dem so gezeugten Kind eine stabile Beziehung zu beiden Elternteilen zu sichern. Aus diesem Grund ist eine heterologe Insemination zurzeit bei Frauen ausgeschlossen, die in keiner Partnerschaft oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben.“ Ausführlich hierzu Taupitz, NJW 2021, 1430; Krekeler, MedR 2017, 867. 624 Ausführlich Helms, in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunft, 49, 51 f.; Taupitz, NJW 2021, 1430; Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion und gleichgeschlechtliche Elternschaft, S. 304 ff.; Krekeler, MedR 2017, 867; Reuß, StAZ 2016, 353, 354; Dethloff, in: FS Roth, 51, 52 ff., die allerdings darauf hinweist, dass der entsprechende Kommentar, aus dem sich der Ausschluss ergibt (siehe vorherige Fußnote), nur in wenigen Bundesländern übernommen wurde. 625 Vgl. Dethloff, in: FS Roth, 51, 54; Steinbeck/Kastirke, Zwei Mütter, zwei Väter, S. 25; Spiewak, Die Zeit am 31.12.2003 („In Holland, Belgien, Dänemark und auch Spanien dagegen zählen Samenbanken schon seit vielen Jahren auch lesbische Paare zu ihren Kundinnen. Das hat zu regem Fortpflanzungstourismus lesbischer Paare aus Deutschland ins Ausland geführt.“). 626 Helms, in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunft, 49, 51 mit Beispielen in Fn. 10 und 11. Vgl. Dethloff, in: FS Roth, 51, 54. 627 Vgl. BMJV, Arbeitskreis Abstammungsrecht. Abschlussbericht, S. 68; siehe auch den Lesben-und Schwulenverband, Ratgeber: Künstliche Befruchtung bei gleichgeschlechtlichen Paaren, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023): „Deutsche Samenbanken unterliegen teilweise strengeren gesetzlichen Anforderungen als ausländische Samenbanken. Einige haben auch immer noch Vorbehalte gegen Regenbogenfamilien. Deshalb weichen viele Paare auf ausländische Samenbanken aus.“
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Begibt sich ein deutsches, lesbisches Paar zur Vornahme einer medizinischassistieren Reproduktion in ein anderes Land, das zugleich eine abstammungsrechtliche Zuordnung zu einer zweiten Frau vorsieht,628 wird das Kind aus deutscher Sicht trotzdem nur der gebärenden Frau zugeordnet, da alle Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zum deutschen Recht führen und dieses keine Abstammung von einer zweiten Frau kennt.629 So verweist die Anknüpfung an das Heimatrecht des jeweiligen Elternteils bei einer deutschen Co-Mutter zum deutschen Recht und auch der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes wird in diesen Fällen im Inland liegen, da die Frauen regelmäßig gleich nach der Befruchtungsbehandlung wieder zurück nach Deutschland kehren und hier das Kind zur Welt kommt. Vor der Klarstellung des Gesetzgebers wurde vertreten, dass das Registerstatut als das Ehewirkungsstatut von gleichgeschlechtlichen Paaren in analoger Anwendung des Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB berufen ist.630 Dieses hätte selbst bei einem deutschen Paar zu einer Abstammung von beiden Frauen geführt, wenn das Paar seine Ehe oder eingetragene Partnerschaft in einem Staat geschlossen hätte, der eine abstammungsrechtliche Zuordnung zu zwei Frauen vorgesehen hätte. Im Ergebnis hätte dies eine mittelbare Rechtswahl bedeutet.631 Einer solchen Auslegung hat der Gesetzgeber jedoch den Riegel vorgeschoben und ausdrücklich in der Gesetzesbegründung klargestellt, dass der Verweis auf Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB in Art. 17b Abs. 5 EGBGB nicht als Verweis auf das Registerstatut nach Art. 17b Abs. 1, 4 EGBGB zu verstehen ist, sondern als Verweis auf Art. 14 Abs. 2 EGBGB.632 Bei einem Ehepaar mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland führt diese Anknüpfung allerdings ebenso zum deutschen Recht. Unterzieht sich also ein lesbisches Paar mit deutscher Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland einer medizinisch assistierten Reproduktion im Ausland, wird das Kind aus deutscher Sicht nur der gebärenden Frau zugeordnet. Die Mutterschaft der anderen Frau, wie sie das Recht des Staates kennt, in dem die künstliche Befruchtung durchgeführt wurde, wird hingegen nicht begründet, obwohl die Zweitmutter ebenfalls für die Existenz des Kindes mitverantwortlich ist. Die Partnerin der gebärenden Frau ist also 628 Entweder aufgrund der Paarbeziehung der Frau zur gebärenden Frau, aufgrund Anerkennung oder aufgrund einer vorherigen Zustimmung zur künstlichen Befruchtung, vgl. zu den verschiedenen Regelungen den rechtsvergleichenden Überblick zur Co-Mutterschaften auf S. 40 ff. 629 Dethloff, in: FS Roth, 51, 60 („In aller Regel erschöpft sich die Auslandsberührung indes bereits in der Durchführung der reproduktionsmedizinischen Maßnahme im anderen Staat“). Vgl. zum deutschen materiellen Recht oben S. 40 f.; Taupitz, NJW 2021, 1430, 1431; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 5 ff. 630 MüKo/Coester, 6. Aufl., Art. 17b EGBGB Rn. 71; BeckOK/Heiderhoff, 48. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 20; BeckOK/Heiderhoff, 48. Aufl., Art. 17b EGBGB Rn. 47; JurisPK/ Duden, 8. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 55; Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132, 135 f. 631 JurisPK/Duden, 8. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 55. 632 BT-Drucks. 19/4670, S. 27. Vgl. ausführlich oben S. 93 f.
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auf eine Adoption angewiesen. Wie bereits zu den Leihmutterschaftsfällen ausgeführt, ist eine Adoption jedoch immer mit Nachteilen gegenüber einer direkten Zuordnung verbunden: Der Adoptionsvorgang zieht sich über einen längeren Zeitraum, in denen sich die Umstände ändern können: Einer der beiden Frauen kann sterben bevor die Adoption abgeschlossen ist; das Paar kann sich trennen, sodass die rechtliche Mutter der Adoption nicht mehr zustimmt oder die Zweimutter das Interesse an der Adoption verliert.633 Letztlich ist dieses Ergebnis aber nicht Folge des Auslandsbezugs des Sachverhalts, sondern entspricht der Rechtslage, wenn sich ein (deutsches) lesbisches Paar im Inland einer künstlichen Befruchtung unterzieht. Während bei der Inanspruchnahme einer Leihmutterschaft im Ausland die faktische Mutter- bzw. Elternlosigkeit aus deutscher Sicht darauf zurückzuführen ist, dass im Inland die Leihmutterschaft verboten ist und daher das deutsche Recht keine passenden Abstammungsregeln für diese Konstellation vorsieht, ist dies hier nicht der Fall. Das deutsche Recht verbietet gerade nicht den Zugang zur Reproduktionsmedizin für lesbische Paare, aber es sieht dennoch keine passenden Abstammungsregelungen für diese Konstellation vor. Es besteht hier ein erhebliches Defizit der nationalen Abstammungsregelungen,634 nicht aber des internationalen Privatrechts.
b) Keine Co-Mutterschaft, wenn nur das Heimatrecht der gebärenden Frau eine solche kennt Aber selbst wenn eine der beiden mit dem Kind in Deutschland635 lebenden Frauen die Staatsangehörigkeit eines Staates besitzt, der eine Co-Mutterschaft erlaubt, ist damit allein noch nicht sichergestellt, dass eine Co-Mutterschaft aus deutscher Sicht besteht. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB fordert vielmehr, dass gerade die zweite Frau, sprich die nicht gebärende Frau, diese Staatsangehörigkeit besitzt, da nach dem Heimatrecht eines potentiellen Elternteils nur dessen 633 Dethloff, in: FS Roth, 51, 54 nennt diese Rechtslage bedenklich. Zu den Defiziten einer Stiefkindadoption siehe auch Dethloff, in: FS Coester-Waltjen, 41, 46 ff. 634 So auch die Einschätzung von Dethloff, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 18.03.2019 zum Gesetzesentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ (BT-Drucks. 19/2665), 1 ff.; Dethloff/Timmermann, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin – Gutachten, S. 28 ff.; Dethloff, in: FS Roth, 51, 61 („Kinder, die mittels reproduktionsmedizinischer Maßnahmen gezeugt werden, bedürfen des Schutzes unabhängig von der sexuellen Orientierung derer, die ihre Zeugung herbeigeführt haben und die für sie Elternverantwortung tragen.“); Wellenhofer, FamRZ 2016, 1333, 1334 f.; Wellenhofer, in: Hilbig-Lugani/Huber, Moderne Familienformen, 59, 65 ff.; Löhnig, ZRP 2017, 205 ff. Vgl. auch den Reformvorschlag des BMJV, Arbeitskreis Abstammungsrecht. Abschlussbericht, S. 70 f. 635 Oder das Paar mit dem Kind in einem anderen Land lebt, welches ebenfalls eine CoMutterschaft nicht kennt.
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Elternschaft festgestellt werden kann, nicht aber auch die einer anderen Person. Ob eine Co-Mutterschaft auch aus deutscher Sicht besteht, hängt mithin davon ab, wer von den beiden Müttern das Kind auf die Welt bringt. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen: Eine Deutsche und ihre niederländische Ehefrau leben in Deutschland und möchten hier eine Familie gründen. Zu diesem Zwecke unterzieht sich zunächst die deutsche Frau mit Zustimmung ihrer Ehefrau einer künstlichen Befruchtung mittels Spendersamen. Das so entstandene Kind wird aus deutscher Sicht bereits zum Zeitpunkt der Geburt den beiden Müttern zugeordnet, da das berufene deutsche636 Sachrecht (Aufenthaltsrecht und Heimatrecht der gebärenden Frau) das Kind der gebärenden Frau zuordnet und das niederländische637 Recht als dem Heimatrecht der Co-Mutter die Ehefrau der gebärenden Frau als rechtliche Mutter ansieht. Entscheiden sich die beiden Frauen für ein weiteres Kind und soll diesmal die Niederländerin das Kind austragen, ist die Rechtslage indes eine andere: Aus deutscher Sicht ist diesmal nur die Niederländerin die rechtliche Mutter, nicht aber auch die deutsche Ehefrau. Anders als das erste Kind des Paares erhält das zweite Kind folglich nur einen rechtlichen Elternteil. Das durch Art. 19 Abs. 1 S. 2 berufene co-mutterschaftsfreundliche niederländische Recht ist ausschließlich für die Abstammung von der Niederländerin anwendbar, nicht aber auch für die Abstammung der deutschen Frau. Die Elternschaft der deutschen Frau bestimmt sich allein nach deutschem Recht, welches eine Elternschaft einer zweiten Frau eben gerade nicht vorsieht. Die deutsche Ehefrau ist daher auf eine Stiefkindadoption angewiesen.
Das so erzielte Ergebnis, dass das eine Kind des Paares beiden Müttern rechtlich zugeordnet wird, das andere Kind hingegen erst noch von der deutschen Frau adoptiert werden muss, ist äußerst unbefriedigend. Es erscheint nicht überzeugend, dass die Anerkennung der rechtlichen Elternschaft in diesen Fällen davon abhängt, wer das Kind geboren hat. Aus der Sicht des Kindes stellt sich dieser Umstand letztlich als rein zufällig dar. Das Problem der Anerkennung der Co-Mutterschaft würde sich freilich entschärfen, wenn die Co-Mutterschaft in das deutsche Sachrecht eingeführt würde, da in diesem Fall bereits immer dann, wenn das Kind in Deutschland lebt, eine Elternschaft beider Frauen gegeben wäre. Konkrete Reformvorschläge des Bundesjustizministeriums liegen bereits vor638 und zudem sind auch zwei Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Rechtslage beim Bundesverfassungsgericht anhängig.639 Jedoch bestünde auch trotz einer 636
§ 1591 BGB. Art. 1:198 Abs. 1 lit. b niederl. BW. 638 BMJV, Diskussionsteilentwurf, S. 5 ff., abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 639 Zum einen aufgrund eines Vorlagebeschlusses des OLG Celle (24.03.2021), FamRZ 2021, 862 und zum anderen aufgrund eines Vorlagebeschlusses des KG (24.03.2021), FamRZ 2021, 854. Vgl. hierzu Reuß, FamRZ 2021, 824 ff. 637
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Regelung der Co-Mutterschaft im deutschen Sachrecht weiterhin für deutsche Kinder, die im Ausland leben, keine Sicherheit, dass sie beiden Müttern zugeordnet werden. Immer dann, wenn der Aufenthaltsstaat keine Co-Mutterschaft kennen würde, käme es auch hier wieder aufgrund der Heimatrechtsanknüpfung darauf an, wer von den beiden Frauen das Kind zur Welt bringt. Nur wenn die Deutsche die Co-Mutter wäre, hätte das Kind aus deutscher Sicht zwei Elternteile. Das unbefriedigende Ergebnis der Heimatrechtsanknüpfung bestünde folglich auch nach der Einführung der Co-Mutterschaft in das deutsche Recht fort – wenn natürlich nicht im gleichen Maße.
c) Co-Mutterschaft nach ausländischem Abstammungsstatut Anders ist die Situation hingegen, wenn die Eltern gemeinsam mit dem Kind in einem Land leben, welches eine Co-Mutterschaft kraft Gesetzes oder aufgrund Anerkennung kennt, oder aber die Zweitmutter die Staatsangehörigkeit eines solchen Staates besitzt. In diesen Fällen ist das ausländische Recht als Abstammungsstatut berufen und damit entfaltet die ausländische Co-Mutterschaft auch im Inland Wirkung – die Vereinbarkeit mit dem ordre public unterstellt (dazu sogleich). Mit einer solchen Konstellation hatte sich auch der BGH640 zu befassen: Eine Südafrikanerin hatte sich mit Zustimmung ihrer deutschen Ehefrau einer künstlichen Befruchtung mittels Samenspende unterzogen. Da die beiden Ehefrauen mit dem Kind in Südafrika lebten, führte in diesem Fall die Aufenthaltsanknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB zum südafrikanischen Recht. Das südafrikanische Recht ordnet ein Kind, welches durch eine künstliche Befruchtung mittels einer Samenspende mit Zustimmung der Ehegatten gezeugt wurde, den Eheleuten zu.641 Hängt nach dem ausländischen Abstammungsstatut die Abstammung von zwei Müttern davon ab, ob das Paar wirksam verheiratet ist oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, wie dies etwa im südafrikanischen Recht der Fall ist, ist zunächst zu prüfen, ob die Ehe wirksam zustande gekommen ist.642 Umstritten ist, ob diese Vorfrage selbständig oder unselbständig anzuknüpfen ist.643 Bei einer selbständigen Anknüpfung würde das deutsche Kollisionsrecht über die Wirksamkeit der Ehe bestimmen, mithin Art. 17b Abs. 4 EGBGB, wohingegen sich bei einer unselbständiger Anknüpfung die Wirksamkeit nach dem auf die Abstammung anwendbaren Recht unter Einschluss dessen Kollisions640 BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251. 641 Sec. 40(1)(a) Children’s Act 38 von 2005
i. V. m. Sec. 13(1) des Civil Union Act 17 von 2006, der bestimmt, dass auch Partner einer civil Union als Ehegatten gelten, vgl. BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1253. 642 Die gleiche Frage stellt sich auch bei verschiedengeschlechtlichen Paaren. 643 Im Falle des BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251 konnte die Frage dahingestellt bleiben, da sowohl die selbständige als auch die unselbständige Anknüpfung zum südafrikanischen Recht führte.
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rechts richten würde. Nach überzeugender Ansicht sollte es dem ausländischen Recht überlassen werden, welche Verbindung es „als eine tragfähige Basis für das Eingreifen der [Abstammungsvermutung] […] ansieht“.644 Die Vorfrage nach dem Bestehen der gleichgeschlechtlichen Ehe ist daher aus der Sicht des Abstammungsstatuts zu beantworten, mithin unselbständig anzuknüpfen.645 Ist das Recht, das danach auf die Ehe anwendbar ist, nicht identisch mit dem Abstammungsstatut kann sich ein Substituierungsproblem stellen.646 Kennt das Recht, dass auf das Statusverhältnis anwendbar ist, etwa nur eine eingetragene Partnerschaft ist das Abstammungsstatut danach zu befragen, ob die nach ausländischem Recht bestehende Partnerschaft die Voraussetzungen der Ehe substituiert.647 Das soeben Gesagte gilt entsprechend, wenn das Abstammungsstatut nicht an eine gleichgeschlechtliche Ehe, sondern an eine eingetragene Partnerschaft anknüpft.
2. Ordre public Verweist eine der Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf ausländisches Recht, welches eine gleichgeschlechtliche Elternschaft vorsieht, stellt sich sodann die Frage, ob eine solche gleichgeschlechtliche Elternschaft überhaupt mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts vereinbar ist.
a) Gleichgeschlechtlichkeit per se Eine originäre Elternschaft zweier Frauen oder zweier Männer verstößt grundsätzlich nicht bereits wegen der Gleichgeschlechtlichkeit der Eltern gegen den 644
Helms, StAZ 2009, 293, 297. Siehe auch MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 49. eine unselbständige Anknüpfung Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-223; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 51 f. (für die Anknüpfung nach S. 1 und S. 2); v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 129, die den internationalen Entscheidungseinklang betonen; Helms, StAZ 2012, 2, 7; Helms, StAZ 2009, 293, 297; Dutta, FamRZ 2016, 1256, 1257; Grüneberg/Thorn, Art. 19 EGBGB Rn. 4. Da eine gleichgeschlechtliche Ehe im deutschen Recht als Lebenspartnerschaft qualifiziert wird (Art. 17b Abs. 4 EGBGB), würde sich bei einer selbstständigen Anknüpfung außerdem die Frage stellen, „ob diese Ehe im ausländischen Abstammungsstatut die gleichgeschlechtliche Ehe trotz ihrer lebenspartnerschaftlichen Qualifikation im deutschen Kollisionsrecht substituiert“, Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-223. Dieses Problem wird durch eine unselbständige Anknüpfung vermieden, siehe hierzu ausführlich Helms, StAZ 2012, 2, 7. Für eine selbständige Anknüpfung hingegen BGH (22.01.1965), FamRZ 1965, 311, 312; vgl. auch BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1253 m. w. N.; OLG Hamburg (14.04.2014), FamRZ 2014, 1563; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 82; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 40; Krömer, StAZ 2006, 115 ff.; vgl. MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Fn. 128 m. w. N. Demgegenüber vertritt Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 34 eine alternative Anknüpfung. 646 Dutta, FamRZ 2016, 1256, 1257. 647 Andrae, StAZ 2015, 163, 170 f. Zur Substitution der nach dem spanischen Abstammungsrecht vorausgesetzten Ehe durch eine deutsche eingetragenen Lebenspartnerschaft, siehe Wall, StAZ 2018, 288, 290 f. 645 Für
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ordre public.648 Zwar kennt das deutsche Recht keine direkte abstammungsrechtliche Zuordnung eines Kindes zu einem gleichgeschlechtlichen Paar, dennoch ist dem deutschen Recht eine gleichgeschlechtliche Elternschaft nicht unbekannt. So steht die gemeinsame Adoption auch gleichgeschlechtlichen Ehegatten zu und für eingetragene Lebenspartner besteht die Möglichkeit einer Sukzessiv- sowie Stiefkindadoption.649 Über den Weg der Adoption kann also auch im deutschen Recht eine gleichgeschlechtliche Elternschaft begründet werden. Denn das Kindeswohl spricht gerade nicht gegen eine gleichgeschlechtliche Elternschaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist vielmehr davon auszugehen, dass „die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe“.650 Die Gleichgeschlechtlichkeit der Eltern per se rechtfertigt daher keinen ordre public-Verstoß. Wurde das Kind mithilfe einer Leihmutter gezeugt, sind zusätzlich die allgemeinen ordre public-Erwägungen bei der Leihmutterschaft zu berücksichtigen. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
b) Verdrängung des biologischen Vaters bei der Co-Mutterschaft Bei der automatischen Zuordnung zur Ehefrau der gebärenden Frau und bei einer Anerkennung durch eine zweite Frau könnte ein ordre public-Verstoß aber darin liegen, dass die Rechte des biologischen Vaters durch die Zuordnung möglicherweise missachtet werden. Wurde das Kind mittels einer Samenspende gezeugt und hat der Samenspender gerade auf eine Elternschaft verzichtet, sind die Rechte des Samenspenders durch die Zuordnung zu der Co-Mutter indes nicht verletzt.651 Die Konstellation ist gerade vergleichbar mit der – wenn auch strittigen und teils unklaren – Rechtslage im deutschen Recht: Bei einer offiziellen Samenspende im Rahmen einer medizinisch assistierter Reproduktion ist das Anfechtungsrecht des Samenspenders im deutschen Recht ebenfalls ausgeschlossen.652 Ein „Samenspen648 BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1255; BGH (10.12.2014), FamRZ 2015, 240, 243; BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 46; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 65; Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132, 136; Henrich, in: FS Frank, 249, 256; Helms, StAZ 2012, 2, 8; Sieberichs, StAZ 2015, 1, 2 ff.; Reuß, in: FS Coester-Waltjen, 681, 688 ff.; Frie, FamRZ 2015, 889, 893 f. 649 § 1741 Abs. 2 S. 2 BGB i. V.m § 1353 Abs. 1 BGB (gemeinschaftliche Adoption durch Ehegatten); § 9 Abs. 7 S. 1 LPartG (Sukzessiv- sowie Stiefkindadoption durch eingetragene Lebenspartner). 650 BVerfG (19.02.2013), FamRZ 2013, 521, 527; zuvor bereits BVerfG (19.06.2012), FamRZ 2012, 1472, 1476. 651 So auch BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1256; Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132, 137; Dutta, FamRZ 2016, 1256; Reuß, in: FS Coester-Waltjen, 681, 691 f.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 133 f. 652 Der anonyme Spender wird, anders als der private Spender, durch die Hürde der eidesstattlichen Versicherung der Beiwohnung in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB von der Anfechtung aus-
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der, der inkognito unter Verzicht auf eine mögliche Vaterposition sein Sperma zur Verfügung stellt, [wird] nach deutschem Recht nicht als Träger eines Elternrechts angesehen […] und [kann] keine Vaterposition einnehmen […].“653 Aber auch bei einer privaten Samenspende an ein verschiedengeschlechtliches Paar wird, wenn der rechtliche Vater der künstlichen Befruchtung vorab zugestimmt hat (sogenannte konsentierte heterologe Insemination), dem Samenspender die Anfechtung verwehrt.654 Insofern kann eine ausländische Regelung, die den Samenspender aus der Vaterrolle verdrängt, nicht gegen den ordre public verstoßen. Anders könnte die Lage aber sein, wenn die Zuordnung zur Co-Mutter erfolgt, obwohl das Kind natürlich gezeugt wurde oder mittels privater Samenspende ohne aber, dass der Spender auf seine Elternschaft verzichtet hat. Während eine Vielzahl an Staaten eine Zuordnung zu einer zweiten Frau nur im Rahmen einer medizinisch assistierten Insemination mittels Samenspende vorsehen, begrenzen andere Staaten die Zuordnung hingegen nicht auf diese Zeugungsmethode und damit wird das Kind auch bei einer natürlichen Zeugung der Ehefrau oder der Anerkennenden zugeordnet.655 Da dadurch der leibliche Vater aus der Elternstellung verdrängt wird, könnte dies eine Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen des deutschen Rechts begründen. Der leibliche Vater genießt nach deutschem Recht verfassungsrechtlichen Schutz; das BVerfG hat insofern klargestellt, dass Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG den leiblichen Vater „in seinem Interesse [schützt], die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen.“656 Allerdings ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch die soziale Elternschaft verfassungsrechtlich geschützt und die Verfassung bestimmt insofern kein „Rangverhältnis zwischen der biologischen und sozialen Elternschaft“.657 Das Recht des leiblichen Vaters erfordere es nur, dass der leibliche Vater jedenfalls, wenn keine sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater besteht (die Entscheidung erging zu verschiedengeschlechtlichen Paaren), die geschlossen, MüKo/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 20; Heiderhoff, FamRZ 2013, 1212, 1213; wohl auch BeckOK/Hahn, § 1600 BGB Rn. 3. Vgl. auch Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132, 137. A. A. etwa Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 89. Der BGH hatte einen solchen Fall noch nicht zu entscheiden: insbesondere in BGH (15.05.2013), FamRZ 2013, 1209 ging es um eine private Samenspende. Dort hat er aber jedenfalls keine Unterscheidung zwischen anonymer und privater Samenspende vorgenommen. Jedenfalls wird im Falle einer anonymen Samenspende an ein verschiedengeschlechtliches Paar regelmäßig ein Fall des § 1600 Abs. 4 BGB vorliegen und somit unzweifelhaft auch nach der Rechtsprechung des BGH kein Anfechtungsrecht bestehen. Vgl. auch BeckOGK/Reuß, § 1600 BGB Rn. 74 f., 100. 653 Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132, 137. 654 So BGH (15.05.2013), FamRZ 2013, 1209; MüKo/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 23; BeckOGK/Reuß, § 1600 BGB Rn. 100 (im Wege einer analogen Anwendung des § 1600 Abs. 4 BGB). 655 Vgl. hierzu den Überblick auf S. 40 ff. 656 BVerfG (09.04.2003), FamRZ 2003, 816. 657 BVerfG (09.04.2003), FamRZ 2003, 816, 820.
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Möglichkeit haben muss, die bestehende Vaterschaft anzufechten. Ob das ausländische Recht dem leiblichen Vater ein Anfechtungsrecht einräumt, ist indes für die vorliegende ordre public-Prüfung unerheblich, da „der abstammungsrechtliche Status des Kindes bei Geburt von späteren Änderungen dieses Status zu trennen [ist]“.658 Die Anfechtung kann gerade auch einem anderen Statut unterliegen, vgl. Art. 20 Abs. 1 EGBGB. Die Frage, ob ein fehlendes Anfechtungsrecht die Rechte des leiblichen Vaters in unzumutbarer Weise einschränkt, stellt sich folglich erst, wenn der leibliche Vater eine Statusänderung begehrt. Die primäre Zuordnung zu der Co-Mutter ist indes nicht als ordre-public-widrig zu erachten. Die ausländischen Zuordnungsregeln beruhen gerade auf der Annahme, dass die Partnerin eine soziale Elternrolle übernehmen wird und es besteht auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die zweite Frau eine soziale Beziehung zu dem Kind aufbauen wird.659 Da aber die soziale Elternschaft nach der Rechtsprechung des BVerfG auch in Deutschland geschützt ist, steht das Ergebnis nicht mit den deutschen Wertvorstellungen im Widerspruch.
3. Konkurrierende Eltern-Kind-Zuweisungen Verweist eine der Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB mithin auf eine ausländische Rechtsordnung, die eine Co-Mutterschaft vorsieht, besteht aus deutscher Sicht eine gleichgeschlechtliche Elternschaft. Ein mögliches Szenario wäre allerdings auch, dass gleichzeitig eine der anderen Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu einer Elternschaft einer anderen Person führt. So könnte es etwa zu einer Konkurrenz zwischen einer Co-Mutter und dem biologischen Vater kommen, insbesondere wenn das Kind mittels einer privaten Samenspende oder natürlich gezeugt würde.660 Diese Fälle dürften aber selten sein.661 Für eine Vaterschaft des leiblichen Vaters wird regelmäßig wegen Art. 23 S. 1 EGBGB neben dessen eigener Anerkennungserklärung die Zustimmung der Mutter erforderlich sein. Die Zustimmung wird die Mutter normalerweise aber nicht erteilen, da sie die Elternschaft der Co-Mutter möchte. Sollte es im Einzelfall doch einmal zu widersprüchlichen Eltern-Kind-Zuweisungen kommen, sollten die gleichen Grundsätze herangezogen werden, wie sie hier bei konkurrierenden Vaterschaften vertreten werden.662 Der Elternschaft kommt daher der Vorrang zu, die zuerst entsteht. Bei einer Konkurrenz zwischen der Ehefrau der Mutter und einem Mann, der nach der Geburt die Vater658
Dutta, FamRZ 2016, 1256. So auch BGH (20.04.2016), FamRZ 2016, 1251, 1256. Helms, StAZ 2012, 2, 8. mit einem konkreten Beispiel etwa Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 106. 661 Frie, FamRZ 2015, 889, 895 hält die Konstellation bei intakter lesbischer Rechtspartnerschaft zwar für unwahrscheinlich, aber keinesfalls ausgeschlossen. 662 Siehe oben auf S. 125 f. (Prioritätsprinzip) und S. 136 ff. (engste Verbindung); so auch Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 106 ff. 659 Vgl. 660 Vgl.
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schaft anerkennt, ist die Ehefrau folglich aus deutscher Sicht zweiter Elternteil. Bei einer gleichzeitigen Zuordnung ist das Recht maßgebend, mit dem Kind das Kind die engste Verbindung aufweist.
4. Fazit und Reformüberlegungen Eine Co-Mutterschaft besteht aus deutscher Sicht immer dann, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, der eine solche Zuordnung kennt oder wenn die Zweitmutter die Staatsangehörigkeit eines solches Staates besitzt. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass das Registerstatut nach Art. 17b Abs. 1 EGBGB eine Elternschaft zweier Frauen erlaubt, da der Verweis auf das Ehewirkungsstatut in Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB laut Gesetzesbegründung auch für gleichgeschlechtliche Ehen als Verweis auf Art. 14 Abs. 2 EGBGB zu verstehen ist. Ebenfalls nicht ausreichend ist, wenn nur die gebärende Mutter die Staatsangehörigkeit eines co-mutterschaftsfreundlichen Staates besitzt. Bei einem binationalen lesbischen Paar, bei dem eine der Partnerinnen die Staatsangehörigkeit eines co-mutterschaftsfreundlichen Staates besitzt, hängt das Ergebnis damit letztlich davon ab, wer von beiden das Kind auf die Welt bringt: Sofern die Partnerin mit der ausländischen Staatsangehörigkeit das Kind bekommt, wird das Kind nicht beiden Müttern zugeordnet; ist sie hingegen nur die Zweitmutter, werden beide als rechtliche Mütter anerkannt. Dieses Ergebnis überzeugt, wie gesehen, nicht. Oftmals wird aus deutscher Sicht jedoch keine Co-Mutterschaft bestehen, da die Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf deutsches Recht verweisen, welches eine gleichgeschlechtliche Elternschaft gerade nicht kennt. Dieses Ergebnis ist für das Kind unbefriedigend, da es so nur einem Elternteil zugeordnet wird, obwohl zwei Elternteile zur Verfügung stehen würden, die beide gerne diese Rolle übernehmen möchten. Hierbei zeigt sich vor allem ein Reformbedarf des deutschen Sachrechts. Durch eine Einführung der Co-Mutterschaft in das deutsche Sachrecht würde auch in den meisten Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug eine doppelte Mutterschaft bestehen; insbesondere immer dann, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Allerdings bestünde, wie gesehen, auch trotz einer Änderung des Sachrechts weiterhin für im Ausland lebende Kinder die Gefahr lediglich einem Elternteil zugeordnet zu werden, wenn der Aufenthaltsstaat eine gleichgeschlechtliche Elternschaft nicht kennt. Erneut wäre die Zuordnung zu beiden Frauen davon abhängig, welche der beiden Frauen – die Deutsche oder ihre Partnerin – das Kind zur Welt bringt. Die derzeitige auch für inländische Kinder bestehende Rechtslage würde mithin auch nach einer Änderung des Sachrechts weiterhin für im Ausland lebende Kinder bestehen. Zwar ließe sich in diesem Fall argumentieren, dass das Ergebnis, die Zuordnung zu lediglich einem Elternteil, der Rechtslage im Aufenthaltsstaat entspricht und damit zumindest kein hinkendes Abstammungsverhältnis besteht. Dem ist jedoch entgegenzusetzen, dass es für das Kindeswohl
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letztlich besser ist, wenn zumindest ein Staat die Elternschaft der beiden Frauen anerkennt als keiner. Um den derzeitigen Zustand zu beseitigen, könnte man zum einen überlegen, Art. 19 Abs. 1 EGBGB dahingehend zu ändern, dass das Heimatrecht des einen Elternteils auch für den zweiten Elternteil maßgebend ist. Dadurch läge eine Co-Mutterschaft zumindest auch immer dann vor, wenn eine der beiden Frauen eine Staatsangehörigkeit eines co-mutterschaftsfreundlichen Staates besitzt. Regelungstechnisch könnte man dies etwa dadurch erzielen, dass an die Staatsangehörigkeit des Kindes angeknüpft wird, da regelmäßig die Staatsangehörigkeit eines Elternteils an das Kind weitergegeben wird.663 Eine andere Möglichkeit, die Zuordnung zu zwei Müttern zu fördern, wäre es – wie bereits auch schon bei der Leihmutterschaft thematisiert664– an das Recht des Ortes anzuknüpfen, an dem die medizinisch assistierte Reproduktionshandlung durchgeführt wurde. Lesbische Paare werden sich in einem Großteil der Fälle ihren Kinderwunsch mittels Samenspende erfüllen und daher würde die Anknüpfung hier regelmäßig relevant werden. Durch die Anknüpfung an das Recht des Durchführungsstaates würde das Recht zur Anwendung berufen werden, welches gerade auch gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang zur assistierten Reproduktion erlaubt und damit mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Co-Mutterschaft vorsieht.665 Eine solche Anknüpfung entspräche dem Interesse des Kindes, da so eine höhere Wahrscheinlichkeit bestünde, dass das Kind zwei Elternteile erhält. Auf der anderen Seite spricht gegen eine solche Anknüpfung, dass das Kind zu dem Ort der Reproduktionsbehandlung keinerlei kollisionsrechtlich relevante Verbindung aufweisen muss und der Ort aus seiner Sicht vollkommen willkürlich sein kann. Gehen die Eltern nur für die Durchführung der künstlichen Befruchtung in einen anderen Staat, wird das Kind, anders als bei der Leihmutterschaft, dort auch nicht geboren und es besteht auch keinen Bezug zu dem Land durch die gebärende Frau.
IV. Mehrelternschaft Ein weiteres dem deutschen Abstammungsrecht unbekanntes Phänomen ist die Mehrelternschaft. Auch im internationalen Vergleich ist sie nur in sehr wenigen Staaten erlaubt,666 aber es wird zumindest immer häufiger über eine Einfüh663
Vgl. BeckOK/Weber, § 4 StAG Rn. 5 („Nach ‚konservativer Schätzung‘ erhalten mehr als 90 % aller Staatsangehörigen weltweit ihren Status iure sanguinis“.) So etwa auch das deutsche Recht in § 4 Abs. 1 S. 1 StAG. 664 Vgl. oben S. 157 ff. 665 Dass dies nicht immer der Fall ist zeigt gerade die derzeitige Rechtslage in Deutschland. In Deutschland ist die Reproduktionsbehandlung für lesbische Paare nicht verboten, dennoch gibt es keine abstammungsrechtlichen Regelungen. 666 Beispielsweise in British Columbia und Ontario, siehe die rechtsvergleichende Übersicht auf S. 54 ff.
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rung diskutiert.667 Bisher hatten die deutschen Gerichte – soweit ersichtlich – noch keine Möglichkeit sich mit einer Anerkennung einer Mehrelternschaft auseinanderzusetzen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich über kurz oder lang auch vor deutschen Behörden die Frage nach der Anerkennung einer Mehrelternschaft stellen wird. Zu untersuchen ist daher, wie Art. 19 Abs. 1 EGBGB das Phänomen der Mehrelternschaft bewältigt. Eine mögliche Konstellation könnte folgendermaßen aussehen: Ein lesbisches Paar – eine Kanadierin und eine Deutsche – sowie ein kanadischer Samenspender schließen vor der künstlichen Befruchtung eine schriftliche Vereinbarung darüber, dass sie gemeinsam die Elternverantwortung für das Kind übernehmen möchten. Die Kanadierin bringt das Kind zur Welt. Die deutsche „Mutter“ beantragt sodann vor dem Standesamt nach § 36 PStG die nachträgliche Beurkundung der Geburt im Geburtenregister mit der Maßgabe, dass alle drei als rechtliche Eltern eingetragen werden. Da die Beteiligten in Ontario leben und auch kein Umzug mit dem Kind nach Deutschland geplant ist, ergibt sich die Anwendbarkeit des Rechts von Ontario aus dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB.668 Danach sind die Voraussetzungen für eine Elternschaft aller drei erfüllt.669 Die anderen Anknüpfungen führen zu keinem anderen Ergebnis: die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit führt für die kanadische Mutter und den kanadischen Vater ebenfalls zum Recht von Ontario und für die deutsche Mutter läuft die Anknüpfung ins Leere, da das deutsche Recht eine Mutterschaft einer zweiten Frau oder gar eine Mehrelternschaft nicht vorsieht. Damit begründet nur das kanadische Recht eine Abstammung und dieses ist mithin maßgebend. Es stellt sich damit nur noch die Frage des Eingreifens des ordre public.
1. Ordre public Für eine Vereinbarkeit mit dem ordre public spricht zunächst, dass auch das deutsche Recht eine Elternschaft von mehr als zwei Personen bei einer Volljährigenadoption nach § 1770 BGB kennt.670 So handelt es sich bei einer Volljährigenadoption um eine schwache Adoption, bei der „das bestehende Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen zu seiner Herkunftsfamilie bestehen 667 Beispielsweise in den Niederlanden, siehe Staatscommissie Herijking ouderschap, Kind en Ouders in de 21ste eeuw – Rapport, S. 3; Dethloff, NJW 2018, 23, 28. 668 Das Recht von Ontario nimmt die Verweisung auch an, da es die Abstammung an das Personalstatut des Kindes anknüpft und dieses wiederum an das domicile anknüpft. Dieses liegt bei der Geburt an dem Ort, an dem der Sorgeberechtigte im Zeitpunkt der Geburt sein domicile hat, vgl. Mayr, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kanada – Ontario, S. 8, 11. 669 Vgl. Sec. 9 Children’s Law Reform Act. Siehe zu den einzelnen Voraussetzungen die rechtsvergleichende Übersicht auf S. 55 f. 670 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 518 f.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-218 f.
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bleibt“.671 Der Angenommene kann damit bis zu vier Elternteile haben: zwei leibliche und zwei Adoptiveltern.672 Wenn also bereits das deutsche Recht – wenn auch nur in einem besonderen Fall – eine Elternschaft von mehreren Personen ermöglicht, ist dies ein Indiz dafür, dass das Zwei-Eltern-Prinzip im Abstammungsrecht nicht zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts im Sinne des Art. 6 EGBGB gehört. Für das Eingreifen des ordre public könnte jedoch die Rechtsprechung des BVerfG sprechen. So hat das BVerfG festgestellt, dass „Träger des Elternrechts nach Art. 6 II 1 GG […] für ein Kind nur eine Mutter und ein Vater sein [können].“673 Das BVerfG geht offenbar davon aus, dass das Grundgesetz das ZweiEltern-Prinzip vorschreibt.674 Letztlich sollte aber auch hier wieder das Kindeswohl als Maßstab für die ordre-public-Prüfung herangezogen werden. Gerade wenn bereits eine Mehrelternschaft tatsächlich gelebt wird, entspricht es dem Interesse des Kindes, dass diese Beziehungen auch rechtlich abgesichert sind. Wird eine faktisch gelebte Elternschaft nicht rechtlich anerkannt, wäre die Ausübung der Elternrolle von den anderen Elternteilen, die aus deutscher Sicht als rechtliche Eltern angesehen werden, abhängig. Sie könnten allein entscheiden, wann und wie oft der dritte (oder vierte) Elternteil das Kind sehen darf. Entsteht zwischen den Beteiligten Streit hinsichtlich des Kindes können die rechtlichen Eltern – jedenfalls aus deutscher Sicht – dem bloß faktischen Elternteil die weitere Ausübung der Elternrolle und auch den weiteren Kontakt gänzlich verbieten, obwohl nach dem ausländischen Recht auch dieser faktische Elternteil mit vollen Elternrechten ausgestattet ist. Das Kind kann folglich seinen sozialen Elternteil verlieren, obwohl dieser weiterhin zur Ausübung der Elternrolle bereit wäre. Vor dem Hintergrund, dass mittlerweile in der Bindungsforschung anerkannt ist, „dass Kinder unproblematisch zu mehreren Personen Bindungsbeziehungen eingehen können“,675 ist anzunehmen, dass ein Wegfall eines (faktischen) Elternteils das Kindeswohl nachhaltig beeinträchtigen kann. Umgekehrt hat die Annahme eines ordre-public-Verstoßes und damit die Nicht-Anerkennung der rechtlichen Elternschaft zur Folge, dass sich der lediglich faktische Elternteil 671 BeckOGK/Löhnig,
§ 1770 BGB Rn. 1.
672 MüKo/Maurer, § 1770 BGB Rn. 5; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-
218; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 519. 673 BVerfG (09.04.2003), FamRZ 2003, 816, 819. 674 Ob die Entscheidung tatsächlich dahingehend zu verstehen ist, ist indes umstritten, wie hier BeckOGK/Reuß, § 1591 BGB Rn. 11 m. w. N.; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung, 87, 104 f.; so auch Sanders, Mehrelternschaft, S. 178 f. mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung. Dethloff/Timmermann, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin – Gutachten, S. 54 f. ist hingegen der Ansicht, dass das BVerfG mit seiner Entscheidung eine Mehrelternschaft „nicht generell ausgeschlossen“ hat. 675 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 519.
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aus der Verantwortung ziehen kann, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Insbesondere kann das Kind diesen Elternteil mangels rechtlichen Abstammungsverhältnisses nicht auf Unterhalt in Anspruch nehmen. Auch dies widerspricht dem Kindeswohl. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Begründung eines rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses nicht nur mit Vorteilen gegenüber dem Kind, sondern auch mit Verpflichtungen des Kindes verbunden sein kann.676 So kann etwa das Kind im Alter zur Zahlung von Elternunterhalt verpflichtet sein.677 Während das Kind bei einer Zuordnung zu zwei Eltern auch nur zwei Eltern gegenüber verpflichtet sein kann, korrespondiert die Abstammung von mehreren Eltern mit einer potentiellen Verpflichtung gegenüber mehreren Eltern. Dies entspricht zwar der Rechtslage im deutschen Recht bei der Volljährigenadoption: Auch dort besteht nach der Adoption eine Unterhaltspflicht gegenüber allen Eltern.678 Allerdings hat das volljährige „Kind“ dem ausdrücklich zugestimmt, während dies bei einer originären Elternschaft gerade nicht vorgesehen ist und im Hinblick auf das Alter des Neugeborenen auch nicht möglich wäre. Die Nachteile einer potentiellen Unterhaltspflicht wiegen jedoch im Vergleich weniger schwer als die Nachteile, die für das Kind durch eine Nichtanerkennung der Elternschaft entstehen können. Jedenfalls wenn die Elternschaft bereits gelebt wird und die Bindungen zwischen den Eltern und dem Kind bereits bestehen, ist ein ordre-public-Verstoß zu verneinen. Das Interesse des Kindes an der Anerkennung seiner gelebten Beziehungen wiegt in diesem Fall stärker als die damit verbundenen Nachteile. Aber auch bei der Frage der Anerkennung der Elternschaft unmittelbar nach der Geburt erscheint es überzeugender einen ordre public-Verstoß nicht per se anzunehmen, da davon auszugehen ist, dass, wenn die Beteiligten die gemeinsame Elternschaft vereinbart haben, sie die Elternrolle auch tatsächlich gemeinsam übernehmen werden. Anderenfalls wäre das Ergebnis zudem davon abhängig, wann die Prüfung der Abstammung erfolgt: Unmittelbar nach der Geburt würde man einen ordre-public-Verstoß bejahen, da zu diesem Zeitpunkt das Kind noch keine Beziehung zu seinen Eltern aufbauen konnte. Wird die Abstammung hingegen später (erneut) relevant, würde man einen ordre public-Verstoß verneinen, wenn mittlerweile die Mehrelternschaft auch tatsächlich gelebt wird. Dies 676
Neben einem Recht auf Unterhalt haben die Eltern regelmäßig auch ein Umgangsrecht mit dem Kind. Für Kinder kann ein Umgang mit mehreren Elternteilen im Hinblick auf die zeitliche Komponente eine Herausforderung darstellen, vor allem wenn die Elternteile nicht zusammenwohnen. Auch besteht eine hohes Konfliktpotential, wenn sich die Elternteile nicht über den Umgang einig sind, vgl. hierzu Dutta, in: FS Breitschmid, 131, 136 ff. (zum Umgangsrecht), 138 (zum Unterhalt). 677 So etwa im deutschen Recht nach § 1601 BGB, siehe hierzu MüKo/Langeheine, § 1601 BGB Rn. 10 ff. 678 MüKo/Maurer, § 1770 BGB Rn. 24, 27.
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spricht mithin dafür, grundsätzlich von einer Vereinbarkeit mit dem ordre public auszugehen.
2. Konkurrenz zwischen einer Mehrelternschaft und einer Zwei-Elternschaft Schwierigkeiten können schließlich auftreten, wenn eine von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufene Rechtsordnung eine Mehrelternschaft vorsieht, eine andere berufene Rechtsordnung hingegen nur eine Zwei-Elternschaft erlaubt. Man stelle sich erneut vor, ein lesbisches Paar – eine Deutsche und eine Kanadierin – und ihr kanadischer Freund wollen eine Mehrelternschaft gründen und schließen zu diesem Zwecke eine Vereinbarung über ihre Elternschaft. Diesmal leben alle Beteiligte in Deutschland und die deutsche Frau bringt das Kind zur Welt. Nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, mithin nach deutschem Recht, ist die Deutsche als die gebärende Frau die rechtliche Mutter und der Samenspender der rechtliche Vater, wenn er die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkennt. Nach der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ist aber auch die Kanadierin aufgrund der vorausgehenden Vereinbarung über die Elternschaft nach dem kanadischen Recht (genauer: dem Recht von Ontario) die rechtliche Mutter.679 Es stellt sich nun die Frage, ob hier eine konkurrierende Eltern-Kind-Zuordnung vorliegt oder aber eine Mehrelternschaft. Aus der Sicht des deutschen Rechts wäre eine konkurrierende Elternschaft anzunehmen, da das deutsche Recht vom Zwei-Eltern-Prinzip ausgeht und die erste und zweite Elternstelle mit einer anderen Person besetzt hat. Aus der Sicht des kanadischen Rechts besteht hingegen keine konkurrierende Elternschaft, da das kanadische Recht die Elternschaft der Deutschen und des Kanadiers neben der Elternschaft der Kanadierin vorsieht. Dutta und Hepting schlagen in diesem Fall vor, dass, wenn alle Beteiligten einverstanden sind, der Konflikt zugunsten der Mehrelternschaft aufgelöst werden sollte.680 Dem ist zuzustimmen. Sind sich alle Beteiligten einig, ist davon auszugehen, dass sie auch gemeinsam die Elternrolle faktisch ausüben werden und somit alle eine Eltern-Kind-Beziehung zu dem Kind aufbauen werden. Wie zum ordre public angeführt, entspricht es aber grundsätzlich dem Interesse des Kindes seinen faktischen Eltern, 679 Soweit ersichtlich fehlt es in Kanada an einem interlokalen Privatrecht i. S. v. Art. 4 Abs. 3 S. 1 EGBGB, Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, Rn. B-387 (zum internationalen Güterrecht), und somit ist die Teilrechtsordnung anwendbar, mit welcher der Sachverhalt am engsten verbunden ist, Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB. Unterstellt die Kanadierin hatte ihren vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt in Ontario, ist sie mit dieser Teilrechtsordnung am engsten verbunden, vgl. zur Bestimmung der engsten Verbindung im Rahmen von Art. 4 Abs. 3 EGBGB BeckOK/Lorenz, Art. 4 EGBGB Rn. 27. Die Rückverweisung des Rechts von Ontario auf das deutsche (vgl. S. 175 Fn. 668) ist nicht zu berücksichtigen, da das deutsche Recht keine Abstammung begründen würde, siehe allgemein zur Beachtung des Renvoi oben auf S. 114 ff. 680 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-219.
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welche für dessen Existenz die Verantwortung tragen, auch rechtlich zugeordnet zu werden.
3. Fazit Erneut zeigt sich hier, dass die Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB nicht immer zu einem eindeutigen Ergebnis führen. Durch die verschiedenen Anknüpfungen können nicht nur Rechtsordnungen gegenüberstehen, die die erste oder zweite Elternstelle unterschiedlich besetzen, sondern auch solche Rechtsordnungen, die die Zahl der Eltern unterschiedlich bewerten. De lege lata sollte der Konflikt im Interesse der Beteiligten zugunsten der Mehrelternschaft aufgelöst werden. De lege ferenda wäre jedoch auch hier eine eindeutige Regelung sinnvoll.
V. Missbräuchliche Anerkennungen In Deutschland haben sich seit dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes681 Fälle gehäuft, in denen eine Vaterschaft allein zu dem Zweck anerkannt wurde, ein Aufenthaltsrecht für das Kind, die Mutter oder den Anerkennenden selbst zu erlangen.682 Durch die Anerkennung eines ausländischen Kindes durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit gesicherten Aufenthaltsstatus, erwirbt das Kind nach § 4 Abs. 1, 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit.683 Zusätzlich erhält auch die ausländische Mutter als Sorgeberechtigte im Rahmen des Familiennachzugs eine Einreise- und Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG. Umgekehrt erwirbt ein ausländischer Mann ohne gesicherten Aufenthalt in Deutschland ein Aufenthaltsrecht, wenn er ein Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit anerkennt.684 Diese Rechtsfolge sind vom Gesetzgeber gewollt, wenn zwischen dem Vater und dem Kind eine leibliche oder sozial-familiäre Beziehung besteht oder eine sozial-familiäre Beziehung angestrebt wird, nicht aber, wenn die Anerkennung allein deshalb erklärt wird, um diese aufenthaltsrechtlichen Rechtsfolgen herbeizuführen.685
1. Deutscher materiell-rechtlicher Lösungsansatz Um solche missbräuchlichen Anerkennungen zu verhindern, hat der deutsche Gesetzgeber im Jahre 2008 zunächst ein behördliches Anfechtungsrecht ein681
Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16.12.1997, BGBl. 1997 I 2942. 16/3291, S. 2; BT-Drucks. 18/12415, S. 15; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-219. 683 Vgl. zu den verschiedenen Konstellationen BT-Drucks. 18/12415, S. 15, 20; Schwonberg, StAZ 2018, 5, 7. 684 Die Aufenthaltserlaubnis ist gem. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen. 685 BT-Drucks. 18/12415, S. 15 f.; BT-Drucks. 16/3291, S. 1. 682 BT-Drucks.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
geführt.686 Dieses gestattete der zuständigen Behörde eine Scheinvaterschaft687 anzufechten, wenn zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozialfamiliäre Beziehung bestand oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und durch die Anerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteiles geschaffen wurde.688 Die Regelung wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig verworfen.689 Das Gericht kritisierte insbesondere den mit der Behördenanfechtung verbundenen, nachträglichen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.690 Der Gesetzgeber hat daraufhin im Jahre 2017 einen weiteren Versuch unternommen, missbräuchliche Anerkennungen zu verhindern. Diesmal hat er im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einen präventiven Ansatz gewählt: Bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft ist die Beurkundung der Anerkennungserklärung und der mütterlichen Zustimmung, die für die Wirksamkeit einer Anerkennung gemäß § 1598 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 1597 Abs. 1 BGB erforderlich ist, von der beurkundenden Stelle gemäß § 1597a Abs. 2 BGB (ggf. i. V. m. Abs. 4) auszusetzen und die Aussetzung der Ausländerbehörde mitzuteilen, die sodann in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren feststellt, ob tatsächlich ein Missbrauch vorliegt.691 Wurde ein Missbrauch durch die Ausländerbehörde bestandskräftig festgestellt, hat die Behörde die Beurkundung gemäß Abs. 2 S. 4 gänzlich abzulehnen. Die Anerkennung ist dann mangels Beurkundung nicht wirksam (§ 1598 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 1597 Abs. 1 BGB). Wurde die Beurkundung von einer Behörde aufgrund eines Missbrauchsverdachts ausgesetzt oder wegen eines festgestellten Missbrauchs abgelehnt, kann die Vaterschaftsanerkennung auch nicht mehr wirksam von einer anderen Behörde beurkundet werden, Abs. 3, die sogenannte Wirksamkeitssperre.692 Die Beteiligten sollen die Regelungen nicht dadurch umgehen können, dass sie verschiedene Behörde aufsuchen, in der Hoffnung, dass eine Behörde die verdächtigen Umstände übersieht und die Beurkundung wirksam vornimmt.693 Die Wirksamkeitssperre verhindert eine solche Umgehung. 686 § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB i. d. F. v. 13.03.2008, eingefügt durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008, BGBl. 2008 I 313. 687 Zum Ausdruck Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-219; Gaaz, StAZ 2007, 75, 76. 688 Vgl. § 1600 Abs. 3 BGB i. d. F. v. 13.03.2008. 689 BVerfG (17.12.2013), FamRZ 2014, 449. 690 BVerfG (17.12.2013), FamRZ 2014, 449. 691 Vgl. ausführlich zu dem zweistufigen Verfahren BT-Drucks. 18/12415, S. 16, 20 ff.; Balzer, NZFam 2018, 5 ff.; Schwonberg, StAZ 2018, 5, 7 ff.; Sanders, FamRZ 2017, 1189, 1191 f.; Wall, StAZ 2019, 88 ff.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-229 ff. 692 Balzer, NZFam 2018, 5, 6. 693 BT-Drucks. 18/12415, S. 21; Balzer, NZFam 2018, 5, 6.
E. Probleme bei der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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2. Kollisionsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit § 1597a BGB Zu beachten ist jedoch, dass Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen stets einen Auslandsbezug aufweisen: entweder besitzen Kind und Mutter eine ausländische Staatsangehörigkeit oder aber der Anerkennende. Wären alle Beteiligte Deutsche würde eine Anerkennung gerade nicht dem Ziel dienen können, einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Aufgrund des Auslandsbezugs stellen sich in diesem Zusammenhang einige kollisionsrechtliche Fragen. Zunächst ist fraglich, ob die deutsche Regelung des § 1597a BGB überhaupt über Art. 19 Abs. 1 EGBGB zur Anwendung berufen wird. Denn nur, wenn sie auch anwendbar ist, kann sie ihren Zweck, die Verhinderung von missbräuchlichen Anerkennungen, erfüllen.694 Möglicherweise fördert die alternative Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB und das zugrundeliegende Günstigkeitsprinzip aber im Gegenteil die Wirksamkeit von missbräuchlichen Anerkennungen. Sieht eine der alternativ berufenen Rechtsordnungen kein Verbot einer missbräuchlichen Anerkennung vor, könnte aufgrund des Günstigkeitsprinzips diese Rechtsordnung anzuwenden sein, da diese eine Abstammung begründet. Dies ist im Folgenden zu untersuchen, wobei es die verschiedenen Konstellationen zu unterscheiden gilt.
a) Vaterschaftsanerkennung eines in Deutschland lebenden Kindes durch einen deutschen Mann Keine kollisionsrechtlichen Probleme ergeben sich, wenn ein deutscher Mann ein Kind, welches sich ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhält, missbräuchlich anerkennt, um dem Kind und der Mutter ein Aufenthaltsrecht zu vermitteln.695 Alle Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB verweisen hier auf deutsches Recht: Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes liegt in Deutschland und die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Vaters verweist ebenso auf deutsches Recht. In diesem Fall wendet eine deutsche Behörde auf jeden Fall § 1579a BGB an und hat mithin bei bestehenden Verdachtsmomenten die Beurkundungen der Anerkennung und der Zustimmung auszusetzen beziehungsweise, wenn die Missbräuchlichkeit bereits durch die Ausländerbehörde bestandskräftig festgestellt wurde, abzulehnen. Die Anerkennung entfaltet so mangels Beurkundung keine statusrechtlichen Folgen.
b) Vaterschaftsanerkennung durch einen ausländischen Mann und Vaterschaftsanerkennung eines im Ausland lebenden Kindes Anders ist die Lage jedoch, wenn Art. 19 Abs. 1 EGBGB auch auf ausländisches Recht verweist, welches kein Verbot von missbräuchlichen Anerkennungen 694 695
Balzer, NZFam 2018, 5, 7 f. So auch Balzer, NZFam 2018, 5, 7 f.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
vorsieht. Denkbar ist dies vor allem in zwei Szenarien: Zum einen, wenn die Beteiligten im Inland sind, aber der Vater Ausländer ist. Nach § 4 Abs. 3 StAG kann auch ein Ausländer, wenn er ein Aufenthaltstitel in Deutschland hat, dem Kind durch Abstammung die deutsche Staatsangehörigkeit vermitteln. In diesem Fall verweist jedoch die Anknüpfung an das Heimatrecht des Elternteils auf das ausländische Recht. Ebenso ist möglich, dass die Beteiligten im Ausland leben und die Anerkennung erfolgt, um die Einreise für das Kind und die Mutter überhaupt zu ermöglichen. In diesem Fall verweist die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes auf ausländisches Recht. Fraglich ist, wie eine deutsche Behörde in diesen Fällen zu verfahren hat. Hat es bei einem Missbrauchsverdacht die Anerkennung trotzdem auszusetzen, obwohl das ausländische Recht eine solche Verdachtsprüfung nicht kennt? Dies hängt davon ab, wie § 1597a Abs. 2 BGB zu qualifizieren ist. Problematisch ist hier die Abgrenzung zwischen materiellen Recht und Verfahrensrecht. Trotz seiner Stellung im Abstammungsrecht ist das behördliche Aussetzungsverfahren als eine verfahrensrechtliche Vorschrift zu qualifizieren, da sich die Vorschrift unmittelbar an die beurkundende Behörde bzw. die Urkundsperson richtet.696 Das Verfahrensrecht unterliegt jedoch stets der lex fori und ist damit unabhängig vom zugrundeliegenden Sachrecht anzuwenden.697 Aus diesem Grund vertreten einige Stimmen in der Literatur, dass eine Aussetzung – und bei bestandskräftiger Feststellung der Missbräuchlichkeit eine Ablehnung – der Beurkundung unabhängig vom Abstammungsstatut durchzuführen ist.698 Dies würde bedeuten, dass, immer wenn auch das ausländische Recht eine Beurkundung der Anerkennungserklärung und/oder der mütterlichen Zustimmung für die Wirksamkeit voraussetzt, die Anerkennung auch nach ausländischem Recht unwirksam ist, da die Beurkundung von den deutschen Behörden nicht durchgeführt würde. Trotz der verfahrensrechtlichen Natur des § 1597a Abs. 2 BGB ist aber nicht zu leugnen, dass die verfahrensrechtliche Vorschrift sehr eng mit dem materiellen Abstammungsrecht verbunden ist.699 Das Aussetzungsverfahren dient gerade der Verwirklichung des Verbots missbräuchlicher Anerkennungen, welches in § 1597a Abs. 1 BGB geregelt ist. Das Verbot hat aber wiederum materiellrechtlichen Charakter und ist daher dem Abstammungsstatut zuzuordnen.700 Sinn und Zweck der verfahrensrechtlichen Regelung – die Durchsetzung des materiellen Missbrauchsverbots – gebietet es, das Aussetzungsverfahren nur 696
Balzer, NZFam 2018, 5, 8; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 43; BeckOGK/Balzer, § 1597a BGB Rn. 118; Wall, StAZ 2019, 88; wohl auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-239. 697 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 43; BeckOGK/Balzer, § 1597a BGB Rn. 118; Balzer, NZFam 2018, 5, 8. 698 BeckOGK/Balzer, § 1597a BGB Rn. 118; Balzer, NZFam 2018, 5, 8; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 43; Wall, StAZ 2019, 88. 699 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-239. 700 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-239.
