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German Pages 327 Year 2016
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 65
Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO Zugleich ein Beitrag zur Kohärenz des europäischen IPR
Von
Julian Emmerich
Duncker & Humblot · Berlin
JULIAN EMMERICH
Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Begründet von Professor Dr. Wolfgang Blomeyer † und Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 65
Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO Zugleich ein Beitrag zur Kohärenz des europäischen IPR
Von
Julian Emmerich
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 2015/ 2016 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnte bis Juli 2015 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Urs Peter Gruber, an dessen Lehrstuhl ich nun seit über zwei Jahren tätig sein darf. Er hat diese Arbeit stets gefördert und mir genügend Freiraum zur zügigen Fertigstellung gelassen. Danken möchte ich außerdem Frau Prof. Dr. Christina Eberl-Borges für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Diese Dissertation wäre ohne tatkräftige Unterstützung aus meinem Umfeld nicht möglich gewesen. Großer Dank gebührt meinen Eltern, Konstanze und Dr. Peter Emmerich, die mich durch wertvolle inhaltliche Hinweise und intensives (und anstrengendes) Korrekturlesen unterstützt haben. Bedanken möchte ich mich darüber hinaus bei Caroline Roggenbuck, die mir nicht nur durch inhaltliche Anregungen, sondern auch durch große moralische Unterstützung während der Zeit meiner Dissertation zur Seite stand. Danken möchte ich ferner Dr. Max Oehm für seine Hilfe beim Korrekturlesen dieser Arbeit. Frankfurt am Main, Februar 2016
Julian Emmerich
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Überblick und Entwicklungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Grenzen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Kapitel 1 Die nationalstaatlichen Kollisionsnormen Deutschlands und Frankreichs vor Inkrafttreten der EuErbVO
29
A. Das deutsche internationale Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Die Grundregel des Art. 25 Abs. 1 EGBGB: Staatsangehörigkeitsprinzip . . . . . . . . 29 1. Die einheitliche Qualifikation als Rechtsnachfolge von Todes wegen . . . . . . . . . 29 2. Objektive Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers . . . . . . . . . . . . 30 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Feststellung der Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 c) Mehrstaater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 d) Staatenlose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Die subjektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Wahl deutschen Rechts nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Bedeutung und Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Qualifikation als unbewegliches Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 c) Voraussetzungen einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB . . . . . . . . . . 35 aa) Modalitäten einer Rechtswahl nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 35 bb) Konkludente Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 cc) Das auf die Rechtswahl anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 d) Folge einer wirksamen Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 e) Folgen einer „unwirksamen“ Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 aa) Folgen der Wahl des objektiv anwendbaren deutschen Rechts . . . . . . . . . 37 bb) Unwirksame Wahl ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 cc) Handeln unter falschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Wahl eines Rechts gemäß dem nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Recht 39
8
Inhaltsverzeichnis 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Die Art der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Grundsatz der Gesamtverweisung (Art. 4 Abs. 1 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Ausnahmsweise Sachnormverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Sinn und Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Sinn und Zweck der Zulassung des Renvoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Sinn und Zweck der Ausnahmen vom Grundsatz der Gesamtverweisung . . . . 43 4. Bedeutung des Renvoi im internationalen Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Die Reichweite der Nachlasseinheit im deutschen IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Begründung der einheitlichen Anknüpfung nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB . . . . . . 44 2. Rechtliche Nachlassspaltung trotz Geltung deutschen IPRs . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Nachlassspaltung durch den „Vorrang des Einzelstatuts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 bb) „Besondere Vorschriften“ i.S.v. Art. 3a Abs. 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . 46 cc) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 dd) Begründung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Nachlassspaltung durch Renvoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Nachlassspaltung durch Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 aa) Nachlassspaltung aufgrund einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB 49 bb) Nachlassspaltung aufgrund einer Rechtswahl nach dem nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. Faktische Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Begriff und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Faktische Nachlassspaltung aufgrund unterschiedlicher Anknüpfungskriterien für das Gesamtstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Faktische Nachlassspaltung aufgrund mehrerer Staatsangehörigkeiten . . . . . . 51 d) Faktische Nachlassspaltung durch Gesamtverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 e) Faktische Nachlassspaltung durch Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 V. Zusammenfassung zum bisherigen deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
B. Das französische internationale Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Die Grundregel: Domicile-Prinzip und Anwendung des Belegenheitsrechts . . . . . . 53 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Die Qualifikation als Rechtsnachfolge in Mobiliarvermögen und Immobiliarvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Objektive Anknüpfung an den Wohnsitz (Domicile) und Belegenheitsort . . . . . . 55 a) Rechtsnachfolge in Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Rechtsnachfolge in bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Inhaltsverzeichnis
9
bb) Der Begriff des Domicile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 cc) Die Elemente des domicile volontaire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 dd) Die Interpretation des Domicile-Begriffes im IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 ee) Überblick über die Rechtsprechung in problematischen Fällen . . . . . . . . . 59 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Die subjektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 III. Die Art der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Beschränkte Zulassung des Renvoi im französischen IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Differenzierte Haltung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Sinn und Zweck des Renvoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Bedeutung des Renvoi im internationalen Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 IV. Die Reichweite der Nachlassspaltung im französischen IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Begründung der Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Grundsätzliche Nachlassspaltung bei Anwendung französischen IPRs . . . . . . . . 65 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Ausländische Immobilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Ausländischer Domicile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Nachlasseinheit durch Renvoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4. Möglichkeiten der Umgehung der Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5. Rechtliche Folgen der Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 V. Zusammenfassung zum bisherigen französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 C. Zusammenfassung der Probleme eines grenzüberschreitenden Nachlasses nach der bisherigen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I. Qualifikationsprobleme bei unbeweglichem und beweglichem Vermögen . . . . . . . . 69 II. Rechtliche Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 III. Häufige Anwendung ausländischen Sachrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IV. Rück- oder Weiterverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 V. Ungültigkeit einer getroffenen Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 VI. Faktische Nachlassspaltung bzw. hinkende Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Kapitel 2 Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
73
A. Die Grundregel des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO: Aufenthaltsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Kohärenz in der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Der gewöhnliche Aufenthalt als zentrales Anknüpfungskriterium des EuIPR . . . 73
10
Inhaltsverzeichnis 2. Bedürfnis nach einer abweichenden Anknüpfung im internationalen Erbrecht?
74
a) Diskussion um die Aufenthaltsanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Kohärenz in der Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Fehlende Definition des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Anhaltspunkte für den Begriff in der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Ausschluss des nationalen Begriffsverständnisses und der Übertragung der EuGH-Rechtsprechung außerhalb des IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Nationales Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Wohnsitzbegriff des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4. Einheitliches Begriffsverständnis des EuIPR? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Begriffsverständnis in anderen IPR-Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 cc) Rom III-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 dd) Brüssel IIa-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 ee) Haager Übereinkommen von 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 aa) In doppelter Hinsicht autonome Begriffsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 bb) Fehlende Übertragbarkeit der Kriterien des HÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 cc) Stark begrenzte Übertragbarkeit der Brüssel IIa-Kriterien . . . . . . . . . . . . . 91 dd) Fehlende Grundlage und fehlendes Bedürfnis für eine einheitliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 III. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . 97 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Objektive Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Keine Mindestaufenthaltsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 c) Keine Vermutung für das Bestehenbleiben des gewöhnlichen Aufenthalts im Heimatstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Erfordernis eines subjektiven Elements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Rein objektives Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Auch subjektives Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Überwiegend subjektives Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 e) Willensberücksichtigung bei Demenzkranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 f) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Subjektives Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Erwägungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Inhaltsverzeichnis
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(2) Systematik der objektiven und subjektiven Anknüpfung . . . . . . . . . . . 106 (3) Erbrechtsspezifische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (4) Willensautonomie aufgrund der Mobilität im europäischen Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Grenzen des subjektiven Verständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 cc) Lösung bei nicht willensgetragenen Aufenthaltswechseln . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Keine „Ableitung“ des gewöhnlichen Aufenthalts von Bezugspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Folgen des subjektiven Begriffsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts „am ersten Tag“ . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Bestehenbleiben des gewöhnlichen Aufenthalts auch nach Ablauf einiger Zeit 112 5. Einheitliches Verständnis innerhalb der EuErbVO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Zusammenfassung und Stellungnahme zur Kohärenz des EuIPR . . . . . . . . . . . . . . . 117 B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Kohärenz in der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Die Ausweichklausel als häufiges Instrument des EuIPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Lagarde-Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Bedürfnis für eine Ausweichklausel im internationalen Erbrecht? . . . . . . . . . . . . 120 a) Darstellung der Ausweichklausel (Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) . . . . . . . . . . . . . 120 b) Kritik an der Ausweichklausel in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Kohärenz in der Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Darstellung der Ausweichklauseln in anderen Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) HUntProt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Funktion der Ausweichklausel in der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Untersuchung von für die Ausweichklausel möglicherweise relevanten Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Tod kurz nach Umzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 bb) In sonstiger Weise fortbestehende starke Bindung zum früheren Aufenthaltsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 cc) Umzug der ganzen Familie aus beruflichen Gründen mit Rückkehrabsicht 131
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Inhaltsverzeichnis dd) Umzug Demenzkranker bzw. Pflegefälle in einen anderen Staat aus Kostengründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 ee) Dauerhafter Aufenthalt im Ausland trotz starker Bindungen zum Heimatstaat („Mallorca-Rentner“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 ff) Tod unmittelbar vor geplantem Aufenthaltswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 gg) Grenzpendler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Weitere Thesen der Literatur zur Funktion der Ausweichklausel . . . . . . . . . . 137 aa) Ausweichklausel zur Berücksichtigung „spezifisch erbrechtlicher Gesichtspunkte“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Ausweichklausel bei anderer Gewichtung der Aufenthaltskriterien? . . . . 141 cc) Ausweichklausel bei fehlender Interessengerechtigkeit der Regelanknüpfung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 dd) Ausweichklausel zur Wahrung des Gleichlaufs von forum und ius? . . . . . 142 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 III. Zusammenfassung und Stellungnahme zur Kohärenz des EuIPR . . . . . . . . . . . . . . . 145
C. Abschließende Würdigung der objektiven Anknüpfung und Lösung der übrigen Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Fehlende Definition des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Zusammenfassung zur Anwendung des Art. 21 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Lösung der übrigen Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Berufspendler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Auslandsstudenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Profisportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Häftlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Kapitel 3 Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
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A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Kohärenz in der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Beschränkte Rechtswahl als typisches Phänomen des europäischen (Familien-) IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Überblick über die Rechtswahlmöglichkeiten im bisherigen EuIPR . . . . . . . . 153 b) Gründe für eine Beschränkung der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Hintergrund der Beschränkung auf die Wahl des Rechts der Staatsangehörigkeit im Rahmen der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Kohärenz in der Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Auslegung der Rechtswahl im Rahmen der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Zweck der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
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b) Schwächerenschutz als gemeinsames Prinzip der Beschränkung der Rechtswahl im EuIPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Strukturelle Unterschiede zum bisherigen EuIPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 d) Grundsatz der größtmöglichen Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Grundsätzliche Anforderungen an eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO . . . . 164 a) Zeitpunkt, Form und Umfang der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Anforderungen an die Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 c) Denkbare Konstellationen der Wahl des Heimatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Strittige Einzelfragen des Art. 22 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Probleme bei ausdrücklicher Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 aa) Isolierte Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (1) Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (2) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Möglichkeit der Wahl des Rechts eines zukünftigen Heimatstaates? . . . . 169 cc) Zulässigkeit einer abstrakten Rechtswahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (1) Streitstand im Rahmen der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) Vergleich zu anderen Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (3) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (a) Vergleich zu anderen Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (b) Wortlaut des Art. 22 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (c) Keine eindeutige Entscheidung aufgrund von Art. 22 Abs. 2 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (d) Historische Auslegung gegen Zulässigkeit der abstrakten Rechtswahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (e) Wertungswiderspruch mit Fall der unzulässigen Rechtswahl im Wahlzeitpunkt, die später geheilt wird? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (f) Berücksichtigung der Interessen des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . 178 (g) Einfluss der Möglichkeit der konkludenten Rechtswahl . . . . . . . . 178 (h) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 dd) Wirkungen einer negativen Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (1) Streitstand im Rahmen der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (2) Vergleich zu anderen Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (3) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (a) Abwahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . 181 (b) Abwahl des (einzigen) Heimatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (c) Abwahl eines der Heimatrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Probleme bei konkludenter Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Überblick über das bisherige EuIPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Maßstab für die Beurteilung des Vorliegens einer konkludenten Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (1) Streitstand im Rahmen der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
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Inhaltsverzeichnis (2) Vergleich zu anderen Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (3) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 cc) Erfordernis eines „Rechtswahlbewusstseins“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (1) Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (2) Vergleich zu anderen Regelungsinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (3) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 dd) Bezugnahme auf spezifische Bestimmungen oder Rechtsbegriffe als konkludente Rechtswahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (1) Streitstand im Rahmen der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (2) Vergleich zu anderen Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (3) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (a) Grundthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (b) Beurteilung der Rechtswahl unabhängig vom objektiven Erbstatut 196 (c) Argumente für die Annahme einer konkludenten Rechtswahl . . . 198 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 ee) Verwendung einer bestimmten Sprache allein keine konkludente Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 c) Probleme bei Änderung und Widerruf der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Das auf Widerruf und Wahl eines neuen Rechts anwendbare Recht . . . . . 201 (1) Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (2) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Möglichkeit einer konkludenten Änderung bzw. eines konkludenten Widerrufs der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 d) Über Art. 22 EuErbVO hinausgehende Rechtswahlmöglichkeiten? . . . . . . . . 206 aa) Wahl eines Rechts gem. dem nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO anwendbaren Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) „Verdeckte“ Rechtswahl durch testamentarische Festlegung der engsten Verbindung nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (1) Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 III. Zusammenfassung und Stellungnahme zur Kohärenz des EuIPR . . . . . . . . . . . . . . . 212
B. Rechtswahlmöglichkeiten im Übergangszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 I. Hintergrund der Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 II. Rechtswahl im Einklang mit Kapitel III der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Grundsätzliche Reichweite der Übergangsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Vor dem 16. 8. 2012 getroffene Rechtswahlen erfasst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Gültigkeit bei Erbfall vor dem 17. 8. 2015? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 III. Rechtswahl im Einklang mit dem bisherigen IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Grundsätzliche Reichweite der Übergangsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
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2. Bedeutung des Art. 25 Abs. 2 EGBGB im Übergangszeitraum . . . . . . . . . . . . . . 219 3. Bedeutung der Übergangsvorschrift aus französischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 4. Wirksamkeit einer Rechtswahl durch Weiterverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 5. Wirksamkeit aufgrund des Rechts eines Drittstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 6. Eliminierung einer wirksamen Rechtswahl durch erneutes Testieren nach dem 17. 8. 2015? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 a) Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 C. Abschließende Würdigung der subjektiven Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 I. Grundsätzliche Angemessenheit der Gewährung einer Rechtswahlmöglichkeit . . . . 227 II. Probleme bei Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 III. Kritik an der Beschränkung der Rechtswahl auf das Heimatrecht . . . . . . . . . . . . . . 227 D. Zusammenfassung und Vergleich der Rechtswahlmöglichkeiten mit der bisherigen Rechtslage in Deutschland und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
Kapitel 4 Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
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A. Kohärenz in der Gesetzgebung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Der Ausschluss des Renvoi als Prinzip des (bisherigen) EuIPR . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 4. Rom III-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 5. EuGüVO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 6. HUntProt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 7. Kommissionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 II. Abweichende Renvoiregelung im Rahmen der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Darstellung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Grundsatz der Sachnormverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Ausnahmsweise Gesamtverweisung im Verhältnis zu Drittstaaten . . . . . . . . . 236 aa) Bedeutung des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 bb) Nicht geregelte Fälle des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
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Inhaltsverzeichnis c) Sachnormverweisung bei Ausweichklausel und Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Ratio der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Ratio des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 aa) Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 bb) Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 cc) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Ratio des Art. 34 Abs. 2 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3. Würdigung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 III. Stellungnahme zur fehlenden Kohärenz in der Gesetzgebung des EuIPR . . . . . . . . 247
B. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Kapitel 5 Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
252
A. Kohärenz in der Gesetzgebung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 I. Die Statuteneinheit als Prinzip des (bisherigen) EuIPR? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Grundsätzlich einheitliche Behandlung des Vermögens im Rahmen der EuErbVO und des EuGüVO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 2. Kein Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Fehlende Kohärenz aufgrund unterschiedlicher Renvoiregelung . . . . . . . . . . . . . 253 II. Ausnahmen von der Nachlasseinheit im Rahmen der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Rechtliche Nachlassspaltung durch begrenzte Anwendbarkeit des Belegenheitsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Art. 1 Abs. 2 lit. 1 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Art. 30 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 c) Art. 33 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 d) Art. 12 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Rechtliche Nachlassspaltung durch Gesamtverweisung auf das Recht eines Drittstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Berufung des Rechts eines Drittstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Grundsätzlicher Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht 256 bb) Möglichkeiten eines Auseinanderfallens von Zuständigkeit und anwendbarem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (1) Zuständigkeit trotz fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat und Anwendung des Aufenthaltsrechts . . . . . . . . . . . . . 257 (2) Zuständigkeit aufgrund gewöhnlichen Aufenthalts und keine Anwendung des Aufenthaltsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
Inhaltsverzeichnis
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(3) Zuständigkeit trotz fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts im Mitgliedstaat und Anwendung eines abweichenden Rechts aufgrund Art. 21 Abs. 2 oder Art. 22 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Keine Berufung des Drittstaatenrechts durch Rechtswahl oder Ausweichklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 c) Teilweise Rück- oder Weiterverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 bb) Grundstück im Mitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 cc) Grundstück im (verwiesenen) Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 dd) Grundstück im (zweiten) Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 ee) Entsprechende Fallgruppen bei Art. 11 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 ff) Entsprechende Fallgruppen bei Art. 10 Abs. 2 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . 264 3. Rechtliche Nachlassspaltung durch Rechtswahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Gegenständlich beschränkte Rechtswahl im Übergangszeitraum . . . . . . . . . . . 265 c) Teilrechtswahl bei gegenständlich beschränkter Zuständigkeit? . . . . . . . . . . . 265 d) Teilrechtswahl aufgrund des objektiv berufenen Erbstatuts . . . . . . . . . . . . . . . 267 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 III. Zusammenfassung und Stellungnahme zur Kohärenz des EuIPR . . . . . . . . . . . . . . . 270 B. Vergleich zur bisherigen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 I. Weitgehende Beseitigung einer rechtlichen Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 II. Verringerung einer faktischen Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. Faktische Nachlassspaltung aufgrund unterschiedlicher Anknüpfungskriterien für das Gesamtstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2. Faktische Nachlassspaltung aufgrund mehrerer Staatsangehörigkeiten . . . . . . . . 274 3. Faktische Nachlassspaltung durch Gesamtverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 4. Faktische Nachlassspaltung durch Erstreckung des Geltungsanspruchs auf im Ausland belegene Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 5. Faktische Nachlassspaltung durch Nichtanerkennung der Rechtswahl . . . . . . . . . 276 6. Beschränkung der Zuständigkeit nach Art. 12 EuErbVO zur Verhinderung einer faktischen Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
Kapitel 6 Würdigung der Anknüpfung und der Kohärenz des EuIPR
278
A. Lösung der aufgezeigten praktischen Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Einheitlichkeit des Anknüpfungskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 II. Keine Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Weitgehende Beseitigung der rechtlichen Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
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Inhaltsverzeichnis IV. Stark begrenzte Anwendung ausländischen Sachrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 V. Stark begrenzte Fälle der Rück- oder Weiterverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 VI. Einheitliche Anerkennung einer getroffenen Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 VII. Begrenzung einer faktischen Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
B. Abschließende Würdigung der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . 282 I. Grundsätzliche Angemessenheit der Anknüpfungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. Beschränkte Kohärenz innerhalb der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Klarheit des Erbstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Gleichlaufgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3. Internationaler Entscheidungseinklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 4. Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 5. Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 C. Beschränkte Kohärenz des EuIPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 I. Zusammenfassung der hinsichtlich der Kohärenz erzielten Ergebnisse . . . . . . . . . . 287 1. Kohärenz in der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 a) Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Berufung eines von der Regelanknüpfung abweichenden Rechts durch eine Ausweichklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 c) Beschränkte Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 d) Art der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 e) Statuteneinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Kohärenz in der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 b) Anwendungsbereich der Ausweichklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 c) Fragen im Rahmen der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 II. Zusammenfassung der Gründe für eine fehlende Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 III. Folge für die Kohärenz des europäischen IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
Kapitel 7 Schlussthesen
300
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
Abkürzungsverzeichnis Cass.
Cour de Cassation (französischer Kassationshof) Cour de Cassation (chambre des requêtes) Première chambre civile (erste Zivilkammer) CC Code civil Défrénois Répertoire du notariat Défrénois EG Erwägungsgrund HÜ Haager Übereinkommen vom 1. August 1989 über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht JDI Journal de droit international Rev. crit. DIP Revue critique de droit international privé TGI Tribunal de grande instance
Hinsichtlich der sonstigen Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Aufl., Berlin 2013.
Einleitung I. Überblick und Entwicklungsgeschichte Das internationale Erbrecht ist insbesondere aufgrund der Freizügigkeit in Europa von erheblicher praktischer Bedeutung. Die Statistiken über die Anzahl der Erbfälle mit grenzüberschreitendem Bezug in der EU gehen auseinander; die Europäische Kommission geht von 450.000 Erbfällen jährlich und einem Nachlassvolumen von ca. 120 Mrd. Euro aus.1 Für die Relevanz des internationalen Erbrechts kann auch der Anteil der Ausländer in Bezug auf die Wohnbevölkerung angeführt werden, der im europäischen Durchschnitt im Jahr 2013 bei 6,8 % lag.2 Insgesamt lebten im Jahr 2012 12,3 Mio. Europäer in einem anderen EU-Staat.3 In Frankreich waren im Jahr 2011 2,1 % der Wohnbevölkerung EU-Ausländer, in Deutschland 3,2 %. In absoluten Zahlen lebten im Jahr 2011 in Frankreich 3,8 Mio. Ausländer, davon ca. 1,3 Mio. aus der EU, in Deutschland 7,2 Mio., davon ca. 2,6 Mio. aus der EU. Auch wenn Teile von ihnen vor ihrem Tod in ihr Heimatland zurückkehren, bleibt eine erhebliche Zahl grenzüberschreitender Erbfälle.4 Allein mit dieser großen praktischen Relevanz des internationalen Erbrechts kann das Bedürfnis für eine Vereinheitlichung begründet werden. Bisher wurde das internationale Erbrecht jedoch in weiten Teilen durch die autonomen Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten geregelt. So ist es vom Anwendungsbereich der bisherigen europäischen Verordnungen des internationalen Privatrechts ausdrücklich ausgenommen.5 Das Haager Übereinkommen von 1989 über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht ist bis heute nur von den Niederlanden6 ratifiziert worden und daher nicht in Kraft getreten. Weitere internationale Abkommen7 wie das Haager Testamentsformübereinkommen8 regeln nur Teilaspekte. Bereits der Vertrag von Amsterdam aus dem Jahr 1997 hat der Europäischen Gemeinschaft eine Kompetenz zur Vereinheitlichung des internationalen Privat- und 1
Pressemitteilung IP/12/576 der EU-Kommission vom 7. 6. 2012. Alle genannten Zahlen stammen, soweit nichts anderes angegeben, von EUROSTAT. 3 Pressemitteilung IP/12/209 der EU-Kommission vom 1. 3. 2012. 4 Vgl. DNotI-Studie, S. 188. 5 Vgl. nur Brüssel I-VO (Art. 1 Abs. 2 lit. a) bzw. Brüssel Ia-VO (Art. 1 Abs. 2 lit. f); Rom I-VO (Art. 1 Abs. 2 lit. c); Rom II-VO (Art. 1 Abs. 2 lit. b). 6 MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 525. 7 Siehe Nachweis bei Basedow/Hopt/Zimmermann/Dutta, Rn. 420. 8 Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5. 10. 1961; BGBl. II 1965, 1144. 2
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Einleitung
Zivilverfahrensrechts eingeräumt.9 Der Wiener Aktionsplan von 199810 hat den Erlass von Maßnahmen auf dem Gebiet des Erb- und Familienrechts in Aussicht gestellt. Das Vereinheitlichungsbedürfnis besteht jedoch auch aufgrund der großen Unterschiede im IPR der einzelnen Mitgliedstaaten.11 Die Unterschiede liegen zum einen in der grundsätzlichen Frage, ob die Rechtsnachfolge von Todes wegen einheitlich einem Recht unterstellt wird (Nachlasseinheit) oder dem Recht verschiedener Staaten unterstellt werden kann (Nachlassspaltung). Sie liegen zum anderen in der Wahl des Anknüpfungsmerkmals. Manche Staaten knüpfen bisher an die Staatsangehörigkeit des Erblassers12, andere an dessen letzten gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz bzw. Domicile an.13 Die Niederlande knüpfen in ihrer bisherigen Regelung an eine Mischung von beiden Kriterien an.14 Die Staaten, deren internationales Erbrecht zwischen beweglichen Sachen und unbeweglichen Sachen unterscheidet, unterstellen Immobilien in der Regel ihrem Belegenheitsrecht.15 Eine Rechtswahl erlauben manche Staaten für den gesamten Nachlass, andere nur für einen Teil des Nachlasses, wiederum andere verwehren sie insgesamt.16 Auch die Frage, welches Recht für den Nachlass gewählt werden kann, wird verschieden beurteilt. Unterschiede ergeben sich darüber hinaus auch aufgrund unterschiedlicher Behandlung von Fragen des allgemeinen IPR, z. B. der Frage, ob die Verweisung der nationalen Kollisionsnorm eine Gesamt- oder Sachnormverweisung ist bzw. ob der Renvoi akzeptiert wird.17 Diese Fragen wirken sich insbesondere im internationalen Erbrecht aus. Ferner ergeben sich Fragen aus dem Verhältnis des Erbstatuts zu anderen Statuten, insbesondere dem Güterstatut, dem Gesellschaftsstatut und dem Sachstatut. Diese großen Unterschiede der verschiedenen Rechtsordnungen ziehen in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten nach sich. Die Frage, welches Recht anwendbar ist, hängt häufig davon ab, welches Gericht zuerst angerufen wird.18 Abhängig davon, ob man im Ausgangspunkt die deutsche oder die ausländische Kollisionsnorm anwendet, aus welcher Sicht man den Fall also beurteilt, gelangt man zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das eröffnet die grundsätzlich problematische Möglich9
Süß, ZErb 2009, 342. ABl. C 19 vom 23. 1. 1999. 11 Lagarde, in: Khairallah/Révillard (2013), Rn. 9 ff.; vgl. zu den Regelungen vieler europäischer Staaten Denkinger, S. 37 ff. 12 DNotI-Studie, S. 232. 13 Vgl. DNotI-Studie, S. 233, 236. 14 Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 86. Die niederländische Regelung verweist auf das HÜ, der Wortlaut der Vorschrift in deutscher Übersetzung ist abgedruckt bei Staudinger/ Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 600. 15 DNotI-Studie, S. 235. 16 Vgl. zu den einzelnen Staaten DNotI-Studie, S. 241 ff.; Denkinger, S. 96 ff. 17 Lange, ZErb 2012, 160, 161. 18 Flick/Piltz/Piltz, Rn. 6. 10
Einleitung
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keit des forum shopping19 und kann zu hinkenden Erbrechtsverhältnissen führen. Es ergeben sich Probleme der Nachlassabwicklung bei einer Nachlassspaltung. Der Nachweis der Erbenstellung gestaltet sich bei grenzüberschreitenden Erbfällen schwierig, da es in den verschiedenen europäischen Ländern gerichtliche, notarielle und private Verfahren zur Erlangung eines Erbennachweises gibt, die unterschiedliche Wirkungen haben.20 Auch die Nachlassplanung gestaltet sich bei einem grenzüberschreitenden Bezug kompliziert. So wird eine Rechtswahl des Erblassers nach der einen Rechtsordnung als zulässig, nach der anderen als unzulässig angesehen. Es stellt sich die Frage, ob Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente von Rechtsordnungen als wirksam anerkannt werden können, wenn sie diese Rechtsinstitute nicht kennen.21 Der Erblasser kann sich bei Bezugspunkten mit mehreren Staaten nicht immer darauf verlassen, dass die Rechtsnachfolge nach dem Recht beurteilt wird, das ihm am nächsten ist. Ebenso wenig kann er sicher sein, dass sein Testament dem auf den Erbfall anwendbaren Recht entspricht. Zur Lösung dieser Probleme hat das deutsche Notarinstitut im Jahr 2002 eine rechtsvergleichende Studie veröffentlicht, auf deren Basis die Europäische Kommission im Jahr 2005 ein Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht22 vorgelegt hat. Am 14. 10. 2009 wurde von der Kommission ein Vorschlag für eine Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses veröffentlicht. Dieser Vorschlag ist im Europäischen Parlament, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Rat der EU beraten worden. Nach zahlreichen Änderungen hat das Europäische Parlament den Vorschlag am 13. 3. 2012 angenommen, am 8. 6. 2012 folgte die Zustimmung des Rates der EU. Die Verordnung vom 4. 7. 201223 ist am 16. 8. 2012 in Kraft getreten. Sie gilt in weiten Teilen jedoch erst nach einer dreijährigen Übergangszeit ab dem 17. 8. 2015. Kompetenzrechtlich wurde die EuErbVO auf Art. 81 Abs. 2 lit. c) AEUV gestützt.24
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Lorenz, ErbR 2012, 39, 41. Basedow/Hopt/Zimmermann/Wenckstern, S. 413. 21 DNotI-Studie, S. 190. 22 KOM (2005) 65. 23 VO (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 7. 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl EU v. 27. 7. 2012 Nr. L 201, S. 107, im Folgenden: „EuErbVO“. 24 EG 2 EuErbVO. 20
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Einleitung
II. Gegenstand der Untersuchung Mit der EuErbVO hat der europäische Gesetzgeber versucht, die praktischen Schwierigkeiten eines grenzüberschreitenden Erbfalls innerhalb der EU auszuräumen.25 Künftig wird das internationale Erbrecht nicht mehr durch das autonome Recht der Mitgliedstaaten bestimmt, sondern durch die europäische Verordnung. Daraus folgt eine einheitliche Anknüpfung in den Mitgliedstaaten.26 Nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Unterschiede der bisherigen nationalen Regelungen und der langen, kontroversen Entstehungsgeschichte ist die Verordnung als „das ambitionierteste Projekt“27 des europäischen Kollisionsrechts bezeichnet worden. Dieses Projekt soll in dieser Arbeit in Hinblick auf seinen Regelungsgehalt, seine Bedeutung und seine Änderungen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage untersucht werden. Dabei untersucht die Arbeit das internationale Erbrecht nicht vollumfänglich, sondern beschränkt sich auf die Frage der Anknüpfung. Dies deshalb, weil die bisherigen nationalstaatlichen Kollisionsnormen in ihrer objektiven und subjektiven Anknüpfung erhebliche Unterschiede aufwiesen. Das von der EuErbVO favorisierte Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts war zudem im Entstehungsprozess der Verordnung äußerst umstritten. Die Regeln der EuErbVO zur objektiven und subjektiven Anknüpfung werfen ferner eine Vielzahl ungelöster Probleme auf. Die EuErbVO markiert – zusammen mit der im Entwurfsstadium befindlichen Güterrechtsverordnungen28 – einen der letzten Bausteine des europäischen IPR. Deshalb soll die Arbeit sich nicht auf eine isolierte Betrachtung der EuErbVO beschränken. Sie hat vielmehr das Ziel, die EuErbVO im Gesamtkontext des europäischen IPR zu würdigen, also dessen Kohärenz zu untersuchen. Dabei soll zwischen zwei Aspekten der Kohärenz unterschieden werden: Zum einen geht es um die Frage, ob der EU-Gesetzgeber mit den diversen EU-Verordnungen ein in sich stimmiges Kollisionsrechtssystem geschaffen hat (Kohärenz in der Gesetzgebung); zum anderen um die Frage, ob bestimmte Auslegungsprobleme, die sich in identischer oder vergleichbarer Weise in den einzelnen Verordnungen stellen, dort auch in gleicher Weise gelöst werden müssen (Kohärenz in der Auslegung).29 Dies betrifft etwa die Bestimmung des „gewöhnlichen Aufenthalts“, aber auch die zahlreichen Auslegungsfragen im Zusammenhang mit der Rechtswahl. 25
EG 7 EuErbVO. Alle Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks, Irlands und Großbritanniens (EG 82 und 83 EuErbVO). 27 Dörner, ZEV 2012, 505. 28 Vorschlag für eine VERORDNUNG DES RATES über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts, KOM(2011) 126 endgültig, BR-Drucks. 157/11 (im Folgenden: EuGüVO-E) und VERORDNUNG DES RATES über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften KOM(2011) 127/2, BR-Drucks. 158/11. 29 Vgl. dazu generell Leible/Unberath, „Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?“. 26
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Bei Schaffung des europäischen Erbkollisionsrechts bestanden für den Gesetzgeber aufgrund der Vielfalt der nationalstaatlichen Regelungen die unterschiedlichsten Gestaltungsmöglichkeiten. Im ersten Kapitel sollen beispielhaft die bisherigen Regelungen des internationalen Erbrechts in Deutschland und Frankreich skizziert werden. Diese sind zur Darstellung besonders geeignet, weil sie bereits im Verhältnis zueinander erhebliche Unterschiede aufweisen. Sie verdeutlichen daher die Inkohärenzen, die vor Inkrafttreten der EuErbVO innerhalb der EU bestanden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ob der gesamte Nachlass einem einheitlichen Recht unterworfen ist und an welches Kriterium angeknüpft wird. Auch bei mit der Anknüpfung verbundenen, von der EuErbVO ebenfalls geregelten Fragen – wie z. B. der Reichweite der Verweisung und des Renvoi – liegen im autonomen deutschen und französischen IPR fundamentale Unterschiede. Diese verdeutlichen die angesprochenen praktischen Schwierigkeiten eines grenzüberschreitenden Nachlasses; sie stellen damit den Ausgangspunkt dar, der überhaupt das Bedürfnis nach einer Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts begründet hat. Die von der EuErbVO hervorgebrachten Änderungen und die damit verbundenen praktischen Vorteile werden zudem besonders klar, wenn man sich mit den bisherigen nationalen Kollisionsnormen auseinandersetzt. Die Beschäftigung mit den bisherigen Regelungen erleichtert aber auch das Verständnis dafür, welche Probleme sich weiterhin unter Geltung der neuen Verordnung stellen. Entscheidender Grund für die Untersuchung der bisherigen Regelungen ist darüber hinaus, dass diese z. T. auch nach dem 17. 8. 2015 Geltung haben können, etwa wenn der Erblasser im Übergangszeitraum eine Rechtswahl im Einklang mit dem bisherigen IPR trifft bzw. getroffen hat.30 In den darauf folgenden Kapiteln der Arbeit soll die EuErbVO untersucht werden. Im zweiten Kapitel wird zunächst die objektive Anknüpfung der EuErbVO dargestellt. Bei dieser stellt sich insbesondere das Problem, welche Kriterien für die Bestimmung des Anknüpfungsmerkmals des „gewöhnlichen Aufenthalts“ maßgeblich sind. Das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts wird in nahezu allen europäischen Verordnungen des IPR und IZPR verwendet. So findet es sich in Art. 4 Abs. 1 lit. a, b, d, e und f der Rom I-VO31, in Art. 4 Abs. 2 der Rom II-VO32, in Art. 8 lit. a und b der Rom III-VO33 und ferner in Art. 17 Abs. 1 lit. a EuGüVO-E. Darüber hinaus wird es in Art. 3 Abs. 1 lit. a Spstr. 1 – 6 und Art. 8, 10 der Brüssel IIa-VO34 30
Vgl. Art. 83 Abs. 2 EuErbVO. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), Abl. Nr. L 177, S. 6. 32 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. Nr. L 199, S. 40. 33 Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, ABl. Nr. L 343, S. 10. 34 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in 31
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und in Art. 3 lit. a und b und Art. 4 Abs. 1 lit. a und c Ziff. 2 EuUntVO verwendet. Zunächst wird untersucht, ob eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt auch im internationalen Erbrecht sachgerecht ist. Im Anschluss daran wird dargestellt, welches Begriffsverständnis des gewöhnlichen Aufenthalts in anderen Verordnungen zugrunde gelegt wird. Danach wird untersucht, ob das herausgearbeitete Begriffsverständnis anderer Bereiche des EuIPR auf die EuErbVO übertragbar ist, ob es – zur Wahrung der Kohärenz des EuIPR – gar übertragen werden muss oder ob nicht vielmehr eine autonome erbrechtliche Interpretation zugrunde gelegt werden muss. Daran anschließend soll dargelegt werden, welche objektiven Kriterien für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen der EuErbVO herangezogen werden müssen. Darüber hinaus wird die Frage behandelt, ob der Wille des Betreffenden zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts ein für diesen notwendiges Element ist und wie mit Problemfällen wie Demenzkranken zu verfahren ist. Ferner wird im Rahmen der objektiven Anknüpfung die Ausweichklausel der EuErbVO35 dargestellt. Auch hier wird zunächst die Kohärenz in der Gesetzgebung des EuIPR untersucht. Dargestellt wird, inwieweit andere Verordnungen Ausweichklauseln vorsehen, in welchem Kontext diese stehen und welche Funktion sie erfüllen. Anschließend wird dargelegt, ob die Ausweichklausel der EuErbVO einen eigenen Anwendungsbereich hat. Die Ausweichklausel der EuErbVO wird sodann mit denen anderer Verordnungen unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz verglichen. Schließlich werden die objektiven Anknüpfungsregeln der EuErbVO abschließend gewürdigt und einzelne Problemfälle gelöst. Im dritten Kapitel soll die subjektive Anknüpfung der EuErbVO behandelt werden. Zunächst wird aufgezeigt, dass die Gewährung einer (beschränkten) Rechtswahl typisch für das bisherige EuIPR ist. Dargestellt wird außerdem, welchen Zweck die Beschränkung der Rechtswahl im bisherigen EuIPR und in der EuErbVO hat. Daraus werden sodann Auslegungsgrundsätze für die Rechtswahl der EuErbVO abgeleitet. Anschließend werden die grundsätzlichen Anforderungen an die Rechtswahl im Rahmen der EuErbVO dargestellt und verschiedene, im Rahmen der EuErbVO auftretende Fragen der Rechtswahl behandelt. So ist beispielsweise ungeklärt, ob eine isolierte Rechtswahl36 des Erblassers die Vorgaben der EuErbVO erfüllt. Ferner
Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, ABl. Nr. L 338, S. 1. 35 Art. 21 Abs. 2 EuErbVO. 36 Eine isolierte Rechtswahl ist gegeben, wenn der Erblasser in seiner Verfügung von Todes wegen nur die Rechtswahl vorsieht und diese daneben keine materiell-rechtlichen Verfügungen enthält.
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ist fraglich, ob nach dieser eine abstrakte Rechtswahl37 zulässig ist. Darüber hinaus stellt sich die Frage, nach welchem Recht sich beurteilt, ob eine konkludente Rechtswahl des Erblassers vorliegt und unter welchen Voraussetzungen eine solche möglich ist. Dabei ist insbesondere auch die Frage nach dem Erfordernis eines Rechtswahlbewusstseins zu klären. Untersucht wird weiterhin, ob eine negative Rechtswahl38 des Erblassers zulässig ist und – wenn ja – welche Wirkung sie hat. Erörtert werden außerdem verschiedene Fragen der Änderung und des Widerrufs der Rechtswahl. Die genannten Auslegungsprobleme der Rechtswahl werden stets vor dem Hintergrund der Kohärenz des EuIPR behandelt. Soweit Parallelprobleme existieren, wird der Vergleich zu anderen Bereichen des EuIPR angestellt und die Frage aufgeworfen, ob eine einheitliche Lösung sinnvoll ist. Sodann werden die Übergangsvorschriften zur Rechtswahl dargestellt und aus ihnen resultierende Probleme behandelt. Schließlich wird auch die subjektive Anknüpfung abschließend gewürdigt und die neue Rechtslage mit der bisherigen Rechtslage in Deutschland und Frankreich verglichen. Im vierten Kapitel beschäftigt sich die Arbeit mit der Art der Verweisung der EuErbVO. Dabei wird zunächst aufgezeigt, dass die EuErbVO bei der Frage nach der Art der Verweisung im Vergleich zu den anderen Verordnungen des EuIPR eine Sonderstellung einnimmt. Im Anschluss daran wird untersucht, ob die „bewusste Inkohärenz“ des EuIPR in diesem Teilbereich gerechtfertigt ist und ob auch in anderen Bereichen des EuIPR der Renvoi hätte zugelassen werden sollen. Ferner wird die Renvoiregelung der EuErbVO kritisch gewürdigt und dargelegt, ob diese in allen Fällen ihren Zweck erfüllt. Im fünften Kapitel behandelt die Arbeit schließlich die Frage der Reichweite der Nachlasseinheit. Dabei wird zunächst aufgezeigt, dass die Statuteneinheit ein generelles Prinzip des EuIPR darstellt. Sodann wird untersucht, ob und inwieweit es unter Geltung der EuErbVO noch zu einer Nachlassspaltung kommen kann. Dabei erfolgt ein kurzer Überblick über die Regelungen der EuErbVO zur internationalen Zuständigkeit. Bei der Frage der Nachlasseinheit wird insbesondere der Vergleich zum EuGüVO-E angestellt. Die Neuregelung der EuErbVO wird anschließend mit dem bisher in Deutschland und Frankreich geltenden Recht verglichen. Abschließend werden die Anknüpfungsregeln der EuErbVO in ihrer Gesamtheit zusammenfassend gewürdigt. Dabei wird zunächst dargestellt, inwieweit die Verordnung im Vergleich zu den in Deutschland und Frankreich bestehenden Regelungen Vereinfachungen mit sich bringt und inwieweit sich grenzüberschreitende 37 Eine abstrakte Rechtswahl liegt vor, wenn der Erblasser das gewählte Recht nicht konkret bezeichnet („Ich wähle deutsches Recht“), sondern abstrakt das Heimatrecht wählt („Ich wähle mein Heimatrecht“, „Ich wähle das Recht meiner Staatsangehörigkeit“). 38 Eine negative Rechtswahl ist gegeben, wenn der Erblasser ein Recht nicht wählt, sondern abwählt (z. B.: „Ich möchte nicht nach deutschem Recht beerbt werden“).
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Nachlässe durch die EuErbVO tatsächlich einfacher abwickeln lassen. Im Anschluss daran wird zusammenfassend dargestellt, welche Regelungen der EuErbVO kritikwürdig sind, insbesondere, ob die Anknüpfungsregeln der EuErbVO in sich kohärent sind. Schließlich wird ein abschließendes Fazit zur Frage der Kohärenz des EuIPR gezogen.
III. Grenzen der Untersuchung Fragen der internationalen Zuständigkeit werden nur insoweit untersucht, als sie Einfluss auf das anwendbare Recht haben (z. B. bei der Frage des Verständnisses des gewöhnlichen Aufenthalts oder bei der Möglichkeit einer Nachlassspaltung im Rahmen der EuErbVO). Ausgeblendet oder nur rudimentär behandelt werden Fragen des Testamentsstatuts und der Annahme und- Ausschlagungserklärungen. Nicht dargestellt werden ferner die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) und andere öffentliche Urkunden.
Kapitel 1
Die nationalstaatlichen Kollisionsnormen Deutschlands und Frankreichs vor Inkrafttreten der EuErbVO A. Das deutsche internationale Erbrecht Das deutsche internationale Erbrecht ergibt sich aus den Vorschriften des EGBGB, die – bis auf Art. 26 Abs. 1 – 4 EGBGB – nationalstaatlichen Ursprungs sind.
I. Die Grundregel des Art. 25 Abs. 1 EGBGB: Staatsangehörigkeitsprinzip 1. Die einheitliche Qualifikation als Rechtsnachfolge von Todes wegen Art. 25 Abs. 1 EGBGB regelt das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht, wenn der Erblasser keine oder keine wirksame Rechtswahl getroffen hat (objektive Bestimmung).1 Art. 25 Abs. 1 EGBGB lautet: „Die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte.“
Deutschland folgt damit, wie die Mehrzahl der Mitgliedstaaten der EU, dem Prinzip der Nachlasseinheit.2 Dies bedeutet, dass der gesamte Nachlass grundsätzlich nach einem Recht vererbt wird und nicht zwischen der Rechtsnachfolge in bewegliches und unbewegliches Vermögen unterschieden wird. Dementsprechend enthält Art. 25 Abs. 1 EGBGB den einheitlichen Systembegriff „Rechtsnachfolge von Todes wegen“. Qualifiziert wird im Rahmen von Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach h.M. gemäß der lex fori, also nach dem Recht des angerufenen Gerichts, aus deutscher Sicht folglich nach deutschem Recht.3 Daraus folgt, dass die Auslegung des Systembegriffs
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MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 11. Basedow/Hopt/Zimmermann/Dutta, S. 421; v. Hoffmann/Thorn, § 9, Rn. 7. Rauscher, Rn. 3, 459 f.
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Kap. 1: Nationalstaatliche Kollisionsnormen vor Inkrafttreten der EuErbVO
„Rechtsnachfolge von Todes wegen“ bzw. die Subsumtion unter dieses Tatbestandsmerkmal nach den Regeln des deutschen Rechts vorzunehmen ist.4 Unter „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ sind sämtliche Rechtsfragen zu fassen, die sich auf erbrechtliche Rechtsinstitute beziehen, die nach ihrer Funktion im Sinne des deutschen Rechts erbrechtliche Ordnungsziele verfolgen („funktionale Qualifikation“).5 2. Objektive Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers a) Grundsatz Gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB findet auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates Anwendung, dem der Erblasser zuletzt angehörte. Art. 25 Abs. 1 EGBGB geht auf die ungeschriebene Regel des deutschen IPR zurück, dass Rechtsfragen, die sich auf den Status der natürlichen Personen sowie auf die Existenz und Ausprägung persönlicher Rechtsgüter und Merkmale beziehen, dem Heimatrecht der jeweiligen Person unterliegen („Personalstatut“).6 Unter Heimatrecht versteht man das Recht des Staates, dem die betreffende Person angehört. Anknüpfungszeitpunkt des Art. 25 Abs. 1 EGBGB ist der Erbfall7, also der Tod des Erblassers.8 Das Erbstatut ist damit grundsätzlich unwandelbar.9 Maßgeblich ist nur die Staatsangehörigkeit des Erblassers, nicht die der übrigen Beteiligten (z. B. der Erben).10 Für das Staatsangehörigkeitsprinzip wird angeführt, dass das nationale Recht dem Naturell derer entspreche, für die es entworfen wurde, d. h. die Gesetze spiegelten die nationalen Sitten und Traditionen wieder und seien daher angemessen für die Staatsbürger des jeweiligen Staates.11 Die Staatsangehörigkeit sei als Anknüpfungskriterium zudem stabil und weniger der Manipulation des Erblassers unterworfen.12 Sie sei darüber hinaus aufgrund ihrer behördlichen Dokumentierung leicht feststellbar.13 Ferner spreche für die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium ihre internationale Einheitlichkeit, d. h. es bestünden keine Auslegungsdivergenzen 4
Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 19. Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 20. 6 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 22. 7 Süß/Haas, S. 19. 8 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 77; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 19. 9 Flick/Piltz/Wachter, Rn. 183; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 19; Rauscher, Rn. 1056; v. Hoffmann/Thorn, § 9, Rn. 6. 10 Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 15. 11 Loussouarn/Bourel/de Vareilles-Sommières, Rn. 156. 12 Loussouarn/Bourel/de Vareilles-Sommières, Rn. 157. 13 Lehmann, Rn. 55. 5
A. Das deutsche internationale Erbrecht
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bei der Frage, welche Staatsangehörigkeit der Erblasser besitzt.14 Weiterhin habe der Staatsangehörige durch politische Wahlen Einfluss auf sein Heimatrecht, was dieses als Anknüpfungskriterium demokratisch legitimiere.15 b) Feststellung der Staatsangehörigkeit Die Feststellung der Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes erfolgt nach dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit in Frage steht.16 Den Erwerb und den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bestimmt demnach das deutsche Recht,17 insbesondere das Staatsangehörigkeitsgesetz.18 c) Mehrstaater Besitzt der Erblasser die Staatsangehörigkeit mehrerer Staaten, muss die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit in Art. 25 Abs. 1 EGBGB durch Hilfsregeln ergänzt werden.19 Dafür ist insbesondere Art. 5 Abs. 1 EGBGB maßgeblich. Bei mehreren ausländischen Staatsangehörigkeiten ist nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB das Recht desjenigen Staates anzuwenden, mit dem der Erblasser am engsten verbunden war (Grundsatz der effektiven Staatsangehörigkeit).20 Insbesondere, aber nicht ausschließlich21, sind dafür der gewöhnliche Aufenthalt und der Verlauf des Lebens der Person maßgeblich (Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Die vorhandenen Anknüpfungselemente müssen gewichtet und es muss durch Abwägung ermittelt werden, welche von ihnen die engste Verbindung zu einem Heimatstaat begründen.22 Ist eine effektive Staatsangehörigkeit nicht feststellbar, ist analog Art. 5 Abs. 2 EGBGB auf den gewöhnlichen Aufenthalt bzw. den schlichten Aufenthalt abzustellen.23 Anders wird verfahren, wenn der Erblasser sowohl die deutsche als auch eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt. Nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB ist in
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Kropholler, § 38 I 2. Mansel, in: FS Ansay, S. 185, 209. 16 MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 13. 17 MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 13. 18 Näher Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 457. 19 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 467. 20 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 470; Beck-OK/Lorenz, Art. 5 EGBGB, Rn. 6; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB,13. 21 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 474. 22 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 476 ff. mit Beispielen. 23 Kropholler, § 37 II 1 a) (S. 265); OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 139. 15
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Kap. 1: Nationalstaatliche Kollisionsnormen vor Inkrafttreten der EuErbVO
diesen Fällen alleine die deutsche maßgeblich, und zwar auch, wenn der Erblasser enger mit seinem ausländischen Heimatrecht verbunden war.24 d) Staatenlose Gemäß Art. 5 Abs. 2 EGBGB ist bei Staatenlosen oder bei Personen, bei denen die Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden kann, auf den gewöhnlichen, mangels eines solchen, auf den schlichten Aufenthalt abzustellen. Ob eine Person staatenlos ist, richtet sich nach den in Betracht kommenden Staatsangehörigkeitsgesetzen.25 Häufig wird Art. 5 Abs. 2 EGBGB jedoch durch staatsvertragliche Regelungen verdrängt.26 Für Flüchtlinge gilt Art. 12 Abs. 1 des Genfer UN-Übereinkommens über die Rechtstellung von Flüchtlingen vom 28. 7. 1951. Anwendbar auf ihre Rechtsnachfolge ist danach das Recht des Wohnsitzstaates bzw. des Aufenthaltsstaates.27 3. Zwischenergebnis Das deutsche Recht knüpft an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Bei mehreren ausländischen Staatsangehörigkeiten wird das Recht der engsten Verbindung angewendet, das insbesondere durch den gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen und den Verlauf seines Lebens bestimmt wird. Hat der Erblasser neben der ausländischen Staatsangehörigkeit auch die deutsche, so ist deutsches Recht auf seine Erbfolge anwendbar.
II. Die subjektive Anknüpfung 1. Allgemeines Bei dem Begriff der „subjektiven Anknüpfung“ handelt es sich um die Möglichkeit einer Wahl des Erbstatuts. Bis zum Inkrafttreten des IPR-Reformgesetzes am 1. 9. 1986 war eine Bestimmung des maßgeblichen Erbstatuts durch den Erblasser nicht möglich. Der BGH hatte dies in einer Grundsatzentscheidung abgelehnt.28 Seit 24
Staudinger/Dörner, Art. 25, EGBGB, Rn. 468; Beck-OK/Lorenz, Art. 5 EGBGB, Rn. 8; MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB, Rn. 61; setzt sich die deutsche Staatsangehörigkeit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB gegen eine andere EU-Staatsangehörigkeit durch, wird dies teilweise als ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV gesehen (so Staudinger/ Dörner, Art. 25, Rn. 469 m.w.N., krit. auch Kropholler, § 37 II 1 a) (S. 267) (beide in Bezug auf Art. 12 EGV), a.A. Palandt/Thorn, Art. 5 EGBGB,Rn. 3). 25 Palandt/Thorn, Art. 5 EGBGB, Rn. 6. 26 Vgl. die Aufstellung bei MüKo/v. Hein, Art. 5 EGBGB, Rn. 98. 27 MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 17; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 487. 28 BGH NJW 1972, 1001, 1002.
A. Das deutsche internationale Erbrecht
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dem 1. 9. 1986 ist eine Wahl des anwendbaren Rechts in den Grenzen des Art. 25 Abs. 2 EGBGB möglich. Auf die frühere Rechtsprechung des BGH kommt es nicht mehr an. 2. Wahl deutschen Rechts nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB a) Bedeutung und Reichweite Gemäß Art. 25 Abs. 2 EGBGB kann der Erblasser für seine Rechtsnachfolge deutsches Recht für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen wählen.29 Bei Art. 25 Abs. 2 EGBGB handelt es sich um eine einseitige Kollisionsnorm. Die Vorschrift stellt eine Exklusivnorm dar30, deren Verallseitigung, Verallgemeinerung oder Ausdehnung nicht möglich ist.31 Das bedeutet, dass eine Rechtswahl zugunsten einer anderen lex rei sitae unwirksam ist.32 Es kann entsprechend dem Wortlaut nur deutsches Recht für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen gewählt werden. Bedeutung erlangt die Rechtswahlmöglichkeit des Art. 25 Abs. 2 EGBGB nur für ausländische Erblasser, da das Erbstatut deutscher Erblasser bereits nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht ist.33 Nach der Gesetzesbegründung hat Art. 25 Abs. 2 EGBGB zum einen den Vorteil der Vereinfachung, weil der Erblasser sich bei Verfügung über Grundstücke in Deutschland ausschließlich nach deutschem Recht richten kann.34 Zum anderen will die Vorschrift eine Vereinfachung der Rechtsanwendung und der Nachlassabwicklung erreichen, insbesondere für die Grundbuchämter.35 Die hinsichtlich einer Rechtswahl häufig geäußerte Befürchtung, dass durch sie die nach deutschem Recht Pflichtteilsberechtigten benachteiligt werden könnten36, besteht aufgrund der Begrenzung der Rechtswahl auf deutsches Recht nicht. Als Ziel der Vorschrift wird weiterhin angeführt, dem deutschen, materiellen Erbrecht solle, insbesondere in Hinblick auf die dortige Pflichtteilsregelung, Geltung verschafft werden.37 Geltend gemacht wird ferner die Möglichkeit der Koordination der erb- und güterrechtlichen
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Art. 25 Abs. 2 EGBGB lautet: „Der Erblasser kann für im Inland belegenes Vermögen in der Form einer Verfügung von Todes wegen deutsches Recht wählen“. 30 MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 21; Lange, DNotZ 2000, 332, 337. 31 Rauscher, Rn. 1006, Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 500; kritisch Kropholler, § 51 III 2 (S. 437). 32 Rauscher, Rn. 1006; BGH NJW-RR 2006, 948. 33 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 501. 34 BT-Drucks. 10/5632, S. 44; vgl. auch Dörner, DNotZ 1988, 67, 93; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 499. 35 Kropholler, § 51 III 2 (S. 437); v. Hoffmann/Thorn, § 9, Rn. 14. 36 Vgl. BT-Drucks. 10/504, S. 74; BT-Drucks. 10/5632, S. 44. 37 Kropholler, § 51 III 2 (S. 437).
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Kap. 1: Nationalstaatliche Kollisionsnormen vor Inkrafttreten der EuErbVO
Abwicklung im Todesfall38 und die Tatsache, dass Erblasser die Kosten eines Gutachtens über das anwendbare Erbrecht sparen oder reduzieren könnten.39 b) Qualifikation als unbewegliches Vermögen Da die Rechtswahl auf „unbewegliches Vermögen“ beschränkt ist, stellt sich die Frage, nach welchem Recht zu bestimmen ist, was zum unbeweglichen Vermögen gehört. Hier ist nach allen Qualifikationsmethoden deutsches Recht anwendbar: nach der lex fori, der lex rei sitae und der lex causae.40 Was unter „unbeweglichem Vermögen“ zu verstehen ist, ist daher nach einhelliger Auffassung nach deutschem Recht zu beantworten.41 Eine durchgängige internationalprivatrechtliche Begriffsklärung ist dennoch in Deutschland bis heute nicht erfolgt.42 Eine Orientierung an deutschen materiell-rechtlichen Vorschriften (wie z. B. §§ 864, 865 ZPO) ist wegen der anderen Zweckbestimmung dieser Vorschriften nicht ohne weiteres möglich.43 Problematisch ist die Frage etwa bei einer durch Auflassungsvormerkung gesicherten Forderung44, bei Grundpfandrechten45, oder bei Anteilen einer GbR oder Handelsgesellschaft, deren Vermögen nur in inländischem Grundstückseigentum besteht.46
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BT-Drucks. 10/5632, S. 44; Geimer, DNotZ 1985, 102, 112; Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 18 f.; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 499; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 2. 39 Dörner, DNotZ 1988, 67, 86; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 499; vgl. Basedow, NJW 1986, 2971, 2977. 40 Vgl. Mankowski/Osthaus, DNotZ 1997, 10, 12; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 511; Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 18, 35. 41 Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB, Rn. 7; Kropholler, § 45 IV 4 (S. 356); MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 63; v. Hoffmann/Thorn, § 9, Rn. 19. 42 Vgl. im Einzelnen Krzywon, BWNotZ 1986, 154 ff.; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 511 ff. 43 Krzywon, BWNotZ 1986, 154, 159. 44 Für eine Qualifikation als unbeweglich: Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 517; dagegen: Erman/Hohloch, Art. 25 EGBGB, Rn. 18; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 66; v. Bar II, Rn. 369. 45 Für eine Qualifikation als beweglich: Soergel/Schurig, Art. 25 EGBGB, Rn. 4; tendenziell auch Süß, ZNotP 2001, 173, 175; dagegen: Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB, Rn. 7; Reithmann, DNotZ 1996, 227, 228; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 518. 46 Für eine Qualifikation als beweglich die h.M.: BGHZ 146, 310, 315; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 67; Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB, Rn. 7; Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 17, 35; für eine Qualifikation als unbeweglich: Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 519.
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c) Voraussetzungen einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB aa) Modalitäten einer Rechtswahl nach deutschem Recht Die Rechtswahl muss in der Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen, die sich in der Rechtswahl erschöpfen kann, d. h. sie ist auch isoliert möglich.47 Das Erfordernis einer Verfügung von Todes wegen stellt einen Verweis auf Art. 26 EGBGB dar.48 Demnach ist es ausreichend, dass die Form einem der in Art. 26 EGBGB genannten Rechte entspricht. Die Rechtswahl kann auch noch nach Errichtung der Verfügung von Todes wegen erfolgen, wenn sie die Formerfordernisse einer Verfügung von Todes wegen erfüllt. Sie ist ausdrücklich und konkludent49 möglich, wobei eine konkludente Rechtswahl nur denkbar erscheint, wenn sie im Rahmen einer „vollständigen“ Verfügung von Todes wegen erfolgt, d. h. einer solchen, die auch materiell-rechtliche Verfügungen enthält. Eine konkludente, isolierte Rechtswahl ist hingegen nicht möglich.50 Mit der Rechtswahl führt der Erblasser eine Nachlassspaltung herbei.51 Die überwiegende Auffassung geht aufgrund des Wortlauts des Art. 25 Abs. 2 EGBGB davon aus, dass auch nur ein Teil des in Deutschland belegenen unbeweglichen Vermögens dem deutschen Recht unterstellt werden kann.52 Dies führt dazu, dass auch das inländische unbewegliche Vermögen nicht einheitlich nach einem Recht vererbt wird; eine solche auf einen Teil des unbeweglichen Nachlasses beschränkte Rechtswahl kann also die Nachlassspaltung verstärken. bb) Konkludente Rechtswahl Auch wenn die grundsätzliche Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl weitgehend anerkannt ist, sind die Einzelheiten umstritten. Insbesondere die Folge der Nachlassspaltung wird zum Anlass genommen, an die konkludente Rechtswahl höhere Anforderungen zu stellen.53 So könne aus der Verwendung von Begriffen und Institutionen des deutschen Erbrechts im Testament nicht zwingend der Wunsch nach
47 MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 45; Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 21; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 533. 48 Tiedemann, RabelsZ 55 (1991) 18, 31. 49 LG München I, NJW 2007, 3445; Kropholler, § 51 III 2 (S. 438); MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 39; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 535 m.w.N. 50 MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 45; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 534. 51 Vgl. dazu unten S. 49. 52 Es ist strittig, ob die Rechtswahl das gesamte inländische unbewegliche Vermögen erfassen muss oder ob auch eine Rechtswahl für einen Teil dieses Vermögens zulässig ist. Für die oben genannte h.M.: Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 18, 24; Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB, Rn. 8; Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 21 m.w.N.; a.A. Dörner, DNotZ 1988, 67, 86 f. 53 Vgl. Kropholler, § 51 III 2 (S. 438); Reinhart, BWNotZ 1987, 97, 102 f.; zum Meinungsstand im Einzelnen Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 18, 27 ff.
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einer beschränkten Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB abgeleitet werden.54 Vielmehr könne der Erblasser auch irrigerweise deutsches Recht für anwendbar gehalten haben („Handeln unter falschem Recht“).55 Außerdem könne in der Verwendung deutscher Normen und Rechtsinstitute auch zum Ausdruck kommen, dass der Erblasser materiell-rechtlich auf deutsche Regelungsmuster zurückgreifen wolle.56 Eine konkludente Rechtswahl durch Verwendung deutscher Rechtsinstitute könne jedenfalls nur angenommen werden, wenn diese nicht auch in anderen nahestehenden Rechtsordnungen existierten.57 In der Rechtsprechung ist eine konkludente Rechtswahl jedenfalls angenommen worden, wenn das andere in Betracht kommende Recht die gewählten Rechtsinstitute nicht kennt.58 cc) Das auf die Rechtswahl anwendbare Recht Die Rechtswahl ist ein einseitiges Rechtsgeschäft auf der Ebene des Kollisionsrechts. Die materielle Wirksamkeit richtet sich in analoger Anwendung des Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO nach dem deutschen Recht als lex causae59, und nicht nach dem gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Recht. Dies gilt für Fragen wie Auslegung, Anfechtung wegen Willensmängeln und Nichtigkeitsgründe. Für die Frage der Bindungswirkung bzw. den Widerruf ist ebenfalls deutsches Recht maßgeblich, z. T. wird dabei auf Art. 26 Abs. 5 EGBGB abgestellt.60 d) Folge einer wirksamen Rechtswahl Als Folge einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB gilt deutsches Recht. Art. 25 Abs. 1 EGBGB tritt als subsidiär zurück.61 Das gilt für das in Deutschland belegene Vermögen des ausländischen Erblassers, unabhängig davon, ob sein nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB berufenes Heimatrecht die Rechtswahl gestattet.62 Dies kann allerdings sog. hinkende Erbrechtsverhältnisse zur Folge haben und damit auf Kosten 54 Kropholler, § 51 III 2 (S. 438); Reinhart, BWNotZ 1987, 97, 102 f.; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 535. 55 Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 21; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 535. 56 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 535. 57 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 535; Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 18, 27. 58 Z. B. OLG Zweibrücken, MittBayNot 2003, 146, 147; LG Stuttgart, IPRspr 2002, Nr. 119, S. 291. 59 OLG Zweibrücken, MittBayNot 2003, 146, 147; Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 21; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 32; Hk-BGB/Staudinger, Art. 25 EGBGB, Rn. 14; Kropholler, § 51 III 2 (S. 438 f); v. Hoffmann/Thorn, § 9, Rn. 23 f.; Rauscher, IPRax 2014, 51, 53; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 526; Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 18, 26. 60 Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 18, 32. 61 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 498. 62 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 501.
