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German Pages 264 [265] Year 2019
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1404
Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Verbots der Eizellspende mit dem Argument des Schutzes des Kindeswohls Zugleich ein Beitrag zur grundrechtlichen Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Gametenspende sowie hierauf gründender Elternverantwortung
Von
Maren Klein
Duncker & Humblot · Berlin
MAREN KLEIN
Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Verbots der Eizellspende mit dem Argument des Schutzes des Kindeswohls
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1404
Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Verbots der Eizellspende mit dem Argument des Schutzes des Kindeswohls Zugleich ein Beitrag zur grundrechtlichen Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Gametenspende sowie hierauf gründender Elternverantwortung
Von
Maren Klein
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Oktober 2018 als Dissertation angenommen.
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© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany
ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15639-9 (Print) ISBN 978-3-428-55639-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85639-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Promovieren erfordert neben anderem vor allem Zeit. Den lieben Menschen, die mich während der Zeit meiner Promotion in ganz unterschiedlichen Kontexten begleitet und unterstützt haben, danke ich von Herzen. Zu diesen Menschen gehören Young-Kyung Yoon und Dr. Maike Breckwoldt. Meine verehrte Doktormutter, Prof. Dr. Ulrike Lembke, besitzt die erstaunliche Fähigkeit, aus meinen Texten herauszulesen, was ich zu sagen habe, aber (noch) nicht zu schreiben vermag. Ihre Haltung gegenüber meinen Ansätzen war stets kritisch und zugleich offen. Auch hierfür bin ich ihr sehr verbunden. Prof. Dr. Armin Hatje danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Mein besonderer Dank gilt Michael Tommaso. Berlin, im Oktober 2018
Maren Klein
Inhaltsverzeichnis Gegenstand der Arbeit und Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 1 Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches durch die plazentale Wunschmutter
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Abschnitt 1 Prüfungsgegenstand und Begrifflichkeiten
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A. Prüfungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formen der Fortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Formen von Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Homologe und heterologe Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abschnitt 2 Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches in bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung und Literatur
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A. Keine erschöpfende Klärung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Unterschiedliche Einordnung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG (Ehe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Elternverantwortung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) . . V. Das Hinzutreten Dritter als bedeutsames Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abschnitt 3 Grundrechtliche Einordnung der Verwirklichung des Kinderwunsches A. Freiheit zur Gründung einer Familie, Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . I. Familienbegriff des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz sozial-familiärer Beziehungen zwischen Eltern und Kind . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 2. Leibliche Verbindung zwischen Elter und Kind weder notwendige noch hinreichende Voraussetzung des Familienbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Kein Schutz „bloßer“ sozial-familiärer Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Ergebnis zu I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Erstreckung des Schutzbereichs auf die Gründung einer Familie? . . . . . . . . . 42 1. Gründung einer Familie kein Privileg ehelicher Gemeinschaften . . . . . . . 42 a) Eheliche und nichteheliche Familien als gleichwertige Lebensformen
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b) Keine Fortpflanzungsfunktion der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit kein Vermutungstatbestand für potentielle Fortpflanzungsfähigkeit . . . . . . . . . 47 (1) Anknüpfung an das empfundene Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . 48 (2) Verweis auf potentielle Fortpflanzungsfähigkeit auch bei biologisch verschiedengeschlechtlichen Personen irreführend . . 50 bb) Finanzierung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung nicht nur für Ehepaare . . . . . . . 51 c) Ergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Gründung einer Familie durch Fortpflanzung nicht Bestandteil des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B. Ehegestaltungsfreiheit, Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 C. Elternverantwortung, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 D. Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials, Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Anerkennung eines auf Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gestützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als unbenanntes Freiheitsrecht . . . . . 58 2. Entfaltung der Persönlichkeit als aktives Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als entwicklungsoffenes Recht . . . . 64 4. Schutzintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Insbesondere: absolut geschützter Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials als Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Grundlegende Bedeutung der Verwirklichung des Kinderwunsches für die eigene Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Rein abwehrrechtlich zu verstehende Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Sachlicher Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
Inhaltsverzeichnis aa) Erbringung des eigenen Beitrags zur Verwirklichung des Kinderwunsches unter Einsatz ausschließlich des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erbringung des eigenen Beitrags unter Einsatz ausschließlich des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials ohne Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken . . . . . . . (2) Erbringung des eigenen Beitrags durch Einsatz ausschließlich des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials unter Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken . . . . . . . (a) Zeugung außerhalb eines intimen Rahmens irrelevant . . (b) Irrelevanz der dem Gegenbeitrag zugrunde liegenden Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erbringung des eigenen Beitrags zur Verwirklichung des Kinderwunsches unter Rückgriff auf fremdes, gleichgeschlechtliches Fortpflanzungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verwirklichung der plazentalen Wunschmutterschaft durch Entgegennahme einer Eizellspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rückgriff auf die Eizellspende für die plazentale Wunschmutter nicht entscheidungserheblich . . . . . . . . . . (b) Entgegennahme der Eizellspende als Maßnahme zur Herstellung des (vollen) Fortpflanzungspotentials der plazentalen Wunschmutter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Weitere Fallgruppen der Inanspruchnahme fremden, gleichgeschlechtlichen Fortpflanzungspotentials . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönlicher Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis zu 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eingriffe nur unter engen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein absoluter Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Höchstpersönlicher Charakter der Verwirklichung des Kinderwunsches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hinreichender Sozialbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriffe nur zum Schutz von Grundrechten Dritter und/oder von Rechtsgütern von Verfassungsrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis zu Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 2 Verfassungsrechtliche Elternverantwortung der plazentalen Wunschmutter 93 Abschnitt 1 Einführendes und Gang der Darstellung A. Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
B. Verfassungsrechtliche Ausgangslange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 C. Herausforderungen bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 D. Weiterer Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
Abschnitt 2 Entstehungsgeschichte des Art. 6 GG und Grundaussagen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG
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A. Parlamentarischer Rat: Idealbild der bürgerlichen Kleinfamilie . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Das Elternrecht im Kontext religiöser Erziehungsrechte des Staates . . . . . . . 100 II. Idealbild der auf einer Ehe gründenden Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 B. Grundaussagen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. BVerfGE 56, 363 ff. (1981): Einbeziehung des mit Mutter und Kind zusammenlebenden leiblichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. BVerfGE 92, 158 ff. (1995): Bedingungslose Einbeziehung des leiblichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Aufgabe des Kriteriums des Zusammenlebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Zuweisung des gesetzlichen Vaterstatus als Voraussetzung für die Einbeziehung des leiblichen Vaters in den Schutzbereich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. BVerfGE 108, 82 ff. (2003): Zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Elternschaft des leiblichen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Elternverantwortung des gesetzlichen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. „Gebot, möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 IV. BVerfGE 133, 59 ff. (2013): Adoptivelternschaft und soziale Elternschaft . . 114 C. Erkenntnisse aus dem bisherigen Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Leibliche Vaterschaft und gesetzliche Elternschaft als Begründungsmerkmale verfassungsrechtlicher Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. Vorrang der gesetzlichen Vaterschaft vor der leiblichen Vaterschaft . . . . . . . . 119 III. Soziale Elternschaft kein Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Übertragung der Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Stellung von leiblichem und gesetzlichem Vater auf die Eizellspenderin und die plazentale Wunschmutter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Inhaltsverzeichnis
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Abschnitt 3 Verfassungsrechtliche Elternverantwortung des eine Gametenspende in Anspruch nehmenden Wunschelters
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A. Soziale Elternschaft als materieller Kerngehalt verfassungsrechtlicher Elternverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 B. Voraussetzungen der verfassungsrechtlichen Elternverantwortung des eine Gametenspende in Anspruch nehmenden Wunschelters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Elternschaft des Wunschelters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zeugungsverantwortung des Wunschelters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeugungsverantwortung als Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein unzulässiger Verzicht des Spendeelters auf elterliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung durch die genetischen Eltern . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überschießender Gehalt der Wunschelternschaft: Wille des Wunschelters zur Übernahme elterlicher Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung als fest etablierter Argumentationstopos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Vaterschaftstatbestände als Medium zur Berücksichtigung des Willens zur Übernahme elterlicher Verantwortung . . . . . . . . c) Ergebnis zu 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Elternschaft des Wunschelters qua gesetzlicher Elternschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Soziale Vaterschaft des gesetzlichen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strukturelle Unterschiede zwischen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Elternbegriff kein dem Kindeswohl dienender Begriff . . . . . . . . . . . . . d) Adoptivelternschaft als durch das staatliche Wächteramt legitimierte Zuweisung verfassungsrechtlicher Elternverantwortung . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis zu 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Elternverantwortung des Wunschelters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kritische Reflexion der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters . . . . . . . . . . . . . a) Verhinderung kindeswohlabträglicher Kompetenzkonflikte . . . . . . . . . b) Kindeswohlgerechte Ergebnisse auf gesetzlicher Ebene trotz verfassungsrechtlichen (prima facie-)Rechts auch des leiblichen Vaters . . . aa) (Prima facie-)Recht zur Pflege und Erziehung des Kindes gewährt keinen Anspruch auf Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis bb) Kindeswohlgerechte Ergebnisse durch Abstufung und gegebenenfalls mehrfache Zuweisung materieller Elternrechtspositionen . . . 160 c) Ergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Fehlende Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters auf die leibliche Mutter oder die plazentale Wunschmutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
C. Eckpunkte des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG für die gesetzliche Ausgestaltung mittels Gametenspende verwirklichter Wunschelternschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Elternschaft des Wunschelters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 II. Anfechtungsfestigkeit der Wunschelternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Ergebnis zu Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Teil 3 Verfassungswidrigkeit des Verbots der Eizellspende A. Grundgesetzwidrigkeit des zum Schutz des Kindeswohls erlassenen Verbots der Eizellspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Schutz des Wohls des zukünftigen Kindes als potentiell legitimer Zweck zur Rechtfertigung des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz des Kindeswohls als auf Grundlage der Rechtsprechung zum postmortalen Würdeschutz konstruierter vorwirkender Menschenwürdeschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand des postmortalen Schutzes unklar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung auf den Schutz der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des zukünftigen Kindes . . a) Grundrechtliche Schutzpflichten als Ausprägung objektiv-rechtlicher Gehalte von Grundrechtsnormen – Schutz des Kindeswohls als „objektiver Verfassungswert“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter zum Schutz des Kindeswohls als Grundrechtskollision aa) Grundrechtskollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Legitimer Schutz auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des zukünftigen Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Weitgehende Unabhängigkeit von der Herleitung grundrechtlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zur Rolle des Kindeswohls bei der Finanzierung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen zukunftsbezogener grundrechtlicher Schutzpflichten im reproduktionsmedizinischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Ergebnis zu I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 II. Verhinderung der Existenz des Kindes als zu dessen Schutz geeignetes Mittel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 B. Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung der EMRK und deren Auslegung durch den EGMR im Gefüge des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorgaben der EMRK hinsichtlich der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Eizellspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 12 EMRK für die Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches praktisch bedeutungslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freiheit zur Verwirklichung des Kinderwunsches als Teilgehalt von Art. 8 Abs. 1 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwirklichung des Kinderwunsches mittels der eigenen Gameten auch unter Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Verfahren . b) Verwirklichung des Kinderwunsches unter Entgegennahme einer Gametenspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis zu 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berücksichtigung des Wohls der aus Gametenspenden hervorgehenden Kinder bei der Rechtfertigung von Eingriffen möglich . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weiter Ermessensspielraum der Konventionsstaaten hinsichtlich des Verbots von Eizellspenden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis zu B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
208 208 210 210 211 211 213 215 215 217 218
C. Aufhebung des Verbots und gesetzliche Regelung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Eizellspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Forschungsergebnisse zu Kindern und Familien nach Gametenspende . . . . . 1. Junges Forschungsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorliegende Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerbarkeit etwaiger Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beratung über die Bedeutung der Aufklärung der Kinder über die Gametenspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sicherung des Rechts des zukünftigen Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. „Geeignetheit“ der plazentalen Wunschmutter zur Erziehung eines Kindes? V. Alleinelternschaft der plazentalen Wunschmutter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Medizinische Indikation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229 231 234 236
Ergebnis zu Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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219 221 222 223 227 228
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Gegenstand der Arbeit und Gang der Darstellung Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Embryonenschutzgesetz (ESchG) wird bestraft, wer „auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt“. Diese Norm, im Folgenden verkürzt als das „Verbot der Eizellspende“ bezeichnet, soll der Einheit von genetischer und plazentaler Mutterschaft dienen und damit die Entstehung einer „gespaltenen Mutterschaft“1 verhindern.2 Einer Frau, die nicht in der Lage ist, eigene Eizellen zu produzieren und die bereit ist, ihren Kinderwunsch mittels der Entgegennahme einer Eizellspende zu verwirklichen, wird die Erfüllung ihres Wunsches auf legalem Wege durch das Verbot unmöglich gemacht. Zur Rechtfertigung des Verbots heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung,3 die Übertragung fremder Eizellen sei zwar technisch möglich4; andererseits lägen jedoch keine Erkenntnisse darüber vor, wie junge Menschen – etwa in der Pubertätszeit – seelisch den Umstand zu verarbeiten vermögen, dass ihre Existenz gleichsam durch eine genetische wie eine plazentale Mutter bedingt ist. Unter diesen Umständen liege die Annahme nahe, dass die Identitätsfindung des Kindes wesentlich erschwert werde. Ziel dieser Arbeit ist es zu prüfen, ob diese gesetzgeberische Begründung den mit dem Verbot verbundenen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit5 1 Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Embryonenschutzgesetz vom 25. Oktober 1989, BT-Drs. 11/5460, S. 6. Andernorts wird als Oberbegriff für Konstellationen, in denen genetische und plazentale Mutterschaft auseinanderfallen, etwa die Formulierung „fragmentierte“ Mutterschaft gebraucht, so etwa bei Walper/Bovenschen/EntleitnerPhleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 31. Wegen der negativen Konnotation derartiger Formulierungen werden diese im Folgenden jedoch vermieden. 2 Ebenfalls der Verhinderung des Auseinanderfallens von genetischer und plazentaler Mutterschaft dienen § 1 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5 und Nr. 6 ESchG. Zur Entstehungsgeschichte des Embryonenschutzgesetzes siehe etwa Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, S. 95 ff. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Embryonenschutzgesetz vom 25. Oktober 1989, BT-Drs. 11/5460, S. 7. Diese Auffassung wurde vor einigen Jahren in einer Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zum österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz wiederholt (Nachweis in Fn. 859). 4 Die erste erfolgreiche Geburt nach Eizellspende fand laut Blyth/Kramer/Schneider, Reproductive BioMedicine Online 26 (2013), 179, im Jahr 1984 statt. 5 Unbeachtet bleibt der aus der Ungleichbehandlung von Eizellspende (verboten und strafrechtlich sanktioniert) und Samenspende (erlaubt) resultierende Verstoß gegen Art. 3 GG. Für eine Verfassungswidrigkeit des Verbots (ggf.: auch) wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 GG im Verhältnis zur sanktionslosen Samenspende etwa: Dorneck,
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Gegenstand der Arbeit und Gang der Darstellung
der den Kinderwunsch hegenden Frau trägt. Dies setzt zunächst eine grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Entgegennahme einer Eizellspende voraus (Teil 1). Hinterfragt werden muss ferner, ob der seitens des Gesetzgebers beabsichtigte Schutz des Kindes in dieser Konstellation überhaupt ein legitimes Ziel zur Rechtfertigung von Eingriffen in Grundrechte der plazentalen Wunschmutter darstellen kann. Aufmerksamkeit verdient dieser Aspekt, weil das Kind zu dem Zeitpunkt, in dem die zur Erfüllung des Kinderwunsches erforderliche und verbotene Übertragung der Eizelle stattfinden würde, noch nicht existiert (Teil 3). Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Frage, ob die plazentale Wunschmutter als Trägerin der in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Elternverantwortung anzusehen ist und welche Stellung die Eizellspenderin unter dem Regime des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einnimmt (Teil 2). Grundrechtsdogmatisch widmet sich die Arbeit damit insbesondere der Frage, inwieweit die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels (medizinisch assistierter) Fortpflanzung6 grundrechtlich geschützt wird. Kritisch beleuchtet wird hierbei unter anderem, welche Rolle der in diesem Zusammenhang in der Literatur oftmals herangezogene Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG („Freiheit zur Gründung einer Familie“) spielt. Aussagen über die konkret interessierende Fallgestaltung hinaus sind der Arbeit auch hinsichtlich vor allem des persönlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Elternschaft) zu entnehmen.
Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 137 f.; Jofer, Regulierung der Reproduktionsmedizin, 2014, S. 321; Kaiser, in: Götz, Familie – Recht – Ethik, 2014, S. 362 f.; Schewe, FamRZ 2014, 90, 93 („[. . .] Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot.“); Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 12; Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn, Umwege zum eigenen Kind, 2008, S. 59 ff.; Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 115. An der Verfassungsmäßigkeit insoweit zweifelnd auch Müller-Terpitz, ZRP 2016, 51, 53; Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 201; Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 306. Vgl. auch Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 260 (zum schweizerischen Recht); Wellenhofer, in: Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main, 100 Jahre Rechtswissenschaft in Frankfurt, 2014, S. 568; Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 186 f.; Coester-Waltjen, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 110 f. Keine Bedenken unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten hingegen haben Höfling/Engels, in: Prütting, Medizinrecht, 2016, § 1 ESchG Rn. 10, sowie bereits Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte der Verfügung über menschliche Embryonen und „humanbiologisches Material“, S. 171. Für Nachweise hinsichtlich verfassungsrechtlicher Bedenken gegen das Verbot der Eizellspende jenseits des Art. 3 GG siehe Fn. 875. Ebenfalls nicht nachgegangen wird der Frage, ob der Einsatz des Strafrechts zu rechtfertigen ist, vgl. hierzu Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 7, sowie Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 162 ff. 6 Zur Beschränkung des Prüfungsgegenstandes in diesem Punkt siehe nachfolgend Teil 1, Abschnitt 1 unter A., S. 17 f.
Teil 1
Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches durch die plazentale Wunschmutter Um beurteilen zu können, ob das Verbot der Eizellspende im Hinblick auf den Kinderwunsch der plazentalen Wunschmutter verfassungsgemäß ist, muss geklärt werden, inwiefern die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Entgegennahme einer Eizellspende vom Schutzbereich eines oder mehrerer Grundrechte umfasst ist.7 Zur Klärung dieser Frage ist es dienlich, nicht nur die Konstellation des Auseinanderfallens von genetischer Mutterschaft und plazentaler Wunschmutterschaft zu betrachten, sondern andere Formen der Wunschelternschaft in die Betrachtung einzubeziehen. Nachfolgend werden zunächst der Prüfungsgegenstand näher definiert sowie einige Begrifflichkeiten geklärt (Abschnitt 1). Es folgen Ausführungen zu bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung8 und Literatur zum Thema (Abschnitt 2). Im Anschluss wird eine freiheitsrechtliche Einordnung der Verwirklichung des Kinderwunsches vorgenommen (Abschnitt 3). Abschnitt 1
Prüfungsgegenstand und Begrifflichkeiten A. Prüfungsgegenstand Grundsätzliches Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist die Beantwortung der Frage, wie die Verwirklichung des Kinderwunsches grundrechtlich einzuord7 Die verfassungsrechtliche Stellung der Wunschmutter wurde im Gesetzgebungsverfahren zum Embryonenschutzgesetz weitestgehend ausgeblendet. Vgl. aber die Bemerkung der Abgeordneten Bitter (PDS) in der 230. Sitzung des Deutschen Bundestags am 24. Oktober 1990: „Warum soll z. B. eine Frau, die durch Krebsbestrahlung selbst nur geschädigte Eizellen hat, nicht von ihrer Schwester eine Eizelle gespendet bekommen, wenn man es dann akzeptiert?“, BT-Drs. 11/230, S. 18215. Zur (allgemeineren) Kritik, wonach die Grundrechte der Wunscheltern in der Diskussion um moderne Fortpflanzungstechnologien bislang zu kurz kamen, siehe etwa Hufen, in: Gethmann/Huster, Recht und Ethik in der Präimplantationsdiagnostik, 2010, S. 139, sowie Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 117. 8 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs werden unter anderem mit Hilfe von Randnummern zitiert. Sofern nicht abweichend angegeben, wird auf die Randnummern der über die Internetseiten der Gerichte (www.bundesverfassungsgericht.de bzw. www.bundesgerichtshof.de) jeweils abrufbaren Version Bezug genommen.
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
nen ist. Das so definierte Erkenntnisinteresse bedarf allerdings der Einschränkung: Bezüglich des Mittels zur Erfüllung des Kinderwunsches beschränkt sich die nachfolgende Betrachtung auf die Verwirklichung des Kinderwunsches durch Fortpflanzung. Hieraus folgt, dass Fragen im Zusammenhang mit der Verwirklichung des Kinderwunsches im Wege der Adoption (Annahme als Kind, §§ 1741 ff. BGB) keinen eigenständigen Eingang in die Ausarbeitung finden.9 Keine Beachtung findet ferner die Frage, inwiefern auch der Wunsch, sich nicht fortzupflanzen, grundrechtlichen Schutz erfährt. Nicht behandelt wird damit insbeondere die Frage, wie die Nichtfortsetzung einer Schwangerschaft grundrechtlich einzuordnen ist.10 Auch die Frage etwa, ob die Selektion von Spendegameten zur Wahl bestimmer Eigenschaften des Kindes grundrechtlich geschützt ist, bleibt außer Betracht. Keine gesonderte Aufmerksamkeit wird schließlich der besonders kontrovers geführten Diskussion darüber gewidmet, wie die Verwirklichung des Kinderwunsches unter Inanspruchnahme einer Ersatzmutter, also einer Frau, die das Kind zwar austrägt, nicht aber die soziale Mutterschaft übernehmen möchte,11 verfassungsrechtlich einzuordnen ist.
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Siehe aber nachfolgend Teil 2, Abschnitt 3, B.I.3.d), S. 148 ff. Ausführlich zum „Recht auf Achtung der Entscheidung gegen die eigene Fortpflanzung“ unter dem Regime der EMRK: Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, S. 331 ff. 11 So § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG: „[. . .] Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter) [. . .]“. Die Terminologie ist allerdings uneinheitlich und hängt gegebenenfalls auch davon ab, ob die Eizelle, mit der das Kind gezeugt wurde, von der plazentalen Mutter, der Wunschmutter oder einer Dritten stammte; verwendet werden beispielsweise auch die Begriffe Trage-, Ersatz-, Ammenund insbesondere auch der Begriff Leihmutterschaft; zum Begriff der Ersatzmutterschaft und verwendeten Synonymen siehe auch Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S. 219 ff. Ausführlich zur Erfassung der Ersatzmutterschaft unter verschiedenen (rechtlichen) Gesichtspunkten Ditzen/Weller, Regulierung der Leihmutterschaft, 2018; Duden, Leihmutterschaft im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 2015; Thomale, Mietmutterschaft, 2015; Voss, Leihmutterschaft in Deutschland, 2015; Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, 2014; siehe auch: Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 152 ff.; Dethloff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 26 ff.; Kaiser, in: Götz, Familie – Recht – Ethik, 2014, S. 364 ff.; Helms, StAZ 2013, 114. Zu den Beschlüssen des 71. Deutschen Juristentags zum Thema siehe Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 66, Beschlüsse zu C. Zur Anerkennung eines US-amerikanischen Urteils betreffend die Wunschelternschaft eines von einer Ersatzmutter geborenen Kindes siehe BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 463/13 –, hierzu etwa Heiderhoff, NJW 2015, 479 und Helms, FamRZ 2015, 245. Zur EMRK siehe: Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, insbesondere S. 212 ff., sowie EGMR (Große Kammer), Urteil vom 27. Januar 2015 – 25358/12 – (Paradiso/Campanelli v. Italy), sowie EGMR, Urteile vom 26. Juni 2014 – 65192/11 – (Mennesson v. France) und – 65941/11 – (Labasse v. France). 10
Abschn. 1: Prüfungsgegenstand und Begrifflichkeiten
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B. Begrifflichkeiten I. Formen der Fortpflanzung Der Begriff der Fortpflanzung erfasst im Folgenden12 zunächst die Verwirklichung des Kinderwunsches durch Geschlechtsakt („natürliche“ 13 Fortpflanzung). Einbezogen in den Begriff der Fortpflanzung sind darüber hinaus insbesondere alle Formen medizinisch assistierter Fortpflanzung (auch als Fortpflanzung unter Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken oder medizinisch-technisch assistierte Fortpflanzung bezeichnet). Unter Letztgenannte fallen alle Zeugungsakte, die unter Einbeziehung Dritter (Ärzt*innen und/oder sonstigen medizinischen Personals) erfolgen, also etwa die In-vitro-Fertilisation.14 Ob die Gameten (Ei- und Samenzellen), die zur Zeugung des Kindes verwendet werden, von den Wunscheltern oder von Gametenspender*innen stammen, ist insoweit ohne Bedeutung. Umgekehrt muss auch die Verwirklichung des Kinderwunsches unter Inanspruchnahme einer Gametenspende nicht unbedingt medizinisch assistiert sein.15 Zwingend erforderlich ist eine solche Unterstützung nach derzeitigem Stand allerdings zur Verwirklichung des Kinderwunsches unter Verwendung einer Eizellspende.16 Die Bezeichnung der Fortpflanzung als „künstlich“ wird nicht nur wegen deren negativer Konnotation vermieden, sondern auch, weil der Begriff der „künstliche[n] Befruchtung“ in § 1600 Abs. 4 BGB verwendet wird. Dies birgt insofern Anlass für Missverständnisse, als mit der dortigen Formulierung alle Befruchtungsvorgänge in Bezug genommen werden, die nicht durch Geschlechtsakt erfolgen, weshalb die künstliche Befruchtung im Sinne der Vorschrift keineswegs mit der medizinisch assistierten Fortpflanzung gleichgesetzt werden kann.17 12 Die unter B. erläuterten Begrifflichkeiten liegen auch den nachfolgenden Teilen der Arbeit (Teil 2 und Teil 3) zugrunde. 13 Die Verwendung des Adjektivs „natürlich“ (oder auch „normal“, siehe Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 6) erweckt den Eindruck, andere Formen der Fortpflanzung würden als weniger wertig betrachtet. Um diesen Eindruck zu vermeiden, wird im Folgenden neutral von „Fortpflanzung durch Geschlechtsakt“ die Rede sein. 14 Zum Begriff der medizinisch unterstützten Fortpflanzung vgl. ferner die Definition im Augsburg-Münchner-Entwurf eines Fortpflanzungsmedizingesetzes (AMEFMedG), § 2 Nr. 12, veröffentlicht in: Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 2 (zur Analyse des Gesetzentwurfs siehe Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018). 15 Klassisches Beispiel ist die Selbstinsemination mit einer „Becherspende“. 16 Zu den in der modernen Reproduktionsmedizin zum Einsatz kommenden Verfahren siehe Beyer/Diedrich, in: Diedrich, Reproduktionsmedizin, 2013, S. 255, sowie Ebner/Diedrich, in: Diedrich, Reproduktionsmedizin, 2013, S. 215. Eine Übersicht zu den möglichen Spende-Konstellationen haben Schumann, in: Coester-Waltjen/Lipp/ Schumann et al., „Kinderwunschmedizin“ – Reformbedarf im Abstammungsrecht?, 2015, S. 18 ff., Tabelle 19, und Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 80 [Stand: 74. Lfg. Dezember 1995] erstellt. 17 Siehe zu § 1600 Abs. 4 BGB auch nachfolgend S. 174 f. (sowie dort die Nachweise in Fn. 685).
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
II. Formen von Elternschaft Um die jeweils zwischen Kind und Elter bestehende Verbindung terminologisch hinreichend zu konkretisieren, werden nachfolgend folgende Formen von Elternschaft unterschieden: Genetische Eltern-/Vater-/Mutterschaft für die Personen, mit deren Gameten (Eizelle oder Samen) das Kind gezeugt wurde18, plazentale Mutterschaft für die das Kind austragende Frau19 und soziale Eltern-/Vater-/ Mutterschaft für die Personen, die tatsächlich Verantwortung für das Kind tragen.20 Sofern die Wendung leibliche Eltern-/Vater-/Mutter21schaft verwendet 18 Andernorts wird die genetische Mutter auch als biologische Mutter bezeichnet, vgl. beispielsweise § 2 Nr. 2 des AME-FMedG (Nachweis in Fn. 14). Andere wiederum verwenden den Begriff der biologischen Mutter als Oberbegriff sowohl für die genetische Mutter als auch für die plazentale Mutter, die genetisch-plazentale Mutter, die plazentale Wunschmutter oder die genetisch-plazentale Wunschmutter, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 103 und S. 104 (Definition von „Biologische Mutter“, „Geburtsmutter“ und „Genetische Mutter“). Hinsichtlich der Vaterschaft wird in der Regel nicht zwischen den Begriffen der genetischen, der biologischen und der leiblichen Vaterschaft differenziert; vielmehr werden diese Begriffe oftmals synonym gebraucht, siehe nur Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 103 und S. 104 (Definition von „Biologischer Vater“ und „Genetischer Vater“), sowie Schumann/Ostner, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 301. 19 Auch hier ist die Terminologie nicht einheitlich. Oftmals wird die hier als plazentale (Wunsch-)Mutter bezeichnete Frau (auch) im reproduktionsmedizinischen Kontext als biologische Mutter bezeichnet, siehe etwa Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 160 f.; Kaiser, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 242 und 245 (austragende/biologische Mutter); Schumann/Ostner, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 301; Vaskovics, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 16 f.; Moshe, Gespaltene Mutterschaft, 1998, S. 1. Auch die intutiv funktionsäquivalent zu dem hier verwendeten Begriff der plazentalen Mutter scheinenden Begriffe Geburts-, Schwangerschafts- oder austragende Mutter entsprechen nicht unbedingt dem hier verwendeten Begriff der plazentalen Mutter. So versteht der Arbeitskreis Abstammungsrecht beispielsweise unter der Geburtsmutter nicht nur die hier als plazentale Mutter bezeichnete Frau, sondern auch die als genetisch-plazentale Mutter, als plazentale Wunschmutter und als genetisch-plazentale Wunschmutter bezeichneten Frauen, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 104. 20 Zum Begriff der sozialen Elternschaft siehe auch Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 106, wo „Sozialer Elternteil“ definiert wird als „ein Elternteil (Mann oder Frau), der mit dem Kind eine verfestigte psychosoziale Beziehung hat und Elternaufgaben wahrnimmt“. Siehe auch Schwab, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 50 f. (unter Differenzierung zwischen den Begriffen „soziale Elternschaft“ und „sozial-familiäre Beziehung“). 21 Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass die Verwendung des Begriffs der leiblichen Mutter jedenfalls im Kontext des Abstammungsrechts teilweise abgelehnt wird, weil er „sowohl medizinisch als auch rechtlich unscharf“ sei, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 104 (Definition von „Leibliche Mutter“). Anders als hier versteht der Arbeitskreis
Abschn. 1: Prüfungsgegenstand und Begrifflichkeiten
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wird, soll damit eine Abgrenzung zu der unter Inanspruchnahme von Gametenspenden zustande kommenden Elternschaft vorgenommen werden.22 Formen der (in dieser Arbeit allenfalls am Rande interessierenden) Ersatzmutterschaft fallen auch dann nicht unter den Begriff der leiblichen Mutterschaft, wenn es sich um eine genetisch-plazentale Ersatzmutterschaft23 handelt. Der Begriff Wunschelter bringt zum Ausdruck, dass die als solches bezeichnete Person die soziale Elternschaft für das aus dem Fortpflanzungsvorgang hervorgehende Kind übernehmen möchte.24 Für die Wunschelternschaft, die unter Inanspruchnahme von Gametenspenden zustande kommen soll oder gekommen ist, wird oftmals verkürzt von Wunschelternschaft nach Gametenspende die Rede sein. Wird eine Person lediglich als Elter/Vater/Mutter, nicht aber als Wunschelter/Wunschvater/Wunschmutter bezeichnet, kann hiermit sowohl ein Wunschelter als auch eine der eigenen Elternschaft bestenfalls indifferent gegenüberstehende Person gemeint sein. Die Bezeichnung einer Person als Spender*in oder als Spendeelter hingegen bedeutet stets, dass diese Person ihre Gameten zum Zwecke der Verwirklichung der Wunschelternschaft einer anderen Person hergegeben hat, also selbst nicht über den Willen verfügt, die soziale Elternschaft für das mit den eigenen Gameten gezeugte Kind zu übernehmen.25 Als gesetzliche Eltern/Väter/Mütter schließlich werden die Personen bezeichnet, die als statusrechtliche Eltern im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches anzusehen sind. Anknüpfend an die Kategorien der genetischen, der plazentalen, der sozialen und der gesetzlichen Elternschaft werden verschiedene Begriffskombinationen den Begriff der leiblichen Mutter jedoch als Oberbegriff für die hier als genetische Mutter, als plazentale Mutter, als genetisch-plazentale Mutter, als plazentale Wunschmutter oder als genetisch-plazentale Wunschmutter bezeichneten Frauen. 22 Auch hinsichtlich der Vaterschaft ist wegen der oftmals vorzufindenden Gleichsetzung des Begriffs des leiblichen Vaters mit den Begriffen genetischer/biologischer Vater (siehe Fn. 18) Vorsicht geboten. Das Bundesverfassungsgericht etwa bezeichnet den hier als leiblichen Vater bezeichneten Mann als biologischen Vater, siehe Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 84 bzw. Rn. 1. Schwab, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 43 f., macht hinsichtlich der gesetzlichen Vaterschaft darauf aufmerksam, dass das Gesetz nicht den Begriff des genetischen, sondern den des leiblichen Vaters verwende, diesen jedoch nicht stets auf die genetische Vaterschaft beziehe. 23 Zu verschiedenen Formen der Ersatzmutterschaft vgl. Fn. 11. 24 Vgl. auch Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 104, wo der Begriff der Wunscheltern mit dem Begriff der „[i]ntendierte[n] Eltern“ gleichsetzt wird, hierunter allerdings nur Personen fallen, „auf deren Veranlassung eine reproduktionsmedizinische Maßnahme erfolgt und die rechtliche (und soziale) Eltern des dadurch gezeugten Kindes werden wollen.“ Der hier verwendete Begriff der Wunscheltern ist insoweit weiter, als er die Veranlassung einer reproduktionsmedizinischen Maßnahme nicht zwingend voraussetzt. 25 Teilweise auch als „No-Spender“ bezeichnet (in Abgrenzung zu „Yes-Spendern“ als Personen, die neben dem Wunschelter eine aktive Rolle im Leben des Kindes spielen sollen/wollen, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 55.
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
gebildet. Werden einer Person die Begriffe genetisch, plazental, sozial und/oder rechtlich zugeordnet, schließt dies zugleich die verbleibenden Formen der Elternschaft aus. Die Bezeichnung etwa einer Frau als genetische Mutter eines Kindes impliziert, dass diese nicht zugleich plazentale oder soziale Mutter ist. Damit ist ein Rückgriff auf Umschreibungen wie „Nur-genetische Mutter“ und „Nur-soziales Elter“ nicht erforderlich.26 Eine gewisse Ausnahme bilden insoweit lediglich die leibliche sowie die plazentale Mutter, weil diese als Geburtsmütter nach derzeitiger Rechtslage jeweils stets auch gesetzliche Mutter des Kindes sind (vgl. § 1591 BGB). Soweit der gesetzlichen Mutterschaft dieser Frauen verfassungsrechtliche Relevanz beigemessen wird, wird dies gesondert angesprochen. Wird ein Vater hingegen etwa lediglich als leiblicher Vater bezeichnet, bedeutet dies, dass dieser nicht zugleich gesetzlicher Vater ist. Im Kontext des Art. 6 GG taucht der Elternbegriff sowohl bei der Konkretisierung des Familienbegriffs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG als auch in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Elternverantwortung) selbst auf. Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, ist schon an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Personen, die als Eltern im Sinne des Familienbegriffs angesehen werden, nicht zwingend identisch sind mit jenen Personen, denen als verfassungsrechtliche Eltern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG das Recht und die Pflicht zur Pflege und Erziehung des Kindes zusteht.27 III. Homologe und heterologe Systeme Im Zusammenhang mit der medizinisch assistierten Fortpflanzung allgemein gebräuchlich sind die Begriffe „homolog“ und „heterolog“. Diese – paarbezogen – Begriffe dienen der Differenzierung zwischen Fällen, in denen zur Verwirklichung der Wunschelternschaft Gametenspenden zum Einsatz kommen (Ei- und/ oder Samenspende – heterologes System) und Fällen, in denen nur eigene Gameten verwendet werden (homologes System).28 Dem homologen System zugeordnet werden hierbei üblicherweise nur die Konstellationen, in denen die soziale Elternschaft von der genetisch-plazentalen Wunschmutter und dem genetischen Wunschvater gemeinsam übernommen werden soll. Das homologe System ist damit auf gegengeschlechtliche Paare beschränkt. Die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels der Entgegennahme einer Eizellspende unterfällt demnach stets dem heterologen System, und zwar unabhängig davon, ob die plazentale Wunsch26 Derartiger Umschreibungen bedient sich etwa der Arbeitskreis Abstammungsrecht, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 104 und 105. 27 Zum Familienbegriff des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG siehe nachfolgend Abschnitt 3, A.I., S. 32 ff. Der verfassungsrechtliche Elternbegriff des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wird in Teil 2 dieser Arbeit (S. 93 ff.) erläutert. 28 Zur mangelnden grundrechtsdogmatischen Leistungsfähigkeit der Kategorisierung auf Schutzbereichsebene siehe nachfolgend S. 76.
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mutter ihren Kinderwunsch mit dem Samen ihres Partners verwirklichen oder ob sie zusätzlich zu der Eizellspende eine Samenspende in Anspruch nehmen möchte, etwa weil sie die soziale Elternschaft als alleinerziehende Mutter wahrzunehmen gedenkt. Abschnitt 2
Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches in bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung und Literatur Die bloße Lektüre des Grundgesetzes29 trägt zur Beantwortung der Frage, inwieweit die Verwirklichung des Wunsches nach einem Kind grundrechtlich erfasst ist, wenig bei. In Art. 6 Abs. 1 und 2 GG finden sich zwar die Begriffe „Familie“ und „Eltern“. Was unter einer Familie zu verstehen ist und welche Personen als Eltern anzusehen sind, ist dort jedoch nicht definiert. Auch das Wort „Fortpflanzung“ oder ein vergleichbarer Begriff ist im Verfassungstext nicht enthalten. Auch die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung klärt die Frage des grundrechtlichen Schutzes der Verwirklichung des Kinderwunsches nicht erschöpfend (A.). In der verfassungsrechtlichen Literatur hingegen finden sich Stimmen, die entsprechende Einordnungen vornehmen (B.).
A. Keine erschöpfende Klärung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts An Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welche die Frage erschöpfend beantworten würde, ob und inwieweit die Verwirklichung des Kinderwunsches grundrechtlich verankert ist, fehlt es.30 In einer Entscheidung aus dem Jahr 1987 etwa heißt es zwar, „[d]er Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG umfaßt namentlich die Freiheit der Eheschließung und Familiengründung“ 31. Aussagen, die über diese pauschale Feststellung hinausgingen oder diese konkretisierten, sind der Entscheidung jedoch nicht zu entnehmen. Auskunft darüber, wie sich diese „Familiengründungsfreiheit“ zu den (auch damals schon zur Verfügung stehenden) Methoden der Reproduktionsmedizin verhält, gibt die Entscheidung ohnehin nicht. Zu entnehmen ist der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in29 Zur Behandlung der Fortpflanzung in Zeitraum zwischen 1871 und 1933 siehe Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 69 ff. 30 Ebenso: Müller-Terpitz, in: Frister/Olzen, Reproduktionsmedizin, 2010, S. 11; Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 16; Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 117. 31 BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83–, BVerfGE 76, 1, 42 bzw. Rn. 84, juris.
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soweit allerdings, dass die Inanspruchnahme von Techniken der assistierten Reproduktion als solche nicht gegen das Grundgesetz verstößt.32 Die Rechtsprechung zu dem auf Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gestützten Recht auf sexuelle Selbstbestimmung33 ist insofern unergiebig, als Fragen der Fortpflanzung in dem jeweilgen Kontext bislang nicht thematisiert wurden. So setzte sich das Bundesverfassungsgericht beispielsweise in der Entscheidung zum strafrechtlich bewehrten Beischlafverbot zwischen leiblichen Geschwistern (vgl. § 173 Abs. 2 Satz 2 StGB)34 wohl mit dem Recht des jeweiligen Geschwisters auf sexuelle Selbstbestimmung auseinander. Auf Ausführungen dazu, ob und gegebenenfalls inwiefern die mit dem Beischlaf möglicherweise einhergehende Motivation der Geschwister, sich gemeinsam fortzupflanzen, ebenfalls grundrechtlich erfasst wird, verzichtete das Gericht indes. Vielmehr reduziert es den durch das Beischlafverbot bedingten Eingriff auf das Verbot, bestimmte sexuelle Handlungen vorzunehmen, ohne aber die gegebenenfalls gewünschte Folge dieser Handlungen – eine mögliche Fortpflanzung – in die Betrachtung einzubeziehen.35 Die insoweit lückenhafte Argumentation vermag ob der allgemein zu verzeichnenden gesellschaftlichen Verpönung inzestuöser Beziehungen auf den ersten Blick nicht zu verwundern. Überraschend ist dann aber doch, dass das Gericht die Entstehung eines Kindes zwar auf Schutzbereichsebene ausblendet, diese mögliche Folge des Beischlafs bei der Prüfung der Rechtfertigung des Eingriffs in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung jedoch gleich mehrfach heranzieht, ohne dabei zu berücksichtigen, dass das zur Rechtfertigung des Eingriffs und damit zu Lasten der Geschwister herangezogene Moment eventuell sogar Folge eines vom Schutzbereich eines (anderen) Grundrechts erfassten Verhaltens ist, auf das sich das jeweilige Geschwister stützen kann.36 Ungeachtet dieser Kritik sollte man die 32 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 325 bzw. Rn. 28 (siehe zu dieser Entscheidung auch nachfolgend Abschnitt 3, A.II.1.b)bb), S. 51 sowie Teil 3, A.I.3.b)dd), S. 200 ff.). 33 Hierzu bereits BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 – 1 BvL 1/75 –, BVerfGE 47, 46, 73 f. bzw. Rn. 103, juris. Aus jüngerer Zeit etwa BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07 –, BVerfGE 120, 224, 238 f. bzw. Rn. 32 f. 34 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07 –, BVerfGE 120, 224, mit überzeugender abweichender Meinung Hassemers (S. 255 ff. bzw. Rn. 73 ff.). Die Entscheidung ist in der Literatur zu Recht auf viel Kritik gestoßen; statt vieler: Thurn, KJ 2009, 74. (Auch) zu empirischen Grundlagen von Inzest siehe Renzikowski, in: Lembke, Regulierungen des Intimen, 2016, S. 202 ff. Zur Geschichte der Strafbarkeit des Inzests siehe Löhnig, in: Kroppenberg/Löhnig, Fragmentierte Familien, 2010, S. 207. Zur Überprüfung des Beischlafverbots durch den EGMR siehe EGMR, Urteil vom 2. April 2012 – 43547/08 – (Stübing v. Germany), sowie Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, insbesondere S. 142 ff. 35 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07 –, BVerfGE 120, 224, 242 f. bzw. Rn. 40. 36 So heißt es in BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07 –, BVerfGE 120, 224, 243 bzw. Rn. 40: „Darin liegt jedoch kein dem Gesetzgeber von vornherein verwehrter Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung. Der Bei-
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Entscheidung mit Rückschlüssen betreffend die grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches jedoch nicht überfrachten. Auszugehen ist vielmehr davon, dass das Gericht diesen Aspekt, aus welchen Gründen auch immer, entweder nicht im Blick hatte oder nicht in den Blick nehmen wollte. Soweit sich das Bundesverfassungsgericht in anderen Zusammenhängen zur grundrechtlichen Erfassung der Fortpflanzung verhält, bezieht es sich ausschließlich auf den Schutz der Fortpflanzungsorgane. Die biologische Fähigkeit, sich mittels der eigenen Organe fortpflanzen zu können, unterstellt das Gericht dabei dem Regime des Art. 2 Abs. 2 GG als Bestandteil des Rechts auf körperliche Unversehrtheit.37
B. Unterschiedliche Einordnung in der Literatur In der Literatur werden rund um die Frage nach der grundrechtlichen Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches verschiedene Konzepte vertreten. Die Bezeichnung ist hinsichtlich derselben Sachverhalte nicht immer einheitlich. Unter anderem ist die Rede von einem „Recht auf reproduktive Selbstbestimmung“ 38, einem „Recht, Nachkommen zu haben“ 39, von „Fortpflanzungsfreiheit“ 40, dem „Recht auf ein Kind“ 41 oder auch von einem „Recht auf Familiengründung“ 42. Ebensowenig kann aus derselben Bezeichnung stets auf die Zugrundelegung desselben Lebenssachverhalts geschlossen werden.
schlaf zwischen Geschwistern betrifft nicht ausschließlich diese selbst, sondern kann in die Familie und die Gesellschaft hineinwirken und außerdem Folgen für aus der Verbindung hervorgehende Kinder haben.“ Siehe ferner etwa ebd., S. 243 bzw. Rn. 41, S. 245 bzw. Rn. 45, S. 247 ff. bzw. 49 f. und S. 249 f. bzw. Rn. 54. 37 BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3295/07 –, BVerfGE 128, 109, 134 bzw. Rn. 74. 38 Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 31, wohl zurückgehend auf Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 137 und 143; ebenso etwa Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 67. 39 Rüsken, NJW 1998, 1745, 1746. 40 Hartleb, Grundrechtsschutz in der Petrischale, 2006, S. 276 f. Ähnlich: Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 69; Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 31; Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 137 und 143; Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 136; Lehmann, Die In-vitro-Fertilisation und ihre Folgen, 2007, S. 67; Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 35. 41 Lehmann, Die In-vitro-Fertilisation und ihre Folgen, 2007, S. 66. Vgl. auch Sina, FamRZ 1997, 862: „,Recht auf Elternschaft‘“. 42 Lehmann, Die In-vitro-Fertilisation und ihre Folgen, 2007, S. 65 (wohl synonym gebraucht zum „Recht auf Familiengründung“). Weitere Bezeichnungen und entsprechende Nachweise finden sich bei Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 15 f.
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Als textliche Anknüpfungspunkte werden in der Regel das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und/oder Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie), aber auch Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG (Ehe) herangezogen. Als rechtfertigendes Moment für Abstufungen des Schutzniveaus bereits auf Schutzbereichsebene wird oftmals die Einbeziehung „Dritter“ 43 – sei es in Gestalt von Gametenspeder*innen oder in Gestalt der die reproduktionsmedizinische Maßnahme durchführenden Personen – in den Fortpflanzungsprozess angesehen. Im Einzelnen ergibt sich folgendes Bild: I. Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) Eine Gruppe ordnet die Verwirklichung des Kinderwunsches dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) zu und nimmt an, dieser umfasse auch die Gründung einer Familie.44 Hinsichtlich der Art der Verwirklichung dieses Wunsches scheint überwiegend davon ausgegangen zu werden, dass sowohl die durch Geschlechtsakt als auch die mittels assistierter Reproduktion (homologes oder heterologes System) erfolgende Verwirklichung des Kinderwunsches vom Schutzbereich abgedeckt werden.45 Vertreten wird aber auch, den Schutzbereich auf die Fortpflanzung durch Geschlechtsakt46 sowie die assistierte Fort43 Die Bezeichnung von Personen, die am Fortpflanzungsgeschehen insofern beteiligt sind, als sie medizinisch-technische Assistenz leisten oder als Spender*innen in Erscheinung treten, als „Dritte“ wird im Folgenden außerhalb der deskriptiven Darstellung der in der Literatur vertretenen Auffassungen vermieden; sie ist insofern irreführend, als hierdurch suggeriert wird, maßgebliche Grundlage für die Einordnung des Kinderwunsches wäre die Einheit „Paar“. Ausgangspunkt für die Frage nach der grundrechtlichen Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches ist vorliegend eine individualrechtliche Betrachtung. 44 Ausdrücklich für die Einbeziehung des Gründungsaktes in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (ohne weitere Differenzierungen) beispielsweise: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 11; Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 92; Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 135 ff.; Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar-GG, Art. 6 Rn. 24 [Stand: 4. Erg.-Lfg. IV/02]; Umbach, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 6 Rn. 30. 45 Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 117; Coester-Waltjen, in: von Münch/ Kunig, GG, Art. 6 Rn. 49, 32 und 11; Hufen, in: Gethmann/Huster, Recht und Ethik in der Präimplantationsdiagnostik, 2010, S. 133 (dieser hält es allerdigs für „vergleichsweise unerheblich“, ob man dieser Ansicht folgt oder den grundrechtlichen Schutz in „Art. 2 Abs. 1 GG“ verankert); Wapler, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 2010, S. 124 f.; Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 136 ff.; Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte der Verfügung über menschliche Embryonen und „humanbiologisches Material“, 2001, S. 70. Siehe auch Seiler, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 138 [Stand: 168. Aktualisierung 2014]; Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 22 und 32; Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 137 („Art. 6 Abs. 1, 2 GG“), sowie Kersten, Das Klonen von Menschen, 2004, S. 313 f. (der auch das Klonen als vom „Recht eines jeden Menschen auf Fortpflanzung“ ausdrücklich umfasst ansieht). 46 Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 233.
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pflanzung im homologen System zu beschränken.47 Das heterologe System sei auszuklammern, da Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG „die sozialen Beziehung[en] innerhalb der Familie und nicht die Beziehung zu Dritten“ 48 schütze. Eine weitere Auffassung ordnet lediglich den Kinderwunsch eines Paares dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG zu.49 II. Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG (Ehe) Andere Ansichten ziehen im Falle des Bestehens einer Ehe (auch) Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG (Ehe) heran, wobei die Ehe teilweise als notwendige Voraussetzung für den Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG überhaupt angesehen wird.50 Andere 47
Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 233. Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 234. Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Verbots der Eizellspende ist sie jedoch der Auffassung, hier liege ein „Eingriff in Art. 6 Abs. 1 GG vor, da der Frau die Familiengründung mit einem von ihr gewählten Partner verwehrt wird“ (ebd., S. 289). 49 Lehmann, Die In-vitro-Fertilisation und ihre Folgen, 2007, S. 66 (den individuellen Kinderwunsch ordnet sie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu); Gröschner, in: Dreier, GG, 2004, Art. 6 Rn. 72 (und in Rn. 66 ausdrücklich unter Einbeziehung der assistierten Fortpflanzung sowohl im homologen als auch im heterologen System; den individuellen Kinderwunsch ordnet er der allgemeinen Handlungsfreiheit „und/oder“ dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu, siehe ebd., Rn. 72). Möglicherweise ebenso: Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte der Verfügung über menschliche Embryonen und „humanbiologisches Material“, 2001, S. 70 („Kindeswunsch eines – nicht notwendigerweise verheirateten – Paares sowie der Wunsch, dazu bestimmte Fortpflanzungstechniken einzusetzen“). Ausdrücklich gegen die Notwendigkeit des Bestehens einer Partnerschaft: Müller-Terpitz, in: Frister/Olzen, Reproduktionsmedizin, 2010, S. 12 und 14 (siehe auch ders., in: Spickhoff, Medizinrecht, GG Art. 6 Rn. 7); auch er geht bezüglich der diskutierten dogmatischen Konstruktionen von einem einheitlichen Schutzniveau aus, weshalb auf „lange dogmatische Abgrenzungen“ verzichtet werden könne (ebd., S. 12, wiederholt in Müller-Terpitz, AVR 51 (2013), 42, 57); Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 144 f. Auch Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 32, und Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 137, halten es im Ergebnis für nicht erheblich, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder Art. 6 GG herangezogen wird; ebenso wohl Jofer, Regulierung der Reproduktionsmedizin, 2014, S. 161. 50 So Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 37 ff., und ausdrücklich in Bezug auf die artifizielle Reproduktion (als lex specialis gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht); inwiefern die Verwirklichung im homologen oder heterologen System relevant ist, wird anhand seiner Ausführungen nicht deutlich. Es findet sich lediglich der (zutreffende) Hinweis darauf, dass die Fortpflanzung bei der Inanspruchnahme heterologer Techniken nur begrenzt auf die genetische Fortsetzung in Nachkommen gerichtet sei (ebd., S. 35). Ausdrücklich gegen die Notwendigkeit des Bestehens einer Ehe für den Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG etwa: Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 49, 32 und 11; Wapler, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 2010, S. 124 f.; Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 139 ff. und 143; Lehmann, Die In-vitro-Fertilisation und ihre Folgen, 2007, S. 66. Möglicherweise ebenso: Höfling, Verfassungs48
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Stimmen gehen davon aus, dass Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG in diesem Falle die im Verhältnis zu Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG speziellere Regelung sei.51 Unabhängig davon findet sich auch hier sowohl die Auffassung, der zufolge der Schutzbereich die modernen Techniken der Reproduktionsmedizin einschließlich der Inanspruchnahme von Gametenspenden umfasse,52 als auch die Ansicht, nach der der Schutzbereich auf die Fortpflanzung im Wege des Geschlechtsaktes53 sowie die Fortpflanzung im homologen System54 beschränkt sei. Der Schutz über Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG (Ehe) im heterologen System sei nicht möglich, da die Fortpflanzung mittels Inanspruchnahme Dritter als (Ei- oder Samen-) Spender*in dem Zweck der Ehe zuwiderlaufe.55 III. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Elternverantwortung) Soweit ersichtlich wird an keiner Stelle vertreten, den Kinderwunsch und dessen Verwirklichung dem „Elterngrundrecht“, also dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zuzuordnen. Sofern die Frage der grundrechtlichen Erfassung des Kinderwunsches über dieses Grundrecht überhaupt thematisiert wird, wird die Eröffnung des Schutzbereichs mit dem (nicht weiter erläuterten) Argument abgelehnt, dieser knüpfe an ein bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis an.56 IV. Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) Schließlich wird vertreten, die Verwirklichung des Kinderwunsches dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) zuzuordnen.57 Im Gleichlauf mit den Auffassungen zu Art. 6 Abs. 1 GG finden sich auch
rechtliche Aspekte der Verfügung über menschliche Embryonen und „humanbiologisches Material“, 2001, S. 70 f. 51 Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 6 Rn. 27. Anders (Verortung der „,negativen‘ Fortpflanzungsfreiheit“ gegebenenfalls in Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG und Verortung der „,positiven‘ Fortpflanzungsfreiheit“, in Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG): Gröschner, in: Dreier, GG, 2004, Art. 6 Rn. 72 und 65 f. Unklar: Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 250 („abstrakte Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses von Fortpflanzungsgrundrechten [. . .] wenig sinnvoll“). 52 In diesem umfassenden Sinne wohl Kotzur, in: Stern/Becker, GG, Art. 6 Rn. 25 („Freiheit, sich moderner Techniken der Fortpflanzungsmedizin zu bedienen“). 53 Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 216. 54 Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 216. 55 Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 216 f. 56 So Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 134 (ohne Begründung und ohne weiterführende Nachweise). 57 Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 29 [Stand: April 2012 Lfg. 65] (Gründung einer Familie als „elementare Verwirklichung der Persönlichkeit eines Menschen“).
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hier Stimmen, welche die auf Geschlechtsakt beruhende Fortpflanzung und die assistierte Fortpflanzung gleich behandeln,58 und Stimmen, welche diesbezüglich unterschiedliche Schutzniveaus annehmen.59 Anders als im Zusammenhang mit den zu Art. 6 Abs. 1 GG entwickelten Konzepten wird die Fortpflanzung durch Geschlechtsakt nicht unbedingt einheitlich behandelt: So findet sich zunächst die Ansicht, nach der diese dem „unantastbaren Intimbereich“ des Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zuzuordnen sei.60 Anderswo wird vertreten, die Fortpflanzung mittels Geschlechtsaktes sei wegen ihrer „innere[n] Ausrichtung auf Fortsetzung eigenen Personseins im Zusammenspiel mit der äußeren Intimität und Privatheit ihres Vollzuges [. . .] im Kernbereich des Persönlichkeitsrechts“ 61 „an der Grenze zur Unantastbarkeit“ 62 zu
58 Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 71 (die gleichzeitig Art. 6 Abs. 1 als „Recht auf Familiengründung“ für anwendbar zu halten scheint, ohne aber auszuführen, wie dieses Recht und das „Recht auf reproduktive Selbstbestimmung“, das sie im allgemeinen Persönlichkeitsrechts verankert, abzugrenzen sind, siehe ebd., S. 66 f. und 139); Gassner, ZRP 2015, 126; Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 22 und 32; Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 137 und 143 ff. [allerdings an anderer Stelle (S. 146) und im Zusammenhang mit dem Verbot der Eizellspende mit der Relativierung, nach der „[j]edenfalls das Recht des Mannes auf selbstbestimmte Reproduktion (mit seiner Frau)“ durch das Verbot der Eizellspende beeinträchtigt werde]; Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 22 f. Ebenfalls für das allgemeine Persönlichkeitsrecht und im Zusammenhang mit der Eizellspende: Beitz, Zur Reformbedürftigkeit des Embryonenschutzgesetzes, 2009, S. 225 („Persönlichkeitsrecht des Paares“); Starck, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 17 f. Siehe auch Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, 2014, S. 68 f. (im Zusammenhang mit der Ersatzmutterschaft). 59 Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn, Umwege zum eigenen Kind, 2008, S. 49; Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 181. 60 Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 159; gleichzeitig hält sie Art. 1 Abs. 1 GG für einschlägig (ebd., S. 139). In diesem Sinne auch Lehmann, Die In-vitro-Fertilisation und ihre Folgen, 2007, S. 169, sowie Keller, in: Jescheck/Vogler, Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag am 24. August 1989, 1989, S. 714 f. Siehe auch BGH, Urteil vom 17. April 1986 – IX ZR 200/85 –, BGHZ 97, 372, 379: „Zur personalen Würde und zum Persönlichkeitsrecht von Partnern, die miteinander Geschlechtsverkehr haben, gehört es, sich immer wieder neu und frei für ein Kind entscheiden zu können. [. . .] Diese Entscheidungsfreiheit betrifft den engsten Kern ihrer Persönlichkeit und ihrer Entfaltung in Selbstbestimmung [. . .].“ Vgl. auch Hufen, in: Gethmann/Huster, Recht und Ethik in der Präimplantationsdiagnostik, 2010, S. 138, der jedoch gerade nicht zwischen Fortpflanzung durch Geschlechtsakt und assistierter Reproduktion unterscheidet. Allerdings beschränken sich seine Ausführungen auf die Frau (als diejenige, welche zur Familiengründung mittels Fortpflanzung stets ihren Körper in Anspruch nehmen muss). 61 Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 33. 62 Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 35.
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
verorten. Ihre Einschränkung könne „nur da verfassungsgemäß sein, wo anderenfalls ihrerseits hochrangige Verfassungspositionen gefährdet würden.“ 63 Schließlich wird die Ansicht geäußert, der Kinderwunsch sei der „engeren persönlichen Lebenssphäre“ zuzuordnen.64 Eine Zuordnung zum unantastbaren Intimbereich sei ausgeschlossen, weil Fortpflanzung, wenngleich diese nicht nur gemeinschaftlich ausgeübt werden könne „niemals isoliert den Persönlichkeitsbereich einer Person betrifft, sondern mit besonderer Intensität in die engere persönliche Lebenssphäre einer zweiten Person [gemeint ist: der des*der Partner*in] hineinwirkt.“ 65 Auch eine Verstärkung des Schutzes mittels Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) und im Falle einer bestehenden Ehe auch über Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG wird angenommen.66 Im Kinderwunsch und dessen Verwirklichung manifestiere sich eine enge Verknüpfung von spezifischer Persönlichkeitsentfaltung und Familien- und Eheleben.67 Soweit die Ansicht vertreten wird, die Zuhilfenahme von Methoden der artifiziellen Reproduktion führe zu einem vergleichsweise schwächeren Schutz, wird dies mit der Zeugung des Kindes außerhalb eines intimen Rahmens begründet.68
63 Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 35. In diesem Sinne auch etwa Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 71; Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 34; Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 137 und 144 f. (freilich jeweils unter Gleichbehandlung der Verwirklichung des Kinderwunsches durch Geschlechtsakt und unter Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Maßnahmen). 64 Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 22. Wohl ebenso: Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn, Umwege zum eigenen Kind, 2008, S. 52. 65 Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 23. 66 Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 24 f. Ähnlich: Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn, Umwege zum eigenen Kind, 2008, S. 51 f. 67 Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 24 f. 68 Siehe Keller, in: Jescheck/Vogler, Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag am 24. August 1989, 1989, S. 714 f., ferner Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 35 und 37, der nicht unbedingt in den Kategorien der Sphärentheorie (vgl. hierzu nachfolgend S. 66) denkt und davon ausgeht, dass die Inanspruchnahme von Techniken der assistierten Reproduktion jedenfalls „deutlich intensiver“ (ebd., S. 37) einem staatlich reglementierenden Einfluss unterzogen werden könne als die nicht assistierte Fortpflanzung. Vgl. auch Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn, Umwege zum eigenen Kind, 2008, S. 52 und Fn. 21, der die Unterschiede zwischen auf Geschlechtsakt beruhender und assistierter Reproduktion (im homologen System) jedoch wohl nicht auf Schutzbereichsebene, sondern bei der Frage der Rechtfertigung von Eingriffen berücksichtigen möchte.
Abschn. 2: Bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung und Literatur
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Ebenfalls vertreten wird, die Anzahl der am Fortpflanzungsgeschehen Beteiligten habe Auswirkungen auf das Schutzniveau. Beispielsweise sei die Fortpflanzung mittels Inanspruchnahme sowohl einer Samen- als auch einer Eizellspende (doppelte Gametenspende) wegen eines vergleichsweise stärkeren Sozialbezugs weniger geschützt als die Fortpflanzung mittels lediglich einer Spende.69 Über diese quantitative Differenzierung hinaus finden sich auch qualitative Unterscheidungen: So wird die Auffassung, wonach die Inanspruchnahme von Methoden der modernen Fortpflanzungsmedizin im homologem System im Vergleich zum heterologen System einen höheren Schutz genieße, unter anderem damit begründet, im erstgenannten Fall würde lediglich ein*e Ärzt*in „als Vertrauensperson mit besonderer Stellung“ in das Fortpflanzungsgeschehen einbezogen.70 V. Das Hinzutreten Dritter als bedeutsames Moment Lässt man die Frage nach der jeweiligen normativen Verortung des Kinderwunsches vorerst außer Betracht, richtet den Blick also darauf, welche materiellen Gründe für Differenzierungen hinsichtlich des Schutzniveaus auf Schutzbereichsebene vorgetragen werden, zeigt die Analyse der vertretenen Konzepte, dass im Wesentlichen zwei Aspekten ausschlaggebende Bedeutung beigemessen wird: Erstens der Frage danach, ob die Zeugung des Kindes durch Ausübung des Geschlechtsakts erfolgt oder ob Methoden der medizinisch assistierten Reproduktion zum Einsatz kommen. Beachtung findet zweitens die Frage, ob die Gameten, aus denen das Kind hervorgeht, von dem jeweiligen Wunschelter stammen oder ob Spender*innen am Fortpflanzungsgeschehen beteiligt sind. Hintergrund beider Differenzierungen scheint insbesondere die Ansicht zu sein, dass die Einbeziehung Dritter in den Zeugungsvorgang unterschiedliche Bewertungen rechtfertigte.71 Als drittem, direkt nur vereinzelt aufgegriffenem Aspekt Bedeutung beigemessen wird schließlich der Frage, ob das Wunschelter körperlich an der Fortpflanzung mitwirkt. So werde beispielsweise der Wunschvater eines durch Samenspende gezeugten Kindes nicht über das allgemeine Persönlichkeits-
69 So ausdrücklich: Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn, Umwege zum eigenen Kind, 2008, S. 52. 70 Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, die das homologe System der „Privat-/Geheimsphäre“ (S. 161) und das heterologe System der „Öffentlichkeitssphäre“ [Sic!] (S. 169) zuordnet. 71 Siehe etwa Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn, Umwege zum eigenen Kind, 2008, S. 52; Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 160 f. und 169; Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 35 und 37. Ausdrücklich gegen die Relevanz der Einbeziehung Dritter für das Schutzniveau: Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 28 ff.; ähnlich: Schneider, Rechtliche Aspekte der Präimplantations- und Präfertilisationsdiagnostik, 2002, S. 149.
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
recht geschützt, weil er sich nicht fortpflanze. In diesem Falle komme nur ein Schutz über die allgemeine Handlungsfreiheit in Betracht.72 Abschnitt 3
Grundrechtliche Einordnung der Verwirklichung des Kinderwunsches Eine nähere Befassung mit der Frage, inwiefern die Verwirklichung des Kinderwunsches durch Fortpflanzung grundrechtlich geschützt ist, zeigt, dass die Verwirklichung des Kinderwunsches entgegen der vorstehend erläuterten Ansätze in der Literatur nicht im Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) verortet werden kann (A.). Adäquat erfasst werden kann die Verwirklichung des Kinderwunsches hingegen mittels des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG; hierzu nachfolgend (D.). Die über Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG geschützte Ehegestaltungsfreiheit erfasst zwar die Entscheidung eines Ehepaares für Kinder; eine eigentständige materielle Bedeutung kommt dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG im Kontext der Verwirklichung des Kinderwunsches gleichwohl nicht zu (B.). Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Elternverantwortung) ist nicht einschlägig (C.).
A. Freiheit zur Gründung einer Familie, Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG Im Folgenden wird zunächst auf ausgewählte Aspekte des Familienbegriffs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG eingegangen (I.). Im Anschluss wird erläutert, warum sich der Schutzbereich des Grundrechts nicht auf die Gründung einer Familie durch Fortpflanzung erstreckt (II.). I. Familienbegriff des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG Wesentliches Merkmal des grundgesetzlichen Familienbegriffs ist das Bestehen einer sozial-familiären Gemeinschaft zwischen Eltern und Kind (1.)73 Eine leibliche Verbindung zwischen Eltern und Kind ist zwar weder hinreichende 72
Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 160 und
180. 73 Ob auch die Beziehung zwischen Geschwistern dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) unterfällt, wird unterschiedlich beurteilt. Dafür etwa und ausführlicher zum Thema: Sachs, Geschwister im Familienrecht, 2007, S. 35 ff.; dagegen etwa: Kotzur, in: Stern/Becker, GG, Art. 6 Rn. 41. Auch der (von der ganz herrschenden Meinung verneinten) Frage, ob kinderlose Paare in den Schutzbereich des Grundrechts einzubeziehen sind, wird vorliegend nicht weiter nachgegangen (Nachweise finden sich bei Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 6 Rn. 19).
Abschn. 3: Grundrechtliche Einordnung der Verwirklichung des Kinderwunsches 33
noch notwendige Voraussetzung des Familienbegriffs (2.). Rein sozial-familiäre Eltern-Kind-Beziehungen werden gleichwohl nicht vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst (3.). 1. Schutz sozial-familiärer Beziehungen zwischen Eltern und Kind Gemäß Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG steht die „Familie [. . .] unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Als Reaktion auf die Erfahrungen des nationalsozialistischen Regimes soll das in Art. 6 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht „dem Schutz der spezifischen Privatsphäre [. . .] vor äußerem Zwang durch den Staat dienen“.74 Den Begriff der Familie definiert das Bundesverfassungsgericht dabei seit jeher vor allem als „die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern“ 75. Diese Definition wird in der Literatur im Wesentlichen geteilt.76 Eine abstrakte Bestimmung der Begriffe Eltern oder Kinder im Sinne dieser Definition fehlt indes.77 Konsens besteht allerdings dahingehend, dass zwischen den in der Definition als Eltern bezeichneten Personen und dem Kind ein einfacher78 Generationenabstand im Sinne eines Altersabstandes79 bestehen muss.80 Wichtig ist auch, dass der Begriff der Eltern im Sinne des Familienbegriffs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG nicht zwingend deckungsgleich ist mit dem Elternbegriff
74 BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1957 – 1 BvL 4/54 –, BVerfGE 6, 55, 71 bzw. Rn. 50, juris. Siehe ferner: Di Fabio, NJW 2003, 993, 994. 75 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 u. a. –, BVerfGE 108, 82, 112 bzw. Rn. 90. Vgl. auch Urteil vom 29. Juli 1959 – 1 BvR 205/58 –, BVerfGE 10, 59, 66 bzw. Rn. 27, juris, sowie Beschluss vom 18. April 1989 – 2 BvR 1169/84 –, BVerfGE 80, 81, 90 bzw. Rn. 29, juris. Eine monographische Ausarbeitung zum Familienbegriff haben Idel, Der Familienbegriff grund- und einfachrechtlicher Normen, 2005, und Schmid, Die Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 1989, vorgelegt. 76 Siehe nur: Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 11, S. 551; Klein, Das neue Eheverbot der bestehenden Eingetragenen Lebenspartnerschaft gemäß § 1306 BGB am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG, 2008, S. 119 f. und 131 ff., jeweils m. w. Nw. 77 Eine methodische Reflexion der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter anderem zum Begriff der Familie (sowie der Eltern) findet sich bei Gröpl/Yves, AöR 139 (2014), 125; siehe auch Wapler, RW 2014, 57. 78 Ob lediglich die aus Eltern und Kindern bestehende „Kleinfamilie“ unter den Familienbegriff fällt oder darüber hinaus die Familie im weiteren Sinne („Großfamilie“, insbesondere Großeltern), ist nicht abschließend geklärt. Nachweise zu den unterschiedlichen Positionen finden sich bei Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 112. Für die Einbeziehung auch von Großeltern: BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 1 BvR 2926/13 –, BVerfGE 136, 382, 388 ff. bzw. Rn. 21 ff. 79 Vgl. die Etymologie zum Begriff „Generation“ im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache: „Gesamtheit der Angehörigen einer Altersstufe“, abrufbar unter https:// www.dwds.de/wb/Generation#et-1 (letzter Zugriff am 28. Oktober 2018). 80 Nur: von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 15.
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.81 Insbesondere setzt die Elterneigenschaft unter dem Regime des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) auch nach der mitterweile ausdrücklich geäußerten Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die gesetzliche Zuweisung der Elternschaft nicht voraus.82 Schutz erfährt die Familie in verschiedenen Phasen, die Eltern und Kinder regelmäßig miteinander durchlaufen,83 das heißt als Lebens-, Erziehungs- und Hausgemeinschaft sowie in einem späteren Stadium als Begegnungsgemeinschaft.84 Dem Begriff der Gemeinschaft kann entnommen werden, dass Eltern und Kinder sich durch etwas Gemeinsames verbunden fühlen.85 Bereits diese Konkretisierung des Wortlauts des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG zeigt, dass dem sozialen Moment bei der Beantwortung der Frage, ob eine von Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG erfasste familiäre Beziehung vorliegt, entscheidende Bedeutung zukommt. Auch die Funktionen,86 welche der Familie zugesprochen wer81 Wie hier etwa: Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 274; von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 16; Burgi, in: Merten/Papier, HGR IV, 2011, § 109 Rn. 4; Schumann/ Ostner, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 299. Vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 8. 82 Siehe das auf S. 36 abgedruckte Zitat. Zum Elternbegriff des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG siehe nachfolgend Teil 2, S. 93 ff. Zur Erforderlichkeit eines rechtlichen Moments im Falle „bloßer“ sozial-familiärer Gemeinschaften im Kontext des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG siehe nachfolgend unter A.I.3., S. 39 ff. 83 Zu den verschiedenen Entwicklungsstufen der Familie parallel zum Heranwachsen des Kindes sowie zum Schutz auch des Verhältnisses zu volljährigen Kindern siehe nur Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 11 m.w. Nw.; BVerfG, Beschluss vom 18. April 1989 – 2 BvR 1169/84 –, BVerfGE 80, 81, 90 f. bzw. Rn. 32, juris, sowie vom 5. Februar 1981 – 2 BvR 646/80 –, BVerfGE 57, 170, 178 bzw. Rn. 22, juris. 84 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 82 bzw. Rn. 62; Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 112 bzw. Rn. 90; vom 18. April 1989 – 2 BvR 1169/84 –, BVerfGE 80, 81, 90 f. bzw. Rn. 32, juris; von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 14; vgl. auch Robbers, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 82 f. 85 Vgl. die Definition von Gemeinschaft als „zahlenmäßig nicht festgelegte Gruppe von Menschen, Völkern, die sich durch etw. Gemeinsames verbunden fühlt“ im digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, abrufbar unter http://www.dwds.de/?qu=Ge meinschaft (letzter Zugriff am 28. Oktober 2018). 86 Eine Bestimmung des Familienbegriffs auch anhand deren Funktionen nimmt die ganz herrschende Meinung mit Recht vor (zu dieser Einschätzung gelangen auch Schumann/Ostner, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 299). Ausdrücklich oder implizit (auch) von einem funktionalen Familienbegriff ausgehend etwa: Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Rn. 79; von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 16; Kotzur, in: Stern/Becker, GG, Art. 6 Rn. 36; Idel, Der Familienbegriff grund- und einfachrechtlicher Normen, 2005, S. 118 f. und 41 f.; Gröschner, in: Dreier, GG, 2004, Art. 6 Rn. 74 f.; Kingreen, JZ 2004, 938; Lecheler, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 1989, § 133 Rn. 39. Vgl. auch Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 101; Klein, Das neue Eheverbot der bestehenden Eingetragenen Lebenspartnerschaft gemäß § 1306 BGB am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG, 2008, S. 135 f. und 138 ff.; Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 2007, S. 125, sowie Kleffmann, Ehe und andere Lebensgemeinschaften nach Landes- und Bundesverfassungsrecht, 2000, S. 134 und 140. Die jeweili-
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den, offenbaren die Bedeutung diese Moments. Denn ob eine Gemeinschaft als „Emotionseinheit“ im Sinne eines Ortes seelischer Stabilisierung87 oder als „Raum für Ermutigung und Zuspruch“ 88, dient, hängt in erster Linie von der Qualität der sozialen Beziehung der Mitglieder der Gemeinschaft ab.89 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts spiegelt sich die fundamentale Bedeutung des sozialen Moments ebenfalls zunehmend deutlich. Zwar schien dieses noch im Jahr 1977, als das Gericht den Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG erstmals auf die Gemeinschaft zwischen leiblichem Vater und dessen außerehelich geborenem Kind ersteckte,90 noch keine Rolle zu spielen. So begründete das Gericht die bis zu dieser Entscheidung vorgenommene Ausklammerung des leiblichen Vaters eines außerehelich geborenen Kindes vom Schutz des Familiengrundrechts seinerzeit lediglich mit der gesetzlichen Lage,91 nach der eine Verwandtschaft zwischen dem außerehelich geborenen Kind und seinem leiblichen Vater ausgeschlossen war.92 In der nachfolgenden Rechtsprechung maß es dem sozialen Moment bei der Auslegung des Familienbegriffs jedoch stets eine bedeutsame Rolle bei. Ausdruck fand dies zunächst darin, dass es die Einbeziehung des leiblichen Vaters eines außerehelich geborenen Kindes in den Schutzbereich des Familiengrundrechts an das tatsächliche Zusammenleben knüpfte. Hatte es in der Entscheidung aus dem Jahr 1977 noch keine Anzeichen dafür gegeben, dass der Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG ein Zusammenleben gen Ergebnisse dieser funktionellen Betrachtungsweisen variieren freilich. Kritisch hinsichtlich einer Bestimmung des Familien- und des Ehebegriffes über die Funktionen dieser Institute und für einen „substantiellen“ Ansatz: Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 38 f. [Stand April 2012 Lfg. 65]; vgl. ferner ders., in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik, Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier, Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2001, 2001, S. 91 f., sowie Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar-GG, Art. 6 Rn. 17 [Stand: 4. Erg.-Lfg. IV/02] (ebenfalls sowohl zum Ehe- als auch zum Familienbegriff). Zu Recht ablehnend bezüglich einer funktionalen Herleitung des Elternbegriffs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG: Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 59 [Stand: 74. Lfg. Dezember 1995]. 87 von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 14 m.w. Nw. 88 Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 83. 89 Vgl. auch Idel, Der Familienbegriff grund- und einfachrechtlicher Normen, 2005, S. 117 ff., nach dem die Schutzbereichseröffnung in der Regel von der Antwort auf die Frage abhänge, ob die jeweilige Personenkonstellation (bei typisierender Betrachtungsweise) den Schluss zulasse, dass „in ihr verlässliche Bindungen bestehen oder entstehen werden“ (ebd., S. 118). Vgl. auch Hölbling, Wie viel Staat vertragen Eltern?, 2010, S. 134. 90 BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1977 – 1 BvR 265/75 –, BVerfGE 45, 104 ff. 91 BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1977 – 1 BvR 265/75 –, BVerfGE 45, 104, 123 bzw. Rn. 67, juris. 92 § 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30. Juni 1970 geltenden Fassung, gestrichen durch Art. 1 Z 3 des Nichtehelichkeitsgesetzes vom 19. August 1969 (BGBl. I Nr. 80, S. 1243). Sofern das Gericht die Regelung des § 1589 Abs. 2 BGB a. F. als Ausdruck eines grundlegenden gesellschaftlichen Verständnisses, das Auswirkungen auf die Auslegung des verfassungsrechtlichen Familienbegriffs hatte, verstanden haben sollte, kommt dies in der genannten Entscheidung nicht zum Ausdruck.
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
zwischen Vater und Kind voraussetzen könnte,93 machte das Gericht die Einbeziehung des leiblichen Vaters des außerehelich geborenen Kindes in den Schutzbereich des Familiengrundrechtes im Jahr 1981 eben hiervon abhängig.94 Deutlich herausgestellt wurde die Bedeutung des sozialen Moments auch in einer Entscheidung aus dem Jahr 2003. Darin verlangte das Gericht für den Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG, dass zwischen leiblichem Vater und Kind „eine soziale Beziehung besteht, die darauf beruht, dass er zumindest eine Zeit lang tatsächlich Verantwortung für das Kind getragen hat.“ 95 In der Folge erklärte das Gericht § 1685 BGB a. F., nach dem der leibliche Vater in den Kreis der Umgangsberechtigten nicht aufgenommen war, insoweit für verfassungswidrig, als eine solche Beziehung bestand oder zumindest bestanden hatte.96 In einer aktuellen Entscheidung, in der das Gericht das Verhältnis zwischen einem*einer Lebenspartner*in zu dem (nur) von dessen*deren Lebenspartner*in adoptierten Kind verfassungsrechtlich einzuordnen hatte, heißt es schließlich: „Weil das Familiengrundrecht auf den Schutz der spezifisch psychologischen und sozialen Funktion familiärer Bindungen zielt [. . .], setzt der Grundrechtsschutz den Bestand rechtlicher Verwandtschaft nicht voraus. Der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG reicht insofern über das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG hinaus, als er auch Familiengemeinschaften im weiteren Sinne einbezieht [. . .], die als ,soziale Familien‘ vom Bestehen rechtlicher Elternschaft unabhängig sind [. . .].“ 97 In der Folge stellte das Gericht die aus Lebenspartner*innen und (von einem*einer der Lebenspartner*innen adoptierten) Kind bestehende soziale Familie unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG. Dabei begründete das Gericht diese Auffassung auch damit, dass das Zusammenleben in einer solchen Gemeinschaft die gleichen schutzwürdigen Bindungen hervorbringen könne wie das Zusammenleben in der Stieffamilie eines verschiedengeschlechtlichen Paares.98 Auch im Zusammenhang mit der Einbeziehung von Pflegefamilien in den Schutzbereich 93 Nicht alle Beschwerdeführer des Verfahrens lebten mit ihrem Kind zusammen, siehe BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1977 – 1 BvR 265/75 –, BVerfGE 45, 104, 111 und 112 bzw. Rn. 17 und Rn. 23, juris. 94 BVerfG, Urteil vom 24. März 1981 – 1 BvR 1516/78 –, BVerfGE 56, 363, 382 bzw. Rn. 60, juris: „In Bezug auf den nichtehelichen Vater ist ferner ankerkannt, daß jedenfalls sein Zusammenleben mit dem Kind als eine von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Gemeinschaft anzusehen ist [. . .].“ (bemerkenswerterweise unter Verweis auf den in Fn. 93 zitierten Beschluss aus dem Jahr 1977, S. 123), wiederholt in: Beschluss vom 30. November 1988 – 1 BvR 37/85 –, BVerfGE 79, 203, 211 bzw. Rn. 34, juris. 95 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 112 bzw. Rn. 89. 96 Zur Nachwirkung einer sozialen Beziehung siehe BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 113 bzw. Rn. 94. Zur späteren Korrektur dieser Rechtsprechung siehe sogleich, S. 37. 97 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 83 bzw. Rn. 62. Zur Deutung dieser Formulierung siehe auch nachfolgend S. 39. 98 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 83 bzw. Rn. 63.
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des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG argumentiert das Gericht mit gewachsenen sozialen Bindungen.99 2. Leibliche Verbindung zwischen Elter und Kind weder notwendige noch hinreichende Voraussetzung des Familienbegriffs Schon aus der vorstehend erläuterten Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Einbeziehung des leiblichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG ergibt sich, dass die leibliche Verbindung zwischen Elter und Kind keine hinreichende Voraussetzung für den Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG ist. Zwar korrigierte das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung, wonach das Umgangsrecht des leiblichen Vaters von einer aktuellen oder zumindest ehemaligen sozial-familiären Beziehung zwischen Vater und Kind abhängen sollte,100 aufgrund gegenteiliger Rechtsprechung des EGMR insoweit, als nunmehr auch „der Wunsch des leiblichen Vaters nach Umgang mit dem Kind verfassungsrechtlich grundsätzlich anzuerkennen [. . .] und auch vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG umfasst“ 101 sein soll. Ferner wird auch in der Literatur vertreten, die leibliche und gegebenenfalls sogar die (nur) plazentale102 Verbindung als hinreichendes Moment anzusehen, um den Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG auszulösen.103 Allerdings erachtet auch der EGMR die Einbeziehung des „bloßen“ leiblichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 Var. 2 EMRK (Familienleben) als Ausnahme, fordert vor allem aber zusätzlich einen sich nach außen manifestierenden Akt der Absicht, Verantwortung für das Kind übernehmen zu wollen.104 Zudem mag das zwischen den Beteiligten be99 BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 1999 – 1 BvR 1689/96 –, Rn. 13, juris; vom 12. Oktober 1988 – 1 BvR 818/88 –, BVerfGE 79, 51, 59 bzw. Rn. 28, juris; vom 17. Oktober 1984 – 1 BvR 284/84 –, BVerfGE 68, 176, 187 bzw. Rn. 42, juris (st. Rspr.). 100 Siehe vorstehend S. 36. 101 BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 2 BvR 1170/14 –, Rn. 38. Anders auch noch etwa Beschluss vom 20. September 2006 – 1 BvR 1337/06 –, Rn. 16: „Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Beziehung des leiblichen, aber nicht rechtlichen Vaters zu seinem Kind, wenn zwischen ihm und dem Kind eine soziale Beziehung besteht, die darauf beruht, dass er zumindest eine Zeit lang tatsächlich Verantwortung für das Kind getragen hat. Art. 6 Abs. 1 GG schützt das Interesse am Erhalt dieser sozial-familiären Beziehung [. . .]. Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG entsteht insofern nicht schon aus der Bereitschaft des (mutmaßlichen) leiblichen Vaters, Verantwortung tragen zu wollen, noch aus dem Wunsch, eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind entstehen zu lassen.“ Zur Verortung des Umgangsrechts durch das Bundesverfassungsgericht (auch) in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG siehe nachfolgend S. 164. 102 So ausdrücklich Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 79, sowie Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 11. 103 So wohl auch etwa Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 226. 104 Nach der Rechtsprechung des EGMR umfasst der Schutz des Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 Var. 2 EMRK) ausnahmsweise die (nach außen manifestierte) beabsichtigte Aufnahme einer sozial-familiären Beziehung („intended family life“) des leiblichen Vaters zu seinem Kind, siehe vor allem EGMR, Urteil vom 15. September 2011
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stehende leibliche Band ein Grund für die Aufnahme sozial-familiärer Beziehungen sein und später deren Intensität beeinflussen können. Den Schutzbereich jedoch alleine aufgrund einer (ehemaligen) körperlichen Verbundenheit zwischen Elter und Kind zu eröffnen, würde die Eigenschaft der Familie als soziale Gemeinschaft ausblenden und darüber hinaus verkennen, dass diese mehr ist als eine bloß statische Verbindung.105 Ist die leibliche Verbindung zwischen Elter und Kind damit keine hinreichende Voraussetzung für das Bestehen einer sozial-familiären Gemeinschaft im Sinne des Familienbegriffs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG, ist umgekehrt und erst recht nicht davon auszugehen, dass eine leibliche Verbundenheit zwischen Elter und Kind notwendige Voraussetzung des Familienbegriffs wäre.106 Auch dies lässt sich der bereits in Bezug genommenen Rechtsprechung zur Einbeziehung auch des*der Lebenspartner*in in die zwischen dessen*deren Lebenspartner*in und dessen*deren Adoptivkind bestehende familiäre Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG)107 entnehmen und ergibt sich darüber hinaus daraus, dass auch die Beziehung von Stief-, Adoptiv- und Pflegeeltern zu den ihnen „zugeordneten“ Kindern eine familiäre Beziehung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG darstellen kann.108 – 17080/07 –, Rn. 81 (Schneider v. Germany), hierzu Helms, FamRZ 2011, 1717, sowie Urteil vom 21. Dezember 2010 – 20578/07 –, Rn. 60 (Anayo v. Germany); siehe ferner Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, S. 67 f. Vgl. auch Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 103 (Einbeziehung des „nur“ biologischen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG, wenn dieser zumindest beabsichtigt, elterliche Verantwortung für das Kind zu übernehmen). Zur Reaktion des nationalen Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des EGMR siehe Fn. 645. Zum Aspekt der Gründung einer sozialfamiliären Gemeinschaft unter dem Regime des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG sogleich unter A.II., S. 42 ff. 105 Auch die Ansichten, nach denen eine leibliche Verbundenheit zwischen Elter und Kind für den Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG ausreiche, unterscheiden teilweise zwischen der Intensität der sozialen Bindung, vgl. beispielsweise Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 11: „Die nur biologische einschließlich der nur genetischen Elternschaft gehört nicht zum Begriffskern, genießt aber gleichwohl einen gewissen Schutz.“ Zur der dieser Auffassung zugrunde liegenden klaren Trennung zwischen Eröffnung des Schutzbereiches und Schutzintensität im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG ausführlich: Idel, Der Familienbegriff grund- und einfachrechtlicher Normen, 2005, S. 117 ff.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 1 BvR 2926/13 –, BVerfGE 136, 382, 389 bzw. Rn. 23, juris. 106 In diesem Sinne auch Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 226. Vgl. ferner Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 9. 107 Siehe vorstehend S. 36. 108 Für Nachweise zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe Fn. 99. Zur Literatur siehe etwa: Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 101 und 111 (die offenbar jedoch davon ausgeht, dass nur die auf Abstammung beruhende Familie von der Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG umfasst ist); Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 11, S. 553; von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 16; Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 2007, S. 125 f.; Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fort-
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3. Kein Schutz „bloßer“ sozial-familiärer Beziehungen Nicht aus dem vorstehend erläuterten Befund gefolgert werden kann allerdings, dass auch eine solche sozial-familiäre Beziehung zwischen einem Kind und einer anderen Person unter Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG allgemein Anerkennung erführe, die weder durch eine leibliche Verbindung noch durch eine in irgendeiner Form rechtlich flankierte Regelung gestützt wird. Zwar wird mit dem Familienbegriff auf eine in der Gesellschaft (freilich schon lange vor 1949) vorgefundene Form menschlichen Zusammenlebens zurückgegriffen, die als solche unabhängig von rechtlichen Normierungen existiert,109 und wurden die „verfassungsrechtlichen Maßgaben in den Jahrzehnten verfassungsrechtlicher Judikatur zum Kindschaftsrecht [. . .] stets im Lichte des Ziels fortentwickelt [. . .], den jeweils vorfindlichen ,realen Beziehungs- und Familienstrukturen einen angemessenen rechtlichen Rahmen zu bieten‘“ 110. Dennoch darf insbesondere die in ihrem Wortlaut sehr weitreichend scheindende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Schutzes „sozialer Familien“ 111 nicht missinterpretiert werden. Auszugehen ist bislang nämlich davon, dass die Einbeziehung einer ausschließlich in einer sozial-familiären Beziehung zu einem Kind stehenden Person in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch nach der Literatur voraussetzt, dass entweder zwischen dieser Person und dem gesetzlichen112 Elter eine verrechtlichte Beziehung besteht (Ehe113 oder Lebenspartnerschaft) oder schritt, 2005, S. 226, jeweils m.w. Nw. A. A.: Zuck, NJW 2001, 3240. Zum Schutz der „faktischen“ Stieffamilie sogleich, S. 40 f. 109 In diesem Sinne: Hölbling, Wie viel Staat vertragen Eltern?, 2010, S. 133 (verfassungsrechtlicher Familienbegriff als „Prinzip des realen Lebens“); Kotzur, in: Stern/ Becker, GG, Art. 6 Rn. 42; Klein, Das neue Eheverbot der bestehenden Eingetragenen Lebenspartnerschaft gemäß § 1306 BGB am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG, 2008, S. 118 f. und 140; Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 2007, S. 111 und 121. Vgl. auch BVerfG, Urteil vom 29. Juli 1959 – 1 BvR 205/58 –, BVerfGE 10, 59, 66 bzw. Rn. 27, juris. 110 Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 11 unter Bezugnahme auf das Zitat von Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 9. 111 Siehe das vorstehend auf S. 36 abgedruckte Zitat aus BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 83 bzw. Rn. 62. Siehe auch ebd., S. 84 bzw. Rn. 65: „Wo ein gleichgeschlechtliches Paar dauerhaft mit einem Kind in einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung zusammenlebt, lässt sich das Bestehen einer Familie tatsächlich nicht in Abrede stellen [. . .]. Ihr den Schutz des Familiengrundrechts zu verweigern, widerspräche dem Sinn des auf den Schutz der sozialen Familiengemeinschaft gerichteten Familiengrundrechts.“ 112 Unklar ist bislang, ob auch die Beziehung eines Kindes zu Ehe- oder Lebenspartner*innen des Elters Schutz nach Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG erfährt, wenn es sich lediglich um das leiblich-soziale Elter des Kindes handelt. 113 Zur Ehe als „verklammerndem Moment“ im Falle des mit dem gesetzlichen Elter des Kindes verheirateten Stiefelters siehe etwa Idel, Der Familienbegriff grund- und ein-
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aber, dass die sozial-familiäre Beziehung zwischen dieser Person und dem Kind in sonstiger Weise verrechtlicht ist.114 So begründet das Bundesverfassungsgericht die Anerkennung des*der Lebenspartner*in als Teil der zwischen dessen*deren Lebenspartner*in und dem von diesem*dieser adoptierten Kind bestehenden familiären Gemeinschaft damit, die verfassungsrechtliche Familieneigenschaft setze nicht voraus, „dass beide [Hervorhebung nicht im Original] Partner Eltern im gesetzlichen Sinne sind.“ 115 Unterstützt wird diese kritische Lesart der Entscheidung aus dem Jahr 2013, wenn man eine weitere, weitaus ältere Entscheidung des Gerichts hinzuzieht, in der dieses offen ließ, ob die sozial-familiäre Beziehung des faktischen Stiefkinds zu seinem faktischen Stiefvater den Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG erfährt. Mutter, faktischer Stiefvater und Kind hatten seit dem zehnten Lebensjahr des Kindes zusammengelebt und das Kind hatte angegeben, es habe zu dem faktischen Stiefvater eine Vater-Sohn-Beziehung entwickelt. Der leibliche Vater des Kindes war schon vor dessen Geburt verstorben. Im Unterschied zu der Konstellation, die der Entscheidung aus dem Jahr 2013 zugrunde lag, bestand zwischen der Mutter des Kindes und deren Partner (dem faktischen Stiefvater) kein gesetzliches Band. Letzteres hatte auch Auswirkungen auf die Beziehung des Stiefvaters zu dem Stiefkind, denn auch das „kleine Sorgerecht“ stand und steht dem Stiefelter nur im Falle einer Ehe mit dem rechtlichen Elter zu (siehe § 1687b Abs. 1 und 2 BGB).116 Nachdem der faktische Stiefvater zu Tode gekommen fachrechtlicher Normen, 2005, S. 47, unter Hinweis auf Schmid, Die Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 1989, S. 355. 114 Aus der Literatur siehe etwa Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 111 („Rein soziale Elternschaft, ohne dass der Gesetzgeber sie rechtlich konkretisiert und anerkannt hat, begründet keine Familiengemeinschaft iSd Art. 6 I GG.“), ferner Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 196 f., die den Schutz sozialer Beziehungen des Kindes zu „familienfremden Menschen“ (S. 197) nicht, wohl aber die Beziehung des Kindes zu Menschen, „die im weitesten Sinne als deren Angehörige gelten können“ (S. 196), als von Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG erfasst ansieht. Zu diesen Angehörigen sollen beispielsweise „wegen der Strukturähnlichkeit zu Ehe“ (S. 196) auch die (Lebens-) Partner des (gesetzlichen) Elters zählen. Soziale Beziehungen zu familienfremden Menschen könnten gegebenenfalls über das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfasst werden. Siehe auch Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 11: „Verbindungen, in denen weder (im Rechtssinne) verwandtschaftliche noch der Verwandtschaft (direkt) nachgebildete soziale Beziehungen bestehen, können auf keinen Fall unter den Familienbegriff subsumiert weden, auch wenn sie teilweise familiäre Funktionen wahrnehmen.“ 115 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 83 bzw. Rn. 63. Vgl. auch die sich an die zitierte Stelle anschließende Äußerung, nach der es für den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unerheblich sei, ob das Kind leibliches oder angenommenes Kind „des rechtlichen Elternteils“ ist. Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18. April 1989 – 2 BvR 1169/84 –, BVerfGE 80, 81, 90 bzw. Rn. 29, juris: „Neben der durch Geburt entstandenen Familie wird grundsätzlich auch jede andere von der staatlichen Rechtsordnung anerkannte Gemeinschaft von Eltern und Kindern geschützt.“ 116 Vgl. auch § 9 LPartG bzgl. des*der Lebenspartner*in.