E. Probleme bei der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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durchzuführen, wenn auch das zugrundliegende Sachrecht ein Missbrauchsverbot vorsieht.701 Danach wäre die Aussetzung und Ablehnung der Beurkundung eigentlich nur vorzunehmen, wenn auch das ebenfalls anwendbare ausländische Recht ein Missbrauchsverbot kennt. Anders wäre dies allerdings, wenn § 1597a Abs. 1 BGB als Eingriffsnorm anzusehen wäre. Dann wäre das materielle Verbot unabhängig vom zugrundeliegenden Sachrecht anwendbar und folglich auch die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 1597a Abs. 2 BGB nach ihrem Sinn und Zweck anwendbar. Eine Eingriffsnorm ist eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des auf den Sachverhalt anwendbaren Rechts anzuwenden ist.702 Ob eine Norm eine Eingriffsnorm darstellt, ist mittels Auslegung zu bestimmen.703 Erforderlich für die Qualifizierung als Eingriffsnorm ist jedenfalls, dass die Vorschrift nicht nur dem Interesse des Einzelnen dient, sondern zumindest auch dem öffentlichen Gemeinwohlinteressen.704 Der internationale Geltungswille der Norm ergibt sich bei § 1597a Abs. 1 BGB jedenfalls nicht unmittelbar aus dem Wortlaut. Anders als in der Vorgängernorm hat der Gesetzgeber den international zwingenden Charakter auch nicht ausdrücklich in den Gesetzesmaterialen festgehalten. Mit der Vorschrift des § 1597a BGB möchte der Gesetzgeber verhindern, dass über den Weg einer unwahren Vaterschaftsanerkennung ein anderenfalls nicht bestehendes Aufenthaltsrecht erworben wird. Damit verfolgt der Gesetzgeber mit der Vorschrift wichtige staatliche Interessen.705 Da die unter die Norm fallenden Sachverhalte aber stets einen Auslandsbezug aufweisen, ist die Effektivität der Regelung nur sichergestellt, wenn sie unabhängig vom zugrundeliegenden Sachrecht gilt. Aus der Zielsetzung der Norm ergibt sich daher ein internationaler Geltungswille.706 Mit der gleichen Begründung ist schließlich auch die Wirksamkeitssperre des § 1597a Abs. 3 i. V. m. § 1598 Abs. 1 S. 1 BGB als eine Eingriffsnorm zu erachten.707 Mit der Annahme einer Eingriffsnorm ist die Beurkundung vor deutschen Behörden auch dann auszusetzen und in Folge abzulehnen, wenn ein ausländisches Recht auf die Anerkennung anwendbar ist. Trotz der alternativen An701
So auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-239. So die Definition in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO, die aber auch auf das nationale Kollisionsrecht übertragbar ist. Vgl. hierzu BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 50; MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 307 ff. 703 BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 50. 704 BGH (13.12.2005), NJW 2006, 762 zu Art. 34 EGBGB a. F. 705 So auch MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 43. 706 Für die Annahme einer Eingriffsnorm auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-239; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 43. 707 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 43. 702
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knüpfung wird so die Wirksamkeit der missbräuchlichen Anerkennung im Ergebnis letztlich dennoch verhindert. Allerdings gilt dies natürlich nur, sofern das ausländische Recht eine Beurkundung für die Wirksamkeit der Anerkennung voraussetzt. Lässt das ausländische Recht hingegen eine einfachere Form, wie etwa die Schriftlichkeit, genügen, wäre die Anerkennung dennoch wirksam. Die Form bestimmt sich nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB alternativ nach dem Ortsrecht oder dem Abstammungsstatut. Hier käme nur noch ein ordre publicVerstoß in Betracht. Steht fest, dass eine Missbräuchlichkeit vorliegt, sollte aufgrund der starken Berührung staatlicher Interessen durch die Folgen im Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht ein solcher angenommen werden.708
c) Vaterschaftsanerkennung vor ausländischen Behörden Eine Umgehung der Missbrauchsprüfung ist jedoch möglich, indem die Parteien die Vaterschaftsanerkennung vor einer ausländischen Behörden erklären.709 Dies ist beispielsweise denkbar, wenn die Beteiligten im Ausland sind und vor den Behörden dieses Staates die Anerkennung erklären oder aber wenn die Beteiligten im Inland ein Konsulat des Staates aufsuchen, dessen Staatsangehörigkeit das Kind besitzt. Die ausländische Behörde wird, sofern sie nicht ausnahmsweise eine vergleichbare Missbrauchsprüfung kennt, die Beurkundung vornehmen. Ist der Vater Deutscher oder hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, richtet sich die Frage der Wirksamkeit der Anerkennung wegen Art. 19 Abs. 1 EGBGB jedenfalls auch nach deutschem Recht. Nach deutschem Recht ist die Anerkennung jedoch wirksam, da die Beurkundung nach § 1597 BGB auch von einer ausländischen Urkundsperson erfolgen kann, sofern diese einer deutschen Urkundsperson nach ihrer Ausbildung und Stellung gleichwertig ist.710 Ist der ausländische Staat, dessen Behörde die Beurkundung vorgenommen hat, Vertragsstaat des CIECÜbereinkommens von 14.09.1961,711 ist hiervon auszugehen.712 Anderenfalls muss dies im Einzelfall geprüft werden. Allein die Tatsache, dass die ausländische Behörde keine entsprechende Missbrauchsprüfung durchführt, hindert nicht die Gleichwertigkeit der Urkundsperson.713 Ferner steht der Wirksamkeit nach deutschem Recht auch nicht die Verbotsnorm des § 1597a Abs. 1 BGB entgegen, weil diese selbst keine Rechtsfolge nach sich zieht und die Unwirk708 Dagegen
BeckOGK/Balzer, § 1597a BGB Rn. 119; Balzer, NZFam 2018, 5, 8. Vgl. auch MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 62. 709 Balzer, NZFam 2018, 5, 8. 710 BeckOGK/Balzer, § 1597 BGB Rn. 38; Staudinger/Rauscher, § 1597 BGB Rn. 13. Vgl. allgemein zur Gleichwertigkeit Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 545 ff. 711 Übereinkommen über die Erweiterung der Zuständigkeit der Behörden, vor denen nichteheliche Kinder anerkannt werden vom 14.09.1961, BGBl 1965 II 19. 712 BeckOGK/Balzer, § 1597 BGB Rn. 35 ff.; Balzer, NZFam 2018, 5, 8. 713 Balzer, NZFam 2018, 5, 8.
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samkeitssperre nach § 1597a Abs. 3 i. V. m. § 1598 Abs. 1 S. 2 BGB nur greift, wenn bereits zuvor die Missbräuchlichkeit rechtskräftig festgestellt wurde bzw. das Verfahren ausgesetzt wurde – das ist wiederum nur der Fall, wenn die Beteiligten zuvor die Beurkundung vor einer deutschen Behörde (erfolglos) beantragt haben. Ist die Anerkennung aber selbst nach deutschem Recht wirksam, kommt auch bei ausländischem Abstammungsstatut kein ordre public-Verstoß in Betracht. Ebenso hilft die Annahme einer Eingriffsnorm nicht weiter. Die Anerkennung ist in diesen Fällen trotz ihrer Missbräuchlichkeit aus deutscher Sicht daher wirksam.
3. Fazit Die alternative Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB fördert mithin nicht die Wirksamkeit missbräuchlicher Anerkennungen im Sinne des § 1597a Abs. 1 BGB. Wird die Anerkennung und/oder die mütterliche Zustimmung vor einer deutschen Behörde erklärt, kann diese die Beurkundung auch dann aussetzen, wenn Art. 19 Abs. 1 EGBGB mitunter ein ausländisches Recht beruft, welches ein Missbrauchsverbot nicht kennt, da § 1597a Abs. 1 BGB als Eingriffsnorm anzusehen ist. Eine Umgehung der Missbrauchsprüfung ist zwar unter Einschaltung ausländischer Behörden möglich. Diese Umgehung wird aber nicht durch die Mehrfachanknüpfung in Art. 19 Abs. 1 EGBGB ermöglicht, sondern hat ihren Grund allein in der besonderen Ausgestaltung des § 1597a BGB. Ein Reformbedarf für Art. 19 Abs. 1 EGBGB ergibt sich hieraus nicht.
VI. Auswirkung der alternativen Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf das Anfechtungsstatut Die alternative Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB hat schließlich nicht nur Auswirkungen auf die Abstammung selbst, sondern mittelbar auch für die Anfechtung.714 Art. 20 Abs. 1 EGBGB verweist für die Anfechtung auf alle Rechtsordnungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, nach denen die Abstammung begründet ist.715 Die alternative Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB spiegelt sich damit bei der Anfechtung wider und damit wird das Günstigkeitsprinzip auch auf die Anfechtung erstreckt.716 Zu untersuchen ist, wie diese Begüns714
Dutta spricht insofern von einer „Fernwirkung“ der abstammungsrechtlichen Alternativanknüpfung im Bereich der Anfechtung, vgl. den Beitrag (16:55–18:08) von Dutta im Rahmen der Online Konferenz „Reform des Internationalen Abstammungsrechts“, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 715 BeckOK/Heiderhoff, Art. 20 EGBGB Rn. 8; Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 10; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 410; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1013. 716 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 497; JurisPK/Duden, Art. 20 EGBGB Rn. 24.
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tigung der Anfechtung zu bewerten ist und inwiefern sich hierdurch eine Reformbedürftigkeit des Art. 19 Abs. 1 EGBGB ergibt.
1. Anknüpfung der Anfechtung nach Art. 20 EGBGB Nach Art. 20 S. 1 EGBGB kann die Abstammung nach jedem Recht angefochten werden, aus dem sich ihre Voraussetzungen ergeben. Dabei kommt es dem Wortlaut nach nicht darauf an, nach welcher Rechtsordnung die Abstammung festgestellt worden ist; vielmehr kann die Abstammung nach allen Rechtsordnungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB angefochten werden, die eine Abstammung bejahen.717 Liegt eine Abstammung nach mehreren Rechtsordnungen vor, so ist ausreichend, wenn die Anfechtung nach einem dieser Rechte möglich ist.718 Es handelt sich mithin um eine alternative und nicht um eine kumulative Anknüpfung.719 Ist die Anfechtung nach einer Rechtsordnung etwa wegen einer bestehenden sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater ausgeschlossen oder wegen Zeitablaufs nicht mehr möglich, kann sich der Anfechtende auf eines der anderen Rechte stützen.720 Die Beseitigung der Abstammung wird somit wie die Begründung der Abstammung erleichtert und es setzt sich damit das liberalste Anfechtungsrecht durch.721 Zusätzlich kann das Kind nach S. 2 auch nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts die Abstammung anfechten. Diese Alternative wird dann relevant, wenn das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes selbst keine Abstammung vorsieht und daher nicht bereits über S. 1 anwendbar ist.722 Diese Alternative gilt jedoch nur für das Kind und nicht auch für andere Anfechtungsberechtigte. Damit wird die Anfechtung durch das Kind gegenüber allen anderen Anfechtungsberechtigten begünstigt. Der renvoi ist grundsätzlich in Bezug auf beide Alternativen zu befolgen, sofern hierdurch die Möglichkeit der Anfechtung nicht vereitelt wird.723 Das 717 OLG Hamburg (22.07.2011), FamRZ 2012, 568; BeckOK/Heiderhoff, Art. 20 EGBGB Rn. 8; MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 2, 6; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 410; NomosK/Bischoff, Art. 20 EGBGB Rn. 11; Grüneberg/Thorn, Art. 20 EGBGB Rn. 2; a. A. Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 62, die dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes Vorrang einräumt; ebenso v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 136. 718 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1013. 719 MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 6; BeckOK/Heiderhoff, Art. 20 EGBGB Rn. 8. 720 Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 14; BeckOK/Heiderhoff, Art. 20 EGBGB Rn. 8; MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 6; JurisPK/Duden, Art. 20 EGBGB Rn. 24. 721 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 410; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-314; Beitrag (16:55–18:08) von Dutta im Rahmen der Online Konferenz „Reform des Internationalen Abstammungsrechts“, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 722 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 411; BeckOK/Heiderhoff, Art. 20 EGBGB Rn. 10. 723 So die h. M.: BeckOK/Heiderhoff, Art. 20 EGBGB Rn. 12; MüKo/Helms, Art. 20
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bedeutet, dass, wenn die Rechtsordnung, nach der die Abstammung begründet ist,724 die Anfechtung selbständig anknüpft und deswegen auf eine andere Rechtsordnung verweist, diese Verweisung grundsätzlich beachtlich ist.725
2. Bewertung der Begünstigung der Anfechtung Die Begünstigung der Anfechtung im Kollisionsrecht wird mit dem Interesse an der Abstammungswahrheit begründet.726 Sie entspreche der Tendenz im Sachrecht, der Abstammungswahrheit höheres Gewicht beizumessen.727 Diese Art. 20 EGBGB zugrundeliegende Ansicht berücksichtigt jedoch nicht hinreichend genug, dass die Beseitigung einer unrichtigen Abstammungsbeziehung nicht immer dem Interesse des Kindes entspricht, sondern das Kind auch ein berechtigtes Interesse an der Beständigkeit seiner Abstammungsbeziehung haben kann.728 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass häufig der rechtliche Vater und nicht das Kind selbst die Vaterschaft anficht.729 Die Einschränkungen des Anfechtungsrechts im Sachrecht dienen gerade auch dem Schutz des Kindes und sollten daher nicht durch eine alternative Anknüpfung im Kollisionsrecht untergraben werden. Die folgenden Ausführungen sollen dies untermauern: Die Alternativität gewinnt insbesondere Bedeutung bei der Anfechtungsfrist.730 Im Rechtsvergleich zeigt sich, dass regelmäßig Anfechtungsfristen von einem Jahr bis fünf Jahren üblich sind.731 Manche Rechtsordnungen erEGBGB Rn. 4; JurisPK/Duden, Art. 20 EGBGB Rn. 56; NomosK/Bischoff, Art. 20 EGBGB Rn. 14; Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 23; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-315; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 411, allerdings nur die Anknüpfung nach S. 2. Hingegen für eine strenge Akzessorietät des Anfechtungsstatuts an das Abstammungsstatut und deshalb für eine Sachnormverweisung Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 68; ebenso v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 136. 724 Bei der Feststellung der Abstammung nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist ebenfalls der Renvoi zu beachten. 725 A. A. MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 4 („Ausländische Verweisungsnormen, die nur für die Anfechtung, nicht aber für die Abstammungsbegründung auf eine bestimmte Rechtsordnung verweisen, sind nicht zu berücksichtigen.“). 726 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 410 f.; MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 1; BeckOK/Heiderhoff, Art. 20 EGBGB Rn. 2; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1013; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 497; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-314; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 182. 727 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 410 f.; MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 1; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 182. 728 Vgl. zur Statusbeständigkeit im Sachrecht Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 Rn. 14; hieran auch zukünftig festhaltend Coester-Waltjen, ZfPW 2021, 129, 137. 729 Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 62. 730 Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 16. 731 MüKo/Wellenhofer, § 1600b BGB Rn. 4; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 421; Frank, FamRZ 2016, 530 für die Anfechtungsfrist des leiblichen Vaters; Helms, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 105, 109 ff. Vgl. den rechtsvergleichenden Überblick auf S. 18 ff.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
lauben die Anfechtung aber auch ganz ohne zeitliche Befristung.732 Die Anfechtungsfrist hat auf der einen Seite den Zweck, dem Anfechtungsberechtigten wie dem rechtlichen Vater oder dem Kind eine Bedenkzeit einzuräumen, ob sie trotz Kenntnis der fehlenden genetischen Abstammung an der Vaterschaft (oder auch Mutterschaft) festhalten möchten und auf der anderen Seite dient die Frist dem Interesse der anderen Beteiligten an Rechtssicherheit und Statusbeständigkeit.733 Nach einer gewissen Zeit sollten alle Beteiligte Gewissheit über den Bestand der Abstammungsbeziehung haben. Wie der Kompromiss zwischen Bedenkzeit und Interesse an Rechtssicherheit im Einzelfall zu lösen ist, ist Aufgabe des Sachrechts. Eine Begünstigung einer möglichst langen Anfechtungsfrist im Kollisionsrecht und die damit zugrundeliegende Bewertung, dass das Interesse an einer langen Bedenkzeit gegenüber dem Interesse an Rechtssicherheit überwiegt, ist nicht überzeugend. Auch die Tatsache, dass manche Rechtsordnungen die Anfechtungsfrist sehr kurz bemessen und mithin dem rechtlichen Vater oder dem Kind keine hinreichende Bedenkzeit gewähren oder etwa die Frist trotz mangelnder Kenntnis über die wahren Umstände beginnen lassen, erfordert keine alternative Anknüpfung und die damit einhergehende Begünstigung der Anfechtung. Die Beteiligten sind in diesen Fällen vielmehr hinreichend durch den ordre public-Vorbehalt geschützt. Einzig und allein für die Begünstigung einer längeren Frist könnte sprechen, dass es für die Beteiligten schwierig sein kann, bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt das richtige Recht zu bestimmen und somit irrtümlich von der Anwendbarkeit eines anderen Rechts und damit einer anderen Anfechtungsfrist ausgehen könnten. Um in diesen Fällen die Anfechtung nicht scheitern zu lassen, wäre die Begünstigung wiederum von Vorteil. Neben der Anfechtungsfristlänge hat die Alternativität ebenso Bedeutung für den Kreis der Anfechtungsberechtigten.734 Während im deutschen Recht das Kind, die rechtliche Mutter, der rechtliche Vater und unter gewissen Umständen der leibliche Vater anfechtungsberechtigt sind,735 dürfen in anderen Rechtsordnungen etwa auch – ähnlich wie im alten deutschen Recht736 – die Eltern oder die anderen Abkömmlinge die Vaterschaft des verstorbenen Mannes anfechten.737 Das Interesse des Kindes an der Beständigkeit der Statusbeziehung auch nach dem Tod und die mit einer Anfechtung einhergehenden Folgen für 732 MüKo/Wellenhofer, § 1600b BGB Rn. 4; Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 50 ff. Beispielsweise Russland, Rumänien und Serbien, siehe Frank, FamRZ 2016, 530, 531. 733 Vgl. zum Zweck der deutschen Regelungen MüKo/Wellenhofer, § 1600b BGB Rn. 3; BeckOGK/Reuß, § 1600b BGB Rn. 2, 5. 734 Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 19. 735 § 1600 BGB. 736 § 1595a und § 1600g Abs. 2 a.F sahen ein Anfechtungsrecht für die Eltern des verstorbenen Vaters vor, vgl. MüKo/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 2, 5. 737 So beispielsweise im türkischen Recht, Art 291 türk. ZGB sowie im italienischen Recht, Art. 246 ital. CC. Vgl. den rechtsvergleichenden Überblick oben auf S. 18 ff.
E. Probleme bei der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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sein Erbrecht sprechen jedoch dagegen, die Anwendung eines solchen weiten Anfechtungsrechts durch das Kollisionsrecht zu fördern. Ferner erlauben manche Rechtsordnungen wie etwa Russland738 und Norwegen739 eine Anfechtung durch den leiblichen Vater ohne weitere Einschränkung und unbefristet. Auch hier erscheint äußerst bedenklich, dass das Kollisionsrecht gerade solche weitreichende Anfechtungsrechte zur Anwendung verhelfen möchte. Die Einschränkung des Anfechtungsrechts des leiblichen Vaters, wie sie etwa das deutsche Recht kennt, dient dazu eine bestehende soziale Verbindung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater von außen zu schützen und dient damit auch dem Interesse des Kindes am Fortbestand seiner sozialen Familie.740 Die hinter der alternativen Anknüpfung stehende Entscheidung des Gesetzgebers, das Interesse der Abstammungswahrheit über das Interesse der Statusbeständigkeit zu stellen,741 überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. Letztlich verdient die alternative Anknüpfung des Art. 20 S. 1 EGBGB und die damit einhergehende Begünstigung der Anfechtung keine Zustimmung.742 Die Abwägung zwischen dem Interesse der Beteiligten an Statuswahrheit und dem Interesse an Statusbeständigkeit sollte allein dem berufenen Sachrecht überlassen werden und nicht durch das Kollisionsrecht zugunsten der Statuswahrheit beeinflusst werden. Insbesondere entspricht die Anfechtungsfreundlichkeit nicht immer dem Interesse des Kindes, da die Anfechtung gerade auch von anderen Beteiligten gegen seinen Willen erklärt werden kann. Gleichzeitig sollte die Anfechtung aber auch nicht im Interesse der Statusbeständigkeit durch eine kumulative Anknüpfung – wie sie etwa das französische743 Recht für die Anfechtung der Anerkennung vorsieht – erschwert werden. Vielmehr sollte das Kollisionsrecht nur eine Rechtsordnung zur Anwendung berufen. Eine Ausnahme besteht allerdings für das Anfechtungsrecht des Kindes: Hier überwiegt das Interesse des Kindes an der Abstammungswahrheit und daher ist hier die zusätzliche Anknüpfung in Art. 20 S. 2 EGBGB an das Recht seines derzeitigen gewöhnlichen Aufenthalts zu befürworten.
738 Art. 52 russ. FamGB. 739 § 6 norweg. KinderG. 740
Vgl. zum deutschen Sachrecht BeckOGK/Reuß, § 1600 BGB Rn. 14.
741 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 410 f. 742 Die Alternativität bei der Anfechtung ebenfalls als
kritisch bewertend Dutta im Rahmen der Online Konferenz „Reform des Internationalen Abstammungsrechts“ (16:55–18:08), abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). A. A. hingegen Siehr, StAZ 2015, 258, 263, der an der alternativen Anknüpfung für die Anfechtung festhalten möchte; siehe auch Siehr, in: FS Coester-Waltjen, 769, 777. 743 Brandhuber, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Frankreich, S. 43.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
3. Folgerung für eine Reform des Art. 19 Abs. 1 EGBGB Fraglich ist, welche Schlussfolgerungen sich hieraus für eine Reform des Art. 19 Abs. 1 EGBGB ziehen lassen. Möchte man zukünftig die Anfechtung nur noch einem Recht unterstellen, bieten sich zwei Möglichkeiten an, dies zu verwirklichen: Entweder man knüpft zukünftig die Anfechtung unabhängig vom Abstammungsstatut an oder aber man muss sich von der alternativen Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB trennen. Gegen eine selbstständige Anknüpfung spricht indes, dass hierdurch seltener ein Gleichlauf zwischen Abstammungs- und Anfechtungsstatut erzielt wird. Die Begründung der Abstammung und deren Beseitigung sind aber so eng miteinander verbunden, dass es sinnvoll ist, sie dem gleichen Recht zu unterstellen. Nur durch einen Verweis auf Art. 19 Abs. 1 EGBGB im Rahmen von Art. 20 EGBGB wird eine einheitliche Anknüpfung und damit regelmäßig744 ein Gleichlauf zwischen Abstammungs- und Anfechtungsstatut erzielt. Möchte man aus diesem Grund an einer einheitlichen Anknüpfung der Abstammung und der Anfechtung festhalten und trotzdem die Anfechtung nur einem Recht unterwerfen, ließe sich dies dadurch erreichen, dass man die Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB als subsidiäre Anknüpfung regelt. In diesem Fall ergäbe sich die Abstammung immer nur nach einer Rechtsordnung, da die subsidiären Anknüpfungen gesperrt sind, wenn sich die Abstammung bereits aus einer auf einer höheren Stufe stehenden Anknüpfung ergibt.745 Entscheidet man sich hingegen dafür, zukünftig an einer alternativen Anknüpfung für die Abstammung festzuhalten, könnte das Ergebnis auch dadurch erreicht werden, dass nur für die Anfechtung von einer subsidiären Anknüpfung ausgegangen wird. Dies entspräche der Rechtslage der Ehelichkeitsanfechtung vor 1987. Die Anfechtung der ehelichen Abstammung richtete sich damals wie heute auch nach dem Abstammungsstatut.746 Für die Begründung der ehelichen Abstammung stellte Art. 19 Abs. 1 EGBGB a. F. nach herrschender Ansicht eine alternative Anknüpfung bereit, während die Anknüpfungen für die Anfechtung als subsidiär angesehen wurden.747 Dies bedeutete, dass, wenn die eheliche Abstammung jedenfalls auch nach dem Ehewirkungsstatut bestand, die Anfechtung ausschließlich nach diesem Recht erfolgen konnte – auch wenn die Ab744 Kein Gleichlauf wird erzielt, wenn der nach h. M. zu beachtende renvoi für Abstammung und Anfechtung auf unterschiedliche Rechtsordnungen verweist. Regelmäßig wird das ausländische Kollisionsrecht jedoch Abstammung und Anfechtung einheitlich anknüpfen. 745 So bereits zum geltenden Recht Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 62. 746 Dies „[ergab] sich – mittelbar – aus der Formulierung in Art. 19 Abs. 1 Satz 4 EGBGB, wonach das Kind seine Ehelichkeit ‚auch‘ nach dem Recht des Staates anfechten [konnte], in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt [hatte]“, Henrich, IPRax 1993, 392; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 182. 747 Henrich, IPRax 1993, 392; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 182 ff.; Staudinger/Henrich, 13. Aufl., Art. 19 Rn. 145 ff.; MüKo/Schwimann, 2. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 43.
F. Fazit: Reformbedürftigkeit des internationalen Abstammungsrechts
191
stammung ursprünglich nach dem Heimatrecht eines der Ehegatten festgestellt wurde.748 Nur wenn sich die Ehelichkeit ausschließlich aus einem der Heimatrechte der Ehegatten ergab, und nicht auch nach dem Ehewirkungsstatut, konnte die Anfechtung nach diesem erfolgen.749 Für die Begründung der Abstammung wurden die Alternativen somit als alternative Anknüpfungen ausgelegt, für die Anfechtung hingegen als subsidiäre Anknüpfungen. Dieses Vorgehen könnte sich auch für einen neuen Art. 20 EGBGB eignen, wenn weiterhin an einer alternativen Anknüpfung im Rahmen der Abstammungsbegründung festgehalten werden sollte. In diesem Fall bedürfte es allerdings einer Änderung des Art. 20 EGBGB.
F. Fazit: Reformbedürftigkeit des internationalen Abstammungsrechts Die vorherige Untersuchung hat gezeigt, dass eine Reform unerlässlich ist. Die Idee des Gesetzgebers dem Kind durch eine alternative Anknüpfung möglichst zu zwei Elternteilen zu verhelfen, mag gut gemeint gewesen sein, stößt aber in der Praxis auf nicht sinnvoll lösbare Konflikte. Aufgrund der teilweise stark divergierenden Abstammungsregelungen kommt es immer häufiger zu Fällen, in denen die von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechtsordnungen zu unterschiedlichen Männern als rechtliche Väter führen. Häufig tritt das Problem beim Zusammentreffen von einem anerkennenden Dritten und dem Ex-Ehemann der Mutter auf. Wie eine solche Pattsituation zu lösen ist, ist sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung höchst umstritten und bedarf dringend einer gesetzlichen Regelung. Eine Neuregelung sollte entweder von vornherein die Situation von widersprüchlichen Ergebnissen vermeiden, indem auf eine alternative Anknüpfung verzichtet wird, oder aber ausdrücklich eine Regelung beinhalten, die vorgibt, wie der Widerspruch aufzulösen ist. Neben konkurrierenden Vaterschaften kann es zudem auch im Rahmen von Leihmutterschaften und Co-Mutterschaften zu konkurrierenden Elternschaften kommen – wenn auch in selteneren Fällen. Schließlich können die alternativ berufenen Rechtsordnungen auch unterschiedlich bewerten, wie viele Eltern ein Kind haben kann. Eine Neuregelung ist hier unter Berücksichtigung des Interesses an Rechtssicherheit dringend erforderlich. Darüber hinaus ist eine Reform auch im Hinblick auf die zunehmenden reproduktionsmedizinischen Techniken angebracht. Allen voran in Leihmutterschaftsfällen führen die Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu äu748
Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 184; Staudinger/Henrich, 13. Aufl., Art. 19 Rn. 152.; MüKo/Schwimann, 2. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 43. 749 MüKo/Schwimann, 2. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 43; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 184; Staudinger/Henrich, 13. Aufl., Art. 19 Rn. 161.
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
ßerst unbefriedigenden Ergebnissen. Die Abstammung des Kindes von seinen Wunscheltern hängt maßgeblich davon ab, ob die Einreise mit dem Kind nach Deutschland glückt und ob die Leihmutter verheiratet ist. Reisen die Eltern mit dem Kind unmittelbar nach der Geburt wieder zurück nach Deutschland, kann regelmäßig nur der Wunschvater, nicht hingegen auch die Wunschmutter, die rechtliche Elternstellung erlangen und dies auch nur unter der Voraussetzung, dass die Leihmutter bei der Geburt nicht verheiratet war. Das Kind hat jedoch – auch wenn das Rechtssystem die Leihmutterschaft als solche ablehnt – ein berechtigtes Interesse daran, beiden Wunscheltern rechtlich zugeordnet zu werden. Die Zuordnung zu der Leihmutter ist demgegenüber für das Kind nutzlos, da die Leihmutter weder die Elternrolle übernehmen möchte, noch nach ihrem Heimatrecht dazu verpflichtet ist. Das durch Art. 19 Abs. 1 EGBGB erzielte Ergebnis unterscheidet sich zudem stark von der Rechtslage, wenn ein Gericht an der Zuordnung der Elternschaft bei der Leihmutterschaft beteiligt ist. In diesen Fällen wird regelmäßig die Elternschaft der Wunscheltern aus deutscher Sicht anerkannt. Aus der Sicht der Wunscheltern und des Kindes erscheint diese Differenzierung jedoch rein zufällig und überzeugt daher nicht. Auch bei lesbischen Paaren, welche sich mittels Samenspende im Ausland ihren Kinderwunsch erfüllen, wird das Kind oftmals nur einem Elternteil und zwar der gebärenden Frau zugeordnet. So führen die Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB bei einem im Inland wohnenden deutschen Paar zum deutschen Sachrecht, welches eine doppelte Mutterschaft gerade nicht kennt. Zu dem Land, in dem die künstliche Befruchtung durchgeführt wurde und welches eine Co-Mutterschaft in einem solchen Fall vorsieht, besteht hingegen keine im Sinne des Art. 19 Abs. 1 EGBGB relevante Verbindung, wenn das Land nur für die Durchführung der künstlichen Befruchtung aufgesucht wurde. Eine Abstammung von nur einem Elternteil, obwohl zwei Elternteile bereit wären, die Elternschaft zu übernehmen, widerspricht dem Interesse des Kindes. Hierin zeigt sich jedoch in erster Linie ein Defizit des materiellen deutschen Rechts und nicht des internationalen Abstammungsrechts. Allerdings könnte eine Reform des Art. 19 Abs. 1 EGBGB die Zuordnung zu zwei Frauen fördern, wenn etwa an das Recht des Durchführungsstaates angeknüpft werden würde. Außerdem ist eine Abstammung von beiden Frauen selbst dann nicht garantiert, wenn sogar eine der beiden Frauen die Staatsangehörigkeit eines co-mutterschaftsfreundlichen Staates besitzt. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB fordert vielmehr, dass gerade die Co-Mutter die Angehörige eines solchen Staates ist. Bei einem binationalen lesbischen Paar, bei dem eine der Partnerinnen die Staatsangehörigkeit eines comutterschaftsfreundlichen Staates besitzt, hängt die Abstammung von beiden Müttern deshalb davon ab, wer von den beiden Frauen das Kind zur Welt bringt. Dieses unbefriedigende Ergebnis sollte durch eine Reform beseitigt werden. Die vorherige Untersuchung der Anknüpfungen hat des Weiteren zu Lichte gebracht, dass die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes
F. Fazit: Reformbedürftigkeit des internationalen Abstammungsrechts
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im internationalen Abstammungsrecht zu Problemen führt, da die Abstammung jedenfalls bei einer Zuordnung kraft Gesetzes bereits zum Zeitpunkt der Geburt zu prüfen ist, das Kind zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht zwingend einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat: Dies ist der Fall, wenn die Mutter aus medizinischen Gründen ein Krankenhaus im Ausland wählt, die Mutter das Kind auf einer Reise zur Welt bringt und praktisch immer in Leihmutterschaftsfällen. Während in den ersten beiden Fällen die Mutter mit dem Kind regelmäßig alsbald nach der Geburt wieder in den Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts zurückkehrt, an dem auch das Kind zukünftig dauerhaft leben soll, und so das Kind alsbald nach der Geburt einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, kann es in Leihmutterschaftsfällen bis zu sechs Monate dauern, bis das Kind einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat – nämlich dann, wenn eine Einreise ins Inland mangels deutschen Reisepasses durch die Behörden verweigert wird. Ein derart langer Schwebezustand ist in Statusverhältnissen nicht hinnehmbar. Dies ist insbesondere deshalb so misslich, da nur die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt die Abstammung vollumfänglich feststellen kann, während die Anknüpfungen an das Heimatrecht des jeweiligen Elternteils und an das Ehewirkungsstatut der Mutter in ihren Anwendungsbereichen begrenzt sind: Nach dem Heimatrecht des jeweiligen potentiellen Elternteils kann nur dessen Elternschaft festgestellt werden und die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut ist auf die Abstammung der Mutter und ihres Ehemanns begrenzt. Um eine sichere Zuordnung bereits zum Zeitpunkt der Geburt zu gewährleisten, bedarf es zukünftig eines anderen Anknüpfungsmoments als dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder aber einer Ersatzanknüpfung für diese Fälle. Ferner überzeugt auch die Wandelbarkeit des Abstammungsstatuts nicht. Zwar bietet sie den Vorteil, dass die Standesbeamten häufiger ihr eigenes – bekanntes – Recht anwenden können. Auch kann ein Kind – entgegen einer in der Literatur vertretenen Meinung – bei einem Wechsel der Anknüpfungsmomente nicht wieder seinen Elternteil verlieren. Die Wandelbarkeit führt im Gegenteil lediglich dazu, dass ein Kind durch einen Statutenwechsel einen Elternteil erlangen kann. Aber auch dieser Umstand ist nicht als positiv zu bewerten, da es mit dem Interesse an Rechtssicherheit und Statuserkennbarkeit nicht vereinbar ist, wenn beispielsweise ein bislang vaterloses Kind nach mehreren Jahren ohne Zutun der Beteiligten allein aufgrund eines Umzugs und dem damit verbundenen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts plötzlich dem Ex-Ehemann der Mutter rechtlich zugeordnet wird, da das neue Aufenthaltsrecht entgegen dem alten Recht eine solche Zuordnungsregelung vorsieht. Es sollte deshalb zukünftig besser wieder auf eine unwandelbare Anknüpfung abgestellt werden, wie dies bereits bei den Vorgängernormen grundsätzlich der Fall war. Schließlich hat sich auch die zusätzliche Anknüpfung an das Heimatrecht nach Art. 23 S. 1 EGBGB nicht bewährt. Werden Vaterschaftsanerkennungen im Ausland abgegeben, fördert die Vorschrift gerade hinkende Abstammungs-
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2. Kapitel: Bestandsaufnahme zum geltenden Kollisionsrecht
verhältnisse, anstatt sie zu verhindern. Hinkende Abstammungsverhältnisse gilt es jedoch im Interesse des Kindes und seiner Eltern möglichst zu vermeiden. Der ursprüngliche Zweck der Norm, deutsche Mütter vor einseitigen Vaterschaftsanerkenntnissen zu beschützen, ist vor dem Hintergrund der Möglichkeit der Anfechtung sowie der mit dem Abstammungsverhältnis verbundenen Pflichten und der damit einhergehenden geringen Missbrauchsgefahr zu vernachlässigen. Die Reformbedürftigkeit des internationalen Abstammungsrechts betrifft schließlich nicht nur die Begründung der Abstammung nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB, sondern auch die Anfechtung nach Art. 20 EGBGB. Die alternative Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB erstreckt sich über Art. 20 Abs. 1 EGBGB auch auf die Anfechtung und damit wird neben der Begründung der Abstammung auch die Beseitigung gefördert. Die zugrundeliegende Entscheidung, dass Interesse der Beteiligten an Statuswahrheit höher zu bewerten als das Interesse der Beteiligten an Statusbeständigkeit, überzeugt aber nicht. Das Kollisionsrecht sollte hier keine der beiden Interessen bevorzugen und vielmehr die Entscheidung dem Sachrecht überlassen. Es sollte mithin grundsätzlich nur eine Rechtsordnung zur Anwendung auf die Anfechtung berufen werden. Allein in Bezug auf das Kind erscheint es gerechtfertigt, sein Interesse an der Statuswahrheit höher zu gewichten als das Interesse der anderen Beteiligten an Statusbeständigkeit. Hier ist die alternative Anknüpfung mithin auch weiterhin zu befürworten.
3. Kapitel
Europarechtliche Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen Wie im vorherigen Kapitel gezeigt wurde, wird grundsätzlich ein im Ausland begründetes Abstammungsverhältnis im Inland nur dann „anerkannt“, wenn es aus Sicht des nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Sachrechts wirksam besteht. Anders als bei einer verfahrensrechtlichen Anerkennung werden Rechtslagen, auch wenn sie bereits in einer Urkunde registriert wurden, vollumfänglich nachgeprüft. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könnte jedoch im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten bestehen. Aus dem Unionsrecht könnte sich eine Pflicht für die deutschen Behörden ergeben, eine in einem anderen Mitgliedstaat registrierte Abstammung unabhängig davon im Inland anzuerkennen, ob aus deutscher Sicht – einschließlich des deutschen Kollisionsrechts – eine solche Abstammungsbeziehung gegeben ist. Eine Anerkennungspflicht bejaht der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung im Namensrecht. Es ist vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht fernliegend, dass auch im internationalen Abstammungsrecht eine europarechtliche Anerkennungspflicht besteht. Da eine solche Anerkennungspflicht den Spielraum für eine Reform des Art. 19 Abs. 1 EGBGB beschränken könnte, wird im Folgenden geprüft, ob sich aus dem Europarecht inhaltliche Vorgaben für das deutsche internationale Abstammungsrecht ergeben.
A. Sekundärrechtliche Anerkennungspflicht Zunächst ist festzuhalten, dass es jedenfalls im Sekundärrecht keine Rechtsakte gibt, die eine Anerkennung vorschreiben. Insbesondere bestimmt die Urkundenvorlageverordnung1 ausdrücklich, dass der Inhalt von öffentlichen Urkunden nicht anerkannt werden muss.2 Dies ist entscheidend, da als öffentliche Urkunden im Sinne der Verordnung auch Urkunden über die Abstammung zäh1 Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012. 2 Art. 2 Abs. 4 der Verordnung sowie Erwgr. 26. Vgl. hierzu Mankowski, in: FS CoesterWaltjen, 571, 574 (noch zum Vorschlag); Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 508.
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
len.3 Eine Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden hatte die Europäische Kommission zwar ursprünglich in dem der Verordnung vorausgegangen Grünbuch vorgeschlagen,4 jedoch hat sie diesen Teil aufgrund der starken Ablehnung durch die Mitgliedstaaten letztlich nicht weiter verfolgt.5 Die Verordnung regelt nun lediglich, dass die Überprüfung der Echtheit von Urkunden und damit das Legalisationserfordernis entfallen.6
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV Eine Pflicht zur Anerkennung eines Abstammungsverhältnisses könnte sich jedoch direkt aus dem Primärrecht ergeben. Die Tatsache, dass die Einführung eines Anerkennungsprinzips im Sekundärrecht mangels ausreichender Zustimmung der Mitgliedstaaten verworfen wurde, sagt noch nichts darüber aus, ob nicht die Verträge selbst eine Anerkennung voraussetzen.7 So könnte die Nichtanerkennung der in einem anderen Staat begründeten Abstammung eine Verletzung von Art. 21 Abs. 1 AEUV darstellen. Art. 21 Abs. 1 AEUV gewährt jedem Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.8 Wird ein Abstammungsverhältnis in einem Mitgliedstaat anerkannt, in einem anderen Mitgliedstaat hingegen nicht, da deren jeweiligen Kollisionsrechte unterschiedliche Sachrechte zur Anwendung berufen, kann dies einen Elternteil davon abhalten, von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch zu machen und könnte so einen Verstoß des Freizügigkeitsrechts darstellen. Eine Verletzung des Freizügigkeitsrechts nimmt der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung unter anderem an, wenn der Name, der in einem Mitgliedstaat erworben wurde, in einem anderen Mitgliedstaat nicht anerkannt wird. Fraglich ist, ob diese Rechtsprechung auch auf andere Statusverhältnisse wie der Abstammung übertragbar ist. Der EuGH hat dies in einer bestimmten Konstellation für die gleichgeschlechtliche Ehe und die gleichgeschlechtliche Elternschaft bejaht. Um zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Anerkennungspflicht im Abstammungsrecht besteht, wird zunächst auf die Rechtsprechung des EuGH zum Namensrecht und auf die zwei Entscheidungen zur An3
Art. 2 Abs. 1 lit. i der Verordnung. Grünbuch der EU-Kommission „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, KOM (2010) 747 endg, S. 11 ff. Vgl. hierzu Wagner, NZFam 2014, 121; Lederer, Grenzenloser Kinderwunsch, S. 244 ff. 5 Mankowski, in: FS Coester-Waltjen, 571, 575. 6 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 508; Mankowski, in: FS Coester-Waltjen, 571, 575. 7 Mankowski, in: FS Coester-Waltjen, 571, 576. 8 Vgl. ausführlich zur Diskussion, ob Art. 21 Abs. 1 AEUV ein Beschränkungsverbot darstellt und wie der Schutzbereich definiert werden sollte, Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 123 ff.; Leifeld, Anerkennungsprinzip, S. 24 ff. (jeweils noch zur Vorgängernorm Art. 18 EG). 4
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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erkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe und der gleichgeschlechtlichen Elternschaft eingegangen.
I. Rechtsprechung des EuGH zum Namensrecht 1. Garcia Avello In der ersten relevanten Entscheidung Garcia Avello9 ging es um den Nachnamen zweier in Belgien lebender Geschwister, die sowohl die belgische als auch die spanische Staatsangehörigkeit besaßen. Die belgische Behörde bestimmte den Nachnamen aufgrund der belgischen Staatsangehörigkeit nach belgischem Recht und trug daher als Nachnamen den Nachnamen des Mannes in die Geburtsurkunde ein. Die Eltern beantragten später den Nachnamen zu ändern und zwar zu dem Namen, den die beiden Kinder nach spanischem Recht hatten und der so auch im spanischen Register eingetragen war. Nach spanischem Recht richtete sich der Namen nämlich ebenfalls aufgrund des Vorrangs der eigenen Staatsangehörigkeit nach spanischem Sachrecht, welches einen Doppelnamen aus dem Namen der Mutter und dem Namen des Vaters vorsieht. Der EuGH sah in der Ablehnung der belgischen Behörden, den spanischen Namen zu übernehmen, einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbots aus Art. 18 AEUV (damals noch Art. 12 EG).10 Die Diskriminierung begründete der EuGH damit, dass die Gleichbehandlung von Personen, die neben der belgischen Staatsbürgerschaft noch eine zweite Staatsbürgerschaft aufweisen, mit Personen, die nur die belgische Staatsangehörigkeit besitzen, eine Gleichbehandlung von Ungleichen ist, da nur die erste Gruppe die Gefahr läuft, unterschiedliche Familiennamen zu führen, was wiederum „ für die Betroffenen […] zu schwerwiegenden Nachteilen beruflicher wie auch privater Art führen“11 kann.12 Interessant sind vor allem die Ausführungen des EuGH zum sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts. Das Namensrecht fällt nämlich nicht in die Zuständigkeit der EU, sondern liegt ausschließlich bei den Mitgliedstaaten. Allerdings müssen nach der Rechtsprechung des EuGH die Mitgliedstaaten auch in diesen Bereichen „das Gemeinschaftsrecht beachten […], insbesondere die Vertragsbestimmungen über die jedem Unionsbürger zuerkannte Freiheit, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten.“13 Der EuGH sah hier die Freizügigkeit bereits deshalb berührt, weil die Beteiligten neben der Staatsangehörigkeit des Staates, in dem sie sich aufhielten, noch eine
9
EuGH (02.10.2003), Rs. C-148/02, Garcia Avello.
10 EuGH (02.10.2003), Rs. C-148/02, Garcia Avello, Rn. 36–38. 11 EuGH (02.10.2003), Rs. C-148/02, Garcia Avello, Rn. 36. 12 13
EuGH (02.10.2003), Rs. C-148/02, Garcia Avello, Rn. 34 ff. EuGH (02.10.2003), Rs. C-148/02, Garcia Avello, Rn. 25.
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
weitere Staatsangehörigkeit besaßen.14 Die potentielle Freizügigkeit war mithin bereits ausreichend, um einen Bezug zum Gemeinschaftsrecht zu bejahen.15
2. Grunkin Paul In der Rechtssache Grunkin Paul16 entschied der EuGH sodann, dass es das Recht auf Freizügigkeit aus Art. 21 Abs. 1 AEUV (damals noch Art. 18 EG) verletze, wenn ein Mitgliedstaat die Eintragung eines Namens ablehnt, der in einem anderen Mitgliedstaat, in dem die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, bereits eingetragen wurde. In der Sache ging es um den Namen eines deutschen Kindes, das seinen Doppelnamen (Grunkin-Paul), den es nach dänischem Recht trug, auch in Deutschland führen wollte. Das hinkende Namensverhältnis entstand dadurch, dass das dänische Recht anders als das deutsche Recht nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellte.17 Der EuGH urteilte, dass eine unterschiedliche Namensführung innerhalb der Union geeignet sei, die Ausübung des Rechts zu behindern, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, da sie mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden sein kann.18 Eine Rechtfertigung der Beeinträchtigung lag nach Ansicht des EuGH nicht vor.
3. Sayn-Wittgenstein Auch in der Sache Sayn-Wittgenstein19 sah der EuGH zwar eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit darin, dass die österreichischen Behörden den in deutschen Papieren geführten Namen nicht anerkannten, er entschied hier jedoch, dass die Beeinträchtigung aufgrund der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt war. Eine Österreicherin wurde von einem deutschen Adeligen adoptiert und führte sodann, wie im Adoptionsbeschluss – fälschlicherweise20 – festgestellt wurde, in Deutschland den Namen „Fürstin von Sayn-Wittgenstein“. Der Name wurde zwar zunächst im österreichischen Register eingetragen, jedoch 15 Jahre später mit der Begründung berichtigt, dass der Name gegen den österreichischen ordre public verstoße. Denn nach österreichischem Recht ist die Führung von Adelstiteln seit 1919 untersagt. Obwohl der Name nicht in einem deutschen Register eingetragen wurde und nicht rechtmäßig erlangt worden war, entschied der EuGH, dass die Grundsätze aus der Entscheidung Grunkin Paul 14
EuGH (02.10.2003), Rs. C-148/02, Garcia Avello, Rn. 27. Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 144; Helms, GPR 2005, 36, 37. EuGH (14.10.2008), Rs. C-353/06, Grunkin Paul. 17 MüKo/Lipp, Art. 10 EGBGB Rn. 191 f.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. II-421. 18 EuGH (14.10.2008), Rs. C-353/06, Grunkin Paul, Rn. 22–28. 19 EuGH (22.10.2010), Rs. C-208/09, Sayn-Wittgenstein. 20 Aus deutscher Sicht wäre nämlich aufgrund Art. 10 EGBGB österreichisches Recht anwendbar gewesen, vgl. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. II-423. 15 16
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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auch hier Anwendung fänden, da die Fürstin ihren Namen über 15 Jahre unbeanstandet geführt hatte und dieser daher bereits in verschiedenen Dokumenten, wie etwa ihrem deutschen Führerschein, verwendet wurde.21 Allerdings urteilte der EuGH diesmal, dass die durch die Nichtanerkennung verursachte Beschränkung des Freizügigkeitsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sei.22 Da das österreichische Adelsaufhebungsgesetz Verfassungsrang zukomme und damit Teil der nationalen Identität sei, sei dies geeignet, die Freizügigkeit zu beschränken. Die Beschränkung war nach Ansicht des Gerichts auch verhältnismäßig.