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des internationalen Entscheidungseinklangs gehen.63 Folge einer Rechtswahl ist in der Regel die Nachlassspaltung (vorbehaltlich einer Rückverweisung des Heimatrechts des Erblassers).64 e) Folgen einer „unwirksamen“ Rechtswahl aa) Folgen der Wahl des objektiv anwendbaren deutschen Rechts Wählt der deutsche Erblasser für seinen in Deutschland belegenen, unbeweglichen Nachlass deutsches Recht, so hat diese Rechtswahl nur deklaratorischen Charakter, da deutsches Recht ohnehin nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB anwendbar ist.65 Sie kann beim Wechsel der Staatsangehörigkeit vor dem Tod wirksam werden.66 Nur deklaratorischen Charakter hat eine Rechtswahl auch, wenn sie von einem ausländischen Erblasser für sein im Inland belegenes Vermögen zugunsten des deutschen Rechts getroffen wird, obwohl dieses bereits aufgrund einer Rückverweisung seines nach der deutschen Kollisionsnorm objektiv berufenen Heimatrechts (ganz oder teilweise) anwendbar ist.67 bb) Unwirksame Wahl ausländischen Rechts Wählt der Erblasser ein ausländisches Recht, so ist diese Rechtswahl aus der Sicht des deutschen IPR nichtig.68 Eine solche Rechtswahl kann im Fall des deutschen Erblassers auch aus deutscher Sicht nicht durch die ausländische Rechtsordnung Wirksamkeit erlangen, weil deutsches Recht auch bei objektiver Anknüpfung Erbstatut ist. Beim ausländischen Erblasser kann die Rechtswahl nach ausländischem, objektiv berufenen Kollisionsrecht wirksam sein.69 Gleiches gilt grundsätzlich bei einer Wahl deutschen Rechts für im Ausland belegenes Vermögen.70 Betrifft die Rechtswahl neben unbeweglichem auch bewegliches Vermögen, so ist sie i. d. R. teilweise unwirksam.71 63
Vgl. Schotten/Schmellenkamp, § 3, Rn. 52 sowie im Einzelnen unten S. 49. Vgl. Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 18, 19. 65 Dörner, DNotZ 1988, 67, 85 f.; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 502; Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 18, 19. 66 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 502. 67 So auch Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 503; teilweise anders MüKo/Birk, (2010) Art. 25 EGBGB, Rn. 23, 24. Sie kann auch zu geringeren Kosten für die Erstellung eines Gutachtens über das anwendbare Erbrecht führen (Dörner, DNotZ 1988, 67, 86) oder den ausländischen ordre public ausschalten (Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 503; Tiedemann, RabelsZ 1991, 18, 19 f.). 68 MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 73; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 522; Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 18, 22 f. 69 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 522; näher dazu unten 3. 70 MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 73; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 523. 64
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cc) Handeln unter falschem Recht Von einer Rechtswahl zu unterscheiden ist das sog. Handeln unter falschem Recht. Darunter versteht man den Fall, in dem das Recht eines Staates stillschweigend oder ausdrücklich zugrunde gelegt oder gewählt wurde, jedoch nicht anwendbar ist,72 weil es bei objektiver Anknüpfung nicht anzuwenden ist und auch nicht gewählt werden kann. Der Wille des Erblassers kann in diesem Fall auf der Ebene des IPR keine Berücksichtigung finden, aber auf materiell-rechtlicher Ebene. Dabei wird versucht, die am falschen Recht orientierte Rechtsgestaltung in die Sprache des richtigen Rechts „zu übersetzen“73. Handelt es sich bspw. um eine unzulässige Rechtswahl, so bleibt diese auf der Ebene des IPR unwirksam, sie hat aber in materieller Hinsicht (Testamentsauslegung) Bedeutung.74 Im Rahmen der Testamentsauslegung wird untersucht, welche materiell-rechtlichen Folgen eine wirksame Rechtswahl hätte (z. B.: Nach dem gewählten Recht wären die nichtehelichen Kinder nicht erbberechtigt75). Wenn sich diese Rechtsfolge auch im eigentlich anwendbaren Erbrecht erzielen lässt, wird von einer entsprechenden Anordnung des Erblassers ausgegangen (im Beispiel: Ohne eine ausdrückliche Anordnung wird von einer Enterbung der nichtehelichen Kinder ausgegangen76). Voraussetzung dafür ist aber, dass dem Erblasser bei Vornahme der Rechtswahl (d. h. bei Testamentserrichtung) die aus der Wahl ausländischen Erbrechts folgenden materiell-rechtlichen Folgen (Enterbung) bewusst waren bzw. dass sich diese aus den sonstigen Anordnungen im Testament ergeben (z. B. Verteilung des gesamten Vermögens an andere als die nichtehelichen Kinder).77 Das vermeintlich gewählte Recht 71
Dies setzt allerdings voraus, dass eine Teilrechtswahl dem (mutmaßlichen) Willen des Erblassers entspricht. In der Literatur wird überwiegend folgendes vorgeschlagen: Wenn es dem Erblasser darauf ankam, den größtmöglichen Teil der Erbmasse deutschem Recht zu unterwerfen, ist von einer geltungserhaltenden Reduktion auszugehen (Lange, DNotZ 2000, 332, 337) bzw. analog § 139 BGB die Aufrechterhaltung der Rechtswahl für den zulässigen Teil anzunehmen (Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 524; vgl. Jayme, IPRax 1986, 265, 270). Kommt es ihm demgegenüber auf ein einheitliches Erbstatut an, so ist von einer (vollen) Unwirksamkeit der Rechtswahl auszugehen (Lange, DNotZ 2000, 332, 337; Kropholler, § 51 III 2 d) (S. 439 f.); a.A. (im Zweifel Unwirksamkeit) MüKo/Birk, (2010) Art. 25 EGBGB, Rn. 74). In der Rechtsprechung ist z. T. darüber hinausgehend angenommen worden, dass eine über Art. 25 Abs. 2 EGBGB hinausgehende Rechtswahl „regelmäßig im gesetzlich zulässigen Rahmen, d. h. beschränkt auf das deutsche Grundvermögen aufrechtzuerhalten“ ist (OLG Zweibrücken, ZEV 2003, 162, 163 mit krit. Anm. Süß; wie die überwiegende Lit. aber OLG Hamburg, IPRspr 2003, Nr. 98, S. 286; LG Hamburg, ZEV 1999, 491, 492). 72 Schotten/Schmellenkamp, § 3, Rn. 51; MüKo/v. Hein, Einl. IPR, Rn. 223; Staudinger/ Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 274; Erman/Hohloch, Art. 25 EGBGB, Rn. 16; vgl. Beck-OK/ Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 18. 73 Schotten/Schmellenkamp, § 3, Rn. 51. 74 BGH, NJW-RR 2006, 948. 75 BGH, NJW-RR 2006, 948. 76 BGH, NJW-RR 2006, 948. 77 Vgl. BGH, NJW-RR 2006, 948 f.
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ist somit „Hilfsmittel zur Ermittlung des Parteiwillens“78. Ein Handeln unter falschem Recht kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn das „falsche“ Recht durch eine (konkludente) Rechtswahl zur Anwendung gelangen kann.79 Davon zu unterscheiden sind sog. Auslegungsklauseln, also Anordnungen, in denen der Erblasser Rechtsinstitute einer Rechtsordnung wählt, die nicht dem Erbstatut entspricht bzw. festlegt, dass sein Testament im Lichte einer bestimmten Rechtsordnung ausgelegt werden soll.80 Diese haben ebenfalls nur materiell-rechtliche Wirkungen und dies auch nur insoweit, als dass es das Erbstatut zulässt.81 3. Wahl eines Rechts gemäß dem nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Recht Die Möglichkeiten der Rechtswahl sind mit Art. 25 Abs. 2 EGBGB aus der Sicht des deutschen IPR grundsätzlich erschöpft. Von Art. 25 Abs. 2 EGBGB zu unterscheiden ist allerdings eine Rechtswahl, die das nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB anwendbare Recht gestattet.82 Die Besonderheit besteht dabei darin, dass die Rechtswahl nach deutschem IPR zunächst unberücksichtigt bleibt83, folglich nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB objektiv angeknüpft wird. Bei dessen Verweisung handelt es sich um eine Gesamtverweisung. Wenn das durch die objektive Anknüpfung berufene IPR eine Rechtswahl erlaubt, ist diese auch aus deutscher Sicht wirksam. Die Wirksamkeit kann das berufene IPR herbeiführen, indem es die Wahl deutschen Rechts ermöglicht (Rückverweisung) oder indem es die Wahl des Rechts eines anderen Staates ermöglicht (Weiterverweisung). Aus der Sicht des deutschen Rechts ist eine solche über Art. 25 Abs. 2 EGBGB hinausgehende Rechtswahl beachtlich. In diesem Fall kann sich die Rechtswahl – über Art. 25 Abs. 2 EGBGB hinausgehend – sowohl auf bewegliches Vermögen beziehen, als auch ein anderes Recht als das deutsche berufen. Sinn und Zweck dieser Gestattung der Rechtswahlmöglichkeit ist die Vermeidung eines hinkenden Rechtsverhältnisses, das entstehen würde, wenn Deutschland die nach dem objektiv berufenen IPR wirksame Rechtswahl für unwirksam hält.84
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Beck-OK/Lorenz, Art. Einl. IPR, Rn. 93. MüKo/Sonnenberger (2010), Einl. IPR, Rn. 611; MüKo/v. Hein, Einl. IPR, Rn. 226. 80 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 505; BGH, NJW 1972, 1001, 1002. 81 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 505. 82 Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 19; Beck-OK/Lorenz, Art. 4 EGBGB, Rn. 11; Erman/Hohloch, Art. 25 EGBGB, Rn. 16; Lange, DNotZ 2000, 332, 341; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 28 ff.; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 504; Soergel/Schurig, Art. 25 EGBGB, Rn. 83; Mankowski/Osthaus, DNotZ 1997, 10, 13 f. 83 Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 19; Mankowski/Osthaus, DNotZ 1997, 10, 13; OLG Frankfurt a.M., IPrax 2014, 69 f. mit Anm. Rauscher IPRax 2014, 51. 84 Vgl. Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 53; Schotten/Schmellenkamp, § 3, Rn. 52; Lorenz, DNotZ 1993, 148, 155 ff.; Schotten, in: FS Geimer, S. 1013, 1021 ff. 79
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Eine Rückverweisung liegt bspw. in folgendem Fall vor: Ein italienischer Erblasser mit letztem Wohnsitz in Deutschland wählt für seine Rechtsnachfolge von Todes wegen hinsichtlich seines gesamten Vermögens deutsches Recht. Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB ist italienisches Recht berufen. Das italienische IPRG knüpft objektiv ebenfalls an die Staatsangehörigkeit an, gewährt dem Erblasser aber in Art. 46 Abs. 2 italienisches IPRG die Wahl des Rechts des Wohnsitzes85, also des deutschen Rechts. Das deutsche IPR akzeptiert diese nach italienischem Recht wirksame Rechtswahl. Hier handelt es sich um einen Fall der Rückverweisung: Durch die Rechtswahlmöglichkeit des italienischen IPR wird hinsichtlich des gesamten Nachlasses (über Art. 25 Abs. 2 EGBGB hinausgehend) deutsches Recht wählbar. Ein Fall einer Weiterverweisung ist bei folgendem Sachverhalt gegeben: Ein schweizerischer Erblasser, der seinen letzten Wohnsitz in Frankreich hatte, wählt französisches Recht als Erbstatut.86 Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte ergäbe sich nach §§ 105, 343 Abs. 3 FamFG etwa, wenn sich Nachlassgegenstände in Deutschland befinden. Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB ist schweizerisches Recht anwendbar, weil der Erblasser die Staatsangehörigkeit der Schweiz hat (Gesamtverweisung). Die Wahl französischen Rechts entspricht Art. 91 Abs. 2 des schweizerischen IPRG87, weil dieser dem Erblasser die Wahl des Rechts an seinem letzten Wohnsitz gestattet. Es handelt sich also um eine Rechtswahl, die durch Weiterverweisung des schweizerischen IPR gültig wird. 4. Zwischenergebnis Die Rechtswahlmöglichkeit ist nach dem bisherigen deutschen IPR im Bereich des Erbrechts stark beschränkt. Sie gilt nur für Ausländer und auch nur für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen. Grund dafür ist, dass der Gesetzgeber eine Umgehung des deutschen Pflichtteilsrechts befürchtet. Infolgedessen ist auch nur eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts gültig. Eine über die Grenzen des Art. 25 Abs. 2 EGBGB hinausgehende Rechtswahl kann allerdings das ausländische, objektiv berufene IPR gestatten, weil die deutsche Verweisung eine Gesamtverweisung ist. Eine solche Rechtswahl – bspw. auch für deutsche Erblasser oder den gesamten Nachlass – wird dann auch in Deutschland akzeptiert.
85 Abgedruckt bei Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 349; vgl. dazu auch Süß/Wiedemann/Wiedemann, S. 831; MüKo/Birk (2010), Art. 25 EGBGB, Rn. 29; Mankowski/ Osthaus, DNotZ 1997, 10, 13; A. Gruber, IWB 2014, 447, 451. 86 Nach MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 29. 87 Abgedruckt bei Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 729 und abrufbar unter https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19870312/index.html (zuletzt abgerufen am 2. 7. 2015).
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III. Die Art der Verweisung 1. Grundsatz der Gesamtverweisung (Art. 4 Abs. 1 S. 1) Art. 4 EGBGB regelt die Frage nach der Art der Verweisungen des deutschen IPR. Nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB wird bei einer Verweisung auf das Recht eines anderen Staates grundsätzlich auch auf das IPR dieses Staates verwiesen, sofern dies nicht dem Sinn der Verweisung widerspricht.88 Damit verfolgt das deutsche IPR den Grundsatz der Gesamtverweisung.89 Verweist das ausländische IPR auf deutsches Recht zurück, werden nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 die deutschen Sachvorschriften angewendet, es wird also nicht erneut auf das ausländische Recht verwiesen. 2. Ausnahmsweise Sachnormverweisung Ausnahmsweise ist die Verweisung des deutschen IPR als Sachnormverweisung zu verstehen. Von einer solchen ist zum einen dann auszugehen, wenn eine Gesamtverweisung „dem Sinn der Verweisung widerspricht“ (Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EGBGB, „Sinnklausel“90). Die Bedeutung dieser „Sinnklausel“ ist stark umstritten.91 Die h.M. sieht die Sinnklausel grundsätzlich als erfüllt an, wenn die entsprechende Verweisungsnorm einen Regelungszweck hat, der über den allgemeinen Zweck von Kollisionsnormen hinausgeht92, sie also eine „qualifizierte Sachgerechtigkeit“ oder „rechtspolitisch ordnende Funktion“ verfolgt.93 Nicht ausreichend ist eine bloß abweichende Anknüpfung der ausländischen Kollisionsnorm.94 Weitgehende Einigkeit
88 Art. 4 Abs. 1, 2 EGBGB lauten: „(1) Wird auf das Recht eines anderen Staates verwiesen, so ist auch dessen Internationales Privatrecht anzuwenden, sofern dies nicht dem Sinn der Verweisung widerspricht. Verweist das Recht des anderen Staates auf deutsches Recht zurück, so sind die deutschen Sachvorschriften anzuwenden. (2) Soweit die Parteien das Recht eines Staates wählen können, können sie nur auf die Sachvorschriften verweisen.“ 89 BGH, FamRZ 1987, 679, 681; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 17; Staudinger/ Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 47; Beck-OK/Lorenz, Art. 4 EGBGB, Rn. 5; Junker, Rn. 193; Kropholler, § 24 II 1 (S. 168); Rauscher, Rn. 343; Palandt/Thorn, Art. 4 EGBGB, Rn. 1; v. Hoffmann/Thorn, § 6, Rn. 78; anders aber Sonnentag, S. 97 ff., der die Frage nach Gesamtoder Sachnormverweisung in jedem Fall von einer Interessenabwägung abhängig machen will. 90 MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 19. 91 Beck-OK/Lorenz, Art. 4 EGBGB, Rn. 8; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 19. 92 Dieser besteht danach darin, die Frage nach dem anwendbaren Recht „überhaupt irgendwie“ zu entscheiden (Rauscher, NJW 1988, 2151, 2152). 93 Rauscher, NJW 1988, 2151, 2152; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 19; Staudinger/ Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn 91. 94 Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 91; Kropholler, § 24 II 3 (S. 170 f.); Junker, Rn. 196.
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besteht zumindest grundsätzlich darüber, dass bei alternativen Anknüpfungen95 und Ausweichklauseln96 eine Gesamtverweisung dem Sinn der Verweisung widerspricht. Zum anderen liegt eine Sachnormverweisung vor, „soweit die Parteien das Recht eines Staates wählen können“ (Art. 4 Abs. 2 EGBGB). 3. Sinn und Zweck der Regelung a) Sinn und Zweck der Zulassung des Renvoi Der Sinn und Zweck der Zulassung einer Rück- oder Weiterverweisung ist im Einzelnen umstritten.97 Weitgehender Konsens besteht jedenfalls insoweit, als die Gewährleistung des internationalen Entscheidungseinklangs für die Zulassung eines Renvoi spricht.98 Dieser internationale Entscheidungseinklang wird bei einer Rückverweisung allerdings grundsätzlich nur dann erreicht, wenn das ausländische System seine eigene Verweisung gerade nicht als Gesamt-, sondern als Sachnormverweisung versteht, der Doktrin des Renvoi also nicht folgt.99 Diesem Einwand wird von der überwiegenden Ansicht entgegengesetzt, dass eine Gesamtverweisung im Vergleich zur reinen Sachnormverweisung jedenfalls in einem Teil der Fälle zum internationalen Entscheidungseinklang führe.100 Darüber hinaus wird speziell für die Rückverweisung angeführt, dass er zur Anwendung inländischen Rechts führe.101 Diesem unter dem Begriff „Heimwärtsstreben“102 bekannten Argument widerspricht zwar grundsätzlich das Gebot der kollisionsrechtlichen Neutralität bzw. der Gleichbehandlung in- und ausländischen Rechts.103 Dennoch ist es als Argument anerkannt, insbesondere aufgrund der mit der Anwendung der lex fori verbundenen Entlastung der Gerichte.104 Dies gelte erst recht, wenn das ausländische Recht sich nicht für anwendbar hält.105 95
MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 19; Hk-BGB/Schulze, Art. 4 EGBGB, Rn. 6; BeckOK/Lorenz, Art. 4 EGBGB, Rn. 8; Palandt/Thorn, Art. 4 EGBGB, Rn. 6. 96 Hierbei sind die Einzelheiten allerdings umstritten, vgl. im Einzelnen Staudinger/ Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 105 ff.; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 32; Kropholler, § 24 I 2 (S. 169 f.). 97 Ausführlich MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 5 ff. 98 Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 17; Kegel/Schurig, § 10 III 3; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 14; Rauscher, Rn. 344; Junker, Rn. 194; Palandt/Thorn, Art. 4 EGBGB, Rn. 1; a.A. (nur Nebenzweck) v. Bar/Mankowski, § 7, Rn. 237. 99 Kropholler, § 24 I 3 (S. 165 f.); Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 17; kritisch in Bezug auf die EuErbVO Lorenz, ErbR 2012, 39, 47. 100 Kropholler, § 24 I 3 (S. 166); Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 18. 101 Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 19; v. Hoffmann/Thorn, § 6, Rn. 92; Kropholler, § 24 I 3 (S. 166). 102 v. Hoffmann/Thorn, § 6, Rn. 92. 103 Kritisch deshalb Mäsch, RabelsZ 61 (1997), 285, 298 ff.; vgl. MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 15. 104 MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 15; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 19.
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b) Sinn und Zweck der Ausnahmen vom Grundsatz der Gesamtverweisung Der Sinn und Zweck der Sinnklausel besteht darin, der Frage, ob eine ausländische Kollisionsnorm beachtlich ist oder nicht, die nötige Flexibilität zu geben.106 Ausgeschlossen sein sollte eine Gesamtverweisung nach dem Willen des Gesetzgebers etwa bei alternativen Anknüpfungen107 oder wenn sich die spezielle Kollisionsnorm auf Sachvorschriften bezieht.108 Im Falle der Rechtswahl ist eine Gesamtverweisung bereits deshalb nicht sinnvoll, weil die Partei, die ein Recht wählt, üblicherweise das materielle Recht meint.109 Darüber hinaus wird für eine Sachnormverweisung angeführt, dass in Bereichen, in denen das Gesetz keine unbeschränkte Rechtswahl vorsähe, verhindert werden müsse, dass das ausländische Kollisionsrecht die Zahl der wählbaren Rechte vergrößere.110 4. Bedeutung des Renvoi im internationalen Erbrecht Die Verweisung des Art. 25 Abs. 1 EGBGB ist in aller Regel kein Fall des Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EGBGB (Sinnklausel), ausländisches Kollisionsrecht ist damit beachtlich.111 Der Grundsatz der Gesamtverweisung ist damit im internationalen Erbrecht von großer Relevanz.112 Im Falle einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB griffe theoretisch Art. 4 Abs. 2 EGBGB, der eine Sachnormverweisung anordnet.113 Allerdings beschränkt sich die Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB von vornherein auf deutsches Recht
105 Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 19; Kropholler, § 24 I 3 (S. 166); Neuhaus, S. 271; kritisch Wolff, S. 76. 106 Kropholler, § 24 II 2 (S. 169); vgl. auch Stoll, IPRax 1984, 1, 2. 107 BT-Drucks., 10/5632 S. 39. 108 BT-Drucks., 10/5632 S. 39. 109 Kropholler, § 24 II 5 (S. 175). 110 Stoll IPRax 1984, 1, 3; Kropholler, § 24 II 5 (S. 175). 111 MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 98; Siehr, IPRax 1987, 4, 5; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 652. Teilweise wird allerdings bei einem Mehrstaater ein Anwendungsfall des Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EGBGB angenommen. So soll es liegen, wenn aus deutscher Sicht aufgrund der Effektivität einer Staatsangehörigkeit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB) das entsprechende Heimatrecht maßgeblich ist, dieses aber abweichend von Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB ein anderes Heimatrecht beruft, etwa weil es zugunsten der zuletzt erworbenen Staatsangehörigkeit entscheidet (so MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 98, Siehr, IPRax 1987, 4, 5; anders Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 679). Dem Sinn der Verweisung widerspricht eine Gesamtverweisung auch im Falle des Art. 26 Abs. 1 und 4, vgl. Staudinger/Dörner Art. 25 EGBGB, Rn. 656. 112 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 652; Kropholler, § 24 II 6 (S. 176); MüKo/ Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 84. 113 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 655.
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Kap. 1: Nationalstaatliche Kollisionsnormen vor Inkrafttreten der EuErbVO
(einseitige Kollisionsnorm); auch die Annahme einer Gesamtverweisung führte hier somit zu keinem anderen Ergebnis. 5. Zwischenergebnis Das deutsche IPR geht vom Grundsatz der Gesamtverweisung aus. Von diesem Grundsatz werden Ausnahmen gemacht, wenn eine Gesamtverweisung „dem Sinn der Verweisung widerspricht“ (Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EGBGB) und wenn die Parteien das anwendbare Recht wählen (Art. 4 Abs. 2 EGBGB). Im Falle der objektiven Anknüpfung nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB liegt in aller Regel keine solche Ausnahme vor; das ausländische IPR ist daher beachtlich. Verweist es auf deutsches Recht zurück, wird die Verweisung an dieser Stelle abgebrochen (Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB).
IV. Die Reichweite der Nachlasseinheit im deutschen IPR 1. Begründung der einheitlichen Anknüpfung nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB Art. 25 Abs. 1 EGBGB verweist auf ein einheitliches, erbrechtliches Vermögensstatut.114 Die Norm unterscheidet damit nicht zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen, sondern bestimmt das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht einheitlich. Das System der Nachlasseinheit wird mit folgenden Argumenten begründet: Die Nachlasseinheit entspreche dem Grundsatz der Universalsukzession.115 Viele materiell-rechtliche Normen setzten die einheitliche Behandlung des Nachlasses voraus.116 Daher könne die Nachlassspaltung zu unbilligen Ergebnissen führen, typisches Beispiel dafür sei die sog. „question anglaise“.117 Darüber hinaus sei ungerecht, dass ein (möglicherweise überschuldeter) Teil des Erbes durch den Erben ausgeschlagen werden könne, während er den anderen akzeptiert.118 Die Nachlasseinheit 114
Staudinger/Hausmann, Art. 3a EGBGB, Rn. 5; Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 17; Palandt/Thorn, Art. 3a EGBGB, Rn. 3; Erman/Hohloch, Art. 3a EGBGB, Rn. 6. 115 Vgl. Audit/d’Avout, Rn. 888; Lagarde, Successions, Rn. 4. 116 Audit/d’Avout, Rn. 888. 117 Lagarde, in: Gottwald, S. 15. Unter „question anglaise“ versteht man folgenden Fall: Ein in Frankreich ansässiger Vater besitzt zwei gleichwertige Immobilien in London und Paris. Er möchte die Londoner Wohnung seiner Tochter, die Pariser Wohnung seinem Sohn übertragen. Fordert die Tochter nach Eintritt des Erbfalles ihren Pflichtteil an der Pariser Immobilie, der ihr nach dem anwendbaren französischen Erbrecht zusteht, wird die eigentlich vom Erblasser beabsichtigte gerechte Verteilung verhindert, weil die englische Rechtsordnung keinen Pflichtteil kennt. 118 Vgl. Sonnenberger, IPRax 2002, 169, 171.
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vereinfache die Planung der Rechtsnachfolge und verhindere die mit der Nachlassspaltung verbundenen Qualifikationsprobleme (z. B. bei national unterschiedlichem Verständnis von beweglichem und unbeweglichem Vermögen).119 Die Nachlasseinheit verhindere zudem eine komplizierte Abwicklung des Nachlasses, die mit der Nachlassspaltung häufig verbunden sei120 (insbesondere höhere Transaktionskosten121). Auch wenn im Grundsatz Art. 25 Abs. 1 EGBGB Anwendung findet, unterliegt die Rechtsnachfolge nicht in jedem Fall einem Recht. Der Grundsatz der Nachlasseinheit wird vielmehr in verschiedenen Fällen durchbrochen. 2. Rechtliche Nachlassspaltung trotz Geltung deutschen IPRs a) Nachlassspaltung durch den „Vorrang des Einzelstatuts“ aa) Allgemeines Der erste Fall, in dem eine Nachlassspaltung eintreten kann, ist der des „Vorrangs des Einzelstatuts“. Die Verweisung des Art. 25 Abs. 1 EGBGB gilt grundsätzlich auch für Gegenstände, die in einem Drittstaat belegen sind.122 Der Umfang dieser Verweisung wird jedoch durch Art. 3a Abs. 2 EGBGB beschränkt. Der „Vorrang des Einzelstatuts“ gegenüber dem Gesamtstatut in Art. 3a Abs. 2 EGBGB reagiert dabei auf einen „positiven Kompetenzkonflikt“123, der darin besteht, dass die inländische Kollisionsnorm allgemein und die ausländische, am Belegenheitsort geltende Kollisionsnorm für einen bestimmten Gegenstand Anwendung beanspruchen.124 Dies führt zu einer „Selbstbeschränkung gegenüber der stärkeren Rechtsordnung“125. Dabei wird die inländische Kollisionsnorm durchbrochen, weil ein anderes als das von ihr berufene Recht für einen bestimmten Gegenstand ebenfalls Anwendung beansprucht.126 Vom Anwendungsbereich des Vorrangs des Einzelstatuts ist insbesondere das Erbrecht betroffen.127
119
Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 555; Boulanger, Rn. 32 ff. Vgl. MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 602. 121 Basedow/Hopt/Zimmermann/Dutta, S. 421; Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 555; MPIStellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 602. 122 Staudinger/Hausmann, Art. 3a EGBGB, Rn 6. 123 Kropholler, § 26 I (S. 183). 124 Kropholler, § 26 I (S. 183). 125 Kropholler, § 26 I (S. 183). 126 Kropholler, § 26 I (S. 183); MüKo/v. Hein, Art. 3a EGBGB, Rn. 14. 127 Kropholler, § 26 II 1 (S. 184); Steiner, S. 15; vgl. MüKo/v. Hein, Art. 3a EGBGB, Rn. 19. 120
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bb) „Besondere Vorschriften“ i.S.v. Art. 3a Abs. 2 EGBGB Als „besondere Vorschrift“ i.S.v. Art. 3a Abs. 2 EGBGB sind zunächst „Sachnormen anzusehen, die sich auf sog. gebundene Güter oder Sondervermögen […] beziehen und diese Gegenstände einer besonderen Regelung in der Vererbung unterstellen.“128 Zu diesen Vermögensgegenständen gehören solche, die aus wirtschaftspolitischen oder gesellschaftspolitischen Gründen generell nicht zum privaten Vermögensrecht gehören, wie z. B. Erbhöfe.129 Nach der Auffassung des BGH sind als besondere Vorschriften darüber hinaus Kollisionsnormen anzusehen, „welche die Erbfolge in bestimmte Gegenstände, vornehmlich in Grundstücke, einem anderen Recht unterstellen als die übrige Erbfolge und damit zu einer Aufspaltung des Nachlasses führen.“130 Es ergibt sich aus der Begründung des Neuregelungsgesetzes, das Art. 3 EGBGB (a.F.) eingeführt hat, dass dieser im Sinne der Entscheidung des BGH verstanden werden und auch Kollisionsnormen umfassen soll.131 Dies entspricht heute auch der h.M. in der Literatur.132 Insbesondere die Anknüpfung an den Belegenheitsort bei Grundstücken im französischen IPR wird bspw. als besondere Vorschrift im Sinne von Art. 3a Abs. 2 EGBGB angesehen.133 Für in Frankreich befindliche bewegliche Nachlassgegenstände bestehen demgegenüber keine besonderen Vorschriften i.S.v. Art. 3a Abs. 2 EGBGB.134 cc) Rechtsfolge Die Rechtsfolge des Vorrangs des Einzelstatuts besteht darin, dass in Bezug auf die betroffenen Gegenstände das Einzelstatut (Belegenheitsstatut) gilt.135 Bezüglich der Nachlassspaltung im Erbrecht hat der BGH hierzu ausgeführt, dass „hinsichtlich des abgespaltenen Nachlassteils […] das besondere Erbstatut für alle erbrechtlichen 128 In Bezug auf Art. 28 EGBGB a.F. BGHZ 50, 63, 68; in Bezug auf Art. 3 Abs. 3 EGBGB a.F. BGH, NJW 1993, 1920, 1921; BGH, NJW 2004, 3558, 3560; OLG Koblenz, ZEV 2010, 262, 263; vgl. die weiteren Nachweise zur Rechtsprechung in Staudinger/Hausmann, Art. 3a EGBGB, Rn. 28 f. 129 MüKo/v. Hein, Art. 3a EGBGB, Rn. 36. Beck-OK/Lorenz, Art. 3a EGBGB, Rn. 7. 130 In Bezug auf Art. 28 EGBGB a.F. BGHZ 50, 63, 64 ff., a.A. Kegel/Schurig, § 12 II b cc. 131 Vgl. BT-Drucks. 10/504 S. 36; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 101 f.; Beck-OK/ Lorenz, Art. 3a EGBGB, Rn. 8. 132 Staudinger/Hausmann, Art. 3a EGBGB, Rn. 31; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 570; Kropholler, § 26 II 2 (S. 185); Palandt/Thorn, Art. 3a EGBGB, Rn. 6; Erman/Hohloch, Art. 3a EGBGB, Rn. 10; v. Bar/Mankowski, § 7, Rn. 47; a.A. Solomon, IPRax 1997, 81, 87; Kegel/Schurig, § 12 II 2 b cc. 133 Süß/Döbereiner, S. 625. 134 BayOblG NJW-RR 1990, 1033 in Bezug auf Art. 3 Abs. 3 EGBGB a.F. 135 Kropholler, § 26 II 4 (S. 186).
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Fragen im weiteren Sinne gilt.“136 Dazu gehört auch das Pflichtteilsrecht, sodass der Pflichtteilsanspruch nach jedem Teilnachlass (und damit nach verschiedenen nationalen Rechtsordnungen) gesondert zu ermitteln ist.137 Zwei Fälle sind dabei zu unterscheiden: Der Vorrang des Einzelstatuts wirkt sich zum einen aus, wenn aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit des Erblassers deutsches Erbrecht anwendbar ist und zum Vermögen des Erblassers Grundstücke gehören, die in einem Staat belegen sind, der die kollisionsrechtliche Nachlassspaltung kennt (z. B. Frankreich). Zum anderen gilt der Vorrang des Einzelstatuts auch dann, wenn die deutsche Kollisionsnorm aufgrund der ausländischen Staatsangehörigkeit des Erblassers auf ausländisches IPR verweist, das gleich anknüpft und die Verweisung akzeptiert (z. B. Italien) oder auf deutsches Recht zurückverweist.138 Dann wäre zwar aus der Sicht des berufenen Rechts der Nachlass einheitlich dem dortigen Recht unterworfen, der deutsche Gesetzgeber gibt aber bzgl. der im Drittstaat belegenen Grundstücke dem Belegenheitsrecht den Vorzug.139 dd) Begründung der Regelung Die Regelung des Art. 3a Abs. 2 EGBGB wird in Bezug auf ihre Anwendung auf Kollisionsnormen damit begründet, dass ein Interesse daran bestehe, undurchsetzbare Rechtslagen zu vermeiden und dass die größere Sachnähe des Belegenheitsrechts den Vorrang gebiete.140 Der Vorrang diene also dem internationalen Entscheidungseinklang.141 So kann das deutsche IPR die Geltung deutschen Rechts im Falle eines deutschen Erblassers, zu dessen Vermögen ein Grundstück in Frankreich gehört, für den gesamten Nachlass zwar anordnen, hinsichtlich des in Frankreich belegenen Grundstücks lässt sich die Anwendung deutschen Rechts aber nicht durchsetzen. Ferner wird auch die Achtung des „rechtspolitischen Interesses des Belegenheitsstaates“142 angeführt. Teilweise wird dieser Begründungsansatz jedoch mit dem Argument abgelehnt, dass Art. 3a Abs. 2 EGBGB bei einer generell anderen Anknüpfung des Belegen-
136
BGHZ 50, 63, 69 f. BGHZ 24, 352, 355; BGH, NJW 1993, 1920, 1921; Gruber, ZEV 2001, 463, 464; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 770; Erman/Hohloch, Art. 25 EGBGB, Rn. 37. 138 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 555. 139 Staudinger/Hausmann, Art. 3a EGBGB, Rn. 31; MüKo/Sonnenberger (2010), Art. 3a EGBGB, Rn. 11. 140 BGHZ 131, 22, 29; BT-Drucks., 10/504 (S. 36 f.); Beck-OK/Lorenz, Art. 3a EGBGB, Rn. 8; Erman/Hohloch, Art. 3a EGBGB, Rn. 6; Palandt/Thorn, Art. 3a EGBGB, Rn. 3; MüKo/ v. Hein, Art. 3a EGBGB, Rn. 15. 141 Junker, Rn. 212; Looschelders, Art. 3 EGBGB, Rn. 22; Erman/Hohloch, Art. 3a EGBGB, Rn. 6. 142 MüKo/Sonnenberger (2010), Art. 3a EGBGB, Rn. 5. 137
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heitsrechts (z. B. an den Wohnsitz des Erblassers) keine Anwendung findet.143 In diesem Fall ließe sich erst recht kein internationaler Entscheidungseinklang erzielen, dennoch bleibe es bei der Anknüpfung des Art. 25 Abs. 1 EGBGB.144 Die Vorschrift existiere vielmehr deshalb, weil die Zusammenfassung der Gegenstände zu einer Vermögenseinheit durch das für den Einzelgegenstand maßgebliche Recht anerkannt werden müsse.145 b) Nachlassspaltung durch Renvoi Im Gegensatz zum „positiven Kompetenzkonflikt“, der zum Vorrang des Einzelstatuts führen kann, stellt der Fall des Renvoi (zumindest bei einer Rückverweisung) einen „negativen Kompetenzkonflikt“ dar.146 In diesem Fall erklären nicht beide Rechtsordnungen ihr eigenes Recht, sondern jeweils das Recht des anderen für anwendbar. Die Verweisung des Art. 25 Abs. 1 EGBGB stellt eine Gesamtverweisung nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB dar, sodass Rück- und Weiterverweisungen durch das Kollisionsrecht eines anderen Staates zu beachten sind.147 Eine Nachlassspaltung entsteht allerdings nur bei partieller Rückverweisung. Verweist die von Art. 25 Abs. 1 EGBGB berufene ausländische Rechtsordnung im Ganzen auf deutsches Recht zurück, liegt im Ergebnis Nachlasseinheit vor. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB erklärt die deutschen Sachvorschriften für anwendbar. Voraussetzung für dessen Geltung ist aber – wie ausgeführt –, dass die Teilrückverweisung dem Sinn der deutschen Verweisung nicht widerspricht (vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Dies wird wegen der zahlreichen Durchbrechungen der Nachlasseinheit (vgl. nur Artt. 3a Abs. 2, 25 Abs. 2 EGBGB) bejaht.148 Eine Nachlassspaltung durch Renvoi entsteht im Falle eines französischen Erblassers mit letztem Domizil in Frankreich, zu dessen Vermögen ein deutsches Grundstück gehört. Zwar verweist Art. 25 Abs. 1 EGBGB einheitlich auf das französische Recht. Jedoch wird durch das französische IPR hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens zurückverwiesen.149
143
Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn 556; Solomon, IPRax 1997, 81, 84; vgl. auch Staudinger/Hausmann, Art. 3a EGBGB, Rn. 7. 144 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn 556. 145 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn 556; Tiedemann, S. 50 f. 146 Kropholler, § 26 I (S. 183). 147 Vgl. BGHZ 45, 351, 352; BGH, NJW 1959, 1317, 1318; BGH, NJW 1972, 1001; MüKo/ Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 84; Hk-BGB/Staudinger, Art. 25 EGBGB, Rn. 16; v. Hoffmann/ Thorn, § 9, Rn. 8; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 652. 148 Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 298 m.w.N. 149 Vgl. im Einzelnen unten S. 55 f.
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c) Nachlassspaltung durch Rechtswahl Die dritte Möglichkeit der Entstehung einer Nachlassspaltung ist die der Rechtswahl. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: aa) Nachlassspaltung aufgrund einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB Gemäß Art. 25 Abs. 2 EGBGB kann der Erblasser für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Recht wählen. Bezüglich beweglichen Vermögens existiert keine Rechtswahlmöglichkeit, sodass das Heimatrecht des Erblassers Anwendung findet. Macht der Erblasser von der Rechtswahlmöglichkeit Gebrauch, hat diese eine kollisionsrechtliche Nachlassspaltung zur Folge, sofern er nicht ohnehin nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB evtl. i.V.m. einer Rückverweisung nach deutschem Recht beerbt wird.150 bb) Nachlassspaltung aufgrund einer Rechtswahl nach dem nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Recht Theoretisch denkbar ist auch eine Nachlassspaltung durch eine Rechtswahl, die nicht vom deutschen IPR, aber vom über Art. 25 Abs. 1 EGBGB berufenen ausländischen IPR zugelassen wird. Voraussetzung dafür wäre, dass der Erblasser die ausländische Staatsangehörigkeit besitzt und sein Heimatrecht nur für einen Teil des Nachlasses, z. B. unbewegliches Vermögen, eine Rechtswahl zulässt. Zwar existieren solche Regelungen (z. B. in Québec151). Jedoch lassen sie eine Rechtswahl zugunsten des Belegenheitsrechts regelmäßig nur zu, wenn sie bereits objektiv bei unbeweglichem Vermögen an dieses anknüpfen. Daraus folgt, dass bereits die objektive Anknüpfung eine Nachlassspaltung herbeiführt. Will man in diesen Fällen der Rechtswahl, auch wenn sie zum gleichen Ergebnis führt wie die objektive Anknüpfung, den Vorrang einräumen, so entsteht die Nachlassspaltung in der Tat durch Rechtswahl. 3. Faktische Nachlassspaltung a) Begriff und Abgrenzung Von einer rechtlichen Nachlassspaltung zu unterscheiden ist die faktische Nachlassspaltung.152 Eine faktische Nachlassspaltung kann entstehen, wenn eine Rechtsordnung ihren Regelungsanspruch auf den gesamten (auch im Ausland be150
Näher Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB, Rn. 8. Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 86. 152 Synonym dafür ist der Nachlasskonflikt, vgl. Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 53; Leible/Sommer, ZEV 2006, 93, 94. 151
50
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findlichen) Nachlass erstreckt, die ausländische Rechtsordnung jedoch ein davon abweichendes Erbstatut für den gesamten Nachlass bestimmt und damit ebenfalls den Geltungsanspruch ihres eigenen Rechts erhebt.153 Besteht diese abweichende Anknüpfung der ausländischen Rechtsordnung nur in Bezug auf einzelne Gegenstände des Nachlasses (Einzelstatut, im Beispiel der französischen Rechtsordnung für Immobilien), handelt es sich um eine rechtliche Nachlassspaltung nach Art. 3a Abs. 2 EGBGB.154 Im Fall der faktischen Nachlassspaltung unterliegt zwar aus der Sicht der deutschen Rechtsordnung der gesamte Nachlass deutschem Recht, der Geltungsanspruch des deutschen Rechts lässt sich jedoch faktisch nicht unbeschränkt durchsetzen.155 Es handelt sich mithin um ein Problem hinkender Rechtsverhältnisse bzw. der internationalen Entscheidungsdisharmonie.156 Bei der faktischen Nachlassspaltung handelt es sich nicht um ein deutsches Problem, sondern einen generellen Konflikt der Geltungsansprüche verschiedener Rechtsordnungen. Die faktische Nachlassspaltung kann sich ergeben, solange keine Harmonisierung des IPR erfolgt. Im Folgenden sollen die wichtigsten Gründe für die faktische Nachlassspaltung aus deutscher Sicht dargestellt werden. b) Faktische Nachlassspaltung aufgrund unterschiedlicher Anknüpfungskriterien für das Gesamtstatut Grund für eine faktische Nachlassspaltung kann zunächst sein, dass in zwei Ländern unterschiedliche Anknüpfungskriterien für das Gesamtstatut bestehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein deutscher Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt/Wohnsitz in einem Land hat, dessen internationales Erbrecht einheitlich an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt/Wohnsitz anknüpft.157 Bei Zuständigkeit eines deutschen Gerichts wird dieses auf den Erbfall aufgrund Art. 25 Abs. 1 EGBGB einheitlich deutsches Recht anwenden, und die ausländische Regelung außer Acht158 lassen. Entscheidet hingegen das ausländische Gericht, wird es die deutsche Kollisionsnorm außer Acht lassen und sein innerstaatliches Recht anwenden. Faktisch führt dies dazu, dass der in Deutschland belegene Teil des Nachlasses nach deutschem, der im Ausland belegene Teil des Nachlasses nach
153 Bengel/Reimann/Haas/Sieghörtner, 9. Kapitel, Rn. 48; Steiner, S. 28; ders., ZEV 2003, 145; vgl. auch Lorenz, DNotZ 1993, 148. 154 In Bezug auf Art. 3 Abs. 3 EGBGB a.F. Bengel/Reimann/Haas/Sieghörner, 9. Kapitel, Rn. 48. 155 Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 53; Bengel/Reimann/Haas/Sieghörtner, 9. Kapitel, Rn. 48; Schlitt/Müller/Lehmann, § 14, Rn. 70; Steiner, S. 28. 156 Steiner, S. 28; Bengel/Reimann/Haas/Sieghörtner, 9. Kapitel, Rn. 48; Schlitt/Müller/ Lehmann, § 14, Rn. 70. 157 Schlitt/Müller/Lehmann, § 14, Rn. 70; Steiner, ZEV 2003, 145. 158 Vgl. Küpper, ZEV 2000, 513, 514.
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ausländischem Recht beurteilt wird.159 Grund dafür ist, dass sich der Geltungsanspruch der einen Rechtsordnung im Geltungsbereich der anderen nicht durchsetzen lässt. c) Faktische Nachlassspaltung aufgrund mehrerer Staatsangehörigkeiten Ein weiterer Fall der faktischen Nachlassspaltung kann vorliegen, wenn ein Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt. Dieser Fall setzt zunächst voraus, dass das internationale Erbrecht beider Staaten an die Staatsangehörigkeit anknüpft. Ferner ist erforderlich, dass beide Staaten unterschiedliche Staatsangehörigkeiten vorgehen lassen. Das ist bspw. der Fall, wenn beide Staaten jeweils der eigenen Staatsangehörigkeit den Vorzug geben.160 Es kann auch der Fall sein, wenn dies nur einer der Staaten tut, der andere aber an die abweichende effektive Staatsangehörigkeit anknüpft.161 Auch hier lässt sich der Geltungsanspruch des einen Staates im anderen Staat nicht durchsetzen.162 d) Faktische Nachlassspaltung durch Gesamtverweisung Schließlich kann eine faktische Nachlassspaltung durch Gesamtverweisung entstehen. Diese beruht auf unterschiedlichen Ausgangspunkten in der Beurteilung eines internationalprivatrechtlichen Falles, die aufgrund eines Renvoi zur Anwendung unterschiedlichen Rechts führen.163 Dies zeigt der Fall eines französischen Erblassers mit letztem Domicile in Deutschland, dessen Vermögen nur bewegliche Sachen umfasst. Wird der Fall im Ausgangspunkt aus deutscher Sicht (durch ein deutsches Gericht oder von einer deutschen Behörde) beurteilt, würde diese zunächst das französische Recht (einschl. des IPR) gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB für anwendbar erklären. Das französische Recht verwiese in diesem Fall aufgrund des letzten gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland auf deutsches Recht zurück. Dieser Renvoi würde von der deutschen Rechtsordnung nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB akzeptiert, und im Ergebnis deutsches Recht angewendet. Wird der Fall jedoch im Ausgangspunkt aus französischer Sicht beurteilt, würde durch die Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Wege der Gesamtverweisung deutsches Recht berufen, welches aufgrund der französischen Staatsangehörigkeit auf französisches Recht zurückverwiese. Dieser Renvoi würde von der französischen 159
Bengel/Reimann/Haas/Sieghörtner, 9. Kapitel, Rn. 49; Lorenz, DNotZ 1993, 148, 155. Z.B. wenn der Erblasser deutscher und tschechischer Staatsbürger ist, siehe Bengel/ Reimann/Haas/Sieghörtner, 9. Kapitel, Rn. 50; Steiner, ZEV 2003, 145; vgl. auch Schlitt/ Müller/Lehmann, § 14, Rn. 70. 161 Schotten/Schmellenkamp, § 3, Rn. 52. 162 Bengel/Reimann/Haas/Sieghörtner, 9. Kapitel, Rn. 50. 163 Im Französischen wird dabei von „renvoi croisé“, gekreuzter Renvoi, gesprochen, vgl. Khairallah, in: Khairallah/Révillard (2013), Rn. 106. 160
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Rechtsordnung akzeptiert und im Ergebnis französisches Recht angewendet. In beiden Staaten wird demnach letztlich die lex fori angewendet.164 e) Faktische Nachlassspaltung durch Rechtswahl Eine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB kann in bestimmten Fällen auch eine faktische Nachlassspaltung nach sich ziehen. Dies ist dann der Fall, wenn der Erblasser Angehöriger eines ausländischen Staates ist, der (einheitlich) an die Staatsangehörigkeit anknüpft, der Erblasser aber für deutsches unbewegliches Vermögen nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB wirksam eine Rechtswahl getroffen hat.165 So läge es etwa, wenn der Erblasser Spanier ist. Aus deutscher Sicht gilt für das unbewegliche Vermögen deutsches Recht, für das Vermögen im Übrigen spanisches Recht. Dagegen unterstellt die spanische Rechtsordnung den Nachlass insgesamt dem spanischen Recht166, erkennt die Rechtswahl also nicht an. 4. Zwischenergebnis Art. 25 Abs. 1 EGBGB ordnet zwar grundsätzlich Nachlasseinheit an. Dennoch kann eine rechtliche Nachlassspaltung auch bei Anwendung deutschen IPRs entstehen. Wenn eine Nachlassspaltung aufgrund einer Rück- und Weiterverweisung (Art. 4 Abs. 1 EGBGB), einer Rechtswahl (Art. 25 Abs. 2 EGBGB) oder infolge der Anwendung von Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsteht, führt dies zu einem Nebeneinander mehrerer Erbstatute.167 Die in tatsächlicher Hinsicht bestehende Vermögenseinheit wird rechtlich als mehrere, eigenständig zu beurteilende Nachlässe beurteilt. Soweit ein Nachlassteil deutschem Recht unterliegt, wird er so behandelt, als bildete er den gesamten Nachlass.168
V. Zusammenfassung zum bisherigen deutschen Recht Das deutsche internationale Erbrecht knüpft in seiner bisherigen Fassung im EGBGB einheitlich an das Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt des Todes an. Es verfolgt damit das Prinzip der Nachlasseinheit. Vom Grundsatz der einheitlichen Anknüpfung werden verschiedene Ausnahmen gemacht, die zum Großteil den Zweck verfolgen, den internationalen Entscheidungseinklang zu gewährleisten. 164
Kropholler, § 24 II 3b (S. 173); vgl. auch Lorenz, DNotZ 1993, 148, 152. Vgl. Schotten/Schmellenkamp, § 3, Rn. 52. 166 Art. 9 des Código civil knüpft einheitlich an die Staatsangehörigkeit an, die Vorschrift ist abgedruckt bei Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 795. 167 MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 127. 168 Vgl. BGHZ 24, 352, 355; BayObLG NJW 1991, 1237; Kropholler, § 51 II 2 (S. 436); Gruber, ZEV 2001, 463, 464. 165
B. Das französische internationale Erbrecht
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Beispielhaft dafür ist der Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut (Art. 3a Abs. 2 EGBGB) zu nennen. Der internationale Entscheidungseinklang wird jedoch bei einem abweichenden ausländischen Gesamtstatut nicht erreicht. Dies führt zu einer „faktischen“ Nachlassspaltung. Das deutsche internationale Erbrecht gewährt eine Rechtswahl, allerdings aus Angst vor Umgehung des deutschen Pflichtteilsrechts nur in engen Grenzen. Sie gilt nur zugunsten des deutschen Rechts und nur für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen. Diese Grenzen der Rechtswahl können deutlich erweitert werden, wenn das objektiv berufene ausländische Recht eine weitergehende Rechtswahl zulässt. Folge einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB ist die (rechtliche) Nachlassspaltung.
B. Das französische internationale Erbrecht I. Die Grundregel: Domicile-Prinzip und Anwendung des Belegenheitsrechts 1. Allgemeines Das französische IPR ist nur zu einem kleinen Teil in Gesetzesvorschriften geregelt. Dies gilt auch für das internationale Erbrecht. Bedeutung hat insbesondere Artikel 3 Code Civil (CC).169 Dessen Absatz 2 lautet: „Immobilien unterliegen dem französischen Recht, auch wenn sie im Eigentum von Ausländern stehen.“
Die erbrechtliche Kollisionsnorm für Immobilien wird diesem Artikel entnommen. Nach Art. 3 Abs. 3 CC ist zwar auf „l’état et la capacité“, also den Personenstand und die Rechts- und Geschäftsfähigkeit von Franzosen, französisches Recht anzuwenden, auch wenn sie im Ausland leben. Dieser Absatz wird jedoch von der französischen Rechtsprechung nicht herangezogen; die Kollisionsnorm für bewegliches Vermögen beruht vielmehr auf Rechtsfortbildung.170
169
Art. 3 CC lautet: „Les lois de police et de sûreté obligent tous ceux qui habitent le territoire. Les immeubles, même ceux possédés par des étrangers, sont régis par la loi française. Les lois concernant l’état et la capacité des personnes régissent les Français, même résidant en pays étranger.“ 170 Lagarde, Successions, Rn. 15 ff.; Mayer/Heuzé, Rn. 802.
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Kap. 1: Nationalstaatliche Kollisionsnormen vor Inkrafttreten der EuErbVO
2. Die Qualifikation als Rechtsnachfolge in Mobiliarvermögen und Immobiliarvermögen Das französische internationale Erbrecht zeichnet sich durch Nachlassspaltung aus.171 Die Erbfolge in bewegliches und in unbewegliches Vermögen unterliegen nicht dem gleichen Anknüpfungskriterium. Dies kann zur Folge haben, dass der Nachlass einer Person nach zwei oder gar mehreren Rechtsordnungen vererbt wird. Es kann also zu einer „Zerstückelung“ des Nachlasses kommen.172 Aus dieser zwischen Mobilien und Immobilien unterscheidenden „doppelten Kollisionsnorm“173 des französischen internationalen Erbrechts folgt die Notwendigkeit einer „Unterqualifikation“. Bestimmt werden muss also nicht nur, was unter den Systembegriff „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ fällt, sondern auch, was zum beweglichen und unbeweglichen Vermögen gehört. Der Qualifikation kommt daher im französischen Internationalen Erbrecht eine große Bedeutung zu.174 Die Unterqualifikation kann Probleme bereiten, insbesondere weil sich die Frage stellt, nach welchem Recht sie vorzunehmen ist. Die verschiedenen Rechtsordnungen können nämlich den gleichen Sachverhalt bzw. die gleichen Güter unter Umständen verschieden qualifizieren.175 Nach h.M. in der französischen Literatur und Rechtsprechung ist lege fori zu qualifizieren, also nach dem Recht des Gerichtsstandes und damit nach französischem Recht.176 Dies wird damit begründet, dass die Qualifikation anlässlich der Anwendung der französischen Kollisionsnormen vorgenommen werde.177 Es gehe dabei also um die Interpretation einer französischen Kollisionsnorm.178 Diese Interpretation müsse notwendigerweise in Anwendung französischen Rechts erfolgen. Die Qualifikation sei vom Sinn der Kollisionsnorm nicht zu trennen.179 Deshalb entscheidet das französische Recht im Ausgangspunkt, ob das Vermögen als beweglich oder unbeweglich anzusehen ist. 171
Clavel, Rn. 776. Audit/d’Avout, Rn. 888. 173 Lagarde, Successions, Rn. 43; Mayer/Heuzé, Rn. 802. 174 Lagarde, Successions, Rn. 43; Mayer/Heuzé, Rn. 804, 152; vgl. auch Audit/d’Avout, Rn. 886. 175 Lagarde, Successions, Rn. 44. 176 In der Caraslanis-Entscheidung hat die französische Rechtsprechung zum ersten Mal festgestellt, dass im französischen IPR nach der lex fori zu qualifizieren ist (Arrêt Caraslanis, Cass. civ., 22 juin 1955, Rev. crit. DIP 1955, 723). In Bezug auf die Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen im internationalen Erbrecht wurde dies in der Stroganoff-Scherbatoff-Entscheidung bestätigt (TGI Seine, 12 Janvier 1966, Rev. crit. DIP 1967, 120: „C’est à la loi française qu’il y a lieu de recourir pour déterminer si les objets sont des immeubles ou des meubles et en déduire la loi qui régit leur dévolution.“); vgl, auch Lagarde, Successions, Rn. 45; ders., in: FS Révillard, S. 209, 210. 177 Clavel, Rn. 779. 178 Batiffol/Lagarde I, Rn. 293-1. 179 Batiffol/Lagarde I, Rn. 293-1. 172
B. Das französische internationale Erbrecht
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3. Objektive Anknüpfung an den Wohnsitz (Domicile) und Belegenheitsort a) Rechtsnachfolge in Immobilien Auf Immobilien wird nach Art. 3 Abs. 2 CC die lex rei sitae, das Belegenheitsrecht der Immobilie, angewendet. Die französische Rechtsprechung hat den Grundsatz der Anwendbarkeit der lex rei sitae in der Stewart-Entscheidung180 zum ersten Mal festgestellt. Die Cour de Cassation hat diese Anknüpfung im Jahr 2000 bestätigt.181 Art. 3 Abs. 2 CC beruft nach seinem Wortlaut lediglich das französische Recht, ist also im Grundsatz eine einseitige Kollisionsnorm. Dennoch wird sie als allseitige Kollisionsnorm interpretiert;182 ihre Anwendung bei ausländischen Immobilien ist allerdings wegen der bei einer ausländischen Immobilie grundsätzlich nicht bestehenden Zuständigkeit französischer Gerichte stark begrenzt.183 Die Anwendung des Belegenheitsrechts der Immobilie geht auf das Feudalsystem im 14. Jahrhundert zurück. Seit jeher wurde in Frankreich auf die Rechtsnachfolge in unbewegliches Vermögen das Belegenheitsrecht angewendet und nicht das Personalstatut.184 Im Feudalsystem war der Besitz von Immobilien von großer Bedeutung und führte zu politischer Macht.185 Die Anwendung des französischen Rechts sah man daher als zwingend an. b) Rechtsnachfolge in bewegliche Sachen aa) Grundsatz In der Labedan-Entscheidung hat die Cour de Cassation festgestellt, dass „nach der weiterhin bestehenden, alten Regel, bewegliches Erbvermögen als an dem Ort befindlich gilt, an dem die Erbschaft eröffnet wird“.186 Demnach wird die Erbfolge in bewegliches Vermögen dem Recht des letzten Domicile des Erblassers unterstellt.187 Die Anknüpfung an den Domicile geht auf das 14. Jahrhundert zurück.188 Die beweglichen Sachen wurden gegenüber Immobilien als weniger wertvoll angesehen, und man sah es als unproblematisch an, diese gegebenenfalls einem anderen Recht zu 180 181 182 183 184 185 186 187 188
Arrêt Stewart, Cass. civ., 14 mars 1837, Ancel/Lequette, S. 22 f. Arrêt Ballestrero, Cass. civ. 1ère, 21 mars 2000, Recueil Dalloz 2000, 539. Vgl. Audit/d’Avout, Rn. 887. Vgl. Audit/d’Avout, Rn. 887; vgl. dazu unten S. 65. Audit/d’Avout, Rn. 886. Audit/d’Avout, Rn. 886; Lagarde, Successions, Rn. 11. Cass, civ., 19 juin 1939, Rev. crit. DIP 1939, 481. Cass. civ., 19 juin 1939, Rev. crit. DIP 1939, 481. Mayer/Heuzé, Rn. 802.
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Kap. 1: Nationalstaatliche Kollisionsnormen vor Inkrafttreten der EuErbVO
unterstellen.189 Die Regel für bewegliches Vermögen beruht auf der Maxime mobilia sequuntur personam, die Mobilien folgen der Person.190 Strittig war in der Vergangenheit allerdings, wie diese Regel zu begründen ist. Es wurde vertreten, dass sie auf der sachenrechtlichen Erwägung beruhte, dass sich die Mobilien regelmäßig am Ort des Domicile des Erblassers befinden.191 Die Gegenansicht berief sich auf die Verbindung zwischen dem beweglichen Vermögen und dem Personalstatut, das sich zu dieser Zeit ebenfalls nach dem Domicile richtete.192 Bei Inkrafttreten des Code Civil, der das Personalstatut nunmehr dem Heimatrecht unterstellte (Art. 3 Abs. 3 CC), erlangte der Streit praktische Bedeutung. Die Rechtsprechung im 19. Jahrhundert ist entsprechend uneinheitlich.193 Erst durch die genannte Labedan-Entscheidung194 im Jahr 1939 legte sich die Rechtsprechung endgültig auf das Recht des letzten Domicile fest, folgt also der ersten Ansicht.195 Es handelt sich damit um eine unwiderlegbare Vermutung oder eine „fiktive Lokalisierung“196 zugunsten des Rechts des letzten Domiciles des Erblassers, die den tatsächlichen Belegenheitsort der beweglichen Sachen außer Betracht lässt.197 Der Zweck dieser Regelung besteht darin, zufällige Ergebnisse zu verhindern, die auftreten würden, wenn der Belegenheitsort der Sachen verändert wird.198 Darüber hinaus soll die Erbfolge in bewegliches Vermögen einem einheitlichen Recht unterstehen.199 Ferner bezweckt die Regelung einen Gleichlauf mit dem Ort der Eröffnung der Erbschaft.200 Die Merkmale des Begriffs „Domicile“ im internationalen Privatrecht richten sich im Grundsatz nach dem des materiellen französischen Rechts, es gelten also Art. 102 ff. CC.201
189
Audit/d’Avout, Rn. 886. Audit/d’Avout, Rn. 886; Lagarde, Successions, Rn. 13; Loussouarn/Bourel/de VareillesSommières, Rn. 428; Mayer/Heuzé, Rn. 802. 191 Lagarde, Successions, Rn. 13. 192 Lagarde, Successions, Rn. 13; Mayer/Heuzé, Rn. 802. 193 Lagarde, Successions, Rn. 15. 194 Cass. civ., 19 juin 1939, Rev. crit. DIP 1939, 481. 195 Mayer/Heuzé, Rn. 802. 196 Audit/d’Avout, Rn. 889. 197 Vgl. die Kritik von Batiffol/Lagarde, II, Rn. 637: „Wenn ein in Frankreich wohnender Erblasser Werte in einer Schweizer Bank hat, ist die Vermutung, sie befänden sich in Frankreich, eine Verleugnung von Tatsachen.“ 198 Loussouarn/Bourel/de Vareilles-Sommières, Rn. 431b. 199 Audit/d’Avout, Rn. 889. 200 Audit/d’Avout, Rn. 889, vgl. die früheren Art. 110 CC, Art. 720 CC. 201 Révillard, Rn. 681. 190
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bb) Der Begriff des Domicile Der Domicile im französischen Zivilrecht befindet sich gemäß Art. 102 Abs. 1 CC dort, wo sich die Hauptniederlassung einer Person befindet.202 Der Domicile ist damit zu unterscheiden von der Résidence, mit der der tatsächliche bzw. schlichte Aufenthalt gemeint ist. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers im 19. Jahrhundert bzgl. des materiellen Rechts hatte jeder Franzose einen Domicile („nécessité du domicile“, Art. 102 CC). Gleichzeitig konnte ein Franzose auch „nur“ einen Domicile haben („unicité du domicile“).203 Auch wenn eine Person mehrere Wohnsitze hat, ist demnach nur von einem Domicile auszugehen. Jeder Mensch beginnt sein Leben in einem „domicile légal“. Bei der Geburt eines Menschen erhält dieser automatisch den Domicile seiner Eltern („domicile d’origine“, „de dépendance“). Solange ein Kind minderjährig ist, richtet sich sein Domicile nach dem seiner Eltern (Art. 108-2 CC). Der Domicile von Mündeln richtet sich nach dem ihres Vormunds (Art. 108-3 CC). Eheleute können verschiedene Domiciles haben, obwohl sie zur Lebensgemeinschaft verpflichtet sind (Art. 108 Abs. 1 CC). Im internationalen Privatrecht, insbesondere im internationalen Erbrecht, geht es in aller Regel um den „domicile volontaire“.204 Dies ist der Domicile, den Erwachsene frei wählen bzw. verändern können.205 cc) Die Elemente des domicile volontaire Der Domicile kann nicht allein durch den Willen oder die Absicht einer Person begründet werden206, die Wahl kann also nicht willkürlich erfolgen.207 Das französische Recht fordert vielmehr eine effektive Niederlassung. Daher verlangt Art. 103 CC eine tatsächliche Wohnstätte (objektives Element). Darüber hinaus muss der Betreffende die Absicht haben, am Ort der tatsächlichen Wohnstätte seinen Hauptwohnsitz zu begründen (subjektives Element).208 Das objektive Element ist nur dann erfüllt, wenn der Betreffende am entsprechenden Ort tatsächlich eine Wohnstätte hat und diese objektiv seinen Hauptwohnsitz bildet. Anhaltspunkte dafür sind der schlichte Aufenthalt („résidence“), eine berufliche Tätigkeit, die Tatsache, dass sich enge Familienmitglieder an diesem
202 Art. 102 Abs. 1 CC lautet: „Le domicile de tout Français, quant à l’exercice de ses droits civils, est au lieu où il a son principal établissement.“ 203 Carbonnier, Rn. 53. 204 Vgl. Révillard, Rn. 683. 205 Carbonnier, Rn. 53. 206 Carbonnier, Rn. 53. 207 Ghestin/Goubeaux, Rn. 184. 208 Carbonnier, Rn. 53.
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Ort befinden.209 Der Hauptwohnsitz wird als Zentrum der Angelegenheiten, der Aktivitäten und der Lebensinteressen einer Person verstanden. Das subjektive Element erfordert die Absicht des Betreffenden, am entsprechenden Ort seinen Hauptwohnsitz zu begründen. Die Bindungspunkte (wie der Aufenthalt, wirtschaftliche Interessen verbunden mit einer beruflichen Tätigkeit) müssen also vom entsprechenden Willen der Person gedeckt sein. Objektives und subjektives Element sind demnach voneinander abhängig und müssen kumulativ vorliegen. dd) Die Interpretation des Domicile-Begriffes im IPR Obwohl sich der Begriff des Domicile grundsätzlich nach Art. 102 ff. CC richtet210, unterliegt er im IPR einigen Besonderheiten.211 Die Prinzipien, dass jede Person notwendigerweise einen, aber auch nur einen Domicile hat, existieren auch im IPR. Dies wird im IPR damit begründet, dass der Vergleich der Bindungspunkte einer Person mit den verschiedenen Rechtsordnungen notwendigerweise zur Bestimmung eines Domicile führe.212 Der tatsächliche Aufenthaltsort einer Person hat im IPR eine geringere Bedeutung als im materiellen Recht. Maßgebend für den Domicile ist vielmehr die Angliederung an bzw. Verbundenheit einer Person mit einem Staat; in diesem muss das Zentrum der Lebensinteressen der Person bestehen.213 Zunächst erfordert das objektive Element des Domicile, wie im materiellen französischen Recht, eine physische Präsenz des Betreffenden, eine Niederlassung in einem Staat, die von gewisser Kontinuität ist.214 Diese muss stabil sein, um zu dokumentieren, dass der Betreffende am entsprechenden Ort seinen Lebensmittelpunkt bilden wollte.215 Das subjektive Element erfordert den Willen der Person, am Ort, an dem sie lebt, ihren Lebensmittelpunkt zu begründen.216 Der Betreffende muss die Absicht haben, sich auf Dauer an diesem Ort zu integrieren.217 Dafür spielen auch hier familiäre Bindungen, die Festlegung des Wohnsitzes, finanzielle und berufliche Interessen eine Rolle.218 Die Präsenz in Frankreich alleine ist nicht ausreichend, wenn die 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218
Ghestin/Goubeaux, Rn. 184. Révillard, Rn. 681; Lagarde, Successions, Rn. 26. Hammje, Domicile, Rn. 7; vgl. auch Lagarde, Successions, Rn. 26 ff. Hammje, Domicile, Rn. 12. Hammje, Domicile, Rn. 19. Hammje, Domicile, Rn. 22. Hammje, Domicile, Rn. 23. Hammje, Domicile, Rn. 25. Hammje, Domicile, Rn. 25. Hammje, Domicile, Rn. 26.
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betreffende Person noch enge Bindungen im Ausland hat.219 Strittig ist in diesem Zusammenhang, ob der Wille zur Rückkehr in das Herkunftsland dazu führt, dass eine Person keinen Domicile in Frankreich begründen kann. Die überwiegende Ansicht verlangt nicht, dass der Betreffende keinen Rückkehrwillen hat, solange er sich von seinem ursprünglichen sozialen Umfeld gelöst hat.220 Die Frage, welche Anforderungen generell an den Domicile zu stellen sind, hängt auch von dem jeweiligen Rechtsgebiet bzw. von der jeweiligen Funktion des Domicile ab. Im internationalen Erbrecht werden insbesondere die wirtschaftlichen bzw. Vermögensinteressen des Erblassers berücksichtigt.221 Der Domicile im Erbrecht bestimmt sich jedoch unabhängig vom steuerlichen Wohnsitz („domicile fiscal“).222 Der Wechsel des Domicile erfordert schließlich auch im IPR, dass der Betreffende geschäftsfähig ist. Ein Mündel kann „seinen Domicile nicht verlegen, weil er seinen Willen nicht zum Ausdruck bringen kann“223. Insofern gilt der „domicile légal“ auch im internationalen Erbrecht.224 Die Frage spielt im internationalen Erbrecht allerdings weniger für Minderjährige eine Rolle, als für Erwachsene, die – z. B. aufgrund von Demenz oder sonstigen Erkrankungen – unter Vormundschaft stehen. Die französische Rechtsprechung hat in einem Fall – beschränkt auf die internationale Zuständigkeit französischer Gerichte – den Wechsel des Domicile einer unter Vormundschaft stehenden Erblasserin verneint, die sechs Monate vor ihrem Tod von Frankreich nach Portugal gezogen war.225 Das Gericht begründete dies mit Art. 108-3 CC, der dazu führe, dass die geschäftsunfähige Erblasserin den Domicile ihres Vormunds teile. Dies hatte im konkreten Fall die Zuständigkeit der Gerichte von Paris zur Folge. ee) Überblick über die Rechtsprechung in problematischen Fällen Die französische Rechtsprechung zur Frage des Domicile ist im internationalen Erbrecht uneinheitlich.226 Zum einen lassen sich in mehreren Entscheidungen Tendenzen feststellen, an die Begründung des Domicile eines Ausländers in Frankreich
219
Hammje, Domicile, Rn. 23. Révillard, Rn. 681; so auch T. civ. Seine, 6 févr. 1952, Rev. crit. DIP 1952, 494, 495; a.A. Hammje, Domicile, Rn. 23. 221 Hammje, Domicile, Rn. 27. 222 Cass. Civ. 1ère, 30 oct. 2006, Rev. crit. DIP 2007, 573 mit Anm. Ancel. 223 Cass. civ. 1ère, 3 mars 2010, n8 09-12.180, abrufbar unter: http://www.legifrance.gouv. fr/affichJuriJudi.do?idTexte=JURITEXT000021929134 (zuletzt abgerufen am 2. 7. 2015). 224 Lagarde, Successions, Rn. 32, allerdings beschränkt auf Minderjährige. 225 Cass. civ. 1ère, 3 mars 2010, n8 09-12.180 (siehe Fn. 223). 226 Vgl. Lagarde, Successions, Rn. 28, 29. 220
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hohe Anforderungen zu stellen.227 So wurde der französische Domicile eines Frankokanadiers trotz Aufgabe seiner kanadischen Wohnung und bestehender Wohnung in Paris verneint, weil dieser vom kanadischen Staat seine Rente bezog und dort seine Steuern zahlte.228 In einem anderen Fall wurde der Domicile einer Deutschen in Frankreich abgelehnt, obwohl sie für längere Zeit dort gewohnt hatte, weil sie während der Zeit in Frankreich bei ihrer Tochter gelebt hatte.229 Demgegenüber wurde der Domicile eines Ausländers in Frankreich bejaht, obwohl er in Paris im Hotel wohnte und der Umzug seiner Wohnung noch nicht abgeschlossen war.230 In einem anderen Fall ist trotz bestehendem Rückkehrwillens ebenfalls ein Domicile in Frankreich bejaht worden.231 In Bezug auf Diplomaten hat die Rechtsprechung die Vermutung aufgestellt, dass sie ihren Domicile in dem Land haben, das sie repräsentieren.232 4. Zwischenergebnis Das französische IPR unterscheidet zwischen der Erbfolge in bewegliche und unbewegliche Gegenstände (Nachlassspaltung). Bewegliches Vermögen unterliegt dem Recht des letzten Domicile des Erblassers, Immobilien dem Belegenheitsrecht. Die Qualifikation dieser Begriffe erfolgt nach französischem Recht. Der Domicile bestimmt sich im Grundsatz nach den Kriterien des materiellen französischen Rechts, weist aber im IPR einige Besonderheiten auf. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zur Begründung eines Domicile die Niederlassung in einem Staat mit einer gewissen Kontinuität und der Wille zur Begründung des Lebensmittelpunkts an diesem Ort erforderlich ist. Der Domicile im IPR setzt Geschäftsfähigkeit voraus, Minderjährige und Erwachsene unter Vormundschaft leiten ihren Domicile daher von ihren Familienangehörigen bzw. ihrem Vormund ab.