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war, hatte das Stiefkind erfolglos Hinterbliebenenversorgung begehrt. Die gegen die entsprechende sozialgerichtliche Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos. Ausdrücklich offen ließ das Bundesverfassungsgericht dabei, ob die zwischen dem Kind und dem faktischen Stiefvater bis zu dessen Ableben bestehende Verbindung „auf Grund der sozial-familiären Beziehung mit dem Getöteten [dem Stiefvater] eine Familie im Sinne des Grundgesetzes bildete“ 117. Ebenfalls nicht außer Betracht gelassen werden darf, dass es sich auch bei der in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG grundsätzlich einbezogenen Pflegefamilie um eine durch rechtliche Regelungen flankierte soziale Familie handelt.118 4. Ergebnis zu I. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der verfassungsrechtliche Begriff der Familie in Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG im Zusammenhang mit der Frage danach, welcher Art eine von diesem Begriff umfasste Eltern-Kind-Beziehung zu sein hat, nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht und der Literatur zunächst die (einfache) Generationenverschiedenheit zwischen diesen beiden Personen voraussetzt. Das wesentliche Moment der Beziehung ist sozialer Natur. Eine leibliche Verbindung zwischen Elter und Kind ist weder notwendige noch hinreichende Voraussetzung des Schutzes. Gleichwohl muss davon augegangen werden, dass eine „bloße“ soziale Beziehung zwischen einer Person und einem Kind (etwa die faktische Stiefeltern-Kind-Beziehung) nach allgemeiner Ansicht nicht vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG umfasst ist. Um auch derartige Beziehungen in den Schutzbereich des Grundrechts einbeziehen zu können, ist entweder eine Verrechtlichung der Beziehung zwischen dem rechtlichen Elter des Kindes und dessen*deren Partner*in (so etwa im Fall einer ehebasierende Stieffamilie) oder eine sonstige rechtliche Flankierung der sozial-familiären Beziehung erforderlich (so der Fall bei der Pflegefamilie). Für die plazentale Wunschmutter und das von ihr nach Inanspruchnahme einer Eizellspende geborene Kind folgt hieraus, dass deren sozial-familiäre Beziehung als familiäre Beziehung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG einzuordnen wäre. Dies gilt wegen der gesetzlichen Mutterschaft der plazentalen Mutter (siehe § 1591 BGB, wonach gesetzliche Mutter eines Kindes die Frau ist, die das Kind geboren hat) selbst dann, wenn man – durchaus fernliegend – die rein plazentale Verbindung als „unvollständige“ leibliche Verbindung zu dem Kind (fehlende genetische Verbindung) betrachtete und zusätzlich eine rechtliche Flankierung des Verhältnisses zwischen plazentaler Wunschmutter und Kind forderte.
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BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2004 – 1 BvR 2320/98 –, Rn. 19. Siehe etwa § 1688 BGB.
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II. Erstreckung des Schutzbereichs auf die Gründung einer Familie? Steht damit fest, dass auch die sozial-familiäre Beziehung zwischen plazentaler Wunschmutter und Kind nach der Geburt des Kindes dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG unterfällt, ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, ob auch die Gründung dieser familiären Gemeinschaft unter Rückgriff auf eine Eizellspende durch die plazentale Wunschmutter dem Schutzbereich des Familiengrundrechts zuzuordnen ist. Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass die Gründung einer Familie zwar kein Privileg ehelicher Gemeinschaften ist (1.). Gleichwohl erscheint es nicht angebracht, die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Fortpflanzung dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG zuzuordnen (2.). 1. Gründung einer Familie kein Privileg ehelicher Gemeinschaften In der Literatur findet sich die Ansicht, der grundrechtliche Schutz der Gründung einer Familie könne nur im Falle einer bestehenden Ehe zwischen den Wunscheltern in Art. 6 GG verortet werden. So sei die Familiengründung eines Ehepaares von Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG (Ehe) geschützt, während für die Familiengründung durch Alleinstehende sowie nichteheliche Lebensgemeinschaften das allgemeine Persönlichkeitsrecht heranzuziehen sei.119 Auch ist im Zusammenhang mit der Ehe nicht selten von deren „Fortpflanzungsfunktion“ 120 die Rede und hat das Bundesverfassungsgericht – wenn auch nur vereinzelt – ausgeführt, die eheliche Gemeinschaft werde „vor allem deshalb verfassungsrechtlich geschützt [. . .], weil sie eine rechtliche Absicherung der Partner bei der Gründung einer Familie mit gemeinsamen Kindern sichern“ 121 solle. Damit stellt sich die Frage, ob die Gründung einer Familie als Privileg ehelicher Gemeinschaften verstanden werden muss. Wäre dem so, stellte sich in der Tat die weitere Frage, ob die Gründung einer Familie überhaupt (auch) im Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG verortet werden kann. Ebenso gestellt werden müsste dann die Frage, ob staatliche Beschränkungen der Verwirklichung des Kinderwunsches durch Ehepaare122 strengeren Voraussetzungen unterliegen
119 Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 37 ff., dort vor allem die Tabelle auf S. 39 (sowie auf S. 317 f.). 120 Nachweise zu Stimmen, die sich in diesem Sinne äußern, finden sich in den Fußnoten 140 und 141. 121 BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1993 – 1 BvR 640/93 –, Rn. 5, juris. 122 Zur Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG (Ehegestaltungsfreiheit) siehe nachfolgend B., S. 56 f.
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als entsprechende Beschränkung der Verwirklichung des Kinderwunsches in anderen Fällen. Dass die Gründung einer Familie indes kein Privileg ehelicher Gemeinschaften ist, wird im Folgenden dargelegt. a) Eheliche und nichteheliche Familien als gleichwertige Lebensformen Es liegt nahe, dass älteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts das Idealbild der durch Fortpflanzung zweier durch das Band der Ehe verbundener Menschen entstandenen Familie zugrunde gelegen hat.123 Mittlerweile herrscht jedoch Klarheit darüber, dass das Bestehen einer „Ehe als Institut neben der Familie“ 124 kein notwendiges Merkmal des verfassungsrechtlichen Familienbegriffs ist und sowohl die eheliche als auch die nichteheliche Familie als gleichwertig anzusehende125 Lebensformen von Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG erfasst werden.126 123 So zitierte das Gericht Art. 6 Abs. 1 GG stets einheitlich, das heißt ohne Unterscheidung zwischen Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG und Var. 2 GG, was teilweise als Indiz für einen ehebasierten Familienbegriff angesehen wird, vgl. Klein, Das neue Eheverbot der bestehenden Eingetragenen Lebenspartnerschaft gemäß § 1306 BGB am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG, 2008, S. 69, unter Verweis auf Kleffmann, Ehe und andere Lebensgemeinschaften nach Landes- und Bundesverfassungsrecht, 2000, S. 86 ff. Allgemein kritisch zur Idealisierung des Familienbildes in der Zeit zwischen 1950–1970: Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 221; vgl. auch Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 194. Zum (mannigfaltig und in verschiedener Weise interpretierten) Verständnis des Verhältnisses von Ehe und Familie im Parlamentarischern Rat siehe etwa Gröpl/Yves, AöR 139 (2014), 125, 139 ff.; Wapler, RW 2014, 57, 58 ff.; Schumann, Die nichteheliche Familie, 1998, S. 176 ff., sowie Schmid, Die Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 1989, S. 264 ff. Für die Unergiebigkeit der subjektiv-historischen Auslegung: Idel, Der Familienbegriff grund- und einfachrechtlicher Normen, 2005, S. 27 ff., 35 f.; Schumann, Die nichteheliche Familie, 1998, S. 182 f. 124 BVerfG, Urteil vom 17. Juli 2002 – 1 BvF 1/01 –, BVerfGE 105, 313, 348 bzw. Rn. 99. 125 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 329, Rn. 39, m.w. Nw. 126 Nur: BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 83 bzw. Rn. 64 (m.w. Nw. zu vorausgehenden Entscheidungen), sowie die fast unbestrittene Auffassung in der Literatur, hieraus nur etwa Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 11; Hölbling, Wie viel Staat vertragen Eltern?, 2010, 133 f.; Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 2007, S. 122 ff.; Idel, Der Familienbegriff grund- und einfachrechtlicher Normen, 2005, etwa S. 51; Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 226. Kleffmann, Ehe und andere Lebensgemeinschaften nach Landes- und Bundesverfassungsrecht, 2000, S. 148, hingegen möchte auch gegengeschlechtliche nichteheliche Gemeinschaften mit Kind vom Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG ausklammern. A. A. auch noch: Lecheler, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 1989, § 133 Rn. 45, nach dem die Ehe nicht nur Entstehungs-, sondern auch Bestandsvoraussetzung einer Familie sei, weshalb wegen Scheidung oder gar Tod eines Elternteils „unvollständigen“ Familien der Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG nicht zustehe. Diese Ansicht wird jedoch heute selbst von Vertreter*innen eines ehebasierten Familienbegriffs nicht mehr vertreten.
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Wenn explizite Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis zwischen Art. 6 Abs. 1 Var. 1 und Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG auch lange Zeit rar waren,127 hat das Gericht eine ausdrückliche Stellungnahme dahingehend, dass nur die ehebasierte Familie als verfassungsrechtliche Familie zu qualifizieren wäre, zu keiner Zeit abgegeben.128 Demgegenüber finden sich schon früh Äußerungen, aus denen folgt, dass das Bestehen einer Ehe nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer Familie ist.129 So bezeichnete das Gericht die Gemeinschaft zwischen unverheirateter Mutter und dem von ihr geborenen Kind bereits 1958 als familiäre Gemeinschaft,130 womit feststand, dass ein Kind, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind, auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht familienlos ist.131 Und auch, wenn das Gericht sich anfangs außerstande sah, die zwischen leiblichem Vater und dessen außerehelich geborenem Kind bestehende Gemeinschaft dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG zu unterstellen,132 begründete es dies nicht etwa mit der fehlenden Ehe zwischen Vater und Mutter, sondern mit der fehlenden gesetzlichen Verwandtschaft zwischen Vater und Kind.133 Auch soweit die Ehe heute noch als „verklammerndes Moment“ angesehen wird, um eine aus einem Elter und Kind bestehende Familie um hinzutretende Ehepartner*innen (Stiefelter) zu erweitern,134 ist nicht die Ehe als solche Hintergrund dieser Auffassung, sondern die (durchaus streitbare) These, durch die Heirat habe sich das Stiefelter zu einer Verantwortung auch gegenüber dem Kind bekannt.135 Ähnliches gilt für die selbst in verhältnismäßig jungen Entscheidun127 Weshalb sich das Gericht vereinzelt dem Vorwurf ausgesetzt sah, eine Entscheidung der Frage, ob auch die nicht auf einer Ehe zwischen den Eltern basierende familiäre Gemeinschaft als verfassungsrechtlich geschützte Familie zu qualifizieren sei, bewusst zu vermeiden, so jedenfalls Lecheler, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 1989, § 133 Rn. 29. 128 Hierauf weist auch Lecheler, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 1989, § 133 Rn. 30 hin. Siehe auch Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 55 f.: „[D]as BVerfG ist inzwischen eindeutig ablehnend, war dieser Idee aber auch nie ersichtlich zugeneigt.“ 129 Zu diesem Ergebnis kommt auch: Wapler, RW 2014, 57, 66 f. 130 BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1958 – 1 BvL 45/56 –, BVerfGE 8, 210, 215 bzw. Rn. 16, juris. 131 Deutlich: BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 1969 – 1 BvR 26/66 –, BVerfGE 25, 167, 95 bzw. Rn. 68, juris, unter Verweis unter anderem auf BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1958 – 1 BvL 45/56 –, BVerfGE 8, 210, 215. Zur Entwicklung der rechtlichen Stellung des leiblichen Vaters eines außerehelich geborenen Kindes siehe Peschel-Gutzeit, FRP 2005, 167. 132 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 1964 – 1 BvL 16/62 –, BVerfGE 18, 97, 105 f. bzw. Rn. 38, juris, und vom 29. Januar 1969 – 1 BvR 26/66 –, BVerfGE 25, 167, 196 bzw. Rn. 68, juris. 133 Siehe hierzu bereits vorstehend S. 35. 134 Vgl. hierzu vorstehend S. 39 f. 135 Idel, Der Familienbegriff grund- und einfachrechtlicher Normen, 2005, S. 47 (unter Hinweis auf Schmid, Die Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 1989, S. 355); siehe auch ebd., S. 95 f., wo dieser die Unterschutzstellung der Beziehung eines Kindes
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gen des Bundesverfassungsgerichts zu Tage tretende Ansicht, wonach das Aufwachsen eines Kindes in einer ehelichen Gemeinschaft gegenüber dem Aufwachsen in einer nichehelichen Gemeinschaft vorzugswürdig sei.136 Denn auch hier geht es letztlich nicht um die Ehe also solche, sondern um die Annahme einer besonderen, dem Kindeswohl dienlichen Stabilität einer verrechtlichten Paarbeziehung.137 Konsequenterweise geht das Gericht deshalb auch hinsichtlich der eingetragenen Lebenspartnerschaft davon aus, „dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe“.138 b) Keine Fortpflanzungsfunktion der Ehe Dass der Ehe überhaupt die Funktion einer Fortpflanzungsgemeinschaft beizumessen wäre, wird, unter Hinweis auf die geschilderte Entkoppelung von Eheund Familiengrundrecht, infrage gestellt.139 Gleichwohl finden sich nicht wenige Stimmen, die der Ehe eben eine solche Funktion zusprechen.140 Einige sehen darin gar die Rechtfertigung für den „besonderen“ Schutz der Ehe.141 Fruchtbar zu machen versucht wurde die Vorstellung von der Ehe als einer Fortpflanzungszu seinem faktischen Stiefelter konsequenterweise mit dem Argument ablehnt, das Stiefelter habe die Verantwortungsübernahme für das Kind nicht durch das Eheversprechen manifestiert. Vgl. auch Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar-GG, Art. 6 Rn. 21 [Stand: 4. Erg.-Lfg. IV/02], sowie Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 6 Rn. 17. 136 So noch BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 327 f. bzw. Rn. 37 f. 137 Siehe BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 327 f. bzw. Rn. 37 f. (siehe hierzu auch nachfolgend, S. 51). Vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 1969 – 1 BvR 26/66 –, BVerfGE 25, 167, 196 bzw. Rn. 69, juris, wonach „die gesunde körperliche und seelische Entwicklung des Kindes grundsätzlich das Geborgensein in der nur in der Ehe verwirklichten vollständigen Familiengemeinschaft mit Vater und Mutter voraussetzt“. 138 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 – BVerfGE 133, 59, 89 f. bzw. Rn. 80. 139 Deutlich: Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 43. Im Ergebnis ebenso: Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, 1998, S. 210. Kritisch zur Fortpflanzungsfunktion auch Stüber, KJ 2000, 594, 598, sowie Schimmel, Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare?, 1996, S. 144 ff. 140 Auf die (nicht unbedingt als solche bezeichnete) Fortpflanzungsfunktion der Ehe weisen unter anderem hin: Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 46; von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 6 und Rn. 18; Seiler, in: Kahl/Waldhoff/ Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 62 [Stand: 168. Aktualisierung 2014]; Klein, Das neue Eheverbot der bestehenden Eingetragenen Lebenspartnerschaft gemäß § 1306 BGB am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG, 2008, S. 91; Gröschner, in: Dreier, GG, 2004, Art. 6 Rn. 13; Umbach, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 6 Rn. 59; Kleffmann, Ehe und andere Lebensgemeinschaften nach Landes- und Bundesverfassungsrecht, 2000, S. 261; Pauly, NJW 1997, 1955; vgl. auch Böhm, VVDStRL 73 (2014), 212, 237, sowie Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 2007, S. 181. 141 Hillgruber, JZ 2013, 843, 845. Ähnlich: Ipsen, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 154 Rn. 17; Braun, ZRP 2001, 14, 16.
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gemeinschaft vor allem in der Diskussion darüber, ob die eingetragene Lebenspartnerschaft unter den verfassungsrechtlichen Begriff der Ehe zu subsumieren ist.142 Gegen die Einbeziehung der Lebenspartnerschaft wurde vorgetragen, die Lebensgemeinschaft zweier gleichgeschlechtlicher Partner sei im Unterschied zur ehelichen Lebensgemeinschaft schon potentiell nicht fortpflanzungsfähig.143 Auch im Zusammenhang mit der dieser Diskussion nachgelagerten Frage nach der Gleichstellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft tauchte das Argument wieder auf. In ihrem abweichenden Votum zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft und dessen Gleichstellung mit der Ehe144 etwa kritisierte die Richterin Haas ihre die Entscheidung tragenden Kolleg*innen dafür, Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG nicht in dessen Eigenschaft als Institutsgarantie herangezogen und nicht geprüft zu haben, ob die Rechtsform der 142 Die Diskussion über die Einbeziehung gleichgeschlechtlicher Paare in den verfassungsrechtlichen Ehebegriff dürfte nach der jüngst erfolgten, längst überfälligen gesetzlichen Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017, BGBl. I Nr. 52, S. 2787) wieder aufleben lassen, siehe zu dieser Frage etwa Ipsen, NVwZ 2017, 1096. Für die Offenheit des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs für gleichgeschlechtliche Paare etwa: Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 47 und Rn. 47a: „Inzwischen hat die Entwicklung der gesellschaftlichen Grundüberzeugungen aber einen Verfassungswandel bewirkt, der es ermöglicht, den Ehebegriff aufgrund einfachgesetzlicher Änderungen auf gleichgeschlechtliche Verbindungen zu erstrecken. [. . .] Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare durch das Gesetz [. . .] vom 20. Juli 2017 als verfassungsgemäß.“; Brosius-Gersdorf, FamFR 2013, 169, 171, sowie Classen, DVBl 2013, 1086, 1090. Die Entscheidung der Frage wirkt sich auch darauf aus, ob das Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit überhaupt noch als Strukturmerkmal der Ehe begriffen werden kann (zu den Strukturmerkmalen der Ehe nach überkommenem Verständnis siehe unmittelbar nachfolgend, S. 47), nunmehr verneinend: Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 38: „Dieser Verfassungswandel hat dazu geführt, dass nunmehr die zuvor weithin angenommene Voraussetzung der Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner kein konstituierendes Merkmal des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs mehr bildet.“ 143 Vgl. von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 6. Vgl. ferner Ipsen, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 154 Rn. 21, sowie Umbach, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 6 Rn. 58. Jetzt ausdrücklich anders: Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 47a (siehe aber noch ders., in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 2010, Art. 6 Abs. 1 Rn. 46). 144 Ein Kernthema der Kontroversen war die Frage, ob der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe ein „Abstandgebot“ impliziert, das die Privilegierung der Ehe im Verhältnis zu anderen Formen des partnerschaftlichen Zusammenlebens fordert. Das Bundesverfassungsgericht verneint dies mir Recht (grundlegend: BVerfG, Urteil vom 17. Juli 2002 – 1 BvF 1/01 –, BVerfGE 105, 313; siehe auch Wapler, RW 2014, 57, 81, m.w. Nw. zur Rechtsprechung des Gerichts). Wesentliche Anhaltspunkte für eine Privilegierung der Ehe im hier interessierenden Sinne bietet dieser Diskurs nicht. Zu rechtlichen Fragen der Familiengründung durch gleichgeschlechtliche Paare siehe Lembke, in: Classen/Richter/Lukanko, Sexuelle Orientierung als Diskriminierungsgrund, Regelungsbedarf in Deutschland und Polen?, 2016, S. 231; Dethloff, in: Ackermann/Köndgen, Privat- und Wirtschaftsrecht in Europa, 2015, S. 51; Dethloff, ZRP 2004, 195.
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eingetragenen Lebenspartnerschaft einen Regelungsgehalt aufweise, welcher mit dem des Instituts der Ehe vergleichbar sei. Letzteres sei deshalb nicht der Fall, weil der Lebenspartnerschaft die den Schutz der Ehe rechtfertigenden Elemente fehlten, da sie nicht auf ein eigenes Kind angelegt sei, nicht zur Elternverantwortung führe und dadurch keinen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft erbringe.145 Voraussetzung einer auf eine etwaige Fortpflanzungsfunktion gründenden Privilegierung der ehelichen Fortpflanzung gegenüber der nichtehelichen Fortpflanzung ist zunächst, dass sich eine solche Funktion der Ehe begrifflich überhaupt zuordnen lässt. Schon dies ist nicht der Fall (aa)). Dass das Bundesverfassungsgericht nicht von einer Privilegierung der ehelichen Fortpflanzung ausgeht, hat das Gericht auch anlässlich einer Entscheidung über die Finanzierung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen offenbart (bb)). aa) Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit kein Vermutungstatbestand für potentielle Fortpflanzungsfähigkeit Der Ehebegriff wird bekanntlich durch Strukturmerkmale146 konrektisiert. Hierzu zählen nach überkommenem Verständnis das Prinzip der Monogamie („Einehe“), das Prinzip der Verschiedengeschlechtlichkeit, das Prinzip der Unauflöslichkeit sowie das Solennitätsprinzip, nach dem es einer rechtlichen Fixierung des Eheschließungsaktes bedarf.147 Als Anknüpfungspunkt für die Verortung einer etwaigen Fortpflanzungsfunktion kommt alleine das Prinzip der Verschiedengeschlechtlichkeit in Betracht, nach dem es ausschließlich „Mann“ und „Frau“ erlaubt sei, eine Ehe miteinander einzugehen.148 Damit das Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit als Ausdruck einer solchen Funktion verstanden werden kann, müsste die Verschiedengeschlechtlichkeit wiederum – erstens – 145 Abweichende Meinung der Richterin Haas zu BVerfG, Urteil vom 17. Juli 2002 – 1 BvF 1/01 –, BVerfGE 105, 313, 362 bzw. Rn. 137. Ebenso beispielsweise von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 50. 146 Zur Verwendung dieses Begriffs siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 2008 – 1 BvL 10/05 –, BVerfGE 121, 175, 198 bzw. Rn. 57. 147 Zu diesen Strukturmerkmalen etwa Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 38 ff., sowie Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 5 ff. Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 –, BVerfGE 137, 273, 342 bzw. Rn. 178: „Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist, begründet auf freiem Entschluss unter Mitwirkung des Staates [. . .], in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen [. . .] und über die Ausgestaltung ihres Zusammenlebens frei entscheiden können“ (mit umfassenden weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Gerichts). 148 Ob das Prinzip der Verschiedengeschlechtlichkeit überhaupt noch als Strukturmerkmal der Ehe angesehen werden kann, bedarf der Klärung (siehe Fn. 142).
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an das biologische Geschlecht anknüpfen und – zweitens – die Anknüpfung an das biologische Geschlecht zumindest mit der typisierenden Vermutung der Fortpflanzungsfähigkeit besetzt sein. Beides ist, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, zu verneinen. (1) Anknüpfung an das empfundene Geschlecht Unmittelbarer Bezugspunkt des Merkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit ist das personenstandsrechtliche Geschlecht.149 Dass dieses nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zwingend mit dem biologischen Geschlecht identisch ist und auch das biologische Geschlecht insoweit zu keiner Zeit als Repräsentant einer potentiellen Fortpflanzungsfunktion angesehen wurde, offenbaren zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen dieses mit den Rechten transsexueller Personen befasst war. Maßgeblich ist insoweit bereits eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1978, in der das Gericht die Verfassungswidrigkeit der Ablehnung eines Antrags auf Berichtigung des im Geburtenbuch eingetragenen Geschlechts aussprach. Begehrt worden war die Berichtigung von einer Frau mit transsexueller Vergangenheit,150 die als biologischer Mann geboren und entsprechend diesem biologischen Geschlecht in das Geburtenbuch eingetragen worden war. Aufgrund ihres empfundenen Geschlechts als Frau hatte sich diese später einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen und eine Korrektur im Geburtenbuch begehrt. Die Behörden aber hatten sich geweigert, dem Begehren der Frau und späteren Beschwerdeführerin nachzukommen. Bei der Prüfung einer möglichen Rechtfertigung des mit der Weigerung der begehrten Berichtigung des Geburtenbuchs verbundenen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin berücksichtigte das Gericht auch die mit der Berichtigung verbundene und nicht weiter infrage gestellte Folge, dass die Beschwerdeführerin einen Angehörigen ihres früheren biologischen Geschlechts würde heiraten können. Diesbezüglich führte es aus, es bedürfe keiner weiteren Ausführungen, dass die Zeugungsfähigkeit des Mannes oder die Gebärfähigkeit der Frau nicht Voraussetzung für eine Eheschließung sei.151 Zwar sei die Ehe nach dem Grundgesetz die Vereinigung von Mann und Frau zu einer grundsätzlich unauflösbaren Lebensgemeinschaft. Auch möge es sein, dass in der Bevölkerung die Eheschließung eines „männlichen Transsexuellen“ (gemeint 149 BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3295/07 –, BVerfGE 128, 109, 110 und 125 bzw. Rn. 2 und 58. 150 Das heißt einer Person, deren biologisches Geschlecht bei der Geburt dem eines Mannes entsprach oder noch entspricht, deren Identitätsgeschlecht (im Sinne einer psychischen Identifikation) jedoch dem einer Frau entspricht (auch „Mann-zu-Frau-Transsexuelle“ oder „Transfrau“ genannt). 151 BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 – 1 BvR 16/72 –, BVerfGE 49, 286, 300 bzw. Rn. 39, juris.
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ist die Beschwerdeführerin) mit einem Mann aus der unterschwelligen Vorstellung heraus abgelehnt werde, dies sei sittlich zu missbilligen. Rational nicht zu begründende Auffassungen könnten dem Abschluss einer Ehe jedoch nicht entgegenstehen.152 Damit stand schon im Jahr 1978 fest, dass das personenstandsrechtliche Geschlecht allenfalls hinsichlich der äußeren Geschlechtsmerkmale an das biologische Geschlecht anküpfen, dabei aber keinesfalls mit der Erwartung einer potentiellen Zeugungsfähigkeit besetzt sein kann. Dass das personenstandsrechtliche Geschlecht auch mit dem äußeren biologischen Geschlecht nicht unbedingt korrespondieren muss, stellte das Gericht im Jahr 2011 klar. Zu entscheiden war darüber, ob eine transsexuelle Frau, die zwar ihren Namen an das empfundene weibliche Geschlecht hatte anpassen lassen, jedoch keine operative Geschlechtsumwandlung vorgenommen hatte,153 die Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einer Frau unter Hinweis auf die Möglichkeit, mit dieser eine Ehe einzugehen, versagt werden kann. Verweigert worden war der transsexuellen Frau die Eheschließung, weil diese trotz erfolgter Namensänderung personenstandsrechtlich weiterhin als Mann behandelt wurde; denn eine Änderung des Personenstandes setzte seinerzeit noch die dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit sowie einen die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff voraus.154 Anlässlich dieser Fragestellung stellte das Gericht die Unvereinbarkeit sowohl der einen als auch der anderen Voraussetzung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie dem Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) der Frau fest.155 Dem Gesetzgeber ist damit nicht nur verwehrt, die Änderung des personenstandsrechtlichen Geschlechts von der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit der die Änderung begehrenden Person abhängig zu machen, sondern auch, jene an einen die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff zu knüpfen. Damit bestätigte das Gericht im Jahr 2011 nicht nur seine Entscheidung aus dem Jahr 1978, sondern stellte darüber hinaus klar, dass personenstandsrechtliches sowie (äußeres) biologisches Geschlecht nicht deckungsgleich sein müssen. 152 BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 – 1 BvR 16/72 –, BVerfGE 49, 286, 300 bzw. Rn. 39, juris. 153 Sogenannte „kleine Lösung“ (in Abgrenzung zu der „großen Lösung“, die einen die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff voraussetzt). 154 Siehe leider immer noch § 8 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG); beide Nummern wurden freilich in der Entscheidung aus dem Jahr 2011 als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. 155 Siehe BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3295/07 –, BVerfGE 128, 109, 124 ff. bzw. Rn. 56 ff. Vgl. auch EGMR, Urteil vom 6. April 2017 – 79885/ 12 – (A. P., Garçon et Nicot v. France), wonach eine geschlechtsangleichende Operation nicht zur Voraussetzung der Änderung des Vornamens und der Geschlechtsangabe in offiziellen Dokumenten gemacht werden darf.
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(2) Verweis auf potentielle Fortpflanzungsfähigkeit auch bei biologisch verschiedengeschlechtlichen Personen irreführend Auch anhand von Fällen, in denen das personenstandsrechtliche Geschlecht mit den äußeren und inneren Geschlechtsmerkmalen übereinstimmt, lässt sich leicht demonstrieren, dass das Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit nicht als Vermutungstatbestand für eine potentielle Fortpflanzungsfähigkeit verstanden werden kann. Niemand, der eine Ehe eingehen möchte, muss den Nachweis erbringen, fortpflanzungsfähig zu sein.156 Hierfür gibt es gute Gründe, denn einen solchen Nachweis zu fordern wäre verbunden mit einem kaum zu rechtfertigenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.157 Weil jedoch unterstellt werden kann, dass die meisten Menschen über das Potential verfügen, sich fortzupflanzen, spricht die fehlende Pflicht zum Nachweis der individuellen Fortpflanzungsfähigkeit nicht per se gegen eine mit dem Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit verbundene typisierende Vermutung der Fortpflanzungsfähigkeit. Anders liegt dies jedoch in Konstellationen, in denen die Fortpflanzungsfähigkeit offenkundig nicht gegeben ist, wie etwa bei Frauen nach der Menopause.158 Wollte man nun das Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit als ein die potentielle Fortpflanzungsfähigkeit vermutendes Merkmal ansehen, wären konsequenterweise Überlegungen dazu anzustellen, offenkundig nicht fortpflanzungsfähigen Personen die Eheschließung zu versagen.159 Derartige Überlegun-
156 Dass die Fortpflanzungsfähigkeit im Einzelfall keine Ehevoraussetzung ist, entspricht auch der einhelligen Auffassung in der Literatur, siehe nur Uhle, in: Epping/ Hillgruber, GG, Art. 6 Rn. 4; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 4; Kotzur, in: Stern/Becker, GG, Art. 6 Rn. 18; Seiler, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 62 [Stand: 168. Aktualisierung 2014]; Klein, Das neue Eheverbot der bestehenden Eingetragenen Lebenspartnerschaft gemäß § 1306 BGB am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG, 2008, S. 84 ff. und 95 ff. 157 Ebenso: Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, 1998, S. 210. Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3295/07 –, BVerfGE 128, 109, 125 bzw. Rn. 58, sowie Beschluss vom 7. Juli 2009 – 1 BvR 1164/ 07 –, BVerfGE 124, 199, 221 bzw. Rn. 90 (Schutz der Privatsphäre); Ipsen, in: Isensee/ Kirchhof, HStR VII, 2009, § 154 Rn. 17. Zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung siehe etwa BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07 –, BVerfGE 120, 274, 31 ff. bzw. Rn. 198 (m.w. Nw.), sowie vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/ 83 –, BVerfGE 65, 1, 145 ff. bzw. Rn. 41 ff., juris. Grundlegend zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Albers, Informationelle Selbstbestimmung, 2005. 158 Vgl. auch Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, 1998, S. 210. 159 Siehe auch Möller, DÖV 2005, 64, 70: „Denn ein Ausschluss aller Über-50-Jährigen von der Ehe wäre ein einfach zu handhabendes Mittel, um die Ehe mehr auf ihren vermeintlichen Hauptzweck, die Erzeugung von Nachkommenschaft, zu zentrieren.“ (Im Zusammenhang mit der Begründung dafür, warum das Kriterium „Fortpflanzungsfähigkeit“ nicht herangezogen werden kann, um gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang zur Ehe zu versagen.)
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gen werden allerdings, soweit ersichtlich, auch von den Stimmen, die von einer Fortpflanzungsfunktion der Ehe ausgehen, nicht angestellt. bb) Finanzierung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung nicht nur für Ehepaare Nicht vereinbar wäre das Verständnis der Ehe als im Hinblick auf die Verwirklichung des Kinderwunsches privilegierter Gemeinschaft schließlich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur finanziellen Förderung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung. Zwar sah das Gericht die mit der Beschränkung derartiger Leistungen auf eheliche Gemeinschaften160 einhergehende Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) von ehelichen und nichtehelichen Gemeinschaften161 in einer Entscheidung aus dem Jahr 2007162 (zu Unrecht)163 als gerechtfertigt an, weil die eheliche Gemeinschaft auf Lebenszeit angelegt ist und damit eine besondere Stabilität aufweise.164 Zugleich führte es jedoch – wenn auch nur als obiter dictum – aus, dass eine Teilhabe an der finanziellen Förderung auch nichtehelicher Lebensgemeinschaften verfassungsrechtlich möglich wäre.165 c) Ergebnis zu 1. Im Zusammenhang mit der übergeordneten Frage, ob der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) sich auch auf die Gründung einer Familie erstreckt, konnte herausgearbeitet werden, dass die verfassungsrechtliche Unter160 BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2009 – 1 BvR 1164/07 –, BVerfGE 124, 199, 225 bzw. Rn. 102. 161 Zu eingetragenen Lebenspartnerschaften äußerte sich das Gericht nicht. 162 Ausführlicher zu dieser Entscheidung nachfolgend in Teil 3, A.I.3.b)dd), S. 200 ff. 163 Mit Recht für eine Verfassungswidrigkeit der Beschränkung der Leistungen auf Ehepaare: Wapler, RW 2014, 57, 68 sowie 86 (m.w. Nw. und unter Hinweis auf das staatliche Neutralitätsgebot auch in der Familienförderung); Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 88 und 135, sowie bereits Sodan, Künstliche Befruchtung und gesetzliche Krankenversicherung, 2006, S. 89. Siehe aber BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 1 A 1/14 R –, BSGE 117, 236 ff. (keine Ausweitung der Leistungen von Krankenkassen zur künstlichen Befruchtung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften). 164 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 327 ff. bzw. Rn. 36 ff. 165 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 329 bzw. Rn. 40. Nach Ziffer 4. (2) der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion (abrufbar unter https://www.bmfsfj.de/ bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/unterstuetzung-bei-kinderwunschbehandlungen-auchfuer-unverheiratete-paare/76008, letzter Zugriff am 28. Oktober 2018) sind seit dem 7. Januar 2016 auch Paare, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben, mögliche Zuwendungsempfänger.
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schutzstellung der Ehe (Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG) nicht gegen ein Verständnis der Familie als „Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft“ 166 angeführt werden kann. Wenig plausibel wäre ein Verständnis der Ehe als zur Verwirklichung des Kinderwunsches privilegierter Gemeinschaft167 zunächst deshalb, weil sowohl die eheliche als auch die nichteheliche Familie zweifelsohne als gleichwertige Lebensgemeinschaften in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) einbezogen sind. Dass der verfassungsrechtliche Schutz, den die eheliche Gemeinschaft erfährt, unabhängig davon greift, ob die jeweilige Ehe „auf Kinder ausgerichtet“ ist, ist ohnehin unbestritten.168 Soweit der Ehe verschiedentlich dennoch eine Fortpflanzungsfunktion zugesprochen wird, kann eine solche allenfalls als eine (tatsächliche) Erwartungshaltung oder Chance verstanden werden; gegen eine normative Relevanz einer etwaigen Fortpflanzungs„funktion“ spricht, dass diese sich keinem der Strukturmerkmale der Ehe zuordnen lässt.169 Für die These, das Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit stehe in direktem Zusammenhang mit einer Reproduktionsfunktion, besteht kein Raum.170 Gegen eine solche These angeführt werden können sowohl die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungrechtlichen Schutz transsexueller Personen als auch die unbestrittene Einbeziehung von Personen in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG, die offenkundig über kein Fortpflanzungspotential 166 Siehe BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 – BVerfGE 137, 273, 342 bzw. Rn. 178, sowie bereits vom 17. Januar 1957 – 1 BvL 4/54 –, BVerfGE 6, 55, 71 bzw. Rn. 49, juris, wo jeweils „Ehe und Familie als die Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft“ angeführt werden; siehe aber auch BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/63 –, BVerfGE 24, 119, 149 bzw. Rn. 69, juris: „Das Grundgesetz sieht in der Familie [Sic!] die Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft.“ 167 Vgl. auch Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 208 („[. . .] hat der Verfassungsgeber die eheliche Fortpflanzung nicht als einzige rechtmäßige Form der Fortpflanzung angesehen.“), sowie Stern, Staatsrecht IV/1, 2006, § 100, S. 401 („Art. 6 Abs. 1 GG stellt zwischen Ehe, Familie und Fortpflanzungsfähigkeit keine Verbindung her, sondern schützt die Familie eigenständig und gleichrangig neben der Ehe.“). 168 BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06 –, BVerfGE 133, 377, 420 bzw. Rn. 100; vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 1397/09 –, BVerfGE 131, 239, 263 bzw. Rn. 75; vom 7. Juli 2009 – 1 BvR 1164/07 –, BVerfGE 124, 199, 229 bzw. Rn. 9. 169 In diesem Sinne auch Brosius-Gersdorf, FamFR 2013, 169, 171 (Fortpflanzungsfähigkeit kein Wesensmerkmal der Ehe; im Zusammenhang mit Ausführungen zur Offenheit des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs für gleichgeschlechtliche Paare). Anders (im Sinne eines Verständnisses des Strukturmerkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit als Ausdruck der Fortpflanzungsfunktion der Ehe): Schüffner, Eheschutz und Lebenspartnerschaft, 2007, S. 151 f., der aus der „typologischen Offenheit der Ehe für die Gemeinschaft mit Kindern“ schließt, „dass die Verschiedengeschlechtlichkeit ein wesentliches Strukturmerkmal der Ehe ist.“ (Zitat auf S. 152). Auch Burgi, Der Staat 39 (2000), 487, 500 ordnet die Funktion der Ehe als „geordnete Basis für Kinder und deren Entwicklung“ dem Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit (sowie der Unauflöslichkeit) zu. 170 Siehe auch Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 9.
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(mehr) verfügen. Bestätigung findet dieses Ergebnis in der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Finanzierung reproduktionsmedininischer Maßnahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung zur Verwirklichung des Kinderwunsches auch nicht miteinander verheirateter Paare verfassungsrechtlich zulässig ist. Nicht unbedenklich wäre eine normativ verstandene Fortpflanzungsfunktion der Ehe im Übrigen auch deshalb, weil die Ehe in diesem Fall als Institut verstanden werden müsste, mit dem der Staat einen Anreiz zur Steigerung der Geburtenrate setzt. Ob der Staat zu einer solch „pronatalistischen Bevölkerungspolitik“ 171 überhaupt befugt ist, wird uneinheitlich beurteilt.172 Nahe liegt deshalb, das Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit, sofern denn überhaupt daran festgehalten werden kann, schlichtweg als „Konsequenz der kulturell entwickelten Ausgestaltung“ 173 des Instituts Ehe zu betrachten. Die Rechtfertigung174 für den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe ist dann in der Entlastungsfunktion zu suchen, die mit „der auf Dauer übernommenen, auch rechtlich verbindlichen Verantwortung für den Partner“ 175 einhergeht.176 171
Formulierung von Sacksofsky (Nachweis in Fn. 172). Mit sehr guten Gründen dagegen, weiteren Nachweisen und dem zutreffenden Befund, dass sich auffällig wenige Stimmen überhaupt zu der Frage äußern: Sacksofsky, in: Lembke, Regulierungen des Intimen, 2016, S. 99. Anders als die Weimarer Reichsverfassung, in deren Artikel 119 Absatz 2 Satz 1 von der „Erhaltung und Vermehrung der Nation“ die Rede war, enthält das Grundgesetz keine derartige Formulierung. Siehe auch: Baer, VVDStRL 68 (2009), 290, 317: „Was der Staat für mehr Kinder tun kann, ist auch äußerst zweifelhaft. [. . .] Klar ist angesichts der Geschichte und internationalen Erfahrungen mit Bevölkerungspolitiken, dass direkte Interventionen die Menschenrechte verletzen.“ Anders: Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 181 ff. („staatliche Pflichtaufgabe der Bevölkerungsreproduktion“; Zitat auf S. 192); offener auch Kluth, VVDStRL 68 (2009), 246, 279 ff. Zur (ebenfalls hier nicht näher beleuchteten) Frage der Zulässigkeit antinatalistischer Bevölkerungspolitik vgl. nachfolgend S. 88. 173 Hofmann, in: Hofmann/Henneke, GG, Art. 6 Rn. 5. 174 Wenn man eine solche verlangt. Siehe etwa Ramm, Grundgesetz und Eherecht, 1972, S. 20: „Nach Art. 6 I GG schützt der Staat die Ehe um ihrer selbst willen. Er hat kein Sonderinteresse an ihr.“ 175 BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2009 – 1 BvR 1164/07 –, BVerfGE 124, 199, 225 bzw. Rn. 102. Zur Funktion der Ehe als Verantwortungs- und Beistandsgemeinschaft siehe auch Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Rn. 33 und Rn. 47a; Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 2007, S. 165 f. Die Frage „Wozu Ehe?“ stellt auch Lembke, in: Lembke, Regulierungen des Intimen, 2016, S. 192 f.; siehe ferner Heiderhoff, in: Lembke, Regulierungen des Intimen, 2016, S. 128 ff.; Baer, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Paarbeziehung, Was kann, was darf, was will der Staat?, 2012, S. 35; Röthel, in: Röthel/ Heiderhoff, Regelungsaufgabe Paarbeziehung, Was kann, was darf, was will der Staat?, 2012, S. 17, und Bumke, in: Bucerius Law School, Begegnungen im Recht, 2011, S. 156 ff. 176 Ausdrücklich anders: Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 6 Rn. 4: „Die Ehe kommt folglich nicht wegen der mit ihr verbundenen gegenseitigen Verantwortungsübernahme der Ehepartner in den Genuss eines besonderen Schutzes der Verfassung, sondern wegen der aus ihr potentiell hervorgehenden Familie.“ 172
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2. Gründung einer Familie durch Fortpflanzung nicht Bestandteil des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG Einen textlichen Anhaltspunkt dafür, dass Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG auch die Gründung einer Familie erfasste, gibt es nicht. Eine unzulässige Überschreitung der Wortlautgrenze wäre mit der Einbeziehung auch der Gründung einer Familie in den Schutzbereich des Grundrechts jedoch möglicherweise dann nicht verbunden, wenn man den Gründungsakt als Schaffung der Voraussetzungen der durch diese Bestimmung ausdrücklich geschützten Familie begreift. Immerhin ist die Erfassung auch eines solch vorgelagerten Verhaltens bezüglich der Schutzbereiche anderer Grundrechte bereits anerkannt. So besteht zunächst kein Zweifel daran, dass auch die Eheschließungsfreiheit in Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG zu verorten ist,177 obwohl dem Wortlaut nach lediglich die Ehe geschützt wird. Auch der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG umfasst nicht erst das sich Versammeln als solches, sondern schon den Weg zu der Versammlung.178 Dass die Informationsfreiheit als Voraussetzung für die Bildung einer freien Meinung179 in Art. 5 Abs. 1 Var. 2 GG gesondert angeführt ist, ist als Reaktion auf Erfahrungen aus der NS-Zeit zu verstehen;180 ein allgemeingültiger Schluss lässt sich hieraus nicht ziehen. Materiell kann man für ein weites Verständnis des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG anführen, dass der Schutz der familiären Gemeinschaft konterkariert würde, wenn nicht ihre Entstehung dem gleichen Schutzniveau unterfiele, wie die Gemeinschaft selbst.181 Ein notwendigerweise durchdringendes Argument für die Einbeziehung auch des Gründungsaktes in den Schutzbereich gerade des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG liegt hierin zwar nicht, weil das entsprechende Schutzniveau gegebenenfalls ebenso mittels eines anderen Schutzbereichs sichergestellt werden könnte. Allerdings ist dies bei der Verortung der Eheschließungsfreiheit in Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG und der Verortung des Schutzes des Weges zur Versammlung in Art. 8 Abs. 1 GG nicht anders. Unterstellt man, dass keine grundsätzlichen Einwände dagegen bestehen, dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG auch Handlungen zur Gründung einer Familie zu unterstellen, folgt hieraus allerdings nicht schon, dass auch die Gründung einer Familie etwa durch Inanspruchnahme einer Eizellspende vom Schutzbereich des Familiengrundrechts erfasst wäre. Welche Handlungen, die auf die Gründung einer Familie gerichtet sind, vom Schutzbereich der Vorschift umfasst sein können, bliebe vielmehr zu klären. Ruft man sich zu diesem Zweck in Erin177 Siehe schon BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1971 – 1 BvR 636/68 –, BVerfGE 31, 58, 67 bzw. Rn. 29, juris; Kotzur, in: Stern/Becker, GG, Art. 6 Rn. 23 (m.w. Nw. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). 178 Siehe etwa Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rn. 18 (m.w. Nw. auch aus der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung). 179 Nur Fechner, in: Stern/Becker, GG, Art. 5 Rn. 82 (m.w. Nw.). 180 Fechner, in: Stern/Becker, GG, Art. 5 Rn. 39 (m.w. Nw.). 181 Ähnlich: Lehmann, Die In-vitro-Fertilisation und ihre Folgen, 2007, S. 65 f.
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nerung, dass das Hauptkriterium für die Einordnung einer Gemeinschaft als Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG das Bestehen einer sozial-familiären Eltern-Kind-Beziehung ist,182 dürften jedenfalls solche Gründungshandlungen in den Schutzbereich des Grundrechts einzubeziehen sein, die unmittelbar darauf gerichtet sind, eine derartige sozial-familiäre Beziehung zu etablieren. Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG verbürgte insoweit die aus der abwehrrechtlichen Dimension des Grundrechts folgende Freiheit vor staatlichen Interventionen, mit denen die – im Grundsatz auf Freiwilligkeit des Gegenparts angewiesene – Etablierung sozial-familiärer Beziehungen unterbunden wird. Nun ist der Kinderwunsch eines Wunschelters zwar gerade darauf gerichtet, mit dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung einzugehen. Die Möglichkeit, eine solche Beziehung zu etablieren, setzt indes die Existenz des Kindes voraus. Die Gründung einer Familie im Sinne der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Fortpflanzung dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG zu unterstellen, bedeutete deshalb, auch den der Begründung eines sozial-familiären ElternKind Verhältnisses vorgelagerten Akt der Zeugung in den Schutzbereich des Grundrechts einzubeziehen. Genau hier aber liegt ein sichtbarer struktureller und sachlicher Unterschied auch zu den aufgegriffenen Beispielen betreffend Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 GG, die gewählt wurden, um zu zeigen, dass auch die Schaffung der Voraussetzungen des eigentlichen Gegenstands grundrechtlichen Schutzes vom Schutzbereich der jeweiligen Grundrechtsnorm umfass sein kann. Denn sowohl bei der Ehe als auch bei der Versammlungsfreiheit bezieht sich der Schutz der Voraussetzungen des grundrechtlich geschützten Verhaltens – der Schließung einer Ehe oder dem Weg zu der Versammlung – jeweils auf den sachlichen Schutzbereich des Grundrechts. Die Gründung einer Familie in Form der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Fortpflanzung hingegen beträfe mit der „Schaffung des Kindes“ als späterem Familienmitglied nicht erst den sachlichen, sondern schon den persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG. Deutlich wird hieran, dass ein direkter, die Einbeziehung des Gründungsaktes in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG gegebenefalls rechtfertigender Bezug zum eigentlichen Gegenstand des grundrechtlichen Schutzes – dem Schutz sozial-familiärer Beziehungen – im Hinblick auf die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Fortpflanzung nicht besteht. Die Unterschutzstellung auch dieses vorgelagerten Verhaltens durch Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG erschiene deshalb zu weitgehend. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weist in Richtung dieser ablehnenden Sichtweise. Denn wenn das Gericht – und dies auch erst in Reaktion auf die Rechtsprechung des EGMR – die Gründung einer Familie insoweit in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG einbezieht, als auch die Etablierung einer sozial-familiären Beziehung
182
Vgl. vorstehend A.I.1., S. 33 ff.
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zwischen leiblichem Vater und Kind hierunter fällt,183 betrifft auch dies eine Konstellation, in der die Familienmitglieder als Grundrechtsträger (leiblicher Vater und Kind) bereits existieren. Der offensichtliche Ausnahmecharakter schon dieser Erweiterung des sachlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG lässt darauf schließen, dass auch das Bundesverfassungsgericht die Gründung einer Familie in Form der Verwirklichung des Kinderwunsches durch Fortpflanzung nicht dem Regime des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG unterstellen würde. Sofern Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG deshalb Aspekte der Gründung einer Familie entnommen werden können, ist das Mittel zur Gründung einer Familie entsprechend dem spezifischen Schutzgehalt der Vorschrift auf eine soziale Interaktion zwischen bereits existierenden Menschen beschränkt, die später miteinander eine von Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG geschützte sozial-famililiäre Gemeinschaft bilden können.184 Derartigen Vorgängen vorgelagerte Handlungen zur Gründung einer Familie mittels Fortpflanzung hingegen werden vom Schutzbereich des Grundrechts nicht erfasst.
B. Ehegestaltungsfreiheit, Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG stellt die Ehe unter den „besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ Das durch diese Vorschrift verbürgte Grundrecht beinhaltet auch die Freiheit, über die Art und Weise des ehelichen Zusammenlebens sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich zu entscheiden.185 Gegenstand dieser Ehegestaltungsfreiheit ist nach fast einhelliger Auffassung auch die Entscheidung für oder gegen Kinder.186 Grundsätzliche Einwände gegen diese Sichtweise bestehen dabei nicht. Denn versteht man die Gewährleistung der Ehegestaltungsfreiheit als Schutz einer speziellen Privatsphäre, die es den Eheleuten ermöglichen soll, das eheliche „Innenleben“ diesseits des durch die Strukturprinzipien der Ehe definierten Rahmens entsprechend ihrem 183
Siehe hierzu bereits vorstehend S. 37 f. Ein weiteres Beispiel wäre die Etablierung einer sozial-familiärer Beziehung zwischen Großeltern und Kind (zur Einbeziehung von Großeltern in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG siehe Fn. 78). Zur Verortung der Gründung einer Familie durch Fortpflanzung in Art. 8 Abs. 1 EMRK (Privat- und Familienleben) durch den EGMR siehe nachstehend Teil 3, B.II.2., S. 211 ff., insbesondere S. 213 f. 185 Siehe nur Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 66 m.w. Nw.; CoesterWaltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 20 und 25 ff.; BVerfG, Beschluss vom 14. November 1984 – 1 BvR 14/82 –, BVerfGE 68, 256, 267 f. bzw. Rn. 43 f., juris. 186 von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 30; Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 28; Klein, Das neue Eheverbot der bestehenden Eingetragenen Lebenspartnerschaft gemäß § 1306 BGB am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG, 2008, S. 35; Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, 2007, S. 120; BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 1984 – 1 BvL 5/83 –, BVerfGE 66, 84, 94 bzw. Rn. 38. In diesem Sinne auch Sodan, Künstliche Befruchtung und gesetzliche Krankenversicherung, 2006, S. 24. Nach Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 66, ist die Entscheidung für oder gegen Kinder hingegen ausschließlich in Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) zu verorten. 184
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partnerschaftlichen Selbstverständnis und frei von staatlicher Einflussnahme zu gestalten, muss hierzu auch die Entscheidung darüber gehören, ob ein Kind Bestandteil dieser Partnerschaft werden soll. Immerhin hat die Entscheidung für oder gegen ein Kind weitreichende Konsequenzen für die innere Ausgestaltung der Ehe. Anders als vereinzelt behauptet, ist darüber hinaus kein Grund ersichtlich, warum die einvernehmlich zwischen den Eheleuten getroffene Entscheidung über die Inanspruchnahme von Gameten Dritter zur Verwirklichung des gemeinsamen Kinderwunsches ehewidrig sein könnte.187 Vor dem Hintergrund allerdings, dass der Ehe, wie soeben gezeigt wurde, keine normativ relevante Fortpflanzungsfunktion zuzuschreiben ist,188 kann die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verwirklichung des Kinderwunsches vom Schutzbereich eines Grundrechts geschützt ist, im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches zweier durch die Ehe miteinander verbundener Menschen nicht anders beantwortet werden als im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches eines nicht miteinander verheirateten Paares oder einer alleinstehenden Person. Eine eigenständige materielle Bedeutung bei der grundrechtlichen Einordnung des Kinderwunsches kommt Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG deshalb nicht zu.189
C. Elternverantwortung, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Wie bereits ausgeführt wurde, wird Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, nach dem die Eltern eines Kindes im Sinne dieser Vorschrift das Recht und die Pflicht haben, das Kind zu pflegen und zu erziehen, in der Literatur nicht als Grundlage für die grundrechtliche Erfassung des Kinderwunsches bemüht.190 In der Tat eignet sich der Schutzbereich dieser Vorschrift nicht dazu, die freiheitsrechtlichen Voraussetzungen der Verwirklichung des Kinderwunsches abzubilden. Durch die Begrenzung des persönlichen Schutzbereichs auf die „Eltern“ des Kindes wird zunächst eine klare Wertung dahingehend abgegeben, dass die Elternverantwortung ganz bestimmten Personen zusteht. Damit muss Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zwar eine Antwort auf die Frage entnommen werden können, welche Personen als verfassungsrechtliche Eltern eines Kindes anzusehen sind. Noch nicht beantwortet ist damit aber die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erlangung der Eltern187 So aber Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 216 f.; Gröschner, in: Dreier, GG, 2004, Art. 6 Rn. 66. Ähnlich wie hier: Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 244 ff., auch mit weiteren Nachweisen zu Stimmen aus der älteren Literatur, nach denen heterologe Maßnahmen ehewidrig oder gar würdelos (Sic!) seien [zu diesen zählt unter anderem Dürig, AöR 81 (1956), 117, 130 f.: „Die heterologe Insemination (durch fremden Samenspender) verstößt ohne Zweifel gegen die Menschenwürde als solche.“, S. 130]. 188 Siehe vorstehend A.II.1.b), S. 45 ff. 189 Zur Konkurrenz zu Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG siehe nachstehend S. 91 f. 190 Siehe vorstehend Abschnitt 2 unter B.III., S. 28.
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stellung grundrechtlich geschützt ist. Ähnlich wie bei Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG ist auch hier davon auszugehen, dass die Grenzen des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG überdehnt würden, wenn man unter dessen Dach klären wollte, unter welchen Voraussetzungen eine Person (das potentielle Elter) die Person, auf die sich das spätere Elternrecht bezöge (das Kind), zur Entstehnung bringen darf.191 Eine gewisse Parallele lässt sich insoweit zu den sogenannten „Deutschen-Grundrechten“ (Art. 8, Art. 9, Art. 11 und Art. 12 GG) ziehen; denn auch dort wird man kaum argumentieren können, der Schutzbereich der Versammlungs-, der Vereinigungs-, der Berufsfreiheit oder die Freizügigkeit umfasste auch die Freiheit, die deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 GG zu erlangen.
D. Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials, Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Bietet sich Art. 6 GG nach alledem insgesamt nicht an, die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Fortpflanzung grundrechtlich adäquat zu erfassen, steht mit dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrecht (I.) eine geeignete Plattform zur Verfügung. Vorgeschlagen wird deshalb, die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Fortpflanzung als Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu verstehen und diesen als „Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials“ zu bezeichnen (II.). I. Anerkennung eines auf Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gestützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts Das aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet als unbenanntes Freiheitsrecht (1.) auch die aktive Entfaltung der eigenen Persönlichkeit (2.). Die besondere Bedeutung dieses Rechts liegt unter anderem in der Entwicklungsoffenheit seines Schutzbereichs (3.). Die Intensität des Schutzes hängt im Wesentlichen von der Bedeutung des jeweils im Raum stehenden Schutzguts für die Persönlichkeitsentfaltung und von dessen Sozialbezug ab (4.). 1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als unbenanntes Freiheitsrecht Der freien Entfaltung der Persönlichkeit misst das Grundgesetz einen hohen Stellenwert bei. Ablesen lässt sich dies zunächst anhand verschiedener, jeweils spezielle Aspekte der freien Entfaltung der Persönlichkeit erfassender Grundrechte. Zu nennen sind hier insbesondere Art. 4 Abs. 1 GG (Glaubens- und Gewissensfreiheit), Art. 10 GG (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) sowie Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung). Auch die in Art. 6 Abs. 1 GG statu191
Zu Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG siehe insoweit bereits vorstehend S. 55 f.
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ierten Institute Ehe und Familie bieten den hieran teilhabenden Personen einen besonderen Raum der Persönlichkeitsentfaltung.192 Einigkeit besteht darüber, dass der durch die vorstehend genannten Grundrechte gewährleistete Schutz der Ergänzung bedarf.193 Einen textlichen Anknüpfungspunkt hierfür bietet Art. 2 Abs. 1 GG, nach dem „jeder das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ hat. Allerdings wird das mit dieser Formulierung verbürgte Grundrecht seit der Elfes-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1957 bekanntlich als umfassendes allgemeines Freiheitsrecht194 verstanden,195 das als (prima facie-)Recht196 (auch) dazu berechtigt, „zu tun und zu lassen, was man will“ 197 („allgemeine Handlungsfreiheit“).198 Damit kommt es nach dem im Folgenden vorausgesetzten Verständnis des Wortlauts der Vorschrift insbesondere nicht darauf an, ob der jeweils geschützten Position Bedeutung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zukommt.199 Aufgrund dieser weiten Auslegung des Schutzbereichs200 und der damit einhergehenden weiten Auslegung der Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG201 wird dieser als nur bedingt geeignet angesehen, den hohen Stellenwert der freien Persönlichkeitsentfaltung und deren Nähe zur Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) angemessen zu erfas192 Vgl. etwa Rohlf, Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre, 1980, S. 172; siehe ferner vorstehend S. 33. 193 Siehe nur: Möller, Paternalismus und Persönlichkeitsrecht, 2005, S. 47, sowie die Nachweise in Fn. 204. 194 Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 309 ff. 195 BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 – 1 BvR 253/56 –, BVerfGE 6, 32, 36 ff. bzw. Rn. 13 ff., juris. 196 Zum Begriff des prima facie-Rechts (in Abgrenzung zum definitiven Recht) siehe Borowski, Grundrechte als Prinzipien, 2007, S. 34 f. (auch mit weiteren Nachweisen zu anderen, funktionsäquivalenten Begrifflichkeiten), sowie Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 91 f. 197 Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 311. 198 Ausführlich zur Reichweite des Schutzguts über Handlungen hinaus: Albers, Informationelle Selbstbestimmung, 2005, S. 185 ff.; siehe ferner Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 311. 199 Anders: Grimm, in: BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 921/85 –, BVerfGE 80, 137, 169 bzw. Rn. 104, juris (abweichende Meinung): „Den Schutzobjekten, auf die diese Grundrechte [die benannten Freiheitsrechte] sich beziehen, müssen die Schutzgüter, die von Art. 2 Abs. 1 GG erfaßt sind, an Bedeutung für die personale Freiheit gleichkommen.“ 200 Zusammenfassend zur zum Teil weiterhin bestehenden Kritik am weiten Schutzbereichsverständnis des Art. 2 Abs. 1 GG und mit entsprechenden Nachweisen: Horn, in: Stern/Becker, GG, Art. 2 Rn. 25 ff.; kritisch unter anderem Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 26 ff. 201 Der Begriff der „verfassungsmäßige[n] Ordnung“ als Bestandteil der Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG wird seit der Elfes-Entscheidung als Gesamtheit aller formell und materiell verfassungsgemäßen Normen verstanden, mit der Folge, dass aus der Schrankentrias insgesamt ein einfacher Gesetzesvorbehalt wird, vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 – 1 BvR 253/56 –, BVerfGE 6, 32, 37 f. bzw. Rn. 17, juris, sowie Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 22 ff.
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sen.202 Und so kommt nicht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), sondern dem auf Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gestützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht als unbenanntem Freiheitsrecht203 in „lückenfüllende[r] Funktion“ 204 die Aufgabe zu, das trotz der Verbürgungen der benannten Freiheitsrechte bestehende „Vakuum zwischen unantastbarer Zone und beliebig einschränkbarer allgemeiner Handlungsfreiheit“ 205 zu schließen und „einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem [jeder Einzelne] seine Individualität entwickeln und wahren kann“ 206 zu gewährleisten.207 Dogmatisch betrachtet wird Art. 2 Abs. 1 GG als „Basisnorm“ 208 verstanden, während Art. 1 Abs. 1 GG als (schutzverstärkender209) Auslegungsmaßstab dienen soll.210 202
Siehe etwa Möller, Paternalismus und Persönlichkeitsrecht, 2005, S. 52. Siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 – 2 BvE 1/15 –, Rn. 102: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als ,unbenanntes‘ Freiheitsrecht die speziellen (,benannten‘) Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen.“ Vgl. auch bereits Schmidt, AöR 91 (1966), 42, 71 ff. Die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eigenständiges Grundrecht neben der allgemeinen Handlungsfreiheit ist freilich nicht unumstritten. Für eine „Verschmelzung“ der Gehalte sprechen sich in jüngerer Zeit insbesondere Kube, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 148 Rn. 107 ff., und Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 32 und 43 [Stand 133. Aktualisierung April 2008] aus; vgl. auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 128 [Stand: Lfg. 39 Juli 2001] („[. . .] kein gesondertes Grundrecht [. . .], das sich gegenüber der Grundgewährleistung des Art. 2 Abs. 1 vollständig verselbständigt hätte.“), sowie ferner Höfling, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar-GG, Art. 2 Rn. 17, Fn. 49 [Stand: Gw. X/00]: „[. . .] zwei Teilgewährleistungen des Art. 2 I GG.“ 204 BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07 –, BVerfGE 120, 274, 313 bzw. Rn. 201; in diesem Sinne auch etwa Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/ 98 –, BVerfGE 109, 279, 326 bzw. Rn. 161, sowie vom 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/ 96 –, BVerfGE 106, 28, 39 bzw. Rn. 28 (st. Rspr.). 205 Koppernock, Das Grundrecht auf bioethische Selbstbestimmung, 1997, S. 35. Vgl. auch von Arnauld, ZUM 1996, 286, der allerdings von einer größeren Nähe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu Art. 1 Abs. 1 GG ausgeht und es folglich aus „Art. 1 Abs. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG“ ableitet. Für die Entbehrlichkeit der Heranziehung auch des Art. 1 Abs. 1 GG: Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung, 2007, S. 25 f. 206 BVerfG, Urteil vom 31. Januar 1980, – 1 BvL 17/87 –, BVerfGE 79, 256, 268 bzw. Rn. 44, juris. 207 Zu den Ursprüngen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der zivilechtlichen Literatur und Rechtsprechung sowie zur Übernahme und Weiterentwicklung durch das Bundesverfassungsgericht siehe Luch, Das Medienpersönlichkeitsrecht – Schranke der „vierten Gewalt“, 2008, S. 19 ff. 208 Kube, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 148 Rn. 32. 209 Vgl. hierzu auch nachfolgend S. 67. 210 In diesem Sinne: Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 63 (Art. 1 Abs. 1 als „Interpretationsrichtlinie“); Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 69; Kube, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 148 Rn. 32; Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 34 [Stand: 133. Aktualisierung April 2008] (die beiden Letztgenannten freilich unter Ablehnung zweier eigenständiger Grundrechte); Möller, Paternalismus und Persönlichkeitsrecht, 2005, S. 53; von Arnauld, ZUM 1996, 286; 203
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2. Entfaltung der Persönlichkeit als aktives Moment Zur Abgrenzung der Schutzbereiche von Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG wird oftmals die Unterscheidung zwischen Aktivitätsund Integritätsschutz211 unter Zugrundelegung der Unterscheidung zwischen menschlichem Tun und menschlichem Sein bemüht.212 Während sich die allgemeine Handlungsfreiheit in aktiver Weise entfalte, sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht eher passiven oder statischen Chrarakters und schütze vor dem unbefugten Eindringen in einen „gewissermaßen bereits materialisierten oder gefestigten Status“.213 Dasselbe dürfte gemeint sein, wenn eine Abgrenzung anhand der Begriffe „äußere“ und „(innere) Dimension der Entfaltungsfreiheit“ 214 erfolgt. Die beschriebene Charakterisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedarf insofern der Klarstellung, als diese dahingehend missverstanden werden könnte, Handlungen wären vom Schutzbereich der Freiheit per se nicht umfasst.215 Denn eine Ausklammerung von Handlungen aus dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entspricht weder unbedingt der mit der terminologischen Abgrenzung im vorstehend genannten Sinne verfolgten Intention, noch wäre sie in der Sache richtig. Einigkeit besteht vielmehr darüber, dass sich Geddert-Steinacher, Menschenwürde als Verfassungsbegriff, 1990, S. 148. Allgemein zur Kombination von Grundrechten: Breckwoldt, Grundrechtskombinationen, 2015, sowie Meinke, In Verbindung mit, 2006. 211 Terminologisch geht diese Unterscheidung wohl auf Schwerdtner, Das Persönlichkeitsrecht in der deutschen Zivilrechtsordnung, 1977, S. 93 zurück. Diese Unterscheidung ausdrücklich ablehnend: Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 44 [Stand: 133. Aktualisierung April 2008]: „[. . .] von eher geringer Aussagekraft [. . .].“; siehe ferner ebd., Rn. 58: „[. . .] die Kriterien ,Dynamik‘ und ,Statik‘ [. . .] zur Unterscheidung [. . .] durchaus ungeeignet.“ 212 Siehe BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1980 – 1 BvR 185/77 –, BVerfGE 54, 148, 153 bzw. Rn. 13, juris: „[. . .] enthält das allgemeine Persönlichkeitsrecht [. . .] ein Element der ,freien Entfaltung der Persönlichkeit‘, das sich als Recht auf Respektierung des geschützten Bereichs von dem ,aktiven‘ Element dieser Entfaltung, der allgemeinen Handlungsfreiheit [. . .] abhebt.“ Siehe ferner: Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 87; Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 59; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 22; Cornils, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 168 Rn. 29; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 128 [Stand: Lfg. 39 Juli 2001]; Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 1989, § 129 Rn. 18 f.; vgl. auch Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 333 (zustandsbezogenes Recht in Abgrenzung zum handlungsbezogenen Recht). 213 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 22 m.w. Nw. 214 Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung, 2007, S. 23; vgl. auch Horn, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 149 Rn. 26 ff. 215 Luch, Das Medienpersönlichkeitsrecht – Schranke der „vierten Gewalt“, 2008, S. 179, unterstellt offenbar jegliche Entscheidungen als aktive Prozesse der allgemeinen Handlungsfreiheit („[. . .] stellt sich gerade die Entscheidungsfreiheit als aktiver Prozess und damit als Ausprägung des Rechts auf ,tun und Lassen, was man möchte‘ in Form der Allgemeinen Handlungsfreiheit dar.“).
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das allgemeine Persönlichkeitsrecht keinesfalls auf ein „Recht, in Ruhe gelassen zu werden“ 216 beschränkt, und es nicht allein um „Selbstfindung im abgeschirmten Bereich, sondern auch um die Möglichkeit selbstbestimmter Präsentation der eigenen Person in der Öffentlichkeit i. S. freier Selbstdarstellung geht“.217 Dem entspricht es, wenn in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausdrücklich auch vom „Schutz von Verhaltensfreiheit“ 218 die Rede ist. Auch im Hinblick auf das für das allgemeine Persönlichkeitsrecht typische Denken in geschützten Sphären219 gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass diese Sphären letztlich Handlungssphären darstellen.220 Deutlich wird dies beispielsweise, wenn das Bundesverfassungsgericht den Beischlaf betreffende Verbotstatbestände wegen der damit verbundenen Unterbindung bestimmter Ausdrucksformen der Sexualität als Eingriffe in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung (als besonderer Ausprägung des Privatsphärenschutzes) wertet.221 Gleiches gilt für die Unterschutzstellung vertraulicher Kommunikation.222 Anders als vor allem die Bestimmung der Schutzbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der allgemeinen Handlungsfreiheit anhand der Kriterien „innere“ und „äußere“ Freiheit suggeriert, sind die beiden Schutzbereiche auch nicht als spiegelbildliche, der eine das forum externum, der andere das forum internum abbildende Tatbestände zu verstehen. Ein solches Verständnis würde schon der Eigenschaft des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als ein die benannten Freiheitsrechte ergänzendes Grundrecht nicht gerecht. Denn im Verhältnis zu den benannten Freiheitsrechten fungiert das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht etwa als subsidiäres Auffanggrundrecht, sondern weist eigenständige Gehalte auf, die hinsichtlich des Schutzniveaus, welches diese erfahren, nicht per se hinter dem durch die benannten Freiheitsrechte gewährleiste216
Siehe Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 23. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 23. Zum Recht darauf, „in Ruhe gelassen zu werden“, siehe BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 1969 – 1 BvL 19/63 –, BVerfGE 27, 1, 6 bzw. Rn. 21, juris; ferner Warren/Brandeis, Harvard Law Review 4 (1890), 193. 218 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 1 BvR 1602/07 –, BVerfGE 120, 180, 194 bzw. Rn. 44. 219 Zum Sphärengedanken siehe auch nachfolgend S. 66 f. 220 Siehe Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 32: „[. . .] private Sphäre als Handlungssphäre“; ferner Möller, Paternalismus und Persönlichkeitsrecht, 2005, S. 61, wonach Handlungen durch die Konstruktion von Sphären „durch die Hintertür wieder“ in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hineingelangten. 221 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07 –, BVerfGE 120, 224, 238 f. und 242 bzw. Rn. 32 und Rn. 40. Siehe zu dieser Entscheidung bereits vorstehend S. 24 f. 222 Siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 12. September 1994 – 2 BvR 291/94 –, Rn. 13, juris: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert jedermann [. . .] einen Freiraum, in dem er seinen Emotionen und Wertungen rückhaltlos Ausdruck verleihen kann [. . .]. Ziel [. . .] kann es deshalb nicht sein, den Gefangenen [. . .] an vertraulicher Kommunikation im Rahmen der grundrechtlich geschützten Privatsphäre in jenen Formen zu hindern [. . .].“ 217
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ten Niveau zurückstehen.223 Das grundsätzliche Verhältnis zwischen allgemeinem Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) und unbenanntem Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) entspricht damit jenem zwischen allgemeinem Freiheitsrecht und benannten Freiheitsrechten;224 beide, das heißt sowohl unbenanntes als auch benannte Freiheitsrechte, stellen im Verhältnis zum allgemeinen Freiheitsrecht besondere oder spezielle Freiheitsrechte dar.225 Die besondere rechtspraktische Bedeutung der benannten Freiheitsrechte aber besteht gerade darin, dass diese gerade auch das forum externum schützen.226 Ist dies jedoch der Fall, spricht alles dafür, dass sich auch der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf das forum externum erstrecken muss.227 Als vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasste Handlungen zählen schließlich nicht etwa nur solche, die dazu dienen, einen bestehenden Zustand zu wahren oder wiederherzustellen, sondern auch Handlungen, die zur Veränderung eines bestehenden Zustandes führen und damit der fortlaufenden Entwicklung der eigenen Persönlichkeit dienen. Dieses dynamische Moment des Grundrechts findet auch im Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG Ausdruck, nach dem gerade die freie „Entfaltung“ der Persönlichkeit geschützt ist.228 223 Vgl. etwa Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 17, sowie Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 66. Zur entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe Fn. 236. 224 So auch Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 335: „Zwischen dem allgemeinen Freiheitsrecht und den unbenannten Freiheitsrechten besteht daher dasselbe Verhältnis wie zwischen dem allgemeinem Freiheitsrecht und den benannten Freiheitsrechten.“ Zur allgemeinen Handlungsfreiheit als gegenüber den speziellen Freiheitsrechten subsidiärem Auffanggrundrecht und zugleich kritisch: Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 28 m.w. Nw., sowie etwa BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 – 1 BvR 2576/04 –, BVerfGE 117, 163, 181 bzw. Rn. 59. 225 Wobei mit speziellen Freiheitsrechten üblicherweise nur die benannten Freiheitsrechte gemeint sind, vgl. Fn. 203. 226 Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) beispielsweise schützen sowohl die „innere“ Seite, also die Freiheit, einen Glauben oder eine Weltanschauung zu haben (forum internum), als auch auf dieser inneren Seite fußende Handlungen, also etwa die Ausübung des Glaubens. Beide Ebenen sind nach herrschender Meinung Bestandteil ein und desselben Schutzbereichs, siehe nur BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 –, BVerfGE 108, 282, 297 bzw. Rn. 37 m.w. Nw.; a. A. im Hinblick auf die Verortung auch der Religionsausübungsfreiheit in Art. 4 Abs. 1: Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4 Rn. 99 und Rn. 111 ff. [Stand: Lfg. 27] (unter Unterscheidung zwischen der Freiheit des Denkens und des Redens – Art. 4 Abs. 1 GG – und des Handelns – Art. 4 Abs. 2 GG –, ohne jedoch hiermit ein im Vergleich zur Gegenauffassung unterschiedliches Schutzniveau zu verbinden und ausdrücklich nur aufgrund der textlichen Existenz des Art. 4 Abs. 2 GG). 227 Zutreffend daher Horn, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 149 Rn. 31: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann daher nicht bloß, gleichsam analog zum forum internum der speziellen Freiheitsrechte, als Gewährleistung der inneren Vorfeldbedingungen der allgemeinen Handlungsfreiheit begriffen werden.“ 228 Die Interpretation des Begriffs der Entfaltung als konstituierendem Vorgang und nicht lediglich als Entfaltung von „[e]twas, das noch eingefaltet ist, aber doch schon
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3. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als entwicklungsoffenes Recht Mit der erläuterten Eigenschaft des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als lückenschließender Gewährleistung229 geht dessen tatbestandliche Entwicklungsoffenheit einher.230 Das Bundesverfassungsgericht sieht eine derartige „Notwendigkeit [. . .] auch im Blick auf moderne Entwicklungen und die mit ihnen verbundenen neuen Gefährdungen für den Schutz der menschlichen Persönlichkeit“ 231 und hat deshalb den „Inhalt des geschützten Rechts nicht abschließend umschrieben, sondern seine Ausprägungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet.“ 232 Entsprechend sind im Laufe der Jahre unter dem Dach des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verschiedene „spezielle unbenannte Freiheitsrechte“ 233 entwickelt worden.234 Die Gemeinsamkeit aller bereits entwickelten sowie aller künftigen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts besteht in der grundrechtlichen Erfassung all jener „Elemente der Persönlichkeit“ 235, die zwar „nicht Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen [. . .]“.236 Vom Schutzbereich des allgemeinen Per-
existiert“ greift auch Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung, 2007, S. 16 ff. auf (Zitat auf S. 17 und unter Verweis auf Höfling, in: Friauf/Höfling, Berliner KommentarGG, Art. 2 Rn. 34 [Stand: Gw. X/00]); in diesem Sinne auch Möller, Paternalismus und Persönlichkeitsrecht, 2005, S. 60. 229 Siehe hierzu vorstehend S. 60. 230 Zur Entwicklungsoffenheit siehe auch: Horn, in: Stern/Becker, GG, Art. 2 Rn. 36; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 69 Fn. 312: „In der Literatur [. . .] praktisch unstreitig.“ 231 BVerfG, Urteil vom 31. Januar 1989 – 1 BvL 17/87 –, BVerfGE 79, 256, 268 bzw. Rn. 43, juris. 232 BVerfG, Urteil vom 31. Januar 1989 – 1 BvL 17/87 –, BVerfGE 79, 256, 268 bzw. Rn. 52, juris. 233 Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 65. Anderswo ist die Rede von der „Herausbildung verschiedener Schutzgüter“ (Kube, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 148 Rn. 36) oder von „Garantiebereiche[n] im Sinne von Anwendungsfällen“ (Enders, in: HGR IV, 2011, § 89 Rn. 2). Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1980 – 1 BvR 185/77 –, BVerfGE 54, 148, 154 bzw. Rn. 13 („Schutzgüter“). Zuletzt wurde ein eigenständiger Teilgehalt in Form des Rechts „auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme“ entwickelt, siehe BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07 –, BVerfGE 120, 274, 313 ff. bzw. Rn. 201 ff. 234 Zu den verschiedenen, weder hinsichtlich ihrer (Unter-) Kategorisierung noch ihrer Bezeichnung unbedingt einheitlich bezeichneteten Teilgehalten siehe etwa: Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 68 ff., sowie Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 71 ff., jeweils mit umfassenden weiteren Nachweisen auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 235 BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07 –, BVerfGE 120, 274, 303 bzw. Rn. 169. 236 BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07 –, BVerfGE 120, 274, 303 bzw. Rn. 169 (so oder ähnlich formuliert st. Rspr.).
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sönlichkeitsrechts umfasst sind demnach all jene Verhaltensweisen, Zustände oder sonstigen Schutzgüter, „deren beliebige Regulierbarkeit durch den Staat die Autonomie des Einzelnen gefährdete und damit einem System Vorschub leistete, das nicht mehr beanspruchen könnte, auf die Achtung der Menschenwürde gegründet zu sein.“ 237 4. Schutzintensität Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verfügt über einen absolut geschützten, das heißt jeglicher Abwägung entzogenen Bereich (a)). Jenseits dieses Bereichs variieren die Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen je nach Bedeutung des jeweils im Raum stehenden Schutzguts für die Persönlichkeitsentfaltung und dem jeweiligen Sozialbezug (b)). a) Insbesondere: absolut geschützter Bereich Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verfügt über einen im Folgenden als absolut geschützt bezeichneten Bereich, der weder einer Abwägung mit Interessen der Allgemeinheit noch einer Abwägung mit entgegenstehenden Grundrechten zugänglich ist.238 Oftmals ist in diesem Zusammenhang auch die Rede von einem unantastbaren Bereich, von einem Kernbereich oder auch von der Intimsphäre.239 Die Begrifflichkeiten werden allerdings nicht unbedingt synonym verwendet.240 Zur Begründung dieses Bereichs wird in der Regel auf Art. 1 Abs. 1 GG, seltener (auch) auf Art. 19 Abs. 2 GG verwiesen.241 Ob ein Sachverhalt diesem absolut 237 BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 921/85 –, BVerfGE 80, 137, 169 bzw. Rn. 104, juris. Zum Denken von der Gefährdungsseite her siehe ferner etwa Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/13 –, Rn. 32. 238 So bereits BVerfG, Urteil vom 10. Mai 1957 – 1 BvR 550/52 –, BVerfGE 6, 389, 433 bzw. Rn. 166, juris; aus jüngerer Zeit: Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 –, BVerfGE 130, 1, 22 bzw. Rn. 99; Urteil vom 7. Juli 2015 – 1 BvR 966/09 –, BVerfGE 141, 220, 276 bzw. Rn. 120 (st. Rspr.). 239 Exemplarisch zur Verwendung dieser Begriffe durch das Bundesverfassungsgericht: BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 1107/09 –, Rn. 25: „Das Grundgesetz gewährt dem Bürger einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist. Wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung absolut geschützt.“, siehe ferner ebd., Rn. 26: „[. . .] absolut zu schützende [. . .] Intimsphäre.“ 240 Gegen beispielsweise die Identität von Kernbereich und Intimsphäre etwa von Arnauld, ZUM 1996, 286, 290 f.; synonyme Verwendung der Begriffe hingegen bei Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 144 f. Zur Gleichsetzung der Begriffe Privat- und Intimsphäre siehe BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 472/14 –, BVerfGE 138, 377, 387 bzw. Rn. 29. 241 Das Bundesverfassungsgericht bemühte in früheren Entscheidungen sowohl Art. 1 Abs. 1 GG als auch Art. 19 Abs. 2 GG, siehe beispielsweise Beschluss vom 14. September 1989 – 2 BvR 1062/87 –, BVerfGE 80, 367, 373 f. bzw. Rn. 15, juris, sowie vom 31. Januar 1973 – 2 BvR 454/71 –, BVerfGE 34, 238, 245 bzw. Rn. 30. Nunmehr leitet das Gericht den Schutz (auch bei anderen Grundrechten) aus Art. 1 Abs. 1 GG ab, siehe
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geschützten Bereich unterfällt, entscheidet sich danach, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist. Entscheidungserheblich sind zudem Art und Intensität des Sozialbezugs der geschützten Position und damit die Frage, ob und wie die jeweilige Position Auswirkungen auch auf andere Personen hat oder Belange der Gemeinschaft berührt.242 Dass eine Position höchstpersönlichen Charakters überhaupt einen Sozialbezug aufweist, ist zwar ein Indiz gegen einen absoluten Schutz, schließt einen solchen jedoch nicht aus. Vielmehr ist auch die Frage danach, ob die Intensität des Sozialbezugs den Ausschluss eines absoluten Schutzes rechtfertigt oder notwendig erscheinen lässt, anhand des jeweiligen Einzelfalles zu beantworten.243 Neben diesem absolut geschützten Bereich verfügt das allgemeine Persönlichkeitsrecht über „nachgelagert[e]“ 244 Bereiche, die einer Abwägung zugänglich sind. Als argumentative Hilfestellung bei der Prüfung der Rechtfertigung von Eingriffen245 in diese Bereiche dient dabei der Gedanke, nach dem sich die Persönlichkeitsentfaltung innerhalb verschiedener, räumlich und/oder thematisch zu verstehender Sphären vollziehe.246 Dies schließt freilich nicht aus, die Sphären Urteil vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09 –, BVerfGE 141, 220, 311 ff. bzw. Rn. 113 ff.; Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 –, BVerfGE 130, 1, 22 bzw. Rn. 99; Urteil vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98 –, BVerfGE 109, 279, 313 bzw. Rn. 118. Für eine Herleitung aus Art. 19 Abs. 2 GG beispielsweise: von Arnauld, ZUM 1996, 286, 290. Für eine Herleitung aus Art. 1 Abs. 1 GG etwa Barrot, Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, 2012, S. 161. Zum Streit um das Verhältnis zwischen Art. 19 Abs. 2 GG und Art. 1 Abs. 1 GG: Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 162. Gegen eine Gleichsetzung von Wesensgehalt im Sinne von Art. 19 Abs. 2 GG und Menschenwürdegehalt eines Grundrechts: BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/ 98 –, BVerfGE 109, 279, 311 bzw. Rn. 112. 242 BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 1107/09 –, Rn. 25; Urteil vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98 –, BVerfGE 109, 279, 314 bzw. Rn. 123; Beschluss vom 14. September 1989 – 2 BvR 1062/87 –, BVerfGE 80, 367, 374 bzw. Rn. 19, juris (st. Rspr.), wobei eine zunehmende personale Nähe in der Regel mit einem abnehmenden Sozialbezug einhergehen dürfte, vgl. Albers, Informationelle Selbstbestimmung, 2005, S. 209 f. 243 Nachweise in Fn. 238. 244 BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1783/05 –, BVerfGE 119, 1, 30 bzw. Rn. 88. 245 Zu den Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts siehe unmittelbar nachfolgend b), S. 67 f. 246 Zur sogenannten Sphärentheorie des Bundesverfassungsgerichts siehe Murswiek/ Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 104; Horn, in: Stern/Becker, GG, Art. 2 Rn. 107; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 93; Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 41; Kube, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 148 Rn. 86 ff.; von Arnauld, ZUM 1996, 286, 290 ff.; vgl. ferner Beaucamp/Seifert, JA 2004, 539, 543. Ob der Sphärengedanke bemüht wird, hängt auch von dem jeweils im Raum stehenden Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab. Zu den Grenzen der Sphärenkonzeption etwa beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 –, BVerfGE 65, 1, 45 bzw. Rn. 57, juris; siehe ferner Albers, Informationelle Selbstbestimmung, 2005, S. 206 ff.
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dogmatisch als Bestandteil des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen.247 Unterschieden wird üblicherweise zwischen einer Privatund einer (weniger schutzwürdigen) Sozialsphäre.248 b) Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Das allgemeine Persönlichkeitsrecht unterliegt dem Schrankenvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 GG und somit, ebenso wie die allgemeine Handlungsfreiheit, grundsätzlich einem einfachen Gesetzesvorbehalt.249 Aufgrund der Nähe des Grundrechts zu Art. 1 Abs. 1 GG besteht jedoch Einigkeit darüber, dass es insgesamt strengeren Rechtfertigungsanforderungen unterliegt als die allgemeine Handlungsfreiheit,250 weshalb zu seiner Beschränkung zunächst stets ein formelles Gesetz erforderlich ist.251 Auch an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit werden vergleichsweise strenge Anforderungen gestellt.252 Als Orientierung bei der
247 Wie hier: Geis, JZ 1991, 112, 113 („Unter-Schutzbereiche“) und wohl auch Enders, in: Merten/Papier, HGR IV, 2011, § 89 Rn. 2 („[. . .] Vielzahl von Sphären unterschiedlicher persönlicher Entfaltung, die in ihrer Gesamtheit [. . .] das Schutzgut der Grundrechtsgewährleistung [. . .] ausmachen.“). Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 285 [Stand: 133. Aktualisierung April 2008] hingegen meint, wegen der Bedeutung der Sphären für die Verhältnismäßigkeitsprüfung betreffe die Differenzierung zwischen verschiedenen Sphären „nicht schon die Tatbestandsseite des grundrechtlichen Schutzbereichs“. In der Tat wird der Sphärengedanke in der Literatur in der Regel im Zusammenhang mit der Rechtfertigung von Eingriffen thematisiert (so etwa in den in Fn. 246 genannten Publikationen). Die Gründe hierfür scheinen jedoch meist weniger dogmatischer als praktischer Natur zu sein und hinsichtlich der Beurteilung eines Grundrechtseingriffs ohne Bedeutung. 248 Siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 2013 – 1 BvR 1751/12 –, Rn. 21 („Sozialsphäre“), sowie vom 14. September 2010 – 1 BvR 1842/08 –, Rn. 55 („Privatsphäre“). Siehe im Übrigen nur Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 93, mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Auch hier ist die Terminologie jedoch nicht immer einheitlich; so wird etwa die „Sozialsphäre“ teilweise auch als „Öffentlichkeitssphäre“ bezeichnet (in diesem Sinne etwa Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 169). 249 Siehe nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 58; Horn, in: Stern/Becker, GG, Art. 2 Rn. 93; von Arnauld, ZUM 1996, 286, 288 f.; siehe ferner BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 1 BvR 1602/07 –, BVerfGE 120, 180, 201 bzw. Rn. 54; vom 14. Februar 2005 – 1 BvR 240/04 –, Rn. 12 (st. Rspr.). 250 Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 15; Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 62 und 103; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 91. Vgl. auch Kube, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 148 Rn. 32, sowie Möller, Paternalismus und Persönlichkeitsrecht, 2005, S. 54 f. Kritisch: Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung, 2007, S. 25 f. 251 von Arnauld, ZUM 1996, 286, 289. Vgl. auch Starck, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 23. 252 Insoweit ist gelegentlich und in Anlehnung an ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (etwa BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1972 – 2 BvL 7/71 –, BVerfGE 33, 367, 376 f. bzw. Rn. 23, juris; vom 15. Januar 1970 – 1 BvR 13/68 –, BVerfGE 27, 344, 351 bzw. Rn. 18, juris) von einer „strikten“ Verhältnismäßigkeitsprü-
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Entscheidung darüber, wie streng diese Anforderungen im jeweiligen Fall sind, kann auf den soeben im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Schutzbereich des Rechts erläuterten Sphärengedanken zurückgegriffen werden.253 Dabei hängt die Intensität des Schutzes auch jenseits des absolut geschützten Bereichs, der Eingriffen, wie erläutert,254 von vornherein nicht zugänglich ist, von den Faktoren personaler Nähe und Sozialbezug ab.255 Die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs sind umso höher, je weniger die jeweils geschützte Position einen Sozialbezug aufweist und je größer deren Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung ist.256 Für die erste Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung bedeutet dies, dass Eingriffe je nach Einzelfall bereits zu Gunsten des Schutzes öffentlicher Zwecke oder nur zu Gunsten des Schutzes eines Rechtsguts von Verfassungsrang legitim sein können.257 II. Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials als Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die Entscheidung über die Verwirklichung des Kinderwunsches ist für die Gestaltung des eigenen Lebens von grundlegender Bedeutung und damit grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zuzuordnen (1.). Der entsprechende, rein abwehrrechtlich zu verstehende Teilgehalt (2.) des Schutzbereichs umfasst die Freiheit, zur Verwirklichung des Kinderwunsches zur
fung die Rede, siehe Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 62; von Arnauld, ZUM 1996, 286, 289. Zu Recht kritisch zu dieser Formulierung: Möller, Paternalismus und Persönlichkeitsrecht, 2005, S. 55: „[. . .] ein Prinzip kann nicht lasch oder strikt gehandhabt werden, sondern es gilt oder es gilt nicht.“ 253 Siehe etwa Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 93: „[. . .] Verhältnismäßigkeitsprüfung, für die ,Sphären‘ [eine] gewisse Groborientierung bieten können.“; Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 285 [Stand: 133. Aktualisierung April 2008]: „[. . .] gleitende Intensitätsstufen grundrechtlicher Betroffenheit [. . .] bedeutsam für die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs.“ Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1783/05 – BVerfGE 119, 1, 30 bzw. Rn. 89: „[. . .] nicht im Sinne einer schematischen Stufenordnung [. . .], wohl aber als Anhaltspunkte für die Intensität der Beeinträchtigung.“ 254 Hierzu bereits vorstehend S. 65 f. 255 Vgl. auch Rohlf, Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre, 1980, S. 70 ff. 256 Horn, in: Stern/Becker, GG, Art. 2 Rn. 107; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 92 (beide unter Verweis insbesondere auf BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1993 – 1 BvR 689/92 –, BVerfGE 89, 69, 82 f. bzw. Rn. 51, wo es heißt: „Der Schutz ist um so intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen, die als unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung gegenüber aller staatlicher Gewalt Achtung und Schutz beansprucht“). 257 Zu den Stufen der Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit siehe etwa BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 –, BVerfGE 125, 260, 316 bzw. Rn. 204, sowie Merten, in: Merten/Papier, HGR III, 2009, § 68, insbesondere Rn. 50 ff.