4. Bogendorff von Wolffersdorff Auch in der Rechtssache Bogendorff von Wolffersdorff23 bejahte der EuGH eine Beschränkung des Freizügigkeitsrechts, obwohl dort die beantragte Namensänderung auf einer freiwilligen Namensänderung beruhte. Der deutschbritische Staatsangehörige „Nabiel Peter Bogendorff“ mit gewöhnlichen Aufenthalt in Großbritannien begehrte vor deutschen Behörden die Anerkennung seines nach englischem Recht mittels deed poll geänderten Namens „Peter Mark Emanuel Graf von Wolffersdorff Freiherr von Bogendorff“. Während der Gerichtshof den Grundsatz der Namenskontinuität, die Freiwilligkeit der Namensänderung und die Vermeidung übermäßig langer Namen nicht als Rechtfertigungsgrund ausreichen ließ,24 hielt er eine Rechtfertigung aus Gründen der öffentlichen Ordnung für möglich, wenn die Ablehnung der Anerkennung aus Sicht des vorgelegten Gerichts geeignet und erforderlich sei, „um sicherzustellen, dass der Grundsatz der Gleichheit aller Bürger des besagten Mitgliedstaats vor dem Gesetz gewahrt wird.“25 Die deutsche Regierung hatte insofern darauf hingewiesen, dass Art. 109 Abs. 3 iVm Art. 123 GG der Umsetzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes diene, indem die Vorschrift „die Vorrechte und die Adelstitel als solche aufhebe sowie die Schaffung von Titeln, die den Anschein einer adeligen Herkunft erweckten, selbst in Form eines Namensbestandteils verbiete“.26 In seiner Entscheidung machte das Gericht dabei klar, dass den Mitgliedstaaten bei der Berufung auf die öffentlichen Ordnung ein gewisser Spielraum zukommt.27
21
EuGH (22.10.2010), Rs. C-208/09, Sayn-Wittgenstein, Rn. 62 ff. EuGH (22.10.2010), Rs. C-208/09, Sayn-Wittgenstein, Rn. 84 ff. EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff. 24 EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 50 ff. (Namenskontinuität), 52 ff. (Freiwilligkeit der Namensänderung), 59 ff. (Länge des Nachnamens). 25 EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 84. 26 EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 69. 27 EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 68; Dutta, FamRZ 2016, 1213, 1218. 22 23
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
5. Freitag In der Rechtssache Freitag28 stellte der Gerichthof sodann klar, dass das Unionsrecht nur das Ergebnis vorgibt, nicht aber wie dieses Ergebnis in den Mitgliedstaaten erreicht wird.29 Ein rumänisch-deutscher Doppelstaater mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland änderte seinen Nachnamen in einem Namensänderungsverfahren in Rumänien zu seinem ursprünglichen Namen zurück und begehrte daraufhin die Anerkennung dieses Namens auch in Deutschland. Die entscheidende Frage war hier, ob es im Lichte von Art. 21 Abs. 1 AEUV ausreichend ist, wenn der Antragssteller auf die Möglichkeit eines öffentlich-rechtlichen Namensänderungsverfahrens verwiesen wird. Der Gerichtshof betonte, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, wie sie die aus dem Unionsrecht fließenden Rechte gewährleisten, solange die Bedingungen hierfür nicht weniger günstig seien als für Rechte, die ihren Ursprung im innerstaatlichen Recht haben (Äquivalenzgrundsatz) und solange deren Ausübung nicht praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert werde (Effizienzgrundsatz).30
6. Zusammenfassung Die Rechtsprechung des EuGH lässt sich folgendermaßen zusammenfassen31: Obwohl die EU keine Kompetenz im Bereich des Namensrechts hat, müssen die Mitgliedstaaten auch in diesem Bereichen das Unionsrecht wie insbesondere das Recht auf Freizügigkeit aus Art. 21 Abs. 1 AEUV beachten.32 Erforderlich ist, dass ein Bezug zum Unionsrecht besteht. Hierfür lässt es der Gerichtshof ausreichen, wenn sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält.33 In persönlicher Hinsicht ist, um sich unter anderem auf Art. 21 Abs. 1 AEUV berufen zu können, erforderlich, dass die Person die Unionsbürgerschaft innehat.34 Unionsbürger ist gemäß Art. 20 S. 2 AEUV jeder, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Eine Beeinträchtigung des Rechts auf Freizügigkeit liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn dem Betroffenen durch die Weigerung, den in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Namen anzuerkennen, „‚schwerwiegende Nachteile‘ administrativer, beruflicher und privater Art erwachsen können“.35 Ausreichend 28
EuGH (08.06.2017), Rs. C-541/15, Freitag. EuGH (08.06.2017), Rs. C-541/15, Freitag, Rn. 41 ff.; Dutta, FamRZ 2017, 1178. 30 EuGH (08.06.2017), Rs. C-541/15, Freitag, Rn. 42. 31 Vgl. auch die Übersicht bei Wagner, in: FS Kohler, 567, 569 ff. 32 EuGH (02.10.2003), Rs. C-148/02, Garcia Avello, Rn. 25; EuGH (14.10.2008), Rs. C-353/06, Grunkin Paul, Rn. 16; EuGH (22.10.2010), Rs. C-208/09, Sayn-Wittgenstein, Rn. 38 f.; EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 32; EuGH (08.06.2017), Rs. C-541/15, Freitag, Rn. 33. 33 EuGH (02.10.2003), Rs. C-148/02, Garcia Avello, Rn. 27; bestätigt zuletzt in EuGH (08.06.2017), Rs. C-541/15, Freitag, Rn. 33. Rn. 33. 34 Wagner, in: FS Kohler, 567, 569. 35 EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 38. 29
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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ist mithin die Möglichkeit schwerwiegender Nachteile; ein tatsächlicher Nachteil ist hingegen nicht erforderlich.36 Nach Ansicht des EuGH sind mit einer hinkenden Namensführung regelmäßig schwerwiegende Nachteile zu erwarten, da es durch die Führung von unterschiedlichen Namen insbesondere zu Zweifeln an der Identität der Person kommen kann, wenn der benutzte Name nicht mit dem Namen in einem Ausweisdokument übereinstimmt, aber auch Zweifel im Rechtsverkehr an der Echtheit von Dokumenten oder an der Wahrheit der darin enthaltenen Angaben entstehen können.37 Die konkrete Gefahr „aufgrund der Namensverschiedenheit Zweifel an der Identität der eigenen Person ausräumen zu müssen, [ist] geeignet […], die Ausübung des aus Art. 21 Abs. 1 AEUV fließenden Rechts zu behindern.“38 Daraus folgt letztlich, dass grundsätzlich das Primärrecht, genauer Art. 21 Abs. 1 AEUV, die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, den Namen einer Person, den sie in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, anzuerkennen, wobei es Sache der Mitgliedstaaten ist, wie sie dieser Verpflichtung nachkommen.39 Eine Ausnahme von der Anerkennungspflicht besteht nur dann, wenn die Beeinträchtigung im konkreten Fall gerechtfertigt war. Dies ist der Fall, wenn die Beeinträchtigung „auf objektiven Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht berechtigterweise verfolgten Zweck steht.“40 Ein Rechtfertigungsgrund kann sich insbesondere aus dem ordre public ergeben, wobei auch hier der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren ist.41 Unklar ist jedoch, welcher Bezug zu dem Mitgliedstaat, in dem der Name erworben wurde, erforderlich ist, um das Anerkennungsgebot auszulösen.42 In den zu entscheidenden Fällen war stets entweder ein gewöhnlicher Aufenthalt während des Namenserwerbs in diesem Staat gegeben43 oder die Person hatte die Staatsangehörigkeit dieses Staates.44 Ungeklärt bleibt, ob auch andere Bezüge zum betreffenden Mitgliedstaat ausreichen wie etwa der Geburtsort oder 36
Mankowski, in: FS Coester-Waltjen, 571, 576; Wagner, in: FS Kohler, 567, 572. EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 39 f. m. w. N. 38 EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 45. 39 EuGH (08.06.2017), Rs. C-541/15, Freitag, Rn. 42. 40 EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 48; so bereits EuGH (14.10.2008), Rs. C-353/06, Grunkin Paul, Rn. 29; EuGH (22.10.2010), Rs. C-208/09, Sayn-Wittgenstein, Rn. 81. 41 EuGH (22.10.2010), Rs. C-208/09, Sayn-Wittgenstein, Rn. 85 f.; Wagner, in: FS Kohler, 567, 569. 42 Eine hinreichende Nähebeziehung für erforderlich haltend Mankowski, in: FS CoesterWaltjen, 571, 583; Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 398; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 717; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 71 (zum Abstammungsrecht). Vgl. hierzu auch Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 159 ff. 43 So in Grunkin Paul, Sayn-Wittgenstein, Bogendorff von Wolffersdorff. 44 So in Garcia Avello, Bogendorff von Wolffersdorff, Freitag. 37
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
eine frühere Staatsangehörigkeit.45 Möglicherweise bedarf es überhaupt keinen engen Bezug. Nicht erforderlich für die Anerkennungspflicht ist schließlich, dass der Name in dem anderen Mitgliedstaat bereits in einem Personenstandsregister eingetragen worden ist, solange der Name bereits „förmliche Spuren im öffentlichen wie auch im privaten Bereich hinterlassen [hat].“46
II. Weiterführung der Rechtsprechung auf die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen – der Fall Coman Umstritten ist, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Namensrecht auch auf andere Statusverhältnisse übertragbar ist.47 Einen ersten Schritt in diese Richtung machte – jedenfalls auf den ersten Blick – der EuGH in der Entscheidung Coman,48 in der es um die Anerkennung einer gleichgeschlechtlichen Ehe ging. Ein Amerikaner und ein Rumäne hatten in Belgien, wo letzterer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine gleichgeschlechtliche Ehe geschlossen. Sie wollten sodann nach Rumänien, dem Heimatstaat des einen Ehegatten, ziehen und begehrten daher von den rumänischen Behörden ein Aufenthaltsrecht für den amerikanischen Ehegatten, das die Behörden jedoch mit der Begründung ablehnten, dass das rumänische Recht eine gleichgeschlechtliche Ehe nicht kenne. Der EuGH stellte in der Verweigerung, dem Ehegatten ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, einen Verstoß gegen Art. 21 Abs. 1 AEUV fest. Das Freizügigkeitsrecht eines Unionsbürgers fordere unter anderem, „dass das Familienleben, das der Unionsbürger in [einem] Mitgliedstaat geführt hat, bei seiner Rückkehr in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, fortgesetzt werden kann, indem dem betreffenden drittstaatsangehörigen Familienangehörigen des Unionsbürgers ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht gewährt wird.“49 Als Familienangehöriger zähle in analoger Anwendung der Freizügigkeitsrichtlinie50 unter anderem ein Ehegatte.51 Um die Ausübung des Freizügigkeitsrechts nicht in 45
Dutta, FamRZ 2017, 1178. (22.10.2010), Rs. C-208/09, Sayn-Wittgenstein, Rn. 64; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. II-457. 47 Ablehnend Heiderhoff, in: FS v. Hoffmann, 127, 134, 138; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 710; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2019, 85, 89; Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 176 ff.; Berner, Kollisionsrecht im Spannungsfeld von Kollisionsnormen, Hoheitsinteressen und wohlerworbenen Rechten, S. 216 f., 255; Sommer, Einfluss der Freizügigkeit auf Namen und Status von Unionsbürgern, S. 277 ff.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 508; MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 137. Dafür hingegen Mankowski, in: FS Coester-Waltjen, 571, 585; NomosK/Freitag, Art. 3 EGBGB Rn. 58 f.; Grünberger, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-VO?, 81, 144 ff.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 159 ff. (für die Co-Mutterschaft); Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 254 ff. 48 EuGH (05.06.2018), Rs. C-673/16, Coman. 49 EuGH (05.06.2018), Rs. C-673/16, Coman, Rn. 24. 50 RL 2004/38/EG. 51 EuGH (05.06.2018), Rs. C-673/16, Coman, Rn. 33. Die Richtlinie 2004/38 war analog anzuwenden, da im vorliegenden Fall ein Unionsbürger ein Aufenthaltsrecht für seinen Fami46 EuGH
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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das Belieben der Mitgliedstaaten zu stellen, je nachdem, ob sie eine gleich geschlechtliche Ehe kennen oder nicht, entschied der EuGH, dass Art. 21 Abs. 1 AEUV die Mitgliedstaaten dazu verpflichte, eine gleichgeschlechtliche Ehe, die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen und dort gelebt wurde, für die Zwecke der Richtlinie, mithin also für die Zwecke der Ausübung des Aufenthaltsrechts, anzuerkennen.52 Eine Rechtfertigung aufgrund der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Identität gemäß Art. 4 Abs. 2 EUV lehnte das Gericht ab, da die Anerkennung allein für die Zwecke des Aufenthaltsrechts gerade nicht das Institut der Ehe im Anerkennungsstaat beeinträchtige.53 Zwar bejahte der Gerichthof damit letztlich auch in dieser Entscheidung eine Pflicht zur Anerkennung einer Rechtslage, dennoch unterscheidet sich die Entscheidung hinsichtlich der Reichweite des Anerkennungsgebots von denen zum Namensrecht. Insbesondere lässt sich aus der Entscheidung nicht folgern, dass Art. 21 Abs. 1 AEUV die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine in einem anderen Mitgliedstaat geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe für alle Bereiche des Rechts anzuerkennen.54 Der EuGH begrenzt die Pflicht zur Anerkennung vielmehr ausdrücklich allein auf die Zwecke des Aufenthaltsrechts. Die Anerkennungspflicht in diesem Bereich lässt sich damit rechtfertigen, dass das Aufenthaltsrecht gerade den Kern der Freizügigkeit betrifft.55 Die Sprengkraft dieser Entscheidung sollte daher nicht überschätzt werden.56 Die Entscheidung gibt mithin keine weiteren Erkenntnisse darüber, ob sich die Rechtsprechung des EuGH zum Namensrecht auf andere Statusverhältnisse übertragen lässt.
III. Weiterführung der Rechtsprechung auf die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Elternschaften – der Fall Pancharevo 1. Sachverhalt In der Rechtssache Pancharevo57 begehrte eine bulgarische Staatsangehörige von den bulgarischen Behörden die Ausstellung einer Geburtsurkunde für ihr Kind, in der sowohl sie selbst als auch ihre britische Ehefrau als rechtliche Eltern eingetragen werden sollte. Die beiden Frauen leben mit ihrem Kind in Spanien, wo das Kind auch zur Welt gekommen ist, und sind im spanischen lienangehörigen in dem Mitgliedstaat begehrte, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besaß. Die Richtlinie regelt jedoch ausschließlich die Voraussetzungen, unter denen ein Unionsbürger und seine Familienangehörigen in einen anderen Mitgliedstaat als den seiner eigenen Staatsangehörigkeit einreisen und sich aufhalten dürfen, Rn. 20. 52 EuGH (05.06.2018), Rs. C-673/16, Coman, Rn. 39 f. 53 EuGH (05.06.2018), Rs. C-673/16, Coman, Rn. 45. 54 Michl, FamRZ 2018, 1147, 1148; Kohler/Pintens, FamRZ 2018, 1369, 1373. 55 Dutta, FamRZ 2018, 1067, 1068. 56 Michl, FamRZ 2018, 1147, 1148; Kohler/Pintens, FamRZ 2018, 1369, 1374; MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 137. 57 EuGH (14.12.2021), Rs. C-490/20, Pancharevo = FamRZ 2022, 281.
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
Geburtenregister als rechtliche Eltern eingetragen. Die bulgarischen Behörden lehnten die Eintragung der Geburt in das Geburtenregister sowie die Ausstellung einer Geburtsurkunde mit der Begründung ab, dass das bulgarische Recht eine Elternschaft zweier Frauen nicht kenne. Die Eintragung der beiden Frauen in eine bulgarische Geburtsurkunde hätte nach bulgarischem Recht zur Folge, dass sie als rechtliche Eltern für das gesamte bulgarische Familienrecht anzusehen wären. Da eine Geburtsurkunde nach bulgarischem Recht für die Ausstellung eines bulgarischen Identitätsdokuments erforderlich ist, wurde dem Kind auch die Ausstellung eines Reisepasses und eines Personalausweises verweigert. Dem Gerichtshof lag nun die Frage vor, ob die bulgarischen Behörden aufgrund Art. 21 Abs. 1 AEUV verpflichtet sind, die Elternstellung beider Frauen, wie sie in der spanischen Geburtsurkunde eingetragen ist, anzuerkennen.
2. Die Entscheidung des EuGH Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, seinen Staatsangehörigen einen Personalausweis oder Reisepass auszustellen, ohne dass dies von der Ausstellung einer nationalen Geburtsurkunde abhängig gemacht werden kann.58 Art. 21 Abs. 1 AEUV gewähre jedem Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Ohne Personalausweis oder Reisepass sei die Ausübung dieses Rechts jedoch nur eingeschränkt möglich. Deshalb sehe Art. 4 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie eine Pflicht der Mitgliedstaaten vor, ihren Staatsangehörigen gemäß ihren Rechtsvorschriften einen Personalausweis oder einen Reisepass auszustellen, der ihre Staatsangehörigkeit angibt. Diese Pflicht gelte unbeschränkt; insbesondere könne ein Mitgliedstaat die Ausstellung nicht mit der Begründung verweigern, dass nach nationalen Recht für die Ausstellung eine nationale Geburtsurkunde erforderlich ist. Darüber hinaus entschied der Gerichtshof, dass die Mitgliedstaaten für die Zwecke der Ausübung des Freizügigkeitsrechts verpflichtet sind, eine Elternschaft, die in einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Geburtsurkunde eingetragen ist, anzuerkennen.59 Der Gerichtshof führt in Anlehnung an die Rechtsprechung in Coman aus, dass Art. 21 Abs. 1 AEUV auch das Recht umfasst, in jedem Mitgliedstaat „ein normales Familienleben zu führen“, wozu gehört, dass ein Unionsbürger mit seinen Familienangehörigen zusammenleben kann.60 Hierzu muss es einem Unionsbürger gestattet sein, gemeinsam mit seinen Familienangehörigen von seinem Aufenthaltsrecht Gebrauch zu machen. 58 59
EuGH (14.12.2021), Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 43–45. EuGH (14.12.2021), Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 48 f. 60 EuGH (14.12.2021), Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 48 f. mit Verweis auf EuGH (05.06.2018), Rs. C-673/16, Rn. 32.
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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Dieses Recht gilt nicht nur gegenüber dem Aufnahmestaat – wie in der Freizügigkeitsrechtsrichtlinie sekundärrechtlich ausdrücklich niedergeschrieben ist –, sondern auch gegenüber dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit die Person besitzt. Im konkreten Fall bedeutete dies, dass Bulgarien verpflichtet ist, die gleichgeschlechtliche Elternschaft nach spanischen Recht anzuerkennen, damit das Kind sein „Recht, sich mit jedem [seiner] beiden Elternteile im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, tatsächlich ausüben kann“.61 Nach Ansicht des Gerichtshofs verstößt die Pflicht, eine Geburtsurkunde eines anderen Mitgliedstaats, in der zwei Personen gleichen Geschlechts als Eltern bezeichnet sind, im konkreten Fall auch nicht gegen Art. 4 Abs. 2 AEUV, wonach die Union die jeweilige nationale Identität achtet, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck kommt.62 Das vorlegende Gericht hatte darauf hingewiesen, dass eine Anerkennungspflicht die öffentliche Ordnung und die nationale Identität der Republik Bulgarien beeinträchtigen würde, da die bulgarische Verfassung und das bulgarische Familienrecht keine gleichgeschlechtliche Elternschaft kennen. Der Gerichtshof verneint einen Widerspruch mit der nationalen Identität und mit der öffentlichen Ordnung mit der Begründung, dass der Mitgliedstaat durch eine Anerkennungspflicht im Rahmen der Ausübung des Freizügigkeitsrechts nicht verpflichtet wird, „in seinem nationalen Recht die Elternschaft von Personen gleichen Geschlechts [einzuführen] oder das Abstammungsverhältnis […] zu anderen Zwecken als der Ausübung der diesem Kind aus dem Unionsrecht erwachsenen Rechte [anzuerkennen]“.63 Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen der Generalanwältin Kokott, die zu dem Ergebnis kam, dass die Anerkennung der Elternschaft zum Zwecke der Ausübung der Freizügigkeit „in keiner Weise geeignet [ist], die Auffassung von Abstammung und Elternschaft nach bulgarischem Recht zu verändern“ und deshalb ebenfalls von einer Vereinbarung mit Art. 4 Abs. 2 AEUV ausging.64 Ergänzend führt der EuGH noch aus, dass eine Beschränkung der Freizügigkeit ohnehin nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn sie mit den durch die Charta verbürgten Grundrechten vereinbar ist. Es verstieße allerdings „gegen die dem Kind in den Art. 7 und 24 der Charta gewährleisten Grundrechte, ihm die Beziehung zu einem seiner Elternteile im Rahmen der Ausübung seines Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, vorzuenthalten oder ihm die Ausübung dieses Rechts faktisch unmög61
EuGH (14.12.2021), Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 50. EuGH (14.12.2021), Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 56. 63 EuGH (14.12.2021), Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 57. 64 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 150 f. 62
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
lich zu machen oder übermäßig zu erschweren, weil seine Eltern gleichen Geschlechts sind.“65
3. Stellungnahme In seiner Entscheidung führt der Gerichtshof die Coman-Entscheidung konsequent fort: Für die Ausübung der aus dem Freizügigkeitsrecht abgeleiteten Rechte sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine in einem anderen Mitgliedstaat registrierte Abstammung anzuerkennen und es so dem Kind zu ermöglichen, sich mit jedem seiner beiden Elternteile – auch wenn diese Drittstaater sind – in den Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Das Ergebnis überzeugt, da hier der Kernbereich des Freizügigkeitsrechts betroffen ist. Das Recht, sich mit seinen Familienangehörigen frei zu bewegen, darf nicht von der Ausgestaltung des nationalen Rechts abhängig sein und folglich bedarf es einer einheitlichen Beurteilung der Elternschaft. Vor dem Hintergrund der ComanEntscheidung war die Entscheidung auch nicht überraschend. Offen bleibt jedoch weiterhin die Frage, wie weit die Anerkennungspflicht reicht: Beschränkt sich die Pflicht zur Anerkennung ausschließlich auf das Aufenthaltsrecht oder geht sie weiter und besteht für das gesamte Recht?66 Die Entscheidung gibt hierauf keine Antwort. Zwar hat das vorlegende Gericht expliziert danach gefragt, ob Bulgarien verpflichtet ist, eine Geburtsurkunde mit dem Inhalt der spanischen Urkunde auszustellen. Nur wenn eine Anerkennungspflicht für das gesamte Recht bestünde, wäre eine Pflicht zur Ausstellung der Geburtsurkunde gegeben, da nach dem bulgarischen Recht die Geburtsurkunde die Abstammung für das gesamte Recht feststellt. Der EuGH ist der Frage jedoch ausgewichen.67 Er hielt offenbar die Frage nach der Pflicht zur Ausstellung der bulgarischen Geburtsurkunde für nicht entscheidungsrelevant.68 Erklären lässt sich dies damit, dass die Parteien die Ausstellung der Geburtsurkunde nur deshalb begehrten, um für das Kind einen Personalausweis beantragen zu können – nach bulgarischem Recht ist die Geburtsurkunde Voraussetzung für die Ausstellung eines Ausweisdokuments. Indem der EuGH das Erfordernis der Vorlage einer nationalen Geburtsurkunde für die Ausstellung eines Personalausweises jedoch als unzulässig verwarf, konnte er die Frage nach der Pflicht zur Ausstellung der Geburtsurkunde offenlassen. Dass er die Chance zur Stel65
EuGH (14.12.2021), Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 65. Hübner, FamRZ 2022, 585, 588; Flindt, FamRZ 2022, 286, 288; Tryfonidou, The Cross-Border Recognition of the Parent-Child Relationship in Rainbow Families under EU Law: A Critical View of the ECJ’s V. M. A. ruling, abrufbar unter: (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 67 Hübner, FamRZ 2022, 585, 589. 68 Flindt, FamRZ 2022, 286, 288. 66
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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lungnahme nicht genutzt hat, ist im Hinblick auf die Rechtssicherheit bedauerlich.
IV. Anerkennungspflicht eines Abstammungsverhältnisses für das gesamte Recht? Wie gezeigt wurde, hat der Gerichtshof bisher noch nicht entschieden, ob eine Anerkennungspflicht von Statusverhältnissen für das gesamte Recht besteht. Die Frage bedarf daher einer weiteren Erörterung. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren Pancharevo,69 auf die nachstehend noch näher eingegangen wird. Kokott prüfte nämlich nicht nur, ob eine Anerkennungspflicht zum Zwecke des Aufenthaltsrechts, sondern darüber hinaus auch, ob eine solche Pflicht für das gesamte bulgarische Recht besteht. In der Literatur wird das Anerkennungsprinzip sehr kontrovers diskutiert.70 Für eine unbegrenzte – das heißt nicht auf das Aufenthaltsrecht beschränkte – Übertragung der namensrechtlichen Rechtsprechung auf das Abstammungsrecht sprach sich das Kammergericht aus.71 In der zugrundeliegenden Entscheidung hatte ein französischer Mann ein pränatales Vaterschaftsanerkenntnis für ein Kind einer deutschen Frau abgegeben. Eine Zustimmung der Mutter war aus Sicht des Gerichts nicht gegeben,72 sodass das Gericht aufgrund von Art. 23 S. 1 EGBGB davon ausging, dass das Anerkenntnis nur in Frankreich, nicht aber in Deutschland wirksam war. Es lag somit eine hinkende Vaterschaft vor. Das Gericht sah hierin einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 7 Abs. 1 des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes73 und vertrat die Auffassung, dass es „naheliegend [ist], die Rechtsprechung des EuGH auch auf den Status 69 GA Juliane
Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo. Eine primärrechtliche Anerkennungspflicht ablehnend: Heiderhoff, in: FS v. Hoffmann, 127, 134, 138; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 710; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2019, 85, 89; Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 176 ff.; Berner, Kollisionsrecht im Spannungsfeld von Kollisionsnormen, Hoheitsinteressen und wohlerworbenen Rechten, S. 216 f., 255; Sommer, Einfluss der Freizügigkeit auf Namen und Status von Unionsbürgern, S. 277 ff.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 508; MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 137. Dafür hingegen Mankowski, in: FS Coester-Waltjen, 571, 585; NomosK/Freitag, Art. 3 EGBGB Rn. 58 f.; Grünberger, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-VO?, 81, 144 ff.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 159 ff. (für die Co-Mutterschaft); Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 254 ff. Eine ausführliche Auflistung der relevanten Literatur zum europäischen Anerkennungsprinzip findet sich bei Croon-Gestefeld, RabelsZ 86 (2022), 32, 39 Fn. 31 und Hübner, RabelsZ 85 (2021), 106, 108 Fn. 1. 71 KG (23.09.2010), FamRZ 2011, 652. 72 Dies konnte man im vorliegen Fall durchaus auch anders sehen, siehe hierzu ausführlich Nordmeier, StAZ 2011, 129, 130 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 7. 73 KG (23.09.2010), FamRZ 2011, 652, 653 f. Siehe hierzu die Besprechung von Nordmeier, StAZ 2011, 129. 70
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
als Vater auszudehnen […], da diese letztendlich auch auf der EMRK fußt.“74 Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist in der Literatur höchst umstritten.75 Erforderlich hierfür wäre, dass in der Nichtanerkennung eines Abstammungsverhältnisses ein ungerechtfertigter Eingriff in das Freizügigkeitsrecht vorliegt.
1. Anwendbarkeit Unstreitig dürfte jedenfalls sein, dass der Anwendungsbereich des Unionsrechts auch außerhalb des Aufenthaltsrechts eröffnet ist. Zwar hat die EU auf dem Gebiet des Abstammungsrechts wie auch im Namensrecht keine Zuständigkeit, jedoch haben die Mitgliedstaaten nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH auch in den Bereichen, die in die alleinige Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten fallen, das Freizügigkeitsrecht zu wahren.76 In persönlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich eröffnet, sofern das Kind oder der Elternteil – je nachdem, wer sich auf das Freizügigkeitsrecht beruft – die Unionsbürgerschaft besitzen, mithin wenn sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind.
2. Beschränkung der Freizügigkeit In seiner namensrechtlichen Rechtsprechung fordert der EuGH für die Bejahung eines Eingriffs, dass dem Betroffenen durch die Ausübung seines Freizügigkeitsrechts „schwerwiegende Nachteile administrativer, beruflicher und privater Art erwachsen können“,77 die ihn davon abhalten können, von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch zu machen. Wird das Abstammungsverhältnis nur für das Aufenthaltsrecht, nicht aber für das gesamte Recht anerkannt, kann dies für die Beteiligten trotzdem noch mit gravierenden Nachteilen verbunden sein. Eine Verlagerung des Aufenthalts kann zur Folge haben, dass das Kind seinen rechtlichen Elternteil verliert – wie im Fall Pancharevo – oder sich die Elternstellung ändert. Der Status als Kind ist in den Rechtsordnungen an eine Vielzahl von Rechten und Pflichten geknüpft.78 Daher hätte der Wegfall des Status massive Folgen für das Sorgerecht des Elternteils sowie für das Unterhalts- und Erbrecht des Kindes.79 Zudem sind auch sozial- und steuerrechtliche Nachteile zu befürchten.80 Diese Nachteile sind schwerwiegender Natur, die 74
KG (23.09.2010), FamRZ 2011, 652, 654.
75 Siehe bereits oben S. 207 Fn. 70. 76 Vgl. EuGH (02.10.2003), Rs. C-148/02,
Garcia Avello, Rn. 25; EuGH (14.10.2008), Rs. C-353/06, Grunkin Paul, Rn. 16; EuGH (22.10.2010), Rs. C-208/09, Sayn-Wittgenstein, Rn. 38 f.; EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 32; EuGH (08.06.2017), Rs. C-541/15, Freitag, Rn. 33. 77 So EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 38. 78 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 62. 79 Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 150 Fn. 68. 80 MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 134; Thomale, Mietmutterschaft, S. 57.
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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die Eltern durchaus davon abhalten können, in einen anderen Mitgliedstaat umzuziehen. Vor diesem Hintergrund kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass nicht nur unterschiedliche Namen, sondern auch hinkende Abstammungsverhältnisse – ebenso wie andere Statusverhältnisse – das Freizügigkeitsrecht beschränken können.81 In der Literatur wird teilweise eine Übertragung der namensrechtlichen Rechtsprechung auf andere Bereiche mit der Besonderheit des Namensrechts gegenüber anderen Statusverhältnissen abgelehnt.82 Der Name unterscheide sich wegen seiner Identifzierungsfunktion von sonstigen Statusfragen.83 Der EuGH habe aber gerade dieser Identifizierungsfunktion einen hohen Stellenwert in seinen Entscheidungen eingeräumt. Diese Ansicht werde auch durch die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston im Fall Grunkin Paul getragen, in denen sie eine Übertragung auf andere Statusverhältnisse als nicht zwingend erachtet, da es beim Namen „um die Frage der Identifizierung [geht], die sich von der des Rechtsstatus oder Rechtsfähigkeit unterscheidet.“84 Ferner wird darauf hingewiesen, dass das Namensrecht sehr stark mit dem Persönlichkeitsrecht und dem Schutz der Identität des Namensträgers verbunden sei.85 Die Rechtsprechung des EuGH zum Namensrecht lasse sich insofern – wenn auch nicht ausdrücklich vom Gerichtshof selbst hierauf gestützt – mit dem „Selbstbestimmungsrecht des Namensträgers über seinen relevanten Namen“ erklären.86 Eine Verallgemeinerung erscheine vor diesem Hintergrund schwerer.87 Die Entscheidungen Coman und Pancharevo haben diese Sichtweise auch nicht hinfällig gemacht, da es dort anders als in den namensrechtlichen Fällen gerade nicht um eine umfassende Anerkennung ging, sondern nur um die Anerkennung für das Aufenthaltsrecht. Die Argumentation ist jedoch nicht überzeugend. Der Grund, wieso der EuGH der Identifizierungsfunktion in den Entscheidungen zum Namensrecht so viel Bedeutung zukommen ließ, ist damit zu begründen, dass der Nachteil, der einen Unionsbürger davon abhalten kann, von der Ausübung seines Freizügigkeitsrechts Gebrauch zu machen, bei einer hinkenden Namensführung eben 81 So
Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 258 f.; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 149 f.; Thomale, Mietmutterschaft, S. 57 m. w. N.; NomosK/Freitag, Art. 3 EGBGB Rn. 59; Leifeld, Anerkennungsprinzip, S. 83; Rieks, Anerkennung im IPR, S. 217, 231; MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 134. 82 Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 177 f.; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 710; Sommer, Einfluss der Freizügigkeit auf Namen und Status von Unionsbürgern, S. 277 ff.; Lederer, Grenzenloser Kinderwunsch, S. 251 ff. 83 Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 178. 84 GA Eleanor Sharpston, Schlussanträge vom 24.04.2008 in der Rs. C-353/06, Grunkin Paul, Rn. 93; Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 178. 85 Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 710; Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 178. 86 Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 710. 87 Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 710; zustimmend Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 178.
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
darin zu sehen ist, dass durch die unterschiedlichen Namen Zweifel an der Identität entstehen können. Dies lässt jedoch keinen Rückschluss darauf zu, dass andere hinkende Statusverhältnisse und mithin andere Nachteile nicht auch das Freizügigkeitsrecht beschränken können. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Generalanwältin Kokott im Fall Pancharevo: Sie bejaht eine Beschränkung der Freizügigkeit nicht nur im Hinblick auf die Verweigerung eines Aufenthaltsrechts, sondern auch im Hinblick auf die Verweigerung der Anerkennung für das gesamte Recht.88
3. Rechtfertigung Eine Beschränkung der Freizügigkeit kann nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs gerechtfertigt sein, „wenn sie auf objektiven Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck steht.“89
a) Schwerwiegender Eingriff in die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten Die Beschränkung könnte gerechtfertigt sein, da andernfalls die nationale Regelungshoheit der Mitgliedstaaten im Bereich des internationalen Familienrechts unverhältnismäßig stark eingeschränkt würde.90 Die Berufung auf das 88 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 62 („Diese in Spanien geknüpften Verwandtschaftsbeziehungen nicht anzuerkennen, würde ein Familienleben in Bulgarien ernsthaft behindern. Der Status als Familienangehöriger liegt nämlich zahlreichen Rechten und Pflichten zugrunde, die sich sowohl aus dem Unionsrecht als auch aus dem nationalen Recht ergeben. Diese Weigerung hätte, um nur einige Beispiele zu nennen, von Ungewissheiten hinsichtlich des Aufenthaltsrechts des Kindes in Bulgarien über Hindernisse in den Bereichen Sorgerecht und soziale Sicherheit auch ehe- und erbrechtliche Folgen. Unter diesen Umständen steht außer Zweifel, dass die Nichtanerkennung der in Spanien geknüpften Verwandtschaftsbeziehung die Klägerin des Ausgangsverfahrens davon abhalten könnte, in ihren Herkunftsmitgliedstaat zurückzukehren.“ 89 Vgl. etwa EuGH (02.06.2016), Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rn. 48. 90 Vgl. MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 136; Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 180, 187 („Dagegen verlangt der Gewährleistungsgehalt des allgemeinen und der besonderen Freizügigkeitsrechte nicht, Statusverhältnisse mit allen zivil- und öffentlich-rechtlichen Folgen unionsweit als wirksam zu betrachten. Auf diesem Weg würden die Grundlagen des EG-Vertrages, namentlich das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit […] und der Subsidiarität, einseitig zu Lasten einer unitarisierenden Deregulierungsnorm ausgehöhlt. Dies erscheint auch angesichts der moralisch-religiösen Vorbelastung des Personen- und Familienrechts und der […] garantierten Achtung der kulturellen Identität der Mitgliedstaaten als zu weitgehend.“); Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 508; Reuß, in: FS Coester-Waltjen, 681, 688. Für eine richterliche Zurückhaltung zumindest in den gesellschaftlich umstrittenen Phänomenen wie Leihmutterschaft und gleichgeschlechtliche Elternschaft MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 72. Vgl. ferner Leifeld, Anerkennungsprinzip, S. 116 f., der die Grundfreiheiten systematisch-teleologisch reduzieren möchte, wenn der Beurteilungsstaat das registrierte Rechtsverhältnis nicht kennt, da andernfalls die Gefahr bestehe, dass sich eine mehrheitlich abgelehnte Ausnahmeerscheinung gemeinschaftsweit durchsetze. Er spricht in diesem Fall von einem Eingriff in den „Kernbereich nationaler Rechtsetzungshoheit“, S. 116. Auch Berner,
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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Freizügigkeitsrecht darf nicht dazu führen, dass den Mitgliedstaaten die Regelungshoheit in den ausschließlich in ihre Zuständigkeit fallenden Bereichen faktisch entzogen wird. Die Pflicht, ein Abstammungsverhältnis oder ein anderes Statusverhältnis anzuerkennen, würde einen sehr schwerwiegenden Eingriff in die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten bedeuten, da hierdurch das nationale Kollisionsrecht im unionsrechtlichen Kontext oftmals hinfällig würde.91 Eine erneute Prüfung der Abstammung wäre nicht mehr möglich, wenn bereits in einem anderen Mitgliedstaat die Abstammung beurkundet wurde. Die Union würde sich damit weitreichende Kompetenzen im internationalen Abstammungsrecht aneignen, die ihr jedoch nach den Verträgen nicht zustehen. Wie v. Hein zutreffend feststellt, würde „[d]ie Kompetenzgrundlage des Art. 81 AEUV […] durch die ausufernde Ableitung versteckter Kollisionsnormen aus dem Primärrecht faktisch unterlaufen, vor allem Art. 81 Abs. 3 AEUV, der besondere Kautelen gerade auf dem Gebiet des Familienrechts vorsieht, um auf diesem rechtskulturell heiklen Gebiet die Position der Mitgliedstaaten zu stärken.“92 Er spricht insofern zutreffend von einem Verstoß gegen die „unionsrechtliche Gewaltenteilung“.93 Der Gerichtshof darf Art. 21 AEUV nicht dazu „missbrauchen“, um sich in den Rechtsgebieten, in denen die Union keine Zuständigkeit besitzt, über die Hintertür Einfluss zu verschaffen. Die Einführung eines Anerkennungsprinzips in familienrechtlichen Statusverhältnissen bedürfte nach Art. 81 Abs. 3 AEUV einer Einstimmigkeit.94 Diese Vorgaben dürfen nicht durch eine zu weite Auslegung des Freizügigkeitsrechts umgangen werden. Die Ablehnung des Grünbuchs, welches die Anerkennung von Rechtslagen vorsah, hat zudem verdeutlicht, dass eine Einstimmigkeit in dieser Frage nicht besteht.95 Dieses Ergebnis ist vom Gerichtshof zu akzeptieren. Jedoch darf im Umkehrschluss die Berufung auf die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten und das unionsrechtliche Gewaltenteilungsprinzip auch nicht dazu führen, dass das durch das Primärrecht gewährleistete Freizügigkeitsrecht ausgehöhlt wird. Insofern wird hier auch nicht der Grundsatz in Frage gestellt, dass die Mitgliedstaaten auch in den Bereichen, die nicht in die Zuständigkeit der EU fallen, Art. 21 Abs. 1 AEUV wahren müssen. Das Freizügigkeitsrecht und die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten müssen vielmehr in EinKollisionsrecht im Spannungsfeld von Kollisionsnormen, Hoheitsinteressen und wohlerworbenen Rechten, S. 251 ff. sieht in Anschluss an Leifeld den Kernbereich nationaler Rechtsetzungshoheit als tauglichen Rechtfertigungsgrund an. 91 Ein Rückgriff auf das nationale Kollisionsrecht ist weiterhin für die erstmalige Prüfung der Rechtslage erforderlich. 92 MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 136. 93 MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 136. 94 Hierauf hinweisend Mansel, IPRax 2011, 341, 342; MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 136 Fn. 590. 95 Siehe oben S. 195 ff.
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
klang miteinander gebracht werden: weder darf das Freizügigkeitsrecht zu sehr eingeschränkt werden, noch darf die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten ausgehöhlt werden. Daraus folgt, dass ein ungerechtfertigter Eingriff in das Freizügigkeitsrecht vorliegt, wenn der Kernbereich des Freizügigkeitsrechts – das Aufenthaltsrecht – betroffen ist, wie dies in Coman und Pancharevo der Fall war.96 Der Eingriff in die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten ist in diesem Fall nur gering, da sie die Abstammung nur für das Aufenthaltsrecht anerkennen müssen. Demgegenüber ist der Eingriff in das Freizügigkeitsrecht sehr schwer, da dessen Kernbereich, das Aufenthaltsrecht, betroffen ist. Eine darüberhinausgehende Anerkennung für das gesamte Recht würde hingegen sehr stark in die Regelungshoheit eingreifen, da es in einer Vielzahl der Fälle eines Zurückgreifens auf das Kollisionsrecht nicht mehr bedürfte, während sich hier die Beschränkung des Freizügigkeitsrechts als weniger schwerwiegend darstellt. Die Ausübung des Freizügigkeitsrechts ist hier letztlich nur mit Nachteilen verbunden, wird einem Unionsbürger und dessen Familienangehörigen jedoch nicht gänzlich verwehrt. Die Weigerung, eine in einem anderen Mitgliedstaat registrierte Abstammung für das gesamte Recht anzuerkennen, stellt nach der hier vertretenen Auffassung damit eine berechtigte Beschränkung des Freizügigkeitsrechts dar. Eine Pflicht, ein Abstammungsverhältnis für das gesamte Recht anzuerkennen, besteht folglich nicht. Es ist jedoch äußerst fraglich, ob dieses kompetenzrechtliche Argument beim EuGH Gehör finden wird. Auch im internationalen Namensrecht wurde durch die richterliche Einführung des Anerkennungsprinzips über den Weg des Freizügigkeitsrechts die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten im gleichen Maße beschnitten und dennoch hat sich der Gerichtshof davon nicht abhalten lassen. Ihm genügte der alleinige Hinweis darauf, dass die Mitgliedstaaten auch in Bereichen, die in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, das Freizügigkeitsrecht wahren müssen.97 Welche Folgen dies für das nationale Recht darstellt, interessierte den Gerichtshof offensichtlich nicht. Allerdings ist zu beachten, dass es sich beim Familienrecht anders als beim Namensrecht um ein besonders sensibles Rechtsgebiet handelt und hier die Positionen der Mitgliedstaaten über Art. 81 Abs. 3 AEUV besonders gestärkt sind.98 Der Eingriff in das internationale Abstammungsrecht wiegt daher schwerer als der Eingriff in das internationale Namensrecht. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Gerichtshof positionieren wird. Dass der EuGH das Primärrecht sehr weit 96 Dahingehend auch Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 180 („Die Schwelle zu einem hinreichend schweren Eingriff ist jedoch bei einer Versagung des tatsächlichen Zusammenseins von Familienmitgliedern überschritten […].“). Vgl. Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 127, wonach zum Kernbereich die Ein- und Ausreise und das Aufenthaltsrecht zählt. 97 Vgl. oben S. 197 ff.; etwa EuGH (02.10.2003), Rs. C-148/02, Garcia Avello, Rn. 25. 98 Vgl. MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 136.
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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auslegt, stellte er bereits im internationalen Gesellschaftsrecht unter Beweis.99 Er wird in diesem Zusammenhang auch als „Motor[] der europäischen Integration“ beschrieben.100 Die Generalanwältin Kokott hat im Verfahren Pancharevo das Argument der Kompetenzverteilung aufgenommen, allerdings unter dem Punkt „nationale Identität“ diskutiert (hierzu gleich).
b) Nationale Identität Geht man – entgegen der hier vertretenen Meinung – davon aus, dass die unionsrechtliche Gewaltenteilung einem umfassenden Anerkennungsprinzip nicht entgegensteht, kann im Einzelfall eine Berufung auf die nationale Identität als Rechtfertigungsgrund in Betracht kommen. Nach Art. 4 Abs. 2 EUV achtet die Union die jeweilige nationale Identität der Mitgliedstaaten, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck kommt. Das Abstammungsrecht ist stark kulturell geprägt und könnte daher als Teil der nationalen Identität anzusehen sein. Insbesondere für die sensiblen Themen wie gleichgeschlechtliche Elternschaft, Leihmutterschaft, Mehrelternschaft, die gesellschaftlich stark umstritten sind und die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich bewertet werden, liegt eine Berufung auf die nationale Identität nahe.
aa) Schlussanträge der Generalanwältin Kokott Die Generalanwältin Kokott hat im Fall Pancharevo den Rechtsfertigungsgrund der nationalen Identität ausführlich geprüft.101 Das Familienrecht könne nach Ansicht von Kokott Ausdruck der nationalen Identität sein, da es sich um ein besonders sensibles Rechtsgebiet handle, „das auf der Ebene der Mitgliedstaaten und der sie bildenden Gesellschaften durch eine Pluralität von Auffassungen und Werten gekennzeichnet ist. Das Familienrecht […] ist Ausdruck des politischen und gesellschaftlichen Selbstverständnisses eines Mitgliedstaats.“102 Zudem berühre das Abstammungsrecht die grundlegenden Strukturen einer Gesellschaft, da mit der Abstammung nach dem ius sanguinis-Prinzip der Erwerb der Staatsangehörigkeit verbunden ist.103 Grundsätzlich sei eine Rechtfertigung möglich, wenn die nationale Maßnahme verhältnismäßig und insbesondere mit den durch die Charta verbürgten Grundrechten vereinbar ist. Nach Ansicht Ko99 MüKo/v. Hein, Art. 3
EGBGB Rn. 136.
100 MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 136. 101 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom
15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 70 ff., 149 ff. 102 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 77. 103 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 78, 79.
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
kott scheide allerdings eine Verhältnismäßigkeitsprüfung aus, „wenn eine wesentliche Ausprägung der nationalen Identität […] in Rede steht.“104 In diesem Fall beschränke sich die Prüfung des Gerichtshofs auf eine Kontrolle, ob die Grenzen des Art. 2 EUV eingehalten worden sind.105 Dies ergäbe sich aus dem historischen und systematischen Kontext der Norm, wonach die Vorschrift „konzipiert worden ist, um die Wirkung des Unionsrechts in den für die Mitgliedstaaten als wesentlich erachteten Bereichen zu begrenzen“.106 So habe die Klausel ihren Ursprung in dem nicht übernommenen Verfassungsvertrag, in dem die Klausel Teil einer Vorschrift war, die mit der Überschrift „Beziehung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten“ betitelt war.107 Die Tatsache, dass in Abs. 1 des Art. 4 EUV der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung geregelt ist, zeige, dass der Klausel auch weiterhin eine wichtige Funktion bei der Zuständigkeitsverteilung – konkret die Beschränkung des Unionsrechts in den für die Mitgliedstaaten als wesentlich erachteten Bereichen – zukomme.108 Um diese Funktion nicht auszuhöhlen, müsse die Prüfungsdichte zurückgenommen werden, da die Klausel sonst auf ein sonstiges „legitimes Interesse“, welches nach der Ansicht des Gerichtshofs grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund ausreicht, herabgestuft würde.109 Entscheidend für die Rücknahme der Prüfungsdichte sei, dass eine wesentliche Ausprägung der nationalen Identität beeinträchtigt ist. Der Unterschied zu den namensrechtlichen Entscheidungen bestehe nach Kokott darin, dass dort gerade keine wesentliche Ausprägung der nationalen Identität betroffen war. Im vorliegenden Fall ging die Generalanwältin davon aus, dass die Verpflichtung Bulgariens, die gleichgeschlechtliche Elternschaft nach spanischem Recht für alle rechtlichen Zwecke anzuerkennen, eine Beeinträchtigung der wesentlichen Ausprägung der nationalen Identität darstellen würde. Das Abstammungsrecht bilde gerade „de[n] ureigene[n] Gegenstand des Familienrechts“ und betreffe den Kern „dessen, [was] die Republik Bulgarien unter Berufung auf ihre nationale Identität schützen will.“110 Da die Geburtsurkunde die Abstammung für das gesamte bulgarische Familienrecht feststellt, würde sich die Anerken104 GA Juliane
Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 101. 105 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn 73, 101, 116. 106 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 86. 107 Art. I-5 des Verfassungsvertrags; GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 84. 108 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 85. 109 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 82, 88. 110 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 105.
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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nung auch nicht ausschließlich auf einen durch das Unionsrecht geregelten Bereich wie etwa das Aufenthaltsrecht beschränken.111 Darüber hinaus „würde die Verpflichtung zur Umschreibung der spanischen Geburtsurkunde sogar dazu führen, der Entscheidung der Republik Bulgarien vorzugreifen, wem sie die bulgarische Staatsangehörigkeit verleiht.“112 Da die Generalanwältin im konkreten Fall auch die sich aus Art. 2 EUV ergebenden Grenzen als gewahrt ansieht, ist nach ihrer Ansicht die Beschränkung gerechtfertigt.113 Anders liege der Fall, wenn nur eine Anerkennung allein für die Zwecke des Aufenthaltsrechts im Raum steht. Die Freizügigkeitsrichtlinie verpflichte die Staaten, Familienangehörigen wie unter anderem Verwandte in gerader Linie eines Unionsbürgers ebenfalls ein Aufenthaltsrecht zu gewähren.114 Für die Zwecke dieser Richtlinie sei eine Anerkennung erforderlich, um sicherzustellen, dass sie ihr Familienleben tatsächlich weiterführen können.115 Da sich die Anerkennungspflicht insofern auf einen Bereich beschränke, der in die Zuständigkeit der Union fällt, liege hierin auch kein „Eingriff in die den Mitgliedstaaten verbliebenen Zuständigkeiten im Bereich des Familienrechts.“116
bb) Bewertung und Fazit Mit Blick auf Entstehungsgeschichte führt die Generalanwältin überzeugend aus, dass Art. 4 Abs. 2 EUV eine kompetenzschützende Funktion zukommt. Die nationale Identität begrenze die Wirkung des Unionsrechts in den Bereichen, die die Mitgliedstaaten als wesentlich erachten. Um dieser Funktion gerecht zu werden, bedürfe es in diesen Bereichen nur eines eingeschränkten Prüfungsmaßstabs: Zu prüfen sei daher nur eine Vereinbarung mit Art. 2 EUV, während eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stattfindet. Den Mitgliedstaaten wird damit ein „abwägungsfreie[r] Beurteilungsspielraum zu[gestanden], in dem die Autonomie der Mitgliedstaaten absolut geschützt ist.“117 Die Generalanwältin sieht folglich das Problem, dass über die Freizügigkeitsrecht der Einfluss des Unionsrechts in das nationale Recht der Mitgliedstaaten vor allem in sensiblen 111 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 104. 112 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 105. 113 Die Generalanwältin prüft die Vereinbarung mit dem Diskriminierungsverbot aufgrund der Ungleichbehandlung homosexueller gegenüber heterosexueller Paare (Rn. 121 ff.) sowie die Achtung der Menschenrechte, konkrete die Achtung des Familienlebens (Rn. 123 ff.), stellt aber keinen Verstoß fest, GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo. 114 Art. 2 Nr. 2 lit. c) iVm Art. 4 Abs. 1 der RL 2004/38/EG. 115 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 113. 116 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 109. 117 Hübner, FamRZ 2022, 585, 589.
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Bereichen wie dem Familienrecht sehr weit geht, und versucht diesen zu begrenzen. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Problematisch an diesem Ansatz ist jedoch die fehlende Konturierung des Begriffs der wesentlichen Ausprägung der nationalen Identität, die in der Praxis auf Schwierigkeiten stoßen dürfte. Der Begriff der nationalen Identität allein ist bereits schwierig zu fassen. Unter welchen Voraussetzung nun eine wesentliche Ausprägung der nationalen Identität anzunehmen ist, ergibt sich aus den Schlussanträgen nicht.118 Die Generalanwältin stellt lediglich klar, dass das Abstammungsrecht die grundlegenden Strukturen einer Gesellschaft berühren und daher zur nationalen Identität zählen kann.119 Letztlich können nur die Mitgliedstaaten selbst bestimmen, welche Bereiche sie als Kern ihrer nationalen Identität verstehen und welche Maßnahmen sie hierfür als notwendig erachten.120 Dem Gerichtshof bliebe insofern nur eine Plausibilitätsprüfung übrig.121 Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob der Gerichtshof dieser Argumentation folgen wird oder ob er sich nicht wie bisher für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung entscheiden wird.122 Aber selbst wenn man – entgegen der Ansicht der Generalanwältin – eine Verhältnismäßigkeitsprüfung als erforderlich erachtet, wird eine Berufung auf die nationale Identität und die öffentliche Ordnung für die gesellschaftlich umstrittenen Themen wie gleichgeschlechtliche Elternschaft, Leihmutterschaft und Mehrelternschaft für Mitgliedstaaten, die diese Institute konsequent ablehnen, oft Erfolg haben. Der Gerichtshof prüft innerhalb der Verhältnismäßigkeit insbesondere eine Vereinbarkeit mit der Grundrechtscharta.123 Eine Vereinbarkeit mit Art. 7 GRCh wird regelmäßig gegeben sein. Art. 7 GRCh wird parallel zu Art. 8 EMRK ausgelegt.124 Der EGMR gewährt in ständiger Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK den Vertragsstaaten in besonders sensiblen Themen wie der Leihmutterschaft einen großen Ermessens- und Beurteilungsspiel118
So auch Hübner, FamRZ 2022, 585, 589. Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 79, 80. 120 Brießmann, In Vielfalt geeint? – Schlussanträge im Verfahren C-490/20, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 121 Brießmann, In Vielfalt geeint? – Schlussanträge im Verfahren C-490/20, abrufbar un ter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 122 Vgl. Hübner, FamRZ 2022, 585, 589 („Demgegenüber könnte auch eine Abwägungslösung in Betracht gezogen werden. Die nationale Identität wäre danach nicht der Beurteilung durch die Freizügigkeit entzogen, sondern wäre gegenüber der Freizügigkeit abzuwägen. Eine solche Lösung bietet den Vorteil, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit entzogen wird, willkürlich die Bestandteile der nationalen Identität festzulegen. Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, die nationale Identität nicht als generell abwägungsfest anzusehen.“) 123 Vgl. etwa EuGH (14.12.2021), Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 585. 124 ABl. EU 2007, C 303, S. 20. 119 GA Juliane
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raum.125 Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass ein ordre public-Einwand in den sehr sensiblen Bereichen des Abstammungsrechts die Weigerung, ein Abstammungsverhältnis anzuerkennen, rechtfertigen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass der Mitgliedstaat das in Frage stehende Abstammungsinstitut konsequent ablehnt. Eine Berufung auf die nationale Identität kommt insofern nicht in Betracht, wenn ein Mitgliedstaat das Institut in seinem nationalen Sachrecht zwar nicht kennt, aber ein solches Abstammungsverhältnis als wirksam erachtet, wenn sein Kollisionsrecht auf ein ausländisches Recht verweist. Dies ist der Fall in Deutschland: Das deutsche Recht kennt weder eine gleichgeschlechtliche Elternschaft noch eine Zuordnung zur Wunschmutter in Leihmutterschaftsfällen. Verweist das Kollisionsrecht allerdings auf ein ausländisches Recht, ist nach überzeugender und herrschender Meinung ein solches Abstammungsverhältnis mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts vereinbar.126 Eine gleichgeschlechtliche Elternschaft oder eine Zuordnung zu der Wunschmutter bei der Leihmutterschaft kann insofern aus deutscher Sicht, sofern ein Auslandsbezug gegeben ist, wirksam sein. Im Fall Pancharevo hätte es aus deutscher Sicht daher auch kein Problem mit der Anerkennung der Elternschaft gegeben, da aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts in Spanien nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB spanisches Recht anwendbar gewesen wäre und damit die gleichgeschlechtliche Elternschaft aus deutscher Sicht bestanden hätte. Wenn aber bereits im nationalen Recht ein ordre public-Verstoß abgelehnt wird, wäre es nicht plausibel zu behaupten, dass durch eine europarechtliche Anerkennungspflicht die nationale Identität beeinträchtigt wird. Der Rechtfertigungsgrund der nationalen Identität kann folglich für andere Länder greifen, nicht aber für Deutschland.
c) Entgegenstehende Rechte Dritter Schließlich können im Abstammungsrecht die Rechte anderer Personen im Rahmen der Rechtfertigung relevant werden. Anders als im Namensrecht sind bei der Abstammung nicht nur die Interessen und Rechte einer Person betroffen, sondern die Rechte mehrerer Personen, die miteinander in Konflikt stehen können:127 Betroffen sind insofern das Kind, die Person, um dessen Elternschaft es geht, der andere Elternteil und teilweise auch eine weitere Person, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats als Elternteil gilt. Zur Verdeutlichung stelle man sich folgenden Beispielsfall vor: 125 Vgl. MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 130 m. w. N.; zur Leihmutterschaft etwa v. Bary, FamRZ 2020, 1475 f. 126 Siehe für die Leihmutterschaft oben S. 149 ff. und für die Co-Mutterschaft oben S. 169 ff. 127 Helms, IPRax 2023, 232, 237; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 72; Nordmeier, StAZ 2011, 129, 139.
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
Eine Bulgarin bekommt wenige Monate nach der Scheidung von ihrem deutschen Ehemann ein Kind. Sie lebt in Deutschland und möchte dort auch zukünftig das Kind aufziehen. Allein für die Geburt fährt die Frau für einige Wochen nach Bulgarien, da sie dort von ihrer Familie Unterstützung erhält. In die bulgarische Geburtsurkunde wird der deutsche Ex-Ehemann eingetragen, da das bulgarische Recht unter anderen an das Heimatrecht des Kindes anknüpft und damit bulgarisches Recht anwendbar ist.128 Aus deutscher Sicht bestünde die Vaterschaft des deutschen Ex-Mannes hingegen nicht, da keine der Alternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf bulgarisches Recht verweist. Insbesondere ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in Deutschland und nicht in Bulgarien, da die Mutter nur für die Geburt nach Bulgarien gefahren ist und sich dort nur wenige Wochen mit dem Kind aufgehalten hat.129 Der deutsche Mann geht nicht davon aus, dass er der leibliche Vater ist und ist daher auch nicht bereit das Kind anzuerkennen.
Bestünde nun eine Pflicht der deutschen Behörden die bulgarische Geburtsurkunde mit der Vaterschaft des Deutschen anzuerkennen, würden dadurch Pflichten für den deutschen Mann begründet werden, die aus deutscher Sicht nicht bestünden und die er – anders als im Fall Pancharevo – auch nicht wünscht. Das Recht auf Freizügigkeit des Kindes hätte mithin die Änderung der – nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats bestehenden – Rechtsstellung einer anderen Person ohne dessen Willen zur Folge. Dies erscheint sehr bedenklich. Noch deutlicher wird das Problem, wenn jeweils unterschiedliche Männer als Väter in verschiedenen Mitgliedstaaten angesehen werden. So kann etwa aus französischer Sicht die Vaterschaft des anerkennenden Franzosen bestehen, da die Mutter ihren deutschen Ehemann nicht als Vater in die Geburtsurkunde eintragen hat lassen,130 während das deutsche Recht das Kind aufgrund des im Kollisionsrecht geltenden Prioritätsprinzips dem deutschen Ehemann zuordnet.131 Beantragen nun das Kind oder der Franzose unter Hinweis auf ihr Freizügigkeitsrecht die Eintragung der Vaterschaft des französischen Mannes im deutschen Geburtenregister, würde damit die aus deutscher Sicht bestehende 128 Art. 83 bulg. IPRG beinhaltet eine alternative Anknüpfung und knüpft unter anderem an die Staatsangehörigkeit des Kindes an, vgl. hierzu Guedjev, Das internationale Familienrecht Bulgariens, S. 378 ff. Nach bulgarischem Sachrecht ist gem. Art. 61 Abs. 1 bulg. FamGB der Ex-Ehemann der Vater des Kindes, sofern das Kind innerhalb von 300 Tagen nach der Scheidung geboren wird. 129 Vgl. hierzu BGH (20.03.2019), FamRZ 2019, 892, 894 sowie die Ausführungen zur Bestimmung des ersten gewöhnlichen Aufenthalts oben auf S. 85 ff. Weitere Nachweise oben in S. 84 Fn. 176. 130 Das französische Recht knüpft für die Anerkennung u. a. an das Heimatrecht des Vaters an, Art. 311-17 frz. CC. Lässt die Mutter den Ehemann nicht in die Geburtsurkunde eintragen, wird er nicht als rechtlicher Vater angesehen (Art. 313 S. 1 frz. CC), sodass ein Dritter anerkennen kann, vgl. Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, 1541. 131 Nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB wäre sowohl deutsches Sachrecht (Heimatrecht des deutschen Ehemanns) als auch französisches Sachrecht (Heimatrecht des französischen Anerkennenden) berufen. Aufgrund des im Kollisionsrecht geltenden Prioritätsprinzips wäre die Vaterschaft des Ehemanns jedoch vorrangig, vgl. zum Prioritätsprinzip oben auf S. 125 f.
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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Vaterschaft des deutschen Ehemanns – gegen seinen Willen – beseitigt. Dieses Ergebnis kann nicht richtig sein; vielmehr muss hier die Anerkennung der Rechtslage ausscheiden. Die Rechte des Ehemanns stehen hier dem Freizügigkeitsrecht des Kindes und des anderen Mannes entgegen. Schließlich können auch die Rechte der Mutter der Anerkennung einer Vaterschaft entgegenstehen. Erklärt ein Franzose die Anerkennung der Vaterschaft für ein deutsches Kind, ist dieses nach französischem Recht wirksam, auch wenn die Mutter der Anerkennung nicht zustimmt.132 Nach deutschem Recht besteht die Vaterschaft aufgrund von Art. 23 EGBGB mangels Zustimmung hingegen nicht. Würde man nun eine Anerkennungspflicht bejahen, würde dies auf eine Beseitigung des Zustimmungsrechts der Mutter hinauslaufen und damit in ihre aus deutscher Sicht bestehenden Rechte eingreifen. Mithin muss auch hier das Zustimmungsrecht der Mutter als Rechtfertigungsgrund berücksichtigt werden.
d) Eingriff in das Staatsangehörigkeitsrecht Schließlich könnte die Pflicht, ein Abstammungsverhältnis anzuerkennen, einen unzulässigen Eingriff in das Staatsangehörigkeitsrecht darstellen, sodass die Beschränkung des Freizügigkeitsrechts auch aus diesem Grund gerechtfertigt sein könnte.133 In Deutschland sowie den anderen Mitgliedstaaten gilt grundsätzlich das ius sanguinis-Prinzip, wonach die Eltern ihre Staatsangehörigkeit an das Kind weitergeben.134 Würden die Mitgliedstaaten europarechtlich verpflichtet, ein Abstammungsverhältnis für die gesamte Rechtsordnung anzuerkennen, hätte dies mittelbar auch Einfluss auf das Staatsangehörigkeitsrecht.135 Ein Kind könnte die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, obwohl es aus Sicht des deutschen Rechts – einschließlich des Kollisionsrechts136 – nicht als Kind einer deutschen Frau oder eines deutsches Mannes angesehen wird, nur weil ein anderer Mitgliedstaat das Abstammungsverhältnis zu einem deutschen Elternteil bejaht. Das Staatsangehörigkeitsrecht betrifft einen Kernbereich der staatlichen Souveränität und fällt damit in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.137 Ein Eingriff in diesen Bereich durch das Unionsrecht ist nicht 132 Art. 316
frz. CC.