II. Die subjektive Anknüpfung Das französische Recht gewährt keine Rechtswahlmöglichkeit.233 Dies wird in der französischen Literatur überwiegend kritisiert.234 Angeführt wird, dass sich mit einer Rechtswahl die Spaltung des Nachlasses verhindern und eine geordnete Regelung 227 TGI Paris, 29 févr. 1984, Defrénois 1985, 187 mit Anm. Révillard; vgl. Lagarde, Successions, Rn. 28. 228 TGI Paris, 29 févr. 1984, Defrénois 1985, 187 mit Anm. Révillard. 229 Cass. civ. 1ère, 17 nov. 1981, JDI 1982, 926 mit Anm. Wiederkehr. 230 Cass. civ. 1ère, 17 juill. 1963, Rev. crit. DIP 1964, 744. 231 T. civ. Seine, 6 février. 1952, Rev. crit. DIP 1952, 494, 495. 232 TGI Seine, 10 févr. 1964, JDI 1965, 127; vgl. auch Révillard, Rn. 684. 233 Lagarde, Successions, Rn. 41. 234 Siehe nur Audit/d’Avout, Rn. 895; Lagarde, Successions, Rn. 41.
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erzielen lasse.235 Darüber hinaus verhindere eine Rechtswahl einen aufgrund eines Aufenthaltswechsels entstehenden Statutenwechsel.236 Wählt bspw. ein Schweizer mit Domicile in Frankreich das Recht der Schweiz, so ist diese Rechtswahl (in Hinblick auf in Frankreich belegene Immobilien und das gesamte bewegliche Vermögen des Erblassers) unwirksam. Eine Rechtswahl ist jedoch wirksam, wenn sie durch das im Rahmen der französischen Kollisionsnorm objektiv berufene Recht ermöglicht wird.237 Wählt bspw. ein Franzose mit Domicile in der Schweiz französisches Recht für seinen Nachlass, so ist dieses auch in Frankreich anwendbar.238 Die in der Schweiz wirksame Rechtswahl239 führt zu einem Renvoi auf französisches Recht, den dieses annimmt. Ist französisches Recht Erbstatut, bleibt es jedoch bei der Unwirksamkeit der Rechtswahl.240
III. Die Art der Verweisung 1. Beschränkte Zulassung des Renvoi im französischen IPR a) Überblick Das französische Recht enthält keine Gesamtkodifikation des IPR und deshalb auch keine Art. 4 EGBGB entsprechende allgemeine Regel zur Frage der Art der Verweisung. Die Entscheidung, welcher Art die Verweisungen sind, beruht vielmehr auf richterlicher Rechtsfortbildung. Unterschieden wird zwischen Rück- und Weiterverweisungen (renvoi au premier bzw. second degré). Von entscheidender Bedeutung (nicht nur für das französische IPR241) war zunächst die Forgo-Entscheidung242, in der die französische Cour de Cassation den Renvoi (au premier degré) zum ersten Mal zuließ. In dieser Entscheidung ging es um einen in Pau lebenden Bayern (Forgo). Er war im Alter von fünf Jahren nach Frankreich gezogen und hatte dort 63 Jahre gelebt, jedoch niemals eine Aufenthaltsgenehmigung besessen. Er hinterließ einen beachtlichen, lediglich aus beweglichem Vermögen bestehenden 235
Audit/d’Avout, Rn 895. Audit/d’Avout, Rn 895. 237 Khairallah, in: Khairallah/Révillard (2013), Rn. 120. 238 Khairallah, in: Khairallah/Révillard (2013), Rn. 120. 239 Art. 90 Abs. 2 IPRG, abgedruckt bei Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 729 und abrufbar unter https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19870312/in dex.html (zuletzt abgerufen am 2. 7. 2015). 240 Khairallah, in: Khairallah/Révillard (2013), Rn. 120. 241 Vgl. MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 2; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 29; Sonnentag, S. 22. 242 Cass. civ. 1ère, 24 juin 1878, Recueil Sirey 1878, 429, Cass. req., 22 février 1882, Recueil Sirey 1882, 393; vgl. dazu auch Ancel/Lequette, S. 60 ff. 236
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Nachlass, um den sich Seitenverwandte seiner Mutter und der französische Fiskus stritten. Nach bayerischem Erbrecht waren die Seitenverwandten der Mutter als Erben berufen, demgegenüber sah das französische Recht kein Erbrecht der Seitenverwandten der Mutter vor. Nach der französischen Kollisionsnorm war für den Nachlass bayerisches Recht anwendbar, weil Forgo niemals eine Aufenthaltsgenehmigung in Frankreich und deshalb keinen legalen Wohnsitz hatte, diesen hatte er vielmehr in Bayern. Das bayerische Recht stellte demgegenüber auf den tatsächlichen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) und damit auf französisches Recht ab. Die Cour de Cassation folgte diesem Renvoi und wandte französisches Recht an, was zur Folge hatte, dass der Nachlass dem französischen Staat zufiel.243 Die Weiterverweisung (Renvoi au second degré) wurde von der französischen Rechtsprechung (indirekt) im Fall De Marchi anerkannt.244 b) Differenzierte Haltung der Rechtsprechung Auch wenn der Renvoi seit der Forgo-Entscheidung grundsätzlich anerkannt wird, gilt dies nicht für alle Bereiche des IPR. Die Rechtsprechung differenziert vielmehr nach verschiedenen Faktoren. Entscheidend ist etwa, welcher Bereich des IPR betroffen ist, um welche Vermögensgegenstände es sich handelt und welches Ergebnis der Renvoi zur Folge hätte („funktioneller Renvoi“).245 Besondere Bedeutung hat(te) der Renvoi insbesondere im Bereich des internationalen Erbrechts, des internationalen Scheidungsrechts und das internationalen Kindschaftsrechts.246 Ausgeschlossen wurde er etwa in Bereichen, in denen die Parteien das anwendbare Recht durch Rechtswahl bestimmen können247, bspw. im internationalen Vertragsrecht248 und Ehegüterrecht.249 2. Sinn und Zweck des Renvoi Die Frage nach dem Sinn und Zweck des Renvoi ist auch im französischen Recht umstritten.250 Weitgehender Konsens besteht auch hier über den Zweck des inter-
243
U. a. deshalb war die Forgo-Entscheidung heftiger Kritik aus der Literatur ausgesetzt; vorgeworfen wurde ihr insbesondere, den Renvoi nur zugelassen zu haben, um ein bestimmtes materiell-rechtliches Ergebnis zu erzielen; vgl. zur Kritik im Einzelnen Sonnentag, S. 23. 244 Cass. Civ., 7 mars 1938, Rev. crit. DIP 1938, 472; vgl. dazu Ancel/Lequette, S. 142; Clavel, Rn. 109. 245 Vgl. Audit/d’Avout, Rn. 227; Mayer/Heuzé, Rn. 226. 246 Näher Mayer/Heuzé, Rn. 218 m.w.N. 247 Clavel, Rn. 110; Mayer/Heuzé, Rn. 226. 248 Cass. civ. 1ère, 11 mars 1997, Rev. crit. DIP 1997, 702; vgl. Lequette, Renvoi, Rn. 45. 249 Vgl. Mayer/Heuzé, Rn. 226. 250 Vgl. im Einzelnen Lequette, Renvoi, Rn. 15 ff.
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nationalen Entscheidungseinklangs.251 Geltend gemacht wird, dass das Ziel des internationalen Entscheidungseinklangs bzw. der Koordination der verschiedenen Rechtsordnungen dann nicht erreicht sei, wenn die ausländische Kollisionsnorm ihre eigene Kompetenz nicht akzeptiere.252 Deshalb sei die Einbeziehung der ausländischen IPR-Norm notwendig. Dies stelle nicht etwa einen Verzicht auf die eigene Souveränität dar, vielmehr stelle sich die ausländische Kollisionsregel im Rahmen der Anwendung der Kollisionsnorm des Forums.253 Die Einbeziehung der ausländischen Kollisionsnorm habe dabei auch den Zweck der Vorhersehbarkeit; sie solle also auch die Erwartungen der betroffenen Parteien schützen.254 Auch im Rahmen des französischen Rechts wird gegen den Zweck des internationalen Entscheidungseinklangs eingewendet, dass dieser nur dann erreicht werde, wenn das berufene Recht renvoifeindlich sei.255 3. Bedeutung des Renvoi im internationalen Erbrecht Insbesondere im internationalen Erbrecht ist der Renvoi – wie im deutschen Recht – von zentraler Bedeutung. Im Bereich des internationalen Erbrechts zeigt sich allerdings auch die Tendenz der französischen Rechtsprechung, nach Art der Vermögensgegenstände und nach eventuellen Folgen des Renvoi zu entscheiden. Im Bereich der Rechtsnachfolge in bewegliches Vermögen wird der Renvoi seit der Forgo-Entscheidung generell akzeptiert.256 Bei einer Rechtsnachfolge in Immobilien schien es zunächst so, als würde die Rechtsprechung nur eine Rückverweisung auf französisches Recht akzeptieren.257 In der Riley-Entscheidung hat sie dann doch den Renvoi generell, also auch in Form einer Weiterverweisung anerkannt; jedoch nur unter der Bedingung, dass die Rück- oder Weiterverweisung zur Einheitlichkeit des Erbstatuts und damit zur Anwendung des gleichen Rechts auf den beweglichen und unbeweglichen Teil des Nachlasses führt.258
251
Battifol/Lagarde, I, Rn. 304; Clavel, Rn. 107; Mayer/Heuzé, Rn. 221. Vgl. Clavel, Rn. 108. 253 Battifol/Lagarde, I, Rn. 304; Mayer/Heuzé, Rn. 220; Lequette, Renvoi, Rn. 23; vgl. auch Agostini, Rev. crit. DIP 2013, 545, 556. 254 Clavel, Rn. 108. 255 Mayer/Heuzé, Rn. 223. 256 Cass. civ. 1ère, 24 juin 1878, Recueil Sirey 1878, 429, Cass. req., 22 février 1882, Recueil Sirey 1882, 393. 257 Arrêt Wildenstein, Cass. civ. 1ère, 20 juin 2006, Rev. crit. DIP 2007, 383; so auch Clavel, Rn. 790; offener allerdings zuvor der Arrêt Ballestrero, Cass. civ. 1ère, 21 mars 2000, Rev. crit. DIP 2000, 399: „[…] sous réserve du renvoi éventuel opéré par la loi étrangère de situation de l’immeuble à une autre loi et, spécialement, à celle du for […]“. 258 Arrêt Riley, Cass. civ. 1ère, 11 févr. 2009, Rev. crit. DIP 2009, 512; Mayer/Heuzé, Rn. 805; Bariatti/Pataut, in: Fallon/Lagarde/Poillot-Peruzzetto, S. 337, 359; Agostini, Rev. crit. DIP 2013, 545, 572 f. 252
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4. Zwischenergebnis Das französische IPR enthält keine generelle Regelung zur Frage der Art der Verweisung. Der Renvoi wird von der Rechtsprechung teilweise zugelassen, teilweise aber auch ausgeschlossen. Dies ist insbesondere abhängig von dem jeweiligen Teilbereich des IPR, von der Art des Vermögens und von dem Ergebnis der Zulassung eines Renvoi. Im internationalen Erbrecht zeigt sich letzteres insbesondere daran, dass die Zulassung des Renvoi bei der Rechtsnachfolge in unbewegliches Vermögen davon abhängig gemacht wird, dass er zur Nachlasseinheit führt. Bei der Rechtsnachfolge in bewegliches Vermögen wird der Renvoi seit der Forgo-Entscheidung generell anerkannt.
IV. Die Reichweite der Nachlassspaltung im französischen IPR 1. Begründung der Nachlassspaltung Das französische Recht unterwirft unbewegliches und bewegliches Vermögen verschiedenen Anknüpfungskriterien. Diese Nachlassspaltung wird heute noch befürwortet. Dabei werden jedoch z. T. Argumente vorgebracht, die nicht zwingend für eine Spaltung, sondern nur für die Anwendung der lex rei sitae sprechen.259 So verweisen Befürworter der Nachlassspaltung und der Anwendung des Belegenheitsrechts auf Immobilien auf die enge Bindung zwischen der Erbfolge und dem Eigentum, und insbesondere darauf, dass die Rechtsnachfolge des Erbrechts eine Form der Übertragung des Eigentums darstelle.260 Die Anwendung der lex rei sitae ermögliche, dass die Erbfolge und die Eigentumsübertragung dem gleichen Recht unterworfen sind.261 Anwendbar sei darüber hinaus das Recht am Ort der Eröffnung der Erbschaft.262 Damit werde die Koordination von Erb- und Sachstatut gewährleistet, was die Abwicklung des Rechtsübergangs vereinfache.263 Die Nachlassspaltung vermeide bspw., dass der Immobilie ein erbrechtliches Nutzungsrecht zugeordnet wird, das das Belegenheitsrecht nicht kennt.264
259
Vgl. Loussouarn/Bourel/de Vareilles-Sommières, Rn. 431. Loussouarn/Bourel/de Vareilles-Sommières, Rn. 431; vgl. auch Lagarde, Successions, Rn. 12. 261 Loussouarn/Bourel/de Vareilles-Sommières, Rn. 431; Boulanger, Rn. 31; vgl. auch Audit/d’Avout, Rn. 887. 262 Audit/d’Avout, Rn. 888. 263 Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 4. 264 Lagarde, in: Khairallah/Révillard (2010), S. 10. 260
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2. Grundsätzliche Nachlassspaltung bei Anwendung französischen IPRs a) Allgemeines Die grundsätzliche Nachlassspaltung der französischen Kollisionsnormen führt aus französischer Sicht dazu, dass bewegliche und unbewegliche Gegenstände nach unterschiedlichen Rechten vererbt werden können. Dennoch ist nicht jeder vor einem französischen Richter verhandelte Erbfall mit internationalem Bezug automatisch zum Teil nach einer und zum Teil nach einer anderen Rechtsordnung zu beurteilen. Eine Nachlassspaltung kann vielmehr nur eintreten, wenn eines der Anknüpfungskriterien der französischen Kollisionsnormen, also Domicile des Erblassers oder Belegenheitsort der Sache, im Ausland liegt. Liegen beide in Frankreich, wirken sich die unterschiedlich anknüpfenden Kollisionsnormen nicht aus, und es liegt im Ergebnis ein Fall der Nachlasseinheit vor. b) Ausländische Immobilie Nachlassspaltung liegt im Grundsatz aus französischer Sicht vor, wenn z. B. der bis zu seinem Tod in Frankreich wohnende Erblasser Eigentümer einer Immobilie im Ausland ist. Allerdings wird diese Möglichkeit der Nachlassspaltung durch eine französische Zuständigkeitsregel abgemildert. Die französischen Gerichte erklären sich regelmäßig hinsichtlich einer im Ausland belegenen Immobilie für unzuständig.265 Auch die Art. 14, 15 CC, die eine Zuständigkeit aufgrund französischer Staatsangehörigkeit begründen, umfassen nicht die im Ausland befindliche Immobilie.266 Die französischen Gerichte entscheiden in einem solchen Fall nur, wenn das ausländische Belegenheitsrecht auf französisches Recht zurückverweist und damit Nachlasseinheit hergestellt wird. Bei einer Rückverweisung durch die lex rei sitae ist die französische Verweisung nämlich als Gesamtverweisung zu verstehen, ein Renvoi ist deshalb beachtlich. In allen anderen Fällen entscheidet das französische Gericht jedenfalls nicht über die im Ausland befindliche Immobilie. Gleichwohl 265 Audit/d’Avout, Rn. 888; Clavel (2009), Rn. 790; Mayer/Heuzé, Rn. 800 f. Die Einzelheiten sind dabei unklar. Die Beschränkung soll nur für „actions réelles“ und „demandes de partages“ gelten (Arrêt Weiss, Cass. Civ. 1ère, 27 mai 1970), im Übrigen soll eine Kompetenz bestehen, vgl. Clavel (2009), Rn. 791. Ferner besteht seit dem Arrêt Tassel (Cass. civ. 1ère, 23 juin 2010, Rev. crit. DIP 2011, 53) eine Möglichkeit der Kompetenz französischer Gerichte aufgrund eines Renvoi („renvoi de compétence juridictionnelle“). Diese Konstruktion ist dogmatisch äußerst zweifelhaft: An sich besteht keine Zuständigkeit französischer Gerichte, weil sich die Immobilie im Ausland befindet. Gleichwohl prüft die Cour de Cassation in Bezug auf diese Immobilie, für die sie nicht zuständig ist, das anwendbare Recht und stellt fest, dass die lex rei sitae auf das französische Recht zurückverweist. Diese auf das anwendbare Recht bezogene Rückverweisung soll dann auch die internationale Zuständigkeit französischer Gericht begründen. Vgl. dazu die Kritik von Clavel, Rn. 790 und Agostini, Rev. crit. DIP 2013, 545, 573 ff. Letzterer weist zutreffend darauf hin, dass es in diesem Fall schon keinen „envoi“ also auch keinen „renvoi“ geben kann. 266 Audit/d’Avout, Rn. 888; Mayer/Heuzé, Rn. 800 f.
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Kap. 1: Nationalstaatliche Kollisionsnormen vor Inkrafttreten der EuErbVO
bleibt es bei einer Nachlassspaltung, wenn die französische Kollisionsnorm durch den ausländischen Richter angewendet wird. c) Ausländischer Domicile Nachlassspaltung entsteht aus französischer Sicht, wenn der französische Erblasser seinen letzten Domicile im Ausland hat, aber Eigentümer von Immobilien in Frankreich ist. Vorausgesetzt, es lässt sich eine Zuständigkeit der französischen Gerichte begründen (was bei französischer Staatsangehörigkeit der Parteien aufgrund Art. 14, 15 CC möglich ist)267, unterliegt aus französischer Sicht der bewegliche Nachlassteil dem ausländischen, der unbewegliche dem französischen Recht. 3. Nachlasseinheit durch Renvoi Auch wenn sich im Ausgangspunkt Domicile des Erblassers und Belegenheitsort einer zum Nachlass gehörenden Immobilie nicht im gleichen Staat befinden, kann ein Renvoi im Ergebnis zur Anwendung eines einheitlichen Erbstatuts führen. Verweist die lex rei sitae der Immobilie bspw. auf französisches Recht zurück und ist auf die beweglichen Güter französisches Recht anwendbar, wird ein Renvoi akzeptiert, weil er zur Nachlasseinheit führt („funktioneller Renvoi“).268 Dies ist insbesondere der Fall im Verhältnis zu Staaten, die einheitlich an die Staatsangehörigkeit anknüpfen. Hat der französische Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich, aber Immobilien in Deutschland, so wendet der französische Richter hinsichtlich der beweglichen Sachen das Recht des letzten Domiciles, also französisches Recht an. Hinsichtlich der Immobilie verweist die französische Rechtsordnung auf die lex rei sitae, also auf deutsches Recht. Art. 25 Abs. 1 EGBGB verweist auf französisches Recht zurück. Dieser Renvoi wird akzeptiert, weil er zur Nachlasseinheit führt. Es liegt also bei einer Rückverweisung im Ergebnis Nachlasseinheit vor, auch wenn die französische Regelung im Ausgangspunkt von einer Nachlassspaltung ausgeht. Auch bei einer Weiterverweisung der vom französischen IPR für den unbeweglichen Nachlass berufenen Rechtsordnung auf einen Drittstaat kommt es aus französischer Sicht nicht zur Nachlassspaltung. Das folgt zum einen aus der grundsätzlichen Unzuständigkeit französischer Gerichte, zum anderen daraus, dass ein Renvoi bei einem ausländischen Grundstück nur zugelassen wird, wenn er zur Nachlasseinheit führt.269 267
Clavel, Rn. 789; Mayer/Heuzé, Rn. 801. Arrêt Riley, Cass. civ. 1ère, 11 févr. 2009, Rev. crit. DIP 2009, 512; vgl. Arrêt Wildenstein, Cass. civ. 1ère, 20 juin 2006, Rev. crit. DIP 2007, 383; Mayer/Heuzé, Rn. 805; Bariatti/ Pataut, in: Fallon/Lagarde/Poillot-Peruzzetto, S. 337, 359; Agostini, Rev. crit. DIP 2013, 545, 572 f.; Clavel, Rn. 790. 269 Arrêt Riley, Cass. civ. 1ère, 11 févr. 2009, Rev. crit. DIP 2009, 512. 268
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In Bezug auf bewegliche Sachen wird der Renvoi seit dem Forgo-Urteil270 generell akzeptiert. Befindet sich der letzte Domicile des französischen Erblassers im Ausland, entsteht die Nachlasseinheit durch Renvoi, wenn das IPR des ausländischen Rechts (wie in Deutschland) an die Staatsangehörigkeit anknüpft und auf französisches Recht zurückverweist. Die Nachlasseinheit kann in seltenen Einzelfällen auch Folge einer abweichenden Qualifikation sein. Im Ausgangspunkt, d. h. bei Anwendung der französischen Kollisionsnorm, wird lege fori qualifiziert. Führt die Verweisung zu einem ausländischen Recht, das ebenfalls die Nachlassspaltung kennt (z. B. Belgien271), den Gegenstand aber abweichend qualifiziert, kann es zu einer Rückverweisung infolge abweichender Qualifikation kommen, die aus der Sicht des französischen IPR hinzunehmen ist.272 4. Möglichkeiten der Umgehung der Nachlassspaltung Die Nachlasseinheit kann ferner durch Gestaltungen des Erblassers herbeigeführt werden, wenn dieser ein Interesse daran hat, dass auf die Rechtsnachfolge in sein Vermögen das Recht eines Staates einheitliche Anwendung findet. So kann die Nachlassspaltung dadurch aufgehoben werden, dass die diese auslösenden Wirtschaftsgüter (z. B. Immobilien) vom Erblasser vor seinem Tod in eine Gesellschaft eingebracht werden.273 In Frankreich bietet sich dafür eine société civile an, denn das französische Recht qualifiziert die Geschäftsanteile als beweglich.274 Zwar stellt sich hier generell das Problem, dass nicht alle Rechtsordnungen dieser Qualifikation folgen.275 Die deutsche Rechtsordnung tut es jedenfalls.276 Die Folge ist, dass auch für sie nach französischem Recht das Recht des letzten Domicile des Erblassers anzuwenden ist. Die französische Rechtsprechung hat allerdings in einem Fall, in dem der Erblasser eine Immobilie in eine Gesellschaft eingebracht hat, um französisches Pflichtteilsrecht zu umgehen, dies wegen Gesetzesumgehung abgelehnt und den Kindern die Möglichkeit des (mittlerweile für verfassungswidrig erklärten) Vorwegnahmerechts eröffnet.277
270 Cass. civ. 1ère, 24 juin 1878, Recueil Sirey 1878, 429, Cass. req. 22 février 1882, Recueil Sirey 1882, 393. 271 Vgl. Art. 78 des belgischen IPR-Gesetzes, abgedruckt bei Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 EGBGB, Rn. 90, in englischer Fassung in RabelsZ 70 (2006), 358. 272 Vgl. dazu Lagarde, Successions, Rn. 60. 273 von Oertzen/Pawlytta, in: Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, § 33, Rn. 143. 274 Lagarde, Successions, Rn. 44, Révillard, Rn. 680. 275 Lagarde, Successions, Rn. 44, Révillard, Rn. 680. 276 von Oertzen/Pawlytta, in: Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, § 33, Rn. 143. 277 Cass civ. 1ère, 20 mars 1985, Rev. crit. DIP 1986, 66 ff.
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Kap. 1: Nationalstaatliche Kollisionsnormen vor Inkrafttreten der EuErbVO
5. Rechtliche Folgen der Nachlassspaltung Die Nachlassspaltung führt dazu, dass die verschiedenen Nachlassteile grundsätzlich unabhängig voneinander zu behandeln sind.278 Sie unterstehen dem jeweils für sie maßgebenden Recht. Jeder Nachlassteil wird so behandelt, als handelte es sich bei ihm um den gesamten Nachlass.279 Daraus folgt, dass für jeden Nachlassteil gesondert festgestellt wird, wer Erbe geworden ist und wer ein Vermächtnis erhält.280 Ist die gleiche Person Erbe beider Nachlassteile, kann sie den einen Nachlassteil (z. B. wegen Überschuldung281) ausschlagen, den anderen Nachlassteil annehmen.282 Dies führt ferner dazu, dass der Pflichtteil bzw. ein Noterbrecht sich für jeden Teilnachlass unabhängig und nach unterschiedlichem Recht bestimmt.283 Auch die Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Auslegung einer Verfügung von Todes wegen wird für jeden Nachlassteil autonom beurteilt.284 Es sind auch unterschiedliche Verfügungen von Todes wegen für die verschiedenen Nachlassteile möglich.285 6. Zwischenergebnis Die grundsätzliche Nachlassspaltung des französischen IPR führt nicht zwingend zur Anwendung von zwei Rechtsordnungen. Grundsätzlich ist dafür eine Abweichung von Belegenheitsort der Immobilie und Domicile des Erblassers erforderlich. Auch bei einer solchen bleiben die Fälle der Nachlassspaltung aufgrund der grundsätzlich nicht bestehenden Zuständigkeit französischer Gerichte für ausländische Immobilien bzw. durch Rückverweisung hergestellter Nachlasseinheit begrenzt. Die Nachlassspaltung kann im Übrigen gestalterisch, d. h. durch Einbringung der ausländischen Immobilie in eine Gesellschaft verhindert werden. Kommt es zu einer Nachlassspaltung, so wird jeder Nachlassteil als eigenständiger Nachlass behandelt.
278
In Frankreich und Deutschland ganz h.M.: Aus französischer Sicht: Mayer/Heuzé, Rn. 804; aus deutscher Sicht: BGHZ 24, 352, 355; BGHZ 50, 63, 69, NJW 2004, 3558, 3560; Gruber, ZEV 2001, 463, 464; Dörner, DNotZ 1988, 67, 100; Leible/Sommer, ZEV 2006, 93, 94; Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 51; Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB, Rn. 9; Staudinger/ Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 767. 279 Leible/Sommer, ZEV 2006, 93, 94, MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 127; Lagarde, in: Khairallah/Révillard (2010) S. 10; Mayer/Heuzé, Rn. 804. 280 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 770. 281 Vgl. dazu Ivo, NJW 2003, 185 ff. 282 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 772. 283 BGHZ 24, 352, 355; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 770; Erman/Hohloch, Art. 25 EGBGB, Rn. 37; Gruber, ZEV 2001, 463, 464; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 136; Lagarde, Successions, Rn. 158. 284 Erman/Hohloch, Art. 25 EGBGB, Rn. 37; Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB, Rn. 9; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn 771. 285 BayObLGZ 1959, 390, 401; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 130.
C. Zusammenfassung der Probleme eines grenzüberschreitenden Nachlasses
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V. Zusammenfassung zum bisherigen französischen Recht Das französische Internationale Erbrecht knüpft an den letzten Domicile des Erblassers bei beweglichen Sachen und die lex rei sitae bei Immobilien an. Es sieht damit eine Nachlassspaltung vor. Diese führt aber nicht zwangsläufig dazu, dass zwei verschiedene Statute Anwendung finden. Eine Rechtswahl gewährt das französische IPR nicht. Eine solche kann nur Wirksamkeit erlangen, wenn das objektiv berufene IPR sie gewährt.
C. Zusammenfassung der Probleme eines grenzüberschreitenden Nachlasses nach der bisherigen Regelung Nachfolgend sollen die Schwierigkeiten, die sich aus den Unterschieden der nationalstaatlichen Kollisionsnormen im internationalen Erbrecht in der EU ergeben, am Beispiel von Deutschland und Frankreich zusammengefasst werden:
I. Qualifikationsprobleme bei unbeweglichem und beweglichem Vermögen Die Unterscheidung zwischen unbeweglichem und beweglichem Vermögen in Staaten mit Nachlassspaltung verursacht Qualifikationsprobleme. Sie ist insbesondere im Rahmen des französischen IPR entscheidend, spielt aber auch für die Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB eine Rolle. Sie führt zur Rechtsunsicherheit. Aus deutscher Sicht ist u. U. nicht klar, ob ein bestimmter Gegenstand gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB deutschem Recht unterstellt werden kann. Aus französischer Sicht ist im Zweifelsfall das objektiv anwendbare Recht nicht vorhersehbar. Dieses Problem kann noch durch einen sog. Qualifikationsrenvoi verstärkt werden, wenn das ausländische IPR abweichend qualifiziert und zurückverweist, weil dann auch noch die ausländische Qualifikation mit berücksichtigt werden muss. Diese Probleme behindern eine sichere Nachlassplanung erheblich.
II. Rechtliche Nachlassspaltung Erhebliche Schwierigkeiten ergeben sich auch aus der rechtlichen Nachlassspaltung. Sie führt zu praktischen Problemen und zu einem größeren Aufwand in der Nachlassabwicklung, die durch die sachenrechtlichen Vereinfachungen nicht ausgeglichen werden können. Ferner führt sie zu u. U. ungerechten, dem Erblasserwillen widersprechenden Ergebnissen. Sie läuft zudem dem natürlichen Verständnis des
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Kap. 1: Nationalstaatliche Kollisionsnormen vor Inkrafttreten der EuErbVO
Erblassers zuwider. Dieser geht in der Regel davon aus, dass sein Nachlass als Ganzes und als Einheit vererbt wird286, weil er auch zu Lebzeiten sein Vermögen als Ganzes und als Einheit angesehen hat. Entstehen kann die Nachlassspaltung in Frankreich regelmäßig aufgrund der unterschiedlichen Anknüpfung für bewegliches und unbewegliches Vermögen. Auch vor deutschen Gerichten kann es zu einer rechtlichen Nachlassspaltung kommen, sei es durch den Vorrang des Einzelstatuts, durch eine Teilrückverweisung oder durch eine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB.
III. Häufige Anwendung ausländischen Sachrechts Insbesondere in Staaten mit einheitlicher Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit wie Deutschland kommt es zu einer häufigen Anwendung des ausländischen Sachrechts, die einen erheblichen Mehraufwand für die Gerichte und die Parteien (höhere Beratungskosten) bedeutet. Ausländisches Sachrecht ist häufig anwendbar, weil einerseits an die Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft wird, andererseits § 343 FamFG eine weite Zuständigkeit deutscher Gerichte vorsieht. In Deutschland lebten bspw. im Jahr 2014 8,2 Millionen Ausländer.287 Diese bestehen teilweise aus EU-Bürgern, die von der Freizügigkeit Gebrauch machen, teilweise auch aus Nicht-EU-Staatsangehörigen (insbesondere aus der Türkei). Die Freizügigkeit innerhalb der EU führt zu einer weitgehenden Gleichstellung der EU-Bürger mit Deutschen, die den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auch bei langen Aufenthalten nicht mehr unbedingt erforderlich macht. Folge davon ist, dass häufig ausländisches Sachrecht anwendbar ist. In Frankreich stellt sich das Problem aufgrund des grundsätzlichen Gleichlaufs zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht und der Anknüpfung an den Domicile bei beweglichen Sachen zwar in geringerem Maße. Dennoch gibt es auch in Frankreich durch die weiten Zuständigkeitsvorschriften der Art. 14, 15 CC oder durch Weiterverweisung eine erhebliche Anzahl von Fällen, in denen das ausländische Sachrecht angewendet wird.
IV. Rück- oder Weiterverweisung Schwierigkeiten entstehen weiterhin durch Rück- oder Weiterverweisungen. Die Verweisung auf ausländisches Recht beantwortet die Frage nach dem anwendbaren Recht für den Erblasser nicht abschließend, vielmehr hängt die Frage von der Art der 286
Vgl. Loussouarn/Bourel/de Vareilles-Sommières, Rn. 431: „morceler la succession, c’est en méconnaître la nature.“; vgl. auch Denkinger, S. 370 f. 287 Gemeint sind Menschen mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit (Quelle: Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts Nr. 097 vom 16. 3. 2015, abrufbar unter: https:// www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2015/03/PD15_097_12521.html (zuletzt abgerufen am 2. 7. 2015)).
C. Zusammenfassung der Probleme eines grenzüberschreitenden Nachlasses
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Verweisung und dem ausländischen IPR ab. Auch das erschwert die Nachlassplanung, weil das ausländische IPR untersucht werden muss. Die Art der Verweisung ist in Deutschland durch die einheitliche Aussage des Art. 4 Abs. 1 EGBGB vergleichsweise einfach zu handhaben. Ein erhebliches Problem stellt demgegenüber die uneinheitliche Rechtslage in Frankreich hinsichtlich der Art der Verweisung dar. So ist die Verweisung des französischen IPR in einem Fall Sachnormverweisung, in einem anderen Gesamtverweisung, abhängig von der Art des Vermögens und der jeweiligen Kollisionsnorm sowie von der Reaktion des ausländischen IPR. Verbunden mit der uneinheitlich beantworteten Frage nach der Zuständigkeit französischer Gerichte bei ausländischen Immobilien schafft das eine verworrene Rechtslage.
V. Ungültigkeit einer getroffenen Rechtswahl Weitere Probleme ergeben sich, wenn der Erblasser eine Rechtswahl vorgenommen hat, die nach dem IPR des betreffenden Staates nicht gültig ist. Dies ist nach deutschem IPR insbesondere der Fall, wenn der Erblasser für außerhalb Deutschlands belegenes Vermögen oder für in Deutschland belegenes bewegliches Vermögen deutsches Recht wählt. Eine solche Rechtswahl ist in aller Regel ungültig, sodass dem Erblasserwillen (zumindest auf Ebene des IPR) keine Geltung verschafft werden kann. Das französische Recht, das dem Erblasser eine Rechtswahlmöglichkeit insgesamt verwehrt, verschärft dieses Problem, wenn der Erblasser von der Gültigkeit einer Rechtswahl ausgegangen ist.
VI. Faktische Nachlassspaltung bzw. hinkende Rechtsverhältnisse Wie in anderen Bereichen des IPR ergeben sich im internationalen Erbrecht aufgrund der national unterschiedlichen Kollisionsnormen Probleme des internationalen Entscheidungseinklangs. Im internationalen Erbrecht wiegt dies deshalb schwer, weil – insbesondere aufgrund der Freizügigkeit in Europa – das Vermögen der Europäer immer häufiger an unterschiedlichen Orten verteilt ist. Der deutsche und französische Gesetzgeber versucht durch Institute wie den Vorrang des Einzelstatuts (Deutschland) oder die begrenzte Zuständigkeit französischer Gerichte bei ausländischen Immobilien und die Anknüpfung an die lex rei sitae (Frankreich) auf das Problem der begrenzten Durchsetzbarkeit seines Geltungsanspruchs zu reagieren. Nicht immer können dadurch die Probleme gelöst werden. Solange keine einheitliche Anknüpfung besteht, bestehen hinkende Rechtsverhältnisse fort. Diese sind insbesondere dann problematisch, wenn sie zum forum shopping288 benutzt werden, 288 Zum Begriff: Kropholler, § 58 VI (S. 618 f.). Auch wenn das forum shopping grds. als problematisch angesehen wird, besteht kein Zweifel über seine Zulässigkeit, vgl. Rauscher,
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Kap. 1: Nationalstaatliche Kollisionsnormen vor Inkrafttreten der EuErbVO
d. h. der Auswahl eines Gerichtsstands, der die Anwendung des für den Beteiligten günstigsten Rechts herbeiführt. In Deutschland und Frankreich ist dies insbesondere aufgrund der grundsätzlich weitgehenden Zuständigkeit der nationalen Gerichte (§ 343 FamFG und u. a. Art. 14, 15 CC) in großem Maße möglich.
Rn. 2020; Kropholler, § 58 VI (S. 619); Schack, Rn. 252; speziell im internationalen Erbrecht Schlitt/Müller/Lehmann, § 14, Rn. 71; Meyer, S. 18.
Kapitel 2
Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO A. Die Grundregel des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO: Aufenthaltsprinzip I. Kohärenz in der Gesetzgebung 1. Der gewöhnliche Aufenthalt als zentrales Anknüpfungskriterium des EuIPR Der gewöhnliche Aufenthalt ist das zentrale Anknüpfungskriterium des europäischen IPR. So findet er sich in Art. 4 Abs. 1 lit. a, b, d, e und f der Rom I-VO, in Art. 4 Abs. 2 der Rom II-VO, in Art. 8 lit. a und b der Rom III-VO und ferner in Art. 17 Abs. 1 lit. a EuGüVO-E. Darüber hinaus wird er in Art. 3 Abs. 1 lit. a Spstr. 1 – 6 und Art. 8, 10 der Brüssel IIa-VO und in Art. 3 lit. a und b und Art. 4 Abs. 1 lit. a und c Ziff. 2 EuUntVO verwendet. Der gewöhnliche Aufenthalt hat die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium insbesondere im internationalen Familienrecht weitgehend abgelöst bzw. auf den zweiten oder dritten Platz verwiesen.1 So wurde die Scheidung im bisherigen deutschen IPR (Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F.) dem für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebenden Recht unterworfen und damit primär dem Heimatrecht der Ehegatten (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) unterstellt. Diese Anknüpfung ist nunmehr durch Art. 8 lit. a Rom III-VO der primären Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten gewichen. Auch das internationale Unterhaltsrecht orientiert sich maßgeblich am gewöhnlichen Aufenthalt (u. a. Art. 3 HUntProt2). Gleiches wird voraussichtlich auch für das internationale Ehegüterrecht gelten. Dieses wird nach bisheriger Rechtslage noch primär dem Heimatrecht der Ehegatten unterstellt (Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB); nach Art. 17 Abs. 1 lit. a EuGüVO-E wird zukünftig primär das Recht des ersten gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten maßgeblich sein. Im Familienrecht richtet sich die internationale Zuständigkeit ebenfalls weitgehend nach dem gewöhnlichen Aufenthalt eines der 1 Helms, in: Liber Amicorum Pintens, S. 687; ders., FamRZ 2011, 1765, 1769; vgl. Henrich, in: FS Stoll, S. 437 ff.; Wagner, FamRZ 2003, 803, 805 f.; Erman/Hohloch, Einl Art. 3-47 EGBGB, Rn. 39; Martiny, IPRax 2011, 437, 450. 2 Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007, Abl. EU 2009 Nr. L 331 vom 16. 12. 2009, 17.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Beteiligten oder mehrerer Beteiligter. Art. 3 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO sieht sechs verschiedene Zuständigkeiten vor, die allesamt an den (früheren) gewöhnlichen Aufenthalt einer oder beider Ehegatten anknüpfen. In Verfahren über die elterliche Verantwortung sind die Gerichte des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes international zuständig (Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO). Auf den früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes kommt es grundsätzlich ferner bei der internationalen Zuständigkeit bei Kindesentführungen an (Art. 10 Brüssel IIa-VO). In Unterhaltssachen richtet sich die internationale Zuständigkeit prinzipiell nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Berechtigten oder des Beklagten (Art. 3 lit. a, b EuUntVO). Die einzige Ausnahme bildet für den Bereich der internationalen Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen die Brüssel Ia-VO, die sich nach wie vor am Wohnsitz (insbesondere Art. 4 Brüssel Ia-VO) orientiert. Es entspricht daher der Kohärenz der europäischen Gesetzgebung, auch im internationalen Erbrecht an den gewöhnlichen Aufenthalt anzuknüpfen. 2. Bedürfnis nach einer abweichenden Anknüpfung im internationalen Erbrecht? a) Diskussion um die Aufenthaltsanknüpfung Es stellt sich jedoch die Frage, ob im internationalen Erbrecht eine besondere Interessenlage besteht, die es erforderlich macht, abweichend vom sonstigen IPR an die Staatsangehörigkeit anzuknüpfen. In der Entstehungsgeschichte der EuErbVO, insbesondere in Reaktion auf den Kommissionsentwurf, wurde die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt überwiegend befürwortet,3 z. T. aber auch kritisiert.4 Vorgebracht wurden dabei z. T. die allgemein gegen das Aufenthaltsprinzip angeführten Argumente. So führte Kanzleiter aus, das Rechtsbewusstsein des europäischen Bürgers werde weiterhin von seiner nationalen Rechtsordnung geprägt5, zudem sei die Staatsangehörigkeit ein klares und stabiles Anknüpfungskriterium.6 Das Anknüpfungsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthalts sei weniger klar und gebe häufig Anlass zu Zweifeln und Streit.7
3
Dörner, ZEV 2010, 221, 222; Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 562; MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 604 ff.; Erman/Hohloch (2011), vor Art. 25, 26 EGBGB, Rn. 3a; Kindler, in: Liber Amicorum Siehr, S. 253 ff.; ders., IPRax 2010, 44, 46; Kunz, GPR 2012, 208, 210. 4 Frantzen, in: FS Jayme, S. 187, 195; Rauscher/Rauscher, Einf. EG-ErbVO-E, Rn. 50 ff.; Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 173 ff.; DAV-Stellungnahme Nr. 3/2010 vom 10. 01. 2010. 5 Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 170. 6 Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 174. 7 Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 173.
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Dem Argument, die Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt entspreche der Mobilität im europäischen Binnenmarkt, setzte Rauscher entgegen, dass derjenige, der kurz oder länger aus Erwerbsgründen in Europa mobil sei, nicht mit dem klassischen Auswanderer verglichen werden könne.8 Teilweise wurden auch Argumente speziell gegen die Aufenthaltsanknüpfung in der EuErbVO vorgebracht. Rauscher führte aus, die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt führe bei uninformierten Erblassern zu Fehlvorstellungen, die durch die Rechtswahlmöglichkeit in der Regel nicht zu korrigieren seien.9 Ähnlich argumentierte Sonnentag im Anschluss an die finale Fassung der EuErbVO, die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt könnte zur Anwendung eines Rechts führen, mit dem der Erblasser nicht gerechnet habe.10 Die mit der Aufenthaltsanknüpfung verbundene Ungewissheit werde auch nicht durch die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO beseitigt.11 Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt berücksichtige zudem nicht den Willen des Erblassers, wenn dieser sich im Aufenthaltsstaat nicht integrieren und nur ein paar Jahre aufhalten wolle.12 Rauscher wies auch auf die Möglichkeit hin, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nur zur Umgehung von Pflichtteilsansprüchen verlegen könnte.13 Darüber hinaus legte Kanzleiter dar, der gewöhnliche Aufenthalt müsse im Rahmen der Zuständigkeitsvorschriften weit ausgelegt werden, was aber u. U. nicht für die Auslegung des Begriffs im Rahmen der Vorschriften des anwendbaren Rechts gelte; dies führe zu Unsicherheiten.14 b) Eigene Stellungnahme Auch im internationalen Erbrecht ist die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt angemessen. Zutreffend ist zwar, dass der gewöhnliche Aufenthalt hinsichtlich seiner Feststellbarkeit, seiner Stabilität und der mit ihnen verbundenen Rechtssicherheit der Staatsangehörigkeit unterlegen ist.15 Für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt sprechen aber auch im internationalen Erbrecht die überwiegenden Argumente.
8
Rauscher/Rauscher (2010), S. 832, Rn. 50. Rauscher/Rauscher (2010), S. 832, Rn. 50; so auch Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 167; ähnlich zur finalen Fassung Sonnentag, EWS 2012, 457, 462. 10 Sonnentag, EWS 2012, 457, 462; ähnlich Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 174. 11 Sonnentag, EWS 2012, 457, 462. 12 Sonnentag, EWS 2012, 457, 462. 13 Rauscher/Rauscher, Einf. EG-ErbVO-E, Rn. 51. 14 Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 173. 15 Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 111; Mankowski, IPRax 2015, 39, 40; Remde, RNotZ 2012, 65, 72; Süß, ZErb 2009, 342, 344; Schurig, in: FS Spellenberg, S. 343, 346. 9
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ist erstens anzuführen, dass sie einen Gleichlauf von forum und ius ermöglicht.16 Damit verbunden ist eine Entlastung der Gerichte durch die regelmäßige Anwendung der lex fori.17 Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht wären umgekehrt bei Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit nicht praktikabel gewesen.18 Folge des Gleichlaufs ist die Prozessökonomie.19 Insbesondere Gutachten zum ausländischen Recht werden durch den Gleichlauf weniger häufig erforderlich. Das Aufenthaltsprinzip führt zudem zu einer Entlastung des Erblassers hinsichtlich eventueller Beratungskosten, denn auch der ausländische Staatsangehörige wird nach dem inländischen Recht beerbt, das der Notar des Aufenthaltsstaats kennt bzw. einfacher ermitteln kann.20 In manchen Fällen macht das Aufenthaltsprinzip eine notarielle Beratung unter Umständen vollständig entbehrlich. Für das Aufenthaltsprinzip spricht zweitens die Mobilität im europäischen Binnenmarkt.21 Europa lebt von der Mobilität der Bürger und der abnehmenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit.22 Das bedeutet nicht, dass das Staatsangehörigkeitsprinzip integrationsfeindlich ist.23 Zutreffend ist jedoch, dass das Staatsangehörigkeitsprinzip dem europäischen Gedanken im Grundsatz widerspricht. Umgekehrt ist jedenfalls das Aufenthaltsprinzip integrationsfördernd24, denn es führt dazu, dass der Erblasser nach dem Recht beerbt wird, nach dem auch die Staatsangehörigen seines Aufenthaltsstaates beerbt werden. Dies fällt insbesondere deshalb ins Gewicht, weil die Freizügigkeit innerhalb der EU den Erwerb der Staatsangehörigkeit im Aufenthaltsstaat weitgehend überflüssig macht. Hinzu kommt, dass vor dem Hintergrund einer zunehmenden Zahl gemischt-nationaler Ehen die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt die Koordination der Erbfolge der Ehepartner erleichtert. Dass derjenige, der kurz oder länger aus beruflichen Gründen in Europa mobil ist, nicht mit einem klassischen Auswanderer verglichen werden kann25, trifft 16
MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 604; Mankowski, IPRax 2015, 39, 41. Remde, RNotZ 2012, 65, 72; Mankowski, IPRax 2015, 39, 41; Kunz, GPR 2012, 208, 210; vgl. zum Gleichlauf im Einzelnen unten S. 256. 18 Mankowski, IPRax 2015, 39, 41. 19 Vgl. Remde, RNotZ 2012, 65, 72; Wilke, RIW 2012, 601, 604 f.; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2394; Burandt, FuR 2013, 377; Mankowski, IPRax 2015, 39, 41. 20 Mankowski, IPRax 2015, 39, 41. 21 MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 604; Dörner, ZEV 2010, 221, 222. 22 Dörner, ZEV 2010, 221, 222; a.A. offenbar Rauscher/Rauscher, Einf EG ErbVO-E, Rn. 49 ff. 23 So aber Aden, ZRP 2013, 186, 187; vgl. auch Kropholler, § 38 III 2 (S. 273 f.); Kohler, FamRZ 2009, 1574; Lorenz, ErbR 2012, 39, 43; kritisch Rauscher/Rauscher, Einl. Brüssel IIaVO, Rn. 51. Zur Frage der Vereinbarkeit der Staatsangehörigkeitsanknüpfung mit Art. 18 AEUV (Art. 12 EGV a.F.) Drohnig, RabelsZ 34 (1970), 636 ff. (verneinend), die Vereinbarkeit bejahend die h.M.: Kropholler, § 38 IV 3 (S. 277) m.w.N.; Kindler, RabelsZ 72 (2008), 809, 812 f. 24 Kindler, IPRax 2010, 44, 46; Mankowski, IPRax 2015, 39, 40. 25 Rauscher/Rauscher, Einf. EG-ErbVO-E, Rn. 50. 17
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zwar zu. Schon EG 24 S. 1 und 2 EuErbVO zeigen aber, dass in einem solchen Fall (jedenfalls nicht automatisch) von einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts auszugehen ist.26 Drittens spricht entscheidend für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im internationalen Erbrecht, dass es sich beim Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Regelfall um das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen angemessene Recht handelt. Denn regelmäßig hat derjenige, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb seines Heimatstaats hat, dort sein Hauptvermögen, seine familiären und sozialen Bindungen und auch seinen beruflichen Mittelpunkt.27 Auch (potenzielle) Erben befinden sich i. d. R. im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts. Umgekehrt kann die Staatsangehörigkeitsanknüpfung auf den mit einem Aufenthaltswechsel verbundenen Wechsel des Lebensmittelpunkts nicht reagieren. Die Fälle, in denen der Erblasser nach seinem Heimatrecht beerbt wird, mit dem er unter Umständen außer der Staatsangehörigkeit keine weitere Verbindung hat, werden durch das Aufenthaltsprinzip vermieden. Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang insbesondere das von Rauscher28 vertretene Argument, die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt führe beim Erblasser zu nicht mehr korrigierbaren Fehlvorstellungen. Das Argument ist genauso gegen das Staatsangehörigkeitsprinzip einsetzbar. Der seit 30 Jahren in Deutschland lebende italienische Erblasser, der mit einer Deutschen verheiratet ist, geht u. U. auch davon aus, dass seine Erbfolge deutschem Recht untersteht, und nicht wie nach bisheriger (deutscher) Rechtslage italienischem Recht. Abgemildert wird die Aufenthaltsanknüpfung zudem durch die Möglichkeit der Rechtswahl (Art. 22 EuErbVO), mit der der Erblasser einen Statutenwechsel verhindern kann.29 Der Einwand, uninformierte Erblasser würden von der Rechtswahl nicht profitieren,30 ist nicht überzeugend. Er spricht zum einen gegen jede denkbare Rechtswahlmöglichkeit, zum anderen sollte die Folge davon nicht sein, dass die Anknüpfung generell unangemessen ist, sondern dass die Bürger besser informiert werden müssen. Nicht überzeugen kann das speziell im internationalen Erbrecht vorgetragene Argument, die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt eröffne (insbesondere hinsichtlich des Pflichtteilsrechts) Missbrauchsmöglichkeiten.31 Zunächst handelt es sich dabei um eine sehr abstrakte Möglichkeit. Weiterhin bestehen solche Optionen auch nach bisherigem Recht, etwa durch den Erwerb einer in England befindlichen 26
Vgl. zu der Frage im Einzelnen unten S. 130 ff. MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 604; Dörner, ZEV 2010, 221, 222; Mankowski, IPRax 2015, 39, 40. 28 Rauscher/Rauscher, Einf. EG-ERbVO-E, Rn. 50; so auch Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 167; ähnlich zur finalen Fassung Sonnentag, EWS 2012, 457, 462. 29 Vgl. unten S. 153 ff. 30 Rauscher/Rauscher, Einf. EG-ErbVO-E, Rn. 50; Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 167. 31 Rauscher/Rauscher, Einf. EG-ErbVO-E, Rn. 51. 27
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Immobilie.32 Ferner sollte diesem „Problem“ nicht durch die Fortgeltung des Staatsangehörigkeitsprinzips Rechnung getragen werden, sondern durch gesteigerte Anforderungen an die Begründung bzw. den Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts.33
II. Kohärenz in der Auslegung? 1. Fehlende Definition des gewöhnlichen Aufenthalts Die Rechtsnachfolge von Todes wegen wird nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO einheitlich dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt des Todes unterstellt. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird von der EuErbVO nicht definiert. Auch das entspricht einer Kohärenz des europäischen IPR; die anderen Verordnungen des EuIPR enthalten ebenfalls keine Definition des gewöhnlichen Aufenthalts, jedenfalls soweit es um nicht beruflich handelnde natürliche Personen geht.34 Das Fehlen einer Definition des gewöhnlichen Aufenthalts ist schon in Reaktion auf den Kommissionsentwurf der EuErbVO kritisiert worden.35 Hingewiesen wurde darauf, dass eine Vielzahl von Staaten bisher an die Staatsangehörigkeit anknüpfen. Diese sei regelmäßig einfach festzustellen.36 Deshalb sei gerade für diese Staaten aus Gründen der Rechtssicherheit eine Definition erforderlich.37 Im Übrigen seien die Erwägungsgründe zu vage und nicht geeignet, den gewöhnlichen Aufenthalt zu bestimmen.38 Insbesondere in folgenden Problemfällen wird das Fehlen einer Definition kritisiert, weil die Frage, wo der gewöhnliche Aufenthalt einer Person liegt, nicht ohne weiteres zu beantworten sei:39
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Vgl. Gruber, ZEV 2001, 463, 464; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2088. Vgl. dazu im Einzelnen unten S. 97 ff. 34 Allerdings definiert Art. 19 Abs. 1 Rom I-VO den gewöhnlichen Aufenthalt von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen (UAbs. 1) sowie den von natürlichen Personen, die im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit handeln (UAbs. 2). Eine ähnliche Vorschrift ist in Art. 23 Rom II-VO enthalten, vgl. im Einzelnen unten S. 86. 35 Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 112; Dörner, ZEV 2010, 221, 225; Lange, ZVglRWiss 110 (2011) 426, 429; ders., ZErb 2012, 160, 163; Mansel, in: FS Ansay, S. 185, 211; Nourissat, in: Khairallah/Révillard (2010) S. 29; BRAK-Stellungnahme, S. 4; vgl. auch Lehmann, FPR 2008, 203, 204 f.; gegen eine Definition die MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 605. 36 Lange, ZVglRWiss 110 (2011) 426, 429. 37 Lange, ZVglRWiss 110 (2011) 426, 429. 38 Lange, ZErb 2012, 160, 163; kritisch auch Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 22. 39 Orientiert an den Beispielen von Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 362 und Odersky, notar 2013, 3, 5. 33
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„Mallorca-Rentner“40 : Gemeint sind damit Personen im Ruhestand, die mehrere Monate im Jahr (meistens das Winterhalbjahr) ausschließlich aus privaten Gründen in einem anderen Land verbringen, in dem sie regelmäßig (auch) soziale Beziehungen oder Vermögensgegenstände haben. Davon zu unterscheiden ist die Variante, in dem der Rentner das ganze Jahr auf Mallorca verbringt, aber weiterhin (enge) Beziehungen zu Deutschland aufrechterhält.41 Berufspendler: Klassisches Beispiel ist der Bankmitarbeiter, der unter der Woche in London wohnt und arbeitet, am Wochenende aber nach Deutschland fliegt, wo er Familie und soziale Kontakte hat. Auslandsstudenten: Erasmus-Studenten, die für ein Jahr z. B. in Frankreich studieren, wobei von Anfang an klar ist, dass sie nach Ablauf des Jahres nach Deutschland zurückkehren werden. Grenzpendler: Beispiel dafür ist der kinderlose Deutsche, der wegen günstigerer Lebenshaltungskosten seit 10 Jahren in den Niederlanden wohnt, aber in Deutschland arbeitet, dort die allermeisten sozialen Kontakte hat und viel Zeit verbringt. Profisportler: Beispiel dafür ist ein Fußballspieler, der drei Jahre in Deutschland, danach zwei Jahre in Spanien und anschließend drei Jahre in England spielt. Pflegefälle: Pflegebedürftige Personen, die aus finanziellen Gründen bspw. in ein Pflegeheim im Ausland verbracht werden. Unter Umständen sind sie zur Willensbildung nicht mehr in der Lage oder die Verlegung des Aufenthalts geschieht ohne ihren Willen. Häftlinge: Beispiel dafür ist der Erblasser, der während eines Urlaubs außerhalb seines Heimatstaats eine Straftat begeht, dafür zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wird und nach Verbüßung von drei Jahren in Haft verstirbt.
2. Anhaltspunkte für den Begriff in der Verordnung EG 23 und 24 zur EuErbVO enthalten Anhaltspunkte zur Frage des gewöhnlichen Aufenthalts. Sie lauten: (EG 23) „In Anbetracht der zunehmenden Mobilität der Bürger sollte die Verordnung zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege in der Union und einer wirklichen Verbindung zwischen dem Nachlass und dem Mitgliedstaat, in dem die Erbsache abgewickelt wird, als allgemeinen Anknüpfungspunkt zum Zwecke der Bestimmung der Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes vorsehen. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen und dabei 40 41
Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 362. Näher zu der Unterscheidung unten S. 133 ff.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen.“ (EG 24) „In einigen Fällen kann es sich als komplex erweisen, den Ort zu bestimmen, an dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrechterhalten hat. In diesem Fall könnte – entsprechend den jeweiligen Umständen – davon ausgegangen werden, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in seinem Herkunftsstaat hat, in dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht sein Lebensmittelpunkt befand. Weitere komplexe Fälle können sich ergeben, wenn der Erblasser abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein.“
3. Ausschluss des nationalen Begriffsverständnisses und der Übertragung der EuGH-Rechtsprechung außerhalb des IPR a) Nationales Begriffsverständnis Es entspricht einer Kohärenz des europäischen IPR, nicht das nationale Recht der Mitgliedstaaten über die Frage der Auslegung von Begriffen, insbesondere von Anknüpfungskriterien, entscheiden zu lassen, sondern autonom auszulegen.42 Dementsprechend wird auch im Rahmen der EuErbVO weit überwiegend vertreten, dass der gewöhnliche Aufenthalt autonom auszulegen ist.43 Lediglich Kindler schlug 42 Vgl. zum gewöhnlichen Aufenthalt im Rahmen der Rom I-VO etwa Beck-OK/Spickhoff, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 5; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 19 Rom I VO, Rn. 15; jurisPK-BGB/Ringe, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 24; MüKo/Martiny, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 12; PWW/Brödermann/Wegen, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 5; vgl. zum gewöhnlichen Aufenthalt im Rahmen der Rom II-VO Huber/Bach, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 11; NK-BGB/Schulze, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 4; Hk-BGB/Dörner, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 5; Rauscher/Jakob/Picht, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 7; vgl. zum gewöhnlichen Aufenthalt im Rahmen der Rom III-VO jurisPKBGB/Ludwig, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 12; NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 40; vgl. zum gewöhnlichen Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO EuGH, Rs. C-523/07, Slg. 2009 I-02805; EG 34 und EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010 I-14309, EG 45; Staudinger/Spellenberg, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 54; MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 7; vgl. zum Kommissionsentwurf Nourissat, in: Khairallah/Révillard (2010), S. 26, Süß, ZErb 2009, 342, 343. Vgl. zur Autonomie der Auslegungsmethode im Einzelnen Gruber, S. 80 ff. 43 Ganz h.M.: Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 14; Burandt, FuR 2013, 377, 382; Buschbaum, GS Hübner, S. 589, 593; Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 44; Zöller/Geimer, Anh. II J: Art. 1 EuErbVO, Rn. 3; Herzog, ErbR 2013, 2, 6; Odersky, notar
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vor, die Definition des gewöhnlichen Aufenthalts dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten zu entnehmen.44 Im deutschen Recht wird der Begriff bspw. in § 9 AO und § 30 Abs. 3 SGB-I verwendet.45 Die Heranziehung nationalstaatlicher Quellen ist jedoch auch im Rahmen der EuErbVO nicht angemessen. Nationalstaatliche und damit möglicherweise unterschiedliche Definitionen widersprächen dem Zweck der Vereinheitlichung des anwendbaren Rechts. Denn unterschiedliche Definitionen können zu unterschiedlichen Entscheidungen über das anwendbare Recht führen, was den internationalen Entscheidungseinklang im Geltungsbereich der EuErbVO beeinträchtigen46 und damit dem Zweck der EuErbVO vollständig zuwiderlaufen würde. Das Fehlen einer Definition in der Verordnung selbst bedeutet nicht, dass diese deswegen den Mitgliedstaaten überlassen wird. b) Wohnsitzbegriff des EuGH Bereits vor der Veröffentlichung des Kommissionsentwurfs ist ferner vorgeschlagen worden, von der Wohnsitz-Definition des EuGH (außerhalb des IPR) auszugehen.47 Der EuGH hat in verschiedenen Entscheidungen48, die sich hauptsächlich auf das Recht der sozialen Sicherheit und das Steuerrecht beziehen, den Wohnsitz49 definiert, und zwar als den Ort, den der Betroffene als „ständigen Mit2013, 3, 4; Rudolf, ÖNotZ 2013, 225, 234; dies., NZ 2010, 353, 359; Süß, ZEuP 2013, 725, 731; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 21 f.; Wilke, RIW 2012, 601, 603; Kunz, GPR 2012, 208, 210, Schaub, Hereditaire 2013, 91, 112; Heinig, RNotZ 2014, 197, 199; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2395; Mankowski, IPRax 2015, 39, 42; vgl. auch Ratsdokumente Nr. 5811/10 ADD 15 S. 7, Nr. 5811/10 ADD 19 S. 2, Nr. 5811/10 ADD 20 S. 5; vgl. generell Gruber, S. 80 ff. 44 Dafür Kindler, IPRax 2010, 44, 46 zum Verordnungsentwurf. 45 § 9 AO lautet: „Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.“ § 30 Abs. 3 SGB-I übernimmt S. 1 des § 9 AO. 46 So auch Leipold, JZ 2010, 802, 810. 47 Mansel, in: FS Ansay, S. 185, 211. Allerdings befürtwortet Mansel, dass dieser Begriff dem englischen Begriff des Domicile angenähert werden und bestimmen solle, dass ein Erblasser nie mehr als einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. 48 Z. B. EuGH, Rs. C-13/73 (Angenieux), Slg. 1973, 935 ff.; EuGH, Rs. C-297/89 (Ryborg), Slg. 1991, I-1943; EuGH, Rs. C-452/93 P (Fernandez); EuGH, Rs. C-372/02 (Adanez-Vega), Slg. 2004, I-10761; EuGH, Rs. C-262/99 (Louloudakis), Slg. 2001, I-5547; EuGH, Rs. C-102/ 91 (Knoch), Slg. 1992, I-4341; EuGH, Rs. C-76/76 (Di Paolo) Slg. 1977, 315; vgl. im Einzelnen auch Lehmann, Rn. 89 ff. 49 Die Begriffe weichen voneinander ab, teilweise geht es um den „Wohnort“ (Angenieux, Knoch, Di Paolo, Adanez-Vega), teilweise den „gewöhnlichen Wohnsitz“ (Ryborg, Louloudakis), teilweise den „ständigen Wohnsitz“ (Fernandez).
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
telpunkt seiner Interessen gewählt hat“.50 Hierbei werden alle Tatsachen berücksichtigt, die Rückschlüsse auf den Willen des Betroffenen zulassen, „dem Ort, an dem die Bindungen bestehen, auf Grund einer Kontinuität, die aus einer Lebensgewohnheit und aus der Entwicklung normaler sozialer und beruflicher Beziehungen folgt, eine gewisse Beständigkeit zu verleihen“.51 Maßgeblich sind nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere folgende Kriterien, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen des Betroffenen zulassen: Die körperliche Anwesenheit des Betroffenen und seiner Familienangehörigen, die Einrichtung einer Wohnung, der Ort des tatsächlichen Schulbesuchs der Kinder, der Ort der Vermögensinteressen sowie schließlich der Ort, an dem verwaltungsmäßige Beziehungen zu staatlichen Stellen und gesellschaftlichen Einrichtungen unterhalten werden.52 Diese Rechtsprechung des EuGH kann nicht für die EuErbVO übernommen werden.53 Dies wird bereits durch eine Aussage des EuGH indiziert: In der Rechtssache C-523/07 stellte er in Bezug auf die Brüssel IIa-Verordnung fest, dass seine genannte Rechtsprechung zur Frage des Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts im Recht der sozialen Sicherheit zumindest nicht unmittelbar auf die Brüssel IIa-VO (als Teil des europäischen IPR) übertragen werden kann.54 Dagegen spricht auch die grundsätzlich andere Ausrichtung des Steuerrechts bzw. des Rechts der sozialen Sicherheit, aus denen die entsprechenden Entscheidungen stammen. So hatte die Frage des Wohnsitzes im Recht der sozialen Sicherheit vor allem den Hintergrund, welche sozialen Stellen in welchem Mitgliedstaat letztlich zur Zahlung (bspw. von Arbeitslosengeld55) verpflichtet werden56 bzw. ob der Betreffende aufgrund seines Wohnsitzes von bestimmten Steuer- bzw. Zollpflichten befreit wird.57 Zutreffend führte Generalanwältin Kokott in ihrem Schlussantrag zum Verfahren C-523/0758 aus, dass die sozialrechtliche Interpretation nicht das Wohl des Betroffenen im Blick hat, sondern die Verteilung der Lasten zwischen den Mitgliedstaaten. Hintergrund der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist also immer die Frage, welchem Staat die Pflicht zur Kostentragung aufgebürdet werden 50 EuGH, Rs. C-13/73 (Angenieux), Slg. 1973, 935 ff., EG 32; EuGH, Rs. C-297/89 (Ryborg), Slg. 1991, I-1943, EG 19 m.w.N. 51 EuGH, Rs. C-262/99 (Louloudakis), Slg. 2001, I-5547, EG 55. 52 EuGH, Rs. C-262/99 (Louloudakis), Slg. 2001, I-5547, EG 55. 53 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 32; so auch generell für das europäische IPR M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 306; in Bezug auf die Brüssel IIa-VO Staudinger/Spellenberg, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 56. 54 EuGH, Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-02805, EG 36, ausdrücklich bezieht sich der EuGH dabei auf die Urteile C-452/93 P (Fernández), Slg. 1994, I-4295, C-372/02 (Adanez-Vega), Slg. 2004, I-10761 und C-66/08 (Kozlowski), Slg. 2008, I-06041; vgl. auch Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691, 699. 55 Z. B. EuGH, Rs. 76/76 (Di Paolo), Slg. 1977, 135, EG 1/3. 56 Vgl. Lehmann, Rn. 91. 57 EuGH, C-297/99 (Ryborg), Slg. 1991, I-1943. 58 Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zum Verfahren C-523/07, EG 39.