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Verfügung stehendes Fortpflanzungspotential258 zu nutzen (3.). Die Rechtfertigung eines Eingriffs in diese Freiheit setzt stets voraus, dass dieser zum Schutz von Grundrechten Dritter und/oder eines Rechtsguts von Verfassungsrang erfolgt (4.). 1. Grundlegende Bedeutung der Verwirklichung des Kinderwunsches für die eigene Lebensgestaltung Dass der Wunsch und die Bereitschaft, für ein Kind elterliche Verantwortung zu übernehmen, und das eigene Leben für viele Jahre hierauf auszurichten, jenem, vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfassten, „autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem [der Einzelne] seine Individualität entwickeln und wahren kann“ 259, zuzuordnen ist, kann ob der Bedeutung dieser Entscheidung für das eigene Selbstverständnis und der Tragweite der Umsetzung dieser Entscheidung kaum infrage gestellt werden. Besteht der Wunsch nach einem Kind, kommt hierin ein „elementares menschliches Bedürfnis“ 260 zum Vorschein, und im Leben eines Menschen gibt es wohl nur „wenige Entscheidungen, die das eigene Leben stärker verändern, als diejenige, Kinder zu bekommen.“ 261 Weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wie soeben gezeigt wurde, nicht auf ein mehr oder minder passives Recht auf Wahrung eines bestehenden Zustandes reduziert werden kann, sondern auch die aktive, handlungsbezogene Entfaltung der Persönlichkeit umfasst,262 bestehen insbesondere keine Bedenken dagegen, den Schutzbereich des Grundrechts über die Entscheidung zur Verwirklichung des Kinderwunsches hinaus auf die hierzu erforderlichen Handlungen, also auch auf die Verwirklichung des Kinderwunsches zu erstrecken. Essenziell ist allerdings, dass die jeweilige Handlung zur Verwirklichung des Kinderwunsches von der Motivation getragen wird, die elterliche Verantwortung für das aus der Fortpflanzung hervorgehende Kind zu übernehmen. Gerade durch diese Handlungsmotivation nämlich unterscheidet sich das Wunschelter von Gametenspender*innen und auch plazentalen Ersatzmüttern, die sich wegen der Zurverfügungstellung ihrer Gameten beziehungsweise der Hergabe ihres Körpers zum Austragen des Kindes zwar fortpflanzen beziehungsweise einen wesentlichen Beitrag hierzu leisten, deren Handlungsmotivation jedoch eben nicht darin be258 Zur Beschränkung des Prüfungsgegenstandes auf die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Fortpflanzung siehe vorstehend Abschnitt 1 unter A., S. 17 f. 259 BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 – 1 BvR 421/05 –, BVerfGE 117, 202, 225 bzw. Rn. 59. 260 Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 249. 261 Sacksofsky, in: Lembke, Regulierungen des Intimen, 2016, S. 102. Siehe auch Möller, Paternalismus und Persönlichkeitsrecht, 2005, S. 76: „Die Entscheidung, eine Familie zu gründen, berührt die individuelle Lebensplanung wie kaum eine andere.“ 262 Vorstehend unter D.I.2, S. 61 ff.
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
steht, für das spätere Kind elterliche Verantwortung zu tragen, sondern vielmehr finanzieller und/oder altruistischer Natur ist oder vielleicht auch auf dem bloßen Wunsch basiert, genetisch eigene Nachkommen in die Welt zu setzen. Aus diesem Grund kann schon an dieser Stelle gesagt werden, dass sich Gametenspender*innen und Ersatzmütter als natürliche Personen zwar auf den persönlichen Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials, nicht aber auf den sachlichen Schutzbereich dieses Grundrechts berufen können.263 Dies gilt auch dann, wenn man – was an dieser Stelle keiner Klärung zugeführt wird – insbesondere den Spender*innen zugesteht, sich hinsichtlich der Abgabe ihrer Spende auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht stützen zu können.264 Denn auch in diesem Fall gebietet es der beschriebene Unterschied in der Handlungsmotivation, die auf die Übernahme der Elternschaft ausgerichtete Verwirklichung des Kinderwunsches durch Fortpflanzung und die Fortpflanzung durch Spender*innen gedanklich zu trennen und diese gegebenenfalls als verschiedene Teilgehalte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu begreifen.265 2. Rein abwehrrechtlich zu verstehende Freiheit Es entspricht bislang unverrückbaren biologischen Tatsachen, dass kein Mensch in der Lage ist, ohne Zutun mindestens einer weiteren, gegengeschlechtlichen Person, ein Kind in die Welt zu setzen. Dies gilt auch dann, wenn die den Kinderwunsch hegende Person über das durch das jeweilige Geschlecht definierte und hierdurch zugleich begrenzte volle Fortpflanzungspotential verfügt; denn auch hier ist zur Verwirklichung des Kinderwunsches stets entsprechendes
263
Zur weiteren Konkretisierung des Schutzbereichs siehe nachfolend unter D.II., S. 68 ff. 264 In der Literatur wird zur grundrechtlichen Erfassung des Beitrags von Gametenspender*innen, gegebenenfalls abhängig von deren Motivation (kommerziell, altruistisch), entweder die allgemeine Handlungsfreiheit oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht bemüht, siehe Müller-Terpitz, in: Frister/Olzen, Reproduktionsmedizin, 2010, S. 12 („Art. 2 Abs. 1 GG (gegebenenfalls i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG)“), sowie Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 174; ähnlich: Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 69 („Außerdem muss das [von ihr im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verortete] Recht auf Fortpflanzung auch in Kontexten gelten, in denen es nicht um die Gründung einer Familie geht, wie etwa bei einer rein altruistischen Keimzellenspende.“). Nach Brohm, JuS 1998, 197, 201 ist „[d]as Bestimmungsrecht, ob sein [des Samenspenders] Sperma zu einem befruchtungstauglichen Akt verwendet werden darf, [. . .] Ausfluss und Teil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts.“ (unter Verweis auf BGH, Urteil vom 9. November 1993 – VI ZR 62/93 –, BGHZ 124, 52, 55); ebenso bereits Coester-Waltjen, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 37 und B 31. 265 Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 138, hingegen möchte die altruistisch motiviert handelnde Spenderin „normativ am Fortpflanzungsrecht“ (welches er auf Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG stützt) teilhaben lassen.
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„Gegenpotential“ vonnöten. Im Falle des Kinderwunsches einer Frau bedeutet dies, dass diese zu dessen Verwirklichung auf entsprechende Samen angewiesen ist, während die Verwirklichung des Kinderwunsches eines Mannes sowohl die Verfügbarkeit einer Eizelle als auch den Körper einer Frau voraussetzt, in dem das Kind ausgetragen wird. Forderte man ein „Grundrecht auf Verwirklichung des Kinderwunsches“, wäre damit demnach zwingend eine leistungsrechtliche Komponente verbunden, deren Inhalt, je nach Fallgestaltung, auf die Zurverfügungstellung von Samen, Eizellen oder gar des Köpers einer Frau gerichtet wäre. Ein solcher, gegen den Staat gerichteter originärer Leistungsanspruch266 lässt sich auch aus der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials zweifelsohne nicht herleiten.267 Auch das Bundesverfassungsgericht hat zu Art. 6 Abs. 1 GG ausgeführt, diesem könne „keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden [. . .], die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern.“ 268 Wenn es also im Folgenden zu beantworten gilt, welche Handlungen der sachliche Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials zur Verwirklichung des Kinderwunsches umfasst, muss deshalb stets berücksichtigt werden, dass die Verwirklichung des Kinderwunsches notwendig die freiwillige Leistung mindestens eines*einer weiteren Grundrechtsträger*in voraussetzt, auf deren Zurverfügungstellung kein (gegen den Staat oder den*die Grundrechtsträger*in gerichteter) Anspruch besteht. Ein der Frage nach dem Inhalt des Schutzbereichs der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials nachgelagerter Aspekt ist, inwiefern ein derivatives Leistungsrecht,269 etwa auf Teilhabe an Leistungen der gesetzlichen 266 Zur Unterscheidung von originären und dervativen Leistungs- bzw. Teilhaberechten sowie zur (uneinheitlichen) Terminologie siehe Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 2011, § 192 Rn. 5 ff., insbesondere 12 f.; ferner Rüfner, in: Merten/Papier, HGR II, 2006, § 40 Rn. 1. 267 Vgl. nur: Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 56: „Seine [Art. 6 Abs. 1 GG] subjektivrechtliche Dimension beschränkt sich weitgehend auf ein Abwehrrecht. Dies gilt auch für das Recht auf Familiengründung, welches keine Leistungsdimension beinhaltet, sondern höchstens ein Diskriminierungsverbot bei bestehender staatlicher Leistung.“; in diesem Sinne auch Wapler, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 2010, S. 125. Allgemein zur nur begrenzt möglichen Herleitung originärer Leistungsrechte aus den Freiheitsrechten: Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 2011, § 192 Rn. 91 ff.; Rüfner, in: Merten/Papier, HGR II, 2006, § 40 Rn. 42 ff. (beide mit zahlreichen weiteren Nachweisen zum Thema). 268 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 329 bzw. Rn. 40. 269 Vgl. hierzu Lembke (Fn. 267), sowie dies., in: Classen/Richter/Lukanko, Sexuelle Orientierung als Diskriminierungsgrund, Regelungsbedarf in Deutschland und Polen?, 2016, S. 235.
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
Krankenversicherung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung, bestehen kann.270 3. Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials Steht nach den vorstehenden Ausführungen fest, dass die Verwirklichung des Kinderwunsches als Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials zu verstehen ist, gilt es nun, den Gehalt zunächst des sachlichen Schutzbereichs der Freiheit zu konkretisieren (a)). Es folgen Ausführungen zum persönlichen Schutzbereich des Grundrechts (b)). a) Sachlicher Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials Der sachliche Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials umfasst die Verwirklichung des Kinderwunsches, wenn das Wunschelter seinen Beitrag hierzu ausschließlich durch Einsatz des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials leistet; geschützt wird dabei auch die Inanspruchnahme von Gametenspenden, die von gegengeschlechtlichen Personen stammen (gegengeschlechtliche Gametenspenden) (aa)). Ebenfalls vom sachlichen Schutzbereich der Freiheit umfasst wird die Verwirklichung des Kinderwunsches, wenn das Wunschelter seinen Beitrag zur Verwirklichung des Kinderwunsches unter Rückgriff auf gleichgeschlechtliches Fortpflanzungspotential erbringt (Entgegennahme gleichgeschlechtlicher Gametenspenden). Damit unterfällt inbesondere auch die Verwirklichung des Kinderwunsches einer plazentalen Wunschmutter mittels der Entgegennahme einer Eizellspende dem sachlichen Schutzbereich des Grundrechts (bb)). aa) Erbringung des eigenen Beitrags zur Verwirklichung des Kinderwunsches unter Einsatz ausschließlich des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials Gegenstand der folgenden Darstellung sind zunächst Fälle, in denen das Wunschelter seinen Beitrag zur Verwirklichung des Kinderwunsches ausschließlich in Form des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials leistet. Rein tatsächlich setzt die Verwirklichung des Kinderwunsches auf diese Weise voraus, dass das individuelle Fortpflanzungspotential des Wunschelters dem durch das jeweilige Geschlecht definierten „potentiellen“ Fortpflanzungspotential (Eizelle und Gebär270 Vgl. zum Thema: BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 327 ff. bzw. Rn. 36 ff. (siehe zu dieser Entscheidung auch vorstehend A.II.1.b)bb), S. 51, sowie nachstehend Teil 3, A.I.3.b)dd), S. 200 ff.).
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fähigkeit beziehungsweise Samen) entspricht. Leistet eine Wunschmutter ihren Beitrag zur Verwirklichung ihres Kinderwunsches ausschließlich mittels des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials, ist diese demnach sowohl genetische als auch plazentale Mutter des Kindes. Leistet ein Wunschvater seinen Beitrag zur Verwirklichung des Kinderwunsches ausschließlich in Form des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials, ist er genetischer Vater des Kindes. Hinischtlich der Modalitäten des Einsatzes des Fortpflanzungspotentials kann unterschieden werden zwischen der Zeugung des Kindes ohne Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken, also insbesondere durch Geschlechtsakt (1), und der Zeugung des Kindes unter Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken, wie etwa der In-vitro-Fertilisation (2). (1) Erbringung des eigenen Beitrags unter Einsatz ausschließlich des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials ohne Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken Leistet ein Wunschelter seinen Beitrag zur Verwirklichung des Kinderwunsches durch Einsatz ausschließlich des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials, dürfte es auf keinen Widerspruch stoßen, diese Form der Verwirklichung des Kinderwunsches ohne Weiteres dem sachlichen Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials zu unterstellen. Unmittelbar einleuchten dürfte dies jedenfalls dann, wenn das Gegenpotential, das auch im Falle der Verwirklichung des eigenen Kinderwunsches unter Einsatz ausschließlich des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials stets erforderlich ist,271 durch Ausübung des Geschlechtsverkehrs erlangt wird. Verwirklicht also das Wunschelter seinen Kinderwunsch auf dem Wege des Geschlechtsakts, kann es sich als genetischplazentale Wunschmutter oder als genetischer Wunschvater auf die Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials berufen. Keine Rolle spielt hierbei, wie sich noch ergeben wird,272 ob das Wunschelter zu der Person, mit der es den Geschlechtsakt ausübt, in einer emotional-partnerschaftlichen Beziehung steht. Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass die neben dem Wunschelter am Geschlechtsakt beteiligte Person diesen ihrerseits mit dem Ziel der Verwirklichung Kinderwunsches ausübt.273 Deshalb wird etwa auch die Verwirklichung des Kinderwunsches des genetischen Wunschvaters, der zu diesem Zweck Geschlechtsverkehr mit einer Frau hat, die das hierdurch gezeugte Kind als genetisch-plazentale Ersatzmutter zur Welt bringen möchte, vom Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials des genetischen Wunschvaters erfasst. 271 272 273
Vgl. hierzu bereits vorstehend S. 70 f. Siehe nachfolgend D.II.3.a)aa)(2)(b), S. 75 f. Siehe auch hierzu nachfolgend D.II.3.a)aa)(2)(b), S. 75 f.
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
(2) Erbringung des eigenen Beitrags durch Einsatz ausschließlich des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials unter Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken Ebenfalls dem sachlichen Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials unterfällt die Verwirklichung des Kinderwunsches, wenn das Wunschelter seinen Beitrag hierzu unter Rückgriff ausschließlich auf das eigene, volle Fortpflanzungspotential leistet und sich hierbei reproduktionsmedizinischer Techniken bedient. Dass die Zeugung des Kindes in derartigen Fällen nicht innerhalb eines intimen Rahmens erfolgt, ist für diese Einordnung ebenso wenig von Bedeutung (a)) wie die Frage, aus welcher Motivation heraus die Person handelt, die das für die Verwirklichung des Kinderwunsches des Wunschelters erforderliche Gegenpotential zur Verfügung stellt (b)). (a) Zeugung außerhalb eines intimen Rahmens irrelevant Leistet das Wunschelter seinen Beitrag zur Verwirklichung des Kinderwunsches ausschließlich in Form des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials und kommen hierbei reproduktionsmedizinische Techniken zum Einsatz, besteht der wesentliche Unterschied zur Verwirklichung des Kinderwunsches durch Ausübung des Geschlechtsaktes darin, dass letztgenannter in der Regel innerhalb eines intimen Rahmens stattfindet, während die Zeugung unter Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken wegen der Beteiligung eines*einer Ärzt*in sowie sonstiger, medizinisch-technische Assistenz leistender Personen außerhalb eines solchen Rahmens erfolgt. Die Beteiligung dieser Personen am Zeugungsgeschehen führt indes lediglich dazu, dass sich das Wunschelter nicht auf das Recht auf Privatheit (auch) der Sexualsphäre274 berufen kann. Ebenso wie die Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials fußt dieses zwar im allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Allerdings handelt es sich bei diesen Rechten um zwei eigenständige, voneinander zu trennende Teilgehalte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die jeweils unterschiedliche Aspekte der Persönlichkeitsentfaltung schützen. Die damit angesprochene grundlegende Trennung zwischen Sexualität und Fortpflanzung275 würde verkannt, wenn man die Schutz274 Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/13 –, BVerfGE 141, 186, 210 bzw. Rn. 53 m.w. Nw. 275 Darauf, dass Sexualität und Fortpflanzung unabhängig voneinander beurteilt werden müssen, weisen etwa auch Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 198, und Schneider, Rechtliche Aspekte der Präimplantations- und Präfertilisationsdiagnostik, 2002, S. 149, hin. Deutlich auch die abweichende Meinung der Richter Mahrenholz und Sommer in: BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90 –, BVerfGE 88, 203, 338 bzw. Rn. 386: „Zu den spezifischen Grundbedingungen menschlichen Seins gehört, daß Sexualität und Kinderwunsch nicht übereinstimmen.“ Die Gefahr einer gedanklichen Vermischung dieser beiden Aspekte mag in der zu einem ausschließlich räumlichen Denken verleitenden Sphärentheorie angelegt
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würdigkeit des Kinderwunsches von dem äußeren Rahmen, in dem die Zeugung stattfindet, abhängig machte.276 Die etwaige „Unnatürlichkeit“ des Zeugungsvorganges kann ohnehin nicht gegen den Einsatz reproduktionsmedizinischer Techniken angeführt werden.277 Das Wunschelter kann sich deshalb auch dann auf den sachlichen Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials berufen, wenn es seinen Beitrag zur Verwirklichung des Kinderwunsches mittels des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials erbringt und hierbei auf reproduktionsmedizinische Techniken zurückgreift. (b) Irrelevanz der dem Gegenbeitrag zugrunde liegenden Motivation Wendet man den Blick von dem Beitrag ab, den das Wunschelter zur Verwirklichung seines Kinderwunsches leistet, und richtet diesen auf den Beitrag der Person, die das zur Verwirklichung dieses Wunsches erforderliche Gegenpotential beisteuert, stellt sich die Frage, ob die Herkunft dieses Potentials bei der Bestimmung des sachlichen Schutzbereichs des Grundrechts des Wunschelters relevant ist. Die Antwort ist schnell gefunden, denn wegen des individualrechtlichen Charakters (auch dieses) Grundrechts muss diese Frage klar verneint werden. Dies bedeutet zunächst, dass es im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches durch Ausübung des Geschlechtsaktes völlig egal ist, ob die gegengeschlechtliche Person, mit der das Wunschelter Geschlechtsverkehr hat, mit diesem – wie im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches im homologen System – emotional-partnerschaftlich verbunden ist und ein gemeinsamer Kinderwunsch besteht, oder ob die das Gegenpotental zur Verfügung stellende Person den Geschlechtsverkehr überhaupt mit der Motivation der Verwirklichung des eigenen Kinderwunsches ausübt, also ebenfalls Wunschelter ist. Ist dem aber so, gibt es zunächst keinen Grund, der zur Verwirklichung des Kinderwunsches erfolgenden Entgegennahme einer gegengeschlechtlichen Gametenspende,278 also der Inansein, vgl. Koppernock, Das Grundrecht auf bioethische Selbstbestimmung, 1997, S. 140: „[. . .] irreführende Suggestion räumlich zu denkender Schutzzonen.“ Zur Unsicherheit über den Begriff der Sexualität als Gegenstand rechtlicher Regelungen siehe Lembke, in: Lembke, Regulierungen des Intimen, 2016, S. 13 f. 276 Im Ergebnis ebenso etwa Jofer, Regulierung der Reproduktionsmedizin, 2014, S. 162. 277 Vgl. Müller-Terpitz, in: Frister/Olzen, Reproduktionsmedizin, 2010, S. 14: „[. . .] eine Beschränkung auf das Prinzip der Natürlichkeit ist dem Grundgesetz nicht immanent.“ Siehe auch bereits Benda, in: Petersen, Retortenbefruchtung und Verantwortung, 1985, S. 143 f.: „Die künstliche Befruchtung kann dem an den Menschen gerichteten Anspruch, von seiner Freiheit zu sittlicher Entscheidung verantwortungsvoll Gebrauch zu machen, eher gerecht werden als natürliche Zeugungsvorgänge unter Einfluss von Alkohol, in Vergewaltigungsfällen oder ähnlichem.“ Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht vgl. vorstehend S. 23 f. 278 Zur Entgegennahme von Gametenspenden von Personen, deren Geschlecht dem des Wunschelters entspricht (gleichgeschlechtliche Gametenspenden), siehe sogleich unter D.II.3.a)bb), S. 76 ff.
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spruchnahme einer Samenspende durch eine Wunschmutter oder der Inanspruchnahme einer Eizellspende durch einen Wunschvater, bei der Bestimmung der Reichweite des sachlichen Schutzbereichs der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials eine Bedeutung beizumessen.279 Gleiches gilt konsequenterweise für die Inanspruchnahme einer plazental (-genetischen) Ersatzmutter zur Verwirklichung der Wunschvaterschaft. Weil die Einstellung der das Gegenpotential zur Verfügung stellenden Person für die Unterschutzstellung des Verhaltens des Wunschelters auf Schutzbereichsebene keine Rolle spielt, sind die eingangs erläuterten280 und auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur durchaus bemühten Kategorien homolog/heterolog aus grundrechtsdogmatischer Sicht auf Schutzbereichsebene im Übrigen eher verwirrend als klärend. Aufgrund des individualrechtlichen Charakters der Freiheit besteht zudem wenig Anlass, die Einschlägigkeit des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Argument abzulehnen, dieses stelle das Individuum in den Mittelpunkt der Betrachtungen, während Fortpflanzung zwangsläufig mehrere Personen betreffe und insoweit „mehrpolig“ sei.281 bb) Erbringung des eigenen Beitrags zur Verwirklichung des Kinderwunsches unter Rückgriff auf fremdes, gleichgeschlechtliches Fortpflanzungspotential Am Beispiel der Verwirklichung der plazentalen Wunschmutterschaft durch Entgegennahme einer Eizellspende wird nachfolgend gezeigt, dass auch Fälle, in denen das Wunschelter seinen Beitrag zur Verwirklichung des Kinderwunsches nicht (ausschließlich) in Form eigenen Fortpflanzungspotentials erbringt, sondern hierfür auf fremdes, gleichgeschlechtliches Fortpflanzungspotental zurückgreift, dem Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials zuzuordnen sind (1). Auf weitere Fallgruppen wird im Anschluss eingegangen (2). (1) Verwirklichung der plazentalen Wunschmutterschaft durch Entgegennahme einer Eizellspende Verwirklicht eine plazentale Wunschmutter ihren Kinderwunsch unter Rückgriff auf eine Eizellspende, wird der eine Teil des Beitrags, den eine Frau zur Entstehung eines Kindes leisten kann, durch die Wunschmutter selbst erbracht (Austragen des Kindes), während der andere Teil (die Eizellen) durch eine an279 Berücksichtigt werden kann die Tatsache, dass es sich bei dem gegengeschlechtlichen Potential um eine Spende handelt, bei der Prüfung der Rechtfertigung von Eingriffen in die Freiheit des Wunschelters. 280 Vorstehend Abschnitt 1, B.III., S. 22. 281 So aber Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 195 (Zitat ebd.).
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dere Frau beigetragen wird. Erläutert wird im Folgenden [(a) und (b)], dass und warum auch die Entgegennahme dieses gleichgeschlechtlichen Fortpflanzungspotentials vom sachlichen Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials umfasst ist. Eingegangen wird hierbei auch auf die Frage, ob es auf Schutzbereichsebene eine Rolle spielt, ob die plazentale Wunschmutter zur Verwirklichung ihres Kinderwunsches auf eine Eizellspende angewiesen ist, weil ihr individuelles Fortpflanzungspotential insoweit „defizitär“ ist. Die Frage der individuellen Fortpflanzungsfähigkeit als persönlicher Eigenschaft eines*einer Grundrechtsträger*in ist zwar eine Frage des persönlichen Schutzbereichs,282 lässt sich in diesem Fall aber nicht sinnergebend von der Frage nach der Reichweite des sachlichen Schutzbereichs darstellen. (a) Rückgriff auf die Eizellspende für die plazentale Wunschmutter nicht entscheidungserheblich Für die Einbeziehung der Entgegennahme einer Eizellspende durch eine plazentale Wunschmutter in den sachlichen Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials spricht zunächst, dass der Rückgriff auf dieses fremde, gleichgeschlechtliche Fortpflanzungspotential für die Entscheidung dieser Frau, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen, im Ergebnis nicht von Bedeutung ist. Wäre dies anders, würde sie die Eizellspende nicht in Anspruch nehmen. Die grundlegende Bedeutung des Wunsches, elterliche Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, als Grund dafür, die Verwirklichung des Kinderwunsches überhaupt als Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu begreifen,283 tritt in diesem Fall der körperlich „unvollständigen“ Wunschmutterschaft sogar besonders deutlich zu Tage.284 Die Schutzwürdigkeit auch der Verwirklichung des Kinderwunsches auf diesem Wege kann deshalb schwerlich bestritten werden. Auch aus Sicht der staatlichen Gemeinschaft ist kein Grund ersichtlich, die Entscheidung der plazentalen Wunschmutter schon per se (Schutzbereichsebene) nicht zu respektieren.285 (b) Entgegennahme der Eizellspende als Maßnahme zur Herstellung des (vollen) Fortpflanzungspotentials der plazentalen Wunschmutter? Gibt eine Frau ihre Eizelle freiwillig und in dem Wissen her, hierdurch zur Verwirklichung des Kinderwunsches einer anderen Frau beizutragen, spricht 282 Zum persönlichen Schutzbereich der Freiheit siehe auch nachfolgend unter D.II.3.b), S. 82 f. 283 Siehe hierzu bereits vorstehend unter D.II.1., S. 69 f. 284 Zur Berücksichtigung der Möglichkeit, ein genetisch eigenes Kind „haben“ zu können, siehe nachfolgend S. 85 f. 285 Die Frage der Rechtfertigung des Verbots der Eizellspende ist Gegenstand des dritten Teils dieser Arbeit (S. 182 ff.).
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
nichts Grundlegendes dagegen, die Entgegennahme dieser freiwilligen Leistung dieser Grundrechtsträger*in als Bestandteil des sachlichen Schutzbereichs des Grundrechts der plazentalen Wunschmutter anzusehen. Immerhin versteht auch das Bundesverfassungsgericht die Entgegennahme einer Organspende als Gegenstand des sachlichen Schutzbereichs des in Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der die Organspende empfangenden Person in dessen abwehrrechtlichen Dimension. In der entsprechenden Entscheidung heißt es: „Art. 2 II 1 GG gibt jedermann das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Diese Verbürgung wird berührt, wenn staatliche Regelungen dazu führen, daß einem kranken Menschen eine nach dem Stand der medizinischen Forschung prinzipiell zugängliche Therapie, mit der eine Verlängerung des Lebens, mindestens aber eine nicht unwesentliche Minderung des Leidens verbunden ist, versagt bleibt.“ 286 Auf Grundlage dieser Sichtweise qualifizierte das Gericht § 8 Abs. 1 Satz 2 Transplantationsgesetz (TPG), nach dem die Zulässigkeit der Entnahme bestimmter Organe bei einer lebenden Person von einem in dieser Vorschrift näher definierten Näheverhältnis zwischen Lebendspender*in und Empfänger*in abhängt, als – wenn auch gerechtfertigten – Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) derjenigen potentiellen Empfänger*innen der Spende, die zu den jeweiligen Spender*innen nicht in einem hinreichenden Näheverhältnis stehen, und die die Spende wegen der im Ergebnis als verfassungsgemäß angesehenen gesetzlichen Beschränkung deshalb nicht in Anspruch nehmen können.287 Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Lebendorganspende legt allerdings die Überlegung nahe, die Entgegennahme einer Eizellspende, ähnlich der Entgegennahme einer Organspende, als Maßnahme zur Herstellung des eigenen Fortpflanzungspotentials der Wunschmutter zu begreifen. Eine Strukturgleichheit zu einer der Wahrung des Lebens beziehungsweise der Herstellung der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) erfolgenden Entgegennahme einer Organspende setzt dabei voraus, dass die Entgegennahme der Eizellspende tatsächlich zur Herstellung des Fortpflanzungspotentials der plazentalen Wunschmutter erfolgt, diese also individuell insoweit fortpflanzungsunfähig ist, als sie eigene Eizellen zur Verwirklichung ihres Kinderwunsches nicht einsetzen kann.288 Verfolgt man diesen Ansatz weiter, kann man sich zunächst schwerlich der Erkenntnis verschließen, dass die Entgegennahme einer Eizellspende nicht dem hier vorgestellten Recht zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials unterfiele, sondern – als Maßnahme zur Herstellung der körperlichen Unversehrtheit der plazentalen Wunschmutter – dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2
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BVerfG, Beschluss vom 11. August 1999 – 1 BvR 2181/98 –, Rn. 63. BVerfG, Beschluss vom 11. August 1999 – 1 BvR 2181/98 –, Rn. 69 ff. Auf diesen Aspekt wird sogleich zurückzukommen sein.
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Satz 1 GG.289 Die Verwirklichung des Kinderwunsches einer plazentalen Wunschmutter würde grundrechtlich dann sowohl durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Entgegennahme der Eizellspende zur Herstellung der körperlichen Unversehrtheit in Form des vollen weiblichen Fortpflanzungspotentials) als auch durch Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (Einsatz des nun voll verfügbaren weiblichen Fortpflanzungspotentials zur Verwirklichung des Kinderwunsches) geschützt. Gegen dieses Verständnis spricht indes Verschiedenes. Zunächst erscheint eine Beurteilung der Verwirklichung des Kinderwunsches einer plazentalen Wunschmutter mittels Entgegennahme einer Eizellspende als Summe der Schutzgehalte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unnötig kleinteilig. Das deutlich größere Gewicht des seitens der Wunschmutter grundrechtlich gewünschten Verhaltens liegt dabei nicht auf der Entgegennahme der Eizellspende, sondern auf dem Summand der Nutzung des hiernach verfügbaren Fortpflanzungspotentials zum Zwecke der Verwirklichung ihres Kinderwunsches. Schon deshalb sollte die Verwirklichung des Kinderwunsches einer plazentalen Wunschmutter unter Rückgriff auf eine Eizellspende als einheitlicher Gesamtvorgang gesehen und lediglich dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unterstellt werden. Gewichtiger als diese, auf den ersten Blick rein dogmatische Erwägung erscheint jedoch, dass das aus dem Vergleich der Entgegennahme einer Eizellspende mit der Entgegennahme einer Organspende folgende Grundverständnis der Inanspruchnahme einer Eizellspende als Vorgang zur Herstellung des (vollen) Fortpflanzungspotentials der Wunschmutter der grundrechtlichen Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches eine biologistische Konnotation verliehe, die dem eigentlichen Sinn des grundrechtlichen Schutzes nicht gerecht würde. Grundrechtlichen Schutz erführe die Verwirklichung des Kinderwunsches unter Rückgriff auf fremdes, gleichgeschlechtliches Fortpflanzungspotential auf Grundlage dieses Grundverständnisses nämlich nur dann, wenn das Wunschelter selbst nicht (voll) fortpflanzungsfähig ist. Warum aber die (teilweise) Fortpflanzungsunfähigkeit des Wunschelters darüber entscheiden können soll, ob diese Art der Verwirklichung des Kinderwunsches grundrechtlich geschützt ist, erschließt sich nicht; schließlich liegt der spezifische Schutzgehalt der hier als Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verstandenen Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials in der Motivation des Wunschelters, elterliche Verantwortung für ein Kind übernehmen zu dürfen, und ist damit im Wesentlichen sozialer Natur.290 Wollte man die (teilweise) Fortpflanzungsunfä289 Der Gesetzgeber begreift Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken allerdings nicht als Krankheit, vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 326 bzw. Rn. 34 f. 290 Vgl. vorstehend unter D.II.1., S. 69 f.
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higkeit zur Voraussetzung für den grundrechtlichen Schutz der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Inanspruchnahme gleichgeschlechtlichen Fortpflanzungspotentials machen,291 würde man Wunscheltern, die trotz (voll) vorhandenen Fortpflanzungspotentials (auch) auf fremdes, gleichgeschlechtliches Fortpflanzungspotential zurückgreifen, mittelbar sogar die Ernsthaftigkeit ihres Kinderwunsches absprechen. Dies aber wäre wohl selbst dann zu weitgehend, wenn etwa eine voll fortpflanzungsfähige Wunschmutter aus purer Eitelkeit auf eine (genetisch-) plazentale Ersatzmutter zurückgreift; erst recht gilt dies für die Inanspruchnahme einer Eizellspende durch eine (voll fortpflanzungsfähige) plazentale Wunschmutter. Hinzu kommt, dass mit der Forderung einer (teilweisen) Fortpflanzungsunfähigkeit als Voraussetzung für die Inanspruchnahme gleichgeschlechtlichen Fortpflanzungspotentials eine Besserstellung der Verwirklichung des Kinderwunsches gegengeschlechtlicher Paare gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren verbunden wäre. Wäre etwa eine Frau zur Verwirklichung ihres und des Kinderwunsches ihres Partners auf die Entgegennahme einer Eizellspende angewiesen (teilweise Fortpflanzungsunfähigkeit der Frau), wäre dieser Vorgang nach dem vorstehend Gesagten zweifelsohne grundrechtlich geschützt (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG oder „nur“ und vorzugswürdig Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Würden hingegen zwei lesbische, voll fortpflanzungsfähige Frauen ihren gemeinsamen Kinderwunsch durch reziproke In-vitro-Fertilisation verwirklichen wollen, bei der die Eizelle einer der Frauen in-vitro mit dem Samen eines Spenders befruchtet und hiernach der anderen Frau eingepflanzt wird,292 erführe die Entgegennahme der Eizellspende als Inanspruchnahme gleichgeschlechtlichen Fortpflanzungspotentials wegen der vollen Fortpflanzungsfähigkeit der Partnerin, die das Kind austragen soll, keinen entsprechenden grundrechtlichen Schutz.293 Hierdurch aber würde dem Paar die einzige Möglichkeit, beide Partner*innen körperlich an der Verwirklichung des gemeinsamen Kinderwunsches teilhaben zu lassen (genetische Mutterschaft der die Eizelle „spendenden“ Wunschmutter, plazentale Mutterschaft der die Eizelle empfangenden und das Kind austragenden Wunschmutter), versagt. Die Frage, ob das jeweilige Wunschelter (voll) fortpflanzungsfähig ist, sollte deshalb für die grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches 291 Vgl. (zu Art. 8 EMRK): Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, S. 259 f., der von einem Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK nur ausgeht, wenn es „den Betroffenen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, sich ihren Kinderwunsch durch Geschlechtsverkehr zu erfüllen.“ 292 Zur reziproken In-vitro-Fertilisation siehe Dethloff, in: Hilbig-Lugani/Jakob/ Mäsch et al., Zwischenbilanz, 2015, S. 41. Siehe auch OLG Köln, Beschluss vom 26. März 2015 – 14 UF 181/14 –, sowie bereits Beschluss vom 27. August 2014 – 2 Wx 222/14 –. 293 Vgl. auch Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 249: „Die Verwirklichung des Kinderwunsches ist ein elementares menschliches Bedürfnis, das nicht von der sexuellen Orientierung abhängt. Von daher gesehen wäre der Zugang zu fortpflanzungmedizinischen Verfahren grundsätzlich ein Gebot der Gleichbehandlung.“
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auf Schutzbereichsebene insgesamt keine Rolle spielen.294 Angemessen erscheint vielemehr, die Gründe für den Rückgriff des Wunschelters auf fremdes, gleichgeschlechtliches Fortpflanzungspotential (vor allem die Frage nach einer medizinischen Indikation295) bei der Frage der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen zu berücksichtigen. Dort lassen sich die für und gegen die Inanspruchahme der Spende jeweils sprechenden (typisierten) Gründe einander klar gegenüberstellen.296 Zutreffend erscheint nach alledem, die Entgegennahme einer Eizellspende nicht als Akt der Herstellung des (vollen) Fortpflanzungspotentials der plazentalen Wunschmutter zu begreifen, sondern schlichtweg als Inanspruchnahme verfügbaren fremden, gleichgeschlechtlichen Fortpflanzungspotentials zum Zwecke der Verwirklichung des Kinderwunsches dieser Frau. Die plazentale Wunschmutter kann sich deshalb hinsichtlich der Verwirklichung ihres Kinderwunsches durch Entgegnahme einer Eizellspende unabhängig von ihrer individuellen Fortpflanzungsfähigkeit auf den sachlichen Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) stützen. (2) Weitere Fallgruppen der Inanspruchnahme fremden, gleichgeschlechtlichen Fortpflanzungspotentials Das soeben zur Inanspruchnahme einer Eizellspende zum Zwecke der Verwirklichung des Kinderwunsches einer plazentalen Wunschmutter gefundene Ergebnis lässt sich auf verbleibende Fallkonstellationen, in denen ein Wunschelter zur Verwirklichung des eigenen Kinderwunsches auf fremdes, gleichgeschlechtliches Fortpflanzungspotential zurückgreift, übertragen. Konkret bedeutet dies, dass sich neben der eine Eizellspende in Anspruch nehmenden plazentalen Wunschmutter auch die genetische Wunschmutter oder die „bloße“ Wunschmutter, die ihren Kinderwunsch mittels einer plazentalen oder einer genetisch-plazentalen Ersatzmutter beziehungsweise einer plazentalen Ersatzmutter und einer Eizellspenderin zu verwirklichen sucht, auf den sachlichen Schutzbrereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials berufen kann. Gleiches muss für die Inanspruchnahme einer Samenspende durch einen Wunsch-
294 In diesem Sinne wohl auch Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 84 f., die zurecht darauf aufmerksam macht, dass die Frage, ob die individuelle Fortpflanzungsunfähigkeit Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Gametenspenden ist, in der Literatur bislang „kaum diskutiert“ (ebd., S. 84) wird. 295 Zur Frage der medizinischen Indikation siehe auch nachfolgend Teil 3, C.VI., S. 236 f. 296 Zur Berücksichtigung der Inanspruchnahme einer gegengeschlechtlichen Gametenspende ebenfalls erst bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in die Freiheit des Wunschelters siehe bereits vorstehend Fn. 279.
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vater gelten,297 wobei insbesondere diese Fallgruppe zeigt, dass der Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials nicht voraussetzt, dass sich das Wunschelter selbst fortpflanzt. b) Persönlicher Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials Als Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich bei der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials um ein allen natürlichen Personen offenstehendes „Jedermann-Grundrecht“.298 Wie bereits im Zusammenhang mit dem sachlichen Schutzbereich des Grundrechts erläutert wurde, ist insbesondere die (teilweise) individuelle Fortpflanzungsunfähigkeit des Wunschelters keine Voraussetzung dafür, dass das Wunschelter zur Verwirklichung des eigenen Kinderwunsches auf eine gleichgeschlechtliche Gametenspende oder (im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches einer Wunschmutter) gegebenenfalls auch auf eine (plazentale oder genetisch-plazentale) Ersatzmutter zurückgreifen kann.299 Aus der Einbeziehung des Rückgriffs auf gleichgeschlechtliche Gametenspenden in den Schutzbereich der Freiheit ergibt sich zugleich, dass umgekehrt auch die (volle) Fortpflanzungsfähigkeit eines Wunschelters lediglich insofern und in tatsächlicher Hinsicht relevant ist, als diese Voraussetzung dafür ist, dass das Wunschelter in der Lage ist, seinen Beitrag zur Verwirklichung seines Kinderwunsches durch ausschließliche Nutzung des eigenen Fortpflanzungspotentials zu leisten.300 Keinen überzeugenden argumentativen Anknüpfungspunkt für eine einschränkende Auslegung des persönlichen Schutzbereichs der Freiheit bildet ferner das Alter des Wunschelters.301 Ein Hinweis auf die zwischen männlicher und weiblicher Fortpflanzung bestehenden biologischen Unterschiede, die als Anknüpfungspunkt für Ungleichbehandlungen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) herangezogen werden können, wäre insofern „paradox“ 302, als es im Kontext reproduktions-
297 Siehe aber Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 160 und 180, die aus der Tatsache, dass die Inanspruchnahme einer Samenspende durch den Wunschvater und der damit einhergehenden mangelnden körperlichen Beteiligung dieses Mannes am Fortpflanzungsvorgang den Schluss zieht, der Wunschvater könne sich lediglich auf die allgemeine Handlungsfreiheit stützen; siehe allerdings auch ebd., S. 165, wo die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, den Schutz über „andere, auf das Persönlichkeitsrecht gestützte Rechte“ herzuleiten. 298 Zur Eigenschaft des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als „Jedermann-Grundrecht“ nur: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 51 und 6 m.w. Nw. 299 Vgl. vorstehend unter D.II.3.a)bb)(1)(b), S. 77 ff. 300 Vgl. vorstehend S. 70 f. 301 Zur Frage des Alters des Wunschelters siehe auch nachstehend S. 232. 302 Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 244.
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medizinischer Maßnahmen „doch gerade die Bürden und Schwierigkeiten, welche die Natur der einzelnen Person auferlegt, zu überwinden“ 303 gilt. c) Ergebnis zu 3. Mit den vorstehenden Ausführungen wurde die Reichweite des Schutzbereichs der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) konkretisiert. Hinsichtlich des sachlichen Schutzbereichs der Freiheit wurde in einem ersten Schritt herausgearbeitet, dass dieser eröffnet ist, wenn das Wunschelter seinen Beitrag zur Verwirklichung des Kinderwunsches ausschließlich durch Einsatz des eigenen, vollen Fortpflanzungspotentials erbringt (genetisch-plazentale Wunschmutterschaft oder genetische Wunschvaterschaft).304 Weil die äußeren Rahmenbedingungen der Zeugung im Hinblick auf die grundlegende Trennung von Sexualität und Kinderwunsch bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Grundrechts keinen Anlass für Differenzierungen bieten, ist die Frage, ob der Kinderwunsch auf dem Wege des Geschlechtsaktes verwirklicht wird, oder ob die Zeugung des Kindes wegen der Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken außerhalb eines intimen Rahmens erfolgt, in allen Fällen der Verwirklichung des Kinderwunsches nicht von Bedeutung. Wegen des individualrechtlichen Charakters der Freiheit ebenfalls irrelevant ist, aus welcher Motivation heraus die Person handelt, die den zur Verwirklichung des Kinderwunsches des Wunschelters stets erforderlichen Gegenbeitrag leistet. Für die zunächst untersuchte Verwirklichung des Kinderwunsches mittels des vollen eigenen Fortpflanzungspotentials folgt hieraus, dass die Frage, ob das gegengeschlechtliche Fortpflanzungspotential von dem*der Partner*in des Wunschelters zur Verfügung gestellt wird, oder von einem*einer Gametenspenderin stammt (gegengeschlechtliche Gametenspende), ohne Belang ist. In einem zweiten Schritt erörtert wurde, dass der sachliche Schutzbereich der Freiheit ferner eröffnet ist, wenn der Beitrag des Wunschelters zur Verwirklichung seines Kinderwunsches – teilweise oder ausschließlich – unter Rückgriff auf fremdes, gleichgeschlechtliches Fortpflanzungspotential erfolgt (gleichgeschlechtliche Gametenspende: plazentale Wunschmutterschaft unter Rückgriff auf eine Eizellspende; genetische Wunschmutterschaft unter Rückgriff auf eine plazentale Ersatzmutter; Wunschmutterschaft unter Rückgriff auf eine plazentalgenetische Ersatzmutter; Wunschmutterschaft unter Rückgriff auf eine plazentale 303 Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 244 (im Zusammenhang mit dem Rückgriff auf die „Natur“ als Argument für Altersgrenzen). In Extremfällen wird man allerdings die Ernsthaftigkeit des Wunsches, elterliche Verantwortung für ein Kind tragen zu wollen, und damit die Einschlägigkeit des Schutzbereichs der Freiheit überhaupt infrage stellen müssen. 304 Siehe hierzu vorstehend unter D.II.3.a)aa), S. 72 ff.
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Ersatzmutter und eine Eizellspenderin; Wunschvaterschaft unter Rückgriff auf eine Samenspende).305 Zur Unterschutzstellung der Entgegennahme einer Eizellspende wurde erläutert, dass diese nicht als Maßnahme zur Herstellung des (vollen) Fortpflanzungspotentials der plazentalen Wunschmutter zu begreifen ist, weshalb die Inanspruchnahme der Spende insbesondere nicht als Maßnahme zur Herstellung der körperlichen Unversehrtheit der plazentalen Wunschmutter zu verstehen und deshalb nicht dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu unterstellen ist. Damit steht zugleich fest, dass die individuelle (teilweise) Fortpflanzungsunfähigkeit des Wunschelters auf Schutzbereichsebene keine Voraussetzung für den Rückgriff vor allem auf gleichgeschlechtliche Gametenspenden ist. Folglich kann sich etwa auch die voll fortpflanzungsfähige Wunschmutter hinsichtlich der Verwirklichung ihres Kinderwunsches mittels Entgegennahme einer Eizellspende auf dem Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials berufen. Der persönliche Schutzbereich des Grundrechts bezieht somit alle natürlichen Personen unabhängig von ihrer individuellen Fortpflanzungsfähigkeit ein. Der Erwähnung bedarf schließlich, dass der untersuchte Schutz der Verwirklichung des Kinderwunsches durch Fortpflanzung, wie insbesondere die Unterschutzstellung auch der Entgegennahme einer Samenspende durch einen Wunschvater zeigt, nicht voraussetzt, dass sich das Wunschelter selbst fortpflanzt. Insgesamt erstreckt sich der Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials deshalb grundsätzlich auf alle dem Wunschelter zur Verfügung stehenden Maßnahmen, die als Verwirklichung seines Kinderwunsches mittels Fortpflanzung angesehen werden können. 4. Eingriffe nur unter engen Voraussetzungen Keine der dem Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) unterstehenden Formen der Verwirklichung des Kinderwunsches ist dem absolut geschützten Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuzuordnen (a)). Eingriffe sind in allen Fällen nur unter engen Voraussetzungen, namentlich zum Schutz der Grundrechte Dritter und/oder von Rechtsgütern von Verfassungsrang, möglich (b)).306 a) Kein absoluter Schutz Obwohl die Entscheidung zur Verwirklichung des Kinderwunsches und deren Umsetzung stets höchstpersönlichen Charakters ist (aa)), scheidet eine absolute
305
Vorstehend unter D.II.3.a)bb), S. 76 ff. Zur Schutzintensität des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Allgemeinen siehe vorstehend unter D.I.4., S. 65 ff. 306
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Unterschutzstellung der Verwirklichung des Kinderwunsches in allen Fällen aus (bb)). aa) Höchstpersönlicher Charakter der Verwirklichung des Kinderwunsches Für die Gestaltung des eigenen Lebens sind wenige Entscheidungen denkbar, die vergleichbar weitreichende Konsequenzen haben wie die Entscheidung für ein Kind. Die Verwirklichung dieser Entscheidung bedeutet für das Wunschelter eine dauerhafte und ganz besondere Verantwortung für eine andere Person, derer es sich nicht ohne Weiteres entziehen kann.307 Bereits dies rechtfertigt es, die Entscheidung für die Verwirklichung des Kinderwunsches nicht nur als eine für die eigene Persönlichkeitsentwicklung grundlegende,308 sondern darüber hinaus als eine Entscheidung höchstpersönlichen Charakters anzusehen. Staatlichen Regelungen ist die Verwirklichung des Kinderwunsches damit nur dann zugänglich, wenn diese einen hinreichenden Sozialbezug aufweist.309 Ein Unterschied zwischen den verschiedenen Formen der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Fortpflanzung besteht insoweit nicht. Höchstpersönlichen Charakter hat die Verwirklichung des Kinderwunsches insbesondere auch dann, wenn das Wunschelter seinen Kinderwunsch unter Rückgriff auf fremde, gleichgeschlechtliche Gameten verwirklicht. Damit soll keineswegs infrage gestellt werden, dass die ausschließlich mit der genetischen Wunschelternschaft (genetische Wunschvaterschaft; genetisch-plazentale Wunschmutterschaft; genetische Wunschmutterschaft) verbundene Möglichkeit, die phänotypische und charakterliche Ähnlichkeit des Kindes zu einem selbst im täglichen Umgang zu erfahren, persönlichkeitsprägende Wirkung haben kann und selbst dann schützenswert ist, wenn man davon ausgehen müsste, dass das Verhalten eines Kindes nicht maßgeblich oder auch nur in signifikantem Maße auf dessen genetische Veranlagungen zurückzuführen ist.310 Auch soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die Möglichkeit, Elter eines mit den eigenen Gameten gezeugten Kindes zu werden, vielfach integraler Bestandteil des Kinderwunsches ist und dass umgekehrt die nicht vorhandene Möglichkeit, ein genetisch von einem selbst abstammendes Kind großziehen zu können, oftmals der ausschlaggebende Grund dafür sein mag, in Form von Gametenspenden zur Verfügung stehendes gleichge307 Zur Frage der verfassungsrechtlichen Elternschaft des Wunschelters vgl. nachfolgend Teil 2, S. 93 ff. 308 Siehe hierzu vorstehend unter D.II.1., S. 69 f. 309 Vgl. hierzu vorstehend S. 65 f. 310 Vgl. Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 186: „Es mag eine Illusion oder soziale Konstruktion sein, die in die genetische Verwandtschaft eine faktische Verbindung hineinliest [. . .].“ (Im Zusammenhang mit dem – von ihr als schützenswert anerkannten – Interesse des leiblichen Vaters daran, Kenntnis über die Abstammung eines Kindes von ihm zu haben.)
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schlechtliches Fortpflanzungspotential nicht in Anspruch zu nehmen. Entscheidet sich aber ein Wunschelter trotz der fehlenden Möglichkeit, sich (mittels der eigenen Gameten) fortzupflanzen, für die Verwirklichung des Kinderwunsches, muss man auch hier darauf verweisen, dass diese Entscheidung des Charakters „trotzdem“ untermauert, welche grundlegende Bedeutung auch dieses Wunschelter dem Leben mit einem Kind beimisst.311 Der Tatsache, dass die im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels der eigenen Gameten stattfindende „Persönlichkeitsverwirklichung im Nachkommen“ 312 eine zusätzliche Dimension aufweist, kann bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen Rechnung getragen werden. bb) Hinreichender Sozialbezug Gegen einen absoluten Schutz der Freiheit zur Verwirklichung des Kinderwunsches selbst durch Geschlechtsakt wird eingewandt, dass auch diese „niemals isoliert den Persönlichkeitsbereich einer Person betrifft, sondern mit besonderer Intensität in die engere persönliche Lebenssphäre einer zweiten Person [gemeint ist die Person, mit welcher der Geschlechtsverkehr ausgeübt wird] hineinwirkt“.313 Die notwendige Beteiligung einer weiteren Person am Fortpflanzungsgeschehen spricht allerdings dann nicht unbedingt gegen eine absolute Unterschutzstellung, wenn diese Person ebenfalls aus der Motivation heraus handelt, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. In diesem Fall nämlich könnte man eventuell – um die räumliche Metaphorik der Sphärentheorie zu bemühen – von der Verschmelzung zweier absolut geschützter Bereiche zu einem absolut geschützten Gesamtbereich ausgehen.314 311 Siehe zu diesem Aspekt auch bereits vorstehend, S. 77 (im Kontext der Eizellspende). 312 Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 35. Vgl. auch Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 197 („teilsweise Perpetuierung von Persönlichkeit“), sowie Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 34, nach dem „die Fortpflanzung die personale Integrität auf der Schiene der Zeit sowie den Fortbestand der eigenen Würde über die eigene Existenz hinaus zum Gegenstand hat.“; ähnlich: Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 137. 313 Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 23, die sich aufgrund dieses Befundes gegen einen absoluten Schutz ausspricht. 314 In diesem Sinne Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 139, 146 und 159, die den absoluten Schutz jedoch auch mit der Intimität des äußeren Rahmens des Fortpflanzungsgeschehens erklärt. Vgl. ferner BVerfG, Urteil vom 10. Mai 1957 – 1 BvR 550/52 –, BVerfGE 6, 389, 433 bzw. Rn. 166, juris: „Doch können auch Vorgänge, die sich in ,Kommunikation‘ mit andern vollziehen, aus dem Gesichtspunkte der Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG dem Zugriff des Gesetzgebers entzogen sein.“ Ausdrücklich (und allgemein) gegen die Möglichkeit einer „,Kernbereichsgemeinschaft‘ in Form einer Personenmehrheit“: Barrot, Der Kernbereich privater
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Grundsätzlich gegen einen absoluten Schutz der Freiheit zur Verwirklichung des Kinderwunsches315 spricht deshalb nicht die Beteiligung einer weiteren Person an der Entstehung des Kindes, sondern vielmehr die – allen vorliegend interessierenden Formen der Verwirklichung des Kinderwunsches gemeine – Folge des grundrechtlich geschützten Verhaltens: Die Entstehung des Kindes. Ein hinreichender, einen absoluten Schutz ausschließender Sozialbezug ist hierin schon deshalb zu sehen, weil die staatliche Gemeinschaft eine mit dem staatlichen Wächteramt nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG auch textlich im Grundgesetz festgehaltene, wenn auch im Verhältnis zu der Verantwortung der verfassungsrechtlichen Eltern subsidäre, Verantwortung für das Kind trägt.316 Wie noch zu zeigen sein wird, umfasst diese staatliche Verantwortung sogar eine Schutzpflicht zu Gunsten des Kindes als zukünftigem Grundrechtsträger.317 Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Verbots des Beischlafs zwischen Geschwistern318 weist in diese Richtung; denn der einen absoluten Schutz des Beischlafs ausschließende Sozialbezug wird dort nicht mit der notwendigen Beteiligung zweier Personen am Beischlaf, sondern mit den Auswirkungen auf Dritte und hier insbesondere der Entstehung eines Kindes
Lebensgestaltung, 2012, S. 160 f. (Zitat auf S. 161). Zur Irrelevanz der Frage, ob die Zeugung des Kindes innerhalb eines intimen Rahmens stattfindet, siehe bereits vorstehend D.II.3.a)aa)(2)(a), S. 74 f. Unzutreffend daher auch Wapler, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 2010, S. 141: „[. . .] wenn ein Kind nicht auf natürlichem Wege – was der Intimsphäre zuzuordnen ist und deswegen durch staatliches Handeln nicht reguliert werden darf –, sondern mit ärztlicher Hilfe gezeugt wird.“ Mit Recht kritisch zum „Dogma der staatsfreien Intimsphäre“: Lembke, in: Lembke, Regulierungen des Intimen, 2016, S. 3. 315 Ebenfalls nicht von einem absoluten Schutz gehen aus etwa: Gassner/Kersten/ Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 34 f. („,menschenwürdenahes‘ Grundrecht“) (ebd., S. 34), sowie Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 137; Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 35 („an der Grenze zur Unantastbarkeit“). Auch bei Benda, in: Petersen, Retortenbefruchtung und Verantwortung, 1985, S. 144, wird zwar die Nähe zu Art. 1 GG deutlich; auch dieser geht davon aus, dass die Familiengründung staatlichen Regelungen zugänglich ist. Ginge man von einem absoluten Schutz aus, bedeutete allerdings selbst dies nicht zwangsläufig, dass eine Abwägung mit entgegenstehenden Belangen nicht möglich wäre. Dies jedenfalls dann nicht, wenn man den Gehalt des absolut geschützten Bereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrecht mit dem Gehalt des Art. 1 Abs. 1 GG gleichsetzt und den Stimmen folgt, die gegen die Doktrin der Absolutheit des Schutzes des Art. 1 Abs. 1 GG Einwände erheben, so etwa Teifke, Das Prinzip Menschenwürde, 2011, und Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 46 ff. [Stand: Lfg. 55 Mai 2009]. 316 Zu Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG als positivierter Schutzpflicht gegenüber dem Kind vgl. Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 180, ferner etwa Hölbling, Wie viel Staat vertragen Eltern?, 2010, S. 147. 317 Siehe hierzu Teil 3 unter A.I., S. 183 ff. 318 Hierzu bereits vorstehend Abschnitt 1, S. 24 f.
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als möglicher Folge des Beischlafs begründet.319 Wenn das Gericht mit dieser Entscheidung wie erwähnt zwar sicherlich keine grundsätzlichen (indirekten) Aussagen über die grundrechtliche Einordnung der Verwirklichung des Kinderwunsches hat treffen wollen, wäre es gleichwohl sehr überraschend, wenn die Entstehung eines Kindes zwar im Kontext des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung Eingriffe rechtfertigen können sollte, nicht aber im Kontext des Schutzes der Verwirklichung des Kinderwunsches. b) Eingriffe nur zum Schutz von Grundrechten Dritter und/oder von Rechtsgütern von Verfassungsrang Als Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts findet auf die Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials die Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 GG Anwendung; die Freiheit steht damit unter einfachem Gesetzesvorbehalt.320 Die im Vergleich zur allgemeinen Handlungsfreiheit ohnehin verstärkten Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen verdichten sich wegen des höchstpersönlichen Charakters aller Formen der Verwirklichung des Kinderwunsches auch im Falle des Rückgriffs auf reproduktionsmedizinische Techniken und/oder Gametenspenden, weshalb die Rechtfertigung von Eingriffen stets nur unter sehr engen Voraussetzungen denkbar ist. Erforderlich sind neben einer formell-gesetzlichen Grundlage vor allem hinreichend gewichtige Gründe, die den jeweiligen Eingriff zum Zwecke des Schutzes der Grundrechte Dritter und/oder von Rechtsgütern von Verfassungsrang angemessen erscheinen lassen.321 Nicht ausreichend sind damit insbesondere einfache öffentliche Interessen wie etwa (ohnehin problematisch) der Schutz bestimmter Moralvorstellungen.322 Auch bevölkerungspolitische Erwägungen vermögen staatliche Zugriffe nicht zu rechtfertigen.323
319 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07 –, BVerfGE 120, 224, 243 bzw. Rn. 40: „Der Beischlaf zwischen Geschwistern betrifft nicht ausschließlich diese selbst, sondern kann in die Familie und die Gesellschaft hinein wirken und außerdem Folgen für aus der Verbindung hervorgehende Kinder haben.“ Kritisch gerade zu diesem Passus: Barrot, Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, 2012, S. 160 f. 320 Zu den Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts siehe bereits vorstehend D.I.4.b), S. 67 f. 321 Im Ergebnis ebenso: Jofer, Regulierung der Reproduktionsmedizin, 2014, S. 163 (kollidierende Grundrechte oder Verfassungsprinzipien); Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 34 („Rechtsgüter, die selbst Verfassungsrang genießen und einen Menschenwürdebezug haben“.). Wortgleich: Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 144. 322 Hierin liegt ein Unterschied zu den Schranken, denen der grundrechtliche Schutz der Verwirklichung des Kinderwunsches unter dem Regime der EMRK unterliegt, siehe hierzu nachfolgend Teil 3, S. 216. 323 Vgl. auch Sacksofsky, in: Lembke, Regulierungen des Intimen, 2016, S. 98 f., die jedoch den Bereich der Reproduktionsmedizin unter anderem wegen der Komplexität
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Einen realistischen Anwendungsbereich für beschränkende staatliche Regelungen weisen indes alle Formen der Verwirklichung des Kinderwunsches unter Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken (mit oder ohne Gametenspende) auf. Der Grund hierfür liegt in der mit den entsprechenden Techniken einhergehenden (rein faktischen) Möglichkeit, direkt auf die Gameten, mittels derer das Wunschkind gezeugt wird, zuzugreifen. Damit nämlich besteht nicht nur die Gefahr einer (ungewollten) Schädigung der Zellen, sondern insbesondere auch des Risiko, dass das in den Gameten enthaltene Erbgut (bewusst) verändert wird.324 Werden die Gameten versehentlich geschädigt oder Veränderungen am Erbgut der Zellen vorgenommen, hat dies auch Auswirkungen auf das mittels der Gameten gezeugte Kind. Unabhängig davon, wie man sich derartigen Vorgängen verfassungsrechtlich nähert,325 dürfen diese Auswirkungen bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Anwendung reproduktionsmedizinischer Techniken nicht außer Betracht bleiben.326 Abgewogen werden kann die Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials im Falle des Rückgriffs auf reproduktionsmedizinische Techniken zudem mit den Grundrechten sonstiger am Fortpflanzungvorgang, das heißt insbesondere am Zeugungsvorgang, direkt oder
der damit verbundenen Fragen aus ihren Ausführungen zur antinatalistischen Bevölkerungspolitik ausdrücklich ausklammert. 324 Denkbar sind nicht nur Maßnahmen am Embryo-in-vitro, sondern bereits an den Gameten selbst; entsprechend ist es nach § 5 Abs. 2 ESchG verboten, „eine menschliche Keimzelle mit künstlich veränderter Erbinformation zur Befruchtung“ zu verwenden, siehe hierzu etwa Günther, in: Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, § 5 Rn. 26 ff. Zum bekanntlich seit langer Zeit umstrittenen verfassungsrechtlichen Status des Embryo-invitro siehe nur Kersten, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 112 ff. (mit umfangreichen weiteren Nachweisen); ferner Sacksofsky, in: Oduncu/Platzer/Henn, Der Zugriff auf den Embryo, 2005, S. 52 (auch zum Embryo-in-utero und unter Zugrundelegung eines Konzepts „anwachsenden Lebensschutzes“, Zitat auf S. 57). 325 Vgl. zu diesem Aspekt nachfolgend Teil 3 unter A.I.3.c), S. 203 f. 326 Vgl. auch Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 241, die im Zusammenhang mit dem Risiko von Fehlbildungen nach Vornahme reproduktionsmedizinischer Maßnahmen ausführen: „Soweit die Verursachung von Schädigungen durch die zur Anwendung gelangenden Verfahren selber betroffen ist, haben jedenfalls die sich aus dem Kindeswohl ergebenden Einschränkungen für die Fortpflanzungsmedizin sicherlich ihre Berechtigung.“ Vgl. ferner: Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 274, nach dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG „die Pflicht [folgt], solche staatlichen Handlungen zu unterlassen sowie vor solchen privaten Verhaltensweisen zu schützen, die den Ungeborenen einer über das natürliche Risiko hinausgehenden Lebensgefährdung aussetzen. Eine derartige Gefährdung resultiert insbesondere aus der ,Enthausung‘ des Embryos in extrakorporalen Befruchtungszusammenhängen.“, sowie Keller, in: Jescheck/Vogler, Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag am 24. August 1989, 1989, S. 715: „Gerade weil wir das Leben als verfassungsrechtlichen Höchstwert zu achten haben, sind der manipulierten und instrumentalisierten Fortpflanzung Grenzen zu setzen. Dabei muss auch das zukünftige Wohl des Kindes, jedenfalls vom Arzt, mitberücksichtigt werden.“
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
indirekt beteiligter Personen, also etwa mit den Rechten von Gametenspender*innen327 und/oder jenen des medizinischen Personals.328
E. Ergebnis zu Teil 1 Ziel dieses ersten Teils der Arbeit war die Beantwortung der Frage, ob und inwiefern der Wunsch einer Frau, ihren Kinderwunsch mittels der Entgegennahme einer Eizellspende zu verwirklichen, grundrechtlichen Schutz erfährt. Einbezogen in die hierzu durchgeführte Untersuchung wurden auch sonstige Fälle, in denen der Kinderwunsch einer Person mittels Fortpflanzung verwirklicht werden soll. Eine nähere Betrachtung verschiedener grundrechtlicher Schutzbereiche ergab, dass die Verwirklichung des Kinderwunsches über die Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials erfasst wird, die wegen der grundlegenden Bedeutung der Verwirklichung des Kinderwunsches für das eigene Selbstverständnis und die eigene Lebensführung einen Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) bildet.329 Der spezifische Schutzgehalt des Grundrechts besteht darin, dass die jeweilige Maßnahme zur Verwirklichung des Kinderwunsches von der Motivation getragen wird, die Elternschaft für das hieraus hervorgehende Kind zu übernehmen. Nicht auf den Schutzbereich der Freiheit berufen können sich deshalb Gametenspender*innen. Ein (Leistungs-)Anspruch auf Verwirklichung des Kinderwunsches besteht nicht. Die Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials ermöglicht es dem Wunschelter jedoch, grundsätzlich auf alle tatsächlich zur Verfügung stehenden Maßnahmen zurückgreifen, die als Beitrag zur Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Fortpflanzung verstanden werden können. Erfasst von der Freiheit wird damit nicht nur die Verwirklichung des Kinderwunsches durch Geschlechtsakt, sondern auch die Entgegennahme von Gametenspenden, und zwar unabhängig davon, ob diese von Personen stammen, die anderen Geschlechts sind als das Wunschelter (gegengeschlechtliche Gametenspenden), oder ob diese von Personen stammen, die dem gleichen Geschlecht angehören wie das Wunschelter (gleichgeschlechtliche Gametenspenden). Erforderlich ist insbesondere nicht, dass sich das Wunschelter selbst fortpflanzt oder (im Hinblick auf die Inanspruchnahme gleichgeschlechtlicher Gametenspenden von Bedeutung) auf die Entgegennahme der Spende medizinisch angewiesen ist. Neben der (voll oder nur teilweise fortpflanzungsfähigen) plazentalen Wunschmutter, die zur Verwirk327
Zum grundrechtlichen Schutz der Gametenspender*innen vgl. S. 70. Direkt am Fortpflanzungsvorgang beteiligt wäre auch etwa die Ersatzmutter. Nachweise zu Fundstellen, die sich mit der Zulässigkeit der Ersatzmutterschaft beschäftigen, finden sich in Fn. 11. 329 Hierzu vorstehend Abschnitt 3, D., S. 58 ff. 328
Abschn. 3: Grundrechtliche Einordnung der Verwirklichung des Kinderwunsches 91
lichung ihres Kinderwunsches eine Eizellspende in Anspruch nimmt, kann sich deshalb auch etwa der eine Samenspende in Anspruch nehmende Wunschvater auf den Schutzbereich der Freiheit berufen.330 Im Zusammenhang mit der Frage, welchen Schranken die Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials unterliegt,331 wurde zunächst der höchstpersönliche Charakter aller Formen der Verwirklichung des Kinderwunsches festgestellt. Gezeigt wurde jedoch, dass dennoch keine Form der Verwirklichung des Kinderwunsches absoluten Schutz genießt. Vielmehr bedingt die Folge des grundrechtlich geschützen Handelns – die Entstehung eines Kindes – einen hinreichenden Sozialbezug, der alle Formen der Verwirklichung des Kinderwunsches staatlichen Regelungen zugänglich macht. Eingriffe sind jedoch stets nur unter engen Voraussetzungen, namentlich zum Schutz der Grundrechte Dritter und/oder von Rechtsgütern von Verfassungsrang, möglich. Ein realistischer Anwendungsbereich für mögliche Einschränkungen ist wegen der Möglichkeit des direkten Zugriffs auf die Gameten dann gegeben, wenn reproduktionsmedizinische Techniken (mit oder ohne Gametenspenden) in Anspruch genommen werden (Manipulationsgefahr).332 Nicht zur grundrechtlichen Einordnung der Verwirklichung des Kinderwunsches geeignet erscheint der in der Literatur häuftig bemühte Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG („Freiheit zur Familiengründung“).333 Soweit dieser Fragen der Gründung einer Familie erfasst, beschränken sich diese auf die Aufnahme sozial-familiärer Beziehungen zwischen Personen, die potentiell in einem sozial-familiären Verhältnis im Sinne der Vorschrift zueinander stehen können. Mit der Aufnahme derartiger Beziehungen vorgelagerten Fragen, wie sie sich im Zusammenhang mit der Gründung einer Familie durch Fortpflanzung stellen, wäre der Schutzbereich hingegen überfrachtet.334 Auch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Elternverantwortung) ist nicht einschlägig.335 Die vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG erfasste Ehegestaltungsfreiheit umfasst zwar auch die Entscheidung für oder gegen Kinder.336 Allerdings tritt Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG gegenüber Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (Freiheit zur Nutzung verfügbaren 330
Eine weitergehende Zusammenfassung des Inhalts des sachlichen sowie des persönlichen Schutzbereichs der Freiheit findet sich in Abschnitt 3 unter D.II.3.c), S. 83 f. 331 Hierzu vorstehen Abschnitt 3, D.II.4., S. 84 ff. 332 Zur Frage der Rechtfertigung des in dem Verbot der Eizellspende liegenden Eingriffs in die Freiheit der plazentalen Wunschmutter zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials siehe nachstehend Teil 3 (S. 182 ff.). 333 Siehe hierzu vorstehend Abschnitt 3, A., S. 32 ff. 334 Siehe speziell hierzu vorstehend Abschnitt 3, A.II.2., S. 54 ff. Eine weitergehende Zusammenfassung der zu Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG gefundenen (Zwischen-)Ergebnisse findet sich in Abschnitt 3 unter A.I.4., S. 41 f. und A.II.1.c), S. 51 ff. 335 Siehe hierzu vorstehend Abschnitt 3, C., S. 57 f. 336 Siehe hierzu vorstehend Abschnitt 3, B., S. 56 f.
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Teil 1: Grundrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches
Fortpflanzungspotentials) im Wege der Generalität zurück, weil die Familiengründung nicht zum spezifischen Schutzgehalt der Ehefreiheit zählt und Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG insoweit im Vergleich zu Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG keinen eigenständigen Schutzgehalt aufweist.337
337 Deshalb ist auch im Falle des Bestehens einer Ehe nicht von einer „Verstärkung“ des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Art. 6 Abs. 1 Var. 1 GG auszugehen (so aber Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 24 f.). Zur Verstärkung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG siehe etwa BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – 1 BvR 653/96 –, BVerfGE 101, 361, 386 bzw. Rn. 84; vgl. auch Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000. Zur Schutzbereichsverstärkung sowie zur Verstärkungswirkung von Abwägungskombinationen im Allgemeinen: Breckwoldt, Grundrechtskombinationen, 2015, S. 47 ff. und 143 ff. Zur Bedeutung des „spezifischen Sinngehalt[s]“ von Grundrechtsnormen vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Juli 1961 – 1 BvL 32/57 –, BVerfGE 13, 290, 296 bzw. Rn. 23, juris.
Teil 2
Verfassungsrechtliche Elternverantwortung der plazentalen Wunschmutter In Teil 1 der Arbeit wurde gezeigt, dass sich die plazentale Wunschmutter hinsichtlich der Verwirklichung ihres Kinderwunsches mittels der Entgegennahme einer Eizellspende auf den Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) berufen kann und dass Eingriffe in dieses Recht nur zum Schutz von Grundrechten Dritter und/oder von Rechtsgütern von Verfassungsrang erfolgen dürfen. Ob die Ausübung dieser grundrechtlich geschützten Freiheit dazu führt, dass sich die plazentale Wunschmutter auf das Recht berufen kann, das Kind zu pflegen und zu erziehen (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), und welche Stellung die Eizellspenderin insoweit einnimmt, bleibt zu klären.338 Abschnitt 1
Einführendes und Gang der Darstellung A. Erkenntnisinteresse Die nachfolgenden Ausführungen verfolgen nicht das Ziel, das Phänomen verfassungsrechtlicher Elternschaft und Elternverantwortung abschließend zu ergründen. Vor dem Hintergrund des Themas der vorliegenden Arbeit aufgezeigt werden soll allein, dass die bisher durch das Bundesverfassungsgericht gezeichneten Konturen des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG es erlauben, die
338 Keine Rolle spielt dabei, dass die Eizellspende gesetzlich verboten ist. Deutlich: Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 102 [Stand: Lfg. 69 Mai 2013]: „Für die Zuweisung der Elterneigenschaft und die daraus hervorgehenden Rechte und Pflichten für die Pflege und Erziehung des Kindes ist nicht von Bedeutung, ob die künstliche Zeugung durch eine genrechtlich legale Zusammenführung von Ei- und Samenzelle erfolgt ist.“. Vgl. ferner etwa Coester-Waltjen, in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 116; Dethloff, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 9; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 98; BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 463/13 –, BGHZ 203, 350, 368 Rn. 56 und unter Verweis auf Dethloff, JZ 2014, 922, 931.
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
plazentale Wunschmutter als Elter im Sinne der Vorschrift und damit339 als Träger*in des (prima facie-)Rechts, das Kind zu pflegen und zu erziehen, anzusehen. Erläutert wird in diesem Zusammenhang auch, warum die Eizellspenderin unter dem Regime des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG keine Rechte und Pflichten hat, da diese schon nicht dessen persönlichen Schutzbereich unterfällt. Aufmerksamkeit gewidmet wird auch der Frage, welche Rolle dem Gesetzgeber bei der Ausfüllung insbesondere des persönlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zukommt. Wenngleich im Zusammenhang mit den Techniken der modernen Fortpflanzungsmedizin oftmals mit Recht von Veränderungen die Rede ist, die an den Grundzügen des bisherigen Verständnisses von Elternschaft rüttelten,340 darf bei einer verfassungsrechtlichen Einordnung der durch Gametenspenden zustande kommenden Wunschelternschaft nicht übersehen werden, dass das hierdurch bedingte Auseinanderfallen vor allem von genetischer und sozialer Elternschaft kein gänzlich neues Phänomen ist.341 Zu nennen ist hier zunächst die (bewusste oder unbewusste) „Scheinvaterschaft“.342 Auch die Adoptivelternschaft zeichnet sich durch eine Personenverschiedenheit von leiblichem und sozial-(gesetzlichem) Elter aus. Innerhalb der durch Gametenspenden zustande kommenden Wunschelternschaften ist das Verfahren der Eizellspende allerdings durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass das Kind eine (ehemalige) körperliche Verbindung zu zwei Personen – zur genetischen Mutter (Eizellspenderin) sowie zur plazentalen Wunschmutter – aufweist. Insoweit ist die Eizellspende in der Tat ohne Beispiel.343 Eine Auseinandersetzung mit der Frage der Elternschaft im Kontext der Eizellspende scheint damit insbesondere eine Auseinandersetzung mit der Frage 339 Zur abweichenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur leiblichen Vaterschaft sowie zur kritischen Würdigung dieser Rechtsprechung siehe nachfolgend Abschnitt 2, unter B.III.1., S. 111 f. sowie Abschnitt 3, unter B.II.1.b), S. 156 ff. 340 Vgl. etwa Büchler, AJP 2004, 1175, 1184 „[. . .] wird in Zeiten des biomedizinischen Fortschritts an den letzten tradierten Gewissheiten gerüttelt.“; Bernard, in: Kroppenberg/Löhnig, Fragmentierte Familien, 2010, S. 178, schreibt von „wuchernden Familienkonstellationen“; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 98 f., macht am Beispiel der Spenderinnen von Mitochondrien als Frauen, die nur einen Teil einer Eizelle spenden (auch als „Nur-teilgenetische Mutter“ bezeichnet, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 105), mit Recht darauf aufmerksam, dass mit der Errungenschaft bestimmter fortpflanzungsmedizinischer Techniken zugleich der „Charme [der] Eindeutigkeit“ des Kriteriums der genetischen Abstammung verloren geht (Zitat ebd., S. 98). 341 In diesem Sinne auch Schumann/Ostner, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 298: „moderne Varianten überkommener Institute“. 342 Gemeint ist damit der Fall, in dem die sozial-gesetzliche Vaterschaft nicht mit der leiblichen Vaterschaft einhergeht. 343 Siehe auch Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 233: „[. . .] ein in der Menschheitsgeschichte gänzlich neues Phänomen.“
Abschn. 1: Einführendes und Gang der Darstellung
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zu implizieren, welche Form der (ehemaligen) körperlichen Verbindung – die genetische oder die plazentale – im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Elterneigenschaft von größerem Gewicht ist. Gerade dies ist nachfolgend jedoch nicht beabsichtigt.344 Denn wie sich zeigen wird, lässt sich die Frage, welche Frau im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches unter Verwendung einer Eizellspende als verfassungsrechtliches Elter des Kindes anzusehen ist, unabhängig davon beantworten, ob man annimmt, dass – in rein körperlicher Hinsicht – eine Pattsituation345 zwischen der genetischen Verbindung von Eizellspenderin und Kind sowie der (ehemals) bestehenden „biopsychosozialen“ 346 Bindung von plazentaler Wunschmutter und Kind herrscht, oder ob man die plazentale Mutter als eigenständige rechtliche Kategorie ablehnt.347
B. Verfassungsrechtliche Ausgangslange Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind „Pflege und Erziehung der Kinder [. . .] das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG statuiert zunächst ein Grundrecht eines jeden Elters, das diesem von Verfassungs wegen zugeordnete Kind zu pflegen und zu erziehen (Elternrecht), sowie eine korrespondierende Unterlassungspflicht des Staates.348 Auch, weil das Kind des „Schutzes und der Hilfe“ 349 bedarf, weil es „noch nicht 344 Vgl. auch Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 199: „rechtspolitische Entscheidung“ (im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Gewicht der plazentalen Mutterschaft). 345 In diesem Sinne: Stern, Staatsrecht IV/1, 2006, § 100, S. 533 f., mit der Konsequenz, dass plazentale und genetische Mutter verfassungsrechtlich gleich zu behandeln seien. 346 Der Begriff geht in diesem Kontext zurück auf Püttner/Brühl, JZ 1987, 529, 533. 347 So Schumann/Ostner, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 301 f.: „Neben der rechtlichen, der sozialen und der genetischen Elternschaft eine eigene Fallgruppe der biologischen Mutterschaft zu etablieren, würde bedeuten, dass man an den Umstand des Austauschs von Körperflüssigkeiten zwischen schwangerer Frau und Kind Konsequenzen knüpfen würde, die über das hinaus gehen, was durch die Kategorien der rechtlichen, sozialen oder genetischen Mutterschaft vermittelt werden kann.“ Vgl. auch Kaiser, in: Götz, Familie – Recht – Ethik, 2014, S. 362 (im Zusammenhang mit dem zu Gunsten des Verbots der Ersatzmutterschaft verschiedentlich angeführten etwaigen Bindungsverlust des Kindes): „[. . .] medizinisch nicht belegt und überhöht die Bauchmutterschaft.“ Zu einem aktuellen, durch den Europäischen Forschungsrat (European Research Council – ERC) geförderten philosophischen Projekt namens „Better Understanding the Metaphysics of Pregnancy“ (BUMP) unter Leitung von Elselijn Kingma von der Universität of South Hampton siehe http:// www.southampton.ac.uk/philosophy/research/projects/bump.page (letzter Zugriff am 28. Oktober 2018). 348 Zur abwehrrechtlichen Dimension des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nur: Kotzur, in: Stern/Becker, GG, Art. 6 Rn. 67, sowie bereits etwa BVerfG, Urteil vom 20. Oktober 1954 – 1 BvR 527/52 –, BVerfGE 4, 52, 57 bzw. Rn. 20, juris. 349 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 73 bzw. Rn. 42.
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
selbst für sich Verantwortung tragen kann und zu Schaden käme, wenn es hierbei keine Hilfe erführe“ 350, macht Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG das Elternrecht zugleich zu einer Elternpflicht.351 Demnach stehen zwar das „Wie“ der Pflege und Erziehung des Kindes (Erziehungsziele und Erziehungsmethoden) im Ermessen der Eltern,352 nicht aber das „Ob“. Vielmehr sind die Eltern zur Ausübung des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet – ein innerhalb der Dogmatik der Grundrechte einmaliger Befund. Zum Ausdruck gebracht wird diese Verknüpfung von Elternrecht und Elternpflicht mittels des Oberbegriffs der Elternverantwortung.353 Wer aber sind die Menschen, die als verfassungsrechtliche Eltern Verantwortung für ein Kind tragen dürfen und zu tragen haben? Eine Legaldefinition des Begriffs enthält das Grundgesetz nicht, weshalb die Frage, welche Personen als verfassungsrechtliche Eltern anzusehen sind, durch Auslegung zu ermitteln ist. Eine wesentliche Rolle bei der vorzunehmenden Konkretisierung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein. Zu entscheiden hatte das Gericht bislang jedoch lediglich über die verfassungsrechtliche Einordnung des leiblichen und des gesetzlichen Vaters; Entscheidungen liegen zudem zur Adoptivelternschaft sowie zur sozialen Elternschaft vor. Noch nicht entschieden werden musste hingegen durch das Gericht, welche Personen im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches unter Inanspruchnahme einer Gametenspende als verfassungsrechtliche Eltern anzusehen sind.354
350 BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69, 93 bzw. Rn. 72. 351 Vgl. Bethge, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 2011, § 203 Rn. 118; Gröschner, in: Dreier, GG, 2004, Art. 6 Rn. 100, sowie abermals und nur BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69, 92 bzw. Rn. 70. 352 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2014 – 1 BvR 1178/14 –, Rn. 29; Urteil vom 16. Januar 2003 – 2 BvR 716/01 –, BVerfGE 107, 104, 117 bzw. Rn. 61; vgl. auch Beschluss vom 10. November 1998 – 2 BvR 1057/91 –, BVerfGE 99, 216, 232 f. bzw. Rn. 64 (st. Rspr.); Westermeyer, Die Herausbildung des Subsidiaritätsverhältnisses zwischen Familie und Staat und seine heutige Bedeutung im Grundgesetz, 2010, S. 167; Klein, Fremdnützige Freiheitsgrundrechte, 2003, 72 f. 353 So etwa schon BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/63 –, BVerfGE 24, 119, 143 bzw. Rn. 57, juris; siehe auch etwa Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 78. 354 Es ist jedoch lediglich eine Frage der Zeit, bis das Gericht zur Frage der verfassungsrechtlichen Elternschaft auch in dieser Hinsicht Farbe bekennen muss. Gelegenheit hierzu hätte das Gericht bereits im Jahr 2012 gehabt. Gegenstand der dem Gericht seinerzeit vorliegenden Verfassungsbeschwerde war die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Weigerung deutscher Personenstandsbehörden, die Nachbeurkundung einer Auslandsgeburt vorzunehmen. Die beiden Kinder, deren Geburt beurkundet werden sollte, stammten genetisch von den Wunscheltern ab, ausgetragen worden waren sie allerdings von einer in den USA lebenden Leihmutter. Das Gericht nahm die Verfassungsbe-
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In der Literatur wurde das Thema Gametenspende zunächst in zivilrechtlichen Diskursen zur durch heterologe Insemination zustande kommenden Wunschvaterschaft aufgegriffen.355 Fragen der Mutterschaft hingegen wurde – vor dem Hintergrund der bestehenden Verbote verständlich – weniger Beachtung geschenkt.356 In den letzten Jahren sind jedoch vermehrt Beiträge erschienen, die sich im Kontext der modernen Reproduktionsmedizin auch mit Fragen der Mutterschaft beschäftigen.357 Mit Anlass hierzu gab sicherlich der durch die uneinheitliche internationale Rechtslage verursachte Reproduktionstourismus, der den in Bezug auf reproduktionsmedizinisch bedingte Formen der Mutterschaften in Deutschland gelebten Ansatz „[w]eil [. . .] nicht sein kann, was nicht sein darf“ 358 endgültig zum Scheitern verurteilt hat. Verfassungsrechtliche Beiträge rund um das Thema Elternschaft nach Gametenspende sind – verglichen mit der zivilrechtlichen Literatur – relativ jung und beschränken sich oftmals auf die Nachzeichnung ergangener bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen.359 Allerdings findet das Thema mittlerweile in der Kommentarliteratur zum Grund-
schwerde nicht zur Entscheidung an, siehe Beschluss vom 22. August 2012 – 1 BvR 573/12 –. Siehe ferner BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2017 – 1 BvR 2322/16 – (Begehren eines Mannes, als Vater mehrerer in den USA kryokonservierter Embryonen festgestellt zu werden). 355 Eine Ausnahme stellen die Ausführungen in der Arbeit von Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S. 200 ff. dar, die sich vergleichsweise früh mit Fragen auch der Mutterschaft beschäftige. 356 Siehe auch Röthel/Heiderhoff, in: dies., Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 16, nach denen in den Diskussionen rund um die Mutterstellung eine „untergründige Verunsicherung“ spürbar sei. 357 Einen Sammelband speziell zum Thema Mutterschaft haben Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, vorgelegt. Auch die familienrechtliche Abteilung des 71. Deutschen Justistentages war im September 2016 unter dem Titel „Rechtliche, biologische und soziale Elternschaft – Herausforderungen durch neue Familienformen“ unter anderem mit dem Thema Elternschaft nach Gametenspende befasst (siehe Fn. 657); auch hier lag der Schwerpunkt jedoch auf Fragen der Vaterschaft. Dasselbe gilt für den im Juli 2017 vorgelegten Abschlussbericht des vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzten und interdisziplinär besetzten „Arbeitskreis Abstammungsrecht“ (für Nachweise zu dem Bericht sowie zum Arbeitsauftrag des Gremiuns siehe Fn. 658). 358 Morgenstern, Die unmögliche Tatsache, in: ders., Palmström/Melencolia, 2013 [Erstdrucke 1910 und 1906], S. 17. 359 Ebenso: Jestaedt, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann et al., „Kinderwunschmedizin“ – Reformbedarf im Abstammungsrecht?, 2015, S. 34. Kritisch zum praktizierten Rekurs auf verfassungsrechtliche Argumente im Rahmen zivilrechtlicher Diskurse zeigen sich Röthel/Heiderhoff, in: dies., Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 15: „Nachdem es inzwischen in der Mitte des Privatrechts ,angekommen‘ ist, dass das Privatrecht kein verfassungsfreier Raum ist, hat die Privatrechtswissenschaft die Verfassung für sich entdeckt und versucht sich aus der schwierigen Umklammerung zu lösen durch die große Unterwerfungsgeste mit Gegenumklammerung: Nun kontern die Privatrechtlerinnen und Privatrechtler mit immer neuen Deutungen und Dezisionen zu dem, was aus der Verfassung folgt.“
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
gesetz seinen festen Platz360 und erfreut sich auch sonst zunehmender Beliebtheit.361 Hinsichtlich des Auseinanderfallens von genetischer und plazentaler Mutterschaft gehen dabei die weit meisten Stimmen davon aus, dass sowohl die genetische als auch die plazentale Mutter dem persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unterfallen.362
C. Herausforderungen bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Widmet man sich der Aufgabe, die Frage vor allem nach der verfassungsrechtlichen Elternschaft im Falle von Gametenspenden auf Grundlage der Entstehungsgeschichte des Art. 6 GG sowie insbesondere der bislang ergangenen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zu beantworten, gelangt man schnell zu der Erkenntnis, dass hierin eine Herausforderung liegt. Zu sehen ist diese Herausforderung schon darin, dass im Kontext von Fragen rund um das Thema Elternschaft und Elternverantwortung vieles unausgesprochen vorausgesetzt wird und das jeweils Ausgesprochene nicht selten auf komplexen, von tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnissen und Vorstellungen über das gesellschaftliche Sein und Sollen geprägten Wertungen beruht, die nicht immer vollumfänglich offengelegt werden. Dies gilt für die Debatten im Parlamentarischen Rat, aber auch für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Mit abstrakten Aussagen zum Elternbegriff des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG hält sich das Gericht ohnehin zurück.363 Zwar äußert sich das Bundesverfas360 Siehe insbesondere die Kommentierungen zu Artikel 6 GG von Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, sowie von Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG. 361 Siehe jüngst etwa Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 87 ff.; Jestaedt, in: CoesterWaltjen/Lipp/Schumann et al., „Kinderwunschmedizin“ – Reformbedarf im Abstammungsrecht?, 2015, S. 23. 362 Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 175; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 97 und 115; Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 276 f.; CoesterWaltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 72; Burgi, in: Merten/Papier, HGR IV, 2011, § 109 Rn. 11; Höfling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 155 Rn. 74; Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar-GG, Art. 6 Rn. 87 [Stand 22. Erg.-Lfg. XII/ 07]; Stern, Staatsrecht, IV/1, 2006, § 100, S. 533 f.; Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 79 [Stand: 74. Lfg. Dezember 1995]. In diesem Sinne vermutlich auch: Gröschner, in: Dreier, GG, 2004, Art. 6 Rn. 106. Differenzierend: Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 147, 108 und 150, nach der die Eizellspenderin wohl nicht von der Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG umfasst sein solle, jedoch im Interesse des Kindeswohls „im Sinne einer Begegnungspflicht mit dem Kind in den Schutzbereich des Art. 6 II 1 GG einbezogen sein“ könne (Zitat ebd., Rn. 150). Wegen der geltenden zivilrechtlichen Lage anders (verfassungsrechtliche Mutterschaft allein der plazentalen Mutter): Sachs, Verfassungsrecht, 2017, S. 439 Rn. 35 und 33. 363 So auch Jestaedt, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann et al., „Kinderwunschmedizin“ – Reformbedarf im Abstammungsrecht?, 2015, S. 33 f., der mit Recht und
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sungsgericht mittlerweile insofern klar, als „Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts Personen sein [können], die in einem durch Abstammung [. . .] oder durch einfachgesetzliche Zuordnung [. . .] begründeten Elternverhältnis zum Kind stehen.“ 364 Der aufgrund dieser Formulierung zu vermutende Gleichklang zwischen leiblicher und gesetzlicher Elternschaft (persönlicher Schutzbereich) allerdings entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Dominanz der gesetzlichen Elternschaft, was insbesondere dadurch zum Ausdruck kommt, dass das Gericht das elterliche „Vollrecht“ (sachlicher Schutzbereich) von der gesetzlichen Zuweisung der Elternschaft abhängig macht.365 Die Grenzen aber, denen der Gesetzgeber bei der Zuweisung der Elternschaft unterliegt, hat das Gericht bislang nicht konturenscharf definiert.366 Zweifeln lassen die Entscheidungen des Gerichts vor allem daran, dass es das an den Gesetzgeber gerichtete „Gebot, möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen“ 367, selbst als verfassungsrechtlich wirksames, die Tätigkeit des Gesetzgebers begrenzendes Moment begreift.368
D. Weiterer Gang der Darstellung Im nachfolgenden zweiten Abschnitt wird zunächst auf relevante Aspekte der Entstehungsgeschichte des Art. 6 GG eingegangen. Die Darstellung dient auch dazu, insbesondere die frühe Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besser nachvollziehen zu können (Abschnitt 2, A.). Grundaussagen der bisher ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG werden anhand ausgewählter Leitentscheidungen dargestellt (Abschnitt 2, B.). Es folgt eine Zusammenfassung der bis dahin gewonnenen Erallgemein zur Auslegung des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs bemerkt, das Bundesverfassungsgericht habe „bislang davor zurückgescheut, allgemeingültig und flächendeckend zu definieren, wer Eltern sind und was die Elterneigenschaft im Sinne des Grundgesetzes ausmacht.“ (Zitat ebd., S. 33). 364 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 81 bzw. Rn. 58 m.w. Nw. 365 Entschieden im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters. Zu dieser Rechtsprechung siehe nachfolgend Abschnitt 2 unter B.III.1., S. 111 f.; zur Kritik hieran siehe nachfolgend Abschnitt 3, B.II.1.b), S. 156 ff. 366 In diesem Sinne auch Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 38: „Dies bedeutet nicht, dass Art. 6 Abs. 1 und 2 GG nach Maßgabe der einfachen Gesetze gilt, wohl aber, dass leicht enttäuscht wird, wer dauerhaft feste Grenzen für Gesetzgebung und Rechtsprechung erwartet.“ Vgl. auch Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 14, wonach sich in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung „einige Anhaltspunkte“ für die Zuweisung der gesetzlichen Elternposition finden. 367 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 104 bzw. Rn. 68. 368 Siehe hierzu nachstehend Abschnitt 3 unter B.I.2.b)., S. 139 ff.