133 MüKo/v. Hein, Art. 3
EGBGB Rn. 135; Mansel, IPRax 2011, 341, 342; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 153. 134 § 4 Abs. 1 StAG. Vgl. Weil, in: Conrad/Kocka, Staatsbürgerschaft in Europa, 92 ff.; Glauben, DRiZ 1999, 152 ff. 135 Vgl. GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 78, 105. 136 Das Kollisionsrecht ist auch bei der Prüfung der Abstammung für die Frage der Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 StAG zu beachten, vgl. Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit, S. 95 ff. 137 Vgl. MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 135 mit Verweis auf BVerfG (30.06.2009), NJW 2009, 2267, 2274 („Zu wesentlichen Bereichen demokratischer Gestaltung gehör[t] unter
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
zulässig.138 Auch die Generalanwältin Kokott stellt diesbezüglich fest, dass „die Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit nach dem Völkerrecht in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt.“139 Dennoch bedeutet dies letztlich nicht, dass dadurch generell eine Anerkennungspflicht ausgeschlossen ist, sondern nur, dass eine solche nicht für das Staatsangehörigkeitsrecht gelten kann.140 Insofern lässt sich bereits eine Beschränkung des Freizügigkeitsrechts in diesem Bereich verneinen:141 Verleiht etwa der Staat A dem Kind einer Co-Mutter nicht seine Staatsangehörigkeit, da er das Abstammungsverhältnis als nicht gegeben ansieht, so hat das Kind diese Staatsangehörigkeit nie erlangt. Insbesondere besteht die Staatsangehörigkeit auch nicht aus Sicht des Aufenthaltsstaates B, der das Abstammungsverhältnis rechtlich als gegeben ansieht, da die Frage der Staatsangehörigkeit allein in die Zuständigkeit des Staates fällt, um dessen Zugehörigkeit es geht. Folglich erleidet das Kind durch einen Umzug von Staat B in Staat A diesbezüglich auch keinen Nachteil, da es die Staatsangehörigkeit nie besessen hat
anderen die Staatsbürgerschaft […]“); v. Hein zweifelt aber daran, ob man mit diesem „Einwand beim Gerichtshof Gehör fände“, hält aber in diesem Falle eine ultra-vires-Kontrolle für nicht abwegig. 138 A. A. jedoch Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 154 mit Hinweis auf die Entscheidung EuGH (02.03.2010), Rs. C-135/08, Rottmann, in der der EuGH die Vereinbarkeit einer nationalen Vorschrift, die den Verlust der Staatsangehörigkeit betraf, mit dem Unionsrecht prüfte. Vgl. auch MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 135. 139 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 50. 140 Ähnlich Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 154 f., der einen Eingriff in das Staatsangehörigkeitsrecht mit der Begründung ablehnt, es bestehe „die Möglichkeit § 4 I StAG dahingehend zu ändern, dass die deutsche Staatsangehörigkeit nicht vermittelt werden kann, wenn die Abstammung von der Zweitmutter lediglich aufgrund europarechtlicher Verpflichtungen besteht.“ 141 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 65: „Dagegen wäre es für sich genommen keine Beschränkung des Freizügigkeitsrechts der Klägerin des Ausgangsverfahrens, wenn dem Kind nicht die bulgarische Staatsangehörigkeit verliehen würde. Solange nämlich die in Spanien geknüpften familiären Bindungen beachtet und für die Zwecke der Anwendung der Freizügigkeitsregeln der Union anerkannt würden, ist der Umstand allein, dass dem Kind einer Unionsbürgerin nicht wegen dieser Bindungen die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats verliehen wird, nicht geeignet, die Freizügigkeit der betreffenden Unionsbürgerin zu beeinträchtigen. Wie vorstehend dargelegt worden ist, bleibt es den Mitgliedstaaten nämlich freigestellt, die Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit festzulegen. Sie sind nach dem Unionsrecht insbesondere nicht verpflichtet, den Verwandten in gerader absteigender Linie ihrer Staatsbürger die Staatsangehörigkeit zu verleihen. Das zeigt schon die bloße Existenz der Richtlinie 2004/38, deren Ziel es gerade ist, die Freizügigkeit der Unionsbürger zusammen mit ihren Familienangehörigen zu ermöglichen – zu denen u. a. die Verwandten in gerader absteigender Linie gehören –, die Drittstaatsangehörige sind.“
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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und damit diese auch nicht verlieren kann. Die Staatsangehörigkeit wird durch einen Umzug nicht beeinflusst und kann die Beteiligten insofern nicht daran hindern, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Umgekehrt bleibt eine erworbene Staatsangehörigkeit auch nach Umzug in einen Staat, der das Abstammungsverhältnis nicht anerkannt, bestehen, da die rechtliche Beurteilung der Abstammung durch den neuen Staat keinen Einfluss auf das Staatsangehörigkeitsrecht des anderen Staates hat. Die Folge, dass dadurch hinkende Statusverhältnisse innerhalb einer Rechtsordnung entstehen können – für das Sorgerecht würde man etwa die Abstammung aufgrund der europarechtlichen Vorgabe bejahen, für das Staatsangehörigkeitsrecht hingegen nicht –, wäre zwar insbesondere im Hinblick auf das Interesse der Betroffenen an Rechtssicherheit und Statusklarheit nicht erstrebenswert, aber letztlich aus Sicht des Unionsrechts hinnehmbar.
e) Zusammenfassung Nach der hier vertretenen Ansicht besteht keine Anerkennungspflicht für das gesamte Recht. Hinkende Abstammungsverhältnisse können zwar eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit darstellen. Die Beeinträchtigung ist jedoch gerechtfertigt. Das unionsrechtliche Gewaltenteilungsprinzip spricht entscheidend gegen eine umfassende Anerkennungspflicht. Eine solche Pflicht würde einen zu starken Eingriff in die durch die Verträge garantierte Regelungshoheit der Mitgliedstaaten bedeuten. Die Mitgliedstaaten haben gerade das Familienrecht unter sehr strenge Vorbehalte gestellt. Diese Tatsache darf nicht durch eine zu weite Auslegung des Freizügigkeitsrechts umgangen werden. Bereits aus diesem Grund ist eine Anerkennungspflicht für das gesamte Recht zu verneinen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass im Abstammungsrecht, anders als im Namensrecht, mehrere Personen betroffen sind, deren Interessen voneinander divergieren können. Die entgegenstehenden Interessen und Rechte sind auf Rechtfertigungsebene zu beachten. Hingegen wird für Deutschland eine Berufung auf den Rechtfertigungsgrund der nationalen Identität bei gesellschaftlich umstrittenen Themen wie gleichgeschlechtlicher Elternschaft und Leihmutterschaft regelmäßig nicht erfolgsversprechend sein. Vor dem Hintergrund, dass nach überwiegender Ansicht diese Institute mit dem nationalen ordre public vereinbar sind, wäre es widersprüchlich anzunehmen, dass durch eine europäische Anerkennungspflicht die nationale Identität beeinträchtigt wird.
4. Nachteile einer durch den EuGH eingeführten Anerkennungspflicht Auch praktische Erwägungen sprechen gegen eine auf Art. 21 Abs. 1 gestützte Anerkennungspflicht. Es könnte in Folge zu einem „Wettlauf“ der betroffenen Personen zu den verschiedenen Staaten kommen, um eine für sie güns-
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
tige Rechtsordnung zu wählen:142 Mangels eines einheitlichen Kollisionsrechts wird die Frage der Abstammung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beantworten – der Grund wieso hinkende Rechtsverhältnisse überhaupt entstehen. Da das Zuständigkeitsrecht ebenfalls nicht vereinheitlicht ist, können sich mehrere Staaten für die Registrierung der Abstammung als zuständig erklären und es können daher mehrere Urkunden mit unterschiedlichen Inhalten in Umlauf kommen.143 Welcher Urkunde in diesem Fall der Vorrang zukommen soll, gibt das Primärrecht nicht vor. Auch scheidet ein Wahlrecht im Abstammungsrecht aus, da hier die Interessen mehrerer Personen betroffen sind, die teilweise voneinander abweichen.144 Insofern käme mangels anderweitiger Vorgaben nur ein Prioritätsprinzip in Betracht: Entscheidend wäre, in welchem Staat die Abstammung zuerst beurkundet worden ist.145 Da die Abstammung regelmäßig das erste Mal bei Geburt registriert wird, hätte es die Mutter durch die Wahl des Geburtsortes in der Hand, eine ihr günstige Rechtsordnung zu wählen. Bei einer Konkurrenz zwischen zwei Anerkennenden gewinnt ferner derjenige, der zuerst die Anerkennung erklärt oder, sofern die Anerkennungen relativ zeitnah erfolgen, welche Behörde die entsprechende Urkunde schneller ausstellt.146 Auf die Nähe der Betroffenen zu dem Registerstaat käme es hingegen nicht mehr an.147 Dies stellt ein äußerst unbefriedigendes Ergebnis dar.148 Ohne ein einheitliches Kollisionsrecht kann die Anerkennungsmethode nicht überzeugend. Darüber hinaus dürfte die praktische Umsetzung einer durch den EuGH eingeführten Anerkennungspflicht die Mitgliedstaaten vor Herausforderungen stellen und insbesondere die Arbeit der Behörden erschweren. Die richterliche 142 Heiderhoff, in: FS v. Hoffmann, 127, 135; MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 141; Leifeld, Anerkennungsprinzip, S. 131 f. 143 MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 141; Wagner, StAZ 2012, 133 f. 144 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 72. Vgl. zum Wahlrecht im internationalen Abstammungsrecht auch unten S. 251. 145 Zum Prioritätsprinzip etwa Leifeld, Anerkennungsprinzip, S. 131 f.; MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 141; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 701, Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 81 f., 326 f.; Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 398. 146 Zum Beispiel MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 141. 147 Möglicherweise dürften die Mitgliedstaaten bei einem fehlenden engen Bezug zu dem Registerstaat die Anerkennung ausnahmsweise verweigern. In diesem Fall bedürfte es jedoch einer Klärung, wann ein hinreichender Bezug gegeben wäre. Eine hinreichende Nähebeziehung als erforderlich erachtend Mankowski, in: FS Coester-Waltjen, 571, 583; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 71; MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 142; Wagner, StAZ 2012, 133, 139. Vgl. zur Diskussion auch Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 398. 148 Ebenfalls das Prioritätsprinzip ablehnend Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 701, der darauf hinweist, dass die „Schnelligkeit des Verwaltungsgangs von Behörden als ein zu willkürliches Merkmal erscheint, um daran die Auswahl des zu beachtenden Rechts zu knüpfen“; dem zustimmend Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 81 f., 326 f.; MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 141; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 72; Weber, Gleichgeschlechtliche Elternschaft im IPR, S. 166 f.
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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Einführung der Anerkennungsmethode über das Primärrecht würde in großen Teilen das nationale Kollisionsrecht ersetzen, ohne jedoch die tatbestandlichen Voraussetzungen klar zu definieren.149 Die Voraussetzungen allein aus Art. 21 Abs. 1 AEUV herauszulesen, ist nicht möglich.150 Bis sich eine ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelt, bestünde hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung eine hohe Rechtsunsicherheit. Die nationalen Behörden werden sich vor diesem Hintergrund schwertun, die Rechtsprechung in der Praxis umzusetzen. Ebenso stellt es die nationalen Gesetzgeber vor besondere Herausforderungen, wenn sie die Rechtsprechung des EuGH in das nationale Recht legislativ umsetzen möchten. Auch im Namensrecht hat sich eine klare Linie erst nach mehreren Entscheidungen herauskristallisiert und selbst dann war die Umsetzung der Rechtsprechung ins deutsche Recht mit großen Schwierigkeiten verbunden.151 Es stellt sich hinsichtlich der Reichweite einer solchen Anerkennungspflicht etwa die Frage, ob sich diese nur auf eine bestehende Elternschaft bezieht oder aber auch auf die Tatsache, dass nach dem Recht des die Abstammungsurkunde ausstellenden Staates keine zweite Elternschaft besteht – sei es, weil nach dessen Recht keine gesetzliche Zuordnung vorliegt oder die Anerkennung unwirksam ist. Ist auch eine „Nicht-Elternschaft“ anerkennungsfähig? Schließlich könnte die aus Art. 21 Abs. 1 AEUV abgeleitete Anerkennungspflicht auch auf den Fall einer tatsächlich gelebten Eltern-Kind-Beziehung beschränkt sein. Es ließe sich argumentieren, dass nur wenn das Verhältnis auch tatsächlich gelebt wird, ein erheblicher Nachteil für das Kind oder den Elternteil besteht, der die Parteien von der Ausübung ihres Freizügigkeitsrecht abhalten kann. Sowohl im Falle Pancharevo als auch im Falle Coman war jedenfalls eine tatsächliche Beziehung vorhanden. Einer richterlichen Klärung bedürfte es auch hinsichtlich der Frage, ob nur eine rechtmäßig eingetragene Rechtslage eine Anerkennungspflicht auslöst oder ob der Zweitstaat sich auf die Richtigkeit der Ausstellung verlassen muss.152 Findet keine Rechtmäßigkeitskontrolle statt, hätte dies zur Folge, dass einer deutschen Geburtsurkunde in den anderen Mitgliedstaaten eine größere Rechtswirkung als im Inland zukommt; gleichzeitig würden im In149 Vgl. Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 508, der ein Anerkennungsprinzip ohne eingehende legislatorische Vorbereitung als nicht sinnvoll erachtet, „da die weitreichenden Folgen einer solchen Änderung wohl bedacht sein müssen.“; MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 140 weist daraufhin, dass sich allenfalls mit der Zeit durch „ein fortschreitendes Case Law des EuGH […] gewisse Maßstäbe herausbilden.“ 150 So auch MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 140. 151 Siehe hierzu Dutta, FamRZ 2016, 1213, 1216. 152 Im Namensrecht wird nach herrschender Meinung angenommen, dass der Name nur anerkannt werden muss, wenn er materiell rechtmäßig bestimmt worden ist oder aber bereits ein Vertrauenstatbestand entstanden ist, BGH (20.02.2019), NJW 2019, 2313, 2315 f.; MüKo/ Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 70 Fn. 199. Diese Grundsätze ließen sich auf das Abstammungsrecht übertragen.
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3. Kapitel: Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen
land ausländischen Abstammungsurkunden eine höhere Bindungswirkung zukommen als inländischen.153 Ein weiterer Nachteil einer auf Art. 21 Abs. 1 AEUV gestützten Anerkennungspflicht wäre schließlich, dass es zu einer Kollisionsrechtsspaltung käme.154 Unionsbürger würden anders behandelt werden als Drittstaatsangehörige.155 Während erstere ein Recht auf Anerkennung hätten, würde bei Drittstaatsangehörigen weiterhin an einer kollisionsrechtlichen Prüfung festgehalten werden. Dies steht im Widerspruch zu dem sonst im europäischen Kollisionsrecht verfolgten Grundsatz der universellen Anwendbarkeit.156 Die Einführung der Anerkennungsmethode durch die Rechtsprechung kann daher auch aus praktischen Gründen nicht überzeugen. Die genannten Argumente sind allerdings nicht auf Statusverhältnisse begrenzt, sondern ließen sich auch im Gesellschafts- und Namensrecht anführen. In diesen Bereichen hat sich der EuGH jedoch von diesen Argumenten nicht beeindrucken lassen, sodass fraglich ist, inwiefern er dies im Abstammungsrecht anders sehen wird.
IV. Fazit Selbst wenn der EuGH eine Anerkennungspflicht für das gesamte Recht bejaht, bedeutet dies „nicht den Untergang des abendländischen Kollisionsrechts.“157 Zunächst einmal bezieht sich die Anerkennungspflicht ausschließlich auf solche Registrierungen, die in einem Mitgliedstaat vorgenommen worden sind und einen Unionsbürger betreffen, sodass das nationale Kollisionsrecht weiterhin für Fälle benötigt wird, in denen das Statusverhältnis in einem Drittstaat begründet wurde oder ausschließlich Drittstaatsangehörige betroffen sind.158 Darüber hinaus ist ein Rückgriff auf das Kollisionsrecht auch bei einem unionsrechtlichen Bezug erforderlich, wenn das Abstammungsverhältnis gerade noch nicht in einem anderen Mitgliedstaat registriert wurde und damit auch keine Anerkennung in Betracht kommt.159 Der Einfluss des Unionsrechts macht daher das deutsche Kollisionsrecht keinesfalls überflüssig. Dennoch verdeutlicht die Thematik noch einmal mehr, dass hinkende Abstammungsverhältnisse für die Beteiligten mit erheblichen Nachteilen verbunden sind und daher in deren Interesse vermieden werden sollten. Aus diesem Grund wäre eine europarechtliche oder auch eine internationale Regelung des 153 MüKo/v. Hein, Art. 3
EGBGB Rn. 139; Wagner, NZFam 2014, 121, 123. Art. 3 EGBGB Rn. 143; Croon-Gestefeld, RabelsZ 86 (2022), 32, 53; Wagner, StAZ 2012, 133, 138 (Rechtszersplitterung); Wagner, NZFam 2014, 121, 122. 155 Croon-Gestefeld, RabelsZ 86 (2022), 32, 53. 156 MüKo/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 143. 157 Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 400; Mankowski, in: FS Coester-Waltjen, 571, 585; Wagner, StAZ 2012, 133, 138. 158 Mankowski, in: FS Coester-Waltjen, 571, 585; Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 400. 159 Mankowski, in: FS Coester-Waltjen, 571, 585; Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 400. 154 MüKo/v. Hein,
B. Primärrechtliche Anerkennungspflicht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV
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Kollisionsrechts wünschenswert. Durch ein einheitliches Kollisionsrecht würden Abstammungsverhältnisse stets dem gleichen Recht unterstellt und damit hinkende Abstammungsverhältnisse – vorbehaltlich des Eingreifens des ordre public im Einzelfall – von vornherein verhindert. Eines Rückgriffs auf ein primärrechtlich gestütztes Anerkennungsprinzip bedürfte es insofern nicht mehr. Vor diesem Hintergrund ist es daher zu begrüßen, dass sich die EU der Thematik angenommen hat und eine Expertengruppe zu der Frage der Anerkennung von Abstammungsverhältnissen ins Leben gerufen hat.160 Ebenso sind die Bestrebungen der Haager Konferenz zur Ausarbeitung eines internationalen Übereinkommens zum internationalen Abstammungsrecht zu befürworten.161 Da jedoch aufgrund der gesellschaftlichen Brisanz des Themas trotz der beiden Expertengruppen äußerst zweifelhaft ist, ob in absehbarer Zeit mit einer Regelung auf Unionsebene oder auf internationaler Ebene zu rechnen ist, bleibt das nationale Kollisionsrecht vorerst relevant und daher sind Reformbestrebungen des nationalen Rechts unerlässlich. Dies gilt umso mehr, als derzeit nicht absehbar ist, ob überhaupt eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts angestrebt wird oder nicht vielmehr ein anderer Lösungsweg wie eine inhaltliche Anerkennung von Urkunden einschlagen wird.162 Das nationale Kollisionsrecht würde damit auch weiterhin für die erstmalige Prüfung der Rechtslage erforderlich bleiben.
160
Siehe hierzu ausführlich unten S. 227 ff. Siehe hierzu ausführlich unten S. 227 ff. 162 Siehe hierzu ausführlich unten S. 227 ff. 161
4. Kapitel
Bestrebungen auf europäischer und internationaler Ebene Langfristig kann eine nationale Regelung zum internationalen Abstammungsrecht nur ein Zwischenschritt zu einer europaweiten oder internationalen Regelung sein.1 Hinkende Abstammungsverhältnisse sind für alle Beteiligten äußerst misslich und können letztlich nur durch eine Harmonisierung des Kollisionsrechts verhindert werden – eine Harmonisierung des Sachrechts würde die Probleme freilich ebenso beseitigen, allerdings ist die Umsetzung eines solchen Vorhabens äußerst unrealistisch.2 Eine nationale Lösung kann hingegen nur bedingt Abhilfe schaffen. Daher sind Vorhaben, die sich der Thematik auf internationaler Ebene annehmen, stark zu befürworten.3 Sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene gibt es bereits erste Bestrebungen eine grenzüberschreitende Lösung zu finden.
A. Vorhaben der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht beschäftigt sich bereits seit längerem mit den internationalen Aspekten der Abstammung mit besonderem Augenmerk auf internationale Leihmutterschaftsfälle.4 Zu diesem Zweck hat der Rat5 2015 eine Expertengruppe eingesetzt, die untersuchen soll, inwie1 Vgl.
den Beitrag von Lorenz im Rahmen der Online Konferenz „Reform des Internationalen Abstammungsrechts“, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 2 Gleiche Einschätzung von Wagner, StAZ 2019, 321. 322; Wagner, StAZ 2012, 294, 298. 3 Eine internationale Lösung wird insbesondere für die Leihmutterschaft befürwortet, Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 517; Wagner, StAZ 2012, 294, 298; Boele-Woelki, in: The Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Commitment to Private International Law, 47, 57 f.; Trimmings/Beaumont, 7 Journal of Private International Law 2011, 627 ff.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 553; Sitter, Grenzüberschreitende Leihmutterschaft, S. 306 ff. 4 Bereits 2001 wurde die Thematik als mögliches Thema für die Haager Konferenz vorgeschlagen, aber erst seit dem Jahre 2010 hat sich die Konferenz tatsächlich mit dem Thema auseinandergesetzt, siehe Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, Private International Law Issues surrounding the Status of Children, including Issues arising from International Surrogacy Arrangements, 2011. Vgl. hierzu Baker, in: Trimmings/ Beaumont, International Surrogacy Arrangements, 411, 412 ff.; Lederer, Grenzenloser Kinderwunsch, S. 207 ff.; Wagner, StAZ 2019, 321; Wagner, StAZ 2012, 294. 5 Rat für Allgemeine Angelegenheiten und die Politik der Konferenz (engl.: Council on General Affairs and Policy).
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4. Kapitel: Bestrebungen auf europäischer und internationaler Ebene
fern ein internationales Übereinkommen in diesem Bereich realistisch ist und wie ein solches aussehen könnte.6 Die Expertengruppe hat daraufhin über eine Vereinheitlichung der gerichtlichen Zuständigkeitsvorschriften, der Kollisionsnormen sowie der Regelungen zur Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen diskutiert.7 Ebenso hat die Expertengruppe die Möglichkeit der inhaltlichen Anerkennung von Personenstandsurkunden wie Geburtsurkunden erwogen.8 Die Expertengruppe hat sich dafür ausgesprochen, zwei unterschiedliche Abkommen zu erlassen: eines speziell für die Begründung der Abstammung in Leihmutterschaftsfällen (sogenanntes Protokoll) und eines allgemein für die Abstammungsbegründung (sogenanntes Übereinkommen).9 Durch dieses zweigleisige Vorgehen soll möglichst eine hohe Anzahl an Staaten angesprochen werden, unabhängig davon, wie sie zum kontroversen Thema der Leihmutterschaft stehen.10 Im November legte die Expertengruppe ihren Abschlussbericht11 dem Rat vor. Dabei ließ der Abschlussbericht die Frage offen, ob das Übereinkommen und das Protokoll nur die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen oder auch Regelungen über das anwendbare Recht beinhalten sollte. Ein Teil der Mitglieder der Expertengruppe äußerte Bedenken, dass die Aufnahme von Kollisionsnormen die Akzeptanz eines solchen Abkommens gefährde.12 Die Mitglieder, die die Einführung von Kollisionsnormen befürworteten, schlugen vor, auf die Abstammung grundsätzlich das Recht des Geburtsorts des 6 Council on General Affairs and Policy, Conclusions and Recommendations of the Council on March 2015, Rn. 5, verfügbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). Vgl. auch die Homepage des Projekts (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 7 Überblick bei Wagner, StAZ 2019, 321, 322; auch zum Folgenden. Die Protokolle der Sitzungen der Expertengruppe sind alle auf der Homepage unter verfügbar (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 8 Vgl. etwa den Bericht der Expertengruppe vom Februar 2017, S. 3 Rn. 14 f., verfügbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023) sowie den Bericht der Expertengruppe vom September 2018, S. 3 Rn. 9 ff., verfügbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023) sowie den Abschlussbericht vom November 2022, S. 20 abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 9 Vgl. etwa den Bericht der Expertengruppe vom Februar 2019, S. 6 Rn. 32, verfügbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023) sowie den Abschlussbericht vom November 2022, abrufbar unter abrufbar (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 10 Wagner, StAZ 2019, 321, 330. 11 „Parentage/Surrogacy Experts’ Group: Final Report ‚The feasibility of one or more private international law instruments on legal parentage‘“. Der Abschlussbericht ist unter abrufbar (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 12 Final Report, S. 19 Rn. 54.
B. Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung
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Kindes anzuwenden, da dieses leicht zu ermitteln sei und dazu führe, dass die Standesbeamten ihr eigenes Recht anwenden könnten.13 Um ein forum shopping zu begrenzen, solle jedoch immer dann, wenn keiner der (potentiellen) Elternteile seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geburtsstaat hat, auf den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Person im Zeitpunkt der Geburt abgestellt werden. Ausnahmsweise sei schließlich das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes anwendbar, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Dies sei etwa der Fall, wenn sich die Frage der Abstammung stellt, nachdem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat als dem Geburtsstaat begründet hat. Ob es darüber hinaus einer ergänzenden Regelung für den Fall brauche, dass die Abstammung durch ein Gericht vor Geburt festgestellt wird, bedürfe nach Ansicht der Gruppe weiterer Prüfung. Der Rat hat sodann im März 2023 auf Empfehlung der Expertengruppe eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung konkreter Regelungen beauftragt.14
B. Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zum internationalen Abstammungsrecht Auch die EU nahm sich dem Thema der Elternschaft in grenzüberschreitendem Bezug an, nachdem die Kommissionspräsidentin von der Leyen bereits im Jahr 2020 in ihrer Rede zur Lage der Union verkündete „If you are parent in one country, you are parent in every country“.15 Am 07.12.2022 veröffentlichte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung, die das internationale Abstammungs- und Adoptionsrecht umfassend auf europäischer Ebene regeln soll.16 Der Vorschlag enthält – vergleichbar mit anderen Verordnungen im Bereich des internationalen Privat- und Verfahrensrechts – Vorschriften zur internationalen Zuständigkeit, zum anwendbaren Recht und zur Anerkennung von Entscheidungen in Elternschaftssachen. Darüber hinaus beinhaltet der Entwurf 13 Final Report, S. 20 Rn. 57. 14 CGAP 2023 – Conclusions
& Decisions, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 15 State of the Union 2020, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 16 Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats, COM(2022) 695 final. Ausführlich zum gesamten Vorschlag The Marburg Group, Comments on the European Commission‘s Proposal for a Council Regulation on jurisdiction, applicable law, recognition of decisions and acceptance of authentic instruments in matters of parenthood and on the creation of a European Certificate of Parenthood, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 24.07.2023). Siehe auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, StAZ 2023, 141 ff.
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4. Kapitel: Bestrebungen auf europäischer und internationaler Ebene
Vorschriften zur Annahme öffentlicher Urkunden und schlägt die Einführung eines Elternschaftszertifikats vor. Ziel des Vorschlags ist es, die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu erleichtern.17 Im Hinblick auf das Thema dieser Arbeit wird hier nur auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts eingegangen.
I. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich ist weit gefasst. Nach Erwägungsgrund 21 des Verordnungsvorschlags gelten die Regelungen unabhängig davon, wie das Kind empfangen oder geboren wurde, und unabhängig von der Art der Familie des Kindes. Der Vorschlag umfasst nicht nur die Begründung der Elternschaft durch das Abstammungsrecht, mithin die primäre Zuweisung der Elternschaft, sondern auch die Begründung der Elternschaft durch Adoption.18 Die Verordnung fasst die Abstammung und die Adoption unter den Begriff „Elternschaft“ zusammen und unterstellt sie den gleichen Regelungen. Die Kommission sah sich ferner gezwungen, ausdrücklich klarzustellen, dass auch die Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare vom Vorschlag eingeschlossen ist sowie die Elternschaft solcher Kinder, die mithilfe reproduktionsmedizinischer Verfahren gezeugt wurden.19 Hierin manifestiert sich das Ziel des Vorschlags, alle Formen der Elternschaft zu erfassen. Mit dem Verweis auf reproduktionsmedizinische Verfahren ist auch die Leihmutterschaft von dem Vorschlag erfasst. Neben der Begründung der Elternschaft unterliegt auch die Beendigung der Elternschaft der Verordnung, mithin die Anfechtung eines Abstammungsverhältnisses.20
II. Bestimmung des anwendbaren Rechts Der Vorschlag bestimmt für die Begründung der Elternschaft das Recht des Staates zur Anwendung, in dem die gebärende Person zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 17 Abs. 1).21 Die Anknüpfung entspricht der in dieser Arbeit für den Fall vorgeschlagenen Regelung, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes noch nicht besteht.22 Die Kommission erkennt, dass die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts von 17 18
COM(2022) 695 final, S. 7. Erwgr. 24; COM(2022) 695 final, S. 15. Der Anwendungbereich für Adoptionen ist jedoch nicht ganz klar, da grenzüberschreitende Adoptionen nach dem Haager Übereinkommen von 1993 nicht erfasst sind, vgl. Erwgr. 27. 19 COM(2022) 695 final, S. 15. 20 Erwgr. 33. 21 Art. 17 Abs. 1. 22 Siehe unten S. 239 ff.
B. Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung
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Säuglingen problematisch ist und bedient sich deshalb des gewöhnlichen Aufenthalts der gebärenden Person, sprich der Mutter des Kindes.23 Als Ersatzanknüpfung, für den Fall, dass der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter nicht bestimmt werden kann, soll das Recht des Geburtsorts gelten. Die Kommission hat hier an die Fälle gedacht, in denen die Mutter geflüchtet oder vertrieben wurde.24 Führt dieses Recht nur zu einer Elternschaft – in der Regel zur Elternschaft der Geburtsmutter –, kann für die Begründung der Elternschaft zu einem zweiten Elternteil subsidiär auf das Heimatrecht des feststehenden Elternteils oder des potentiellen Elternteils sowie auf das Geburtsrecht des Kindes abgestellt werden (Art. 17 Abs. 2). Das bedeutet, dass für die Bestimmung der Vaterschaft subsidiär das Heimatrecht der Mutter sowie das Heimatrecht des potentiellen Vaters maßgeblich ist. Gleiches gilt für die Abstammung von der Co-Mutter. Durch die subsidiäre Anknüpfung soll die Abstammung von zwei Elternteilen gefördert werden. Die Tatsache, dass nur für die Bestimmung des zweiten Elternteils weitere Rechte zur Anwendung berufen wurden, ist damit zu erklären, dass die Mutter in der überwiegenden Anzahl an Rechtsordnung bereits kraft Gesetzes feststeht. Während die Primäranknüpfung – die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter – an einen festen Zeitpunkt, nämlichen den Zeitpunkt der Geburt, und damit unwandelbar anknüpft, sehen die subsidiären Anknüpfungen keinen bestimmten Zeitpunkt vor. Die daraus folgende Wandelbarkeit des Status führt jedoch nicht dazu, dass ein Elternteil durch einen Statutenwechsel entfallen kann. Art. 19 des Vorschlags stellt ausdrücklich klar, dass ein Statutenwechsel auf eine bereits begründete Elternschaft keine Auswirkung hat.
III. Bewertung des Vorschlags Der Vorstoß der europäischen Kommission, das internationale Privat- und Verfahrensrecht in Abstammungssachen vollumfänglich zu regeln, ist zu begrüßen. Inhaltlich sind jedoch zumindest die Regelungen zum anwendbaren Recht noch nicht ausgereift und bedürfen einer Überarbeitung.25 Zunächst überzeugt die Primäranknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter im Zeitpunkt der Geburt nicht für alle Arten der Abstammungsbegründung.26 Die Anknüpfung verdient zwar für die Abstammung kraft Geset23
Die Verwendung des Begriffs gebärende Person und nicht Mutter ist in den Fällen entscheidend, in denen eine Leihmutterschaft vorliegt und damit die Geburtsmutter nicht auch die rechtliche Mutter ist. Das Abstellen auf eine Person und nicht auf eine Frau trägt transgeschlechtlichen Personen Rechnung. 24 Erwgr. 51. 25 So auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, StAZ 2023, 141 ff. 26 Dies kritisiert auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten in seiner Stellungnahme, StAZ 2023, 141 ff.
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4. Kapitel: Bestrebungen auf europäischer und internationaler Ebene
zes Zustimmung, da in diesem Fall die Abstammung im Zeitpunkt der Geburt begründet wird und zu diesem Zeitpunkt die Mutter und das Kind ihren gewöhnlichen Aufenthalt regelmäßig teilen. Für die Anerkennung und gerichtliche Feststellung ist die Primäranknüpfung hingegen nicht sinnvoll, da hier die Abstammung auch erst Jahre nach der Geburt begründet werden kann.27 Die Beteiligten haben zu diesem späteren Zeitpunkt möglicherweise keinerlei oder jedenfalls nur noch einen geringen Bezug zu dem Aufenthaltsrecht der Mutter bei Geburt, sei es, weil die Mutter und das Kind in der Zwischenzeit in ein anderes Land gezogen sind oder das Kind – insbesondere wenn das Kind schon erwachsen ist – den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter in der Zwischenzeit nicht mehr teilt. Insofern ist weder die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Geburt noch die Anknüpfung an die Person der Mutter in den Fällen, in denen die Abstammung erst später begründet wird, sachgerecht. Mit Blick auf die subsidiären Anknüpfungen überrascht es, dass nicht auch das Aufenthaltsrecht des Kindes zur Anwendung berufen wird. Wenn die Abstammung erst später begründet wird, erhält der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes wie gerade gesehen eine selbständige Bedeutung neben dem gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter. Da das europäische Kollisionsrecht sonst den gewöhnlichen Aufenthalt als Regelanknüpfung verwendet und es im Abstammungsrecht um den Status des Kindes geht, hätte man diese Anknüpfung erwartet. Nicht nachvollziehbar ist ferner, dass sich die Kommission für das Recht des Geburtsortes des Kindes als subsidiäre Anknüpfung entschieden hat. Dem Recht des Geburtsorts fehlt die erforderliche Sachnähe zur Abstammungsbegründung. Regelmäßig wird die Anknüpfung bereits mit der Primäranknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter oder mit der subsidiären Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit der Mutter zusammenfallen, da die Frau in den meisten Fällen entweder an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt oder ihrem Heimatstaat ihr Kind zur Welt bringen wird. Selbständige Bedeutung kommt der Anknüpfung daher in den Fällen zu, in denen der Geburtsort aufgrund der besseren medizinischen Versorgung gewählt oder das Kind auf einer Reise geboren wird. In diesen Fällen fehlt es jedoch an einem engen Bezug zu der Rechtsordnung des Geburtsorts, weshalb die Anknüpfung abzulehnen ist. Anders ist dies, soweit der Geburtsort in Absatz 1 als Ersatzanknüpfung für den Fall, dass die Mutter keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, fungiert. Hier besteht ein nachvollziehbarer Grund ausnahmsweise auf den Geburtsort auszuweichen. Auch stellen sich Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung der subsidiären Anknüpfung. Der Vorschlag schweigt zu der Frage, ab welchem Zeitpunkt das subsidiäre Recht angewendet werden darf.28 Relevant wird dies, 27 Vgl. die Argumentation unten auf S. 248 f. 28 So auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen
Beirats des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, StAZ 2023, 141 ff.
C. Fazit
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wenn eines der subsidiär anwendbaren Rechte bereits früher eine Abstammung begründet als das primär anwendbare Recht – beispielsweise wenn das subsidiär anwendbare Recht das Kind kraft Gesetzes dem Ex-Ehemann zuordnet, wohingegen das erstberufene Recht den Mann als Vater ansieht, der erst einige Zeit nach der Geburt die Anerkennung erklärt. Anhaltspunkte wie die Vorschrift nach Ansicht der Kommission auszulegen ist, finden sich keine im Vorschlag. Bei einer Überarbeitung wäre eine eindeutige Aussage hierzu wünschenswert. Zu begrüßen ist dafür, dass konkurrierende Elternschaften, wie sie derzeit im nationalen Kollisionsrecht auftreten, durch die subsidiäre Anknüpfung weitgehend vermieden werden. Führt das primär anwendbare Recht von vornherein zu zwei Elternteilen hat es hiermit sein Bewenden; die Befragung eines weiteren Rechts unterbleibt. Möglich wären sie nur noch in den seltenen Fällen, in denen die Primäranknüpfung zu keiner zweiten Elternschaft führt, die subsidiär anwendbaren Rechte hingegen zwei verschiedene Personen als zweiten Elternteil bestimmen. Zwischen den subsidiär anwendbaren Rechten besteht nämlich keine vorgegebene Reihenfolge. Diese Fälle dürften aber nur sehr selten auftreten. Meist wird, wenn zwei Rechtsordnungen zwei unterschiedliche Personen als zweiten Elternteil bestimmen, auch die zuerst berufene Rechtsordnung eine Elternschaft vorsehen.29
C. Fazit Auch wenn eine Regelung auf europäischer oder internationaler Ebene äußerst wünschenswert wäre, ist es derzeit nicht absehbar, ob und wann es zu einer solchen kommen wird. Angesichts des höchst sensiblen Bereichs des Abstammungsrechts ist es zweifelhaft, ob ein internationales Übereinkommen über die Anerkennung von Abstammungsverhältnisse auf große Zustimmung seitens der Staaten treffen wird. Selbst einige Mitglieder der Haager Expertengruppe sehen die Durchsetzbarkeit eines Übereinkommens, welches auch das anwendbare Recht regelt, kritisch. Aber auch die Erfolgsaussichten einer europäischen Abstammungsverordnung dürften eher gering sein, da für deren Verabschiedung gemäß Art. 81 Abs. 3 AEUV Einstimmigkeit im Rat erforderlich ist.30 Lässt sich diese nicht erreichen, könnte allerdings alternativ der Weg über die verstärk29 Ein
Beispiel, in dem konkurrierende Elternschaften möglich wären: Eine Rechtsordnung ordnet das Kind der Ehefrau der Geburtsmutter zu, eine andere Rechtsordnung hingegen dem Samenspender, der ohne Zustimmung der Mutter eine Vaterschaftsanerkennung abgegeben hat; hingegen kennt das erstberufene Recht keine Co-Mutterschaft und fordert für eine wirksame Anerkennung eine Zustimmung des Kindes oder der Mutter. 30 Dies sieht auch die Europäische Kommission, siehe das Protokoll des ersten Meetings, verfügbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). So auch Helms, IPRax 2023, 232, 238.
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4. Kapitel: Bestrebungen auf europäischer und internationaler Ebene
te Zusammenarbeit gegangen werden, bei der sich die Mitgliedstaaten einzeln dem Vorhaben anschließen können.31 Da der deutsche Gesetzgeber auf die Entwicklungen auf internationaler und europäischer Ebene nur begrenzt Einfluss nehmen kann, darf er nicht darauf warten, bis sich hier etwas ändert, sondern muss bereits jetzt durch eine Reform des nationalen Kollisionsrechts tätig werden. Dies gilt umso mehr, als jedenfalls auf internationaler Ebene noch unklar ist, ob überhaupt eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts angestrebt wird. Im letzteren Fall bliebe das nationale Kollisionsrecht weiterhin für die erstmalige Prüfung der Rechtslage relevant. Aber auch wenn das anwendbare Recht durch ein solches Übereinkommen vereinheitlicht würde, wäre Art. 19 Abs. 1 EGBGB nur obsolet, wenn das Übereinkommen auch im Verhältnis zu Drittstaaten Anwendung findet. Eine Reform des nationalen Kollisionsrechts ist darüber hinaus auch deshalb sinnvoll, weil die Neuregelung als Vorbild für eine spätere europäische oder internationale Regelung dienen kann. Trotz der Zustimmung verdienenden Bestrebungen auf europäischer und internationaler Ebene ist damit eine Reform der Art. 19 Abs. 1, 20 und 23 EGBGB unerlässlich.
31 Art. 20 EUV, Art. 326 ff. AEUV. Dieser Weg wurde etwa bei der Rom III-VO gewählt, bei der ebenfalls keine Einstimmigkeit im Rat erreicht werden konnte. Vgl. auch Lederer, Grenzenloser Kinderwunsch, S. 244.
5. Kapitel
Erarbeitung eines Reformvorschlags Auf Basis der vorangegangenen Untersuchung soll im Folgenden ein Reformvorschlag erarbeitet werden, der die gesellschaftlichen und rechtsvergleichenden Entwicklungen berücksichtigt und die im geltenden Recht bestehenden Probleme zukünftig verhindert. Zunächst wird untersucht, welche Anknüpfungsmomente für eine Neuregelung gewählt werden sollten und auf welchen Zeitpunkt für die Anknüpfung abzustellen ist. Sollte der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes beibehalten werden oder bedarf es zukünftig einer anderen Anknüpfung? Ist es weiterhin angezeigt, an das Kind anzuknüpfen oder sollte vorrangig auf die Eltern abgestellt werden? Sodann werden vier verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Anknüpfungsmomente miteinander verbunden werden könnten und deren Vor- und Nachteile diskutiert. Bei der Erarbeitung des Reformvorschlags werden insbesondere auch die Kollisionsrechte anderer Staaten betrachtet, die für das deutsche Recht ein Vorbild sein könnten. Ein besonderes Augenmerk wird auf solche Rechtsordnungen gelegt, die in jüngster Zeit ebenfalls einer Reform unterworfen wurden und deshalb auf die neueren Herausforderungen im Abstammungsrecht reagieren konnten. Hierzu zählen etwa Nordmazedonien (2020), Kroatien (2019), Ungarn (2018), Argentinien (2015), Monaco (2014), Panama (2015), die Dominikanische Republik (2014), die Tschechische Republik (2014), Montenegro (2013), Albanien (2011) und Polen (2011).1 1 In Klammern jeweils das Datum, an dem das Gesetz in Kraft getreten ist: Nordmazedonien (18.02.2020), hierzu Rumenov, in: Duić/Petrašević, EU 2020 – Lessons from the Past and Solutions for the Future, 299 ff.; Kroatien (29.01.2019), hierzu Majstorović/Hoško, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kroatien; Ungarn (01.01.2018), hierzu Küpper, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ungarn; Argentinien (01.08.2015), hierzu Samtleben, IPRax 2016, 289 ff.; Monaco (08.07.2017), hierzu Hirsch, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Monaco; Panama (09.10.2015), hierzu Zade, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Panama; Dominikanische Republik (19.12.2014), hierzu Rissel, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dominikanische Republik; Tschechische Republik (01.01.2014), hierzu Bohata, in: Bergmann/ Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Tschechische Republik; Montenegro (17.07.2014), hierzu Jessel-Holst, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Montenegro; Albanien (01.07.2011), hierzu Stoppel, in: Bergmann/Ferid/ Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Albanien; Polen (16.05.2011), hierzu de Vries, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Polen.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
Im Anschluss daran wird erörtert, ob für einzelne Bereiche eine Sonderanknüpfung erforderlich ist. So stellt sich unter anderem die Frage, ob die Zustimmung zur Anerkennung auch weiterhin kumulativ angeknüpft werden sollte und ob es für die Leihmutterschaft oder sogar für alle medizinisch assistierten Reproduktionshandlungen einer eigenen Anknüpfung bedarf. Zuletzt wird analysiert, welche Auswirkungen die Neuregelung des Abstammungsstatuts auf das Anfechtungsstatut hat.
A. Anknüpfungsmomente Bei der Suche nach der geeigneten Anknüpfung für eine Kollisionsnorm sind die internationalprivatrechtlichen Interessen zu berücksichtigen.2 Ziel ist es, das Recht zu berufen, mit dem der Sachverhalt die engste Verbindung aufweist.3 Zu den anerkannten Interessen im internationalen Privatrecht zählen insbesondere die Parteiinteressen, Verkehrsinteressen, der internationale und nationale Entscheidungseinklang sowie die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts.4 Welche Interessen wie stark zu gewichten sind, hängt von der zugrunde liegenden Materie ab.5 Bei Fragen, die eine Partei persönlich berühren, gewinnt das Parteiinteresse besondere Bedeutung.6 Das Abstammungsrecht ist gerade ein solcher persönlicher Bereich, bei dem folglich die Parteiinteressen besonders schwer wiegen, während hingegen Verkehrsinteressen nicht berührt sind. Das Interesse der Parteien im internationalen Privatrecht lässt sich derart auslegen, dass „jeder Mensch […] ein elementares Interesse daran [hat], nach einer Rechtsordnung beurteilt zu werden, der er eng verbunden ist.“7 Diesem Interesse entspricht es, wenn an das Heimatrecht der Person oder an ihren gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft wird.8 Dabei hat die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt 2 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 134 f. „Die internationalprivatrechtlichen Interessen dienen […] als Bausteine bei der Normbildung […]“. 3 Vgl. etwa MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 29; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 131 ff. (räumlich beste Recht). 4 So nach Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 135 ff.; ausführlich zur Interessenslehre Kegel, in: FS Lewald, 259 ff. Hierbei ist allerdings vieles strittig, vgl. hierzu etwa ausführlich MüKo/Sonnenberger, 5. Aufl., Einl. IPR Rn. 79 ff.; Otte, in: Mansel, Internationales Privatrecht im 20. Jh., 27 ff.; weitere Nachweise bei MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 30 Fn. 110. Vgl. zur Konkretisierung der engsten Verbindung auch MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 30; BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 4. 5 MüKo/Sonnenberger, 5. Aufl., Einl. IPR Rn. 95. 6 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 135. 7 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 135. 8 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 135. Nach MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 30 spielt „im Familien- und Erbrecht […] vielfach der Gedanke einer Vertrautheit mit dem Recht der sozialen Umwelt, die durch die Herkunft (Staatsangehörigkeit) oder den gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalt geprägt sein kann“, eine wichtige Rolle.
A. Anknüpfungsmomente
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die Heimatrechtsanknüpfung im autonomen Kollisionsrecht in den letzten Jahrzehnten – dem Trend der Haager Konventionen und des EU-Rechts folgend – immer mehr abgelöst.9 Neben den Parteiinteressen kommt im internationalen Abstammungsrecht auch dem internationalen Entscheidungseinklang ein starkes Gewicht zu, da hinkende Abstammungsverhältnisse möglichst vermieden werden sollten.10 Für die Beteiligten ist es äußerst misslich, wenn ein Statusverhältnis in einem Staat besteht, in einem anderen hingegen nicht.
I. Regelanknüpfung Zunächst wird untersucht, welches Anknüpfungsmoment maßgeblich sein sollte, wenn man sich für eine singuläre oder subsidiäre Anknüpfung, bei der dieses Anknüpfungsmoment vorrangig anzuwenden wäre, entscheidet – im Folgenden als Regelanknüpfung bezeichnet. Erst im nächsten Schritt werden mögliche Zusatzanknüpfungsmomente untersucht, die im Falle einer Mehrfachanknüpfung zusätzlich heranzuziehen wären. Da im Abstammungsrecht nicht nur die Interessen einer Person, sondern die Interessen sowohl des Kindes als auch der potentiellen Eltern betroffen sind, stellt sich zunächst die Frage, an welche Person überhaupt angeknüpft werden sollte.11 Teilweise wird vorgeschlagen, vorrangig auf die Interessen der potentiellen Eltern abzustellen, da diese die Lasten tragen und das Kind lediglich „nimmt“.12 Dem ist jedoch entgegenzusetzen, dass der Status als Kind rechtsvergleichend nicht nur mit Rechten, sondern regelmäßig auch mit Pflichten verbunden ist.13 So ist beispielsweise im deutschen Recht das Kind im Alter seinen Eltern zum Unterhalt verpflichtet und dem Erbrecht des Kindes steht ein Erbrecht der Eltern gegenüber, für den Fall, dass das Kind früher stirbt und keine Nachkommen hat.14 Von einem lediglichen „Nehmen“ kann daher keine Rede sein. Zudem handelt es sich hierbei nur um die Rechtsfolgen der Abstammung, die aber gerade selbstständig angeknüpft werden15 und daher für die Anknüpfung der Abstammung selbst keine Rolle spielen sollten. Vielmehr sollte daher 9
Dutta, IPRax 2017, 139 ff. hinsichtlich der Nachteile, die den Beteiligten durch hinkende Abstammungsverhältnisse entstehen, die Ausführungen zur Beschränkung des Freizügigkeitsrechts auf S. 208. 11 Vgl. zur Diskussion bei der letzten Reform Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 154 f. 12 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 912.; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 154 m. w. N. 13 GA Juliane Kokott, Schlussanträge vom 15.04.2021 in der Rs. C-490/20, Pancharevo, Rn. 62. 14 §§ 1601 ff. BGB (Unterhaltsrecht), § 1925 BGB (gesetzliches Erbrecht) und § 2303 Abs. 2 S. 1 BGB (Pflichtteilsanspruch). 15 Siehe oben S. 70. 10 Vgl.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
weiterhin an einer kindeszentrierten Anknüpfung festgehalten werden. Der Vorteil dieser Anknüpfung besteht darin, dass die Person des Kindes eindeutig ist und, anders als bei einer Anknüpfung an den jeweiligen Elternteil, gerade nicht erst durch das berufene Recht bestimmt werden muss. Die Anknüpfung an das Kind stellt sich ferner für alle in Betracht kommenden Eltern als neutral dar.
1. Gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes Als Rechtsordnungen, mit denen das Kind eng verbunden ist, stehen sein Heimatrecht sowie das Recht des Staates, in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zur Wahl.16 Für das Aufenthaltsrecht spricht, dass ein Kind zu diesem regelmäßig seinen engsten Bezug haben wird, da es im Aufenthaltsstaat aufwächst, dessen Sprache lernen wird und daher zu erwarten ist, dass sich das Kind mit diesem Staat stärker identifizieren wird als mit seinem Heimatstaat.17 Mit seinem Heimatrecht wird ein Kind hingegen regelmäßig nur über den Einfluss seiner Eltern in Kontakt gelangen.18 Für seine Integration im Aufenthaltsstaat ist es zudem förderlich, wenn das Kind denjenigen Personen zugeordnet wird, die auch von seiner Umwelt als Eltern angesehen werden, und das Kind den gleichen Regelungen unterliegt, wie andere Kinder, die in dem gleichen Staat leben.19 Schließlich hat die Anknüpfung auch den Vorteil, dass es häufiger zu einem „Gleichlauf von forum und ius“ – von Zuständigkeit und anwendbarem Recht – kommt,20 da im Inland geborene Kinder regelmäßig hier auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben werden.21 Bei einer Anknüpfung an das Heimatrecht wären die Standesbeamten aufgrund des hohen Ausländeranteils in Deutschland deutlich häufiger mit ausländischem Recht konfrontiert.22 Dafür müssen sie so allerdings bei einer Nachbeurkundung der Geburt eines im Ausland lebenden deutschen Staatsangehörigen ausländisches Recht anwenden. Schließlich hat sich die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im internationalen Abstammungsrecht über die Jahre grundsätzlich bewährt. Bereits 16
Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 135. Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 166 f.; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 39 („[…] Die Annahme einer allein auf den Herkunftsstaat bezogenen kulturellen Identität [ist] gerade für Migranten und Migrantinnen der zweiten oder dritten Generation soziologisch kaum haltbar.“) 18 Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 166 f. 19 Das Integrationsinteresse betont auch Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 167 f. sowie allgemein Dutta, IPRax 2017, 139, 142. 20 Allgemein Dutta, IPRax 2017, 139, 142; so auch Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 163 ff. 21 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-96. 22 Dies war ein zentrales Argument für Neuhaus und Kropholler das Personalstatut an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts anzuknüpfen, Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 44 (1980), 326, 335 („Das bisher nominell herrschende Staatsangehörigkeitsprinzip führt zu einer massenhaften Anwendbarkeit ausländischen Rechts […].“). Vgl. hierzu auch MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 37 mit konkreten Zahlen zum Ausländeranteil in Deutschland. 17
A. Anknüpfungsmomente
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im alten Recht stellte in der Praxis die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt für die nichteheliche Abstammung die wichtigste Anknüpfung dar23 und auch im derzeitigen Recht wird bei der Rechtsanwendung meist auf den gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt, da dieses Recht regelmäßig zum deutschen Recht führt.24 Die Praxis ist mithin bereits mit der Anknüpfung vertraut und in den meisten Fällen führt sie auch zu keinen Problemen, da das Kind regelmäßig in dem Land geboren wird, in dem es nach dem Willen der Bezugspersonen auch zunächst aufwachsen soll. Es ist daher interessensgerecht auch weiterhin am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes festzuhalten. Wie die Untersuchung zum geltenden Recht gezeigt hat, kann die Anknüpfung jedoch ins Leere gehen, wenn das Kind nicht in dem Land geboren wird, in dem es nach dem Willen seiner Bezugspersonen auch zukünftig leben soll.25 In diesem Fall hat das Neugeborene im Zeitpunkt der Geburt noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Da die Frage der Abstammung aber das erste Mal im Zeitpunkt der Geburt relevant wird, muss bereits zu diesem Zeitpunkt eine Rechtsordnung bestimmt werden können. Anstatt von vornherein auf ein anderes Anknüpfungsmoment abzustellen, sollte für diese Fälle eine Ersatzanknüpfung bestimmt werden.26 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Fälle insgesamt nur einen sehr kleinen Teil ausmachen dürften.
2. Ersatzanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Person Als Ersatzanknüpfung auf den einfachen Aufenthalt als den „kleinen Bruder“27 des gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen, kann nicht überzeugen, da dieser keinen hinreichenden kollisionsrechtlichen Bezug bietet.28 Bei einer Geburt auf einer Reise oder wenn der Geburtsort nur aufgrund der besseren medizinischen Versorgung aufgesucht wird, werden regelmäßig weder die potentiellen Eltern noch das Kind eine enge Verbindung zu Recht des einfachen Aufenthalts haben. Das Anknüpfungsmerkmal wäre zudem äußerst leicht durch die Frau, die das Kind zur Welt bringt, manipulierbar und liefe faktisch auf eine Rechtswahl der Mutter hinaus. In Leihmutterschaftsfällen hätte die Anknüpfung zwar den Vorteil, dass so in der Regel das leihmutterschaftsfreundliche Recht zur Anwendung berufen wird, weshalb die Anknüpfung auch teilweise für die Leihmutter23 BT-Drucks. 13/4899, S. 137 spricht von der Anknüpfung als dem „praktisch wichtigsten Fall“. 24 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. IV-96; JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 35; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 998; Schäkel, Abstammung im neuen deutschen IPR, S. 39. 25 Siehe oben S. 84 ff. 26 Gegen eine Ersatzanknüpfung hingegen Wagner, StAZ 2019, 321, 324, der einen solchen Ansatz als kompliziert und nicht praxistauglich bezeichnet. 27 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 101. 28 Auch Wagner, StAZ 2019, 321, 323 stellt fest, dass der Geburtsort auch zufällig sein kann.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
schaft vorgeschlagen wird.29 Im Falle der Leihmutterschaft ist normalerweise auch ein kollisionsrechtlicher Bezug gegeben, da die gebärende Frau regelmäßig in diesem Land ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Als allgemeine Anknüpfung, sei es auch nur als Ersatzanknüpfung, sollte er aber nicht fungieren. Hat das Neugeborene im Zeitpunkt der Geburt keinen gewöhnlichen Aufenthalt, wird es seinen ersten gewöhnlichen Aufenthalt normalerweise dort begründen, wo sich der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter befindet, da die Mutter regelmäßig die Person ist, die das Kind unmittelbar nach der Geburt tatsächlich betreut. Die Mutter wird nach der Auslandsgeburt mit ihrem Kind an ihren gewöhnlichen Aufenthalt zurückkehren und das Kind wird mithin dort ebenfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. Es bietet sich daher an, ersatzweise auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter abzustellen. Da die „Mutter“ als Anknüpfungsperson vor allem im Hinblick auf die Leihmutterschaft nicht eindeutig ist, sollte besser an die Frau, die das Kind zur Welt gebracht hat, angeknüpft werden.30 Diese Anknüpfung bietet folgende Vorteile: Liegt kein Fall der Leihmutterschaft vor, ist die gebärende Frau diejenige, bei der das Kind normalerweise aufwachsen wird, und somit das Kind ihren gewöhnlichen Aufenthalt alsbald nach der Geburt teilen wird. Bei der Leihmutterschaft wird das Kind zwar gerade nicht den gewöhnlichen Aufenthalt der Leihmutter teilen, die Anknüpfung überzeugt aber in diesem Fall mit Blick auf das Ergebnis ebenfalls: Die Leihmutter hat normalerweise ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat, in dem die Leihmutterschaft durchgeführt wird, sodass durch diese Anknüpfung das leihmutterschaftsfreundliche Recht berufen wird. Da dieses meist die Abstammung von den Wunscheltern vorsieht,31 entspricht das Ergebnis den materiell-rechtlichen Interessen des Kindes sowie der Wunscheltern und der Leihmutter.32 Der Anknüpfung liegt folglich die rechtspolitische Wertung zugrunde, die Abstammung zu den Wunscheltern im Hinblick auf das Kindeswohl zu fördern und nicht aus Präventionsgründen zu erschweren. Die Probleme, die bei der Leihmutterschaft im geltenden Recht bestehen,33 werden damit in den meisten Fällen interessensgerecht gelöst – nur wenn die Leihmutter, in dem Land, in dem die Leihmutterschaft durchgeführt wurde, nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei Geburt innehat, bleiben die Schwierigkeiten bestehen. 29
Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 101 f.; ebenfalls unterstützend Sitter, Grenzüberschreitende Leihmutterschaft, S. 298. 30 Hieran knüpft auch der von Budzikiewicz erarbeitete Vorschlag des Deutschen Rats für IPR an, allerdings bereits als primäre Anknüpfung, Mansel, IPRax 2020, 188. Hierzu sogleich. Auch Wagner, StAZ 2019, 321, 324 hält den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Frau für einen geeigneten Anknüpfungspunkt. 31 Vgl. den rechtsvergleichenden Überblick auf S. 33 ff. 32 Vgl. die Erwägungen zum Kindeswohl im Rahmen des ordre public auf S. 149 ff. 33 Vgl. die Ausführungen auf S. 154 ff.