A. Grundregel des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO: Aufenthaltsprinzip
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kann. Bestimmt wird der gewöhnliche Aufenthalt damit aus staatlicher Perspektive. Im (europäischen) IPR geht es demgegenüber um die Bestimmung des Lebensmittelpunkts aus der Sicht des Betroffenen. Hier verfolgt die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts grundsätzlich den Zweck, den Sitz des jeweiligen Rechtsverhältnisses festzustellen bzw. das Recht der engsten Verbindung, d. h. das für den Betroffenen angemessene Recht zur Anwendung zu bringen.59 Eine Übertragung des Wohnsitzbegriffes scheidet daher aus. Es lässt sich folglich eine Kohärenz des europäischen IPR insoweit feststellen, als dass das Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts im IPR nicht abhängig vom Verständnis in außerhalb des IPR liegenden Rechtsbereichen ausgelegt werden kann. 4. Einheitliches Begriffsverständnis des EuIPR? a) Problemaufriss Die entscheidende Frage besteht darin, ob der gewöhnliche Aufenthalt aus Gründen der Kohärenz innerhalb des EuIPR einheitlich, d. h. verordnungsübergreifend zu verstehen ist oder ob eine speziell auf das internationale Erbrecht zugeschnittene Interpretation des gewöhnlichen Aufenthalts geschaffen werden soll.60 Die Frage wird auch beim Anwendungsbereich der Ausweichklausel61 diskutiert. Das Max-Planck-Institut befürwortet in seiner Stellungnahme, die durch den EuGH, den Europarat und die Vorbereitungsarbeiten des Haager Übereinkommens näher bestimmten Kriterien zur Grundlage des gewöhnlichen Aufenthalts zu machen.62 Mit dieser Grundlage solle von Fall zu Fall und mit dem nötigen Maß an Flexibilität entschieden werden. Dabei sei es unschädlich, wenn die zukünftige 59 M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 306; gegen eine Übertragung der Rechtsprechung des EuGH außerhalb des IPR auf das europäische Kollisionsrecht auch Rauscher/Thorn, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 14. 60 Dafür Beck-OGK/Schmidt, Art. 4 EuErbVO, Rn. 18; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 14; Herzog, ErbR 2013, 2, 6; DNotI-Report 2012, 121 f.; Hellner, in: Dutta/ Herrler, S. 107; Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 11; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086; Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691, 699; Schaub, Hereditaire 2013, 91, 112; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2395; Süß, ZErb 2009, 342, 344; ders., ZEuP 2013, 724, 732; v. Hinden/ Müller, ErbStB 2013, 97, 99; Mankowski, IPRax 2015, 39, 42; wohl auch Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 112; Odersky, notar 2013, 3, 4; generell für eine nach Rechtsgebieten differenzierende Auslegung des Begriffs Basedow/Hopt/Zimmermann/Baetge, S. 759; Baetge, S. 96 ff.; Helms, in: Liber Amicorum Pintens, S. 689; Kropholler, § 39 II 5 (S. 285); MüKo/ v. Hein, Art. 5 EGBGB, Rn. 137; für ein einheitliches Begriffsverständnis Dörner, ZEV 2010, 221, 226; ders., ZEV 2012, 505, 510; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 31; Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 14 f.; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 127 ff.; Martiny, IPRax 2011, 437, 450 (im Kontext der Vorschläge zum Güterrecht); vgl. Lagarde, in: Khairallah/Révillard (2013), Rn. 15. 61 Siehe dazu unten B. 62 MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 605.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Interpretation des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der EuErbVO von Interpretationen anderer Verordnungen, insbesondere der Brüssel IIa-VO, abweiche.63 Lagarde führt aus, dass generell – abhängig von der jeweiligen Situation – unterschiedliche tatsächliche Elemente bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts berücksichtigt werden müssten.64 Bonomi spricht sich ebenfalls dafür aus, dass die Definition des gewöhnlichen Aufenthalts von der in anderen IPR-Rechtsakten abweichen kann.65 Dafür führt er den EG 23 EuErbVO an, der von den „spezifischen Ziele[n] der Verordnung“ spricht.66 Lehmann legt dar, dass die Begriffsbestimmung abhängig sei von der Norm, der sie diene.67 Für Herzog und Simon/Buschbaum folgt die erbrechtsspezifische Auslegung bereits aus dem Grundsatz der verordnungsautonomen Auslegung.68 Dagegen wird vertreten, dass grundsätzlich von einem einheitlichen Begriffsverständnis des EuIPR ausgegangen werden soll.69 Dafür wird angeführt, erbrechtliche Besonderheiten könnten im Rahmen der Ausweichklausel Berücksichtigung finden.70 Außerdem würde eine Differenzierung nach Lebensbereichen zu einer „Atomisierung“ des Begriffs führen, der keine einheitlichen Maßstäbe mehr hätte.71 Ein einheitlicher Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts diene der Rechtssicherheit.72 Im Übrigen bestünde kein Konsens darüber, was unter einem Lebensbereich – für den die einzelne Definition des gewöhnlichen Aufenthalts gelten würde – zu verstehen ist.73 b) Begriffsverständnis in anderen IPR-Rechtsakten aa) Rom I-VO Art. 4 Abs. 1 lit. a, b, d, e und f Rom I-VO enthalten eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt. Dabei wird jeweils das Recht des gewöhnlichen Auf63
MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 605. Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691, 699 f. 65 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 14 ff. 66 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 14. 67 Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086. 68 Herzog, ErbR 2013, 2, 6; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2395. 69 Dörner, ZEV 2012, 505, 510; ders., ZEV 2010, 221, 226; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 32; Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 5; Seibl, in: Spickhoff S. 123, 134; so auch generell zur Auslegung verschiedener Regelungssysteme eines Regelungsgebers (wie EUVerordnungen) Gruber, S. 158 ff. 70 Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 7. 71 Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 15. 72 So allgemein zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts MüKo/Sonnenberger (2010), Einl. IPR, Rn. 721. 73 Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 15. Diese nennt als Beispiel, dass nicht klar sei, was der Lebensbereich sei: „Der Makrokosmos Schuldrecht, der Mesokosmos vertragliche Schuldverhältnisse oder der Mikrokosmos Darlehensvertrag?“. 64
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enthalts der Partei berufen, die bei dem Vertrag die charakteristische Leistung erbringt. Art. 19 Rom I-VO definiert den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts; allerdings beschränkt sich die Definition auf bestimmte Personen. So ist der gewöhnliche Aufenthalt von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen der Ort ihrer Hauptverwaltung (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Rom I-VO). Gem. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 Rom I-VO ist der gewöhnliche Aufenthalt einer natürlichen Person, die im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit handelt, der Ort ihrer Hauptniederlassung. Diese Definitionen scheiden aufgrund ihrer Gesellschaftsbezogenheit bzw. Berufsbezogenheit von vornherein aus. Zwar kommt es in der Rom I-VO auch auf den gewöhnlichen Aufenthalt von natürlichen Personen an, die nicht beruflich tätig sind (vgl. Art. 5, 6 und 7 Rom I-VO). Deren gewöhnlicher Aufenthalt wird jedoch von der Rom I-VO nicht definiert.74 In der Literatur wird allgemein vertreten, dass der Begriff generell autonom auszulegen sei.75 Teilweise wird dargelegt, dass er in gleicher Weise gemeint sei, „wie auch sonst im IPR“.76 Im Ausgangspunkt stelle er auf den Lebensmittelpunkt77 bzw. Daseinsmittelpunkt78 ab. Als dafür maßgeblich wird überwiegend die soziale Integration angesehen.79 Dafür spielten familiäre, freundschaftliche, berufliche und wirtschaftliche Beziehungen eine Rolle.80 Überwiegend wird vertreten, dass auch der Wille der natürlichen Person ein Indiz sei.81 Teilweise wird vertreten, dass die Entscheidungen des EuGH in Bezug auf die Brüssel IIa-VO82 auf natürliche Personen i.S.d. Rom I-VO übertragbar sind.83
74
MüKo/Martiny, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 12. Beck-OK/Spickhoff, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 5; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 19 Rom I VO, Rn. 15; jurisPK-BGB/Ringe, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 24; MüKo/Martiny, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 12; PWW/Brödermann/Wegen, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 5. 76 MüKo/Martiny, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 12; ähnlich Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 6. 77 NK-BGB/Doehner, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 10; Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 6; PWW/Brödermann/Wegen, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 5. 78 Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 15; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 31. 79 Beck-OK/Spickhoff, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 5; Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 6; ähnlich auch Francq, Règlement Rome I, Rn. 131; NK-BGB/Doehner, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 10. 80 NK-BGB/Doehner, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 10; Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 6; ähnlich Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 31. 81 NK-BGB/Doehner, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 10; Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 6; ähnlich auch Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 31. 82 EuGH, C-523/07, Slg. 2009 I-02805; EuGH, C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309. 83 Francq, Règlement Rome I, Rn. 193, 131; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 31. 75
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
bb) Rom II-VO Auch in der Rom II-VO wird an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft. Die Verordnung enthält in Art. 23 eine dem Art. 19 Rom I-VO weitgehend gleichende Vorschrift.84 Auch diese Vorschrift definiert den gewöhnlichen Aufenthalt von natürlichen, nicht im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit handelnden Person nicht.85 Das Schrifttum zu Art. 23 Rom II-VO nimmt auch hier einhellig eine autonome Interpretation an86 und erklärt ebenfalls den Lebensmittelpunkt87 bzw. den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse88 für maßgeblich. Dafür komme es auf die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen an.89 Teilweise wird vertreten, dass der Begriff weitgehend mit dem der Rom I-VO90 bzw. – wie im Rahmen der Rom I-VO – mit dem sonstigen IPR übereinstimmt.91 cc) Rom III-VO Auch in der Rom III-VO wird verschiedentlich an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft (so u. a. bei der Rechtswahl in Art. 5 Abs. 1 lit. a und b und der objektiven Anknüpfung in Art. 8 Abs. 1 lit. a und b). Auch hier wird eine autonome Auslegung befürwortet.92 Ebenso wird hier auf den Lebensmittelpunkt abgestellt.93 Bereits im Rahmen der Rom III-VO ist allerdings strittig, ob das Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts aus anderen Bereichen des europäischen IPR, insbesondere der Brüssel IIa-VO, auf die Rom III-VO übertragbar ist94 bzw. ob der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen des europäischen IPR und IZPR einheitlich zu verstehen
84
Vgl. NK-BGB/Schulze, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 3. NK-BGB/Schulze, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 4. 86 Huber/Bach, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 11; NK-BGB/Schulze, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 4; Hk-BGB/Dörner, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 5; Rauscher/Jakob/Picht, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 7. 87 Rauscher/Jakob/Picht, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 7. 88 MüKo/Junker, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 16; NK-BGB/Schulze, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 15; ähnlich („Mittelpunkt der Lebensverhältnisse“) auch Hk-BGB/Dörner, Art. 23 Rom IIVO, Rn. 5. 89 NK-BGB/Schulze, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 16. 90 Palandt/Thorn, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 1. 91 Beck-OK/Spickhoff, Art. 23 Rom II-VO, Rn. 4; ähnlich MüKo/Junker, Art. 23 Rom IIVO, Rn. 16. 92 jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 12; NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 40. 93 Helms, FamRZ 2011, 1765, 1769; jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 12; NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 40. 94 Dafür Kemper, FamRBint 2012, 63, 65 (dort Fn. 13) (Brüssel IIa-VO); Gruber, IPRax 2012, 381, 385 (Brüssel IIa-VO); Dagegen Helms, FamRZ 2011, 1765, 1769 f. (Brüssel IIaVO); jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 12 (für generell unterschiedliche Beurteilung); zweifelnd auch NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 38. 85
A. Grundregel des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO: Aufenthaltsprinzip
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ist.95 Für eine Übertragung des Begriffsverständnisses der Brüssel IIa-VO wird angeführt, dass es widersprüchlich wäre, wenn sich ein Gericht nach der Brüssel IIa-VO aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts einer oder beider Ehegatten für zuständig erklärte, dann aber im Rahmen der Rom III-VO den gewöhnlichen Aufenthalt an einem anderen Ort lokalisierte.96 Dagegen wird angeführt, dass der jeweilige Kontext der Verordnung die Interpretation bestimme.97 Ferner wird dagegen vorgebracht, dass die Brüssel IIa-VO in Kindschaftssachen dem räumlich nahe stehenden Gericht eine schnelle Entscheidung ermöglichen wolle; demgegenüber ginge es der Rom IIIVO um die Berufung der Rechtsordnung, zu der die Ehegatten den engsten Bezug hätten.98 dd) Brüssel IIa-VO In der Brüssel IIa-VO knüpfen (u. a.) die Art. 3 lit. a Spstr. 1 – 6 und Art. 8 Abs. 1 an den gewöhnlichen Aufenthalt an. Der EuGH hat in zwei Entscheidungen den gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO definiert. Darin heißt es, dass unter gewöhnlichem Aufenthalt „der Ort zu verstehen ist, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist.“99 Hierfür seien „insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedstaat“ maßgeblich. Ferner seien die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen.“100 Der EuGH führt weiter aus, dass sich die „Absicht der Eltern, die sich in bestimmten äußeren Umständen, wie in dem Erwerb oder der Anmietung einer Wohnung im Zuzugsstaat manifestiert, ein Indiz für die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts sein“101 kann. Gewöhnlich bedeute, dass der Aufenthalt eine gewisse Beständigkeit oder Regelmäßigkeit haben muss.102 Diese Beständigkeit erfordere zwar eine gewisse Dauer, eine exakte Mindestdauer sei aber nicht erforderlich.103 Maßgebend für die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts sei nämlich „vor allem der Wille des Betreffenden, dort den ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen in der Absicht zu begründen, ihm Beständigkeit zu 95
Dafür generell Palandt/Thorn, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 3. Gruber, IPrax 2012, 381, 385 (dort Fn. 57). 97 jurisPK-BGB/Ringe, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 12. 98 Helms, FamRZ 2011, 1765, 1769. 99 EuGH, Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-02805, EG 44; vgl. auch EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309. 100 EuGH, Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-02805, EG 44. 101 EuGH, Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-02805, EG 40. 102 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 44. 103 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 51. 96
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
verleihen“.104 Die Dauer eines Aufenthalts diene lediglich als Indiz für die Beurteilung der Beständigkeit. Ferner führt der EuGH aus, dass dem Alter des Kindes besondere Bedeutung zukommen könne.105 Für das soziale und familiäre Umfeld des Kindes seien nämlich „je nach Alter des Kindes“ unterschiedliche Faktoren maßgeblich.106 So seien „im Fall eines Kindes im schulpflichtigen Alter andere Faktoren zu berücksichtigen als im Fall eines nicht mehr die Schule besuchenden Minderjährigen oder im Fall eines Säuglings“107. Im Falle eines Kindes von geringem Alter sei das maßgebliche Umfeld weitgehend das familiäre.108 Dies gelte erst recht bei einem Säugling, dieser teile zwangsläufig das soziale und familiäre Umfeld des Personenkreises, auf den er angewiesen ist.109 Dabei seien, „wenn es sich um einen Säugling handelt, der in einen anderen Mitgliedstaat als den seines gewöhnlichen Aufenthalts verbracht wurde und der sich dort mit seiner Mutter erst seit einigen Tagen befindet, u. a. zum einen die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Mutter in diesen Staat zu berücksichtigen und zum anderen, insbesondere wegen des Alters des Kindes, die geografische und familiäre Herkunft der Mutter sowie die familiären und sozialen Bindungen der Mutter und des Kindes in dem betreffenden Mitgliedstaat“110. Ein Teil der Literatur befürwortet die Übertragung dieser Kriterien auf die EuErbVO.111 Dörner führt aus, wenn man die für den Kindesaufenthalt maßgeblichen Besonderheiten beiseite ließe, ergebe sich aus der Rechtsprechung des EuGH zur Brüssel IIa-VO ein Konzept des gewöhnlichen Aufenthalts, das mit dem der Haager Übereinkommen übereinstimme.112 Dieses Konzept stelle auf den „Daseinsmittelpunkt als Schwerpunkt der familiären, sozialen und beruflichen Beziehungen“ ab und solle für die Auslegung der EuErbVO übernommen werden.113 Müller-Lukoschek befürwortet ebenfalls eine Anwendung der o.g. Kriterien des EuGH, ist aber entgegen EG 23 S. 3 EuErbVO der Auffassung, dass beim ge-
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EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 51. EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 52. 106 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 53. 107 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 53. 108 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 54. 109 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 55. 110 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 56. 111 Dörner, ZEV 2010, 221, 225; ders., ZEV 2012, 505, 510; MüKo/Dutta, Art. 4 EuErbVO, Rn. 4; davon offenbar ebenfalls ausgehend Beck-OGK/Schmidt, Art. 4 EuErbVO, Rn. 26; krit. dazu Wagner, DNotZ 2010, 506, 514. 112 Dörner, ZEV 2010, 221, 225. 113 Dörner, ZEV 2010, 221, 225. 105
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wöhnlichen Aufenthalt die besonders enge und feste Bindung zum Aufenthaltsstaat nicht Voraussetzung sein sollte.114 Dutta ist der Auffassung, dass die Anknüpfungsziele der EuErbVO und der Brüssel IIa-VO sich „im Ausgangspunkt“ decken.115 Zweck der Brüssel IIa-VO sei die Schaffung von dem Kindeswohl entsprechenden Zuständigkeitsvorschriften „nach dem Kriterium der räumlichen Nähe“.116 Auch in der EuErbVO hebe der Verordnungsgeber in EG 23 das Erfordernis einer „wirklichen Verbindung“ bzw. einer „besonders enge[n] und feste[n] Bindung zu dem betreffenden Staat“ hervor.117 Damit sei jedoch noch nicht die Frage nach einer einheitlichen Definition entschieden.118 Für Andere ist die dem Kinderschutz dienende Definition der Brüssel IIa-VO ohnehin nicht ohne Weiteres auf das internationale Erbrecht übertragbar.119 Süß beruft sich darauf, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers grundsätzlich anders zu bestimmen sei als der gewöhnliche Aufenthalt von Kindern. Im Erbrecht sei eine höhere Stabilität des Anknüpfungspunkts als im Bereich des Ehe- und Familienrechts erforderlich. Wenn diese schon nicht durch eine Mindestdauer des Aufenthalts oder eine Berücksichtigung der Staatsangehörigkeit erreicht werde, solle der Begriff um einen „Integrationsfaktor“ erweitert werden.120 Dieser sei bspw. bei einem seit fünf Jahren auf Mallorca lebenden Ehepaar, das dort ausschließlich in einer deutschen Community verkehrt, nicht gegeben.121 ee) Haager Übereinkommen von 1989 Für die EuErbVO wurde die Übertragung des Begriffsverständnisses des HÜ122 erwogen.123 Das HÜ knüpft u. a. an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an (Art. 3 Abs. 1). Zwar wird dieser auch im HÜ nicht definiert. Allerdings enthalten die Vorbereitungsarbeiten Anhaltspunkte dafür, wie der Begriff zu verstehen ist.124 Darin 114
Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 129. MüKo/Dutta, Art. 4 EuErbVO, Rn. 4. Die Aussagen beziehen sich allerdings auf die Zuständigkeitsvorschriften. 116 MüKo/Dutta, Art. 4 EuErbVO, Rn. 4. 117 MüKo/Dutta, Art. 4 EuErbVO, Rn. 4. 118 MüKo/Dutta, Art. 4 EuErbVO, Rn. 4. 119 Wagner, DNotZ 2010, 506, 514; so im Ausgangspunkt auch Bonomi/Wautelet/Bonomi Art. 4 EuErbVO, Rn. 14; skeptisch wohl auch Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691, 699. 120 Süß, ZErb 2009, 342, 344. 121 Süß, ZErb 2009, 342, 344. 122 Haager Übereinkommen vom 1. August 1989 über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht, abrufbar unter: http://www.hcch.net/upload/conventions/ txt32de.pdf (zuletzt abgerufen am 2. 7. 2015). 123 Dörner, ZEV 2010, 221, 225 spricht vom Begriffsverständnis „der Haager Übereinkommen“. 124 Waters-Bericht, S. 546 ff. 115
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heißt es, dass der gewöhnliche Aufenthalt im Wesentlichen der Ort sei, zu dem der Erblasser gehöre, der das Zentrum seines Lebens bestimme und der Ort, mit dem er durch seinen Lebensstil am engsten verbunden sei.125 Dies zeige sich insbesondere durch seine Familie und seine persönlichen Beziehungen. Die Absicht oder der Wille spiele im Gegensatz zum Domizilbegriff nur eine geringere Rolle. Der gewöhnliche Aufenthalt sei die regelmäßige und einer gewissen Dauer unterliegende physische Präsenz des Erblassers. Es könnten auch die offensichtlichen Hoffnungen und Pläne des Erblassers berücksichtigt werden.126 c) Eigene Stellungnahme aa) In doppelter Hinsicht autonome Begriffsauslegung Die Auslegung des Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“ sollte in doppelter Hinsicht autonom erfolgen. Zum einen muss die Auslegung unabhängig vom nationalen Recht erfolgen, weil es dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung widerspricht, vom nationalstaatlichen Begriffsverständnis auszugehen. Zum anderen muss sie jedoch auch unabhängig von anderen Rechtsbereichen des EuIPR erfolgen, weil es Ziel der Anknüpfung ist, den Schwerpunkt des erbrechtlichen Rechtsverhältnisses festzustellen. Zwar ist es grundsätzlich sinnvoll, Begriffe im internationalen Einheitsrecht in einem einheitlichen Sinn zu verwenden.127 Dies gilt insbesondere, wenn die Begriffe – wie im Rahmen der Verordnungen des EuIPR – vom gleichen Regelungsgeber stammen und als „schlüssiges Ganzes“ gewollt sind.128 Beim gewöhnlichen Aufenthalt ist jedoch gerade nicht davon auszugehen, dass er nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers einheitlich auszulegen ist. Dagegen spricht der Zweck der EuErbVO, der eine verordnungsautonome Begriffsinterpretation nahelegt. Dagegen sprechen zudem strukturelle Unterschiede des gewöhnlichen Aufenthalts der Betroffenen in anderen Verordnungen zu dem des Erblassers in der EuErbVO. Ferner ergibt sich aus den Erwägungsgründen der Wille des Gesetzgebers zu einem erbrechtsspezifischen Verständnis. Die Rechtssicherheit erfordert im konkreten Fall des gewöhnlichen Aufenthalts schließlich keine einheitliche Interpretation. bb) Fehlende Übertragbarkeit der Kriterien des HÜ Die Kriterien des HÜ eignen sich bereits deshalb wenig, weil sich dieses nie allein am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers orientiert, sondern diese Anknüpfung mit weiteren Kriterien ergänzt. Dieser Zusammenhang mit anderen Kriterien führt dazu, dass der Aufenthaltsbegriff nicht übertragbar ist. So stellt Art. 3 Abs. 1 HÜ fest, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen dann dem Recht des gewöhnlichen 125 126 127 128
Waters-Bericht, S. 548. Waters-Bericht, S. 548. Gruber, S. 158. Gruber, S. 158 f.
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Aufenthalts des Erblassers unterliegt, wenn er auch Angehöriger dieses Staates war. Damit tatsächlich das Recht zur Anwendung gelangt, mit dem der Erblasser am engsten verbunden war, erfordert das HÜ also Identität zwischen dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts und dem Staat, dessen Angehöriger der Erblasser ist. Daraus folgt aber gleichzeitig, dass für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. HÜ nicht die (möglicherweise strengeren) Kriterien zugrunde gelegt werden müssen, die bei einer reinen Aufenthaltsanknüpfung erforderlich sind, um eine solche enge Verbindung zu begründen.129 Den Stabilitätserfordernissen ist vielmehr bereits durch das zusätzliche Erfordernis der entsprechenden Staatsangehörigkeit Genüge getan. Regelmäßig wird daher, allein wenn der Erblasser in seinem Heimatstaat wohnt, Art. 3 Abs. 1 HÜ zu bejahen sein. Das kann für die EuErbVO nicht ausreichend sein. Gleiches gilt auch für Art. 3 Abs. 2 HÜ, der festlegt, dass die Erbfolge ebenfalls dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts unterliegt, wenn der Erblasser sich mindestens fünf Jahre unmittelbar vor seinem Tod in dem entsprechenden Staat aufgehalten hat. Im HÜ wird damit der gewöhnliche Aufenthalt nie isoliert als Anknüpfungskriterium verwendet. Dieser Zusammenhang mit weiteren Anknüpfungskriterien schließt die Übertragbarkeit seiner Interpretation130 auf die EuErbVO aus. cc) Stark begrenzte Übertragbarkeit der Brüssel IIa-Kriterien Am ehesten kommen die Kriterien des EuGH zur Brüssel IIa-VO in Betracht, da diese auch aus dem IPR stammen. Auch diese sind nach der hier vertretenen Auffassung jedenfalls nicht generell für die EuErbVO zu übernehmen. Gegen deren Berücksichtigung spricht zunächst die generelle Aussage des EuGH, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts autonom und unter Berücksichtigung des Kontextes der Vorschrift sowie des mit der Regelung verfolgten Ziels ausgelegt werden müssen.131 Dagegen ist zudem anzuführen, dass manche dieser Kriterien bereits aufgrund der kindesschutzspezifischen Besonderheiten im Regelfall nicht im internationalen Erbrecht anwendbar sind. Dies gilt bspw. für die Orientierung an den Lebensverhältnissen der Eltern und an Elementen wie Ort und Umstände der Einschulung. Dem lässt sich noch entgegenhalten, dass die kindesschutzspezifischen Besonderheiten außer Acht gelassen werden und nur die allgemeinen Kriterien angewendet werden könnten.132 Dagegen wiederum sprechen aber zwei entscheidende Argumente: Die unterschiedlichen Zwecke der Verordnungen und die im Regelfall bestehenden strukturellen Unterschiede zwischen dem ge129
So bezieht EG 24 S. 5 EuErbVO die Staatsangehörigkeit als eines der möglicherweise für den gewöhnlichen Aufenthalt zu berücksichtigenden Kriterien mit ein. 130 Die sich im Übrigen auch nur aus den Vorbereitungsarbeiten ergibt. 131 EuGH, Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-02805, EG 34; Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 45 f. m.w.N. 132 Dörner, ZEV 2010, 221, 225.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
wöhnlichen Aufenthalt von Kindern i.S.d. Brüssel IIa-VO und dem von Erblassern i.S.d. EuErbVO. Der Sinn und Zweck der Zuständigkeitsregel des Art. 8 Brüssel IIa-VO, in dessen Rahmen der EuGH zu entscheiden hatte, besteht darin, ein räumlich nahestehendes133 Gericht in die Lage zu versetzen, eine schnelle Entscheidung zu treffen.134 Dahinter steht insbesondere der Gedanke des Kindeswohls.135 Entscheidend ist im Rahmen der EuErbVO aber nicht das Prinzip der räumlichen Nähe; auch eine schnelle Entscheidung steht jedenfalls nicht im Vordergrund. Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen der EuErbVO verfolgt vielmehr den Zweck, den tatsächlichen Lebensmittelpunkt festzustellen, den Ort also, mit dem der Erblasser tatsächlich am engsten verbunden ist. Damit ist keine vorwiegend räumliche Betrachtung gemeint, denn EG 23 EuErbVO spricht von „Bindung“, nicht von räumlicher Nähe.136 Die Aussage Duttas, die Anknüpfungsziele von Brüssel IIa-VO und EuErbVO deckten sich, insbesondere weil die Brüssel IIa-VO sich am Kriterium der räumlichen Nähe orientierte137, kann daher nicht geteilt werden. Im Regelfall, nämlich wenn der Erblasser kein Kind ist, bestehen zwischen den Orten des gewöhnlichen Aufenthalts im Kontext der jeweiligen Verordnungen zudem tatsächliche strukturelle Unterschiede. In den Entscheidungen des EuGH ging es um den gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern. Bei diesen fallen der Aufenthaltsort und Ort der sozialen und familiären Integration138 regelmäßig nicht auseinander. Sie haben ihren (faktischen, schlichten) Aufenthaltsort vielmehr (fast) immer in dem Staat, in dem sie ihre familiären und sozialen Bindungen haben, zur Schule gehen, dessen Sprache sie sprechen etc.139 Sie leben auch grundsätzlich eher 133 EG 12 Brüssel IIa-VO („Die in dieser Verordnung für die elterliche Verantwortung festgelegten Zuständigkeitsvorschriften wurden dem Wohle des Kindes entsprechend und insbesondere nach dem Kriterium der räumlichen Nähe ausgestaltet“); EuGH, Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-02805, EG 35 („Da Art. 8 Abs. 1 der Verordnung für die Ermittlung des Sinnes und der Bedeutung des Begriffs ,gewöhnlicher Aufenthalt‘ nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, ist hierfür auf den Kontext der Vorschriften der Verordnung und auf deren Ziel abzustellen, wie es namentlich aus ihrem zwölften Erwägungsgrund hervorgeht, wonach die in der Verordnung festgelegten Zuständigkeitsvorschriften dem Wohle des Kindes entsprechend und insbesondere nach dem Kriterium der räumlichen Nähe ausgestaltet wurden.“). 134 Helms, in: Liber Amicorum Pintens, S. 689; ders., FamRZ 2011, 1765, 1769; ähnlich Rauscher/Rauscher, Art. 8 Brüssel IIa-VO, Rn. 6. 135 EG 12 Brüssel IIa-VO; EuGH, Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-02805, EG 35; Helms, in: Liber Amicorum Pintens, S. 689; ders., FamRZ 2011, 1765, 1769. 136 Vgl. im Einzelnen unten S. 97 ff. Dagegen sprechen im Übrigen auch die Ausführungen zur Frage der Ableitung des gewöhnlichen Aufenthalts von Verwandten, die z. T. in Anlehnung an die Brüssel IIa-VO begründet wird, vgl. dazu unten S. 109 ff. 137 Vgl. oben S. 89. 138 Vgl. EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 54. 139 Vgl. EuGH, Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-02805, EG 48; vgl. auch Mankowski, GPR 2011, 209, 212.
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als ein Erwachsener im „Jetzt“140, was dazu führt, dass sie sich an einem neuen Ort grundsätzlich schneller integrieren und Bindungen mit früheren Aufenthaltsorten an Bedeutung verlieren.141 Das ist jedoch bei Erwachsenen, insbesondere Berufstätigen (z. B. Wanderarbeitern, Grenzpendlern) häufiger nicht der Fall.142 Diese sind vielmehr in der Lage, ihre sozialen und familiären Bindungen für eine längere Zeit auch über eine räumliche Entfernung aufrecht zu erhalten.143 Hinzu kommt, dass es in den Entscheidungen des EuGH teilweise um Kleinkinder geht, die keinen Aufenthaltswillen bilden können und schon daher den Aufenthaltsort ihrer Eltern teilen.144 Im Übrigen hat der EuGH ausgeführt, dass sich selbst das für die Bestimmung des Ortes des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes maßgebliche soziale und familiäre Umfeld nach „je nach Alter des Kindes unterschiedlichen Faktoren“145 bestimmt. Dass das Begriffsverständnis der Brüssel IIa-VO grundsätzlich nicht übertragbar ist, zeigt auch folgendes Beispiel: Ein französisches Ehepaar zieht mit seiner dreijährigen Tochter von Paris nach Frankfurt, weil der Ehemann, der für eine französische Bank arbeitet, in Deutschland eine neue Filiale aufbauen soll. Der Aufenthalt soll von vornherein auf drei Jahre beschränkt sein; danach ist die Rückkehr nach Paris geplant. Während dieser drei Jahre haben die Ehegatten ihren ausschließlichen Wohnsitz in Frankfurt, sind jedoch mehrmals im Jahr bei Freunden und Verwandten in Paris zu Besuch. Kommt es nach Ablauf von einem Jahr zu einem Fall häuslicher Gewalt, wird man zum Zwecke der Anordnung von Kinderschutzmaßnahmen einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO in Deutschland bejahen.146 Denn das ermöglicht die Entscheidung des räumlich am nächsten stehenden Gerichts, was dem Schutz des Kindes zugute kommt. Verstirbt nach Ablauf eines Jahres überraschend die Ehefrau, ist deren gewöhnlicher Aufenthalt i.S.d. EuErbVO völlig offen; vieles spricht dafür, ihn – insbesondere aufgrund des Rückkehrwillens – nach wie vor in Frankreich anzunehmen.147 Die Kriterien des EuGH zur Brüssel IIa-Verordnung kommen daher im Regelfall nur als ungefähre Orientierung für die EuErbVO in Betracht und sind auch nicht abschließend. Übernommen werden können m. E.: *
Die Aussage, dass es auf die soziale und familiäre Integration ankommt. Hinzutreten müssen beim Erblasser jedoch weitere Kriterien wie bspw. die berufliche Situation.
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Mankowski, GPR 2011, 209, 212. Mankowski, GPR 2011, 209, 212; so auch schon Baetge S. 98 f.; vgl. in Bezug auf die Rom III-VO NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 37 f. 142 Vgl. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 19. 143 Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 11. 144 So auch Palandt/Thorn Art. 5 EGBGB, Rn. 13. 145 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 53. 146 So auch in einem ähnlichen Fall Helms, in: Liber Amicorum Pintens, S. 689. 147 Vgl. im Einzelnen unten S. 101 ff. 141
94 *
*
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Die Aussage, dass die Gründe und Umstände des Aufenthalts in einem Staat zu berücksichtigen sind. Die Indizwirkung der Anmietung oder des Erwerbs einer Wohnung in dem betreffenden Staat.
Nicht übertragbar sind im Regelfall alle Kriterien, die den Kinderschutz bezwecken, also insbesondere: *
*
Die Orientierung an den Lebensverhältnissen der Eltern, insbesondere das Abstellen auf die Absichten der Eltern. Ort und Umstände der Einschulung.
Nicht ausgeschlossen ist allerdings die Übertragung des Begriffsverständnisses der Brüssel IIa-VO, wenn es sich beim Erblasser um ein Kind handelt. Auch in diesem Fall orientiert sich die EuErbVO nicht am Zweck des Kindeswohls, jedoch ist der gewöhnliche Aufenthalt in beiden Fällen strukturell vergleichbar. Hier wird man sich auch im Rahmen der EuErbVO an den Lebensverhältnissen der Eltern, am Ort des Schulbesuchs etc. zu orientieren haben. dd) Fehlende Grundlage und fehlendes Bedürfnis für eine einheitliche Auslegung Die EuErbVO enthält keinen Hinweis darauf, dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts dem anderer IPR-Rechtsakte der EU angepasst werden muss. Wenn der europäische Gesetzgeber eine einheitliche Auslegung befürworten würde, wäre eine solche Aussage in der EuErbVO angesichts der Verwendung in unterschiedlichen EU-Verordnungen zu erwarten gewesen. Insbesondere enthält die EuErbVO keine EG 7 Rom I-VO entsprechende Anordnung, die für eine einheitliche Auslegung sprechen könnte.148 Stattdessen schreibt die EuErbVO in ihren EG 23 und 24 Anhaltspunkte für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts fest, die in keiner anderen Verordnung vorhanden sind.149 Der Wortlaut dieser Erwägungsgründe spricht zudem für ein verordnungsautonomes Begriffsverständnis. Insbesondere EG 23 legt eine erbrechtliche Auslegung nahe, indem er ausführt, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in einem Staat „unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele der Verordnung“ eine besonders enge Verbindung zu dem Staat erkennen lassen sollte. Im Übrigen stellt EG 24 S. 5 in einem Zweifelsfall auf ein erbrechtliches 148
EG 7 Rom I-VO lautet: „Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung sollten mit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (,Brüssel I‘) und der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (,Rom II‘) im Einklang stehen.“ Daraus leitet Thorn ab, dass der gewöhnliche Aufenthalt im Rahmen der Verordnungen Rom I, Rom II und Brüssel IIa einheitlich ausgelegt werden muss (Rauscher/Thorn, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 13). 149 So schon Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 14 f.
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Kriterium, nämlich die Belegenheit der Nachlassgegenstände, als Faktor für den gewöhnlichen Aufenthalt ab.150 Ein einheitliches Begriffsverständnis fördert auch nicht die Rechtssicherheit.151 Das Gegenteil ist der Fall. Wenn der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts gleichzeitig die Interessen des Beteiligten im internationalen Deliktsrecht, Vertragsrecht, Erbrecht, Scheidungsrecht, Unterhaltsrecht, Kindschaftsrecht etc. erfassen muss, werden dessen Kriterien auf den kleinsten gemeinsamen Nenner all dieser Bereiche reduziert. Dies führt zu Rechtsunsicherheit, weil dann kaum ein Begriffsverständnis denkbar ist, das über den „Lebensmittelpunkt“ hinausgeht.152 Dem Argument, es bestehe kein Konsens über die Festlegung des Lebensbereichs, für die die entsprechende Auslegung des Begriffs dann gilt153, ist entgegenzuhalten, dass der Lebensbereich durch den Anwendungsbereich der jeweiligen Verordnung begrenzt wird. Dementsprechend gelten die Merkmale nur für den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Todeszeitpunkt i.S.d. EuErbVO. Im Übrigen bestehen Unterschiede in den verschiedenen Bereichen des EuIPR auch deshalb, weil eine unterschiedliche Anzahl von Personen betroffen ist. So wird man bei der Frage des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten nach Art. 8 lit. a Rom III-VO insbesondere die auf beide Ehegatten bezogenen, gemeinsamen Umstände berücksichtigen (z. B. gemeinsame Wohnung, Ort, an dem gemeinsame soziale Kontakte bestehen, an dem gemeinsam Hobbies nachgegangen wird etc.). Die für einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt als ausreichend erachteten Umstände können gerade deshalb ausreichend sein, weil sie beide Ehegatten betreffen. So läge es bspw. in einem Fall, in dem beide Ehegatten aus Deutschland stammen, ein Ehegatte in Brüssel arbeitet, der andere in Paris, beide aber am Wochenende in ihre gemeinsame Wohnung nach Deutschland zurückkehren. Hier wird man insbesondere deshalb Deutschland als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts annehmen können, weil Deutschland der Ort ist, an dem gemeinsame Faktoren der Ehegatten für einen gewöhnlichen Aufenthalt sprechen. Diese für den gewöhnlichen Aufenthalt von zwei Personen ausreichenden Umstände müssen nicht unbedingt für den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person genügen. Gegen ein einheitliches Verständnis spricht auch, dass sich im Einzelnen Widersprüche zwischen der Auslegung in anderen Verordnungen und den Erwägungsgründen der EuErbVO ergeben können. Bspw. lehnt es die überwiegende Ansicht im Rahmen der Rom I-VO ab, die Staatsangehörigkeit als eines der Kriterien 150 EG 24 S. 5 lautet: „War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein.“ 151 So aber Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 15; allg. für das IPR MüKo/Sonnenberger, (2010) Einl. IPR, Rn. 721. 152 Vgl. Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691, 699. 153 Vgl. oben Fn. 71.
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des gewöhnlichen Aufenthalts zu berücksichtigen.154 Gegen die Berücksichtigung der Staatsangehörigkeit wird insbesondere geltend gemacht, dass sie keine Aussage über die tatsächliche Integration zulasse.155 Die EuErbVO berücksichtigt die Staatsangehörigkeit nach EG 24 S. 5 zumindest im Fall eines Erblassers, der sich für längere Zeit ins Ausland begeben hat, um dort zu arbeiten, zu seinem Herkunftsstaat aber starke Bindungen beibehält. Auch daraus ist abzuleiten, dass im Rahmen der EuErbVO von einem autonomen Verständnis auszugehen ist. In aller Regel wird im Ergebnis jedoch die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. EuErbVO zum gleichen Ort führen wie die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts der betreffenden Person im Rahmen anderer Verordnungen. Das folgt daraus, dass sich nur bei den wenigsten Menschen eine Divergenz zwischen einem Lebensmittelpunkt im Sinne der EuErbVO und dem im Sinne eines anderen Rechtsbereichs feststellen lässt. Liegt eine solche dennoch vor, so rechtfertigt sich diese Divergenz mit dem Zweck der EuErbVO, der eine besonders enge Bindung zu dem betreffenden Staat bzw. eine besondere Stabilität des gewöhnlichen Aufenthalts (EG 23 S. 3 EuErbVO) erfordert, die in anderen Rechtsbereichen u. U. nicht erforderlich sind. Im Fall eines 35jährigen Deutschen, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, aber seit zwei Jahren in Frankreich lebt und dort als Autohändler arbeitet156, ist es durchaus gerechtfertigt, für die Frage des auf einen vom ihm über ein Auto geschlossenen Kaufvertrag anwendbaren Rechts den gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich zu bejahen.157 Geht es um die Frage seines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der EuErbVO, wird man jedoch untersuchen müssen, ob sein soziales und familiäres Umfeld weiter in Deutschland besteht, er eventuell die Rückkehr nach Deutschland geplant hatte, ob er auch in Deutschland geschäftlich tätig war, wo sich seine Nachlassgegenstände befinden, evtl. welche Staatsangehörigkeit er hatte, etc. Für die Frage des auf den Kaufvertrag anwendbaren Rechts wird man demgegenüber kaum die soziale und familiäre Integration des Verkäufers in Frankreich untersuchen oder seinen eventuellen Rückkehrwillen nach Deutschland erforschen. Der Grund für diese Unterscheidung liegt darin, dass es sich beim Erbrecht um einen anderen
154 NK-BGB/Doehner, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 10; Palandt/Bassenge, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 6; für Indizwirkung der Staatsangehörigkeit Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 31. Für die Berücksichtigung der Staatsangehörigkeit im Rahmen der Brüssel IIa-VO aber der EuGH, (Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-02805, EG 39 und Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 48), kritisch dazu Staudinger/Spellenberg, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 91. 155 So in Bezug auf die Brüssel IIa-VO Staudinger/Spellenberg, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 91; Kränzle, S. 127 f. 156 Fall nach Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 14. 157 Ähnlich auch Schaub, Hereditaire 2013, 91, 112, die ausführt, der gewöhnliche Aufenthalt dürfe bei einer einmaligen vertraglichen Transaktion oder bei „punktuell entstehenden gesetzlichen Schuldverhältnissen einen anderen Stellenwert haben als bei auf langfristige Wirkung angelegten Verfügungen von Todes wegen“.
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Rechtsbereich handelt, in dem insbesondere die soziale Integration eine größere Rolle spielt als die berufliche (vgl. EG 24 S. 2, 3).158 All dies zeigt, dass die Forderung nach einer vollständig einheitlichen Auslegung des Begriffs nicht zielführend ist. Zweck der IPR-Norm ist es, den „typischen Schwerpunkt eines Rechtsverhältnisses“159 festzustellen. Die in den Kollisionsnormen verwendeten Anknüpfungskriterien müssen ebenfalls so ausgestaltet werden, dass sie diesen Schwerpunkt erfassen. Daraus folgt, dass der gewöhnliche Aufenthalt auch so verstanden werden muss, dass er den Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ erfasst.160
III. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der EuErbVO 1. Ausgangspunkt Geht man von der Wortbedeutung aus, so versteht sich der Begriff gewöhnlicher Aufenthalt als räumlicher Begriff, nämlich als der Ort, an dem ein Mensch sich normalerweise befindet. Übertragen auf die für das IPR entscheidende Frage nach dem anwendbaren Recht bezeichnet es den Staat, in dem der Erblasser sich normalerweise befindet. Die Verordnung selbst, insbesondere EG 24, zeigt jedoch, dass der europäische Gesetzgeber den Begriff nicht in dieser rein räumlichen Weise verstanden wissen will. Eine bspw. aus dem Steuerrecht (§ 9 AO) bekannte Regelung dergestalt, dass der gewöhnliche Aufenthalt eines Menschen dann in einem Land besteht, wenn er sich für einen festgelegten Zeitraum dort befindet, ist somit nicht auf die EuErbVO übertragbar. Das erscheint sachgerecht: Gerade weil das Erbrecht nicht nur die Interessen des Erblassers, sondern auch die Interessen der Familienangehörigen tangiert161, erscheint eine vergleichbar formale Betrachtungsweise, wie z. B. die starre Fristenregelung im deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommen162, unangemessen. Das internationale Erbrecht muss flexibler sein, um diesen vielfältigen Interessen gerecht zu werden. Klar ist deshalb auch, dass es nicht auf den
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Im Vertragsrecht kommt es demgegenüber bei beruflich handelnden Personen nach Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Rom I-VO auf die (berufliche) Hauptniederlassung an. 159 Lorenz, ErbR 2012, 39, 43, der trotzdem eine Definition fordert (S. 44). 160 Zum Inhalt der Auslegung des Begriffes im Einzelnen siehe unten S. 98 ff. 161 Man denke an die Manipulationsmöglichkeiten, um Pflichtteilsansprüche auszuschließen. 162 Das deutsch-französische Doppelbesteuerungsabkommen vom 21. Juli 1959 (in der Fassung des Zusatzabkommens vom 28. September 1989) kennt eine 183-Tage Regelung: Nach dessen Art. 13 Abs. 4 richtet sich die Besteuerung danach, ob der Steuerpflichtige sich mehr als 183 Tage in einem Staat aufhält.
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steuerlichen Wohnsitz oder die behördliche Meldung ankommen kann.163 Dies folgt ebenfalls aus EG 23 und 24 EuErbVO, die eine Vielzahl von tatsächlichen Kriterien enthalten, die den Lebensmittelpunkt bestimmen sollen, jedoch gerade nicht auf administrative Umstände wie die behördliche Meldung abstellen. 2. Objektive Elemente a) Grundsatz Zur Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte sich der Rechtsanwender grundsätzlich an den in EG 23 und 24 EuErbVO genannten Kriterien orientieren. Zu berücksichtigen sind also die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers, die Umstände und Gründe seines Aufenthalts, sein Lebensmittelpunkt in beruflicher, familiärer und sozialer Hinsicht und (u. U.) seine Staatsangehörigkeit und seine Vermögensgegenstände. Die genannten Kriterien sind zu sammeln und in einer Gesamtbeurteilung zu gewichten. Dabei indiziert EG 24 S. 2 EuErbVO, dass den familiären und sozialen Beziehungen im Verhältnis zu den beruflichen im Zweifelsfall der Vorzug zu geben ist.164 Grund dafür ist allerdings nicht, wie Kränzle165 annimmt, dass „eine Vielzahl der Erblasser nicht mehr erwerbstätig“166 ist. Im Falle eines nicht mehr erwerbstätigen Erblassers liegen vielmehr überhaupt keine beruflichen Anhaltspunkte vor, die berücksichtigt werden können, sodass sich die privaten Umstände auch nicht gegen diese durchsetzen müssen. Die familiären und sozialen Umstände sind vielmehr deshalb im Zweifel entscheidend, weil das Rechtsverhältnis Rechtsnachfolge von Todes wegen (zumindest im Grundsatz) den Erblasser als Privatperson betrifft.167 Die genannten Umstände müssen sich immer an der Person des Erblassers orientieren, d. h. dass der gewöhnliche Aufenthalt aus der Sicht des Erblassers, also erblasserzentriert zu bestimmen ist.168 Die Umstände müssen folglich in der Gesamtschau aus seiner Sicht eine „besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat“ (EG 23 S. 3 EuErbVO) begründen. Dies erfordert, dass die Umstände des Aufenthalts objektiv auf Dauer angelegt sind. Dafür sprechen etwa ein unbefristeter Mietvertrag über eine Wohnung bzw. ein Haus, soziale Kontakte, die Tatsache, dass die Kinder des Erblassers dauerhaft im betreffenden Staat zur Schule gehen, auf Dauer ausgerichtete Hobbies (z. B. Mitgliedschaft in einem Sportverein
163 Vgl. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 18; MüKo/Dutta, Art. 4 EuErbVO, Rn. 4. 164 So auch Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 20. 165 Kränzle, S. 239. 166 Kränzle, S. 239. 167 Siehe dazu bereits das oben (S. 82) genannte Beispiel des Kaufvertrags. 168 Vgl. dazu unten S. 107.
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o. ä.), eine auf Dauer angelegte berufliche Tätigkeit (bspw. ein unbefristeter Arbeitsvertrag), auf Dauer angelegtes soziales oder gesellschaftliches Engagement. b) Keine Mindestaufenthaltsdauer Vereinzelt wurde vertreten, dass die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts den Ablauf eines gewissen Zeitraums verlange.169 Das Europäische Parlament hat in einer Resolution im Jahr 2006 eine Mindestdauer gefordert. Darin wurde der gewöhnliche Aufenthalt als der Ort definiert, an dem der Erblasser für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren vor seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, hilfsweise der Ort, an dem der Verstorbene seinen Lebensmittelpunkt hatte.170 Jud schlug demgegenüber eine Mindestdauer von fünf Jahren vor.171 In Reaktion auf die finale Fassung der EuErbVO ist allerdings kein Vorschlag einer Mindestdauer als Voraussetzung zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts gemacht worden.172 Kränzle173 schlägt in Anschluss an Lehmann174 jedoch eine Faustformel vor, nach der Minderjährige nach einer Anwesenheit von sechs Monaten, Volljährige nach einer Anwesenheit von drei Jahren einen gewöhnlichen Aufenthalt am entsprechenden Ort begründen. Er vertritt diesen Ansatz insbesondere anstelle einer „Aufwertung der subjektiven Tatbestandsseite“175 bzw. einer „subjektiven Aufladung“176 des gewöhnlichen Aufenthalts. Eine Mindestaufenthaltsdauer als Voraussetzung für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts ist jedoch abzulehnen.177 Zum einen ist eine solche während des Gesetzgebungsverfahrens von verschiedenen Abgeordneten beantragt worden;178 die entsprechenden Änderungsanträge hatten keinen Erfolg. Insofern ist 169 Empfehlung 2 der Anlage zur Entschließung 2005/2148(INI) des Europäischen Parlaments (abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT +TA+P6-TA-2006-0496+0+DOC+XML+V0//DE#BKMD-7, zuletzt abgerufen am: 2. 7. 2015); Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 112; das HÜ hatte auch eine Mindestaufenthaltsdauer vorgesehen, wenn der Erblasser nicht Staatsangehöriger des Staates war, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, vgl. Art. 3 Abs. 2 HÜ. 170 Empfehlung 2 der Anlage zur Entschließung 2005/2148(INI) des Europäischen Parlaments (siehe Fn. 169). 171 Allerdings in Reaktion auf das Grünbuch: GPR 2005, 133, 139. 172 Ausdrücklich gegen eine Mindestdauer Mankowski, IPRax 2015, 39, 44; Lehmann, DStR 2012, 2085 f.; vgl. auch MüKo/Dutta, Art. 4 EuErbVO, Rn. 2. 173 Kränzle, S. 262 ff. 174 Lehmann, Rn. 230 ff. 175 Kränzle, S. 262. 176 Kränzle, S. 267. 177 So auch MüKo/Dutta, Art. 4 EuErbVO, Rn. 2. 178 Vgl. Änderungsantrag 180 (Diana Wallis), 181 (Paolo Rangel), 182 (Evelyn Regner), in: Änderungsanträge 122 – 245, S. 33 ff.; die Ablehnung einer Mindestaufenthaltsdauer ergibt sich außerdem aus dem Lechner-Bericht, S. 61; Lechner-Berichtsentwurf, S. 64; Ratsdokument 15247/10, S. 2.
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davon auszugehen, dass sich der europäische Gesetzgeber bewusst gegen eine Mindestaufenthaltsdauer entschieden hat. Zum anderen ist jede Mindestdauer willkürlich.179 Darüber hinaus spricht folgende Erwägung gegen eine Mindestaufenthaltsdauer: Die Frage, wie lange jemand an einem gewissen Ort seinen Aufenthalt hatte, ist in aller Regel einfach zu beantworten. Dafür können beispielsweise die behördliche Meldung, die Anmietung einer Wohnung, Reisebelege o.Ä. herangezogen werden. Die Feststellung, ob sich aufgrund der sozialen, beruflichen, familiären Bindungen am entsprechenden Ort tatsächlich der Lebensmittelpunkt der Person befindet, ist ungleich schwieriger. Wenn eine Mindestaufenthaltsdauer eingeführt wird, besteht die Gefahr, dass ein Gericht, welches den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers bestimmen muss, diesen alleine aufgrund der Aufenthaltsdauer an einem Ort bejaht oder verneint, um damit der u. U. aufwändigen Untersuchung des Lebensmittelpunkts zu entgehen. Das würde dem Begriffsverständnis, das in den EG 23 und 24 zum Ausdruck kommt, fundamental widersprechen. Auch als Faustregel180 ist eine Mindestaufenthaltsdauer nicht zielführend. Denn auch bei ihr besteht die dargestellte Gefahr, dass sich Gerichte zu einseitig am Ablauf einer bestimmten Frist orientieren. Hinzu kommt, dass sie den auf alle Umstände des Einzelfalles abstellenden EG 23 und 24 widerspricht und einer flexiblen Entscheidung, welches Recht dem Erblasser am nächsten ist, zuwiderläuft. Der gewöhnliche Aufenthalt ist daher vom Erfordernis einer bestimmten Dauer zu lösen, er kann auch am ersten Tag der Anwesenheit begründet werden.181 c) Keine Vermutung für das Bestehenbleiben des gewöhnlichen Aufenthalts im Heimatstaat Nach Auffassung von Mansel (zum Kommissionsentwurf) soll beim gewöhnlichen Aufenthalt eine Vermutungsregel ergänzt werden, dass im Zweifel der Ursprungsaufenthalt, insbesondere wenn er im Heimatstaat lag, beibehalten wird, wenn nicht eindeutig der Wille zur dauerhaften und zeitlich unbestimmten anderweitigen Ansiedlung nachgewiesen ist.182 Eine solche Bevorzugung des Staates des Ursprungsaufenthalts wird allerdings in Reaktion auf die finale Fassung der EuErbVO nicht mehr vertreten. Die o.g. Vermutungsregel ist willkürlich und damit abzulehnen. Sie ist gekennzeichnet von der Präferenz des Staatsangehörigkeitsprinzips. Zudem findet sie in der 179 Lagarde, Rev. crit. DIP 1989, 249, 254 in Bezug auf das Haager Übereinkommen von 1989, MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 606, DNotI-Studie, S. 262; Greeske, S. 58; Meyer, S. 64. 180 So Kränzle, S. 262 ff. 181 A.A. Kränzle, S. 254 ff.; entscheidend hängt dies nach der hier vertretenen Auffassung vom Willen des Erblassers ab, vgl. unten S. 105 ff. 182 Mansel, in: FS Ansay, S. 185, 211.
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Verordnung keine Stütze, denn diese stellt auf alle Umstände des Einzelfalles ab, die o.g. Vermutungsregel berücksichtigt diese jedoch gerade nicht. 3. Erfordernis eines subjektiven Elements a) Überblick Strittig ist, ob der gewöhnliche Aufenthalt einer Person nur anhand objektiver Kriterien bestimmt werden muss oder ob auch subjektive Kriterien dabei eine Rolle spielen. Weitgehend unstrittig ist, dass es zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht der Rechtsfähigkeit der betreffenden Person bedarf. Es ist also auch kein rechtsgeschäftlicher Wille des Betroffenen zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts erforderlich.183 Unklar ist aber, ob die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts in einem Land neben objektiven Kriterien einen natürlichen Willen des Betroffenen erfordert, am jeweiligen Ort seinen Lebensmittelpunkt zu begründen bzw. ob es auf einen Bleibewillen ankommt. Zu klären ist auch, wie mit Geschäftsunfähigen zu verfahren ist. Insbesondere in Fällen von Demenzkranken ist fraglich, ob deren Aufenthaltswechsel willensgesteuert sein muss oder ob ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts auch fremdbestimmt erfolgen kann.184 Verwandt mit der Frage nach der Berücksichtigung des Willens ist das Problem, ob der gewöhnliche Aufenthalt die Integration in dem betreffenden Staat voraussetzt. Soweit ersichtlich, werden bezüglich der Berücksichtigung eines Willenselements drei Auffassungen vertreten: Eine rein objektive Ansicht, eine auch-subjektive Ansicht und eine überwiegend subjektive Ansicht. b) Rein objektives Verständnis Nach dieser Auffassung ist der gewöhnliche Aufenthalt entgegen EG 23 S. 3 EuErbVO rein objektiv zu bestimmen; auf einen Bindungswillen kommt es nicht an.185 Für eine rein objektive Definition wird angeführt, dass das Erfordernis des Daseinsmittelpunkts im Regelfall auch das Vorliegen eines entsprechenden Bindungswillens indiziere.186 Ferner bestehe der gewöhnliche Aufenthalt nach der Definition des EuGH in Hinblick auf die Brüssel IIa-Verordnung am Ort des Daseinsmittelpunktes als Schwerpunkt der familiären, sozialen und beruflichen Beziehungen. Eine „Integration in das Recht“187 des gewöhnlichen Aufenthaltsorts (wie 183
Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086 f.; Dörner, ZEV 2012, 505, 510; Odersky, notar 2013, 3, 5; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 25; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 362; vgl. zur Brüssel IIa-VO auch Staudinger/Spellenberg, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 68. 184 Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 134. 185 Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 128; Meyer, S. 64; wohl auch Dörner, ZEV 2012, 505, 510. 186 Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 129. 187 Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 129.
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etwa Sprachkenntnisse, Teilhabe am kulturellen Leben) werde dabei aber nicht vorausgesetzt.188 Außerdem wird angeführt, dass derjenige, der einen gewöhnlichen Aufenthalt mangels besonders enger Verbindung verneine, die Gerichtszuständigkeit der Nachlassbeteiligten gem. Art. 4 und 64 EuErbVO abschneide.189 c) Auch subjektives Verständnis Nach dieser Auffassung ist dem Willen des Betreffenden, in einem Staat dauerhaft den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen zu begründen, (u. U. sogar erhebliches190) Gewicht beizumessen.191 Die Absichten des Betreffenden könnten jedoch nur eine Rolle spielen, wenn sie sich objektiv in Beziehungen zu Dritten manifestierten.192 Dafür wird die Berücksichtigung des Willens durch den EuGH in der Rs. 497/10 PPU (Mercredi/Chaffe)193 in Bezug auf die Brüssel IIa-VO und die Tatsache geltend gemacht, dass der Domizilbegriff vieler Rechtsordnungen ein Willenselement voraussetze.194 Ferner wird vorgebracht, dass die Bestimmung des Lebensmittelpunkts und damit die Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Kriterien notwendigerweise auch den Willen des Betroffenen erfassen müsse.195 d) Überwiegend subjektives Verständnis Am weitesten geht die Ansicht, nach der das subjektive Element beim gewöhnlichen Aufenthalt die entscheidende Rolle spielt. Danach kann ein „neuer gewöhnlicher Aufenthalt auch schon mit der bloßen Absicht begründet werden, den Daseinsmittelpunkt zu verlagern, ohne dass am neuen Ort tatsächlich bereits soziale Beziehungen begründet worden wären“196. Für diese Ansicht wird ebenfalls die Rs. 497/10 PPU (Mercredi/Chaffe)197 angeführt. M.-P. Weller vertritt ein überwiegend subjektives Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts generell für das europäische Kollisionsrecht. Er führt aus, der nach außen 188
Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 129. Dörner ZEV 2012, 505, 510. 190 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 23. 191 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 23; wohl auch Beck-OGK/Schmidt, Art. 4 EuErbVO, Rn. 21; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 362; Odersky, notar 2013, 3, 5; Mankowski, IPRax 2015, 39, 43; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 25 (dieser spricht vom „Bleibewille“). 192 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 23; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 25. 193 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010 I-14309, EG 51. 194 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 23; kritisch dazu aber Kränzle, S. 259 ff. 195 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 23. 196 Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 6. 197 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010 I-14309. 189
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erkennbare Wille, sich an einem Ort auf Dauer sozial zu integrieren, sei konstitutiv für die Annahme des gewöhnlichen Aufenthalts,198 objektive Umstände dienten lediglich als Indizien zur Ermittlung des Parteiwillens.199 Er begründet dies damit, dass im 21. Jahrhundert die Mobilität von besonders großer Bedeutung sei.200 Ferner sei der Personenfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit die Willensautonomie des Einzelnen immanent.201 Darüber hinaus habe die jüngste EuGH-Rechtsprechung für den gewöhnlichen Aufenthalt keine Mindestaufenthaltsdauer verlangt.202 Diese sei, wie auch die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. 497/10 PPU (Mercredi/ Chaffe)203 nahelege, vielmehr durch den Bleibewillen zu ersetzen.204 Schließlich führt M.-P. Weller für das subjektive Verständnis die Funktion des gewöhnlichen Aufenthalts an, dieser sei früher das Funktionsäquivalent zur Staatsangehörigkeit gewesen, insofern erkläre sich die (früher geforderte) lange Verweildauer.205 Heute sei der gewöhnliche Aufenthalt jedoch das „Funktionsäquivalent“ zur Rechtswahlfreiheit, deren „kleiner Bruder“206. Dieser neue Bezugspunkt müsse auf den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts durchschlagen.207 e) Willensberücksichtigung bei Demenzkranken Insbesondere problematisch ist im Rahmen der EuErbVO der Fall des fremdbestimmten oder nicht willensgetragenen Aufenthaltswechsels, bspw. bei Demenzkranken, die (z. B. aus Kostengründen) in ein Pflegeheim im Ausland gebracht werden.208 Das Problem wird meistens schlicht als „ungeklärt“209 beschrieben. Aufgeworfen wird die Möglichkeit, bei Demenzkranken analog zur Rechtsprechung des EuGH in Bezug auf die Brüssel IIa-VO zu verfahren.210 Der EuGH hat in Hinblick auf Säuglinge bzw. kleine Kinder festgestellt, dass für diese das soziale und familiäre Umfeld für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts von entscheidender
198
M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 317. M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 317. 200 M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 317 f. 201 M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 318. 202 M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 319. 203 EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309. 204 M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 320. 205 M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 320. 206 M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 320. 207 M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 320. 208 Vgl. Lange, ZVglRWiss 110 (2011) 426, 430; Leipold, JZ 2010, 802, 809; MüllerLukoschek, § 2, Rn. 134; Odersky, notar 2013, 3, 5; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086. 209 Lange, ZVglRWiss 110 (2011) 426, 430. 210 Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086. 199
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Bedeutung ist.211 Dieses würde maßgeblich durch die Bezugspersonen bestimmt, mit denen das Kind zusammenlebe, die es betreuten und die für es sorgten.212 Ein Säugling teile daher zwangsläufig das soziale und familiäre Umfeld des Personenkreises, auf den er angewiesen ist.213 Bei tatsächlicher Betreuung durch die Mutter „ist folglich deren Integration in ihr soziales und familiäres Umfeld zu beurteilen“.214 Daraus folgert Lehmann, dass der EuGH den gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern von deren Eltern „ableite“.215 Lehmann zieht in Bezug auf die EuErbVO daraus den Schluss, dass „Angehörige den letzten gewöhnlichen Aufenthalt eines geschäftsunfähigen späteren Erblassers beeinflussen können“216. Er führt weiter aus: „Ob sie selbst [zur Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts] ebenfalls dorthin [ins Ausland] ziehen müssten, hinge dann davon ab, ob der Pflegebedürftige seine nächsten Angehörigen oder das Pflegepersonal als seine vorrangigen Bezugspersonen wahrnimmt. Letzteres mag nicht nur bei familiärer Entfremdung denkbar sein, sondern auch dann, wenn er seine nächsten Angehörigen demenzbedingt nicht mehr erkennt.“217 Auch Solomon ist der Auffassung, dass bei Personen, die zu einer autonomen Entscheidung nicht mehr (uneingeschränkt) in der Lage sind, die Entscheidung über den gewöhnlichen Aufenthalt von einer anderen Person getroffen werden müsse.218 Odersky fordert, dass im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sei, ob der Wechsel des Aufenthalts ohne ein subjektives Element erfolgt sei.219 Diese Aussage ist wohl so zu verstehen, dass bei einem Aufenthaltswechsel ohne subjektives Element in der Regel nicht von einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts auszugehen ist. Auch Thorn schließt bei einem „erzwungenen“ Aufenthalt einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts wegen fehlenden Bleibewillens und fehlender „Integration in die Umwelt“220 aus. Bonomi vertritt, dass die Motive, die hinter der Absicht der Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts stünden, nicht zu berücksichtigen seien. Daher sei eine solche Absicht auch dann anzunehmen, wenn der Aufenthalt nicht vollkommen freiwillig begründet worden sei.221 Das Willenselement dürfe nur dann berücksichtigt werden, wenn es sich „objektiv in Beziehungen zu Dritten“222 manifestiere. 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222
EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 53. EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 54. EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 54. EuGH, Rs. C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 55. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 29. Odersky, notar 2013, 3, 4. Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 6. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 23. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 23.
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Ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts bei einem Pflegebedürftigen sei demnach auch bei einem fehlenden subjektiven Element anzunehmen, wenn der Betroffene am neuen Aufenthaltsort gut integriert sei, insbesondere wenn er keine Aussicht auf Rückkehr in seinem Heimatstaat habe.223 f) Eigene Stellungnahme aa) Subjektives Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts Vorgeschlagen wird hier ein subjektives Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts. Der gewöhnliche Aufenthalt wird danach grundsätzlich durch den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Erblassers bestimmt, also durch die beruflichen, sozialen und familiären Umstände, die das Lebenszentrum des Erblassers bilden. Entscheidend sind dabei aber die Bindung des Erblassers zu einer Rechtsordnung und seine autonome Entscheidung (sein Wille), sich in diesen Rechtskreis zu begeben, die sich durch objektive Kriterien manifestiert. Die innere Rechtfertigung dieser „objektiven Anknüpfung“ ist nicht die faktische, räumliche Präsenz einer Person an einem Ort, sondern ihre Entscheidung, sich dorthin zu begeben und ihr Wille, dauerhaft innerhalb eines bestimmten Rechtskreises zu leben. Für diese Auslegung sprechen folgende Argumente: (1) Erwägungsgründe Für die Berücksichtigung des Willens des Erblassers sprechen zunächst die Erwägungsgründe der Verordnung selbst. EG 23 S. 2 EuErbVO bezieht die Gründe für den Aufenthalt in dem betreffenden Staat in die zu berücksichtigenden Kriterien mit ein. EG 23 S. 3 EuErbVO spricht ferner von dem Erfordernis einer besonders engen und festen Bindung zu dem betreffenden Staat. Bindung erfordert schon nach der Wortbedeutung, dass der Erblasser sie auch als solche empfindet. Die von der EuErbVO geforderte Verfestigung des gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. EG 23 S. 3 EuErbVO) ist insbesondere durch eine subjektive Interpretation zu erreichen. Dem subjektiven Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts entspricht auch EG 24 S. 2 EuErbVO. Dieser bestimmt, dass ein Mensch seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach wie vor im Herkunftsstaat haben kann, wenn er sich für eine gewisse Zeit ins Ausland begeben hat, um dort zu arbeiten, aber enge Bindungen zu seinem Herkunftsstaat beibehält. Dies zeigt, dass auf subjektiver Seite das Verhaftetsein in einer bestimmten Rechtsordnung für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts erforderlich ist, wenn dieses Verhaftetsein durch objektive Elemente dokumentiert wird. Der von Müller-Lukoschek vertretenen These, der gewöhnliche Aufenthalt müsse als Ort des Daseinsmittelpunkts als Schwerpunkt der familiären, sozialen und beruflichen Beziehungen verstanden werden, eine „besonders enge und feste Bindung zum Aufenthaltsstaat“ oder eine „Integration in das Recht“ am gewöhnlichen 223
Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 4 EuErbVO, Rn. 23.