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kenntnisse (Abschnitt 2, C.). Im dritten und letzten Abschnitt dieses zweiten Teils der Arbeit schließlich wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts interpretiert, kritisch reflektiert und ein Konzept zur verfassungsrechtlichen Elternverantwortung nach Gametenspende vorgestellt. Abschnitt 2
Entstehungsgeschichte des Art. 6 GG und Grundaussagen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG A. Parlamentarischer Rat: Idealbild der bürgerlichen Kleinfamilie369 In den ersten Entwürfen zum Grundgesetz war eine Regelung der in Art. 6 GG normierten Lebensbereiche – Ehe, Familie und Elternschaft – nicht vorgesehen gewesen.370 Erstmals in eine Entwurfsfassung aufgenommen wurden entsprechende Vorschriften aufgrund eines Antrags der CDU/CSU-Fraktion von Ende November 1948.371 Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 ist der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 GG372, ebenso wie der Wortlaut der übrigen Absätze des Art. 6 GG, nicht verändert worden. I. Das Elternrecht im Kontext religiöser Erziehungsrechte des Staates Systematisch stand das Elternrecht zunächst nicht, wie heute, in unmittelbarem Zusammenhang mit den Regelungen betreffend Ehe und Familie, sondern mit der damaligen Regelung zu religiösen Erziehungsrechten in der Schule, also dem Sachbereich, der heute in Art. 7 GG geregelt ist. Während die Lebensbereiche 369 Zum Begriff der bürgerlichen Kleinfamilie siehe etwa Maihofer/Böhnisch/Wolf, Wandel der Familie, 2001, S. 14 ff. 370 Siehe Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 2, S. 579 ff. (Abdruck des „Entwurf[s] eines Grundgesetzes“ im Rahmen des Berichts des Verfassungsausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948). 371 Der Wortlaut des zur Aufnahme beantragten, noch unbezifferten Artikels ist abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 5/II, S. 634 Fn. 28. Zur ersten Diskussion dieses Antrags siehe Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 5/II, S. 642 ff. (24. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen; der Antrag war seinerzeit noch nicht förmlich gestellt worden, wurde in der Sitzung aber auszugsweise verlesen), sowie ebd., S. 806 ff. (29. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen). 372 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 6 Abs. 2 GG siehe auch Wapler, RW 2014, 57, 60 ff.
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Ehe und Familie (nunmehr Art. 6 Abs. 1 GG), die verfassungsrechtliche Stellung des außerehelich geborenen Kindes (nunmehr Art. 6 Abs. 5 GG) sowie der Schutz- und Fürsorgeanspruch der Mutter (nunmehr Art. 6 Abs. 4 GG) in Art. 7a verankert waren, war das Elternrecht Gegenstand des Art. 7b.373 Im Fokus des Interesses der Mitglieder des Parlamentarischen Rates im Kontext des Art. 7b stand dabei die Frage sowohl nach der Aufnahme als auch der Ausgestaltung der religiösen Erziehungsrechte, über die in allen Gremien des Rates kontrovers diskutiert wurde.374 Ein unmittelbarer Zusammenhang zu den heute in Art. 6 GG enthaltenen Regelungen wurde erst kurz vor Inkrafttreten des Grundgesetzes hergestellt.375 Grundlage hierfür war ein Vorschlag des Fünfer-Ausschusses376, den der Hauptausschuss beschloss, ohne hierüber ein Wort verloren zu haben.377 Fragt man danach, warum das Elternrecht in den Kontext von Ehe und Familie gestellt wurde, drängt sich der Verdacht auf, dass dies geschah, ohne dass dem eine materielle Bedeutung beigemessen worden wäre. Grundlage dieser Annahme ist die Tatsache, dass über die einzelnen Absätze des damaligen Art. 7b – was durchaus Streit hervorgerufen hatte378 – gesondert abgestimmt wurde, wobei Satz 1 des Absatzes 1 des Art. 7b (Elternrecht) angenommen wurde, während andere Absätze, so auch der unmittelbar auf diesen Satz folgende Satz betreffend die reli373 Vom Hauptausschuss in erster Lesung angenommene Fassung, Stand vom 10. Dezember 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 7, S. 91 ff. 374 Nach dem Abgeordneten Süsterhenn (CDU) in der 29. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen war diese Frage der „zentrale Konfliktpunkt“ des Entwurfs, siehe Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 5/II, S. 823. 375 Erstmals als Art. 6 GG gefasst wurde der Inhalt des ehemaligen Art. 7a in der Fassung der vierten Lesung des Hauptausschusses (Stand: 5. Mai 1949), siehe Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 7, S. 534 f. Grund hierfür war der Wegfall des vormaligen Art. 7, dessen Inhalt auf Grundlage eines Vorschlags des Allgemeinen Redaktionsausschusses in den vormaligen Art. 6 und heutigen Art. 5 GG integriert worden war. 376 Vorschlag des Fünfer-Ausschusses für die dritte Lesung des Grundgesetzes im Hauptausschuss, Stand vom 5. Februar 1949, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 7, S. 339 ff. 377 47. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1490. Die hieraus folgende Fassung fand Eingang in die vom Hauptausschuss in dritter Lesung angenommene Fassung, Stand 10. Februar 1949, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 7, S. 396 ff. 378 Der Abgeordnete Greve (SPD) sprach sich mit der Begründung, der Antrag sei als Ganzes vorgelegt worden, gegen eine absatzweise Abstimmung aus, während der CDU-Abgeordnete Süsterhenn für eine absatzweise Abstimmung plädierte: „[. . .] ich sehe nicht ein, warum man nicht feststellen soll, in welchen Punkten man sich eventuell einig werden kann.“, siehe 21. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/ Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/I, S. 638.
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giösen Erziehungsrechte in der Schule, abgelehnt wurden.379 Gestrichen wurde die Regelung zum Elternrecht möglicherweise schlichtweg deshalb nicht, weil man sich darauf einigen konnte und sie im Kontext der Regelung von Ehe und Familie zu passen schien.380 Regelungswürdig erschien die verfassungsrechtliche Verankerung des Elternrechts sicherlich auch aufgrund der Erfahrungen aus der Zeit des damals nur wenige Jahre zurückliegenden Nationalsozialismus, in welcher der Staat durch die Verfolgung eigener Erziehungsziele tief in die gesellschaftlich-familiäre Sphäre eingedrungen war.381 Eine Aussprache zu der Frage, wer Eltern im Sinne der Vorschrift sein und was unter den Begriffen Pflege und Erziehung verstanden werden sollte, fand nicht statt. Vielmehr wurde der Inhalt des auch als „Banalität“ bezeichneten382 Elternrechts sowohl in seiner personellen als auch seiner sachlichen Reichweite als selbstverständlich vorausgesetzt.383 Anhaltspunkte für die Auslegung des Elternrechts bietet die Entstehungsgeschichte des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG damit allenfalls insofern, als das Elternrecht – fraktionsübergreifend – als ein „gottgegebenes, ein von Natur gegebenes Recht“ 384, als „Naturrecht“ 385 oder auch als
379 Zur Abstimmung siehe 21. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/ Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/I, S. 638 ff. 380 Vgl. auch die Äußerung der Abgeordneten Brockmann (Zentrum) auf der 10. Sitzung des Plenums, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 9, S. 582 „Meine Damen und Herren, ziehen Sie doch daraus die Konsequenz, legen Sie doch dieses einfache natürliche Recht, das mit der Schulart gar nichts zu tun hat, in dem Grundgesetz nieder, weil es doch ein personales Freiheitsrecht ist!“ 381 Vgl. Stern, Staatsrecht IV, 2006, § 100, S. 326 ff.; von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 6, Ziffer 3, S. 72. Verschiedene Beiträge zur nationalsozialistischen Familienpolitik finden sich in Voegeli, Nationalsozialistische Familienpolitik zwischen Ideologie und Durchsetzung, 2001. Ein prominentes Beispiel für das Eingreifen des Staates bildet das Gesetz über die Hitlerjugend vom 1. Dezember 1936, RGBl. I, S. 993. 382 Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1353: „Erziehungsrecht und Erziehungspflicht der Eltern ist eine Banalität.“ (Abgeordneter Heuss, FDP). 383 So auch Jestaedt, in: Geis, Planung – Steuerung – Kontrolle, 2006, S. 79 („Das damals noch Selbstverständliche zeigte keinen Selbstvergewisserungsbedarf.“). Was freilich im Falle der Auffassung der Konservativen, die allein die auf einer Ehe basierende Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellen wollten, konsequenterweise heißen musste, dass das außerehelich geborene Kind keine verfassungsrechtlichen Eltern hatte. Dass dieses Kind nicht in eine verfassungsrechtliche Familie geboren wurde, wurde von konservativer Seite ausdrücklich ausgesprochen, etwa von dem CDUAbgeordneten Süsterhenn (Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 5/II, S. 644); siehe auch Wapler, RW 2014, 57, 58. 384 Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1350 (CDU-Abgeordnete Weber). 385 Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1350 (SPD-Abgeordneter Menzel).
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„naturhaft gegebene[s] Recht“ 386 bezeichnet wurde.387 Diese Formulierungen könnten als Indiz dafür gewertet werden, dass mit den Personen, denen als Eltern das Recht und die Pflicht zur Pflege und Erziehung des Kindes zustehen sollte, unausgesprochen die leiblichen Eltern gemeint waren. Ebenfalls auf diese Interpretation des Elternbegriffs deutet hin, dass die Änderung des ursprünglichen Entwurfs des ehemaligen Art. 7b, wonach „Pflege und Erziehung der eigenen [Hervorhebung nicht im Original] Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ 388 waren, durch den Allgemeinen Redaktionsausschuss in zunächst die Fassung „Pflege und Erziehung des Kindes [Hervorhebung nicht im Original]“ 389 damit begründet wurde, hierbei handele es sich lediglich um eine redaktionelle Änderung, denn dass es sich um die „eigenen“ Kinder handele, sei selbstverständlich.390 II. Idealbild der auf einer Ehe gründenden Elternschaft Weitaus aufschlussreicher hinsichtlich der Vorstellungen des Parlamentarischen Rates über die personelle Zuweisung der verfassungsrechtlichen Elternverantwortung als die Entstehungsgeschichte des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Entstehungsgeschichte zum heutigen Art. 6 Abs. 5 GG, also der Regelung zur verfassungsrechtlichen Stellung außerehelich geborener Kinder. Diese zeigt, dass die durch die Einordnung des Elternrechts als „gottgegeben“ und desgleichen indizierte Zuweisung der Elternverantwortung an die leiblichen Eltern allenfalls dann Geltung beanspruchen sollte, wenn diese miteinander verheiratet waren. Eine Regelung zur verfassungsrechtlichen Stellung außerehelich geborener Kinder war in dem erwähnten Antrag der CDU/CSU391 nicht enthalten gewesen. Ursächlich für die Aufnahme auch dieses Themenkomplexes in das Grundgesetz war ein Vorschlag der FDP.392 Dabei entsprach die erste Fassung der in dem damaligen Artikel 7a als Absatz 3 verankerten Vorschrift bereits im Wesentlichen 386 Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1362 (Abgeordneter Brockmann, Zentrum). 387 Böckenförde, in: Krautscheidt/Marré, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Band 14, 1980, S. 69, weist zutreffend darauf hin, dass die Frage, ob und inwieweit ein etwaiger naturrechtlicher Charakter des Elternrechts in die Verfassung inkorporiert worden ist, am Maßstab der Verfassung selbst zu beurteilen ist. 388 Abgedruckt in Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 5/II, S. 634 Fn. 28. 389 Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 7, S. 138. 390 Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 5/II, S. 936. 391 Siehe vorstehend S. 100. 392 Namentlich des Abgeordneten Heuss (FDP) in der 29. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, siehe Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 5/II, S. 809.
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der Formulierung des heutigen Art. 6 Abs. 5 GG.393 Im Rahmen der nachfolgenden, kontroversen Diskussionen zu diesem Thema,394 in der sich die verschiedenen Grundverständnisse der Fraktionen über das Verhältnis zwischen Ehe und Familie widerspiegelten, beantragte die SPD-Fraktion nicht nur (mehrfach) die Änderung der im Raum stehenden Formulierung, sondern auch deren Ergänzung um einen Satz, wonach das Kind mit seinem „natürlichen Vater“ 395 als verwandt galt. Ebenfalls beantragt wurde seitens der Sozialdemokraten, der Mutter des außerehelich geborenen Kindes das gesetzliche Vertretungsrecht zuzuordnen.396 Beide Vorschläge verkehrten die seinerzeit geltenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs in ihr Gegenteil. Denn hiernach galten das außerehelich geborene (damals noch als „unehelich“ bezeichnete) Kind und dessen Vater als nicht verwandt (§ 1589 BGB a. F.). Die Mutter, der die elterliche Gewalt über das außerehelich geborene Kind nicht zustand, hatte zwar die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Zur Vertretung des Kindes jedoch war sie nicht berechtigt (§ 1707 BGB a. F.).397 Ein wichtiges Motiv für die Forderung nach Anerkennung der gesetzlichen Verwandtschaft zwischen Vater und Kind schien darin gelegen zu haben, auch dem außerehelich geborenen Kind ein Erbrecht gegenüber dem Vater zuzugestehen.398 Über ein solches verfügte das Kind aufgrund der fehlen393 Vom Hauptausschuss in erster Lesung angenommene Fassung, Stand 10. Dezember 1948, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 7, S. 91 ff., dort S. 93. Grundlage des Antrags war die vom Ausschuss für Grundsatzfragen am 4. Dezember 1948 verabschiedete Fassung, vgl. Deutscher Bundestag/ Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/I, S. 597 Fn. 6. 394 Siehe insbesondere: 30. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 5/II, 859 ff.; 21. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/I, S. 596 ff., sowie 43. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1324 ff. 395 21. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/I, S. 599. Nachfolgende Anträge: 43. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1330; 57. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1815, sowie 9. Sitzung des Plenums, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 9, S. 450. 396 21. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/I, S. 599. 397 Da die das gesetzliche Vertretungsrecht grundsätzlich umfassende elterliche Gewalt (§§ 1627 ff. BGB a. F.) in Bezug auf das außerehelich geborene Kind weder dem Vater noch der Mutter zustand, bedurfte es der Bestellung eines Vormundes, siehe Palandt, BGB, § 1707 Rn. 1. 398 Vgl. die Äußerung des SPD-Abgeordneten Bergsträsser in der 21. Sitzung des Hauptausschusses am 7. Dezember 1948 (abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/I, S. 602): „Aber wenn nun gesagt worden ist, daß die Verwandtschaft zwischen dem unehelichen Vater und dem unehelichen Kind festgestellt werden soll, so wird das wenigstens [Sic] einem Punkte dem
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den gesetzlichen Verwandtschaft mit seinem Vater nicht. Gleichzeitig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass mit der Anerkennung der Verwandtschaft eine über die Gewährung eines Erbrechts hinausgehende Inpflichtnahme des leiblichen Vaters verbunden sein sollte. So hieß es seitens der SPD-Abgeordneten Nadig: „Wir glauben, daß durch die Gleichstellung des unehelichen Kindes mit dem ehelichen Kinde die wirkliche Änderung erzielt wird, nicht nur in wirtschaftlicher Beziehung, sondern weil dadurch auch zum Ausdruck kommt, daß man die Verantwortung für das Kind auf beide, auf Mann und Frau verlegt.“ 399 Mit der in diesem Satz anklingenden Auffassung, wonach dem Vater eines außerehelich geborenen Kindes erstmals eine, die nach einfachem Recht bereits bestehende Verpflichtung zur Unterhaltszahlung400 überschreitende, „echte“ Elternverantwortung zugestanden werden sollte, schien die Abgeordnete jedoch in der Minderheit. So hieß es beispielsweise seitens der ebenfalls der SPD-Fraktion angehörenden Abgeordneten Selbert: „Ich verlange die Gleichstellung dahingehend, daß das uneheliche Kind mit seinem Erzeuger, mit seinem Vater als verwandt gelten soll. Ich bin keineswegs der Meinung, daß man darüber hinaus dem Vater auch alle Rechte einräumen sollte, so daß er auf Grund der Tatsache, daß er später vom Kind beerbt wird, auch ein Mitwirkungsrecht bei der Erziehung usw. haben sollte.“ 401 Von konservativer Seite wurden beide Forderungen – Anerkennung der Verwandtschaft und eines mütterlichen gesetzlichen Vertretungsrechts – ohnehin abgelehnt.402 Eingewandt wurde unter anderem, durch die gesetzliche Bestimmung der Verwandtschaft werde das Verantwortungsgefühl des Vaters gegenüber seiunehelichen Kind ein größeres Recht geben, indem dann nämlich [. . .] das Erbrecht des Kindes festgelegt würde, mindestens mit dem Pflichtteil. Das scheint uns doch ein Minimum von Verbesserung der Stellung des unehelichen Kindes zu sein.“ 399 43. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1332 (zu Abs. 1 des Änderungsentwurfs, in dem die Gleichstellung ehelicher und nicht in eine Ehe geborener Kinder niedergeschrieben war); ähnlich dies. in der 10. Sitzung des Plenums, Deutscher Bundestag/ Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 9, S. 584 f.: „Gerade auf Grund der Tatsache, daß der Vater nach der jetzigen Regelung mit seinem unehelichen Kind nicht verwandt ist, konnten sich verantwortungslose Männer hinter dieser formalen Gesetzesbestimmung verstecken. Wir erreichen eine andere Stellung des unehelichen Kindes nur dann, wenn auch der Vater die volle Verantwortung für das Kind übernehmen muß.“ 400 Nach § 1708 BGB a. F. war der (leibliche) Vater des außerehelich geborenen Kindes verpflichtet, dem Kind bis zur Vollendung des sechzehnten Lebensjahres den der Lebensstellung der Mutter entsprechenden Unterhalt zu gewähren. Dieser umfasste den gesamten Lebensbedarf sowie die Kosten der Erziehung und der „Vorbildung zu einem Berufe“. 401 43. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1341. 402 Seitens der Fraktion der CDU hieß es in diesem Kontext unter anderem (Abgeordneter Süsterhenn), „daß [. . .] eigentlich das ganze bürgerliche Rechtssystem [. . .] gesprengt würde. Wir können diese Dinge nicht einfach mit zwei oder drei Sätzen in der Verfassung ändern.“, 21. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/I, S. 600.
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nem Kind wahrscheinlich nicht gestärkt und auch sein persönliches Verhältnis zu dem Kind ändere sich nicht.403 Darüber hinaus befürchtete man, dass mit der Einräumung einer Verpflichtung des Vaters eine Beschneidung der Rechte der Mutter des Kindes einhergehen würde. So bemerkte die Abgeordnete Wessel (Zentrum): „Auch hinsichtlich der Auswirkungen des Vaterrechts gegenüber dem unehelichen Kind ist der sozialdemokratische Antrag nicht zugunsten des Kindes. Ich kann nicht auf der einen Seite dem unehelichen Vater die Pflichten auferlegen, ohne ihm auf der anderen Seite – was einfach in der Natur der Sache liegen muß – auch die Rechte einzuräumen. Es ist ganz unmöglich, das Recht der gesetzlichen Vertretung, wie es der sozialdemokratische Antrag verlangt, nur der Mutter zu geben. Andererseits bedeutete jedes Recht, das dem unehelichen Vater gegeben wird, eine Einschränkung der Rechte der Mutter. [. . .] Der unehelichen Mutter muß die Personensorge übertragen bleiben, weil sonst ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in ihre natürlichen Rechte vorgenommen wird.“ 404 Einer Übertragung des Vertretungsrechts auf die Mutter eines außerehelich geborenen Kindes wurde auch mit dem Argument entgegengetreten, ein Teil dieser Mütter sei hierzu rein tatsächlich gar nicht in der Lage.405 Am Ende blieben beide Anträge der Sozialdemokraten erfolglos.406
B. Grundaussagen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Den nachfolgend chronologisch dargestellten Leitentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG lassen sich Grundaussagen insbesondere zur verfassungsrechtlichen Einordnung der leiblichen sowie der gesetzlichen Vaterschaft, der Adoptivelternschaft sowie der sozialen Elternschaft entnehmen.407 403 43. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1333 (Abgeordnete Wessel, Zentrum). 404 43. Sitzung des Hauptausschusses, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1333 f.; siehe auch dies. in der 10. Sitzung des Plenums, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948– 1949, Band 9, S. 556: „Wir gehen von der Tatsache aus, daß das Kind naturgemäß zur unehelichen Mutter gehört und ihre Rechte an dem Kind unter allen Umständen erhalten bleiben müssen.“ Bezeichnend ist, dass die verfassungsrechtliche Grundlage der bereits damals gesetzlich geregelten Unterhaltsverpflichtung des leiblichen Vaters eines außerehelich geborenen Kindes (siehe Fn. 400), soweit ersichtlich, zu keinem Zeitpunkt diskutiert wurde. 405 Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/II, S. 1335, Abgeordnete Wessel (Zentrum). 406 Siehe Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Band 14/I, S. 612. 407 Sofern im Folgenden nicht zwischen persönlichem und sachlichem Schutzbereich differenziert wird, liegt dies daran, dass sich der entsprechenden Rechtsprechung eine derartige Differenzierung nicht entnehmen lässt.
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I. BVerfGE 56, 363 ff. (1981): Einbeziehung des mit Mutter und Kind zusammenlebenden leiblichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Während man der Mutter eines außerehelich geborenen Kindes bereits im Jahr 1968 und ohne Begründung zugestanden hatte, sich auf das Elternrecht berufen zu können,408 erstreckte das Gericht den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG erstmals im Jahr 1981 auf den leiblichen Vater eines außerehelich geborenen Kindes.409 Anlass hierzu gab ein Verfahren betreffend die Frage der Verfassungsmäßigkeit der damals geltenden Sorgerechtsregelungen für außerehelich geborene Kinder.410 Hier führte das Gericht zunächst aus, die Bereitschaft sowie die Fähigkeit zur Übernahme elterlicher Verantwortung seien Voraussetzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Elternrechts, weil nur in diesem Falle davon ausgegangen werden könne, dass der mit dem Elternrecht verbundenen Pflicht entsprochen würde.411 Aus diesem Grund könne einem Vater, der an der Entwicklung seines Kindes keinen Anteil nehme und sich nicht um den Aufbau eines Vater-Kind-Verhältnisses bemühe, ein auf Verantwortung gerichtetes Elternrecht nicht zukommen.412 Während das Gericht dem Vater eines außerehelich geborenen Kindes ursprünglich offenbar typisierend unterstellt hatte, dass dieser seine Vaterschaft bestreite und kein Interesse an der Entwicklung seines Kindes zeige, gelangte es nunmehr zu der Einschätzung, dass dieses Bild den sozialen Gegebenheiten nicht mehr voll gerecht werde.413 Ebenfalls eine Rolle spielte die Annahme, dass die gesellschaftliche Diskriminierung von Müttern eines außerehelich geborenen Kindes weitgehend abgebaut sei, da es diesen nunmehr freistehe, eine Eheschließung oder auch ein Zusammenleben mit dem Kindesvater abzulehnen.414 Abhängig machte das Gericht die Einbeziehung des leiblichen 408 BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/63 –, BVerfGE 24, 119, 135 bzw. Rn. 38, juris. 409 Eine Entscheidung, in der das Gericht verbindlich ausgesprochen hätte, dass sich der leibliche Vater eines außerehelich geborenen Kindes nicht auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG berufen konnte, existiert, soweit ersichtlich, nicht. 410 Zum Thema: Lembke, Jura 2011, 937. Dass die Ehe keine Voraussetzung für die Elternschaft ist, ist unbestritten (siehe nur Burgi, in: Merten/Papier, HGR IV, 2011, § 109, Rn. 10 und 16; Hölbling, Wie viel Staat vertragen Eltern?, 2010, S. 125; Höfling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 155 Rn. 69). Dies folgt auch daraus, dass es sich bei Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG um ein Individualgrundrecht handelt. Träger des Elternrechts ist jedes Elternteil für sich und nicht etwa die Eltern als Gemeinschaft (Nachweise in Fn. 511). 411 BVerfG, Urteil vom 24. März 1981 – 1 BvR 1516/78 –, BVerfGE 56, 363, 382 bzw. Rn. 59, juris. 412 BVerfG, Urteil vom 24. März 1981 – 1 BvR 1516/78 –, BVerfGE 56, 363, 383 bzw. Rn. 62, juris. 413 BVerfG, Urteil vom 24. März 1981 – 1 BvR 1516/78 –, BVerfGE 56, 363, 383 bzw. Rn. 63, juris. 414 BVerfG, Urteil vom 24. März 1981 – 1 BvR 1516/78 –, BVerfGE 56, 363, 383 bzw. Rn. 63, juris.
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Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG seinerzeit allerdings noch davon, dass dieser mit Mutter und Kind zusammenlebte.415 Ob das Merkmal des Zusammenlebens dabei als Beleg für die väterliche Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung fungierte, oder ob das Gericht (auch) davon ausging, ohne das Zusammenleben sei der Vater schon tatsächlich nicht in der Lage, die Pflege und Erziehung des Kindes in hinreichendem Maße zu übernehmen, lässt sich nicht abschließend klären.416 Der Frage, ob der Vater seine gesetzliche Unterhaltspflicht regelmäßig erfüllte, maß das Gericht hingegen ebenso wenig erhebliche Bedeutung bei wie der (gesetzlichen) Verwandtschaft.417 II. BVerfGE 92, 158 ff. (1995): Bedingungslose Einbeziehung des leiblichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG? Einen weiteren bedeutenden Schritt im Hinblick auf die Einbeziehung des leiblichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vollzog das Gericht im Jahr 1995. Gegenstand der dem entsprechenden Urteil zugrunde liegenden Verfahren war die Verfassungsmäßigkeit des § 1747 Abs. 2 BGB a. F., der die Einwilligung des leiblichen Vaters eines außerehelich geborenen Kindes in die Adoption des Kindes durch die Mutter oder deren Ehemann nicht vorsah.418 Grundlage des Verfahrens waren Verfassungsbeschwerden dreier leiblicher Väter, die nicht (mehr) mit ihrem jeweils außerehelich geborenen Kind zusammenlebten.419 415 BVerfG, Urteil vom 24. März 1981 – 1 BvR 1516/78 –, BVerfGE 56, 363, 384 bzw. Rn. 64, juris, wiederholt in den Beschlüssen vom 30. November 1988 – 1 BvR 37/ 85 –, BVerfGE 79, 203, 211 bzw. Rn. 34, juris, sowie vom 7. Mai 1991 – 1 BvL 32/88 –, BVerfGE 84, 168, 179 bzw. Rn. 35, juris. 416 BVerfG, Urteil vom 24. März 1981 – 1 BvR 1516/78 –, BVerfGE 56, 363, 384 bzw. Rn. 64, juris: „Lebt der nichteheliche Vater mit Kind und Mutter zusammen und sind damit die Voraussetzungen für die Wahrnehmung seiner elterlichen Verantwortung gegeben, kann ihm ein Recht aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht abgesprochen werden.“ 417 BVerfG, Urteil vom 24. März 1981 – 1 BvR 1516/78 –, BVerfGE 56, 363, 383 bzw. Rn. 62, juris („nicht erheblich“ hinsichtlich der Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung und „keine entscheidende Bedeutung“ bezüglich der Verwandtschaft). Damit legte das Gericht bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einen anderen Maßstab an als bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG. Denn als der leibliche Vater eines außerehelich geborenen Kindes im Jahr 1977 erstmals in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG aufgenommen worden war, war dies mit dem Wegfall des § 1589 Abs. 2 BGB a. F. (siehe vorstehend S. 104) begründet worden; das Zusammenleben des Vaters mit Mutter und Kind war keine Voraussetzung des Schutzes (siehe BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1977 – 1 BvR 265/75 –, BVerfGE 45, 104, 123 und 112 bzw. Rn. 67 und 23, juris). 418 Nachweise zur Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema finden sich bei Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 53 f. 419 BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 163, 164 und 166 f. bzw. Rn. 14, 18 und 25.
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1. Aufgabe des Kriteriums des Zusammenlebens Im Rahmen der Ausführungen zum Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG heißt es gleich zu Beginn: „Die bislang vom Bundesverfassungsgericht offen gelassene Frage, ob Väter nichtehelicher Kinder generell – und nicht nur unter bestimmten Voraussetzungen Träger des Elternrechts sind, ist zu bejahen.“ 420 Die damit nunmehr scheinbar voraussetzungslose und insbesondere nicht mehr an ein Zusammenleben zwischen Vater, Mutter und Kind geknüpfte421 Einbeziehung des leiblichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG begründete das Gericht unter anderem mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach der Begriff Eltern auch die leiblichen Eltern eines außerehelich geborenen Kindes umfasse422, mit der Verwendung des Begriffs Elter im Plural423 und – wie schon in der Entscheidung aus dem Jahr 1981 – mit der Einschätzung, dass eine Beschränkung des Grundrechts auf die Mutter des außerehelich geborenen Kindes „schon deshalb“ nicht mehr zu rechtfertigen sei, weil mittlerweile ein nicht geringer Teil der Väter an der Entwicklung ihrer außerehelich geborenen Kinder Anteil nehme.424 2. Zuweisung des gesetzlichen Vaterstatus als Voraussetzung für die Einbeziehung des leiblichen Vaters in den Schutzbereich? Die in der Entscheidung eingangs ausdrücklich als bedingungslos dargestellte Einbeziehung des leiblichen Vaters eines außerehelich geborenen Kindes in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG relativierte das Gericht indes an späterer Stelle, an der es heißt: „Wortlaut und Gehalt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung wird deshalb am besten eine Auslegung gerecht, die alle Väter nichtehelicher Kinder in den Schutzbereich der Norm jedenfalls dann einbezieht, wenn sie nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften als Väter feststehen“ 425. Sich der verfassungsrechtlichen Anerkennung seiner Vaterschaft sicher sein konnte damit nur der zugleich als gesetzlicher Vater anerkannte leibliche 420 BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 176 bzw. Rn. 61. 421 Dass das Gericht das Kriterium des Zusammenlebens aufgab, ergibt sich daraus, dass in der entsprechenden, hier ausschnittsweise zitierten Feststellung (Zitat zu Fn. 420) auf die Rechtsprechung verwiesen wird, in der das Zusammenleben noch als Voraussetzung für die Einbeziehung des leiblichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG betrachtet worden war. 422 BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 177 bzw. Rn. 62. 423 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 177 bzw. Rn. 63. 424 BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 177 f. bzw. Rn. 63. 425 BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 178 bzw. Rn. 65.
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Vater.426 Warum das Gericht diese – an unerwarteter Stelle, im Leitsatz der Entscheidung nicht formulierte und im Verhältnis zu der zunächst ausgesprochenen uneingeschränkten Einbeziehung des leiblichen Vaters in den Schutzbereich widersprüchliche – Einschränkung vornahm, geht aus den Entscheidungsgründen nicht hervor.427 Verlässliche Rückschlüsse auf den Grund für die Einschränkung mittels des Kriteriums der gesetzlichen Vaterschaft lassen sich auch nicht daraus ableiten, dass das Gericht dem Gesetzgeber ausdrücklich einen gewissen Entscheidungsspielraum dahingehend zugestand, wie die Vaterschaft (und im Übrigen auch die Mutterschaft) „festzustellen“ 428 sei. Insoweit führte das Gericht lediglich aus, der Gesetzgeber sei berechtigt, neben der „biologischen Abstammung auch rechtlichen und sozialen Tatbeständen Bedeutung [beizumessen], wie etwa der Ehe mit der Mutter [. . .] oder der Anerkennung der Vaterschaft.“ 429 Zu vermuten ist, dass das Gericht selbst gewisse Schwierigkeiten mit dem Kriterium der gesetzlichen Vaterschaft hatte. So bediente es sich am Ende seiner Entscheidung auch wieder der zuvor gewählten, uneingeschränkten Formulierung, wonach alle leiblichen Eltern in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einbezogen seien.430 III. BVerfGE 108, 82 ff. (2003): Zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater Eine für den aktuellen Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen sowie des gesetzlichen Vaters grundlegende Entscheidung fällte das Gericht im Jahr 2003. Gegenstand des Verfahrens waren die Verfassungsbeschwerden zweier leiblicher Väter, die 426 Der Entscheidung des Gerichts ist nur indirekt zu entnehmen, dass alle drei Beschwerdeführer Väter im Sinne von § 1600a Satz 1 BGB a. F. waren (Feststellung der Vaterschaft bei nichtehelichen Kindern durch Anerkennung oder gerichtliche Entscheidung), vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 163, 164 und 166 bzw. Rn. 14, 19 und 25. Dass alle Beschwerdeführer gesetzliche Väter waren, ergibt sich auch mittelbar daraus, dass das Gericht alle drei Verfassungsbeschwerden als begründet ansah, vgl. ebd., 183 bzw. Rn. 80. Vgl. auch Helms, FamRZ 2010, 1, 2: „Ob dem nichtehelichen Vater die Berufung auf Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG allerdings erst dann möglich ist, wenn seine Vaterstellung statusrechtlich etabliert ist, konnte das BVerfG in dieser Entscheidung noch offen lassen.“ 427 Nach Helms, FamRZ 1997, 913, 914 Fn. 13 (unter Verweis auf Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 25, 2. Bearb. 1980) war bis zur Entscheidung des Gerichts allerdings „ohne weiteres vorausgesetzt“ worden, dass der leibliche Vater auch Vater im gesetzlichen Sinne war. 428 BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 178 bzw. Rn. 66. 429 BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 178 bzw. Rn. 66. 430 BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 178 bzw. Rn. 66: „Die Einbeziehung aller leiblichen Eltern in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG [. . .].“
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ein Umgangsrecht beziehungsweise die Zuweisung des gesetzlichen Vaterstatus bezüglich des von ihnen jeweils abstammenden Kindes begehrten.431 In dem Verfahren, in dem es um die Zuweisung eines Umgangsrechts ging, war gesetzlicher Vater des Kindes ein Mann, der die Vaterschaft nach der Geburt des Kindes anerkannt hatte (vgl. § 1592 Nr. 2 BGB), aber nicht mit Mutter und Kind zusammenlebte. In dem Verfahren, in dem der leibliche Vater die Zuweisung des gesetzlichen Vaterstatus begehrte, war die Position des gesetzlichen Vaters durch den Ehemann der Mutter besetzt (vgl. § 1592 Nr. 1 BGB). 1. Elternschaft des leiblichen Vaters Im Vergleich zu der noch im Jahr 1995 kommunizierten Auffassung, wonach der leibliche Vater eines Kindes „jedenfalls dann“ in den Schutzbereich des Elterngrundrechts einzubeziehen war, wenn dieser zugleich gesetzlicher Vater des Kindes war, erkannte und erkennt das Gericht den leiblichen Vater nunmehr unabhängig von seinem gesetzlichen Status als Elter im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG an. An der entsprechenden Stelle der Entscheidung heißt es: „Der Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG setzt die rechtliche Elternschaft nicht voraus. Der Mann, von dem ein Kind abstammt, ist Vater des Kindes, auch wenn er von der Rechtsordnung nicht als solcher anerkannt ist. Mehr als diese auf Abstammung beruhende Elternschaft setzt Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG für die Einbeziehung von Eltern in seinen Schutzbereich nicht voraus.“ 432 Eine umfängliche Einbeziehung des leiblichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG war und ist damit jedoch abermals nicht verbunden.433 Denn Folge der allein durch die leibliche Vaterschaft bedingten Eröffnung des 431 Das Gericht bezeichnet den leiblichen Vater als „biologischen Vater“ (BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 84 bzw. Rn. 1). Die Abstammung des Kindes von dem ein Umgangsrecht begehrenden Beschwerdeführer war zweifelsfrei festgestellt worden, während es für die Abstammung des Kindes von dem die gesetzliche Vaterschaft begehrenden Beschwerdeführer (trotz Bestreitens der Mutter) nach Auffassung des Gerichts hinreichende Anhaltspunkte gab (ebd., S. 117 bzw. Rn. 108; vgl. aber auch BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 2 BvR 1170/14 –, Rn. 38: „Steht allerdings nicht fest, ob ein Beschwerdeführer der leibliche Vater des Kindes ist, scheidet [. . .] nach der hergebrachten Rechtsprechung [. . .] ein Eingriff in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG [. . .] aus. Im vorliegenden Fall behauptet der Beschwerdeführer zwar, der biologische Vater des Kindes zu sein und stützt sich hierzu auf den Beweisbeschluss des Oberlandesgerichts [. . .]. Doch wird die leibliche Vaterschaft von den Antragsgegnern nach wie vor bestritten. Auch wurde die biologische Vaterschaft des Beschwerdeführers bislang nicht durch eine genetische Abstammungsuntersuchung nachgewiesen.“). 432 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 101 bzw. Rn. 58. 433 Eine andere Interpretation der Entscheidung findet sich bei Kaufhold, in: Röthel/ Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 87 ff. (siehe hierzu Fn. 602).
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persönlichen Schutzbereichs soll lediglich eine Art Anwartschaftsrecht434 sein, nämlich ein Recht auf Zugang zu einem Verfahren, in dem die leibliche Vaterschaft überprüft und die gesetzliche Vaterschaft gegebenenfalls neu zugeordnet werden kann.435 Um „Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG“ 436, also des verfassungsrechtlichen Vollrechts im Sinne eines (prima facie-)Rechts auf Pflege und Erziehung des Kindes (sachlicher Schutzbereich) zu sein, bedürfe auch der leibliche Vater der Zuweisung des gesetzlichen Vaterstatus.437 Denn wenn „das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Rechte nur zusammen mit Pflichten vermittelt, kann auch Inhaber dieses Rechts nur sein, wer zugleich die Elternverantwortung trägt, unabhängig davon, ob sich die Elternschaft allein auf Abstammung oder auf Rechtszuweisung gründet“ 438. Die gesetzliche Bestimmung der Vaterschaft aber sei konstitutiv für die Möglichkeit, als Elternteil überhaupt für das Kind tatsächlich umfassend Sorge zu tragen; sie eröffne den Zugang zur Elternverantwortung und sei Voraussetzung für die Wahrnehmung der grundrechtlich geschützten Elternposition.439 2. Elternverantwortung des gesetzlichen Vaters Zum gesetzlichen Vater führte das Gericht aus, diesem stehe die Verantwortung aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, das Kind zu pflegen und zu erziehen, auch dann zu, wenn er erwiesenermaßen nicht zugleich leiblicher Vater des ihm ge434 Diese – eigentlich zivilrechtliche – Terminologie wurde übernommen von: Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 54. Siehe auch Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 188 („eine Art Anwartschaftslösung“), sowie Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 275 („[. . .] verfassungsrechtliche[r] Grundstatus der leiblichen Elternschaft“, der mit dem Elternrecht „nicht identisch [. . .], sondern nur eine Vorstufe davon“ sei.); Coester, in: Deutscher Familiengerichtstag e.V., Zwanzigster Deutscher Familiengerichtstag vom 18. bis 21. September 2013 in Brühl, 2014, S. 52, verwendet das Bild eines „,2-Kammer-System[s]‘“, in dem der leibliche Vater zwar in das „Gebäude der verfassungsrechtlich geschützten Elternschaft [. . .] grundsätzlich aufgenommen, aber ohne weiteres noch nicht in den Hauptraum des Elternrechts, sondern zunächst nur in das Wartezimmer für Elternrechts-Prätendenten“ aufgenommen werde. 435 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 104 f. bzw. Rn. 68 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 562/13 –, Rn. 7. 436 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 101 bzw. Rn. 58. Zur Verwendung des Begriffs der Trägerschaft des Elternrechts siehe Fn. 601. 437 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 101 und 103 bzw. Rn. 58 und 65. Für Nachweise zum Begriff des prima facie-Rechts siehe Fn. 196. 438 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 102 bzw. Rn. 61. 439 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 103 bzw. Rn. 64.
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setzlich zugeordneten Kindes sei.440 Erst der Wegfall der Stellung als gesetzlicher Vater entlasse diesen wieder aus der Trägerschaft des Elternrechts und aus der Verantwortung für das Kind.441 Der leibliche Vater habe nur dann die Möglichkeit, den gesetzlichen Vater aus dessen Stellung zu verdrängen, wenn zwischen gesetzlichem Vater und Kind442 keine sozial-familiäre Beziehung bestehe.443 Hieraus folgt zugleich, dass das Gericht den gesetzlichen Vater nicht nur unabhängig von dessen leiblicher Vaterschaft, sondern auch unabhängig von dessen sozialer Vaterschaft als Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts ansieht.444 Die in der Entscheidung zu lesende Einschränkung, wonach Träger des Elternrechts „[d]er rechtliche Vater eines Kindes, der für dieses Elternverantwortung wahrnimmt [Hervorhebung nicht im Original]“, sei, muss deshalb als schmückendes Beiwerk, nicht aber als echte Voraussetzung der Elternverantwortung auch des (nur) gesetzlichen Vaters interpretiert werden.445 3. „Gebot, möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen“ Hinsichtlich des Spielraums, der dem Gesetzgeber bei der Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus zustehe, äußerte das Gericht, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sei
440 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 103 bzw. Rn. 64. Aus jüngerer Zeit etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 –, BVerfGE 135, 48, 83 f. bzw. Rn. 95. 441 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 103 bzw. Rn. 64. 442 Zutreffend: BGH, Beschluss vom 15. November 2017 – XII ZB 389/16 –, Rn. 25, der (im Zusammenhang mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2003) darauf aufmerksam macht, dass es insbesondere nicht auf eine sozialfamiliäre Beziehung auch zwischen Mutter und gesetzlichem Vater ankommt. 443 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 106 ff. bzw. Rn. 73 ff. Das aufgrund der Entscheidung geschaffene Anfechtungsrecht (Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, zur Registrierung von Vorsorgeverfügungen und zur Einführung von Vordrucken für die Vergütung von Berufsbetreuern vom 23. April 2004, BGBl. I Nr. 18, S. 598) des leiblichen Vaters (vgl. § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) setzt nach § 1600 Abs. 2 BGB voraus, dass zwischen gesetzlichem Vater und Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht. In der Literatur wird dieser Regelung wegen der fehlenden Berücksichtigung einer (ehemaligen oder vereitelten) sozialen Beziehung zum leiblichen Vater nicht ohne Grund kritisiert (siehe Fn. 635). 444 Überdies geht das Gericht von der verfassungsrechtlichen Elternverantwortung auch des gesetzlichen Vaters aus, der diese Stellung durch Anerkennung erlangt hat, jedoch lediglich „Zahlvater“ ist, siehe BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 109 bzw. Rn. 79 f. Deutlich auch BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 –, BVerfGE 135, 48, 83 f. bzw. Rn. 95 (siehe hierzu auch nachstehend S. 143). 445 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 103 bzw. Rn. 64 (vgl. zu diesem Passus auch nachfolgend S. 139 f.).
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das „Gebot“ 446 zu entnehmen, „möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen“.447 Die gesetzliche Anerkennung der Elternschaft allerdings stets von der Prüfung abhängig zu machen, von wem das Kind im Einzelfall abstammt, sei wegen des Schutzes „familiärer sozialer Beziehungen aus Art. 6 Abs. 1 GG und de[s] Schutz[es] der Intimsphäre aus Art. 2 Abs. 1 GG“ 448 nicht erforderlich; ausreichend sei, die Abstammung anhand bestimmter tatsächlicher Umstände und sozialer Situationen zu vermuten, sofern dies in aller Regel zu einem Zusammentreffen von leiblicher und rechtlicher Elternschaft führe.449 Die damit unter anderem verbundene Konsequenz, dass das Kind im Falle des Auseinanderfallens von gesetzlicher und leiblicher Vaterschaft mehr als zwei verfassungsrechtliche Väter hat, nimmt das Gericht ausdrücklich hin.450 IV. BVerfGE 133, 59 ff. (2013): Adoptivelternschaft und soziale Elternschaft Gänzlich unabhängig von jedweden Vermutungen über eine etwaige leibliche Elternschaft ist die Adoptivelternschaft (Annahme als Kind, §§ 1741 ff. BGB). Sie bildet den klassischen Anwendungsfall für die Begründung verfassungsrechtlicher Elternverantworung aufgrund gesetzlicher Zuweisung. Dass die Adoptiveltern sich auf den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG berufen können, dürfte schon im Parlamentarischen Rat nicht auf Widerspruch gestoßen sein und wurde durch das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1968 ausgesprochen.451
446 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 104 bzw. Rn. 68. 447 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 104 bzw. Rn. 68; siehe auch ebd., S. 104 bzw. Rn. 67. Zum geringen Gewicht dieser Vorgabe siehe nachfolgend Abschnitt 3 unter B.I.2.b), S. 139 ff. 448 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 100 bzw. Rn. 57. 449 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 100 bzw. Rn. 57. Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2008 – 1 BvR 1548/03 –, Rn. 12. 450 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 100 f. bzw. Rn. 57: „Konsequenz [. . .] ist, dass im Einzelfall entgegen der gesetzlichen Vermutung die rechtliche und die leibliche Vaterschaft auseinander fallen können. Das Kind hat dann zwei Väter, die sich beide auf ihre durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternschaft berufen können.“ 451 BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/63 –, BVerfGE 24, 119, 150 bzw. Rn. 70, juris. Deutlich auch BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 79 bzw. Rn. 53: „Den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG genießt auch die [. . .] Adoptivelternschaft [. . .].“ (m.w. Nw.). Zur verfassungsrechtlichen Einordnung der Adoptivelternschaft siehe auch nachfolgend Abschnitt 3, B.I.3.d), S. 148 ff.
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Im Jahr 2013 hatte das Gericht die Gelegenheit, die Möglichkeit der Begründung der Adoptivelternschaft ins Verhältnis zu einer bereits bestehenden sozialen Elternschaft zu setzen. Unter Verweis auf seine Rechtsprechung zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater452 führte es aus, dass die soziale Elternschaft zwar verfassungsrechtlich notwendige Bedingung für die gesetzliche Zuweisung des Elternstatus sein könne, für sich genommen jedoch keine hinreichende Voraussetzung verfassungsrechtlicher Elternschaft sei und deshalb auch kein Recht auf Adoption eines Kindes begründe.453 Damit entschied es, dass ein Recht des*der eingetragenen Lebenspartner*in auf Ermöglichung der Adoption des durch seinen*ihre Lebenspartner*in bereits adoptierten Kindes (sogenannte Sukzessivadoption) nicht bestand, weil der*die Lebenspartner*in selbst dann nicht Träger des Elterngrundrechts sei, wenn dieser*diese mit seiner*ihrer Lebenspartner*in und dessen*deren angenommenen Kind in sozial-familiärer Gemeinschaft lebe.454 Schutz erfahre die sozial-familiäre Gemeinschaft zweier eingetragener Lebenspartner*innen mit dem leiblichen oder angenommenen Kind eines der Partner*innen durch Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG.455 Nicht unumstritten ist die Entscheidung auch deshalb, weil das Gericht erstmals und unter ausführlicher Begründung ausführte, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schütze auch Eltern gleichen Geschlechts.456 Als Folge dieser Auffassung stellte das Gericht fest, dass die Nichtzulassung der sukzessiven Adoption im Falle der eingetragenen Lebenspartnerschaft bei gleichzeitiger gesetzlicher Zulassung einer sukzessiven Adoption im Falle des Bestehens einer Ehe (vgl. § 1742 BGB) 452
Hierzu vorstehend unter B.III., S. 110 ff. BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 81 f. bzw. Rn. 59 (unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 106), hierzu Lembke, FamPra.ch 2014, 118. Dass eine „bloße“ soziale Elternschaft keine verfassungsrechtliche Elternschaft begründet, wird auch in der Literatur angenommen (siehe Fn. 567). Zur sozialen Elternschaft als materiellem Kerngehalt verfassungsrechtlicher Elternverantwortung siehe nachfolgend Abschnitt 3, A., S. 122 f. 454 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 81 bzw. Rn. 57. 455 Siehe BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 82 ff. bzw. Rn. 60 ff. 456 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 77 ff. bzw. Rn. 48 ff., und entgegen Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 6 Rn. 18 [Edition 17, Stand: Januar 2013]. Ausdrücklich für eine Verschiedengeschlechtlichkeit der Eltern: Gröpl/Yves, AöR 139 (2014), 125, 145 f. und 150 (Verschiedengeschlechtlichkeit als durch den Verfassungsgeber vorgegebenes „konstitutives, nicht-kontingentes Merkmal“ sowohl des Familien- als auch des Elternbegriffes, weshalb die Auslegung des Gerichts einen unzulässigen Verfassungswandel darstelle; Zitat ebd., S. 145); in diesem Sinne auch Jestaedt, zuletzt etwa in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 117. Zutreffend hingegen Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 190: „Die Kombination beider Elternteile ist folglich eigentlich kein verfassungsrechtliches Problem.“ (Unter Hinweis auf den individualrechtlichen Charakter des Elternrechts.) 453
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
sowohl das betroffene Kind als auch die betroffenen Lebenspartner*innen in ihrem Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verletze.457 Auch gegenüber der bereits damals in § 9 Abs. 7 LPartG vorgesehenen Möglichkeit, das leibliche Kind des*der Lebenspartner*in zu adoptieren, stelle die Nichtzulassung der Sukzessivadoption im Falle der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar.458
C. Erkenntnisse aus dem bisherigen Befund Die vorstehend auszugsweise dargestellte Entstehungsgeschichte des Art. 6 GG sowie die skizzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 2 GG bestätigen die eingangs aufgestellte These, wonach das Verständnis von verfassungsrechtlicher Elternschaft und elterlicher Verantwortung seit jeher in starkem Maße von tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnissen, von Vorstellungen hierüber sowie von gesellschaftlichen Idealbildern geprägt war und ist.459 Wie sehr sich die Mitglieder des Parlamentarischen Rates von derartigen Erwägungen leiten ließen, zeigt sich schon an der bedeutenden Stellung, die der Ehe im Kontext verfassungsrechtlicher Elternverantwortung eingeräumt wurde. Eindrücklich belegt wird diese Stellung durch die Debatten zur verfassungsrechtlichen Stellung des außerehelich geborenen Kindes.460 Denn waren die leiblichen Eltern des Kindes nicht durch das Band der Ehe miteinander verbunden, sollte nach der wohl überwiegenden Auffassung innerhalb des Parlamentarischen Rates und trotz des begrifflich immer wieder hervorgehobenen natur457 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 86 ff. bzw. Rn. 71 ff. und 98 bzw. Rn. 104. 458 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 97 f. bzw. Rn. 102 und 98 f. bzw. Rn. 105. Der Gesetzgeber reagierte auf die Entscheidung mit dem Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner vom 26. Juni 2014, BGBl. I Nr. 27, S. 786. Nach § 9 Abs. 7 Satz 1 LPartG ist die Sukzessivadoption demnach nunmehr auch im Falle des Bestehens einer eingetragenen Lebenspartnerschaft möglich. Mit der zum 1. Oktober 2017 erfolgten Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Nachweis in Fn. 142) wurde das Institut der Lebenspartnerschaft indes abgeschafft (vgl. Art. 3 des Gesetzes, wonach Lebenspartnerschaften seit Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr begründet werden können). 459 Siehe vorstehend Abschnitt 1 unter C., S. 98 f. Vgl. auch auch Büchler, AJP 2004, 1175 („Elternschaft als eine sich historisch wandelnde Wirklichkeit“). 460 Siehe hierzu vorstehend unter A.II., S. 103 ff. Nicht unerwähnt bleiben darf auch, dass sich die – neben der Fraktion der SPD mit Abstand zahlenstärkste – Fraktion der CDU/CSU anfangs gegen die Aufnahme einer Regelung betreffend die verfassungsrechtliche Stellung außerehelich geborener Kinder überhaupt ausgesprochen hatte. Auch die Aufnahme eines von der SPD vorgeschlagenen Wortlauts, wonach die ehelichen den unehelichen Kindern „gleichgestellt“ waren, lehnte die Fraktion konsequent und am Ende erfolgreich ab. Dies lässt darauf schließen, dass die Fraktion ein Elternrecht für außerehelich geborene Kinder überhaupt nicht vor Augen hatte.
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rechtlichen beziehungsweise göttlichen Charakters des Elternrechts461 keinem der leiblichen Eltern eine vollumfängliche (auch: verfassungsrechtliche) Verantwortung für das Kind zustehen. Insbesondere sah man auch die Fähigkeiten der nach den Vorstellungen des Rates grundsätzlich für das Kind verantwortlich zeichnenden Mutter in der Personensorge für das Kind im Wesentlichen erschöpft.462 Die Spannungen, denen sich selbst verhältnismäßig progressive Mitglieder des Parlamentarischen Rates ausgesetzt sahen, werden anhand der Kontroversen um die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters eines außerehelich geborenen Kindes besonders deutlich. So bestand teilweise zwar durchaus die Bestrebung, die Verantwortung des leiblichen Vaters für sein außerehelich geborenes Kind auch verfassungsrechtlich anzuerkennen und dem – typisiert unterstellten – Desinteresse dieses Mannes an dem Kind463 normativ Einhalt zu gebieten. Andererseits war eine sowohl auf den Schultern des Vaters als auch auf jenen der Mutter lastende elterliche Verantwortung im Falle des Nichtbestehens einer Ehe undenkbar, weshalb man sich offenbar vor die Aufgabe gestellt sah, die Elternverantwortung entweder der Mutter oder dem Vater zuzuweisen.464 Auch, dass diese Entweder-Oder-Entscheidung zu Gunsten der Mutter des Kindes ausfiel, kann nur anhand der seinerzeit vorherrschenden tatsächlichen Verhältnisse und gesellschaftlichen Erwartungshaltungen erklärt werden. Gleiches gilt für die schrittweise Einbeziehung des leiblichen Vaters eines außerehelich geborenen Kindes in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG durch das Bundesverfassungsgericht.465 Anhand der Entwicklungen, welche die verfassungsrechtliche Stellung des Vaters eines außerehelich geborenen Kindes erfahren hat, lässt sich überdies belegen, dass im Falle der Kollision zwischen gesellschaftlichen Normen und biologischen 461
Siehe vorstehend S. 102 f. Vgl. vorstehend S. 106 f. 463 Vgl. auch Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Familienrecht, 1888, S. 851 (zu § 1568 des Entwurfs): „Die durch die Natur zwischen dem unehelichen Kinde und seinem Erzeuger geknüpften Bande führen in den wenigsten Fällen zu einer innigeren Verbindung zwischen beiden. Meistens steht der Vater dem unehelichen Kinde gleichgültig und fremd gegenüber. Er betrachtet dasselbe als Last [. . .].“ 464 Vgl. auch Wapler, RW 2014, 57, 70 f., die zu Recht darauf aufmerksam macht, „wie tief die traditionellen geschlechtsbezogenen Vorstellungen von Elternschaft in dem verfassungsrechtlichen Bild der Familie bis in die heutige Zeit verankert sind.“ (Zitat ebd., S. 71.) 465 Siehe auch Helms, FamRZ 2010, 1, 2, der im Hinblick auf die Entwicklung der gesetzlichen Tatbestände zur abstammungsrechtlichen Stellung des potentiellen leiblichen Vaters bemerkt: „Der fundamentale Wandel, den die deutsche Rechtsordnung damit in gerade einmal 40 Jahren vollzogen hat, lässt sich sicherlich nur mit einer radikalen Veränderung der zugrunde liegenden sozialen Strukturen und gesellschaftlichen Anschauungen erklären.“ 462
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
Wahrheiten erstgenannten schon immer der Vorrang eingeräumt worden ist. Denn wenn auch außer Frage steht, dass es sich bei dem in eine Ehe geborenen Kind idealiter um das leibliche Kind der Ehepartner*innen handeln sollte,466 zeigt vor allem die Tatsache, dass dem leiblichen Vater eines außerehelich geborenen Kindes nach den überwiegenden Vorstellungen der Mitglieder des Parlamentarischen Rates jegliches Elternrecht versagt war, dass biologische Bande im Zweifel zu vernachlässigen waren.467 Gleiches gilt offenkundig für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das sich bis zum Jahr 2003 nicht dazu durchringen konnte, den leiblichen Vater eines Kindes voraussetzungslos in den persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einzubeziehen. 468 Die normative Kraft all dieser Entwicklungen469 voraussetzend,470 lassen sich auf Grundlage des aktuellen Stands der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestimmte Grundaussagen treffen, die im Folgenden dargestellt werden: I. Leibliche Vaterschaft und gesetzliche Elternschaft als Begründungsmerkmale verfassungsrechtlicher Elternschaft Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können sowohl die leibliche Vaterschaft als auch die gesetzliche Elternschaft als Begründungsmerk466 Vgl. auch Kuhn, Recht auf Kinder?, 2008, S. 389, der zutreffend bemerkt, dass die Ehe lange als „die einzig sozial annerkannte Form der Geschlechtergemeinschaft“ galt. 467 Siehe auch Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 184 f.: „Ein Automatismus von leiblicher Elternschaft und verfassungsrechtlichem Elternrecht war folglich von der Mehrheit des Parlamentarischen Rates nicht intendiert.“ 468 Siehe auch Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 47: „Und auch im Verfassungsrecht gibt es keinen Primat der genetischen Abstammung.“ 469 Angesprochen ist damit letztlich die Frage, ob und inwieweit die Berücksichtigung veränderter tatsächlicher Umstände als (zulässige) Auslegung verfassungsrechtlicher Tatbestände und damit nicht als (dem verfassungsgebenden Gesetzgeber vorbehaltene) Verfassungsänderung zu werten ist. Allgemein zum Thema: Michael, RW 2014, 426; Würtenberger, in: Neuhaus, Verfassungsänderungen, 2012, S. 287 ff.; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), 450. Speziell zur Problematik im Kontext von Artikel 6 GG etwa: Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 87 ff., insbesondere S. 90 (dort speziell zur „gespaltenen“ Mutterschaft); Gröpl/Yves, AöR 139 (2014), 125, insbesondere 142 ff. Das Bundesverfassungsgericht setzt eine derartige Wandelbarkeit des Inhalts verfassungsrechtlicher Bestimmungen ohnehin voraus, siehe nur Kaufhold, a. a. O., S. 90 und 88, unter anderem unter Verweis auf die Begründung des Gerichts zur Geschlechtsneutralität des Elternbegriffs in der Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des Verbots der Sukzessivadoption (zu dieser Entscheidung bereits vorstehend B.IV., S. 114 f.). 470 Dies erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass die Problematik „wohl zu den prinzipiell unentscheidbaren Fragen von Verfassungstheorie, -dogmatik und -interpretation gezählt werden“ darf, nicht weiter rechtfertigungsbedürftig. (Zitat aus Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 87 f.).
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male verfassungsrechtlicher Elternschaft (persönlicher Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) herangezogen werden. Der Anwendungsbereich für die Begründung der verfassungsrechtlichen Elternstellung durch Gesetz ist dabei keineswegs auf Fälle der Adoption beschränkt, sondern umfasst insbesondere auch den „nur“-gesetzlichen Vater, der diese Stellung aufgrund einer Ehe mit der Mutter des Kindes oder durch Anerkennung der Vaterschaft erlangt hat (vgl. §§ 1592 Nr. 1 und Nr. 2 BGB). II. Vorrang der gesetzlichen Vaterschaft vor der leiblichen Vaterschaft Die damit grundsätzlich gleichwertige Ausgangslage auch von leiblicher471 und gesetzlicher Vaterschaft löst das Gericht jedoch schnell zu Gunsten der gesetzlichen Vaterschaft auf, indem es das (prima facie-)Recht, verfassungsrechtliche Elternverantwortung für das Kind zu tragen, stets nur dem Mann zugesteht, der (zugleich) gesetzlicher Vater des Kindes ist. Die gesetzliche Zuweisung der Vaterschaft ist hierbei keineswegs als zusätzliches Merkmal zu verstehen, sondern im Zweifelsfall als sich gegenüber der leiblichen Vaterschaft durchsetzendes Merkmal. Essenziell dafür, um von einem Vorrang der gesetzlichen gegenüber der leiblichen Vaterschaft auszugehen, ist dabei, dass die gesetzliche Vaterschaft die verfassungsrechtliche Elternverantwortung auch dann und ohne notwendigen Korrekturbedarf mit sich bringen soll, wenn feststeht, dass leiblicher Vater des Kindes ein anderer Mann ist.472 Dass das Gericht den Gesetzgeber zumindest verbal dazu auffordert, „möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen“ 473, indiziert zunächst lediglich, dass das Bundesverfassungsgericht sich mit Recht grundsätzlich in der Rolle sieht, die Kriterien für die gesetzliche Zuweisung der Vaterschaft einer verfassungsrechtlichen Kontrolle zu unterziehen.474 471 Aus der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Gegenüberstellung der durch Abstammung und durch gesetzliche Zuweisung begründeten Trägerschaft des Elternrechts (siehe das Zitat auf S. 99) ergibt sich, dass der Begriff der Abstammung in diesem Kontext nicht im bürgerlich-rechtlichen Sinne, sondern im biologischen Sinne zu verstehen ist. 472 Vgl. auch Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 15, die die „Grundrechtsträgerschaft beim Elterngrundrecht“ in der Prägung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deshalb als „gesetzesakzessorisch“ bezeichnet. 473 Nachweis in Fn. 447. Zum tatsächlich geringen Gewicht dieser Aussage siehe nachfolgend Abschnitt 3 unter B.I.2.b), S. 139 ff. 474 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 100 f. bzw. Rn. 57: „Konsequenz dieser verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden gesetzlichen Vermutungsregelungen [. . .].“ (zu § 1592 Nr. 1 und Nr. 2 BGB). Zur Rolle des Gesetzgebers bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG siehe insbesondere nachstehend Abschnitt 3 unter B.I.3., S. 142 ff., sowie unter B.II.1., S. 153 ff.
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III. Soziale Elternschaft kein Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft Die Frage, ob eine soziale Elternschaft im Sinne einer rein tatsächlichen Verantwortungsübernahme für ein Kind als eigenständiges Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft in Betracht kommt, muss auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption klar verneint werden.475 Eine gewichtige Rolle spielt das Bestehen beziehungsweise das Nichtbestehen einer sozialen Elternschaft nach der Rechtsprechung des Gerichts hingegen, wenn es um die Frage der Neuzuweisung der gesetzlichen Vaterschaft geht, weil der leibliche Vater anstelle des gesetzlichen Vaters die gesetzliche Vaterschaft übernehmen möchte.476 IV. Übertragung der Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Stellung von leiblichem und gesetzlichem Vater auf die Eizellspenderin und die plazentale Wunschmutter? Versucht man, die vorstehend477 zusammengefassten Erkenntnisse aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Beantwortung der Frage fruchtbar zu machen, welcher Frau im Falle der Verwirklichung der plazentalen Wunschmutterschaft unter Entgegennahme einer Eizellspende die verfassungsrechtliche Elternverantwortung für das Kind zusteht,478 scheint die in der verfassungsrechtlichen Literatur überwiegend vertretene Auffassung479 nahe liegend, sowohl die plazentale Wunschmutter als auch die Eizellspenderin zunächst in den persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einzubeziehen. Denn ebenso wie der leibliche Vater weisen beide Frauen eine – wenn auch im Falle der plazentalen Wunschmutter lediglich ehemalige – körperliche Verbindung zu dem Kind auf. Zu einem anderen Ergebnis kommt man allerdings dann, wenn man die plazentale Mutterschaft als rein soziale Mutterschaft im Sinne einer allenfalls nachwirkenden, sozialen Bindung zwischen Mutter und Kind be-
475 Auch Pflegeeltern sind regelmäßig nicht Träger des Elterngrundrechts, siehe nur Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 15, sowie BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1988 – 1 BvR 818/88 –, BVerfGE 79, 51, 60 bzw. Rn. 30, juris. 476 Weiteres zur Bedeutung der sozialen Elternschaft in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird nachstehend in Abschnitt 3 unter B.I.3.a), S. 143 ff. ausgeführt. Vgl. zudem nachstehend Abschnitt 3, A., S. 122 f. 477 C.I. bis C.III. 478 Eine andere – berechtigte und hier nicht weiter aufgegriffene – Frage ist, „ob an der hergebrachten Aufteilung der Rechtsfragen zur Elternstellung in solche zur Mutterstellung und Vaterstellung überhaupt noch festgehalten werden sollte.“, siehe Röthel/ Heiderhoff, in: dies., Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 11. 479 Siehe vorstehend S. 98.
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greift, weil die soziale Elternschaft für sich genommen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade keine hinreichende Voraussetzung verfassungsrechtlicher Elternschaft ist. Gleichwohl wäre wegen der Eigenschaft der plazentalen Wunschmutter als gesetzlicher Mutter – Mutter eines Kindes ist nach § 1591 BGB die Frau, die das Kind geboren hat – von der verfassungsrechtlichen Elternstellung auch der plazentalen Wunschmutter auszugehen. Die gesetzliche Mutterschaft der plazentalen Wunschmutter ließe diese darüber hinaus, nicht aber die Eizellspenderin, über das verfassungsrechtliche (prima facie-)Recht verfügen, das von ihr geborene Kind zu pflegen und zu erziehen. Ob im Ergebnis tatsächlich von der Elternschaft sowohl der Eizellspenderin als auch der plazentalen Wunschmutter sowie der Elternverantwortung alleine der plazentalen Wunschmutter auszugehen ist, wird im folgenden Abschnitt geklärt. Abschnitt 3
Verfassungsrechtliche Elternverantwortung des eine Gametenspende in Anspruch nehmenden Wunschelters Unter kritischer Reflexion der bisher ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wird im Folgenden erläutert, warum und unter welchen Voraussetzungen diese ausreichend offen ist, um von einer verfassungsrechtlichen Elternverantwortung des eine Gametenspende in Anspruch nehmenden Wunschelters, nicht aber des Spendeelters auszugehen. Eine Abweichung von der bislang durch das Bundesverfassungsgericht gezeichneten Linie enthält das damit vorgestellte Konzept zur Erfassung verfassungsrechtlicher Elternverantwortung nach Gametenspende insofern, als sich die Rolle des Gesetzgebers – freilich nicht nur im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches unter Inanspruchnahme einer Gametenspende, sondern in allen Fällen der Verwirklichung des Kinderwunsches durch Fortpflanzung – auf das Recht und die Pflicht zur Ausgestaltung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beschränkt. Aus diesem Grund hängt insbesondere das (prima facie-)Recht des Wunschelters, das Kind zu pflegen und zu erziehen, entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht von der gesetzlichen Zuweisung der Elternschaft ab.480 Ebenso wenig ist die gesetzliche Zuweisung der Elternschaft nach hier vertretener Auffassung hinreichende Voraussetzung dafür, dass sich das Wunschelter auf den persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG berufen kann481 (B.). Bevor all dies im Einzelnen erläutert wird, gilt es jedoch zu begründen, warum die verfassungsrechtliche Abbildung des jeweiligen Willens von Wunsch- und Spendeelter grundsätzlich erstrebenswert ist (A.). 480 481
Hierzu insbesondere nachstehend B.II.1., S. 153 ff. Hierzu nachstehend B.I.3., S. 142 ff.
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
A. Soziale Elternschaft als materieller Kerngehalt verfassungsrechtlicher Elternverantwortung Maßgebliches Charakteristikum der unter Inanspruchnahme einer Gametenspende zustande kommenden Wunschelternschaft ist, dass das Wunschelter die elterliche Verantwortung für das Kind übernehmen möchte, während die Gametenspende gerade unter der Bedingung zur Verfügung gestellt wird, eben dies nicht tun zu müssen. Die soziale Elternschaft für das Kind soll also vom Wunschelter, nicht aber vom Spendeelter übernommen werden. Eine spätere soziale Elternschaft des Wunschelters alleine führt jedoch nach allgemeiner Ansicht schon nicht zur verfassungsrechtlichen Elternschaft des Wunschelters (persönlicher Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG).482 Ist über die personelle Zuweisung verfassungsrechtlicher Elternverantwortung indes entschieden, besteht kein Zweifel daran, dass es die soziale Elternschaft ist, die den materiellen Kerngehalt elterlicher Verantwortung bildet. Denn „Voraussetzung dafür, entsprechend dem Elternrecht Verantwortung für das Kind tragen zu können, ist [. . .] die soziale und personale Verbundenheit zwischen Eltern und Kind“ 483. Dem entspricht es, dass es gerade die vorhandene oder fehlende soziale Elternschaft zwischen Kind und gesetzlichem Vater ist, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darüber entscheidet, ob der leibliche Vater die gesetzliche Vaterstellung anstelle des gesetzlichen Vaters einnehmen kann.484 Auch die Neuzuweisung der Elternschaft im Wege der Adoption setzt unter anderem voraus, dass zwischen Annehmendem und Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht (vgl. § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB). Im Kontext von Gametenspenden wäre die verfassungsrechtliche Abbildung der Willen des Wunschelters und des Spendeelters – und damit sinnigerweise die Ausklammerung des Spendeelters bereits vom persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG – deshalb nicht nur von Eigenwert, sondern erschiene auch im Hinblick auf die Entstehung eines dem Kindeswohl dienlichen stabilen Eltern-Kind-Verhältnisses erstrebenswert.485
482 Zur entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe bereits vorstehend Abschnitt 2, C.III., S. 120. Nachweise zu der (insoweit mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts übereinstimmenden) Literatur finden sich in Fn. 567. 483 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 106 bzw. Rn. 72. 484 Siehe hierzu auch nachfolgend unter B.I.3.a), S. 143 ff. 485 Vgl. auch Dethloff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 21 f.: „[. . .] dass der Wille zur Elternschaft bei Zeugung am ehesten die Bereitschaft zur tatsächlichen Übernahme der Sorge nach der Geburt gewährleistet und damit den Interessen des Kindes entspricht.“ Zur Bedeutung des Willens zur Übernahme elterlicher Verantwortung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe nachstehend unter B.I.2., S. 135 ff.
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B. Voraussetzungen der verfassungsrechtlichen Elternverantwortung des eine Gametenspende in Anspruch nehmenden Wunschelters Im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches unter Inanspruchnahme einer Gametenspende, das Wunschelter, nicht aber das Spendeelter, als Träger des (prima facie-)Rechts, das Kind zu pflegen und zu erziehen, ansehen zu wollen, ist angesichts der bisher ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigungsbedürftig. Dieser Rechtfertigungsbedarf betrifft zunächst den persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Elternschaft; I.). Aber auch bezüglich des sachlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Elternverantwortung) besteht Klärungsbedarf (II.). I. Elternschaft des Wunschelters Rechtfertigungsbedarf hinsichtlich einer Einbeziehung des Wunschelters, nicht aber des Spendeelters in den persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 GG besteht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunächst insoweit, als das Gericht den leiblichen Vater zweifelsohne stets als verfassungsrechtliches Elter im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ansieht.486 Immerhin ist das Spendeelter, ebenso wie der leibliche Vater, genetisch mit dem Kind verbunden. Umgekehrt besteht eine solche Verbindung zwischen Wunschelter und Kind nicht (Wunschvaterschaft nach Samenpende) beziehungsweise allenfalls in ähnlicher Form (plazentale Wunschmutterschaft nach Eizellspende). Die Rechtfertigung gelingt weitestgehend, wenn man sich von der intuitiven Vorstellung der leiblichen Vaterschaft als in erster Linie genetischer Vaterschaft löst (1.). Zusätzliche Argumente für die verfassungsrechtliche Elternschaft des Wunschelters können gewonnen werden, wenn man die – durch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als verfassungsgemäß eingeordneten487 – gesetzlichen Tatbestände zur Begründung der Vaterschaft des § 1592 Nr. 1 BGB (Vaterschaft des Mannes, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist) und § 1592 Nr. 2 BGB (Vaterschaft des diese anerkennenden Mannes) nicht als Vermutungstatbestände für eine leibliche Vaterschaft, sondern als Medium zur Berücksichtigung des Willens zur Übernahme elterlicher Verantwortung begreift (2.). Die etwaige Eigenschaft des Wunschelters als gesetzliches Elter hingegen entfaltet im Falle der durch Fortpflanzung begründeten Elternschaft entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine unmittelbaren verfassungsrechtlichen Rückwirkungen hinsichtlich des persönlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (3.). 486 487
Hierzu bereits vorstehend Abschnitt 2, B.III.1., S. 111 f., sowie unter C.I., S. 118. Siehe nur vorstehend Fn. 474.
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
1. Zeugungsverantwortung des Wunschelters Unmittelbares Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft ist nicht die genetische Verbundenheit zwischen Elter und Kind, sondern die Zeugungsverantwortung des Elters. Zeugungsverantwortung trägt im Falle der Verwirklichung der Wunschelternschaft unter Verwendung einer Gametenspende stets das Wunschelter. Von einer Zeugungsverantwortung (auch) des Spendeelters ist insbesondere dann nicht auszugehen, wenn dieses die Gametenspende bei einer Eizell-, einer Samenbank oder einer vergleichbaren Institution zur weiteren Verwendung abgegeben hat (a)). Ein unzulässiger Verzicht auf die Elternverantwortung wird durch den hieraus gegebenenfalls resultierenden Ausschluss des Spendeelters schon vom persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht ermöglicht (b)). Auch das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung steht dem Verständnis der verfassungsrechtlichen Elternschaft als auf Zeugungsverantwortung gründender Elternschaft nicht entgegen (c)). a) Zeugungsverantwortung als Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft Die Elterneigenschaft im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Falle der Vaterschaft nicht mehr voraus als die leibliche Vaterschaft. Ausgegangen werden muss dabei davon, dass das Gericht den Grund für die verfassungsrechtliche Vaterschaft des leiblichen Vaters in der genetischen Verbindung zwischen Vater und Kind sucht und damit – bislang488 – die leibliche Vaterschaft der genetischen Vaterschaft gleichsetzt. Am deutlichsten kommt dies zum Ausdruck, wenn das Gericht den Gesetzgeber dazu auffordert, die Elternschaft an der „Abstammung“ 489 auszurichten. Dass dem so ist, überrascht nicht und entspricht wohl der weitläufigen Meinung auch jenseits juristischer Diskurse. Interessanter wird es, wenn man sich die Begründung dafür ansieht, warum der Gesetzgeber gehalten sei, die gesetzliche Elternschaft anhand des Kriteriums der Abstammung auszurichten. So führte das Gericht etwa in der Entscheidung zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater aus: „Wenn Art. 6 488 Vgl. Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 17, die zutreffend feststellt, dass das Bundesverfassungsgericht über die verfassungsrechtliche Bedeutung genetischer Mutterschaft noch nicht entschieden hat. Dem ist hinzuzufügen, dass auch zu der Bedeutung der auf einer Samenspende gründenden genetischen Vaterschaft bislang keine Entscheidung vorliegt (siehe bereits vorstehend S. 96). 489 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 100 bzw. Rn. 56 (unter Verweis auf BVerfG, Urteil vom 31. Januar 1989 – 1 BvL 17/87 –, BVerfGE 79, 256, 267); siehe ferner bereits vorstehend B.III.3., S. 113. Zur terminologischen Trennung zwischen genetischem und leiblichem Vater siehe vorstehend Teil 1, Abschnitt 1 unter B.II., S. 20 ff.
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Abs. 2 Satz 1 GG vom natürlichen Recht der Eltern spricht, verdeutlicht dies, dass diejenigen, die einem Kind das Leben geben, von Natur aus grundsätzlich bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen [. . .]. Deshalb ist der Gesetzgeber gehalten, die Zuweisung der elterlichen Rechtsposition an der Abstammung des Kindes auszurichten [. . .].“ 490 Deutlich hervor geht aus diesem Zitat die Verknüpfung des (aus dem Adjektiv „natürlich“ hergeleiteten491) Merkmals Abstammung mit – erstens – der Vermutung der „Bereitschaft“ zur Pflege und Erziehung des Kindes und – zweitens – dem Schicksal, hierzu „berufen“ zu sein. Besetzt ist das Merkmal der Abstammung damit sowohl mit einem voluntativen (Bereitschaft) als auch einem normativen Moment (Berufensein). Widmet man sich zunächst dem voluntativen Element, also der Bereitschaft, ist schnell klar, dass diese kein tragender Grund für die verfassungsrechtliche Elternschaft des leiblichen Elters sein kann. Die Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung ist zwar in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie noch gezeigt werden wird,492 von großem Gewicht. Abgesehen davon jedoch, dass sich das Gericht hinsichtlich der Einordnung der Bereitschaft jedenfalls des leiblichen Vaters zur Übernahme elterlicher Verantwortung nicht unbeding widerspruchsfrei äußert493, steht außer Zweifel, dass die verfassungsrechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters insofern unbedingt ist, als diese nicht von dessen Willen zur Übernahme elterlicher Verantwortung abhängt. Steht keine andere Person zur Verfügung, die anstelle des leiblichen Vaters als gesetzliches Elter in Betracht kommt, kann der leibliche Vater insbesondere nichts dagegen unternehmen, dass sein verfassungsrechtliches Anwartschaftsrecht durch Feststellung seiner leiblichen Vaterschaft (§ 1592 Nr. 3 BGB) zu einem Vollrecht er490 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 100 bzw. Rn. 56 unter Verweis auch auf BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/ 63 –, BVerfGE 24, 119, 150, wo es ebenfalls heißt: „Der Verfassungsgeber geht davon aus, daß diejenigen, die einem Kinde das Leben geben, von Natur aus bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen.“ (Rn. 70, juris). Siehe auch Dethloff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 20, die aus der Eigenschaft der leiblichen Mutter (im Falle der durch Geschlechtsakt erfolgten Zeugung) als genetischer und plazentaler Mutter die Bereitschaft dieser Frau zur Übernahme der sozialen Mutterrolle herleitet. 491 Zu der (auch) von der Auffassung des Gerichts abweichenden Interpretation der Wendung „natürliches Recht“ siehe nachstehend S. 133. 492 Hierzu nachfolgend unter B.I.2., S. 135 ff. 493 Im Widerspruch zu der mit der Abstammung angeblich einhergehenden Bereitschaft, Verantwortung für das Kind zu übernehmen (Nachweis in Fn. 490), steht folgende Aussage (ebenfalls) aus BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 104 bzw. Rn. 65: „Aber auch wenn sich ein Mann dazu bekennt, neben dem rechtlichen Vater leiblicher Vater eines Kindes zu sein, [. . .] kann daraus [nicht] geschlossen werden, dass er auch bereit ist, [. . .] Elternverantwortung für das Kind zu übernehmen.“ (Siehe zu diesem Passus auch nachstehend S. 138.)
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
starkt, sofern Mutter oder Kind dies wünschen. Dazu „berufen“, elterliche Verantwortung für das Kind zu tragen, ist der leibliche Vater also auch dann, wenn er hierzu gar nicht „bereit“ ist. Verfassungsrechtlicher Vater ist damit nicht nur der leibliche Wunschvater, sondern auch der seiner Elternschaft indifferent oder sogar negativ gegenüberstehende leibliche Vater. Der vom Bundesverfassungsgericht hergestellte Zusammenhang zwischen Abstammung und Willen zur Übernahme elterlicher Verantwortung kann deshalb nicht mehr bedeuten als eine rein tatsächliche Erwartungshaltung. Der eigentliche Grund für die verfassungsrechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters muss damit in dem normativen Moment, also dem „Berufensein“ zur Pflege und Erziehung des Kindes liegen. Diesbezüglich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass die genetische Verbindung zwischen Vater beziehungsweise allgemein: Elter und Kind als solche von Eigenwert sei und es deshalb keiner weiteren Begründung für das „Berufensein“ des leiblichen Elters zur Pflege und Erziehung des Kindes bedürfe. Allerdings erscheint diese Sichtweise nicht nur ein wenig pathetisch,494 sondern lässt sich darüber hinaus kaum mit der Genese des Elternbegriffs vereinbaren, aus der, wie gezeigt wurde, hervorgeht, dass sich leibliche Bande sozialen Verhältnissen und gesellschaftlichen Vorstellungen im Zweifel schon immer unterzuordnen hatten.495 Auch auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Konkurrenz von leiblichem und gesetzlichem Vater496 ist ein auf einen Eigenwert einer genetischen Verbindung verweisendes Verständnis leiblicher Elternschaft wenig überzeugend. Näher liegend ist deshalb, den Grund für das „Berufensein“ des leiblichen Elters für die Pflege und Erziehung des Kindes nicht in einem Eigenwert der genetischen Verbindung, sondern in der Verantwortung des leiblichen Elters für die Entstehung des Kindes zu suchen. Eine Verantworung für die Entstehung des Kindes tragen alle leiblichen Eltern insofern, als diese durch die Ausübung des Geschlechtsaktes (als hier unterstellter Regelform des Zustandekommens leiblicher Elternschaft) die „Gefahr“ der Zeugung eines Kindes begründen.497 Schon Wanitzek498
494 Vgl. auch Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 45 f.: „Interessant ist jedenfalls zu sehen, welche zusätzliche, primär emotionale Überzeugungskraft der Rekurs auf die Leiblichkeit der Kinder entfaltet.“ (Zitat ebd., Fn. 44.) 495 Siehe hierzu bereits vorstehend Abschnitt 2 unter C., S. 116 ff. 496 Siehe insoweit insbesondere vorstehend Abschnitt 2, C.II., S. 119. 497 Vgl. auch Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 36 (verantwortete Elternschaft als Folge verbesserter Möglichkeiten der Empfängnisverhütung, unter Verweis auf Nave-Herz, in: Clausen/Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Verhandlungen des 27. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Halle an der Saale 1995, 1996, S. 60). 498 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S. 138 ff.
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hat im Zusammenhang mit der durch Geschlechtsakt erfolgenden Zeugung eines Kindes herausgearbeitet, dass sich die Rolle eines leiblichen Elters nicht in dessen Eigenschaft als genetischem Elter erschöpft und die gesetzliche Zuordnung des Kindes im Sinne der bürgerlich-rechtlichen Abstammung auch auf dem Gedanken beruht, dass die Entstehung des Kindes dem leiblichen Elter wegen dessen Zeugungshandeln zuzurechnen ist. Versteht man die verfassungsrechtliche Elternschaft des leiblichen Elters aber als durch Zeugungsverantwortung für das Kind begründete Elternschaft, ist das Merkmal der genetischen Abstammung als unmittelbareres Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft obsolet. Lediglich mittelbar relevant ist die genetische Verbindung insofern, als das leibliche Elter die tatsächliche Verfügungsgewalt, die Verfügungsbefugnis und damit die Verfügungsverantwortung über das genetische Material innehat, ohne das eine Zeugung des Kindes nicht möglich ist;499 damit lässt die genetische Elternschaft auf eine Zeugungsverantwortung schließen, ohne diese jedoch selbst zu begründen. Dass auch das Bundesverfassungsgericht einem derartigen Verständnis leiblicher Elternschaft nicht grundsätzlich abgeneigt ist, zeigt sich daran, dass es jüngst ausführte, „[l]eibliche Eltern haben die Existenz des Kindes zu vertreten“ 500. Bemüht man das Merkmal der Zeugungsverantwortung im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches unter Inanspruchnahme einer Gametenspende, wird bei einer, stets gebotenen, wertenden Betrachtungsweise zunächst deutlich, dass das Wunschelter aufgrund seiner – als Realakt zu wertenden – Zustimmung zur Zeugung des Kindes unter Verwendung einer Gametenspende für die Entstehung des Kindes verantwortlich zeichnet und kraft dieser Verantwortung als verfassungsrechtliches Elter anzuerkennen ist. Die Zustimmung zur Zeugung des Kindes durch das Wunschelter fungiert damit als Funktionsäquivalent zur Ausübung des Geschlechtsaktes im Falle der leiblichen Elternschaft.501 Zur verfas499
Vgl. auch Brohm (Nw. in Fn. 264). BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/13 –, BVerfGE 141, 186, 209 bzw. Rn. 50. 501 Vgl. auch Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 57: „Mit seiner Einwilligung in die Zeugung des Kindes hat der intendierte Vater ebenso wie der genetische Vater beim natürlichen Zeugungsakt eine wesentliche Ursache für die Zeugung des Kindes gesetzt (man könnte an die Diktion des Bundesverfassungsgerichts anknüpfend insoweit auch davon sprechen, dass neben dem genetischen Vater im übertragenen Sinne auch der intendierte Vater dem Kind ,das Leben gegeben‘ hat [. . .]).“ (unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 100 bzw. Rn. 55); vgl. ferner etwa Dethloff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 22: „Die Veranlassung der Zeugung des Kindes begründet aber zugleich auch unabhängig von diesem Willen eine Verantwortung, von der sich die betreffende Person nicht soll lossagen können.“, sowie bereits Schwenzer, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 59. Deutschen Juristentages, Band I, 1992, S. A 31: „Der einer heterologen Insemination seiner Partnerin zustimmende Mann setzt damit eine Ursache zur Entstehung des Kindes, die nicht mehr besei500
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sungsrechtlichen Stellung des Spendeelters ist demgegenüber zu konstatieren, dass zwar auch die durch dieses erfolgende Zurverfügungstellung der Gameten conditio-sine-qua-non für die Entstehung des Kindes ist. Eine der Ausübung des Geschlechtsaktes vergleichbare und somit die Zuweisung der verfassungsrechtlichen Elternschaft rechtfertigende Handlung liegt in der Aufgabe der Verfügungsgewalt und -befugnis über die eigenen Gameten durch das Spendeelter jedoch dann nicht, wenn dieses die Spende bei einer Eizell-, einer Samenbank oder einer vergleichbaren Institution abgibt (offizielle Spende).502 Denn die Abgabe der Spende bei einer derartigen Institution als für Dritte sichtbare, nicht im rein privaten Raum stattfindende Handlung rechtfertigt es, die mit der genetischen Elternschaft einhergehende Vermutung der Zeugungsverantwortung zu entkräften. Zu einem anderen Ergebnis wird man allerdings tendenziell kommen müssen, wenn die Spende – was nach derzeitigem technischen Stand lediglich bei Samenspenden, nicht aber bei Eizellspenden möglich ist – nicht bei einer entsprechenden Institution abgegeben wird (private Spende503). Sicherlich wäre es aus den bereits genannten Gründen504 wünschenswert, den Spendevater auch im Falle der privaten Spende nicht als verfassungsrechtliches Elter (neben dem ohnehin als solches einzuordnenden Wunschelter) ansehen zu müssen. Problematisch erscheint dies jedoch deshalb, weil eine Handlung, welche die mit der genetischen Elternschaft einhergehende Vermutung der Zeugungsverantwortung für das Kind zu entkräften vermag – anders als bei der offiziellen Spende – in derartigen Fällen nicht unbedingt ersichtlich ist. So unterscheidet sich etwa der Mann, der einer Wunschmutter seinen Samen als Spendevater übergibt („Becherspende“), zunächst nur dadurch von dem Mann, der einer Frau seinen Samen auf die gleiche Weise als Wunschvater übergibt, dass die Übergabe der Spende an die Mutter von dem Willen getragen ist und unter der Bedingung erfolgt, keine elterliche Verantwortung für das aus den übergebenen Samen entstehende Kind übernehmen zu müssen. Der bestehende oder fehlende Wille zur Übernahme elterlicher
tigt werden kann. Insofern ist er durchaus dem Mann gleichzusetzen, der unbedacht auf natürliche Weise ein Kind gezeugt hat und sich aus dieser Verantwortung nicht mehr lösen kann.“ 502 Vgl. abermals Dethloff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 22: „Umgekehrt trifft den Spender, dem es von vornherein am Willen zur Elternschaft fehlt, keine vergleichbare Verantwortung.“; vgl. ferner (im zivilrechtlichen Kontext) Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 22: „[. . .] nicht den Samenspender in die Haftung nehmen [. . .].“ 503 Zur (insgesamt vermutlich nicht einheitlichen, jedenfalls etwas verwirrenden) Verwendung des Begriffs der privaten Samenspende vgl. die jeweilige Beschreibung in Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 105 und 54 f., sowie in Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 64, Beschlüsse A.III.6.a), b) und c). 504 Siehe vorstehend A., S. 122 f.