A. Anknüpfungsmomente
241
Die Anknüpfung an die Mutter ist rechtsvergleichend auch nicht völlig unbekannt, wenn auch selten: Das französische Recht34 knüpft etwa die gesetzliche Abstammung an das Heimatrecht der Mutter. Das finnische35 und lettische36 Recht stellen ebenfalls auf die Mutter ab und verweisen auf ihren Wohnsitz; ebenso kann nach tschechischem Recht die Abstammung, wenn dies im Interesse des Kindes ist, auch nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Mutter festgestellt werden.37 Auch der Deutsche Rat für IPR schlägt vor, zukünftig an den gewöhnlichen Aufenthalt der Frau, die das Kind geboren hat, anzuknüpfen.38 Ferner hat sich auch die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag für eine Abstammungsverordnung für eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Frau ausgesprochen.39 Die Anknüpfung an die Frau, die das Kind zur Welt bringt, kann allerdings auf Probleme stoßen, wenn eine Person, die rechtlich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht angehört oder eine Frau-zu-Mann-transgeschlechtliche Person nach der Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit ein Kind bekommt.40 Um dies von vornherein zu vermeiden, sollte die Anknüpfung offener formuliert werden, indem nicht an die Frau, sondern allgemein an die Person, die das Kind zur Welt bringt, angeknüpft wird.41
3. Bewertung Durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes wird auch weiterhin das Kind in den Mittelpunkt gestellt. Die Defizite des geltenden Rechts werden durch eine Ersatzanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Person ausgeglichen. Die Interessen der potentiellen Eltern sind durch diese Anknüpfung ebenfalls gewahrt, da sie als Bezugspersonen den gewöhnlichen Aufenthalt bestimmen. Ebenso ist die Anknüpfung grundsätzlich 34 Art. 311-14
franz. CC. §§ 48 finn. VaterG. 36 Art. 14 Abs. 1 lett. ZGB (einseitige Kollisionsnorm). 37 Nach § 54 Abs. 1 S. 3 tschech. IPRG, ansonsten gilt das Heimatrecht des Kindes. Relevant ist für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter allerdings der Zeitpunkt der Befruchtung, vgl. die Übersetzung bei Bohata, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Tschechische Republik, S. 89. 38 Mansel, IPRax 2020, 188. Art. 19 Abs. 1 S. 1 des Vorschlags beruft das Recht des Staates zur Anwendung, zu dem das Kind die engste Verbindung im Zeitpunkt seiner Geburt hat. Nach S. 2 gilt als dieses Recht das Recht des Staates, in dem die Frau, die das Kind geboren hat, zur Zeit der Geburt des Kindes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. 39 Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats, COM(2022) 695 final. 40 Vgl. zu der Problematik im Sachrecht oben S. 50 ff. 41 So auch der Vorschlag von Mankowski (32:10–32:58) im Rahmen der Online Konferenz „Geschlecht und Abstammungsrecht“, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 35
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
voraussehbar: die potentiellen Eltern können damit rechnen, dass sich die Abstammung ihres Kindes nach dem Recht beurteilt, in dem das Kind aufwächst und mit dem es daher am engsten verbunden ist. Gerade wenn verschiedene Elternteile, insbesondere verschiedene Väter, in Betracht kommen, bietet das Aufenthaltsrecht des Kindes den Vorteil, dass es für beide Väter eine neutrale Anknüpfung darstellt. Schließlich streiten auch die staatliche Interessen für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt: Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes führt regelmäßig zum deutschen Recht und erleichtert so den Behörden und den Gerichten die Rechtsanwendung.42 Gerade in einem Massengeschäft wie der personenstandsrechtlichen Erfassung der Abstammung ist dies ein nicht zu unterschätzender Punkt. Das Ergebnis ist eine schnellere Feststellung, da keine zeitintensiven Recherchen zum ausländischen Recht erforderlich sind, was wiederum im Interesse aller Beteiligten liegt. Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ist ferner auch mit dem Ziel des internationalen Entscheidungseinklangs vereinbar. „Unter [internationalem Entscheidungseinklang] versteht man das […] Idealziel, dass ein Rechtsstreit unabhängig vom angegangenen Gericht überall nach denselben Normen und damit potentiell gleich entschieden wird.“43 Zwar kann dieses „utopische“ Ziel letztlich nur durch eine Vereinheitlichung des IPR aller Staaten erreicht werden.44 Allerdings fördert es zumindest den internationalen Entscheidungseinklang, wenn international gebräuchliche Anknüpfungen verwendet werden und so zumindest ein Entscheidungseinklang mit möglichst vielen Staaten erreicht wird.45 Dies trifft auf die Anknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zu. So ist die Anknüpfung etwa in der Schweiz,46 in Kroatien,47 Spanien,48 Schweden,49 Estland,50 Island51 sowie in Argentinien52 und der Dominikanischen Republik53 anzutreffen.54 Zwar knüpfen wohl immer 42
Vgl. bereits zum geltenden Recht oben S. 79 und S. 79 Fn. 142. Einl. IPR Rn. 4. Vgl. auch Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 36 ff.; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 55 ff.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 139 f. 44 BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 4; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 59; Kegel/ Schurig, Internationales Privatrecht, S. 139 f. 45 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 140. 46 Art. 68 Abs. 1 schweiz. IPRG. 47 Art. 41, 42 kroat. IPRG. 48 Art. 9 Abs. 4 span. CC. 49 §§ 2, 5 schwed. IntVaterschG (Wohnsitz des Kindes), subsidiär ist aber auch das Heimatrecht des Kindes anwendbar. 50 § 62 Abs. 1 estl. IPRG. 51 Bahner, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Island, S. 16 (Gewohnheitsrecht). 52 Art. 2632, 2633 argent. CCCN. 53 Art. 49 Abs. 1 dom. IPRG. 54 Ebenso in Common Law geprägten Staaten wie beispielsweise Ontario (Wohnsitz), Mayr, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kanada – On43 BeckOK/Lorenz,
A. Anknüpfungsmomente
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noch mehr Staaten an das Heimatrecht des Kindes an;55 dies allein spricht jedoch nicht für die Wahl dieser Anknüpfung. Vielmehr sollte zur Förderung des internationalen Entscheidungseinklangs die überzeugendste Lösung im Hinblick auf die restlichen Interessen gewählt werden, da diese das Potential hat, auf andere Kollisionsrechte auszustrahlen und als Vorbild für eine spätere IPRVereinheitlichung wie etwa auf EU-Ebene dienen könnte.56 Damit überzeugt die Anknüpfung folglich auch unter Berücksichtigung des internationalen Entscheidungseinklangs. Schließlich führt die Einführung der Ersatzanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Person regelmäßig in den Fällen einer Leihmutterschaft zu einer interessensgerechten Lösung, da dadurch meist das leihmutterschaftsfreundliche ausländische Recht zur Anwendung berufen wird, nach dem die Wunscheltern und die Leihmutter meist gehandelt haben. Die Leihmutterschaftsfälle sind gerade die typischen Fälle, in denen das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Geburt begründet, da die Wunscheltern alsbald nach der Geburt mit dem Kind das Land verlassen und in ihren Aufenthaltsstaat zurückkehren wollen57 und damit ist hier die Ersatzanknüpfung einschlägig.
II. Weitere Anknüpfungen Ob neben der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes noch weitere Anknüpfungen zur Verfügung gestellt werden sollten – wie dies im geltenden Recht der Fall ist –, und wenn ja, im welchem Verhältnis diese zur Aufenthaltsanknüpfung stehen sollten, wird erst im nächsten Schritt diskutiert. Im Folgenden wird nur für den Fall, dass man sich für eine Mehrfachanknüpfung entscheidet – sei es in Form einer alternativen oder subsidiären Anknüpfung –, vorab untersucht, welche Anknüpfungen hierfür in Betracht kommen würden.58 tario, S. 11. Oftmals ist die Anknüpfung auch im Rahmen einer alternativen Anknüpfung neben dem Heimatrecht des Kindes maßgeblich, so in Québec (Art. 3091 CC), Litauen (Art. 1.38 Abs. 1 ZGB), Georgien (Art. 50 Abs. 1 IPRG). Ferner kann in Nordmazedonien und Bulgarien anstelle des Heimatrechts des Kindes das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes befragt werden, wenn dies in im Interesse des Kindes ist, Art. 38 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, Abs. 3 Nr. 3 nordmazedonisches IPRG, Art. 83 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, Abs. 4 Alt. 4 bulg. IPRG. Ähnlich in Tschechien (§ 54 Abs. 2 IPRG). 55 Etwa Italien (Art. 33, 35 IPRG); Österreich für die Anerkennung (§ 25 Abs. 1 IPRG); Polen (Art. 55 IPRG); Russland (Art 162 Abs. 1 FamGB); Ukraine (Art. 65 i. V. m. 16 Abs. 1 IPRG); Ungarn (§ 31 IPRG); Slowenien (Art. 43 IPRG); Panama (Art. 39 IPRG); Montenegro (Art. 87 IPRG), Rumänien (Art. 2.605 ZGB). Auch Nordmazedonien, Bulgarien und Tschechien knüpfen vorrangig an das Heimatrecht an (siehe die vorherige Fußnote). 56 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 140; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 38. Sowohl die Europäische Kommission als auch die Haager Konferenz für IPR arbeiten derzeit an einer internationalen Lösung, mehr dazu unten S. 227 ff. 57 Vgl. oben S. 145 f. 58 Auf die Zusatzanknüpfungen wird im unten vorgestellten Modell 1 der alternativen An-
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
1. Ehewirkungsstatut Die im geltenden Recht bestehende Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut für den Fall, dass die Mutter verheiratet ist, sollte in einer Neuregelung nicht übernommen werden, da diese Anknüpfung nicht mehr zeitgemäß ist.59 Der Anknüpfung lag der Gedanke eines einheitlichen Familienstatuts zugrunde: Der Gesetzgeber verfolgte mit dem Verweis auf das Ehewirkungsstatut in mehreren familienrechtlichen Kollisionsnormen das Ziel, alle Rechtsbeziehungen innerhalb einer ehelichen Familie einheitlich derselben Rechtsordnung zu unterstellen.60 Dieses Ziel kann heute jedoch als gescheitert angesehen werden:61 Seinen Hauptanwendungsbereich im internationalen Eherecht hat das Statut weitestgehend verloren, da zahlreiche Aspekte dieses Familienstatuts nun auf europäischer Ebene geregelt werden.62 Zudem kann die Geltung des Ehewirkungsstatuts selbst im Bereich der Abstammung nicht gewährleisten, dass dieselbe Rechtsordnung auf die Abstammung aller Kinder eines Ehepaares anwendbar ist: Da für die Bestimmung der Abstammung das Ehewirkungsstatut im Zeitpunkt der jeweiligen Geburt maßgeblich ist, kann für jedes Kind ein unterschiedliches Recht berufen sein. Auch für die Adoption hat der deutsche Gesetzgeber die Verweisung auf das Ehewirkungsstatut mittlerweile aufgegeben.63 Schließlich spricht gegen die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut der Mutter, dass dessen Bestimmung in der Praxis, wie die Untersuchung zum geltenden Recht gezeigt hat,64 auf Schwierigkeiten stoßen kann. Es müsste etwa zunächst klargestellt werden, wer mit Mutter gemeint ist – die potentielle rechtknüpfung (S. 251 ff.), im Modell 2 der subsidiären Anknüpfung (S. 258 ff.) und im Kombinationsmodell 4 (S. 265 ff.) für die Anerkennung abgestellt. Modell 3 (S. 263 f.) verzichtet hingegen auf zusätzliche Anknüpfungen. 59 Siehr, StAZ 2015, 258 lehnt die Heranziehung des Ehewirkungsstatuts mit der Begründung ab, dass „dieses Statut seine Bedeutung verloren hat und wohl auch nicht wiedergewinnen wird.“ 60 Früher wurde neben der Abstammung auch für die Adoption, den Güterstand, die Scheidung und den Versorgungsausgleich auf Art. 14 EGBGB verwiesen. Vgl. zum Begriff des Familienstatuts MüKo/Looschelders, Art. 14 EGBGB Rn. 6; Staudinger/Mankowski, Art. 14 EGBGB Rn. 2; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 11; BT-Drucks. 10/504, S. 50, 65. 61 Vgl. auch die Einschätzung bei Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 184, der bei Betrachtung aller Normen, die auf das Familienstatut verweisen, zum Ergebnis kommt, dass der Gesetzgeber den Grundsatz des einheitlichen Familienstatuts nicht konsequent durchgeführt und der einheitlichen Beurteilung von familienrechtlichen Rechtsverhältnissen „nur einen relativ beschränkten Stellenwert“ beigemessen hat. MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 11 spricht davon, dass der Gedanke, das Familienstatut biete für alle Rechtsbeziehungen innerhalb der Familie eine angemessene Lösung, überholt sei. 62 So bestimmt sich mittlerweile das Scheidungsstatut nach der Rom III-VO und die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe beurteilen sich nach der EuGüVO, MüKo/Looschelders, Art. 14 EGBGB Rn. 6 f.; Beitrag (31:10–31:40) von Mankowski im Rahmen der Online Konferenz „Geschlecht und Abstammungsrecht“, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 63 Vgl. Art. 22 EGBGB. 64 Vgl. oben S. 90 ff.
A. Anknüpfungsmomente
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liche Mutter, die Geburtsmutter oder die bereits nach einer anderen Alternative festgestellte rechtliche Mutter –, da hierüber im geltenden Recht keine Einigkeit herrscht. Ferner müsste klargestellt werden, welche Paarbeziehung genau von der Anknüpfung erfasst sein soll – neben einer wirksamen Ehe auch fehlerhafte Ehen und registrierte Partnerschaften? Schließlich spricht auch gegen die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut, dass die Anknüpfung nur die Abstammung von Kindern umfasst, deren Eltern in einer (verschieden- oder gleich geschlechtlichen) Ehe bzw. eingetragenen Partnerschaft leben, hingegen nicht die Abstammung von nichtehelichen Kindern. Dadurch wird nur die Abstammung von ehelichen Kindern gefördert, nicht aber die von unehelichen Kindern. Dies ist nicht interessensgerecht. Auch wenn die Ehe im Abstammungsrecht eine wichtige Rolle spielt, sollte im Kollisionsrecht auf die Anknüpfung an die Ehe verzichtet werden und anstelle dessen eine Anknüpfung gewählt werden, die eheliche und uneheliche Kinder gleichermaßen erfasst.
2. Heimatrecht des Kindes oder des jeweiligen potentiellen Elternteils Als Zusatzanknüpfung kommt jedoch das Heimatrecht des Kindes oder des jeweiligen potentiellen Elternteils in Betracht, da eine Person grundsätzlich eine enge Verbindung mit dem Recht des Staates, dem sie angehört, aufweist. Überzeugender ist dabei die Anknüpfung an das Heimatrecht des jeweiligen potentiellen Elternteils. Die Anknüpfung an das Heimatrecht des Kindes kann in der Praxis auf Schwierigkeiten stoßen, da die Staatsangehörigkeit des Kindes regelmäßig von der Frage der Abstammung abhängt. Die meisten Länder folgen dem ius sanguinis-Prinzip, wonach ein Kind die Staatsangehörigkeit seiner Eltern erhält.65 Die Heimatrechtsanknüpfung führt mithin zu einem Zirkelschluss:66 Die Abstammung richtet sich nach der Staatsangehörigkeit des Kindes und die Staatsangehörigkeit wiederum nach der Abstammung. Länder, die an das Heimatrecht des Kindes anknüpfen, stellen daher auf die potentielle Staatsangehörigkeit ab, die das Kind hätte, wenn das zu prüfende Abstammungsverhältnis bestehen würde.67 Wird etwa die Vaterschaft eines Deutschen geprüft, wird unterstellt, dass Kind hätte – neben der Staatsangehörigkeit, die es durch die Mutter vermittelt bekommt – die deutsche Staatsangehörigkeit, da es diese erwerben würde, wenn die Vaterschaft tatsächlich bestehen würde. Da das Heimatrecht des Kindes somit in den meisten Fällen ohnehin von den Eltern abgeleitet wird, ist es vorzugswürdig gleich an das Heimatrecht des jeweiligen Elternteils anzuknüpfen – die Interessen des Kindes sind damit hinreichend ge65 BeckOK/Weber, § 4 StAG Rn. 5 („Nach ‚konservativer Schätzung‘ erhalten mehr als 90 % aller Staatsangehörigen weltweit ihren Status iure sanguinis“.) 66 Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 163; Guedjev, Das internationale Familienrecht Bulgariens, S. 380. 67 Guedjev, Das internationale Familienrecht Bulgariens, S. 381.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
wahrt, da das Kind das Heimatrecht dann „übernimmt“.68 Dies überzeugt auch vor dem Hintergrund, dass anderenfalls auch das Heimatrecht der Mutter über die Abstammungsbeziehung zwischen Kind und zweitem Elternteil entscheiden würde, obwohl der zweite Elternteil zu diesem Recht möglicherweise keinen Bezug hat: Das Kind erwirbt bereits mit seiner Geburt die Staatsangehörigkeit seiner Mutter – vorausgesetzt das Heimatrecht der Mutter folgt dem ius sanguinis-Prinzip –, da die Abstammung von der Mutter regelmäßig bereits im Zeitpunkt der Geburt entsteht. Wird die Abstammung vom Vater erst nach Geburt begründet, besitzt das Kind bereits die Staatsangehörigkeit seiner Mutter und damit würde auch dieses Recht über die Vaterschaft entscheiden.
3. Gewöhnlicher Aufenthalt des jeweiligen potentiellen Elternteils Neben dem Heimatrecht des jeweiligen potentiellen Elternteils bietet sich zudem dessen gewöhnlicher Aufenthalt als weitere Anknüpfung an.69 Im nationalen sowie im europäischen Kollisionsrecht löst der gewöhnliche Aufenthalt die Staatsangehörigkeitsanknüpfung immer mehr ab,70 sodass es naheliegt im internationalen Abstammungsrecht diese Anknüpfung zu übernehmen, wenn man sich auch zukünftig für eine Mehrfachanknüpfung entscheidet. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass regelmäßig die Eltern mit dem Kind im gleichen Land leben werden, sodass die Anknüpfung häufig mit der primären Anknüpfung zusammenfallen wird.71 Die Anknüpfung sollte daher nicht anstelle der Heimatrechtanknüpfung treten, sondern allenfalls nur zusätzlich zu dieser Anwendung finden. Gegen die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils könnte sprechen, dass immer dann, wenn die Anknüpfung relevant wird – mithin dann, wenn das Kind und der Elternteil ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht teilen –, nur der Elternteil, nicht aber das Kind, eine enge Verbindung zu dieser Rechtsordnung aufweist. Dem ist jedoch entgegenzusetzen, dass grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass, wenn ein rechtliches Abstammungsverhältnis begründet wird, das Kind mit dieser Rechtsordnung in Berührung kommen wird, weil sich dort aller Voraussicht nach ein Teil der Beziehung abspielen wird. Die Tatsache, dass der persönliche Bezug geringer ist als bei der primären Anknüpfung, ist selbstverständlich, da es sich gerade nur um eine zusätzliche Anknüpfung handelt. 68 Auch
das belgische Recht stellt aus diesem Grund von vornherein auf die Eltern ab (Art. 62 § 1 belg. IPRG). Siehe auch Pintens, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Belgien, S. 44: „Die Präferenz für das nationale Recht des Erzeugers und nicht für das des Kindes vermeidet Probleme, da in ius-sanguinis-Systemen die Staatsangehörigkeit eine Folge der Abstammung ist.“ 69 Hierauf stellt beispielsweise alternativ auch das argentinische (Art. 2632, 2633 CCCN) sowie estländische Recht (§ 62 Abs. 2 IPRG) ab. 70 Dutta, IPRax 2017, 139 ff. 71 Aus diesen Grund noch ablehnend Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 177.
A. Anknüpfungsmomente
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III. Maßgeblicher Zeitpunkt der Anknüpfung Während die Vorgängernormen von Art. 19 Abs. 1 EGBGB die Abstammung mit einer Ausnahme noch unwandelbar angeknüpft haben,72 ist man bei der Neuregelung zum jetzigen Art. 19 Abs. 1 EGBGB dazu übergegangen, die Abstammung überwiegend wandelbar anzuknüpfen.73 Die Untersuchung zum geltenden Recht hat jedoch gezeigt, dass eine wandelbare Anknüpfung bei der Abstammung nicht überzeugend ist und zukünftig wieder zu einer unwandelbaren Anknüpfung zurückgekehrt werden sollte.74 Auch rechtsvergleichend ist es üblich unwandelbar anzuknüpfen.75 Dies wirft die Frage auf, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist. Die Vorgängernormen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, Art. 19 EGBGB a. F. und Art. 20 EGBGB a. F., erklärten für die Abstammung den Zeitpunkt der Geburt als maßgeblich. Der Zeitpunkt der Geburt ist auch rechtsvergleichend in den meisten Rechtsordnungen anzutreffen.76 Allerdings entscheidet der Zeitpunkt der Geburt nicht immer über alle Abstammungsarten, sondern wird in einigen Rechtsordnungen nur für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf die Abstammung kraft Gesetzes gewählt, während für die Anerkennung (auch) der Zeitpunkt der Anerkennungserklärung77 und für die gerichtliche Feststellung (auch) der Zeitpunkt der Klageerhebung für maßgeblich erklärt wird.78 Zur Be72 Vgl. oben S. 63 ff. Nur die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt für die nichteheliche Abstammung war als wandelbare Anknüpfung ausgestaltet. 73 Mit Ausnahme des Ehewirkungsstatuts in Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB, welches unwandelbar anknüpft wird, vgl. oben S. 99 f. 74 Siehe oben S. 106 ff. 75 Italien (Art. 33, 35 IPRG), Österreich (§ 21, 25 IPRG), Russland (Art. 162 FamGB), Rumänien (Art. 2.603, 2.605 ZGB), Niederlande (Art. 10:93 Abs. 3, 10:95 Abs. 4 BW), Ungarn (§ 31 IPRG), Monaco (Art. 43, 44 IPRG), Albanien (Art. 28 IPRG), Polen (Art. 55 IPRG), Frankreich (Art. 311-14 CC), Argentinien (Art. 2632, 2633 CCCN), Québec (Art. 3091 CC), Litauen (Art. 1.31 ZGB), Bulgarien (Art. 83 IPRG), Ukraine (Art. 65 IPRG), Portugal (Art. 56). Demgegenüber bestimmen etwa Georgien (Art. 50 IPRG), Slowenien (Art 43 IPRG), die Dominikanische Republik (Art 49 IPRG) und Panama (Art 39 IPRG) keinen Anknüpfungszeitpunkt und damit knüpfen diese Länder wohl wandelbar an. 76 Ungarn (§ 31 Abs. 1 IPRG), Monaco (Art. 43 IPRG), Montenegro (Art. 87 Abs. 1 IPRG), Albanien (Art. 28 Abs. 1 IPRG), (Art. 55 Abs. 1 IPRG), Frankreich (Art. 311-14 CC), Argentinien (Art. 2632, 2633 CCCN), Québec (Art. 3091 CC), Litauen (Art. 1.31 ZGB), Bulgarien (Art. 83 IPRG), Italien (Art. 33 Abs. 1 IPRG), Österreich (§ 21, 25 IPRG), Russland (Art. 162 FamGB), Ukraine (Art. 65 IPRG), Rumänien (Art. 2.603, 2.605 ZGB). 77 Kroatien (Art. 42 IPRG), Ungarn (§ 31 Abs. 2 IPRG), Monaco (Art. 44 IPRG), Montenegro (Art. 87 Abs. 3 IPRG), Albanien (Art. 28 Abs. 1 IPRG), Argentinien (Art. 2633 CCCN), Bulgarien (Art. 83 Abs. 4 IPRG), Italien (Art. 35 Abs. 1 IPRG), Niederlande (Art. 10:95 Abs. 4 BW). 78 So etwa in Niederlande (Art. 10:97 Abs. 3 BW), Kroatien (Art. 41 IPRG, Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens), Albanien (Art. 28 Abs. 2 lit.a IPRG, Zeitpunkt der Antragsstellung). In Polen (Art. 55 Abs. 2 IPRG) und Bulgarien (Art. 83 Abs. 2 Nr. 1 IPRG) ist demgegenüber der Zeitpunkt der Feststellung entscheidend.
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stimmung des maßgeblichen Zeitpunktes bietet es sich mithin an, zwischen den Abstammungsarten zu unterscheiden.79
1. Gesetzliche Zuordnung Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf die Abstammung kraft Gesetzes ist auf den Zeitpunkt der Geburt abzustellen.80 Die Anknüpfung an diesen Zeitpunkt erscheint zwingend, da die Abstammung kraft Gesetzes regelmäßig in diesem Zeitpunkt entsteht.81 So ordnen die meisten Rechtsordnungen das Kind ab Geburt der gebärenden Frau zu. Auch wird die Elternschaft des Ehemanns oder der Ehefrau der Geburtsmutter im Zeitpunkt der Geburt begründet, ebenso wie die Elternschaft der Wunscheltern aufgrund einer vorausgegangenen Zustimmung zur künstlichen Befruchtung oder aufgrund einer Vereinbarung zur Leihmutterschaft. Der Zeitpunkt der Geburt ist der entscheidende Zeitpunkt für die gesetzliche Zuordnung im Sachrecht, da das Kind in diesem Moment die Rechtsfähigkeit erlangt,82 und sollte daher auch für das Kollisionsrecht maßgeblich sein.
2. Anerkennung und gerichtliche Feststellung Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob für die Anerkennung und die gerichtliche Feststellung ebenfalls an den Zeitpunkt der Geburt anzuknüpfen ist oder ob hier ein späterer Zeitpunkt maßgebend sein sollte. Als spätere Anknüpfungszeitpunkte kämen der Zeitpunkt der Anerkennung und der Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts in Betracht. Denkbar wäre für die gerichtliche Feststellung auch auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen. Der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ist jedoch überzeugender, da nur so für den Beteiligten, der den Antrag auf Feststellung der Vaterschaft einreicht, eindeutig ist, ob er überhaupt antragsberechtigt ist und, ob sein Antrag fristgerecht ist. Wäre demgegenüber der Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend, stände das anwendbare Recht zum Zeitpunkt der Einreichung des betreffenden Antrags noch nicht fest und könnte sich folglich noch ändern. Für die Anknüpfung an diese späteren Zeitpunkte spricht, dass die Anerkennung und die gerichtliche Feststellung auch erst Jahre nach der Geburt erfolgen können. In dieser Zeit können sich die Anknüpfungsmomente wie der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bereits geändert haben und die Beteiligten 79 80
So auch Siehr, StAZ 2015, 258, 262; Siehr, in: FS Coester-Waltjen, 769, 771. Dafür auch der Vorschlag von Siehr, StAZ 2015, 258, 263; Siehr, in: FS Coester-Waltjen, 769, 772; Mansel, IPRax 2015, 185 sowie der neue Reformvorschlag des Deutschen Rats für IPR, Mansel, IPRax 2020, 188. So bereits de lege lata Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 21. 81 Siehr, StAZ 2015, 258, 263; Siehr, in: FS Coester-Waltjen, 769, 772. Vgl. hierzu den Rechtsvergleich oben auf S. 5 ff. 82 Vgl. BGH (19.07.2017), FamRZ 2017, 1687, 1689.
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haben keinen aktuellen Bezug mehr zu der Rechtsordnung, die im Zeitpunkt der Geburt maßgeblich war. Durch das Abstellen auf den Zeitpunkt der Anerkennung beziehungsweise auf den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts würde sichergestellt werden, dass das Recht anwendbar wäre, zu dem die Beteiligten eine aktuelle enge Verbindung aufweisen, mit dem die Beteiligten vertraut sind und mit deren Anwendung sie regelmäßig rechnen werden.83 Hinzu kommt ein praktisches Bedürfnis nach der Anknüpfung an die aktuellen Verhältnisse: So lassen sich die aktuellen Umstände wie der aktuelle gewöhnliche Aufenthalt einfacher und schneller feststellen als der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Geburt – vor allem dann, wenn die Geburt schon mehrere Jahre zurückliegt.84 Dadurch wird eine schnelle Feststellung der Abstammung gefördert. Gegen das Abstellen auf unterschiedliche Zeitpunkte für die gesetzliche Zuordnung, Anerkennung und gerichtliche Feststellung spricht, dass so nicht garantiert ist, dass eine Rechtsordnung auf alle Fragen der Abstammung anwendbar ist, was wiederum in Folge zu einem Normenmangel führen kann,85 wie folgendes Beispiel verdeutlichen möchte: Eine verheiratete Italienerin bekommt in Italien ein Kind. Ihren Ehemann lässt sie jedoch nicht in die Geburtsurkunde eintragen, sodass nach italienischem Sachrecht der Ehemann nicht der rechtliche Vater des Kindes ist.86 Nach ein paar Jahren zieht sie zu ihrem neuen deutschen Lebensgefährten, der das Kind gegenüber dem deutschen Standesamt anerkennen möchte. Wäre nun das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Zeitpunkt der Geburt für die gesetzliche Zuordnung und das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Vornahme der Anerkennung für die Anerkennung maßgebend, ergäbe sich folgendes Problem: Nach dem italienischen Recht wäre mangels Vaterschaft des Ehemanns die Anerkennung des deutschen Lebensgefährten möglich; das deutsche Recht sähe hingegen den italienischen Ehemann als den rechtlichen Vater an und würde mithin keine Anerkennung erlauben. Da jedoch das italienische Recht nur auf die gesetzliche Zuordnung und das deutsche Recht nur auf die Anerkennung anwendbar sind, besteht im Ergebnis gar keine Vaterschaft.
Dieses Ergebnis ergibt sich nur deshalb, weil an zwei unterschiedliche Zeitpunkte angeknüpft wird. Um einen solchen Normenmangel zu vermeiden, bie83 Vgl. allgemein zu dem „kollisionsrechtlichen Interesse […] an einer Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts“ und zum „Gedanke[n] einer Vertrautheit mit dem Recht der sozialen Umwelt“, der im Familienrecht eine Rolle spielt, MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 30. 84 Siehr, StAZ 2015, 258, 263 f.; Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 180. 85 Vgl. die Argumentation bei Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 179 zur Wandelbarkeit. 86 Gabrielli, in: Schwab/Henrich, Entwicklungen des europäischen Kindschaftsrechts, 59, 63 („Obwohl der Wortlaut des Gesetzes den Anschein erweckt, die Zuerkennung des Status eines ehelichen Kindes folge ohne weiteres aus der Tatsache, daß das Kind von einer verheirateten Frau geboren wird, ist es seit Jahrzehnten gefestigte Rechtsprechung, daß nicht die Tatsache an sich konstitutiv für die Begründung des Statusverhältnisses ist, sondern die Erklärung darüber vor dem Standesbeamten und deren Aufnahme in die Geburtsurkunde“); Calvigioni, StAZ 2002, 265, 267.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
tet es sich an, für alle Abstammungsarten auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Geburt abzustellen und nur zusätzlich auf den Zeitpunkt der Anerkennung und den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts abzustellen. Nur so kann sichergestellt werden, dass ein Normenmangel vermieden wird, indem eine Rechtsordnung – das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Geburt – auf alle Abstammungsarten anwendbar ist. Dies gilt jedoch nur für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, nicht hingegen für die möglichen Zusatzanknüpfungen an den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Elternteils – die nur relevant werden, wenn man eine Mehrfachanknüpfung befürwortet.87 Da die Anknüpfungen an den jeweiligen Elternteil ohnehin die Abstammung nicht umfassend feststellen, sondern nur in Bezug auf diesen Elternteil, ist es hier nicht erforderlich zusätzlich auf den Zeitpunkt der Geburt abzustellen.88 Ein Normenmangel kann sich hier bereits durch die Beschränkung auf die jeweilige Person ergeben und würde auch nicht durch einen zusätzlichen Zeitpunkt verhindert werden. Die Vaterschaft des Ehemanns beurteilt sich mithin nach seinem Heimatrecht oder seinem gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Geburt, während sich die Vaterschaft des Anerkennenden nach dessen Heimatrecht oder dessen Aufenthaltsrecht im Zeitpunkt der Anerkennung richtet. Neben einem Normenmangel kann es durch die unterschiedlichen Anknüpfungen auch zu einer Normenhäufung kommen, etwa wenn das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Geburt den Ehemann als rechtlichen Vater ansieht, während das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Anerkennung dem Anerkennenden die Vaterschaft zuweist. Eine Normenhäufung könnte durch die gesetzliche Verankerung des Prioritätsprinzips gelöst werden. Insgesamt lässt sich damit feststellen, dass es grundsätzlich vorzugswürdig erscheint, für die Anerkennung und die gerichtliche Feststellung (zusätzlich auch) an die späteren Zeitpunkte anzuknüpfen.
B. Modelle Die soeben vorgestellten Anknüpfungsmomente können „auf unterschiedliche Weise und zu unterschiedlichen Zwecken miteinander verbunden werden“.89 In Betracht kommt wie bereits oben angedeutet auch die Verwendung nur eines 87 Auf die Zusatzanknüpfungen wird im unten vorgestellten Modell 1 der alternativen Anknüpfung (S. 251 ff.), im Modell 2 der subsidiären Anknüpfung (S. 258 ff.) und im Kombinationsmodell 4 (S. 265 ff.) für die Anerkennung abgestellt. 88 So in Modell 1 (S. 251 ff ) und im Kombinationsmodell 4 (S. 265 ff.). Im Model 2 (S. 258 ff.) der subsidiären Anknüpfung wird nur auf den Zeitpunkt der Geburt abgestellt, da sich andernfalls keine sinnvolle Reihenfolge festlegen lässt. 89 MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 59.
B. Modelle
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einzigen Anknüpfungsmoments. Für welche Möglichkeit man sich entscheidet, richtet sich nach rechtspolitischen Wertungen, welche sowohl „kollisions-, aber auch sachrechtlicher Natur sein [können].“90 Es lässt sich dabei ein Trend dahingehend erkennen, sachrechtliche Erwägungen stärker als früher bei der Bildung von Kollisionsnormen zu berücksichtigen.91 Im Folgenden werden verschiedene Modelle vorgestellt, wie die Anknüpfungsmomente miteinander kombiniert werden könnten, und ihre Vor- und Nachteile diskutiert. Es handelt sich bei allen Modellen um objektive Anknüpfungen. Eine Rechtswahl, wie sie mittlerweile in vielen anderen Bereichen des internationalen Familienrechts anzutreffen ist,92 kommt auch zukünftig für das internationale Abstammungsrecht nicht in Betracht. Das Abstammungsrecht betrifft unter anderem das Kind, welches aufgrund seines Alters eine solche Rechtswahl gerade noch nicht ausüben kann. Ein Abstellen auf den gesetzlichen Vertreter des Kindes – wie etwa bei Art. 10 Abs. 3 EGBGB – bereitet ebenfalls Probleme, da die Abstammung für dessen Bestimmung eine Vorfrage darstellt.93 Aber auch wenn zumindest die Mutter bereits als rechtlicher Elternteil und damit als gesetzliche Vertreterin feststehen sollte, wäre es nicht überzeugend, wenn sie als Vertreterin des Kindes das Recht auf die Abstammung wählen könnte. Durch die Rechtswahl werden Rechte Dritter, die an der Rechtswahl nicht beteiligt sind, berührt.94 Es sollte nicht in der Hand der Mutter liegen, den zweiten Elternteil durch eine Rechtswahl bestimmen zu können. Für das internationale Abstammungsrecht sollte daher auf eine Rechtswahl verzichtet werden.
I. Modell 1: Alternative Anknüpfung mit einer gesetzlichen Lösung für den Fall von konkurrierenden Elternschaften Eine Möglichkeit einer Neuregelung besteht darin, an der alternativen Anknüpfung des geltenden Rechts grundsätzlich festzuhalten. Die Rechtsvergleichung zeigt, dass eine alternative Anknüpfung für die Begründung der Abstammung in einigen Ländern anzutreffen ist.95 Möchte man an einer alternativen Anknüp90 MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 59. 91 Sog. Materialisierung des IPR, siehe etwa Hübner, FamRZ 2022, 587; Coester-Waltjen,
IPRax 2021, 29, 30; Weller, RabelsZ 81 (2017), 747, 753 ff. 92 Vgl. etwa Art. 14 Abs. 1 EGBGB (allgemeine Ehewirkungen), Art. 22 EuGüVO (Güterrecht), Art. 5 Rom III-VO (Scheidungsrecht), Art. 7 und 8 Haager Unterhaltsprotokoll 2007 (Unterhaltsrecht), Art. 10 Abs. 3 EGBGB (Namensrecht). 93 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, § 4 Rn. 954. 94 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, § 4 Rn. 954, die darauf hinweisen, dass bei der Abstammung neben den Interessen Dritter auch Interessen des Staates betroffen sind. 95 Beispielsweise in Argentinien (Art. 2632, 2633 CCCN), Québec (Art. 3091 CC), Litauen (Art. 1.31 ZGB), Georgien (Art. 50 IPRG), und Estland (§ 62 IPRG). In einigen Ländern, insbesondere solchen die erst kürzlich eine IPR-Reform durchgeführt haben, ist die Einordnung als alternative oder subsidiäre Anknüpfung nicht eindeutig, siehe die nächste Fußnote.
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fung festhalten, ist es erforderlich, die Probleme, die die alternative Anknüpfung im geltenden Recht verursacht, zukünftig zu verhindern. Daher bedarf es bei diesem Modell einer gesetzlichen Klarstellung, wie zu verfahren ist, wenn die verschiedenen Alternativen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Einige Rechtsordnungen stellen für die Auswahl der alternativen Anknüpfungen ausdrücklich im Gesetz auf das Günstigkeitsprinzips ab.96 Eine Lösung für das Problem der konkurrierenden Elternschaften bietet das Günstigkeitsprinzip jedoch gerade nicht, wie der Vergleich mit dem geltenden Art. 19 Abs. 1 EGBGB zeigt. Zwar erklärt Art. 19 Abs. 1 EGBGB nicht ausdrücklich dessen Geltung, allerdings ist es, wie oben gesehen, nach ganz herrschender Meinung für die Auswahl der anzuwendenden Rechtsordnung heranzuziehen.97 Das Günstigkeitsprinzip ist einer Vielzahl von Auslegungsmöglichkeiten zugänglich. So ist im geltenden Recht höchst umstritten, nach welchen Kriterien sich dessen Prüfung richtet: nach dem Willen der Mutter als Vertreterin des Kindes, nach der Wahrscheinlichkeit der leiblichen Abstammung, nach der zuerst feststehenden Vater- oder Mutterschaft oder nach einer Einzelfallprüfung.98 Eine gesetzliche Verankerung des Günstigkeitsprinzips bietet mithin keinen Mehrwert zur bestehenden Rechtslage und ist daher abzulehnen.
1. Gesetzliche Lösung für den Fall von widersprüchlichen Ergebnissen Obwohl eine alternative Anknüpfung für die Begründung der Abstammung rechtsvergleichend häufig ist, bietet – soweit ersichtlich – nur das belgische und Hierzu zählen Kroatien (Art. 41, 42 IPRG), Montenegro (Art. 87 IPRG), Albanien (Art. 28 IPRG), Bulgarien (Art. 83 IPRG) und Italien (Art. 33, 35 CC). Aufgrund des Wortlauts ist aber wohl von einer subsidiären Anknüpfung auszugehen. 96 So in Argentinien (Art. 2632, 2633 CCCN), Québec (Art. 3091 CC), Litauen (Art. 1.31 ZGB). Ebenfalls auf das Günstigkeitsprinzip abstellend Nordmazedonien (Art. 38 IPRG), Kroatien (Art. 41, 42 IPRG), Montenegro (Art. 87 IPRG), Albanien (Art. 28 IPRG), Bulgarien (Art. 83 IPRG) und Italien (Art. 33, 35 CC). Allerdings nennen die letztgenannten Länder ein Anknüpfungsmoment als Regelanknüpfung und verweisen nur dann auf andere Anknüpfungen, wenn dies für das Kind günstiger ist. Dem Wortlaut nach handelt es sich hierbei um eine subsidiäre Anknüpfung. Je nach Auslegung des Günstigkeitsprinzips in der jeweiligen Rechtsordnung kann hierin aber auch eine alternative Anknüpfung liegen. Erlaubt die jeweilige Kollisionsnorm ein Abstellen auf das „zweitberufene“ Recht auch für den Fall, dass das „erstberufene“ Recht bereits eine Vaterschaft vorsieht, etwa weil nach dem zweiberufenen Recht der Anerkennende Vater ist, und die Rechtsordnung den Anerkennenden als den für das Kind günstigeren Vater ansieht (vgl. insofern die Diskussion im geltenden Recht, oben S. 130 ff.), spricht dies entgegen des Wortlauts für eine alternative Anknüpfung. Ein echter Vorrang der primären Anknüpfung besteht bei dieser Auslegung nämlich gerade nicht. Wird das Günstigkeitsprinzip demgegenüber dahingehend ausgelegt, dass auf die andere Anknüpfung nur abgestellt werden darf, wenn die Primäranknüpfung zu keinem Ergebnis führt, ist die Regelung eine subsidiäre Anknüpfung. Wie die Länder das Günstigkeitsprinzip jeweils auslegen, lässt sich nur mutmaßen. Die letztgenannte Auslegung des Günstigkeitsprinzips ist aber wohl wahrscheinlicher. 97 Siehe hierzu oben S. 95 ff., S. 125 f. und S. 128. 98 Siehe hierzu oben S. 128 ff.
B. Modelle
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das monegassische Recht eine eindeutige gesetzliche Lösung für den Fall, dass die berufenen Rechtsordnungen unterschiedliche Personen als Eltern bestimmen.99 Die Lösung des belgischen Rechts soll im Folgenden genauer betrachtet werden.100 Zwar sieht das belgische Recht selbst keine alternative Anknüpfung vor, aber es knüpft an das Heimatrecht des jeweiligen Elternteils101 und kann so ebenfalls zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Die Vorschrift des belgischen Rechts lautet wie folgt: Art. 62 § 2 belg. IPRG:102 „Wenn nach dem aufgrund des vorliegenden Gesetzes anwendbaren Recht ein Abstammungsverhältnis gegenüber mehreren Personen gleichen Geschlechts rechtsgültig festgestellt wird, bestimmt das Recht, das auf die Abstammung anwendbar ist, die sich von Rechts wegen aus dem Gesetz ergibt, welche Wirkungen eine Anerkennung darauf hat. Bei einem Konflikt zwischen mehreren Abstammungen, die sich von Rechts wegen aus dem Gesetz ergeben, ist unter den Rechtsordnungen, auf die verwiesen wird, das Recht des Staates anwendbar, zu dem der Fall die engste Verbindung aufweist. Wenn das Kind nach dem aufgrund des vorliegenden Gesetzes anwendbaren Recht von mehreren Personen gleichen Geschlechts rechtsgültig anerkannt wird, bestimmt das Recht, dem die erste Anerkennung unterliegt, die Wirkungen, die eine spätere Anerkennung auf die erste hat.“
Die belgische Regelung unterscheidet danach, welche Abstammungsarten miteinander kollidieren. Für den häufigsten103 Fall von konkurrierenden Vaterschaften, nämlich den, dass eine Zuordnung kraft Gesetzes – regelmäßig die Zuordnung zum (Ex-)Ehemann – mit einer Anerkennung eines Dritten kollidiert, bestimmt das Recht, das auf die Zuordnung kraft Gesetzes anwendbar ist, welche Wirkungen eine Anerkennung darauf hat. Im Ergebnis läuft dies auf einen Vorrang der gesetzlichen Abstammung hinaus. Denn würde das Recht, das auf die gesetzliche Abstammung anwendbar ist, der Anerkennung Vorrang einräumen, würde diese Rechtsordnung gerade nicht zu der gesetzlichen Abstammung führen. Konkurrieren demgegenüber zwei gesetzliche Zuordnungen 99 Art. 62 § 2 belg. IPRG und Art. 45 mon. IPRG. Siehr, StAZ 2015, 258, 262 führt ebenfalls das Beispiel des belgischen Rechts an. 100 Die Lösung des belgischen Rechts und des monegassischen Rechts ähneln sich teilweise, jedoch ist die Lösung des belgischen Rechts überzeugender, da es anders als Art. 45 mon. IPRG auch eine Lösung für die Kollision zweier gesetzlicher Zuordnungen bereithält. Vgl. Art. 45 mon. IPRG, der wie folgt lautet: „Das Recht, welches die Abstammung eines Kindes regelt, wenn diese kraft Gesetzes besteht, bestimmt auch, welche Wirkung eine Anerkennungsurkunde auf diese Abstammung hat. Das Recht, welches auf die erste Anerkennung eines Kindes Anwendung findet, ist auch berufen über die Wirkungen einer späteren Anerkennung zu entscheiden.“ (Übersetzung bei Hirsch, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Monaco, S. 34). 101 Das belgische Recht knüpft an das Heimatrecht des jeweiligen Elternteils im Zeitpunkt der Geburt oder, wenn die Feststellung auf einer freiwilligen Handlung hervorgeht, zum Zeitpunkt dieser Handlung an, Art. 62 § 1 belg. IPRG. 102 Moniteur belge 2005, S. 48284 (deutsche Übersetzung). 103 Vgl. oben S. 118 f.
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miteinander, ordnet das belgische Recht an, die Rechtsordnung zu wählen, die mit dem Sachverhalt die engste Verbindung aufweist. Im Falle von konkurrierenden Anerkennungen ist schließlich die erste Anerkennung maßgebend. Der Vorrang der gesetzlichen Zuordnung ist überzeugend, sofern eine gesetzliche Zuordnung und eine postnatale Anerkennung konkurrieren, da eine zuerst entstandene Elternschaft nicht durch eine nach einer anderen Alternative später entstandenen Abstammung wieder beseitigt werden sollte. Es wäre mit der Rechtssicherheit nicht vereinbar, wenn eine einmal entstandene Elternschaft nachträglich wieder entfallen könnte, weil eine andere Alternative später zu einer anderen Abstammung führt. In der Konstellation, in der die Abstammungsverhältnisse jedoch zur gleichen Zeit entstehen, weil die gesetzliche Zuordnung mit einer pränatalen Anerkennung konkurriert, ist es dagegen überzeugender auf das Recht abzustellen, mit der der Sachverhalt die engere Verbindung aufweist. In dieser Konstellation ist es mangels nacheinander entstandenen Elternschaften gerade nicht erforderlich, der gesetzlichen Zuordnung den Vorrang zu gewähren und es sprechen auch keine guten Argumente für einen solchen Vorrang. Daher ist es vorzugswürdig, die hier bereits de lege vertretene Lösung104 gesetzlich zu verankern: Die zuerst entstandene Elternschaft hat sich gegenüber einer später entstandenen, zu ersteren im Widerspruch stehenden Elternschaft durchzusetzen. Im Zeitpunkt, in dem das erste Abstammungsverhältnis entsteht, führt nur diese Rechtsordnung zu einem Ergebnis und damit ist diese Rechtsordnung entscheidend. Die zuerst entstandene Elternschaft kann nur durch Anfechtung wieder beseitigt werden. Berufen demgegenüber mehrere Rechtsordnungen gleichzeitig verschiedene Abstammungsverhältnisse, ist diejenige Rechtsordnung maßgeblich, zu der das Kind die engere Verbindung aufweist. Das durch die alternative Anknüpfung verfolgte Ziel, dem Kind zu zwei Elternteilen zu verhelfen, wurde erreicht und somit kann auf das grundlegende Ziel des IPR, dasjenige Recht zu berufen, das die engste Verbindung zu dem Sachverhalt aufweist, wieder verfolgt werden. Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, sollte klargestellt werden, dass dies grundsätzlich das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ist. Die beiden Gesetzesvorschläge105 des Deutschen Rats für IPR, die auf Siehr und Budzikiewicz zurückgehen, bestimmen demgegenüber bei gleichzeitig entstandenen Abstammungsverhältnissen eine konkrete Anknüpfung – das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes (erster Vorschlag)106 bzw. das Recht 104 Vgl. oben S. 125 f. (Prioritätsprinzip bei nacheinander entstehenden Elternschaften) und S. 136 ff. (engste Verbindung bei gleichzeitig entstehenden Elternschaften). 105 Mansel, IPRax 2015, 185 f. (von Siehr erarbeitet); Mansel, IPRax 2020, 188 f. (von Budzikiewicz erarbeitet). Abgedruckt unten S. 310 f. 106 Mansel, IPRax 2015, 185 f.
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des gewöhnlichen Aufenthalts der gebärenden Frau (zweiter Vorschlag)107 – als maßgeblich. Dieser Ansatz bietet jedoch nur dann eine Lösung, wenn diese Anknüpfung auch zu einer Elternschaft führt. Dies wird in der überwiegenden Zahl der Fälle zutreffen, da eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass, wenn zwei Rechtsordnungen zu zwei unterschiedlichen Elternschaften führen, auch diese Anknüpfung zu einer Elternschaft führen wird. Möglich ist aber auch – wenn auch selten –, dass nur die anderen Alternativen, beispielsweise die jeweiligen Heimatrechte der potentiellen Elternteile, zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, das Aufenthaltsrecht des Kindes hingegen keine Abstammung besteht. In diesem Fall bedürfte es sodann einer anderen Lösung. Der folgende Beispielsfall soll dies verdeutlichen: Zwei in Deutschland lebende Niederländerinnen möchten sich ihren gemeinsamen Kinderwunsch erfüllen. Sie entscheiden sich für eine private Samenspende, damit das Kind seinen genetischen Vater kennen lernen kann und eine männliche Bezugsperson hat. Ihr gemeinsamer Freund, ein Franzose, möchte gerne diese Rolle übernehmen und ist daher zu einer privaten Samenspende bereit. Alle Beteiligte leben in Deutschland und auch das Kind soll in Deutschland geboren werden und hier aufwachsen. Noch vor der Geburt erklären sowohl der Franzose als auch die Lebensgefährtin der Geburtsmutter die Anerkennung für das Kind. Die Geburtsmutter stimmt dem Anerkenntnis ihrer Lebensgefährtin zu. Die Frage ist nun, wer der zweite rechtliche Elternteil des Kindes ist. Nach dem Aufenthaltsrecht des Kindes ist weder der Franzose noch die Niederländerin zweiter Elternteil, da das deutsche Recht für ein wirksames Vaterschaftsanerkenntnis eine Zustimmung der Mutter fordert und eine Co-Mutterschaft nicht kennt. Das französische Heimatrecht des Mannes sieht schließlich den Mann als rechtlichen Vater an, da dieses keine Zustimmung verlangt.108 Da die kumulative Anknüpfung der Zustimmung zukünftig nicht mehr erforderlich sein sollte (hierzu unten109), ist die Vaterschaft auch nicht aus diesem Grund unwirksam. Das niederländische Recht als dem Heimatrecht der zweiten Frau ordnet hingegen der Lebensgefährtin das Kind zu, da die Mutter diesem Anerkenntnis zugestimmt hat.110 Da beide Anerkennungen bereits vor der Geburt abgegeben wurden, handelt es sich um gleichzeitig entstandene, konkurrierende Abstammungsverhältnisse.
Würde man in diesem Fall auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes abstellen, hälfe dies nicht weiter, da dieses gerade zu keiner Abstammung führt. Überzeugend erscheint es hier auf die engere Verbindung abzustellen. In dem Beispielsfall wäre dies das niederländische Recht, da auch die Geburtsmutter die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt. 107 Mansel, 108 Art. 316
IPRax 2020, 188 f. frz. CC. Zwar ist in Frankreich seit dem 04.08.2021 auch eine Co-Mutterschaft erlaubt (Art. 342-10, 342-11 frz. CC). Diese ist jedoch auf die Fälle einer medizinischassistierten Reproduktion beschränkt und verlangt daher, dass die Zustimmung zur künstlichen Befruchtung vor der Behandlung vor einem Notar abgegeben wurde. Im vorliegenden Beispielsfall sind die Vorschriften mithin nicht einschlägig. 109 Siehe unten S. 275 ff. 110 Art. 1:198 Abs. 1 lit. c BW.
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2. Konkreter Vorschlag Eine neue Regelung mit einer alternativen Anknüpfung und einer kollisionsrechtlichen Lösung für den Fall konkurrierender Vaterschaften könnte unter Berücksichtigung des oben Gesagten folgendermaßen aussehen: „Art. 19 Abstammung (1) Die Abstammung eines Kindes bestimmt sich nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat das Kind noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die gebärende Person im Zeitpunkt der Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Abstammung kann auch nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des jeweiligen Elternteils sowie nach dessen Heimatrecht bestimmt werden. (2) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist die Geburt für die gesetzliche Zuordnung, der Zeitpunkt der Anerkennungserklärung für die Anerkennung und die Anrufung des Gerichts für die gerichtliche Feststellung. Zusätzlich ist für die Anerkennung und die gerichtliche Feststellung für die Bestimmung des anwendbare Rechts nach Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2 auch der Zeitpunkt der Geburt maßgeblich. (3) Kommen die in Absatz 1 bestimmten Rechtsordnungen zu widersprüchlichen Ergebnissen, ist die zuerst entstandene Abstammungsbeziehung maßgeblich. Entstehen die sich widersprechenden Abstammungsverhältnisse zum gleichen Zeitpunkt, ist diejenige Rechtsordnung maßgebend, zu dem der Sachverhalt die engere Verbindung aufweist. Dies ist das nach Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2 bestimmte Recht, wenn danach ein Abstammungsverhältnis besteht.“
3. Vor- und Nachteile a) Vorteile Durch die Beibehaltung der alternativen Anknüpfung werden die Vorteile, die das geltende Recht bietet, übernommen. Zugleich wird durch die Verankerung einer gesetzlichen Lösung, wie bei konkurrierenden Elternschaften zu verfahren ist, der jahrelange Streit hierüber beendet. Zwar sind weiterhin divergierende Ergebnisse aufgrund der Mehrfachanknüpfung möglich, allerdings schreibt das Gesetz selbst vor, wie der Konflikt zu lösen ist. Der Vorteil dieses Modells ist damit, dass weiterhin die Begründung eines Abstammungsverhältnisses durch die Mehrfachanknüpfung begünstigt wird. Fehlt etwa nach einer Rechtsordnung eine Voraussetzung für eine wirksame Anerkennung wie etwa der Zustimmung der Mutter, kann auf eine andere Rechtsordnung abgestellt werden.111 Gleiches gilt, wenn nach einer Rechtsordnung, die gerichtliche Feststellung nicht mehr fristgerecht oder derjenige, der die 111 Art. 23
EGBGB grenzt für das Zustimmungserfordernis wie oben gesehen (S. 109 ff.) durch eine kumulative Anknüpfung die alternative Anknüpfung wieder ein. Hieran soll jedoch nach der hier vertretenen Auffassung zukünftig nicht mehr festgehalten werden, siehe S. 275 ff.