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Aufenthaltsort sei aber gerade nicht erforderlich,224 ist entgegenzutreten. Zunächst erfolgt eine Integration gerade durch den Aufbau von familiären, sozialen und beruflichen Bindungen; wie diese ohne eine entsprechende Integration aufgebaut werden sollen, ist unklar.225 Ferner spricht EG 23 S. 3 EuErbVO gerade vom Erfordernis einer „besonders enge[n] und feste[n] Bindung.“ Schon deshalb ist der Auslegung Müller-Lukoscheks nicht zu folgen. (2) Systematik der objektiven und subjektiven Anknüpfung Die Berücksichtigung des Willens gebietet auch die Systematik der objektiven und subjektiven Anknüpfung der EuErbVO.226 Gegen dessen Berücksichtigung ließe sich auf den ersten Blick aus systematischer Sicht anführen, der Wille des Betroffenen sei bereits im Rahmen der Rechtswahlmöglichkeit einzubeziehen. Dementsprechend wären bei der objektiven Anknüpfung nur objektive Elemente maßgeblich. Diese These trifft jedoch aus folgenden Gründen nicht zu: Zunächst muss eine Rechtswahl im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen erfolgen, die Vielzahl von Erblassern verstirbt aber ohne Testament und damit auch ohne Rechtswahl. Aus dem Fehlen einer Verfügung von Todes wegen ist jedoch nicht das Fehlen des Willens zu schließen, ein bestimmtes Recht zur Anwendung zu bringen. In aller Regel wird vielmehr auch bei fehlender Rechtswahl der Wille des Erblassers vorliegen, im Rechtskreis eines bestimmten Staates zu leben bzw. nach einem bestimmten Recht beerbt zu werden. Dies ergibt sich regelmäßig daraus, dass sich der Erblasser vor seinem Tod darüber Gedanken macht, wer sein Vermögen erben wird bzw. soll. Damit ist regelmäßig (u. U. unbewusst) zumindest die Annahme der Geltung eines bestimmten Rechts bzw. das Gefühl der engsten Verbindung mit dem Recht eines bestimmten Staates verbunden. Dieses muss auch ohne Rechtswahl Berücksichtigung finden. Aus dem Vergleich zur Rechtswahlmöglichkeit ergibt sich zudem folgendes: Der Erblasser kann unabhängig vom Ort seiner tatsächlichen Präsenz im Rahmen der Rechtswahl das anwendbare Erbstatut allein durch seinen Willen bestimmen. Die Rechtswahl setzt sich somit im Verhältnis zum gewöhnlichen Aufenthalt immer durch („Prävalenz der Rechtswahl“). Sie erfordert – abgesehen von der Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates – nicht nur keine objektive Beziehung zum Staat des gewählten Rechts. Sie setzt sich vielmehr auch gegenüber jedem anderen Staat, mit dem u. U. äußerst enge objektive Beziehungen bestehen können, durch. Wenn im Falle der tatsächlichen Rechtswahl der Wille des Erblassers selbst starke objektive Beziehungen überlagert, kann er nicht im Rahmen des gewöhnlichen Aufenthalts gänzlich unbeachtlich sein. 224
Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 129. Denkbar wäre hier allein der Fall des „typischen“ Mallorca-Rentners, der zwar auf Mallorca, aber in einem rein deutschen Umfeld lebt, vgl. dazu unten S. 133 ff. 226 Auch M.-P. Weller beruft sich auf die Beziehung des gewöhnlichen Aufenthalts zur Rechtswahlfreiheit, vgl. M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 320 f. 225
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Strukturell sind gewöhnlicher Aufenthalt und Rechtswahl damit ähnlich. Auf objektiver Seite erfordern sie ein Element bzw. mehrere Elemente (im Falle der Rechtswahl die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates, im Falle des gewöhnlichen Aufenthalts objektive Umstände wie berufliche, soziale und familiäre Beziehungen, Nachlassgegenstände etc.). Zudem verlangen sie auch auf subjektiver Seite gewisse Elemente (im Falle der Rechtswahl der Wille des Erblassers in Form der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung der Rechtswahl, beim gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls der Wille des Erblassers, der sich jedoch gerade nicht in einer ausdrücklichen Rechtswahl zeigt). Unterschiede bestehen zwar insoweit, als dass die Rechtswahl ein Rechtsgeschäft ist, der Erblasser also durch seine Willenserklärung aktiv die Geltung seines Heimatrechts herbeiführt. Demgegenüber handelt es sich bei der objektiven Anknüpfung um eine Ersatzregelung, die greift, wenn der Erblasser gerade keine Rechtswahl getroffen hat. Dennoch ist der gewöhnliche Aufenthalt im systematischen Zusammenhang mit der Rechtswahl zu verstehen. Danach ist die Rechtfertigung der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einer tatsächlich getroffenen Rechtswahl zu sehen, sondern in seiner autonomen Entscheidung (seinem Willen), sich in den Rechtskreis eines bestimmten Staates zu begeben und dauerhaft in diesem Rechtskreis zu leben. Ein Unterschied zwischen Rechtswahl und gewöhnlichem Aufenthalt besteht darin, dass dem Willen bei der Rechtswahl (in Verbindung mit der entsprechenden Staatsangehörigkeit) die entscheidende Bedeutung zukommt, wohingegen er beim gewöhnlichen Aufenthalt (allein aufgrund der Wortbedeutung) davon abhängig ist, dass er durch objektive Umstände untermauert wird. Er kann hier nicht alleine entscheiden.227 (3) Erbrechtsspezifische Auslegung Die Berücksichtigung eines subjektiven Elements lässt sich darüber hinaus mit dem hier vertretenen erbrechtlichen Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts rechtfertigen. Geht es um den Sitz des Rechtsverhältnisses Erbfolge, muss auch ein erbrechtliches Begriffsverständnis des gewöhnlichen Aufenthalts zugrunde gelegt werden,228 d. h. insbesondere, sich an den Lebensinteressen des Erblassers zu orientieren. Die Verordnung hat dementsprechend die Tendenz, das anwendbare Recht erblasserzentriert zu bestimmen.229 Zu dieser erblasserzentrierten Orientierung gehört auch, dem Willen des Erblassers, sich in einen bestimmten Rechtskreis zu begeben und in diesem zu leben, Bedeutung zuzuschreiben. Denn der Erblasser wird in aller Regel über seinen gewöhnlichen Aufenthalt selbst bestimmen wollen. Dieser Zweck wird ergänzt durch die hinter der EuErbVO stehende Zielsetzung der Vereinheitlichung der Rechtsordnungen. Diese ist nur zu erreichen, wenn auf 227 228 229
Dazu näher unten S. 108. Vgl. oben S. 90 ff. Vgl. dazu bereits oben S. 98 f. und näher im Rahmen der Ausweichklausel (S. 137 ff.).
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einheitliche Prinzipien zurückgegriffen wird, also auf Prinzipien, die den betroffenen Rechtsordnungen gemeinsam sind. Ein solches Prinzip (des materiellen Erbrechts) ist die Respektierung der Testierfreiheit230 und damit der Respekt vor dem Willen des Erblassers. Dies legt auch im internationalen Erbrecht nahe, den gewöhnlichen Aufenthalt subjektiv zu verstehen. (4) Willensautonomie aufgrund der Mobilität im europäischen Binnenmarkt M.-P. Weller ist in seiner Auffassung zuzustimmen, dass der Zusammenhang mit der Mobilität im europäischen Binnenmarkt es rechtfertigt, dem Willen des Erblassers große Bedeutung zu verleihen. Wenn der Unionsbürger die Wahl hat, in welchem Staat der EU er sich niederlässt, eine Familie gründet, arbeitet und ein Vermögen erwirbt, so muss er auch durch seinen Willen Einfluss darauf haben, in welchem Staat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Der nicht von objektiven Umständen getragene Wille kann nicht alleine entscheiden; generell ist der Wille jedoch ein gewichtiges Indiz bei der Frage, zu welchem Recht der Erblasser die engste Verbindung hat. Der gewöhnliche Aufenthalt verdient als Anknüpfungskriterium gerade deshalb Anerkennung, weil er als Ausdruck einer autonomen Entscheidung des Erblassers verstanden werden kann. Mit dem gewöhnlichen Aufenthalt möchte sich der EU-Gesetzgeber insbesondere von der mit der Staatsangehörigkeitsanknüpfung verbundenen Starrheit entfernen. Der Gesetzgeber will erreichen, dass sich der EU-Bürger über die Grenzen der Mitgliedstaaten bewegt, wenn er dies will. Dem widerspricht es aber, einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat ohne einen entsprechenden Willen des Betroffenen anzunehmen. bb) Grenzen des subjektiven Verständnisses Auch wenn von einem subjektiven Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts auszugehen ist, kann der Wille des Erblassers nicht alleine entscheiden. Die Grenze der Berücksichtigung des Willens ist dort zu ziehen, wo der Wille von keinen objektiven Umständen gedeckt ist. Würde in einem solchen Fall allein der Wille entscheiden, käme das faktisch einer Rechtswahlmöglichkeit zugunsten des aktuellen (gewöhnlichen oder nicht gewöhnlichen) Aufenthalts gleich, gegen die sich die EuErbVO aus Angst vor einer Umgehung des Pflichtteilsrechts bewusst entschieden hat.231 Sollte ein Erblasser bspw. in einer Verfügung von Todes wegen feststellen, sein Lebensmittelpunkt bestehe in einem Staat, so reicht diese Feststellung alleine gerade 230
Vgl. im Einzelnen Henrich/Schwab, S. 15 ff. Vgl. EG 38 S. 2 EuErbVO: „Diese Rechtswahl sollte auf das Recht eines Staates, dem sie angehören, beschränkt sein, damit sichergestellt wird, dass eine Verbindung zwischen dem Erblasser und dem gewählten Recht besteht, und damit vermieden wird, dass ein Recht mit der Absicht gewählt wird, die berechtigten Erwartungen der Pflichtteilsberechtigten zu vereiteln“; kritisch dazu Lange, ZErb 2012, 160, 163 sowie unten S. 227. 231
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nicht zur Bejahung des gewöhnlichen Aufenthalts in diesem Staat aus.232 Das subjektive Kriterium kann damit nicht alleine den Lebensmittelpunkt bestimmen. cc) Lösung bei nicht willensgetragenen Aufenthaltswechseln (1) Keine „Ableitung“ des gewöhnlichen Aufenthalts von Bezugspersonen Ein Problem im Rahmen des subjektiven Elements stellt die Frage dar, wie mit Personen zu verfahren ist, deren Aufenthaltswechsel nicht willentlich erfolgt bzw. die zur Willensbildung oder -äußerung nicht mehr (vollständig) in der Lage sind. An der eventuell fehlenden Geschäftsfähigkeit scheitert es jedenfalls nicht, da die Begründung bzw. der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts eine solche nicht voraussetzt.233 Das fehlende Erfordernis einer Geschäftsfähigkeit spricht grundsätzlich auch gegen eine „Ableitung“234 des gewöhnlichen Aufenthalts von Verwandten. Wenn ein rechtsgeschäftlicher Wille gerade keine Voraussetzung für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts ist, ist nicht einleuchtend, warum eine „Ableitung“ des gewöhnlichen Aufenthalts von einer anderen Person überhaupt erforderlich sein sollte. Dies ist im französischen Recht anders, weil der Geschäftsunfähige dort gerade keinen Domicile begründen kann, sodass letztlich die Ableitung des Domicile von bzw. dessen Bestimmung durch eine andere Person zwingend ist.235 Ferner ist auch der Begriff der „Ableitung“ problematisch; die von Lehmann zitierte Aussage des EuGH bezieht sich ausschließlich auf Säuglinge236 und ist jedenfalls nicht im Sinne einer generellen Akzessorietät zu verstehen. Zudem wirkt der Vergleich von Demenzkranken und Säuglingen an sich problematisch, weil Erwachsene – auch wenn sie krank sind – rechtlich nicht mit Kindern verglichen werden können. Die Orientierung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes an dem der familiären Bezugspersonen liegt bei der Brüssel IIa-Verordnung zudem deshalb nahe, weil sich diese am Wohle des Kindes orientiert (EG 12 Brüssel IIa-VO). Es wäre für das (Klein-)Kind unangemessen, für Streitigkeiten über die elterliche Sorge 232
Vgl. zur Frage, ob privatautonom – im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen – über die Frage der engsten Verbindung entschieden werden kann unten S. 207. 233 Siehe Fn. 183. 234 Nach Auffassung von Lehmann (DStR 2012, 2085, 2087) leitet der EuGH den gewöhnlichen Aufenthalt für kleine Kinder von ihren Eltern ab (diese Aussage bezieht sich auf die Entscheidung C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG. 54 f.). 235 Vgl. oben S. 58 f. 236 EuGH, C-497/10 PPU (Mercredi/Chaffe), Slg. 2010, I-14309, EG 55 lautet: „Dies gilt erst recht, wenn das betreffende Kind ein Säugling ist. Dieser teilt zwangsläufig das soziale und familiäre Umfeld des Personenkreises, auf den er angewiesen ist. Wird, wie im Ausgangsverfahren, der Säugling tatsächlich von seiner Mutter betreut, ist folglich deren Integration in ihr soziales und familiäres Umfeld zu beurteilen. Dabei können die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Kriterien, etwa die Gründe für den Umzug der Kindesmutter in einen anderen Mitgliedstaat, ihre Sprachkenntnisse oder ihre geografische und familiäre Herkunft, eine Rolle spielen.“
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einen anderen gewöhnlichen Aufenthalt als den seiner engsten familiären Bezugsperson anzunehmen. Im internationalen Erbrecht folgt aus dem gewöhnlichen Aufenthalt das auf die Erbfolge anwendbare Recht; gerade aufgrund der großen Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen hinsichtlich des Pflichtteilsrechts besteht ein größeres Missbrauchspotenzial. Auch scheint die Umsetzung einer „Ableitung“ schwierig. Bei kinderlosen Erblassern würde sich die Frage stellen, wessen gewöhnlicher Aufenthalt den des Erblassers indiziert. Soll der gesetzliche Erbe oder der nächste Angehörige maßgeblich sein? Gilt dies auch dann, wenn gerade dieser von der Erbschaft ausgeschlossen wurde? Zudem erscheinen die Einzelheiten der „Ableitung“ des gewöhnlichen Aufenthalts vom Umfeld nicht konsequent. Dies gilt insbesondere für Lehmanns Aussage, dass „Angehörige den letzten gewöhnlichen Aufenthalt eines geschäftsunfähigen späteren Erblassers beeinflussen können, in dem sie für ihn ein Pflegeheim im Ausland auswählen“237. Wenn man tatsächlich von einer „Ableitung“ des gewöhnlichen Aufenthalts von den Angehörigen ausginge, wäre jedoch nur die Veränderung von deren gewöhnlichen Aufenthalt notwendig, nicht aber die Unterbringung in einem ausländischen Pflegeheim. Lehmann führt allerdings weiter aus, dass die Angehörigen u. U. ins Ausland mitziehen müssten, um den gewöhnlichen Aufenthalt zu verschieben. Dies sei jedoch nicht unbedingt erforderlich; Demenzkranke könnten ihren gewöhnlichen Aufenthalt vielmehr auch von Pflegepersonal ableiten, wenn dieses ihre primäre Bezugsperson darstelle.238 Eine solche „Ableitung“ des gewöhnlichen Aufenthalts führt zu willkürlichen Ergebnissen. Ist die Pflegekraft etwa eine Grenzpendlerin aus Belgien, die in einem niederländischen Pflegeheim arbeitet, müsste der gewöhnliche Aufenthalt des Demenzkranken dann u. U. in Belgien bestehen, was absurd ist. Noch weiter geht die Aussage Lehmanns, dass die Wahrnehmung des Pflegepersonals als vorrangiger Bezugsperson auch dann denkbar sei, wenn der Demenzkranke seine Angehörigen nicht mehr erkennt.239 Häufig variiert bei Demenzkranken die Fähigkeit, das Umfeld zu erkennen von Tag zu Tag; es stellt sich dann die Frage, ob der gewöhnliche Aufenthalt dementsprechend häufig wechselt. Dass die Frage des Erbstatuts nicht von solchen Zufällen abhängen kann, liegt auf der Hand. (2) Eigener Lösungsansatz Stattdessen wird folgender Lösungsansatz vorgeschlagen: Der gewöhnliche Aufenthalt wird grundsätzlich nicht von der Familie oder sonstigen Bezugspersonen „abgeleitet“, sondern für den Erblasser selbständig bestimmt. Maßgeblich ist auch hier grundsätzlich der Wille des Erblassers, sich in einen bestimmten Rechtskreis zu begeben, solange dieser durch objektive Umstände untermauert wird.
237 238 239
Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087.
A. Grundregel des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO: Aufenthaltsprinzip
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Ist der Erblasser zur Willensbildung und -äußerung vollständig in der Lage, so wechselt sein gewöhnlicher Aufenthalt nicht, wenn er gegen seinen Willen ins Ausland verbracht wird, auch wenn er jahrelang dort lebt. Hier bleibt es beim subjektiven Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts. Es wäre nach dem hier vertretenen Verständnis verfehlt, auf objektive Umstände abzustellen, wenn diese gegen den Willen des Erblassers durchgesetzt worden sind. Verliert der Erblasser seine Fähigkeit zur Willensbildung bzw. -äußerung, nachdem er ins Ausland verbracht wurde, so ist sein vorheriger Wille weiter maßgeblich. Sein gewöhnlicher Aufenthalt bleibt damit grundsätzlich in seinem Herkunftsstaat bestehen, wenn auch noch objektive Umstände für einen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat sprechen (wie z. B. Freunde, Verwandte, Vermögensgegenstände, Staatsangehörigkeit), also die autonome Entscheidung des Erblassers, in einem bestimmten Rechtskreis zu leben (oder zu verbleiben), untermauern. Ist der Erblasser bereits nicht mehr zur Willensbildung bzw. -äußerung in der Lage, wenn er in einen neuen Staat verbracht wird („Demenztourismus“240), so gilt grundsätzlich das Gleiche: Es ist ebenfalls auf den früheren Willen abzustellen und grundsätzlich davon auszugehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt im Herkunftsstaat bestehen bleibt. Der gewöhnliche Aufenthalt kann in den letzten beiden Fällen allerdings dann nicht mehr im Herkunftsstaat fortbestehen, wenn überhaupt keine objektiven Umstände für einen dortigen gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers sprechen, etwa wenn sich dort keine Familienangehörigen bzw. sozialen Kontakte, keine Vermögensgegenstände etc. mehr befinden. Dies wird in aller Regel nicht der Fall sein. Ist dies dennoch der Fall, kann der gewöhnliche Aufenthalt nicht im Herkunftsstaat bestehen bleiben, denn aus den genannten Gründen241 ist nicht ausschließlich auf den früheren Willen des Erblassers abzustellen. Hier sind dann (ausnahmsweise) alleine die objektiven Umstände maßgeblich, d. h. es ist darauf abzustellen, inwieweit der Erblasser in seinem Pflegeheim, soweit noch möglich, „sozial integriert“ ist. Für diesen Lösungsansatz lässt sich anführen, dass er auf die Interessen des Erblassers weitestgehend Rücksicht nimmt. Für ihn spricht die Schutzbedürftigkeit des Erblassers, der nicht mehr zur Willensbildung bzw. -äußerung in der Lage ist. Seine Abhängigkeit von seinen Verwandten wird begrenzt und Missbrauchsmöglichkeiten eingeschränkt. Insbesondere wird verhindert, dass die Entscheidung über den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers von anderen getroffen wird. Dies ist auch vor dem Hintergrund bedeutsam, dass Erblasser in diesen Fällen regelmäßig nicht mehr geschäftsfähig sind, sodass ihnen die Möglichkeit einer Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO verwehrt bleibt, mit der sie sonst die Geltung ihres Heimatrechts perpetuieren könnten.
240 241
Jayme, S. 35. Vgl. oben S. 108.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
g) Zwischenergebnis Erforderlich für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts sind nach der hier vertretenen Auffassung damit *
*
*
die physische Präsenz des Erblassers in einem Staat, der Wille, sich dauerhaft in den Rechtskreis dieses Staates zu begeben bzw. dauerhaft in ihm zu leben, objektive Umstände, die den Ort als Lebensmittelpunkt erscheinen lassen.
Auch ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts setzt grundsätzlich diese Elemente voraus. Das subjektive Element ist jedoch ausnahmsweise nicht entscheidend, wenn keine objektiven Umstände mehr den Willen des Erblassers stützen. 4. Folgen des subjektiven Begriffsverständnisses Die dargestellte Interpretation des gewöhnlichen Aufenthalts hat zunächst die zwei folgenden, grundlegenden Konsequenzen: a) Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts „am ersten Tag“ Die Subjektivierung des gewöhnlichen Aufenthalts führt dazu, dass dieser bereits ab dem ersten Tag der Anwesenheit im neuen Staat begründet werden kann. Neben den genannten Argumenten,242 die gegen eine Mindestaufenthaltsdauer sprechen, macht auch die hier vertretene subjektive Interpretation des gewöhnlichen Aufenthalts eine Mindestaufenthaltsdauer entbehrlich.243 Der gewöhnliche Aufenthalt kann damit bereits direkt nach dem Umzug in den neuen Staat begründet werden, wenn der Erblasser die Absicht hat, dauerhaft im neuen Rechtskreis zu leben und diese Absicht durch objektive Umstände untermauert wird (die bspw. in der Anwesenheit von Familienangehörigen, einer beruflichen Tätigkeit, der Anmietung einer Wohnung bestehen.). So kann es bspw. bei einem Ehepaar liegen, das sich dazu entschließt, in die USA auszuwandern, dort zunächst Jobs sucht, dann dort mehrere Immobilien besichtigt, dabei schon erste soziale Kontakte knüpft, anschließend eine Immobilie kauft und daraufhin mit seinen Kindern dorthin umzieht. b) Bestehenbleiben des gewöhnlichen Aufenthalts auch nach Ablauf einiger Zeit Gleichzeitig führt das subjektive Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts dazu, dass der gewöhnliche Aufenthalt auch dann weiterhin, u. U. über lange Zeit im Herkunftsstaat bestehen bleiben kann, wenn der Erblasser nicht mehr dort wohnt. 242 243
Vgl. oben S. 99 ff. Ähnlich zuvor M.-P. Weller, in: Leible/Unberath, S. 293, 319 f.
A. Grundregel des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO: Aufenthaltsprinzip
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Dies ist etwa im in EG 24 S. 1 EuErbVO genannten Fall anzunehmen, in dem der Erblasser sich „aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrechterhalten hat“. Liegt, wie in EG 24 S. 2 ausgeführt, in familiärer und sozialer Hinsicht im Herkunftsstaat sein Lebensmittelpunkt (und empfindet er dies auch so), ist davon auszugehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt dort bestehen bleibt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang insbesondere, ob der Erblasser den Willen hat, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren; ist dies der Fall, bleibt in aller Regel der gewöhnliche Aufenthalt im Herkunftsstaat bestehen.244 5. Einheitliches Verständnis innerhalb der EuErbVO? a) Darstellung des Problems Ferner wird die Frage aufgeworfen, ob der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts an allen Stellen der EuErbVO gleich aufzufassen ist, m.a.W. ob innerhalb der EuErbVO ein kohärenter Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts zugrunde zu legen ist. Der Begriff wird nicht nur in Art. 21 Abs. 1 EuErbVO, sondern auch in den Artikeln zur internationalen Zuständigkeit, insbesondere Art. 4 (allgemeine Zuständigkeitsnorm) und Art. 10 (Regeln zur subsidiären Zuständigkeit) EuErbVO verwendet. Buschbaum/Kohler sind der Auffassung, dass innerhalb der Verordnung nicht auszuschließen sei, „dass die Gerichte bei Prüfung ihrer Zuständigkeit gemäß Art. 4 möglicherweise weniger strenge Anforderungen an das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts anlegen werden als bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts gem. Art. 16 [des Kommissionsentwurfs]“.245 Schaub führt daran anschließend aus, dass genau überlegt werden müsse, ob die Anforderungen an den gewöhnlichen Aufenthalt, insbesondere die subjektiven Elemente, auf die Normen zur internationalen Zuständigkeit übertragen werden sollen.246 Hier spielten die „Rechtssicherheit und die Möglichkeiten einer schnellen Ermittlung der Zuständigkeit möglicherweise eine noch größere Rolle“.247 Ähnlich legt Kanzleiter dar, dass der Begriff im Verfahrensrecht „so weit und einfach wie möglich ausgelegt werden [muss], um über die Zuständigkeit des Gerichts zur Abwicklung des Nachlasses keine Zweifel und zeitraubende Diskussionen aufkommen zu lassen“.248 In eine
244 Ebenso wie in den genannten Fällen der Erblasser, die zur Willensbildung oder -äußerung nicht mehr in der Lage sind, kann der gewöhnliche Aufenthalt allerdings nicht allein durch den Willen bestehen bleiben, wenn überhaupt keine objektiven Umstände mehr für den entsprechenden Ort sprechen; vgl. schon oben S. 108. 245 Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 112. 246 Schaub, Hereditaire 2013, 91, 113. 247 Schaub, Hereditaire 2013, 91, 113. 248 Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 173.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
ähnliche Richtung argumentiert Solomon249, indem er ausführt, bei der internationalen Zuständigkeit seien mehrere gewöhnliche Aufenthalte mit der Folge konkurrierender Zuständigkeiten durchaus vorstellbar. Die weit überwiegende Auffassung geht allerdings – meistens stillschweigend – von einem einheitlichen Begriffsverständnis innerhalb der Verordnung aus250 und lehnt daher auch – wie beim anwendbaren Recht – einen mehrfachen gewöhnlichen Aufenthalt ab. b) Eigene Stellungnahme Eine Differenzierung innerhalb der Verordnung danach, ob es sich um eine Zuständigkeitsvorschrift oder eine Vorschrift zum anwendbaren Recht handelt, m.a.W. eine autonome Interpretation des gewöhnlichen Aufenthalts im jeweiligen Kapitel der EuErbVO, ist nicht haltbar. Eine solche widerspricht dem erklärten Ziel des Gleichlaufs zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht, führt zu Rechtsunsicherheit und ist auch aus der EuErbVO nicht ableitbar. Die EuErbVO ist gemäß EG 27 EuErbVO darauf ausgerichtet, dass die mit der Erbsache befasste Behörde in den meisten Fällen ihr eigenes Recht anwendet (Gleichlauf von forum und ius).251 Deshalb wechselt, wie auch EG 27 S. 2 EuErbVO darlegt, bei einer Rechtswahl des Erblassers gem. Art. 22 EuErbVO252 u. U. die internationale Zuständigkeit von den Gerichten des gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 4 EuErbVO) zu den Gerichten, deren nationales Recht gewählt wurde (Art. 6, 7 EuErbVO).253 Sinn und Zweck des Gleichlaufs ist eine Entlastung der Gerichte der Mitgliedstaaten dadurch, dass sie regelmäßig nur noch die lex fori und nicht mehr ausländisches Recht anwenden müssen. Dieser Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht würde unterlaufen, wenn zwar der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Sinne des Art. 4 EuErbVO bejaht würde, das zuständige Gericht aber dann aufgrund eines abweichenden „gewöhnlichen“ Aufenthalts i.S.d. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ausländisches Recht anwendete.
249
Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 30. Letztlich lehnt Solomon a.a.O. einen mehrfachen gewöhnlichen Aufenthalt „für die EuErbVO insgesamt“ wieder ab, weil für das Kollisionsrecht nur ein einziger gewöhnlicher Aufenthalt möglich sei und Zuständigkeit und anwendbares Recht parallel liefen. 250 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 21 EuErbVO, Rn. 16; MüKo/Dutta, Art. 21 EuErbVO, Rn. 4; Lübcke, S. 359; Süß ZEuP 2013, 725, 733; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 211; wohl auch Dörner, ZEV 2012, 505, 509. 251 Cach/Weber, ZfRV 2013, 263, 269; Dörner, ZEV 2012, 505, 509; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 206; Hess, in: Dutta/Herrler, S. 131, 132; Schmidt, ZEV 2014, 389, 390; Süß, ZEuP 2013, 724, 731. 252 Siehe dazu unten S. 153 ff. 253 Siehe dazu unten S. 257 ff.
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Warum ein solches Verständnis – wie Schaub vertritt254 – gerade der Rechtssicherheit zuträglich sein sollte, bleibt unklar. Hinsichtlich der Rechtssicherheit wäre es bereits deshalb problematisch, weil für die Interpretation des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. Zuständigkeitsvorschriften überhaupt keine Anhaltspunkte existierten. Die EG 23 und 24 dürften aufgrund ihrer Forderung nach einer „Gesamtbeurteilung der Lebensumstände“255 und einer Orientierung an „alle[n] relevanten Tatsachen“256 nicht maßgeblich sein, da sie eine zu umfangreiche Prüfung erfordern. Der Rechtssicherheit ist zudem generell nicht geholfen, wenn bei der Begründung der Zuständigkeit des Gerichts eines Mitgliedstaats geringere Anforderungen an den gewöhnlichen Aufenthalt gestellt werden, um „zeitraubende Diskussionen“257 zu vermeiden, die sich dann stattdessen bei der Frage des anwendbaren Rechts stellen. Dies löst das Problem nicht, sondern verschiebt es nur. Mit einer solchen Aufweichung des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen der Zuständigkeitsvorschriften wäre zudem verbunden, dass mehrere gewöhnliche Aufenthalte bestehen könnten.258 Dagegen spricht zunächst der Wortlaut des Art. 4 EuErbVO, der von „den Gerichten des Mitgliedstaats“ (und nicht „der Mitgliedstaaten“) spricht. Ferner ist dagegen anzuführen, dass die Verordnung im Falle einer Rechtswahl die Möglichkeit des Wechsels der Zuständigkeit zu dem Mitgliedstaat des gewählten Rechts vorsieht. Von der Möglichkeit, dass die Gerichte des Staates des gewählten Rechts ohnehin aufgrund eines zweiten, dortigen gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zuständig sind, ist der Verordnungsgeber erkennbar nicht ausgegangen. Auch aus systematischer Sicht ist ein doppelter gewöhnlicher Aufenthalt deshalb abzulehnen. Ein unterschiedliches Verständnis innerhalb der Verordnung ist ihr auch sonst an keiner Stelle zu entnehmen. EG 23 und 24 sind nicht auf die Regeln zum anwendbaren Recht beschränkt, sondern betreffen mangels entgegenstehender Anhaltspunkte den gewöhnlichen Aufenthalt insgesamt und verstehen sich als Auslegungshinweise für die gesamte Verordnung, damit auch die Zuständigkeitsregeln. Zwar spricht EG 23 S. 2 von der „mit der Erbsache befasste[n] Behörde“. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass diese Behörde bzw. das Gericht bereits ihre bzw. eigene Zuständigkeit bejaht hat, sondern lediglich, dass sich die Behörde mit der Frage des gewöhnlichen Aufenthalts befasst, dies kann sie auch tun, wenn sie ihre eigene Zuständigkeit prüft. Es ist somit innerhalb der EuErbVO von einem einheitlichen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts auszugehen.
254
Schaub, Hereditaire 2013, 91, 113. EG 23 S. 2 EuErbVO. 256 EG 23 S. 2 EuErbVO. 257 Kanzleiter, in: FS Zimmermann, S. 165, 173. 258 Vgl. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 30, der allerdings einen mehrfachen gewöhnlichen Aufenthalt im Ergebnis wieder ablehnt, siehe Fn. 249. 255
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
6. Zusammenfassung Die Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthaltes sollte autonom erfolgen. Autonom bedeutet einerseits, dass die Auslegung unabhängig von nationalen Rechtsordnungen erfolgen muss. Autonom heißt im Rahmen der EuErbVO aber auch, dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts unabhängig von anderen Rechtsgebieten des IPR (also anderen als des internationalen Erbrechts) erfolgt. Die autonome Auslegung muss vielmehr der Eigengesetzlichkeit des internationalen Erbrechts Rechnung tragen. Maßgeblich für die Auslegung sind auch im Rahmen einer europäischen Verordnung grundsätzlich der Wortlaut, die historische, systematische und die teleologische Auslegung.259 Die bisherige Untersuchung hat folgendes gezeigt: Der Wortlaut „gewöhnlicher Aufenthalt“ legt nahe, dass es sich um den Ort handelt, an dem sich der Erblasser normalerweise (räumlich) befindet. Die Erläuterungen in den Erwägungsgründen 23 und 24 zeigen demgegenüber, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Bestimmung des Lebensmittelpunkts durch Gesamtbetrachtung verschiedener Faktoren maßgeblich sein soll und dass zum Aufenthaltsstaat eine besonders enge Bindung bestehen muss. Aus der historischen Auslegung ergibt sich zunächst, dass der gewöhnliche Aufenthalt als Anknüpfungspunkt gewählt wurde, weil man ihn als im Regelfall angemessenes, d. h. die engste Verbindung des Erblassers zu einem Staat berücksichtigendes Anknüpfungskriterium ansah. Gleichzeitig zeigt die Geschichte der EuErbVO, dass auch die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO wegen der Befürchtung eingeführt wurde260, die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt könnte in Ausnahmefällen zur Anwendung eines Rechts führen, das nicht das sachnächste ist.261 Dabei kommt erneut der Gedanke der Berufung des Rechts des Staates, mit dem der Erblasser die engste Verbindung hat, zum Ausdruck. Aus systematischer Sicht ergibt sich, dass die objektive Anknüpfung im Zusammenhang mit der Rechtswahl des Art. 22 EuErbVO steht. Diese zeigt, dass der Erblasser nach der EuErbVO das auf seinen Nachlass anwendbare Recht wählen262, dieses also unabhängig von seinem gewöhnlichen Aufenthalt berufen kann („Prävalenz der Rechtswahl“). Dies legt das hier vertretene Verständnis des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts als das Recht des Staates nahe, in dem der Erblasser verhaftet ist bzw. in dessen Rechtskreis er sich bewusst begeben hat, um dauerhaft dort zu leben. Schließlich muss der Sinn und Zweck der EuErbVO, also die Bestimmung des auf das Rechtsverhältnis Erbfolge anwendbaren Rechts, Einfluss auf die Auslegung haben, was sich insbesondere an der Orientierung an den Lebensinteressen des Erblassers (erblasserzentrierte Auslegung) zeigt. Dieser Zweck wird ergänzt durch die hinter der EuErbVO stehende Zielsetzung der Vereinheitlichung der Rechtsordnungen. Diese ist nur zu erreichen, wenn auf einheitliche Prinzipien 259 260 261 262
Vgl. Gruber, S. 117. Diese war im Kommissionsentwurf noch nicht enthalten. Vgl. Ratsdokument Nr. 8446/11 S. 5 („unfaire Ergebnisse“). Vgl. dazu im Einzelnen unten S. 153 ff.
A. Grundregel des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO: Aufenthaltsprinzip
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zurückgegriffen wird, also auf Prinzipien, die den betroffenen Rechtsordnungen gemeinsam sind. Ein solches Prinzip ist die Respektierung der Testierfreiheit und damit der Respekt vor dem Willen des Erblassers. Insofern spiegelt die autonome Auslegung auch die historische Entwicklung, die auf dem Gedanken der Vereinheitlichung fußt. Zusammenfassend wird daran anknüpfend folgende subjektive Interpretation des Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“ vorgeschlagen: Der gewöhnliche Aufenthalt wird durch den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Erblassers bestimmt, also durch die familiären, sozialen und beruflichen Umstände, die das Lebenszentrum des Erblassers bilden. Die Auslegung des Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“ muss das Ziel der EuErbVO berücksichtigen, internationalprivatrechtliche Fragen von Erbfällen zu regeln. Entscheidend sind die Bindung des Erblassers zu einer Rechtsordnung und seine autonome Entscheidung (sein Wille), sich in diesen Rechtskreis zu begeben, die sich durch objektive Kriterien manifestiert. Diese objektiven Umstände haben dabei die Funktion, den Willen des Erblassers zu belegen. Die innere Rechtfertigung dieser „objektiven Anknüpfung“ ist nicht die faktische, räumliche Präsenz einer Person an einem Ort, sondern ihre Entscheidung, sich dorthin zu begeben und ihr Wille, dauerhaft innerhalb eines bestimmten Rechtskreises zu leben. Dies ergibt sich daraus, dass eine tatsächliche Rechtswahl einer Person (Art. 22 EuErbVO) die faktische Präsenz überlagert und daraus, dass ein aufgezwungener Aufenthalt (z. B. Krankheit, Verhaftung) nicht maßgeblich sein kann. Die autonome Auslegung orientiert sich danach grundsätzlich an den Auslegungsmethoden, die auch im nationalen Recht bekannt sind (Wortlaut, Historie, Systematik, Sinn und Zweck). Diese werden jedoch ergänzt durch einheitsstiftende Prinzipien wie dem Prinzip der Testierfreiheit. Insoweit geht die autonome Auslegung über die nationalen Auslegungsmethoden hinaus. Diese autonome Auslegung führt dann auch zu einem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts, der eben deshalb Anerkennung verdient, weil er als Ausdruck einer autonomen Entscheidung des Erblassers verstanden werden kann.
IV. Zusammenfassung und Stellungnahme zur Kohärenz des EuIPR Als Zwischenergebnis zur Frage der Kohärenz des europäischen IPR ist festzuhalten: Es lässt sich zunächst eine Kohärenz in der Gesetzgebung feststellen, die sich darin äußert, dass weitestgehend (zumindest primär) an den gewöhnlichen Aufenthalt eines der Beteiligten angeknüpft wird. Insbesondere im Familienrecht hat der gewöhnliche Aufenthalt die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium weitgehend verdrängt oder auf den zweiten oder dritten Platz verwiesen. Dies gilt (aus deutscher Sicht) nunmehr auch für das internationale Erbrecht; auch hier ist die
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt gewichen. Dies ist nach der hier vertretenen Auffassung angemessen. Kohärenz in der europäischen Gesetzgebung besteht auch insoweit, als dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts, jedenfalls soweit es um natürliche, nicht beruflich handelnde Personen geht, von den Verordnungen des EuIPR nicht definiert wird. Es lässt sich auch eine (allerdings stark begrenzte) Kohärenz in der Auslegung verzeichnen. Diese zeigt sich etwa darin, dass der Wohnsitzbegriff des EuGH aus dem Bereich des Steuerrechts bzw. des Rechts der sozialen Sicherheit nicht auf das europäische IPR übertragen werden kann. Die Kohärenz in der Auslegung geht nach dem hier vertretenen Verständnis aber nicht so weit, dass gleichlautende Begriffe, insbesondere Anknüpfungskriterien wie der „gewöhnliche Aufenthalt“, in allen Fällen gleich auszulegen sind. Dies scheitert insbesondere an der unterschiedlichen Zwecksetzung der jeweiligen Verordnung bzw. am entgegenstehenden Willen des EU-Gesetzgebers (jedenfalls in Bezug auf die EuErbVO).
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO I. Kohärenz in der Gesetzgebung 1. Die Ausweichklausel als häufiges Instrument des EuIPR a) Überblick Ausweichklauseln kommen im EuIPR regelmäßig vor. So finden sich allgemeine Ausweichklauseln zunächst in Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO und Art. 4 Abs. 3 Rom IIVO. Die Rom I-VO und die Rom II-VO sehen zudem verschiedene spezielle, auf das jeweilige vertragliche oder außervertragliche Schuldverhältnis zugeschnittene Ausweichklauseln vor.263 Solche finden sich im Rahmen der Rom I-VO etwa in Art. 5 Abs. 3 (Beförderungsverträge), Art. 7 Abs. 2 UAbs. 2 S. 2 (bestimmte Versicherungsverträge), und Art. 8 Abs. 4 (Individualarbeitsverträge) Rom I-VO. Die Rom IIVO erlaubt ein Abweichen von der Regelanknüpfung in Fällen der Produkthaftung (Art. 5 Abs. 2 Rom II-VO), der ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 10 Abs. 4 Rom II-VO) und der Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 11 Abs. 4 Rom II-VO). Im europäischen internationalen Familienrecht sind Ausweichklauseln bisher nicht die Regel. Die Rom III-VO etwa kennt keine Ausweichklausel. Für ein Fehlen einer solchen Ausweichklausel in der Rom III-VO ließe sich auf den ersten Blick anführen, dass die in Art. 8 Rom III-VO vorgesehene Anknüpfungsleiter bereits dem Prinzip der engsten Verbindung Rechnung trage. Art. 8 Rom III-VO knüpft zunächst 263 Jedoch gilt dies nicht für alle geregelten (außer-)vertraglichen Schuldverhältnisse, vgl. im Einzelnen Remien, in: Leible/Unberath, S. 223, 234 f.
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts an. Hilfsweise wird an das Recht des früheren gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten angeknüpft, soweit dieser nicht mehr als ein Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 8 lit. b Rom III-VO). Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, wird an das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit angeknüpft (Art. 8 lit. c Rom III-VO). Höchst hilfsweise erfolgt die Anknüpfung an die lex fori nach Art. 8 lit. d Rom III-VO. Das Fehlen einer Ausweichklausel ist indes im Rahmen der Rom III-VO nicht überzeugend. Zunächst ist bei Bestehen eines gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten in demselben Staat im Zeitpunkt des Scheidungsantrags zwingend dieses Recht anzuwenden, auch wenn überwiegende Bezugspunkte zu einem anderen Recht bestehen (etwa: Recht des früheren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, wenn die Ehegatten auch die entsprechende Staatsangehörigkeit und Vermögensgegenstände in dem entsprechenden Staat besitzen). Insbesondere unangemessen ist die Anknüpfung des Art. 8 Rom III-VO in folgendem Fall264: Die verheirateten A (Spanierin) und B (Deutscher) leben seit fünfzehn Jahren in Deutschland. Die Ehe gerät in eine Krise, die schließlich dazu führt, dass A zurück nach Spanien zieht. 13 Monate nach dem Umzug beantragt A in Spanien die Scheidung. Anwendbar wäre nach Art. 8 lit. d Rom III-VO spanisches Recht, ein Recht zu dem der „verlassene“ B nicht den geringsten Bezug und die Ehe (wenn überhaupt) nur eine schwache Verbindung hat.265 Die Möglichkeit der Rechtswahl entschärft die Problematik u. U. dann nicht, wenn die Ehegatten sie nicht bereits „in guten Zeiten“ getroffen haben.266 Hier würde eine Ausweichklausel dem Prinzip der engsten Verbindung Rechnung tragen und zur Einzelfallgerechtigkeit führen. Auch der EuGüVO-E sieht keine Ausweichklausel vor; allerdings knüpft er in Art. 17 Abs. 1 lit. c) an das Recht der gemeinsamen engsten Verbindung der Ehegatten an. An dieses wird jedoch nur hilfsweise angeknüpft, nämlich dann, wenn die Ehegatten zu keinem Zeitpunkt einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten (Art. 17 Abs. 1 lit. a EuGüVO-E spricht vom „ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt“) bzw. keine gemeinsame Staatsangehörigkeit haben (Art. 17 Abs. 1 lit. b EuGüVO-E). Insbesondere dann, wenn die Ehegatten ihren ersten gewöhnlichen Aufenthalt nur für eine begrenzte Zeit hatten und danach für eine lange Zeit im Ausland leben, kann die Anknüpfung des Art. 17 Abs. 1 lit. a EuGüVO-E unangemessen sein;267 hier hätte sich ebenfalls eine Ausweichklausel angeboten. Der Spielraum für eine Ausweichklausel ist im Rahmen des internationalen Güterrechts jedoch deshalb geringer, weil dort die Unwandelbarkeit des Güterstatuts angestrebt
264 265 266 267
Nach Gruber, IPRax 2012, 381, 388. Gruber, IPRax 2012, 381, 388. Vgl. auch Helms, FamRZ 2011, 1765, 1767. Vgl. auch Döbereiner, MittBayNot 2011, 463, 465.
120
Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
wird.268 Dennoch wäre es für das Ehegüterrecht möglich und m. E. auch sinnvoll gewesen, vom nach Art. 17 Abs. 1 lit. a oder b EuGüVO-E anwendbaren Recht in dem Fall abzuweichen, in dem die Ehe im Zeitpunkt der Eheschließung eine „offensichtlich engere Verbindung“ zu einem anderen Staat aufwies. Auch diese Regelung hätte zu einem unwandelbaren Güterrechtsstatut geführt. Das HUntProt enthält in Art. 5 allerdings eine besondere Ausweichklausel für die Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten, die zudem die besondere Voraussetzung hat, dass sich eine der Parteien gegen das eigentlich anwendbare Recht wendet.269 b) Lagarde-Entwurf Lagarde hat in seinem Toulouser Entwurf für eine Kodifizierung des europäischen IPR in Art. 137 eine Ausweichklausel vorgesehen.270 Sie lautet: „Le droit désigné par la présente loi n’est exceptionnellement pas appicable si, au regard de l’ensemble des circonstances, la situation n’a manifestement qu’un lien très lâche avec ce droit et se trouve dans une relation beaucoup plus étroite avec un autre droit. Dans un tel cas, il est fait application de cet autre droit. Cette disposition n’est pas applicable en cas d’élection de droit.“271
Lagarde führt zu dieser Ausweichklausel aus, dass sie ausreichend restriktiv sei und nicht zu Lasten der Rechtssicherheit gehen dürfte.272 Nicht klar wird allerdings, ob die Ausweichklausel in allen Bereichen des IPR, insbesondere in denen, die bisher keine solche vorsehen, anwendbar sein soll. 2. Bedürfnis für eine Ausweichklausel im internationalen Erbrecht? a) Darstellung der Ausweichklausel (Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) Die Vorschrift des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO lautet: „Ergibt sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem
268 Dazu Döbereiner, MittBayNot 2011, 463, 465; vgl. zum bisherigen Recht auch Rauscher, Rn. 775. 269 Vgl. dazu im Einzelnen NK-BGB/Gruber, Art. 5 HUntProt, Rn. 7 sowie unten S. 126. 270 Lagarde, in: Fallon/Lagarde/Poillot-Peruzetto, S. 374; abgedruckt auch in RabelsZ 75 (2011), 671, 675. 271 Übersetzung: „Das nach diesem Gesetz anwendbare Recht ist ausnahmsweise nicht anzuwenden, wenn der Sachverhalt unter Berücksichtigung aller Umstände eine nur sehr lose Verbindung zu diesem Recht und eine deutlich engere Verbindung zu einem anderen Recht aufweist. In einem solchen Fall ist dieses andere Recht anzuwenden. Diese Vorschrift findet keine Anwendung im Falle der Rechtswahl.“. 272 Lagarde, in: Fallon/Lagarde/Poillot-Peruzetto, S. 374.
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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Staat hatte, dessen Recht nach Absatz 1 anzuwenden wäre, so ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.“
Tatbestandlich erfordert Art. 21 Abs. 2 EuErbVO eine „offensichtlich engere Verbindung“ des Erblassers im Zeitpunkt des Todes zu einem anderem Staat als dem des gewöhnlichen Aufenthalts. Weitere Tatbestandsmerkmale enthält die Norm nicht. Sie fordert lediglich, dass sich die engere Verbindung nur „ausnahmsweise“ ergeben darf. In der englischen Fassung der Verordnung muss sich die engere Verbindung sogar klar aus allen Umständen ergeben („it is clear from all the circumstances“). Damit geht der englische Wortlaut über den deutschen hinaus.273 EG 25 stellt klar, dass die Ausweichklausel nicht gebraucht werden soll, wenn sich die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts als schwierig erweist. Die Ausweichklausel soll vielmehr nur angewendet werden, wenn zwar der gewöhnliche Aufenthalt festgestellt werden kann, aber ein engerer Bezug zu einem anderen Staat besteht. b) Kritik an der Ausweichklausel in der Literatur Unklar ist jedoch, aus welchen Kriterien sich dieser engere Bezug ergeben kann. Nicht in Betracht dürften die Kriterien kommen, die bereits im Rahmen des gewöhnlichen Aufenthalts bei Absatz 1 Berücksichtigung finden. Die Staatsangehörigkeit des Erblassers dürfte als Kriterium etwa keine Rolle spielen. Sie gehört schon zu den Lebensumständen, die – zumindest in komplizierten Fällen – beim gewöhnlichen Aufenthalt zu berücksichtigen sind (vgl. EG 24 S. 5).274 Darüber hinaus besteht eine Rechtswahlmöglichkeit zugunsten des Heimatrechts (Art. 22 Abs. 1 EuErbVO), sodass eine Verbundenheit des Erblassers mit seinem Heimatrecht schon an dieser Stelle berücksichtigt wird (dies natürlich nur, wenn dem Betroffenen die Rechtswahlmöglichkeit bekannt ist). Außerdem hat sich die Verordnung bewusst gegen eine objektive Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit entschieden, die nicht durch die Ausweichklausel ausgehöhlt werden darf. Der Belegenheitsort der Nachlassgegenstände wird gemäß EG 24 S. 5 ebenfalls beim gewöhnlichen Aufenthalt als „besonderer Faktor“ berücksichtigt und kann daher bei der Ausweichklausel keine Rolle spielen. Zudem werden auch alle sonstigen „relevanten Tatsachen“ (EG 23), insbesondere die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts und die mit ihm zusammenhängenden Umstände und Gründe schon im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berücksichtigt. Auf den ersten Blick ist daher nicht klar, aufgrund welcher Kriterien eine engere Verbindung zu einem anderen Staat begründet werden kann. Da diese Verbindung
273 274
Vgl. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 21 EuErbVO, Rn. 25. Vgl. auch Wilke, RIW 2012, 601, 605.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
zusätzlich offensichtlich sein muss, ist fraglich, ob die Ausweichklausel überhaupt einen Anwendungsbereich hat.275 Insbesondere deshalb ist kritisiert worden, dass die Ausweichklausel zur Rechtsunsicherheit beitrage und wenig vorhersehbar sei.276 Problematisch erscheine auch, dass bei Zuständigkeit mehrerer Mitgliedstaaten nach Art. 10 EuErbVO die Anwendbarkeit der Ausweichklausel von unterschiedlichen Gerichten auch unterschiedlich beurteilt werden kann. Folge davon könnte die Möglichkeit des forum shopping sein.277 Es könne außerdem ein positiver Kompetenzkonflikt entstehen, weil der Renvoi bei Anwendung der Ausweichklausel ausgeschlossen ist.278 Problematisch sei darüber hinaus, dass sie als Einfallstor von denjenigen genutzt werden kann, die das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers durch ein anderes, für sie günstigeres Recht (bspw. in Hinblick auf das Pflichtteilsrecht) der vermeintlich „engeren Verbindung“ ersetzen wollen. Lange ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, bei der Norm sei „der Streit gewissermaßen eingebaut“279.
II. Kohärenz in der Auslegung? 1. Darstellung der Ausweichklauseln in anderen Verordnungen a) Rom I-VO Die Rom I-VO enthält an verschiedenen Stellen Ausweichklauseln. Eine allgemeine Ausweichklausel findet sich in Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO. Dieser lautet: „Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Absatz 1 oder 2 bestimmten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.“
Die Regelanknüpfung der Rom I-VO richtet sich nach Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO grundsätzlich nach der Art des Vertrages. Überwiegend wird hierbei an den gewöhnlichen Aufenthalt der die vertragstypische Leistung erbringenden Partei angeknüpft, teilweise aber auch an andere Faktoren wie bspw. die lex rei sitae (Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO). Wenn der Vertrag nicht unter Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO fällt oder Bestandteile mehrerer Vertragstypen aufweist, ist nach Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO 275
Kritisch deshalb Burandt, S. 52 f.; ders., FuR 2013, 377, 382; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 362; Wilke, RIW 2012, 601, 605; Geimer, in: Hager, S. 9, 18; Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691, 701; Lange, ZErb 2012, 160, 162 f.; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 135; Vollmer, ZErb 2012, 227, 231; Volmer, RPfleger 2013, 421, 422; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086; FischerCzermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 45; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43; Kränzle, S. 228 ff.; MüKo/Dutta, Art. 21 EuErbVO, Rn. 6. 276 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 21 EuErbVO, Rn. 22. 277 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 21 EuErbVO, Rn. 23. 278 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 21 EuErbVO, Rn. 24. 279 Lange, ZErb 2012, 160, 163.
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der die vertragstypische Leistung erbringenden Partei berufen. Zeitpunkt für die Regelanknüpfung ist nach Art. 19 Abs. 3 Rom I-VO i. d. R. der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.280 Die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO führt dann dazu, dass das für die spezifischen Verträge des Absatzes 1 an sich anwendbare Recht bzw. nach Absatz 2 das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der die charakteristische Leistung erbringenden Partei keine Anwendung findet und durch das Recht der engsten Verbindung ersetzt wird. Daneben finden sich in manchen – jedoch nicht in allen281 – Artikeln zu den besonderen Vertragstypen in der Rom I-VO Ausweichklauseln.282 Sinn und Zweck der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO ist der Ausgleich zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit.283 Die typisierenden Anknüpfungen der Absätze 1 und 2 dienen der Rechtssicherheit, indem sie das anwendbare Recht einfach vorhersehbar machen. Die Ausweichklausel soll in atypischen Einzelfällen dafür sorgen, dass tatsächlich die Rechtsordnung Anwendung findet, mit der der Vertrag die engste Verbindung aufweist.284 Insbesondere bei der Anknüpfung an die die charakteristische Leistung erbringende Partei wird angeführt, dass diese häufig nicht die tatsächlich engste Verbindung berücksichtige.285 Ein Anwendungsfall der Ausweichklausel der Rom I-VO soll bspw. vorliegen, wenn ein ausländisches Grundstück von einer in Deutschland lebenden deutschen Partei vor einem deutschen Notar verkauft wird.286 In diesem Fall wäre an sich nach Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO die lex rei sitae anwendbar, von der durch Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO abgewichen werden kann. Im Rahmen des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO ist strittig, ob die bei der Ausweichklausel zu berücksichtigenden Kriterien nur solche sein können, die vom Sinn und Zweck der Regelanknüpfung (Absätze 1 und 2) gedeckt sind, also auf den Leistungsaustausch bezogen sind.287 Dies ist nach einer Auffassung zu bejahen.288 Ausgeschlossen wäre damit mangels Beziehung zu den Leistungspflichten bspw. die 280 Besonderheiten ergeben sich bei Art. 4 Abs. 1 lit. c (Anknüpfung an den Belegenheitsort, hier stellt sich die Frage nach dem Zeitpunkt nicht) und Art. 4 Abs. 1 lit. g Rom I-VO (Ort der Versteigerung). 281 Remien, in: Leible/Unberath, S. 223, 234. 282 Vgl. bereits oben S. 118. 283 Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 134; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 126; vgl. Leible/Lehmann, RIW 2008, 528, 536. 284 Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 134; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 127; MüKo/Martiny, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 288; vgl. Merschformann, S. 187 ff. 285 MüKo/Martiny, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 289: vgl. Beck-OK/Spickhoff, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 80; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 71. 286 Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 126. 287 Eine ähnliche Problematik stellt sich im Rahmen der Ausweichklausel der EuErbVO, vgl. dazu unten S. 137. 288 Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 136; zum alten Recht Soergel/v. Hoffmann Art. 28 EGBGB, Rn. 98.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Staatsangehörigkeit der Parteien.289 Angeführt wird für diese Ansicht insbesondere die Erwägung, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom I-VO den Schwerpunkt des Vertrags typisierend festlege, und zwar überwiegend am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erbringers der vertragstypischen Leistung.290 Dies bedeute für die Kriterien der Ausweichklausel, dass diese sich ebenfalls an diesem Sinn und Zweck orientieren müssten, d. h. auf ein anderes „Zentrum des Leistungsaustauschs“ hinweisen müssten.291 Nach anderer Auffassung sind grundsätzlich alle Umstände in Betracht zu ziehen, die auch sonst bei der Bestimmung des objektiv geltenden Vertragsstatuts oder bei der stillschweigenden Rechtswahl berücksichtigt werden.292 Es werden demnach auch Faktoren berücksichtigt, die nicht auf den Leistungsaustausch bezogen sind. Darunter fallen bspw. auch subjektive, die Parteien betreffende Umstände.293 Für diese Auffassung werden insbesondere der Wortlaut („Gesamtheit der Umstände“)294 und die Parteiinteressen295 angeführt. Nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO scheint dieser zunächst – im Unterschied zu Art. 21 Abs. 2 EuErbVO – nicht das Erfordernis zu enthalten, dass sich die engere Verbindung nur ausnahmsweise ergeben darf. Anders als Art. 21 Abs. 2 EuErbVO enthält Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO zudem keinen Zeitpunkt, zu dem die engere Verbindung vorliegen muss.296 Daraus wird teilweise abgeleitet, dass auch Umstände, die nachträglich eintreten, bei der Frage der Ausweichklausel einbezogen werden müssten.297 Die h.M. lehnt dies allerdings ab und stellt auf den Zeitpunkt der Regelanknüpfung ab.298 Die Ausweichklausel ist nicht anwendbar, wenn die Parteien das anwendbare Recht durch Rechtswahl bestimmt haben. Allerdings enthalten Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom II-VO spezielle Vorschriften, die unter gewissen Umständen ein Abweichen von nicht dispositiven Normen des Staats der engsten Verbindung bzw. des Unionsrechts verbieten.