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Verantwortung als solcher505 aber ist für die (nach hier vertretener Auffassung in erster Linie auf dem Gedanken der Zurechnung beruhende) Begründung oder Nichtbegründung verfassungsrechtlicher Elternschaft nicht von Bedeutung. Wird die Spende also nicht bei einer Samenbank oder einer vergleichbaren Institution abgegeben, kann der Spendevater nur dann nicht als verfassungsrechtliches Elter angesehen werden, wenn er eine der Abgabe der Spende bei einer derartigen Institution vergleichbare Handlung vornimmt.506 b) Kein unzulässiger Verzicht des Spendeelters auf elterliche Verantwortung Die in der untrennbaren Verbindung zwischen Recht und Pflicht liegende Janusköpfigkeit der verfassungsrechtlichen Elternverantwortung verbietet verfassungsrechtlichen Eltern nicht nur einen Verzicht auf das Elternrecht als solches, sondern verwehrt diesen dem Grundsatz nach auch, über das „Ob“ der Ausübung ihres Elternrechts frei zu entscheiden.507 Zwar haben die Eltern es rein tatsächlich in der Hand, sich um das Kind nicht zu kümmern. Eine unterlassene Ausübung elterlicher Verantwortung hat jedoch nicht ohne Weiteres zur Folge, dass die nicht willigen oder nicht fähigen Eltern von ihren Pflichten entbunden wären. Folgt aus einem solchen Sachverhalt eine Kindeswohlgefährdung, zieht dies vielmehr ein staatliches Interventionsrecht beziehungsweise eine entsprechende
505 Zur gleichwohl keinesfalls zu vernachlässigenden Bedeutung des Willens zur Übernahme elterlicher Verantwortung im Kontext des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG siehe nachfolgend B.I.2., S. 135 ff. 506 Vgl. (im zivilrechtlichen Kontext) auch Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 26 (öffentliche Beurkundung beim Jugendamt oder Notar bezüglich des Verzichts des Samenspenders auf die Vaterschaft im Falle der Zeugung des Kindes mit einer privaten Spende auf dem Wege der Selbstinsemination). Der verfassungsrechtlichen Bewältigung privater Samenspenden wird im Folgenden wegen des übergeordneten Themas dieser Arbeit – der Eizellspende – nicht weiter nachgegangen. Eine zwischen insgesamt vier Formen der Samenspende differenzierende und sehr ausführliche (zivilrechtliche) Betrachtung auch privater Samenspenden sowie auch von Zeugungen, die durch Selbstinsemination vorgenommen werden, hat der Arbeitskreis Abstammungsrecht vorgenommen, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 54 ff. Zur Bewältigung von Konstellationen, in denen mehr als zwei Menschen verfassungsrechtliche Elternverantwortung für ein Kind tragen („Mehrfachelternverantwortung“) auf verfassungsrechtlicher Ebene vgl. aber nachstehend B.II.1.b)bb), S. 160 ff. 507 Siehe Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 156; Bethge, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 2011, § 203 Rn. 118 (vgl. auch Rn. 99 und 106). Siehe ferner Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 130 [Stand: 74. Lfg. Dezember 1995] („[. . .] dürfte ein Grundrechtsverzicht, unabhängig davon, welcher grundrechtsdogmatischen Konstruktion gefolgt wird, wenn schon nicht stets, so doch in aller Regel ausscheiden: Die aus der Elternverantwortung fließenden rechtlichen Befugnisse sind pflichtgebunden [. . .].“).
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Pflicht nach sich (staatliches Wächteramt, Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG).508 Ziel jeglicher staatlicher Intervention ist dabei zunächst, die Verantwortungsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern (wieder) herzustellen. Eine gegen den Willen der Eltern erfolgende Freigabe des Kindes zur Adoption ist ultima ratio.509 Grundlegend zu unterscheiden von der Situation, in der es um das Schicksal eines bereits gezeugten und geborenen Kindes geht, ist allerdings die Situation, in der sich ein Mensch befindet, der sich dazu entschließt, seine Gameten zur Verwirklichung des Kinderwunsches einer anderen Person zur Verfügung zu stellen. Denn weil das Kind, auf das sich die spätere Verantwortung des Spendeelters beziehen könnte, im Zeitpunkt der Abgabe der Spende nicht einmal gezeugt wurde, kann zu diesem Zeitpunkt weder ein Recht noch eine Pflicht des Spendeelters zur Übernahme elterlicher Verantwortung bestehen. Die Aufgabe der Verfügungsgewalt über die eigenen Gameten durch das Spendeelter, verbunden mit der Befugnis, die Gameten zur Etablierung der Elternverantwortung einer anderen Person zu verwenden, ist demnach kein Verzicht auf ein bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis und die damit verbundene Elternverantwortung, sondern ein – zulässiger – Verzicht auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses und damit bereits auf die Elternschaft. Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht einem so formulierten Verzicht auch dann nicht entgegen, wenn hieraus die verfassungsrechtliche Elternschaft und -verantwortung lediglich einer Person resultiert, was stets der Fall ist, wenn kein an die Stelle des Spendeelter tretendes (zweites) Wunschelter zur Verfügung steht.510 Zwar deutet der im Plural gefasste Wortlaut („Eltern“) darauf hin, dass der Vorschrift die Vorstellung einer auf (mindestens) zwei Personen verteilten Elternverantwortung zugrunde liegt. Allerdings ist in diesem Zusammenhang nicht nur an den individualrechtlichen Charakter des Elterngrundrechts511 zu erinnern, sondern auch daran, dass sowohl der Parlamentarische Rat als auch das Bundesverfassungsgericht in der ersten Phase seiner Rechtsprechung lediglich die Mutter, nicht aber den leiblichen Vater eines Kindes unter den Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stellten, sofern dieser nicht mit der Mutter des Kindes verheiratet war.512 Ist aber ein Verzicht des Spende508 Siehe nur BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2017 – 1 BvR 2569/16 –, Rn. 41 (mit zahlreichen weiteren Nachweisen; st. Rspr.). 509 Ungeachtet dessen bewirkt selbst die Volladoption eines Kindes nicht, dass die „ursprünglichen“ Eltern nicht mehr unter den persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG fielen (Nachweise in Fn. 591). 510 Zu den Bedingungen des Ausschlusses der Zeugungsverantwortung des Spendeelters siehe vorstehend S. 127 ff.; zu Aspekten der „Alleinelternschaft“ vgl. nachfolgend Teil 3, C.V., S. 234 ff. 511 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 78 bzw. Rn. 51; Höfling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 155 Rn. 64; Burgi, in: Friauf/ Höfling, Berliner Kommentar-GG, Art. 6 Rn. 79 [Stand 22. Erg.-Lfg. XII/07]; Jestaedt, in: Geis, Planung – Steuerung – Kontrolle, 2006, S. 90. 512 Siehe vorstehend Abschnitt 2 unter A.II., S. 103 ff. (zum Parlamentarischen Rat), sowie unter B.I., S. 107 ff. (zur erstmaligen Erstreckung des Schutzbereichs des Art. 6
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elters auf die Elternschaft grundsätzlich möglich, muss ein Rückgriff auf einen für zulässig erachteten Ausübungsverzicht513 des Spendeelters unter Vorbehalt der Kindeswohlverträglichkeit oder auf ähnliche Konstruktionen514 zur verfassungsrechtlichen Bewältigung von Elternschaften nach Gametenspende allenfalls in Bezug auf den Samenspender und insoweit auch nur dann diskutiert werden, wenn der Spendevater trotz der Spende als verfassungsrechtliches Elter anzu sehen ist.515 c) Kein Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung durch die genetischen Eltern Mit der „den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auferlegten Pflicht gegenüber dem Kind, es zu pflegen und zu erziehen, korrespondiert das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG“. Dieser Satz stammt aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008,516 in der das Gericht über die (im Ergebnis verneinte) Frage zu befinden hatte, ob die bis dato gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der AndroAbs. 2 Satz 1 GG auf den leiblichen Vater eines außerehelich geborenen Kindes durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1981). 513 Zur Unterscheidung zwischen Nichtausübung von Grundrechten, Grundrechtsausübungs- und Grundrechtsverzicht und zugleich kritisch zur dogmatischen Leistungsfähigkeit der Figur des Verzichts: Bethge, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 2011, § 203 Rn. 1 sowie 91 ff.; Merten, in: Merten/Papier, HGR III, 2009, § 73; Stern, Staatsrecht III/2, 1994, § 86. 514 Siehe Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 113 f. sowie 96 ff., die stets von der Grundrechtsträgerschaft des genetischen Elters und der Möglichkeit eines zulässigen Ausübungsverzichts dieses Elters ausgeht, wenn und soweit das Kindeswohl hierdurch nicht gefährdet wird. Kindeswohlverträglich „dürfte“ ein solcher Verzicht „regelmäßig“ sein, wenn und soweit eine andere zur Sorge bereite und fähige Person sämtliche Elternpflichten übernehme (Zitate ebd., S. 113). Ein Verzicht auf die Ausübung der Elternverantwortung sei danach davon abhängig, dass der Gesetzgeber hierfür die rechtlichen Voraussetzungen schaffe. Siehe ferner Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 178 f., nach der der „Verzicht“ lediglich klarstelle, dass die Spendeeltern auch nach Zeugung und Geburt des Kindes ihrer verfassungsmäßigen Elternverantwortung nicht nachkommen wollten, was wiederum zu einer vorverlagerten Schutzwirkung des Wächteramtes aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG führe. Der Frage, „ob und inwieweit in Fällen der Keimzellspende [. . .] ein Erstarken der Elternverantwortung der genetischen Eltern bei Ausfall der rechtlich-sozialen Eltern auf einfachgesetzlicher Ebene geboten wäre“, geht diese allerdings ausdrücklich nicht nach (Zitat ebd., S. 176 f.). Vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Februar 2015 – XII ZB 473/13 –, in dem der Senat von der Möglichkeit des leiblichen/genetischen Vaters ausgeht, „auf sein grundrechtlich geschütztes Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen, von vornherein verzichtet“ zu haben (Zitat ebd., Rn. 23; siehe auch die Anmerkung zu dieser Entscheidung von Heiderhoff, NJW 2015, 1820). 515 Vgl. vorstehend S. 127 ff. 516 BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69, 93 bzw. Rn. 72.
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hung einer zwangsweisen Durchsetzung der elterlichen Umgangspflicht einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das in dieser Entscheidung erstmals benannte und – wie das Gericht mittlerweile klarstellte – gegen den Staat gerichtete517 Recht ein Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung von Pflege und Erziehung gerade durch die genetischen Eltern begründete, gibt es nicht. Gegen eine solche Interpretation spricht vielmehr, dass das Recht des Kindes darauf gerichtet ist, dass seine „Eltern ihre Verantwortung ihm gegenüber zu seinem Wohle ausüben“ 518. Ist dem aber so, ergäbe es keinen Sinn, das Kind mit einem Recht auf Zuordnung gerade der Personen auszustatten, die – wie Gametenspender*innen – von vornherein nicht dazu bereit sind, sich des Kindes als Eltern anzunehmen. In diesem Falle nämlich würde eine Zuweisung anhand „genetische[r] Bande“ gerade nicht „Kontinuität und Stabilität im Eltern-Kind-Verhältnis“ versprechen.519 Gegen eine Interpretation des kindlichen Rechts auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung als Recht auf Pflege und Erziehung gerade durch die genetischen Eltern spricht darüber hinaus, dass das Recht in der grundrechtlichen Schutzpflicht gegenüber dem Kind „wurzelt“,520 weshalb der Gesetzgeber nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht 517 Die Entscheidung aus dem Jahr 2008 rief insofern Irritationen hervor, als das Gericht unter anderem formulierte, die Eltern seien ihrem Kind „unmittelbar“ gegenüber verpflichtet (BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69, 92 bzw. Rn. 70). Kritisiert wurde daran, die Formulierung lasse den Schluss zu, das Gericht verstehe das Grundrecht des Kindes als Recht des Kindes gegenüber seinen Eltern, vgl. Reimer/Jestaedt, JZ 2013, 468, 471. Dass es sich bei dem Recht des Kindes um ein gegen den Staat gerichtetes Recht handelt, stellte das Gericht später klar, siehe BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 73 ff. bzw. Rn. 41 ff.; gleichwohl kritisch: Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 40: „Anhaltende Klarheit [. . .] damit aber noch kaum gewonnen.“ Die grundrechtsdogmatische Herleitung des Rechts soll vorliegend im Detail nicht interessieren. In den zuletzt ergangenen Entscheidungen bemühte das Gericht Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, siehe BVerfG, Beschluss vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 –, Rn. 22; vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 –, BVerfGE 135, 48, 85 bzw. Rn. 101; Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 73 bzw. Rn. 41. Auch in der Entscheidung aus dem Jahr 2008 war bereits ein „enge[r] Zusammenhang mit dem Grundrecht des Kindes auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG“ attestiert worden (BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69, 93 bzw. Rn. 72). 518 BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69, 98 bzw. Rn. 81. 519 Zitate aus Helms, in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 114. 520 Siehe BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 75 bzw. Rn. 45: „[. . .] hat der Gesetzgeber seine aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Gewährleistungsverantwortung gegenüber dem Kind [. . ..] nicht verletzt. Die staatliche Verpflichtung [. . .] wurzelt in der grundrechtlichen Schutzpflicht gegenüber dem Kind. Wie der Staat seine Verpflichtung zu einem effektiven Grundrechtsschutz erfüllt, ist in erster Linie vom Gesetzgeber zu entscheiden.“
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einmal verpflichtet sei, dem Kind zwei Personen als Eltern zur Seite zu stellen.521 Im Rahmen eines bestehenden Eltern-Kind-Verhältnisses findet das Recht des Kindes zudem auch dann seine Berechtigung, wenn man es als (bloße) strukturelle Kehrseite des elterlichen Rechts versteht. Denn das des „Schutzes und der Hilfe“ 522 bedürftige, gleichwohl mit eigenen Grundrechten ausgestattete523 Kind als „Gegenstand“ des Elternrechts wird nicht zum bloßen Objekt staatlicher oder elterlicher Interessen, wenn man dem Recht der Eltern „zum Handeln gegenüber dem Kind“ 524 ein (wenn auch gegen den Staat gerichtetes) Recht des Kindes zur Seite stellt.525 Auch der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach Pflege und Erziehung das „natürliche“ Recht der Eltern sind, gebietet nicht, den Begriff der Eltern im Sinne einer leiblichen beziehungsweise genetischen Elternschaft zu verstehen; das Adjektiv natürlich bezieht sich auf das Recht der Eltern, nicht auf die Eltern selbst.526 In personeller Hinsicht ist dem Recht des Kindes deshalb 521 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 76 f. bzw. Rn. 46. Zur „Alleinelternschaft“ vgl. nachfolgend Teil 3, C.V., S. 234 ff. 522 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 73 bzw. Rn. 42. Siehe ferner BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69, 93 bzw. Rn. 72 („[. . .] dass das Kind noch nicht selbst für sich Verantwortung tragen kann und zu Schaden käme, wenn es hierbei keine Hilfe erführe.“). 523 Nur: BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2017 – 1 BvR 2569/16 –, Rn. 40. Siehe ferner die Nachweise in Fn. 522 (st. Rspr. und im Übrigen eine Selbstverständlichkeit). 524 Westermeyer, Die Herausbildung des Subsidiaritätsverhältnisses zwischen Familie und Staat und seine heutige Bedeutung im Grundgesetz, 2010, S. 167. Vgl. zu diesem Aspekt auch Klein, Fremdnützige Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 70 f. („Einwirkungsrecht“), sowie Böckenförde, in: Krautscheidt/Marré, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Band 14, 1980, S. 60: „Schutzgegenstand des Elternrechts ist somit eine einseitige, unmittelbare Bestimmungsmöglichkeit über andere Menschen, die Kinder, im Hinblick auf deren Persönlichkeitsentwicklung; dies ist, ob man es gerne hört oder nicht, ein Kriterium von Herrschaft [. . .].“ 525 Vgl. (abermals) Böckenförde, in: Krautscheidt/Marré, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Band 14, 1980, S. 71: „[. . .] bleibt der in einer Herrschaftsbeziehung Stehende Subjekt und wird nicht zum bloßen Objekt von Herrschaftsgewalt.“; ferner Geddert-Steinacher, Menschenwürde als Verfassungsbegriff, 1990, S. 143, sowie bereits BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/63 –, BVerfGE 24, 119, 144 bzw. Rn. 58, juris: Eine „Verfassung, welche die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertsystems stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen grundsätzlich niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen, die nicht zugleich pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren.“ Wortgleich: BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69, 92 f. bzw. Rn. 71. 526 Siehe aber Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 58 [Stand: 74. Lfg. Dezember 1995] (natürliches Recht als „Indiz“); in diesem Sinne auch Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 180 und 185. Auch das Bundesverfassungsgericht geht von einem Zusammenhang aus: „Der verfassungsrechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Eltern steht auch nicht entgegen, dass Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vom natürlichen Recht der Eltern spricht. Zwar ist daraus zu schließen, dass mit Eltern zunächst die Menschen gemeint sind, die dem Kind das Leben geben [. . .].“, BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 78 f. bzw. Rn. 53.
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bislang nicht mehr zu entnehmen als ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung überhaupt527 beziehungsweise durch jene Personen, die als verfassungsrechtliche Eltern dazu befugt sind, das Kind zu pflegen und zu erziehen. Von der verfassungsrechtlichen Elternschaft alleine des Wunschelters, nicht aber von der des Spendeelters auszugehen, begegnet deshalb auch im Hinblick auf das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung keinen Bedenken. Adäquat erfasst werden kann die genetische528 Verbindung zwischen Spendeelter und Kind durch das bereits anerkannte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG).529 Ob das Bundesverfassungsgericht das „Interesse“ 530 des Kindes, „seinen leiblichen Vater nicht nur zu kennen, sondern ihn auch als Vater rechtlich zugeordnet zu erhalten“ 531, zu einem (prima facie-) Recht des Kindes weiterentwickelt, bleibt abzuwarten. d) Ergebnis zu 1. Gezeigt werden konnte, dass die bundesverfassungsgerichtliche Einordnung des leiblichen Vaters532 als Elter im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG so interpretiert werden kann, dass der unmittelbare Grund für die verfassungsrechtliche 527
Siehe auch nachstehend Fn. 593 sowie die hierauf bezogenen Ausführungen. Und im Übrigen gegebenenfalls auch der plazentalen Verbindung; ebenso etwa Dethloff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 22. Auch der Arbeitskreis Abstammung spricht sich für einen (gesetzlichen) Anspruch des Kindes auf statusunabhängige Klärung seiner plazentalen Abstammung aus, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 86 These 87. 529 Zu diesem Recht etwa BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/13 –, BVerfGE 141, 186, 201 ff. bzw. Rn. 31 ff. (mit zahlreichen weiteren Nachweisen); grundlegend: BVerfG, Urteil vom 31. Januar 1989 – 1 BvL 17/87 –, BVerfGE 79, 256. Siehe auch EGMR, Urteil vom 13. Juni 2006 – 58757/00 – Rn. 37 (Jäggi v. Switzerland). Zur Sicherung des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung im Falle der Eizellspende siehe nachfolgend Teil 3, C.III, S. 229 ff. Für bestimmte Fälle der Samenspende hat der Gesetzgeber mittlerweile Regelungen zur Sicherung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung eingeführt, siehe S. 231. 530 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 108 bzw. Rn. 78. 531 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 108 bzw. Rn. 78 (im Zusammenhang mit dem Recht des Kindes, die Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB anzufechten). Auch der EGMR gesteht dem Kind ein gewichtiges und von Art. 8 EMRK (Privatleben) umfasstes Interesse daran zu, dem leiblichen Elter gesetzlich zugeordnet zu werden, siehe nur EGMR, Urteile vom 26. Juni 2014 – 65192/ 11 – Rn. 100 (Mennesson v. Frankreich) und – 65941/11 – Rn. 79 f. (Labassee v. Frankreich). 532 Aus den allgemein gehaltenen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (siehe vorstehend S. 124) lässt sich schließen, dass das Gericht alle leiblichen Eltern in den persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einbezieht. Von der verfassungsrechtlichen Elternschaft der leiblichen Mutter wäre deshalb auch dann auszugehen, wenn diese nicht zugleich gesetzliche Mutter des Kindes (§ 1591 BGB) wäre. 528
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Elternschaft dieses Mannes nicht in der genetischen Verbindung zwischen diesem und dem Kind, sondern in dessen Zeugungsverantwortung zu sehen ist. Eine Übertragung des damit begründeten Gedankens der Zeugungsverantwortung als Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft auf Fälle, in denen die Verwirklichung des Kinderwunsches unter Inanspruchnahme einer Gametenspende erfolgt, ermöglicht es vor allem, das Wunschelter in den Kreis verfassungsrechtlicher Eltern aufzunehmen. Ein Spendeelter ist jedenfalls dann nicht als verfassungsrechtliches Elter anzusehen, wenn die Spende bei einer Eizell-, einer Samenbank oder einer vergleichbaren Institution abgegeben wird. Ein unzulässiger Verzicht auf elterliche Verantwortung geht mit dem etwaigen Ausschluss des Spendeelters bereits vom persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht einher, weil in der Aufgabe sowie der Übertragung von Verfügungsgewalt und Verfügungsbefugnis über die eigenen Gameten lediglich ein (zulässiger) Verzicht schon auf die Elternschaft, nicht aber auf eine bereits begründete Elternverantwortung zu sehen ist. Ebenfalls gezeigt werden konnte, dass das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung in seiner derzeitigen Prägung keinen Anlass zu der Annahme gibt, gerade auf die Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung durch die genetischen Eltern gerichtet zu sein, weshalb auch dieses Recht einer Ausklammerung des Spendeelters aus dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht entgegensteht. Für die plazentale Wunschmutter, die ihren Kinderwunsch unter Inanspruchnahme einer Gametenspende verwirklicht, folgt aus alledem, dass diese bereits kraft ihrer Zustimmung zur Zeugung des Kindes mittels der Eizellspende und der hierdurch bedingten Zeugungsverantwortung als Elter im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG anzusehen ist.533 Von einer verfassungsrechtlichen Elternschaft der Eizellspenderin hingegen ist – entgegen der wohl überwiegenden, wenngleich nicht unbedingt weiter begründeten Auffassung in der Literatur534 – schon deshalb nicht auszugehen, weil deren Eizelle, um zur Zeugung eines Kindes verwendet werden zu können, nach derzeitigem medizinisch-technischen Stand stets bei einer Eizellbank oder einer ähnlichen Institution entnommen und (zwischen-) gelagert werden muss. 2. Überschießender Gehalt der Wunschelternschaft: Wille des Wunschelters zur Übernahme elterlicher Verantwortung Die Begründung der verfassungsrechtlichen Elternstellung durch Zeugungsverantwortung hängt, wie soeben erläutert wurde, weder im Falle der uner533 Als weiterer Zurechnungsgrund käme das Austragen des Kindes in Betracht. Diese Frage wird vor allem bei der verfassungsrechtlichen Einordnung der (vorliegend nicht weiter interessierenden, siehe vorstehend S. 18) Ersatzmutterschaft relevant. 534 Siehe Fn. 362.
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
wünschten noch im Falle der indifferenten oder der Wunschelternschaft vom Willen des Elters zur Übernahme elterlicher Verantwortung ab.535 Im Vergleich zu der „nur“ auf einer Zeugungsverantwortung beruhenden verfassungsrechtlichen Elternschaft zeichnet sich die Wunschelternschaft – unabhängig davon, ob diese unter Inanspruchnahme einer Gametenspende zustande kommt oder nicht – dadurch aus, dass die zur Zeugungsverantwortung führende Handlung (in Form der Ausübung des Geschlechtsaktes oder der Zustimmung zur Zeugung des Kindes) zusätzlich von dem Willen getragen ist, elterliche Verantwortung für das zukünftige Kind zu übernehmen. Zwar eröffnet ein derartiger Wille als solcher verständlicherweise536 keinen Zugang zur verfassungsrechtlichen Elternstellung.537 Dennoch bietet der in dem Willen des Wunschelters zur Übernahme elterlicher Verantwortung liegende überschießende Gehalt insbesondere im Falle der durch Gametenspende verwirklichten Wunschelternschaft ein zusätzliches Argument dafür, von der verfassungsrechtlichen Elternschaft des Wunschelters auszugehen. Im Folgenden wird dargelegt, dass der Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundlegenden Pfeiler bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG bildet. So ist der Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung zunächst ein in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung fest etablierter Argumentationstopos (a)). Zudem hat das Gericht zwar bekanntlich ausgesprochen, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sei das Gebot zu entnehmen, möglichst eine Übereinstimmung zwischen leiblicher und gesetzlicher Elternschaft zu erreichen.538 Nicht übersehen werden darf jedoch, dass sich der Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung im Falle der Vaterschaft auf gesetzlicher – und damit nach der Rechtsprechung des Gerichts auch auf verfassungsrechtlicher – Ebene539 als materieller Begründungstatbestand der Vaterschaft weitgehend durchsetzt (b)).
535
Vgl. vorstehend S. 125 f. Dass der bloße (positive) Wille insoweit keine konstitutive Wirkung hat, ist leicht nachvollziehbar, denn andernfalls wäre der Zugang zu einem Kind grenzenlos. 537 Vgl. auch Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 15: „[. . .] der Wunsch [. . .] Elternteil für ein erwartetes Kind zu werden, begründet für sich genommen keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Einräumung einer rechtlichen Elternposition.“ (freilich mit der hier nicht befürworteten Konsequenz, dass etwa der*die Partner*in einer Frau, die ein mittels heterologer Samenspende gezeugtes Kind erwartet, nicht Träger*in des Elterngrundrechts sei). 538 Siehe hierzu bereits vorstehend Abschnitt 2, B.III.3., S. 113, sowie vorstehend in diesem Abschnitt unter B.I.1.a), S. 124 ff. 539 Hierzu vorstehend Abschnitt 2 unter B.III.2., S. 112 f. Zur kritischen Reflexion der Rolle, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber insoweit zugesteht, siehe nachfolgend B.I.3., S. 142 ff. 536
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a) Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung als fest etablierter Argumentationstopos Betont worden war die Bedeutung der Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung als Bestandteil des Grundkonzepts verfassungsrechtlicher Elternverantwortung bereits in einer aus dem Jahr 1968 stammenden Entscheidung, in der das Gericht sich mit der Regelung des § 1747 Abs. 3 BGB a. F. betreffend die Ersetzung der elterlichen Einwilligung zur Adoption in Fällen schwerwiegenden und dauernden Versagens auseinandersetzte. Darin formulierte es: „Der Verfassungsgeber geht davon aus, daß diejenigen, die einem Kinde das Leben geben, von Natur aus bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen. Fehlt es ausnahmsweise an dieser Voraussetzung, so trifft die Ersetzung der Einwilligung zur Adoption die Eltern-Kind-Beziehung in einer Lage, in der ein verfassungsrechtlich schutzwürdiges Recht der natürlichen Eltern nicht mehr besteht. Es handelt sich daher nicht um einen zwangsweisen ,Eltern-tausch‘. Eltern, die im Sinne des Grundgesetzes diesen Namen verdienen, weil sie bereit sind, die mit dem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflichten auf sich zu nehmen [. . .], erhält das Kind erst durch die Adoption.“ 540 In der nachfolgenden Rechtsprechung griff das Gericht den Aspekt der Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung wiederholt auf. So diente die anfangs typisiert unterstellte nicht vorhandene Bereitschaft des leiblichen Vaters eines außerehelich geborenen Kindes, elterliche Verantwortung zu übernehmen, der Begründung, warum dieser Mann nicht dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unterfallen sollte.541 Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass es dem leiblichen Vater des außerehelich geborenen Kindes seinerzeit in der Regel freigestanden haben dürfte, den Zugang zur elterlichen (Mit-)Verantwortung zu erlangen. Denn rein tatsächlich betrachtet lag es vermutlich in den meisten Fällen in der Hand des leiblichen Vaters, die Mutter des Kindes von gesellschaftlicher Schmach und vielfach auch finanzieller Not durch Ehelichung zu befreien und damit Inhaber der elterlichen Gewalt zu werden. Später dann, als der Vater eines außerehelich geborenen Kindes erstmals in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einbezogen wurde, griff das Gericht abermals auf den Willen dieses Mannes zurück, indem es feststellte, dass nunmehr nicht mehr typisiert davon ausgegangen werden könne, dieser wolle sich nicht um sein Kind kümmern. Wenn dabei zunächst noch gefordert worden war, dass sich der Wille zur Übernahme väterlicher Verantwortung durch das Zusammenleben zwischen Vater, Mutter und Kind manifestierte,542 wird auch hier die These aufgestellt, dass die
540 BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/63 –, BVerfGE 24, 119, 150 bzw. Rn. 70, juris. 541 Siehe vorstehend S. 107. 542 Siehe vorstehend Abschnitt 1 unter B.I., S. 107 f.
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Entscheidung über ein solches Zusammenleben vielfach alleine dem Vater des Kindes oblag. Zu dieser Annahme passt, dass sich das Gericht später wieder von diesem Kriterium löste.543 Denn der Wille des Vaters, mit Mutter und Kind zusammenzuleben und sich um das Kind zu kümmern, ließ sich mit der zunehmend auch gesellschaftlich anerkannten Emanzipierung von Müttern außerehelich geborener Kinder sowie deren größerer Chance auf finanzielle Eigenständigkeit weniger leicht durchsetzen. Mit der fortschreitenden gesellschaftlichen Anerkennung der Entscheidung einer Frau, nicht mit dem Vater des Kindes zusammenzuleben, ging also eine fortschreitende Machtstellung der Mutter gegenüber dem Vater des Kindes einher, die es zunehmend auszugleichen galt.544 Dieser Aspekt des Spannungsfeldes elterlicher Interessen schien zu Beginn der 1980er Jahre, als das Gericht den Vater eines außerehelich geborenen Kindes erstmals (und unter der Bedingung des Zusammenlebens) in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einbezogen hatte, noch nicht im Vordergrund gestanden zu haben. Für diese Interpretation spricht auch, dass die Eröffnung des Schutzbereichs nach Aufgabe des Kriteriums des Zusammenlebens ausdrücklich unabhängig von der gemeinsamen Wahrnehmung der Erziehungsaufgaben sein sollte.545 Auch in der aktuelleren bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung findet der Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung weiterhin Betonung. In der Begründung dazu, warum auch der leibliche Vater der gesetzlichen Anerkennung seiner Vaterschaft bedürfe, um als Träger verfassungsrechtlicher Elternverantwortung angesehen werden zu können, etwa heißt es: „Aber auch wenn sich ein Mann dazu bekennt, neben dem rechtlichen Vater leiblicher Vater eines Kindes zu sein, [. . .] kann daraus [nicht] geschlossen werden, dass er auch bereit ist, [. . .] Elternverantwortung für das Kind zu übernehmen. Auf solche Unsicherheiten kann sich aber eine mit Rechten und Pflichten gegenüber einem Kind verbundene Grundrechtsträgerschaft nicht gründen“.546 Im Einklang hiermit steht, dass das an die leibliche Vaterschaft anknüpfende verfassungsrechtliche Anwartschaftsrecht nur den Zugang zu einem Verfahren erfassen soll, mit dem der leibliche Vater das Ziel verfolgt, die gesetzliche Vaterstellung einnehmen und damit die Verantwortung für das Kind übernehmen zu können. Das Begehren hingegen, lediglich Gewissheit über die Abstammung des Kindes zu erlangen, könne nicht auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gestützt werden, weil ihm der Bezug zur Eltern-
543
Siehe vorstehend Abschnitt 1 unter B.II.1., S. 109. Zu der in gewissem Sinne umgekehrten Erwägung im Parlamentarischen Rat (Schutz der Mutter durch Nichtanerkennung der verfassungsrechtlichen Elternverantwortung des Vaters eines außerehelich geborenen Kindes) siehe vorstehend S. 106. 545 BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, Leitsatz. 546 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 104 bzw. Rn. 65. Markant auch BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 562/13 –, Rn. 8. 544
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verantwortung fehle.547 Herausgestellt wird die Bedeutung, die das Gericht der Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme beimisst, schließlich, wenn es auch im Hinblick auf den gesetzlichen Vater an dessen Pflicht zur Wahrnehmung elterlicher Verantwortung erinnert.548 b) Gesetzliche Vaterschaftstatbestände als Medium zur Berücksichtigung des Willens zur Übernahme elterlicher Verantwortung In ihrer Eigenschaft als bloßer, hinsichtlich seiner verfassungsrechtlichen Reichweite mittlerweile kaum scharf fassbarer Argumentationstopos erschöpft sich die Bedeutung des Willens zur Übernahme elterlicher Verantwortung indes nicht. Dies erschließt sich, wenn man sich den – weiten – Spielraum ansieht, den das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Zuweisung der Vaterschaft im Ergebnis gewährt. Denn gemittelt durch die gesetzlichen Vaterschaftstatbestände entfaltet der Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung bei der Begründung verfassungsrechtlicher Vaterschaften weitgehend konstitutive Wirkung. Sollen die gesetzlichen Vaterschaftstatbestände, von deren Verfassungsgemäßheit das Gericht ausgeht,549 der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgabe genügen, möglichst eine Übereinstimmung zwischen leiblicher und gesetzlicher Elternschaft zu erreichen550, müssen diese sich dazu eignen, als Vermutung für die leibliche Elternschaft des Mannes zu dienen, dem die Vaterschaft mittels des jeweiligen Tatbestands zugewiesen wird. Gegen diese Eignung ist in Bezug auf § 1592 Nr. 1 BGB (Vaterschaft aufgrund einer zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes bestehenden Ehe) und § 1592 Nr. 2 BGB (Vaterschaft aufgrund Anerkenntnisses) nichts einzuwenden, sofern man davon ausgeht oder davon ausgehen möchte, dass die eheliche Gemeinschaft in der Regel eine auf Ausschließlichkeit beruhende Geschlechtergemeinschaft ist, die mindestens bereits neun Monate vor Schließung der Ehe als solche existiert,551 und ein Vaterschaftsanerkenntnis re547 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 105 bzw. Rn. 70. 548 In BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 103 bzw. Rn. 64 heißt es: „Der rechtliche Vater eines Kindes, der für dieses Elternverantwortung wahrnimmt [Hervorhebung nicht im Original], ist Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG [. . .].“ Der (nur) hier kursiv gefasste Zusatz ist insofern überflüssig, als die Begründung der verfassungsrechtlichen Elternverantwortung des gesetzlichen Vaters nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinesfalls von der tatsächlichen Übernahme elterlicher Verantwortung abhängt (siehe bereits vorstehend Abschnitt 1 unter B.III.2., S. 112 f.). 549 Nachweis in Fn. 474. 550 Siehe hierzu bereits vorstehend Abschnitt 2, B.III.3., S. 113 f., sowie in diesem Abschnitt unter B.I.1.a), S. 124 ff. 551 Zugespitzt: Büchler, AJP 2004, 1175, 1179: „Der Ehemann wird also auch dann Vater im rechtlichen Sinne, wenn er [. . .] seit einem Jahr im Koma liegt [. . .].“ (Zur Rechtslage in der Schweiz, die insoweit der deutschen Rechtslage entspricht.)
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gelmäßig nur dann abgegeben und diesem zugestimmt wird, wenn die Betreffenden annehmen, dass es sich bei dem die Vaterschaft anerkennenden Mann um den leiblichen Vater des Kindes handelt. Allerdings eignen sich die gesetzlichen Vaterschaftstatbestände in § 1592 Nr. 1 und Nr. 2 BGB ebenso dazu, eine bewusst von der leiblichen Vaterschaft abweichende gesetzliche Vaterschaftszuordnung herbeizuführen.552 Ist neben der Mutter und dem gesetzlichen Vater auch der leibliche Vater mit der durch Eheschließung oder Anerkennung der Vaterschaft begründeten Zuordnung zufrieden, obsiegt der Wille aller Beteiligten (vorbehaltlich einer Anfechtung der Vaterschaft durch das Kind selbst, vgl. § 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB) sogar dauerhaft – und zwar auch auf verfassungsrechtlicher Ebene. Dass das Bundesverfassungsgericht dieses Ergebnis als bloßen, mit der Eigenschaft der Vaterschaftstatbestände als Vermutungstatbestände einhergehenden Reflex betrachtete, der nur aus Gründen des Schutzes unter anderem der Intimsphäre hinzunehmen wäre, ist unwahrscheinlich. Hiergegen spricht, dass das Gericht die Entscheidung des Gesetzgebers, es den Betroffenen zu gestatten, „eine Vaterschaft durch Anerkennung aus beliebigen Motiven herbei[zu]führen“ 553, auch dann nicht moniert, „wenn [die Betroffenen] damit rechnen oder sogar wissen, dass der Anerkennende nicht biologischer Vater des Kindes ist“.554 Im Falle der Vaterschaft hat das Bundesverfas-
552 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S. 180 f.: „Daher kommt [. . .] ,Abstammung‘ als Zuordnungskriterium vielfach erst sekundär zum Zuge, während primär die Ehe bzw. der Wille zur Vaterschaft wirkt.“ (Zitat ebd., S. 180 f.); siehe auch Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1904: „Wer rechtlicher Vater ist, hängt insgesamt somit vielfach vom Willen der Beteiligten ab.“ Siehe ferner Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 27 (voluntative Elemente als „traditioneller Bestandteil des geltenden Abstammungsrechts [. . .].“). 553 BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 –, BVerfGE 135, 48, 67 bzw. Rn. 48. 554 BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 –, BVerfGE 135, 48, 67 bzw. Rn. 48: „Nach dem Recht der Vaterschaftsanerkennung ist diese für ein rechtlich vaterloses Kind mit Zustimmung der Mutter unabhängig von der biologischen Vaterschaft ohne jede weitere Voraussetzung möglich. Der Gesetzgeber hat die Vaterschaftsanerkennung der autonomen Entscheidung der Eltern überlassen [. . .]. Er hat darauf verzichtet, die Gründe für eine konkrete Anerkennung zu erforschen oder zu reglementieren. [. . .] Die Regelung statuiert keine rechtliche Erwartung, auf bestimmte Vaterschaftsanerkennungen zu verzichten.“ Dem entspricht es, dass im Falle der Anerkennung der Vaterschaft nicht die Erklärung abgegeben wird, leiblicher Vater des Kindes zu sein, sondern alleine die Erklärung, die rechtliche Vaterschaft zu übernehmen, siehe nur Rauscher, in: von Staudinger, BGB, § 1592 Rn. 51. Dass das Gesetz bewusste Abweichungen zwischen leiblicher und gesetzlicher Vaterschaft billigt, lässt sich auch an § 1600 Abs. 4 BGB ablesen, wonach eine Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen ist, wenn das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden ist (siehe hierzu auch nachfolgend S. 174 f.). Eingefügt wurde diese Regelung bereits im Jahr 2002 (damals noch als Abs. 2) durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. b des
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sungsgericht den Willen zur Übernahme elterlicher Verantwortung – wenn auch durch die gesetzlichen Tatbestände mediatisiert – als Begründungsmerkmal elterlicher Verantwortung demnach bereits anerkannt. In welchem Verhältnis dieser Befund zu dem „Gebot, möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen“,555 steht, hat das Gericht bislang nicht geklärt.556 Unklar ist deshalb auch, warum das Gericht weiterhin äußert, die gesetzlichen Vaterschaftstatbestände als Vermutungstatbestände für die leibliche Vaterschaft zu begreifen.557 c) Ergebnis zu 2. Herausgearbeitet wurde, dass der Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung ein in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fest etablierter Argumentationstopos ist, wenn es zu begründen gilt, warum sich eine Person auf den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stützen können soll oder nicht. Demonstriert werden konnte darüber hinaus, dass die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß erachteten gesetzlichen Vaterschaftstatbestände des § 1592 Nr. 1 BGB (Vaterschaft aufgrund einer zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes bestehenden Ehe) und § 1592 Nr. 2 BGB (Vaterschaft durch deren Anerkennung) auch auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unbedingt als Vermutungstatbestände für die leibliche Vaterschaft begriffen werden müssen, sondern ebenso gut als Medium zur Berücksichtigung des Willens zur Übernahme elterlicher Verantwortung. Klargestellt hat das Gericht im Jahr 2013 insbesondere, dass es auch einer bewusst von der leiblichen Vaterschaft abweichenden Vaterschaftsanerkennung unkritisch gegenübersteht.
Gesetzes zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz – KindRVerbG) vom 9. April 2002, BGBl. I Nr. 23, S. 1239. 555 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 104 bzw. Rn. 68; siehe auch die Verweise in Fn. 550. 556 Ohne Auseinandersetzung mit der Entscheidung aus dem Jahr 2013 (Fn. 554) auch: Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 17 f., die ausführt, der Gesetzgeber müsse die rechtliche Elternschaft nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „im Grundsatz möglichst übereinstimmend mit der leiblichen Abstammung regeln [. . .].“ (ebd., S. P 17); verfassungsrechtlich sei es jedoch nicht zu beanstanden, „wenn der Gesetzgeber mit Blick auf das Wohl des Kindes Zuordnungen zulässt oder trifft, die von der leiblichen Abstammung abweichen.“ (ebd.) Ob der Gesetzgeber jenseits der Adoptivelternschaft sowie jenseits der an „biologisch mögliche Abstammungsverhältnisse anknüpfenden Vermutungsregelungen auch solche Regelungen über die Elternschaft treffen dürfte, die von vornherein nicht mit der leiblichen Abstammung übereinstimmen können“, sei „nicht ausdrücklich geklärt“ (ebd., S. P 18). 557 BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/13 –, Rn. 46: „[. . .] weil das geltende Recht die leibliche Vaterschaft in weiten Teilen vermutet (§ 1592 Nr. 1 und Nr. 2 BGB) [. . .].“; in diesem Sinne auch BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2008 – 1 BvR 1548/03 –, Rn. 12, sowie vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 100 bzw. Rn. 57.
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Damit hat es offenbart, dass der Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung auch bei der erstmaligen Zuweisung der gesetzlichen Elternschaft Vorrang vor biologischen Wahrheiten haben kann. Das seitens des Gerichts an den Gesetzgeber gerichtete Gebot, die Zuweisung der Elternschaft an der Abstammung auszurichten, hat hierdurch weiter an Gewicht verloren. Die bereits festgestellte verfassungsrechtliche Elterneigenschaft des eine Gametenspende in Anspruch nehmenden Wunschelters (und somit auch die der vorliegend in erster Linie interessierenden plazentalen Wunschmutter)558 verfestigt sich aufgrund dieses Befundes. Denn in ihrer Eigenschaft als Wunschelternschaft und dem damit einhergehenden Willen zur Übernahme elterlicher Verantwortung für das mit der Gametenspende gezeugte Kind weist diese Form der Elternschaft ein weiteres, auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewichtiges Moment verfassungsrechtlicher Elternschaft und Elternverantwortung auf. Eine Besonderheit dieser Form der Wunschelternschaft sowie aller durch Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Techniken verwirklichten Wunschelternschaften gegenüber der leiblichen Wunschelternschaft liegt darüber hinaus darin, dass der neben die Zeugungsverantwortung als willensunabhängigem Zurechnungsakt tretende Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung aufgrund der Zustimmung zur Zeugung zugleich offen zu Tage tritt. 3. Verfassungsrechtliche Elternschaft des Wunschelters qua gesetzlicher Elternschaft? Ausweislich der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung kommt neben der Abstammung auch die gesetzliche Zuweisung der Elternschaft als Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft in Betracht.559 Entschieden hat das Gericht im Zusammenhang mit der Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater insbesondere, dass sich der gesetzliche Vater alleine aufgrund seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vater (auch) auf den persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG berufen könne. Diese Auffassung wird im Folgenden hinterfragt. Dabei kommt die vorgenommene Prüfung zu dem Ergebnis, dass die gesetzliche Zuweisung der Elternschaft entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur gesetzlichen Vaterschaft weitestgehend keine konstitutive Wirkung bezüglich (auch)560 des persönlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG entfaltet und insoweit als Begründungsmerk558
Vorstehend B.I.1., S. 124 ff. Siehe das Zitat auf S. 99. 560 Zur Frage, ob das (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, wie vom Bundesverfassungsgericht vertreten, von der Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus abhängt, sowie zu der damit zusammenhängenden Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters unter Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG siehe nachfolgend B.II., S. 152 ff. 559
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mal verfassungsrechtlicher Elternschaft ausscheidet. Im Hinblick auf die plazentale Wunschmutter bedeutet dies, dass deren gesetzliche Stellung als Mutter (vgl. § 1592 BGB) kein zusätzlicher, das heißt neben deren Zeugungsverantwortung tretender Grund ist, diese als verfassungsrechtliches Elter anzuerkennen. Unter kritischer Würdigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Stellung des gesetzlichen Vaters wird zunächst dargelegt, warum die Anerkennung der verfassungsrechtlichen Elternschaft des gesetzlichen Vaters alleine auf Grundlage der gesetzlichen Zuweisung der Vaterschaft von schwacher Überzeugungskraft ist [a)]. Zur Kenntnis zu nehmen ist überdies, dass es sich beim Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG – anders als bei Art. 14 Abs. 1 GG – nicht um einen rein normgeprägten Schutzbereich handelt [b)]. Auch hat der verfassungsrechtliche Elternbegriff keine kindeswohldienende Funktion [c)]. Die verfassungsrechtlich anzuerkennende Elternschaft von Adoptiveltern schließlich spricht ebenfalls nicht für eine verfassungsrechtlich konstitutive Wirkung der gesetzlichen Zuweisung der Elternschaft in übrigen Fällen [d)]. a) Soziale Vaterschaft des gesetzlichen Vaters Wie bereits erläutert wurde,561 begreift das Bundesverfassungsgericht die gesetzliche Zuweisung der Vaterschaft als Begründungsmerkmal (auch) der verfassungsrechtlichen Elternschaft dieses Mannes. Irrelevant für diese Einordnung ist nicht nur die etwaige leibliche Elternschaft des gesetzlichen Vaters, sondern vor allem auch, ob der gesetzliche Vater zugleich die soziale Elternrolle einnimmt, also gesetzlich-sozialer Vater ist. Dies folgt indirekt schon aus der Entscheidung zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater aus dem Jahr 2003 und wurde mitterweile auch ausdrücklich durch das Gericht ausgesprochen. So heißt es in der bereits in Bezug genommenen562 Entscheidung aus dem Jahr 2013 zur Verfassungswidrigkeit der ehemaligen Regelung über eine behördliche Vaterschaftsanfechtung im Falle der durch Anerkennung begründeten Vaterschaft (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a. F.): „Die durch Vaterschaftsanerkennung [. . .] erlangte Vaterstellung macht den anerkennenden Mann unabhängig von den biologischen Abstammungsverhältnissen zugleich zum Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, ohne dass es auf die Begründung einer sozial-familiären Beziehung ankäme.“ 563 Hintergrund der verfassungsrechtlichen Anerkennung auch des „nur“ gesetzlichen Vaters ist vermutlich die An561
Vorstehend Abschnitt 1, B.III.2, S. 112 f. Siehe vorstehend S. 140. 563 BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 –, BVerfGE 135, 48, 83 f. bzw. Rn. 95. Vgl. aber Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 147 („Der als leibliche Vater geltende Ehemann der Mutter ist Grundrechtsträger, wenn er Pflege- und Erziehungsverantwortung trägt.“). 562
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nahme, dass es für ein Kind besser sei, überhaupt einen Vater zu haben, als gar keinen Vater. Dies jedoch mag zwar angesichts der auch mit einer solchen Vaterschaft potentiell verbundenen finanziellen Leistungen an das Kind rein faktisch in vielen Fällen und in gewissem Maße zutreffen. Alleine hierauf eine verfassungsrechtliche Elternschaft (und -verantwortung) zu gründen, erscheint allerdings vor dem Hintergrund, dass es gerade die soziale Elternschaft ist, die den materiellen Kerngehalt des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG bildet,564 äußerst fragwürdig.565 Verkannt werden darf vor allem nicht, dass der sozialen Elternschaft auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann ausschlaggebende Bedeutung zukommt, wenn zwei Männer um die gesetzliche Vaterstellung konkurrieren, setzt doch die erfolgreiche Anfechtung der gesetzlichen Vaterschaft durch den leiblichen Vater und dessen Eintritt in die Stellung des gesetzlichen Vaters voraus, dass der (aktuelle) gesetzliche Vater nicht zugleich sozialer Vater ist.566 Diese Erkenntnis ist für die Bewertung der gesetzlichen Vaterschaft als Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft durchaus von Bedeutung. Denn sie wirft die Frage auf, warum das Gericht nicht entweder – und vorzugswürdig – Farbe bekennt und nicht die gesetzliche, sondern (doch)567 die soziale Elternschaft als zusätzliches Merkmal der Begründung verfassungsrechtlicher Elternschaft anerkennt, oder aber die verfassungsrechtliche Stellung des gesetzlich-sozialen Elters nicht in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verortet, sondern in Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG. Das vom Bundesverfassungsgericht erzielte Ergebnis, wonach ein Wechsel der gesetzlichen Elternschaft im Falle der Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlich-sozialem Vater nicht geboten sei, ließe sich sowohl auf Grundlage der einen Lösung (soziale Vaterschaft als Begründungsmerkmal der verfassungsrechtlichen Elternschaft des gesetzlich-sozialen Vaters) als auch auf Grundlage der anderen Lösung (soziale Vaterschaft des gesetzlich-sozialen Va564
Hierzu bereits vorstehend A., S. 122 f. Auch im Parlamentarischen Rat ging man – trotz gesetzlich bestehender Unterhaltspflicht (vgl. Fn. 404) – nicht von der verfassungsrechtlichen Elternschaft/-verantwortung des Vaters eines außehelich geborenen Kindes aus. 566 Hierzu bereits vorstehend Abschnitt 2, B.III.2., S. 112 f. Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 –, BVerfGE 135, 48, 84 bzw. Rn. 95: „Freilich hängt die Intensität des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Schutzes davon ab, ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt wird.“ 567 Wie bereits dargelegt wurde, begründet die soziale Elternschaft nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine verfassungsrechtliche Elternschaft, hierzu vorstehend Abschnitt 2, C.III., S. 120. Diese Auffassung wird – ungeachtet vielfacher Forderungen, die Rechte von sozialen Eltern gesetzlich zu stärken (siehe beispielsweise Scheiwe, Streit 2016, 63) – in der Literatur geteilt, siehe etwa Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 99; Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 182 f.; BrosiusGersdorf, JöR 2014, 179, 191; Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 276; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 99 [Stand: Lfg. 69 Mai 2013]; Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 74. 565
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ters als sozial-familiäre Beziehung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG) herbeiführen. Insbesondere ist nicht gesagt, dass sich die in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zu verortende (auf Zeugungsverantwortung gründende) verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters gegenüber der gegebenenfalls in Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG zu verortenden verfassungsrechtlichen Stellung des gesetzlich-sozialen Vaters statusrechtlich zwingend durchsetzen müsste.568 Nicht übersehen werden darf auch, dass die derzeitige Verortung der gesetzlichen Vaterschaft im Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG insofern nicht systemkonform ist, als das Bundesverfassungsgericht sowohl dem „nur“-gesetzlichen Vater als auch dem gesetzlich-sozialen Vater569 zugesteht, sich durch Anfechtung (vgl. § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB) von seiner gesetzlichen und damit seiner verfassungsrechtlichen Elternverantwortung lösen zu können. Dafür, dass das Gericht grundsätzlich von der Verfassungsmäßigkeit dieses gesetzlichen Anfechtungsrechts ausgeht, spricht nicht nur die Konnotation insbesondere der Entscheidung zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater aus dem Jahr 2003, sondern auch die fehlende Anerkennung (und damit auch: verpflichtende Wirkung) der sozialen Elternschaft im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die darin liegende Verfügung über eine (nach Auffassung des Gerichts durch die Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus) bereits etablierte verfassungsrechtliche Elternverantwortung steht im klaren Widerspruch dazu, dass auf die Elternverantwortung nicht verzichtet werden kann.570 b) Strukturelle Unterschiede zwischen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 GG Eine „spezifische Abhängigkeit“ 571 zwischen verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Position besteht im Hinblick auf den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG. Hier verfügt der Gesetzgeber insofern über eine verfassungsrechtlich konsti568
Siehe auch nachfolgend S. 161. Vgl. auch Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 67, Beschluss D.16. (Ablehnung des Antrags, das Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 BGB für alle anfechtungsberechtigten Personen kenntnisunabhängig auszuschließen, wenn zwischen dem Kind und dem gesetzlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung für einen Zeitraum von „mehr als drei bis fünf Jahren“ besteht.) 570 Zum Aspekt des „Verzichts“ im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vgl. bereits vorstehend B.I.1.b), S. 129 ff. Ein derartiger Verzicht dürfte selbstverständlich auch dann nicht möglich sein, wenn das Gericht die soziale Vaterschaft als Grund für die verfassungsrechtliche Stellung (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) des (gesetzlich)-sozialen Vaters anerkennte. 571 Jestaedt, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann et al., „Kinderwunschmedizin“ – Reformbedarf im Abstammungsrecht?, 2015, S. 30 (allgemein zu normgeprägten Grundrechten). Vgl. ferner Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rn. 48, sowie BVerfG, Urteil vom 29. November 1961 – 1 BvL 16/60 –, BVerfGE 14, 263, 277 f. bzw. Rn. 53, juris. 569
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tutive Definitionsmacht, als die Einordnung einer Person als Eigentümerin (persönlicher Schutzbereich) eine gesetzliche Ausgestaltung durch Schaffung von Rechtspositionen, welche den Kriterien des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs (sachlicher Schutzbereich) entsprechen, voraussetzt.572 Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt der in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geregelten Eltern-Kind-Beziehung nicht zugrunde. Essenziell ist insoweit, dass bei Art. 14 Abs. 1 GG Subjekt (persönlicher Schutzbereich) und Objekt (sachlicher Schutzbereich) des Schutzes untrennbar miteinander verbunden sind: Gibt es keine Person, der das Eigentum zusteht (Eigentümerin), gibt es auch kein Eigentum und umgekehrt, denn das Eigentum ist gerade dadurch definiert, dass es eine Person gibt, der die jeweilige Position exklusiv zugewiesen wird.573 Die Eigentümer*in-Eigentum-Beziehung stellt damit eine rein normative Kategorie dar. Dies ist im Falle der in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beschriebenen Subjekt-Objekt-Beziehung anders. Zwar setzt die Eigenschaft einer Person als Elter (persönlicher Schutzbereich) die Existenz eines Kindes, auf das sich die Elternschaft beziehen kann, voraus. Das Kind aber als „Objekt“ elterlicher Pflege und Erziehung (sachlicher Schutzbereich) existiert unabhängig davon, ob der Gesetzgeber tätig wird und Regelungen über die Zuweisung der Elternschaft trifft und ist damit alles andere als eine normative Kategorie. Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist also – anders als der des Art. 14 Abs. 1 GG – kein rein normgeprägter Schutzbereich.574 Wenn auch aus dieser Feststellung keineswegs folgt, dass es sich bei der (durch den Elternbegriff definierten) verfassungsrechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung nicht um eine (auch) normativ besetzte Zuordnung handeln könnte, beseitigt sie doch die mit einer Herausarbeitung der Ähnlichkeiten der Schutzbereiche des Art. 14 Abs. 1 GG und des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG bereitete Stütze für die nicht zutreffende Annahme, die „Existenz“ verfassungsrechtlicher Eltern hänge von einem Tätigwerden des Gesetzgebers ab.
572 In Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG heißt es bekanntlich: „Inhalt und Schranken [des Eigentums] werden durch den Gesetzgeber bestimmt“; siehe auch Bryde, in: von Münch/ Kunig, GG, Art. 14 Rn. 47 („[. . .] ist ,Eigentum‘ [. . .] ohne gesetzgeberisches Tätigwerden gar nicht denkbar [. . .].“); aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe den Nachweis in Fn. 571 sowie aus jüngster Zeit etwa BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 – 1 BvR 2821/11 –, Rn. 218. 573 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 –, BVerfGE 83, 201, 209 bzw. Rn. 36, juris: „[. . .] grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte [. . .], die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.“ 574 Größere Parallelen zwischen Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG konstatiert Jestaedt, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann et al., „Kinderwunschmedizin“ – Reformbedarf im Abstammungsrecht?, 2015, S. 29 ff. („Das Elterngrundrecht zählt wie die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG zu den sog. normgeprägten und nicht zu den sachgeprägten Grundrechten [. . .].“, Zitat ebd., S. 29, und ausdrücklich auch bezüglich des persönlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG).
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c) Elternbegriff kein dem Kindeswohl dienender Begriff Ein deutliches Indiz für einen verfassungsrechtlich autonom zu bestimmenden Elternbegriff und damit gegen eine verfassungsrechtlich konstitutive Wirkung erst der gesetzlichen Zuweisung der Elternschaft liegt darin, dass der Elternbegriff des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht auf einen funktionellen, dem Kindeswohl dienenden Begriff reduziert werden kann.575 Zwar ist das verfassungsrechtliche Elternrecht insofern ein dem Kindeswohl „dienendes“ 576 Recht, als das Kindeswohl zweifelsohne „oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung“ 577 ist.578 Dieser dienende Charakter betrifft jedoch alleine die Modalitäten der „Pflege und Erziehung“ des Kindes (sachlicher Schutzbereich), nicht aber die Frage der Elternschaft (persönlicher Schutzbereich). Einem etwaigen Verständnis bereits des Elternbegriffs als rein funktionellem, dem Kindeswohl dienenden Begriff muss entgegengehalten werden, dass die in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GG festgelegte Aufgabenverteilung zwischen Staat und Eltern auf Grundlage eines solchen Verständnisses lediglich eine Positivierung der bereits aus Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates gegenüber dem Kind darstellte. Die durch die Formulierung in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GG, wonach Pflege und Erziehung der Kinder „zuvörderst“ den Eltern obliegen, während die staatliche Gemeinschaft über die Ausübung dieser Verantwortung „wacht“, zum Ausdruck kommende verfassungsrechtliche „Erstverantwortung“ 579 der Eltern wäre dann keine originäre, durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich anerkannte, sondern lediglich eine vom Verfassungsgeber konstruierte Verantwortung. Eine solche Interpretation allerdings ist auf Grundlage der weitestgehend konsentierten Auffassung, dass das Elternrecht „nicht vom Staat verliehen, sondern als vorgegebenes von ihm anerkannt ist“ 580, kaum 575 Ausdrücklich dagegen bereits (unter Hinweis auf die Abgrenzungsfunktion des Elternbegriffes): Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 59 f. [Stand: 74. Lfg. Dezember 1995], sowie ders. jüngst in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 117. Vgl. auch Helms, etwa in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 114 („[. . .] spielt das Kindeswohl im Abstammungsrecht eine fundamental andere Rolle als im Sorge- und Umgangsrecht.“). 576 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1998 – 2 BvR 1206/98 –, BVerfGE 99, 145, 156 bzw. Rn. 39 („dienendes Grundrecht zum Wohle des Kindes“); vgl. ferner: Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 94; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 142; Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 78. 577 BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2009 – 1 BvR 142/09 –, Rn. 17. 578 Zum Kindeswohlbegriff siehe auch nachstehend Teil 3 unter A.I.1., S. 185 f. 579 Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2017 – 1 BvR 2569/16 –, Rn. 43: „Vorrang der Eltern vor dem Staat“. 580 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 100 bzw. Rn. 56 unter Verweis auf BVerfGE 59, 360, 376. Teilweise wird sogar angenommen, dass „[d]as zwischen Eltern und Kindern bestehende natürliche Band [. . .] als so
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plausibel. Damit aber ist davon auszugehen, dass die verfassungsrechtliche Elterneigenschaft eine eigenständige, kindeswohlunabhängige Grundlage hat,581 ohne dass damit die Wertung verbunden wäre, das Elternrecht als Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung der Eltern anzusehen.582 Unterließe der Gesetzgeber es etwa gänzlich, Regelungen zur Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Elternverantwortung zu erlassen, läge darin nicht lediglich eine Verletzung des Rechtes des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung,583 sondern zugleich eine Verletzung des Rechts der Eltern auf gesetzliche Ausgestaltung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Positionen.584 d) Adoptivelternschaft als durch das staatliche Wächteramt legitimierte Zuweisung verfassungsrechtlicher Elternverantwortung Adoptiveltern sind nach wohl unbestrittener und zutreffender Ansicht Träger verfassungsrechtlicher Elternverantwortung nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.585 stark anzusehen [sei], daß das Elterngrundrecht in seinem Kern als [. . .] der Verfassungsänderung gemäß Art. 79 Abs. 3 GG entzogener Bestandteil der Menschenwürde [. . .] anzusehen“ sei, Burgi, in: Merten/Papier, HGR IV, 2011, § 109 Rn. 20; ebenso: Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 2 Rn. 189. Vgl. auch Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 185, wonach der Verfassungsgeber mittels des Wortes „natürlich“ deutlich gemacht habe, dass das Elternrecht an „soziale Strukturen anknüpft, die der Staat nicht schafft, sondern lediglich schützt und fördert.“ Deutlich auch: Böckenförde, in: Krautscheidt/Marré, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Band 14, 1980, S. 70: „Der normative Sinn der Kennzeichnung des Elternrechts als ,natürliches Recht‘ [. . .] besagt, daß der Verfassungsgeber das von ihm gewährleistete Elternrecht als Ausdruck der natürlichen Eltern-Kind-Beziehung ansieht, daß es für ihn in dieser [. . .] ursprünglichen Zuordnung von Eltern und Kindern seinen Grund hat und insofern nicht vom Staat erst geschaffen oder delegiert ist.“ 581 Vgl. auch Brohm, JuS 1998, 197, 201 („[. . .] tritt an die Stelle des aus dem Persönlichkeitsrecht folgenden Bestimmungsrechts über die Keimzellen das ,Elternrecht‘ der Erzeuger [. . .].“). Gegen eine Reduzierung des Elternrechts auf eine Pflichtposition auch bereits Böckenförde, in: Krautscheidt/Marré, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Band 14, 1980, S. 68. 582 Zu diesem Aspekt: Fehnemann, DÖV 1982, 353, 357 m.w. N. (auch zu der gegenteiligen Auffassung von Peters, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, 1972, S. 391, nach dem das Elternrecht ein typisches Beispiel der weiteren Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei). 583 Siehe zu diesem Recht bereits vorstehend B.I.1.c), S. 131 ff. 584 Vgl. auch Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 106 und 108: „[. . .] ein subjektives Recht [des Elters] darauf, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Elternschaft einfach-gesetzlich ausgestaltet [. . .].“ (Zitat ebd., S. 106); vgl. ferner Höfling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 155 Rn. 27 („Anspruch der Eltern auf die Schaffung entsprechender subkonstitutioneller Normen [. . .].“). Ein Anspruch darauf, gesetzlich als Elter anerkannt zu werden, folgt aus der verfassungsrechtlichen Elternschaft allerdings nicht, siehe (auch) hierzu nachstehend B.II.1.b)aa), S. 156 ff. 585 Zur vollwertigen verfassungsrechtlichen Anerkennung der Adoptivelternschaft vgl. nur: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 20; Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 182;
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Hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Elternschaft können sich diese zunächst allerdings auf nicht viel mehr stützen als auf eine gesetzliche Zuweisung (vgl. § 1752 Abs. 1 BGB sowie § 1754 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Zwar setzt die Adoption eines Kindes eine positive Prognose über die Entstehung eines Eltern-KindVerhältnisses zwischen Annehmendem und Kind und somit eine positive Prognose über die Entstehung einer sozialen Elternschaft voraus (vgl. § 1741 Abs. 1 BGB); von einer zum Zeitpunkt der Annahme bereits etablierten sozialen Elternschaft, auf die sich das Adoptivelter bezüglich seiner verfassungsrechtlichen Stellung stützen könnte,586 kann zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht unbedingt ausgegangen werden. Damit aber stellt sich die Frage, ob sich die hier bislang vertretene Auffassung, nach der die gesetzliche Elternschaft hinsichtlich des persönlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG keine konstitutive Wirkung enfalte, aufrecht halten lässt. Diese Frage ist zu bejahen. Die Adoption bezieht sich auf ein bereits geborenes Kind,587 das schon (verfassungsrechtliche) Eltern hat, die ihrer elterlichen Verantwortung jedoch entweder noch nie, nicht mehr oder nicht (mehr) hinreichend nachgekommen sind oder nachkommen. Folge dieses „Ausfalls“ der Eltern und der hierdurch bedingten Kindeswohlgefährdung ist die Aktivierung des staatlichen Wächteramtes nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, welches den Staat in diesem Falle „nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen.588 Dabei gebietet die nach dem Grundkonzept des Art. 6 Abs. 2 GG vorrangige Verantwortung der Eltern insofern Zurückhaltung, als der Staat zunächst versuchen muss, „durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der natürlichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen.“ 589 Ist dies jedoch nicht möglich, darf und ist der Staat dazu verpflichtet, „die Eltern von der Pflege und Erziehung auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen.“ 590 Eben dieser Pflicht kommt der Staat nach, wenn er die Begründung eines neuen beziehungsweise zusätzlichen591 Eltern-Kind-Verhältnisses durch Adoption ermöglicht. Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 50; Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 174. 586 Vgl. hierzu vorstehend S. 144. 587 Zur Embryoadoption siehe etwa: Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, S. 72. 588 Nur BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2017 – 1 BvR 2569/16 –, Rn. 41 m.w. Nw. (st. Rspr.). 589 BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2017 – 1 BvR 2569/16 –, Rn. 43 m.w. Nw. (in variierenden Formulierungen st. Rspr.). 590 BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2017 – 1 BvR 2569/16 –, Rn. 43 m.w. Nw. (in variierenden Formulierungen st. Rspr.). 591 Hinsichtlich der „ursprünglichen“ Eltern wird man grundrechtsdogmatisch von einer Einschränkung des sachlichen Schutzbereichs des Elternrechts „auf Null“ auszu-
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Durch die Adoption findet also eine – durch eine Kindeswohlgefährdung bedingte und aus diesem Grund durch das staatliche Wächteramt nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG legitimerte – Sekundärzuweisung der Elternschaft statt.592 Alleine hierdurch rechtfertigt es sich, die statusrechtliche Anerkennung der Adoptiveltern auch verfassungsrechtlich abzubilden. Richtig erscheint diese Anerkennung auch deshalb, weil das durch staatlichen Akt begründete Eltern-Kind-Verhältnis auf diese Weise wieder dem Prinzip der Erstverantwortung der Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) unterfällt und so wieder grundsätzlich in die Sphäre des Privaten überführt wird.593 Eine derartige Legitimationsgrundlage staatlichen Handelns besteht bei auf Fortpflanzung gründenden Elternschaften nicht. Von einer vergleichbaren Gefährdung des Kindeswohls kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil ein Kind zu dem Zeitpunkt, der für die Begründung der verfassungsrechtlichen Elternschaft durch Übernahme der Zeugungsverantwortung relevant ist, noch gar nicht existiert. Anders als im Falle der Adoption stellt sich die Frage nach der Rolle des Gesetzgebers im Kontext der Verwirklichung des Kinderwunsches durch Inanspruchnahme einer Gametenspende – ebenso wie in allen Fällen von Elternschaften, die auf eine Zeugungsverantwortung des Elters zurückgegehen – nicht als Frage der Sekundärzuordnung, sondern als Frage nach der erstmaligen Begründung der Elterneigenschaft überhaupt und damit als Frage der Primärzuordnung. Zwar ist der Gesetzgeber, wie noch zu zeigen sein wird, grundsätzlich dazu befugt und gegebenenfalls auch dazu verpflichtet, die Entstehungsbedingungen eines Kindes zum Schutze der Grundrechte des zukünftigen Kindes – wenn auch in sehr engen Grenzen – zu steuern.594 Verstöße gegen etwaige Regelungen zu diesem Zwecke haben jedoch keinen (rückwirkenden) Einfluss auf die verfassungsrechtliche Elternstellung.595 gehen haben. Vgl. auch: Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Rn. 151, der bemerkt, es dürfte heute überholt sein, den Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG im Falle des Versagens der leiblichen Eltern generell zu verneinen (unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/63 –, BVerfGE 24, 119, 150); Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 176 Fn. 70; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 7. März 1995 – 1 BvR 790/91 –, BVerfGE 92, 158, 182 bzw. Rn. 77: „Darüber hinaus könnte eine Stiefkindadoption ohne völliges Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses zum leiblichen Elternteil erwogen werden.“ 592 Zur Differenzierung zwischen „Primärzuordnung“ und „Sekundärzuordnung“ des gesetzlichen Elternstatus als „Leitprinzipien des Abstammungsrechts“ siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 14 und 24 f. 593 Möglicherweise folgt aus dem Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher (Sic!) Pflege und Erziehung (siehe hierzu bereits vorstehend B.I.1.c), S. 131 ff.) sogar ein Recht des Kindes hierauf. 594 Zur Befungnis, die Grundrechte des zukünftigen Kindes zu schützen, siehe nachstehend Teil 3, A.I., S. 183 ff. 595 Vgl. die Nachweise in Fn. 338.
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e) Ergebnis zu 3. Die vorstehend vorgenommene Betrachtung diente der Überprüfung der seitens des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls im Hinblick auf den gesetzlichen Vater verbindlich ausgesprochenen Auffassung, wonach die gesetzliche Zuweisung der Elternschaft (auch) bezüglich des persönlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG konstitutive Wirkung entfalte.596 Erläutert werden konnte dabei zunächst, dass das Verständnis der gesetzlichen Vaterschaft als hinreichender Grund der verfassungsrechtlichen Elternschaft dieses Mannes schon deshalb kritikwürdig ist, weil damit der wahre Grund für eine weitgehend anfechtungsfeste und somit auch verfassungsrechtlich stabile Elternschaft und -verantwortung – die soziale Elternschaft des gesetzlichen Vaters – verschleiert wird. Verfassungsrechtliches Elter sollte nach hier vertretener Auffassung deshalb alleine der gesetzlich-soziale Vater und auch dies nicht ob dessen gesetzlicher, sondern ob dessen sozialer Vaterschaft sein. Ungeachtet dessen sieht sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Vorwurf ausgesetzt, unter Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG systemfremd zu sein, weil das Gericht sowohl dem gesetzlichen als auch dem gesetzlich-sozialen Vater zuzugestehen scheint, sich von seiner Vaterschaft durch Anfechtung lösen zu können und diesem hierdurch einen – unzulässigen – Verzicht auf seine verfassungsrechtliche Elternverantwortung ermöglicht. Möchte man, was nicht zu befürworten ist, an dem Anfechtungsrecht auch des gesetzlich-sozialen Vaters festhalten, wäre es konsequenter, die verfassungsrechtliche Stellung dieses Mannes nicht in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, sondern in Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) zu verorten. Anhand eines strukturellen Vergleichs mit dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG konnte zudem gezeigt werden, dass es sich bei dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, anders als bei jenem des Art. 14 Abs. 1 GG, nicht um einen rein normgeprägten Schutzbereich handelt. Nicht ausgegangen werden kann deshalb davon, dass die Existenz einer Eltern-Kind-Beziehung in Parallelwertung zu der Eigentümer*in-Eigentum-Beziehung, die erst durch ein Tätigwerden des Gesetzgebers geschaffen wird, ebenfalls von einem solchen Tätigwerden abhinge. Dargelegt wurde überdies, dass der verfassungrechtliche Elternbegriff keine dem Kindeswohl dienende Funktion erfüllt, sondern eine eigenständige, vom Kindeswohl unabhängige Grundlage aufweist. Auch dies spricht gegen eine konstitutive Definitionsmacht des Gesetzgebers. Grundlegend zu unterscheiden sind insbesondere alle auf einer Zeugungsverantwortung gründenden Elternschaften schließlich von der Adoptivelternschaft, die – als durch das staatliche Wächteramt legitimierte – Sekundärzuweisung verfassungsrechtlicher Elternverantwortung zu begreifen ist. 596 Zu der Frage, inwiefern die Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus Voraussetzung dafür ist, dass das verfassungsrechtliche Elter sich auf das (prima facie-)Recht, das Kind zu pflegen und zu erziehen, berufen kann, siehe nachfolgend B.II., S. 152 ff.
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Verfehlt wäre es hinsichtlich der unter Inanspruchnahme einer Gametenspende begründeten Wunschelternschaft nach alledem, die verfassungsrechtliche Elternschaft des Wunschelters als einen „von Seiten des Staates eröffneten Rechtsakt der Begründung rechtlich-sozialer Elternschaft“ 597 anzusehen. Für die auf eine Eizellspende zurückgreifende plazentale Wunschmutter bedeutet dies, dass deren Eigenschaft als gesetzliche Mutter (vgl. § 1591 BGB) nicht als weiterer Anknüpfungspunkt ihrer bereits durch Übernahme der Zeugungsverantwortung für das Kind begründeten verfassungsrechtlichen Elternschaft dient. II. Elternverantwortung des Wunschelters Verfassungsrechtlich konstitutive Wirkung entfaltet die gesetzliche Zuweisung der Elternschaft nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters auch insoweit, als die gesetzliche Zuweisung der Vaterschaft notwendige Voraussetzung für dessen verfassungsrechtliches (prima facie-)Recht zur Pflege und Erziehung des Kindes sei.598 Damit aber besteht Anlass, auch hinsichtlich der plazentalen Wunschmutter als verfassungsrechtlichem Elter599 anzunehmen, dass das Bundesverfassungsgericht diese nur unter der Bedingung ihrer – derzeit durch § 1591 BGB begründeten – gesetzlichen Mutterschaft als Trägerin verfassungsrechtlicher Elternverantwortung ansieht. Unter kritischer Auseinandersetzung mit diesem Aspekt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird nachfolgend erläutert, warum das (prima facie-)Recht, ein Kind als Elter zu pflegen und zu erziehen, entgegen der Rechtsprechung des Gerichts bereits durch die verfassungsrechtliche Elterneigenschaft begründet wird (1.) Ungeachtet dessen bestehen begründete Zweifel daran, dass die auf Fälle der leiblichen Vaterschaft zugemünzte Lösung des Gerichts auf leibliche Mutterschaften oder auf die unter Inanspruchnahme einer Eizellspende zustande kommende Wunschmutterschaft übertragbar ist (2.).
597 Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 174 ff. (Zitat auf S. 183 und in Parallelwertung zur Adoption). Für eine Zuordnung zu den Wunscheltern ohne Adoption hingegen insbesondere: Dethloff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 24 f. und 27 (siehe aber auch ebd., S. 29: „Jedenfalls bei einem genetisch eigenen Kind bedarf es zur Begründung der rechtlichen Elternstellung nicht der Gewährleistungen eines staatlichen Adoptionsverfahrens.“; diese Einschränkung dürfte jedoch auf den Fall der genetisch-plazentalen Ersatzmutterschaft beschränkt sein, vgl. ebd., S. 28), sowie bereits dies., ZKJ 2009, 141, 145 f.; siehe ferner Helms, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 32. 598 Siehe vorstehend Abschnitt 2 unter B.III.1., S. 111 ff. 599 Siehe insbesondere vorstehend B.I.1., S. 124 ff.
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1. Kritische Reflexion der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters Eine kritische Reflexion der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters ergibt, dass eine verfassungsrechtlich als Elter einzustufende Person – entgegen dem mit dieser Rechtsprechung eingeschlagenen Weg – auch dann über das (prima facie-)Recht, das Kind zu pflegen und zu erziehen, verfügt, wenn diese Person nicht zugleich gesetzliches Elter ist. Zwar darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die der – dogmatisch auffälligen – Rechtsprechung zugrunde liegende „Zwei-ElternDoktrin“ der Verhinderung kindeswohlabträglicher Kompetenzkonflikte zwischen den Eltern dient [a)]. Kindeswohlgerechte Ergebnisse können jedoch ebenso über einen anderen, überzeugenderen Weg erreicht werden [b)]. a) Verhinderung kindeswohlabträglicher Kompetenzkonflikte Fallen leibliche und gesetzliche Vaterschaft auseinander, erkennt das Bundesverfassungsgericht sowohl den leiblichen als auch den gesetzlichen Vater als Elter im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG an. Das (prima facie-)Recht und die damit einhergehende Pflicht zur Pflege und Erziehung des Kindes allerdings sollen allein dem gesetzlichen Vater zustehen. Grundrechtsdogmatisch ist diese Konstruktion durchaus auffällig, denn der aus der allgemeinen Grundrechtsdogmatik bekannte und trotz der Unterscheidung zwischen persönlichem und sachlichem Schutzbereich600 bestehende Zusammenhang zwischen Grundrechtsträgerschaft601, Ausübung grundrechtlich geschützten Verhaltens und (prima facie-) Grundrecht wird dadurch unterbrochen.602 So ist es dem leiblichen Vater trotz 600
Im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nur: Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 81 [Stand: 74. Lfg. Dezember 1995] (im fortpflanzungsmedizinischen Kontext): „Mit der Feststellung, wer im konkreten Fall Elternteil ist, ist indes nur die Frage des personellen Schutzbereichs von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beantwortet. Ob der oder dem Betreffenden auch die grundgesetzlich gewährleistete Elternverantwortung zusteht, ist eine Frage des sachlichen Schutzbereichs [. . .].“ 601 Obwohl das Gericht den leiblichen Vater nicht als „Träger“ des verfassungsrechtlichen Elternrechts bezeichnet, steht zweifelsohne fest, dass dieser sich auf den persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG berufen können soll. Zwar ist Bezugspunkt des Begriffes der Grundrechtsträgerschaft der persönliche Schutzbereich (nur: Sachs, Verfassungsrecht, 2017, S. 119 Rn. 12). Allerdings stellte das Gericht zuvor eindeutig fest, dass beide Männer, leiblicher Vater und gesetzlicher Vater, als Väter im Sinne des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs zu qualifizieren seien (siehe vorstehend Abschnitt 2 unter B.III., S. 110 ff.). Unzutreffend insoweit deshalb Höfling, in: Isensee/ Kirchhof, HStR VII, 2009, § 155 Rn. 75 und 90, insbesondere Fn. 339, der davon ausgeht, das Gericht habe Restriktionen bereits auf der Ebene des persönlichen Schutzbereichs vorgenommen. 602 Kritisch auch: Coester, in: Deutscher Familiengerichtstag e.V., Zwanzigster Deutscher Familiengerichtstag vom 18. bis 21. September 2013 in Brühl, 2014, S. 52; Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will
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seiner verfassungsrechtlichen Elternschaft (persönlicher Schutzbereich) verwehrt, sich auf das (prima facie-)Recht und die entsprechende Pflicht zu stützen, seine Elternschaft auszuüben, also das Kind zu pflegen und zu erziehen.603 Materieller Hintergrund dieser Konstruktion ist die Annahme, wonach es – erstens – aus Gründen des Schutzes des Kindeswohls geboten sei, einem Kind nicht mehr als zwei Personen als Eltern zuzuordnen, und – zweitens – dass es hierzu erforderlich sei, bereits das aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG folgende (prima facie-)Recht auf zwei Personen zu beschränken. In der Entscheidung zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater heißt es insoweit deutlich: „Träger des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG können für ein Kind nur eine Mutter und ein Vater sein.“ 604 Weiter führt das Gericht aus: „Wenn Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zuvörderst den Eltern die Verantwortung für das Kind überlässt, beruht dies auf der Erwägung, dass sie in gemeinsamer Ausübung dieser Verantwortung in aller Regel die Interessen ihres Kindes am besten wahrnehmen [. . .]. Eine solche Erwägung kann aber nicht auf eine aus zwei Vätern und einer Mutter bestehende Gemeinschaft bezogen sein, bei der die Vermutung nicht trägt, die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung diene dem Kindeswohl am besten. Vielmehr wären mit einer solchen Konstellation Rollenkonflikte und Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Eltern gleichsam angelegt, die negativen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes nehmen könnten.“ 605 Das seitens des Gerichts mit der in dieser Entscheidung begründeten Zwei-Eltern-Doktrin606 verfolgte Ziel ist selbstverständlich zu begrüßen. Zwar wird man der Staat?, 2014, S. 68. Eine andere Interpretation der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater findet sich bei Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 104 f. (Beschränkungen erst auf gesetzlicher Ebene). Soweit diese die Ausführungen Lembkes (Kaufmann verweist auf S. 105, Fn. 61, auf Lembke, a. a. O., S. 53, 67 f.) als affirmative Rezeption der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts interpretiert, trifft dies jedoch nicht zu (siehe insbesondere Lembke, a. a. O., S. 68). 603 Zur Reduzierung des verfassungsrechtlichen Rechts des leiblichen Vaters auf eine Art Anwartschaftsrecht siehe bereits vorstehend Abschnitt 2 unter B.III.1., S. 111 f. 604 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 101 bzw. Rn. 59. Wie gewichtig diese Erwägung aus der Perspektive des Gerichts ist, zeigt sich daran, dass die entsprechenden Erläuterungen ganz zu Beginn der Ausführungen stehen, mit denen das Gericht begründet, dass auch der leibliche Vater der gesetzlichen Anerkennung bedürfe, um Träger verfassungsrechtlicher Elternverantwortung zu sein. 605 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 103 bzw. Rn. 63. Siehe ferner BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 78 bzw. Rn. 52. 606 Zur Bedeutung dieser Entscheidung siehe auch Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 14: „Alle rechtspolitischen Gedankenspiele zu Mehrelternkonstellationen werden diese Feststellung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2003 in Rechnung stellen müssen.“
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infrage stellen müssen, ob eine auf mehr als zwei Personen verteilte Elternverantwortung stets die Gefahr begründet, sich negativ auf das Kindeswohl auszuwirken.607 Gleichwohl weisen die Ausführungen des Gerichts mit Recht auf die möglichen Schattenseiten des Elternrechts hin, die sich immer dann zeigen, wenn Eltern ihre Stellung nicht als Verantwortung gegenüber dem Kind, sondern als Recht „am Kind“ verstehen.608 Dass Kinder bei Konflikten zwischen ihren Eltern von diesen nicht selten instrumentalisiert werden und die Eltern hierbei oftmals zu vergessen scheinen, dass ihre elterliche Verantwortung nicht in erster Linie ihrem Interesse, sondern dem Interesse des Kindes dient, ist ein offenes Geheimnis. Darüber hinaus ist der vom Bundesverfassungsgericht verfolgte Ansatz, den sachlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auf zwei Personen zu beschränken, auf Grundlage der Annahme, eine auf mehr als zwei Personen verteilte Elternverantwortung impliziere per se eine Kindeswohlgefährdung, durchaus systemkonform. Er liegt insofern nahe, als das Kindeswohl zweifelsohne „wesensbestimmender Bestandteil des Art. 6 Abs. 2 GG“ 609 ist, weshalb Handlungen, die dem Kindeswohl zuwider laufen, nicht als Pflege und Erziehung im Sinne der Vorschrift zu verstehen sind und somit vom sachlichen Schutzbereich des Grundrechts nicht erfasst werden.610 Warum die seitens des Gerichts 607 So auch Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 111: „[. . .] scheint es auf der Hand zu liegen, dass die Gefahr von Konflikten [. . .] mit der Zahl der Elternteile wächst. Ob sich daraus aber die allgemeine Regel ableiten lässt, dass niemals mehr als zwei verfassungsrechtliche Eltern auch einfach-rechtlich zu Eltern bestimmt werden dürfen, so wie es das BVerfG annimmt, scheint hingegen zumindest deutlich weniger offensichtlich. Letztlich dürfte es sich um eine empirische Frage handeln.“ 608 Dazu, dass das Kind nicht als „Objekt“ elterlicher Interessen zu verstehen ist, siehe bereits vorstehend S. 133. 609 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 77 bzw. Rn. 49 m.w. Nw. Zum Begriff des Kindeswohls siehe nachfolgend Teil 3 unter A.I.1., S. 185 f. 610 In diesem Sinne auch etwa: Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 78 und Rn. 81; Voet, Zur Verfassungsmäßigkeit einer allgemeinen Kindergartenpflicht im letzten Jahr vor dem Eintritt in die Grundschule, 2011, S. 95; Westermeyer, Die Herausbildung des Subsidiaritätsverhältnisses zwischen Familie und Staat und seine heutige Bedeutung im Grundgesetz, 2010, S. 168; Jestaedt, in: Lipp/Schumann/Veit, Kindesschutz bei Kindeswohlgefährdung – neue Mittel und Wege?, 2008, S. 13 f.; Klein, Fremdnützige Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 74, 79 und 88 f. Siehe auch bereits BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/63 –, BVerfGE 24, 119, 143 bzw. Rn. 57, juris: „[. . .] Handeln [. . .], das bei weitester Anerkennung der Selbstverantwortlichkeit der Eltern noch als Pflege und Erziehung gewertet werden kann [. . .].“ Das zu gewährleistende Niveau dürfte identisch sein mit dem (üblicherweise in zivilrechtlichen Kontexten gebrauchten) „negativen Standard“ des Kindeswohls, der – in Abgrenzung zum „positiven Standard“ als individuellem Optimum, also dem Zustand „der für das konkrete Kind in seiner konkreten Lebenssituation der beste wäre“ – lediglich die „Mindestbedingungen, die für das Wohl des Kindes unverzichtbar sind“, umfasst (Wapler, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 2010, S. 127 f.; Zitate auf Seite 128; siehe auch dies., Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 251 f.); siehe ferner etwa Jestaedt, in: Lipp/Schumann/Veit, Kindesschutz bei Kin-
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gewählte Lösung dennoch im Ergebnis nicht überzeugt, wird im Folgenden dargelegt. b) Kindeswohlgerechte Ergebnisse auf gesetzlicher Ebene trotz verfassungsrechtlichen (prima facie-)Rechts auch des leiblichen Vaters Die Konstruktion, mit der das Bundesverfassungsgericht eine Kindeswohlgefährdung im Falle der Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater zu verhindern sucht, überzeugt im Ergebnis nicht. Symptomatisch für die Auffassung, wonach dem leiblichen Vater ein (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zustehe, ist die unausgesprochene und unzutreffende Annahme, wonach aus dem (prima facie-)Recht, das Kind zu pflegen und zu erziehen, stets ein Anspruch auf Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus folge [aa)]. Die aus der Anerkennung eines (prima facie-)Rechts auch des leiblichen Vaters in diesem Fall womöglich resultierende verfassungsrechtliche „Mehrfachelternverantwortung“ kann durch Abstufung und gegebenenfalls mehrfache Zuweisung materieller Elternrechtspositionen in Übereinstimmung mit dem Kindeswohl gelöst werden [bb)]. aa) (Prima facie-)Recht zur Pflege und Erziehung des Kindes gewährt keinen Anspruch auf Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus Innerhalb des verfassungsrechtlich determinierten Rahmens ist der Gesetzgeber verpflichet und befugt, die verfassungsrechtliche Elternverantwortung in personeller sowie in sachlicher Hinsicht auszugestalten.611 Die hiernach zur Konkretisierung der Elternverantwortung zu treffenden Regelungen dienen nach der hier gewählten Terminologie nicht nur der Ausgestaltung der Elternverantwortung im eigentlichen Sinne, das heißt der Schaffung der Voraussetzungen vor allem dafür, dass die verfassungsrechtlichen Eltern ihre Verantwortung überhaupt und zum Wohle des Kindes ausüben sowie gegenüber Dritten durchsetzen können, sondern auch dem Ausgleich der verfassungsrechtlichen Rechte der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG untereinander.612 deswohlgefährdung – neue Mittel und Wege?, 2008, S. 14 ff.; zum Begriff „negativer Standard“ siehe bereits Lüderitz, FamRZ 1975, 605, 606 und 609, sowie auch Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, S. 171, zu dem des „positiven Standards“ Gernhuber, FamRZ 1973, 229, 232. 611 Siehe etwa Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 12; Jestaedt, in: CoesterWaltjen/Lipp/Schumann et al., „Kinderwunschmedizin“ – Reformbedarf im Abstammungsrecht?, 2015, S. 31; Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 78 f. Siehe ferner BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69, 94 bzw. Rn. 73 („[. . .] bedarf das Elternrecht [. . .] aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG der gesetzlichen Ausgestaltung.“, m.w. Nw., st. Rspr.). 612 Unabhängig davon, ob man diese als Eingriff qualifiziert (für Nachweise zum Streitstand siehe Fn. 636). Zur Unterscheidung zwischen Grundrechtsausgestaltung und
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Umfasst von diesem Ausgestaltungsauftrag ist auch die Möglichkeit, die gesetzliche Elternschaft abweichend von der verfassungsrechtlichen Elternschaft zuzuweisen; verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Elterbegriff sind mithin nicht deckungsgleich.613 Dafür, dass das Bundesverfassungsgericht dies nicht grundsätzlich anders sieht, streitet, dass es aus der Eigenschaft des leiblichen Vaters als verfassungsrechtlichem Elter bekanntlich keinen definitiven Anspruch dieses Mannes auf Zuweisung des gesetzlichen Vaterstatus herleitet, sondern lediglich ein Recht auf Zugang zu einem Verfahren, in dem die leibliche Vaterschaft überprüft und der gesetzliche Vaterstatus gegebenenfalls neu zugeordnet werden kann.614 Geschütz ist damit, wie das Bundesverfassungsgericht formuliert, lediglich das „Interesse“ des leiblichen Vaters, „auch die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen.“ 615 Zwar wird die Position des leiblichen Vaters indirekt durch das an den Gesetzgeber gerichtete „Gebot, möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen“ 616, gestärkt. Wie jedoch bereits gezeigt wurde, ist mittlerweile äußerst fraglich, ob und wieviel materielle Wirkkraft das Gericht dieser Vorgabe noch beimisst.617 Zudem besteht – ungeachtet aller Unklarheiten hinsichtlich des Charakters der gesetzlichen Vaterschaftstatbestände in § 1592 Nr. 1 und Nr. 2 BGB618 – trotz dieses Gebots kein Zweifel daran, dass das Gericht dem Gesetzgeber freistellt, die leibliche Vaterschaft anhand bestimmter tatsächlicher Umstände zu vermuten, womit in Kauf genommen wird, dass leibliche und gesetzliche Vaterschaft auseinanderfallen. Vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage überrascht es durchaus, dass das Bundesverfassungsgericht zwar nicht aus der verfassungsrechtlichen Elternschaft, sehr wohl aber aus dem (prima facie-)Recht zur Pflege und Erziehung des Kindes einen Anspruch im Sinne eines definitiven Rechts auf Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus herzuleiten scheint. Wenn das Gericht dies in dieser Klarheit auch bislang nicht formuliert hat, lässt sich die Notlage, in der sich das Gericht im Falle einer doppelten verfassungsrechtlichen Vaterschaft (Vaterschaft des leiblichen sowie nach Auffassung des Gerichts auch des gesetzlichen Vaters)
Grundrechtseingriff siehe nur Höfling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 155 Rn. 25. 613 Deutlich auch: Jestaedt, in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 116. 614 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 104 f. bzw. Rn. 68 ff., hierzu bereits vorstehend Abschnitt 2 unter B.III.1., S. 111 f. 615 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 104 bzw. Rn. 66. 616 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 104 bzw. Rn. 68. 617 Vgl. vorstehend S. 141. 618 Siehe ebenfalls vorstehend S. 141.