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Feststellung begehrt, nicht klage- bzw. antragsberechtigt ist.112 Auch im Hinblick auf die Abstammung eines Kindes, welches mittels medizinisch assistierter Reproduktion gezeugt wurde, erscheint eine Mehrfachanknüpfung sinnvoll, da die Regelungen hierzu in einigen Rechtsordnungen noch lückenhaft sind – wie etwa im deutschen Recht – und dies durch eine Berufung mehrerer Rechtsordnungen ausgeglichen werden kann. Noch deutlicher sind die Unterschiede bei gleichgeschlechtlichen Elternschaften: Da nur ein Teil der Rechtsordnungen die Zuordnung zu einer zweiten Frau erlaubt, fördert eine Mehrfachanknüpfung die Begründung der Elternschaft zu der zweiten Frau, weil es so für die Entstehung der Elternschaft ausreichend ist, dass nur eine der berufenen Rechtsordnungen eine solche Zuordnungsregelung kennt.
b) Nachteile Durch die alternative Anknüpfung samt Prioritätsprinzip setzt sich die Abstammung kraft Gesetzes stets gegenüber einer postnatalen Anerkennung durch, das heißt, die Vaterschaft des (Ex-)Ehemanns wird immer gegenüber der Vaterschaft des Anerkennenden bevorzugt. Da eheliche und nichteheliche Kinder heutzutage gänzlich gleichgestellt sind, besteht für die Privilegierung der „ehelichen Abstammung“ kein sachlicher Grund mehr. Vielmehr entspricht es dem rechtsvergleichenden Trend im Sachrecht, die Ehelichkeitsvermutung sachgerecht einzuschränken und mehr Raum für eine Anerkennung zu geben.113 Diese sachrechtliche Wertung sollte auch Eingang in das Kollisionsrecht finden. Die Zuordnung zum Ex-Ehemann anstelle des Anerkennenden wird für die Beteiligten häufig überraschend sein und nicht selten zu einer aufwendigen Anfechtungsklage führen.114 Die Benachteiligung des Anerkennenden ist daher kritisch zu betrachten. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Behandlung von prä- und postnataler Anerkennung: Bei einem Konflikt einer pränatalen Anerkennung mit der Vaterschaft des (Ex-)Ehemanns setzt sich die Abstammung aufgrund der Ehe nicht zwingend durch, sondern es entscheidet das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Den Betroffenen wird es nur schwer vermittelbar sein, wieso das nach der Geburt abgegebene Anerkenntnis einer anderen Vaterschaft weichen muss; das Ergebnis hingegen ein anderes wäre, wenn sie theoretisch die Anerkennung und Zustimmung vor der Geburt abgegeben hätten. Für die Betroffenen erscheint die Unterscheidung als rein zufällig, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es bei einem rein nationalen Sachverhalt keine Unterscheidung zwischen prä- und postnatalem Anerkenntnis gibt und die postnatale Anerkennung gerade den Regelfall darstellt.115 112
Siehe hierzu die rechtsvergleichende Übersicht auf S. 15 ff.
113 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 27. 114 Vgl. JurisPK/Duden, Art. 19 EGBGB Rn. 69. 115 JurisPK/Duden, Art. 19
EGBGB Rn. 69; Henrich, FamRZ 2016, 926.
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II. Modell 2: Subsidiäre Anknüpfung mit Bestimmung eines Zeitpunktes für die Anwendung des subsidiären Rechts Möchte man an einer Mehrfachanknüpfung festhalten, besteht neben der Möglichkeit einer alternativen Anknüpfung auch die Möglichkeit einer subsidiären Anknüpfung, bei der die Anknüpfungen in einer festgelegten Reihenfolge zueinanderstehen. Erst wenn die Anknüpfung auf der ersten Stufe zu keinem Ergebnis kommt, wird die Anknüpfung auf zweiter Stufe befragt; führt diese auch zu keinem Ergebnis, ist die nächste Stufe maßgeblich. Man spricht deshalb auch von einer Anknüpfungsleiter.116 Im geltenden Recht wird die Technik der subsidiären Anknüpfung meist für den Fall benutzt, dass die vorangegangene Anknüpfung zu keiner Rechtsordnung führt, da etwa kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt oder kein gemeinsames Heimatrecht besteht.117 Die nachfolgenden Anknüpfungen dienen demnach nur als Ersatzanknüpfungen.118 Ebenso möglich ist es aber, eine Rechtsordnung als subsidiär anwendbar für den Fall zu erklären, dass die vorangegangene Anknüpfung nicht zu dem gewünschten Ergebnis, wie hier zu einer Elternschaft, führt.119 Verwendet wird diese Technik etwa in Art. 13 Abs. 2 EGBGB sowie im Haager Unterhaltsprotokoll.120 v. Hein nennt dies eine „materiellrechtlich begründete Subsidiarität“.121 Denkbar ist es, das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vorrangig zu befragen und nur, wenn dieses zu keiner Abstammungsbeziehung führt, auf den gewöhnlichen Aufenthalt des jeweiligen Elternteils sowie subsidiär auf dessen Heimatrecht abzustellen. Eine subsidiäre Anknüpfung findet sich etwa im polnischen und spanischen Recht.122 Auch einige derjenigen Länder, die erst kürzlich eine Reform des internationalen Abstammungsrechts durchführten,123 haben sich wohl – die Ein116
Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 143. Art. 14 Abs. 2 EGBGB. Im europäischen Kollisionsrecht außerdem in Art. 26 Abs. 1 EuGüVO und Art. 8 Rom III-VO. 118 MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 70 f. spricht in diesem Fall von einer „kollisionsrechtliche[n] Subsidiarität“. 119 Vgl. zu dieser Technik Basedow, in: Basedow/Rühl/Ferrari/de Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, 311, 319; Mansel in: Basedow/Rühl/Ferrari/de Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, 441, 447; MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 72. 120 Art. 13 Abs. 2 EGBGB beruft unter bestimmten Voraussetzung das deutsche Recht zur Anwendung, wenn nach dem primär anwendbaren Recht eine Ehevoraussetzung fehlt und deshalb keine Ehe geschlossen werden kann. Art. 4 Abs. 2 des Haager Unterhaltsprotokolls lautet „(2) Kann die berechtigte Person nach dem in Artikel 3 vorgesehenen Recht von der verpflichteten Person keinen Unterhalt erhalten, so ist das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht anzuwenden.“ 121 MüKo/v. Hein, Einl. IPR Rn. 72. 122 Art. 9 Abs. 4 span. CC, Art. 55 poln. IPRG. Teilweise subsidiär anknüpfend Schweden für die gesetzliche Vaterschaft (§ 2 IntVaterG), Österreich und die Niederlande für die Anerkennung (§ 25 österr. IPRG, Art. 10:95 Abs. 1 BW). 123 Siehe hierzu die S. 235 Fn. 1. 117 Etwa
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ordnung ist nicht immer eindeutig – für eine subsidiäre Anknüpfung entschieden.124 Schließlich befürwortet auch die Europäische Kommission in ihrem neuen Verordnungsvorschlag zum internationalen Abstammungsrecht eine subsidiäre Anknüpfung.125 Bei der subsidiären Anknüpfung ist ein einheitliches Abstellen aller Anknüpfungen auf den Zeitpunkt der Geburt geboten, da sich verschiedene Anknüpfungen mit unterschiedlichen Zeitpunkten je nach Abstammungsbeziehung nicht in eine vernünftige Reihenfolge bringen lassen.
1. Bestimmung eines Zeitpunktes für die subsidiären Anknüpfungen a) Problemlage Die subsidiäre Anknüpfung führt zu keinen Problemen, wenn das erstberufene Recht bereits im Zeitpunkt der Geburt zu einer Abstammungsbeziehung führt, so etwa aufgrund einer Abstammung kraft Ehe oder aber aufgrund einer pränatalen Anerkennung. Die festgestellte Abstammungsbeziehung ist maßgebend; unerheblich ist, ob die anderen Anknüpfungen zu einer anderen Abstammung führen würden. Widersprüchliche Ergebnisse können so erst gar nicht entstehen. Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen auf die zweite Anknüpfung abgestellt werden darf. Man stelle sich vor, nach dem erstberufenen Recht besteht keine gesetzliche Vaterschaft und der neue Lebensgefährte der Mutter hat nach der Geburt das Kind anerkannt. Nach dem zweitberufenen Recht wird das Kind hingegen dem geschiedenen Ehemann der Mutter zugeordnet. Hier stellt sich nun die gleiche Frage, wie im geltenden Recht im Rahmen der Alternativanknüpfung, nämlich auf welchen Zeitpunkt für die Feststellung der Abstammung abzustellen ist. Mit den gleichen Argumenten wie zum geltenden Recht126 muss auch hier der Zeitpunkt der Geburt als der Zeitpunkt, in dem das Kind seine Rechtsfähigkeit erlangt und daher die gesetzliche Abstammung begründet wird, maßgeblich sein. Im Zeitpunkt der Geburt besteht aber nach dem erstberufenen Recht noch keine Elternschaft, da die Anerkennung erst nach 124 So in Nordmazedonien, Kroatien, Montenegro, Albanien, Bulgarien und Italien. Die Einordnung als alternative oder subsidiäre Anknüpfung ist in diesen Ländern nicht eindeutig. Die Länder bestimmen eine Regelanknüpfung, lassen jedoch weitere Anknüpfungen für den Fall zu, dass dies für das Kind günstiger ist. Je nach Auslegung des Günstigkeitsprinzips lässt sich hierin eine alternative oder subsidiäre Anknüpfung erblicken. Legt man das Günstigkeitsprinzip so aus, dass ein Abstellen auf die zusätzlichen Anknüpfungen nur in Betracht kommt, wenn die erste Anknüpfung zu keinem Ergebnis führt, handelt es sich um eine subsidiäre Anknüpfung, vgl. zur Einordnung ausführlich S. 252 Fn. 96 Satz 2 ff. 125 Art. 17 des Vorschlags für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats, COM(2022) 695 final. 126 Siehe oben S. 126 ff.
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Geburt erklärt wurde. Konsequenterweise muss demnach auf das zweitberufene Recht abgestellt werden, das zur Abstammung vom Ex-Ehemann führt. Rückwirkend doch auf das erstberufene Recht abzustellen, da dieses durch die Anerkennung doch noch zu einer Vaterschaft führt, ist nicht überzeugend, da die Anerkennung auch erst Monate oder Jahre später erfolgen kann. Mit der Rechtssicherheit aller Beteiligten wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Vaterschaft des Ex-Ehemanns auch noch Jahre nach der Geburt rückwirkend wieder entfallen könnte beziehungsweise durchgehend ein Schwebezustand bestünde. Durch das Abstellen auf den Zeitpunkt der Geburt bleibt jedoch wie bei der Alternativanknüpfung samt Prioritätsprinzip eine postnatale Anerkennung – auch wenn sie unmittelbar nach der Geburt abgegeben wird – immer unbeachtlich, wenn eine gesetzliche Zuordnung nach einer anderen Rechtsordnung besteht, auch wenn die Rechtsordnung, die den Anerkennenden als Vater ansieht, vorrangig zur Anwendung berufen ist.
b) Einführung eines Zeitpunktes Möchte man der Anerkennung, die unmittelbar nach der Geburt abgegeben wird und nach dem erstberufenen Recht wirksam ist, Vorrang einräumen, müsste auf einen späteren Zeitpunkt abgestellt werden. Um dies praktisch umzusetzen, bedarf es einer ausdrücklichen Bestimmung im Gesetz, wann die zweite Rechtsordnung herangezogen werden darf. Denkbar wäre es, auf die erstmalige Eintragung im Geburtenregister abzustellen, wie dies bereits im geltenden Recht bei der Alternativanknüpfung von einigen Vertretern befürwortet wird.127 Läge eine Anerkennung nach dem erstberufenen Recht bereits im Zeitpunkt der Eintragung vor, müsste somit der Anerkennende als Vater eingetragen werden. Dafür würde sprechen, dass häufig die Anerkennung zusammen mit der Geburt erklärt wird und sich zu diesem Zeitpunkt die Abstammungsfrage regelmäßig das erste Mal stellt. Gegen den Zeitpunkt der Eintragung ins Geburtenregister spricht allerdings, dass dieser sehr unbestimmt ist.128 Zwar besteht im Inland eine Pflicht der Beteiligten die Geburt innerhalb von einer Woche anzuzeigen, es ist aber nicht geregelt, wann die Eintragung durch das Standesamt spätestens zu erfolgen hat. Bei Auslandsgeburten müsste zudem auf die Eintragung in das ausländische Geburtenregister abgestellt werden, die je nach Land unterschiedlich geregelt sein kann. Überzeugender ist es daher, einen eindeutigen Zeitpunkt zu bestimmen, ab wann das zweitberufene Recht maßgeblich ist, wenn das erste zu keiner Abstammung führt. Bei der Bestimmung eines Zeitpunktes sind folgende Über127 Vgl. oben S. 126 f. 128 Bei der Eintragung
einer Auslandsgeburt eines deutschen Kindes kann die Eintragung erst Monate nach der Geburt erfolgen, da hier keine gesetzliche Pflicht zur Eintragung besteht, vgl. § 36 PStG; Frie, StAZ 2017, 104, 108.
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legungen miteinzubeziehen: In Fällen mit einem Auslandsbezug wird regelmäßig die Abgabe einer Vaterschaftsanerkennungserklärung sowie die – meist erforderliche – mütterliche Zustimmung mehr Zeit in Anspruch nehmen als bei einem rein inländischen Sachverhalt. So müssen ausländische Urkunden wie etwa die Geburtsurkunde der Mutter oder des Anerkennenden zunächst von einem anerkannten Übersetzer ins Deutsche übersetzt werden, um sie bei einer für die Entgegennahme der Anerkennung zuständigen Stelle vorlegen zu können.129 Gleiches gilt für eine Bescheinigung über den Personenstand der Mutter oder eines ausländischen Scheidungsurteils. Zudem ist die Rechtslage bei grenzüberschreitenden Fällen komplizierter und daher ist es für die Beteiligten schwieriger diese in Erfahrung zu bringen beziehungsweise sie zu verstehen. Weitere Schwierigkeiten können für die Betroffenen bestehen, wenn sie zwar in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sie aber die Sprache nicht hinreichend gut beherrschen und deshalb auf fremde Hilfe angewiesen sind. Dies alles kann die Vornahme einer Vaterschaftsanerkennung verzögern. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass in Deutschland eine Mutterschutzfrist von acht Wochen nach der Entbindung gilt.130 Innerhalb dieser Zeit ist es der Mutter weder zumutbar erforderliche Erklärungen abzugeben noch entsprechende Erkundigungen über die Rechtslage einzuholen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erscheint daher eine Frist von sechs Monaten nach der Geburt angemessen. Dass hierdurch ein Schwebezustand von bis zu sechs Monaten bestehen kann, ist vor dem Hintergrund, dass ein solcher im deutschen Sachrecht ebenfalls bestehen kann, hinzunehmen. So wird etwa nach § 1599 Abs. 2 BGB eine Vaterschaftsanerkennung für ein Kind, dass nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird – vorausgesetzt der Ehemann und die Mutter stimmen diesem zu –, erst mit Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses wirksam. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Anerkennungserklärung des Vaters schwebend unwirksam.131 Ein zusätzlicher Vorteil einer längeren Frist ist, dass bei einer Inlandsgeburt das Standesamt die Beteiligten darauf hinweisen kann, dass eine Anerkennung noch innerhalb der Frist erklärt werden kann und andernfalls die Vaterschaft des (Ex-)Ehemanns gilt.
2. Bedürfnis einer gesetzlichen Lösung für konkurrierende Vaterschaften Auch bei einer subsidiären Anknüpfung kann es jedoch zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen, sodass eine kollisionsrechtliche Lösung auch hier nicht entbehrlich ist. Zwar ist dies nicht zwischen den verschiedenen Anknüpfungsmerkmalen möglich, da diese eben gerade in einer Reihenfolge zueinander129 Vgl. hierzu etwa die Homepage der Stadt München, . 130 § 3 MuSchG. 131 MüKo/Wellenhofer, § 1599 BGB Rn. 76 f.
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stehen. Die einzelnen Anknüpfungen wie der gewöhnliche Aufenthalt des jeweiligen Elternteils und die Anknüpfung an das jeweilige Heimatrecht eines Elternteils können jedoch bei zwei potentiellen Vätern zu unterschiedlichen Rechtsordnungen und damit zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Festzuhalten ist hier aber, dass konkurrierende Vaterschaften beziehungsweise Elternschaften bei der subsidiären Anknüpfung nur noch höchst selten vorkommen werden, da bei zwei möglichen Vätern regelmäßig bereits das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zu einer Abstammung führen wird, welche aufgrund der vorgeschriebenen Rangordnung Vorzug genießt. Die kollisionsrechtliche Konfliktregelung wird bei diesem Modell somit nur in seltenen Ausnahmefällen relevant. Hinsichtlich der Ausgestaltung ergeben sich keine inhaltlichen Unterschiede zu der Konfliktregelung bei der alternativen Anknüpfung, sodass auf das oben Gesagte verwiesen werden kann.
3. Konkreter Vorschlag Ein konkreter Gesetzesvorschlag könnte folgendermaßen aussehen: „Art. 19 Abstammung (1) Die Abstammung eines Kindes bestimmt sich nach dem Recht des Staates, in dem das Kind im Zeitpunkt der Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat das Kind noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt, gilt ersatzweise das Recht des Staates, in dem die gebärende Person im Zeitpunkt der Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. (2) Begründet das nach Absatz 1 anwendbare Recht auch sechs Monate nach der Geburt keine Abstammung von zwei Elternteilen, kann die Abstammung hilfsweise im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates erfolgen, 1. in dem dieser Elternteil im Zeitpunkt der Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sonst 2. dem dieser Elternteil im Zeitpunkt der Geburt angehört. (3) Führen die nach Absatz 2 Nummer 1 oder die nach Absatz 2 Nummer 2 anwendbaren Rechtsordnungen zu widersprüchlichen Ergebnissen, ist die zuerst entstandene Abstammungsbeziehung maßgeblich. Entstehen die sich widersprechenden Abstammungsverhältnisse zur gleichen Zeit, ist diejenige Rechtsordnung maßgebend, zu dem der Sachverhalt die engere Verbindung aufweist.“
4. Vor- und Nachteile Durch die subsidiäre Anknüpfung muss eine postnatale Anerkennung anders als bei dem vorangegangenen Modell der alternativen Anknüpfung nicht immer bereits dann einer Abstammung kraft Gesetzes weichen, wenn die Elternschaft des Anerkennenden ein paar Tage später entsteht – sofern sie noch innerhalb von sechs Monaten erklärt wurde. Vielmehr entscheidet das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt, mithin das Recht, mit dem das Kind am engsten verbunden ist und das für die konkurrierenden Väter eine neutrale Anknüpfung darstellt, ob es eine automatische Zuordnung vorsieht oder eine Anerkennung zulässt. Libe-
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ralere Rechtsordnungen, welche die Zuordnung zum Ehemann zugunsten eines Anerkennenden einschränken, werden so – anders als bei dem Modell der alternativen Anknüpfung – nicht benachteiligt, sondern kommen gleichermaßen zur Anwendung. Dadurch besteht auch keine unterschiedliche Behandlung mehr zwischen prä- und postnatalen Anerkennungen im Verhältnis zu gesetzlichen Zuordnungen, sofern die postnatale Anerkennung innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt erklärt wurde. Die Anknüpfungsleiter bietet ansonsten die gleichen Vorteile wie die alternative Anknüpfung. Ein Nachteil der Berufung der subsidiären Rechtsordnungen erst nach sechs Monaten ist, dass es für die Beteiligten eine Verzögerung des Verfahrens der Eintragung bedeutet, wenn das erste Recht nicht zu einer Abstammung führt. Man stelle sich vor, das erstberufene Recht kennt keine Co-Mutterschaft, das zweit- oder drittberufene Recht hingegen schon. Dann muss die Co-Mutter erst sechs Monate warten bis ihre Elternschaft eingetragen werden kann. Die Eltern müssen nach der Anzeige der Geburt somit erneut das Standesamt aufsuchen, was für die Beteiligten und auch für das Standesamt mit einem Mehraufwand verbunden ist. Dagegen lässt sich wiederum einwenden, dass dies nicht die Mehrheit der Fälle betrifft: im Normalfall wird bereits das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt eine Abstammung begründen und somit keine Wartezeit mit sich bringen. Für die restlichen Fälle ist die Verzögerung hinnehmbar.
III. Modell 3: Singuläre Anknüpfung Fraglich ist, ob eine zukünftige Kollisionsnorm nicht auch einfacher und schlichter ausfallen könnte. In manchen Rechtordnungen wird nur auf ein Anknüpfungsmerkmal mit nur einem Zeitpunkt abgestellt: So knüpfen etwa Russland132 und die Ukraine133 die Abstammung nur an das Heimatrecht des Kindes im Zeitpunkt der Geburt an.134 Unter Berücksichtigung der vorangegangen Untersuchung der Anknüpfungsmerkmale ist eine alleinige Anknüpfung an das Heimatrecht des Kindes nicht überzeugend, aber es könnte anstelle dessen ausschließlich auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Zeitpunkt der Geburt abgestellt werden – sowie ersatzweise auf den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Person. Die Neuregelung der Dominikanischen Republik sieht eine vergleichbare Kollisionsnorm vor: Danach ist ausschließlich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes für die Abstammung maßgeblich.135 132 Art 162 Abs. 1 russ. FamGB. 133 Art. 65 i. V. m. 16 Abs. 1 ukr. IPRG. 134 Auch
Slowenien (Art 43 IPRG) und Panama (Art 39 IPRG) stellen ausschließlich auf das Heimatrecht des Kindes ab, allerdings ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen. 135 Art 49 dom. IPRG. Das dominikanische Recht bestimmt aber keinen konkreten Zeitpunkt.
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1. Konkreter Vorschlag Eine singuläre Anknüpfung könnte wie folgt formuliert werden: „Art. 19 Abstammung (1) Die Abstammung eines Kindes bestimmt sich nach dem Recht des Staates, in dem das Kind zur Zeit seiner Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat das Kind noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt, gilt ersatzweise das Recht des Staates, in dem die gebärende Person im Zeitpunkt der Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.“
2. Vor- und Nachteile Widersprüche in Form von konkurrierenden Elternschaften sind durch dieses Modell von vornherein ausgeschlossen, ebenso kann es aufgrund des einheitlichen Abstellens auf den Zeitpunkt der Geburt zu keinem Normenmangel kommen. Für den Rechtsanwender bietet das Modell den Vorteil, dass die Anwendung der Norm einfach ist und sich somit das anzuwendende Recht leicht bestimmen lässt. Ferner hat der Rechtsanwender ausschließlich die Abstammung anhand einer Rechtsordnung zu prüfen und muss sich im Zweifel nicht mit mehreren Rechtsordnungen auseinandersetzen, was eine schnelle Bestimmung der Abstammung ermöglicht: Kommt die maßgebende Rechtsordnung zu keinem Ergebnis, hat es damit sein Bewenden und es müssen nicht erst weitere Rechtsordnungen befragt werden. In der Vielzahl der Fälle ist eine solche Norm völlig ausreichend: Die Zuordnung zur gebärenden Frau und zum Ehemann ist in den meisten Rechtsordnungen bekannt und wie oben gesehen, spricht ohnehin vieles dafür, die Zuordnung zum (Ex-)Ehemann kollisionsrechtlich nicht zu fördern. Ebenso nehmen die Anerkennungs- und Feststellungsverbote weltweit ab,136 sodass eine Abstammungsbegründung regelmäßig möglich sein wird. Dem Argument, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes zur Zeit der Geburt möglicherweise bei einer späteren Anerkennung oder der gerichtlichen Feststellung schwer feststellbar ist,137 ließe sich entgegensetzen, dass die Anerkennung und die gerichtliche Feststellung in der Regel zeitnah erfolgen wird und das Argument daher nicht so schwer wiegt.
136 So bereits Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 21. Früher kannten insbesondere viele romanischen Rechtsordnungen ein Verbot, Kinder, die aus einer ehebrecherischen Beziehung hervorgehen, anzuerkennen oder gerichtlich festzustellen, vgl. Eschbach, Nichteheliche Kindschaft im IPR, S. 22 Fn. 91. Auch das türkische Recht sah ursprünglich ein solches Verbot vor, vgl. KG (08.02.1994), FamRZ 1994, 1413; dieses wurde aber mittlerweile ebenfalls aufgehoben. Anerkennungsverbote und Feststellungshindernisse existieren jedoch vor allem noch in manchen islamischen Rechtsordnungen, MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 2. Siehe hierzu den Rechtsvergleich oben auf S. 11 ff. sowie die Ausführungen zum Model 4 unten auf S. 266 f. 137 Siehr, in: FS Coester-Waltjen, 769, 774; Siehr, StAZ 2015, 258, 263 f. Vgl. zum Argument oben S. 248 f.
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Nachteil dieses Modell ist jedoch, dass eine Einfachanknüpfung hinsichtlich solcher Phänomene, die international nicht so verbreitet sind wie eine gleich geschlechtliche Elternschaft, oftmals nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen wird. Die rechtliche Anerkennung dieser Abstammungsbeziehungen wird durch das Modell nicht mehr gefördert. Aber auch bei den allgemeinen Abstammungsregeln ist der Vorteil der Mehrfachanknüpfung nicht zu unterschätzen: So sehen etwa bei der gerichtlichen Feststellung einige Rechtsordnungen bestimmte Fristen oder einen eingeschränkten Kreis von Antragsberechtigten vor.138 Eine Abkehr von einer Mehrfachanknüpfung kann mithin auch abseits der Fälle von medizinisch assistierter Reproduktion vermehrt zu einer Vaterlosigkeit führen.
IV. Kombinationsmodell 4: Mehrfachanknüpfung nur für die Zuordnung aufgrund eines Rechtsgeschäfts und für die gerichtliche Feststellung Einige ausländische Kollisionsrechte unterscheiden für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf die Abstammung zwischen den verschiedenen Abstammungsarten.139 Dabei unterstellen manche Länder die gesetzliche Zuordnung nur einer Rechtsordnung, wohingegen für die Anerkennung eine Mehrzahl an Anknüpfungen zur Verfügung steht.140 Eine solche Lösung könnte sich auch für das deutsche Recht anbieten. Auch die beiden Reformvorschläge des Deutschen Rates für internationales Privatrecht sehen eine solche Unterscheidung vor.141
1. Singuläre Anknüpfung für die Abstammung kraft Gesetzes Der Hauptanwendungsfall der Abstammung kraft Gesetzes ist die Zuordnung zur gebärenden Frau und die Zuordnung zum Ehemann. Die Zuordnung zum Ehemann ist nahezu weltweit vertreten,142 sodass es hierfür keiner Mehr138
Siehe den rechtsvergleichenden Überblick auf S. 15 ff. beispielweise in Monaco (Unterscheidung zwischen Feststellung der Abstammung und Anerkennung, Art. 43, 44 IPRG), Niederlanden (Unterscheidung zwischen Abstammung durch Geburt, Anerkennung und gerichtliche Feststellung, Art. 10:92 Abs. 1, 10:94 Abs. 1, 10:95 Abs. 1, 10:97 Abs. 1 BW), Frankreich (Unterscheidung zwischen Abstammung und Anerkennung, Art. 311-14, 311–17 CC), Österreich (Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern, § 21, 25 IPRG), Rumänien (Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern, Art. 2.603, 2.605 ZGB), Portugal (Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern, Art. 56 CC). Sofern manche dieser Länder zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterscheiden, läuft dies im Ergebnis auch auf eine Unterscheidung zwischen gesetzlicher Zuordnung und Anerkennung hinaus, da die Abstammung von ehelichen Kindern üblicherweise kraft Gesetzes und die Zuordnung bei nichtehelichen Kinder regelmäßig kraft Anerkennung erfolgt. 140 Etwa in Monaco (Art. 43, 44 IPRG) und in den Niederlanden (Art. 10:92 Abs. 1, 10:94 Abs. 1, 10:95 Abs. 1, 10:97 Abs. 1 BW). 141 Mansel, IPRax 2015, 185; Mansel, IPRax 2020, 188. 142 Vgl. hierzu den rechtsvergleichende Überblick auf S. 9 ff. 139 So
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fachanknüpfung bedarf, die eine solche Zuordnung begünstigt. Unterschiede ergeben sich lediglich hinsichtlich der Reichweite der Zuordnung und der Möglichkeit der Widerlegung. So sehen manche Länder wie beispielsweise Deutschland keine Zuordnung zum Ehemann mehr vor, wenn das Kind nach der Scheidung geboren ist, wohingegen andere Länder bereits keine Vaterschaft des Ehemanns mehr annehmen, wenn das Paar getrennt lebt.143 Ferner kann etwa nach italienischem Recht die Vaterschaft des Ehemanns dadurch verhindert werden, dass der Mann nicht in das Geburtenregister eingetragen wird.144 Derartige Einschränkungen der „ehelichen Abstammung“ tragen jedoch lediglich der Lebensrealität Rechnung, dass der Ehemann in diesen Fällen häufig nicht der leibliche Vater ist und auch nicht die soziale Vaterrolle übernehmen möchte. Diese sachrechtliche Überlegung sollte auch im Kollisionsrecht Beachtung finden, indem die Zuordnung kraft Gesetzes nicht durch eine Mehrfachanknüpfung begünstigt wird. Dies entspricht auch regelmäßig den Erwartungen der Beteiligten: Für ein in Deutschland lebendes Paar ist es meist sehr überraschend, wenn das Kind dem Ex-Ehemann der Mutter zugeordnet wird, weil dieser die Staatsangehörigkeit eines Staates besitzt, der eine solche Zuordnung vorsieht. Dass das Kind durch die einfache Anknüpfung häufiger zunächst vaterlos ist, ist unproblematisch, da so die Möglichkeit für den genetischen Vater besteht, die Vaterschaft anzuerkennen. Dies entspricht auch dem Interesse des genetischen Vaters, seine Vaterschaft auf einfachem Weg begründen zu können. Ist einmal kein Mann zur Anerkennung bereit, besteht immer noch die Möglichkeit, die Vaterschaft mittels eines Feststellungsverfahrens feststellen zu lassen, das mit Hilfe einer DNA-Analyse sicher zum genetischen Vater führt. Die Gefahr, dass das Kind vaterlos bleibt, ist daher gering. In Bezug auf die Begründung der Mutterschaft hat die Anknüpfung an nur ein Anknüpfungsmerkmal allerdings zur Folge, dass hierdurch öfter ein Mutterschaftsanerkenntnis relevant werden könnte.145 Da jedoch mittlerweile die meisten Staaten die Mutterstellung automatisch der gebärenden Frau zuweisen und daher nur noch sehr vereinzelt eine Mutterschaftsanerkennung erforderlich ist,146 wiegt dies nicht so schwer.
2. Alternative Anknüpfung hinsichtlich der Anerkennung Die Anerkennung, die gerade auf einer freiwilligen Handlung beruht, sollte jedoch weiterhin durch eine Mehrfachanknüpfung begünstigt werden. Gerade im 143
Vgl. hierzu den rechtsvergleichenden Überblick auf S. 9 ff. Gabrielli, in: Schwab/Henrich, Entwicklungen des europäischen Kindschaftsrechts, 59, 63; Calvigioni, StAZ 2002, 265, 267. Siehe oben S. 10 Fn. 43. 145 Bei der alternativen Anknüpfung ist demgegenüber ein Mutterschaftsanerkenntnis bereits dann nicht mehr erforderlich, wenn nur eine der berufenen Rechtsordnungen eine automatische Zuordnung vorsieht, vgl. oben S. 95 ff. 146 Siehe den rechtsvergleichenden Überblick oben auf S. 6 ff. 144
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Hinblick auf Anerkennungsverbote ist es sowohl im Interesse des Kindes als auch des Mannes, der seine Vaterschaft begründen möchte, sinnvoll, zusätzliche Rechtsordnungen zur Anwendung zu berufen, um die Chancen der Wirksamkeit des Anerkenntnisses zu erhöhen. Zwar haben Anerkennungsverbote in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen, dennoch sind sie etwa noch in islamisch geprägten Rechtsordnungen anzutreffen.147 Ferner fordern manche Staaten für die Wirksamkeit eines Anerkenntnisses, dass eine staatliche Stelle der Anerkennung zustimmen muss – so etwa Schweden.148 Eine solche staatliche Zustimmung kann für die inländischen Behörden mit Schwierigkeiten verbunden sein, wenn die Anerkennung im Inland erklärt wird, da sich die Frage stellt, wer hierfür zuständig ist und ob überhaupt nach dem anwendbaren ausländischen Recht die Zustimmung der ausländischen Behörde durch eine inländische Behörde substituiert werden kann. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint es überzeugend, mehrere Rechtsordnungen zu berufen, da sich so die Rechtsordnung durchsetzt, die die geringsten Anforderungen an die Wirksamkeit der Anerkennung stellt. Zudem wird durch eine alternative Anknüpfung auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass eine im Ausland wirksam abgegebene Anerkennung im Inland anerkannt wird. Vor dem Hintergrund, dass sich die Rechtsordnungen besonders im Hinblick auf die erforderlichen Zustimmungen in Bezug auf das Kind und die Mutter unterscheiden, ist anderenfalls möglich, dass im Ausland die erforderlichen Zustimmungen nicht eingeholt worden sind. Werden Anerkennungen im Inland abgegeben, können die Standesbeamten demgegenüber auf die erforderlichen Zustimmungen hinwirken. Darüber hinaus wird durch die Alternativität auch die Wirksamkeit einer Anerkennung durch eine Co-Mutter gefördert. Es stellt sich mithin nur noch die Frage, in welchem Verhältnis die Anknüpfungen zueinanderstehen sollten: in einem alternativen oder subsidiären Verhältnis? Im Hinblick auf die Praktikabilität erscheint die alternative Anknüpfung vorteilhafter. So können die Standesbeamten die Anknüpfung frei wählen und können so regelmäßig deutsches Recht anwenden, da meist eine der Anknüpfungen auf deutsches Recht verweisen wird.
3. Alternative Anknüpfung hinsichtlich der gerichtlichen Feststellung Bei der gerichtlichen Feststellung der Abstammung unterscheiden sich die Rechtsordnungen vor allem in der Frage, wer in einem solchen Verfahren antragsberechtigt ist und innerhalb welcher Frist eine Vaterschaftsfeststellung zu erfolgen hat.149 Zum Beispiel kennen einige Rechtsordnungen kein Antrags147 148
Siehe oben S. 14 f.; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 2. 1. Kap. § 4 schwed. ElternGB (der Sozialausschuss). 149 Siehe hierzu die rechtsvergleichende Übersicht auf S. 15 ff.; vgl. auch Staudinger/ Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69a f.
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recht des leiblichen Vaters auf Vaterschaftsfeststellung.150 Ferner sieht etwa das deutsche Recht keine Möglichkeit vor, die Person, die in die künstliche Befruchtung der Mutter eingewilligt hat, als Elternteil feststellen zu lassen.151 Da die gerichtliche Feststellung aber stets die rechtliche Elternschaft dem „wahren“ Elternteil zuordnet, sollte diese Form der Abstammungsbegründung ebenfalls durch eine alternative Anknüpfung begünstigt werden. So wird bei einer natürlichen Zeugung mit Hilfe einer DNA-Analyse nur die Vaterschaft des tatsächlich genetischen Vaters festgestellt und bei einer medizinisch assistierten Reproduktion die Elternschaft der Person zugeordnet, die vor der Zeugung des Kindes in die Behandlung eingewilligt hat. Die kollisionsrechtliche Begünstigung dieser Abstammungszuordnung entspricht damit dem sachrechtlichen Interesse aller Beteiligten.
4. Normenmangel und Normenhäufung a) Teleologische Auslegung des materiellen Rechts bei einem Normenmangel Durch die hier vorgestellte Lösung kann es in manchen Fällen zu einem Normenmangel kommen. Dies ist der Fall, wenn das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Geburt – das sowohl auf die gesetzliche Zuordnung als auch auf die Anerkennung anwendbar ist – keine Elternschaft beispielsweise der Co-Mutter erlaubt, ein anderes Recht, das zusätzlich auf die Anerkennung anwendbar ist, hingegen die Elternschaft bereits kraft Gesetzes begründet und daher keine Anerkennung mehr vorsieht. Das folgende Beispiel soll dies erläutern: Eine deutsche Frau und ihre belgische Ehefrau leben in Deutschland und entschließen sich mittels Samenspende im Rahmen einer medizinisch assistierten Reproduktion ein Kind zu bekommen. Die Behandlung wird bei der deutschen Frau mit Zustimmung ihrer Ehefrau durchgeführt und sie bringt sodann ein Kind zur Welt. Die beiden Frauen wollen anschließend als rechtliche Eltern (als Mutter und Co-Mutter) in das deutsche Geburtenregister eingetragen werden. Wendet man das hier vorgestellte Modell152 auf den Fall an, ist zunächst das deutsche Recht als das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Zeitpunkt der Geburt für die gesetzliche Zuordnung zu befragen. Das deutsche Recht kennt eine Zuordnung 150 Siehe hierzu die rechtsvergleichende Übersicht auf S. 15 f. Vgl. auch DIJuF, Umgangsrechte des biologischen Vaters – Europäische Staaten im Vergleich, S. 17 f.; Staudinger/ Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 69a f. 151 Der Diskussionsteilentwurf des Bundesjustizministeriums sieht in § 1598c Abs. 2 ein solche Regelung jedoch de lege ferenda vor, der Entwurf ist abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). Der vom Bundesjustizministerium eingesetzte Arbeitskreis hatte dies zuvor befürwortet, BMJV, Arbeitskreis Abstammungsrecht. Abschlussbericht, S. 61. 152 Der ausformulierte Gesetzesvorschlag ist unten auf S. 271 f. abgedruckt.
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zur Ehefrau jedoch nicht, sodass über diese Anknüpfung keine Elternschaft begründet wird. Insofern stellt sich die Frage, ob die Ehefrau zumindest das Kind anerkennen kann. Nach deutschem Recht ist dies ebenfalls nicht möglich. Da aber für die Anerkennung zusätzlich das Heimatrecht des jeweiligen Elternteils anwendbar ist, richtet sich die Frage der Anerkennung auch nach belgischem Recht. Zwar erlaubt das belgische Recht grundsätzlich eine Co-Mutterschaft durch Anerkennung zu begründen.153 Dies ist jedoch Frauen vorbehalten, die nicht mit der Mutter verheiratet sind. Denn Frauen, die mit der Mutter in einer Ehe leben, werden bereits kraft Gesetzes als Co-Mutter angesehen.154 Nach belgischem Recht ist die belgische Ehefrau somit bereits kraft Gesetzes rechtlicher Elternteil und kann daher nicht mehr wirksam anerkennen. Da aber die Verweisung gerade nur auf die Anerkennung und nicht auch auf die gesetzliche Zuordnung gerichtet ist, muss diese Elternschaft unbeachtet bleiben.
Dies wäre jedoch ein höchst unzufriedenstellendes Ergebnis. Die Lösung hierfür ist aber nicht im Kollisionsrecht selbst zu suchen, sondern ergibt sich bereits durch eine Auslegung des Sachrechts. Die abstammungsrechtlichen Regelungen müssen im Rahmen einer teleologischen Auslegung dahingehend ausgelegt werden, dass eine Anerkennung der Person, die bereits kraft Gesetzes als Elternteil angesehen wird, dennoch möglich ist. Die sachrechtlichen Regelungen lassen sich damit erklären, dass sie auf einen rein nationalen Sachverhalt zugeschnitten sind, in dem gerade eine Anerkennung für eine verheiratete Frau nicht erforderlich ist, da sie bereits kraft Gesetzes die Elternschaft erlangt. Die Regelungen bezwecken gerade nicht, dass eine Ehefrau keine Elternschaft begründen kann. Bei einem grenzüberschreitenden Fall kann die Anerkennung einer verheirateten Frau aber, wie der Beispielsfall zeigt, erforderlich sein, da sich die gesetzliche Zuordnung nach einem anderen Recht richtet. Hier muss daher im Wege einer teleologischen Auslegung beziehungsweise einer analogen Anwendung der Normen die Anerkennung auch der Ehefrau offenstehen. Somit wäre in dem Beispielfall die Ehefrau zwar nicht kraft Gesetzes rechtliche Mutter, sie kann ihre Elternschaft aber dennoch über eine Anerkennung nach belgischem Recht als ihrem Heimatrecht über den Weg einer teleologischen Auslegung begründen.
b) Gesetzliche Lösung bei konkurrierenden Elternschaften Da für die Zuordnung kraft Gesetzes und für die Anerkennung unterschiedliche Rechtsordnungen maßgeblich sein können, kann es auch in diesem Modell zu einer Konkurrenz zwischen einer Abstammung kraft Gesetzes und einer Anerkennung kommen. Ebenso ist es möglich, dass es aufgrund der Mehrfachanknüpfung hinsichtlich der Anerkennung zu einer Konkurrenz von zwei Anerkennenden kommt. Auch in diesem Modell bedarf es mithin einer Regelung, wie ein solcher Konflikt aufzulösen ist. Das Prioritätsprinzip für nacheinander entstehende Elternschaften sowie die Berufung der engsten Verbindung als 153 Art. 325/4 154 Art. 325/2
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Konfliktregelung bei gleichzeitig entstehenden Elternschaften sollte auch hier als Lösung gewählt werden. Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf die obigen Erwägungen verwiesen werden.155
5. Qualifikation der Abstammungsbegründung aufgrund einer vor Zeugung getroffenen Vereinbarung über die Elternschaft sowie aufgrund einer Zustimmung zur Vornahme der künstlichen Befruchtung Die Aufteilung in Abstammung kraft Gesetzes, kraft Anerkennung und kraft gerichtlicher Feststellung im Kollisionsrecht bereitet für die herkömmlichen Zuordnungskriterien wie der Abstammung von der gebärenden Frau, der Abstammung vom Ehemann, der Abstammung vom Anerkennenden und der gerichtlichen Feststellung keine Probleme. Auch hinsichtlich der gesetzlichen Zuordnung zum nichtehelichen Lebensgefährten oder zur Ehefrau der Mutter ist die Einteilung eindeutig. Der Fortschritt in der medizinisch assistierten Reproduktion hat jedoch in einigen Ländern zu einem weiteren Zuordnungskriterium geführt: die Zuordnung aufgrund des Willens zur Elternschaft, die sogenannte intentionale Elternschaft. Wird ein Kind durch eine Samenspende gezeugt, ordnen einige Rechtsordnungen das Kind der Person zu, die zuvor der Befruchtung zugestimmt hat.156 Auch die automatische Zuordnung zu den Wunscheltern bei einer Leihmutterschaft, wie sie in manchen Rechtsordnungen anzutreffen ist, basiert auf einem vor der Zeugung geschlossenen Vertrag, in dem die Wunscheltern erklären, die Elternschaft übernehmen zu wollen.157 Ebenso basiert die Mehrelternschaft regelmäßig auf einer ausdrücklichen Vereinbarung vor der Geburt.158 Bei diesen Abstammungsregelungen stellt sich die Frage, wie sie innerhalb des hier vorgestellten Modells zu qualifizieren sind – als Abstammung kraft Gesetzes oder als Abstammung kraft Anerkennung. Für die Qualifikation als gesetzliche Zuordnung spricht, dass das Kind automatisch im Zeitpunkt der Geburt den Wunscheltern zugeordnet wird, ohne dass es auf eine Erklärung vor oder nach der Geburt ankommt. Gleichwohl basiert diese automatische Zuordnung gerade auf der vor der Zeugung abgegebenen Erklärung, die rechtlichen Eltern sein zu wollen, was wiederum für eine Nähe zur Anerkennung spricht. Die Zuordnung aufgrund vorgeburtlicher Vereinbarung beruht letztlich wie die Anerkennung auf einer freiwilligen Erklärung – nur die Zeitpunkte der Erklärungen unterscheiden sich. Da die Anerkennung gerade deshalb durch 155 Vgl. die Ausführungen zur Einführung einer gesetzlichen Lösung für den Fall von konkurrierenden Elternschaften bei Modell 1 auf S. 251 ff. Insbesondere ist das dort gebildete Beispiel (S. 255 f.) hinsichtlich der Konkurrenz zweier Elternschaften, die jeweils nur nach den Heimatrechten bestehen, so auch in diesem Modell möglich. 156 Siehe die rechtsvergleichende Übersicht oben auf S. 23. 157 Siehe die rechtsvergleichende Übersicht oben auf S. 34 ff. 158 Siehe die rechtsvergleichende Übersicht oben auf S. 54 ff.
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eine Mehrfachanknüpfung begünstigt werden soll, da sie auf einer freiwilligen Handlung beruht, ist es mithin überzeugender die Fälle der vorgeburtlichen Vereinbarung der Anerkennung gleichzustellen. Ebenso sollten auch diejenigen Regelungen, die die Abstammung direkt an die vorherige Zustimmung zu einer künstlichen Befruchtung knüpfen, in diese Kategorie fallen.159 Mit der Zustimmung zur künstlichen Befruchtung erklärt der Vater (oder die Co-Mutter) jedenfalls indirekt die Elternschaft für das so gezeugte Kind zu übernehmen und damit ist die Grundlage für die Elternschaft auch hier ein Willensakt. Da es sich bei der Zuordnung aufgrund einer vorherigen Vereinbarung oder Zustimmung nicht um eine klassische Anerkennung handelt, sollte die Gleichbehandlung ausdrücklich in der Norm kenntlich gemacht werden, um Unsicherheiten bei der Gesetzesanwendung zu vermeiden. Anstelle der Verwendung des Begriffs „Anerkennung“ sollte daher von einer Zuordnung aufgrund eines Rechtsgeschäfts160 gesprochen und die Norm um Regelbeispiele ergänzt werden, die ausdrücklich klarstellen, dass darunter die Anerkennung, die Zuordnung aufgrund einer Zustimmung zur künstlichen Befruchtung und die Zuordnung aufgrund einer vor der Zeugung eingegangenen Vereinbarung der Elternschaft fällt.
6. Konkreter Vorschlag Ein konkreter Gesetzesvorschlag könnte folgendermaßen aussehen:161 „Art. 19 Abstammung (1) Die Abstammung eines Kindes kraft Gesetzes unterliegt dem Recht des Staates, in dem das Kind im Zeitpunkt seiner Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat das Kind in diesem Zeitpunkt noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die gebärende Person im Zeitpunkt der Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. (2) Die Abstammung eines Kindes, die durch ein Rechtsgeschäft begründet wird, kann außer nach dem durch Absatz 1 bestimmten Recht auch nach dem Recht des Staates erfolgen, 159 Vgl. hierzu auch die Aussage von Henrich, in: FS Frank, 249, 254: „Ebenso wie in Schweden gilt auch in Griechenland und in Slowenien die Einwilligung des Lebensgefährten der Mutter in eine heterologe Insemination zugleich als Anerkennung des Kindes.“ (Hervorhebungen durch die Verfasserin). 160 Die Einwilligung in eine künstliche Befruchtung ist nach überzeugender – wenn auch umstrittener – Ansicht eine Willenserklärung, zum Streit im deutschen Sachrecht Spickhoff, ZfPW 2017, 257, 263 ff.; Spickhoff, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, 13, 56; Spickhoff, in: FS Schwab, 923, 932 ff. Vgl. auch MüKo/Wellenhofer, § 1594 BGB Rn. 7 zur Anerkennung („Die Anerkennung der Vaterschaft ist ein einseitiges Rechtsgeschäft“). 161 Der Vorschlag hat viele inhaltliche Überschneidungen mit dem von Budzikiewicz für den Deutschen Rat für IPR ausgearbeiteten Gesetzesvorschlag (Mansel, IPRax 2020, 188 f.).
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
1. in dem das Kind im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder 2. in dem die Person, die ihre Elternschaft begründen möchte, im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder 3. dem diese Person im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts angehört. Unter Satz 1 fällt insbesondere die Abstammung aufgrund einer Anerkennung, aufgrund einer Zustimmung zur medizinisch assistierten Reproduktion und aufgrund einer vor der Zeugung eingegangenen Vereinbarung über die Elternschaft. (3) Die gerichtliche Feststellung der rechtlichen Elternschaft kann außer nach dem durch Absatz 1 bestimmten Recht auch nach dem Recht des Staates erfolgen, 1. in dem das Kind im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder 2. in dem die Person, deren Elternschaft festgestellt werden soll, im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder 3. dem diese Person im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts angehört. (4) Kommen die danach anwendbaren Rechtsordnungen zu widersprüchlichen Ergebnissen, ist die zuerst entstandene Abstammungsbeziehung maßgeblich. Entstehen die sich widersprechenden Abstammungsverhältnisse zur gleichen Zeit, ist diejenige Rechtsordnung maßgebend, zu dem der Sachverhalt die engere Verbindung aufweist. Dies ist das nach Absatz 1 bestimmte Recht, sofern danach ein Abstammungsverhältnis besteht.“
7. Vor- und Nachteile Die Einfachanknüpfung hinsichtlich der Abstammung kraft Gesetzes trägt der Tatsache Rechnung, dass rechtsvergleichend immer mehr Rechtsordnungen die Vaterschaft des Ehemanns einschränken.162 Gerade die Vaterschaft des ExEhemanns entspricht regelmäßig nicht mehr den Erwartungen der Parteien und daher erscheint es folgerichtig, diese im Kollisionsrecht nicht mehr zu begünstigten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass unter die Abstammung kraft Gesetzes nicht allein die Vaterschaft des Ehemanns fällt. So unterliegt nach diesem Modell auch die Co-Mutterschaft der Ehefrau einer einzelnen Rechtsordnung, obwohl hier eine Mehrfachanknüpfung durchaus wünschenswert wäre, da nur sehr wenige Rechtsordnungen diese Elternschaft kennen. Ebenso stellt auch die Zuordnung zum nichtehelichen Lebensgefährten163 keine „veraltete“ Regelung dar, sondern trägt im Gegenteil dem Umstand Rechnung, dass heutzutage viele Paare ohne Trauschein Kinder bekommen. Dieses Ergebnis wird aber dadurch abgemildert, dass für diese Paare die Anerkennung zur Verfügung steht, die eine einfache Möglichkeit bietet, die Elternschaft zu begründen und die gerade weiterhin alternativ angeknüpft wird. 162
Vgl. oben S. 9 ff. zu der Zuordnungsregel im Sachrecht oben S. 5. Beispielsweise in der kanadischen Provinz Ontario, Sec. 7 (2)(No.1) i. V. m. 1(1) Children’s Law Reform Act und dem australischen Bundesstaat New South Wales, Sec. 10 Status of Children Act 1996 (‚Presump tion of paternity arising from cohabitation‘). 163 Siehe
B. Modelle
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Das Modell bietet außerdem den Vorteil, dass hierdurch die Fälle von konkurrierenden Elternschaften im Vergleich zum Modell der alternativen Anknüpfung verringert werden. Insbesondere ist bei im Inland lebenden Kindern keine Konkurrenz mehr zwischen dem Ex-Ehemann der Mutter und einem Anerkennenden als dem wohl häufigsten Fall konkurrierender Elternschaften möglich, da sich die gesetzliche Zuordnung und damit die Vaterschaft des Ehemanns nur noch nach deutschem Recht richten würde.
V. Diskussion und Entscheidung Eine zukünftige Regelung muss sich anhand vieler neuer Phänomene messen lassen wie der steigende Anteil von Kindern, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind, die Zunahme künstlicher Befruchtungen mit Samen- und/oder Eizellenspende, die Inanspruchnahme einer Leihmutter, gleichgeschlechtliche Elternschaften sowie Mehrelternschaften, aber gleichzeitig muss sie auch den herkömmlichen Abstammungszuordnungen Rechnung tragen. Schwierigkeiten bestehen darüber hinaus dadurch, dass die Abstammungsverhältnisse nicht alle im gleichen Zeitpunkt entstehen, sondern je nachdem bereits im Zeitpunkt der Geburt oder im Falle einer Anerkennung oder gerichtlichen Feststellung auch erst später. Entgegen des Grundsatzes der Wertneutralität des Kollisionsrechts164 sind im internationalen Abstammungsrecht die sachrechtlichen Interessen des Kindes bei der Bildung der Kollisionsnorm in den Mittelpunkt zu stellen.165 Nur so kann das Kindeswohl bestmöglich verwirklicht werden. Das Kind hat ein legitimes Interesse daran, dauerhaft zwei Elternteilen zugeordnet zu werden, die für das Kind die Verantwortung übernehmen. Dies schließt es ein, dass der potentielle Elternteil seine Elternschaft einfach begründen und das Kind ansonsten die Elternschaft gerichtlich feststellen lassen kann. Gleichwohl entspricht es nicht seinem Interesse, einem Mann (oder auch einer zweiten Frau) zugeordnet zu werden, dessen genetische und soziale Vaterschaft äußerst unwahrscheinlich ist und daher die Gefahr besteht, dass die Abstammung bald wieder angefochten wird und die Elternschaft zu seinem leiblichen Elternteil erst später begründet werden kann. Der Erzeuger und die gebärende Frau bei der natürlichen Zeugung sowie die Wunscheltern im Falle der künstlichen Befruchtung haben ein Interesse daran, ihre rechtliche Elternschaft begründen zu können oder jedenfalls gerichtlich feststellen zu lassen. In der Mehrzahl der Fälle sind diese sach164 Vgl. Hornung, IPR zwischen Wertneutralität und Politik, S. 1 m. w. N. in Fn. 4; Coester-Waltjen, IPRax 2021, 29, 30 („Grundsatz der Blindheit des internationalen Privatrechts“). 165 Die stärkere Berücksichtigung sachrechtlicher Überlegungen ist zunehmend im europäischen und nationalen Kollisionsrecht zu beobachten, vgl. hierzu Hübner, FamRZ 2022, 587; Weller, RabelsZ 81 (2017), 747, 753 ff.; Coester-Waltjen, IPRax 2021, 29, 30.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
rechtlichen Interessen bereits durch eine Einfachanknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes gewahrt. Für gleichgeschlechtliche Elternschaften sehen viele Rechtsordnungen aber (noch) keine Möglichkeit vor, die Elternschaft der Co-Mutter zu begründen.166 Ebenso gibt es häufig noch Lücken bei der Zuordnung von Kindern, die mittels künstlicher Befruchtung gezeugt werden – so erlaubt etwa das deutsche Recht keine gerichtliche Feststellung eines Mannes oder einer Frau, die der Befruchtungsbehandlung zugestimmt haben.167 Ferner sehen einige Rechtsordnungen auch bei der natürlichen Zeugung keine Möglichkeit für den genetischen Vater vor, seine Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen, sondern sehen ausschließlich nur das Kind und gegebenenfalls die Mutter als antragsberechtigt an.168 Zwar ist dies nicht das Gros der täglichen Fälle, dennoch muss eine Regelung nicht nur für die Mehrzahl der Fälle eine Lösung bereitstellen, sondern auch für die selteneren Fälle. Die sachrechtlichen Interessen der Betroffenen streiten in diesen Fällen für die Berufung mehrerer Rechtsordnungen, da so die Begründung eines Abstammungsverhältnisses begünstigt wird, indem die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass eine der mehreren anwendbaren Rechte eine Abstammungsbegründung erlaubt. Schließlich ist die Alternativität wie gesehen auch vorteilhaft, wenn ein Anerkenntnis im Ausland abgegeben wurde, da so eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieses im Inland anerkannt wird. Gleichwohl bedeutet eine Förderung der Abstammungsbegründung auch, dass dadurch die Zuordnung zum Ehemann begünstigt wird. Die Berufung mehrerer Rechtsordnungen würde hier oftmals zu einem „rückständigen Recht [führen], das die Vaterschaftsvermutung nicht einschränkt“169 und etwa dem Ex-Ehemann die Vaterschaft noch zuordnet. Durch die Förderung der Ehelichkeit wird die Möglichkeit der Anerkennung eingegrenzt, was wiederum der Tatsache widerspricht, dass „für den Anerkennenden eine höhere biologische Abstammungswahrscheinlichkeit spricht“170 und es der rechtsvergleichenden Tendenz entspricht, der Statuswahrheit ein stärkeres Gewicht beizumessen. Die Interessen der Parteien stehen folglich im Widerspruch und lassen sich nicht völlig in Einklang bringen. Möchte man die Abstammung für manche Fälle begünstigen, nimmt man gleichzeitig in Kauf, dass dadurch auch solche Abstammungsbeziehungen gefördert werden, die man gerade nicht begünstigen wollte. Den besten Kompromiss bietet hier das oben vorgestellte Kombinationsmodell, welches das Günstigkeitsprinzip des geltenden Rechts nur teilweise beibehält und zwar nur für die Abstammung aufgrund eines Rechts166
Vgl. die rechtsvergleichende Übersicht auf S. 42 ff. Vgl. die rechtsvergleichende Übersicht auf S. 22 ff. Vgl. die rechtsvergleichende Übersicht auf S. 15 f. 169 Siehr, StAZ 2015, 258, 263; Siehr, in: FS Coester-Waltjen, 769, 773. 170 MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 27. 167 168
C. Sonderanknüpfungen
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geschäfts sowie für die gerichtliche Feststellung. Aus diesem Grund entscheidet sich die Arbeit für dieses Modell. Die Modelle der alternativen beziehungsweise der subsidiären Anknüpfung fördern die gesetzliche Abstammung kraft (bestehender oder aufgelöster) Ehe hingegen zu stark und führen folglich zu einem Ergebnis, welches für die Beteiligten oft überraschend ist. Das Modell der singulären Anknüpfung begünstigt demgegenüber die Begründung eines Abstammungsverhältnisses gar nicht, was in einigen Fällen dazu führen würde, dass dem Kind kein zweiter Elternteil zugeordnet wird, obwohl ein solcher zur Verfügung steht, was wiederum für das Kindeswohl einen erheblichen Nachteil bedeuten würde. Die Tatsache, dass durch das hier bevorzugte Modell häufiger ein Mutterschaftsanerkenntnis der unverheirateten Geburtsmutter relevant werden kann,171 ist dabei ebenso hinzunehmen wie die Tatsache, dass in manchen Fällen die Ehefrau oder Lebenspartnerin der Geburtsmutter ihre Elternschaft nur über eine Anerkennung begründen kann.172 Da in beiden Fällen die Begründung der Abstammung möglich ist und notfalls gerichtlich festgestellt werden kann, wiegen diese Nachteile nicht sonderlich schwer.