289
Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 138. Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 136. 291 Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 136 f. 292 Beck-OK/Spickhoff, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 79; MüKo/Martiny, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 249; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 131; jurisPK-BGB/Ringe, Art. 4 Rom IVO, Rn. 61. 293 MüKo/Martiny, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 249; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 131; wohl auch jurisPK-BGB/Ringe, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 61. 294 Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 131. 295 Beck-OK/Spickhoff, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 79. 296 Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 138. 297 Merschformann, S. 141 in Bezug auf Art. 28 Abs. 5 EGBGB. 298 MüKo/Martiny, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 305; Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 138. Maßgeblich ist damit nach Art. 19 Abs. 3 Rom I-VO der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. 290
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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b) Rom II-VO Eine allgemeine Ausweichklausel findet sich auch in Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO. Dieser lautet: „Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat könnte sich insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einem Vertrag – ergeben, das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht.“
Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO wird in Art. 5 Abs. 2 Rom II-VO für Fälle der Produkthaftung wortgleich wiederholt.299 Die Regelanknüpfung des Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO knüpft grundsätzlich an den Ort des Schadenseintritts an. Davon abweichend ist bei einem gewöhnlichen Aufenthalt von Schädiger und Geschädigtem im gleichen Staat nach Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO das Recht dieses gewöhnlichen Aufenthalts anwendbar. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür ist der des Schadenseintritts. Abgewichen werden kann durch die Ausweichklausel vom nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO bzw. nach Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO. Das nach Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO anwendbare Recht kann nach h.M. entgegen des Wortlauts auch das des Absatzes 1 sein, d. h. es kann vom Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts zugunsten des Rechts des Erfolgsorts abgewichen werden.300 Sinn und Zweck der Ausweichklausel ist die Ermöglichung einer Flexibilität der Rechtsanwendung301 bzw. die Gewährleistung der Einzelfallgerechtigkeit.302 Auch hier geht es um die Realisierung des Prinzips der engsten Verbindung.303 Art. 4 Abs. 3 S. 1 Rom II-VO ähnelt in seinem Wortlaut Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO. Über Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO hinaus geht allerdings Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO, der die Möglichkeit einer akzessorischen Anknüpfung an ein bestehendes Rechtsverhältnis wie z. B. einen Vertrag enthält.304 Ein solcher Vertrag kann bspw. bei einem Verkehrsunfall ein Beförderungsvertrag sein.305 Die akzessorische Anknüpfung des Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO erlaubt dann ein einheitliches Statut für das vertrag-
299
MüKo/Junker, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 48. Dickinson, S. 343, Rn. 4.89; MüKo/Junker, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 58; NK-BGB/Lehmann, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 146; Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 87. 301 KOM (2003) 427 endg., S. 13; EG 14 Rom II-VO; Huber/Bach, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 79; vgl. NK-BGB/Lehmann, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 137; MüKo/Junker, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 46. 302 Palandt/Thorn, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 10; Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 79. 303 Beck-OK/Spickhoff, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 12. 304 MüKo/Junker, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 50. 305 MüKo/Junker, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 51; Hk-BGB/Dörner, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 6. 300
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
liche und deliktische Schuldverhältnis und vermeidet damit Friktionen306, was regelmäßig dem Parteiinteresse entspricht.307 Auch bei Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO ergibt sich kein Zeitpunkt, an dem die engere Verbindung bestehen muss. Überwiegend wird angenommen, dass es auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts ankommen muss, um die Wandelbarkeit des Deliktsstatuts zu verhindern.308 Auch hier orientiert sich die überwiegende Auffassung an der Regelanknüpfung. Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO wirft zudem die Frage auf, ob das Vertragsverhältnis bereits im Zeitpunkt des Eintritts des schädigenden Ereignisses gegeben sein muss. Die weit überwiegende Auffassung nimmt dies an.309 Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO enthält im Unterschied zu Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ebenfalls nicht das Erfordernis, dass sich die engere Verbindung nur ausnahmsweise ergeben darf. Im Falle einer Rechtswahl findet die Ausweichklausel ebenfalls keine Anwendung. Allerdings enthalten Art. 14 Abs. 2 und 3 Rom II-VO – wie die Rom I-VO – spezielle Vorschriften, die unter gewissen Umständen ein Abweichen von nicht dispositiven Normen des Staats der engsten Verbindung bzw. des Unionsrecht verbieten. c) HUntProt Das HUntProt enthält in seinem Art. 5 eine Ausweichklausel.310 Diese lautet: „In Bezug auf Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten, früheren Ehegatten oder Personen, deren Ehe für ungültig erklärt wurde, findet Artikel 3 keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates ihres letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.“
Die Besonderheit dieser Ausweichklausel besteht darin, dass sie nur zugunsten bestimmter Personen, nämlich (früherer) Ehegatten, greift, nicht aber in den sonstigen Fällen von Unterhaltsansprüchen (etwa von Kindern gegenüber ihren Eltern311). Grundsätzlich bestimmt sich das anwendbare Recht für Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten nach Art. 3 HUntProt. Nach Art. 3 Abs. 1 HUntProt ist das 306
Huber/Bach, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 85. Palandt/Thorn, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 11. 308 NK-BGB/Lehmann, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 154; a.A. (Zeitpunkt der Bestimmung des anwendbaren Rechts) Dickinson, S. 343, Rn. 4.89. 309 Calliess/v. Hein, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 67; NK-BGB/Lehmann, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 160; Palandt/Thorn, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 11; a.A. KOM (2003) 427 endg., S. 14. 310 Beim HUntProt handelt es sich nicht um ein originäres Instrument der EU. Jedoch verweist Art. 15 EuUntVO hinsichtlich des anwendbaren Rechts auf das HUntProt. 311 Vgl. dazu Art. 4 HUntProt (Ersatzanknüpfung). 307
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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Recht des Staates anwendbar, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; nach Art. 3 Abs. 2 HUntProt ist bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts das Recht des neuen Aufenthaltsstaates vom Zeitpunkt des Wechsels an maßgeblich.312 Von diesem Recht kann nach Art. 5 HUntProt abgewichen werden, wenn ein anderes Recht „zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist“. Auch hier geht es somit um das Prinzip der engsten Verbindung.313 Erforderlich ist dafür, dass sich eine der Parteien „dagegen“, also gegen das nach Art. 3 HUntProt anwendbare Recht „wendet“. Ein Gericht beachtet einen engeren Bezug folglich nur dann, wenn sich eine Partei einredeweise darauf beruft.314 Insbesondere soll ein Statutenwechsel durch eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts durch einen Ehegatten (namentlich nach Beendigung der Ehe) verhindert werden.315 Zweck der Vorschrift ist also eine „Flexibilisierung der Anknüpfung“316. Diese Flexibilisierung verfolgt dabei vor allem das Ziel, den Unterhaltsverpflichteten vor unangemessenen (und überraschenden) Belastungen zu schützen.317 Hintergrund sind die großen Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen hinsichtlich der Frage des (nach-)ehelichen Unterhalts.318 Es wird als unbillig angesehen, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen Staat verlegt, der ein für ihn günstiges Unterhaltsrecht vorsieht und dies den „berechtigten Erwartungen“319 des Unterhaltsverpflichteten zuwiderläuft; dies soll insbesondere dann gelten, wenn die Ehegatten zuvor in einem Staat (möglicherweise sogar ihrem Heimatstaat) gelebt haben, der grundsätzlich keinen Nachscheidungsunterhalt vorsieht.320 Der Sinn und Zweck der Regelung besteht aber auch darin, eine 312
219. 313
Vgl. dazu näher NK-BGB/Gruber, Art. 3 HUntProt, Rn. 1 ff.; Janzen, FPR 2008, 218,
Rauscher/Andrae, Art. 5 HUntProt, Rn. 5. NK-BGB/Gruber, Art. 5 HUntProt, Rn. 7; Rauscher/Andrae, Art. 5 HUntProt, Rn. 12; Janzen, FPR 2008, 218, 220; Andrae, FPR 2008, 196, 201. 315 Bonomi-Bericht, Rn. 78; Palandt/Thorn, HUntProt, Rn. 21; NK-BGB/Gruber, Art. 5 HUntProt, Rn. 4; Rauscher/Andrae, Art. 5 HUntProt, Rn. 4; vgl. auch Erman/Hohloch, Art. 5 HUntProt, Rn. 2, 4. 316 Rauscher/Andrae, Art. 5 HUntProt, Rn. 4; Erman/Hohloch, Art. 5 HUntProt, Rn. 2. 317 Bonomi-Bericht, Rn. 78; NK-BGB/Gruber, Art. 5 HUntProt, Rn. 4; Rauscher/Andrae, Art. 5 HUntProt, Rn. 4. 318 Bonomi-Bericht, Rn. 78; Rauscher/Andrae, Art. 5 HUntProt, Rn. 4; Andrae, FPR 2008, 196, 201; Erman/Hohloch, Art. 5 HUntProt, Rn. 2; Gemeint sind damit etwa islamische Rechtsordnungen, die Männern gar keinen (nach-)ehelichen Unterhaltsanspruch gewähren und Frauen diesen lediglich für einen Zeitraum von drei Monaten nach der Scheidung, zudem sind skandinavische Länder und Common-law-Staaten, die den nachehelichen Unterhalt restriktiv handhaben (Rauscher/Andrae Art. 5 HUntProt, Rn. 4). 319 Bonomi-Bericht, Rn. 78. 320 Bonomi-Bericht, Rn. 78; vgl. auch NK-BGB/Gruber, Art. 5 HUntProt, Rn. 4; Rauscher/ Andrae, Art. 5 HUntProt, Rn. 4 f.; Rauscher spricht in Rn. 925 f. gar von „Missbrauch“ bzw. „Manipulationsgefahr“. 314
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Einschränkung der Freizügigkeit des Unterhaltsberechtigten zu verhindern. Es soll vermieden werden, dass er aufgrund eines restriktiven Unterhaltsrechts davon Abstand nimmt, in den betreffenden Staat zu ziehen.321 Als Kriterien für die Begründung einer engeren Verbindung kommen nach dem Bonomi-Bericht grundsätzlich alle Verbindungen in Betracht, die die Ehe zu verschiedenen Staaten aufweist, etwa der gewöhnliche Aufenthalt bzw. Wohnsitz während der Ehe,322 die Staatsangehörigkeit der Ehegatten323, der Ort der Eheschließung324 oder der Ort der Trennung bzw. Scheidung325. Nach Andrae soll auch von Bedeutung sein, ob der unterhaltsverpflichtete Ehegatte damit rechnen musste, dass der Unterhaltsberechtigte in einen anderen Staat ziehen könnte.326 Herausgestellt wird nach dem Wortlaut des Art. 5 HUntProt der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten; es handelt sich dabei aber nicht um eine widerlegbare Vermutung, sondern um eine Regelvermutung bzw. ein Indiz.327 Auch die Ausweichklausel des Art. 5 HUntProt findet im Falle der Rechtswahl keine Anwendung (Art. 8 Abs. 1 HUntProt). Art. 8 Abs. 5 HUntProt ermöglicht allerdings dem mit der Sache befassten Gericht, von dem gewählten Recht abzuweichen, wenn seine Anwendung für eine der Parteien offensichtlich unbillige oder unangemessene Folgen hätte. Auch diese Vorschrift wird als eine „Ausweichklausel“ bezeichnet.328 d) Zusammenfassung Die dargestellten Ausweichklauseln verfolgen das gemeinsame Ziel, das Recht der engsten Verbindung zur Anwendung zu bringen. Dies betonen der Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO, der des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO und auch der des Art. 5 HUntProt. Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO enthält die Besonderheit der akzessorischen Anknüpfung an ein bestehendes Rechtsverhältnis. Art. 5 HUntProt ist aus vier Gründen besonders: Zunächst erfordert Art. 5 HUntProt nicht, dass die „Gesamtheit der Umstände“329 auf das von der Regelanknüpfung abweichende Recht hindeutet. 321
NK-BGB/Gruber, Art. 5 HUntProt, Rn. 4. Bonomi-Bericht, Rn. 85. 323 Bonomi-Bericht, Rn. 85; die Bedeutung der Staatsangehörigkeit wird allerdings im Bonomi-Bericht, Rn. 89 wieder eingeschränkt, so auch NK-BGB/Gruber, Art. 5 HUntProt, Rn. 6. 324 Bonomi-Bericht, Rn. 85. 325 Bonomi-Bericht, Rn. 85. 326 Rauscher/Andrae, Art. 5 HUntProt, Rn. 17; so auch Palandt/Thorn, HUntProt, Rn. 21. 327 NK-BGB/Gruber, Art. 5 HUntProt, Rn. 5; Bonomi-Bericht, Rn. 86. 328 Bonomi-Bericht, Rn. 150; a.A. (besondere ordre public-Klausel) Palandt/Thorn, HUntProt, Rn. 33; a.A. („kollisionsrechtliche negative Billigkeitsklausel“) Erman/Hohloch, Art. 8 HUntProt, Rn. 3. 329 So Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO, Art. 4 Abs. 3 S. 1 Rom II-VO und Art. 21 Abs. 2 EuErbVO. 322
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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Ferner muss die engere Verbindung nicht „offensichtlich“330 sein. Ungewöhnlich ist darüber hinaus das Erfordernis, dass die Ausweichklausel nur dann Anwendung finden kann, wenn eine Partei sich gegen das an sich nach Art. 3 HUntProt anwendbare Recht wendet (Einredecharakter der Ausweichklausel). Eine weitere Besonderheit besteht in dem speziellen Schutzcharakter des Art. 5 HUntProt. Art. 4 Abs. 3 Rom I und Art. 4 Abs. 3 S. 1 Rom II-VO weichen allein aufgrund der offensichtlich engeren Verbindung des Sachverhalts vom eigentlich anwendbaren Recht ab. Auch Art. 5 HUntProt verfolgt grundsätzlich das (kollisionsrechtliche) Prinzip der engsten Verbindung. Hintergrund des Art. 5 HUntProt ist aber, dass das nach der Regelanknüpfung anwendbare Recht möglicherweise große materiellrechtliche Unterschiede zu dem Recht der engsten Verbindung aufweisen und damit den Unterhaltsverpflichteten belasten könnte.331 Insbesondere aufgrund der großen materiell-rechtlichen Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen wurde, wie der Bonomi-Bericht betont, „eine unterschiedslose Anwendung der Regeln, die sich an dem favor creditoris orientieren, in einigen Staaten als überzogen wahrgenommen“332. Die Regelung des Art. 5 HUntProt hat damit insgesamt einen größeren materiell-rechtlichen Bezug, der auch in ihrem Einredecharakter zum Ausdruck kommt. Teilweise wird (wohl deshalb) gar vertreten, dass die Anwendung der Ausweichklausel auch von der Frage abhinge, ob der Unterhaltsverpflichtete damit gerechnet habe, dass der andere Ehegatte in einen bestimmten Staat ziehen könnte. In ihrer speziellen Funktion, Missbrauch zu verhindern, weicht die Ausweichklausel des HUntProt von denen der Rom-Verordnungen ab. 2. Funktion der Ausweichklausel in der EuErbVO a) Untersuchung von für die Ausweichklausel möglicherweise relevanten Fallgruppen In der Literatur und in den Erwägungsgründen der EuErbVO selbst werden verschiedene Fallgruppen behandelt, in denen die Ausweichklausel der EuErbVO möglicherweise Anwendung finden kann. Diese Fallgruppen werden im Folgenden untersucht. aa) Tod kurz nach Umzug EG 25 S. 1 EuErbVO nennt als Beispiel für die Anwendung der Ausweichklausel den Fall, in dem der Erblasser „kurz vor seinem Tod in den Staat seines gewöhnlichen 330 Auch dies erfordern Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO, Art. 4 Abs. 3 S. 1 Rom II-VO und Art. 21 Abs. 2 EuErbVO. 331 Diese äußern sich etwa darin, dass das Aufenthaltsrecht des Unterhaltsberechtigten, anders als das Recht der engsten Verbindung, für den Unterhaltsberechtigten günstige Regelungen vorsieht. 332 Bonomi-Bericht, Rn. 78.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Aufenthalts umgezogen ist und sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass er eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat hatte“.333 Zunächst kann hier der gewöhnliche Aufenthalt direkt nach dem Umzug wechseln, er muss es aber nicht zwingend. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles und entscheidend vom Willen des Betroffenen ab, sich in den neuen Rechtskreis zu begeben und dauerhaft in ihm zu leben. Für die Feststellung dieses Willens sind insbesondere die genannten objektiven Umstände maßgeblich. Wenn die überwiegenden Lebensinteressen weiterhin im Herkunftsstaat bestehen, spricht dies dafür, dass der Erblasser auch nicht die Absicht hatte, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den neuen Ansässigkeitsstaat zu verlegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erblasser seinen Auslandsaufenthalt nur für eine begrenzte Zeit geplant hatte334, wenn er die Absicht hatte, regelmäßig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren,335 und wenn noch eine soziale, familiäre, berufliche Verwurzelung im Herkunftsstaat erkennbar ist. Dieses Ergebnis wird unterstützt durch EG 23 S. 2 und 3 EuErbVO, nach dem insbesondere die „Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts“ berücksichtigt wird und nach dem der nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO bestimmte Aufenthalt insbesondere eine „besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen“ soll. Im Regelfall ist die Ausweichklausel also im Falle des „Todes kurz nach Umzug“ entbehrlich. Sie wäre in dem genannten Fall allerdings möglicherweise anwendbar, wenn die EuErbVO von einem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ausginge, der rein räumlich orientiert ist. In diesen Fällen müsste derjenige, der in ein anderes Land umzieht, trotz fortbestehender Bindungen zum vorherigen Aufenthaltsstaat zwingend bereits ab dem Umzug einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, zumindest wenn dieser dauerhaft sein soll. Eine rein räumliche Auslegung des Begriffs ist jedoch nicht angebracht, da die EG 23 und 24 Kriterien wie „Lebensmittelpunkt“ verwenden und eine „besonders enge und feste Bindung“ zu dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts fordern. Die genannte Fallgruppe kann die Existenz der Ausweichklausel damit nicht rechtfertigen. bb) In sonstiger Weise fortbestehende starke Bindung zum früheren Aufenthaltsstaat Der zweite in der Literatur genannte Fall ist der der fortbestehenden starken Bindung zum früheren Aufenthaltsstaat.336 Als Beispiel wird angeführt, dass eine Person, die sich außerhalb des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts befindet, dort
333 Dieser Fall wird auch in der Literatur als Anwendungsfall der Ausweichklausel gesehen: Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 21 EuErbVO, Rn. 32. 334 Vgl. bereits oben S. 112. 335 Was etwa durch Reisedokumente belegt werden kann. 336 Dörner, ZEV 2012, 505, 511.
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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verunglückt und aufgrund ihrer Transportunfähigkeit gezwungen ist, in dem neuen Staat ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen und dort verstirbt.337 Insbesondere dieser Fall zeigt die Vorzüge des hier vertretenen subjektiven Verständnisses des gewöhnlichen Aufenthalts. Versteht man den gewöhnlichen Aufenthalt als die autonome Entscheidung des Erblassers, sich in einen bestimmten Rechtskreis zu begeben und dauerhaft in ihm zu leben, wird bei einer (infolge Transportunfähigkeit) erzwungenen Anwesenheit in einem bestimmten Staat dort kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet. Die Ausweichklausel ist in diesem Fall nach dem hier vertretenen Verständnis entbehrlich, da von vornherein der gewöhnliche Aufenthalt im Herkunftsstaat bestehen bleibt. Dies ist selbst dann anzunehmen, wenn der Tod erst Jahre nach dem Unfall eintritt. Diese Auslegung wird auch von den Erwägungsgründen gestützt: EG 23 S. 2 EuErbVO legt fest, dass bei der Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts eine Gesamtbeurteilung „der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes“ vorzunehmen ist. Diese Gesamtbeurteilung erfordert, die einzelnen Verbindungspunkte des Erblassers zu dem einen oder anderen Staat zusammenzutragen und zu gewichten und aufgrund dieser Gewichtung zu dem Recht des Staates zu gelangen, zu dem der Erblasser die (offensichtlich oder nicht offensichtlich) engere Verbindung hat. Wenn im genannten Fall (und das wird auch eine „offensichtlich engere Verbindung“ nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO erfordern) alle sonstigen Bezugspunkte des Erblassers (wie Verwandte, Freunde, Vermögen, etc.) im Staat seines (bisherigen) gewöhnlichen Aufenthalts liegen, so wird man diesen auch weiterhin dort annehmen müssen. EG 24 S. 2 EuErbVO führt zudem aus, dass der gewöhnliche Aufenthalt im Herkunftsstaat sogar bestehen bleiben kann, wenn sich eine Person aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begibt, um dort zu arbeiten, dabei eine starke Bindung zu ihrem Herkunftsstaat beibehalten hat und sich dort in familiärer und sozialer Hinsicht ihr Lebensmittelpunkt befindet. M. E. hat der Erblasser bei einem berufsbedingten Wechsel sogar einen stärkeren Bezug zum neuen Staat als wenn er aufgrund seines Gesundheitszustands diesen nicht mehr verlassen kann. Im letzteren Fall dürfte daher der gewöhnliche Aufenthalt erst recht nicht wechseln. cc) Umzug der ganzen Familie aus beruflichen Gründen mit Rückkehrabsicht Überdies wird der Wechsel des Aufenthalts der gesamten Familie aus beruflichen Gründen mit Rückkehrabsicht und für eine von vornherein zeitlich begrenzte Dauer als Anwendungsfall der Ausweichklausel angeführt.338 Beispiel dafür ist der Erb337 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 21 EuErbVO, Rn. 33; vgl. auch Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVO, Rn. 19.5. 338 Dörner, ZEV 2012, 505, 511.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
lasser, der zwei Jahre vor seinem Tod als Diplomat oder als „Expat“ für eine festgelegte Zeit von drei Jahren in einen neuen Staat entsendet wird, in den er mit seiner Familie zieht. Die Rückkehr in den Herkunftsstaat nach Ablauf dieser Zeit ist von vornherein geplant. Dementsprechend behalten er und seine Familie während der gesamten Zeit starke Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat bei, in dem sich auch Nachlassgegenstände befinden. In diesem Fall wird für die Anwendung der Ausweichklausel angeführt, dass sie die Anwendung des sachnächsten Rechts ermögliche, obwohl der gewöhnliche Aufenthalt nach Abs. 1 gewechselt habe.339 Gleichzeitig ginge die Gerichtszuständigkeit nach Art. 4 und 64 EuErbVO nicht verloren.340 Die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats bleibt nämlich auch dann bestehen, wenn das Recht der engsten Verbindung Anwendung findet.341 Im Ergebnis wären damit die Gerichte des neuen Ansässigkeitsstaats zuständig, würden aber das Recht des Herkunftsstaats anwenden. Auch hier gilt jedoch, dass nach dem hier vertretenen Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts dieser sich bei einem Auslandsaufenthalt für eine zeitlich begrenzte Dauer nicht zwingend verschiebt, sondern im Herkunftsstaat bestehen bleiben kann.342 Dies ist abhängig vom Willen des Erblassers, sich in den neuen Rechtskreis zu begeben und dauerhaft in ihm zu leben, der durch die Bindungen zum jeweiligen Staat dokumentiert wird. Bestehen wie im Beispielsfall noch starke Bindungen zum Herkunftsstaat, sollte von einem gewöhnlichen Aufenthalt im Herkunftsstaat ausgegangen werden.343 Insbesondere dem Argument der internationalen Zuständigkeit ist entgegenzuhalten, dass der Vorteil der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt sowohl bei der Zuständigkeit (Art. 4 EuErbVO) als auch beim anwendbaren Recht (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) darin besteht, dass das zuständige Gericht das eigene nationale Recht anwendet (Gleichlauf von forum und ius). Aus diesem Grund wechselt die gerichtliche Zuständigkeit gemäß Artt. 6, 7 EuErbVO unter gewissen Voraussetzungen auch bei Rechtswahl des Erblassers zu den Gerichten des Landes, dessen Recht gewählt wurde. Die mit dem Gleichlauf von forum und ius verbundene Vereinfachung für die Gerichte sollte nicht ohne Not durch die Anwendung der Ausweichklausel ausgehöhlt werden. Die Anwendung des ausländischen Rechts ist für das entscheidende Gericht grundsätzlich kein Vorteil, sondern ein Nachteil.344 Der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts würde im Übrigen dazu führen, dass die Gerichte des Herkunftsstaats grundsätzlich nicht mehr zuständig sind. Insbesondere greift keine subsidiäre Zuständigkeit oder Notzuständigkeit nach Artt. 10 und 11 339
Dörner, ZEV 2012, 505, 511. Dörner, ZEV 2012, 505, 511. 341 Vgl. dazu im Einzelnen unten S. 256 ff. 342 Ähnlich auch Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVO, Rn. 19.4; a.A. wohl Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691, 701. 343 Vgl. schon oben S. 112. 344 Kritisch auch Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 362. 340
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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EuErbVO aufgrund der nach Art. 4 EuErbVO bestehenden Zuständigkeit eines Mitgliedstaats. Naheliegend ist aber, dass die Hinterbliebenen, ist der Umzug nur aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Erblassers erfolgt, nach dessen Tod in ihren Herkunftsstaat zurückkehren. Aufgrund der Unzuständigkeit der Gerichte im Herkunftsstaat müssten die Hinterbliebenen dann vor der zuständigen Stelle im Ausland zum Nachweis ihrer Erbenstellung im Inland ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragen. Die dafür zuständige Stelle könnte zudem nicht ihr eigenes Recht anwenden. Um diese Probleme zu vermeiden, sollte gelten: Der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts ist bei einem beruflichen Auslandsaufenthalt von zeitlich begrenzter Dauer mit Rückkehrabsicht in aller Regel nicht anzunehmen. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise, wenn überwiegende Elemente dafür sprechen, d. h. wenn aufgrund objektiver Lebensumstände der Wille des Erblassers erkennbar ist, dauerhaft im neuen Rechtskreis zu leben. dd) Umzug Demenzkranker bzw. Pflegefälle in einen anderen Staat aus Kostengründen Teilweise wird vertreten, dass die Ausweichklausel in Fällen anzuwenden sei, in denen bspw. ein Demenzkranker von seinen Angehörigen in ein Pflegeheim im Ausland gebracht wird, ggf. um Kosten zu sparen.345 In diesen Fällen wird jedoch in aller Regel der gewöhnliche Aufenthalt ebenfalls nicht wechseln, wenn man ihn als Mittelpunkt der Lebensinteressen (inklusive des Erfordernisses einer bewussten Entscheidung und einer besonders engen Bindung) versteht. Ist der Erblasser zur Willensbildung bzw. -äußerung nicht mehr in der Lage, ist der frühere Wille des Erblassers zu berücksichtigen.346 Zudem hat der Demenzkranke auch bei Unterbringung in einem ausländischen Pflegeheim i. d. R. noch seine Familie, Bekannte, Vermögen etc. in seinem Herkunftsstaat, was ebenfalls gegen einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts spricht. Auch hier lässt sich folglich ohne Ausweichklausel eine angemessene Lösung erzielen. ee) Dauerhafter Aufenthalt im Ausland trotz starker Bindungen zum Heimatstaat („Mallorca-Rentner“) In Betracht kommt die Anwendung der Ausweichklausel bei dauerhaft im Ausland lebenden Rentnern, die eine starke Verbindung zu ihrem Herkunftsstaat aufrecht erhalten („Mallorca-Rentner“). Hier ist jedoch nach den Umständen des Einzelfalles zu differenzieren:
345 Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 136; vgl. auch Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVO, Rn. 19.3. 346 Vgl. im Einzelnen oben S. 109 ff.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
In jedem Fall nicht zielführend ist ein „konsekutiv wechselnder“347 gewöhnlicher Aufenthalt, bspw. bei einem Mallorca-Rentner, der sechs Monate in Deutschland, sechs Monate auf Mallorca verbringt.348 Denn einerseits lässt sich in diesem Fall ein Lebensmittelpunkt feststellen, andererseits läuft der „turnusmäßige Wechsel“349 des Erbstatuts und der damit verbundene Zufall dem Erblasserwillen zuwider; dieser wird stets einen der Orte als Lebensmittelpunkt empfinden. Verbringt ein deutscher Rentner einen Teil des Jahres auf Mallorca, behält aber auch in Deutschland einen Wohnsitz, an dem er die restlichen Monate des Jahres verbringt, so bleibt der gewöhnliche Aufenthalt im Regelfall in Deutschland bestehen.350 Auch wenn soziale Kontakte ebenfalls auf Mallorca vorhanden sind, dürfte Deutschland nach dem Willen des Erblassers weiterhin als Lebensmittelpunkt anzusehen sein. Dort befindet sich regelmäßig zumindest ein Teil des Nachlassvermögens sowie zumindest ein Teil seiner Familie und Freunde. Ferner spricht für die Anwendung deutschen Rechts die deutsche Staatsangehörigkeit des Erblassers, die nach EG 24 S. 5 im Zweifelsfall sogar den Ausschlag geben kann, jedenfalls aber eines der zu berücksichtigenden Kriterien ist.351 Das Bestehenbleiben des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland ist m. E. in einem solchen Fall auch dann anzunehmen, wenn der Erblasser die überwiegende Zeit im Ausland verbringt. Wie bereits ausgeführt, sollte keine formal-zeitliche Betrachtungsweise zugrunde gelegt werden. Vielmehr sollte der durch objektive Umstände zu Tage getretene Wille des Erblassers, sich in einen bestimmten Rechtskreis zu begeben und dauerhaft in ihm zu leben, maßgeblich sein. Regelmäßig bestehen die Lebensinteressen überwiegend im Herkunftsstaat bzw. deuten die Umstände gerade nicht darauf hin, dass der Erblasser sich in den neuen Rechtskreis begeben wollte. Deshalb bleibt der gewöhnliche Aufenthalt im Herkunftsstaat bestehen. Auch die Ausweichklausel kommt zu keinem anderen Ergebnis. Problematisch ist insbesondere der von Süß genannte Fall352, in dem ein Ehepaar seit fünf Jahren (wohl ohne Rückkehrwille) dauerhaft auf Mallorca lebt, allerdings in einer „deutschen Community“, weiterhin seine familiären und finanziellen Interessen in Deutschland hat und jeden Sonntag die heimische „Welt am Sonntag“ bezieht. Süß ist der Auffassung, hier sei aufgrund des fehlenden Integrationsfaktors weiterhin Deutschland der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts.353
347
Mankowski, IPRax 2015, 39, 46. So aber Mankowski, IPRax 2015, 39, 45 und 46 a.E. 349 Mankowski, IPRax 2015, 39, 45 nimmt diesen aber an. 350 In diese Richtung auch Kränzle, S. 246 f.; vgl. zur Brüssel IIa-VO Staudinger/Spellenberg, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 60. 351 Vgl. auch Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 30 f. 352 Süß, ZErb 2009, 342, 344. 353 Allerdings in Bezug auf den Kommissionsentwurf, der noch keine Ausweichklausel vorsah. 348
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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Im Falle der dauerhaft auf Mallorca lebenden Rentner verbieten sich ebenfalls pauschale Lösungen; vielmehr sind in einem solchen Fall die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Im Regelfall bringt ein Ehepaar, das sich entschließt, seinen Lebensabend dauerhaft auf Mallorca zu verbringen und dorthin umzieht, regelmäßig seinen Willen zum Ausdruck, dort auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen, wenn nicht Umstände, wie das Bestehenbleiben eines Wohnsitzes in Deutschland, familiäre und soziale Beziehungen in Deutschland o.Ä. für einen abweichenden Willen sprechen.354 So liegt es in folgendem Beispiel: Ein deutsches kinderloses Ehepaar fährt seit mehreren Jahren regelmäßig nach Mallorca in die eigene Ferienwohnung in den Urlaub und hat aufgrund der regelmäßigen Aufenthalte dort viele soziale Kontakte. Nach dem Eintritt in das Rentenalter entschließt sich das Ehepaar, seinen deutschen Wohnsitz aufzugeben, verkauft sein Haus in Deutschland und zieht dauerhaft nach Mallorca. Die sozialen Kontakte in Deutschland beschränken sich ab diesem Zeitpunkt auf unregelmäßige Telefonate; familiäre Beziehungen zu Deutschland bestehen nicht. Auf Mallorca ist das Ehepaar demgegenüber sozial integriert, in Vereinen aktiv etc. In einem solchen Fall ist regelmäßig von einem gewöhnlichen Aufenthalt auf Mallorca auszugehen. Nicht überzeugen kann hier die Begründung von Süß, dass der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland fortbesteht, weil das Ehepaar in einer „deutschen Community“ lebt und eine deutsche Zeitung bezieht.355 Die Anknüpfung orientiert sich nicht etwa statt wie bisher an der Staatsangehörigkeit des Erblassers nun an der Staatsangehörigkeit der Personen im Umfeld des Erblassers.356 Es kommt vielmehr darauf an, in welchem Staat sich dieses Umfeld befindet, und die „deutsche Community“ lebt auf Mallorca. Dennoch ist Süß im Ergebnis zumindest in dem Fall zu folgen, in dem der Erblasser den Willen hatte, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nicht aufzugeben, wenn sich dies (wie im von Süß genannten Fall) auch durch objektive Umstände belegen lässt. Wenn bspw. die Familie des Erblassers sich weiterhin in Deutschland befindet, er dort auch noch soziale Kontakte hat, er regelmäßig zu Besuchen zurückkehrt o.Ä., bleibt der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland bestehen. Der Wille ist also insoweit entscheidend, als er sich durch objektive Umstände untermauern lässt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt kann folglich, den entsprechenden durch objektive Umstände belegten Willen vorausgesetzt, auch dann bestehen bleiben, wenn die physische Präsenz im betreffenden Staat Jahre zurückliegt. Insoweit besteht hier eine Parallele zu den Fällen der Erblasser, die zur Willensbildung bzw. -äußerung nicht mehr in der Lage sind.357
354
Vgl. auch Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691, 700. A.A. offenbar Beck-OGK/Schmidt, Art. 4 EuErbVO, Rn. 32.1. 356 Vgl. zur Brüssel IIa-VO Staudinger/Spellenberg, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 90: „Ein neu zugezogener Türke ist durchaus dann hier integriert, wenn er Kontakte zu ansässigen Türken hat“. 357 Vgl. oben S. 109 ff. 355
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
In der Fallgruppe der „Mallorca-Rentner“ ist die Ausweichklausel jedenfalls nicht erforderlich und führt zu keinem abweichenden Ergebnis als die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt. Mit diesem lassen sich nach dem hier vertretenen Verständnis vielmehr angemessene Ergebnisse erzielen. ff) Tod unmittelbar vor geplantem Aufenthaltswechsel Ein Anwendungsfall der Ausweichklausel liegt allerdings vor, wenn der Erblasser unmittelbar vor seinem geplanten Aufenthaltswechsel verstirbt. So liegt es etwa, wenn der Erblasser den Wechsel seines gewöhnlichen Aufenthalts plant, bereits erhebliche Bindungen zu seinem geplanten Aufenthaltsstaat bestehen und er kurz vor dem Umzug verstirbt. Die Bindungen könnten sich bspw. daraus ergeben, dass sich bereits Ehefrau, zukünftige Arbeitsstelle, und eine kürzlich erworbene Immobilie im neuen Staat befinden358, der Erblasser aber, etwa weil er länger in diesem keine Arbeit gefunden hat, zunächst im Herkunftsstaat verbleiben musste. Auch hier könnte man argumentieren, der gewöhnliche Aufenthalt habe bereits gewechselt. Angeführt werden könnte dafür etwa, dass der Erblasser aufgrund der starken Bindungen zum „neuen“ Staat (Ehefrau, Immobilie, zukünftige Arbeitsstelle) bereits seinen Willen zur neuen Aufenthaltsbegründung in objektiv erkennbarer Weise zum Ausdruck gebracht habe. Folge davon wäre, dass die Ausweichklausel entbehrlich wäre. Problematisch ist dabei jedoch, dass das Erfordernis einer physischen Präsenz im betreffenden Staat vollkommen aufgegeben würde, denn es hat in diesem Fall nicht einmal ein Wechsel des schlichten Aufenthalts stattgefunden. Die Bejahung des gewöhnlichen Aufenthalts ohne Vorliegen einer (früheren) physischen Präsenz in einem Staat entfernt sich m. E. so weit von der ursprünglichen Wortbedeutung, dass sie nicht mehr sachgerecht erscheint. Das spricht dafür, hier den gewöhnlichen Aufenthalt im Herkunftsstaat bestehen zu lassen. Bei ausreichend starker Bindung zum neuen Staat (wie im Beispielsfall) wäre dann m. E. die Anwendung der Ausweichklausel angemessen. gg) Grenzpendler Die Ausweichklausel kann ebenfalls anwendbar sein bei einem aus einer Grenzregion stammenden Grenzpendler. Auch das hängt allerdings von den Umständen des Einzelfalles ab. Anwendbar ist sie etwa im o.g.359 Fall des kinderlosen Deutschen, der wegen günstigerer Lebenshaltungskosten seit zehn Jahren in den Niederlanden wohnt, aber in Deutschland arbeitet, die allermeisten sozialen Kontakte hat und dort viel Zeit verbringt. Auch hier weisen die überwiegenden Lebensinteressen auf einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hin, es fehlt aber an einer physischen Präsenz. In Betracht käme hier zwar, diese physische Präsenz in 358 359
Nach Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 21 EuErbVO, Rn. 34. Siehe S. 78.
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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Deutschland deshalb anzunehmen, weil der Erblasser dort arbeitet und sonst viel Zeit verbringt. M. E. gebietet jedoch die Wortbedeutung auch hier, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt ausgeschlossen ist, wenn der Erblasser am betreffenden Ort überhaupt keine (auch keine frühere) dauerhafte Niederlassung hatte. Dafür spricht auch die Aussage des EG 24 S. 4, dass die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts schwierig sein kann, wenn der Erblasser von Staat zu Staat gereist ist, „ohne sich dauerhaft niederzulassen“. Im Beispielsfall ist jedoch die Anwendung der Ausweichklausel angemessen. Das vom Anknüpfungskriterium „gewöhnlicher Aufenthalt“ verfolgte Ziel, das Recht des Staates zur Anwendung zu bringen, in dessen Rechtskreis sich der Erblasser bewusst begeben hat, kommt hier an seine Grenzen. Abgesehen von dem Wohnsitz des Betroffenen in den Niederlanden besteht kein sonstiges Element, das eine enge Beziehung zu diesem Land begründet. Im Gegensatz dazu bestehen weit überwiegende Bezugspunkte zu Deutschland. Das lässt die Anwendung der Ausweichklausel angemessen erscheinen. b) Weitere Thesen der Literatur zur Funktion der Ausweichklausel aa) Ausweichklausel zur Berücksichtigung „spezifisch erbrechtlicher Gesichtspunkte“? Teilweise wird angeführt, die Existenz der Ausweichklausel sei damit zu rechtfertigen, dass sie eine einheitliche, mithin nicht-erbrechtsspezifische Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts in Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ermögliche.360 Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts sei demnach einheitlich für das europäische Kollisionsrecht auszulegen. Die Ausweichklausel solle dann dazu benutzt werden, „spezifisch erbrechtliche Gesichtspunkte“361 zu berücksichtigen.362 Das Problem ist verwandt mit der im Rahmen der Rom I-VO diskutierten Frage, ob bei der dortigen Ausweichklausel nur Umstände berücksichtigt werden sollten, die auf den Leistungsaustausch bezogen sind.363 Vergleichbar ist die o.g. Forderung nach Berücksichtigung „spezifisch erbrechtlicher Gesichtspunkte“ insofern, als dass bei der Rom I-VO ebenfalls gefordert wird, bei der Ausweichklausel auf den Rechtsbereich zugeschnittene Umstände zu berücksichtigen. Nach der in Bezug auf die EuErbVO genannten Interpretation ist allerdings die Regelanknüpfung die allgemeine Regelung (und gerade nicht erbrechtsspezifisch), die Ausweichklausel soll dann erbrechtsspezifische Besonderheiten berücksichtigen. Im Rahmen der Rom IVO ist im Unterschied dazu der Sinn und Zweck der Regelanknüpfung bereits auf das 360
Dörner, ZEV 2012, 505, 510 f.; Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 5. Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 5. 362 Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 5; in diese Richtung geht auch das Beispiel Schmidts in Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVO, Rn. 19.1. 363 Vgl. oben S. 123. 361
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
„Zentrum des Leistungsaustauschs“ des Vertrags abgestimmt und damit „vertragsspezifisch“, und dieser Sinn und Zweck schlägt (nach der genannten Auffassung) auf die Ausweichklausel durch. Wie bereits ausgeführt, sollte der gewöhnliche Aufenthalt nach der hier vertretenen Auffassung bereits nach dem Sinn und Zweck der EuErbVO und gerade nicht einheitlich für das EuIPR interpretiert werden, da es um den Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ geht. Die hier vertretene Auffassung widerspricht der genannten These demnach bereits bei der Regelanknüpfung. Es stellt sich dennoch die Frage, ob „spezifisch erbrechtliche Gesichtspunkte“ die Anwendung der Ausweichklausel begründen können, etwa, wenn sie die sonstigen Umstände überwiegen. Unklar ist jedoch bereits, was unter den „spezifisch erbrechtlichen Gesichtspunkten“ zu verstehen ist; der Begriff wird nicht präzisiert. M. E. kämen nur solche Umstände in Betracht, die sich gerade nicht an der Person des Erblassers orientieren, etwa der Belegenheitsort der Nachlassgegenstände, der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt der Erben oder deren Staatsangehörigkeit. So läge es etwa in folgendem Fall: Ein deutscher Erblasser zieht zwei Jahre vor seinem Tod von Deutschland aus beruflichen Gründen und auf unbestimmte Zeit nach Frankreich. Er ist ledig und hat keine Kinder, sein berufliches und soziales Zentrum verschiebt sich in den zwei Jahren nach Frankreich, nach seinem Willen besteht dort sein Lebensmittelpunkt. Außer einem Bankkonto hat er in Frankreich allerdings keinerlei Vermögen. In Deutschland verfügt er über zahlreiche Liegenschaften, erhebliches Kontovermögen und ist außerdem an einer in Deutschland ansässigen GmbH beteiligt. Alle (potenziellen) Erben sind deutsch, haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und keinerlei Bezug zu Frankreich. Die überwiegenden Lebensinteressen des Erblassers und damit sein gewöhnlicher Aufenthalt bestehen hier in Frankreich. Demgegenüber liegen verschiedene Umstände, die man als „spezifisch erbrechtlich“ ansehen kann, in Deutschland. Wenn über die Ausweichklausel insbesondere diese „spezifisch erbrechtlichen Gesichtspunkte“ berücksichtigt oder diese gar bevorzugt würden, wäre wohl deutsches Recht anwendbar.364 Dagegen sprechen jedoch die folgenden Erwägungen: Die Ausweichklausel ist nicht zu dem Zweck eingeführt worden, erbrechtsspezifischen Kriterien vor anderen bei der Regelanknüpfung zu berücksichtigenden Kriterien den Vorzug zu geben. Sie erfordert nach ihrem Wortlaut vielmehr, dass die Gesamtheit der Umstände auf das vom Recht des gewöhnlichen Aufenthalts abweichende Recht hindeutet. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich, dass die Ausweichklausel in den Verordnungstext integriert worden ist, weil Bedenken bestanden, dass in seltenen Ausnahmefällen die Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts „zu unfairen Ergebnissen“365 führen könnte. Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass solche Fälle tatsächlich bestehen können, 364
Fall. 365
Dafür offenbar Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVO, Rn. 19.1 in einem ähnlichen Ratsdokument Nr. 8446/11, S. 5.
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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wenn mangels (vorheriger) physischer Präsenz ein gewöhnlicher Aufenthalt im Staat der überwiegenden Lebensinteressen ausscheidet. Eine engere Verbindung ergibt sich auch in diesen Fällen jedoch aus der Gesamtheit der Lebensumstände. Dafür spricht auch EG 25 EuErbVO. Er beschreibt als potenziellen Fall der Ausweichklausel, dass der Erblasser kurz nach seinem Umzug gestorben ist und die Gesamtheit der Umstände eine engere Verbindung begründen. Daraus folgt, dass eine engere Verbindung nicht allein aufgrund erbrechtlicher Besonderheiten bestehen kann. Darüber hinaus widerspricht die Bevorzugung „spezifisch erbrechtlicher Gesichtspunkte“ der grundsätzlichen Ausrichtung der EuErbVO. Bei den im Rahmen der Ausweichklausel zu berücksichtigenden Elementen handelt es sich um erblasserzentrierte Elemente. Die „spezifisch erbrechtlichen Gesichtspunkte“ sind jedoch solche, die die sonstigen Nachlassbeteiligten betreffen. Bei einem internationalen Erbfall können generell die unterschiedlichsten Interessen miteinander konkurrieren: diejenigen des Erblassers, die der sonstigen Nachlassbeteiligten, wie z. B. der (potenziellen) Erben, Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigten. So bevorzugt der Erblasser möglicherweise die Geltung englischen Rechts, weil er einen der (potenziellen) gesetzlichen Erben vollständig von der Erbschaft ausschließen will. Der (nach deutschem Recht) Pflichtteilsberechtigte wünscht demgegenüber die Geltung deutschen Rechts. Ein weiterer (möglicher) Erbe hofft auf die Geltung seines französischen Heimatrechts, weil er dieses am besten kennt. Ein weiterer (potenzieller) Erbe will italienisches Recht angewendet wissen, weil er in Italien wohnt und dort ein Teil der Vermögensgegenstände des Erblassers belegen ist. Manche den Erblasser oder den Nachlass betreffende Kriterien werden von der EuErbVO als schützenswert angesehen, andere nicht. Dieser Schutz wird durch bestimmte Mechanismen realisiert. EG 38 EuErbVO erläutert bspw., dass die Rechtswahlmöglichkeit auf das Staatsangehörigkeitsrecht des Erblassers beschränkt ist, um zu vermeiden, dass eine Rechtswahl in der Absicht erfolgt, die „berechtigten Erwartungen der Pflichtteilsberechtigten“ zu vereiteln.366 Pflichtteilsberechtigte werden also durch eine Beschränkung der Rechtswahl auf das Heimatrecht des Erblassers geschützt. Diesen Schutzgedanken kann man auch darin sehen, dass bei objektiver Anknüpfung ein gewöhnlicher Aufenthalt nur bei einer „besonders enge [n] und feste[n] Bindung zu dem betreffenden Staat“ (EG 23 S. 3 EuErbVO) begründet werden kann. Die genaue Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts orientiert sich jedoch nicht an diesem Schutzgedanken. Dort geht es (u. a.) um den Lebensmittelpunkt des Erblassers in familiärer Hinsicht, nicht aber in Hinblick auf die (potenziellen) Erben oder Pflichtteilsberechtigten. Zu den Familienangehörigen gehören u. U. auch die Erben und Pflichtteilsberechtigten, auf diese Eigenschaft wird aber nicht abgestellt. Aus der bisherigen Untersuchung ergibt sich vielmehr, dass die EuErbVO das anwendbare Erbrecht erblasserzentriert bestimmt („Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt des Todes“, „Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers“, „besonders enge und feste 366
Vgl. dazu im Einzelnen unten S. 158.
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Bindung [des Erblassers] zu dem betreffenden Staat“, „familiärer und sozialer Lebensmittelpunkt“, „Staatsangehörigkeit“).367 Einzige Ausnahme davon ist die Berücksichtigung der Nachlassgegenstände. Diese Konzentration auf den Erblasser setzt sich auch bei der Ausweichklausel fort, denn der Erblasser selbst muss die „offensichtlich engere Verbindung“ zum anderen Staat haben. Alle sonstigen erbrechtlichen Besonderheiten orientieren sich aber an anderen Personen als der des Erblassers. Im genannten Fall sind das bspw. der Aufenthaltsort der Erben und der Pflichtteilsberechtigten, die Nachlassgegenstände, die Beteiligung an der deutschen GmbH. Die Berücksichtigung erbrechtlicher Besonderheiten im Rahmen der Ausweichklausel widerspricht also der grundsätzlichen Ausrichtung der EuErbVO. Selbst wenn man – angelehnt an die Rom I-VO – vertritt, die Ausweichklausel müsse sich auch an der Regelanknüpfung orientieren, setzt sich im Rahmen der Ausweichklausel nur die Tendenz der erblasserzentrierten Bestimmung des anwendbaren Rechts fort. Entscheidender Unterschied zwischen Art. 4 Abs. 3 Rom IVO und Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ist zudem, dass ersterer auf die offensichtlich engere Verbindung des Vertrags abstellt, letzterer auf die offensichtlich engere Verbindung des Erblassers zu einem bestimmten Staat. Die Rom I-VO orientiert sich also an dem Objekt, die EuErbVO am Subjekt des Rechtsverhältnisses. Verträte man angelehnt an die genannte Auffassung zur Rom I-VO, dass bei Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ausschließlich die erbrechtsspezifischen Besonderheiten maßgeblich sind, diese sich also durchsetzen, so setzte man sich über den Wortlaut des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO hinweg. Denn statt der engeren Verbindung des Erblassers zu einem Staat wäre maßgeblich, ob (angelehnt an den Vertrag) der Erbfall eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. Das widerspricht aber dem Wortlaut und ist deshalb abzulehnen. Der Begriff „spezifisch erbrechtliche Gesichtspunkte“ könnte aber auch so zu interpretieren sein, dass der gewöhnliche Aufenthalt eine weniger starke Bindung des Erblassers zum betreffenden Staat erfordert als hier vertreten, sodass auch ohne eine starke Bindung ein gewöhnlicher Aufenthalt in einem Staat begründet werden kann. Die engere Verbindung zu einem anderen Staat würde sich dann aber im Rahmen der Ausweichklausel (als Besonderheit des internationalen Erbrechts) durchsetzen.368 Dem ist jedoch bereits aus den beim Aufenthaltsbegriff genannten Gründen369 nicht zu folgen. M.E. ist die Begründung des Anwendungsbereichs des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO mit der Berücksichtigung erbrechtlicher Besonderheiten daher nicht haltbar.
367
Nicht geteilt werden kann daher die Auffassung Kränzles (S. 241), nach dem der Sitz der Erben (soweit auf ihre Funktion als Erben abgestellt wird) ein Indiz zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts darstellen kann. 368 In diese Richtung wohl Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 7. 369 Vgl. oben S. 90.
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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bb) Ausweichklausel bei anderer Gewichtung der Aufenthaltskriterien? Im Anschluss daran stellt sich die Frage, ob alle Kriterien, die im Rahmen des gewöhnlichen Aufenthalts berücksichtigt wurden, im Rahmen der Ausweichklausel erneut, – wenn ja, wie – berücksichtigt werden können. Schmidt hat die These vertreten, die im Rahmen der Ausweichklausel zu berücksichtigenden Kriterien seien auch diejenigen, die der bei Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts heranzuziehen sind.370 Im Rahmen der Ausweichklausel könnten aber zudem noch zusätzliche Faktoren herangezogen werden und die bereits berücksichtigten Faktoren anders gewichtet werden.371 So ginge es im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO um „die örtliche Radizierung des Erblassers, die Verortung seines Lebensmittelpunktes“.372 Art. 21 Abs. 2 EuErbVO regele Fälle, „in denen der gewöhnliche Aufenthalt in diesem Sinne zwar in Staat A zu verorten ist, der Erblasser aber ausnahmsweise gleichwohl eine offensichtlich engere Verbindung zu Staat B hatte, die aber eben gerade nicht aus einer besonders engen und festen örtlichen Beziehung und Radizierung besteht, sondern sich auch aus anderen Faktoren ergibt“.373 Dem ist nach der hier vertretenen Auffassung im Ansatz zuzustimmen, und zwar insoweit, als dass die Ausweichklausel bei fehlender örtlicher Präsenz des Erblassers im Staat seiner überwiegenden Lebensinteressen anzuwenden ist. Nicht geteilt werden kann allerdings die Ansicht, dass bei der Ausweichklausel zusätzliche Faktoren berücksichtigt werden können, die bei der Regelanknüpfung unberücksichtigt bleiben. Insoweit ergibt sich aus den Ausführungen Schmidts auch nicht, welche konkreten Umstände in Betracht kommen sollten. Mangels ersichtlicher Alternativen liefe das darauf hinaus, die genannten „erbrechtsspezifischen Besonderheiten“374 im Rahmen der Ausweichklausel zu berücksichtigen, was aber – aus den dargelegten Gründen – abzulehnen ist. Insbesondere der von Schmidt genannte Fall375 des (wohl deutschen) Erblassers, der eine Chinesin heiratet, mit ihr nach Shanghai zieht und dort ein Haus kauft, wo er auch eine Stelle bei einem chinesischen Unternehmen antritt und einen Monat nach dem Umzug verstirbt, ist gerade kein Fall der Ausweichklausel.376 Ob hier der gewöhnliche Aufenthalt gewechselt hat, lässt sich pauschal nicht beantworten, sondern 370
Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVO, Rn. 16. Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVO, Rn. 16. 372 s. Fn. 371. 373 s. Fn. 371. 374 Vgl. dazu oben S. 137. In diese Richtung geht das Beispiel des Mallorca-Rentners in Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVO, Rn. 19.1, in dem sie bei einem dauerhaft auf Mallorca lebenden, dort sozial integrierten Rentner, der Gesellschaftsbeteiligungen und Immobilien in Deutschland hat, eine offensichtlich engere Verbindung zu Deutschland für möglich hält. Das ist abzulehnen. 375 Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVORn. 18.1. 376 Vgl. dazu oben die Fallgruppe des „Todes kurz nach Umzug“, S. 129. 371
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
ist eine Frage des Einzelfalles. Jedenfalls kommt hier aber die Ausweichklausel nicht zu einem anderen Ergebnis als die Regelanknüpfung, sie verweist vielmehr nach China, sobald es auch der gewöhnliche Aufenthalt tut. Es bleibt also dabei, dass die bei der Ausweichklausel zu berücksichtigenden Elemente denen des gewöhnlichen Aufenthalts grundsätzlich entsprechen, jedoch keine physische Präsenz des Erblassers im Staat der engeren Verbindung erforderlich ist. cc) Ausweichklausel bei fehlender Interessengerechtigkeit der Regelanknüpfung? Burandt hat die These vertreten, dass die Ausweichklausel anwendbar sei, wenn das nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO bezeichnete Recht „nicht geeignet bzw. sach- und interessengerecht“377 ist. Dies ist angesichts des Gebots der kollisionsrechtlichen Neutralität problematisch. Auch im Rahmen der Rom-Verordnungen wird ein better law approach, d. h. die Anwendung der Ausweichklausel in Abhängigkeit von materiell-rechtlichen Ergebnissen, kritisch beurteilt.378 Für die EuErbVO gilt nichts anderes.379 Es ist nicht Aufgabe des IPR, materiell-rechtlich gerechte Ergebnisse zu erzielen (etwa durch die Nichtanwendung eines Rechts, das keinen Pflichtteil kennt380), sondern kollisionsrechtlich den Sitz des Rechtsverhältnisses zu ermitteln. Im Übrigen greift bei untragbaren Ergebnissen der ordre public (Art. 35 EuErbVO). Insoweit ist die Lösung der Rom I und Rom II-VO zu übertragen. dd) Ausweichklausel zur Wahrung des Gleichlaufs von forum und ius? Schmidt hat erwogen, die Ausweichklausel anzuwenden, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hatte, die Gerichte eines Mitgliedstaats aber nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO zuständig sind.381 Eine solche Zuständigkeit besteht, wenn sich Nachlassvermögen im Mitgliedstaat befindet und der Erblasser entweder Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats war oder innerhalb der letzten fünf Jahre im Mitgliedstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Schmidt führt aus, in einem solchen Fall bestünden ganz erhebliche Bezugspunkte zum Forumstaat.382 Durch die Anwendung der Ausweichklausel würde ein Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht erzielt, was erklärtes Ziel der 377
FuR 2013, 377, 382. Vgl. zur Rom II-VO v. Hein, in: FS Kropholler, S. 553, 565. 379 So schon Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVO, Rn. 15; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 21 EuErBVO, Rn. 27. 380 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 21 EuErbVO, Rn. 27. 381 Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 Rom I-VO, Rn. 19.2. 382 Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 Rom I-VO, Rn. 19.2. 378
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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Verordnung sei.383 Jedoch sei auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, von der Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO sei jedenfalls nicht automatisch auch auf die Anwendung der Ausweichklausel zu schließen.384 Auch wenn Schmidt auf die Umstände des Einzelfalls abstellen will, ist die Verbindung des Art. 21 Abs. 2 mit Art. 10 Abs. 1 EuErbVO problematisch. Den Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht realisiert der Gesetzgeber primär durch gleiche Anknüpfungskriterien, die hier nicht gegeben sind. Im Falle der Ausweichklausel hat er ihn zudem generell nicht realisiert.385 Dass allgemein „ganz erhebliche Bezugspunkte zum Forumstaat“386 bestehen, weil der Erblasser früher dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und sich dort noch Nachlassvermögen befindet (ein Bankkonto würde genügen!), ist zu bezweifeln. Auch wenn der Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht ein Vorteil ist, kann er nicht in Normen hineingelesen werden, in denen er nicht angeordnet wird. Deshalb ist bei Art. 10 Abs. 1 EuErbVO genauso wie im Fall des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Mitgliedstaat genau zu prüfen, ob tatsächlich überwiegende Bindungen zum Formstaat bestehen. c) Zusammenfassung Der Anwendungsbereich der Ausweichklausel hängt von den Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ab. Verstünde man den gewöhnlichen Aufenthalt als rein räumliches Kriterium, so wäre die Ausweichklausel in allen untersuchten Fallgruppen aufgrund der starken Bindung zu einem anderen Staat anzuwenden. Der europäische Gesetzgeber geht jedoch nicht von einer rein räumlichen Definition aus und versteht ihn als Lebensmittelpunkt (EG 24 S. 3 EuErbVO) inklusive des Erfordernisses einer „besonders enge[n] und feste[n] Bindung“ (EG 23 S. 3 EuErbVO). Es ist nicht zu Unrecht betont worden, dass der Verordnungsgeber sich von der eigentlichen Bedeutung des Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“ entfernt hat.387 Diese Entscheidung ist jedoch – auch wenn sie sich nur aus den Erwägungsgründen ergibt – hinzunehmen.388 Dies hat zur Folge, dass auch ein Erblasser, der sich für längere Zeit in einen anderen Staat begibt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Herkunftsstaat beibehalten kann, wenn zu diesem noch starke Bindungen bestehen (vgl. EG 24 EuErbVO). Das 383
Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 Rom I-VO, Rn. 19.2. Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 Rom I-VO, Rn. 19.2. 385 Vgl. im Einzelnen unten S. 257. 386 Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 Rom I-VO, Rn. 19.2. 387 So geht Khairallah, in: Khairallah/Révillard (2013), Rn. 116, davon aus, dass das Anknüpfungskriterium der EuErbVO in Wirklichkeit das des Mittelpunkts der Lebensinteressen ist. 388 Vgl. aber Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 15, die die methodische Bedeutsamkeit der Erwägungsgründe als gering einstuft. 384
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
beschränkt den Anwendungsbereich der Ausweichklausel stark. Bezeichnend dafür, dass die allermeisten Fälle der Ausweichklausel schon durch die Kriterien des gewöhnlichen Aufenthalts abgedeckt sind, ist die Kombination von EG 23 EuErbVO (Sätze 2 und 3) und Art. 21 Abs. 2 EuErbVO. Ersterer spricht davon, dass der gewöhnliche Aufenthalt eine besonders enge und feste Bindung zum betreffenden Staat erkennen lassen soll; letzterer legt fest, dass die Ausweichklausel anwendbar ist, wenn eine engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts bestehen soll. Das stellt im Ausgangspunkt einen Widerspruch dar; dass die engere Verbindung auch noch offensichtlich sein muss, scheint den Widerspruch auf die Spitze zu treiben. In der Tat bleibt der Anwendungsbereich der Ausweichklausel aufgrund der umfassenden Berücksichtigung aller möglicherweise relevanten Kriterien beim gewöhnlichen Aufenthalt stark begrenzt. Dies gilt insbesondere auch aufgrund der hier vertretenen subjektiven Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts, die auch bei einer längeren Abwesenheit dazu führen kann, dass er im jeweiligen Staat fortbesteht. Wie gezeigt sind jedoch Anwendungsfälle denkbar, wenn mangels physischer Präsenz des Erblassers im Staat der überwiegenden Lebensinteressen in diesem kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden kann, die Anwendung des Rechts dieses Staates aber angemessen erscheint. In diesem Fall ist die Ausweichklausel anwendbar. Nicht haltbar ist die Anwendung der Ausweichklausel aufgrund von „erbrechtsspezifischen Besonderheiten“. Diese werden zum einen bereits beim gewöhnlichen Aufenthalt berücksichtigt, zum anderen muss sich die für die Ausweichklausel erforderliche „engere Verbindung“ aus der Gesamtheit der Umstände ergeben. Im Übrigen müssen die für die Ausweichklausel relevanten Umstände erblasserbezogen sein, die „erbrechtsspezifischen Besonderheiten“ sind dies gerade nicht. Diese Auslegung ergibt sich auch aus dem Vergleich zur Rom I-VO, bei der die Regelanknüpfung am Objekt des Rechtsverhältnisses, nämlich dem Vertrag orientiert ist, wohingegen sich die EuErbVO am Subjekt des Rechtsverhältnisses, dem Erblasser, ausrichtet. Nicht haltbar ist die Anwendung der Ausweichklausel aufgrund einer anderen Gewichtung der bereits beim gewöhnlichen Aufenthalt zugrunde gelegten Kriterien bzw. aufgrund der Berücksichtigung zusätzlicher Kriterien. Das widerspricht zum einen der Anordnung der EuErbVO, bereits beim gewöhnlichen Aufenthalt alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zum anderen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine andere Gewichtung der Lebensumstände im Rahmen der Ausweichklausel nahe legen würden. Stattdessen bleibt es dabei, dass die Ausweichklausel ausnahmsweise bei fehlender physischer Präsenz des Erblassers im Staat seiner überwiegenden Lebensinteressen anzuwenden ist. Der Aussage, die Ausweichklausel sei bei fehlender Interessengerechtigkeit der Regelanknüpfung anzuwenden, ist zwar im Grundsatz zuzustimmen. Vorsicht geboten ist allerdings insofern, als damit keine materiell-rechtlichen Wertungen verbunden sein dürfen. Die fehlende Interessengerechtigkeit muss sich aus der feh-
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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lenden Nähe des Erblassers zur betreffenden Rechtsordnung ergeben, ein sog. better law approach ist abzulehnen. Grundsätzlich kritisch zu betrachten ist die Verbindung der Ausweichklausel mit der Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO (Gleichlauf von forum und ius). In einem solchen Fall bedarf es – genau wie in jedem anderen Fall – der genauen Prüfung, ob tatsächlich überwiegende Anhaltspunkte für das Recht des Forumstaats sprechen. Dafür spricht jedenfalls nicht, dass dieses Recht für das zuständige Gericht einfacher zu handhaben ist. Ein Gleichlauf ist nur dort anzustreben, wo er von der Verordnung gefordert wird und möglich ist. Entgegenzutreten ist auch der generellen Aussage, Nachlassgegenstände und Staatsangehörigkeit oder früherer gewöhnlicher Aufenthalt im Forumstaat würden „ganz erhebliche Bezüge“ zu diesem begründen. Diese Aussage ist zu pauschal, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Bankkonto als Nachlassvermögen i.S.d. Art. 10 Abs. 1 EuErbVO genügt. Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich zusammenfassend: Grundanknüpfung (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) und Ausweichklausel (Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) verfolgen das gleiche Leitmotiv, nämlich die Berücksichtigung der autonomen Entscheidung des Erblassers (sein Wille), sich in einen bestimmten Rechtskreis zu begeben und dauerhaft in ihm zu leben, die sich durch objektive Kriterien manifestiert. Bei Grundanknüpfung und Ausweichklausel handelt es sich um Möglichkeiten der Feststellung dieses Willens, wobei der Ausweichklausel die Aufgabe zukommt, trotz fehlender physischer Präsenz in einem Staat das dortige Recht zur Anwendung zu berufen. Insoweit hat die Ausweichklausel auch die Funktion, unangemessene Ergebnisse zu vermeiden. Hintergrund dieser Anknüpfung ist nichts anderes als die Feststellung des Sitzes des Rechtsverhältnisses Erbfolge, also die Feststellung der engsten erbrechtlichen Verbindung des Erblassers zu einem Staat.
III. Zusammenfassung und Stellungnahme zur Kohärenz des EuIPR Zunächst ist festzustellen, dass die Kohärenz der Gesetzgebung des europäischen IPR hinsichtlich der Ausweichklauseln begrenzt ist. Ausweichklauseln sind zwar ein regelmäßig vorkommendes Instrument (Rom I-VO, Rom II-VO, EuErbVO, HUntProt), jedoch kein stringentes Prinzip im Rahmen der europäischen Gesetzgebung. Die Rom III-VO und auch der EuGüVO-E sehen keine Ausweichklauseln vor. Das Fehlen einer Ausweichklausel ist insbesondere im Rahmen der Anknüpfung des Art. 8 Rom III-VO problematisch. Das in der Praxis durchaus häufiger vorkommende Beispiel einer gemischt-nationalen Ehe hat gezeigt, dass die Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO häufig nicht das Recht der engsten Verbindung zur Anwendung bringt. Hier hätte der Gesetzgeber eine Ausweichklausel vorsehen müssen. Auch im Rahmen des Ehegüterrechts lässt sich durchaus ein Bedürfnis für eine Ausweichklausel begründen, insbesondere bei der (u. U. recht zufälligen) An-
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
knüpfung an das Recht des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 17 Abs. 1 lit. a EuGüVO-E). In beiden Verordnungen werden die genannten Probleme durch die Möglichkeit einer (nachträglichen) Rechtswahl abgemildert; das generelle Bedürfnis für eine Ausweichklausel lässt diese indes nicht entfallen. Hier wäre eine größere Kohärenz des europäischen IPR wünschenswert gewesen. Eine Kohärenz zwischen den Ausweichklauseln besteht in ihrer Ratio. Die untersuchten Fallgruppen haben gezeigt, dass die Ausweichklausel der EuErbVO anwendbar ist, wenn sich ein gewöhnlicher Aufenthalt im Staat der überwiegenden Lebensinteressen mangels physischer Präsenz des Erblassers nicht begründen lässt, das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts also seinen Zweck verfehlt, das Recht der engsten Verbindung zur Anwendung zu bringen. Wie bereits dargelegt, verfolgen Art. 4 Abs. 3 Rom I- und Rom II-VO den Zweck, zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit von der der Rechtssicherheit dienenden typisierenden bzw. starren Anknüpfung der Absätze 1 und 2 abzuweichen und damit das Recht der engsten Verbindung zur Anwendung zu bringen.389 Art. 5 HUntProt verfolgt ebenfalls das Ziel, vom Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten abzuweichen, wenn die Ehe zu einem anderen Staat eine engere Beziehung hat. Gemeinsamer, übergeordneter Zweck ist damit die Berufung des Rechts der engsten Verbindung. Es besteht jedoch ein grundsätzlicher Unterschied der Ausweichklausel der EuErbVO zu denen des bisherigen EuIPR: Bei der Ausweichklausel der EuErbVO geht es darum, Fälle zu erfassen, in denen die für den gewöhnlichen Aufenthalt erforderlich physische Präsenz nicht im Staat der überwiegenden Lebensinteressen besteht. Es geht bei ihr – anders als in den bisherigen Verordnungen – nicht darum zu berücksichtigen, dass die Gewichtung oder Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände für ein von der Regelanknüpfung abweichendes Recht spricht. Es geht vielmehr um Fälle, in denen ein für die Regelanknüpfung konstitutives Element im entsprechenden Staat fehlt, sodass trotz der engsten Verbindung zu dem jeweiligen Staat, dessen Recht durch die Regelanknüpfung nicht berufen werden kann. Insoweit nimmt die Ausweichklausel der EuErbVO im europäischen IPR eine Sonderstellung ein. Kohärenz zwischen den verschiedenen Ausweichklauseln besteht wiederum bei verschiedenen Details, z. B. darin, dass diese nicht anwendbar sind, wenn die Parteien das anwendbare Recht durch eine Rechtswahl bestimmt haben.390 Eine Kohärenz lässt sich zwischen den originären EU-Rechtsakten (jedenfalls nach h.M.) auch darin erblicken, dass grundsätzlich der für die Regelanknüpfung maßgebliche Zeitpunkt auch für die Ausweichklausel entscheidend ist; lediglich Art. 21 Abs. 2 EuErbVO bestimmt dies jedoch ausdrücklich. Das HUntProt verfährt hier abweichend, indem es darauf abstellt, ob ein anderes Recht als das des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten eine engere Verbindung zur Ehe aufweist. Es 389
Vgl. oben S. 123 f., 125 f. Allerdings sehen die Rom-Verordnungen hier spezielle Schutzvorschriften (Art. 3 Abs. 3, 4 Rom I-VO, Art. 14 Abs. 2, 3 Rom II-VO) und das HUntProt in Art. 8 Abs. 5 eine spezielle „Ausweichklausel“ vor. 390
B. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
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stellt damit auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ab, wohingegen die Regelanknüpfung sich am aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt orientiert. Im Vergleich zum HUntProt ergeben sich verschiedene weitere Unterschiede. Dies gilt zunächst für Art. 5 HUntProt und die dort vorgesehene Gestaltung der Ausweichklausel als Einrede. Im Rahmen des HUntProt wird das Prinzip der engsten Verbindung letztlich nur dann berücksichtigt, wenn sich eine der Parteien (regelmäßig der Unterhaltsverpflichtete) auf die engere Verbindung beruft. Bei den Verordnungen Rom I und II sowie der EuErbVO wird das Recht der engsten Verbindung (zumindest in der Theorie) von Amts wegen berücksichtigt. Eine Besonderheit ergibt sich zudem aus dem besonderen Schutzcharakter des Art. 5 HUntProt (Verhinderung von Missbrauch), der in den anderen Verordnungen nicht vorhanden ist. Unterschiede ergeben sich auch bei der Weite des Anwendungsbereichs, insbesondere aufgrund des unterschiedlichen Umfelds und der unterschiedlichen Struktur der Regelanknüpfung. Im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO liegt (mindestens) ein zweiseitiges Rechtsverhältnis vor, nämlich ein vertragliches oder außervertragliches Schuldverhältnis. Es sind folglich mindestens zwei Parteien an dem Rechtsverhältnis beteiligt, die möglicherweise zu berücksichtigenden Faktoren können damit grundsätzlich in zwei unterschiedliche Richtungen weisen. Will der Gesetzgeber nicht allgemein das Recht der „engsten Verbindung des Schuldverhältnisses“ berufen (und damit zu Lasten der Rechtssicherheit gehen) und steht kein „neutraler“ Faktor wie der Erfolgsort zur Verfügung, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich an einer der beiden Parteien zu orientieren; dies hat er bspw. im Rahmen der Rom I-VO getan durch die typisierende Anknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Partei, die die charakteristische Leistung erbringt. Daraus folgt grundsätzlich, dass eine Ausweichklausel wie Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO häufiger Anwendung finden kann, nämlich immer dann, wenn sie die Vermutung der typisierenden Regelanknüpfung widerlegt. Die Grundanknüpfung des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ist dagegen nicht typisierend wie Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO und auch weniger starr als Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO. Der gewöhnliche Aufenthalt i.S.d. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO, insbesondere nach dem von EG 23 und 24 vorgegebenen und hier vertretenen Verständnis, ist vielmehr deutlich flexibler und von vornherein darauf gerichtet, alle Umstände des Einzelfalles zu erfassen, zur engsten Verbindung und damit zur Einzelfallgerechtigkeit zu führen. Dies zeigt sich etwa auch daran, dass der Belegenheitsort der Nachlassgegenstände im Rahmen der EuErbVO ein Faktor von vielen ist, der zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts herangezogen wird. Im Unterschied dazu wird ein Kaufvertrag über ein Grundstück im Rahmen der Rom I-VO von vornherein starr der lex rei sitae (bspw. französischem Recht) unterworfen, auch wenn der Verkäufer Deutscher ist, der Käufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und der Kaufvertrag vor einem deutschen Notar abgewickelt wird. Durch die Flexibilität der Regelanknüpfung ist der Anwendungsbereich der Ausweichklausel in der EuErbVO im Vergleich zu beiden Rom-Verordnungen grundsätzlich deutlich geringer. Dies
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
zeigt sich auch am Wortlaut der Ausweichklauseln in den Verordnungen Rom I und Rom II, der nicht erfordert, dass die offensichtlich engere Verbindung sich „ausnahmsweise“ ergibt. Das HUntProt steht durch seine Regelanknüpfung, die sich an einer Person orientiert (gewöhnlicher Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten, Art. 3 HUntProt) grundsätzlich näher an der EuErbVO. Erhebliche Unterschiede ergeben sich aber aufgrund folgender Besonderheit der Ausweichklausel. Die zunächst nur an einer Person orientierte Anknüpfung (Behandlung als einseitiges Rechtsverhältnis) wird bei Einrede etwa des Unterhaltsverpflichteten zu einer Anknüpfung der engsten Verbindung eines zweiseitigen Rechtsverhältnisses (der Ehe). Das hat zur Folge, dass sich deutlich häufiger von der Regelanknüpfung abweichende Ergebnisse ergeben können. Die folgende Tabelle soll die bestehenden Unterschiede verdeutlichen: EuErbVO
Rom I-VO
Rom II-VO
HUntProt
Grundanknüpfung orientiert an
Erblasser
Erbringer der cha- Erfolgsort oder rakteristischen Schädiger und Leistung Geschädigter (Art. 4 Abs. 2)
Unterhaltsberechtigter
Ausweichklausel (engere Verbindung) orientiert an
Erblasser
(gesamter) Vertrag (gesamte) unerlaubte Handlung
(gesamte) Ehe
Zeitpunkt der engeren Verbindung
wie Regel- wie Regelanknüp- wie Regelanknüp- abweichend, in anknüpfung fung (h.M.) fung (h.M.) Vergangenheit liegender Zeitraum (Ehe)
Zusammenfassend lässt sich damit feststellen: Gemeinsamkeit der Ausweichklauseln ist die generelle Funktion, das Recht der engsten Verbindung zur Anwendung zu bringen, wenn die Regelanknüpfung dazu nicht in der Lage ist. Die Gründe für dieses Scheitern der Regelanknüpfung liegen bei der Rom I-VO in der typisierenden Anknüpfung nach dem jeweiligen Vertrag, bei der Rom II-VO in der starren Anknüpfung an den Erfolgsort, beim HUntProt an der einseitigen Orientierung an einem der beiden Ehegatten, die zum Missbrauch führen kann, und schließlich bei der EuErbVO darin, dass bei fehlender physischer Präsenz ein gewöhnlicher Aufenthalt im Staat der überwiegenden Lebensinteressen nicht begründbar ist. Müsste man eine allgemeine Ausweichklausel für einen AT des IPR schaffen, so könnte diese nur sehr abstrahiert in einer allgemeinen Funktionsbeschreibung bestehen, so wie dies bei der Ausweichklausel Lagardes der Fall ist. Dargestellt werden kann also, welche Funktion eine Ausweichklausel generell erfüllt (Recht der engsten Verbindung) und welche Funktion sie gerade nicht erfüllt (z. B. – wie im Lagarde-Entwurf – keine Anwendbarkeit im Falle einer Rechtswahl, kein better law approach). Jede darüber hinausgehende Beschreibung, insbesondere eine Beschreibung des An-
C. Abschließende Würdigung und Lösung der übrigen Problemfälle
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wendungsbereichs, würde sich zu einer der Regelungsinstrumente in Widerspruch setzen und ist deshalb nicht sinnvoll.