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sieht, anders doch nicht erklären.619 Denn Anlass zur Verhinderung einer auf mehr als zwei Personen verteilten gesetzlichen Elternverantwortung besteht im Falle der Konkurrenz zwischen gesetzlichem und leiblichem Vater von vornherein nur dann, wenn davon auszugehen ist, dass die (vom Gericht verweigerte) Zuerkennung eines (prima facie-)Rechts dem leiblichen Vater ein Recht auf Zuerkennung zugleich der gesetzlichen Vaterschaft vermittelte. Diese Annahme des Bundesverfassungsgerichts ist zwar insoweit nachvollziehbar, als der Grund dafür, warum es dem Gesetzgeber zugesteht, die gesetzliche Vaterschaft nicht von einem Nachweis der leiblichen Vaterschaft abhängig zu machen, sondern an Vermutungstatbestände zu knüpfen,620 in dem Moment wegfällt, in dem die Personenverschiedenheit zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater feststeht (die zur Zeugung des Kindes führende intime Beziehung zwischen leiblichem Vater und Mutter des Kindes ist offengelegt). Dass hieraus aber ein Anspruch des leiblichen Vaters auf Zuweisung des gesetzlichen Vaterstatus folgte, wenn sich mit dem gesetzlichen Vater mittlerweile eine weitere Person auf das (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stützen kann621, ist nicht ersichtlich. Erkennbar ist auch nicht, dass die – keinesfalls mit dem gesetzlichen Begriff der „elterliche[n] Sorge“ (§ 1626 Abs. 1 BGB) als umfassendster gesetzlicher Elternposition gleichzusetzenden622 – verfassungsrechtlichen Begriffe „Pflege und Erziehung“ eine derartige Betrachtungsweise forderten. Gleichwohl ist zu vermuten, dass gerade diese, eine allumfassende Verantwortung aller verfassungsrechtlichen Eltern suggerierende Formulierung in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG die Grundlage dogmatischer Verwirrungen bildet. Eine grundsätzliche Prob619 Für die Annahme, wonach die Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG die Elternverantwortung maximal zweier Personen umfasse und die Individualverbürgung entsprechend beschränke (so möglicherweise Jestaedt, in: Geis, Planung – Steuerung – Kontrolle, 2006, S. 92), gibt die Rechtsprechung keine Anhaltspunkte. Zu überzeugen vermag eine solche Annahme schon insofern nicht, als Institutsgarantien die durch die Grundrechte gewährleisteten subjektiven Rechtspositionen verstärken sollen und deshalb nicht geeignet sind, Eingriffe in individualrechtliche Grundrechtspositionen zu rechtfertigen, siehe Kloepfer, in: Merten/Papier, HGR II, 2006, § 43 Rn. 43, sowie auch Stern, Staatsrecht III/1, 1988, § 68, S. 795 sowie 826 (zum Elternrecht). Allgemein zur Eigenschaft des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG als Institutsgarantie etwa Stern, Staatsrecht IV/1, 2006, § 100, S. 511 f. 620 Siehe vorstehend S. 114. 621 Zur Kritik an der Auffassung des Gerichts, wonach die Zuweisung des gesetzlichen Vaterstatus (§ 1592 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB) die verfassungsrechtliche Elternschaft des gesetzlichen Vaters nach sich ziehe, siehe bereits vorstehend B.I.3.a), S. 143 ff. 622 Coester, in: Deutscher Familiengerichtstag e.V., Zwanzigster Deutscher Familiengerichtstag vom 18. bis 21. September 2013 in Brühl, 2014, S. 52; Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 83; Burgi, in: Merten/Papier, HGR IV, 2011, § 109 Rn. 22; Höfling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, § 155 Rn. 18. Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27. April 2017 – 1 BvR 563/17 –, Rn. 17, juris: „Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann [. . .].“
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lematik scheint auch darin zu liegen, dass sich das der gesetzlichen Elternschaft zugrunde liegende Status-Konzept und die verfassungsrechtlichen Kategorien persönlicher/sachlicher Schutzbereich strukturell nur schwer parallelisieren lassen, vielmehr gewissermaßen quer zueinander liegen.623 Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist deshalb unbedingt zu empfehlen, sich von dem auch im verfassungsrechtlichen Denken bislang immer mitschwingenden gesetzlichen Statusdenken zu lösen.624 Entgegen der der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unausgesprochen zugrunde liegenden Annahme folgt aus dem (prima facie-)Recht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG demnach kein Anspruch auf Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus, sondern lediglich „ein subjektives Recht [der verfassungsrechtlichen Eltern] darauf, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Elternschaft einfach-gesetzlich ausgestaltet, dass sie bei der Verteilung der einfach-gesetzlichen Elternrechte zwischen den verfassungsrechtlichen Eltern berücksichtigt werden und dass sich diese Verteilung an den der Verfassung zu entnehmenden Leitlinien orientiert.“ 625 Für die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters bedeutet dies, dass dieser sich – entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater – schon kraft seiner verfassungsrechtlichen Elternschaft auf das (prima facie-)Recht berufen kann, das Kind zu pflegen und zu erziehen.626 Zu begrüßen sind daher Äußerungen in der jüngeren Rechtsprechung des Gerichts, die darauf schließen lassen, dass das 623 Zutreffend insoweit auch Jestaedt, in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 116: „[. . .] als sich die Gewährleistungsstrukturen auf verfassungsrechtlicher und auf einfachgesetzlicher Ebene deutlich voneinander unterscheiden. [. . .] Das Bürgerliche Recht statuiert mit dem (Status-) Konzept der rechtlichen Elternschaft eine typisierende und grundsätzlich feste Verknüpfung von Elterneigenschaft und ,Vollrechtsstellung‘ als Eltern, die für dasselbe Kind nur maximal zwei Elternteile einnehmen können. Mit der abkommensrechtlichen Stellung als ,rechtliche Eltern‘ gehen de lege lata herausragende Rechte- und Pflichtenstellungen [. . .] einher. [. . .] Die grundgesetzliche Gewährleistung der ,Elternverantwortung‘ [. . .] operiert demgegenüber mit der modularen Unterscheidung von personellem [. . .] und materiellem Schutzbereich [. . .]. Die [. . .] ,Elternverantwortung‘ [. . .] ist gegenüber dem bürgerlichrechtlichen Status-Modell deswegen offener und flexibler, weil sie den Gesetzgeber nicht an ein relativ starres Status-Modell bindet, sondern ihm eine ganze Reihe unterschiedlicher kategorischer oder gradueller Zuordnungen von Schutzsubjekt und Schutzobjekt ermöglicht.“ Zur Flexibilität des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG siehe auch Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 277. 624 Siehe hierzu auch unmittelbar nachfolgenden unter B.II.1.b)bb), S. 160 ff. 625 Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 106. Siehe auch ebd.: „Das bedeutet nicht zugleich, dass [. . .] der Gesetzgeber verpflichtet wäre, ihnen [den verfassungsrechtlichen Eltern] allen einfach-gesetzliche Elternrechte einzuräumen.“ 626 Siehe abermals Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 106: „[. . .] sind der persönliche sowie der sachliche Schutzbereich des Elterngrundrechts vielmehr im Ausgangspunkt kongruent zu konzipieren. Alle verfassungsrechtlichen Eltern sind Inhaber derselben durch das Elterngrundrecht geschützten Rechtspositionen.“
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Gericht von der im Jahre 2003 etablierten Dogmatik, wonach dem leiblichen Vater ein (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zustehe, Abstand nehmen könnte.627 bb) Kindeswohlgerechte Ergebnisse durch Abstufung und gegebenenfalls mehrfache Zuweisung materieller Elternrechtspositionen Geht man mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, dass auch der gesetzliche Vater über das (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verfügt628 oder nimmt man an, dass sich der gesetzlich-soziale Vater kraft seiner sozialen Elternschaft auf den Schutzbereich des Elterngrundrechts stützen kann,629 kommt es im Falle des Auseinanderfallens von gesetzlicher beziehungsweise gesetzlich-sozialer Vaterschaft und leiblicher Vaterschaft nach dem vorstehend Gesagten insofern zwingend zu einer „Mehrfachelternverantwortung“ auf verfassungsrechtlicher Ebene, als das (prima facie-)Recht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG mehr als zwei Personen (den Vätern des Kindes sowie dessen Mutter) zusteht.630 Grundrechtsdogmatisch resultiert aus dieser Situation eine Grundrechtskollision, bei der sich die Rechte auch der beiden Väter als im Ausgang strukturgleiche Rechte gegegenüberstehen. Hierin liegt durchaus ein Unterschied zu der Konstruktion des Bundesverfassungsgerichts, nach der sich das Aufeinandertreffen der Rechte des leiblichen und des gesetzlichen Vaters als Aufeinandertreffen eines Anwartschafts- und eines Vollrechts darstellt, in dem sich der leibliche Vater gegenüber dem gesetzlichen Vater von vornherein in einer strukturell schwächeren Ausgangslage sieht.631 Der Schlüssel dazu, um auch auf Grundlage dieser so verstandenen verfassungsrechtlichen „Mehrfachelternverantwortung“ zu kindeswohlgerechten Ergebnissen zu gelangen, liegt in der Abstufung sowie gegebenenfalls auch der mehrfachen Zuweisung materieller Elternrechtspositionen, also den Elementen, die 627 Siehe BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 77 bzw. Rn. 47: „[. . .] ist der sachliche Schutzbereich dieses Grundrechts betroffen, wenn das einfache Recht einer Person, die im verfassungsrechtlichen Sinne Elternteil eines Kindes ist, die gesetzliche Elternstellung verwehrt.“ Ebenfalls für eine schrittweise Aufgabe der so beschriebenen Zwei-Eltern-Doktrin spricht die (erst neuerdings vorgenommene) Verortung des Umgangsrechts (auch) des leiblichen Vaters auch im Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, siehe hierzu S. 164. 628 Nur vorstehend Abschnitt 2, B.III.2., S. 112 f. 629 Siehe zu diesem Aspekt vorstehend S. 144. 630 Zu der Frage der „Alleinelternschaft“ vgl. nachfolgend Teil 3, C.V., S. 234 ff. 631 Vgl. auch Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 106, sowie ebd., S. 110: „Das Anwartschaftsrecht des leiblichen Vaters, der nicht zugleich die rechtliche Vaterschaft innehat, ist daher und kann nur das Ergebnis, nicht der Ausgangspunkt des Bemühens um praktische Konkordanz sein.“ Zum Prinzip der praktischen Konkordanz siehe Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1999, Rn. 317. Zum alexy’schen Abwägungsgesetz vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 143 ff.
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sich hinter dem sachlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG („Pflege und Erziehung des Kindes“) verbergen.632 Über die „Verteilung“ dieser Rechte zwischen den verfassungsrechtlichen Eltern ist anhand einer umfassenden und mehrdimensionalen Abwägung zu entscheiden. Ebenso wie bei der Konstruktion des Bundesverfassungsgerichts erfordert auch diese „echte“ Abwägung im Falle der Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem (beziehungsweise nach hier vertretener Auffassung: gesetzlich-sozialem) Vater nicht, die gesetzliche Elternschaft neu zuzuweisen, und zwar unabhängig davon, ob man die soziale Elternschaft des gesetzlichen Vaters in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG oder in Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG (Familie) verortet.633 Grundsätzlich mehr als bisher Berücksichtigung finden müssten bei der Auflösung der Konkurrenz zwischen gesetzlich(-sozialem) Vater und leiblichem Vater das (konkrete) Kindeswohl634 sowie eine etwaige sozial-familiäre Beziehung auch zwischen leiblichem Vater und Kind.635 Strukturell unterscheidet sich die unter Einbeziehung auch des (prima facie-) Rechts des leiblichen Vaters vom Gesetzgeber vorzunehmende Abwägung damit nicht grundsätzlich von der Abwägung, die bei der Verteilung materieller Elternrechtspositionen im Falle der klassichen „Mutter-Vater-Konstellation“ stattfindet.636 632 In diesem Sinne auch etwa Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 57. Siehe ferner Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 109 ff., sowie Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 189. 633 Vgl. hierzu bereits vorstehend S. 144. 634 Nach der bisherigen Lösung des Bundesverfassungsgerichts wird das konkrete Kindeswohl von dem pauschalierten Interesse des Kindes am Erhalt sozial-familiärer Beziehungen „geschluckt“. 635 In der zivilrechtlichen Literatur wird der Gesetzgeber etwa zur Nachbesserung des Anfechtungsrechts des leiblichen Vaters (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB) aufgefordert, siehe beispielsweise Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 44 ff., sowie bereits in FamRZ 2010, 1, 6 f., ferner Wellenhofer, in: Säcker/Rixecker/Oetker et al., MüKo-BGB, § 1600 Rn. 14. Auf dem 71. Deutschen Juristentag wurde beschlossen, anstelle der Sperrwirkung der sozial-familiären Beziehung zwischen gesetzlichem Vater und Kind (siehe § 1600 Abs. 2 BGB) eine Kindeswohlprüfung treten zu lassen, siehe Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, 2017, Band II/1, S. P 67, Beschluss D.15.c). Eine auch zwischen leiblichem Vater und Kind bestehende sozial-familiäre Beziehung kann bei der Entscheidung über die Begründetheit der Anfechtung der gesetzlichen Vaterschaft durch den leiblichen Vater de lege lata nicht berücksichtigt werden, siehe BGH, Beschluss vom 15. November 2017 – XII ZB 389/16 –, insbesondere Rn. 22 ff. 636 Ob (zwischen den Eltern schlichtende) gesetzliche Regelungen zur Verteilung der Verantwortung unter den Eltern als Eingriffe einzuordnen sind, wird uneinheitlich beurteilt. Nachweise zum Streitstand finden sich bei Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Fn. 616, die selbst nicht von einem Grundrechtseingriff ausgeht. Wie hier (Eingriff) etwa Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 109; Höfling, in: Isensee/Kirchhof, HStR
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Die Besonderheit der „Drei-Eltern-Konstellation“ liegt vielmehr darin, dass es bei der Abwägung der Rechte der beiden Väter, der Mutter und des Kindes nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Ergebnis zur Verhinderung kindeswohlabträglicher Kompetenzkonflikte nicht möglich sein soll, allen (drei) Eltern jeweils sämtliche Rechte zuzuweisen, die potentiell aus der verfassungrechtlichen Elterneigenschaft resultieren können. Es geht also auch dem Bundesverfassungsgericht in erster Linie nicht um eine Beschränkung der Anzahl der gesetzlichen Eltern, sondern um eine Beschränkung der aus diesem Status jeweils folgenden Rechte. Bestätigung findet diese Sichtweise in folgender, die Ausführungen zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater aus dem Jahr 2003 konkretisierender Formulierung des Gerichts aus dem Jahr 2013: „Die verfassungsrechtliche Anerkennung der Elternschaft zweier gleichgeschlechtlicher Personen hat das Bundesverfassungsgericht nicht mit der Feststellung ausschließen wollen, der Umstand, dass ein Kind nur von einem Elternpaar abstammen könne, lasse darauf schließen, dass der Verfassungsgeber nur einem Elternpaar das Elternrecht für ein Kind habe zuweisen wollen [. . .]. In dieser Entscheidung ging es ersichtlich nicht um die Frage der Geschlechterkonstellation der Eltern, sondern um die Begrenzung der Trägerschaft des Elternrechts zur Vermeidung von Verantwortungsunklarheit und Kompetenzkonflikten. Beim Nebeneinander von zwei Vätern, denen zusammen mit der Mutter jeweils die gleiche grundrechtlich zugewiesene Elternverantwortung für das Kind [Hervorhebung nicht im Original] zukäme, [. . .] wären Rollenkonflikte und Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Eltern gleichsam angelegt, die negativen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes nehmen könnten“ 637. Weil aber nach dem derzeitigen Konzept des Gesetzgebers aus dem Elternstatus nach § 1591 und § 1592 BGB grundsätzlich alle (verfassungsrechtlichen) materiellen Elternrechtspositionen folgen können und das Gericht annimmt, aus dem (prima facie-)Recht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG folge ein Anspruch beziehungsweise die Pflicht, den über dieses Recht verfügenden Personen den gesetzlichen Elternstatus zuzuweisen, sieht sich das Gericht nicht in der Lage, neben der Mutter und dem gesetzlichen Vater des Kindes auch dessen leiblichem Vater das (prima facie-)Recht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zuzusprechen. VII, 2009, § 155 Rn. 28; Jesteadt, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 15 ff. [Stand: 74. Lfg. Dezember 1995]. Das Bundesverfassungsgericht schien jedenfalls in seinem Beschluss vom 15. Juni 1971 – 1 BvR 192/70 –, BVerfGE 31, 194, 208, Rn. 37, juris, nicht von einer Eingriffsqualität auszugehen: „Da das Tätigwerden des Staates hierbei darauf gerichtet ist, den Ausgleich zwischen den beiden eigenständigen und durch das Elternrecht geschützten Rechtspositionen der Eltern vorzunehmen, ohne ihren Vorrang als Erziehungsträger anzutasten, ist er nicht an die strengen Voraussetzungen gebunden, die für einen Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht vorliegen müssen [. . .].“ 637 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 78 bzw. Rn. 52. Siehe zu dieser Entscheidung auch bereits vorstehend Abschnitt 2, B.IV., S. 114 ff.
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Bei genauer Betrachtungsweise ist die Frage nach der Zulässigkeit einer verfassungsrechtlichen „Mehrfachelternverantwortung“ also nur scheinbar eine Frage danach, wie viele gesetzliche Eltern ein Kind haben darf, die nur deshalb gestellt wird, weil der gesetzliche Elternstatus bestimmte (potentielle) materielle Rechte impliziert.638 Löst man sich auf verfassungsrechtlicher Ebene indes von dem gesetzlichen Statusdenken, wird klar, dass die Frage der Zahl der Personen, die der Gesetzgeber als Eltern bezeichnet, aus verfassungsrechtlicher Sicht nachrangig ist.639 Entscheidend ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive vielmehr, welche materiellen Rechte diesen Personen jeweils zugewiesen werden und wie sich diese Rechte in der Summe und im Verhältnis zueinander auf das – im Ergebnis stets ausschlaggebende Kindeswohl640– auswirken.641 638 Vgl. auch Coester, in: Deutscher Familiengerichtstag e.V., Zwanzigster Deutscher Familiengerichtstag vom 18. bis 21. September 2013 in Brühl, 2014, S. 53, der bemerkt, „die Argumentation des BVerfG zu Gunsten des 2-Eltern-Prinzips, insbesondere der Hinweis auf sonst drohende kindeswohlwidrige Kompetenz- und Rollenstreigigkeiten“ habe „Gültigkeit aber nur für die Sorgeebene, sie berührt noch nicht die Inhaberschaft des Elternrechts als solche. Damit sind gedankliche Spekulationen über eine plurale, d. h. über den herrschenden Elternbegriff hinausgehende Elternschaft nicht von vornherein durch das Grundgesetz ausgeschlossen.“ 639 Klar zu trennen ist die Frage des gesetzlichen Status verfassungsrechtlicher Eltern auch von der Frage, inwieweit Personen, die keine verfassungsrechtlichen Eltern sind, mit materiellen Elternrechten ausgestattet werden können (siehe auch Fn. 641). 640 So ausdrücklich auch etwa Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 110 und 116. Siehe auch Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 75, die das Kindeswohl indes als einen unter mehreren, gleichrangigen verfassungsrechtlichen Faktoren ansieht. Zu berücksichtigen seien etwa auch der Schutz von Ehe und Familie sowie der Schutz des Persönlichkeitsrechts aller Beteiligten. 641 Vgl. auch Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 67 f. die (im Kontext der „doppelten Vaterschaft“) mit Recht darauf aufmerksam macht, dass eine „,volle‘ gesetzliche und verfassungsrechtliche Elternschaft“ von mehr als zwei Personen „weniger das Ziel“ sei, vielmehr gehe es um abgestufte Rechtspositionen der Eltern im Interesse des Kindes. Wichtig auch der Hinweis, wonach die weiteren Rechtsfolgen abgestufter elterlicher Rechtspositionen im Hinblick auf das Kindeswohl gründlich zu prüfen und differenziert zu regeln seien (ebd., S. 69, und unter Bezugnahme auf mögliche Unterhaltspflichten des Kindes). Zur (lebhaften) zivilrechtlichen Diskussion um „plurale“/„multiple“ Elternschaften vgl. Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 10: „Zuweisung des abstammungsrechtlichen Vollstatus [. . .] oder [die] Gewährung vor allem sorge- und umgangsrechtlicher Teilrechte [. . .].“ Bei der verfassungsrechtlichen Refexion der entsprechenden zivilrechtlichen Diskurse klar differenziert werden muss zwischen der Frage, ob und welche Rechte verfassunsgrechtlichen Eltern zustehen, und der Frage, inwieweit Personen, die keine verfassungsrechtlichen Eltern sind, mit materiellen Elternrechten ausgestattet werden können. Vgl. auch Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 14, nach der es mit dem Grundgesetz „grundsätzlich vereinbar“ sei, auch Personen, die nicht die gesetzliche Elternstellung hätten, Verantwortung für ein Kind zuzuweisen. Wie weit der Gesetzgeber hierbei gehen könne, habe das Bundesverfassungsgericht „nicht im Einzelnen entschieden.“ Maßgeblich bei der Entscheidung über
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Paradebeispiel dafür, dass materielle Elternpositionen bereits nach geltender Rechtslage mehr als zwei Mal vergeben werden, ist das Umgangsrecht des leiblichen Vaters,642 das diesem nach dem im Jahr 2013 eingefügten § 1686a BGB zusteht, wenn dieser „ernsthaftes Interesse“ an dem Kind gezeigt hat und der Umgang dem Kindeswohl dient.643 Zwar verortete das Bundesverfassungsgericht das Umgangsrecht des leiblichen Vaters in der Entscheidung zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater noch ausschließlich in Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG.644 Allerdings gibt die jüngste Rechtsprechung Grund zu der Annahme, dass das Gericht das Umgangsrecht auch dieses Mannes neuerdings zumindest auch im Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verankert.645 Ob sich die Auffassung des Gerichts aus dem Jahr 2003, wonach dem leiblichen Vater das (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zustehe, dogmatisch überhaupt noch halten lässt, ist damit äußerst fraglich.646 die verfassungsrechtlichen Grenzen sei vor allem das Wohl des Kindes. Auch hier habe der Gesetzgeber weite Wertungs- und Entscheidungsspielräume. 642 Das Umgangsrecht ist zweifelsohne Bestandteil des sachlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, so auch insbesondere: BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 102 bzw. Rn. 61; Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 57: „klassisches Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG“. 643 Zum verfassungsrechtlichen Hintergrund der Einführung des § 1686a BGB siehe Fn. 645. 644 BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 112 f. bzw. Rn. 91 ff. sowie 102 bzw. Rn. 61; kritisch hierzu (Herleitung des Umgangsrechts aus Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG): Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014: „dogmatisch überraschend“ (ebd., S. 57) und „eher systemferne Ableitung“ (ebd., S. 58). 645 BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 2 BvR 1170/14 –, Rn. 38: „[. . .] ist der Wunsch des leiblichen Vaters nach Umgang mit dem Kind verfassungsrechtlich grundsätzlich anzuerkennen [. . .] und auch vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG [Sic!] umfasst.“ Hintergrund dieses neuen dogmatischen Ansatzes ist die Rechtsprechung des EGMR. Denn der Gerichtshof entschied, dass die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Umgangsrecht auch des leiblichen Vaters stets eine (ehemalige) sozial-familiäre Beziehung zwischen diesem und dem von ihm abstammenden Kind voraussetze (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 113 bzw. Rn. 95), konventionswidrig sei (Nachweise in Fn. 104). Der nationale Gesetzgeber reagierte hierauf durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters vom 4. Juli 2013, BGBl. I Nr. 36, S. 2176 (Einfügung unter anderem des § 1686a BGB durch Art. 1 des Gesetzes). 646 Vgl. auch Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 67, die bemerkt, die doppelte Vaterschaft sei durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht gesetzlichen Vaters (siehe Fn. 645) bereits geltende Rechtslage, sowie Coester, in: Deutscher Familiengerichtstag e.V., Zwanzigster Deutscher Familiengerichtstag vom 18. bis 21. September 2013 in Brühl, 2014, S. 53 f. Zu weiteren Anzeichen dafür, dass das Gericht Abstand von seiner Zwei-Eltern-Doktrin auf verfassungsrechtlicher Ebene nehmen könnte, siehe bereits Fn. 627. Ungeachtet dessen stellt sich auf Grundlage der hier vertretenen Auffassung, wonach (auch) dem leiblichen Vater das (prima facie-)Recht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zusteht, im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des § 1686a BGB
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c) Ergebnis zu 1. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters hat ergeben, dass das (prima facie-)Recht eines verfassungsrechtlichen Elters, das Kind zu pflegen und zu erziehen, entgegen der Rechtsprechung des Gerichts nicht von der Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus abhängt. Herausgearbeitet wurde zunächst, dass die in der insoweit maßgeblichen Entscheidung aus dem Jahr 2003 zur Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater etablierte Zwei-Eltern-Doktrin des Gerichts, nach der das (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG maximal zwei Personen zustehen können soll, der Vermeidung negativer Auswirkungen auf das Kindeswohl dient, die das Gericht wegen etwaiger Rollen- und Kompetenzkonflikte zwischen leiblichem Vater, gesetzlichem Vater und Mutter des Kindes befürchtet. Kindeswohlgerechte Ergebnisse lassen sich jedoch auch dann erzielen, wenn man – entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – von einem (prima facie-)Recht auch des leiblichen Vaters und damit auf verfassungsrechtlicher Ebene gegebenenfalls von einer „Mehrfachelternverantwortung“ im Sinne einer mehr als zwei Personen zustehenden (prima facie)-Verantwortung ausgeht.647 Wesentlich hierfür ist, dass die durch den sachlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten materiellen Elternrechtspositionen im Wege des Ausgleichs kollidierender Grundrechte abgestuft und gegebenenfalls mehrfach auf die Eltern verteilt werden können. Insbesondere folgt aus dem (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG kein unmittelbarer Anspruch des verfassungsrechtlichen Elters, den gesetzlichen Elternstatus zugewiesen zu bekommen, sondern vielmehr lediglich ein Anspruch auf verfassungsgemäße Ausgestaltung der verfassungsrechtlicher Positionen dieses Elters. Für die verfassungsrechtliche Einordnung der plazentalen Wunschmutter folgt hieraus, dass deren (prima facie-)Recht, das Kind zu pflegen und zu erziehen, die Frage, ob ein Umgangsrecht nicht bereits gewährt werden müsste, wenn die Gewährung dieses Rechts dem Kindeswohl nicht widerspricht (so der Fall beim Auskunftsrecht, vgl. § 1686 BGB), also nicht erst dann, wenn es dem Kindeswohl dient. 647 Siehe auch Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 187 („Man läse möglicherweise zu viel in die Verfassung hinein, wenn man das Zwei-Eltern-Modell als verfassungsimmanent beschreiben wollte [. . .].“); Heiderhoff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 15 („fraglich“, ob dem Grundgesetz Vorgaben zur Anzahl der Personen zu entnehmen sind, die die Elternstellung einnehmen können); Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 150 (ausdrücklich entgegen BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/ 96 –, BVerfGE 108, 82, 101 bzw. Rn. 59, sowie Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 78 bzw. Rn. 52). Vgl. ferner Kotzur, in: Stern/Becker, GG, Art. 6 Rn. 49 (Doppel, Drei- oder gar Vierfach-Elternschaften seien denkbar. Die Regelungsverantwortung treffe den Gesetzgeber). Pragmatisch: Classen, DVBl 2013, 1086, 1090 [Abzuwarten bleibe, ob sich die Beschränkung auf zwei Personen vor allem trotz Samenspende und Leihmutterschaft (im Ausland) dauerhaft durchhalten lasse.].
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nicht von deren Eigenschaft als gesetzliche Mutter (vgl. § 1591 BGB) abhängt, sondern bereits aus deren verfassungsrechtlicher Elternschaft resultiert. 2. Fehlende Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters auf die leibliche Mutter oder die plazentale Wunschmutter Selbst wenn man sich entgegen dem vorstehend gefundenen Ergebnis und mit dem Bundesverfassungsgericht dafür ausspricht, dem leiblichen Vater ein (prima facie-)Recht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann zuzusprechen, wenn dieser zugleich gesetzlicher Vater des Kindes ist, überzeugt eine derartige Abhängigkeit des verfassungsrechtlichen (prima facie-)Rechts vom gesetzlichen Elternstatus im Falle der leiblichen Mutterschaft sowie auch bezüglich der unter Inanspruchnahme einer Eizellspende zustande kommenden plazentalen Wunschmutterschaft nicht. Während sich die Zeugungsverantwortung des leiblichen Vaters anhand eines nach außen ohne Weiteres sichtbaren Tatbestandes zu keiner Zeit mit hinreichender Verlässlichkeit feststellen lässt, sofern die Zeugung des Kindes nicht medizinisch assistiert wird,648 offenbart sich die Zeugungsverantwortung649 der leiblichen Mutter und auch der plazentalen Wunschmutter indirekt durch den Akt der Geburt.650 Im Falle der plazentalen Wunschmutterschaft ist die Zeugungsverantwortung dieser Frau zusätzlich direkt durch die Zustimmung zur Zeugung des Kindes mittels der Eizellspende ersichtlich. Dieser zunächst rein tatsächliche Unterschied zwischen den genannten Formen der Mutterschaft und der leiblichen Vaterschaft ist rechtlich nicht ohne Bedeutung. Denn des für die zweifelsfreie Feststellung der verfassungsrechtlichen Elternschaft des leiblichen Vaters regelmäßig erforderlichen Eingriffs unter anderem in die Intimsphäre der an der Zeugung des Kindes (gegebenenfalls: doch nicht) Beteiligten bedarf es zur zweifels-
648 Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, 103 f. bzw. Rn. 65: „Hat der leibliche Vater kein Interesse daran, Elternverantwortung für das Kind zu übernehmen, wird der Umstand, dass das Kind von ihm und nicht vom rechtlichen Vater abstammt, erst und nur dann für Außenstehende sichtbar und erhält Bedeutung, wenn die rechtliche Vaterschaft von einem der dazu Berechtigten angefochten wird und als Folge davon Feststellungen über die Vaterschaft getroffen werden.“ 649 Zum Merkmal der Zeugungsverantwortung als Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft siehe bereits vorstehend B.I.1., S. 124 ff. 650 Anders ist dies im Falle der genetisch-plazentalen oder der plazentalen Ersatzmutterschaft, die in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht näher untersucht wird (siehe vorstehend S. 18); dazu, dass auch die genetisch-plazentale Ersatzmutter nach hier verwendeter Terminologie nicht unter den Begriff der leiblichen Mutter fällt, siehe vorstehend S. 21. Möchte man auch die Ersatzmutter als verfassungsrechtliche Mutter ansehen, kann insoweit gegebenenfalls auf das Austragen des Kindes abgestellt werden (siehe Fn. 533).
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freien Feststellung der verfassungsrechtlichen Mutterschaft der leiblichen Mutter beziehungsweise der plazentalen Wunschmutter nicht. Anders als im Falle der leiblichen Vaterschaft besteht für den Gesetzgeber in diesen Fällen deshalb kein Anlass, die Zuweisung des gesetzlichen Mutterstatus an Vermutungstatbestände zu knüpfen und hierdurch das Risiko einzugehen, eine andere als die für die Zeugung des Kindes verantwortlich zeichnende Frau als Mutter des Kindes zu bestimmen. Scheidet aber die Möglichkeit der Personenverschiedenheit zwischen der Frau, die Zeugungsverantwortung für das Kind trägt, und der gesetzlichen Mutter aus, besteht von vornherein nicht die „Gefahr“ einer – aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts zu vermeidenden – „Mehrfachelternverantwortung“ auf verfassungsrechtlicher Ebene. Damit jedoch dürfte auch aus der Perspektive des Bundesverfassungsgerichts kein Anlass dazu bestehen, das verfassungsrechtliche (prima facie-)Recht der leiblichen Mutter beziehungsweise der plazentalen Wunschmutter von der Zuweisung des gesetzlichen Mutterstatus abhängig zu machen.
C. Eckpunkte des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG für die gesetzliche Ausgestaltung mittels Gametenspende verwirklichter Wunschelternschaften Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Falle durch Fortpflanzung verwirklichter Elternschaften651 weder unmittelbare Rückwirkungen hinsichtlich des persönlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG652 noch hinsichtlich des (prima facie-)Rechts, das Kind zu pflegen und zu erziehen,653 entfaltet. Außer Frage steht gleichwohl, dass der Gesetzgeber innerhalb des verfassungsrechtlich determinierten Rahmens verpflichtet und befugt ist, die verfassungsrechtliche Elternverantwortung auf Grundlage des (verfassungsrechtlichen) Merkmals der Zeugungsverantwortung in personeller sowie in sachlicher Hinsicht auszugestalten.654 Dabei verfügt er über einen durchaus weiten Spielraum.655 Inbesondere bietet die Abstufung und gegebenenfalls mehrfache Zuweisung der materiellen Elternrechtspositionen des sachlichen Schutz651
Zur Adoptivelternschaft siehe vorstehend B.I.3.d), S. 148 ff. Vorstehend B.I.3., S. 142 ff. 653 Vorstehend B.II., S. 152 ff. 654 Siehe bereits vorstehend S. 156. 655 Speziell zur „gespaltenen Mutterschaft“: Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 115 („weite Spielräume“); allgemein zu Art. 6 Abs. 2 GG: Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 12; vgl. auch Röthel/Heiderhoff, in: dies., Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 15, nach denen der „verfassungsrechtliche Möglichkeitsraum“ das Privatrecht „nur wenig entlastet“. 652
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bereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG die Möglichkeit, verschiedenen Lebensformen gerecht zu werden, soweit diese mit dem Kindeswohl vereinbar sind.656 Einigkeit besteht darüber, dass das geltende Abstammungsrecht in verschiedener Hinsicht änderungsbedürftig ist, wobei sich dieser Änderungsbedarf nicht auf Konstellationen beschränkt, die im Zusammenhang mit Gametenspenden stehen. Diverse Vorschläge zur Nachbesserung des Abstammungsrechts wurden im Jahr 2016 von der familienrechtlichen Abteilung des 71. Deutschen Juristentages unter dem Titel „Rechtliche, biologische und soziale Elternschaft – Herausforderungen durch neue Familienformen“ diskutiert.657 Ein umfassendes Gesamtkonzept zur Reform des Abstammungsrechts hat der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2015 eingesetzte und interdisziplinär besetzte „Arbeitskreis Abstammungsrecht“ im Juli 2017 vorgelegt.658 Mit den zum 1. Juli 2018 in Kraft getretenen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen hat auch der Gesetzgeber jüngst erste reformierende Maßnahmen ergriffen.659 Im Folgenden wird auf ausgewählte Aspekte der abstammungsrechtlichen Zuordnung und Anfechtung in Fällen von Wunschelternschaften nach Gametenspende eingegangen. Die Darstellung konzentriert sich hierbei auf Konstellationen, in denen zur Zeugung des Kindes Gameten verwendet wurden, die bei einer Eizell-, einer Samenbank oder einer ähnlichen Institution abgegeben wurden (offizielle Spenden).660 656
Hierzu bereits vorstehend B.II.1.b)bb), S. 160 ff. Begutachtet wurde das Thema durch Helms (in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 1). Von der Begutachtung ausgenommen waren alle Fragen, welche „die Zulässigkeit der Methoden medizinisch assistierter Reproduktion betreffen“ (ebd., S. F 7); abstammungsrechtliche Konsequenzen derartiger Sachverhalte wurden mit dem „Fokus des Interesses auf den Verfahren, die in Deutschland legal und daher besonders verbreitet sind“, analysiert (ebd., S. F 8). Zu verfassungsrechtlichen Grundlagen referierte Britz (in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 11). Weitere Referate zum Thema wurden von Schwenzer (in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 25) und Brudermüller (in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 41) gehalten. 658 Zu den Fragen, mit denen der Arbeitskreis befasst war, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 17 f. Ähnlich der Begutachtung zum Deutschen Juristentag (Fn. 657) nicht vom „Auftrag des Arbeitskreises umfasst war die Frage der rechtlichen Zulässigkeit bestimmter nach geltendem Recht nicht erlaubter Fortpflanzungsmethoden, etwa der [. . .] Eizellspende. Die abstammungsrechtlichen Folgefragen sollten aber erläutert werden, sofern sie sich für das deutsche Recht stellen [. . .].“ 659 Gesetz vom 17. Juli 2017, BGBl. I Nr. 48, S. 2513. 660 Zum Ausschluss der verfassungsrechtlichen Elternschaft des Spendeelters (jedenfalls) unter diesen Voraussetzungen siehe vorstehend S. 127 ff. 657
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I. Elternschaft des Wunschelters Wie bereits erläutert wurde, folgt aus dem (prima facie-)Recht eines verfassungsrechtlichen Elters nach hier vertretener Auffassung kein unmittelbarer Anspruch auf Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus.661 Deshalb ist es im Falle der leiblichen Vaterschaft etwa möglich, die gesetzlichen Tatbestände über die Zuweisung des Vaterstatus als Vermutungstatbestände zu fassen, verbunden mit dem Risiko des Auseinanderfallens von leiblicher und gesetzlicher Vaterschaft. Grundrechtsdogmatisch handelt es sich hierbei nach der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts um das Ergebnis des Ausgleichs der Position des leiblichen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG mit dem Ansinnen des Schutzes familiärer sozialer Beziehungen und dem Schutz der Intimsphäre.662 Bei einer durch Gametenspende begründeten Wunschelternschaft allerdings, bei der ein derartiger Schutz vor Offenlegung intimer Beziehungen selbst dann nicht im Raum steht, wenn die Zeugung des Kindes (nur im Falle der Samenspende möglich) durch Selbstinsemination erfolgt, ist keine gegenläufige Rechtsposition ersichtlich, die dagegen sprechen könnte, das (prima facie-)Recht des Wunschelters zu einem definitven Recht erstarken zu lassen. Dies bedeutet, dass sich der Spielraum des Gesetzgebers im Falle der auf einer Gametenspende gründenden Wunschelternschaft insoweit verengt, als dieser sicherzustellen hat, dass die dem sachlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 unterfallenden materiellen Elternrechtspositionen grundsätzlich dem Wunschelter zugewiesen werden. Auf Grundlage des zivilrechtlichen Statuskonzepts und weil die verfassungsrechtliche Elternschaft des Wunschelters auf der Zustimmung zur Zeugung des Kindes als die Zeugungsverantwortung begründender Handlung beruht,663 bietet es sich an, die Zustimmung zur Zeugung als Anknüpfungspunkt auch für die Begründung des gesetzlichen Elternstatus zu wählen. Sorge zu tragen hat der Gesetzgeber in jedem Fall dafür, dass die Elternschaft des Wunschelters im Zweifel gerichtlich feststellbar ist, wobei Gegenstand der Feststellung die Zustimmung zur Zeugung des Kindes wäre. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Feststellung der Elternschaft des Spendeelters hingegen darf jedenfalls dann nicht bestehen, wenn dieses keine Zeugungsverantwortung trägt und deshalb schon nicht als verfassungsrechtliches Elter anzusehen ist. Misst man die geltende zivilrechtliche Rechtslage an diesem Maßstab, bestehen gegen diese hinsichtlich einer durch Eizellspende zustande kommenden plazentalen Wunschmutterschaft aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Ein661
Vorstehend B.II.1.b)aa), S. 156 ff. Siehe vorstehend S. 114. 663 Zur Begründung verfassungsrechtlicher Elternschaft durch Zeugungsverantwortung siehe bereits vorstehend B.I.1., S. 124 ff. Zum Verhältnis zwischen dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und dem gesetzlichen Statuskonzept siehe vorstehend S. 158 f. 662
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wände grundsätzlichen Charakters, weil die plazentale Wunschmutter als gebärende Frau zugleich gesetzliche Mutter ist (vgl. § 1592 BGB).664 Änderungsbedarf besteht allerdings, wenn man auch die Ersatzmutterschaft665 für zulässig erachtet,666 weil dann auch die genetische beziehungsweise die „bloße“ Wunschmutter (als das Kind jeweils nicht gebärende Frauen) gesetzliche Anerkennung erfahren müssten. Ungeachtet dessen ist es möglich, wenn auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zwingend, § 1591 BGB um einen (klarstellenden) Tatbestand betreffend Mutterschaften zu ergänzen, die unter Inanspruchnahme einer Eizellspende begründet wurden. Bei der Entscheidung hierüber berücksichtigt werden sollte, dass die Schaffung eines entsprechenden Tatbestandes zu einer (positiv zu bewertenden) Steigerung der gesellschaftlichen Akzeptanz dieser Art der Begründung der Mutterschaft sowie entsprechender Familienformen führen würde. Weitaus mehr Reformbedarf als hinsichtlich der unter Inanspruchnahme einer Eizellspende verwirklichten Wunschmutterschaft besteht bezüglich der durch Inanspruchnahme einer Samenspende zustande kommenden Wunschvaterschaft. Dieser betrifft vor allem Fälle, in denen die Mutter des Kindes und der Wunschvater nicht miteinander verheiratet sind.667 Zwar lässt sich diese Konstellation auf Grundlage der geltenden gesetzlichen Tatbestände insofern einem befriedigenden Ergebnis zuführen, als auch der nicht mit der Mutter verheiratete Wunschvater die Vaterschaft des Kindes bereits vor der Geburt anerkennen kann (vgl. § 1594 Abs. 4 BGB). Eine Anerkennung vor der Zeugung des Kindes ist nach überwiegender Auffassung allerdings nicht möglich.668 Damit besteht das Risiko, dass der Wunschvater nach der Zeugung des Kindes von seiner Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung Abstand nimmt, die Anerken664 Zur Verfassungswidrigkeit des Verbots der Eizellspende siehe nachfolgend Teil 3, (S. 182 ff.). Auch der Arbeitskreis Abstammungsrecht erkennt für die unter Inanspruchnahme einer Eizellspende zustande kommende plazentale Wunschmutterschaft keinen Reformbedarf, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 34, These 2. 665 Zur Terminologie siehe Fn. 11. Dazu, dass die Ersatzmutterschaft vorliegend keiner näheren Betrachtung unterzogen wird, siehe S. 18. 666 Zur Einordung der Ersatzmutterschaft durch den Arbeitskreis Abstammungsrecht siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 36 ff., Thesen 5 f.; zu den Beschlüssen des 71. Deutschen Juristentages zur Ersatzmutterschaft siehe Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 176, Beschlüsse unter C. 667 Allgemein zur Unzulänglichkeit der abstammungsrechtlichen Regelungen im Falle der Inanspruchnahme einer Samenspende durch nicht miteinander verheiratete Paare: Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 12 ff. 668 Siehe nur Wellenhofer, in: Säcker/Rixecker/Oetker et al., MüKo-BGB, § 1594 Rn. 43: „unklar“ (m.w. Nw. und ebenfalls dem Hinweis auf Reformbedarf in Bezug auf die heterologe Insemination).
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nung der Vaterschaft – trotz Zustimmung zur Zeugung des Kindes – verweigert und sich auf diese Weise seiner verfassungsrechtlich bereits begründeten Verantwortung weitgehend entzieht.669 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der eine Erklärung betreffend die Einwilligung zur Vornahme einer heterologen Insemination als Vertrag zu Gunsten des Kindes (vgl. § 328 Abs. 1 BGB) wertet, bietet lediglich die Handhabe, den Wunschvater zur Zahlung von Kindesunterhalt zu verpflichten.670 Umgekehrt besteht die Möglichkeit, dass sich die Mutter nach Zeugung des Kindes dazu entscheidet, der Vaterschaftsanerkennung durch den Wunschvater doch nicht zuzustimmen (vgl. § 1595 BGB, wonach die Vaterschaftsanerkennung der Zustimmung der Mutter bedarf). Unter diesen Umständen steht für den der Zeugung zustimmenden Wunschvater kein Mittel bereit, um die gesetzliche Vaterschaft für das Kind zu erlangen. Sind die Mutter des Kindes und der Wunschvater miteinander verheiratet, stellt sich die Rechtslage insofern günstiger dar, als der Wunschvater nach § 1592 Nr. 1 BGB ohne Weiteres gesetzlicher Vater wird, wenn er zum Zeitpunkt der Geburt (immer noch) mit der Mutter verheiratet ist. Allerdings ist auch hier nicht ausgeschlossen, dass ein anderer Mann die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter vor der Geburt des Kindes anerkennt. Die geltenden abstammungsrechtlichen Vorschriften zur Vaterschaft stellen damit nicht hinreichend sicher, dass der Wunschvater des Kindes den gesetzlichen Vaterstatus erlangt. Ob eine Ergänzung des § 1600 Abs. 1 BGB (Anfechtungsberechtigte) um eine Regelung zur gerichtlichen Feststellung der gesetzlichen Vaterschaft des Wunschvaters,671 zielführend wäre, ist wegen des damit auch im Falle 669 Kritisch auch etwa Dethloff, Familienrecht, 2015, § 10 Rn. 81 („Der unverheiratete Partner, der aufgrund seines Willensakts für die Entstehung dieses Kindes mitverantwortlich ist, kann sich [. . .] nach Zustimmung zur Befruchtung der Frau anders besinnen und dadurch der Verantwortung entziehen. Damit verwirklicht die Regelung den intendierten Zweck nur unzureichend. Hierfür bedürfte es einer Zuordnung des durch die konsentierte Befruchtung gezeugten Kindes ohne das Erfordernis der Anerkennung.“). 670 BGH, Urteil vom 23. September 2015 – XII ZR 99/14 –, BGHZ 207, 135–144 (schriftliche Erklärung eines Mannes, für alle Folgen einer durch heterologe Insemination erfolgenden Schwangerschaft seiner Partnerin aufzukommen und die Verantwortung für das Kind zu übernehmen); vgl. auch bereits BGH, Urteil vom 3. Mai 1995 – XII ZR 29/94 –, BGHZ 129, 297, sowie vom 7. April 1983 – IX ZR 24/82 –, BGHZ 87, 169. Kritisch zu dieser Rechtslage auch Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 13. 671 Der Arbeitskreis Abstammungsrecht spricht sich (im Hinblick auf die ärztlich assistierte Insemination unter Verwendung einer Samenspende) für eine „konsequente Neuregelung“ aus [siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 57 ff. (Zitat auf S. 57) sowie S. 64, These 48] und möchte diese ausdrücklich in das bestehende Regelungssystem des § 1592 BGB eingliedern (ebd., S. 59 ff., Thesen 39 ff.). In diesem Sinne auch Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 18 f. (subsidiäre gerichtliche Feststellung der Vaterschaft des
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der Wunschvaterschaft nach Gametenspende bestehenden Risikos der Personenverschiedenheit von gesetzlichem Vater und (die Zeugungsverantwortung für das Kind tragendem) Wunschvater zweifelhaft.672 Klar vorzugswürdig673 wäre allerdings ein gesonderter Tatbestand, durch den der Wunschvater seine Vaterschaft unmittelbar durch die Zustimmung zur Zeugung des Kindes mittels Samenspende erlangt.674 Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft des Samenspenders ist im Falle der medizinisch assistierten Zeugung mit einer offiziellen Samenspende nach § 1600d Abs. 4 BGB (in der seit dem 1. Juli 2018 geltenden Fassung)675 erfreulicherweise künftig bereits ausgeschlossen. Voraussetzung des Ausschlusses ist indes nicht nur, dass der Samen von einer „Entnahmeeinrichtung“ 676 zur Verfügung gestellt wurde (offizielle Samenspende), sondern insbesondere auch, dass die Zeugung in einer „Einrichtung der medizinischen Versorgung“ im Sinne des § 1a Nr. 9 TPG erfolgt ist. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu kritisieren ist die Regelung damit insoweit, als der Ausschluss der Möglichkeit der Feststellung der Vaterschaft auch davon abhängt, wo die Zeugung des Kindes (in einer „Einrichtung der medizinischen Versorgung“) stattgefunden hat. Denn bereits mit der Herkunft des Samens von einer „Entnahmeeinrichtung“ ist die Zeugungsverantwortung des Spendevaters nach hier vertretener Auffassung und damit dessen verfassungsrechtliche Elternschaft für das Kind ausgeschlossen.677 Dass der Gesetzgeber mit der Voraussetzung der Zeugung in einer „Einrichtung der medizinischen Versorgung“ hätte sicherstellen wollen, dass es nicht zu einer „Alleinelternschaft“ kommt, ist nicht ersichtlich.678 Die Vaterschaft des Samenspenders sollte deshalb insbesondere auch dann nicht gerichtlich festgestellt werden können, wenn die Spende von einer Samenbank oder einer vergleichbaren Institution bezogen, die Zeugung jedoch durch Selbstinsemination vorgenommen wurde. Wunschvaters in Parallelwertung zu § 1592 Nr. 3 BGB; in Bezug auf eine durch eine Samenbank zur Verfügung gestellte Samenspende ohne Selbstinsemination). 672 Vgl. auch Fn. 635. 673 Ein Grund, die Zuweisung des gesetzlichen Vaterstatus im Falle der Samenspende als Vermutungstatbestand zu fassen, besteht, wie schon zum Ausdruck gebracht wurde (vorstehend S. 169), nicht. 674 Vgl. auch Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 63, Beschluss A.I.1.a) (bezüglich der künstlichen Befruchtung mittels Samenspende; zum Begriff der „künstlichen Befruchtung“ siehe S. 174). 675 Eingefügt durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen (siehe Fn. 659). 676 Legaldefiniert wird der Begriff der Entnahmeeinrichtung durch das Samenspenderregistergesetz (zu diesem Gesetz siehe Fn. 933). 677 Siehe hierzu (sowie zu den im Übrigen hier nicht abschließend geklärten Bedingungen des Ausschlusses einer verfassungsrechtlichen Elternschaft des Samenspenders) vorstehend S. 127 ff. 678 Vgl. BT-Drs. 18/11291, S. 35 f. Zur „Alleinelternschaft“ vgl. nachfolgend Teil 3 C.V., S. 234 ff.
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Nicht ansatzweise befriedigend geregelt ist die Wunschelternschaft, wenn es darum geht, mittels Gametenspende die Elternschaft eines gleichgeschlechtlichen Paares zu begründen,679 etwa wenn ein lesbisches Paar seinen Kinderwunsch unter Rückgriff auf eine Samenspende zu verwirklichen sucht. Hier kann die Wunschmutter, die der Zeugung zugestimmt hat, das Kind allerdings nicht austrägt, bislang nur über den Umweg der Adoption Mutter des von ihrer Partnerin ausgetragenen Kindes werden; dies gilt selbst dann, wenn die Zeugung des Kindes unter Verwendung ihrer eigenen Eizelle erfolgte.680 Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die fehlende gesetzliche Anerkennung und Verpflichtung dieser Wunschmütter ob deren Zeugungsverantwortung nicht haltbar. Hier gilt es dringend, entsprechende gesetzliche Tatbestände zu schaffen.681 II. Anfechtungsfestigkeit der Wunschelternschaft Die Elternschaft des Wunschelters muss grundsätzlich dauerhaft und damit weitgehend anfechtungsfest sein. Im Hinblick auf die mittels einer Eizellspende verwirklichte plazentale Wunschmutterschaft besteht insoweit wenig Reformbedarf, weil die Anfechtung der Mutterschaft der gebärenden Frau (§ 1591 BGB) nach geltendem Recht ausgeschlossen ist.682 Die Rechte des Kindes betreffend 679 Für die Frage, ob zwei Personen geeignet sind, elterliche Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, ist die Frage der Gleich- oder der Gegengeschlechtlichkeit dieser Personen nicht relevant, siehe auch etwa Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 191 ff.; Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 250 ff. (beide mit Nachweisen zur empirischen Situation von Kindern, die bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen). Siehe auch BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 78 bzw. Rn. 49. 680 Sogenannte reziproke In-vitro-Fertilisation, hierzu etwa Dethloff, in: Hilbig-Lugani/Jakob/Mäsch et al., Zwischenbilanz, 2015, S. 41; siehe ferner OLG Köln, Beschluss vom 26. März 2015 – 14 UF 181/14 – und bereits Beschluss vom 27. August 2014 – 2 Wx 222/14 –. 681 Siehe auch Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 68 ff., Thesen 50 bis 58 (sowie auf S. 73 f., Thesen 60 und 61 zudem mit Vorschlägen zur Elternschaft von trans- und intersexuellen Personen), ferner Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 175, Beschlüsse zu B.II., sowie auch etwa Dethloff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 24 f. 682 Der Gesetzgeber entschied sich im Rahmen des Kindschaftsreformgesetzes (Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 16. Dezember 1997, BGBl. I Nr. 84, S. 2942), durch das § 1591 BGB eingefügt wurde, bewusst gegen eine Anfechtbarkeit, siehe BT-Drs. 13/4899, S. 82. In der Literatur war die Frage zuvor kontrovers diskutiert worden, hierzu Vollersen, Begriff und System des deutschen Abstammungsrechts, 2012, S. 72 f., sowie Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S. 207 ff. Auch der 59. Deutsche Juristentag hatte 1992 mehrheitlich dafür votiert, dass die Mutterschaft „in entsprechender Weise wie die Vaterschaft angefochten werden können“ soll, siehe Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 59. Deutschen Juristentages, Band II, 1992, S. M 244
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das Verhältnis zur Eizellspenderin sind im Rahmen von Maßnahmen zur Sicherung dessen Rechts auf Kenntnis seiner (genetischen) Abstammung zu berücksichtigen.683 Regelungsbedarf besteht allerdings hinsichtlich (sicherlich seltener) Fälle, in denen es zu einer Verwechslung von Eizellen kommt, weil dann von einer doppelten verfassungsrechtlichen Mutterschaft und -verantwortung (Mutterschaft der plazentalen Wunschmutter sowie Mutterschaft der Frau, deren Eizelle fälschlicherweise als Spende verwendet wurde) auszugehen und denkbar ist, dass auch die genetische Mutter elterliche Verantwortung für das von der plazentalen Wunschmutter geborene Kind übernehmen möchte.684 Im Falle einer Samenspende sind schon derzeit weder die Mutter des Kindes noch der Wunschvater berechtigt, die gesetzliche Vaterschaft des Wunschvaters anzufechten, sofern das Kind aus einer mit deren Einwilligung vorgenommenen „künstliche[n]“, das heißt nicht durch des Geschlechtsakt erfolgenden (demnach insbesondere nicht zwingend: medizinisch assistierten),685 Befruchtung mit einer Samenspende hervorgegangen ist (siehe § 1600 Abs. 4 BGB); auch dem Samenspender steht ein solches Recht nicht zu, weil dieser der Mutter des Kindes unter den in § 1600 Abs. 4 BGB genannten Voraussetzungen nach der Rechtsprechung Ziffer 2. und M 250, Beschluss B. V. 2. a); siehe auch ebd., S. M 242 Ziffer II. und M 250, Beschluss B. II. 2. 683 Vgl. bereits vorstehend unter B.I.1.c), S. 131 ff. Siehe ferner nachstehend Teil 3 C.III., S. 229 ff. A. A. wohl Schwenzer, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 59. Deutschen Juristentages, Band I, 1992, S. A 40, nach der „dem volljährigen Kind die Möglichkeit eingeräumt werden [müsse], die Mutterschaft anzufechten“, weil das „vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung [. . .] wohl kaum auf die genetische Abstammung vom Vater begrenzt werden“ könne. Für ein Anfechtungsrecht auch des Kindes schon CoesterWaltjen, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 113 (mögliches Interesse des Kindes, „die nicht den genetischen Verbindungen entsprechende Zuordnung zu beseitigen.“; dazu, dass das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung sich allerdings nicht unbedingt auf die Zuordnung der genetischen Eltern erstreckt, siehe ebenfalls vorstehend B.I.1.c), S. 131 ff.). Ausdrücklich gegen ein Anfechtungsrecht des Kindes etwa Kaiser, in: Götz, Familie – Recht – Ethik, 2014, S. 370. Unklar: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 36, These 4 (einerseits), sowie S. 73 (andererseits). 684 Den Aspekt der Verwechslung von Eizellen ebenfalls aufgreifend und auch deshalb für die Möglichkeit der Anfechtung der Mutterschaft der gebärenden Frau: Coester-Waltjen, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 113. Der Arbeitskreis Abstammungsrecht hingegen erachtet für Fälle, in denen es zu einer Verwechslung von Eizellen kommt, die Möglichkeit der Adoption für ausreichend, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 35, These 3. 685 Siehe Wellenhofer, in: Säcker/Rixecker/Oetker et al., MüKo-BGB, § 1600 Rn. 60 (unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass damit auch die Selbstinsemination als künstlich einzuordnen ist, sowie unter Verweis unter anderem auf OLG Hamm, Urteil vom 2. Februar 2007 – 9 UF 19/06 –, NJW 2007, 3733); ebenso (auch bezüglich der Selbstinsemination): Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, BGB § 1600 Rn. 11.
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des Bundesgerichtshofes nicht „beigewohnt“ hat (vgl. § 1600 Abs. 2 Nr. 1 BGB).686 Diese Rechtslage ist insofern zu begrüßen, als vor allem der Wunschvater seine gesetzliche Vaterschaft alleine mit dem Argument anfechten können sollte, das Kind sei nicht aus der mittels Samenspende vorgenommenen künstlichen Befruchtung hervorgegangen.687 Da die Einwilligung in die künstliche Befruchtung mittels Samenspende jedoch als Willenserklärung gewertet wird,688 ist nicht ausgeschlossen, dass diese unwirksam689 ist mit der Folge, dass ein Anfechtungsrecht vor allem des Wunschvaters doch besteht. Weil die Zustimmung zur Zeugung des Kindes nach hier vertretener Auffassung aus verfassungsrechtlicher Perspektive jedoch als Realakt zu werten ist,690 gilt es, diese Lücke zu schließen. Nachbesserungsbedarf besteht auch insoweit, als die Vaterschaft des Wunschvaters durch das Kind nach geltender Rechtslage – selbst in den nunmehr von § 1600d Abs. 4 BGB691 erfassten Fällen, in denen die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft des Samenspenders ausgeschlossen ist – stets angefochten werden kann (vgl. §1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB).692 Denn wenn ein Recht des Kindes 686 BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 – XII ZR 49/11 –, BGHZ 197, 242, 246 Rn. 15 ff. (siehe hierzu auch die Anmerkung von Heiderhoff, FamRZ 2013, 1212), wo die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 4 BGB indes nicht vorlagen (nicht konsentierte heterologe Insemination). Ebenso wie bezüglich der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft des Spendevaters (siehe S. 172) wird auch der Frage, ob gegen den Ausschluss der Anfechtung durch den Samenspender verfassungsrechtlich auch dann keine durchgreifenden Bedenken bestehen, wenn die Zeugung nicht mit einer bei einer Samenbank abgegebenen Spende erfolgt (eine solche, offizielle Spende setzt § 1600 Abs. 4 BGB nicht voraus) und der Spender aus diesem Grunde gegebenenfalls als verfassungsrechtliches Elter anzusehen ist (siehe hierzu bereits vorstehend S. 127 ff.), vorliegend nicht weiter nachgegangen. 687 Vgl. auch Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 62, These 43 und S. 64, These 48 (bezüglich der ärztlich assistierten Zeugung mittels Spendersamen). 688 BGH, Urteil vom 23. September 2015 – XII ZR 99/14 –, BGHZ 207, 135, 138 f. Rn. 11 m.w. Nw. und ausdrücklich entgegen Wanitzek (siehe Fn. 690). 689 Von der Möglichkeit der Unwirksamkeit der Einwilligung geht auch etwa Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 21, aus. Ob die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen in Bezug auf Einwilligungen im Sinne des § 1600 Abs. 4 BGB uneingeschränkte Anwendung finden, ist bislang nicht abschließend geklärt, siehe nur BGH, Urteil vom 23. September 2015 – XII ZR 99/14 –, BGHZ 207, 135, 138 f. Rn. 11. 690 Siehe vorstehend S. 127. Siehe auch Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S. 329 („willensgetragener Realakt“), sowie dies., FamRZ 2003, 730, 733 f. 691 Siehe vorstehend S. 172. 692 Siehe auch Helms, FamRZ 2010, 1, 4, der das Anfechtungsrecht des Kindes als „[v]ollkommen einmalig in Europa“ bezeichnet. Siehe auch ders., in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 20. m.w. Nw. (bezüglich der von einer Samenbank zur Verfügung gestellten Spende ohne Selbstinsemination). Auch der 71. Deutsche Juristentag hat sich gegen ein Anfechtungsrecht des Kindes ausgesprochen, siehe Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1,
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
auf Zuordnung gerade der genetischen Eltern nicht besteht693 (wovon auch der Gesetzgeber, wie § 1600 Abs. 4 BGB belegt, nicht ausgeht), spricht alles dafür, dass die Elternschaft des Wunschelters vom Kind als schicksalhaft hingenommen werden muss.694
Ergebnis zu Teil 2 Eine kritische Revision von bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung und Literatur zu Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG hat die Gründe, warum eine Person als verfassungsrechtliches Elter anzusehen ist, offengelegt und gezeigt, dass der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vor allem hinsichtlich der Bedeutung, die insbesondere das Bundesverfassungsgericht der gesetzlichen Zuweisung des Elternstatus beimisst, neu zu denken ist. 1. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Konkretisierung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG liegen bislang zum leiblichen Vater, zum gesetzlichen Vater, zur sozialen Elternschaft sowie zur Adoptivelternschaft vor.695 Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Stellung der leiblichen Mutter unter Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG bestehen zwar keine Zweifel daran, dass das Gericht diese als vollwertige Träger*in verfassungsrechtlicher Elternverantwortung ansieht; eine Auseinandersetzung mit den Hintergründen dieses Ergebnisses war bislang jedoch nicht erforderlich. Auf Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung sowie den darin zu findenden allgemeinen, die jeweilige Entscheidung nicht zwingend tragenden Ausführungen ist jedoch insgesamt davon auszugehen,696 dass das Bundesverfassungsgericht sowohl die leibliche als auch die (gegebenenfalls nur: „bloße“) gesetzliche, nicht aber die soziale Elternschaft als Begründungsmerkmale verfassungsrechtlicher Elternschaft begreift. Um als Träger*in des (prima facie-)Rechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, das Kind zu pflegen und zu erziehen, angesehen werden zu können, bedarf es aus der Perspektive des Gerichts indes, wie die Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters eindrücklich belegt, stets der Zuweisung des gesetzlichen 2017, S. P 63, Beschluss A.I.2 (hinsichtlich der künstlichen Befruchtung mittels Samenspende); siehe ferner Lembke, in: Classen/Richter/Lukanko, Sexuelle Orientierung als Diskriminierungsgrund, Regelungsbedarf in Deutschland und Polen?, 2016, S. 255, sowie Kaiser, in: Götz, Familie – Recht – Ethik, 2014, S. 370. Der Arbeitskreis Abstammungsrecht hingegen befürwortet ein eingeschränktes Anfechtungsrecht des Kindes auch im Falle einer ärztlich assistierten Insemination mit Spendersamen, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 62 f., These 45, sowie S. 64, These 48. 693 Siehe vorstehend unter B.I.1.c), S. 131 ff. 694 Vgl. auch Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 10: „[. . .] Familienzugehörigkeit ist ein Stück weit Schicksal [. . .].“ 695 Hierzu vorstehend Abschnitt 2, B., S. 106 ff. 696 Hierzu vorstehend Abschnitt 2, C., S. 116 ff.
Abschn. 3: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
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Elternstatus. Der gesetzliche Elternstatus nimmt nach der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts damit im Gefüge des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG eine herausragende Stellung ein. 2. Um vor diesem Hintergrund die verfassungsrechtliche Elternschaft (persönlicher Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) des auf eine Gametenspende zurückgreifenden Wunschelters begründen zu können, wurde herausgearbeitet, dass die Eigenschaft des leiblichen Vaters als Elter im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nur vordergründig auf dessen genetischer Verbindung zu dem Kind beruht. Ausschlaggebend für die verfassungsrechtliche Elternschaft dieses Mannes ist nach hier vertretener Auffassung vielmehr, dass dieser durch Ausübung des Geschlechtsaktes (als der als Regelform der Begründung leiblicher Elternschaft angesehenen Art der Zeugung) Verantwortung für die Zeugung des Kindes trägt. Die genetische Elternschaft lässt deshalb zwar auf die Zeugungsverantwortung einer Person schließen, begründet diese jedoch nicht unmittelbar. Sieht man das Merkmal der Zeugungsverantwortung als zentrales Merkmal der Begründung verfassungsrechtlicher Elternschaften an, die durch Fortpflanzung entstanden sind, erhellt sich, dass es zunächst und stets das Wunschelter ist, das durch die Zustimmung zur Zeugung des Kindes unter Verwendung der Gametenspende Zeugungsverantwortung trägt und deshalb als verfassungsrechtliches Elter anzusehen ist. Die Zustimmung zur Zeugung des Kindes fungiert damit als Funktionsäquivalent zur Ausübung des Geschlechtsaktes und ist als solches als Realakt zu werten. Ob auch das Spendeelter als verfassungsrechtliches Elter angesehen werden muss, hängt maßgeblich von den Modalitäten der Abgabe der Spende ab. Zwar ist der Beitrag des Spendeelters zur Entstehung des Kindes in Form der Zurverfügungstellung der Gameten ausnahmslos conditio-sine-qua-non für die Zeugung des Kindes. Allerdings ist dieser Aspekt zu vernachlässigen, sofern das Spendeelter die mit seiner genetischen Elternschaft einhergehende Vermutung der Zeugungsverantwortung durch eine nach außen sichtbare, nicht im privaten Raum stattfindende Handlung entkräftet. Diese Voraussetzung ist jedenfalls gegeben, wenn das Spendeelter seine Gameten bei einer Eizell-, einer Samenbank oder einer sonstigen Institution abgibt (offizielle Spende; bei der Eizellspende bereits aus medizinisch-technischen Gründen stets der Fall).697 Ein unzulässiger Verzicht ist mit dem etwaigen Ausschluss des Spendeelters vom persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schon deshalb nicht verbunden, weil Bezugspunkt des Verzichts die Entstehung eines verfassungsrechtlichen ElternKind-Verhältnisses (Elternschaft), nicht aber ein bereits begründetes ElternKind-Verhältnis ist.698 Auch ein Recht des Kindes auf Zuordnung gerade der genetischen Eltern besteht nicht.699 697 698 699
Zu alldem vorstehend Abschnitt 3, B.I.1.a), S. 124 ff. Siehe hierzu vorstehend Abschnitt 3, B.I.1.b), S. 129 ff. Hierzu vorstehend Abschnitt 3, B.I.1.c), S. 131 ff.
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
3. Einen überschießenden Gehalt weist die verfassungsrechtliche Elternschaft nach Gametenspende wegen ihrer Eigenschaft als Wunschelternschaft auf, bei der die jeweils zur Zeugungsverantwortung führende Handlung zugleich von dem Willen getragen wird, elterliche Verantwortung für das spätere Kind zu übernehmen.700 Zwar ist der positive Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung als solcher für die Begründung der verfassungsrechtlichen Elternstellung ebenso wenig relevant wie ein der Elternschaft entgegenstehender Wille, weshalb nicht nur ein Wunschelter, sondern auch ein der eigenen Elternschaft indifferent oder sogar negativ gegenüberstehendes Elter an seine durch Zeugungsverantwortung begründete Elternschaft gebunden ist. Allerdings ist der positive Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung der beste Garant für die Entstehung einer sozialen Elternschaft, die den materiellen Kerngehalt des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG bildet.701 Auch das Bundesverfassungsgericht anerkennt eine verfassungsrechtliche Relevanz des Willens zur Übernahme elterlicher Verantwortung, indem es diesen bei der Begründung dafür, warum eine Person sich auf den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stützen können soll oder nicht, als ergänzendes Argument heranzieht. Für die verfassungsrechtliche Relevanz des auf die Übernahme elterlicher Verantwortung gerichteten Willens spricht zudem, dass eine Interpretation der gesetzlichen Vaterschaftstatbestände (§ 1592 Nr. 1 und Nr. 2 BGB) als Medium zur Durchsetzung eines solchen Willens in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung akzeptiert wird. Der Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung vermag eine bereits durch Zeugungsverantwortung begründete Elternschaft deshalb zu stützen. 4. Keine derartige Stütze bietet hingegen die etwaige Eigenschaft des Wunschelters nach Gametenspende als gesetzliches Elter.702 Insbesondere bildet die Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus im Falle aller durch Fortpflanzung verwirklichten Elternschaften nach hier vertretener Auffassung keinen Anknüpfungspunkt für die Begründung der verfassungsrechtlichen Elternschaft. Die durch das Bundesverfassungsgericht vorgenommene Einbeziehung des gesetzlichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG überzeugt deshalb nur dann, wenn der gesetzliche Vater zugleich die soziale Elternschaft für das Kind innehat, nicht aber hinsichtlich des „bloßen“ gesetzlichen Vaters. 5. Verfassungsrechtlich konstitutive Wirkung entfaltet der gesetzliche Elternstatus auch insoweit nicht, als das (prima facie-)Recht eines verfassungsrechtlichen Elters, das Kind zu pflegen und zu erziehen (sachlicher Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), abweichend zu der mit der Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters eingeschlagenen Linie, nicht von der Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus abhängt. Im Falle des Auseinander700 701 702
Vorstehend Abschnitt 3, B.I.2., S. 135 ff. Speziell hierzu vorstehend Abschnitt 3, A., S. 122 f. Vorstehend Abschnitt 3, B.I.3., S. 142 ff.
Abschn. 3: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
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fallens von leiblicher und gesetzlicher (nach hier vertretener Auffassung: gesetzlich-sozialer) Vaterschaft bedeutet dies, dass es – entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – auf verfassungsrechtlicher Ebene insofern zu einer „Mehrfachelternverantwortung“ kommt, als sich mehr als zwei Personen auf das (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG berufen können. Die der Verhinderung einer derartigen „Mehrfachelternverantwortung“ bereits auf verfassungsrechtlicher Ebene dienende Zwei-Eltern-Doktin des Bundesverfassungsgerichts ist zwar insofern zu begrüßen, als damit das Ziel verfolgt wird, kindeswohlabträgliche Kompetenzkonflikte zu verhindern.703 Kindeswohlgerechte Ergebnisse lassen sich jedoch auch dann erzielen, wenn man das (prima facie-) Recht, ein Kind zu pflegen un zu erziehen, ohne Weiteres aus der verfassungsrechtlichen Elternschaft folgen lässt.704 Maßgeblich hierfür ist, dass aus dem verfassungsrechtlichen (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht unter allen Umständen ein (definitiver) Anspruch auf Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus folgt und die Möglichkeit besteht, die materiellen Elternrechtspositionen des sachlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG im Wege des Ausgleichs kollidierender Grundrechte unter ausschlaggebender Bedeutung des Kindeswohls abgestuft und gegebenenfalls mehrfach zu vergeben. Die jeweilige Entscheidung des Gesetzgebers vorbereitende – notwendige und auch interdisziplinäre – Diskurse sollten nicht von vornherein durch eine strikte, mit der ZweiEltern-Doktin des Bundesverfassungsgerichts einhergehende Entweder-oder-Lösung schon auf verfassungsrechtlicher Ebene abgeschnitten werden. Ohne Weiteres übertragbar auf die leibliche Mutterschaft beziehungsweise die plazentale Wunschmutterschaft ist das im Kontext der Konkurrenz zwischen leiblichem und gesetzlichem Vater entwicklelte bundesverfassungsgerichtliche Konzept zur verfassungsrechtlichen Stellung des leiblichen Vaters ohnehin nicht.705 Ein wesentlicher Unterschied zur leiblichen Vaterschaft nämlich besteht darin, dass die Zeugungsverantwortung in den genannten Fällen der Mutterschaft durch den Akt der Geburt sowie im Falle der plazentalen Wunschmutterschaft zusätzlich durch deren Zustimmung zur Zeugung des Kindes mittels Eizellspende offenkundig wird. Ein Anlass, die gesetzlichen Tatbestände über die Zuweisung des Mutterstatus dieser Frauen als Vermutungstatbestände zu fassen und hierdurch das Risko der Personenverschiedenheit zwischen gesetzlicher Mutter und der Frau, welche die Zeugungsverantwortung für das Kind trägt, zu begründen, besteht damit nicht. Ist eine „Mehrfachelternverantwortung“ auf verfassungsrechtlicher Ebene aber somit ausgeschlossen, entfällt zugleich der Grund, der das Bundesverfassungsgericht dazu veranlasst, das (prima facie-)Recht des leiblichen Vaters von der Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus abhängig zu machen. 703 704 705
Hierzu vorstehend Abschnitt 3, B.II.1.a), S. 153 ff. Vorstehend Abschnitt 3, B.II.1.b), S. 156 ff. Vorstehend Abschnitt 3, B.II.2., S. 166 f.
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
6. Für die plazentale Wunschmutter, die ihren Kinderwunsch unter Inanspruchnahme einer Eizellspende verwirklicht, folgt aus dem Vorstehenden, dass diese aufgrund ihrer Zustimmung zur Zeugung des Kindes mittels Eizellspende Zeugungsverantwortung für das Kind trägt und schon kraft dieser Zeugungsverantwortung als verfassungsrechtliches Elter anzusehen ist. Gefestigt wird diese Elternschaft dadurch, dass die Zustimmung zur Zeugung des Kindes von dem Willen zur Übernahme elterlicher Verantwortung getragen wird. Für die verfassungsrechtliche Elternschaft der plazentalen Wunschmutter keine Rolle spielt hingegen, dass diese als gebärende Frau zugleich gesetzliche Mutter des Kindes ist (vgl. § 1591 BGB). Kraft ihrer Eigenschaft als verfassungsrechtliches Elter ist die plazentale Wunschmutter überdies Trägerin des (prima facie-)Rechts, das Kind zu pflegen und zu erziehen. Auch insoweit kommt es auf ihre aus § 1591 BGB folgende gesetzliche Mutterschaft nicht an. Die Eizellspenderin ist in Ermangelung einer Zeugungsverantwortung bereits nicht als Elter im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG anzusehen, weshalb ein „Spannungsverhältnis zwischen der verfassungsrechtlichen Bedeutung leiblicher Elternschaft und der Zweielterngrenze“ 706 in Fällen der unter Rückgriff auf eine Eizellspende verwirklichten plazentalen Wunschmutterschaft von vornherein nicht besteht. Doch selbst dann, wenn man mit der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur auch die Eizellspenderin als verfassungsrechtliches Elter anerkennte und ihr nach hier vertretener Auffassung damit zugleich das (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zuspräche, ließen sich kindeswohlgerechte Ergebnisse auf Grundlage der damit gegebenenfalls einhergehenden „Mehrfachelternverantwortung“ 707 – etwa durch Reduzierung der dem sachlichen Schutzbereich des (prima facie-) Rechts (auch) der Eizellspenderin unterfallenden materiellen Elternrechtspositionen „auf Null“ – erzielen. 7. Sind unmittelbare Rückwirkungen der Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus nach alledem im Falle durch Fortpflanzung verwirklichter Elternschaften weder hinsichtlich des persönlichen noch des sachlichen Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG anzunehmen, beschränkt sich die – trotz dieses Befundes sehr gewichtige – Rolle des Gesetzgebers in diesen Fällen darauf, den per-
706 Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 17 (im Zusammenhang mit der Eizellspende). 707 Vgl. abermals Britz, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 16, nach der offen sei, ob die für leibliche Väter in der Entscheidung aus dem Jahr 2003 (BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 –, BVerfGE 108, 82, siehe hierzu etwa vorstehend Abschnitt 2, B.III., S. 110 ff.) gefundenen Grundsätze für Mütter „fortentwickelt werden können oder sogar müssen“, weil im Falle der Eizellspende auch die Spenderin als genetische Mutter „auf gewisse Weise leiblicher Elternteil und [. . .] möglicherweise – ähnlich wie der nur leibliche Vater – in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einzubeziehen sein“ könne.
Abschn. 3: Verfassungsrechtliche Elternverantwortung
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sönlichen sowie den sachlichen Schutzbereich des Grundrechts innerhalb des verfassungsrechtlich determinierten Rahmens auszugestalten.708 Zwar verfügt der Gesetzgeber hierbei – eben weil aus dem (prima facie-)Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht ohne Weiteres ein (definitiver) Anspruch auf Zuweisung des gesetzlichen Elternstatus folgt – über einen durchaus weiten Spielraum. Weil gegenläufige Rechtspositionen in Fällen der unter Inanspruchnahme von Gametenspenden verwirklichten Wunschelternschaft jedoch nicht ersichtlich sind, verengt sich der Spielraum des Gesetzgebers in diesen Fällen insofern, als dieser sicherzustellen hat, dass die unter den sachlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG fallenden materiellen Elternrechtspositionen grundsätzlich der Person zustehen, die die Zeugungsverantwortung für das Kind trägt. Der Status der plazentalen Wunschmutter als gesetzliche Mutter (§ 1591 BGB) erscheint deshalb dem Grundsatz nach verfassungsrechtlich geboten.
708 Zu Eckpunkten der gesetzlichen Ausgestaltung vorstehend Abschnitt 3, C., S. 167 ff.
Teil 3
Verfassungswidrigkeit des Verbots der Eizellspende In Teil 1 der Arbeit wurde dargelegt, dass die plazentale Wunschmutter sich hinsichtlich der Verwirklichung ihres Kinderwunsches mittels Entgegennahme einer Eizellspende auf die Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) berufen kann. Eingriffe in dieses Grundrecht sind ausschließlich zum Schutz von Grundrechten Dritter oder zu Gunsten anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang möglich. In Teil 2 der Arbeit wurde erläutert, warum es im Falle der Eizellspende alleine die plazentale Wunschmutter, nicht aber zugleich die Eizellspenderin ist, die als verfassungsrechtliches Elter (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) des nach Vornahme einer Eizellspende geborenen Kindes und damit als Träger*in des (prima facie-)Rechts, das Kind zu pflegen und zu erziehen, anzusehen ist. Zu klären bleibt in diesem dritten Teil der Arbeit, ob der Schutz des Kindeswohls, mit dem der Gesetzgeber das Verbot der Eizellspende zu rechtfertigen sucht, den mit dem Verbot verbundenen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter trägt. Im Ergebnis zeigt sich, dass das Verbot, gemessen am Maßstab des Grundgesetzes (A.) unter Berücksichtigung auch der Vorgaben der EMRK (B.), verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber ist gehalten, das Verbot aufzuheben und einer gesetzlichen Regelung zuzuführen (C.).
A. Grundgesetzwidrigkeit des zum Schutz des Kindeswohls erlassenen Verbots der Eizellspende Mit dem Verbot der Eizellspende greift der Gesetzgeber in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein.709 Ist die plazentale Wunschmutter auf die Spende angewiesen, wird ihr die Verwirklichung ihres Kinderwunsches auf legalem Wege durch das Verbot unmöglich gemacht. 709 Vgl. nur Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 144 („final-mittelbarer Grundrechtseingriff“), sowie auch Gassner, ZRP 2015, 126. Unmittelbarer Gegenstand der Verbote des Embryonenschutzgesetzes sind die jeweils zu einer „gespaltenen Mutterschaft“ führenden Handlungen des*der Ärzt*in; die plazentale Wunschmutter hingegen wird wegen § 1 Abs. 3 Nr. 1 ESchG ebenso wenig bestraft wie die Spender*in der Eizelle (persönlicher Strafausschließungsgrund, siehe Müller-Terpitz, in: Spickhoff, Medizinrecht, ESchG § 1 Rn. 6).
Teil 3: Verfassungswidrigkeit des Verbots der Eizellspende
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Doch auch dann, wenn die plazentale Wunschmutter auf eine Eizellspende zurückgreifen möchte, obwohl sie in der Lage wäre, ihren Kinderwunsch mit eigenen Eizellen zu verwirklichen, liegt ein Eingriff vor. Denn wie erläutert wurde, ist die (teilweise) Fortpflanzungsunfähigkeit unter keiner Bedingung Merkmal des Schutzbereichs der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials.710 Um den Eingriff in die Freiheit der plazentalen Wunschmutter verfassungsrechtlich rechtfertigen zu können, muss das Verbot insbesondere einer Prüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes standhalten. Dies setzt voraus,711 dass der seitens des Gesetzgebers mit dem Verbot verfolgte Schutz des Kindeswohls einen legitimen Zweck darstellt und das Verbot zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen712 ist. Eine Auseinandersetzung zunächst mit der ersten Stufe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes offenbart, dass der Schutz des Kindeswohls grundsätzlich als legitimer Zweck zur Rechtfertigung des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter zu qualifizieren ist, obgleich das Kind zu dem Zeitpunkt, in dem sich der Eingriff bei der plazentalen Wunschmutter auswirkt, nicht existiert (I.). Das zur Erreichung dieses Zwecks eingesetzte Mittel allerdings – die Verhinderung der Existenz des Kindes – eignet sich nicht, um als Schutz vor etwaigen Beeinträchtigungen zu dienen (II.)713 I. Der Schutz des Wohls des zukünftigen Kindes als potentiell legitimer Zweck zur Rechtfertigung des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter Im Gesetzgebungsverfahren zum Embryonenschutzgesetz wurde das in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG verankerte Verbot der Eizellspende maßgeblich mit dem Wohl des Kindes begründet.714 Zwar sei die Übertragung fremder Eizellen tech710 Siehe vorstehend Teil 1, Abschnitt 3, D.II.3.b), S. 82 f., sowie D.II.3.a)bb)(1)(b), S. 77 ff. 711 Nachweise zu den Stufen der Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit finden sich in Fn. 257. 712 Gegen eine Angemessenheitsprüfung etwa: Martins, Die Grundrechtskollision, 2001, S. 150; Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, S. 192 ff. 713 Weil (empirische) Erkenntnisse daran zweifeln lassen, dass eine „gespaltene“ Mutterschaft überhaupt zu einer signifikanten Belastung des Kindes führt, und wegen der Steuerbarkeit etwaiger Belastungen ist das Verbot überdies nicht erforderlich und zudem unangemessen, siehe hierzu nachfolgend unter C.I., S. 221 ff., insbesondere unter C.I.3., S. 227 f. 714 Zur Verwendung des Begriffs im Gesetzgebungsverfahren siehe etwa: Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Embryonenschutzgesetz vom 25. Oktober 1989, BT-Drs. 11/5460, S. 6. Auch in der Literatur ist im Zusammenhang mit dem Verbot in der Regel vom Schutz des Kindeswohls die Rede, siehe beispielsweise Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, etwa S. 34 f.; Reinke, Fortpflanzungsfreiheit
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nisch möglich; allerdings lägen „doch keine Erkenntnisse darüber vor, wie junge Menschen – etwa in der Pubertätszeit – seelisch den Umstand zu verarbeiten vermögen, dass genetische wie austragende Mutter gleichsam seine Existenz mitbedingt haben.“ 715 Unter diesen Umständen liege „die Annahme nahe, daß dem jungen Menschen [. . .] die eigene Identitätsfindung wesentlich erschwert“ sein werde.716 Die empirische Bewertung dieser Einschätzung des Gesetzgebers zunächst außer Betracht lassend,717 stellt sich bereits die Frage, ob der Gesetzgeber mit dem Schutz des Kindeswohls in dieser Konstellation überhaupt einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck verfolgt.718 Besondere Aufmerksamkeit verdient dieser Aspekt, weil das Kind, zu dessen Gunsten der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter nach Auffassung des Gesetzgebers erfolgt, zum Zeitpunkt dieses Eingriffs nicht existiert. In der Literatur findet diese Besonderheit durchaus Erwähnung, ohne aber unbedingt näher thematisiert zu werden.719 Insgesamt wird der Befund – implizit oder explizit – als verfassungsrechtlich unprobematisch angesehen.720 Widmet man der Frage nach der verfassungsrechtlichen Einordnung des Kindeswohls im vorstehenden Kontext Aufmerksamkeit, zeigt sich, dass der Schutz des Kindeswohls als Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (nachfolgend 1.) des zukünftigen Kindes (nachfolgend 3.) verstanden werden kann und damit grundsätzlich einen legitimen Zweck zur Rechtfertigung von Eingriffen in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter darstellt. Ein in der Literatur im Kontext der Eizellspende vertretener Ansatz, den Schutz des und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, etwa S. 152; Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, etwa S. 135. 715 BT-Drs. 11/5460, S. 7. 716 BT-Drs. 11/5460, S. 7, vgl. hierzu Gassner, ZRP 2015, 126 („[. . .] eine mehr als dürftige Begründung für die Pönalisierung eines Verhaltens!“). 717 Siehe hierzu nachfolgend unter C.I., S. 221 ff. 718 Speziell zum Aspekt des legitimen Zwecks als Bestandteil des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes etwa BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, BVerfGE 128, 226, 258 bzw. Rn. 86 (st. Rspr.). 719 Siehe aber Hieb (zu deren Konzept nachfolgend A.I.2., S. 186 ff.), sowie auch Reinke (zu dessen Ansatz siehe S. 192). 720 Vgl. Jofer, Regulierung der Reproduktionsmedizin, 2014, S. 186 f.; Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 34 f.; Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 137 und 145; Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 178, sowie 183 ff.; Lehmann, Die In-vitro-Fertilisation und ihre Folgen, 2007, S. 169; Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte der Verfügung über menschliche Embryonen und „humanbiologisches Material“, 2001, S. 81, sowie bereits Benda, in: Petersen, Retortenbefruchtung und Verantwortung, 1985, S. 144. Vgl. aber schon Coester-Waltjen, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 111 sowie S. B 45 f. („Das Wohl welchen Kindes soll hier verletzt sein?“; Zitat ebd., S. B 46).
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Kindeswohls auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum postmortalen Würdeschutz mittels eines vorwirkenden Menschenwürdeschutzes zu bewerkstelligen, überzeugt hingegen nicht (hierzu nachfolgend 2.). 1. Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes Wenngleich sich der Begriff des Kindeswohls im Verfassungstext nicht findet, ist er sowohl in der verfassungsrechtlichen Literatur als auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fest etabliert.721 Dreh- und Angelpunkt der entsprechenden Erläuterungen ist Art. 6 Abs. 2 GG, als dessen „zentrale Leitidee“ das Kindeswohl auch bezeichnet wird.722 Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Kindeswohl und sachlichem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wird insofern angenommen, als nur solche Maßnahmen als Pflege und Erziehung im Sinne der Vorschrift zu verstehen sind, welche sich nicht zu Ungunsten des Kindes – entgegen dessen Wohl – auswirken. Maßnahmen, die das Kindeswohl gefährden oder diesem schaden, werden vom Schutzbereich des Elternrechts damit nicht erfasst.723 Eine eigenständige materielle verfassungsrechtliche Kategorie bildet das Kindeswohl gleichwohl nicht, denn hinter dem Begriff des Kindeswohls stehen die Grundrechte des Kindes.724 Die Frage nach der Rechtfertigung von Eingriffen unter Bezugnahme auf das Wohl eines Kindes erfordert deshalb stets eine Konkretisierung des Grundrechts des Kindes, welches 721 Umfassend zum Status des Kindes im öffentlichen Recht: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015. Vgl. auch bereits Erichsen, Elternrecht – Kindeswohl – Staatsgewalt, 1985. Im bürgerlich-rechtlichen Familienrecht ist das Kindeswohl ohnehin eine feste Größe, vgl. nur § 1666 BGB. Zur Bedeutung des Kindeswohls im (zivilrechtlichen) Abstammungsrecht siehe etwa Helms, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 19. 722 Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Abs. 2 Rn. 145; vgl. auch Jeand’Heur, Der Kindeswohl-Begriff aus verfassungsrechtlicher Sicht, 1991, S. 17. 723 Nachweise bereits in Fn. 610. 724 Deutlich: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 89 ff., die sich zu Recht kritisch zur verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Kindeswohlbegriffs äußert, vgl. etwa ebd., S. 178: „Ein Schutzgut ,Kindeswohl‘ ist der Verfassung nicht immanent, und es besteht keine Notwendigkeit, es in den Grundrechtskatalog hineinzulesen. Der Staat ist folglich durch das staatliche Wächteramt nicht dem Kindeswohl, sondern den Grundrechten des Kindes verpflichtet [. . .].“ In diesem Sinne auch: Vellmer, Religiöse Kindererziehung und religiös begründete Konflikte in der Familie, 2010, S. 65 m.w. Nw. Weniger deutlich: Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 185 („[. . .] Kindeswohl als ein aus Art. 6 Abs. 2 GG i.V. m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht [. . .] abgeleitetes Verfassungsgut [. . .].“), sowie Jeand’Heur, Der Kindeswohl-Begriff aus verfassungsrechtlicher Sicht, 1991, S. 33 („[. . .] ein im Einzelfall in seinem konkreten Bestand zu schützendes Rechtsgut mit Verfassungsrang [. . .].“). Das Verhältnis zwischen Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) und Kindesgrundrechten ist allerdings nicht abschließend geklärt, siehe nur von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 69 m.w. Nw.; allgemein zum Thema: Brüser, Die Bedeutung der Grundrechte im Kindesalter für das „Elternrecht“, 2010, sowie bereits Reuter, Kindesgrundrechte und elterliche Gewalt, 1968.