C. Sonderanknüpfungen Zu untersuchen gilt es nun, ob für einzelne Bereiche eine Sonderanknüpfung erforderlich ist, um mögliche Schwächen des Grundmodells auszugleichen.
I. Sonderanknüpfung für das Zustimmungserfordernis bei der Anerkennung Im geltenden Recht wird für die Frage der Erforderlichkeit der Zustimmung des Kindes oder der Mutter zu einer Anerkennung zusätzlich das Heimatrecht des Kindes berufen. Eine spezielle Anknüpfung für die Zustimmung sieht auch das niederländische173 und das belgische174 Recht vor. Fraglich ist, ob eine kumulative Anknüpfung zukünftig beibehalten werden sollte. Die Mehrfachanknüpfung für die Anerkennung hat mitunter zur Folge, dass das Recht Anwendung findet, welches die geringsten Voraussetzungen an die Abstammung stellt und mithin möglicherweise keine Zustimmung seitens 171
Vgl. oben S. 266. Vgl. das Beispiel auf S. 268 f. 173 Art. 10:95 Abs. 3 niederl. BW (Auf die Anerkennung ist grundsätzlich das Heimatrecht des Anerkennenden anwendbar, für die Zustimmung des Kindes oder der Mutter gilt jedoch deren Heimatrecht. Es handelt sich mithin anders als im geltenden deutschen Recht nicht um eine kumulative Anknüpfung.). 174 § 62 § 1 belg. IPRG, der bestimmt, dass, wenn das auf die Abstammung anwendbare Recht – das Heimatrecht des Elternteils – keine Zustimmung des Kindes vorsieht, das Aufenthaltsrecht des Kindes für die Zustimmung maßgeblich ist. 172
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
des Kindes oder der Mutter vorsieht. Da die Zustimmungen jedoch gerade dem Schutz des Kindes und der Mutter dienen, ist zu überlegen, ob dieses Ergebnis nicht wie im geltenden Recht durch eine kumulative Anknüpfung „korrigiert“ werden sollte. In Betracht käme, zukünftig die Zustimmung zusätzlich dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Zeitpunkt der Anerkennungserklärung als seinem Umweltrecht zu unterstellen anstelle seines Heimatrechts. Die kumulative Anknüpfung würde mithin nur relevant werden, wenn das Abstammungsstatut auf einer elternbezogenen Anknüpfung beruht. So würden in Deutschland lebende Kinder und ihre Mütter vor einseitigen Vaterschaftsanerkennungen, wie sie etwa das französische Recht kennt, geschützt werden. Die kumulative Anknüpfung bedeutet jedoch gleichzeitig auch eine Erschwerung der Abstammungsbegründung und es besteht die Gefahr, dass hinkende Abstammungsverhältnisse entstehen, wenn im Ausland die Einholung der aus deutscher Sicht erforderlichen zusätzlichen Zustimmungen nicht erfolgt ist, weil sie nach ausländischem Recht nicht vorgesehen sind. Es stellt sich die Frage, ob die kumulative Anknüpfung für den Schutz von Mutter und Kind tatsächlich erforderlich ist. Durch die Zustimmung des Kindes und/oder der Mutter zur Anerkennungserklärung möchte man verhindern, dass sich der Anerkennende gegen den Willen der Mutter oder des Kindes als rechtlicher Vater aufdrängen kann.175 Das Zustimmungserfordernis der Mutter diene mithin „der Stärkung und Sicherung der Statuswahrheit“,176 da sie „am ehesten wiss[e], wer der leibliche Vater ist“.177 Zum einen ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Mutter ihre Zustimmungserklärung auch aus anderen „eigensüchtigen Motiven ungeachtet der wirklichen Vaterschaft“178 verweigern kann. Zum anderen berücksichtigt eine kumulative Anknüpfung nicht hinreichend, dass oftmals fehlende Zustimmungserfordernisse mit einfacheren Anfechtungsrechten, sogenannten Widerspruchsrechten, einhergehen.179 Aber selbst für den Fall, dass ein Mann ein Anerkenntnis abgibt, ohne der genetische Vater zu sein und ohne Einverständnis der Mutter und des Kindes, sind Mutter und Kind auch ohne kumulative Anknüpfung ausreichend in ihren Interessen geschützt. Beide haben nämlich in diesem Fall aufgrund der fehlenden genetischen Verbindung die Möglichkeit, die Vaterschaft anzufechten und so die unwahre Vaterschaft zu beseitigen. Ihre Interessen sind mithin auch ohne kumulative Anknüpfung nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Das Anfechtungsverfahren ist zwar mit höherem Aufwand verbunden, dies ist jedoch hinzunehmen, da eine Anerken175 176
Zum deutschen Sachrecht, MüKo/Wellenhofer, § 1595 BGB Rn. 1. Zum deutschen Sachrecht, BeckOGK/Balzer, § 1595 BGB Rn. 1. 177 Zum deutschen Sachrecht, MüKo/Wellenhofer, § 1595 BGB Rn. 2. 178 So die Überlegungen zum alten deutschen Recht, v. Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie, S. 96. 179 So etwa das österreichische Recht, § 146 Abs. 1 österr. ABGB.
C. Sonderanknüpfungen
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nung eines nicht leiblichen Vaters, der ohne Einverständnis der Mutter handelt, im Hinblick auf die mit der Vaterschaft verbundenen Pflichten nur äußerst selten vorkommen dürfte. Das Interesse des leiblichen Vaters, der anderenfalls ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren durchlaufen müsste, und das des Kindes an einer schnellen Abstammungsbegründung überwiegt vor diesem Hintergrund. Eine kumulative Anknüpfung ist daher abzulehnen. In Art. 23 EGBGB ist deshalb das Wort „Abstammungserklärung“ zu streichen.
II. Sonderanknüpfung für die Abstammung eines mithilfe medizinisch assistierter Reproduktion gezeugten Kindes Der hier befürwortete Gesetzesvorschlag knüpft für alle Kinder, gleich, ob sie natürlich oder im Wege medizinisch assistierter Reproduktion gezeugt wurden, einheitlich an. Zu überlegen ist, ob es nicht für den letzteren Fall einer speziellen Anknüpfung bedarf. Für die Leihmutterschaft wird bereits vereinzelt eine solche spezielle Anknüpfung diskutiert und teilweise befürwortet.180 Vorgeschlagen wird etwa an den Geburtsort des Kindes oder an das Recht des Durchführungsstaates der Leihmutterschaft anzuknüpfen.181 Grund hierfür ist, dass so das Recht des leihmutterschaftsfreundlichen Staates berufen wird, das regelmäßig eine Abstammung zugunsten der Wunscheltern vorsieht. Die Zuordnung zu den Wunscheltern liegt, wie bei der Untersuchung zum geltenden Recht gesehen, im Interesse des Kindes.182 Da die hier vertretene Ersatzanknüpfung an das Aufenthaltsrecht der gebärenden Person in Leihmutterschaftsfällen aber bereits regelmäßig zum leihmutterschaftsfreundlichen Recht führt, bedarf es für die Leihmutterschaft alleine keiner Sonderanknüpfung mehr. Zu überlegen wäre daher nur eine Sonderanknüpfung für alle Fälle der künstlichen Befruchtung.
1. Rechtsvergleich Eine spezielle Kollisionsnorm für die Abstammung im Falle der künstlichen Befruchtung ist rechtsvergleichend nicht bekannt. Auch spezielle Kollisionsnormen für die Leihmutterschaft sind unüblich.183 Eine versteckte Kollisionsnorm 180 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 325 f.; ebenfalls unterstützend Sitter, Grenzüberschreitende Leihmutterschaft, S. 298; eher ablehnend gegenüberstehend Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 56; ebenfalls ablehnend Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, S. 515. 181 Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 325 f. 182 Vgl. die Erwägungen zum Kindeswohl im Rahmen des ordre public auf S. 151 ff. 183 Vgl. etwa den Überblick bei Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 37 ff. sowie Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law, A Study of Legal Parentage and the Issues arising from international Surrogacy Arrangements, 2014, S. 37 ff., 65.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
lässt sich aber beispielsweise dem kalifornischen Recht entnehmen:184 Dieses erklärt im Falle der Leihmutterschaft „die Gerichte des voraussichtlichen Geburtsortes des Kindes, des Wohnsitzes der Wunscheltern oder der Leihmutter, des Ortes der Durchführung der Leihmuttervereinbarung oder der reproduktionsmedizinischen Behandlung für zuständig für die Feststellung des ElternKind-Verhältnisses. […] Sind die kalifornischen Gerichte zuständig, wenden sie ihr eigenes Recht an.“185 Diskutiert wurde eine spezielle Kollisionsnorm für die assistierte Befruchtung allerdings im argentinischen Recht. So forderte die IPR-Sektion der Asociación Argentina de Derecho Internacional bereits 1991 eine spezielle Kollisionsnorm für die künstliche Befruchtung dergestalt, dass die Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses im Falle von künstlicher Befruchtung dem Recht des Ortes unterliegen sollte, an dem die Befruchtung durchgeführt oder an dem der Embryo implantiert wurde.186 Bei der Neuregelung des IPR im Jahre 2014 wurde eine solche Regelung jedoch nicht übernommen, sondern es wurde nur die Kollisionsnorm für die natürliche Abstammung auf die Fälle der künstlichen Befruchtung erstreckt.187
2. Anknüpfung an den Ort, an dem die medizinisch assistierte Reproduktionsbehandlung durchgeführt wurde Für eine Anknüpfung an den Ort, an dem die medizinisch assistierte Reproduktionsbehandlung durchgeführt wurde, spricht, dass so ein Gleichlauf zwischen den Regelungen der Zulässigkeit einer solchen Behandlung und dem Abstammungsrecht erzielt werden würde. Die Frage der Zulässigkeit ist rechtsvergleichend in unterschiedlichen Bereichen geregelt, unterliegt aber stets dem Recht des Staates, in dem die Behandlung durchgeführt wird. Die Abstammungsregelungen sind in einer Rechtsordnung normalerweise mit den Zulässigkeitsregelungen abgestimmt. Ist eine bestimmte Reproduktionstechnik in einem Staat erlaubt, stellt diese Rechtsordnung typischerweise auch sicher, dass das so gezeugte Kind seinen „Eltern“ zugeordnet werden kann. Lehnt ein anderer Staat diese Reproduktionsmethode hingegen ab, wird er für diese Fälle auch keine speziellen Abstammungsregelungen vorsehen. Am offensichtlichsten ist dies im Falle der Leihmutterschaft: Verbietet eine Rechtsordnung diese, sieht die 184
Sec. 7962(e) Cal. Family Code; Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 38. Duden, Leihmutterschaft im IPR und IZVR, S. 38. 186 Asociación Argentina de Derecho Internacional, El derecho Internacional en la Argentina, Veinticinco años de aportes 1968–1993, S. 101 f.: „Para regir la filiación derivada de la fecundación asistida, entre otros puntos de conexión previstos para la filiación, tienen relevancia: a) el lugar de la fecundación y b) el lugar de la implantación del embrión“ (frei übersetzt: Für die Abstammung aus einer künstlichen Befruchtung sind neben anderen Anknüpfungspunkten, die für die Abstammung vorgesehen sind, von Bedeutung: a) der Ort der Befruchtung und b) der Ort der Implantation des Embryos); Samtleben, IPRax 2016, 289, 296 Fn. 98. 187 Samtleben, IPRax 2016, 289, 296. 185
C. Sonderanknüpfungen
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Rechtsordnung folgerichtig auch keine Abstammung von der Wunschmutter vor, sondern ordnet das Kind der gebärenden Frau zu. Diese Zuordnungsregelung ist jedoch nicht interessensgerecht und entspricht nicht dem Kindeswohl, wenn ein Fall einer im Ausland durchgeführten Leihmutterschaft vorliegt. Durch einen Gleichlauf des Zulässigkeitsrechts und des Abstammungsrechts würde dieses Ergebnis vermieden werden, da Staaten, die eine Leihmutterschaft erlauben, regelmäßig das Kind auch den Wunscheltern rechtlich zuordnen. Das Gleiche gilt auch für die Elternschaft zweier Frauen: Erlaubt ein Staat die medizinisch assistierte Reproduktion mit einer anonymen Samenspende für ein lesbisches Paar, wird dieser Staat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Co-Mutterschaft erlauben und mithin die Elternschaft den beiden Frauen zuweisen. Demgegenüber wird ein Staat, der die Inanspruchnahme der Reproduktionsmedizin auf verschiedengeschlechtliche Paare beschränkt, abstammungsrechtlich keine doppelte Mutterschaft vorsehen. Lesbische Paare werden für die künstliche Befruchtung gerade dann ins Ausland gehen, wenn in dem Staat, in dem sie leben, die Behandlung untersagt ist, sodass bei der Anwendung der oben vorgeschlagenen „allgemeinen“ Kollisionsnorm oftmals keine Rechtsordnung der Co-Mutter die Elternschaft zuweisen würde. Im Interesse des Kindes wäre somit hier häufig die Anwendung des Rechts des Durchführungsstaates vorteilhafter. Erlauben schließlich Staaten die medizinisch assistierte Reproduktion mittels Samenspende nur verheirateten, verschiedengeschlechtlichen Paaren, werden sie ebenfalls keine speziellen Abstammungsregeln vorsehen, da bereits über die Zuordnung kraft Ehe der Ehemann rechtlicher Vater ist.188 Nimmt aber ein nicht verheiratetes Paar im Ausland eine künstliche Befruchtung in Anspruch, wird nach dieser Rechtsordnung der Mann zwar regelmäßig die Möglichkeit haben, das Kind anzuerkennen; tut er dies aber nicht, wird die Rechtsordnung keine Möglichkeit für die Mutter oder das Kind vorsehen, die Vaterschaft festzustellen. Beruft man hier als Abstammungsstatut das Recht des Staates, in dem die künstliche Befruchtung durchgeführt wurde, wird dieses Recht meist entsprechende Regelungen vorsehen wie etwa eine automatische Zuordnung aufgrund der vorherigen Zustimmung zur künstlichen Befruchtung oder die Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft aufgrund dieser Zustimmung. Der Gleichlauf von Zulässigkeit und Abstammungsrecht würde in vielen Fällen die Zuordnung zu zwei Elternteilen ermöglichen, während bei der Anwendung der allgemeinen Kollisionsnorm, wie sie oben vertreten wird, teilweise nur ein Elternteil rechtlich festgestellt werden könnte. 188 So erlaubt etwa die Schweiz nur verheirateten Paaren die heterologe Insemination mit gespendeten Samen, Art. 3 Abs. 3 FMedG, vgl. hierzu Büchler, FamPra.ch 2005, 437, 469. Das schweizerische Recht sieht keine speziellen Zuordnungsregelungen vor, sondern nur ein Anfechtungsausschluss, da der Ehemann bereits nach Art. 255 schweiz. ZGB als rechtlicher Vater des Kindes gilt.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
3. Diskussion a) Fehlende persönliche Verbindung zu dem berufenen Recht Gegen die Anknüpfung an den Ort, an dem die künstliche Befruchtung durchgeführt wird, spricht, dass das Kind oftmals keinerlei Verbindung zu diesem Recht aufweisen wird, obwohl durch die Abstammung gerade seine Interessen in besonderem Maße betroffen sind. Darüber hinaus hat das Kind keinerlei Einfluss auf das Statut, während die Wunscheltern durch die Auswahl des Standorts das Recht wählen können. Aber auch die Eltern müssen keine dauerhafte Verbindung zu diesem Staat haben. Suchen die Wunscheltern nur für die künstliche Befruchtung den Staat auf, etwa ein lesbisches Paar für eine anonyme Samenspende, werden sie sich hierfür nur wenige Tage in dem Staat aufhalten, während sich die Schwangerschaft und die Geburt regelmäßig im Aufenthaltsstaat der gebärenden Frau abspielen wird. Eine persönliche Verbindung zu der berufenen Rechtsordnung ist hier weder für das Kind noch für die Eltern gegeben. Dem ist entgegenzusetzen, dass auch wenn später keine persönliche Verbindung der Beteiligten zu dem Staat mehr besteht, die Rechtsordnung dieses Staates im Zeitpunkt der Zeugung des Kindes eine entscheidende Rolle spielte. Nur weil der Staat die konkrete Befruchtung mit Spendermaterial erlaubt, kann das Kind überhaupt so gezeugt werden. Anders als bei einer natürlichen Zeugung ist bei der künstlichen Befruchtung der Ort daher nicht egal und auch nicht zufällig, sondern wird von den Eltern gezielt aufgesucht, da dort die gewünschte Reproduktionsbehandlung möglich ist. Somit ist diese Rechtsordnung im besonderen Maße geeignet über die Abstammung zu entscheiden, da eine Rechtsordnung in aller Regel innerlich aufeinander abgestimmt ist und daher passende Abstammungsregeln für die erlaubte Reproduktionstechnik parat halten wird. Die Rechtsordnung, die darüber entscheidet, ob das Kind unter Verwendung von Spendermaterial gezeugt werden darf, sollte deshalb auch darüber entscheiden dürfen, wem das so gezeugte Kind zugeordnet wird.
b) Vergleich mit der Anknüpfung an das Registerstatut bei gleichgeschlechtlichen Paaren Eine fehlende enge Verbindung der Parteien zu der Rechtsordnung, die über sie entscheidet, ist zudem im nationalen Kollisionsrecht auch in anderen Statusfragen nicht gänzlich unbekannt. So unterliegt das anwendbare Recht auf die Lebenspartnerschaft sowie auf die gleichgeschlechtliche Ehe den Sachvorschriften des registerführenden Staates.189 Der Registrierungsort weist aber nicht zwingend eine enge persönliche Verbindung zu den beiden Partnern auf, sondern kann ausschließlich für die Registrierung aufgesucht werden. Hinter 189 Art. 17b Abs. 1 S. 1 und 4 S. 1 EGBGB. Für eine Reform des internationalen Eheschließungsrechts auch für gleichgeschlechtliche Paare Coester-Waltjen, IPRax 2021, 29 ff.
C. Sonderanknüpfungen
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der Berufung des Registerstatuts stehen folglich weniger klassische internationalprivatrechtliche Interessen als vielmehr materielle Interessen: Durch die Anknüpfung soll die Statusbegründung für gleichgeschlechtliche Paare erleichtert werden, da ihnen der Zugang zu Partnerschaft und Ehe noch in einigen Ländern verwehrt wird.190 Die Situation ist mithin vergleichbar mit der bei der Abstammung im Falle einer künstlichen Befruchtung. Auch hier wird noch in vielen Ländern lesbischen Paaren der Zugang zur Reproduktionsmedizin verwehrt und in Folge keine Eltern-Kind-Zuordnung zu gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt. Aber wie gesehen sind auch für verschiedengeschlechtliche Paare im Falle von künstlicher Befruchtung Lücken vorhanden. Durch eine Sonderanknüpfung würde man in diesen Fällen die Abstammungsbegründung erleichtern, indem es in den Händen der Wunscheltern liegt, einen Staat aufzusuchen, der eine Abstammung erlaubt.
c) Kindeswohl Für die Sonderanknüpfung spricht insbesondere das Kindeswohl. Das Kind hat ein Interesse daran, dass die Beziehung zu seinen Wunscheltern rechtlich abgesichert ist und es so zwei Elternteile erhält. Anders als bei der natürlichen Zeugung sind die Abstammungsregelungen bei der Zeugung mit Hilfe von Spendermaterial und bei der Leihmutterschaft noch sehr lückenhaft. Das Recht des Durchführungsstaates wird regelmäßig sicherstellen, dass das Kind zwei Elternteilen zugeordnet wird – unterstellt, es sind zwei Personen an der künstlichen Befruchtung beteiligt. Die Wunscheltern haben durch die Wahl des Ortes, an dem sie die reproduktionsmedizinische Behandlung durchführen lassen, indirekt die Möglichkeit das Abstammungsstatut zu wählen und werden im eigenen Interesse einen Staat aufsuchen, der eine Eltern-Kind-Zuordnung zu beiden Wunscheltern zulässt.
d) Staatliche Interessen Der Staat könnte ein Interesse daran haben, zu verhindern, dass Paare mit deutscher Staatsangehörigkeit oder mit deutschem Wohnsitz für eine Reproduktionsbehandlung das Ausland aufzusuchen, wenn der Staat die Technik als gefährlich erachtet und deshalb im Inland verbietet. Die Anerkennung der rechtlichen Abstammung der Wunscheltern könnte Paare etwa in ihrem Beschluss bestärken, eine Leihmutterschaft im Ausland in Anspruch zu nehmen. Dadurch förderte man möglicherweise die im Inland aus moralischen Gründen abgelehnte Leihmutterschaft im Ausland, was vom deutschen Gesetzgeber gerade nicht gewollt ist.191 Im Hinblick auf die Leihmutterschaft ist diesem Argument jedoch ent190 BT-Drucks. 14/3751, S. 60. 191 Vgl. zu diesem Argument die
oben auf S. 151.
Diskussion zum ordre public bei der Leihmutterschaft
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
gegenzuhalten, dass bereits im geltenden Recht für die Wunscheltern die Möglichkeit besteht, die Anerkennung ihrer Elternschaft im Inland sicherzustellen, indem sie ein Land aufsuchen, in dem ein Gericht über die Abstammung im Falle der Leihmutterschaft entscheidet.192 Aber auch in Ländern, die keine gerichtliche Mitwirkung vorsehen, ist ein Leihmutterschaftstourismus von deutschen Paaren trotz fehlender Anerkennung der Abstammung bereits Realität. Darüber hinaus wird nach dem hier befürworteten Reformvorschlag ohnehin durch die Ersatzanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Leihmutter als der Frau, die das Kind zur Welt bringt, das leihmutterschaftsfreundliche Recht berufen, sodass dieses Argument bei der Leihmutter nicht mehr fruchtet.193 Wenn aber für die moralisch stärker umstrittene Leihmutterschaft durch die Ortswahl die Zuordnung zu den Wunscheltern sichergestellt wird, sollte dies erst recht für die Zuordnung zu den – verschieden- oder gleichgeschlechtlichen – Wunscheltern bei einer künstlichen Befruchtung mittels Samenspende gelten. Der Staat kann im Falle der künstlichen Befruchtung mittels Samenspende auch kein Interesse daran haben, diese Behandlung im Ausland zu verhindern, da sie auch im Inland für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare erlaubt ist.194 Auf die im Inland verbotene Eizellenspende wird die Anknüpfung keine Auswirkung haben, da die Geburtsmutter nach allen Rechtsordnungen als rechtliche Mutter angesehen wird und damit auch ohne Sonderanknüpfung keine abschreckende Wirkung besteht. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht davon auszugehen, dass sich durch die Einführung dieser Sonderanknüpfung ein Reproduktionstourismus über das bereits bestehende Maß entwickeln wird. Gegen eine solche Sonderanknüpfung könnte aber das staatliche Interesse an der Durchsetzung deutscher Rechtsvorstellungen sprechen.195 Durch die Wahl des Ortes, an dem die Wunscheltern die künstliche Befruchtung vornehmen lassen, können sie, selbst wenn die anderen Anknüpfungsmomente wie der gewöhnliche Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit zum deutschen Recht führen, ein ausländisches Recht zur Anwendung berufen, welches eine dem deutschen Recht unbekannte Abstammungsregel vorsieht. Die Voraussetzungen des deutschen Rechts könnten so leicht umgangen werden.196 So könnten etwa zwei deutsche Frauen durch die Vornahme einer künstlichen Befruchtung im Ausland eine Co-Mutterschaft begründen, obwohl das deutsche Recht eine solche 192
Vgl. oben S. 156 ff. Vgl. zur Ersatzanknüpfung oben S. 239 ff. 194 Lesbischen Paaren steht der Zugang zu einer Samenspende zumindest in den meisten Bundesländern offen, siehe oben S. 163 f. 195 Vgl. hierzu die Argumentation bei Coester-Waltjen, IPRax 2021, 29, 36 zu einem Reformvorschlag des internationalen Eheschließungsrechts. 196 Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 56 spricht im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft davon, dass eine solche Sonderanknüpfung „die ausländischen Regeln […] in Bausch und Bogen akzeptieren würde.“ 193
C. Sonderanknüpfungen
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nicht vorsieht.197 Der Gesetzgeber könnte hierdurch unter Druck geraten, die inländischen Normen den ausländischen Normen anzupassen. Auch wenn dies ein legitimes staatliches Interesse sein kann, ist zu beachten, dass in der Vielzahl der Fälle die Anwendung des Rechts des Durchführungsstaates im Interesse des Kindes liegt.198 Das Kindeswohl ist aus staatlicher Sicht vorrangig zu berücksichtigen und damit sprechen letztlich auch die staatlichen Interessen für eine solche Anknüpfung, die im Ergebnis die Statusbegründung erleichtert. Widerspricht im Einzelfall die Abstammung den Interessen des Kindes, ist dies im Rahmen des ordre public zu berücksichtigen.
e) Internationaler Entscheidungseinklang und hinkende Abstammungsverhältnisse Schließlich wiegt auch das Interesse am internationalen Entscheidungsklang nicht derart stark, dass dies gegen eine Sonderanknüpfung sprechen würde. Da die Anknüpfung an den Ort der Befruchtungshandlung für die Bestimmung des Abstammungsstatuts rechtsvergleichend wohl ein Novum sein dürfte, würde oftmals die Abstammung im Ausland nach einem anderen Sachrecht beurteilt werden und in Folge könnten hinkende Abstammungsverhältnisse zunehmen. Hinkende Abstammungsverhältnisse, bei denen das Abstammungsverhältnis in einem Staat besteht, in einem anderen hingegen aufgrund einer anderen Anknüpfung der Abstammung nicht, sind für die Beteiligten äußerst misslich. Zu berücksichtigen ist aber zum einen, dass das Prinzip des internationalen Entscheidungseinklangs und damit die Verhinderung von hinkenden Statusverhältnissen ein Ideal ist, das letztlich nur durch eine Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts erreicht werden kann.199 Auch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt oder eine andere Anknüpfung kann hinkende Abstammungsverhältnisse nicht gänzlich verhindern. Zum anderen ist es im Ergebnis für das Kindeswohl dennoch besser zumindest im Inland seinen Wunscheltern zugeordnet zu werden und dadurch die Hürde von hinkenden Abstammungsverhältnissen zu tragen, als wenn das Abstammungsverhältnis aus diesem Grund auch hier nicht anerkannt wird.
4. Ergebnis Trotz der möglicherweise fehlenden persönlichen Verbindung zu der Rechtsordnung des Staates, in dem die künstliche Befruchtung durchgeführt wurde, ist die Anknüpfung im Ergebnis dennoch interessensgerecht und geboten. Die Anknüpfung führt zu einem Gleichlauf mit den Vorschriften über die Zulässig197 198
Siehe oben S. 40 f. Siehe den vorherigen Abschnitt auf S. 281. 199 BeckOK/Lorenz, Einl. IPR Rn. 4; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 59; Kegel/ Schurig, Internationales Privatrecht, S. 139 f.
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keit von Fortpflanzungstechniken. Die so berufene Rechtsordnung ist in besonderem Maße geeignet über die Abstammung zu bestimmen, da die Rechtsordnung, die eine bestimmte Technik mittels Spendermaterial erlaubt, regelmäßig auch sicherstellen wird, dass das so gezeugte Kind den Personen zugeordnet wird, die für seine Existenz verantwortlich sind, auch wenn diese nicht die genetischen Eltern sind. Durch die Sonderanknüpfung wird die Zuordnung zu den Wunscheltern im Falle der künstlichen Befruchtung mit Spendermaterial mithin erleichtert. Dieses Ergebnis ist im Hinblick auf das Kindeswohl geboten, da rechtsvergleichend noch einige Lücken bei der Eltern-Kind-Zuordnung im Falle der künstlichen Befruchtung bestehen. Materiell-rechtlichen Wertungen kommen hier folglich ein stärkeres Gewicht zu als den international-privatrechtlichen Interessen.
a) Anknüpfung als zusätzliche und nicht ausschließliche Anknüpfung Die Annahme, dass eine Rechtsordnung, die eine bestimmte Technik der Reproduktionsmedizin erlaubt, für diese Fälle auch stets passende Abstammungsregeln bereithält, ist allerdings nicht immer gegeben. Die Rechtslage in Deutschland ist hierfür ein gutes Beispiel. Zwar ist im Inland die Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten erlaubt, allerdings sieht das deutsche Recht keine Möglichkeit vor, bei einem nichtehelichen Paar den Mann als rechtlichen Vater gerichtlich feststellen zu lassen, wenn dieser nicht freiwillig seine Vaterschaft anerkennt.200 Ebenso ist die Samenspende für ein lesbisches Paar gesetzlich nicht verboten und auch die Richtlinien einiger Landesärztekammern sehen mittlerweile keine derartiges Verbot mehr vor,201 aber dennoch sieht das deutsche Recht keine Abstammung von zwei Frauen vor. Würde folglich ausschließlich an das Recht der Durchführung angeknüpft werden, könnte dies zum Nachteil des Kindes gereichen, da es selbst das entsprechende Recht nicht beeinflussen kann. Es kann nicht darauf vertraut werden, dass die Wunscheltern stets einen Ort für die Durchführung wählen, der eine Eltern-Kind-Zuordnung vorsieht. Bei der Wahl des Ortes, an dem die künstliche Befruchtung durchgeführt wird, können andere Faktoren als das jeweilige Abstammungsrecht eine größere Rolle spielen wie etwa das Vertrauen in die medizinische Behandlung sowie die Behandlungskosten. Aus diesem Grund sollte die Anknüpfung nicht allein das anwendbare Recht auf die Frage der Abstammung im Falle der künstlichen Befruchtung bestimmen, sondern es sollte alternativ neben die anderen oben genannten Anknüpfungen treten. Da sich durch die alternative Anknüpfung erneut konkurrierende Elternschaften ergeben können, ist die oben vor200
Coester-Waltjen, ZfPW 2021, 129, 135, Fn. 40 und F41; Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, F 1, F 12 f. 201 Beispielsweise in Bayern und Berlin, Helms, in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunft, 49, 52 Fn. 11. Vgl. hierzu oben S. 163 f.
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geschlagene Regelung hinsichtlich der Auflösung widersprüchlicher Ergebnisse202 auf diesen Absatz auszudehnen.
b) Beschränkung auf medizinisch assistierte Reproduktionshandlungen mittels Gametenspende Ferner sollte die Anknüpfung auf folgende Fälle beschränkt werden: Zum einen sollten nur medizinisch assistierte Reproduktionsbehandlungen erfasst werden, das heißt Behandlungen, die unter ärztlicher Mitwirkung durchgeführt werden.203 Eine Eizellenspende ist ohne medizinische Unterstützung ohnehin nicht möglich, aber die Samenspende kann auch im Privaten erfolgen (private Insemination204). Insbesondere lesbische Paare entscheiden sich oftmals für eine private Insemination unter Verwendung einer Samenspende eines befreundeten Mannes.205 Bei der privaten Insemination ist nicht der gleiche Bezug zu dem Staat, in dem die Zeugung erfolgt, gegeben wie bei einer medizinisch assistierten Reproduktion, da die Durchführung der privaten Insemination nicht davon abhängig ist, ob der Staat diese erlaubt. Sie findet im privaten Bereich statt und kann daher grundsätzlich überall erfolgen. Die Durchführung der medizinisch assistierten Reproduktion hängt hingegen, da sie von Ärzten durchgeführt wird, davon ab, ob sie vom Staat erlaubt wird. Der Ort der Zeugung bei einer privaten Insemination hat damit nicht die gleiche Bedeutung wie der Ort bei einer medizinisch assistierten Fortpflanzung, sondern entspricht eher der Interessenslage bei der Zeugung durch Geschlechtsverkehr und sollte daher nicht von der Regelung erfasst werden. Hinzu kommt, dass sich der Ort, an dem die Befruchtung durchgeführt wird, bei der privaten Insemination im Zweifel im Nachhinein schwer feststellen lässt und daher die Anknüpfung in der Praxis auf Schwierigkeiten stoßen dürfte. Darüber hinaus bedarf es einer Beschränkung auf solche Fortpflanzungsbehandlungen, die mithilfe einer Gametenspende eines Dritten durchgeführt wurden. Dritter kann dabei sowohl ein bekannter als auch unbekannter Spender sein. Damit fällt etwa eine In-vitro-Fertilisation,206 bei der die Eizellen der Wunschmutter außerhalb des Körpers mit dem Samen des Wunschvaters befruchtet werden und der so entstandene Embryo der Wunschmutter eingesetzt wird, nicht unter die Sonderanknüpfung. Die besonderen abstammungsrechtlichen Probleme der künstlichen Befruchtung ergeben sich nur dann, wenn die soziale und die genetische bzw. biologische Elternschaft auseinanderfallen. Bei 202
Vgl. oben auf S. 251 ff. Dabei kann im Falle der Samenspende diese sowohl von einem unbekannten als auch bekannten Spender stammen. 204 Zum Begriff BMJV, Arbeitskreis Abstammungsrecht. Abschlussbericht, S. 105. 205 Dethloff/Timmermann, in: Bergold/Buschner/Mayer-Lewis/Mühling, Familien mit multipler Elternschaft, 173, 182. 206 Zum Begriff etwa BeckOGK/Reuß, § 1591 BGB Rn. 21. 203
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einer Fortpflanzungsbehandlung ohne fremdes Genmaterial ergeben sich hingegen keine Unterschiede zu der natürlichen Zeugung, weshalb es hier keiner Sonderanknüpfung bedarf. Wird jedoch der Embryo aus dem Genmaterial der Wunscheltern einer anderen Frau eingesetzt, die das Kind für die Wunscheltern austragen soll (Leihmutterschaft), ist dies sehr wohl von der Anknüpfung erfasst, da hier ebenfalls die soziale und die biologische Elternschaft auseinanderfallen. Klarstellend ist noch zu erwähnen, dass mit dem Ort, an dem die künstliche Befruchtung durchgeführt wurde, der Ort gemeint ist, an dem der Spendersamen eingeführt oder der im Labor gezeugte Embryo der Geburtsmutter eingepflanzt wird. Wird also etwa ein Embryo in einem Land gezeugt, aber erst in einem anderen Land der Frau eingesetzt,207 kommt es auf den zweiten Ort an.
c) Konkreter Vorschlag Eine Sonderanknüpfung könnte folgendermaßen aussehen: „(4) Wurde das Kind mithilfe einer medizinisch assistierten Reproduktionsbehandlung mittels Gametenspende eines Dritten gezeugt oder trägt eine Person ein Kind, das durch medizinisch assistierte Reproduktion gezeugt wurde, für jemanden anderen aus (Leihmutterschaft), so unterliegt die Abstammung neben den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Rechten auch den Sachvorschriften des Staates, in dem die Behandlung durchgeführt wurde.“
5. Rechtspolitische Durchsetzbarkeit Die rechtspolitische Durchsetzbarkeit dieser Sonderanknüpfung ist trotz der hier vorgebrachten Argumente als gering einzustufen. Die Politik würde damit ein klares Signal senden, ausländische Regelungen, denen das deutsche Recht ablehnend gegenübersteht, selbst bei einer fehlenden persönlichen Verbindung zum Sachverhalt zu akzeptieren. Die Tatsache, dass die inländischen Regelungen so leicht umgangen werden könnten und die Gefahr bestünde, dass diese nur noch schwer zu rechtfertigen wären, dürfte auf starken Gegenwind stoßen. Als besonders kritisch dürfte die Gefahr eines zunehmenden Reproduktionstourismus bewertet werden. Vorsorglich sei deshalb darauf hingewiesen, dass der Reformvorschlag auch ohne diese Sonderanknüpfung übernommen werden kann.
207 Vgl. zu der Möglichkeit des Im- und Exports von Embryonen etwa den Code of Practice der Human Fertilisation and Embryology Authority, der regelt, wann eingefrorene Embryonen in eine andere Klinik außerhalb Großbritanniens transportiert werden dürfen, vgl. S. 166 ff., abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023).
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III. Sonderanknüpfung für die statusunabhängige Klärung der genetischen Abstammung Das deutsche Sachrecht bietet dem Kind, seinem (rechtlichen) Vater und der (rechtlichen) Mutter mit § 1598a BGB die Möglichkeit, die genetische Abstammung ohne statusrechtliche Folgen zu klären.208 Mangels ausdrücklicher Kollisionsnorm wird im geltenden Recht Art. 19 Abs. 1 EGBGB analog für diese oder – sofern vorhanden209 – vergleichbare ausländische Verfahren herangezogen.210 Bei einer Reform des Art. 19 Abs. 1 EGBGB bietet es sich an, diesen Fall ausdrücklich zu regeln. Aufgrund der Sachnähe211 zur rechtlichen Abstammung empfiehlt es sich weiterhin, das statusunabhängige Klärungsverfahren in Art. 19 EGBGB zu verorten. Die Abstammungsklärung dient der Verwirklichung des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung sowie des Rechts der Eltern auf Kenntnis ihrer Nachkommen, die beide als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie durch Art. 8 EMRK geschützt sind.212 Da das Verfahren jedoch rechtsvergleichend unbekannt ist, ist eine alternative Anknüpfung zu wählen, um so die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass eine der berufenen Rechtsordnungen eine solche Abstammungsklärung vorsieht. Der Deutsche Rat für IPR schlägt vor, die alternative Anknüpfung für die gerichtliche Feststellung der Abstammung213 für „die gerichtliche Klärung der genetischen Elternschaft“ zu übernehmen.214 Dies ist überzeugend, da es so für die Anknüpfungsmomente auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ankommt und sich damit die Frage des Bestehens eines Klärungsanspruches nach dem aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. der aktuellen Staatsangehörigkeit richtet. Der Reformvorschlag ist mithin um folgenden Zusatz zu erweitern: „(6) Absatz 3 gilt ebenso für die statusunabhängige Klärung der genetischen Abstammung.“ 208 § 1598a BGB gewährt hierzu dem Kind, dem Vater und der Mutter einen Anspruch gegen die jeweils anderen beiden Familienmitglieder auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und auf Duldung der Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe. Verweigert die Mutter oder der Vater die Einwilligung und die Duldung, kann das Familiengericht die Einwilligung ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme anordnen (Abs. 2). Siehe hierzu auch oben S. 77. 209 Ein vergleichbares Verfahren war dem Gesetzgeber jedenfalls bei Erlass des Gesetzes nicht bekannt, BT-Drucks. 16/6561, S. 10. 210 Siehe oben S. 77 ff. 211 Vgl. hierzu die Argumentation zum geltenden Recht auf S. 77 ff. 212 BT-Drucks. 16/6561, S. 1, 10; MüKo/Wellenhofer, § 1598a BGB Rn. 1; BeckOGK/ Reuß, § 1598a BGB Rn. 5; Helms, FamRZ 2008, 1033. 213 Der Vorschlag des Deutschen Rats für IPR knüpft die gerichtliche Feststellung der Abstammung genauso an wie der hier vorgestellte Vorschlag, Mansel, IPRax 2020, 188 f. 214 Mansel, IPRax 2020, 188 f.
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Dies bedeutet, dass immer dann, wenn ein Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat oder bei Geburt hatte, oder der Elternteil, dessen genetische Verwandtschaft überprüft werden soll, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ein Abstammungsklärungsverfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB durchgeführt werden kann.
IV. Sonderanknüpfung bei nicht-leiblicher Elternschaft Der von Siehr erarbeitete Vorschlag des Deutschen Rats für internationales Privatrecht von 2015 sieht eine Ausnahmeregelung vor, wonach „die rechtliche Abstammung einer Person von mehreren Personen, von denen keine ein leiblicher Elternteil ist, […] den für die Adoption geltenden Vorschriften unterliegt.“215 Fraglich ist, ob eine solche Regelung Zustimmung verdient. Hierfür ist zunächst zu klären, für wen die Ausnahmeregelung gelten soll, wer also mit „leiblichem Elternteil“ gemeint ist. Hinsichtlich des Vaters ist hiermit stets der genetische Vater gemeint. Bei der Mutter ist dies hingegen nicht so offensichtlich: unter dem Begriff der leiblichen Mutter kann sowohl die genetische Mutter als auch die Geburtsmutter verstanden werden.216 Da der Vorschlag nicht den Begriff genetischer Elternteil verwendet, ist davon auszugehen, dass der Ausnahmetatbestand nur dann greifen soll, wenn die Mutter weder eine biologische Verbindung (Schwangerschaft) noch eine genetische Verbindung zu dem Kind aufweist. Der Ausnahmetatbestand bezieht sich folglich auf solche Fälle, in denen das Kind durch eine Leihmutter zur Welt gebracht wurde und keiner der Wunscheltern eine genetische Verbindung zu dem Kind aufweist.217 Der Vorschlag beruft für diese Fälle die „für die Adoption geltenden Vorschriften“ zur Anwendung. Hier stellt sich die zweite Frage, nämlich wie diese Verweisung zu verstehen ist. Zum einen könnte der Verweis so gemeint sein, dass sich die Elternschaft in diesen Fällen nach dem (kollisionsrechtlich anwendbaren) Adoptionsrecht richtet. Die Elternschaft der Wunscheltern könnte mithin nur durch Adoption begründet werden. Wäre etwa deutsches Recht nach Art. 22 EGBGB Adoptionsstatut würden mithin die § 1714 ff. BGB einschlägig sein. Dagegen spricht jedoch, dass nach deutschem Recht auch bei fehlender genetischer Verbindung der Wunschvater das Kind nach § 1594 ff. BGB 215 Mansel, IPRax 2015, 185: „Art. 19 EGBGB-E […] (5) Die rechtliche Abstammung einer Person von mehreren Personen, von denen keine ein leiblicher Elternteil ist, unterliegt den für die Adoption geltenden Vorschriften.“ 216 Vgl. die Erklärung bei BMJV, Arbeitskreis Abstammungsrecht. Abschlussbericht, S. 104: „Der Begriff [leibliche Mutter] ist sowohl medizinisch als auch rechtlich unscharf, denn er umfasst sowohl die genetische Mutter als auch die Geburtsmutter, die nicht gleichzeitig genetische Mutter sein muss.“ 217 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 123a; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 69 Fn. 197. Anderes Verständnis bei Thomale, Mietmutterschaft, S. 90 f., der davon ausgeht, dass der Entwurf die genetische Verwandtschaft meint.
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anerkennen kann, sofern die Leihmutter nicht verheiratet ist. Es wäre sehr ungewöhnlich, wenn das Kollisionsrecht nun den sachlichen Anwendungsbereich des Sachrechts einschränken würde. Ebenso spricht auch der Wortlaut („die Abstammung des Kindes von mehreren Eltern“) eher gegen ein solches Verständnis, wonach in diesen Fällen die Elternschaft nur durch Adoption begründet werden kann. Vielmehr ist daher davon auszugehen, dass die Regelung nur auf das Anknüpfungsmoment des Art. 22 EGBGB verweist. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Rechtsordnung, die auf eine Adoption anwendbar wäre, auch über die Abstammung entscheidet. Die Kollisionsnorm des Art. 22 EGBGB auf die Abstammung anzuwenden, überzeugt indes nicht. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Vorschlag noch zu der Vorgängervorschrift des jetzigen Art. 22 EGBGB ergangen ist, in der noch an die Staatsangehörigkeit des Annehmenden bzw. bei einem verheirateten Paar an das Ehewirkungsstatut angeknüpft worden ist. Der neue Art. 22 EGBGB verweist nun für die Annahme eines Kindes im Inland auf deutsches Recht und beruft ansonsten das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zur Anwendung. Die Unterteilung nach im Inland und im Ausland vorgenommener Adoption eignet sich für die Begründung eines Abstammungsverhältnisses nicht. Bei der Anerkennung und der gerichtlichen Elternzuweisung könnte man zwar noch danach unterscheiden, ob diese im Inland oder im Ausland erfolgt sind – obwohl auch hier bereits die Unterscheidung inhaltlich nicht überzeugen kann. Jedenfalls aber für die Abstammung kraft Gesetzes passt die Aufteilung nicht, da diese nicht im Inland oder Ausland „vorgenommen“ wird; es gibt gerade keinen Begründungsakt wie bei der Adoption, der an einem Ort stattfindet. Auch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt würde bei Neugeborenen erneut Probleme bereiten. Aber auch bei der Vorgängernorm des Art. 22 EGBGB blieb letztlich offen, wieso überhaupt das Adoptionsstatut über die Abstammung entscheiden sollte. Durch den Verweis auf das Adoptionsstatut wurde im Ergebnis die Begründung der Abstammung eines durch eine Leihmutter zur Welt gebrachten Kindes zu seinen genetisch nicht verwandten Wunscheltern erschwert. Denn während das Abstammungsstatut – bei Geltung des von Siehr vorgestellten Reformvorschlags – aufgrund der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Geburtsmutter218 regelmäßig zum leihmutterschaftsfreundlichen ausländischen Recht führt und damit eine Abstammung von den Wunscheltern meist bejaht, verwies das alte Adoptionsstatut regelmäßig, wenn ein deutsches Paar involviert war, auf deutsches Recht und verneinte somit jedenfalls für die Wunsch218 Der Reformvorschlag sah zwar keine ausdrückliche Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Geburtsmutter vor, aber der Vorschlag beruhte auf der Ansicht, dass das Kind im Zeitpunkt der Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt mit dem seiner Geburtsmutter teilt und kam deshalb zum leihmutterschaftsfreundlichen Recht, siehe Siehr, StAZ 2015, 258, 266; Siehr, in: FS Coester-Waltjen, 769, 778.
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mutter ein Abstammungsverhältnis. Diese rechtspolitische Entscheidung ist indes nicht zu befürworten. Da bei einer Gametenspende die genetischen „Eltern“ gerade nicht als rechtliche Eltern zur Verfügung stehen, hat das Kind ein Interesse daran, den Personen zugeordnet zu werden, die zwar nicht mit ihm genetisch verwandt, aber dennoch für seine Existenz verantwortlich sind und die vor der Zeugung zugesichert haben, die Elternrolle zu übernehmen.219 Da das Kind anderenfalls elternlos wäre, sollte die Abstammung von den genetisch nicht verwandten Wunscheltern nicht durch das Kollisionsrecht erschwert werden. Schließlich wäre eine solche Sonderanknüpfung in der Praxis schwierig umsetzbar. Die genetischen Abstammungsverhältnisse sind auch bei der Leihmutterschaft oftmals nicht klar220 und die Standesämter sowie Gerichte wären daher regelmäßig auf eine genetische Untersuchung angewiesen, um überhaupt das anwendbar Recht bestimmen zu können.221 Dies kann nicht überzeugen. Eine Sonderanknüpfung für die Abstammung bei einer Leihmutterschaft zu den genetisch nicht verwandten Wunscheltern ist folglich abzulehnen.
D. Renvoi Fraglich ist, ob die Verweisungen des Reformvorschlags als Gesamt- oder Sachnormverweisungen zu verstehen sind. Das deutsche Kollisionsrecht geht vom Grundsatz der Gesamtverweisung aus, Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB.222 Eine Sachnormverweisung liegt allerdings dann vor, wenn eine Kollisionsnorm unmittelbar auf die Sachvorschriften der berufenen Rechtsordnung verweist, Abs. 2 S. 1, oder wenn eine Gesamtverweisung dem Sinn der Verweisung widerspricht, Abs. 1 S. 1 HS. 2 EGBGB. Bei einer Neuregelung stellt sich die Frage, ob es einer ausdrücklichen Regelung hinsichtlich einer Sachnormverweisung bedarf. Aufgrund der Entscheidung des Gesetzgebers für den Grundsatz der Gesamtverweisung sollte eine Sachnormverweisung jedoch nur angeordnet werden, wenn gewichtige Gründe gegen eine Gesamtnormverweisung sprechen, die über den allgemeinen Sinn jeder Kollisionsnorm, die engste Verbindung zu bestimmen, hinausgehen.223 219 Vgl.
Dethloff, JZ 2016, 207, 210; Duden, StAZ 2018, 137, 140. beispielweise den Fall vor dem EGMR (24.01.2017), FamRZ 2017, 444, indem die Eltern behaupteten beide genetisch mit dem Kind verwandt zu sein, was sich jedoch nach einer Überprüfung als falsch rausstellte, Duden, StAZ 2018, 137, 141. 221 Thomale, Mietmutterschaft, S. 90. 222 BeckOK/Lorenz, Art. 4 EGBGB Rn. 1, 7; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 28. A. A. Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 100, der nicht von einem Grundsatz der Kollisionsnormverweisung ausgeht und mithin von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, sondern den zweiten und dritten Teilsatz des Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB als gleichrangig ansieht. 223 Vgl. die Argumentation zur Sinnklausel des Art. 4 Abs. 1 Hs. 2 EGBGB bei Rauscher, 220 Vgl.
D. Renvoi
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I. Beachtung des renvoi bei den allgemeinen Anknüpfungen 1. Argumente für eine Gesamtnormverweisung Für die Beachtung des renvoi bei den allgemeinen Anknüpfungen spricht zunächst, dass hierdurch der internationale Entscheidungseinklang gefördert wird.224 Zwar kann ein internationaler Entscheidungseinklang nicht mit allen Rechtsordnungen erzielt werden, aber immerhin führt die Beachtung des renvoi zu einer Entscheidungsharmonie mit einer Rechtsordnung.225 Bei Annahme einer Gesamtnormverweisung wird die Abstammung im Inland nämlich so beurteilt, wie sie auch der Staat, dessen Recht berufen wird, beurteilen würde.226 Gerade bei Statusverhältnissen wie der Abstammung haben die Beteiligte ein hohes Interesse an Entscheidungsharmonie.227 Für die Beteiligten ist es äußerst misslich, wenn die Abstammungsbeziehung im manchen Staaten anerkannt wird, in anderen hingegen nicht.228 Solche hinkenden Statusverhältnisse können im Verhältnis zu dem Staat, auf dessen Rechtsordnung verwiesen wird, durch die Annahme einer Gesamtnormverweisung vermieden werden. Ein weiterer Vorteil einer Gesamtnormverweisung liegt darin, dass dadurch öfter das deutsche Recht zur Anwendung käme.229 Denn während bei einer Sachnormverweisung stets das ausländische Recht anwendbar ist, wenn dieses durch das deutsche Kollisionsrecht berufen wird, führt die Beachtung des renvoi immer auch dann zum deutschen Recht, wenn das ausländische Kollisionsrecht auf deutsches Recht zurückverweist. Die Rückweisung auf deutsches Recht ist gerade im Abstammungsrecht durchaus von Vorteil, da es sich bei der Beurkundung der Abstammung um ein tägliches Geschäft der Standesbeamten handelt und somit ein praktisches Bedürfnis danach besteht, dass eigene vertraute Recht anzuwenden. Internationales Privatrecht, Rn. 358, wonach „ein qualifizierter Sinn der deutschen Kollisionsnorm gegen eine Gesamtnormverweisung sprechen [muss]“; Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 151 fordert eine „besondere Wertung“ und MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 30 spricht von einem „über den allgemeinen Sinn jeder Verweisungsnorm hinausgehende[n] Regelungszweck […], der als ‚qualifizierte Sachgerechtigkeit‘ oder ‚rechtspolitisch ordnende Funktion‘ umschrieben wird.“ 224 Vgl. allgemein MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 25; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 166 f.; Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 116 ff.; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB Rn. 22. 225 Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 117; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 25. 226 Jedenfalls meistens, Ausnahmen bestehen bei der Rückverweisung, vgl. Junker, Internationales Privatrecht, § 8 Rn. 15; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 25; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 166 f. 227 Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 123 f., 265. 228 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 37; Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 123 f., 261. 229 Vgl. MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 26; Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 141; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 165 f.; BeckOK/Lorenz, Art. 4 EGBGB Rn. 5; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB Rn. 24.
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2. Argumente für eine Sachnormverweisung Für eine Sachnormverweisung spricht demgegenüber, dass die hinter dem Reformvorschlag stehenden materiellen Wertungen durch eine Gesamtnormverweisung durchkreuzt werden.230 Mit dem Reformvorschlag wurde bewusst eine Lösung gewählt, die nur die Abstammung kraft Anerkennung und die gerichtliche Feststellung begünstigt, nicht aber die Abstammung kraft Gesetzes. Diese Entscheidung könnte jedoch unterlaufen werden, ließe man den renvoi zu. Andere Rechtsordnungen sehen nämlich auch für die gesetzliche Zuordnung eine Mehrfachanknüpfung vor – wie auch der (noch) geltende Art. 19 Abs. 1 EGBGB – und somit käme man über die Hintertür doch wieder zu einer Begünstigung der gesetzlichen Zuordnung.231 Ferner wäre kein Gleichlauf mehr zwischen dem Statut der gesetzlichen Zuordnung, dem der Anerkennung und dem der gerichtlichen Feststellung gewährleistet, der dadurch erzielt werden sollte, dass einheitlich an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Zeitpunkt der Geburt angeknüpft wird. Durch die einheitliche Anknüpfung soll sichergestellt werden, dass jedenfalls eine Rechtsordnung über alle Abstammungsbeziehungen entscheidet und so kein Normenmangel entstehen kann.232 Da die Kollisionsrechte anderer Staaten teilweise die gesetzliche Zuordnung, Anerkennung und gerichtliche Feststellung unterschiedlich anknüpfen,233 könnten bei einer Befolgung einer Rück- oder Weiterverweisung durch das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes unterschiedliche Rechtsordnungen für die gesetzliche Zuordnung, Anerkennung und gerichtliche Zuweisung berufen werden. Der Gleichlauf wäre mithin nicht gegeben. Ebenso bestünde die Gefahr, dass durch die Befolgung des renvoi das Problem der konkurrierenden Elternschaften fortbestehen würde. Bei gleichzeitig entstehenden konkurrierenden Elternschaften verweist der Reformvorschlag auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Zeitpunkt der Geburt. Beachtet man einen renvoi und beruft das erstverwiesene Recht mehrere Rechtsordnungen, die das Kind unterschiedlichen Personen zuordnen, bestünde 230 Hierauf hinweisend Lorenz im Rahmen der Online Konferenz „Reform des Internationalen Abstammungsrechts“ (20:55–22:00), abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). Vgl. allgemein zum Einfluss von materiell-rechtlichen Wertungen auf die Beachtung des renvoi Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 158 ff. 231 Hierauf hinweisend Lorenz im Rahmen der Online Konferenz „Reform des Internationalen Abstammungsrechts“ (20:55–22:00), abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023). 232 Siehe hierzu oben, S. 249. 233 Beispielsweise knüpft das französische Recht für die gesetzliche Zuordnung an das Heimatrecht der Mutter an, während es für die Anerkennung auf die Staatsangehörigkeit des Anerkennenden verweist, Art. 311-14, 311-17 frz. CC. Für weitere Beispiele siehe oben S. 265 Fn. 139.
D. Renvoi
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erneut eine erhebliche Unsicherheit, wie ein solcher Konflikt zu lösen ist. Zwar ließe sich argumentieren, es komme hier für die Frage, wie der Konflikt zu lösen ist, auf das Kollisionsrecht des gewöhnlichen Aufenthalts an und gerade nicht auf das deutsche Kollisionsrecht. Da jedoch rechtsvergleichend eine Regelung von konkurrierenden Elternschaften nur äußerst selten ist, würde auch zukünftig das Problem von konkurrierenden Elternschaften die Praxis vor erhebliche Schwierigkeiten stellen. Widersprüchliche Ergebnisse zukünftig zu lösen, ist aber gerade eines der zentralen Anliegen der Reform. Bei der Annahme einer Sachnormverweisung würde in diesen Fällen stets nur ein Sachrecht für die Abstammung berufen werden und damit wäre ein eindeutiges Ergebnis sichergestellt. Darüber hinaus ist die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Geburtsmutter, die als Ersatzanknüpfung fungiert, wenn das Neugeborene noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, rechtsvergleichend kaum verbreitet und daher wäre bei der Annahme einer Gesamtnormverweisung eine Rück- oder Weiterverweisung durch das erstverwiesene Recht bei dieser Anknüpfung nahezu immer gegeben. Dies würde zum einen die Sinnhaftigkeit der Anknüpfung in Frage stellen, wenn aller Voraussicht nach ohnehin auf eine andere Rechtsordnung verwiesen wird. Zu überlegen wäre dann, ob nicht von vornherein ein anderes Anknüpfungsmerkmal gewählt werden sollte. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Ersatzanknüpfung ihren Anwendungsbereich gerade in Leihmutterschaftsfällen hat. Der Verweis auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Geburtsmutter dient gerade auch dem Zweck, das leihmutterschaftsfreundliche Recht zu berufen. Bei Beachtung des renvoi würde dieser Zweck unterlaufen werden. Schließlich könnte die uneingeschränkte Beachtung des renvoi die Begünstigungstendenz, die der Alternativanknüpfung der Anerkennung und der gerichtlichen Zuweisung zugrunde liegt, durchkreuzt werden. Der Reformvorschlag stellt mehrere Rechtsordnungen sowohl für die Anerkennung als auch für die gerichtliche Feststellung zur Verfügung, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass eine der Rechtsordnungen eine Abstammung ermöglicht. Ließe man nun den renvoi zu, könnte dieses Ziel unterlaufen werden, wenn die berufenen Rechtsordnungen alle auf dieselbe Rechtsordnung weiterverweisen.234 Um dies zu vermeiden, ist es jedoch nicht notwendig ausschließlich eine Sachnormverweisung anzunehmen. Das der alternativen Anknüpfung zugrundeliegende Günstigkeitsprinzip spricht vielmehr dafür – wie bei der Analyse des geltenden Rechts gesehen wurde235 –, den renvoi grundsätzlich zuzulassen und nur dann eine Sachnormverweisung anzunehmen, wenn nur dieses Recht eine Anerkennung oder gerichtliche Feststellung ermöglicht. Die Alternativanknüpfung des 234 Vgl. 235
Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 207. Siehe hierzu oben S. 114 ff.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
Absatzes 2 und des Absatz 3 des Reformvorschlags sprechen mithin nicht für eine ausschließliche Sachnormverweisung.