C. Abschließende Würdigung der objektiven Anknüpfung und Lösung der übrigen Problemfälle I. Fehlende Definition des gewöhnlichen Aufenthalts Dass das Fehlen einer Definition des gewöhnlichen Aufenthalts (insbesondere nach dem Verordnungsentwurf aus dem Jahr 2009) auf so deutliche Kritik gestoßen ist, ist nicht nachvollziehbar. Auch in anderen Verordnungen der EU auf dem Gebiet des IPR, die an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpfen, fehlt eine Definition. Es stellt sich außerdem die Frage, welchen Vorteil eine Definition mit sich bringen würde. Angenommen, die EuErbVO hätte den gewöhnlichen Aufenthalt ausdrücklich, wie es sowohl die Rechtsprechung des EuGH als auch die Erwägungsgründe der Verordnung nahelegen, als „Mittelpunkt der Lebensinteressen des Erblassers“ definiert, wäre für die Handhabung des Begriffs nichts gewonnen. Die problematischen Fälle391 wären damit allein immer noch nicht zu lösen. Darüber hinaus führt die Definition des gewöhnlichen Aufenthalts als Mittelpunkt der Lebensinteressen des Erblassers ihrerseits dazu, dass dieser Lebensmittelpunkt definiert werden muss. Wenn man diesen als Schwerpunkt der sozialen und familiären Beziehungen bestimmt, muss wiederum festgestellt werden, was unter sozialen und familiären Beziehungen zu verstehen ist, usw. Folglich führt jede Definition zu einem infiniten Regress der Definitionen. Der gewöhnliche Aufenthalt muss stattdessen aus den Gesamtumständen des Lebens im Einzelfall bestimmt werden. Auch würde eine Definition des gewöhnlichen Aufenthalts nichts daran ändern, dass es sich bei diesem Anknüpfungskriterium nicht um ein in der Bestimmbarkeit mit der Staatsangehörigkeit vergleichbares Kriterium handelt. Diese mangelnde Bestimmbarkeit ist der bedeutende Nachteil, der bei Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Kauf genommen werden muss. In der Sache geht es auch nicht um eine Definition des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern die Bedeutung dieses Begriffs innerhalb der EuErbVO, also dessen Auslegung. Hierfür ist der Auslegungskanon anzuwenden, der generell für die Auslegung jedes Rechtsbegriffs gilt, also der Wortlaut, die historische, systematische und die teleologische Auslegung.392 Ergänzt werden können diese Auslegungsmethoden durch einheitsstiftende Prinzipien; im Rahmen des gewöhnlichen Aufenthalts ist dies insbesondere die materiell-rechtliche Testierfreiheit.
391 392
Vgl. oben S. 78 ff. Vgl. Gruber, S. 117.
150
Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
II. Zusammenfassung zur Anwendung des Art. 21 EuErbVO Aus der vorangegangenen Untersuchung ergibt sich hinsichtlich der Anwendung der Regeln zur objektiven Anknüpfung (Art. 21 EuErbVO) folgendes Ergebnis: Die Entscheidung, an welchem Ort der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist eine Frage des Einzelfalles, bei dem verschiedene Kriterien berücksichtigt und gewichtet werden müssen. Das jeweilige Rechtsgebiet bestimmt auch die Auslegung der verwendeten Anknüpfungskriterien wie das des gewöhnlichen Aufenthalts. Es ist daher von einem erbrechtlichen Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts auszugehen. Der räumliche Aspekt bildet den Ausgangspunkt des gewöhnlichen Aufenthalts. Ohne jede physische Präsenz des Erblassers in einem Staat lässt sich dort kein gewöhnlicher Aufenthalt begründen. Die physische Präsenz kann aber in der Vergangenheit liegen. Maßgeblich ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Erblassers, also die familiären, sozialen und beruflichen Umstände, die das Lebenszentrum des Erblassers bilden. Entscheidend sind die Bindung des Erblassers zu einer Rechtsordnung und seine autonome Entscheidung (sein Wille), sich in diesen Rechtskreis zu begeben und dauerhaft in ihm zu leben, die sich durch objektive Kriterien manifestiert. Diese objektiven Umstände haben dabei die Funktion, den Willen des Erblassers zu belegen. Die innere Rechtfertigung dieser „objektiven Anknüpfung“ ist nicht die faktische, räumliche Präsenz einer Person an einem Ort, sondern ihre Entscheidung, sich dorthin zu begeben und ihr Wille, dauerhaft innerhalb eines bestimmten Rechtskreises zu leben. Ein gewöhnlicher Aufenthalt kann – abhängig von den sonstigen Umständen, insbesondere dem Willen des Erblassers – einerseits sofort nach dem Umzug begründet werden, andererseits auch bei längerer Abwesenheit bestehen bleiben. Die überwiegende physische Präsenz des Erblassers in einem Staat ist somit nicht das entscheidende Kriterium. Der Wille kann allerdings nur insoweit Berücksichtigung finden, als er durch objektive Umstände untermauert wird. Er kann deshalb dann nicht zu einem Fortbestehen des gewöhnlichen Aufenthalts in einem Staat führen, wenn er nicht durch objektive Umstände gedeckt ist. Dies würde zu einer Erweiterung der Rechtswahlmöglichkeiten führen, die die EuErbVO bewusst nicht vorsieht. Die Existenz der Ausweichklausel ist entgegen der zahlreichen Stimmen in der Literatur sinnvoll. Sie ist anwendbar, wenn im Staat der überwiegenden Lebensinteressen des Erblassers überhaupt keine (auch keine frühere) physische Präsenz besteht. Die Ausweichklausel sollte auf diese Extremfälle beschränkt bleiben. Beispiele dafür sind der Tod kurz vor einem bevorstehenden Aufenthaltswechsel und Grenzpendler.
C. Abschließende Würdigung und Lösung der übrigen Problemfälle
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Die hier vorgeschlagenen Leitlinien zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts und zur Handhabung der Ausweichklausel haben folgende Vorteile: *
*
*
*
Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird als relativ stabil verstanden. Ein Wechsel erfolgt regelmäßig nur, wenn der Erblasser den Willen dazu hat und sich die überwiegenden Lebensinteressen des Erblassers in einen neuen Staat verschieben. Die Berücksichtigung eines subjektiven Elements begrenzt das Missbrauchspotenzial. Die Notwendigkeit einer physischen Präsenz führt dazu, dass der Wortsinn des Begriffs nicht überdehnt wird. Die Interpretation steht im Einklang mit den Vorgaben der EG 23 und 24 EuErbVO. Die Ausweichklausel hat nach dem hier vertretenen Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts einen Anwendungsbereich, ist also entgegen der zahlreichen Stimmen in der Literatur nicht sinnlos. Sie bleibt dennoch die Ausnahme und auf Extremfälle beschränkt, was dem Sinn einer Ausweichklausel entspricht.
III. Lösung der übrigen Problemfälle Für die übrigen eingangs genannten Problemfälle393 ergibt sich folgendes: 1. Berufspendler Bei Berufspendlern, die die Arbeitswoche im Ausland verbringen, aber Familie und soziale Kontakte im Herkunftsstaat beibehalten, in dem sie auch regelmäßig die Wochenenden verbringen, bleibt der gewöhnliche Aufenthalt im Herkunftsstaat bestehen. Das legt schon der Begriff „Lebensmittelpunkt“ nahe.394 Dafür spricht auch der Wille des Erblassers, der regelmäßig darauf gerichtet sein wird, sein Lebenszentrum im Herkunftsstaat beizubehalten. Unschädlich ist hier, dass der Erblasser u. U. die überwiegende Zeit im Jahr im anderen Staat verbringt, weil hier gerade keine rein räumliche Betrachtung angestellt werden muss. 2. Auslandsstudenten Bei Auslandsstudenten gilt folgendes: Begibt sich der Student für einen von vornherein begrenzten Zeitraum ins Ausland mit der Absicht, nach Ablauf dieses Zeitraums wieder in den Herkunftsstaat zurückzukehren und erhält er die Bindungen 393
Siehe S. 78 ff. Vgl. die treffende Aussage Mankowskis (IPRax 2015, 39, 45): „Genauso wenig wie der private Wohnort oder Mittelpunkt des Privatlebens für den gewöhnlichen Arbeitsort unter Art. 8 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO relevant ist, ist der gewöhnliche Arbeitsort ausschlaggebend für den gewöhnlichen Aufenthalt für die Zwecke des Erbrechts.“ 394
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Kap. 2: Die objektive Anknüpfung nach der EuErbVO
zum Herkunftsstaat durch regelmäßige Besuche, soziale Kontakte und Familie aufrecht, so bleibt dort auch der gewöhnliche Aufenthalt bestehen.395 Insoweit besteht eine gewisse Parallele zu den Berufspendlern. Anders dürfte es sich erst dann darstellen, wenn der Auslandsstudent sich entscheidet, das Studium dauerhaft im Ausland fortzusetzen und seine Rückkehrabsicht aufgibt. Dann wird im Regelfall die Bindung zu diesem Staat stark genug sein, um einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts zu begründen. Nicht pauschal beantwortet werden kann der Fall des Studenten, der sein Studium vollständig im Ausland mit der Absicht absolviert, nach dem abgeschlossenen Studium in seinen Heimatstaat zurückzukehren. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Die Frage hängt nach dem hier vertretenen Verständnis insbesondere vom Willen des Betroffenen ab, am jeweiligen Ort seinen Lebensmittelpunkt zu begründen. Bei fortbestehenden Kontakten zu Familie und Freunden in seinem Heimatstaat sowie einem Zweitwohnsitz (z. B. bei den Eltern) kann der gewöhnliche Aufenthalt im Heimatstaat bestehen bleiben. 3. Profisportler Auch bei Profisportlern hängt die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts von den Umständen des Einzelfalles ab. Dem Rückkehrwillen kann hier eine entscheidende Bedeutung zukommen. Bei einer Leihe für ein Jahr oder eine Leihe für eine Saison in der Absicht, danach wieder in den Herkunftsstaat zurückzukehren, wird man noch keinen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts annehmen können. Bei einem Wechsel zu einem ausländischen Verein ohne konkrete Rückkehrabsicht ist i. d. R. auch ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts anzunehmen, wenn sich der Lebensmittelpunkt tatsächlich verschiebt. Bestehen demgegenüber weiterhin enge Bindungen zum Herkunftsstaat, z. B. durch Familie, Freunde, einen weiteren Wohnsitz, regelmäßige Besuche etc., spricht das gegen einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts. 4. Häftlinge Menschen, die außerhalb ihres Herkunftsstaates eine Straftat begangen haben und dort eine Freiheitsstrafe verbüßen, also unfreiwillig in dem Staat bleiben, begründen dort mangels eines entsprechenden Willens in aller Regel keinen gewöhnlichen Aufenthalt.396 Regelmäßig behalten sie soziale und familiäre Kontakte in ihrem Heimatstaat, in dem sich auch ihr Nachlassvermögen befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie haben etc., sodass der Wille, den gewöhnlichen Aufenthalt im Herkunftsstaat aufrechtzuerhalten, auch durch objektive Umstände untermauert wird. 395
So auch Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 6; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 362; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 26 f. 396 A.A. (in Bezug auf die Brüssel IIa-VO): Staudinger/Spellenberg, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 105, der der Auffassung ist, der gewöhnliche Aufenthalt setze keine Freiwilligkeit voraus.
Kapitel 3
Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO I. Kohärenz in der Gesetzgebung 1. Beschränkte Rechtswahl als typisches Phänomen des europäischen (Familien-)IPR a) Überblick über die Rechtswahlmöglichkeiten im bisherigen EuIPR Eine auf bestimmte Rechtsordnungen beschränkte Rechtswahl ist geradezu typisch für das bisherige EuIPR. Dies gilt insbesondere für das Familienrecht.1 Die verschiedenen Rechtsinstrumente gehen dabei unterschiedliche Wege: Teilweise orientieren sich die wählbaren Rechte daran, welche Rechtsordnungen auch objektiv berufen sind. So liegt es beispielsweise in der Rom III-VO. Art. 5 Rom III-VO erlaubt den Parteien, das auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbare Recht zu wählen. Art. 5 Rom III-VO stellt dabei vier Rechtsordnungen zur Wahl: Das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtswahl (lit. a), das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten, sofern einer der beiden im Zeitpunkt der Rechtswahl dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit. b), das Heimatrecht eines der Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtswahl (lit. c) sowie das Recht des angerufenen Gerichts (lit. d). Die wählbaren Rechte orientieren sich dabei an den objektiv anwendbaren Rechten (Art. 8 Rom III-VO), wobei die Voraussetzungen bei der Rechtswahl weniger streng sind. Das zeigt sich etwa beim Vergleich von Art. 5 Abs. 1 lit b und Art. 8 Abs. 1 lit. b Rom III-VO. Nach letzterem ist das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts nur anwendbar, wenn einer der Ehegatten dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (soweit Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 1 lit b) und der gewöhnliche Aufenthalt beider Ehegatten nicht mehr als ein Jahr vor Anrufung des Gerichts endete (dieses Erfordernis enthält Art. 5 Abs. 1 lit. b nicht). Bei Art. 5 Abs. 1 lit. c reicht es aus, wenn einer der Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtswahl die Staatsangehörigkeit des
1
Vgl. Gruber, IPRax 2014, 53, 54.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Staates besitzt, dessen Recht gewählt wurde; Art. 8 Abs. 1 lit. c beruft nur das gemeinsame Heimatrecht im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts. Einen ähnlichen Weg geht auch der EuGüVO-E. Art. 16 EuGüVO-E erlaubt den (zukünftigen) Ehegatten die Wahl des Rechts des Staates ihres gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts (lit. a), das des gewöhnlichen Aufenthalts eines der (zukünftigen) Ehegatten (lit. b) und des Heimatrechts eines der (zukünftigen) Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtswahl (lit. c). Bei der objektiven Anknüpfung wird zunächst an das Recht des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts angeknüpft (Art. 17 Abs. 1 lit. a EuGüVO-E); andernfalls an das gemeinsame Heimatrecht (Art. 17 Abs. 1 lit. b EuGüVO-E); hilfsweise an das Recht der engsten Verbindung (Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGüVO-E). Bei einer nach der Eheschließung getroffenen Rechtswahl sind nach Art. 18 EuGüVO-E das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eines der Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtswahl sowie das Heimatrecht eines der Ehegatten wählbar. Anders verfährt das HUntProt. Auch dieses sieht eine beschränkte Rechtswahlmöglichkeit vor, allerdings orientiert sich diese nicht an der objektiven Anknüpfung. Die objektive Anknüpfung richtet sich nach Art. 3 HUntProt grundsätzlich nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten; Art. 4 enthält für bestimmte Unterhaltsverpflichtungen eine Ersatzanknüpfung. Hinsichtlich der Rechtswahl gilt: Zunächst gewährt Art. 7 HUntProt die Wahl der lex fori für ein bestimmtes Verfahren.2 Nach Art. 8 Abs. 1 HUntProt kann über einen einzelnen Rechtsstreit hinaus das Heimatrecht einer der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl (lit. a), das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts einer der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl (lit. b), das Recht, das die Parteien für ihren Güterstand bestimmt haben oder das auf diesen Güterstand tatsächlich angewandte Recht (lit. c) sowie das für die Ehescheidung oder die Trennung ohne die Auflösung der Ehe gewählte oder tatsächlich darauf angewandte Recht (lit. d) gewählt werden. Die Rechtswahl ist im Rahmen des HUntProt nicht nur hinsichtlich der wählbaren Rechte begrenzt. Eine Rechtswahl kann auch generell nicht erfolgen, wenn es um die Unterhaltspflicht gegenüber einer Person geht, die ihr 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat; gleiches gilt bei Erwachsenen, die aufgrund der Beeinträchtigung oder Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu schützen (Art. 8 Abs. 3 HUntProt). Weiterhin wirkt eine Rechtswahl nach Art. 8 Abs. 1 HUntProt nicht für die Frage, ob der Unterhaltsberechtigte auf seinen Unterhaltsanspruch verzichten kann; maßgeblich dafür ist vielmehr das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten (Art. 8 Abs. 4 HUntProt). Darüber hinaus sieht Art. 8 Abs. 5 HUntProt vor, dass eine Rechtswahl dann keine Wirkung hat, wenn die Anwendung des gewählten Rechts „für eine der Parteien offensichtlich unbillige oder unangemessene Folgen hätte, es sei denn, dass die Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl umfassend unterrichtet und sich der Folgen 2
Näher NK-BGB/Gruber, Art. 7 HUntProt, Rn. 4.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
155
ihrer Wahl vollständig bewusst waren“. Diese Vorschrift wird teilweise als spezielle ordre public-Klausel, teilweise als „Ausweichklausel“ angesehen.3 Die Rom I-VO sieht grundsätzlich keine Beschränkung des anwendbaren Rechts vor. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO normiert vielmehr die freie Rechtswahl; die Parteien können danach grundsätzlich jedes (staatliche4) Recht wählen. Der Grundsatz der freien Rechtswahl wird jedoch durch drei verschiedene Mechanismen eingeschränkt: Zunächst durch Art. 3 Abs. 3 und Abs. 4 Rom I-VO, wonach bei Binnensachverhalten bzw. bei Binnenmarktsachverhalten von zwingenden Bestimmungen des Inlands bzw. der EU nicht abgewichen werden darf.5 Ferner durch generelle Einschränkungen der Rechtswahl für bestimmte Vertragstypen. Bei Personenbeförderungsverträgen dürfen nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO nur bestimmte Rechte gewählt werden.6 Gleiches gilt für Versicherungsverträge (Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO).7 Schließlich durch die „Überlagerung“8 durch bestimmte, nach objektiver Anknüpfung anwendbare Schutzvorschriften bei Verbraucherverträgen und Arbeitsverträgen: Hier darf zwar grundsätzlich jedes Recht gewählt werden. Jedoch darf von bestimmten, nicht dispositiven Normen des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers bzw. des nach Art. 8 Abs. 2 – 4 Rom I-VO objektiv anwendbaren Rechts nicht abgewichen werden (vgl. Artt. 6 Abs. 2 S. 2, 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO).9 Auch im Rahmen der Rom II-VO gilt der Grundsatz der freien Rechtswahl,10 sodass im Prinzip jedes staatliche11 Recht gewählt werden kann. Jedoch enthält Art. 14 Rom II-VO in seinen Absätzen 2 und 3 der Rom I-VO entsprechende Regelungen bei Binnen-12 bzw. Binnenmarktsachverhalten.13 Die Rom II-VO schließt 3
Bonomi-Bericht, Rn. 150 (Ausweichklausel); a.A. (besondere ordre public-Klausel) Palandt/Thorn, HUntProt, Rn. 33; a.A. („kollisionsrechtliche negative Billigkeitsklausel“) Erman/Hohloch, Art. 8 HUntProt, Rn. 3. 4 Nach h.M. ist ein außerstaatliches Recht nicht wählbar, vgl. MüKo/Martiny, Art. 3 Rom IVO, Rn. 28 m.w.N. 5 Näher MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 87 ff.; M. Lehmann, in: FS Spellenberg, S. 245, 248 f. 6 Wählbar sind danach das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der zu befördernden Person, das des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers, das der Hauptverwaltung des Beförderers, das des Abgangsorts und das des Bestimmungsorts. 7 Einschränkungen der Rechtswahl gelten nur für die Verträge, die nicht unter Art. 7 Abs. 2 Rom I-VO fallen. 8 Nach Rühl, in: FS v. Hoffmann, S. 364, 368. 9 Vgl. auch Rühl, in: FS Kropholler, S. 187, 200 ff.; M. Lehmann, in: FS Spellenberg, S. 245, 250 f. 10 Vgl. MüKo/Junker, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 1 ff. 11 H.M., vgl. MüKo/Junker, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 15 m.w.N. 12 Palandt/Thorn, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 13; z. T. wird auch von Inlandssachverhalt gesprochen, so Rühl, in: FS Kropholler, S. 187, 203. 13 Palandt/Thorn, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 14. Im Unterschied zur Rom I-VO kommt es bei der Rom II-VO nicht auf den Zeitpunkt der Rechtswahl, sondern auf den Zeitpunkt des Eintritts des schadensbegründenden Ereignisses an.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
ferner bei bestimmten Deliktstypen eine Rechtswahl aus (z. B. bei unlauterem Wettbewerb, Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO und bei der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, Art. 8 Abs. 3 Rom II-VO14). In Art. 14 Abs. 1 Rom II-VO wird die Rechtswahl zudem an bestimmte Bedingungen15 geknüpft: Im Falle eines Verbrauchers kann die Rechtswahl nur nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses erfolgen (Art. 14 Abs. 1 lit. a Rom II-VO). Gehen beide Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nach, ist erforderlich, dass die Rechtswahl frei ausgehandelt wurde (Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom II-VO), was überwiegend als Ausschluss von AGB gewertet wird.16 b) Gründe für eine Beschränkung der Rechtswahl Allgemeiner Zweck der Beschränkung der Rechtswahl in den genannten Regelungsinstrumenten ist der Schutz der (potenziell) schwächeren Partei.17 Dies gilt zunächst für die Rom III-VO. EG 15 Rom III-VO führt aus, dass die Verordnung „in gewissen Grenzen“ Parteiautonomie ermöglichen soll; gewährt werden soll nach EG 16 Rom III-VO nur die Wahl eines Rechts, zu dem die Ehegatten „einen besonderen Bezug“ haben. Vermieden werden soll etwa, dass einer der Ehegatten den anderen Ehegatten dazu bringt, ein (für ersteren günstiges) Scheidungsrecht zu wählen, mit dem die Ehegatten aber keine Verbindung haben. Anlass zur Sorge besteht aus der Sicht des Gesetzgebers offenbar insbesondere bei Informationsdefiziten des einen Ehegatten.18 So soll nach EG 17 Rom III-VO der Zugang zu „sachdienlichen, qualitativ hochwertigen Informationen“ gewährleistet werden; gleichzeitig sollen nach EG 18 Rom III-VO die Ehegatten ihre Entscheidung „in voller Sachkenntnis treffen“. Ferner sollen sie sich über die „rechtlichen und sozialen Folgen“ der Rechtswahl im Klaren sein und die Chancengleichheit der Ehegatten soll „nicht beeinträchtigt“ werden (EG 18 Rom III-VO). Die Beschränkungen der Rechtswahl im Rahmen des HUntProt bezwecken ebenfalls den Schutz der schwächeren Partei.19 Geschützt werden soll dabei insbesondere der Unterhaltsberechtigte.20 Wählbar sind nur solche Rechte, die eine ge14
Kritisch Leible, RiW 2008, 257, 259. Vgl. Rühl, in FS v. Hoffmann, S. 370, die von „bedingter“ Rechtswahl spricht. 16 So die h.M.: Leible, RIW 2008, 257, 260; v. Hein, ZeuP 2009, 6, 20; Rugullis, IPrax 2008, 319, 322; PWW/Schaub, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 4; Rühl, in: FS v. Hoffmann, S. 364, 371; a.A. Palandt/Thorn, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 9; Beck-OK/Spickhoff, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 5; MüKo/Junker, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 36; diff. Huber/Bach, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 28. 17 Vgl. zur Rom I- und Rom II-VO Rühl, in: FS v. Hoffmann, S. 364, 366; vgl. zur Rolle des Schwächerenschutzes im Europäischen (Kollisions-)Recht generell M.P. Weller, IPRax 2011, 429, 434 f. 18 NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 13 f. 19 Rauscher/Andrae, Art. 8 HUntProt, Rn. 1; Andrae, GPR 2008, 196, 199. 20 Bonomi-Bericht, Rn. 129: „Um die berechtigte Person zu schützen, unterwirft Artikel 8 die Möglichkeit der Parteien, das anzuwendende Recht zu wählen, mehreren Bedingungen und 15
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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wisse Nähebeziehung zu den Parteien oder der Unterhaltssache aufweisen.21 Damit soll insbesondere verhindert werden, dass eine Partei die andere mit einer Rechtswahl überrumpelt und zur Wahl eines bestimmten, für letztere fernliegenden Rechts bringt. Den Schutz der potenziell schwächeren Partei bezweckt auch der generelle Ausschluss der Rechtswahl, soweit es um den Unterhaltsanspruch nicht volljähriger Personen bzw. von Personen geht, die aufgrund einer Beeinträchtigung bzw. Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu schützen. Hintergrund ist, dass diese Personen die Tragweite der Rechtswahl regelmäßig nicht erfassen können.22 Auch die zwingende Geltung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten für den Unterhaltsverzicht sowie Art. 8 Abs. 5 HUntProt, der die Wirksamkeit der Rechtswahl davon abhängig macht, dass sie keine offensichtlich unbilligen Folgen hat, bezwecken den Schwächerenschutz. Im Rahmen der Rom I-VO sieht der Gesetzgeber ebenfalls das Bedürfnis, (vermeintlich) schwächere Personen zu schützen. So führt EG 23 Rom I-VO aus, dass bei Verträgen, bei denen die eine Partei als schwächer angesehen wird, diese durch Kollisionsnormen geschützt werden solle, die günstiger sind als die allgemeinen Regeln. Allerdings wird der Schwächerenschutz nur punktuell bei bestimmten Vertragstypen (wie etwa bei Beförderungs- und Versicherungsverträgen23) realisiert, bei denen EG 32 Rom I-VO ein „angemessenes Schutzniveau“ der Versicherungsnehmer bzw. die zu befördernde Person fordert. Abgeschwächt kommt der Gedanke des Schwächerenschutzes auch bei Verbraucher- und Arbeitsverträgen zum Ausdruck, bei denen zwar nicht die Rechtswahl auf bestimmte Rechte beschränkt ist, sie aber von bestimmten Schutzvorschriften des objektiv anwendbaren Rechts „überlagert“ wird. Im Rahmen der Rom II-VO scheint die Gefahr aus Sicht des Gesetzgebers weniger darin zu bestehen, dass ein Recht zur Anwendung kommen könnte, zu dem der Sachverhalt oder die Parteien keinen Bezug haben. Vielmehr sieht der Gesetzgeber die Gefahr in den Umständen der Rechtswahl, nämlich insbesondere darin, dass die Rechtswahlvereinbarung vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses getroffen oder (bei kommerziell tätigen Parteien) nicht frei ausgehandelt wird (Art. 14 Abs. 1 Rom II-VO). Dementsprechend führt auch EG 31 Rom II-VO aus, dass die Rechtswahl „zum Schutz der schwächeren Partei mit bestimmten Bedingungen versehen werden“ soll.24
Einschränkungen. Eine erste Einschränkung betrifft den Gegenstand der Wahl und soll die Anzahl der den Parteien offenstehenden Wahlmöglichkeiten beschränken.“ 21 Rauscher/Andrae, Art. 8 HUntProt, Rn. 7. 22 Rauscher/Andrae, Art. 8 HUntProt, Rn. 17. 23 Vgl. zum Schwächerenschutz bei Versicherungsverträgen Palandt/Thorn, Art. 7 Rom IVO, Rn. 7; Perner, IPRax 2009, 218, 220; MüKo/Martiny, Art. 7 Rom I-VO, Rn. 3. 24 Vgl. auch Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 7.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Zusammenfassend ist festzustellen: Der Hauptgrund für die Beschränkung der Rechtswahl im bisherigen EuIPR besteht im Schutz der (vermeintlich) schwächeren Partei. Dadurch, dass ein gewisser Bezug zur gewählten Rechtsordnung verlangt wird, wird verhindert, dass eine Rechtsordnung gewählt wird, mit der die schwächere Partei überhaupt keine Verbindung hat. Materiell-rechtliche ungünstige Folgen für diese Partei werden damit nicht vermieden; dennoch wird die Gefahr einer Benachteiligung verringert. Hinzu kommt, dass bei einem gewissen Bezug des Schwächeren zum gewählten Recht für diesen die materiell-rechtlichen Folgen eher erträglich sind, weil die Geltung dieses Rechts weniger willkürlich erscheint. Geschützt wird durch die Beschränkungen der Rechtswahl immer nur eine an der Rechtswahl beteiligte Partei. 2. Hintergrund der Beschränkung auf die Wahl des Rechts der Staatsangehörigkeit im Rahmen der EuErbVO Nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO kann der Erblasser für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehört. Die EuErbVO orientiert sich damit bei der Rechtswahl nicht an der objektiven Anknüpfung. Nach Art. 22 Abs. 2 EuErbVO muss die Rechtswahl ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Die Frage, ob und in welchem Umfang in der EuErbVO Parteiautonomie gewährt werden soll, war in der Entstehungsgeschichte der Verordnung umstritten, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass nur die wenigsten Mitgliedstaaten vor Geltung der EuErbVO eine Rechtswahl vorsahen.25 Die DNotI-Studie von Dörner und Lagarde schlug vor, dem Erblasser die Wahl des Heimatrechts im Zeitpunkt des Todes zu gewähren.26 Darüber hinaus sah die Studie vor, dem Erblasser die Wahl des Heimatrechts im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Rechtswahl zu ermöglichen.27 Die Möglichkeit der Wahl des Heimatrechts im Todeszeitpunkt wurde damit begründet, dass der gewöhnliche Aufenthalt als Anknüpfungskriterium wenig stabil sei und nicht die Interessen eines „heimatverbundenen“ Erblassers oder eines „besonders mobilen“ Erblassers berücksichtige.28 Für die Möglichkeit der Wahl des Heimatrechts bzw. des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts im Wahlzeitpunkt wurde insbesondere die erleichterte Nachlassplanung geltend gemacht.29 Dörner und Lagarde räumten al-
25 26 27 28 29
Siehe im Einzelnen DNotI-Studie, S. 241 ff. DNotI-Studie, S. 267. DNotI-Studie, S. 267. DNotI-Studie, S. 267. DNotI-Studie, S. 267.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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lerdings ein, dass die Möglichkeit der Wahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts Missbrauchspotenzial berge.30 Der Kommissionsvorschlag der EuErbVO beschränkte sich gegenüber der DNotIStudie auf die Möglichkeit der Wahl des „Recht[s] des Staates […] „dessen Staatsangehörigkeit er [der Erblasser] besitzt.“31 Angeführt wurde, dass eine solche Rechtswahl einen Kompromiss zwischen den Interessen der Angehörigen (Pflichtteilsrecht) und den Interessen des Erblassers (Rechtssicherheit und einfache Nachlassplanung) darstelle.32 Das Recht der Staatsangehörigkeit sei gewählt worden, um dem Erblasser die Möglichkeit zu geben, seine kulturelle Bindung zu seinem Heimatstaat zu erhalten.33 Der Vorschlag des MPI34, der in Reaktion auf den Kommissionsvorschlag erfolgte, enthielt demgegenüber weitreichende Rechtswahlmöglichkeiten. Danach konnte der Erblasser neben seinem Heimatrecht im Todeszeitpunkt das Recht seiner früheren Staatsangehörigkeit, das Recht seines früheren oder aktuellen gewöhnlichen Aufenthalts, das auf den Güterstand anwendbare Recht und das Belegenheitsrecht für Immobilien wählen.35 Auch das MPI verfolgte einen Ausgleich zwischen den Interessen Dritter in Hinblick auf das Pflichtteilsrecht und der Wahlfreiheit des Erblassers.36 Das MPI war jedoch der Auffassung, dass eine Erweiterung der Rechtswahlmöglichkeiten eine Gefahr der Umgehung des Pflichtteilsrechts nicht maßgeblich vergrößere, weil ein Erblasser, der es gezielt auf diese abgesehen habe, diese auch durch die Verlegung seines gewöhnlichen Aufenthalts erreichen könne.37 Die Rechtswahl ist in der finalen Fassung der EuErbVO auf das Recht der Staatsangehörigkeit (im Zeitpunkt des Todes oder im Zeitpunkt der Rechtswahl) beschränkt. Damit soll nach EG 38 EuErbVO sichergestellt werden, dass eine Verbindung zwischen dem gewählten Recht und dem Erblasser besteht und verhindert werden, dass die Rechtswahl in der Absicht erfolgt, „die berechtigten Erwartungen der Pflichtteilsberechtigten zu vereiteln“.
30
DNotI-Studie, S. 269 f. Art. 17 Abs. 1 des Kommissionsvorschlags. 32 Erwägung 4.3 des Kommissionsvorschlags; vgl. auch Coester-Waltjen/Coester, in: Liber Amicorum Schurig, S. 47. 33 Erwägung 4.3 des Kommissionsvorschlags. 34 MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 607 ff. 35 Zudem war eine Teilrechtswahl möglich, vgl. MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 607. 36 MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 608 f. 37 MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 609; ähnlich auch schon DNotI-Studie, S. 269. 31
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Die Beschränkung der Rechtswahlmöglichkeit auf das Heimatrecht wird in der Literatur teilweise kritisiert.38 Gefordert wird insbesondere eine Erweiterung der Rechtswahl auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Wahlzeitpunkt.39 Ansonsten könnten ausländische Erblasser – obgleich sie seit Jahren in einem Staat lebten – die Geltung des Rechts ihres (aktuellen) gewöhnlichen Aufenthalts nicht perpetuieren.40 Der Sinn und Zweck der Rechtswahlmöglichkeit besteht gem. EG 38 EuErbVO generell darin, den Bürgern die Möglichkeit zu geben, den Nachlass vorab zu regeln. EG 37 formuliert zudem die allgemeine Zielsetzung der Verordnung, im Voraus Rechtssicherheit und Klarheit über das Erbstatut zu schaffen.
II. Kohärenz in der Auslegung? 1. Auslegung der Rechtswahl im Rahmen der EuErbVO a) Zweck der Rechtswahl Grundsätzlich besteht der Zweck der Rechtswahl in der Gewährung von Parteiautonomie als Parallelerscheinung zur Privatautonomie des materiellen Rechts. Der Blick auf die Entwicklungsgeschichte und die Erwägungsgründe der EuErbVO und des Kommissionsvorschlags zeigen, dass die Rechtswahlmöglichkeit zudem drei Rechtsinstitute schützen soll: Die Möglichkeit einer vereinfachten Nachlassplanung des Erblassers, die Rechtssicherheit, die voraussetzt, dass das Erbstatut eindeutig bestimmt werden kann (Klarheit des Erbstatuts) und grundlegende Institute des Schutzes des vermeintlich Schwächeren wie etwa das Pflichtteilsrecht, letzteres aber nur insoweit, als der Erblasser dieses nicht durch die Wahl eines nicht zugelassenen Rechts ausschaltet. Für die Auslegungsprobleme im Rahmen der Rechtswahl muss neben dem Wortlaut der einzelnen Vorschriften die Abwägung dieser Interessen von entscheidender Bedeutung sein. b) Schwächerenschutz als gemeinsames Prinzip der Beschränkung der Rechtswahl im EuIPR Die Möglichkeit der Rechtswahl ist im Rahmen der EuErbVO nicht unbeschränkt. Der Erblasser kann nicht jedes Recht wählen, und die Entscheidung des Gesetzgebers, die vorgebrachten Vorschläge zu einer Erweiterung der Rechtswahl nicht 38 Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 576; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 36; Lange, ZErb 2012, 160, 163; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2088; Wilke, RIW 2012, 601, 606. Volmer, Pfleger 2013, 421, 424; kritisch auch Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 151. 39 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 36 ; Lange, ZErb 2012, 160, 163. 40 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 36; Lange, ZErb 2012, 160, 163; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2088.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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umzusetzen, ist hinzunehmen. Möglich ist also nicht die Wahl eines Rechts, mit dem der Erblasser bisher keine Berührung hatte, etwa die Wahl des englischen Rechts durch den deutschen „Mallorca-Rentner“, um den Pflichtteilsanspruch der Ehefrau auszuschließen. Die Wahl bleibt auf das Heimatrecht beschränkt, um den Pflichtteilsberechtigten zu schützen. Damit setzt sich auch im Rahmen der EuErbVO das Prinzip des Schwächerenschutzes fort. Die Besonderheit im Rahmen der EuErbVO besteht aber darin, dass die (vermeintlich) schwächere Partei (der potenziell Pflichtteilsberechtigte) anders als in den bisherigen Rechtsinstrumenten des EuIPR nicht an der Rechtswahl beteiligt ist. c) Strukturelle Unterschiede zum bisherigen EuIPR Auch darüber hinaus bestehen zwischen der Rechtswahl im Rahmen des bisherigen EuIPR und der der EuErbVO mehrere Unterschiede: Ein solcher ist zunächst darin zu sehen, dass die Rechtswahl in allen bisherigen Verordnungen des IPR ein (mindestens) zweiseitiges Rechtsgeschäft ist. Sie erfolgt zwischen den Parteien eines (zukünftigen) Vertrages, Schädiger und Geschädigtem, zwischen Ehegatten, Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem usw. Daraus folgt, dass für eine wirksame Rechtswahl die Voraussetzungen eines Vertrags gegeben sein müssen, unabhängig von der Frage, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Im Rahmen der EuErbVO erfolgt die Rechtswahl als einseitiges Rechtsgeschäft, sie wird durch den Erblasser alleine vorgenommen. Wenn nur eine Partei betroffen ist, erscheint es grundsätzlich möglich, auch geringere Anforderungen an den Vorgang der Rechtswahl zu stellen, jedenfalls wenn die Anforderungen in den bisherigen IPR-Rechtsakten den Zweck hatten, für einen übereinstimmenden Willen zwischen den die Rechtswahl treffenden Parteien zu sorgen. Hinzu kommt ein weiterer Unterschied: Der Schwächerenschutz im bisherigen EuIPR wird nicht immer durch eine Beschränkung der Rechtswahl hinsichtlich der wählbaren Rechte realisiert. Die bisherigen Instrumente des EuIPR sehen vielmehr an verschiedenen Stellen weniger einschneidende Mechanismen vor, die die Rechtswahl zunächst unberührt lassen: Dies gilt im Rahmen der Rom I-VO etwa für die Anordnung, dass von bestimmten, nicht dispositiven Normen des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers bzw. des nach Art. 8 Abs. 2 – 4 Rom I-VO anwendbaren Rechts nicht abgewichen werden darf (vgl. Artt. 6 Abs. 2 S. 2, 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO).41 Gleiches gilt für Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I-VO und die Parallelregelungen Art. 14 Abs. 2 und 3 Rom II-VO, die es verbieten, bei Binnensachverhalten bzw. bei Binnenmarktsachverhalten von zwingenden Bestimmungen des Inlands bzw. der EU abzuweichen. In beiden Fällen wird die Rechtswahl nur in einer bestimmten Anzahl von Fällen und hinsichtlich der nicht dispositiven Normen beschränkt. Ein weniger einschneidendes Mittel als eine Beschränkung der Zahl der wählbaren Rechte ist auch die Beschränkung der Umstände der Rechtswahl, wie sie 41
Vgl. auch Rühl, in: FS v. Hoffmann, S. 364, 368 ff.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
in Art. 14 Abs. 1 Rom II-VO erfolgt (Festlegung des Zeitpunkts bzw. der Umstände des Zustandekommens). Das HUntProt ist bei der Frage der Rechtswahl weniger liberal als die Rom I- und Rom II-VO, dennoch werden in Art. 8 HUntProt mehrere Rechte zur Wahl gestellt, auch wenn die Wirkungen der Rechtswahl durch Art. 8 Abs. 3 – 5 HUntProt wieder beschränkt werden. Die Rom III-VO und der EuGüVO-E sehen ebenfalls mehrere wählbare Rechte vor, die nicht immer eine besonders enge Verbindung zum Sachverhalt aufweisen (z. B. das Recht der Staatsangehörigkeit eines der Ehegatten, Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III-VO). Die Rechtswahl ist im Rahmen der EuErbVO demgegenüber grundsätzlich auf das Heimatrecht beschränkt. Der Schutz des (vermeintlich) Schwächeren im Rahmen der EuErbVO soll also bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene wirken, und zwar durch den strengsten Mechanismus (Beschränkung der wählbaren Rechte) und in der strengsten Form (Beschränkung auf ein einziges Recht, das Heimatrecht des Erblassers).42 d) Grundsatz der größtmöglichen Wirksamkeit Die Tatsache, dass der (potenziell) Pflichtteilsberechtigte nicht an der Rechtswahl beteiligt ist und die starke Beschränkung der Rechtswahl hinsichtlich der wählbaren Rechte sollte nach der hier vertretenen Auffassung den Grundsatz der größtmöglichen Wirksamkeit der Rechtswahl zur Folge haben. Die starke Begrenzung der wählbaren Rechte sollte nach dem hier vertretenen Verständnis durch eine weite Auslegung ausgeglichen werden, soweit das Heimatrecht des Erblassers betroffen ist: Soweit der Erblasser dieses Recht möglicherweise gewählt hat, sind an die Annahme dieser Wahl eher geringe Anforderungen zu stellen und ist ihr die größtmögliche Wirksamkeit zu verleihen.43 Diese Auslegung wird durch die EuErbVO bzw. ihre Entstehungsgeschichte untermauert. Die EuErbVO gewährt der Rechtswahl den Vorrang gegenüber der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt, soweit das Erbstatut durch den Erblasser gewählt wurde (Prävalenz der Rechtswahl), obwohl der gewöhnliche Aufenthalt als Lebensmittelpunkt unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Faktoren bestimmt wird. Diesem Vorrang entspricht es grundsätzlich, der Rechtswahl einen weiten Anwendungsbereich einzuräumen. Vergleicht man den Kommissionsvorschlag mit der finalen Fassung der EuErbVO, so fallen mehrere Änderungen ins Auge: zunächst die Einführung der Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl44, weiterhin die Tatsache, dass in der finalen 42
Dies ist kritisch zu beurteilen, vgl. unten S. 227. In diese Richtung auch der Berichterstatter des EP Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15. 44 Artikel 17 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs sah zwingend eine ausdrückliche Rechtswahl vor, Art. 22 Abs. 2 der EuErbVO legt fest, dass sich die Erklärungen auch aus den Bestimmungen einer Verfügung von Todes wegen ergeben kann (konkludente Rechtswahl). 43
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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Fassung die Staatsangehörigkeit entweder im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes bestehen muss45 und schließlich die in Art. 83 Abs. 2 – 4 EuErbVO enthaltenen Vorschriften, die die Gültigkeit von Rechtswahlen und Verfügungen von Todes wegen – im Verhältnis zum Kommissionsentwurf deutlich stärker – fördern.46 Daraus lässt sich die grundsätzliche Tendenz des Gesetzgebers ableiten, auf die im Zusammenhang mit dem Kommissionsentwurf aufgeworfenen Fragen dergestalt zu reagieren, dass im Zweifel der Rechtswahl zur Wirksamkeit verholfen wird. Nach Aussage des Berichterstatters Lechner kam es dem EP darauf an, „die Hürden für die Bejahung einer Rechtswahl niedrig zu halten“47. Diese gesetzgeberische Wertung ist auf die einzelnen Fragen zu übertragen; soweit nicht zwingende Gesichtspunkte dagegen sprechen, ist vom Grundsatz der größtmöglichen Wirksamkeit der Rechtswahl auszugehen. Erforderlich ist damit nur, dass der Wille des Testators, ein bestimmtes Recht zu wählen, klar zum Ausdruck kommt (Zweifelsregelung zugunsten der Rechtswahl). Die Möglichkeit, das anwendbare Recht für den Nachlass zu wählen, entspricht ferner dem materiell-rechtlichen Grundsatz der Testierfreiheit.48 Diese ist das den Rechten der Mitgliedstaaten gemeinsame Prinzip, das eben deshalb einheitsstiftend ist. Die Übertragung der materiell-rechtlichen Testierfreiheit in das Internationale Privatrecht besteht in der Gewährung einer Rechtswahl.49 Rechtfertigt sich die Rechtswahl mit der materiell-rechtlichen Testierfreiheit, so spricht der materiellrechtliche Grundsatz des favor testamenti50 ebenfalls dafür, der Rechtswahl die größtmögliche Wirksamkeit zu gewähren. Man kann daher mit Recht von einem „kollisionsrechtlichen favor testamenti“51 sprechen. Zwei weitere Argumente sprechen für eine großzügige Auslegung der Rechtswahlmöglichkeit: Das Rechts45 Artikel 17 Abs. 1 des Kommissionsentwurfs enthielt demgegenüber keinen eindeutigen Hinweis darauf, wann der Erblasser über die jeweilige Staatsangehörigkeit verfügen muss. Der Wortlaut deutete dabei auf den Zeitpunkt der Rechtswahl hin. 46 So schon Lechner, in Dutta/Herrler, S. 5, 15. Im Unterschied zu Art. 50 des Kommissionsentwurfs lässt Art. 83 Abs. 2 EuErbVO eine vor dem 17. 8. 2015 getroffene Rechtswahl auch dann fortbestehen, wenn sie nach dem IPR des Heimatstaats oder Staats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt der Rechtswahl wirksam ist. Ferner enthält Art. 83 Abs. 3 EuErbVO eine Vorschrift, die die materielle und formelle Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen begünstigt. Schließlich enthält Art. 83 Abs. 4 EuErbVO die Fiktion der Rechtswahl, wenn der Erblasser die Verfügung von Todes wegen „nach dem Recht“ errichtet hat, das er nach der EuErbVO hätte wählen können. Vgl. zu den Übergangsvorschriften im Einzelnen unten S. 214 ff. 47 Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 14. 48 So schon Dölle, RabelsZ 30 (1966), 205, 221 ff.; die materiell-rechtliche Testierfreiheit wurde auch vom MPI als Grundlage der Rechtswahl angesehen, RabelsZ 74 (2010), 522, 608; vgl. auch Mansel, in: Leible/Unberath, S. 241, 259. 49 MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 608; vgl. auch Dörner/Hertel/Lagarde/ Riering, IPRax 2005, 1, 5. 50 In Deutschland geregelt in § 2084 BGB. 51 Mansel, in: Leible/Unberath, S. 241, 276; vgl. Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15; vgl. zum deutschen Recht auch Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 17, 30.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
gebiet des Erbrechts betrifft vorwiegend den Erblasser, ist also erblasserzentriert, was sich bereits beim Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts und bei der Ausweichklausel gezeigt hat.52 Es geht letztlich um die Verteilung des Vermögens des Erblassers, über das er zu Lebzeiten grundsätzlich frei verfügen kann. Ferner ist die Rechtswahl ein Instrument der Nachlassplanung, ein Instrument also, auf dessen Wirksamkeit der Erblasser sich verlässt. Daraus ergibt sich insgesamt das Gebot der an den Interessen des Erblassers orientierten und damit wirksamkeitsfördernden Auslegung. Beschränkungen sollten jedoch dort vorgesehen werden, wo die anderen Zwecke der Rechtswahl, insbesondere der Zweck der Rechtssicherheit solche zwingend gebieten. 2. Grundsätzliche Anforderungen an eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO a) Zeitpunkt, Form und Umfang der Rechtswahl Eine Rechtswahl kann gem. Art. 83 Abs. 2 EuErbVO bereits vor dem 17. 8. 2015 erfolgen. Sie bleibt nach weit überwiegender Auffassung jedoch wirkungslos, wenn der Erblasser vor dem 17. 8. 2015 verstirbt.53 Gemäß Art. 22 Abs. 2 EuErbVO muss die Rechtswahl ausdrücklich in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Es ist demnach – im Unterschied zum Kommissionsentwurf54 – auch eine konkludente Rechtswahl möglich, wenn sich diese aus einer Verfügung von Todes wegen ergibt. Eine solche konkludente Rechtswahl soll gem. EG 39 EuErbVO bspw. vorliegen, wenn der Erblasser Bezug auf spezifische Bestimmungen seines Heimatrechts nimmt oder dieses Recht in anderer Weise erwähnt. Jedenfalls kann eine konkludente Rechtswahl nur im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen erfolgen, die auch materiell-rechtliche Verfügungen enthält. Eine konkludente Rechtswahl kann damit – wie im deutschen Recht55 – nicht isoliert erfolgen.56 Art. 22 Abs. 3 EuErbVO legt fest, dass die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der die Rechtswahl vorgenommen wird, nach dem gewählten Recht zu beurteilen ist.57 52
Vgl. dazu oben S. 85, 95, 131 f. Leitzen, ZEV 2013, 128, 130; kritisch Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 45; vgl. dazu unten S. 217. 54 Art. 17 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs erforderte, dass die Rechtswahl „ausdrücklich“ erfolgt. 55 Vgl. dazu oben S. 35 f. 56 MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 13; Mansel, in: Leible/Unberath, S. 241, 276; vgl. generell zur Frage, ob eine Rechtswahl isoliert erfolgen kann, unten S. 167. 57 Leitzen, ZEV 2013, 128, 129. 53
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Die Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO erfordert nicht, dass das gewählte Recht die Möglichkeit einer Rechtswahl vorsieht (EG 40 S. 1).58 Möglich ist eine Rechtswahl nur für den gesamten Nachlass. Eine Teilrechtswahl ist damit grundsätzlich ausgeschlossen.59 Das ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 EuErbVO (dt. Fassung), der im Unterschied zu Art. 21 Abs. 1 EuErbVO nicht von „gesamte Rechtsnachfolge“ spricht.60 Die französische61 und die englische62 Fassung weisen jedoch darauf hin, dass sich die Rechtswahl nur auf den gesamten Nachlass beziehen kann. Teilweise wird zudem angeführt, der Blick auf die Rom I- und Rom II-VO zeige, dass das EuIPR die Möglichkeit einer Teilrechtswahl regelmäßig klar regelt.63 Das trifft jedenfalls nicht auf Art. 14 Rom II-VO zu, bei dem die Zulässigkeit der Teilrechtswahl nur über eine analoge Anwendung der Rom I-VO begründet werden kann.64 Die Unzulässigkeit der Teilrechtswahl im Rahmen der EuErbVO lässt sich neben dem Wortlaut der französischen und englischen Fassung aber damit rechtfertigen, dass die EuErbVO dem Prinzip der Nachlassspaltung generell eine Absage erteilt hat.65 Eine Teilrechtswahl liefe dem Prinzip der Nachlasseinheit zuwider. b) Anforderungen an die Staatsangehörigkeit Art. 22 EuErbVO erfordert, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes Angehöriger des Staates des gewählten Rechts ist. Das Staatsangehörigkeitsrecht des jeweiligen Staates entscheidet, ob der Erblasser dessen Staatsangehörigkeit besitzt.66 Die universelle Anwendbarkeit der EuErbVO führt dazu, dass auch Erblasser, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzen, ihr Heimatrecht wählen können.67 Eine solche Rechtswahl ist allerdings nur aus der Sicht der 58
Dutta, FamRZ 2013, 4, 8; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 151. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 66; Cach/Weber, ZfRV 2013, 263, 264; Nordmeier, GPR 2013, 148, 154; Heinig, RNotZ 2014, 197, 206; Döbereiner, DNotZ 2014, 323, 324; Herzog, ErbR 2013, 2, 6 f.; MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 8; KrollLudwigs, S. 140 (dort Fn. 970); Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691, 721; Mansel, in: Leible/ Unberath, S. 241, 282; Palandt/Thorn, Art. 22 EuErbVO, Rn. 3. 60 Vgl. MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 8. 61 Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 frz. Fassung: „Une personne peut choisir comme loi régissant l’ensemble de sa succession la loi de l’État dont elle possède la nationalité au moment où elle fait ce choix ou au moment de son décès.“ 62 Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 engl. Fassung: „A person may choose as the law to govern his succession as a whole the law of the State whose nationality he possesses at the time of making the choice or at the time of death.“ 63 MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 8. 64 So die h.M., siehe MüKo/Junker, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 37 m.w.N. 65 Vgl. EG 37, zur Reichweite der Nachlasseinheit unten S. 252 ff. 66 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 20; Nordmeier, GPR 2013, 148, 149. 67 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 16; Nordmeier, GPR 2013, 148, 149. 59
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
EuErbVO wirksam. Ob sie im Drittstaat anerkannt wird, hängt von dessen IPR ab. Dies birgt die Gefahr hinkender Rechtsverhältnisse.68 Den Fall von mehreren Staatsangehörigkeiten regelt Art. 22 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO. Eine Person, die über mehrere Staatsangehörigkeiten verfügt, kann grundsätzlich das Recht eines der beiden Staaten wählen. Es kommt somit nicht auf die effektive Staatsangehörigkeit an.69 Gilt im Heimatstaat des Erblassers kein einheitliches Erbrecht, sondern mehrere Partikularrechte, so bestimmt Art. 36 Abs. 1 EuErbVO grundsätzlich, dass die Kollisionsnormen des Heimatstaats die Gebietseinheit festlegen, deren Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Fehlen solche Kollisionsvorschriften, so gilt nach Art. 36 Abs. 2 lit. b EuErbVO das Recht des Staates, mit dem der Erblasser die engste Verbindung hatte. Gleiches gilt gem. Art. 37 EuErbVO bei interpersonal gespaltenen Staaten.70 Ob Staatenlose eine Rechtswahlmöglichkeit haben, wird in der EuErbVO nicht geregelt.71 Art. 75 Abs. 1 EuErbVO lässt jedoch die Anwendung internationaler Übereinkommen unberührt, denen Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme der EuErbVO angehörten. Damit gilt aus der Sicht Deutschlands Art. 12 des UNÜbereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. 09. 1954. Gleiches gilt für Frankreich. Daraus folgt, dass Staatenlose das Recht ihres Wohnsitzes im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes wählen können.72 Wenn ein Wohnsitz nicht existiert, können sie das Recht ihres Aufenthalts wählen.73 Der Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO erfordert nur, dass der Erblasser die Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt. Daraus ist nach allgemeiner Auffassung zu schließen, dass eine einmal wirksame Rechtswahl auch bei späterem Verlust der Staatsangehörigkeit wirksam bleibt.74
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Vgl. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 17. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 21, 24; Cach/Weber, ZfRV 2013, 262, 268; Döbereiner, DNotZ 2014, 323, 324; Leitzen, ZEV 2013, 128; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 143; Odersky, notar 2013, 3, 5; Schaal, BWNotZ 2013, 29; MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 3. 70 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 40; Nordmeier, GPR 2013, 148, 150; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 18. 71 Nordmeier, GPR 2013, 148, 150. 72 Solomon, in Dutta/Herrler, S. 19, 39; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 362; ders., DNotZ 2014, 323, 324; Nordmeier, GPR 2013, 148, 150; Palandt/Thorn, Art. 22 EuErbVO, Rn. 4. Nach a.A. soll für Staatenlose keine Rechtswahlmöglichkeit bestehen, vgl. Leitzen, ZEV 2013, 128; Schaub, Hereditaire 2013, 91, 115. 73 Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 363; Nordmeier, GPR 2013, 148, 150. 74 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 28; Heinig, RNotZ 2014, 197, 203; Volmer, RPfleger 2013, 421, 423. 69
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c) Denkbare Konstellationen der Wahl des Heimatrechts Folgende Konstellationen einer Wahl des Heimatrechts sind denkbar: *
*
*
*
*
Die Rechtswahl erfolgt ausdrücklich und bezeichnet konkret das Recht eines bestimmten Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl angehört. Die Rechtswahl erfolgt ausdrücklich und bezeichnet konkret das Recht eines bestimmten Staates, dem der Erblasser nicht bei Vornahme der Rechtswahl, aber im Zeitpunkt seines Todes angehört. Der Erblasser wählt konkludent das Recht eines bestimmten Staates, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl angehört. Der Erblasser wählt konkludent das Recht eines bestimmten Staates, dem er nicht bei Vornahme der Rechtswahl, aber im Zeitpunkt seines Todes angehört. Die Rechtswahl erfolgt ausdrücklich. Gewählt wird aber abstrakt das Recht des Staates, dem der Erblasser „im Zeitpunkt des Todes angehört“.
3. Strittige Einzelfragen des Art. 22 EuErbVO a) Probleme bei ausdrücklicher Rechtswahl aa) Isolierte Rechtswahl (1) Darstellung des Problems Streit besteht zunächst hinsichtlich der Frage, ob eine isolierte (ausdrückliche) Rechtswahl möglich ist. Eine isolierte Rechtswahl ist gegeben, wenn die Verfügung von Todes wegen neben der Rechtswahl keine materiell-rechtlichen Verfügungen enthält. Alternativ könnte von einer wirksamen Rechtswahl nur ausgegangen werden, wenn der Erblasser neben der Rechtswahl materielle Anordnungen in der Verfügung von Todes wegen trifft. Die weit überwiegende Ansicht nimmt die Zulässigkeit einer isolierten Rechtswahl an.75 Eine Mindermeinung verlangt demgegenüber, dass in der Verfügung von Todes wegen neben der Rechtswahl auch noch materiell-rechtliche Verfügungen enthalten sein müssen.76 Sie stützt sich dabei auf den Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 EuErbVO77 („[…] Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen […]“). Die überwiegende Ansicht beruft sich demgegenüber 75 Beck-OGK/Schmidt, Art. 22 EuErbVO, Rn. 13; Erman/Hohloch, Art. 22 EuErbVO, Rn. 11; Heinig, RNotZ 2014, 197, 203; Palandt/Thorn, Art. 22 EuErbVO, Rn. 6; NK-BGB/ Kroiß, EuErbRVO, Rn. 16; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 24 EuErbVO, Rn. 41; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 147; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 38; Dutta, FamRZ 2013, 4, 8 (Fn. 40); Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 363; Seibl, in: Spickhoff, S. 123, 139; Volmer, Rpfleger 2013, 421, 423 (Fn. 42); Cach/Weber, ZfRV 2013, 263, 264; Wachter, ZNotP 2014, 2, 5; Roth/ Keim, S. 71. 76 Kunz, GPR 2012, 208 (ohne Begründung); Kroll-Ludwigs, S. 142. 77 So Kroll-Ludwigs, S. 142.
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darauf, dass die Vorschrift des Art. 22 Abs. 2 EuErbVO lediglich die Form beträfe;78 d. h. eine Rechtswahl müsse in der Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen, die Verfügung von Todes wegen aber deshalb keine materiell-rechtlichen Verfügungen enthalten.79 Die h.M. stützt sich z. T. darüber hinaus auf Art. 24 Abs. 2 EuErbVO. Dessen Aussage, dass hinsichtlich der Zulässigkeit und materiellen Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen das nach Art. 22 EuErbVO wählbare Recht berufen werden könne, zeige, dass die Verordnung selbst von der Möglichkeit einer isolierten Rechtswahl ausgehe.80 (2) Eigene Stellungnahme Die EuErbVO lässt eine isolierte Rechtswahl zu. Das lässt sich allerdings nicht mit der Erwägung begründen, die Möglichkeit einer isolierten Rechtswahl ergebe sich aus Art. 24 Abs. 2 EuErbVO.81 Dessen Anordnung, dass der Erblasser hinsichtlich der Zulässigkeit und der materiellen Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen das Recht des Staates wählen kann, das er auch für die Erbfolge hätte berufen können, bedeutet m. E. lediglich, dass die Wahl des Erbstatuts nach Art. 22 EuErbVO nicht zwingend mit einer Wahl des auf die Verfügung von Todes wegen anzuwendenden Rechts gleichzusetzen ist. Aus Art. 24 Abs. 2 EuErbVO lässt sich nur ableiten, dass die Wahl des auf die Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit der Verfügung von Todes wegen anwendbaren Rechts isoliert erfolgen kann; dass die Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO isoliert erfolgen kann, folgt daraus nicht. Die Zulässigkeit einer isolierten Rechtswahl ergibt sich jedoch – wie die h.M. zu Recht ausführt – daraus, dass es sich bei Art. 22 Abs. 2 EuErbVO lediglich um eine Formvorschrift handelt. Dafür spricht der Wortlaut der Norm, der festlegt, dass die Rechtswahl „in Form“ einer Verfügung von Todes wegen erfolgen muss. Auch der Art. 22 Abs. 2 EuErbVO betreffende EG 39 legt ein solches Verständnis nahe. Es besteht darüber hinaus kein Bedürfnis dafür, eine isolierte Rechtswahl auszuschließen und die EuErbVO enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie testamentarischen Gestaltungen der Erbfolge den Vorzug gibt. Der eingangs genannte Schutz der sicheren Nachlassplanung82 des Erblassers erfordert nicht zwingend zusätzlich zur Rechtswahl materiell-rechtliche Verfügungen. Ein solches Erfordernis wäre auch nicht vom Zweck der Verordnung gedeckt, (nur) das anwendbare Recht zu bestimmen. Erforderlich für die Regelung der Frage der Rechtswahl kann aber sein, aus Rechtssicherheitserwägungen83 für die Rechtswahl eine gewisse Form zu verlangen; in diesem Sinne ist Art. 22 Abs. 2 EuErbVO zu verstehen. Die Ergebnisse der Mindermeinung wären im Übrigen willkürlich. Wenn der Erblasser in der Verfügung 78 79 80 81 82 83
Dutta, FamRZ 2013, 4, 8 (Fn. 40); Volmer, RPfleger 2013, 421, 423 (Fn. 42). Dutta, FamRZ 2013, 4, 8 (Fn. 40); Volmer, RPfleger 2013, 421, 423 (Fn. 42). Dutta, FamRZ 2013, 4, 8 (Fn. 40). Vgl. oben Fn. 80. Vgl oben S. 160. Vgl. oben S. 160 ff.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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von Todes wegen neben der Rechtswahl nur eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Anordnung trifft84, im Übrigen aber die gesetzliche Regelung für anwendbar erklärt, wäre eine Rechtswahl wirksam, ohne diese Anordnung aber unwirksam. bb) Möglichkeit der Wahl des Rechts eines zukünftigen Heimatstaates? Fraglich ist weiterhin, ob der Erblasser das Recht eines Staates wählen kann, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl noch nicht angehört, dessen Angehörigkeit er aber später erwirbt. Der Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO spricht insoweit vom Recht des Staates, dem die Person „im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehört“. Aufgrund dieser Formulierung wird allgemein vertreten, dass auch ein zukünftiges Heimatrecht gewählt werden kann.85 Anderenfalls wäre die zweite Alternative nicht verständlich, weil immer die erste Alternative erfüllt wäre.86 Das Argument des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO ist zutreffend. Der Passus „im Zeitpunkt des Todes“ wäre sinnlos, wenn der Erblasser nur sein aktuelles Heimatrecht wählen könnte. Die Wahl des zukünftigen Heimatrechts ist nach Art. 22 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO möglich. Nach dem Wortlaut nicht eindeutig wirksam ist eine Rechtswahl, wenn der Erblasser diese trifft, ohne im Besitz der Staatsangehörigkeit zu sein, diese später erwirbt und sie aber vor seinem Tod wieder verliert. Art. 22 Abs. 1 EuErbVO lässt allerdings den Besitz der Staatsangehörigkeit im Wahlzeitpunkt oder im Todeszeitpunkt genügen. Daraus dürfte generell abzuleiten sein, dass es ausreicht, dass sich wirksame Rechtswahl und Besitz der Staatsangehörigkeit des gewählten Rechts zu einem Zeitpunkt überschneiden. Dafür lässt sich anführen, dass der Erblasser durch (erneute) Vornahme der Rechtswahl zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch im Besitz der entsprechenden Staatsangehörigkeit ist, der Rechtswahl hätte Gültigkeit verschaffen können, denn dann wäre die Alternative „im Zeitpunkt der Rechtswahl“ erfüllt gewesen. Handelt es sich aber um eine an sich nach der EuErbVO mögliche Rechtswahl, dann erscheint es als unnötiger Formalismus, einer Rechtswahl die Gültigkeit zu versagen, weil der Besitz der Staatsangehörigkeit zwischen den in Art. 22 Abs. 1 S. 1 EuErbVO genannten Zeitpunkten liegt. Auch hier dürfte der spätere Verlust damit unschädlich sein.87
84 In Betracht käme sogar, dass dem Erfordernis einer materiellen Verfügung genüge getan ist, wenn der Erblasser lediglich die „deutsche gesetzliche Erbfolge“ für gültig erklärt. 85 Erman/Hohloch, Art. 22 EuErbVO, Rn. 3; Volmer, RPfleger 2013, 421, 423; MüllerLukoschek, § 2, Rn. 141 f.; wohl auch Dörner, ZEV 2012, 505, 511; Janzen, DNotZ 2012, 484, 485; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 363. 86 Volmer, RPfleger 2013, 421, 423. 87 Anders aber MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 3; Leitzen, ZEV 2013, 128.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Zum Teil ist die Möglichkeit der Wahl des Rechts des Staates, dem der Erblasser im Todeszeitpunkt angehört, auf Kritik gestoßen.88 Wilke führt aus, die zweite Alternative des Art. 22 Abs. 1 erfasse nur „seltsame Verwurzelungssituationen, in denen der Erblasser die Staatsangehörigkeit seines Heimatstaats verloren hat, aber demnächst wiederzuerlangen glaubt und seine Rechtsnachfolge ohne weiteres Zuwarten regeln möchte“89. Diese Kritik ist m. E. verfehlt. Der Erwerb einer neuen Staatsangehörigkeit setzt keineswegs voraus, dass der Erblasser im zeitlichen Abstand dazu vorher seine Staatsangehörigkeit verloren hat. Im Übrigen kann die Anknüpfung an das Recht der Staatsangehörigkeit im Todeszeitpunkt durchaus sachgerecht sein, etwa wenn der Erblasser die Verleihung einer bestimmten Staatsangehörigkeit beantragt hat, diese aber im Wahlzeitpunkt noch nicht erfolgt ist. Sinn und Zweck der Vorschrift ist, einer Rechtswahl größtmögliche Wirksamkeit zu verleihen, indem die Staatsangehörigkeit des gewählten Rechts nicht zwingend im Wahlzeitpunkt gegeben sein muss.90 Mag der praktische Anwendungsbereich auch gering sein, die Vorschrift erfüllt damit einen legitimen Zweck. cc) Zulässigkeit einer abstrakten Rechtswahl? (1) Streitstand im Rahmen der EuErbVO Weiterhin stellt sich die Frage, wie genau eine Rechtswahl sein muss, insbesondere ob das gewählte Recht als solches konkret bezeichnet werden muss oder ob eine abstrakte Bezeichnung ausreicht (z. B. „Ich wähle das Recht meiner Staatsangehörigkeit im Todeszeitpunkt“, im Folgenden: „abstrakte Rechtswahl“). Überwiegend wird vertreten, dass aus Gründen der Rechtssicherheit eine abstrakte Rechtswahl nicht zulässig sei.91 Vielmehr sei das Recht konkret zu bezeichnen, auch wenn es das eines zukünftigen Heimatstaates sei. Neben dem Hinweis auf die Rechtssicherheit wird darauf verwiesen, die Unzulässigkeit folge aus Art. 22 Abs. 2 EuErbVO.92 Ferner wird angeführt, dass die Anknüpfung an das Heimatrecht im Zeitpunkt des Todes nur eingeführt worden sei, um Streitigkeiten um den maßgeblichen Zeitpunkt zu beenden.93 Als Folge der Unzulässigkeit wird vertreten, dass
88
Volmer, RPfleger 2013, 421, 423 („gestalterischer Unfug“); Wilke, RIW 601, 605 f. Wilke, RIW 2012, 601, 605. 90 Vgl. die Kritik von Lange, ZVglRWiss 110 (2011), 426, 433 am Kommissionsentwurf, der die Alternative „im Zeitpunkt des Todes“ noch nicht enthielt. 91 Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 142; Janzen, DNotZ 2012, 484, 485; Erman/Hohloch, Art. 22 EuErbVO, Rn. 6; Leitzen, ZEV 2013, 128; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 363; ders., DNotZ 2014, 323, 324; Dörner, ZEV 2012, 505, 511 (dort Fn. 37); Palandt/Thorn, Art. 22 EuErbVO, Rn. 3; Heinig, RNotZ 2014, 197, 205; PWW/Martiny, EuErbVO, Rn. 45; Roth/ Keim, S. 71; wohl auch Burandt/Rojahn/Burandt, Art. 22 EuErbVO, Rn. 6. 92 Janzen, DNotZ 2012, 484, 486. 93 Herzog, ErbR 2013, 2, 6. 89
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im Falle eines interlokal gespaltenen Erbrechts die konkrete Teilrechtsordnung bezeichnet werden müsse.94 Nach anderer Auffassung ist eine abstrakte Bestimmung zulässig.95 Dafür wird geltend gemacht, dass der Verordnungstext einer abstrakten Bezeichnung nicht entgegenstehe.96 Ferner wird angeführt, dass diese aus der Möglichkeit folge, eine konkludente Rechtswahl zu treffen.97 Wenn schon eine konkludente Rechtswahl zulässig sei, müsse auch eine abstrakte zulässig sein.98 Darüber hinaus wird geltend gemacht, dass der Möglichkeit, dass das Vorliegen der Staatsangehörigkeit im Todeszeitpunkt ausreiche, ein „Validierungsgedanke“99 zugrunde liege. Gemeint ist damit, dass die Rechtswahl des Erblassers, der im Zeitpunkt der Vornahme über die Wählbarkeit eines Rechts irrt, also ein in diesem Zeitpunkt unwählbares Rechts wählt, dadurch geheilt werden könne, dass er die Staatsangehörigkeit des gewählten Rechts bis zu seinem Tod erwerbe. Es entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn man für die ausdrückliche Wahl des Rechts im Todeszeitpunkt das sichere Wissen um die konkrete zukünftige Staatsangehörigkeit verlangte (denn nur in diesem Fall könne sie sicher konkret bestimmt werden), einen Irrtum über die Wählbarkeit eines Rechts im Zeitpunkt der Rechtswahl dagegen heilte.100 Überdies wird vertreten, es ergäben sich aus einer abstrakten Bestimmung keine (zusätzlichen) Unsicherheiten, die nicht auch bei einer konkreten Wahl des Rechts eines Staates bestehen, dessen Angehöriger der Erblasser erst später wird.101 (2) Vergleich zu anderen Verordnungen Zunächst wird ein vergleichbares Problem im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO behandelt. Hier geht es um die Frage, ob von den Parteien abstrakt die lex fori gewählt werden kann („floating choice of law“ bzw. „bedingte Rechtswahl“102).