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geschützt werden soll. Sofern im Folgenden vom Wohl des Kindes die Rede ist, wird dies – im Hinblick auf die seitens des Gesetzgebers befürchteten Identitätsfindungsprobleme des Kindes – als verkürzte Bezeichnung für das in Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu verortende Recht des Kindes auf Persönlichkeitsentwicklung verstanden.725 2. Schutz des Kindeswohls als auf Grundlage der Rechtsprechung zum postmortalen Würdeschutz konstruierter vorwirkender Menschenwürdeschutz? Namentlich Hieb leitet eine grundsätzliche Pflicht zur Berücksichtigung des Kindeswohls bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Verbots der Eizellspende aus der Eigenschaft des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als „Recht [. . .] des künftig entstehenden Kindes mit Menschenwürdegehalt“ ab.726 Ebenso wie der durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannte postmortale Würdeschutz sei auch die Konstruktion eines vorwirkenden727 Menschenwürdeschutzes denkbar.728 725 Zu diesem (so oder ähnlich bezeichneten) Recht: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 100 f., sowie dies., RW 2014, 57, 83. Siehe auch Badura, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 6 Rn. 133 [Stand: Lfg. 69 Mai 2013]; Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter et al., BK-GG, Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 33 [Stand: 74. Lfg. Dezember 1995]; Jeand’Heur, Der Kindeswohl-Begriff aus verfassungsrechtlicher Sicht, 1991, S. 18 f. Im Zusammenhang mit dem Verbot der Eizellspende vgl. auch: Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 140. Vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2017 – 1 BvR 2569/16 –, Rn. 40: „Das Kind, dem die Grundrechte, insbesondere das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit [. . .] als eigene Rechte zukommen, steht unter dem besonderen Schutz des Staates [. . .]. Kinder bedürfen des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln und gesund aufwachsen zu können [. . .].“ (m.w. Nw., st. Rspr.). 726 Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 145 ff. (Zitat ebd., S. 146), und – in Abgrenzung zum Schutz einer „Gattungswürde“ – bezüglich aller Maßnahmen, die auf die Erzeugung grundrechtlich geschützten (individuellen) Lebens gerichtet sind (ebd., S. 95 ff.); gegen einen „Gattungsschutz“/Menschenbildschutz auch etwa: Jofer, Regulierung der Reproduktionsmedizin, 2014, S. 170 ff.; Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 328 ff. und 354 f. m.w. Nw. auch zur Gegenauffassung, die wohl auf Benda, in: Petersen, Retortenbefruchtung und Verantwortung, 1985, S. 133 f., zurückgeht; siehe auch Merkel, Forschungsobjekt Embryo, 2002, S. 39 ff. Eine Stütze sucht Hieb in den Ausführungen Starcks, der im Zusammenhang mit anonymen Gametenspenden davon ausgeht, dass „der Umstand, daß bei dem Zeugungsakt ein menschliches Subjekt noch gar nicht existiert, das Eingreifen des verfassungsrechtlichen Menschenwürdeschutzes nicht hindert.“ (Verstoß anonymer Gametenspenden gegen Art. 1 Abs. 1 GG), siehe Starck, JZ 1989, 338, sowie bereits ders., in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. A 24; ebenso ders., in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 96. 727 Bei dem Begriff der (Grundrechts-)Vorwirkungen handelt es sich um einen in der verfassungsrechtlichen Literatur auch in anderen Kontexten verwendeten Begriff, der dogmatisch nicht eindeutig besetzt ist. Beispiele zur unterschiedlichen Verwendung des
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Infrage gestellt werden muss dieser Ansatz schon deshalb, weil unklar ist, ob die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum postmortalen Würdeschutz überhaupt hinreichende Anhaltspunkte für einen vorwirkenden Würdeschutz bietet [a)]. Ungeachtet dessen hilft ein vorwirkender Würdeschutz vorliegend nicht weiter, weil kein Grund zu der Annahme besteht, dass dieser auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes erstreckt werden könnte [b)]. a) Gegenstand des postmortalen Schutzes unklar Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht eine sich aus Art. 1 Abs. 1 GG herleitende staatliche Verpflichtung, dem Einzelnen auch post mortem Würdeschutz zu gewähren. In der zu dieser Frage grundlegenden Mephisto-Entscheidung aus dem Jahr 1971 heißt es: „Es würde mit dem verfassungsverbürgten Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde, das allen Grundrechten zugrunde liegt, unvereinbar sein, wenn der Mensch, dem Würde kraft seines Personseins zukommt, in diesem allgemeinen Achtungsanspruch auch nach seinem Tode herabgewürdigt oder erniedrigt werden dürfte. Dementsprechend endet die [. . .] aller staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, nicht mit dem Tode.“ 729 Im Jahr 2001 ergänzte das Gericht in seinem Beschluss über die Zulässigkeit der Verwendung eines Bildes des verstorbenen ehemaligen Bremer Bürgermeisters Wilhelm Kaisen: „Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht. [. . .] Schutz genießt aber auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat.“ 730 Wie genau der durch diese Rechtsprechung konstruierte Schutz gegenständlich zu verstehen ist, ist unklar.731 Begreift man ihn in Anknüpfung vor allem an die Begriffes finden sich bei Kleiber, Der grundrechtliche Schutz künftiger Generationen, 2014, S. 296 f., sowie bei Hartleb, Grundrechtsschutz in der Petrischale, 2006, S. 246 ff. Im vorliegenden Kontext bezieht sich der Begriff der Vorwirkung stets auf noch nicht existente Menschen („possible people“, siehe ebd., S. 248, sowie auch Kersten, Das Klonen von Menschen, 2004, S. 317). 728 Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 101 f. 729 BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 1971 – 1 BvR 435/68 –, BVerfGE 30, 173, 194 bzw. Rn. 60, juris. Zu Aspekten des postmortalen Schutzes durch die EMRK vgl. EGMR, Urteil vom 13. Juni 2006 – 58757/00 – Rn. 39 (Jäggi v. Switzerland). 730 BVerfG, Beschluss vom 5. April 2001 – 1 BvR 932/94 –, Rn. 19. Diese Formulierung wiederholte das Gericht in späteren Entscheidungen, siehe etwa Beschluss vom 22. August 2006 – 1 BvR 1168/04 –, Rn. 25, sowie vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 1533/07 –, Rn. 8. 731 Kritisch zu dem Bild, das die Kommentarliteratur hinsichtlich der Interpretation der Rechtsprechung zum postmortalen Würdeschutz abgibt: Gröschner/Wiehart-Howaldt, Menschenwürde und Sepulkralkultur in der grundgesetzlichen Ordnung, 1995, S. 19.
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Mephisto-Entscheidung im Wesentlichen als Schutz eines allgemeinen, einem jeden Menschen zustehenden Achtungsanspruchs, ist eine „Spiegelung“ 732 des postmortalen Schutzes im Sinne eines vorwirkenden Schutzes nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Doch schon dann, wenn man ihn auf Grundlage der Entscheidung Wilhelm Kaisen (auch) als Schutz eines bestimmten Geltungswerts betrachtet, den sich eine Person im Laufe ihres Lebens „erarbeitet“ hat, liegt eine Übertragung fern, weil ein solcher Geltungswert zwar nach-, nicht aber vorwirken kann.733 Auch wenn man den postmortalen Schutz mit einem Teil der Literatur als grundrechtlichen Schutz der Gefühle der Hinterbliebenen interpretiert,734 bietet sich kein argumentativer Anhaltspunkt für einen vorwirkenden Schutz. Alleine die Auffassungen, welche den Schutz als Schutz des „Verstorbenen zu Lebzeiten“ 735 im Sinne eines „Aufgehobensein[s] des Einzelnen im Wissen um den fortwirkenden Schutz seines Lebensbildes“ 736 konstruieren,737 deuten auf die Zulässigkeit eines vorwirkenden Schutzes hin, denn sie belegen, dass es für legitim gehalten wird, Schutzmaßnahmen zu Gunsten eines*einer aktuellen Grundrechtsträger*in zu einem Zeitpunkt zu treffen, in dem diese*dieser nicht (mehr) existiert. b) Beschränkung auf den Schutz der Menschenwürde Unterstellt man, auf Grundlage des postmortalen Würdeschutzes ließe sich ein spiegelbildlich zu verstehender vorwirkender Schutz dem Grunde nach begründen, bedürfte es eines weiteren Schrittes, um den Schutz des Kindeswohls in der 732
Vgl. Hartleb, Grundrechtsschutz in der Petrischale, 2006, S. 254 („Spiegeltheo-
rie“). 733 In diesem Sinne auch Hartleb, Grundrechtsschutz in der Petrischale, 2006, S. 256. 734 Siehe Enders, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar-GG, Art. 1 Rn. 121 [Stand: 13. Erg.-Lfg. VII/05], sowie ders., in: Stern/Becker, GG, Art. 1 Rn. 91; Podlech, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Stein, AK-GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 59 [Stand: GW 2001]; Benda, NJW 2000, 1769, 1771; Bizer, NVwZ 1993, 653, 655. Vgl. auch Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 77. Ein weiteres Erklärungsmodell findet sich beispielsweise bei Merkel, Forschungsobjekt Embryo, 2002, S. 40 m.w. Nw. (kein Individualschutz, sondern Schutz eines Menschenbildes auf Grundlage des „nur“ objektivrechtlichen Bereichs des Art. 1 Abs. 1 GG. Angesprochen ist damit die Frage danach, ob Art. 1 Abs. 1 GG nicht nur die Würde des Einzelnen, sondern darüber hinaus eine Art „Gattungswürde“ schützt, vgl. hierzu auch Fn. 726). 735 Präziser wäre, nur von „Verstorbenen“ oder „Toten“ zu sprechen. Allerdings bergen diese Begriffe das Potential für Missverständnisse, weil sie oftmals mit dem Begriff des Leichnams gleichgesetzt werden, was insofern unzutreffend ist, als Bezugspunkt der Begriffe Verstorbene/Tote die jeweilige Persönlichkeit zu Lebzeiten ist. 736 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 57 [Stand: Lfg. 55 Mai 2009]. 737 In diesem Sinne wahrscheinlich auch Hartleb, Grundrechtsschutz in der Petrischale, 2006, S. 254; Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 100 f.; Pabst, NJW 2002, 999, 999 f.; Ipsen, JZ 2001, 989, 993; Geddert-Steinacher, Menschenwürde als Verfassungsbegriff, 1990, S. 71 f., sowie Buschmann, NJW 1970, 2081, 2083. Vgl. auch Bender, VersR 2001, 815, 815 f.
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vorliegenden Konstellation erklären zu können: Der Übertragung des vorwirkenden Würdeschutzes auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dass eine solche Übertragung gelingen könnte, ist jedoch unwahrscheinlich. Denn auch wenn man zugrunde legt, dass ein jedes Grundrecht über einen Menschenwürdekern verfügt,738 ist nicht ersichtlich, warum sich ein vorwirkender Würdeschutz nicht nur auf diesen Kern, sondern in vollem Maße auf das Schutzgut dieses Grundrechts, im hier interessierenden Fall das allgemeine Persönlichkeitsrecht, erstrecken können sollte. Eben dies aber wäre vorliegend zwingend erforderlich, denn eine Würdeverletzung darin zu sehen, dass das Kind eine plazentale und eine genetische Mutter hat, ist abwegig.739 Insbesondere wird auch auf Grundlage der Auffassung, nach der eine (mit einem subjektiven Recht einhergehende) grundrechtliche Schutzpflicht des Staates lediglich hinsichtlich der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG)740 bestehe, hinsichtlich der übrigen Grundrechte konsequenterweise angenommen, ein solcher Schutz beschränke sich auf deren Würdekern.741 Eine Bezugnahme auf die gegebenenfalls bereits in der Zitierweise des Grundrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) zum Ausdruck kommende, „besondere Nähe“ 742 des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Menschenwürde
738 Zu den verschiedenen Auffassungen über das Verhältnis von Menschenwürde und nachfolgendem Grundrechtekatalog siehe Huber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 Abs. 2 Rn. 125 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 162 ff.; GeddertSteinacher, Menschenwürde als Verfassungsbegriff, 1990, S. 173 ff. (jeweils m.w. Nw.); vgl. ferner bereits Dürig, AöR 81 (1956), 117, 119 ff. Allgemein zur Kernbereichslehre: Storost, in: Umbach/Urban/Fritz et al., Das wahre Verfassungsrecht 1984, S. 461. 739 Vgl. auch Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 97, sowie bereits in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. A 37. Ob Hieb den vorwirkenden Schutz auf den „Menschenwürdegehalt“ des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beschränken möchte, wird anhand ihrer Ausführungen nicht hinreichend klar, siehe dies., Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 146 sowie (zum Kindeswohl-Begriff) S. 140 und 142 f. 740 Und (ebenfalls wegen des Wortlauts) auch hinsichtlich des Art. 6 Abs. 1 GG („[. . .] stehen unter dem besonderen Schutze [. . .].“). 741 Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, 1994, S. 70 ff. Eine lediglich auf Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG gestützte Herleitung der grundrechtlichen Schutzpflichten hat sich deshalb zu Recht nicht durchgesetzt, vgl. nur Störring, Das Untermaßverbot in der Diskussion, 2009, S. 36; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 2003, S. 142 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 160 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 43 f.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 187 f.; vgl. ferner Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 67 (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG „lediglich als [die] ,am deutlichsten‘ sprechende Schutzpflichtennorm [. . .].“). Zur überwiegend angenommenen Herleitung der grundrechtlichen Schutzpflichten (auch) aus den objektiv-rechtlichen Gehalten der Grundrechtsnormen sogleich nachstehend A.I.3.a), S. 190 ff.; zu weiteren Ansätzen siehe nachstehend A.I.3.b)cc), S. 198 ff. 742 Eine „besondere Nähe“ zu Art. 1 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht verschiedenen Grundrechten attestiert, vgl. Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 1 Rn. 68 (der den Entscheidungen indes eine gewisse Beliebigkeit attestiert).
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hilft ebenfalls nicht weiter. Denn auch wenn aus diesem Befund ein im Verhältnis zur allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG erhöhtes Schutzniveau abgleitet wird,743 geht damit nicht per se eine Privilegierung im Verhältnis zu anderen Grundrechten einher, die weitere Aspekte der Persönlichkeit schützen.744 Den postmortalen Schutz versteht das Bundesverfassungsgericht ohnehin ausschließlich als postmortalen Würdeschutz. In der Mephisto-Entscheidung heißt es insoweit deutlich: „Die Fortwirkung eines Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist jedoch zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist; mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Das Grundrecht [. . .] setzt die Existenz einer wenigstens potentiell oder zukünftig handlungsfähigen Person als unabdingbar voraus. Daran vermag die Erwägung des Bundesgerichtshofs nichts zu ändern, daß die Rechtslage nach dem Tode für die freie Entfaltung der Person zu ihren Lebzeiten nicht ohne Belang sei.“ 745 3. Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des zukünftigen Kindes Während der Versuch, den Schutz des Kindeswohls im Kontext des Verbots der Eizellspende auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum postmortalen Würdeschutz zu erklären, damit nicht weiterführt, lässt sich der Schutz des Kindeswohls in diesem Kontext durchaus mittels der Figur der grundrechtlichen Schutzpflichten abbilden. Zwar ermöglichen diese keinen trägerunabhängigen Schutz im Sinne des Schutzes des Kindeswohls als „objektiver Verfassungswert“ [a)]. Begreift man den Schutz des Kindeswohls jedoch als Schutz des Persönlichkeitsrechts des zukünftigen Kindes, hindert jedenfalls dessen Nichtexistenz zum Zeitpunkt des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter nicht daran, das Aufeinandertreffen von Kindeswohl und Freiheit der Wunschmutter als eine besondere Form der Grundrechtskollision anzusehen [b)]. Allerdings bedarf der auf diese Weise konstruierte Schutz der Grundrechte eines zukünftigen Menschen vor allem im reproduktionsmedizinischen Bereich der Abgrenzung [c)]. a) Grundrechtliche Schutzpflichten als Ausprägung objektiv-rechtlicher Gehalte von Grundrechtsnormen – Schutz des Kindeswohls als „objektiver Verfassungswert“? Dass der Staat nicht nur verpflichtet ist, Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtsgüter zu unterlassen, sondern darüber hinaus dazu, sich schützend vor 743
Nachweise bereits in Fn. 250. Siehe hierzu bereits vorstehend Teil 1, Abschnitt 2 unter D.I.2, S. 61 ff. 745 BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 1971 – 1 BvR 435/68 –, BVerfGE 30, 173, 194 bzw. Rn. 61, juris. 744
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diese zu stellen, gilt seit Langem als gesichert.746 Als wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Entwicklung der Schutzpflichtendogmatik gilt das erste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch,747 in dem das Gericht eine Schutzpflicht bekanntlich zunächst bezüglich Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG anerkannte.748 In späteren Entscheidungen wurde die Schutzpflicht auf andere Normen des Grundrechtskataloges erstreckt,749 so auch auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht.750 Zur Herleitung der Schutzpflichten existieren in der Literatur zwar durchaus verschiedene Ansätze751 und auch die Begründungen des Bundesverfassungsgerichts variieren innerhalb eines gewissen Rahmens.752 Überwiegend werden die Schutzpflichten jedoch als Ausfluss der objektiv-rechtlichen Gehalte753 der Grundrechtsnormen754 angesehen.755 Ergänzend wird oftmals Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG und/oder das jeweilige Einzelgrundrecht herangezogen.756 746
Vgl. nur Stern, DÖV 2010, 241, 243 f.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 18 (jeweils m.w. Nw.). Auch im Völker- und Unionsrecht ist die Schutzpflicht mittlerweile fest verankert, vgl. Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2001, S. 103 ff. und 183 ff. 747 Vgl. Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten und der Anspruch auf Straßenverkehrssicherung, 2010, S. 81; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 2003, S. 65, beide unter Verweis auf Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 27 („juristischer Paukenschlag“). Vgl. auch Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, S. 92. Die Bedeutung auch vorangegangener Entscheidungen betonend: Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 29 ff.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 130. 748 BVerfG, Urteil vom 25. Februar 1975 – 1 BvF 1/74 –, BVerfGE 39, 1. 749 Eine entsprechende Aufstellung findet sich bei Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, S. 103 ff. 750 Siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 1997 – 1 BvR 409/90 –, BVerfGE 96, 56, 64 bzw. Rn. 28. 751 Die diesbezüglich vorgetragenen Argumente bewegen sich zum Teil auf verschiedenen Ebenen und werden in der Regel miteinander kombiniert. Eine Übersicht über die in der Literatur vertretenen Herleitungen findet sich beispielsweise bei Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 2003, S. 82 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 37 ff., sowie bei Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 17 ff. Siehe ferner nachstehend A.I.3.b)cc), S. 198 ff. 752 Einen Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bietet etwa: Tian, Objektive Grundrechtsfunktionen im Vergleich, 2011, S. 47, und Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten und der Anspruch auf Straßenverkehrssicherung, 2010, S. 90. Ausführlich zur Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, S. 99 ff. 753 Synonym gebraucht werden vor allem die Wendungen „Wertentscheidungen“, „objektive Wertordnung“, „Wertsystem“, „Grundentscheidung“, „Grundsatznormen“ und „objektive Dimension“. Nachweise zur Verwendung dieser und weiterer Begriffe bei Tian, Objektive Grundrechtsfunktionen im Vergleich, 2011, S. 26 f. Grundlegend zur objektiven Werteordnung: BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/51 –, BVerfGE 7, 198. Zum Thema auch etwa Reese, Die Verfassung des Grundgesetzes,
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Das Verständnis der grundrechtlichen Schutzpflichten als Ausfluss objektivrechtlicher Gehalte der Grundrechtsnormen ist möglicherweise mitursächlich dafür, dass im Kontext der Eizellspende angenommen wird, die Existenz des Kindes zum Zeitpunkt des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter wäre deshalb entbehrlich, weil das Kindeswohl auch als „objektiver Verfassungswert“ geschützt werden könne.757 Dieser Kunstgriff jedoch kann schon deswegen nicht gelingen, weil mit dem Begriff des Kindeswohls eben nicht „nur“ auf ein Rechtsgut von Verfassungsrang Bezug genommen wird, sondern weil es sich hierbei um einen Oberbegriff für die Grundrechte des Kindes handelt.758 Eben weil dies aber so ist, muss der Schutz des Kindeswohls – und zwar stets – an eine bestimmte Grundrechtsnorm geknüpft sein. Dies wiederum impliziert, dass der mit dem Schutz des Kindeswohls als „objektivem Verfassungswert“ zu bewerkstelligen versuchte, von einem*einer Rechtsgutträger*in vollständig gelöste, rein rechtsgutbezogene Schutz des Kindeswohls nicht möglich ist. Hiergegen spricht schon, dass Schutzpflichten und abwehrrechtliche Funktion759 der Grundrechtsnormen „zwei Seiten einer Medaille“ 760 sind und 2013; Rensmann, Wertordnung und Verfassung, 2007; Alexy, Der Staat 29 (1990), 49; Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1; Jarass, AöR 1985, 363; Goerlich, Wertordnung und Grundgesetz, 1973. 754 Zum Begriff der (Grundrechts-)Norm vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 40 ff. sowie 53 ff. 755 Vgl. nur Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 194; Dreier, in: Dreier, GG, Vorb. Rn. 94 und Rn. 102; Tian, Objektive Grundrechtsfunktionen im Vergleich, 2011, S. 69; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 196 ff. (jeweils m.w. Nw.); BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 76 bzw. Rn. 45; Beschluss vom 4. September 2008 – 2 BvR 1720/03 –, Rn. 35; Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115, 118, 160 bzw. Rn. 138 (st. Rspr.). 756 Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Herleitung der Schutzpflicht bezüglich Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG etwa: BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, Rn. 29; Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115, 118, 152 bzw. Rn. 120; vom 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90 –, BVerfGE 88, 203, 251 bzw. Rn. 157 (unter ausdrücklicher Differenzierung zwischen Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG als „Grund“ und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG als „Gegenstand“ der Schutzpflicht); vgl. auch Calliess, in: Merten/Papier, HGR II, 2006, § 44 Rn. 23: Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG als „,Basis-Grundrecht‘“, Gegenstand des Schutzes sei das Schutzgut des jeweiligen Einzelgrundrechts. Zur Herleitung unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (bezüglich dieses Grundrechts) siehe beispielsweise: BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2013 – 2 BvR 1645/10 –, Rn. 4; vom 21. November 2012 – 2 BvR 1858/12 –, Rn. 14; vom 27. März 2012 – 2 BvR 2258/09 –, BVerfGE 130, 372, 389 bzw. Rn. 53. 757 Siehe Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 153 (dort auch das Zitat). 758 Hierzu bereits vorstehend unter A.I.1., S. 185 f. 759 Synonym: „Dimension“, siehe nur Calliess, in: Merten/Papier, HGR II, 2006, § 44 Rn. 18; Dreier, Dimensionen der Grundrechte, 1993, S. 41 f. 760 Weschka, Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und therapeutisches Klonen: Status und Schutz des menschlichen Embryos vor den Herausforderungen der
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von einer Strukturgleichheit beider Tatbestände auszugehen ist. Der Begriff der objektiv-rechtlichen Gehalte der Grundrechtsnormen dient auch im Falle der Schutzpflichten (lediglich) dazu, der jeweiligen Norm eine über die abwehrrechtliche Funktion hinausgehende Funktion beizumessen, indem neben der Rechtsfolge „unterlassen“ (abwehrrechtliche Funktion) die Rechtsfolge „Schutz“ etabliert wird.761 Weil aber ein*eine Rechtsgutträger*in integrativer Bestandteil der Grundstruktur einer jeden Grundrechtsnorm ist,762 müsste sich ein von einem*einer Rechtsgutträger*in gelöstes Verständnis der grundrechtlichen Schutzpflicht als reiner Rechtsgutschutz vorwerfen lassen, sich in Wertungswiderspruch schon zu den Grundrechten als objektivem Recht zu setzen763 und die Gefahr zu begründen, „daß die Mobilisierung objektiver Grundrechtsgehalte ins Beliebige abgleitet.“ 764 Diesem Befund kann man nicht ausweichen, indem man den stets
modernen Biomedizin, 2010, S. 163. Siehe auch: Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 2011, § 191 Rn. 194 sowie 222; Cremer, Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 266; Schneider, Rechtliche Aspekte der Präimplantations- und Präfertilisationsdiagnostik, 2002, S. 98; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 2003, S. 78. 761 Jarass, in: Merten/Papier, HGR II, 2006, § 38 Rn. 7; vgl. auch Tian, Objektive Grundrechtsfunktionen im Vergleich, 2011, S. 26 ff. Eine von der Frage der Struktur des Schutzpflichtentatbestands zu trennende Frage ist, wie man auf Grundlage des Verständnisses der grundrechtlichen Schutzpflichten als Ausfluss objektiv-rechtlicher Gehalte zu dem Ergebnis kommen kann, dass der*die Grundrechtsträger*in ein Recht auf Schutz hat. Angesprochen ist damit die Frage nach der „Resubjektivierbarkeit“ objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte, hierzu etwa Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 237 ff.; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 351 ff.; siehe auch Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 28 [Stand: Lfg. 44 Februar 2005], Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, 1994, S. 70 ff., sowie Stern, in: Stern/Becker, GG, Einleitung Rn. 82 ff. Zum subjektiven Recht auf Schutz siehe nur Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 2011, § 191, Rn. 321 ff. (mit umfassenden Nachweisen, auch zur vereinzelt vertretenen abweichenden Ansicht) und BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2013 – 2 BvR 1645/10 –, Rn. 4 (m.w. Nw., st. Rspr.). Ohnehin für ein subjektiv-rechtliches Verständnis objektiv-rechtlicher Grundrechtsfunktionen: Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006, S. 227 f. („umfassend und originär“); vgl. auch Calliess, in: Merten/Papier, HGR II, 2006, § 44 Rn. 24. 762 Dies erkennt auch Reinke (Fn. 757) an, weshalb er den Schutz des Kindeswohls letztlich und ausdrücklich nicht als grundrechtlichen Schutz einordnet. Zur Grundstruktur einer Grundrechtsnorm sogleich unter A.I.3.b)aa), S. 194 ff. 763 Missverständlich sind deshalb auch Formulierungen, wonach die grundrechtlichen Schutzpflichten „schutzgutorientiert“ seien (so etwa Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 107, und Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 126). 764 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 26 [Stand: Lfg. 44 Februar 2005]. Siehe auch ebd., Rn. 27: „Nur durch einen tragfähigen Nexus zum persönlichen und sachlichen Schutzbereich des subjektiven Rechts können Schutzpflichten und andere objektive Grundrechtsgehalte berechenbare Konturen gewinnen. [. . .] In jedem Falle darf eine Entscheidung des Verfassungsgebers für zeitliche Schranken des subjektiven Grundrechtsschutzes nicht durch das Postulat von objektiv-rechtlichen Vor- und Nachwirkungen [. . .] überspielt werden.“ Auch das Bundesverfassungsgericht habe die „rahmensetzende Bedeutung des subjektiven Rechts für den Gegenstand der objektiven
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grundrechtlichen Bezug des Kindeswohls nach Belieben löst und das Kindeswohl als „objektiven Verfassungswert“ deklariert. b) Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter zum Schutz des Kindeswohls als Grundrechtskollision Dafür, das Kindeswohl im Kontext der Eizellspende als „objektiven Verfassungswert“ schützen zu müssen, besteht auch keine Notwendigkeit. Einen dem Grunde nach legitimen Zweck zur Rechtfertigung des mit dem Verbot der Eizellspende verbundenen Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter stellt der Schutz des Kindeswohls nämlich auch dann dar, wenn man diesen als grundrechtlichen Schutz des zukünftigen Kindes versteht [aa)]. Dies gilt in der vorliegend interessierenden Konstellation auch hinsichtlich des Kindeswohls in Gestalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des zukünftigen Kindes [bb)] sowie weitestgehend unabhängig von der jeweiligen Herleitung der grundrechtlichen Schutzpflichten [cc)]. Diesem Verständnis entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts existiert nicht [dd)]. aa) Grundrechtskollision Eine Grundrechtskollision liegt vor, wenn „ein Grundrecht auf Kosten eines anderen Geltung beansprucht.“ 765 Die Grundstruktur einer Grundrechtsnorm setzt sich zusammen aus einem*einer Grundrechtsträger*in, dem Grundrechtsadressaten sowie dem Grundrechtsinhalt.766 Versucht man, die vorliegend interessierende Konstellation mittels dieser Grundstruktur zu erfassen, zeigen sich in Bezug auf die plazentale Wunschmutter insofern keine Schwierigkeiten, als diese (Grundrechtsträger*in) vom Staat (Grundrechtsadressat) verlangen kann,767 dass Grundrechtsgehalte anerkannt.“ (ebd. und unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2004 – 1 BvR 1948/00 –, Rn. 20, juris, wo es heißt: „Die wertsetzende Kraft, die den Grundrechten als Teil der objektiven Wertordnung des Grundgesetzes zukommt [. . .], führt nicht zu einer Erweiterung ihres Schutzbereichs in dem Sinne, daß das thematisch berührte Grundrecht als objektive Norm auch Werte schützt, die es als subjektives Abwehrrecht nicht erfaßt“.). 765 Blaesing, Grundrechtskollisionen, 1974, S. 2. Siehe ferner die Nachweise bei Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1 Rn. 129 Fn. 408. 766 Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 171 ff. (dem hier verwendeten Begriff des Grundrechtsinhalts entspricht bei Alexy der Begriff des Gegenstandes oder der des Objekts des Rechts). Wie hier: Ipsen, Der Staat 55 (2013), 266, 272. Der Grundrechtsinhalt bildet demnach den Oberbegriff für das grundrechtliche Schutzgut und das vom Adressaten des Grundrechts geschuldete Verhalten (Abwehr oder Schutz). 767 Wobei das in diesem Verlangen-können zum Ausdruck kommende, aus der Grundrechtsnorm abgeleitete subjektive Recht (vgl. auch Friesenhahn, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 50. Deutschen Juristentages, Band II, 1974, S. G 4: „Grundrechte sind keine Normen, sondern sie beruhen auf Normen“) insoweit keine Rolle spielt, siehe nachfolgend S. 196.
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dieser es unterlasse, sie an der Verwirklichung ihres Kinderwunsches zu hindern (Grundrechtsinhalt). Auf vermeintliche Schwierigkeiten stößt man jedoch, wenn man den mit dem Verbot des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG verbundenen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter mittels kollidierender Kindesgrundrechte zu rechtfertigen versucht. Denn das Kind, dessen Identitätsfindung der Staat zu schützen beabsichtigt, existiert zu dem Zeitpunkt, in dem der plazentalen Wunschmutter das grundrechtlich geschützte Verhalten untersagt wird, nicht. Es fehlt mithin an einem Grundrechtsträger. Eine unüberwindbare Schwierigkeit läge in diesem Befund allerdings nur, wenn anzunehmen wäre, dass der Staat Maßnahmen zum Schutz eines*einer Grundrechtsräger*in allein zu einem Zeitpunkt zu ergreifen habe oder ergreifen dürfte, zu dem dieser*diese bereits existiert. Hiervon ist jedoch nicht auszugehen. Zunächst verfügt der Gesetzgeber bei der Wahl des zum Schutz eingesetzten Mittels, wie auch das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung hervorhebt, über einen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum,768 weshalb in der Regel mehrere Mittel zur Erfüllung des verfolgten (Schutz-) Zwecks in Betracht kommen. Von einer Beschränkung auf ein bestimmtes Mittel ist nur dann auszugehen, wenn das geforderte Schutzniveau alleine unter Einsatz gerade dieses Mittels erreicht werden kann.769 Ob das jeweils erforderliche Schutzniveau gewährleistet werden kann oder nicht, hängt indes nicht nur davon ab, welche Mittel potentiell zur Auswahl stehen, sondern auch davon, zu welchem Zeitpunkt diese ergriffen werden können. Wird die Ursache für eine Beeinträchtigung eines*einer künftigen Grundrechtsträger*in vor dessen*deren Existenz gesetzt und liegt der letztmögliche Zeitpunkt, zu dem hinreichende Schutzmaßnahmen ergriffen werden können, ebenfalls vor dessen*deren Existenz, würde also das Ergreifen derselben oder einer anderen Maßnahme zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausreichen, ist der Staat berechtigt und verpflichtet, spätestens zu diesem Zeitpunkt zu handeln.770 Die Schutzmaßnahme dient in diesem 768 Etwa: BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 76 bzw. Rn. 45, m.w. Nw. und unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 1997 – 1 BvR 409/90 –, BVerfGE 96, 56, 64 (st. Rspr.). Deutlich auch BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 – 1 BvR 1502/08 –, Rn. 38: „Die Verfassung gibt den Schutz als Ziel vor, nicht jedoch seine Ausgestaltung im Einzelnen.“ Allgemein zum Thema: Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, 2014; Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 405 ff. (rechtsvergleichend). 769 Siehe BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 – 1 BvR 2857/07 –, BVerfGE 125, 39, 78 f. bzw. Rn. 135; vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115, 118, 159 f. bzw. Rn. 138; vom 16. Oktober 1977 – 1 BvQ 5/77 –, BVerfGE 46, 160, 164 f. bzw. Rn. 15, juris, konkretisiert in BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1987 – 2 BvR 624/83 –, BVerfGE 77, 170, 214 f. bzw. Rn. 101, juris (st. Rspr.). 770 In diesem Sinne sind wohl auch Stimmen zu interpretieren, die im Zusammenhang mit der Darlegung der Notwendigkeit eines vorwirkenden Schutzes (auch) den Gedanken des effektiven Grundrechtsschutzes heranziehen, so etwa Hillgruber, in: Spieker/Hillgruber/Gärditz, Die Würde des Embryos, 2012, S. 80 f.; Müller-Terpitz, Der
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Fall dem Schutz der Grundrechte des*der zukünftigen Grundrechtsträger*in. Der Schutz als solcher ist jedoch, ebenso wie beim Aufeinandertreffen zweier aktueller Grundrechte, gegenwartsbezogen, denn Ziel des Schutzes ist sowohl hier als dort, Grundrechtsträger*innen vor Beeinträchtigungen zu schützen, die diese zu einem Zeitpunkt treffen würden, zu dem diese existieren. Der vom Gesetzgeber des Embryonenschutzgesetzes beabsichtigte Schutz des Kindeswohls fügt sich in dieses Schema ohne Weiteres ein. Denn die seinerseits angenommene Ursache für die befürchtete Beeinträchtigung des Kindeswohls – die Verwirklichung der plazentalen Wunschmutterschaft unter Inanspruchnahme einer Eizellspende und die hieraus resultierende „gespaltene“ Mutterschaft – wird zu einem Zeitpunkt gesetzt, in dem das nach Auffassung des Gesetzgebers zu schützende Kind nicht existiert; verhindern lässt sich das Auseinanderfallen von genetischer und plazentaler Mutterschaft überdies offenkundig nur, wenn es gar nicht erst zu einer Zeugung unter Verwendung einer Eizellspende kommt. Die seitens des Gesetzgebers befürchtete Beeinträchtigung des Kindeswohls (Identitätsfindungsprobleme des Kindes) hingegen kann ausschließlich zu einem Zeitpunkt zu erwarten sein, in dem das Kind bereits existiert. Grundsätzliche Einwände dagegen, die Schutzpflicht auf den Schutz der Grundrechte von Menschen zu erstrecken, die im Zeitpunkt der zu beurteilenden (Eingriffs-)Maßnahme – noch – nicht existieren, bestehen nicht.771 Irrelevant ist insbesondere, dass zum Zeitpunkt des Eingreifens des Staates in Ermangelung der Existenz des*der geschützten Grundrechtsträger*in noch kein subjektives Recht auf Schutz besteht.772 Denn die Schutzverpflichtung des Staates folgt bereits aus der Grundrechtsnorm als objektivem Rechtssatz.773 Mit der Anerkennung der Möglichkeit des Schutzes der Grundrechte zukünftiger Grundrechts-
Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 106 f.; Knoop, Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt, 2005, S. 286. 771 In diesem Sinne auch: Kleiber, Der grundrechtliche Schutz künftiger Generationen, 2014, 300 ff. 772 Ebenso: Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 107, und deshalb mit Recht ausdrücklich entgegen der Ansicht von Enders, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar-GG, Art. 1 Rn. 138 ff. [Stand: 13. Erg.-Lfg. VII/05], der zwar eine Vorwirkung der abwehrrechtlichen Funktion bejaht, es aber ausschließt, den Grundrechten auch in ihrer Schutzfunktion derartige Vorwirkungen zuzusprechen. Die Kritik Enders’ dient allerdings vermutlich in erster Linie dazu, ein Recht darauf, die „Grundrechtssubjektivität zu verschaffen“, abzulehnen (Zitat ebd., Rn. 140; siehe zu diesem Aspekt nachstehend S. 206), vgl. nämlich auch ebd., Rn. 139 (Vorwirkungen im Zusammenhang mit der Präimplantationsdiagnostik); zu eng daher auch Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 153. Ebenfalls wie hier: Küll, Grundrechtliche Probleme der Allokation von CO2-Zertifikaten, 2009, S. 274 f.; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 126; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 219. 773 Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 107; Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, 2005, S. 117.
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träger*innen wird entgegen vereinzelter Behauptung auch kein „juristisches Neuland“ 774 betreten. Vielmehr wurde diese Möglichkeit bereits in den 1980er Jahren anerkannt, sofern – und hier dürfte in vielen Fällen die eigentliche Schwierigkeit der Konstruktion liegen – nur hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Beeinträchtigung775 des Rechtsguts des*der (dann existierenden) grundrechtlich geschützten Rechtsgutträger*in kommt.776 bb) Legitimer Schutz auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des zukünftigen Kindes Grundsätzlich legitim erscheint es in der vorliegenden Konstellation auch, den Schutz auf das Recht des zukünftigen Kindes auf Persönlichkeitsentwicklung (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) zu erstrecken. Zwar wird die vollständige Übertragung des „zukunftsgerichteten“ 777 grundrechtlichen Schutzes auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht vereinzelt abgelehnt. Dies geschieht jedoch nur insoweit, als das allgemeine Persönlichkeitsrecht als verhaltensbezogenes Grundrecht verstanden wird. Auf Grundlage dieser Prämisse ist die Erstreckung einer zukunftsbezogenen grundrechtlichen Schutzpflicht auf verhaltensbezogene Momente in der Tat problematisch, weil das grundrechtlich geschützte Verhalten zur Disposition des*der jeweiligen Grundrechtsträger*in steht und somit eine vom
774 Hillgruber, in: Spieker/Hillgruber/Gärditz, Die Würde des Embryos, 2012, S. 79 ff. (Zitat auf S. 80 und im Zusammenhang mit der Präimplantationsdiagnostik). 775 Zur (empirisch nicht nachweisbaren) signifikanten Belastung des Kindes durch das Auseinanderfallen von genetischer und plazentaler Mutterschaft/zur Steuerbarkeit etwaiger Belastungen sowie zur (hieraus folgenden) mangelnden Erforderlichkeit/Unangemessenheit des Verbots siehe nachfolgend unter C.I., S. 221 ff. 776 Siehe Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S. 207 ff. Speziell zur Schwierigkeit, eine hinreichend sichere Prognose bezüglich einer Gefährdung sowie der Wirkung des Mittels abzugeben, siehe ebd., S. 207: „[. . .] allerdings gibt es faktische Grenzen, die aus der Beschränktheit des menschlichen Erkenntnisvermögens resultieren. Nicht das Grundgesetz begrenzt die Reichweite der staatlichen Schutzpflicht in die Zukunft, sondern die zeitlichen Grenzen dieser Pflicht ergeben sich daraus, daß man nur solche Wirkungen seines Verhaltens verantworten kann, die sich voraussehen und beherrschen lassen.“ Siehe auch Küll, Grundrechtliche Probleme der Allokation von CO2-Zertifikaten, 2009, S. 274 f.; Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 106 f.; Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, 2005, S. 116 ff.; von Bubnoff, Der Schutz der künftigen Generationen im deutschen Umweltrecht, 2001, S. 48 ff.; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 126 f.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 217 ff. Vgl. ferner Kersten, Das Klonen von Menschen, 2004, S. 311 und 336 ff., sowie auch Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, S. 289 ff. 777 Verwendung des Begriffs etwa durch Kleiber, Der grundrechtliche Schutz künftiger Generationen, 2014, beispielsweise S. 300, sowie durch von Bubnoff, Der Schutz der künftigen Generationen im deutschen Umweltrecht, 2001, S. 51.
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Willen dieses Individuums abhängige Entscheidung darüber voraussetzt, ob und gegebenenfalls wie dieses Verhalten ausgeübt wird.778 Bei dem vorliegend im Raum stehenden Teilaspekt des Rechts des zukünftigen Kindes auf Persönlichkeitsentwicklung handelt es sich jedoch nicht um einen vergleichbaren verhaltensbezogenen Teilaspekt. Denn wenn der Gesetzgeber „besondere [. . .] Schwierigkeiten bei der Selbstfindung des Kindes in Fällen der gespaltenen Mutterschaft“ und hierdurch bedingte „negative Auswirkungen auf dessen seelische Entwicklung“ befürchtet,779 zeugt gerade dies von der Annahme, dass die vermuteten Auswirkungen des Wissen des Kindes um die besonderen Umstände seiner Entstehung der Steuerung durch das Kind im Wesentlichen entzogen seien. Es geht aus der Perspektive des Gesetzgebers also weniger um die Freiheit des Kindes, sich für diesen oder jenen Umgang mit den besonderen Bedingungen seiner Entstehung zu entscheiden, als um die Frage, was das Wissen um diese besonderen Entstehungsbedingungen in dem Kind auslöst.780 Die berechtigten Bedenken gegen einen zukunftsbezogenen Schutz von verhaltensbezogenen Aspekten des allgmeinen Persönlichkeitsrechts stehen dem Schutz des Rechts des zukünftigen Kindes auf Persönlichkeitsentwicklung vorliegend deshalb nicht entgegen. cc) Weitgehende Unabhängigkeit von der Herleitung grundrechtlicher Schutzpflichten Die Herleitung der grundrechtlichen Schutzpflichten aus den objektiv-rechtlichen Gehalten der Grundrechtsnormen ist, worauf bereits hingewiesen wurde,781 nicht der einzige Argumentationsstrang, auf den die Verpflichtung des Staates gestützt wird, sich schützend vor die Grundrechte des*der Einzelnen zu stellen. Geltung beanspruchen kann das erläuterte Verständnis der Schutzpflichten als (auch) zukunftsgerichtete Schutzpflichten indes auch auf Grundlage weiterer Erklärungsstränge782. Offenkundig auf keinerlei Schwierigkeiten stößt man, wenn man den grundrechtlichen Schutzpflichten ein abwehrrechtliches Verständnis zugrunde legt, indem man dem Staat das Verhalten Dritter zurechnet und eine Gefährdung
778
Siehe Kleiber, Der grundrechtliche Schutz künftiger Generationen, 2014, S. 308 f. Siehe (zu beiden Zitaten) Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Embryonenschutzgesetz vom 25. Oktober 1989, BT-Drs. 11/5460, S. 7. 780 Zur empirischen Beurteilung der Situation von Kindern und Familien nach Gametenspende siehe nachfolgend unter C.I., S. 221 ff. 781 Vorstehend unter A.I.3.a), S. 190 ff. 782 Zur Herleitung aus Art. 1 Abs. 1 GG vgl. bereits vorstehend S. 189. Dazu, dass eine Würdeverletzung des zukünftigen Kindes aufgrund des Auseinanderfallens von genetischer und plazentaler Mutterschaft nicht anzunehmen ist, siehe vorstehend S. 189. 779
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grundrechtlich geschützter Güter von dieser Seite als Eingriff wertet.783 Denn die Frage, ob ein Verhalten, vor dem es einen*eine Grundrechtsträger*in zu schützen gilt, dem Staat zugerechnet werden kann oder nicht, ist für die Beurteilung des zulässigen Zeitpunkts der Schutzmaßnahme784 ohne Bedeutung. Allenfalls schwierig begründbar ist ein Schutz der Grundrechte zukünftiger Grundrechtsträger*innen allerdings, wenn man die Schutzpflicht des Staates ausschließlich als (staatsvertraglich fundierte785) Gegenleistung für das dem Staat übertragene Gewaltmonopol/die Friedenspflicht der Bürger*innen ansieht.786 Als Gegenleistung kann ein zukunftsgerichteter Schutz nämlich insofern nicht verstanden werden, als es zum Zeitpunkt des schützenden Eingreifens des Staates nichts gibt, worauf der*die zukünftige Grundrechtsträger*in verzichtet und wofür diese*dieser eine Gegenleistung verlangen könnte. Denn ein Verzicht auf die Ausübung von Gewalt setzt die Fähigkeit zur Gewaltausübung voraus. Dies aber ist zukünftigen Grundrechtsträger*innen als „nicht existenten Wesen“ nicht möglich. Grundsätzliche Einwände gegen den Schutz auch der Grundrechte eines*einer zukünftigen Grundrechtsträger*in lassen sich aus diesem Befund gleichwohl nicht ableiten. Vielmehr begründet die Tatsache, dass die Schutzpflicht des Staates auf Grundlage dieser Herleitung ein zum Zeitpunkt des Eingreifens des Staates potentiell zur „Gewalt“ fähiges Individuum voraussetzt,787 eine grundsätzliche Schwäche dieser Erklärung, die sich auch auf den – gebote783 Zum abwehrrechtlichen Verständnis der Rechtsfolge „Schutz“ siehe bereits: Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, S. 26 ff. und 62 ff., sowie ders., Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 213 ff.; ferner Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S. 58 ff., 88 ff. sowie 101 ff.; vgl. auch Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, S. 405, 435, 454 und 1125. 784 Vgl. zu diesem Aspekt bereits vorstehend unter A.I.3.b)aa), S. 194 ff. 785 Vgl. Calliess, in: Merten/Papier, HGR II, 2006, § 44 Rn. 2 sowie 23 m.w. Nw. Vgl. auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S. 102 ff., der die staatliche Pflicht zum Schutz von Individualrechtsgütern ebenfalls als Gegenleistung für das staatliche Gewaltmonopol versteht, und dies nicht nur staatstheoretisch begründet, sondern davon ausgeht, dass „[d]ie Verpflichtung des Staates, Gewaltanwendung unter Privaten grundsätzlich zu verbieten und dieses Verbot auch durchzusetzen [. . .] auch vom Grundgesetz als rechtlich geltend vorausgesetzt und damit positivrechtlich anerkannt“ werde (ebd., S. 103). 786 Als Begründer dieser Herleitung gilt Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 23 f., siehe auch ders., in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 2011, § 191 Rn. 181 ff. Aufgegriffen wird dieser Begründungsansatz auch etwa von: Calliess, in: Merten/Papier, HGR II, 2006, § 44 Rn. 20; Klein, NJW 1989, 1633, 1635 f.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 192; Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 414 f.; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S. 102 ff. Kritisch zur Leistungsfähigkeit der Verknüpfung dieser staatstheoretischen Argumente mit den grundrechtlichen Schutzpflichten: Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 99 ff. 787 Vgl. auch etwa Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 162.
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nen und nicht infrage gestellten – Schutz wehrloser existenter Individuen (etwa Säuglinge oder kranke Menschen) auswirkt.788 dd) Zur Rolle des Kindeswohls bei der Finanzierung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung Die Frage danach, ob ein Eingriff in Grundrechte eines*einer aktuellen Grundrechtsträger*in zu Gunsten des Schutzes eines*einer noch nicht existenten Grundrechtsträger*in möglich ist, war bislang nicht Gegenstand einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Gewisse Berührungspunkte zu der Thematik lässt jedoch ein bereits in anderem Kontext aufgegriffenes789 Urteil aus dem Jahr 2007 erkennen, auf das deshalb auch an dieser Stelle eingegangen werden soll. Zu entscheiden hatte das Gericht im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens790 über die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung finanzieller Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für künstliche Befruchtungen auf Ehepaare.791 Ins Zentrum seiner Ausführungen stellte das Gericht dabei die Frage, ob das entsprechende gesetzgeberische Konzept mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu vereinbaren ist. Dies bejahte es, denn es sah die aus der maßgeblichen Regelung des Sozialgesetzbuchs resultierende Ungleichbehandlung von ehelichen im Verhältnis zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften als sachlich gerechtfertigt an. Es liege im Einschätzungsermessen des Gesetzgebers, die eheliche Partnerschaft als besonders geeignet anzusehen, um die mit Maßnahmen der künstlichen Befruchtung verbundenen Belastungen und Risiken gemeinsam zu bewältigen.792 Darüber hinaus dürfe der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass die Ehe wegen ihres besonderen rechtlichen Rah-
788 Ähnlich: Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 100, nach dem der Schutz der „nicht kampffähigen, machtlosen und letztlich wirklich schutzbedürftigen Bürger“ auf Grundlage der Herleitung „allenfalls Almosen des Staates“ sein könne. 789 Siehe vorstehend Teil 1, A.II.1.b)bb), S. 51. 790 Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des SG Leipzig vom 28. März 2003 – S 8 KR 87/02 –. 791 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, hierzu etwa Helms/Wanitzek, FamRZ 2007, 685. Gegenstand der Erläuterungen war ausdrücklich nur das homologe System (Samenspende zur Verwirklichung des Kinderwunsches eines Ehepaares, vgl. § 27a Abs. 5 Nr. 3 SGB V). Zur (neuen) Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion siehe Fn. 165. 792 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 328 bzw. Rn. 37.
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mens als eine Lebensbasis für ein Kind anzusehen sei, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trage als eine nichteheliche Partnerschaft.793 Das Bundesverfassungsgericht berechtigt den Gesetzgeber damit dazu, die staatliche Förderung einer Befruchtungsmaßnahme davon abhängig zu machen, in welchem Maße sich die Gemeinschaft, in der das mit Hilfe der geförderten Maßnahme gezeugte Kind aufwachsen soll, bei prognostisch-typisierender Betrachtungsweise positiv auf dessen Wohl auswirkt. Das Wohl eines zukünftigen Kindes ist nach der Argumentation des Gerichts demnach jedenfalls insofern ein verfassungsrechtlich zulässiger Argumentationstopos, als es einen – wenn auch über die Ehe gemittelten – sachlichen Differenzierungsgrund für Ungleichbehandlungen bilden können soll. In dieser Entscheidung eine Stütze für das soeben gefundene Ergebnis zu sehen, wonach das Wohl eines zukünftigen Kindes als rechtfertigendes Moment für Eingriffe in aktuelle Grundrechte dienen kann, wäre jedoch voreilig. Denn ungeachtet etwaig relevanter struktureller Unterschiede zwischen Gleichheits- und Freiheitsrechten könnte ein derartiger Rückschluss aus den Ausführungen des Gerichts nur dann gezogen werden, wenn das Gericht die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geprüft hätte. In diesem Fall nämlich wäre eine Aussage darüber zu treffen gewesen, ob das die Ungleichbehandlung aus Sicht des Gerichts rechtfertigende „bessere“ Wohl des in eine Ehe geborenen Kindes überhaupt einen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten legitimen gesetzgeberischen Zweck darstellen kann.794 Am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber prüfte das Gericht die relevante Norm nicht. Vielmehr beschränkte es seine Ausführungen im Wesentlichen darauf, dass die Entscheidung des Gesetzgebers, die finanzierten medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht als Maßnahmen zur Beseitigung einer Krankheit einzuordnen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.795 Im Übrigen attestierte 793 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 328 f. bzw. Rn. 38. Mit Recht kritisch: Sacksofsky, in: Lembke, Regulierungen des Intimen, 2016, S. 113 (im Zusammenhang mit weiteren Ausführungen zur selektiven staatlichen Geburtenförderung). 794 Instruktiv zur Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Prüfung der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen: Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 24 ff. (Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsprüfung als „Teile eines einheitlichen Rechtfertigungsmaßstabs“, ebd., Rn. 26). Ausdrücklich für die Einbeziehung (auch) des Prüfungspunktes legitimer Zweck im Rahmen der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes („Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit einem gleichheitsrechtlichen Gehalt“): Spielmann, Konkurrenz von Grundrechtsnormen, 2008, S. 207. 795 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 325 ff. bzw. Rn. 34 f., unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass die Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen wäre, wenn der Gesetzgeber die Maßnahmen als Beseitigung einer Krankheit ansähe. Der Grund dafür, warum das Gericht die Ungleichbehandlung nicht einer (strengeren) Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzog, lag demnach wahrscheinlich darin, dass es nicht vom Bestehen einer Schutzpflicht (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ausging, vgl. auch Helms/Wanitzek, FamRZ 2007, 685.
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es dem Gesetzgeber „hinreichende sachliche Gründe“ dafür, die Leistungen auf Ehepaare zu beschränken.796 Einen weiteren Berührungspunkt zur verfassungsrechtlichen Stellung eines zukünftigen Kindes weist die Entscheidung insofern auf, als das Gericht zu der gerügten Unvereinbarkeit der nur Ehepaare erfassenden Vorschrift des Sozialgesetzbuches mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Lebensrecht) und Art. 6 Abs. 5 GG (Schutz nichtehelicher Kinder) – kurz und knapp – ausführte, Letztgenannte seien „schon deshalb nicht verfassungsrechtlicher Maßstab für die hier zur Prüfung gestellte Vorschrift, weil ihr Schutzauftrag nicht Kinder erfasst, die noch nicht gezeugt sind.“ 797 Aus diesen Worten geht im Hinblick auf Art. 6 Abs. 5 GG zunächst hervor, dass die Individuen von sich gegenüberstehenden Personengruppen, auf die sich eine zur Prüfung gestellte Ungleichbehandlung bezieht (in der Entscheidung wären dies die in eine eheliche und in eine nichteheliche Gemeinschaft geborenen Kinder gewesen), zu dem Zeitpunkt, auf den sich die Ungleichbehandlung (gegebenenfalls auch nur mittelbar798) bezieht, bereits existieren müssen.799 Auch kann dieser Passage entnommen werden, dass ein aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgendes Recht darauf, gezeugt zu werden, nicht besteht.800 Rückschlüsse auf die Zulässigkeit oder Notwendigkeit des Schutzes der Grundrechte eines* einer zukünftigen Grundrechtsträger*in ermöglichen auch diese Feststellungen damit nicht.
796 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 327 bzw. Rn. 36. 797 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 329 f. bzw. Rn. 41. 798 Unmittelbar folgt die Ungleichbehandlung aus der (Nicht-)Bezuschussung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen. Da es sich hierbei um eine Kostenübernahme handelt, könnte diese – rein tatsächlich betrachtet – auch nach der Zeugung/Geburt des Kindes erfolgen, weshalb die Maßnahme, aus der die Ungleichbehandlung folgt, die (Nicht-)Existenz des Kindes nicht zwingend erfordert. Dies ist bei der Regelung zur Eizellspende anders, denn das Verbot bedingt, dass Eingriff und Nichtexistenz des Kindes notwendigerweise miteinander einhergehen. Rechtlich setzt der Leistungsanspruch über die Finanzierung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen allerdings voraus, dass der Krankenkasse vor der Behandlung, deren Kosten sie anteilig übernehmen soll, ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorgelegt wurde, vgl. § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V. 799 Zur Eigenschaft des Art. 6 Abs. 5 GG auch als Gleichheitsrecht nur: Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 6 Rn. 75 f. m.w. Nw. 800 Vgl. auch den (in der Entscheidung zusammengefassten) Vortrag des vorlegenden Gerichts: „Die [. . .] einseitige Förderung künstlicher Befruchtung bei Ehepaaren bedinge eine von Verfassungs wegen verbotene Benachteiligung nichtehelicher Kinder noch vor der Geburt durch Verweigerung der Existenz [. . .]. Die Entstehung von Leben werde davon abhängig gemacht, ob die Erzeuger verheiratet seien.“, BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –, BVerfGE 117, 316, 321 bzw. Rn. 18.
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c) Grenzen zukunftsbezogener grundrechtlicher Schutzpflichten im reproduktionsmedizinischen Kontext Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Eizellspende ist lediglich eine unter vielen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des reproduktionsmedizinisch Machbaren stellen. Dabei ist das vorliegend gefundene Ergebnis, wonach die Nichtexistenz des Kindes nicht daran hindert, den Schutz der Grundrechte des (zukünftigen) Kindes als grundsätzlich legitimen Zweck zur Beschränkung der grundrechtlich geschützten Freiheit eines*einer aktuellen Grundrechtsträger*in (der plazentalen Wunschmutter) anzusehen, nicht unbedingt auf andere Fallgestaltungen übertragbar. Um der Gefahr vorzubeugen, dass das Konzept zukunftsbezogener Schutzpflichten im reproduktionsmedizinischen Kontext über seine Grenzen hinaus auf Fallgestaltungen ausgedehnt wird, die zwar rein intuitiv vergleichbar scheinen, mittels dieses Konzepts jedoch nicht erfasst werden können, wird im Folgenden eine kurze Abgrenzung vorgenommen. Wichtig ist, sich stets zu vergegenwärtigen, dass Bezugspunkt des Konzepts der zukunftsgerichteten Schutzpflichten ein – wenn auch zum Zeitpunkt des Ergreifens der Schutzmaßnahme noch zukünftiges – Grundrecht ist. Beabsichtigt ist der Schutz aktueller Grundrechte und damit der Schutz eines*einer existenten Grundrechtsträger*in. Zu trennen sind die Fallgestaltungen, die mittels des Konzepts der zukuntsbezogenen Schutzpflichten erfasst werden können, deshalb zunächst von allen Fallgestaltungen, in denen es um die Steuerung der Entstehungsbedingungen menschlichen Lebens im engeren Sinne geht, bei denen also unmittelbarer Einfluss auf die Individualität des*der späteren Grundrechtsträger*in genommen werden soll. Die (berechtigte) Frage beispielsweise, ob es verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, Modifikationen des Erbguts der eigenen Gameten mit dem Ziel vorzunehmen, ein möglichst gesundes, schönes und intelligentes Baby „haben“ zu können, ist keine Frage, die sich unter Rückgriff auf eine zukunftsbezogene Schutzpflicht lösen lässt, sondern muss mittels anderer Erklärungsmodelle beantwortet werden. Das Gleiche würde gelten, wenn der Staat etwa bestimmte Personengruppen dazu aufforderte, ihre Gameten einer Behandlung zu unterziehen, um eine genetisch bedingte Erbkrankheit nicht auf das später aus diesen Gameten gezeugte Kind übertragen zu müssen. Auch hier wäre ein Rückgriff auf den Schutz der Gesundheit des zukünftigen Kindes (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) schon deshalb801 verfehlt, weil die individuelle Existenz des aus den Gameten gezeugten Kindes (Art. 1 Abs. 1 GG) durch die übertragene Erbkrankheit definiert würde. Das Kind würde demnach nicht – wie im vorlie801 Eugenische Gesichtspunkte vermochten die Verhinderung bestimmter Existenzen ohnehin zu keiner Zeit zu rechtfertigen. Zeiten, in denen man Zwangssterilisationen von Menschen, deren Nachkommen unerwünscht waren, für legitim hielt (siehe nur Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933, RGBl. I, S. 529), sind glücklicherweise vorbei.
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gend interessierenden Fall – ausschließlich vor dem Eintritt eines späteren Schadens (etwaige Identitätsfindungsprobleme des Kindes ob des Wissens um die besondere Art seiner Zeugung mittels einer Eizellspende), sondern bereits davor „geschützt“ werden, nicht mit vermeintlichen Defiziten zu existieren. Ebenfalls nicht unter Berufung auf das Konzept zukunftsbezogener Schutzpflichten umgangen werden kann die Beantwortung von Fragen, die sich auf den verfassungsrechtlichen Status des Embryos beziehen. Denn anders als der Schutz der Grundrechte eines*einer zukünftigen Grundrechtsträger*in werden die Diskussionen um den Schutz des Embryos mit Recht als Diskussionen um den Status einer breits existenten Entität802 verstanden. Auch die verfassungsrechtliche Beurteilung von Schwangerschaftsabbrüchen803 oder der Präimplantationsdiagnostik (PID)804 kann deshalb nicht mittels des Konzepts der zukunftsgerichteten Schutzpflicht gelöst werden. 4. Ergebnis zu I. Mit dem Verbot des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG beabsichtigt der Gesetzgeber, das Wohl des mittels einer Eizellspende gezeugten Kindes zu schützen. Vor dem Hintergrund des damit einhergehenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter, die allein zu Gunsten des Schutzes von Grundrechten Dritter und/oder von Rechtsgütern von Verfassungsrang beschränkt werden kann, stellt sich die Frage, ob mit diesem Anliegen überhaupt ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck verfolgt werden kann. Immerhin existiert das Kind, dessen Schutz im Raum steht, zum Zeitpunkt des Eingriffs nicht. Das Erkenntnisinteresse der vorstehenden Ausführungen galt deshalb der Frage, ob die Nichtexistenz des Kindes zum Zeitpunkt des Eingriffs daran hindert, den seitens des Gesetzgebers intendierten Schutz des Kindeswohls als legitimen Zweck im Sinne des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anzusehen. Dargelegt wurde hierzu, dass der Begriff des Kindeswohls im verfassungsrechtlichen Kontext als Oberbegriff für die Grundrechte eines Kindes zu verstehen ist. Sachlich einschlägig wäre vorliegend wegen der durch den Gesetzgeber befürchteten805 Identitätsfindungsprobleme das in Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 802 Begriff übernommen von Hartleb, Grundrechtsschutz in der Petrischale, 2006, etwa S. 122. 803 Zum verfassungsrechtlichen Status des postnidativen Embryos: BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90 –, BVerfGE 88, 203; vom 25. Februar 1975 – 1 BvF 1/ 74 –, BVerfGE 39, 1. Aus der Literatur etwa: Schlüter, Schutzkonzepte für menschliche Keimbahnzellen in der Fortpflanzungsmedizin, 2008, S. 99 ff.; Sacksofsky, in: Oduncu/ Platzer/Henn, Der Zugriff auf den Embryo, 2005, S. 63 ff.; Merkel, Die Zeit online vom 5. März 1998. 804 Hierzu etwa: Albers, aktuelle Informationen 2004, 9; Sacksofsky, KJ 2003, 274. 805 Zur empirischen Beurteilung der Situation von Kindern und Familien nach Gametenspende siehe nachfolgend unter C.I., S. 221 ff.
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Abs. 1 GG zu verortende Recht des Kindes auf Persönlichkeitsentwicklung.806 Essenziell ist dieser Befund insofern, als der Schutz des Kindeswohls damit stets als grundrechtlicher Schutz verstanden werden muss; ein im Kontext der Eizellspende vertretener Ansatz, das Kindeswohl als „objektiven Verfassungswert“ im Sinne eines von einem*einer Rechtsgutträger*in gelösten reinen Rechtsgutschutzes zu erfassen, scheidet aus diesem Grunde von vornherein aus.807 Als ebenfalls nicht weiterführend hat sich ein Ansatz erwiesen, den Schutz des Kindeswohls in der vorliegend interessierenden Konstellation mittels eines auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konstruierten vorwirkenden Menschenwürdeschutzes zu erklären.808 Grundsätzlich legitim erscheint ein Eingriff in die Freiheit der plazentalen Wunschmutter zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) hingegen, wenn man den Schutz des Kindeswohls als grundrechtlichen Schutz des Rechts des zukünftigen Kindes auf Persönlichkeitsentwicklung (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das Aufeinandertreffen beider Rechte folglich als besondere Form der Grundrechtskollision begreift.809 Dass das Kind zum Zeitpunkt des Eingriffs in die Freiheit der plazentalen Wunschmutter nicht existiert, ist insofern nicht von grundsätzlicher Bedeutung, als zwar die vom Gesetzgeber angenommene Ursache für die befürchtete Beeinträchtigung des Kindeswohls (die Verwirklichung der plazentalen Wunschmutterschaft unter Inanspruchnahme einer Eizellspende und das hierdurch bedingte Auseinanderfallen von genetischer und plazentaler Mutterschaft) sowie die zu deren Verhinderung gewählte Schutzmaßnahme (das Verbot der Eizellspende) zu einem Zeitpunkt gesetzt und ergriffen werden, in dem das Kind nicht existiert, die befürchtete Beeinträchtigung selbst (Identitätsfindungsprobleme des Kindes) jedoch ausschließlich zu einem Zeitpunkt zu erwarten sein kann, zu dem das Kind existiert. Damit unterscheidet sich die zukunftsbezogene – in Wahrheit auch hier: gegenwartsbezogene – Schutzpflicht nicht grundlegend von jenen Konstellationen, in denen die Ursache einer späteren Beeinträchtigung und die dem Schutz vor dieser Beeinträchtigung dienende Maßnahme zu einem Zeitpunkt gesetzt und ergriffen werden, in dem der*die Grundrechtsträger*in bereits existiert. II. Verhinderung der Existenz des Kindes als zu dessen Schutz geeignetes Mittel? Reduziert man das Kriterium der Geeignetheit einer Maßnahme auf eine wertfreie Kausalitätsbetrachtung zwischen eingesetzem Mittel und verfolgtem Zweck,
806 807 808 809
Siehe vorstehend A.I.1., S. 185 f. Hierzu vorstehend unter A.I.3.a), S. 190 ff. Hierzu vorstehend A.I.2., S. 186 ff. Hierzu vorstehend A.I.3.b), S. 194 ff.
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bestehen keine Einwände dagegen, das Verbot der Eizellspende als zum Schutz des zukünftigen Kindes geeignet anzusehen. Denn die seitens des Gesetzgebers befürchtete Beeinträchtigung der Identitätsfindung des Kindes wird durch die Verhinderung der Entstehung des Kindes zweifelsohne ausgeschlossen. Der mit dem Verbot verfolgte Zweck wird durch das zum Einsatz kommende Mittel damit nicht nur gefördert,810 sondern sicher erreicht. Auf einer dieser konkreten Betrachtungsweise vorgelagerten Ebene setzt die Geeignetheit einer Maßnahme allerdings voraus, dass das zum Einsatz kommende Mittel sich dazu eignet, als Maßnahme gerade zum Schutz des*der jeweiligen Grundrechtsträger*in eingesetzt zu werden. Misst man das Verbot und die damit einhergehende Verhinderung der Existenz des Kindes an dieser Vorgabe, wird deutlich, dass von einer Geeignetheit des Verbots zum Schutz des Kindes keineswegs ausgegangen werden kann. Zwar kann gegen die Verhinderung der Existenz des Kindes nicht eingewandt werden, hierdurch werde ein Recht des Kindes darauf, gezeugt zu werden, verletzt, da ein solches ebenso wenig besteht811 wie ein Recht darauf, nicht gezeugt zu werden.812 Allerdings erscheint die Verhinderung der Existenz des Kindes als Maßnahme zu dessen Schutz insofern von vornherein widersprüchlich, als man „der vorwirkenden Schutzpflicht genau jenes Bezugsobjekt [entzöge], um dessen Schutz willen ein bestimmtes Verhalten [. . .] präventiv verboten würde.“ 813 810 Zu diesem Maßstab etwa BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/ 02 –, BVerfGE 115, 320, 345 bzw. Rn. 85 m.w. Nw. (st. Rspr.). 811 Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 354 und 274; Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflußnahme auf das ungeborene menschliche Leben im Lichte des technischen Fortschritts, 1999, S. 41 ff. Siehe auch vorstehend S. 202. 812 Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 155; Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 354 und 274; Hartleb, Grundrechtsschutz in der Petrischale, 2006, S. 229; Coester-Waltjen, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 46. 813 Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 353; vgl. auch ders., in: Spickhoff, Medizinrecht, § 1 ESchG Rn. 7; in diesem Sinne auch Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 103 und 146. Vgl. auch Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 265: „Eine Regelung, die darauf ausgerichtet ist, die Entstehung von Leben zu verhindern, mit der Begründung, es gelte dessen Wohl zu wahren, ist im höchstem Masse widersprüchlich.“; Gassner/Kersten/ Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 36 („existentielle[r] Argumentationszirkel“); Kuhn, Recht auf Kinder?, 2008, S. 204 („Wäre er [der Mensch] nicht genau so wie geschehen ,hergestellt‘ worden, würde er nicht existieren und könnte folglich später auch keine Grundrechte geltend machen.“); Coester-Waltjen, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 46 („Wie aber kann das Wohl eines Kindes verletzt sein, welches ohne diese Verletzung nicht existierte?“). Im Ergebnis a. A.: Taupitz, in: Günther/ Taupitz/Kaiser, ESchG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 8, dessen Beispiele zur Untermauerung seiner Ansicht allerdings gerade die Fälle betreffen, die nach hiesiger Ansicht nicht mit dem Konzept der zukunftsbezogenen Schutzpflichten gelöst werden können („[. . .]
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Gegen die Geeignetheit des Verbots zum Schutz des Kindes sprechen weitere normative Erwägungen. So wird bezüglich des Aspekts der Verhinderung der Existenz des Kindes etwa eingewandt, hiermit sei indirekt die Wertung verbunden, das durch die „gespaltene“ Mutterschaft möglicherweise „belastete“ Leben des Kindes wäre nicht lebenswert.814 Zuzustimmen ist dem insoweit, als es dem Staat nicht zusteht, im Wege einer hypothetischen Betrachtungsweise darüber zu entscheiden, ob ein*eine spätere*r Grundrechtsträger*in die eigene Existenz als derart belastend empfände, dass diese*dieser sich – hätte diese Person darüber entscheiden können, ob sie zur Entstehung kommen soll oder nicht – dagegen entschieden hätte. Darüber zu werten, als wie wertvoll oder wertlos ein Leben empfunden wird, steht ausschließlich dem über dieses Leben verfügenden Subjekt zu. Dessen Wertung zu ersetzen durch eine – in derartigen Fällen notwendigerweise – typisierende Betrachtungsweise bedeutete, die Subjektqualität des Individuums infrage zu stellen.815 Hiergegen kann nicht angeführt werden, die Einbeziehung der Frage nach dem Interesse eines*einer Grundrechtsträger*in daran, gezeugt oder nicht gezeugt worden zu sein, sei „nicht von vornherein absurd“ 816, weil im Zusammenhang mit der Leistung von Sterbehilfe anerkannt sei, dass in gewissen Fällen der Tod dem Weiterleben vorzuziehen sei. Denn dem ist entgemüsste auch die gezielte Erzeugung eines schwer kranken Embryos zulässig sein“ und „könnte beispielsweise das reproduktive Klonen nicht unter Hinweis darauf verboten bleiben, dass das Verfahren [. . .] ein außerordentlich hohes Risiko schwerster Fehl- und Missbildungen [. . .] beinhaltet.“), siehe hierzu bereits vorstehend A.I.3.c), S. 203 f. 814 Vgl. Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 32, sowie bereits in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 111 sowie B 46. Ähnlich in Bezug auf die Menschenwürde des prospektiven Kindes: Starck, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. A 37. 815 Vgl. auch die abweichende Meinung des Richters Hassemer in: BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07 –, BVerfGE 120, 224, 258 f. bzw. Rn. 83: „Der Gedanke eines strafrechtlichen Schutzes potentieller Nachkommen vor genetischen Schäden setzt zudem die absurde Abwägung des mutmaßlichen Interesses potentiell gezeugten Nachwuchses an einem Leben mit genetischen Defekten einerseits mit einem mutmaßlichen Interesse an der eigenen Nichtexistenz andererseits voraus.“; vgl. ferner Weschka, Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und therapeutisches Klonen: Status und Schutz des menschlichen Embryos vor den Herausforderungen der modernen Biomedizin, 2010, S. 229 („nicht zu lösende Dilemma“ im Zusammenhang mit dem reproduktiven Klonen). Vgl. aber etwa Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, 2014, S. 71 und 74: „Doch muss die Zeugung unter Zuhilfenahme reproduktionsmedizinischer Techniken nicht zwangsläufig einer Nichtexistenz vorzuziehen sein, insbesondere wenn das Kind in eine Situation hineingeboren wird, die es unter Umständen in das Zentrum des Konflikts stellt.“ (im Zusammenhang mit der Ersatzmutterschaft; Zitat ebd., S. 71); ähnlich: Kuhn, Recht auf Kinder?, 2008, S. 227 ff. 816 Bernat, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 222. Vgl. auch Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 140, nach der das Kindeswohl zwar nicht gegen, wohl aber als Argument für die Zulassung der Eizellspende angeführt werden könne, weil es das Kind ohne die Spende als Grundrechtsträger gar nicht geben würde.
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genzuhalten, dass bei der Entscheidung über den Empfang von Sterbehilfe ein Subjekt existiert, welches über die Wertigkeit seines Lebens selbst entscheidet oder im Rahmen einer entsprechenden Verfügung entschieden hat. Auch dann, wenn das Subjekt zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht mehr in der Lage ist, eine Entscheidung zu kommunizieren, besteht immerhin die Möglichkeit und die Verpflichtung, den mutmaßlichen Willen des existenten Subjekts zu ermitteln.817 Insgesamt erweist sich das vom Gesetzgeber zum Zweck des Schutzes des Kindeswohls eingesetzte Mittel – die Verhinderung der Existenz des Kindes – damit als zu dessen Schutz ungeeignet.818 Vorbehaltlich einer Überprüfung dieses Ergebnisses anhand der Vorgaben der EMRK,819 lässt sich der mit dem Verbot der Eizellspende einhergehende Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit mittels des Arguments des Schutzes des Kindeswohls deshalb nicht rechtfertigen.
B. Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention Auch die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sind für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Verbots der Eizellspende relevant (I.). Bedenken gegen eine Zulassung der Eizellspende bestehen unter dem Regime der Konvention nicht (II.). I. Bedeutung der EMRK und deren Auslegung durch den EGMR im Gefüge des Grundgesetzes Innerhalb der nationalen Normenhierarchie nimmt die EMRK als durch Zustimmungsgesetz (Art. 59 Abs. 2 GG) in innerstaatliches Recht umgesetzter völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines Bundesgesetzes ein.820 Gleichwohl reichen die Wirkungen der Konvention weit über die eines Bundesgesetzes hinaus. Ver817 Vgl. auch § 1901a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 6 BGB (Feststellung des mutmaßlichen Willens im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Einwilligung in ärztliche Maßnahmen); vgl. ferner Bernat selbst: „[. . .] das stark reduzierte Leben – aus Sicht seines Trägers [Hervorhebung nicht im Original] – nicht mehr lebenswert erscheint.“, Bernat, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 222. 818 Zur mangelnden Erforderlichkeit/Unangemessenheit des Verbots siehe nachfolgend unter C.I.3., S. 227 f. 819 Hierzu unmittelbar nachfolgend. 820 Siehe bereits etwa BVerfG, Beschluss vom 26. März 1987 – 2 BvR 589/79 –, BVerfGE 74, 358, 370 bzw. Rn. 35, juris; vom 29. Mai 1990 – 2 BvR 254/88 –, BVerfGE 82, 106, 114 bzw. Rn. 33, juris; vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, BVerfGE 111, 307, 316 bzw. Rn. 31 (st. Rspr.); Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: MeyerLadewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Einleitung Rn. 18. Zu den verschiedenen Lösungen der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der EMRK in das jeweilige nationale Recht vgl. Grabenwarter, in: Merten/Papier, HGR, VI/2, 2009, § 169 Rn. 5 ff.
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fassungsrechtliche Bedeutung hat die Konvention insoweit, als deren Vorgaben als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten sowie rechtsstaatlichen Grundsätzen dienen.821 Hergeleitet wird dieser besondere Status aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes822 sowie, in Anlehnung an die inhaltlichen Verbürgungen der Konvention, aus Art. 1 Abs. 2 (Grundrechte als Ausprägung der Menschenrechte) i.V. m. Art. 59 Abs. 2 GG.823 Zur rechtstechnischen Umsetzung der Vorgaben der EMRK bieten sich verschiedene Optionen. Erlaubt der Wortlaut des Grundgesetzes es nicht, den Inhalt einer textlich ähnlichen Konventionsvorschrift aufzunehmen,824 steht als Alternative insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Verfügung.825 Das Bundesverfassungsgericht spricht insoweit von einem „aktiven (Rezeptions-) Vorgang“, durch den die Gehalte der Konvention „in den Kontext der aufnehmenden Verfassungsordnung ,umgedacht‘ werden“ 826. Aus völkerrechtlicher Perspektive entscheidend ist alleine, ob das jeweilige nationale Recht das von der EMRK geforderte Schutzniveau im Ergebnis gewährleistet.827 Maßgeblich für die Konkretisierung des Konventionstextes ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR),828 der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.829 Das Bundesverfas821 Etwa BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 2 BvR 1170/14 –, Rn. 47 m.w. Nw. (st. Rspr.); siehe auch Meyer-Ladewig/Brunozzi, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Art. 46 Rn. 18. Zu einer „Einschränkung oder Minderung“ des durch die Grundrechte des Grundgesetzes gewährleisteten Schutzniveaus darf es nicht kommen (BVerfG, a. a. O., unter anderem unter Verweis auf Art. 53 EMRK). 822 Siehe BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, BVerfGE 111, 307, 318 f. bzw. Rn. 33 ff.; Meyer-Ladewig/Brunozzi, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Art. 46 Rn. 18. 823 BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2333/08 –, BVerfGE 128, 326, 369 f. bzw. Rn. 90. 824 Eine „schematische Parallelisierung einzelner verfassungsrechtlicher Begriffe“ sowie eine „unreflektierte Adaption völkerrechtlicher Begriffe“ ist auszuschließen, BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2333/08 –, BVerfGE 128, 326, 370 und 371 bzw. Rn. 91 und 94. 825 Siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, BVerfGE 111, 307, 324 bzw. Rn. 49. 826 BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2333/08 –, BVerfGE 128, 326, 370 bzw. Rn. 92. 827 Nur BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2333/08 –, BVerfGE 128, 326, 370 bzw. Rn. 91 m.w. Nw. 828 Zum Auslegungsmonopol des EGMR vgl. Meyer-Ladewig/Brunozzi, in: MeyerLadewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Art. 46 Rn. 16, sowie Schorm-Bernschütz, Die Tatsachenfeststellung im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, 2004, S. 165. 829 Die an dem Verfahren Beteiligten trifft gemäß Art. 46 Abs. 1 EMRK eine Befolgungspflicht, hierzu Meyer-Ladewig/Brunozzi, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Art. 46 Rn. 13 ff.
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sungsgericht beschreibt diese als „faktische [. . .] Orientierungs- und Leitfunktion“ und geht von einer „faktischen Präzedenzwirkung“ der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus,830 welche auch den an dem Verfahren nicht beteiligten Mitgliedstaaten Anlass dazu gibt, ihre nationalen Rechtsordnungen zu überprüfen und sich an der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu „orientieren“.831 Um das völkerrechtlich vereinbarte Schutzniveau sicherzustellen, sind auch die vom EGMR in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte sowie das Abwägungsergebnis in den Willensbildungsprozess des jeweils zuständigen staatlichen Organs einzubeziehen.832 II. Vorgaben der EMRK hinsichtlich der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Eizellspende Textlich ist das „Recht [. . .] eine Familie zu gründen“ in Art. 12 EMRK verankert (1.). Bedeutung für die konventionsrechtliche Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches hat der EGMR allerdings bislang alleine Art. 8 Abs. 1 EMRK beigemessen (2.). Bedenken dagegen, das Wohl des noch nicht existenten Kindes bei der konventionsrechtlichen Überprüfung von Gametenspenden berücksichtigen zu können, bestehen auf Grundlage der Rechtsprechung des EGMR nicht (3). Die Entscheidung eines Konventionsstaates, die Inanspruchnahme einer Eizellspende zu verbieten, erachtete der Gerichtshof im Jahr 2011 als noch konventionsgemäß. Gleichzeitig machte er bereits damals deutlich, dass gegen deren Zulassung keine konventionsrechtlichen Bedenken bestehen (4.). 1. Art. 12 EMRK für die Erfassung der Verwirklichung des Kinderwunsches praktisch bedeutungslos Anders als das Grundgesetz enthält die EMRK eine textliche Aussage zur Gründung einer Familie. Nach Art. 12 EMRK haben „Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter [. . .] das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.“ Der Schutzbereich dieses Konventionsgrundrechts erfasst hinsichtlich der Familiengründung (gleich- oder verschiedengeschlechtliche 833) verheiratete Paare oder Personen, die durch einen der Ehe gleichgestellten Rechtsakt miteinander 830 BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2333/08 –, BVerfGE 128, 326, 368 bzw. Rn. 89 m.w. Nw. (st. Rspr.). 831 BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, BVerfGE 111, 307, 320 bzw. Rn. 39 (st. Rspr.). Siehe auch Klein, in: Merten/Papier, HGR VI/1, 2010, § 150 Rn. 130 ff. 832 BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, BVerfGE 111, 307, 324 bzw. Rn. 48 (st. Rspr.). 833 Zum Thema: Marauhn/Thorn, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 16 Rn. 50 und Rn. 54 m.w. Nw.
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verbunden sind, nicht aber nicht verrechtlichte Lebensgemeinschaften.834 Im Kontext von Fragen der Fortpflanzung hat die Bestimmung überraschenderweise bislang keine Rolle gespielt. Insbesondere der EGMR geht davon aus, dass Art. 12 EMRK gegenüber Art. 8 EMRK keinen eigenständigen (insbesondere nicht: begrenzenden) Gehalt hat.835 2. Freiheit zur Verwirklichung des Kinderwunsches als Teilgehalt von Art. 8 Abs. 1 EMRK Zentrale Bedeutung für den Schutz der Verwirklichung des Kinderwunsches hat Art. 8 EMRK, nach dessen erstem Absatz jede Person „das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens“ hat. Nach der Rechtsprechung des EGMR erstreckt sich der Schutzbereich der Vorschrift auch auf die Verwirklichung des Kinderwunsches unter Rückgriff auf reproduktionsmedizinische Verfahren, inklusive der Entgegennahme einer Eizellspende oder einer Samenspende.836 a) Verwirklichung des Kinderwunsches mittels der eigenen Gameten auch unter Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Verfahren Dass die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels der eigenen Gameten und unter Inanspruchnahme auch reproduktionsmedizinischer Verfahren vom Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK umfasst ist, geht aus der Entscheidung 834 Siehe EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2007 – 39051/03 –, Rn. 92 (Emonet u. a. v. Switzerland); Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Art. 12 Rn. 13; Pätzold, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 12 Rn. 16 f. Siehe auch Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, S. 49 („zumindest“ jede Form der innerstaatlich „legalisierten Lebensgemeinschaft“). Fahrenhorst, Familienrecht und Europäische Menschenrechtskonvention, 1994, S. 243 f., hingegen äußerte bereits vor über zwanzig Jahren, dass „[d]ie sozialen Entwicklungen insbesondere in den letzten Jahren [. . .] zu der Anerkennung nichtehelicher Formen des Zusammenlebens geführt [haben], welches eine Neuinterpretation der Bestimmung rechtfertigen könnte.“ (Zitat ebd., S. 244). Kritisch auch Marauhn/Thorn, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 16 Rn. 54 (unter anderem unter Verweis auf den weiten Familienbegriff des Art. 8 EMRK); vgl. auch Müller-Terpitz, AVR 51 (2013), 42, 56. 835 Siehe EGMR (Große Kammer), Urteil vom 4. Dezember 2007 – 44362/04 –, Rn. 86 (Dickson v. The United Kingdom): „The Court considers, as did the Chamber, that no separate issue arises under Article 12 of the Convention and that it is not therefore necessary also to examine the applicants‘ complaint under this provision [. . .].“ (im Zusammenhang mit dem Kinderwunsch eines verheirateten Paares und im Anschluss an Ausführungen zu Art. 8 EMRK). Vgl. auch Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, S. 22 („[. . .] weitgehende[. . .] Übereinstimmung der Voraussetzungen [. . .], unter denen eine Einschränkung der Verfügbarkeit von Fortpflanzungstechnologien nach Art. 12 und Art. 8 EMRK zulässig ist.“; auch der EGMR gehe insoweit von einem „Gleichklang der beiden Bestimmungen“ aus); vgl. ferner Müller-Terpitz, AVR 51 (2013), 42, 55 ff. 836 Umfassend zu jüngeren Entwicklungen der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK im Bereich auch der Reproduktionsmedizin: Büchler, in: Büchler/Keller, Family Forms and Parenthood, 2016, S. 29.
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Evans v. The United Kingdom hervor.837 Gegenstand des dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verfahrens war der Streit zwischen einem ehemaligen Paar um die Vernichtung von Embryonen, die dieses mittels In-vitro-Fertilisation hatte erzeugen und kryokonservieren lassen, um den gemeinsamen Kinderwunsch zu einem späteren Zeitpunkt verwirklichen zu können. Bevor dies hatte geschehen können, trennte sich das Paar. Der Mann zog das Einverständnis zur Aufbewahrung sowie zur Verwendung der Embryonen zurück und verlangte, die Embryonen zu vernichten. Seine ehemalige Partnerin war hiermit nicht einverstanden und zog (im Ergebnis erfolglos) bis vor den EGMR. Zum Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK führte der Gerichtshof in diesem Kontext aus: „[. . .] ,private life‘ [. . .] incorporates the right to respect for both the decisions to become and not to become a parent. [. . .] The Grand Chamber considers that [. . .] the right to respect for the decision to become a parent in the genetic sense, also falls within the scope of Article 8.“ 838 Nur wenige Monate später bestätigte der EGMR in dem Verfahren Dickson v. The United Kingdom: „The Court considers that Article 8 is applicable to the applicants’ complaints in that the refusal of artificial insemination facilities concerned their private and family lives, which notions incorporate the right to respect for their decision to become genetic parents [. . .].“ 839 Kein Zweifel besteht nach der Entscheidung Evans v. The United Kingdom im Übrigen daran, dass der Gerichtshof auch die Verwirklichung des Kinderwunsches einer alleinstehenden Person vom Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK erfasst sieht.840 Zwar waren die Embryonen-in-vitro, um die in dem Verfahren gestritten wurde, auf Grundlage des gemeinsamen Kinderwunsches der Beschwerdeführerin und ihres Partners erzeugt worden. Zu entscheiden aber hatte der Gerichtshof über die Frage, wie mit dem weiterhin vorhandenen Kinderwunsch der Beschwerdeführerin und dem nicht mehr vorhandenen Kinderwunsch ihres ehemaligen Partners umzugehen war: „The dilemma central to the present case is that it involves a conflict between the Article 8 rights of two private indi-
837 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 10. April 2007 – 6339/05 –, Rn. 73 (Evans v. The United Kingdom). Weitaus früher zur Bewertung von Fortpflanzungstechnologien unter dem Regime der EMRK äußerte sich insbesondere Fahrenhorst, EuGRZ 1988, 125, sowie dies., Familienrecht und Europäische Menschenrechtskonvention, 1994, S. 244 ff. 838 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 10. April 2007 – 6339/05 –, Rn. 71 und 72 (Evans v. The United Kingdom); siehe auch EGMR, (Große Kammer), Urteil vom 16. Dezember 2010 – 25579/05 –, Rn. 212 (A, B and C v. Ireland). 839 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 4. Dezember 2007 – 44362/04 –, Rn. 66 (Dickson v. The United Kingdom). Geführt wurden die Beschwerden von einem miteinander verheirateten Paar, das den gemeinsamen Kinderwunsch mittels In-Vitro-Fertilisation verwirklichen wollte. 840 Ebenso unter Verweis auf die Entscheidung: Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, S. 27 und 42 f.; Müller-Terpitz, in: Frister/Olzen, Reproduktionsmedizin, 2010, S. 23.
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viduals [. . .] each person’s interest is entirely irreconcilable with the other’s [. . .].“ 841 Ein Unterschied zwischen Paaren und alleinstehenden Personen kann lediglich insofern festgestellt werden, als der EGMR bislang immer dann, wenn es um den Kinderwunsch eines Paares ging, zusätzlich auf das Familienleben (Art. 8 Abs. 1 Var. 2 EMRK) abstellte,842 während er in den Fällen, in denen die Entscheidung einer Einzelperson im Raum stand, lediglich das Privatleben (Art. 8 Abs. 1 Var. 1 EMRK) heranzog.843 Hintergrund dieser Differenzierung dürfte sein, dass der Begriff des Familienlebens – anders als nach ganz herrschender Auffassung der Begriff der Familie in Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG844 – auch die Beziehung eines kinderlosen Paares erfasst.845 Die zwischen dem Paar bestehende Familie wird durch die Verwirklichung des Kinderwunsches erweitert.846 Verwirklicht eine alleinstehende Person ihren Kinderwunsch, sucht diese hingegen erst ein Familienleben mit dem Kind aufzunehmen; die Gründung einer Familie ordnet der Gerichtshof zwar dem Begriff des Privat-, nicht aber dem des Familienlebens zu.847 Ein unterschiedliches Schutzniveau leitet der EGMR aus der zusätzlichen Heranziehung des Familienlebens allerdings nicht ab.848 b) Verwirklichung des Kinderwunsches unter Entgegennahme einer Gametenspende Klarheit darüber, dass der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht nur die Verwendung der eigenen Gameten, sondern auch die Entgegennahme einer Ga841 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 10. April 2007 – 6339/05 –, Rn. 73 (Evans v. The United Kingdom). 842 Siehe EGMR, Urteil vom 28. August 2012 – 54270/10 –, Rn. 57 (Costa et Pavan/ Italy), sowie EGMR (Große Kammer), Urteile vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 82 (S. H. and Others/Austria) und vom 4. Dezember 2007 – 44362/04 –, Rn. 66 (Dickson v. The United Kingdom). Auf wechselnde Formulierungen weist auch MüllerTerpitz, AVR 51 (2013), 42, 56, hin. 843 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 10. April 2007 – 6339/05 –, Rn. 71 (Evans v. The United Kingdom), sowie EGMR, Urteil vom 2. Oktober 2012 – 10048/10 –, Rn. 54 (Knecht v. Romania). 844 Siehe hierzu vorstehend Fn. 73. 845 Irrelevant ist dabei sowohl die Gleich- oder Verschiedengeschlechtlichkeit des Paares als auch dessen Status (Bestehen einer Ehe oder Lebenspartnerschaft), siehe etwa EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 – 9214/80 –, Rn. 62 (Abdulazis, Cabales und Balkandali v. The United Kingdom) und vom 24. Juni 2010 – 30141/04 –, Rn. 93 ff. (Schalk u. Kopf v. Austria). 846 Hierauf weisen auch Koutnatzis/Weilert, AVR 51 (2013), 72, 104, hin (ebenfalls im Zusammenhang mit Fällen der assistierten Reproduktion). 847 Vgl. nur EGMR, Urteil vom 13. Juni 1979 – 6833/74 –, Rn. 31 (Marckx v. Belgium); vom 28. Mai 1985 – 9214/80 –, Rn. 62 (Abdulazis, Cabales und Balkandali v. The United Kingdom); vom 22. Januar 2008 – 43546/02 –, Rn. 41 (E. B. v. France). 848 Ebenso: Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, S. 17. Im Ergebnis hält auch dieser die klare Abgrenzung der beiden Varianten des Schutzbereichs des Art. 8 EGMR für „weder möglich noch notwendig.“
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metenspende umfasst, brachte die Entscheidung S. H. and Others v. Austria.849 Anlass hierfür gaben die Beschwerden zweier Ehepaare, welche ihre Kinderwünsche nur mit Hilfe einer gespendeten Eizelle beziehungsweise der In-vitro-Fertilisation unter Verwendung gespendeter Samen hätten verwirklichen können. Das auf eine Eizellspende angewiesene Paar scheiterte an § 3 Abs. 3 des damaligen österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes, nach dem – entsprechend der aktuellen deutschen Rechtslage – Eizellen nur bei der Frau verwendet werden durften, von der diese stammten. Der Samenspende stand § 3 Abs. 1 des Gesetzes entgegen, der die heterologe In-vitro-Fertilisation, nicht aber die heterologe In-vivo-Fertilisation, verbot.850 Den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK sah der Gerichtshof auch in diesen Fällen eröffnet: „The Court considers that the right of a couple to conceive a child and to make use of medically assisted procreation for that purpose is also protected by Article 8, as such a choice is an expression of private and family life. Article 8 of the Convention therefore applies to the present case.“ 851 Dass der EGMR den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK auch im Fall der Inanspruchnahme von Gametenspenden keineswegs auf Paare beschränkt sieht, legt die Entscheidung Knecht v. Romania nahe. Gegenstand des Verfahrens, das diesem Urteil zugrunde lag, war das Begehren einer alleinstehenden Frau auf Herausgabe von Embryonen-in-vitro, welche diese – unter Verwendung gespendeter Gameten852 – in einer privaten Klinik hatte erzeugen lassen. Nachdem die Klinik von staatlicher Seite geschlossen und die Embryonen in ein Forschungsinstitut überführt worden waren, war es der Beschwerdeführerin aufgrund einer komplizierten Rechtslage und der Interaktion verschiedener Akteure nicht gelungen, die Embryonen in ihren Besitz zu bringen. Auch hier ging der EGMR von
849 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 – (S. H. and Others v. Austria). Hierzu etwa: Müller-Terpitz, AVR 51 (2013), 42; Bernat, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 203. Vgl. auch Koutnatzis/Weilert, AVR 51 (2013), 72. 850 Die heterologe In-vivo-Fertilisation war über § 3 Abs. 2 i.V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Fortpflanzungsmedizingesetzes erlaubt, sofern der Ehegatte oder Lebensgefährte nicht fortpflanzungsfähig war. Zu den relevanten Vorschriften des österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung siehe Bernat, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 203 ff. Das Totalverbot wurde durch das Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – ebenso wie das Totalverbot der Eizellspende – aufgeboben (FMedRÄG 2015, BGBl. für die Republik Österreich I Nr. 35/2015, S. 1). Eine Übersicht über die Änderungen des Gesetzes findet sich bei Bernat, Der Gynäkologe 2015, 686. 851 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 82 (S. H. and Others v. Austria). Gegen einen Schutz der Inanspruchnahme von Gametenspenden über das Privat- und kritisch hinsichtlich eines Schutzes durch das Familienleben: Koutnatzis/Weilert, AVR 51 (2013), 72, 104. 852 EGMR, Urteil vom 2. Oktober 2012 – 10048/10 –, Rn. 7 (Knecht v. Romania): „donated gametes“.