3. Streitentscheid Zwar haben die Parteien grundsätzlich ein hohes Interesse am Bestehen eines internationalen Entscheidungseinklangs hinsichtlich der Frage der Elternschaft, dennoch muss dieses Interesse zurücktreten, wenn anderenfalls die hinter dem Reformvorschlag stehenden materiellen Gerechtigkeitserwägungen nicht erzielt werden können. Die mit dem Reformvorschlag bezweckten Ziele sind höher zu gewichten als das Interesse an der Erreichung des internationalen Entscheidungseinklangs. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass ein internationaler Entscheidungseinklang auch bei Beachtung des renvoi nicht immer gegeben ist, nämlich insbesondere dann nicht, wenn das berufene Recht auf deutsches Recht zurückweist und dieses nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB die Verweisungskette abbricht, das berufene Recht aber seinerseits ebenfalls eine Rückverweisung annimmt.236 Dies bedeutet aber nicht, dass alle Verweisungen des Reformvorschlags als Sachnormverweisungen anzusehen sind. Die dahinterstehenden materiell-rechtlichen Wertungen werden auch dann erreicht, wenn nur bezüglich der Anknüpfung für die gesetzliche Zuordnung eine Sachnormverweisung angenommen wird. Bei der Anerkennung und der gerichtlichen Feststellung ist demgegenüber eine Rück- oder Weiterverweisung grundsätzlich zu berücksichtigen, es sei denn, dass dadurch die Möglichkeit der Feststellung der Abstammung entfiele.237 Dadurch, dass die Anknüpfungen für die Anerkennung und für die gerichtliche Feststellung im Zweifel auch eine Sachnormverweisung aussprechen, ist sichergestellt, dass jedenfalls ein Sachrecht – und zwar das Abstammungsrecht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Zeitpunkt der Geburt – auf alle Abstammungsarten anwendbar ist und damit die Gefahr eines Normenmangels beseitigt ist. Das Ergebnis ergäbe sich theoretisch bereits durch die Anwendung der allgemeinen Sinnklausel des Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Da jedoch die Auslegung der Sinnklausel nicht immer eindeutig ist und häufig zu Meinungsverschiedenheiten in der Literatur und Rechtsprechung führt, bietet es sich an, die Sachnormverweisungen ausdrücklich als solche zu kennzeichnen, indem direkt auf die Sachvorschriften verwiesen wird.238 236 Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB Rn. 21; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 25; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 166 f. 237 Vgl. zur Argumentation zum geltenden Recht BeckOK/Heiderhoff, Art. 19 EGBGB Rn. 39; MüKo/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 33 f. 238 Dafür auch Lorenz im Rahmen der Online Konferenz „Reform des Internationalen Abstammungsrechts“ (20:55–22:00), abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 01.04.2023).
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II. Beachtung des renvoi bei den Sonderanknüpfungen 1. Sonderanknüpfung für die Abstammung bei medizinisch assistierter Reproduktion Bei der Sonderanknüpfung für die Abstammung im Falle medizinisch assistierter Reproduktion an das Recht des Staates, in dem die künstliche Befruchtung durchgeführt wurde, handelt es sich ebenfalls um eine Sachnormverweisung. Dies ergibt sich daraus, dass durch die Anknüpfung ein Gleichlauf mit dem Recht, das über die Zulässigkeit der künstlichen Befruchtung entscheidet, hergestellt werden soll. Die einheitliche materiell-rechtliche Beurteilung des Sachverhalts würde durch die Befolgung eines renvoi zerstört werden.239 Die Annahme einer Sachnormverweisung ergäbe sich auch hier bereits aus Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB, da die Weiterverweisung dem Sinn der Verweisung widersprechen würde. Um Unklarheiten zu vermeiden, sollte aber auch hier ausdrücklich auf die Sachvorschriften verwiesen werden.
2. Sonderanknüpfung für die statusunabhängige Klärung der genetischen Abstammung Für eine Sachnormverweisung bei der Anknüpfung für die statusunabhängige Klärung der genetischen Abstammung könnte zunächst sprechen, dass dieses Verfahren rechtsvergleichend unbekannt ist und daher die ausländischen Rechtsordnungen hierfür auch keine Kollisionsnorm vorsehen werden– ebenso wie das geltende deutsche Recht. In der Praxis könnte daher die Frage nach einer Rück- oder Weiterverweisung mit Schwierigkeiten verbunden sein. Dagegen lässt sich einwenden, dass in diesem Fall die Kollisionsnorm für die Abstammung analog herangezogen werden kann, wie dies im geltenden deutschen Recht praktiziert wird. Unterscheidet die ausländische Norm zwischen der Begründung der Abstammung kraft Gesetzes, kraft Anerkennung und kraft richterlicher Zuweisung, ist die Kollisionsnorm für die richterliche Zuweisung analog anzuwenden, da die beiden Verfahren sehr ähnlich sind. Mithin sind praktische Schwierigkeiten bei Beachtung des renvoi nicht anzunehmen. Der renvoi ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Sonderanknüpfung auf das Statut der gerichtlichen Zuweisung der Abstammung verweist. Der Verweis ist lediglich als ein redaktioneller Verweis zu verstehen, um eine Wiederholung des Gesetzestextes zu vermeiden und bezweckt gerade nicht die einheitliche materiell-rechtliche Beurteilung.240 239 Vgl.
allgemein zur Befolgung eines renvoi bei akzessorischer Anknüpfung, Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 172; Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 180 ff. 240 Vgl. zu akzessorischen Anknüpfungen Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 172; Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 180 f.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
Die Beachtung des renvoi könnte jedoch dem Sinn der Verweisung widersprechen, weil durch die uneingeschränkte Befolgung des renvoi die Begünstigungstendenz durchkreuzt würde, wenn alle berufenen Rechtsordnungen auf dieselbe Rechtsordnung weiterverweisen.241 Es gilt hier jedoch das oben Gesagte entsprechend: Das Günstigkeitsprinzip fordert nur dann die Annahme einer Sachnormverweisung, wenn die Beachtung der Rück- und Weiterverweisung nicht das gewünschte Ergebnis erzielt.242 Grundsätzlich ist deshalb von einer Gesamtnormverweisung auszugehen. Dies hat zugleich den Vorteil, dass, sollte einmal keine der Anknüpfungen auf deutsches Recht verweisen, § 1598a BGB dennoch angewendet werden kann, wenn ein ausländisches Recht auf das deutsche Recht zurückweist.
E. Anpassung des Anfechtungsstatuts I. Folgeänderung für Art. 20 EGBGB Der derzeitige Art. 20 EGBGB verweist für die Anfechtung auf diejenigen Rechtsordnungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, nach denen die Abstammungsbeziehung besteht.243 Bezogen auf den hier vorgestellten Reformvorschlag würde die unveränderte Fortgeltung des Art. 20 EGBGB folgendes bedeuten: Da für die gesetzliche Begründung einer Abstammungsbeziehung nur ein Recht zur Anwendung berufen wird (Art. 19 Abs. 1 des Reformvorschlags), würde auch die Anfechtung der Abstammung kraft Gesetzes stets nur einem Recht unterliegen. Hingegen würde die Anfechtung einer Abstammung, die auf einer Anerkennung beruht, auch weiterhin einer alternativen Anknüpfung unterliegen, da die Begründung der Anerkennung alternativ angeknüpft wird (Art. 19 Abs. 2 des Reformvorschlags). Dies erscheint aus zweierlei Gründen nicht überzeugend. Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, die Anfechtung eines Abstammungsverhältnisses, das auf einer Anerkennung beruht, zu begünstigen, nicht aber das Abstammungsverhältnis, das auf einer gesetzlichen Zuordnung beruht. Das Interesse an Statuswahrheit auf der einen Seite und das Interesse an der Statusbeständigkeit auf der anderen Seite unterscheiden sich nicht je nach Abstammungsart. Die unterschiedliche Behandlung von gesetzlicher Zuordnung und Anerkennung, wie sie hier für die Begründung der Abstammung vorgeschlagen wurde, eignet sich daher für die Anfechtung nicht. Des Weiteren ergab die Untersuchung zum geltenden Recht, dass eine alternative Anknüpfung und die damit einhergehende Erleichterung der Anfechtung grundsätzlich – unabhängig von der Abstammungsart – nicht zu empfehlen ist und zukünftig das Anfech241 Vgl.
Sonnentag, Renvoi im IPR, S. 203 ff. Vgl. die Argumentation zum geltenden Recht oben S. 114 ff. 243 Vgl. zur Anknüpfung im geltenden Recht oben S. 185 f. 242
E. Anpassung des Anfechtungsstatuts
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tungsstatut daher nur noch einem Recht unterworfen werden sollte.244 Nur für das Kind ist an der bisherigen alternativen Anknüpfung festzuhalten, da sein Interesse an der Statuswahrheit höher zu gewichten ist als das Interesse der anderen Beteiligten an Statusbeständigkeit.245 Da die einheitliche Anknüpfung von Abstammungs- und Anfechtungsstatut beibehalten werden sollte, kommen letztlich zwei Wege in Betracht, wie das Ergebnis umgesetzt werden kann. Die einfachere Möglichkeit wäre es, die Abstammung aufgrund Anerkennung nicht alternativ, sondern subsidiär anzuknüpfen. Dies hätte jedoch den Nachteil, dass die Standesbeamten bei der Feststellung der Abstammung nicht zwischen den Anknüpfungen frei wählen könnten, sondern eine vorgegebene Reihenfolge zu beachten hätten und somit häufiger ausländisches Recht anwenden müssten. Immer dann, wenn das Kind bereits im Ausland seinen ersten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, müsste der Standesbeamte die Wirksamkeit des Anerkenntnisses nach dem ausländischen Recht prüfen. Bei einer alternativen Anknüpfung bedürfte es demgegenüber keiner weiteren Erkundigung zum ausländischen Recht, wenn bereits irgendeine der Anknüpfungen auf deutsches Recht verweist und danach die Abstammung besteht. Da die Beurkundung der Abstammung ein tägliches Geschäft der Standesbeamten darstellt, besteht ein hohes Interesse daran, möglichst häufig das eigene Recht anwenden zu können. Hierdurch wird eine schnelle Feststellung der Abstammung garantiert. Möchte man diese Vorteile beibehalten, bietet es sich an, die Lösung des alten Rechts bezüglich der Anfechtung der ehelichen Abstammung zu übernehmen. Nach Art. 19 EGBGB a. F. konnte die Ehelichkeit nach herrschender Meinung alternativ nach dem Ehewirkungsstatut oder einem der Heimatrechte der Eltern festgestellt werden,246 während für die Anfechtung die Anknüpfungen als subsidiär angesehen wurden.247 Die Ehelichkeit konnte mithin ausschließlich nach dem Ehewirkungsstatut angefochten werden, wenn die Ehelichkeit nach diesem Recht bestand.248 Dies galt auch dann, wenn die Abstammungsbegründung ursprünglich etwa nach dem alternativ anwendbaren Heimatrecht des Vaters festgestellt wurde. Eine Anfechtung nach einem der Heimatrechte der Eltern kam hingegen nur in Betracht, wenn das Ehewirkungsstatut eine eheliche Abstammung verneinte und sich die eheliche Abstammung mithin nur aus einem der Heimatrechte ergab.249 244 245
Siehe oben S. 187 ff. Siehe oben S. 187 ff. 246 Siehe oben S. 63 ff. 247 Henrich, IPRax 1993, 392; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 182 ff.; Staudinger/Henrich, 13. Aufl., Art. 19 Rn. 145 ff.; MüKo/Schwimann, 2. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 43. Siehe hierzu auch oben S. 190. 248 Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 184; Staudinger/Henrich, 13. Aufl., Art. 19 Rn. 152.; MüKo/Schwimann, 2. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 43. 249 MüKo/Schwimann, 2. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 43; Henrich, Internationales Familienrecht, 1. Aufl., S. 184; Staudinger/Henrich, 13. Aufl., Art. 19 Rn. 161.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
Übertragen auf den Reformvorschlag bedeutet dies, dass für die Begründung der Abstammung mittels Anerkennung die Anknüpfungen alternativ angewendet werden können, hingegen bei der Anfechtung der Abstammung eine Rangfolge der Anknüpfungen zu beachten ist. Kann die Abstammung infolge Anerkennung nach mehreren der in Art. 19 Abs. 2 des Reformvorschlags zur Verfügung gestellten Alternativen begründet werden, richtet sich die Anfechtung daher nur nach der Rechtsordnung, die in der Rangfolge weiter oben steht. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen: Eine Deutsche bekommt im Inland ein Kind. Ihr Lebensgefährte, ein Norweger, der ebenfalls in Deutschland wohnt, gibt kurz nach der Geburt mit Zustimmung der Mutter ein Vaterschaftsanerkenntnis ab, obwohl er nicht der leibliche Vater des Kindes ist. Die Abstammung richtet sich hier gemäß Art. 19 Abs. 2 des Reformvorschlags zum einen nach deutschem Recht, da sich sowohl der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im Zeitpunkt der Geburt und im Zeitpunkt der Anerkennung als auch der gewöhnliche Aufenthalt des Anerkennenden in Deutschland befindet. Zum anderen führt die Anknüpfung an das Heimatrecht des Anerkennenden zum norwegischen Recht. Die Abstammung ist nach beiden Rechten begründet.250 Nun möchte der leibliche Vater die Abstammung anfechten. Die Mutter, der rechtliche Vater und das Kind leben als Familie zusammen und der rechtliche Vater übernimmt tatsächlich Verantwortung für das Kind. Nach deutschem Recht ist eine Anfechtung durch den leiblichen Vater in diesem Fall ausgeschlossen, da zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht.251 Das norwegische Recht sieht hingegen ein uneingeschränktes Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters vor und würde damit die Anfechtung in diesem Fall erlauben.252 Es stellt sich die Frage, welches Recht auf die Anfechtung anwendbar ist. Bei unveränderter Fortgeltung des Art. 20 EGBGB wären die beiden Rechte alternativ anwendbar mit dem Ergebnis, dass der leibliche Vater die Vaterschaft des Norwegers wirksam anfechten kann. Nach dem hier vertretenen Reformvorschlag sind die Anknüpfungen bezüglich der Anerkennung für die Anfechtung als subsidiär anzusehen und damit genießt das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Geburt (Art. 19 Abs. 2 HS. 1 i. V. m. Abs. 1 EGBGB des Reformvorschlags) Vorrang gegenüber der Heimatrechtsanknüpfung des Anerkennenden (Art. 19 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB des Reformvorschlags). Mithin ist ausschließlich deutsches Recht auf die Anfechtung anwendbar und eine Anfechtung durch den leiblichen Vater ist nicht möglich. Abwandlung: Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn theoretisch die Anerkennung nur nach norwegischem Recht wirksam wäre.253 In diesem Fall würde sich die Abstammung nur nach dem Heimatrecht des Anerkennenden ergeben und damit wäre norwegisches Recht Anfechtungsstatut und die Anfechtung wäre damit möglich.
250 Nach deutschem Recht gemäß §§ 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB, nach norwegischem Recht gemäß § 4 KinderG. 251 Vgl. zum Begriff der sozial-familiären Beziehung, MüKo/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 26. 252 § 6 norweg. KinderG. 253 Da sich die Voraussetzungen des deutschen und norwegischen Rechts gleichen, ist dies nur ein theoretisches Beispiel.
E. Anpassung des Anfechtungsstatuts
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Im alten Recht war diese Rechtslage nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, sondern die Vorschrift wurde so von der herrschenden Meinung ausgelegt. Bei einer Neuregelung bedarf es jedoch einer ausdrücklichen Verankerung im Gesetzestext. Eine Neuregelung könnte folgendermaßen aussehen: „Art. 20 EGBGB (1) Die Abstammung kann nach dem Recht angefochten werden, nach dem die Abstammung besteht. Besteht die Abstammung nach mehreren Rechten, so bestimmt sich ihre Anfechtung ausschließlich nach demjenigen dieser Rechte, das in Artikel 19 zuerst genannt ist. (2) Das Kind kann die Abstammung in jedem Fall nach dem Recht des Staates anfechten, in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“
II. Beachtung des renvoi Im geltenden Recht wird nach herrschender Meinung der renvoi grundsätzlich befolgt, wenn dadurch nicht die Möglichkeit der Anfechtung entfällt, die gerade durch die alternative Anknüpfung begünstigt werden soll.254 Da bei der hier vorgeschlagenen Neuregelung – mit Ausnahme für das Kind – keine alternative Anknüpfung für die Anfechtung mehr besteht, wäre zukünftig der renvoi uneingeschränkt zu befolgen, sofern keine ausdrückliche Regelung für eine Sachnormverweisung eingeführt wird. Fraglich ist daher, ob die Verweisung in Art. 20 Abs. 1 des Reformvorschlags auf das Recht, nach dem die Abstammung begründet wurde, als Sachnormverweisung ausgestaltet werden sollte. Dafür spricht, dass so die Abstammung und die Anfechtung stets demselben Sachrecht unterstehen würden. Dies ist deshalb sinnvoll, weil das Abstammungsrecht und das Anfechtungsrecht innerhalb einer Rechtsordnung aufeinander abgestimmt sind. Folgende zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Kennt eine Rechtsordnung wie etwa das deutsche Recht keine Co-Mutterschaft oder kennt ein Recht zumindest keine Co-Mutterschaft allein aufgrund Ehe, wird diese Rechtsordnung auch keine Anfechtungsregeln für den Fall vorsehen, dass das Kind nicht mit Zustimmung der Co-Mutter gezeugt worden ist. Das deutsche Recht bietet ein weiteres Beispiel: Da es das Kind nicht mehr dem zum Zeitpunkt der Geburt bereits von der Mutter geschiedenen Ehemann zuordnet, sieht es für diesen Fall ausdrücklich auch keine vereinfachte Anfechtung durch Privaterklärung im Sinne des § 1599 Abs. 2 BGB vor.255 Man ist in diesen Fällen auf analoge Anwendungen der bestehenden Vorschriften angewiesen,256 die vor allem bei der Auslegung des ausländischen Rechts Schwierigkeiten berei254 Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 23; BeckOK/Heiderhoff, Art. 20 EGBGB Rn. 12; MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 4; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-315. 255 Vgl. BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334 Rn. 26; MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 12. 256 Nach h. M. ist etwa § 1599 Abs. 2 EGBGB analog auf die Anfechtung der Vaterschaft
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
ten können. Die Anwendung desselben Sachrechts auf Abstammung und Anfechtung würde diese Probleme vermeiden. Gewährleistet wäre dies aber nur bei einer Sachnormverweisung nicht hingegen bei der Annahme einer Gesamtnormverweisung. Bei einer Gesamtnormverweisung wird zwar zunächst auf das gleiche Recht wie für die Abstammung verwiesen, allerdings kann das Kollisionsrecht dieser Rechtsordnung sodann für Abstammung und Anfechtung unterschiedliche Rechte berufen. Rechtsvergleichend ist es zwar üblich die gleichen Anknüpfungen für das Abstammungs- und das Anfechtungsstatut zu verwenden,257 jedoch wird in manchen Rechtsordnungen beispielsweise die Anerkennung zusätzlich weiteren Anknüpfungen unterstellt, wohingegen für das Anfechtungsstatut nur ein Anknüpfungsmoment maßgeblich ist.258 In diesen Fällen kann es folglich zu einem Auseinanderfallen von Anfechtungs- und Abstammungsstatut kommen. Zu beachten ist jedoch, dass für das Kind die alternative Anknüpfung beibehalten wird und somit in diesen Fällen ohnehin kein Gleichlauf besteht. Das Kollisionsrecht verweist hier selbst auf unterschiedliche Rechte. Letztlich sind die Probleme, die sich durch die Anwendung unterschiedlicher Rechte auf Abstammung und Anfechtung ergeben zwar misslich, aber durch eine analoge Anwendung der bestehenden Vorschriften zu bewältigen. Auch bisher ist die Berufung unterschiedlicher Rechte nicht auf große Schwierigkeiten gestoßen. Da auch bei der Beachtung des renvoi regelmäßig ein Gleichlauf gegeben sein wird und sich damit diese schwierigen Fälle in Grenzen halten werden, sollte im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs und im Hinblick auf den Art. 4 Abs. 1 EGBGB zugrundeliegendem Grundsatz der Gesamtnormverweisung der renvoi befolgt werden. des Ex-Ehemanns anwendbar, BGH (20.06.2018), FamRZ 2018, 1334, 1337; MüKo/Helms, Art. 20 EGBGB Rn. 12. 257 Vgl. etwa Belgien (Art. 62 § 1 IPRG), Schweiz (Art. 68 IPRG), Kroatien (Art. 41 IPRG), Argentinien (Art. 2632 CCCN), Monaco (Art. 43 IPRG), Montenegro (Art. 87 IPRG), Albanien (Art. 28 IPRG), Polen (Art. 55 IPRG). 258 Beispielsweise richtet sich nach monegassischem Recht die Feststellung und Anfechtung der Abstammung nach dem Heimatrecht des Kindes (Art. 43 IPRG). Für die Anerkennung (Art. 44 IPRG) ist jedoch neben dem Heimatrecht des Kindes auch das Heimatrecht des Anerkennenden sowie das Aufenthaltsrecht des Kindes und des Anerkennenden maßgebend. Ergibt sich die Wirksamkeit der Anerkennung aus dem Aufenthaltsrecht, kann die Anfechtung aber dennoch nur nach dem Heimatrecht erfolgen. Abstammungs- und Anfechtungsstatut unterliegen hier folglich unterschiedlichen Rechten. Ferner kann es auch deshalb zu unterschiedlichen Statuten kommen, weil das monegassische Recht für die Anfechtung das Heimatrecht im Zeitpunkt der Antragseinreichung beruft, während es für die gesetzliche Zuordnung den Zeitpunkt der Geburt und für die Anerkennung den Zeitpunkt der Anerkennung bestimmt. Ändert sich die Staatsangehörigkeit des Kindes zwischen Abstammungsbegründung und gerichtlicher Anfechtung, ist mithin ebenfalls eine andere Rechtsordnung auf die Anfechtung anwendbar als auf die Begründung der Abstammung.
F. Ergebnis: Ausformulierter Gesetzesvorschlag
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Bei Art. 20 Abs. 2 EGBGB ist schließlich der renvoi, da es sich hier um eine alternative Anknüpfung handelt, die die Anfechtung begünstigen möchte, immer dann zu beachten, wenn hierdurch die Anfechtung nicht vereitelt wird. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage.259
F. Ergebnis: Ausformulierter Gesetzesvorschlag Der hier ausgearbeitete Reformvorschlag lautet zusammengefasst wie folgt: Art. 19 Abstammung (1) 1Die Abstammung eines Kindes kraft Gesetzes unterliegt den Sachvorschriften des Staates, in dem das Kind im Zeitpunkt seiner Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2Hat das Kind in diesem Zeitpunkt noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die gebärende Person im Zeitpunkt der Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. (2) 1Die Abstammung eines Kindes, die durch ein Rechtsgeschäft begründet wird, kann außer nach dem durch Absatz 1 bestimmten Recht auch nach dem Recht des Staates erfolgen, 1. in dem das Kind im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder 2. in dem die Person, die ihre Elternschaft begründen möchte, im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder 3. dem diese Person im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts angehört. 2Unter Satz 1 fällt insbesondere die Abstammung aufgrund einer Anerkennung, aufgrund einer Zustimmung zur medizinisch assistierten Reproduktion und aufgrund einer vor der Zeugung eingegangenen Vereinbarung über die Elternschaft. (3) Die gerichtliche Zuweisung der rechtlichen Elternschaft kann außer nach dem durch Absatz 1 bestimmten Recht auch nach dem Recht des Staates erfolgen, 1. in dem das Kind im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder 2. in dem die Person, deren Elternschaft festgestellt werden soll, im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder 259 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 411; Staudinger/Henrich, Art. 20 EGBGB Rn. 23; BeckOK/Heiderhoff, Art. 20 EGBGB Rn. 12; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Rn. V-315.
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5. Kapitel: Erarbeitung eines Reformvorschlags
3. dem diese Person im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts angehört. (4) Wurde das Kind mithilfe einer medizinisch assistierten Reproduktionsbehandlung mittels Gametenspende eines Dritten gezeugt oder trägt eine Person ein Kind, das durch medizinisch assistierte Reproduktion gezeugt wurde, für jemanden anderen aus (Leihmutterschaft), so unterliegt die Abstammung neben den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Rechten auch den Sachvorschriften des Staates, in dem die Behandlung durchgeführt wurde. (5) 1Kommen die danach anwendbaren Rechtsordnungen zu widersprüchlichen Ergebnissen, ist die zuerst entstandene Abstammungsbeziehung maßgeblich. Entstehen die sich widersprechenden Abstammungsverhältnisse zur gleichen Zeit, ist diejenige Rechtsordnung maßgebend, zu dem der Sachverhalt die engere Verbindung aufweist. 2Dies ist das nach Absatz 1 bestimmte Recht, wenn danach ein Abstammungsverhältnis besteht. (6) Absatz 3 gilt ebenso für die statusunabhängige Klärung der genetischen Abstammung. Art. 20 EGBGB (1) 1Die Abstammung kann nach dem Recht angefochten werden, nach dem die Abstammung besteht. 2Besteht die Abstammung nach mehreren Rechten, so bestimmt sich ihre Anfechtung ausschließlich nach demjenigen dieser Rechte, das in Artikel 19 zuerst genannt ist. (2) Das Kind kann die Abstammung in jedem Fall nach dem Recht des Staates anfechten, in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Art. 23 EGBGB Die Erforderlichkeit und die Erteilung der Zustimmung des Kindes und einer Person, zu der das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, zu einer Namenserteilung unterliegen zusätzlich dem Recht des Staates, dem das Kind angehört. Soweit es zum Wohl des Kindes erforderlich ist, ist stattdessen das deutsche Recht anzuwenden. (Das Wort „Abstammungserklärung“ wurde gestrichen.)
Zusammenfassung der Ergebnisse Die Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchung werden nachfolgend in Thesenform zusammengefasst.
Reformbedürftigkeit des geltenden Rechts Die vorliegende Arbeit hat aufgezeigt, dass das internationale Abstammungsrecht reformbedürftig ist. Folgende Schwachstellen konnten identifiziert werden: 1) Die Alternativität des Art. 19 Abs. 1 EGBGB kann über ihr eigentliches Ziel, dem Kind möglichst zwei Elternteile zuzuordnen, hinausschießen und die zweite Elternposition doppelt besetzen. So können die berufenen Rechtsordnungen dem Kind zwei unterschiedliche Väter oder auch zwei unterschiedliche Mütter zuweisen. Wie solch konkurrierende Elternschaften zu lösen sind, ist höchst umstritten, und es besteht insofern eine hohe Rechtsunsicherheit. 2) Die alternativ zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen können nicht nur unterschiedlich bewerten, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind, sondern auch, wie viele Eltern ein Kind haben kann. Auch hier gibt das Gesetz nicht vor, welcher Rechtsordnung der Vorrang zukommen soll. 3) Umgekehrt kann in Fällen der Leihmutterschaft regelmäßig nur der Wunschvater, nicht aber die Wunschmutter ein Abstammungsverhältnis zu dem Kind begründen. Trotz der alternativen Anknüpfungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB und der damit einhergehenden Begünstigung der Herstellung einer Abstammungszuordnung wird kein Abstammungsverhältnis zu der Wunschmutter begründet, da regelmäßig keine der Anknüpfungen auf das leihmutterschaftsfreundliche, ausländische Recht verweist. Ist die Leihmutter verheiratet, wird regelmäßig auch die Elternschaft des Wunschvaters nicht automatisch begründet. Die Wunscheltern können ihre Elternschaft in diesem Fall nur über den Weg der Adoption begründen. Dieses Ergebnis widerspricht dem Kindeswohl, da es im Interesse des Kindes ist, den Personen, die für seine Existenz verantwortlich sind, abstammungsrechtlich zugeordnet zu werden, um rechtlich abgesichert zu sein.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
4) Auch wenn zwei Frauen ihre Elternschaft begründen möchten, wird oftmals das Kind nur einer Frau – der Geburtsmutter – zugeordnet. Die Alternativität führt auch hier meist nicht zu dem günstigeren ausländischen Recht. Insbesondere ist es für die Begründung einer Co-Mutterschaft nicht ausreichend, wenn nur die Geburtsmutter die Staatsangehörigkeit eines Staates, der die Co-Mutterschaft vorsieht, besitzt. 5) Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt kann bei einem Neugeborenen ins Leere gehen. Die Begründung des ersten gewöhnlichen Aufenthalts eines Neugeborenen setzt dessen körperliche Anwesenheit sowie den Willen der Betreuungspersonen, dass das Kind in diesem Land leben soll, voraus. Wird ein Kind im Ausland geboren, soll aber nach dem Willen seiner Betreuungspersonen unmittelbar nach der Geburt in einem anderen Land leben, hat es daher im Zeitpunkt der Geburt weder im Geburtsland noch in dem Zuzugsstaat einen gewöhnlichen Aufenthalt. 6) Die Wandelbarkeit des Abstammungsstatuts widerspricht dem Prinzip der Statuserkennbarkeit und dem Interesse der Beteiligten an Rechtssicherheit. Die Wandelbarkeit kann dazu führen, dass ein Kind, welches noch keinen zweiten Elternteil hat, einen solchen nach einem Wechsel seines gewöhnlichen Aufenthalts oder nach einem Wechsel der Staatsangehörigkeit des potentiellen Elternteils bekommen kann. Diese Abstammungsbeziehung bleibt jedoch oft unentdeckt, da sie ohne weiteres Zutun der Beteiligten entsteht. 7) Werden Vaterschaftsanerkennungen im Ausland abgegeben, fördert Art. 23 S. 1 EGBGB eher hinkende Abstammungsverhältnisse, als sie zu verhindern. Dass hierdurch deutsche Mütter und ihre Kinder nicht mehr vor einseitigen Vaterschaftsanerkenntnissen geschützt werden, ist hinzunehmen, da im Hinblick auf die mit einer Elternschaft verbundenen Pflichten nur eine geringe Missbrauchsgefahr besteht und ihnen die Möglichkeit der Anfechtung bleibt. 8) Die alternative Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB wird durch Art. 20 EGBGB auch auf die Anfechtung der Abstammungsbeziehung erstreckt. Die dadurch erzielte Begünstigung der Anfechtung widerspricht dem Interesse der Beteiligten an der Statusbeständigkeit eines Abstammungsverhältnisses. Eine Ausnahme besteht nur für das Kind: Bei der Anfechtung durch das Kind überwiegt sein Interesse an Statuswahrheit gegenüber dem Interesse der anderen Beteiligten an Statusbeständigkeit.
Zusammenfassung der Ergebnisse
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Vorschlag für eine zukünftige Regelung des internationalen Abstammungsrechts Um die Probleme des geltenden Rechts zu beseitigen, werden folgende Änderungen vorgeschlagen: 9) Die Alternativität des Art. 19 Abs. 1 EGBGB sollte nur noch in abgeschwächter Form beibehalten werden. Weiterhin alternativ angeknüpft werden sollte die Abstammungsbegründung aufgrund eines Rechtsgeschäfts und die gerichtliche Abstammungsfeststellung. Ersteres umfasst insbesondere die Abstammung aufgrund einer Anerkennung, aufgrund einer Zustimmung zu einer medizinisch assistierten Reproduktion und aufgrund einer vor Zeugung eingegangene Vereinbarung über die Elternschaft. Für die gesetzliche Zuordnung ist hingegen eine einfache Anknüpfung angezeigt. Die Aufhebung der Begünstigung für die gesetzliche Zuordnung entspricht dem rechtsvergleichenden Trend im Sachrecht, die Ehelichkeitsvermutung einzuschränken und der Anerkennung mehr Raum zu geben. 10) An der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ist grundsätzlich festzuhalten, da dieses das Recht ist, mit dem das Kind am engsten verbunden ist. Da ein Kind aber nicht zwingend schon im Zeitpunkt der Geburt einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist für diesen Fall eine Ersatzanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Person einzuführen. Die Anknüpfung ist sachgerecht, da an diesem Ort regelmäßig auch das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen wird. 11) Die Ersatzanknüpfung wird unter anderem in Leihmutterschaftsfällen relevant und führt hier zu einem leihmutterschaftsfreundlichen Recht, welches normalerweise ein Abstammungsverhältnis des Kindes zu seinen beiden Wunscheltern begründet, da die Leihmutter regelmäßig im Durchführungsstaat ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben wird. 12) Als alternative Zusatzanknüpfungen zum gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ist auf das Heimatrecht und den gewöhnlichen Aufenthalt des jeweiligen Elternteils abzustellen. Die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut sollte entfallen. 13) Das Abstammungsstatut ist unwandelbar anzuknüpfen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Geburt für die Zuordnung kraft Gesetzes, der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts für die Zuordnung durch Rechtsgeschäft, und der Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts für die gerichtliche Feststellung. Zusätzlich ist das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Zeitpunkt der Geburt auf die Abstammung durch Rechtsgeschäft und die gerichtliche Feststellung anzuwenden, damit eine Rechtsordnung umfassend über alle Abstammungsarten entscheiden kann. Hierdurch wird ein Normenmangel vermieden.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
14) Durch die teilweise Beibehaltung der alternativen Anknüpfung und die Anknüpfung an unterschiedliche Zeitpunkte, sind auch nach dem hier vorgestellten Reformvorschlag konkurrierende Elternschaften weiterhin möglich. Für diese Fälle wird das Prioritätsprinzip gesetzlich verankert, welches der Rechtsordnung den Vorrang einräumt, die zuerst ein Abstammungsverhältnis begründet. Bei gleichzeitig entstehenden Elternschaften soll dem Recht der Vorrang zukommen, zu dem das Kind den engeren Bezug aufweist. Die Fälle konkurrierender Elternschaften sind damit gelöst. Außerdem werden die Fälle unter Geltung des Reformvorschlags seltener, da bei im Inland lebenden Kindern keine Konkurrenz mehr zwischen dem ExEhemann der Mutter und einem Anerkennenden möglich ist. Die Lösung gilt auch für den Fall, dass die Rechtsordnungen die Zahl der Eltern unterschiedlich bestimmen. 15) Bei der Abstammung infolge einer medizinisch assistierten Befruchtung ist zusätzlich das Recht des Ortes anwendbar, an dem die Behandlung stattgefunden hat. So wird ein Gleichlauf zwischen den Regelungen hinsichtlich der Zulässigkeit der Methoden der Reproduktionsmedizin sowie dem Abstammungsrecht erzielt. Dies ist überzeugend, da regelmäßig das Recht, das eine bestimmte Behandlung erlaubt, auch sicherstellen wird, dass ein so gezeugtes Kind den Wunscheltern zugeordnet wird. Diese Anknüpfung steht zwar in einem gewissen Maß im Widerspruch zu dem Grundsatz der Neutralität des internationalen Privatrechts, dies ist aber durch das Kindeswohl gerechtfertigt. 16) Das anwendbare Recht auf die statusunabhängige Klärung der genetischen Abstammung ist ausdrücklich in Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu regeln. Es empfiehlt sich eine alternative Anknüpfung entsprechend der Anknüpfung für die gerichtliche Feststellung der rechtlichen Abstammung, da das Verfahren dem Interesse auf Kenntnis der eigenen Abstammung dient und dieses durch das Kollisionsrecht gefördert werden sollte. 17) Das Anfechtungsstatut ist zukünftig nur einem Recht zu unterstellen. Um dennoch einen Gleichlauf mit dem Abstammungsstatut zu erzielen, sind die alternativen Anknüpfungen für die Begründung der Abstammung kraft Anerkennung und kraft gerichtlicher Feststellung für die Anfechtung als subsidiäre Anknüpfungen anzusehen. Dies entspricht der Rechtslage vor 1998, wie sie für die Anfechtung der ehelichen Abstammung vertreten wurde. Die Anfechtung durch das Kind ist hingegen weiterhin zu begünstigen, indem es die Abstammung wie bisher immer auch nach dem Recht des Staates anfechten kann, in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Zusammenfassung der Ergebnisse
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Europarechtliche Verpflichtung zur Anerkennung von Abstammungsbeziehungen Eine Anerkennungspflicht aus dem Unionsrecht besteht nur für das Aufenthaltsrecht, nicht hingegen für das gesamte Recht. 18) Eine auf Art. 21 Abs. 1 AEUV gestützte Anerkennungspflicht für Statusverhältnisse würde die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten im Bereich des internationalen Familienrechts unverhältnismäßig stark einschränken und somit die Kompetenzgrundlage des Art. 81 AEUV missachten. Zudem sind im Abstammungsrecht – anders als im Namensrecht – die Rechte mehrerer Personen betroffen, die dem jeweiligen Freizügigkeitsrecht der anderen Personen entgegenstehen können. Auch zieht eine solche Anerkennungspflicht unerwünschte Folgen mit sich: Es wäre stets die Registereintragung maßgeblich, die (zufällig) zuerst erfolgt ist. Es bestünde ferner mangels konkreter tatbestandlicher Voraussetzungen eine hohe Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Umsetzung der Rechtsprechung, die insbesondere die alltägliche Arbeit der Standesbeamten erschweren würde. Die Anerkennungspflicht liefe schließlich entgegen des sonst im europäischen Kollisionsrecht verfolgten Grundsatzes auf eine unterschiedliche Behandlung von Unionsbürgern und Drittstaatern hinaus. 19) Ob der EuGH diese Sichtweise teilen wird, erscheint jedoch fraglich. Bereits in der Vergangenheit zeigte er im Gesellschafts- und Namensrecht, dass er das Primärrecht sehr weit auslegt und sich von den hier genannten Argumenten, die jedenfalls teilweise auch in diesen Bereichen angeführt werden können, nicht beeindrucken lässt.
Anhang Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission vom 07.12.2022:1 Artikel 17 Anzuwendendes Recht (1) Das auf die Begründung der Elternschaft anzuwendende Recht ist das Recht des Staates, in dem die gebärende Person zum Zeitpunkt der Niederkunft ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder, wenn der gewöhnliche Aufenthalt der gebärenden Person zum Zeitpunkt der Niederkunft nicht bestimmt werden kann, das Recht des Staates, in dem das Kind geboren wurde. (2) Führt das nach Absatz 1 anzuwendende Recht zur Begründung der Elternschaft in Bezug auf nur einen Elternteil, so kann ungeachtet des Absatzes 1 das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit dieser Elternteil oder der zweite Elternteil besitzt, oder das Recht des Staates, in dem das Kind geboren ist, auf die Begründung der Elternschaft in Bezug auf den zweiten Elternteil Anwendung finden. Artikel 18 Reichweite des anzuwendenden Rechts Das Recht, das nach dieser Verordnung als das auf die Begründung der Elternschaft anzuwendende Recht bestimmt wird, regelt insbesondere: a) die Verfahren zur Begründung oder Anfechtung der Elternschaft, b) die verbindliche Rechtswirkung und/oder die Beweiskraft öffentlicher Urkunden, c) die Prozessführungsbefugnis von Personen in Verfahren zur Begründung oder Anfechtung der Elternschaft, d) etwaige Fristen für die Begründung oder Anfechtung der Elternschaft. Artikel 19 Wechsel des anzuwendenden Rechts Wurde die Elternschaft nach dieser Verordnung in einem Mitgliedstaat begründet, so hat eine spätere Änderung des anzuwendenden Rechts keine Auswirkungen auf die bereits begründete Elternschaft.
1 Vorschlag
für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats, COM(2022) 695 final.
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Anhang
Gesetzgebungsvorschlag des Deutschen Rats für internationales Privatrecht von 2019:2 Art. 19 EGBGB -E (1) 1Die Abstammung eines Kindes kraft Gesetzes unterliegt dem Recht des Staates, zu dem das Kind zur Zeit seiner Geburt die engste Verbindung hat. 2Als dieses Recht gilt das Recht des Staates, in dem die Frau, die das Kind geboren hat, zur Zeit der Geburt des Kindes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. (2) Die Anerkennung eines Kindes durch einen Elternteil kann außer nach dem durch Abs. 1 bestimmten Recht auch nach dem Recht des Staates erfolgen, 1. in dem das Kind im Zeitpunkt der Abgabe der Anerkennungserklärung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sonst 2. in dem der anerkennende Elternteil im Zeitpunkt der Abgabe der Anerkennungserklärung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, weiter hilfsweise 3. dem der anerkennende Elternteil im Zeitpunkt der Abgabe der Anerkennungserklärung angehört. (3) 1Die gerichtliche Zuweisung der rechtlichen Elternschaft kann außer nach dem durch Abs. 1 bestimmten Recht auch nach dem Recht des Staates erfolgen, 1. in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt zur Zeit der Verfahrenseinleitung hat, oder 2. in dem die Person, deren Elternschaft festgestellt werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung hat, oder 3. dem diese Person im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung angehört. 2S. 1 gilt auch für die gerichtliche Klärung der genetischen Elternschaft. (4) 1Das Recht, nach dem eine Abstammungsbeziehung früher begründet wurde, entscheidet darüber, ob eine weitere Abstammungsbeziehung zu dieser in Widerspruch steht. 2Bei gleichzeitig entstandener Abstammungsbeziehung entscheidet das nach Absatz 1 bestimmte Recht, welche Abstammungsbeziehung maßgebend ist. Art. 20 EGBGB -E Abstammung kann nach dem Recht angefochten werden, nach dem die Abstammung begründet wurde. 2Das Kind kann die Elternschaft in jedem Fall nach dem Recht des Staates anfechten, in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat 1Die
Art. 23 EGBGB -E (In Art. 23 EGBGB wird das Wort „Abstammungserklärung“ gestrichen.)
2 Abgedruckt bei Mansel, IPRax 2020, 188 f. Der Vorschlag basiert auf einem Referat von Christine Budzikiewicz.
Gesetzgebungsvorschlag des Deutschen Rats für internationales Privatrecht
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Gesetzgebungsvorschlag des Deutschen Rats für internationales Privatrecht von 2014:3 Art. 19 EGBGB -E: (1) Die Abstammung eines Kindes kraft Gesetzes unterliegt dem Recht des Staates, in dem das Kind zur Zeit seiner Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. (2) 1Die Anerkennung eines Kindes durch einen Elternteil unterliegt dem Recht des Staates, 1. in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Geburt oder im Zeitpunkt der Anerkennung hat oder hatte, oder dem, 2. in welchem der anerkennende Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Anerkennung hat, oder dem, 3. dessen Staatsangehörigkeit der Anerkennende im Zeitpunkt der Anerkennung besitzt. 2Die Anerkennung ist formgültig, wenn sie die Formerfordernisse des Rechts eines der Staaten, das nach Abs. 1 anwendbar ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem sie vorgenommen wurden. (3) Die gerichtliche Feststellung der Elternschaft unterliegt dem Recht des Staates, 1. in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt zur Zeit seiner Geburt hatte oder zur Zeit der Klageerhebung hat oder hatte, oder dem, 2. in welchem der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung hat, oder dem, 3. dessen Staatsangehörigkeit der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung besitzt. (4) 1Liegen mehrere Abstammungsverhältnisse vor, die sich widersprechen, so ist nur das zuerst feststehende Abstammungsverhältnis maßgebend. 2Bei gleichzeitig entstandener Abstammungsbeziehung entscheidet das nach Abs. 1 bestimmte Recht, welche Abstammungsbeziehung maßgebend ist. (5) Die rechtliche Abstammung einer Person von mehreren Personen, von denen keine ein leiblicher Elternteil ist, unterliegt den für die Adoption geltenden Vorschriften. Art. 20 EGBGB -E: 1Die
Anfechtung der Abstammung kraft Gesetzes oder Anerkennung kann nach jedem der in Art. 19 Abs. 1 oder Abs. 2 bezeichneten Rechte vorgenommen werden. 2Das Kind kann die Vaterschaft auch nach dem Recht eines Staates anfechten, dessen Staatsangehörigkeit es im Zeitpunkt der Klageerhebung besitzt. Art. 23 EGBGB (wird aufgehoben)
3 Abgedruckt bei Mansel, IPRax 2015, 185 f. Der Vorschlag basiert auf einem Referat von Kurt Siehr.
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Sachregister Abstammungsbegründung durch Rechtsgeschäft siehe Rechtsgeschäft Abstammungsverordnung, Vorschlag der Europäischen Kommission 229–231, 309 Adoption 143, 152 f., 166, 230, 288 f. alternative Anknüpfung – de lege ferenda 251 f., 266, 267 f. – de lege lata 120–122 – Rechtsvergleich 251 Anerkennung ausländischer Entscheidungen siehe verfahrensrechtliche Anerkennung Anerkennung siehe Vaterschaftsaner kennung und Mutterschaftsanerkennung Anerkennungshindernis siehe Anerkennungsverbot Anerkennungspflicht aus Art. 21 AEUV siehe europarechtliche Anerkennungspflicht Anerkennungsverbot 14 Anfechtung – anfechtungsberechtigt 19 – Anfechtungsfrist 19 – im IPR siehe Anfechtungsstatut – im Sachrecht 18–21 – vaterschaftsbeseitigende Anerkennung 70–72 Anfechtungsstatut – de lege ferenda 296–299 – de lege lata 186 f. – Reformbedarf 187–189 Anknüpfung siehe alternative, subsidiäre, kumulative Anknüpfung Anknüpfungspunkt – Elternteil 88, 245 f. – gebärende Person 229, 230, 240 f. – Kind 79, 228 f., 237 f.
Anwendungsbereich – Art. 19 Abs. 1 EGBGB 69 – Art. 20 EGBGB 70 – Familienstatut 244 Argentinien 11, 235, 247, 251 f., 278 Australien 11, 24, 28 f., 37, 43, 49 Begünstigung – Abstammungsbegründung 96 – Anfechtung 187 Belgien 6 f., 14, 27, 38, 46–48, 52 f., 252 f. Brasilien 9, 31 Bulgarien 21, 203 f., 251 f. CIEC-Übereinkommen über – die Anerkennung nichtehelicher Kinder 62, 184 – die mütterliche Abstammung 61, 163 Coman 202 f. Co-Mutterschaft – im IPR 162–169 – im Sachrecht 42–49 – ordre public 169–172 – Reformbedarf 173 f. Dänemark 23, 44 f., 52 Deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen 63 Dominikanische Republik 235, 242, 263 Ehewirkungsstatut 90–95 Eizellenspende 22 f., 30, 54 Elternlosigkeit 146, 155 Embryonenspende 22 f. engste Verbindung 137–139, 236, 253 f. Entscheidungseinklang siehe internatio naler Entscheidungseinklang Ersatzanknüpfung 76 f., 239 f., 258
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Sachregister
Estland 242, 251 europarechtliche Anerkennungspflicht – im Abstammungsrecht 206, 221 – im Namensrecht 200–202 – von gleichgeschlechtlichen Ehen 204 f. Familienstatut 93, 244 Feststellungshindernis 264 Finnland 13, 241 Flüchtling 89 Förderung der Abstammungsbegründung siehe Begünstigung forum shopping 229 Frankreich 6 f., 12, 17, 38, 71, 119, 241 Freizügigkeitsrecht siehe auch europarechtliche Anerkennungspflicht Geburtenregister 126–128 Geburtsurkunde 6 f., 203 f., 228, Geburtsort 84, 158 f., 222, 228 f., 277 gerichtliche Feststellung – antrags-/ klagebefugt 15 f. – der Mutterschaft 6 f. – der Vaterschaft 15–17 – Feststellungshindernis 264 – Frist 16 f. – maßgeblicher Zeitpunkt für die Anknüpfung 248–250 Gesamtnormverweisung siehe renvoi gespaltene Mutterschaft siehe Eizellenspende, Leihmutterschaft gewöhnlicher Aufenthalt – Neugeborener 85–87 – Erwachsener 80 f. – Minderjähriger 81–83 – Reformüberlegung 192 f., 238 f., 246 gleichgeschlechtliche Elternschaft – Co-Mutterschaft siehe Co-Mutterschaft – Leihmutterschaft siehe auch Leih mutterschaft – ordre public 169–172 Griechenland 16, 19, 27 f., 34 Großbritannien 12, 15 f., 21, 25, 27 f., 36, 51 Günstigkeitsprinzip 96–98 Haager Konferenz für IPR 227–229
Heimatrecht 88, 245 f. Heimwärtsstreben 116 heterologe Insemination siehe Samenspende hinkende Abstammungsverhältnisse 152, 111 f., 208 f. hinkende Ehe 202 f. homosexuelle Paare siehe gleichgeschlechtliche Elternschaft intergeschlechtliche Personen – im IPR 241 – im Sachrecht 50–53 internationaler Entscheidungseinklang 112, 236 f., 242 f., 291 Italien 6 f., 10, 20, 23, 71, 249, 259 ius sanguinis 1, 213, 219, 245 ius soli 147 Kalifornien 18, 32, 34, 43, 49, 53, 56 Kanada 11, 27, 31, 55, 175 Katalonien 42 Kinderhandel 154 Kindeswohl 100, 137, 146, 151–153, 173 f., 281 Kindschaftsrechtsreformgesetz 67 f., 111, 135, 179 konkurrierende Mutterschaften 160 f. konkurrierende Vaterschaften 117–120 Kroatien 235, 242, 252, 259 kumulative Anknüpfung 109–111, 189, 275 f. künstliche Befruchtung siehe medizinisch assistierte Zeugung leibliche Abstammung 18, 20, 77–79, 130 f., 171 f. Leihmutterschaft – Anknüpfung de lege ferenda 239 f., 277–279 – Definition 29 f. – gerichtliche Zuordnung 36–38 – gesetzliche Zuordnung 34 f. – im IPR 144–149 – im Sachrecht 29–39 – ordre public siehe ordre public – parental order 36 f. – Reformbedarf 154–157
Sachregister
– verfahrensrechtliche Anerkennung 141–144 – Zulässigkeit 30–33 Lettland 10, 241 Luxemburg 6 f., 10 maßgeblicher Zeitpunkt der Anknüpfung – für die Anerkennung 248–250 – de lege lata 90, 99 – für die gerichtliche Feststellung 248– 250 – für die gesetzliche Zuordnung 248 Materiell-rechtliche Erwägungen 137, 240, 251 f., 266, 273, 284, 292 medizinisch assistierte Zeugung siehe auch Eizellenspende, Embryonen spende, postmortale Insemination, Samenspende – Abstammung 23–26 – Reproduktionsstatut siehe Reproduk tionsstatut – Sonderanknüpfung 277 – Zulässigkeit 22 f. – Zustimmung siehe Zustimmung zur künstlichen Befruchtung Mehrelternschaft – im IPR 174 f. – im Sachrecht 54–58 – ordre public 175–178 Mehrstaater 89 Missbräuchliche Anerkennungen – im deutschen Recht 179 f. – im IPR 181–185 Monaco 235, 253 Mutterschaft – Anerkennung 6 f. – Anfechtung 8 – Co-Mutterschaft siehe Co-Mutterschaft – Eintragung in die Geburtsurkunde 6 f., 61 f. – Eizellenspende 23 – gerichtliche Feststellung 7 – gesetzliche Zuordnung 6 – Leihmutterschaft siehe Leihmutterschaft Mutterschaftsanerkennung 6 f. Mutterschaftsanfechtung 8
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Neutralität des Kollisionsrechts 273 nichteheliche Kinder – gesonderte Anknüpfung im alten Recht 64–67 nicht-leibliche Abstammung 153 siehe auch medizinisch assistierte Zeugung – Anfechtung siehe Vaterschaftsanfechtung – Anknüpfung de lege ferenda 288–290 Niederlande 6, 20, 27, 47, 52, 265, 275 Normenhäufung 117, 250 Normenmangel 88, 249 f., 268 f. Norwegen 19, 21, 27, 44, 189, 298 ordre public – gleichgeschlechtliche Elternschaft 169–172 – Leihmutterschaft 149–154 – Mehrelternschaft 175–178 Österreich 20, 25, 44, 71, 113, 258 Pancharevo 203–206 parental order 36 f. Personenstandsregister siehe Geburtenregister Polen 235, 258 Portugal 6, 9, 20, 31 possession d’état 17 f. postmortale Insemination 26–29, 91, 98 Prioritätsprinzip 125 f., 254 Qualifikation – Abstammung von Embryonen 75–77 – Co-Mutterschaft 72–74 – Leihmutterschaftsvereinbarung 72–74 – statusunabhängige Feststellung der leiblichen Abstammung 77–79 – vaterschaftsbeseitigende Anerkennungen 70–72 – Zustimmung zur künstlichen Befruchtung 270 f. Québéc 251 Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung 287 Rechtsgeschäft 265 ff., 271 Rechtslage vor 1998 63–67
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Sachregister
Rechtsvergleichung – IPR 243 f., 246, 247, 251, 253 f., 258, 263, 265, 275, 277 f. – Sachrecht 5–57 Reform des IPR 1997 67 f. Reformbedürftigkeit – des Art. 19 Abs. 1 EGBGB 191–193 – des Art. 20 EGBGB 187–189, 194 – des Art. 23 EGBGB 112–114, 193 f. Reformvorschlag – dieser Arbeit 301 f. – des deutschen Rats für IPR 241, 254 f., 287 f., 310 f. – der europäischen Kommission 229– 231, 309 Registerstatut 94, 165, 280 f. renvoi 114, 290 – Abstammungsstatut 114–117, 294 – Anfechtungsstatut 186 f., 299 f. – Sonderanknüpfungen 295 f. Reproduktionsstatut 159, 278–279 Reproduktionstourismus 3, 31, 282, 286, Rumänien 7, 10, 19 Russland 19, 21, 27, 32, 35, 263 Sachnormverweisung siehe renvoi Samenspende 22, 27 Schweden 20, 23, 45 f., 52, 242, 258, 267 Schweiz 15, 22, 242 Slowenien 12, 21, 263 soziale Elternschaft 132–134 Spanien 14, 27, 45, 242, 258 Staatenlosigkeit 89, 155 Staatsangehörigkeit 88, 245 f. Staatsangehörigkeitserwerb siehe auch ius sanguinis, ius soli Staatsverträge 61–63 Statusbesitz siehe possession d’état Statuserkennbarkeit 108 f., 193 statusunabhängige Feststellung der leib lichen Abstammung – im Sachrecht 77 – Qualifikation 78 f. – Reformvorschlag 287 f. Statutenwechsel 99 f., 106 subsidiäre Anknüpfung – de lege ferenda 258–262
– de lege lata 120–122 Südafrika 34, 43, 168, 142 transgeschlechtliche Personen – im IPR 241 – im Sachrecht 50–53 Tschechien 19, 235, 241 Türkei 12, 22 Ukraine 32, 34, 71, 263 Uniform Parentage Act 28, 35, 44 Unionsrecht siehe europarechtliche Anerkennungspflicht USA 24, 43 siehe auch Uniform Parentage Act, Kalifornien Vaterschaft – Anfechtung 18–21 – gerichtliche Feststellung siehe gerichtliche Feststellung – gespaltene siehe Samenspende – konkurrierende Vaterschaft 117–120 – kraft Gesetzes 9–11 – Leihmutterschaft 148 f. – possession d’état 17 f. – Vaterschaftsanerkennung siehe Vaterschaftsanerkennung Vaterschaftsanerkennung – Anerkennungssperre 123–125 – Anerkennungsverbot 14 f. – maßgeblicher Zeitpunkt für die Anknüpfung 248–250 – missbräuchliche Anerkennung 179– 185 – postnatale Anerkennung 127, 254, 257, 262 f. – pränatale Anerkennung 257, 263 – vaterschaftsbeseitigende Anerkennung 70–72 – Zustimmung siehe Zustimmung zur Anerkennung Vaterschaftsanfechtung 18–21 siehe auch Anfechtung vaterschaftsbeseitigende Anerkennung 70–72 Vaterschaftsvermutung 9–11 verfahrensrechtliche Anerkennung 59– 61, 141–144
Sachregister
Wahlrecht 128 f., 222 Wahrscheinlichkeitsprinzip 130–132 Wandelbarkeit 99 Wunscheltern 30, 33, 144 Zeitpunkt siehe maßgeblicher Zeitpunkt Zugang zur Reproduktionsmedizin 22 f. Zustimmung zur Anerkennung – Anknüpfung de lege ferenda 275–277
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– kumulative Anknüpfung 109–111 – im Sachrecht 12 f. – der Mutter 12 – des Kindes 12 – Reformbedarf 111–113 Zustimmung zur künstlichen Befruchtung – Qualifikation 270 f. – im Sachrecht 23–26