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einem Eingriff in das Privatleben der Frau (Art. 8 Abs. 1 Var. 1 EMRK) aus. Dabei nahm er Bezug auf die vorstehend referierten Entscheidungen.853 c) Ergebnis zu 2. Nach der Rechtsprechung des EGMR erfasst der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK zunächst sowohl die Freiheit eines Paares (Art. 8 Abs. 1 Var. 2 EMRK – Familienleben) als auch die Freiheit einer alleinstehenden Person (Art. 8 Abs. 1 Var. 1 EMRK – Privatleben), den Kinderwunsch mittels der eigenen Gameten zu verwirklichen, und zwar auch dann, wenn hierbei reproduktionsmedizinische Verfahren eingesetzt werden. Entschieden hat der EGMR darüber hinaus, dass der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK die Verwirklichung des Kinderwunsches auch dann abbildet, wenn hierzu auf eine Gametenspende zurückgegriffen wird. Dies gilt für die Verwirklichung des Kinderwunsches eines Paares ebenso wie hinsichtlich der Verwirklichung des Kinderwunsches einer alleinstehenden Frau. Nicht zu entscheiden hatte der Gerichtshof bislang darüber, ob die Verwirklichung des Kinderwunsches auch unter Entgegennahme zweier Gametenspenden (das heißt einer Samen- und einer Eizellspende)854 vom Schutzbereich des Konventionsgrundrechts gedeckt ist und ob die Zulässigkeit einer solch „doppelten Gametenspende“ davon abhängt, ob es sich um die Verwirklichung des Kinderwunsches eines Paares oder einer alleinstehenden Person handelt. 3. Berücksichtigung des Wohls der aus Gametenspenden hervorgehenden Kinder bei der Rechtfertigung von Eingriffen möglich Entnommen werden kann der Entscheidung S. H. and Others v. Austria855 auch, dass der EGMR keine grundsätzlichen Bedenken dagegen hegt, das Wohl von nach Gametenspenden geborener Kinder – „the well-being of children thus 853 EGMR, Urteil vom 2. Oktober 2012 – 10048/10 –, Rn. 54 (Knecht v. Romania). Soweit in dem Urteil (ebd.) zwischen der Entscheidung, ein Kind zu haben („the decisions both to have and not to have a child“) und dem Recht eines Paares, diese Entscheidung auch unter Rückgriff auf medizinische Assistenz zu verwirklichen („right of a couple to conceive a child and to make use of medically assisted procreation“), unterschieden wird, spielte diese Unterscheidung im Ergebnis keine Rolle. 854 Siehe auch Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, S. 202 f., der diese Frage zutreffend als Frage der Verhältnismäßigkeit eines entsprechenden Verbotes einordnet. Müller-Terpitz, AVR 51 (2013), 42, 54 sowie Fn. 73, hingegen meint, entscheidend sei die Absicht, durch den assistierten Befruchtungsvorgang Vater oder Mutter eines Kindes zu werden, das zumindest zu einem der Elternteile eine genetische Beziehung aufweise. Ob „weitergehende Formen assistierter Reproduktionstechniken – etwa die Adoption eines überzähligen Embryos durch eine Dritte – vom Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK umfasst sind“, sei „damit freilich nicht a limine auszuschließen.“ (ebd., Fn. 73, und unter Hinweis darauf, dass der EGMR über solche Fragen bislang nicht entscheiden musste). 855 Siehe vorstehend unter B.II.2.b), S. 213 f.
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conceived“ 856 – bei der Rechtfertigung eines Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK zu berücksichtigen.857 Die in dem Verfahren sowohl von der Republik Österreich als auch von der Bundesrepublik Deutschland858 diesbezüglich vorgetragenen Bedenken859 respektierte der Gerichtshof bei der Prüfung der Rechtfertigung der Eingriffe in das Privat- und das Familienleben am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Welche Dogmatik dieser Prüfung zugrunde liegt, geht aus der Entscheidung nicht hervor. Ein grundsätzlicher Unterschied zur Möglichkeit der Beschränkung der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) besteht allerdings darin, dass ein Eingriff in die in Art. 8 Abs. 1 EMRK verbürgten Freiheiten nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht nur etwa zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, sondern insbesondere auch zum Schutz „der Moral“ legitim ist.860 Hieran anknüpfend wird im Kontext der konventionsrechtlichen Bewertung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen vertreten, das Kindeswohl als „objektive[n] Wert“ zu verstehen, „der nicht um des noch nicht existierenden Kindes Willen zu schützen ist, sondern wegen der Rückwirkung auf die tatsächlich geborenen Menschen“.861 Denn die Gesellschaft habe ein „legitimes Interesse daran, das Wohlergehen der Kinder sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass sie in möglichst günstigen Verhältnissen aufwachsen.“ 862
856 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 113 (S. H. and Others v. Austria). 857 Vgl. auch Bernat, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 221 („Die Angemessenheit eines gesetzlichen Verbots von Eiund Samenspende wird von der Großen Kammer des EGMR [. . .] auch unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls verteidigt.“). 858 Diese war auf Grundlage von Art. 36 Abs. 2 EMRK sowie Art. 44 der Verfahrensordnung des EGMR als Dritte an dem Verfahren beteiligt. 859 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 61 ff. (zum Vortrag Österreichs) und Rn. 69 ff. (zum Vortrag Deutschlands) (S. H. and Others v. Austria). 860 Siehe Art. 8 Abs. 2 EMRK: „[. . .] darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff [. . .] in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist [. . .] zum Schutz [. . .] der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“ Siehe ferner EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 90 (S. H. and Others v. Austria). 861 Czech, Fortpflanzungsfreiheit, 2015, S. 54 und 57 (Zitat ebd.), unter Verweis unter anderem auf Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 253 f. Zur Ablehnung dieser Sichtweise Reinkes im Kontext der Bewertung des Verbots der Eizellspende am Maßstab des Grundgesetzes siehe bereits vorstehend S. 192 ff. 862 Czech, Fortpflanzungsfreiheit, S. 83. Siehe auch ebd., S. 82: „Zumindest eine Schutzpflicht zugunsten zukünftiger Kinder“ lasse sich aus der Judikatur des EGMR nicht ableiten.
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4. Weiter Ermessensspielraum der Konventionsstaaten hinsichtlich des Verbots von Eizellspenden? Trotz der Einbeziehung der Inanspruchnahme auch einer Eizellspende in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK vermochte der EGMR die Konventionswidrigkeit des Verbot der Eizellspende in der Entscheidung S. H. and Others v. Austria nicht festzustellen.863 Entscheidend für dieses Ergebnis war der weite Ermessensspielraum (margin of appreciation), den der Gerichtshof den Mitgliedsstaaten zugestand,864 weil er weder im Jahr 1999 (dem Jahr, in dem der österreichische Verfassungsgerichtshof über die Regelungen des Fortpflanzungsmedizingesetzes geurteilt hatte865) noch zum Zeitpunkt der Entscheidung im Jahr 2011866 einen hinreichend gefestigten Konsens867 hinsichtlich der Einstellung zur Eizellspende feststellen konnte.868 Gleichzeitig ließ der Gerichtshof jedoch keinen Zweifel daran, dass die Zulassung der Eizellspende mit den Vorgaben der Konvention vereinbar wäre869 und wies darauf hin, dass innerhalb der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten ein klarer Trend zu Gunsten der Erlaubnis von Gametenspenden zu beobachten sei.870 Ob der EGMR ein Verbot der Eizellspende bei einer 863 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 115 (S. H. and Others v. Austria); auch die Beschwerden betreffend das Verbot der In-vitroFertilisation mittels Spendersamen hatte (aus den gleichen Gründen) keinen Erfolg. Die zunächst mit der Sache befasste kleine Kammer des EGMR hatte den Beschwerden unter Berufung auf das Verbot unzulässiger Diskriminierung (Art. 14 EMRK i.V. m. Art. 8 EMRK) stattgegeben, siehe EGMR, Urteil vom 1. April 2010 – 57813/00 – (S. H. and Others v. Austria), vgl. hierzu Wollenschläger, MedR 2011, 21, sowie Spranger/Wegmann, BRJ 2010, 138. Anders als die kleine Kammer machte die Große Kammer das Diskriminierungsverbot erst gar nicht zum Prüfungsmaßstab. 864 „[. . .] the margin of appreciation to be afforded to the respondent State must be a wide one [. . .].“, EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/ 00 –, Rn. 97 (S. H. and Others v. Austria). Im Ergebnis zustimmend: Müller-Terpitz, AVR 51 (2013), 42, 65. 865 VfGH Österreich, Erkenntnis vom 14. Oktober 1999 – G 91/98 –. 866 Wenngleich der EGMR im Grundsatz wohl auf die Situation Ende der 1990er Jahre abstellte, attestierte er auch zum Zeitpunkt der Entscheidung keinen hinreichend gefestigten Konsens, welcher einem Verbot entgegengestanden hätte, vgl. EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 84, 95, 96, 115 und 117 (S. H. and Others v. Austria), vgl. hierzu Müller-Terpitz, AVR 51 (2013), 42, 60 ff. 867 „[. . .] emerging European consensus [. . .] not, however, based on settled and longstanding priciples in the law of the member States“, EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 96 (S. H. and Others v. Austria). Kritisch zu diesem Kriterium: Müller-Terpitz, AVR 51 (2013), 42, 62 ff. 868 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 96 f. sowie 105 f. (S. H. and Others v. Austria). 869 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 106 (S. H. and Others v. Austria): „The Court accepts that the Austrian legislature could have devised a different legal framework for regulating artificial procreation that would have made ovum donation permissible.“ 870 EGMR (Große Kammer), Urteil vom 21. November 2011 – 57813/00 –, Rn. 96 (S. H. and Others v. Austria).
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erneuten Überprüfung wieder als mit der Konvention vereinbar ansehen würde, ist vor diesem Hintergrund äußerst fraglich.871 Maßgeblich abhängen dürfte die konventionsrechtliche Beurteilung davon, in welchem Maße innerhalb der Konventionsstaaten mittlerweile Konsens bezüglich der Zulässigkeit der Verwirklichung des Kinderwunsches unter Entgegennahme einer Eizellspende besteht.872 III. Ergebnis zu B. Konventionsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Ergebnisses, wonach das Wohl des aus einer Eizellspende geborenen Kindes den mit dem Verbot der Eizellspende einhergehenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit der plazentalen Wunschmutter nicht rechtfertigen kann,873 bestehen nicht. Auf Grundlage der Rechtsprechung des EGMR in der Sache S. H. and Others v. Austria stellt sich im Gegenteil die Frage, ob ein (Total-)Verbot der Eizellspende einer konventionsrechtlichen Überprüfung auch heute noch standhalten würde. Weil andere hinreichend gewichtige Gründe, die das Verbot rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind,874 ist insgesamt von der Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG auszugehen.875 871 Ebenso etwa Czech, Fortpflanzungsfreiheit, S. 177 f. und 183 („Dass ein Verbot der Eizellenspende und der In-vitro-Fertilisation mit dem Samen eines Dritten mit der Konvention vereinbar ist, kann aus der Judikatur des EGMR nicht abgeleitet werden. Ob dies der Fall ist, muss vielmehr anhand einer Interessenabwägung im Lichte der heute herrschenden Verhältnisse beurteilt werden.“; Zitat ebd., S. 183). Für eine Konventionswidrigkeit des Totalverbots bereits Binder, Die Auswirkungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 auf Rechtsfragen im Bereich der medizinisch assistierten Fortpflanzung, 1998, S. 137 ff. (Unvereinbarkeit mit Art. 8 und Art. 14 EMRK). 872 Österreich hat das Totalverbot mitterweile aufgeboben (siehe Fn. 850). Nachweise zur aktuellen Gesetzeslage in verschiedenen europäischen Staaten finden sich bei Dethloff, in: Hilbig-Lugani/Jakob/Mäsch et al., Zwischenbilanz, 2015, S. 44 ff., sowie bei Helms, FF 2015, 234. 873 Vorstehend A., S. 182 ff. 874 Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich des Risikos der „Ausbeutung“ von Eizellspenderinnen, dem etwa durch eine Beschränkung entgeltlicher Eizellspenden entgegengewirkt werden kann, siehe nur Gassner, ZRP 2015, 126. 875 Von der Verfassungswidrigkeit des Verbots oder der Möglichkeit der Zulassung der Eizellspende geht die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur aus, siehe etwa Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, 139 („Das Kindeswohl an sich vermag allerdings einen Eingriff [gemeint ist offenkundig die Rechtfertigungsebene] in die Rechte der Eltern nicht zu begründen“) und 143 („[. . .] dass sich keine Argumente finden lassen, die heutzutage das Verbot der Eizellspende noch tragen.“); Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 36 („Nach alledem kann der Gesetzgeber [. . .] das Verbot der Eizellspende nicht aufrechterhalten.“); Kaiser, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 259 („Die Argumente gegen das Verbot [. . .] die gespaltene Mutterschaft solle über das ESchG zum Schutz des Kindeswohls verhindert werden, tragen nicht [. . .].“); Hörnle in: von Hirsch, Paternalismus im Strafrecht, 2010, S. 115 („Verweise auf das Kindeswohl überzeugen als Legitimation für das Verbot nicht.“);
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C. Aufhebung des Verbots und gesetzliche Regelung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Eizellspende Dass das Verbot des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG verfassungswidrig ist und deshalb nicht aufrechterhalten werden kann, bedeutet nicht, dass ein gesetzgeberisches Tätigwerden zur Regelung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Eizellspende Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 190 f. („[. . .] die zwischen Fortpflanzungsrecht und Kindeswohl bestehende Kollisionslage [kann] im Wege der praktischen Konkordanz aufgelöst werden [. . .].“, Zitat ebd., S. 190). Siehe ferner Dethloff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 30 („regulierte Zulassung“ der Eizellspende); Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 260 („[. . .] dass das Verbot der Eizellenspende [. . .] die persönliche Freiheit, welche die Verwirklichung des Kinderwunsches als elementare Erscheinung der Persönlichkeitsentfaltung schützt, [. . .] verletzt.“ (zum schweizerischen Recht), sowie Helms, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 30 f. („[. . .] bestehen daher gegen eine Zulassung der Eizellenspende keine durchgreifenden Bedenken.“); Bernat, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 225 f. („Da weder das Kindeswohl noch gesellschaftliche Interessen für ein Verbot von Samen- und Eispende sprechen, ist es [. . .] ein Gebot [. . .] auch des Völker- und Verfassungsrechts, das österreichische FMedG zu liberalisieren [. . .].“); Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 146 („Die Berufung auf das Kindeswohl kann einen völligen Ausschluss der Eizellspende damit nicht tragen.“); Coester-Waltjen, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 111 („[. . .] die Gefahr einer möglichen Beeinträchtigung des Kindeswohls [ist] nicht als Argument geeignet, um die Entstehung eines Kindes zu hindern. Unter diesen Gesichtspunkten sind grundsätzlich auch Eispenden als zulässig anzusehen [. . .].“). Siehe auch Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 187 und 200 f., und vgl. zudem die Nachweise in Fn. 5. Für einen Spielraum des Gesetzgebers: Lehmann, Die In-vitro-Fertilisation und ihre Folgen, 2007, S. 192 („Da hinsichtlich der Eizellenspende Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden können, kann ein Verbot [. . .] als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen werden. Jedoch ist verfassungsrechtlich ebenso die Zulassung [. . .] möglich, da nicht zwingend von Kindeswohlbeeinträchtigungen ausgegangen werden muss.“). Die Auffassung, das Verbot sei verfassungsrechtlich geboten, vertreten soweit ersichtlich lediglich Hüppe, ZRP 2015, 126 (wegen des Schutzes potentieller Eizellspenderinnen vor Ausbeutung und wegen des Kindeswohls), sowie May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, 2003, S. 176, nach dem das Verbot „vor dem Hintergrund der objektiven Wertentscheidung des Grundgesetzes für eine ,einheitliche Mutterschaft‘ als verfassungsrechtlich geboten anzusehen“ sei. Vgl. auch Müller-Terpitz, AVR 51 (2013), 42, 64 f. (im Zusammenhang mit der Entscheidung des EGMR S. H. v. Others (siehe Fn. 849): „Solange sich derartige auf das Kindeswohl bezogene Gewichtungen nicht eindeutig empirisch widerlegen lassen, sollten sie dem jeweiligen Konventionsstaat und seiner Einschätzung der gesellschaftlichen Dynamik sowie Akzeptanz derartiger Reproduktionsmaßnahmen überlassen bleiben. [. . .] maßgeblich ist vielmehr, dass den Mitgliedstaaten in einem Bereich mit ungewissen Möglichkeiten der Folgenabschätzung ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zukommen muss, der aus den vom EGMR ins Spiel gebrachten Kindeswohlgesichtspunkten letztlich auch Verbote der hier in Rede stehenden Art zu rechtfertigen vermag.“ (Zitat ebd., S. 65). Zu empirischen Forschungen betreffend nach Gametenspenden geborene Kinder siehe nachfolgend unter C.I., S. 221 ff.
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nicht möglich oder geboten wäre. Innerhalb des „Korridors“ 876, der zwischen den Grenzen des Übermaß- und des Untermaßverbotes877 besteht, steht es dem Gesetzgeber frei, die Voraussetzungen, unter denen die Entgegennahme einer Eizellspende zur Verwirklichung des Kinderwunsches möglich sein soll, durch formelles Gesetz878 zu regeln. Eine Überantwortung der sich stellenden Fragen auf die Ärztekammern,879 wie dies auch hinsichtlich der Samenspende zurzeit teilweise 876
Hoffmann-Riem, DVBl 1994, 1381, 1384 f. Siehe auch Jarass, AöR 1985, 363,
383. 877 Zum Untermaßverbot als vom Gesetzgeber im Einzelfall sicherzustellenden Mindestmaß an Schutz vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 89; Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten und der Anspruch auf Straßenverkehrssicherung, 2010, S. 132 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2001, S. 92 ff.; BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90 –, BVerfGE 88, 203, 254 f. bzw. Rn. 166 f., juris. Der Begriff des Untermaßverbotes geht wohl zurück auf Canaris, AcP 184 (1984), 201, 228. Das Verhältnis von Unter- und Übermaßverbot sowie die Frage, ob das Untermaßverbot überhaupt eine eigenständige Bedeutung hat, sind nicht unumstritten. Von einer Kongruenz von Unter- und Übermaßverbot geht etwa Hain, ZG 1996, 75, 79 aus; siehe auch bereits ders., DVBl 1993, 982; vgl. ferner Lenz, Vorbehaltlose Freiheitsrechte, 2006, S. 305 ff. (in Bezug auf vorbehaltlos gewährleistete Freiheitsrechte). Zur Kongruenzthese: Schneider, Rechtliche Aspekte der Präimplantationsund Präfertilisationsdiagnostik, 2002, S. 230 ff.; Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, S. 437. Eine Kongruenz ablehnend etwa Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten und der Anspruch auf Straßenverkehrssicherung, 2010, S. 133; Störring, Das Untermaßverbot in der Diskussion, 2009, S. 127 ff.; Calliess, in: Merten/Papier, HGR II, 2006, § 44 Rn. 30; Cremer, Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 312 ff.; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 2003, S. 300; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2003, S. 216 f.; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2001, S. 94 ff.; Hoffmann-Riem, DVBl 1994, 1381, 1384 f.; Jarass, AöR 1985, 363, 383. Diese Sichtweise überzeugt insbesondere deshalb, weil sie sicherstellt, dass dem Gesetzgeber hinreichender politischer Entscheidungsspielraum (Art. 20 Abs. 2 GG) verbleibt, vgl. auch BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 – 1 BvR 3262/07 –, BVerfGE 121, 317, 380 bzw. Rn. 175, wonach „der Gesetzgeber von Verfassungs wegen ohnehin schon zwischen Untermaßverbot hinsichtlich einer möglichen Verletzung der Schutzpflicht und Übermaßverbot hinsichtlich der durch die Regelung Betroffenen eingeklemmt ist.“ Gegen eine Kongruenz, zugleich aber auch gegen eine eigenständige Bedeutung des Untermaßverbotes sprechen sich aus etwa: Dietlein, ZG 1995, 131, 140 f.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 87. 878 Vgl. vorstehend S. 67. 879 Zur (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer vom 17. Februar 2006 [veröffentlicht in: Deutsches Ärzteblatt 2006, 103 (20), A 1392, und 2014, 111 (13), A 554] hat der Vorstand der Bundesärztekammer am 6. Oktober 2017 beschlossen, dass diese „gegenstandslos“ ist, siehe Deutsches Ärzteblatt 2018, 115 (22), A 1096. Für Ärzt*innen verbindlich waren ohnehin lediglich die (durchaus voneinander divergierenden) Richtlinien der Landesärztekammern, siehe Lembke, in: Classen/Richter/Lukanko, Sexuelle Orientierung als Diskriminierungsgrund, Regelungsbedarf in Deutschland und Polen?, 2016, S. 241 f. Die neue „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion“ vom 6. Oktober 2017 [Bekanntmachung: Deutsches Ärzteblatt 2018, 115 (22), A 1096] basiert auf § 16b des Transplantationsgesetzes (TPG) und beschränkt sich auf die Darstellung des medizinisch-wissenschaftlichen Standes zur Entnahme von Geweben (hierzu zählen grundsätzlich auch menschliche Ei- und Samen-
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(immer noch) der Fall ist,880 kann wegen der aufgezeigten grundrechtlichen Relevanz der Materie nicht überzeugen.881 Auch Vertreter der Ärzt*innenschaft haben den Gesetzgeber erst jüngst dazu aufgefordert, im Bereich der Reproduktionsmedizin tätig zu werden.882 Nachfolgend werden ausgewählte Aspekte aufgegriffen, die der Gesetzgeber bei einer Regelung der Zulässigkeit der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Eizellspende berücksichtigen sollte. Weil die Inhalte entsprechender Regelungen gegebenenfalls auch von empirischen Erkenntnissen abhängen, wird zunächst jedoch auf Forschungsergebnisse zu Familien eingegangen, deren Kinder mittels Gametenspende gezeugt wurden (Kinder und Familien nach Gametenspende). I. Forschungsergebnisse zu Kindern und Familien nach Gametenspende Forschungen zu Kindern und Familien nach Gametenspende sind noch relativ jung (1.).883 Vorliegende empirische Daten (2.) indizieren, dass etwaige Auswirzellen, siehe BT-Drs. 16/3146, S. 23) und deren Übertragung. Ziel bei der Erarbeitung der neuen Richtlinie war es, die „medizinisch-wissenschaftlichen Fragestellungen von den gesellschaftspolitischen Aspekten klar zu trennen“, siehe Vorwort zur neuen Richtlinie, abrufbar unter https://www.bundesaerztekammer.de/richtlinien/richtlinien/assis tierte-reproduktion/ (letzter Abruf am 28. Oktober 2018); vgl. auch Fn. 882. 880 Mit dem neuen Samenspenderregistergesetz (hierzu nachstehend S. 231) hat der Gesetzgeber mittlerweile erste Regelungen zur Sicherung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung geschaffen. Damit „sollen die institutionellen einschließlich der organisatorischen Voraussetzungen für die Verwirklichung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung geschaffen und der Zugang für eine durch heterologe Verwendung von Samen gezeugte Person zu den Daten des Samenspenders unter Wahrung des Datenschutzes erleichtert werden.“ (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22. Februar 2017, BT-Drs. 18/11291, S. 16). 881 In diesem Sinne auch: Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 30, Fn. 122, sowie ders., in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunft, 2010, S. 52 ff.; Schumann, in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 128 (unter Hinweis auf die Wesentlichkeitstheorie, hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 2. März 1993 – BvR 1213/85 –, BVerfGE 88, 103, 116 bzw. Rn. 50 m.w. Nw.); Rütz, Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders, 2007, S. 79 ff. (im Zusammenhang mit der Samenspende). 882 Siehe Richter-Kuhlmann, Deutsches Ärzteblatt 2018, 115 (22), A 1050, A 1051 (darin wird unter anderem Jan-Steffen Krüssel, einer der Federführenden des Wissenschaftlichen Arbeitskreises zur „Novellierung der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion“, mit den Worten zitiert: „Am dringlichsten erscheint mir eine politische Diskussion über die Eizellspende [. . .].“). Die Rufe nach einem Fortpflanzungsmedizingesetz sind ohnehin seit Jahren laut, vgl. statt vieler Wellenhofer, in: Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main, 100 Jahre Rechtswissenschaft in Frankfurt, 2014, S. 563 und 575: „[. . .] Ignoranz des Gesetzgebers gegenüber dem heute medizinisch Machbaren und tatsächlich Praktizierten.“ (Zitat ebd., S. 563). Für Nachweise zu dem im Jahr 2013 vorgelegten Augsburg-MünchnerEntwurf eines Fortpflanzungsmedizingesetzes siehe Fn. 14.
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kungen von Gametenspenden auf die Entwicklung von Kindern und auf Familien steuerbar sind und dass die besonderen Herausforderungen, vor denen diese Kinder und Familien aufgrund der Gametenspende stehen können, gemeistert werden (3.). 1. Junges Forschungsgebiet Die Annahme des Gesetzgebers, die aus einer Eizellspende folgende „gespaltene“ Mutterschaft führe zu Identitätsfindungsproblemen des Kindes, war zur Zeit des Erlasses des Embryonenschutzgesetzes im Jahr 1991 weder durch empirisches Material be-, noch widerlegt.884 Lediglich zu Kindern, die mittels Samenspende gezeugt worden waren, wurden seit Beginn der 1980er Jahre erste Studien durchgeführt,885 die im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zum Embryonenschutzgesetz allerdings, soweit ersichtlich, nicht berücksichtigt wurden.886 Langzeitstudien, die auch Kinder einbezogen, die aus Eizellspenden hervorgegangen waren, wurden erst in den 1990er Jahren initiiert.887 Zwar musste das seinerzeit vorzufindende empirische „schwarze Loch“ nicht zu einer Handlungsunfähigkeit des Gesetzgebers im Sinne einer Pflicht zur Wahrung des (ohne das Verbot herrschenden) Status quo führen.888 Mittlerweile vorliegende Daten gilt es jedoch zu berücksichtigen.889 Die nachfolgenden Ausführungen geben einen kursorischen Überblick über den aktuellen Stand der Forschungen zu Kindern und Familien nach Gameten883 Teilweise wird davon ausgegangen, aussagekräftige Daten lägen nicht vor, siehe Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 186, sowie Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, S. 72 (unter Verweis auf Schumann). 884 Dies war dem Gesetzgeber bewußt, siehe das Zitat auf S. 184. Vor diesem Hintergrund mag sogar die (freilich kritisch konnotierte) Formulierung zu weit gehen, wonach der Gesetzgeber „schon das Risiko negativer Konsequenzen nicht in Kauf nehmen“ wolle (Kaiser, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 259 Fn. 97). 885 Nachweise bei Thorn, Gynäkologische Endokrinologie 2013, 1, 1 f. 886 Eine wesentliche Diskussionsgrundlage für den Erlass des Gesetzes bildete der Abschlussbericht der interdisziplinär besetzten und im Mai 1984 von der Bundesregierung eingesetzten Arbeitsgruppe „In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie“ unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda, siehe Der Bundesminister für Forschung und Technologie, In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie, 1985. 887 Thorn, Gynäkologische Endokrinologie 2013, 1, 2. 888 Die Frage nach den Grenzen des Spielraums des Gesetzgebers im Zusammenhang mit fehlenden empirischen Daten und dennoch zu treffenden Prognoseentscheidungen ist weder neu noch selten. Zum Themenkomplex siehe etwa Augsberg/Augsberg, VerwArch 98 (2007), 290; Cremer, Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 303 ff., sowie bereits Ossenbühl, in: Starck, Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, 1976, S. 496 ff., und BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 – 1 BvR 532/77 –, BVerfGE 50, 290, 332 f. bzw. Rn. 110, juris. 889 Zur Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers siehe nur BVerfG, Beschluss vom 22. November 2016 – 1 BvL 6/14 –, Rn. 71 (m.w. Nw.; st. Rspr.).
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spende. Das vorhandene Material kann dabei an dieser Stelle weder umfassend dargestellt noch abschließend (empirisch) bewertet werden. Diese Aufgabe sollte in einem ersten Schritt nicht von Jurist*innen, sondern von Personen wahrgenommen werden, die über entsprechende Fachkunde verfügen.890 Weil sich signifikante Unterschiede zwischen Kindern und Familien nach Ei- und nach Samenspende bislang nicht gezeigt haben,891 differenziert die Darstellung nicht zwischen diesen beiden Formen der Gametenspende. Soweit nichts Abweichendes kommuniziert wird, basieren die dargestellten Ergebnisse jeweils auf Untersuchungen, in die sowohl Kinder und Familien nach Ei- als auch nach Samenspende einbezogen waren. 2. Vorliegende Daten Langzeitstudien, aus denen Erkenntnisse über die Auswirkungen von Gametenspenden auf die Identitätsentwicklung von Kindern und die Situation von Familien gewonnen werden konnten, existieren bislang fast ausschließlich zu Familien, in denen die elterliche Verantwortung für das Kind von zwei Personen übernommen wird. Informationen zu der Frage, wie sich eine Gametenspende auf die Entwicklung eines Kindes auswirkt, das von einem alleinerziehenden Elter betreut wird, liegen nur in sehr geringem Umfang vor. Soweit ersichtlich noch keine Daten wurden zu der Frage erhoben, welche Auswirkungen die Inanspruchnahme einer doppelten Gametenspende (etwa im Rahmen der Verwirklichung des Kinderwunsches durch ein Paar, das sowohl auf eine Ei- als auch auf eine Samenspende zurückgreift) auf die Entwicklung von Kindern oder auf familiäre Beziehungen hat.892 Die meisten der durchgeführten Studien betreffen überdies Familien, in denen die Kinder zum Zeitpunkt der Erhebung der Daten überwiegend nicht über ihre besondere Entstehung informiert waren. Hier stellte sich, entgegen zuvor teilweise vorgetragenen, auf Studien zu Adoptivfamilien basierenden Bedenken,893 890 In diesem Sinne auch Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 145; sowie bereits Benda, in: Petersen, Retortenbefruchtung und Verantwortung, 1985, S. 144. Siehe ferner etwa Heiderhoff, in: Röthel/ Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 17, sowie Dethloff, ZKJ 2009, 141, 147. 891 So ausdrücklich auch etwa Thorn, Gynäkologische Endokrinologie 2013, 1 f. Fn. 8 und 9. Vgl. auch Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 186, nach der sich die unterschiedliche Behandlung von Samen- und Eizellspende nur mit einem unausgesprochenen „Muttermythos“ erklären lässt. Zur Perspektive der Soziologie auf Mutterschaft und Mutterrolle siehe Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 34 ff. m.w. Nw. 892 Blyth/Crawshaw/Frith et al., Journal of Law and Medicine 19 (2012), 769, 780. 893 Den entsprechenden Studien zufolge gestalten sich die Eltern-Kind-Beziehungen in Adoptivfamilien im Vergleich zu durch Geburt entstandenen Familien oftmals schwieriger. Erkannt wurde jedoch mittlerweile, dass die vorgefundenen Probleme zu
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heraus, dass die Eltern-Kind-Beziehungen in diesen Familien ähnlich oder sogar besser waren, als in Familien, in denen das Kind nicht mit Hilfe einer Gametenspende gezeugt worden war.894 Sofern ein vergleichsweise besseres Verhältnis festgestellt wurde, wird dies auf das große Engagement der Eltern zurückgeführt, deren Weg zur Wunschelternschaft ein schwieriger war.895 Die fehlende genetische Verbundenheit zu dem Kind wirkte sich im Ergebnis nicht negativ auf dessen Entwicklung aus.896 Die Frage danach, wie Kinder auf die Information reagieren, dass sie mittels einer Gametenspende gezeugt wurden, können diese Studien nicht beantworten. Hintergrund dieses Defizits war indes nicht etwa ein besonderes Erkenntnisinteresse, sondern die geringe Anzahl an Eltern, die ihre Kinder über die Art ihrer Entstehung aufgeklärt hatten. Als Gründe für diese Geheimhaltung nannten die Befragten unter anderem Ängste davor, das positive Verhältnis zu dem Kind zu gefährden, gefühltes Unvermögen hinsichtlich des Zeitpunktes und der Art und Weise der Aufklärung sowie die Sorge darüber, dem Kind die Frage nach der Identität des Spendeelters nicht beantworten zu können.897 Das aufgrund der Geheimhaltung bestehende Wissensgefälle zwischen Eltern und Kind sowie die stetige Beunruhigung der Eltern hinsichtlich einer zufälligen Aufdeckung der einem wesentlichen Teil auf schwierigen Vorgeschichten der Kinder in ihren Ursprungsfamilien beruhen und deshalb auf Kinder und Familien nach Gametenspende nicht ohne Weiteres übertragbar sind, siehe nur Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 23 m.w. Nw. 894 Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 25; Golombok, Child Development Perspectives 7 (2013), 61, 63 (jeweils m.w. Nw.). 895 Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 23. Auf die positive Bedeutung der Tatsache, dass es sich bei Kindern, die mittels Gametenspenden gezeugt wurden, stets um Wunschkinder handelt, weisen auch etwa hin: Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 141; Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 7; Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 36; Lindner, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 146. Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 38 f., machen hinsichtlich der Bindungsbereitschaft von Eltern überdies darauf aufmerksam, dass diese zwar auch durch hormonelle Faktoren beeinflusst wird. Allerdings seien diese Faktoren nicht etwa an Schwangerschaft, Geburt oder Stillen gebunden, sondern zeigten sich sowohl bei leiblichen als auch bei nicht leiblichen Müttern und Vätern (m.w. Nw. auch zu weiteren Faktoren, die die Bindungsbereitschaft, den Aufbau und die Ausgestaltung der Mutter-Kind-Beziehung beeinflussen können). 896 Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 25 m.w. Nw. Vgl. auch Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 50. 897 Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 24 m.w. Nw.; Golombok, Child Development Perspectives 7 (2013), 61, 62 m.w. Nw.
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Gametenspende wird als Faktor angesehen, der die Kommunikation zwischen Eltern und Kind beeinflussen und sich negativ auf das Wohlbefinden des Kindes auswirken kann.898 Insgesamt werden die Probleme jedoch als sich im Normalbereich befindend angesehen, dysfunktionale Familienbeziehungen oder psychologische Probleme der Kinder wurden nicht festgestellt.899 Wenngleich die Inanspruchnahme der Gametenspende gegenüber dem Kind – entgegen der zunehemenden Intention der Eltern – nach wie vor in der Regel nicht offengelegt wird,900 ist die Aufklärungsrate in den letzten Jahren gestiegen.901 Hiermit verbunden war und ist die Chance, die Kinder selbst zu ihrer Einstellung bezüglich ihrer Geburt nach Gametenspende zu befragen und auch die Art und Weise der Aufklärung sowie deren Konsequenzen zu untersuchen. Entsprechende Studien zeigen, dass die Aufklärung oftmals als Prozess gestaltet wird, den die Eltern typischerweise beginnen, wenn ihr Kind vier Jahre alt ist, und dass die Kinder in diesem Alter in der Regel neutral oder neugierig auf die Informationen über ihre Entstehung reagieren.902 Wie bereits in den Untersuchungen, in denen die Kinder nicht aufgeklärt waren, zeigte sich auch in diesen Fällen, dass die Eltern-Kind-Beziehung im Vorschulalter nicht schlechter, teilweise sogar positiver war als in anderen Familien.903 Auszugehen ist allerdings 898 Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 23 f. m.w. Nw. 899 Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 26; Golombok, Child Development Perspectives 7 (2013), 61, 62 ff.; siehe auch Blyth/Crawshaw/Frith et al., Journal of Law and Medicine 19 (2012), 769, 788; vgl. ferner Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 54, sowie Thorn, Gynäkologische Endokrinologie 2013, 1, 2. 900 Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 24 (m.w. Nw., insbesondere zu Readings/Blake/Casey et al., Reproductive BioMedicine Online 22 (2011), 485). In der auch heute noch geringen Aufklärungsquote zeigen sich im Übrigen deutliche Unterschiede zu Adoptivfamilien, in denen die Kinder in der Regel bereits bis zum Alter von sieben Jahren über die Adoption informiert werden (ebd.). Vgl. auch Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 48, nach denen die vorhanden Daten nahe legen, dass sich die „Norm einer möglichst frühen Aufklärung der Kinder in Familien mit Keimzellenspende nicht gleichermaßen durchgesetzt hat wie bei Adoptivfamilien.“ 901 Blake/Casey/Jadva et al., Children & Society 2013, 1, 2; Blyth/Kramer/Schneider, Reproductive BioMedicine Online 26 (2013), 179, 180; Golombok, Child Development Perspectives 7 (2013), 61, 62. 902 Blake/Casey/Readings et al., Human Reproduction 25 (2010), 2527; Mac Dougall/Becker/Scheib et al., Fertility and Sterility 87 (2007), 524. Vgl. auch Blyth/Kramer/Schneider, Reproductive BioMedicine Online 26 (2013), 179, 181 f., sowie Golombok, Child Development Perspectives 7 (2013), 61, 62; Kentenich/Griesinger, Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 2013, 273, 276. 903 Siehe Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 26; Golombok, Child Development Perspectives 7 (2013), 61, 63 (jeweils m.w. Nw.).
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davon, dass Kinder in diesem Alter noch wenig mit der gegebenen Information anzufangen wissen.904 Ab dem Alter von etwa zehn Jahren hingegen scheinen die meisten Kinder durchaus zu verstehen, dass sie auf eine besondere Weise gezeugt wurden.905 Als Motiv für die Offenlegung der besonderen Entstehungsbedingungen gegenüber dem Kind gaben die Eltern an, das Kind habe ein Recht, hierüber aufgeklärt zu werden; nahezu gleichermaßen eine Rolle spielte allerdings die Angst vor einer zufälligen Aufdeckung der Gametenspende und der damit möglicherweise einhergehenden negativen Folgen.906 Noch wenige Untersuchungen liegen zu der Frage vor, wie sich das Wissen über die Gametenspende auf die Entwicklung des Kindes und auf die familiären Beziehungen im Jugend- und frühen Erwachsenenalter auswirkt. Hier besteht nicht nur in quantitativer Hinsicht besonderer Forschungsbedarf,907 sondern auch deshalb, weil diese Phase für die Identitätsentwicklung eines Menschen von besonderer Bedeutung ist908 und nach einer Gametenspende geborene Kinder insbesondere während der Pubertät vor der Herausforderung stehen, „die Besonderheiten ihrer Herkunft in ihr Selbstbild integrieren“ 909 zu müssen. Nach den bisherigen Forschungsergebnissen besteht allerdings auch hier insgesamt kein Anlass zur Sorge.910 Als förderlich für den Identitätsfindungsprozess wird angesehen, dass nach Gamentenspende geborene Kinder sich – im Unterschied zu Adoptivkindern – stets auf die für sie positive Tatsache stützen können, als Wunschkind gezeugt worden zu sein.911 Auch Befragungen von Erwachsenen, die mit dem Wissen um ihre Geburt nach Gametenspende aufgewachsen waren, ergaben, dass die Mehrheit sich mit diesem Wissen wohl fühlte. Diejenigen hingegen, die erst im Jugend- oder Erwachsenenalter Kenntnis von der besonderen Art ihrer Entstehung erlangt hatten, wussten diese Information im Vergleich zu 904 Blake/Casey/Readings et al., Human Reproduction 25 (2010), 2527. Vgl. auch Golombok, Child Development Perspectives 7 (2013), 61, 62. 905 Blake/Casey/Jadva et al., Children & Society 2013, 1, 10. 906 Readings/Blake/Casey et al., Reproductive BioMedicine Online 22 (2011), 485, 492. 907 Siehe nur Blake/Casey/Jadva et al., Children & Society 2013, 1, 11. 908 Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 26; Ilioi/Golombok, Hum Reprod Update 21 (2015), 84, 85 f. Vgl. auch Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 54. 909 Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 53. Siehe auch Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 23. 910 Ilioi/Golombok, Hum Reprod Update 21 (2015), 84, 88 ff., 93 f. und 95. („[. . .] generally psychologically well adjusted. [. . .] all of the families were functioning within the normal range [. . .].“, Zitat ebd., S. 95). 911 Vgl. etwa Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 23.
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jenen, die bereits in der frühen Kindheit aufgeklärt worden waren, weniger gut zu verarbeiten und berichteten entsprechend häufiger von Gefühlen wie Aufregung, Ärger, Geschocktsein oder Verwirrung.912 Diese Unterschiede werden als Indiz dafür angesehen, dass das Alter, in dem die Offenlegung erfolgt, für die positive oder negative Verarbeitung des Wissens um die Zeugung mittels Gametenspende von Bedeutung ist.913 Hinsichtlich der Bedeutung des Spendeelters ergab eine Befragung von nach Samenspende geborener Jugendlicher, dass die meisten sehr neugierig waren, ihr Spendeelter kennenzulernen. Allerdings gaben nur wenige an, den Samenspender als eine wichtige Person in ihrem Leben anzusehen. Noch weniger beabsichtigten, eine Vater-Kind-Beziehung zu ihrem genetischen Vater aufzubauen. Im Vordergrund standen vielmehr Neugier und der Wunsch, ein kompletteres Bild über die eigene Identität zu erlangen.914 Insgesamt gehen die Forscher*innen davon aus, dass Kenntnisse über die genetische Abstammung nicht nur für die Identitätsentwicklung von Adoptieren, sondern auch für die Identitätsentwicklung von Kindern, die unter Inanspruchnahme einer Gametenspende gezeugt wurden, eine wichtige Rolle spielen können.915 3. Steuerbarkeit etwaiger Belastungen Die bislang vorliegenden empirischen Forschungsergebnisse lassen nach alledem darauf schließen, dass sich potentielle Auswirkungen der besonderen Entstehung von Kindern und Familien nach Gametenspende steuern lassen und dass Kinder und Familien nach Gametenspende im Ergebnis ebenso stabil sind wie Kinder und Familien, die durch Fortpflanzung ohne Inanspruchnahme einer Gametenspende entstanden sind.916 Zwar sind insbesondere die Auswirkungen
912 Jadva/Freeman/Kramer et al., Human Reproduction 24 (2009), 1909, 1912 sowie 1917 f. 913 Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 25 f.; Ilioi/Golombok, Hum Reprod Update 21 (2015), 84, 93. Vgl. auch Walper/Wendt, in: Schwab/Vaskovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, S. 232. 914 Jadva/Freeman/Kramer et al., Reproductive BioMedicine Online 20 (2010), 523, 531; Scheib/Riordan/Rubin, Human Reproduction 20 (2005), 239, 251. 915 Vgl. Golombok/Tasker, in: Lamb/Lerner, Handbook of Child Psychology and Developmental Science, 2015, S. 27 (m.w. Nw.), sowie auch etwa Blyth/Crawshaw/ Frith et al., Journal of Law and Medicine 19 (2012), 769, 788. Vgl. ferner Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 47 (zu Adoptivkindern). 916 Vgl. Golombok, Child Development Perspectives 7 (2013), 61, 64: „[. . .] there is no evidence to indicate that these new family forms may be at risk for parenting or child adjustment problems [. . .].“ Vgl. auch Kentenich/Griesinger, Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 2013, 273, 277; Shelton/Boivin/Hay et al., International Journal of Behavioral 33 (2009), 385, 390 und 391.
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auf den Selbstfindungsprozess von nach Gametenspende geborenen Jugendlichen bislang wenig erforscht; die bisher vorliegenden Ergebnisse sprechen jedoch dafür, dass auch dieser Prozess gemeistert wird. Vor diesem Hintergrund ist schon die Annahme, dass die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Gametenspende überhaupt das Risiko einer Kindeswohlgefährdung begründete, äußerst fragwürdig.917 Doch selbst wenn man ein solches Risiko unterstellt, ist das zum Schutze des Wohls des zukünftigen Kindes ohnehin bereits ungeeignete Verbot der Eizellspende wegen der Steuerbarkeit etwaiger Belastungen und der in diesem Rahmen zur Verfügung stehenden918 gleich wirksamen, milderen Mittel nicht erforderlich919 und unangemessen920. II. Beratung über die Bedeutung der Aufklärung der Kinder über die Gametenspende Welche Auswirkungen Gametenspenden auf Kinder und Familien haben können, hängt nach den vorgestellen Forschungsergebnissen zu einem großen Teil davon ab, wie die Eltern mit dem Wissen um die Gametenspende umgehen. Soweit Probleme festgestellt wurden, waren diese vornehmlich Folge einer späten Offenlegung der Gametenspende gegenüber dem Kind.921 Eine frühzeitige Aufklärung des Kindes über die Gametenspende hingegen erscheint ein geeignetes 917 Zumal an die Validität von Prognosen über die Beeinträchtigung des Wohls des zukünftigen Kindes ohnehin hohe Anforderungen zu stellen sein dürften, siehe auch Reinke, Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende, 2008, S. 156, nach dem staatliche Eingriffe nur dann zu legitimieren seien, wenn Verletzungen und Gefährdungen des Kindeswohls „höchstwahrscheinlich“ seien; siehe ferner Kersten, Das Klonen von Menschen, 2004, S. 313: „Denn eine sozialpsychologische Risikovorsorge ins Blaue hinein erlaubt die abwehrrechtliche Dimension der beschränkten Grundrechte nicht.“ Zur Abhängigkeit der Zulässigkeit eines Eingriffs davon, dass hinsichtlich der Beeinträchtigung des kollidierenden Rechtsguts eine gewisse Wahrscheinlichkeit attestiert werden kann vgl. nur BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 –, BVerfGE 120, 378, 428 bzw. Rn. 168; Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, BVerfGE 115, 320, 345 f. bzw. Rn. 88 (st. Rspr.). 918 Vgl. insbesondere nachstehend C.II., S. 228 f. sowie C.III., S. 229 ff. 919 Siehe zu diesem Maßstab nur: BVerfG, Beschluss vom 16. März 1971 – 1 BvR 52/66 –, BVerfGE 30, 292, 316 bzw. Rn. 64, juris (m.w. Nw., st. Rspr.). 920 So Moshe, Gespaltene Mutterschaft, 1998, S. 182 (wegen der empirisch nicht belegten Möglichkeit der Gefährdung des Kindeswohls). 921 Vgl. auch den (vom Bundesverfassungsgericht zusammengefassten) Vortrag des Berufsverbands der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, in BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/ 13 –, Rn. 20, wonach „[v]on nicht zu unterschätzenden Bedeutung für den Indentitätsprozess [. . .] die Erfahrung, von den Eltern durch das Zurückhalten von Informationen getäuscht worden zu sein“ sei. „Aus der Adoptionsforschung sei bekannt, dass das Aufwachsen in einer Täuschung (Nichtwissen über die Adoption) und die dann spätere Entdeckung/Mitteilung darüber oft zu einer gravierenden Erschütterung der eigenen Identität führten. Ähnliche Probleme würden von jungen Menschen berichtet, die spät, oftmals zufällig, über ihre Art der Zeugung Kenntnis erhielten.“
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Mittel, um potentiellen negativen Auswirkungen vorzubeugen.922 Aus diesem Grunde sollten Wunscheltern, die ihren Kinderwunsch mittels einer Eizellspende zu verwirklichen beabsichtigen, vor der Zeugung des Kindes in einem Beratungsgespräch923 über die Bedeutung der Offenlegung der Spende gegenüber dem Kind sowie über Strategien und günstige Zeitpunkte informiert werden.924 Aufgeklärt werden sollte hierbei auch über mögliche negative Folgen einer zufälligen Aufdeckung der Spende sowie über die Bedeutung der Offenlegung für die Eltern selbst. Dass eine Beratung der Eltern zu einer zunehmenden Offenlegung der Gametenspende gegenüber dem Kind führen würde, legt die Divergenz zwischen der Absicht vieler Eltern, das Kind über die Spende zu informieren, und der geringen Anzahl derer, die ihre Kinder trotz dieser Absicht aus Unsicherheit über die Art und Weise der Offenlegung und wegen befürchteter negativer Folgen für die Beziehung zum Kind nicht aufklären, nahe. Unterschätzt werden sollte zudem nicht, dass sich die Aufhebung des Verbotes der Eizellspende positiv auf die gesellschaftliche Akzeptanz einer Mutterschaft nach Eizellspende auswirken würde. Eine gesteigerte gesellschaftliche Akzeptanz aber hätte nicht nur positive Rückwirkungen auf das Selbstbild betroffener Kinder und Familien, sondern würde auch die Bereitschaft von Wunscheltern zu einem offenen Umgang mit der Gametenspende steigern. III. Sicherung des Rechts des zukünftigen Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung Auch die Möglichkeit des Kindes, Kenntnis über die Identität der Eizellspenderin zu erlangen, kann nach den vorliegenden Forschungsergebnissen einen Ausgleich für etwaige Belastungen schaffen. Dieser Befund untermauert die Bedeutung der Sicherung des Rechts des zukünftigen Kindes auf Kenntnis der eigenen (genetischen) Abstammung (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG).925 Dieses Recht beinhaltet zwar keinen gegen den Staat gerichteten Anspruch auf Ver-
922 Auch Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 49, interpretieren die vorliegenden Forschungsergebnisse in diesem Sinne („[. . .] frühzeitige Aufklärung der Kinder durchaus vorteilhaft, zumindest nicht schädlich“). 923 Zur Geeignetheit von Beratungsgesprächen als Mittel zum Schutz siehe nur BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90 –, BVerfGE 88, 203, 264 ff. bzw. Rn. 190 ff., juris. 924 Für eine psycho-soziale Beratung des Wunschelters auch etwa: Schumann, in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 128, sowie bereits in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 182 und 184; Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 54; Kaiser, in: Götz, Familie – Recht – Ethik, 2014, S. 369. 925 Nachweise hierzu in Fn. 529.
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schaffung von Informationen, verpflichtet diesen jedoch, „der Schutzbedürftigkeit der Einzelnen vor der Vorenthaltung verfügbarer Informationen über die eigene Abstammung bei der Ausgestaltung der Rechtsbeziehung zwischen den Betroffenen angemessen Rechnung zu tragen.“ 926 Der Spielraum, der dem Gesetzgeber bei der Entscheidung über die Sicherung des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung grundsätzlich zusteht, dürfte sich im Falle der Eizellspende (und im Übrigen auch der Samenspende) zu einer Regelungspflicht im Sinne einer absoluten Sicherung des Kenntnisrechts des Kindes verengen.927 Zu einer über § 1598a BGB möglichen, auf die Mitglieder der statusrechtlichen Familie als Anspruchsberechtigte und -verpflichtete beschränkten928 rechtsfolgenlosen Klärung der leiblichen Abstammung hat das Bundesverfassungsgericht zwar kürzlich entschieden, dass das Recht des (nicht anspruchsberechtigeten) vermeintlich leiblichen Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung die Schaffung eines derartigen Verfahrens nicht gebiete.929 Gesehen werden muss dabei jedoch, dass ein gewichtiger, gegen die Klärung der leiblichen Abstammung angeführter Grund im Falle der Eizellspende gegenstandslos ist. Denn der Schutz vor einer ungewollten Offenlegung einer geschlechtlichen Beziehung zwischen dem potentiellen leiblichen Vater und der Mutter des Kindes als Ausprägung des Rechts auf Achtung der Privat- und Intimsphäre dieser Per926
BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/13 –, Rn. 38 m.w. Nw. Siehe auch (zur Ei- und/oder zur Samenspende): Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 75 und 141; Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 86, Thesen 84 und 86; Kaiser, in: Götz, Familie – Recht – Ethik, 2014, S. 370. Vgl. ferner: Dethloff, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 22; Walper/Bovenschen/Entleitner-Phleps et al., in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Mutterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2016, S. 54; Kentenich/Griesinger, Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 2013, 273, 276; Thorn, Gynäkologische Endokrinologie 2013, 1, 5; Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 186; Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005, S. 109 ff. sowie 131; Brohm, JuS 1998, 197, 202, sowie allgemein zum Thema Busse, Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung bei heterologer künstlicher Befruchtung (Samenspende, Eispende, Embryospende), 1988. Zum Auskunftsrecht des Kindes über die Identität des Samenspenders siehe auch BGH, Urteil vom 28. Januar 2015 – XII ZR 201/13 –, BGHZ 204, 54. 928 Kritsch zur Konzeption des § 1598a BGB hinsichtlich des Ausschlusses des potentiellen leiblichen Vaters: Heiderhoff, FamRZ 2010, 8, 9; Helms, FamRZ 2010, 1, 7 f.; siehe auch: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 87, These 88. Kritisch zu einem Kenntnisrecht etwa: Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 45 und Fn. 38. Zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift hinsichtlich des Ausschlusses des potentiellen leiblichen Vaters siehe BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2008 – 1 BvR 1548/03 –, Rn. 16 ff. 929 BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/13 –, BVerfGE 141, 186; zugleich sprach es aus, dass die Verfassung der Schaffung eines solchen Tatbestandes nicht entgegensteht. 927
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sonen930 steht hier von vornherein nicht im Raum.931 Die Abgabe einer Eizellspende sollte deshalb von der Zustimmung der Spenderin abhängig gemacht werden, bestimmte personenbezogene Daten an das Kind weitergeben zu können.932 Die Möglichkeit, dem Kind Informationen über die Eizellspenderin zur Verfügung zu stellen, würde auch den Wunscheltern die Angst davor nehmen, dem Kind gegenüber keine Angaben über die Eizellspenderin machen zu können und somit die Wahrscheinlichkeit der – kindeswohldienlichen – Aufklärung des Kindes über die Geburt nach Gametenspende erhöhen. Für bestimmte Fälle der Samenspende hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des Gesetzes zur Errichtung eines Samenspenderregisters und zur Regelung der Auskunftserteilung über den Spender nach heterologer Verwendung von Samen (Samenspenderregistergesetz – SaSpRegG)933 mittlerweile entsprechende Maßnahmen ergriffen. Der Samenspender hat nach dem neu geschaffenen Gesetz zu Recht keinen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Identität eines mithilfe seines Samens gezeugten Kindes. Ein derartiges Recht sollte auch der Eizellspenderin nicht zustehen. IV. „Geeignetheit“ der plazentalen Wunschmutter zur Erziehung eines Kindes? Nicht selten wird gefordert, die Zulässigkeit der Inanspruchnahme einer Gametenspende oder vergleichbarer Maßnahmen unter den Vorbehalt der „Geeignetheit“ des Wunschelters zur Pflege und Erziehung eines Kindes zu stellen.934 Weil auch derartige Forderungen auf den Schutz des Wohls des zukünftigen Kindes zielen, sind sie nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Dennoch ist auch der intendierte Schutz des zukünftigen Kindes vor „ungeeigneten“ Eltern dem Einwand ausgesetzt, die Verhinderung der Existenz des Kindes als (unge930 BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/13 –, Rn. 54 und 58; siehe auch Beschluss vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 472/14 –, Rn. 29. 931 Ebenso wenig steht der Schutz der Spenderin der Sicherung des Rechts des Kindes entgegen, weil anders als bei der Adoption nicht die Gefahr bestehen kann, dass die Aufdeckung der (leiblichen beziehungsweise genetischen) Mutterschaft zur Gefährdung der Sicherheit der Spenderin führt (zur Berücksichtigung dieses Aspekts bei der Regelung der Adoption siehe etwa Cottier, in: Cottier/Rüetschi/Sahlfeld, Information & Recht, 2002, S. 47). 932 Zu Erfahrungen von Eizellspenderinnen mit der Offenlegung ihrer Identität siehe Graham/Jadva/Freeman et al., Human fertility 19 (2016), 230. 933 Siehe Art. 1 des Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 17. Juli 2017 (Nachweise zu dem Artikelgesetz finden sich in Fn. 659). 934 Siehe etwa Hübner, Die Embryoadoption, 2009, S. 239 ff., die sich für eine „umfassende Kindeswohlprüfung“ durch eine einzurichtende zentrale Registrierungsstelle ausspricht (Zitat ebd., S. 241 und im Zusammenhang mit der Embryoadoption). Siehe ferner: Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 7; Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 183. In dieselbe Richtung geht auch Diel, Leihmutterschaft und Reproduktionstourismus, 2014, S. 228 (im Zusammenhang mit Leihmutterschaften).
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eignetes) Mittel zu dessen Schutz einsetzen zu wollen.935 Jegliche Erwägungen zur Koppelung der Inanspruchnahme einer Eizellspende oder einer Samenspende an den Gedanken der „Geeignetheit“ des Wunschelters setzt deshalb voraus, dass die Entscheidung darüber, ob das jeweilige Wunschelter sich zur Pflege und Erziehung eines Kindes eignet, nicht in der Hand staatlicher Stellen, sondern in der Hand des Wunschelters selbst liegt. Es kann also stets nur um eine Beratung des Wunschelters mit dem Ziel gehen, dieses dabei zu unterstützen, eine selbstbestimmte Entscheidung über die Verwirklichung des Kinderwunsches zu treffen.936 Dies gilt konsequenterweise auch etwa für die Frage, ob das Wunschelter wegen seines gegebenenfalls fortgeschrittenen Alters nicht (mehr) geeignet scheint, ein Kind großzuziehen.937 Dessen ungeachtet liegt die Annahme nahe, dass die Forderung nach einer Überprüfung der „Geeignetheit“ des Wunschelters im Kontext reproduktionsmedizinischer Maßnahmen im unmittelbaren Zusammenhang mit der tatsächlichen Möglichkeit einer entsprechenden Kontrolle steht, die daraus resultiert, dass die Zeugung des Kindes nicht in einem intimen Rahmen stattfindet. Aus der bloßen Möglichkeit, die Bedingungen der Zeugung eines Kindes kontrollieren zu können, folgt jedoch nicht ohne Weiteres, dass eine Kontrolle verfassungsrechtlich zulässig ist.938 Zu reflektieren ist im Übrigen auch, warum die Überprüfung eines Wunschelters zwar in Fällen reproduktionsmedizinisch assistierter Zeugungen erfolgen können sollte, in denen Gametenspenden zum Einsatz kommen, nicht aber dann, wenn die eigenen Gameten des Wunschelters verwendet werden. Diesbezüglich gilt es, sich zu vergegenwärtigen, dass man mit einer unterschiedlichen Behandlung dieser beiden Fallgruppen der Möglichkeit, Elter eines genetisch ei935 Zur Ungeeignetheit des Mittels der Verhinderung der Existenz des Kindes zu dessen Schutz siehe bereits vorstehend A.II., S. 205 ff. 936 Siehe auch Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 264 ff., die das Wohl des Paares und das Selbstbestimmungsrecht von Patient*innen im Kontext reproduktionsmedizinischer Maßnahmen mit guten Gründen allgemein mehr in den Vordergrund rücken: „Indem primär auf die medizinischen und psychosozialen Aspekte bei den Wunscheltern und weniger auf das überwiegend bloss zu vermutende Wohl des erst noch zu zeugenden Kindes abgestellt würde, könnte überdies ein stringenter und kohärenter Rahmen geschaffen werden, in welchem im Behandlungsalltag die im Einzelfall mitunter komplexen und heiklen Fragen zu diskutieren und zu entscheiden wären“ (ebd., S. 272). 937 Gegen eine Altersgrenze auch Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 88 ff. und 325 ff., die zu Recht darauf aufmerksam macht, dass die Frage, ob die individuelle Fortpflanzungsunfähigkeit Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Gametenspenden ist, in der Literatur bislang „kaum diskutiert“ wird. Vgl. aber § 3 Abs. 3 des österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG), wonach die Zulässigkeit der Entgegegennahme einer Eizellspende unter anderem voraussetzt, dass die Wunschmutter „zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.“ Zum Aspekt des Alters auf der Ebene des Schutzbereichs der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials siehe bereits vorstehend, S. 82. 938 So auch Jofer, Regulierung der Reproduktionsmedizin, 2014, S. 162.
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genen Kindes zu werden, im Ergebnis derart großes Gewicht beimisst, dass diese sich in der Abwägung mit den im Übrigen für den Schutz des Kindes streitenden Gründen auch dann durchsetzt, wenn es sich um nachweislich gänzlich „ungeeignete“ genetische Eltern handelt.939 Anhand welcher Kriterien die „Geeignetheit“ einer Person zur Erziehung eines Kindes gemessen werden könnte, ist ohnehin unklar. Denn anders als bei der Adoption, bei der die Beurteilung, ob diese dem Kindeswohl dient und ob zu erwarten ist, dass zwischen dem*der Annehmenden und dem Kind ein ElternKind-Verhältnis entsteht (vgl. § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB), anhand des Wohls eines konkreten Kindes940 erfolgen kann, könnte sich eine Prüfung der „Geeignetheit“ des Wunschelters im Falle der Gametenspende alleine an einem abstrakt definierten Kindeswohl orientieren.941 Eine solche Vorgehensweise ist schon wegen der damit einhergehenden Gefahr der Diskriminierung verschiedener Lebensformen hochproblematisch,942 aber vor allem deshalb abzulehnen, weil sich kaum mit hinreichender Sicherheit prognostizieren lässt, wie sich das Leben der vermeintlich „ungeeigneten“ Eltern mit dem Kind entwickeln wird.943 939 Zum höchstpersönlichen Charakter der Verwirklichung des Kinderwunsches auch unter Rückgriff auf eine Gametenspende siehe vorstehend Teil 1, Abschnitt 3, D.II.4.a)aa), S. 85 f. 940 Zur Erforderlichkeit der Berücksichtigung des konkreten Kindeswohls bei der Zuweisung elterlicher Rechtspositionen siehe etwa Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 63. 941 Siehe auch Schumann, in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2012, S. 184: „[. . .] können Kindeswohlaspekte daher nicht Bestandteil einer konkreten Einzelfallprüfung sein.“ Vgl. aber Wapler, in: Funcke/Thorn, Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, 2010, S. 140 f., die zwar zutreffend bemerkt, dass der „positive“ Kindeswohlstandard auf nocht nicht vorhandene Kinder nicht angewendet werden könne, weil es ein „generelles Optimum, das für alle Kinder Gültigkeit erfahre, [. . .] nicht geben“ könne (ebd.), allerdings meint, der „negative“ Standard könne grundsätzlich herangezogen werden, „wenn das Kind nicht auf natürlichem Wege“ gezeugt werde (ebd., S. 141). Zur Unterscheidung zwischen positivem und negativem Kindeswohlstandard siehe Fn. 610. 942 Vgl. auch Sacksofsky, in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 124: „Es geht nicht an, dass Konflikte über Elternschaft von staatlichen Stellen materiell entschieden werden, etwa im Sinne einer Prognose, bei welchem Elternpaar ein Kind am besten aufwachsen könnte. Denn das Kindeswohl, welches bei Sorgerechtsentscheidungen eine Rolle spielt, ist bei der Feststellung von Elternschaft zum Zeitpunkt der Geburt kein aussagekräftiges Kriterium. Zu groß ist die Gefahr, dass das Kindeswohl [. . .] nach sozio-ökonomischen Kriterien interpretiert wird und damit zu einer Diskriminierung nach sozialer Schicht führt. Genau eine solch materielle staatliche Entscheidungsbefungnis untersagt Artikel 6 Absatz 2 GG, wenn er vom ,natürlichen Recht‘ der Eltern spricht.“ In diesem Sinne auch Büchler/Clausen, FamPra.ch 2014, 231, 244 sowie 266 (zum schweizerischen Fortpflanzungsmedizingesetz). 943 Siehe auch Coester-Waltjen, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Band I, 1986, S. B 46: „Hinzu kommt, daß alle Aussagen über das künftige Wohl des Kindes spekulativ sein müssen und in diesem Zusammenhang anmaßend erscheinen.“
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V. Alleinelternschaft der plazentalen Wunschmutter? Weil die Eizellspenderin nach hier vertretener Auffassung schon nicht dem persönlichen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG untersteht und auch ein Samenspender nicht zwingend als Elter im Sinne der Vorschrift anzusehen ist,944 besteht die Möglichkeit, dass es im Falle der Verwirklichung des Kinderwunsches der plazentalen Wunschmutter unter Rückgriff auf eine Eizellspende zu einer verfassungsrechtlichen „Alleinelternschaft“ kommt. Dies ist der Fall, wenn sich die plazentale Wunschmutter nicht nur einer Eizellspende, sondern auch einer Samenspende bedient und kein zweites Wunschelter bereitsteht, das an die Stelle der Spendeeltern tritt. Möchte der Gesetzgeber das „Risiko“ der Entstehung einer solchen Alleinelternschaft verringern, könnte er dies etwa durch Schaffung sensibler Sanktionstatbestände zu Lasten der Institution tut, die eine Zeugung ohne Zustimmung eines zweiten Wunschelters vornimmt.945 Dass sich derartige, mittelbar auch zu Lasten der grundrechtlich geschützten Freiheit der plazentalen Wunschmutter auswirkende Sanktionen verfassungsrechtlich rechtfertigen ließen, ist indes nicht ohne Weiteres gesagt.946 Auf den Schutz des Wohls des zukünftigen Kindes kann aus den bereits genannten Gründen auch insoweit nicht zurückgegriffen werden.947 Unabhängig davon wird die Situation von alleinerziehenden Frauen und Kindern nach Gametenspende zwar empirisch durchaus kritisch beurteilt; vermutet wird, dass die Kombination aus Alleinerziehung und unbekanntem Vater948 die Kinder einem höheren psycholo-
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Siehe vorstehend S. 127 ff. Vgl. auch § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Hs. 1 i.V. m. § 3 Abs. 1 Hs. 1 des Samenspenderregistergesetzes (siehe Fn. 933), wonach ein Verstoß gegen die Pflicht der Entnahmeeinrichtung, die Samenspende nur an eine „Einrichtung der medizinischen Versorgung“ abzugeben, mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu dreißigtausend Euro geahndet werden kann. Die Vorschrift dient nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung dazu, das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung „möglichst umfassend gewährleisten zu können“, siehe BT-Drs. 18/11291, S. 26. Vgl. ferner Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 22, nach dem Rechtsordnungen, die die Elternschaft lediglich einer Person verhindern möchten, „insbesondere dem medizinischen Personal klare rechtliche Vorgaben machen“ müssen (in Bezug auf von einer Samenbank bezogene Spenden). 946 Der 71. Deutsche Juristentag allerdings hat im Kontext der Samenspende beschlossen, die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft des Samenspenders „im Fall der privaten Samenspende“ (unter der, entgegen der sonst tendenziell üblichen Terminologie, vermutlich der Fall zu verstehen ist, in dem die Spende nicht von einer Samenbank stammt und die Befruchtung durch Selbstinsemination erfolgt), zuzulassen, wenn dem Kind neben der Mutter kein zweites rechtliches Elter zugeordnet ist, siehe Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, 2017, S. P 64, Beschluss A.III.6.c) sowie, hinsichtlich der Terminologie, Beschlüsse A.III.6.a) und b). 947 Zur Ungeeignetheit des Mittels der Verhinderung der Existenz des Kindes zu dessen Schutz siehe bereits vorstehend A.II., S. 205 ff. 945
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gischen Risiko aussetzen könnte als andere Kinder nach Gametenspende.949 Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass die Adoption eines Kindes durch eine alleinstehende Person – bei der der Gesetzgeber sogar dem positiven Kindeswohlstandard verpflichtet ist950 – nach geltender Rechtslage möglich ist (vgl. § 1741 Abs. 2 BGB).951 Nicht übersehen werden darf auch, dass das Bundesverfassungsgericht das Verbot der Sukzessivadoption952 insoweit als verfassungsgemäß erachtete, als das von einem*einer Lebenspartner*in bereits angenommene Kind „abweichend vom in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unterstellten Fall, nicht mehrere ,Eltern‘, sondern lediglich einen Elternteil hat“.953 Denkbar wären Restriktionen deshalb nur, wenn man davon ausgehen müsste, dass die Belastungen, die die staatliche Gemeinschaft wegen einer solchen Alleinelternschaft erfährt, derart groß sind, dass sie einen Eingriff in die Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials der Wunschmutter rechtfertigten. Dass dem so sein könnte, ist jedoch nicht anzunehmen.954 All dies hindert selbstverständlich nicht daran, 948 Zur Sicherung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner (genetischen) Abstammung siehe bereits vorstehend C.III., S. 229 ff. 949 Ergebnisse liegen allerdings nur zu Kindern im Alter von 9 Monaten und 2 Jahren vor, siehe Golombok, Child Development Perspectives 7 (2013), 61, 64 m.w. Nw., sowie Murray/Golombok, Human Reproduction 20 (2005), 1655. Zu Unterschieden bei der (Absicht der) Offenlegung einer erfolgten Samenspende zwischen freiwillig alleinerziehenden Müttern und Paaren mit Kindern im Alter zwischen vier und acht Jahren siehe Freeman/Zadeh/Smith et al., Reproductive BioMedicine Online 33 (2016), 592. 950 Siehe Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 63; zur Unterscheidung zwischen negativem und positivem Kindeswohlstandard siehe Fn. 610. 951 Siehe auch Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 61, sowie Helms, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band I, 2017, S. F 22. 952 Zu dieser Entscheidung siehe vorstehend Abschnitt 2, B.IV., S. 114 ff. 953 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11 –, BVerfGE 133, 59, 75 bzw. Rn. 44. Kritisch hierzu: Lembke, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 2014, S. 40 sowie Fn. 40 [im Hinblick auf das Kindeswohl und unter Verweis auf die erhöhte Armutsgefährdungsquote von Personen in Haushalten von Alleinerziehenden mit Kind(ern)], sowie ebd., S. 66 f. (unter anderem unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1991 – 1 BvL 32/88 –, BVerfGE 84, 168, Rn. 42 – Zuordnung des Sorgerechts zu nur einem Elter als potentiell erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls). Dem Bundesverfassungsgericht zustimmend hingegen wohl Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 197 f. 954 Auch der Arbeitskreis Abstammungsrecht hält es im Falle der (gesetzlich nicht verbotenen) Inanspruchnahme einer Samenspende durch eine alleinstehende Frau für „verfassungsrechtlich nicht geboten, den Samenspender [. . .] als rechtlichen Vater heranzuziehen.“, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, S. 61 (im Zusammenhang mit der medizinisch assistierten Zeugung unter Verwendung einer offiziellen Samenspende und unter Hinweis darauf, dass die Frage der Verwirklichung des Kinderwunsches einer alleinstehenden Frau unter Verwendung einer Samenspende nicht zum Aufgabenkreis des Arbeitskreises gehörte). Siehe auch Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, S. 72 ff. und 126 f., dort Empfehlung c) (im Zusammenhang
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die sich im Zusammenhang mit einer Alleinelternschaft stellenden Fragen mit der plazentalen Wunschmutter bei der Beratung über die Verwirklichung ihres Kinderwunsches zu diskutieren. VI. Medizinische Indikation? Gefordert wird auch, die Zulässigkeit der Entgegennahme einer Eizell-, einer Samenspende oder überhaupt die Zulässigkeit der Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Maßnahmen von einer medizinischen Indikation abhängig zu machen.955 Hintergrund dieser oftmals nicht weiter begründeten Forderung ist möglicherweise, dass Personen, die sich ohne medizinische Indikation reproduktionsmedizinischer Maßnahmen bedienen, die Ernsthaftigkeit des Kinderwunsches abgesprochen wird. Dass diese Ansicht hier nicht geteilt wird, wurde bereits im Rahmen der Ausführungen dazu festgestellt, dass der Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials die (teilweise) Fortpflanzungsunfähigkeit des auf eine Gametenspende zurückgreifenden Wunschelters nicht voraussetzt.956 Als Rechtfertigung für die Beschränkung der Verwirklichung des Kinderwunsches unter Inanspruchnahe einer Gametenspende kommen deshalb allenfalls medizinische Risiken für das Wunsch- oder das Spendeelter in Betracht. Da diese Risiken jedoch auch im Falle der Eizellspende überschaubar sind, dürfte eine insoweit ohnehin erforderliche Aufklärung sowohl der Eizellspenderin als auch der plazentalen Wunschmutter ausreichen.957 Gründe mit der Embryoadoption und mit der Empfehlung, alleinstehende Frauen nicht „nicht von vornherein von einer Embryoadoption“ auszuschließen). Geht es um die Alleinelternschaft eines Mannes, kommt es zusätzlich darauf an, wie man die Ersatzmutterschaft verfassungsrechtlich bewertet. 955 Vgl. etwa § 6 Abs. 1 AME-FMedG (hierzu Fn. 14), abgedruckt in: Gassner/Kersten/Krüger et al., Fortpflanzungsmedizingesetz, 2013, S. 5, wonach die Zulässigkeit der Verwendung von Fremdeizellen davon abhängen soll, dass die Wunschmutter „nicht fortpflanzungsfähig ist oder bei der Verwendung ihrer Eizellen die Gefahr einer schweren Erbkrankheit für das gewünschte Kind besteht.“ Ähnlich: § 3 Abs. 3 des österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG). Siehe ferner § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Anforderungen an Qualität und Sicherheit der Entnahme von Geweben und deren Übertragung nach dem Transplantationsgesetz (TPG-GewV), wonach es für die Verwendung von Keimzellen im Rahmen von Maßnahmen einer medizinisch unterstützten Befruchtung erforderlich ist, dass nach ärztlicher Beurteilung die Verwendung medizinisch indiziert und der gesundheitliche Schutz der Empfängerin und des Kindes gewährleistet sind. Zwar dient diese Regelung der Umsetzung von Artikel 4 Abs. 2 i.V. m. Anhang III Nr. 2.1. der Richtlinie 2006/17/EG vom 8. Februar 2006, Abl. EU 2006, Nr. L 38/40 (siehe BR-Drs. 939/07, S. 22); dieser bezieht sich jedoch alleine auf die spendende Person, nicht auch auf Empfänger*innen der Spende. 956 Vorstehend Teil 1, Abschnitt 3 unter D.II.3.a)bb)(1)(b), S. 77 ff., sowie unter D.II.3.b), S. 82 f. 957 Ebenso etwa (bezüglich der Eizellspenderin) Müller-Terpitz, ZRP 2016, 51, 54 (mit dem zutreffenden Hinweis, medizinische Gefährdungen infolge der Eizellentnahme bestünden auch im homologen System); Gassner, ZRP 2015, 126; vgl. auch Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018, S. 138.
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für einen oktroyierten Schutz der einen oder der anderen Frau sind nicht ersichtlich.958
Ergebnis zu Teil 3 Die vorgenommene verfassungsrechtliche Überprüfung des geltenden Verbots der Eizellspende unter Berücksichtigung auch der Vorgaben der EMRK959 hat ergeben, dass sich das Verbot mittels des Arguments des Schutzes des Kindeswohls nicht rechtfertigen lässt und es, in Ermangelung anderer, das Verbot möglicherweise tragender Gründe, deshalb verfassungswidrig ist. 1. Zwar ist der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz des Kindeswohls als Schutz des Grundrechts des zukünftigen Kindes auf Persönlichkeitsentwicklung (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein legitimes Ziel, zu dessen Gunsten ein Eingriff in die Freiheit der plazentalen Wunschmutter zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) potentiell möglich erscheint.960 Die Verhinderung der Existenz des Kindes ist jedoch schon kein geeignetes Mittel zum Schutz des Kindes.961 Bereits deshalb ist der Gesetzgeber gehalten, das Verbot des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG aufzuheben. Die Voraussetzungen der Zulassung der Eizellspende sind wegen der hohen grundrechtlichen Relevanz der Materie durch förmliches Gesetz zu regeln.962 2. Ungeachtet dessen lässt sich aus vorliegenden empirischen Untersuchungen zu Kindern und Familien, die durch Gametenspenden entstanden sind, ableiten, dass die Annahme des Gesetzgebers, mit dem Auseinanderfallen von genetischer und plazentaler Mutterschaft gehe das Risiko einer Kindeswohlgefährdung einher, äußerst fragwürdig ist. Soweit in den Untersuchungen Besonderheiten festgestellt wurden, die im Zusammenhang mit der Geburt nach Gametenspende stehen, gründeten diese in einer späten Aufklärung der Kinder über ihre besondere Entstehung. Derartigen, nicht ohne Weiteres mit einer Beinträchtigungen des Kindeswohls gleichzusetzenden, Belastungen kann jedoch vorgebeugt werden, weshalb das Verbot der Eizellspende nicht nur zum Schutz des Kindes ungeeignet, sondern darüber hinaus nicht erforderlich sowie unangemessen ist.963 Zum sogenannten informed consent siehe beispielsweise Damm, in: Kettner, Wunscherfüllende Medizin, 2009, S. 184 f., ferner Koppernock, Das Grundrecht auf bioethische Selbstbestimmung, 1997, 49 ff. 958 Zum Thema „Grundrechtsschutz vor sich selbst“ siehe etwa Hochhuth, in: Anderheiden/Bürkli/Heinig et al., Paternalismus und Recht, 2006, S. 207; Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 370 f., sowie Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992. 959 Hierzu vorstehend B., S. 208 ff. 960 Hierzu vorstehend A.I., S. 183 ff. 961 Hierzu vorstehend A.II., S. 205 ff. 962 Siehe hierzu vorstehend unter C., S. 219 ff. 963 Hierzu vorstehend C.I., S. 221 ff.
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3. Als präventive Maßnahmen zur Verhinderung etwaiger Beeinträchtigungen des nach einer Eizellspende geborenen Kindes kommt insbesondere eine Beratung der Wunscheltern vor allem über die Bedeutung einer frühzeitigen Offenlegung der Eizellspende und über mögliche Strategien und Zeitpunkte hierfür in Betracht.964 Auch die Sicherung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung erscheint zur Unterstützung des Kindes bei der Verarbeitung des Wissens um seine besondere Entstehung geeignet. Die Zulässigkeit der Abgabe einer Eizellspende sollte deshalb an die Zustimmung der Spenderin geknüpft werden, bestimmte personenbezogene Daten an das Kind weitergeben zu können.965 4. Aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist es, die Zulässigkeit der Entgegennahme einer Eizellspende von der (positiven) Prüfung der „Geeignetheit“ der plazentalen Wunschmutter zur Pflege und Erziehung eines Kindes abhängig zu machen.966 Ähnliches gilt hinsichtlich der Überlegung, eine Alleinelternschaft der plazentalen Wunschmutter verhindern zu müssen.967 Schließlich besteht auch kein Anlass, die Zulässigkeit der Inanspruchnahme einer Eizellspende von einer medizinischen Indikation abhängig zu machen.968 Auch bezüglich dieser Erwägungen erscheint es sinnvoll und ausreichend, die plazentale Wunschmutter durch eine entsprechende Aufklärung dabei zu unterstützen, eine selbstbestimmte Entscheidung über die Verwirklichung ihres Kinderwunsches unter Rückgriff auf eine Eizellspende zu treffen.
964 965 966 967 968
Hierzu vorstehend C.II., S. 228 f. Hierzu vorstehend C.III., S. 229 ff. Hierzu vorstehend C.IV., S. 231 ff. Hierzu vorstehend C.V., S. 234 ff. Hierzu vorstehend C.VI., S. 236.
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Stichwortverzeichnis Adoption 18, 114 ff., 148 ff., 173, 223, 226 Angemessenheit des Verbots der Eizellspende 228 Aufklärung (siehe Beratung) Beratung von Wunscheltern 228 f., 232, 235 f., 236 Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung 124 ff. (siehe auch Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung) Berufensein zur Übernahme elterlicher Verantwortung 124 ff. Ehe, Fortpflanzungsfunktion 45 ff. Eizellspender*in (siehe Gametenspender*in) Elternrecht (siehe auch Elternverantwortung) – dienender Charakter 147 – Trägerschaft 99, 112 f., 153 Elternschaft – Alleinelternschaft 130, 132 f., 172, 234 ff. – Formen 20 ff. – soziale Elternschaft 114 f., 120, 122, 143 ff. – verfassungsrechtliche – und Elternbegriff im Sinne des Familienbegriffs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG 33 f. – und Elternverantwortung (prima facie-Recht) 153 ff. – und gesetzliche Elternschaft 110 ff., 118 f., 142 ff. – und Kindeswohl 147 f. – und Recht auf gesetzliche Ausgestaltung 148, 159, 169
– Verzicht 129 ff. Elternverantwortung – und gesetzliche Elternschaft 99, 110 ff., 119 f., 153 ff. – Verzicht 129 ff., 145 – von mehr als zwei Personen 160 ff. – Zwei-Eltern-Doktrin des Bundesverfassungsgerichts 153 ff. Erforderlichkeit des Verbots der Eizellspende 228 Ersatzmutterschaft 18, 21, 69 f., 73, 76, 80, 81, 82, 90 (Fn. 328), 135 (Fn. 533), 170 Europäische Menschenrechtskonvention (siehe auch unter Familie) – konventionsrechtliche Beurteilung des Verbots der Eizellspende 217 f. – konventionsrechtliche Erfassung des Kinderwunsches und dessen Verwirklichung 210 ff. – und Schutzmaßnahmen zu Gunsten des Schutzes des zukünftigen Kindes 215 f. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (siehe Europäische Menschenrechtskonvention) Familie – Begriff des Familienlebens in Art. 8 Abs. 1 Var. 2 EMRK 213 – Familienbegriff des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG 33 ff. – Gründung einer und Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 Var. 2 GG 54 ff. Fortpflanzung, Formen 19 f. Fortpflanzungspotential – Begriff 70 f., 72 f.
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Stichwortverzeichnis
– Entgegennahme einer Eizellspende als Maßnahme zur Wiederherstellung des Fortpflanzungspotentials 77 ff. – gegengeschlechtliches, Begriff 75 f. – gleichgeschlechtliches, Begriff 75 (Fn. 278), 81 f. Fortpflanzungsfähigkeit – und Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit (Ehe) 47 ff. – und Schutzbereich der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials 79 ff., 82 Gametenspende – gegengeschlechtliche (Begriff) 75 f. – gleichgeschlechtliche (Begriff) 75 (Fn. 278), 81 f. – offizielle, Begriff 128 – private, Begriff 128 Gametenspender*in – und Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials 69 f. – und verfassungsrechtliche Elternschaft 98, 120 f., 127 f. – Verzicht auf verfassungsrechtliche Elternschaft 129 ff. – Zustimmung zur Weitergabe personenbezogener Daten 231 Gebot der Übereinstimmung von leiblicher und gesetzlicher Elternschaft (siehe Gesetzgeber) Geeignetheit des Verbots der Eizellspende 205 ff. genetische Elternschaft – und Berufensein zur Übernahme elterlicher Verantwortung 126 – und Kinderwunsch 85 f. – und Zeugungsverantwortung 127 Geschlechtsakt, Zeugungsverantwortung durch Ausübung des 126 f. gesellschaftliche Vorstellungen, Relevanz bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG 98, 116 ff.
Gesetzgeber (siehe auch unter Elternschaft) – Ausgestaltung verfassungsrechtlicher Elternverantwortung 167 ff. – Gebot der Übereinstimmung von leiblicher und gesetzlicher Elternschaft 99, 113 f., 139 ff. – Recht auf gesetzliche Ausgestaltung der Elternverantwortung 148, 159 Grundrechtskollision 160 ff., 194 ff. heterologes System 22 f. (Begriff), 76 homologes System 22 f. (Begriff), 76 Identitätsfindung (siehe auch Kind, Forschungsergebnisse) 183 f., 186 Kind – Forschungsergebnisse zu Kindern, die mittels Gametenspenden gezeugt wurden 221 ff. – Recht auf ein 70 ff. – Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung 229 ff. – Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung 131 ff. – Schutzmaßnahmen zu Gunsten des Schutzes des zukünftigen Kindes 183 ff. – Schutzmaßnahmen zu Gunsten des Schutzes des zukünftigen Kindes unter der EMRK 215 f. – Verhinderung der Existenz des Kindes als Maßnahme zu dessen Schutz 205 ff. Kinderwunsch, Verwirklichung des – abwehrrechtlicher Charakter der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials 70 ff. – als Entscheidung höchstpersönlichen Charakters 85 f. – Erfassung durch die EMRK 210 ff. – grundlegende Bedeutung für die eigene Lebensgestaltung 69 ff.
Stichwortverzeichnis – individualrechtlicher Charakter der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials 75 f. – Motivation, elterliche Verantwortung zu übernehmen 69 – Sozialbezug 86 ff. – spezifischer Schutzgehalt der Freiheit zur Nutzung verfügbaren Fortpflanzungspotentials 69, 79 – und Fortpflanzungsfähigkeit 79 ff., 82 Kindeswohl (siehe auch unter Kind und Schutzpflicht) – als objektiver Verfassungswert 190 ff. – Begriff 185 f. – und Elternbegriff des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 GG 147 f. – und Mehrfachelternverantwortung 153 ff., 160 ff. – und Wunschelternschaft 117 – und Zwei-Eltern-Doktrin des Bundesverfassungsgerichts 153 ff. Leihmutterschaft (siehe Ersatzmutterschaft) Mutterschaft (siehe auch Elternschaft, Elternverantwortung und Wunschelter) – Formen 20 ff. – plazentale Mutterschaft und genetische Mutterschaft 95 f. – plazentale Mutterschaft und soziale Mutterschaft 120 f. Prima facie-Recht auf Pflege und Erziehung des Kindes (siehe Elternverantwortung) Schutzpflicht – Grenzen zukunftsbezogener Schutzpflichten im reproduktionsmedizinischen Kontext 203 f. – und Wohl des zukünftigen Kindes 194 ff. Schwangerschaft, Nichtfortsetzung 18 Spendeelter (siehe Gametenspender*in)
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Trägerschaft elterlicher Verantwortung (siehe Elternrecht) Umgangsrecht 36, 37, 164 Vaterschaft (siehe auch Elternschaft, Elternverantwortung und Wunschelter) – Formen 20 ff. – gesetzliche – gesetzliche Vaterschaftstatbestände als Vermutungstatbestände 139 ff. – gesetzliche Vaterschaftstatbestände und Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung 139 ff. – und verfassungsrechtliche Elternschaft 110 ff., 118 f., 142 ff. – und verfassungsrechtliche Elternverantwortung 99, 110 ff., 119 f., 153 ff. – leibliche – Begriff 20 f., 124 – und Elternverantwortung (prima facie-Recht) 111 f., 119, 159 f. – und Zeugungsverantwortung 126 f. Verzicht (siehe Elternschaft und Elternverantwortung) Wille zur Übernahme elterlicher Verantwortung (siehe auch Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung und Vaterschaft, gesetzliche) – und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 137 ff. – und verfassungsrechtlicher Elternbegriff 125 f. Wunschelter (siehe auch Elternschaft) – Alleinelternschaft 130, 132 f., 172, 234 ff. – Alter 82 f., 232 – Beratung 228 f., 232, 235 f., 236 – Geeignetheit zur Pflege und Erziehung des Kindes 231 ff. Wunschmutter (siehe auch Elternschaft und Wunschelter)
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Stichwortverzeichnis
– plazentale Wunschmutter als Träger*in verfassungsrechtlicher Elternverantwortung 121, 165 f., 166 f. – plazentale Wunschmutter als verfassungsrechtliches Elter 120 f., 135, 152 Zeugung – und äußerer Rahmen, in dem diese stattfindet 74 f. – Zustimmung zur 127 f., 169
Zeugungsverantwortung – als Begründungsmerkmal verfassungsrechtlicher Elternschaft 126 ff. – durch Ausübung des Geschlechtsaktes 126 – durch Zustimmung zur Zeugung 127 ff. – Vermutung des Bestehens der 127, 128 Zurechnung 126 ff.