94
Janzen, DNotZ 2012, 484, 486. Cach/Weber, ZfRV 2013, 262, 266; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 38; Nordmeier, GPR 2013, 148, 151; Volmer, RPfleger 2013, 421, 423 (dort Fn. 38, „entgegen Janzen“); Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 47; Beck-OGK/Schmidt, Art. 22 EuErbVO, Rn. 19; MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 11. 96 Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 47. 97 Nordmeier, GPR 2013, 148, 151; Beck-OGK/Schmidt, Art. 22 EuErbVO, Rn. 19. 98 Nordmeier, GPR 2013, 148, 151. 99 Nordmeier, GPR 2013, 148, 151. 100 Nordmeier, GPR 2013, 148, 151. 101 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 38. 102 MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 18; Kropholler, § 52 II 3 c). Klassisches Beispiel dafür ist die Vereinbarung, dass in den beiden Staaten, in deren Gebiet die Parteien ihren Sitz haben, geklagt werden darf und dass bei einem Verfahren im einen oder anderen Staat jeweils die lex fori gelten soll. 95
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Nach weit überwiegender Auffassung ist dort eine solche abstrakte Wahl der lex fori zulässig.103 Abgeleitet wird die Möglichkeit einer abstrakten Rechtswahl aus Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO, der eine nachträgliche Rechtswahl ermöglicht.104 Daraus ließe sich schließen, dass es mit der Verordnung vereinbar sei, dass vor Rechtshängigkeit ein anderes Recht als nach Rechtshängigkeit anwendbar ist.105 Das anwendbare Recht bliebe zudem nicht offen, weil bis zur Anrufung des jeweiligen Gerichts die objektive Anknüpfung maßgeblich sei.106 Zweifelsfragen, ob z. B. die Rechtswahl ex tunc oder ex nunc wirken solle, könnten durch Auslegung ermittelt werden.107 Ein mit der Frage der abstrakten Rechtswahl vergleichbares Problem findet sich auch im Rahmen der Rom III-VO. Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO ermöglicht (u. a.) die Wahl des Rechts des Staates des angerufenen Gerichts. Dabei stellt sich ebenfalls die Frage, ob eine Wahl dieses Rechts auch abstrakt dergestalt erfolgen kann, dass das Recht des Staates gilt, in dem die Scheidung zulässigerweise eingereicht wurde. Die überwiegende Auffassung lehnt hier eine „floating choice of law“108 ab.109 Zwar entspreche eine solche dem (Kosten-)Interesse der Parteien.110 Dagegen spreche aber, dass EG 18 Rom III-VO eine informierte Entscheidung hinsichtlich der genauen rechtlichen und sozialen Folgen der Rechtswahl verlange, die bei einer ex-ante getroffenen Rechtswahlvereinbarung nicht möglich sei.111 Ferner spreche dagegen der Bericht zum HUntProt.112 Dort wird eine solche „blind vorgenommene“ Wahl abgelehnt, weil sie nicht die Gewähr biete, „dass die Parteien über den Gegenstand der Wahl unterrichtet wurden und sich dessen bewusst waren“.113 Darüber hinaus sei gegen eine abstrakte Bezeichnung anzuführen, dass EG 16 Rom III-VO einen besonderen Bezug zu dem Land, dessen Recht gewählt werden soll, fordere.114 Ein 103 Kropholler, § 52 II 3 c); MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 18; NK-BGB/Leible, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 42 f.; Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 72; jurisPK/Ringe, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 29; Calliess/Calliess, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 36. 104 Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 72; Calliess/Calliess, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 36. 105 Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 72; Calliess/Calliess, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 36. 106 Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 72; MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 18. 107 Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 72. 108 Überwiegend wird unter „floating choice of law“ die Wahl der „lex fori“ als solcher – ohne Bezeichnung des konkreten Rechts – verstanden (Gruber, IPRax 2012, 381, 386; Palandt/ Thorn, Art. 5 Rom I-VO, Rn. 5). 109 Helms, FamRZ 2011, 1765, 1768; jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 22; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 77 (2013), 786, 814; Palandt/Thorn, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 5; Andrae, § 4, Rn. 16; Roth/Gruber, S. 43; zweifelnd Gruber, IPRax 2012, 381, 386. 110 Gruber, IPRax 2012, 381, 386 (dort Fn. 75). 111 Schall/Weber, IPRax 2014, 381, 384; ähnlich Gruber, IPRax 2012, 381, 386; MörsdorfSchulte, RabelsZ 77 (2013), 786, 814. 112 Gruber, IPRax 2012, 381, 386. 113 Bonomi-Bericht, Rn. 120; so auch NK-BGB/Gruber, Anh. Art. 18 EGBGB, Rn. 8. 114 jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 22.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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solcher sei gegeben, wenn die Ehegatten ein Gericht angerufen hätten, vorher aber nicht.115 Hingewiesen wird auch darauf, dass die Wahl der lex fori zur Geltung einer Vielzahl von Rechten führen könnte, weil die Brüssel IIa-VO eine internationale Zuständigkeit eines Mitgliedstaats relativ einfach begründe, u. U. reiche dafür der gewöhnliche Aufenthalt eines der beiden Ehegatten aus.116 Nach anderer Auffassung ist eine „floating choice of law“ zulässig.117 Dafür führt Hilbig-Lugani an, dass Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III-VO ansonsten auf das Recht der Mitgliedstaaten beschränkt sei, die nach Anrufung des Gerichts eine Rechtswahl zulassen.118 Damit hätte Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III-VO nur einen sehr begrenzten Anwendungsbereich. Ferner führt Hilbig-Lugani für die Zulässigkeit der „floating choice of law“ den Vergleich zu Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 EuErbVO an. Dieser müsse auch eine abstrakte Bezeichnung zulassen, wenn man „der Norm nicht einen unerheblichen Anwendungsbereich geben“119 wollte. Insoweit sei eine „floating choice of law“ dem Unionsrecht nicht fremd.120 Ferner sei die Unsicherheit erträglich, weil die Brüssel IIa-VO den Kreis der möglichen Gerichtsstände, mithin also auch der gewählten Rechte, begrenze.121 Nach einer vermittelnden Ansicht122 soll eine abstrakte Bezeichnung zulässig sein, „wenn sich aus den sonstigen Umständen ergibt, dass eine informierte Entscheidung vorlag“123. (3) Eigene Stellungnahme (a) Vergleich zu anderen Verordnungen Die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit einer Rechtswahl, die das gewählte Recht nicht konkret bezeichnet, zeichnet sich bereits im Rahmen des bisherigen EuIPR durch eine gewisse Inkohärenz aus. Im Rahmen der Rom I-VO wird die abstrakte Wahl der lex fori weit überwiegend für zulässig gehalten,124 im Rahmen der Rom III-VO und des HUntProt wird sie überwiegend abgelehnt.125 Nicht zwingend übertragbar ist zunächst die Lösung der Rom I-VO. Die Interessenlage ist dort nicht mit der EuErbVO vergleichbar. Die Zulassung einer ab115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125
jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 22. Vgl. Palandt/Thorn, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 5. NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 49. NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 49. NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 49. NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 49. NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 49. Rösler, RabelsZ 78 (2014), 155, 169 f. Rösler, RabelsZ 78 (2014), 155, 170. Vgl. oben S. 171. Vgl. oben S. 172.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
strakten Rechtswahl ist im Rahmen der Rom I-VO hinsichtlich der Rechtssicherheit unproblematisch. Vor Anrufung des Gerichts ist objektiv anzuknüpfen, nach Anrufung des Gerichts gilt dann die (gewählte) lex fori. Damit ist das anwendbare Recht stets klar. Ein im Rahmen der EuErbVO möglicherweise eintretende Rechtsunsicherheit bei mehrfacher Staatsangehörigkeit oder bei Wechsel der Staatsangehörigkeit ist damit nicht möglich,126 sodass die im Rahmen der Rom I-VO befürwortete Lösung nicht übertragen werden kann. Zudem findet sich auch keine Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO entsprechende Regelung in der EuErbVO, aus der die Zulässigkeit einer abstrakten Rechtswahl abgeleitet werden kann. Dies könnte eher eine Übertragung der Lösung der Rom III-VO bzw. des HUntProt nahelegen. Hiergegen spricht jedoch, dass die für oder gegen die Zulässigkeit einer abstrakten Rechtswahl dargelegten Argumente generell nicht oder jedenfalls nicht im Rahmen der EuErbVO überzeugen. So wird die Ablehnung der abstrakten Rechtswahl in der Rom III-VO dort überwiegend auf EG 18 Rom III-VO gestützt, der vorsieht, dass die Eheleute ihre Rechtswahl „in voller Sachkenntnis“ treffen und sich über die „rechtlichen und sozialen Folgen“ ihrer Rechtswahl bewusst sind. Diese Erwägung ist allerdings nicht ohne weiteres auf die EuErbVO übertragbar, weil diese keine vergleichbare Aussage enthält. Gleiches gilt auch für die ablehnende Haltung des Bonomi-Berichts zum HUntProt. Stattdessen ist es dem Gesetzgeber bei der EuErbVO eher darum gegangen, den Pflichtteilsberechtigten vor den Folgen der Rechtswahl zu schützen (vgl. EG 38 S. 2 EuErbVO). Dessen Interessen würden allerdings nur durch eine Erweiterung der wählbaren Rechte, nicht aber durch die Zulässigkeit einer abstrakten Rechtswahl beeinträchtigt. Nicht überzeugen kann generell das im Rahmen der Rom III-VO gegen die Zulässigkeit einer „floating choice of law“ vorgebrachte Argument Ludwigs, die Rom III-VO erfordere einen Bezug zum gewählten Recht, der erst bei Anrufung des Gerichts bestehe.127 Ludwig selbst hält – wie die überwiegende Auffassung – die konkrete Wahl eines bestimmten Rechts für zulässig, auch wenn dieses „nur“ als lex fori wählbar ist bzw. wird.128 Auch hier besteht jedoch vor Anrufung des Gerichts kein Bezug zum gewählten Recht. Nicht geteilt werden kann ferner die Argumentation Hilbig-Luganis, die sich für die Zulässigkeit einer „floating choice of law“ darauf stützt, dass diese gerade in der EuErbVO vorkomme (soweit man der Rechtswahl im Rahmen der EuErbVO einen „nicht unerheblichen Anwendungsbereich“129 einräumen will) und damit dem Unionsrecht nicht fremd sei. Dabei handelt es sich um einen Zirkelschluss. Die Zulässigkeit der abstrakten Rechtswahl ist (wie dargestellt) im Rahmen der EuErbVO äußerst umstritten, überwiegend wird sie sogar für nicht zulässig gehalten. Die EuErbVO kann damit jedenfalls nicht als Begründung dafür herhalten, dass die abstrakte 126 127 128 129
Vgl. im Einzelnen unten S. 177 f. jurisPK/Ludwig, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 22. jurisPK/Ludwig, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 23; Andrae, § 4, Rn. 16. NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 49.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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Rechtswahl dem Unionsrecht nicht fremd sei. Das zudem vertretene Argument des geringen Anwendungsbereichs des Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III-VO ist nicht auf die EuErbVO übertragbar, denn der Anwendungsbereich des Art. 22 EuErbVO verändert sich durch Zulassung einer abstrakten Rechtswahl nicht wesentlich. Indes lässt sich eine Gemeinsamkeit von EG 18 Rom III-VO und EG 38, 39 EuErbVO feststellen, nämlich die durch die Rechtswahl angestrebte Klarheit über das anwendbare Recht (als einheitsstiftendes Prinzip). Dieses spricht auch im Rahmen der EuErbVO tendenziell gegen die Zulässigkeit einer abstrakten Rechtswahl. Aufgrund der Begrenzung auf die Wahl des Heimatrechts im Rahmen der EuErbVO ist allerdings die Anzahl der möglicherweise anwendbaren Rechte, selbst bei Mehrstaatern, deutlich geringer ist als im Falle der Rom III-VO. Dort kommt bei abstrakter Wahl der lex fori – aufgrund der relativ einfach zu begründenden Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-VO – eine Vielzahl von Rechten in Betracht.130 Darüber hinaus erscheint eine abstrakte Rechtswahl im Rahmen der Rom III-VO auch aus folgendem Grund problematischer: Welches Recht aus der abstrakten Wahl der lex fori im Ergebnis folgt, ist im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtswahl immer unklar, denn diese Wahl bezieht sich immer auf das erst zukünftig zu bestimmende Recht des angerufenen Gerichts. Demgegenüber haben die meisten Erblasser nur eine Staatsangehörigkeit, die sie auch während ihres gesamten Lebens behalten. Insofern ist auch bei abstrakter Bezeichnung des Heimatrechts im Rahmen der EuErbVO in den meisten Fällen klar, welches Recht gemeint ist, da nur ein Heimatrecht existiert. (b) Wortlaut des Art. 22 EuErbVO Der Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 S. 1 EuErbVO ist unergiebig. Insbesondere spricht die Alternative „im Zeitpunkt des Todes“ nicht zwingend für die Zulässigkeit einer abstrakten Rechtswahl, denn es ist auch eine konkrete Wahl eines zukünftigen Heimatrechts möglich. So liegt es z. B., wenn ein deutscher Erblasser die schweizerische Staatsangehörigkeit beantragt hat, die Verleihung noch aussteht und er eine letztwillige Verfügung errichtet, in der er folgende Anordnung trifft: „Ich will nach dem Recht der Schweiz beerbt werden“. In diesem Fall ist das Recht eines konkreten Staates gewählt, dem der Erblasser im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung noch nicht angehört. Ob der Erblasser nach dem Recht der Schweiz beerbt wird, hängt davon ab, ob ihm vor seinem Tod die schweizerische Staatsangehörigkeit verliehen wurde. (c) Keine eindeutige Entscheidung aufgrund von Art. 22 Abs. 2 EuErbVO Auch Art. 22 Abs. 2 EuErbVO ermöglicht keine eindeutige Entscheidung. Dieser legt lediglich fest, dass die Rechtswahl ausdrücklich in einer Verfügung von Todes wegen enthalten sein oder sich (konkludent) aus den Bestimmungen einer solchen 130 Palandt/Thorn, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 5; genau gegenläufig indes NK-BGB/HilbigLugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 49.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
ergeben muss. Ausdrücklich bezeichnet dabei den Vorgang der Rechtswahl an sich, nicht aber das gewählte Recht.131 Die Aussage, dass eine Teilrechtsordnung konkret bezeichnet sein müsse,132 steht jedenfalls im Widerspruch zu Art. 36 Abs. 2 lit. b EuErbVO. Dessen Festlegung, dass im Falle der fehlenden internen Kollisionsvorschriften im Staat mit Teilrechtsordnung die Bezugnahme auf das Staatsangehörigkeitsrecht als eine Bezugnahme auf das Recht der engsten Verbindung gilt, wäre ansonsten überflüssig. Das Argument, die abstrakte Rechtswahl folge aus der Möglichkeit der konkludenten Rechtswahl, ist ebenfalls nicht überzeugend. Nordmeier macht dieses geltend, nachdem er der herrschenden Auffassung vorwirft, dass sich die Unzulässigkeit der abstrakten Rechtswahl gerade nicht aus Art. 22 Abs. 2 EuErbVO ableiten lasse.133 Genauso wenig wie das Wort „ausdrücklich“ in Art. 22 Abs. 2 EuErbVO jedoch entscheidend gegen eine abstrakte Rechtswahl sprechen kann, lässt sich das Wort „konkludent“ als Argument für die abstrakte Rechtswahl einsetzen. Art. 22 Abs. 2 EuErbVO betrifft eine andere Ebene, nämlich die der Rechtswahl, und nicht die des gewählten Rechts. Eine andere Frage ist jedoch, ob eine abstrakte Rechtswahl wertungsmäßig einer konkludenten Rechtswahl gleichsteht und deshalb zugelassen werden sollte.134 (d) Historische Auslegung gegen Zulässigkeit der abstrakten Rechtswahl? Gegen eine abstrakte Rechtswahl könnte auch das Argument von Herzog sprechen, dass die Alternative „im Zeitpunkt des Todes“ nur eingeführt worden sei, um die Streitigkeiten um den maßgeblichen Zeitpunkt zu beenden.135 Remde bezeichnet die 2. Alternative des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO daher als Heilungsvorschrift.136 Die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments137 deuten in der Tat auf eine solche Auslegung hin. Die Alternative „im Zeitpunkt des Todes“ ist danach eingeführt worden, um der Rechtswahl des Erblassers Wirksamkeit zu verleihen, der erst nach seiner Rechtswahl die entsprechende Staatsangehörigkeit erwirbt. Dennoch verbietet m. E. dieser Zweck der Einführung der zweiten Alternative des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO nicht zwingend eine abstrakte Rechtswahl. Denn auch wenn sie zu einem anderen Zweck eingeführt wurde als zur Gewährung einer solchen, schließt dies die Zulässigkeit einer abstrakten Rechtswahl nicht zwingend aus. 131 So auch Nordmeier, GPR 2013, 148, 151; Beck-OGK/Schmidt, Art. 22 EuErbVO, Rn. 19. 132 Janzen, DNotZ 2012, 484, 486. 133 Nordmeier, GPR 2013, 148, 151: „Die Wendung „ausdrücklich“ in Art. 22 Abs. 2, 1. Alt ErbRVO bezieht sich auf die Ausdrücklichkeit der Rechtswahl, nicht auf die ausdrückliche Bezeichnung des gewählten Rechts.“ So auch MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 11. 134 Siehe unten S. 178. 135 Herzog, ErbR 2013, 2, 6. 136 Remde, RNotZ 2012, 65, 73. 137 Vgl. Änderungsanträge 190 (Wallis) und 191 (Lechner), in: Änderungsanträge 122 – 245, S. 38 f.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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(e) Wertungswiderspruch mit Fall der unzulässigen Rechtswahl im Wahlzeitpunkt, die später geheilt wird? Zu behandeln bleibt aber das Argument des Wertungswiderspruchs. Dieser soll wohl in zwei verschiedenen Fällen bestehen. In einem Fall wählt der Erblasser konkret das Recht eines Staates, dem er im Wahlzeitpunkt nicht angehört. Diese Rechtswahl ist konkret, aber im Zeitpunkt der Rechtswahl unwirksam, weil der Erblasser die betreffende Staatsangehörigkeit nicht hat. Erwirbt er sie vor seinem Tod, wird diese unwirksame Rechtswahl „geheilt“, da es ausreichend ist, im Todeszeitpunkt über die Staatsangehörigkeit zu verfügen. Die Fehlvorstellung im Zeitpunkt der Rechtswahl wirkt sich also nicht negativ aus. Im anderen Fall wird der Erblasser, der eine abstrakte Rechtswahl trifft (u. U. weil er nicht weiß, welche Staatsangehörigkeit er im Todeszeitpunkt haben wird138), benachteiligt, weil seine Rechtswahl niemals geheilt werden kann. In dieser Unterscheidung ist entgegen Nordmeier nicht generell ein Wertungswiderspruch zu sehen. Die Abwägung der zu berücksichtigenden Interessen kann in beiden Fällen vielmehr unterschiedliche Ergebnisse rechtfertigen. Gemeinsam ist beiden Fällen zwar, dass im Zeitpunkt der Vornahme nicht klar ist, welche Folgen die Rechtswahl haben wird. Für die Annahme einer wirksamen Rechtswahl spricht auch in beiden Konstellationen der Grundsatz der größtmöglichen Wirksamkeit der Rechtswahl. Gegen eine abstrakte Rechtswahl spricht aber, dass eine solche hinsichtlich der Rechtssicherheit bei Mehrstaatern und beim Wechsel der Staatsangehörigkeit äußerst problematisch ist.139 Bei einer konkreten Rechtswahl ist im Ergebnis eindeutig, welches Recht nach dem Willen des Erblassers Anwendung finden soll. So ist es bspw., wenn der deutsche Erblasser französisches Recht wählt und nach der Rechtswahl, aber vor seinem Tod zusätzlich die französische Staatsangehörigkeit erwirbt. In diesem Fall ist das Ergebnis der Rechtswahl nach dem Tod des Erblassers klar: Französisches Recht ist anwendbar. Erwirbt der Erblasser die französische Staatsangehörigkeit nicht, ist ebenfalls klar, dass objektiv angeknüpft wird. Bei einer abstrakten Rechtswahl eines Mehrstaaters ist demgegenüber anhand der Rechtswahl überhaupt nicht sicher, welche der beiden (oder mehreren) Rechtsordnungen er wählen wollte.140 Im Falle eines Mehrstaaters ließe sich zudem anführen, dass eine abstrakte Rechtswahl bei genauer Betrachtung nicht im Einklang mit Art. 22 Abs. 1 S. 2 EuErbVO erfolgt, denn danach kann der Erblasser das Recht eines der Staaten wählen, denen er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehört. Eine abstrakte Rechtswahl eines Mehrstaaters erfüllt aber diese Voraussetzung nicht, weil dieser damit nicht „eines“ der beiden Rechte wählt. 138 Das legt die Formulierung: „Es wäre wertungswidersprüchlich, für die ausdrückliche Wahl des Rechts im Todeszeitpunkt das sichere Wissen um die zukünftige Staatsangehörigkeit zu fordern“ (Nordmeier, GPR 2013, 148, 151) nahe. 139 Ablehnend bei Mehrstaatern deshalb Cach/Weber, ZfRV 2013, 262, 266. 140 Auf die Unzulässigkeit der abstrakten Rechtswahl eines Mehrstaaters beschränken sich Cach/Weber, ZfRV 2013, 262, 266.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Hinsichtlich der Rechtssicherheit kann darüber hinaus eine abstrakte Rechtswahl problematisch sein, wenn der Erblasser seine Staatsangehörigkeit wechselt, nachdem er die Rechtswahl vorgenommen hat. Das verdeutlicht der Fall eines deutschen Staatsangehörigen, der (noch als Deutscher) eine letztwillige Verfügung errichtet hat, in der er sein „Heimatrecht“ für anwendbar erklärt. Zehn Jahre nach dieser Rechtswahl gibt er die deutsche Staatsangehörigkeit auf und wird Staatsangehöriger von Monaco. Drei Jahre später verstirbt er, ohne seine letztwillige Verfügung zu ändern. In diesem Fall wäre es bei Zulassung einer abstrakten Rechtswahl möglich, von der Wahl deutschen Rechts auszugehen, denn deutsches Recht war das Heimatrecht im Wahlzeitpunkt (Art. 22 Abs. 1 Alt. 1 EuErbVO). Man könnte allerdings auch von der Wahl des Rechts von Monaco ausgehen, wenn man dem Heimatrecht im Zeitpunkt des Todes den Vorrang einräumt (Art. 22 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO). Auch hier wird die Rechtssicherheit somit durch eine abstrakte Rechtswahl beeinträchtigt. Zuzustimmen ist Nordmeier allerdings in dem Fall, in dem der Erblasser kein Mehrstaater ist und nach der Rechtswahl seine Staatsangehörigkeit nicht wechselt. (f) Berücksichtigung der Interessen des Erblassers Erblasser haben nicht generell ein Interesse daran, die Rechtswahl in abstrakter Form zu treffen. Eine gesicherte Nachlassplanung ist ihnen auch möglich, wenn man verlangt, das gewählte Recht konkret zu bezeichnen. Sollte ein Erblasser die Verleihung einer Staatsangehörigkeit erwarten, so bietet sich auch eine konkrete, bedingte Rechtswahl141 an. Der Erblasser dürfte zudem generell daran interessiert sein, dass aus seiner Rechtswahl zweifelsfrei erkennbar ist, welches Recht anzuwenden ist. Das spricht dafür, jedenfalls in den hinsichtlich der Rechtssicherheit problematischen Fällen eine abstrakte Rechtswahl grundsätzlich als unzulässig anzusehen. Wenn jedoch nur ein Heimatrecht des Erblassers in Betracht kommt, wird der Erblasser es als unangemessen empfinden, wenn seinem eindeutig zu ermittelnden Willen, ein bestimmtes Recht zu wählen, nicht entsprochen wird, weil er die Rechtswahl nicht korrekt formuliert hat. Hier sprechen die Interessen des Erblassers somit für eine Anerkennung der abstrakten Rechtswahl. (g) Einfluss der Möglichkeit der konkludenten Rechtswahl Für die Zulässigkeit der abstrakten Rechtswahl macht Nordmeier schließlich den Erst-recht-Schluss geltend, dass „wenn die Verordnung eine Rechtswahl gestattet, ohne dass das gewählte Recht überhaupt ausdrücklich bezeichnet wird, auch dessen ausdrückliche, aber abstrakte Benennung“142 genügen müsse.
141 Eine solche könnte etwa festlegen, dass das Recht des Staates X nur gewählt werden soll, wenn der Erblasser im Zeitpunkt des Todes über die entsprechende Staatsangehörigkeit verfügt, andernfalls soll das Recht des Staates Y anwendbar sein oder (alternativ) objektiv angeknüpft werden. 142 Nordmeier, GPR 2013, 148, 151.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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Dieses Argument spricht jedoch nicht dafür, eine abstrakte Rechtswahl in jedem Fall zuzulassen. Konkrete ausdrückliche Rechtswahl und konkrete konkludente Rechtswahl haben gemein, dass aus ihnen der Wille des Erblassers zur Geltung des Rechts eines bestimmten Staates gefolgert werden kann. Argument für die Gewährung einer konkludenten Rechtswahl ist, dass es zu formalistisch wäre, vom Erblasser eine ausdrückliche Wahl zu verlangen, wenn sie sich klar aus den Umständen einer Verfügung von Todes wegen ergibt (Schutz des Interesses des Erblassers an einer sicheren Nachlassplanung). Dies ändert jedoch nichts an dem grundsätzlichen Erfordernis eines feststellbaren, d. h. aus dem ausdrücklichen Wortlaut oder den Umständen der Verfügung von Todes wegen folgenden Willens, ein bestimmtes Recht zur Anwendung zu bringen (zum Schutz der Rechtssicherheit). Eine solche ist nicht gegeben, wenn der Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten hat oder seine Staatsangehörigkeit nach Vornahme der Rechtswahl gewechselt hat und lediglich abstrakt sein „Heimatrecht“ wählt. Die durch die Zulassung einer konkludenten Rechtswahl zum Ausdruck kommende Wertung darf allerdings nicht unterlaufen werden. Nicht anzunehmen ist deshalb, die Vornahme einer abstrakten Wahl des Heimatrechts bei mehrfacher oder wechselnder Staatsangehörigkeit schließe das Vorliegen einer Rechtswahl generell aus. Vielmehr sollte auch hier von der Wirksamkeit der Rechtswahl dann auszugehen sein, wenn sich nach den zur konkludenten Rechtswahl aufgestellten Grundsätzen143 aus der Auslegung der Verfügung von Todes wegen ergibt, dass eindeutig eines der wählbaren Rechte gemeint war. So wäre es bspw. bei einem deutsch-französischen Erblasser, der zwar in seiner Verfügung von Todes wegen abstrakt sein Heimatrecht berufen hat, daneben allerdings das Testament auf Französisch verfasst hat und auf spezifische Normen des französischen Rechts Bezug genommen hat.144 Hier ist der entscheidend gegen eine abstrakte Rechtswahl sprechende Einwand der Rechtsunsicherheit entkräftet, sodass die Annahme der Unzulässigkeit unangemessen ist. (h) Ergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Vornahme einer abstrakten Rechtswahl ist grundsätzlich zulässig. Sie ist ausnahmsweise unzulässig, wenn sich aus der Rechtswahl das gewählte Recht nicht zweifelsfrei ergibt. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Erblasser Mehrstaater ist oder nach Vornahme der Rechtswahl seine Staatsangehörigkeit wechselt. In diesen Fällen kann eine an sich unzulässige abstrakte Rechtswahl dennoch wirksam sein, wenn sich nach den Maßstäben einer konkludenten Rechtswahl durch Auslegung der rechtlichen Verfügung von Todes wegen ermitteln lässt, welches Recht der Erblasser berufen wollte.
143
Vgl. unten S. 188 ff. Vgl. zur Frage, ob in der Bezugnahme auf eine bestimmte Rechtsordnung eine konkludente Rechtswahl zu sehen ist, unten S. 193. 144
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Diese Behandlung der abstrakten Rechtswahl führt zu einem angemessenen Ausgleich der im Rahmen der Rechtswahl zu berücksichtigenden Interessen. Sie beachtet den Grundsatz der größtmöglichen Wirksamkeit der Rechtswahl und damit das Interesse des Erblassers daran, seinem Willen Geltung zu verschaffen. Gleichzeitig trägt sie auch der Rechtssicherheit Rechnung, indem sie eine Rechtswahl dann nicht für wirksam hält, wenn sich aus ihr das gewählte Recht nicht zweifelsfrei ergibt. dd) Wirkungen einer negativen Rechtswahl (1) Streitstand im Rahmen der EuErbVO Zu klären ist auch, welche Wirkungen eine negative Rechtswahl hat, d. h. eine solche, in der der Erblasser ein bestimmtes Recht (z. B. das seines gewöhnlichen Aufenthalts) nicht positiv wählt, sondern für seine Rechtsnachfolge ausschließt. Dabei kommen insbesondere die Abwahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts und die Abwahl des (oder eines) Heimatrechts in Betracht. Bei einem Erblasser, der lediglich eine Staatsangehörigkeit besitzt und seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb seines Heimatstaats hat, wird vertreten, dass aus der Abwahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts die Wahl des Heimatrechts zu schließen sei.145 Insbesondere problematisch ist die Konstellation, in der ein Doppelstaater eines seiner Heimatrechte „abwählt“. Hier stellt sich die Frage, ob das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts anwendbar sein soll oder das andere, nicht abgewählte Heimatrecht. Cach/Weber gehen hier von der Wahl des anderen Heimatrechts aus, wenn die letztwillige Verfügung Anhaltspunkte für eine konkludente Wahl dieses Rechts enthält.146 Ansonsten sei die objektive Anknüpfung des Art. 21 EuErbVO maßgeblich. Begründet wird dieser Ansatz mit der Parallele zur Rom I-VO, bei der eine ähnliche Lösung befürwortet würde.147 Darüber hinaus ist zu klären, welche Folge die Abwahl des einzigen Heimatrechts durch den Erblasser hat. Teilweise wird Erblassern, die nicht nach ihrem Heimatrecht beerbt werden wollen, empfohlen, in ihrem Testament ausdrücklich festzulegen, dass sie von der Rechtswahlmöglichkeit keinen Gebrauch machen.148 Jedenfalls daraus wird die Geltung des Aufenthaltsrechts abgeleitet.149
145 146 147 148 149
Cach/Weber, ZfRV 2013, 262, 266; vgl. auch MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 14. Cach/Weber, ZfRV 2013, 262, 266. Cach/Weber, ZfRV 2013, 262, 266 (dort Fn. 37). Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 151, Odersky, notar 2013, 3, 5. Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 151, Odersky, notar 2013, 3, 5.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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(2) Vergleich zu anderen Verordnungen Das Problem der negativen Rechtswahl stellt sich auch im Rahmen anderer Verordnungen. Im Rahmen der Rom I-VO wird beim Ausschluss eines oder mehrerer Rechte angenommen, dass objektiv anzuknüpfen ist.150 Überwiegend wird darüber hinausgehend vertreten, dass – wenn das „abgewählte“ Recht dem objektiv anwendbaren Recht entspricht – das Recht gelten soll, mit dem die zweitengste Verbindung besteht.151 Teilweise wird hier auch auf die Möglichkeit einer stillschweigenden Rechtswahl hingewiesen.152 (3) Eigene Stellungnahme (a) Abwahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts Im Falle eines Erblassers, der nur eine Staatsangehörigkeit hat, ist aus der Abwahl des „Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts“ regelmäßig die Berufung des (einzigen) Heimatrechts zu schließen, es sei denn, aus der Verfügung von Todes wegen ergibt sich, dass dem Erblasser nicht klar war, dass damit sein Heimatrecht zur Anwendung kommt. Das lässt sich m. E. mit der Zulässigkeit einer konkludenten Rechtswahl begründen. Es wäre widersprüchlich, eine (konkludente) Rechtswahl bei Verwendung bestimmter Normen zu bejahen,153 bei einer (ausdrücklichen) Ablehnung des einen der zwei in Betracht kommenden Rechte durch den Erblasser aber keine Rechtswahl anzunehmen. M. E. steht letztere einer ausdrücklichen Berufung eines bestimmten Rechts sogar näher. Dies gilt allerdings nicht, wenn dem Erblasser nicht bewusst ist, dass bei Abwahl des Aufenthaltsrechts zwingend das Heimatrecht Anwendung findet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sonstige Umstände (wie z. B. die Bezugnahme auf Normen oder Rechtsinstitute) darauf hindeuten, dass der Erblasser ein drittes, nicht wählbares Recht wählen wollte oder für anwendbar hielt. Die hier vertretene Lösung gilt dann ebenfalls nicht, wenn der Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten hat.154 Für diese Lösung spricht auch der Vergleich zur Rom I-VO. Dort wird aus einer negativen Rechtswahl grundsätzlich nur geschlossen, dass das abgewählte Recht nicht zur Anwendung gelangt.155 Das anwendbare Recht ist dann nach überwiegender Auffassung durch objektive Anknüpfung festzustellen, teilweise wird auch 150 Beck-OK/Spickhoff, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 17; Hk-BGB/Staudinger, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 2; MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 19; Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 71; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 67. 151 MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 19; NK-BGB/Leible, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 47; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 67. 152 Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 67; so auch NK-BGB/Leible, Art. 3 Rom IVO, Rn. 47. 153 Vgl. unten S. 196. 154 Siehe dazu sogleich S. 183. 155 Vgl. oben Fn. 150.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
eine konkludente Rechtswahl erwogen.156 Diese Lösung ist insofern sachgerecht, als dass bei der Rom I-VO jedes Recht der Welt gewählt werden kann, sodass aus der Abwahl eines Rechts allein nicht klar wird, welches Recht stattdessen gewollt ist. Daher müssen sonstige Umstände hinzukommen, die verdeutlichen, welches Recht stattdessen gewählt sein könnte. Bei der EuErbVO verbleibt bei Abwahl des Aufenthaltsrechts nur noch das Heimatrecht.157 Durch die „Abwahl“ des Aufenthaltsrechts hat der Erblasser jedenfalls zum Ausdruck gebracht, dass er dieses nicht angewendet wissen will. Soweit keine Hinweise vorliegen, dass der Erblasser irrigerweise ein nicht wählbares Recht für wählbar gehalten hat, ist der Wille des Erblassers damit auf Geltung seines Heimatrechts gerichtet. (b) Abwahl des (einzigen) Heimatrechts Die Abwahl des (einzigen) Heimatrechts ist als rechtliches Nullum anzusehen. Ein ohne Rechtswahl ohnehin nicht anwendbares Recht wird damit für unanwendbar erklärt. Die Erklärung ist somit als Verzicht auf die Rechtswahlmöglichkeit anzusehen. Er führt zur Geltung der gesetzlichen Rechtslage, also zur objektiven Anknüpfung. Insoweit besteht eine Übereinstimmung mit der von der Literatur befürworteten Lösung im Rahmen der Rom I-VO.158 Dies schließt aber nicht aus, dass das „abgewählte“ Recht im Ergebnis dennoch Anwendung findet. Denn wenn das Heimatrecht dem objektiv (über Art. 21 Abs. 1 oder 2 EuErbVO) anwendbaren Recht entspricht, bleibt es trotz Abwahl anwendbar. Insoweit ist die Lösung im Rahmen der Rom I-VO159 auf die EuErbVO nicht zu übertragen. Möglich wäre die Übertragung zwar insofern, als dass auch im Rahmen der EuErbVO eine Ausweichklausel zur Verfügung steht, über die ein anderes Recht als das des gewöhnlichen Aufenthalts zur Anwendung gebracht werden könnte.160 Dagegen spricht jedoch, dass die Lösung im Rahmen der Rom I-VO im Kontext der freien Rechtswahl erfolgt. Die Parteien hätten jedes erdenkliche Recht wählen können; dies muss sie zumindest dazu berechtigen, ein bestimmtes Recht abzuwählen, auch wenn es das objektiv anwendbare Recht ist. Im Gegensatz dazu gewährt die EuErbVO nur die Wahl des Heimatrechts, also in aller Regel eines einzigen Rechts. Folgerte man aus der Abwahl des einzigen Heimatrechts, das bspw. gleichzeitig dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts entspricht, dass über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ein anderes Recht (als das des gewöhnlichen Aufenthalts) anzuwenden ist, ginge dies über die vom Gesetzgeber beabsichtigte Rechtswahlmöglichkeit hinaus. In diesem Fall ließe sich über eine negative Rechtswahl ein Recht zur Anwendung bringen, das nicht das Heimatrecht des Erblassers ist. Die Abwahl des einzigen Heimatrechts hat somit 156
Vgl. oben Fn. 150. Von der Ausweichklausel abgesehen, über deren Anwendung der Erblasser allerdings nicht entscheiden kann. 158 Vgl. oben Fn. 150. 159 Diese besteht darin, das Recht der zweitengsten Verbindung zu berufen, vgl. dazu oben S. 181. 160 So für die Rom I-VO (Art. 4 Abs. 3) Hk-BGB/Staudinger, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 2. 157
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grundsätzlich keine rechtliche Wirkung. Eine solche Rechtswahl ist allerdings eine Auslegungshilfe, wenn gewisse Anhaltspunkte in der Verfügung von Todes wegen eine konkludente Rechtswahl möglich erscheinen lassen. Eine ausdrückliche Abwahl des einzigen Heimatrechts beseitigt die Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl. Ebenso zu behandeln ist der Fall eines Mehrstaaters, der in seiner letztwilligen Verfügung die Aussage trifft, nicht nach seinen „Heimatrechten“ beerbt werden zu wollen. Damit wird ebenfalls nicht ein bestimmtes Recht berufen, es ist aber daraus abzuleiten, dass keine konkludente Rechtswahl getroffen wurde. (c) Abwahl eines der Heimatrechte Problematisch ist allerdings der Fall eines Mehrstaaters, der eines seiner Heimatrechte abwählt.161 In diesem Fall kommt die Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts und des anderen Heimatrechts in Frage. M. E. gilt hier folgendes: In der Abwahl alleine kommt nur zum Ausdruck, dass der Erblasser nicht die Geltung des einen Heimatrechts wünscht, ein Erklärungsgehalt bzgl. des anderen Heimatrechts ist darin grundsätzlich nicht zu sehen. Folglich bleibt es zunächst bei Art. 21 Abs. 1 EuErbVO und der Geltung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts. Wenn sich jedoch weitere Umstände aus der Verfügung von Todes wegen ergeben, die eine konkludente Rechtswahl des nicht abgewählten Heimatrechts nahelegen, kann eine konkludente Rechtswahl zu bejahen sein. Dabei können m. E. durchaus Umstände genügen, die für sich genommen zur Bejahung einer konkludenten Rechtswahl nicht ausreichen würden. Wenn der Erblasser bspw. deutscher und französischer Staatsbürger ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt aber in Italien hat, deutsches Recht ausdrücklich abwählt und sein Testament auf Französisch formuliert, kann eine konkludente Rechtswahl anzunehmen sein.162 Dafür spricht, dass die Rechtswahl selbst, wenn auch in negativer Form, ausdrücklich vorliegt; es stellt sich jedoch nur die Frage, welches Recht (positiv) berufen sein soll. Entsprechendes ist ebenfalls bei der Abwahl des Aufenthaltsrechts durch einen Mehrstaater anzunehmen. Hier ist die Verfügung von Todes wegen danach zu untersuchen, ob sich in ihr Anhaltspunkte dafür finden, welches seiner Heimatrechte der Erblasser statt des Aufenthaltsrechts berufen wollte. Auch hier genügen Umstände, die ohne negative Rechtswahl nicht für eine konkludente Rechtswahl ausgereicht hätten, etwa die Verwendung einer (eindeutig auf einen Staat hinweisenden) Sprache.
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Cach/Weber, ZfRV 2013, 262, 266. Die Verwendung einer bestimmten Sprache allein wird generell für nicht ausreichend erachtet, vgl. dazu unten S. 200. 162
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b) Probleme bei konkludenter Rechtswahl aa) Überblick über das bisherige EuIPR Das EuIPR sieht teilweise die Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl vor. Dies gilt zunächst für die Rom I-VO. Nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO können die Parteien das auf den Vertrag anwendbare Recht wählen. Nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO muss die Rechtswahl „ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben“. Im Rahmen der Rom II-VO ist eine konkludente Rechtswahl ebenfalls möglich; nach dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO muss die Rechtswahl „ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben […]“. Die Wendung „mit hinreichender Sicherheit“ erscheint weniger streng als das Erfordernis der Eindeutigkeit im Rahmen der Rom I-VO; dennoch wird überwiegend kein Unterschied hinsichtlich der Anforderungen an eine konkludente Rechtswahl angenommen.163 Begründet wird dies insbesondere mit dem nach EG 7 Rom I und Rom II-VO vorgesehenen Interpretationsgleichlauf.164 Die EuErbVO fordert nach ihrem Wortlaut, dass die Rechtswahl „ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben“ muss. Im Vergleich zu den Verordnungen Rom I und Rom II ist sie demnach am wenigsten streng; die konkludente Rechtswahl muss sich weder „eindeutig“ (Rom I-VO) noch „mit hinreichender Sicherheit“ (Rom IIVO) aus der Verfügung von Todes wegen ergeben.165 Das Erfordernis, dass die Rechtswahl sich „eindeutig“ aus den Bestimmungen der Verfügung von Todes wegen ergeben muss, war zunächst vorgesehen gewesen166; es wurde auf Drängen des EP gestrichen.167 Gleichzeitig lässt sich aber vertreten, dass das Abstellen auf die „Umstände des Falles“ in Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO und in Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO im Vergleich zur EuErbVO, bei der sich die Rechtswahl aus der Verfügung von Todes wegen selbst ergeben muss, einen größeren Spielraum für die konkludente Rechtswahl zulässt. Im Rahmen der Rom III-VO ist die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl möglich ist, aufgrund des Fehlens ausdrücklicher Hinweise in der Verordnung umstritten.168 Für die Zulässigkeit einer konkludenten Rechtswahl wird ein Um163
NK-BGB/Gebauer, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 20; Calliess/v. Hein, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 24; Rühl, in: FS Kropholler, S. 187, 197 (dort Fn. 46); Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 727; zurückhaltender MüKo/Junker, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 29. 164 NK-BGB/Gebauer, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 20; Calliess/v. Hein, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 24. 165 Vgl. Erman/Hohloch, Art. 22 EuErbVO, Rn. 12. 166 Vgl. dazu Ratsdokument 18475/11 ADD 1, S. 21. 167 Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15. 168 Für die Zulässigkeit einer konkludenten Rechtswahl Gruber, IPRax 2012, 381, 387; ders., IPRax 2014, 53, 56; jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 38; NK-BGB/HilbigLugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 11; Roth/Gruber, S. 41; Martiny, IPRax 2011, 437, 449 (dort
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kehrschluss aus Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO geltend gemacht.169 Dagegen wird angeführt, dass die Vorschrift – anders als die Rom I und Rom II-VO – die konkludente Rechtswahl gerade nicht ausdrücklich zulässt.170 Der EuGüVO-E sieht explizit das Erfordernis einer ausdrücklichen Rechtswahl vor (Art. 19 Abs. 2 Hs. 1 EuGüVO-E). Das HUntProt verlangt bei einer Rechtswahl für einen einzelnen Prozess nach Art. 7 HUntProt eine ausdrückliche Rechtswahl. Da Art. 8 HUntProt ein solches Erfordernis für eine Rechtswahl über einen einzelnen Prozess hinaus nicht enthält, wird hier eine konkludente Rechtswahl überwiegend für zulässig gehalten.171 bb) Maßstab für die Beurteilung des Vorliegens einer konkludenten Rechtswahl (1) Streitstand im Rahmen der EuErbVO Streit besteht im Rahmen der EuErbVO hinsichtlich der Frage, nach welchem Recht zu beurteilen ist, ob die Handlung des Erblassers als konkludente Rechtswahl aufzufassen ist oder nicht. Hierzu werden zwei Ansätze vertreten: Einerseits die Auffassung, dass diese Frage nach dem (möglicherweise) gewählten Recht zu entscheiden sei.172 Diese Auffassung basiert wohl auf Art. 22 Abs. 3 EuErbVO. Schaub, die wohl die genannte Auffassung vertritt, folgert daraus, dass man für Rechtsordnungen, die bisher keine Rechtswahl vorsahen, eine konkludente Rechtswahl „möglicherweise“ ausschließen müsse.173 Andererseits wird vertreten, dass die Frage autonom, also unabhängig von den Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten zu entscheiden sei.174
Fn. 203); (unausgesprochen) OLG Hamm, BeckRS 2013, 09327 mit krit. Besprechung Helms, IPRax 2014, 334; dagegen Helms, FamRZ 2011, 1765, 1768. Palandt/Thorn, Art. 6 Rom IIIVO, Rn. 2 hält eine solche zwar offenbar für zulässig, glaubt aber, sie sei durch die Formerfordernisse des Art. 7 Rom III-VO faktisch ausgeschlossen. 169 Gruber, IPRax 2012, 381, 387; NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 11. 170 Helms, FamRZ 2011, 1765, 1768. 171 Gruber, IPRax 2014, 53, 56; Rauscher/Andrae, Art. 8 HUntProt, Rn. 6; Palandt/Thorn, HUntProt, Rn. 31; vgl. NK-BGB/Hilbig-Lugani, Art. 5 Rom III-VO, Rn. 11. 172 Leitzen, ZEV 2013, 128, 129, wohl auch Dörner, ZEV 2012, 505, 511; wohl auch Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 68 („analog“); Schaub, Hereditaire 2013, 91, 115. 173 Schaub, Hereditaire 2013, 91, 115. 174 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 40 f.; Erman/Hohloch, Art. 22 EuErbVO, Rn. 12; Nordmeier, GPR 2013, 148, 151; Palandt/Thorn, Art. 22 EuErbVO, Rn. 6; MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 14.
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(2) Vergleich zu anderen Verordnungen Im Rahmen der Rom I-VO wird überwiegend vertreten, dass die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt, autonom zu entscheiden sei.175 Zwar schließe der Wortlaut des Art. 3 Rom I-VO dessen Absatz 5 nicht aus176, der hinsichtlich des Zustandekommens und der Wirksamkeit der Einigung der Parteien auf Artikel 10, 11 und 13 der Rom I-VO verweist. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO wiederum unterstellt das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrages dem Recht, das bei Wirksamkeit des Vertrages anzuwenden wäre, sodass daraus auch die Anwendung des gewählten Rechts folgte. Dennoch gebiete die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung der VO eine autonome Entscheidung.177 Darüber hinaus regele die Verordnung die Frage in Abs. 1 S. 2 selbst.178 Bei der Rom II-VO wird ebenfalls die Frage aufgeworfen, nach welchem Recht zu entscheiden ist, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt. Hier ist nach der überwiegenden Auffassung die Frage auch autonom zu entscheiden.179 Hält man eine konkludente Rechtswahl im Rahmen der Rom III-VO für zulässig, so stellt sich auch im Rahmen der Rom III-VO die Frage, nach welchem Recht zu entscheiden ist, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt. Die Frage ist in der Literatur bisher kaum erörtert worden.180 Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO sieht wie Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO vor, dass das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung nach dem gewählten Recht zu beurteilen sind. Im Rahmen des HUntProt ist die Frage bisher ebenfalls nicht erörtert worden. Allgemein wird – wie in den Rom-Verordnungen – angenommen, dass Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahl dem gewählten Recht unterliegen.181
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Beck-OK/Spickhoff, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 19; MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 45, 104; Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 9; Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 11; Kühn, in: Spickhoff S. 19; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 169; zum EVÜ Coester-Waltjen, in: FS Sonnenberger, S. 343, 349 f.; zu Art. 27 Abs. 1 EGBGB a.F. OLG Hamburg, BeckRS 2009, 88936; a.A. (offenbar Geltung der lex fori) Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 10. 176 MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 45. 177 MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 45. 178 Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 9. 179 Beck-OK/Spickhoff, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 6; MüKo/Junker, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 27. 180 Für eine Anwendung des Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO, und damit des (potenziell) gewählten Rechts Gruber, IPRax 2014, 53, 55. 181 Bonomi-Bericht, Rn. 151; NK-BGB/Gruber, Art. 8 HUntProt, Rn. 3; Palandt/Thorn, HUntProt, Rn. 31; Andrae, FPR 2008, 196, 200.
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(3) Eigene Stellungnahme Die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt, ist autonom zu entscheiden und nicht nach dem (möglicherweise gewählten) Heimatrecht des Erblassers. Zwar ist zuzugeben, dass die Frage, ob aus gewissen Umständen eine konkludente Rechtswahl zu schließen ist, begrifflich als Teil der materiellen Wirksamkeit angesehen werden kann, die nach Art. 22 Abs. 3 EuErbVO dem gewählten Recht untersteht.182 Auch lässt sich dafür EG 40 S. 1 EuErbVO anführen, der feststellt, dass das gewählte Recht selbst eine Rechtswahl nicht vorsehen muss. Daraus könnte man im Umkehrschluss ableiten, dass alle anderen Fragen der materiellen Wirksamkeit nach dem gewählten Recht zu beurteilen sind. Dennoch sprechen zwingende Gründe für eine autonome Beantwortung der Frage. EG 39 S. 1 EuErbVO stellt zunächst fest, dass eine Rechtswahl auch konkludent erfolgen kann. EG 39 S. 2 EuErbVO führt aus, dass von einer konkludenten Rechtswahl insbesondere dann ausgegangen werden kann, wenn der Erblasser auf spezifische Bestimmungen seines Heimatrechts Bezug nimmt. Wenn aber die Frage des Vorliegens einer konkludenten Rechtswahl dem gewählten Recht überlassen würde, dürfte die EuErbVO diese Aussage nicht treffen. Sie würde zu jedem Recht, das in einem solchen Fall gerade keine Rechtswahl annimmt, im Widerspruch stehen. Für eine autonome Entscheidung ist auch anzuführen, dass ein Teil der Mitgliedstaaten keine Regeln zu der Frage enthalten, weil eine Rechtswahl in ihrem Recht bisher nicht existierte. Schaub ist der Auffassung, dass man für solche Rechtsordnungen eine konkludente Rechtswahl „möglicherweise“ ausschließen müsse.183 Dies ist aber angesichts der Tatsache, dass Art. 22 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten ist, nicht hinnehmbar. Dagegen spricht zudem der Rechtsgedanke des EG 40 EuErbVO, der die Wirksamkeit der Rechtswahl anordnet, auch wenn sie das Recht des jeweiligen Mitgliedstaats nicht gewährt. Setzt man diesen Gedanken fort, so ist es nur konsequent, dass auch eine konkludente Rechtswahl nicht davon abhängt, dass das (bisherige) nationale Recht eine solche vorsieht. Zwar ließe sich das Problem, dass Mitgliedstaaten zur Zeit möglicherweise keine Regelungen zur konkludenten Rechtswahl vorsehen, dadurch lösen, dass die Regeln zu einer materiell-rechtlichen Testamentsauslegung analog angewendet bzw. entsprechende Gesetze abgewartet werden. Gegen die Maßgeblichkeit des möglicherweise gewählten Rechts spricht aber auch, dass diese zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, wenn der Erblasser über zwei Staatsangehörigkeiten verfügt. Dies gilt insbesondere, wenn die beiden Heimatrechte sich ähneln.184 Hielten beide in 182
Vgl. Dutta, FamRZ 2013, 4, 8. Schaub, Hereditaire 2013, 91, 115. 184 Man denke bspw. an einen EU-Mitarbeiter der neben der französischen auch noch die belgische Staatsangehörigkeit besitzt und – ohne nähere Bezeichnung – ein Erbteilvermächtnis i.S.d. Art. 1010 Code Civil anordnet. Art. 1010 Abs. 1 Code Civil existiert in Belgien und Frankreich und hat exakt den gleichen Inhalt (zum belgischen Recht: http://www.ejustice.just. fgov.be/cgi_loi/change_lg.pl?language=fr&la=F&cn=1804032132&table_name=loi; zum 183
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Betracht kommenden Rechtsordnungen jeweils ihr eigenes Recht für gewählt, wäre nicht klar, welches Recht anwendbar ist. Dies läuft einer gesicherten Nachlassplanung, die mit der Rechtswahl erreicht werden soll, zuwider. Überdies spricht EG 40 S. 2 EuErbVO für einen autonomen Maßstab. Nach diesem bestimmt sich die Frage ob „die Person, die die Rechtswahl trifft, verstanden hat, was dies bedeutet, und dem zustimmt“ nach dem gewählten Recht. Der europäische Gesetzgeber zeigt damit, dass die Vornahme der Rechtswahl an sich vorgelagert ist185, und erst danach das auf die materielle Wirksamkeit anwendbare Recht eingreift. Neben den sich aus den Erwägungsgründen der EuErbVO ergebenden Argumenten spricht für diese Lösung der Vergleich zur Rom I-VO. Auch in dieser Verordnung existiert mit Art. 3 Abs. 5 eine Art. 22 Abs. 3 EuErbVO vergleichbare Vorschrift, die hinsichtlich der (materiellen) Wirksamkeit der Einigung der Parteien über die Rechtswahl (u. a.) auf Art. 10 Rom I-VO verweist und diese damit dem gewählten Recht unterstellt. Dennoch wird auch im Rahmen der Rom I-VO die Frage, ob das Verhalten der Parteien als konkludente Rechtswahl anzusehen ist, nicht unter die (materielle) Wirksamkeit subsumiert, sondern autonom entschieden.186 Darüber hinaus ist das Argument, Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO regele die Frage nach der konkludenten Rechtswahl selbst, auch im Rahmen der EuErbVO einschlägig. Letztere stellt zwar nicht auf die „Umstände des Falles“ ab, aus denen sich nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO die Rechtswahl ergeben kann. Ansonsten ist der Wortlaut, der den Passus „Bestimmungen des Vertrags“ (Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom IVO) bzw. „Bestimmungen einer solchen Verfügung [von Todes wegen]“ (Art. 22 Abs. 3 Rom I-VO) aber ähnlich; auch Art. 22 Abs. 2 EuErbVO regelt die Frage der konkludenten Rechtswahl daher selbst. Die Frage ist deshalb autonom zu entscheiden. cc) Erfordernis eines „Rechtswahlbewusstseins“ (1) Darstellung des Problems Im Rahmen der konkludenten Rechtswahl stellt sich zudem die Frage, ob für sie das Bewusstsein erforderlich ist, ein Recht zu wählen. Überwiegend wird – teilweise mit Hinweis auf das sonstige Unionsrecht187 – ein solches „Rechtswahlbewusstsein“ französischen Recht: http://www.legifrance.gouv.fr/affichCodeArticle.do?idArticle=LEGIAR TI000006434659&cidTexte=LEGITEXT000006070721 (zuletzt abgerufen am 2. 7. 2015). 185 Ähnlich auch Erman/Hohloch, Art. 22 EuErbVO, Rn. 12, der ausführt, dass es bei der Frage, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt, „noch nicht“ um eine Frage der Auslegung der Verfügung von Todes wegen ginge, sondern um das Vorliegen der vom Kollisionsrecht „erlaubten“ konkludenten Rechtwahl. 186 Siehe Fn. 175. 187 So MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 14, der die Anforderungen im sonstigen Unionsrecht für gering hält.
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zwar für erforderlich gehalten, daran werden jedoch geringe Anforderungen gestellt.188 Präzisiert werden die Anforderungen an das Rechtswahlbewusstsein allerdings nicht.189 (2) Vergleich zu anderen Regelungsinstrumenten Im Rahmen der Rom I-VO wird ein Rechtswahlbewusstsein allgemein gefordert.190 Der Richter sei jedenfalls nicht berechtigt, „die Rechtswahl durch die Parteien zu unterstellen, sofern diese nicht die bestimmte Absicht der Vornahme einer solchen Rechtswahl hatten“191. Ein bloß hypothetischer Parteiwille reiche dafür nicht aus.192 Teilweise wird ein Erklärungsbewusstsein193 bzw. ein „kollisionsrechtlicher Gestaltungswille“194 für erforderlich gehalten. v. Hein führt für dieses Erfordernis an, dass derjenige, der sich nicht darüber im Klaren sei, vom objektiv anwendbaren Recht abweichen zu können, über den Spielraum seiner Handlungsmöglichkeiten irre, aber keine bewusste Rechtswahl treffe.195 Hohloch argumentiert mit dem Erfordernis der Eindeutigkeit aus Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO.196 Der BGH hat bisher einen Gestaltungswillen nur für eine nachträgliche Rechtswahl verlangt.197 Gegen das Erfordernis eines Erklärungsbewusstseins wird angeführt, es handele sich gerade nicht um eine ausdrückliche, sondern um eine konkludente Rechtswahl.198
188 Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 363; MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 14; Dutta, FamRZ 2013, 4, 8; Lorenz, ErbR 2012, 39, 46; Nordmeier, GPR 2013, 148, 152; Palandt/ Thorn, Art. 22 EuErbVO, Rn. 6; wohl a.A. (für ein kollisionsrechtliches Erklärungsbewusstsein) Mansel, in: Leible/Unberath, S. 241, 276 f.; a.A. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 62, der das Erfordernis eines Rechtswahlbewusstseins generell verneint. 189 Jedoch kommen die unterschiedlichen Auffassungen bei Einzelfragen der konkludenten Rechtswahl zum Ausdruck, bspw. bei der Frage, ob in der Bezugnahme auf Rechtsinstitute eines bestimmten Staates eine konkludente Rechtswahl zu sehen ist, vgl. unten S. 193. 190 Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 11; Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 6; NK-BGB/Leible, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 49; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 27; wohl auch Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 72 f.; zweifelnd MüKo/ Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 46. 191 Guiliano/Lagarde-Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 49; zust. Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 11; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 71. 192 Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 72; MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 47. 193 Erman/Hohloch, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 13; NK-BGB/Leible, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 49. 194 Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 12; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 27. 195 Rauscher/v. Hein, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 12. 196 Erman/Hohloch, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 13. 197 BGH, NJW-RR 2000, 1002, 1004 (betreffend eine ursprüngliche Wahl abändernde Rechtswahl); BGH NJW 2009, 1205, 1206 (betreffend eine das objektive Vertragsstatut abändernde Rechtswahl). 198 MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 46.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Im Rahmen der Rom II-VO wird ebenfalls ein Erklärungsbewusstsein beider Parteien für erforderlich gehalten.199 Dies gelte insbesondere für die nachträgliche, im Prozess getroffene Rechtswahl, für die teilweise sogar ein aktuelles Erklärungsbewusstsein gefordert wird.200 Dafür wird insbesondere EG 31 Rom II-VO angeführt, aus dem sich ergebe, dass die Bezugnahme auf eine Rechtsordnung weder auf der Unkenntnis der IPR-Problematik beruhen dürfe noch auf der Vorstellung über das objektiv anwendbare Recht.201 Auch im Rahmen des HUntProt wird ein kollisionsrechtlicher Gestaltungswille für erforderlich gehalten.202 Andrae führt aus, dass die Abgrenzung zwischen Rechtswahlwillen und Annahme der Geltung des objektiv anwendbaren Rechts im Einzelfall schwierig sein könne; zum Schutz des Unterhaltsberechtigten seien die Anforderungen an eine konkludente Rechtswahl eher streng zu sehen.203 (3) Eigene Stellungnahme Hinsichtlich der Frage, ob eine konkludente Rechtswahl ein Rechtswahlbewusstsein voraussetzt, ist folgendermaßen zu differenzieren: Die konkludente Rechtswahl setzt voraus, dass sich aus der Verfügung von Todes wegen der Wille des Erblassers zur bzw. sein Einverständnis mit der Geltung seines Heimatrechts ergibt. Nicht ausreichend ist hier – wie in den Verordnungen Rom I und Rom II – der hypothetische Wille des Erblassers. Dies gebietet bereits EG 40 S. 2 EuErbVO durch die Formulierung „ob davon auszugehen ist, dass die Person, die die Rechtswahl trifft, verstanden hat, was dies bedeutet und dem zustimmt“.204 Der Passus „was dies bedeutet“ zeigt, dass es erforderlich – aber auch ausreichend – ist, dass der Erblasser sich darüber im Klaren ist, dass sein Heimatrecht Anwendung findet. Nicht geteilt werden kann indes die überwiegend im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO vertretene Auffassung, eine Rechtswahl setze ein Erklärungsbewusstsein voraus, soweit damit gemeint ist, dass der die Rechtswahl Treffende sich bewusst sein muss, im rechtstechnischen Sinne eine Rechtswahl vorzunehmen bzw. die Wahl zwischen mehreren Rechten zu haben. Eine wirksame konkludente Rechtswahl kann vielmehr auch vorliegen, wenn der Erblasser von der objektiven Anwendbarkeit seines Heimatrechts ausgegangen ist, etwa weil er irrig an die Fortgeltung des 199 Beck-OK/Spickhoff, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 6; Palandt/Thorn, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 6; PWW/Schaub, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 5; Vogeler, S. 189 ff.; Spickhoff, in: FS Kropholler, S. 671, 683; Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256, 278; Junker, JZ 2008, 169, 173; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 7. 200 MüKo/Junker, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 33; Beck-OK/Spickhoff, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 6; Vogeler, S. 211; Spickhoff, in: FS Kropholler, S. 671, 683. 201 MüKo/Junker, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 32 f.; ähnlich auch Spickhoff, in: FS Kropholler, S. 671, 683. 202 Schäuble, NZFam 2014, 1071, 1072; Rauscher/Andrae Art. 8 HUntProt, Rn. 6 („beiderseitiger Rechtswahlwille“); wohl auch Beck-OK/Heiderhoff, Art. 18 EGBGB, Rn. 84. 203 Rauscher/Andrae, Art. 8 HUntProt, Rn. 6. 204 So auch Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 62.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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deutschen IPR (Art. 25 Abs. 1 EGBGB) glaubte oder sich der IPR-Problematik überhaupt nicht bewusst war, solange sich der Wille zur Geltung des Heimatrechts aus der Verfügung von Todes wegen ergibt.205 Dafür spricht zunächst die Entstehungsgeschichte der EuErbVO, insbesondere die Absicht des EP, die Hürden für die Bejahung einer Rechtswahl niedrig zu halten.206 Ferner ist dafür der hier vertretene Grundsatz der größtmöglichen Wirksamkeit der Rechtswahl anzuführen. Da es Ziel der EuErbVO ist, dem Erblasserwillen größtmögliche Wirksamkeit zu verleihen, muss es ausreichen, dass der Erblasser seinen Willen zur Geltung seines Heimatrechts zum Ausdruck bringt, auch wenn dieser Wille auf der irrtümlichen Annahme beruht, das Heimatrecht sei objektiv anwendbar. Weiterhin erfordert eine konkludente Rechtswahl stets das Vorliegen materiell-rechtlicher Verfügungen in der Verfügung von Todes wegen; eine konkludente, isolierte Rechtswahl ist nicht möglich.207 Eine materiell-rechtliche Willenserklärung ist damit gegeben. Wenn die konkludente Rechtswahl gerade aus der materiell-rechtlichen Willenserklärung abzuleiten ist, ist es auch ausreichend, dass ein dementsprechendes Erklärungsbewusstsein gegeben ist. Gegen das Erfordernis eines kollisionsrechtlichen Gestaltungswillens spricht auch der Zweck einer gesicherten Nachlassplanung. Der Erblasser ist in seiner Nachlassplanung auch dann schutzwürdig, wenn er nach seinem Heimatrecht beerbt werden will, sich aber nicht darüber im Klaren ist, dass er zwischen dem Aufenthalts-208 und Heimatrecht wählen kann. Stimmt der Erblasser in einem solchen Fall sein Testament eindeutig auf sein Heimatrecht ab, würde das Erfordernis eines kollisionsrechtlichen Gestaltungswillens diese Abstimmung ins Leere laufen lassen und die beabsichtigte Nachlassplanung zunichte machen, ohne dass dafür ein tragfähiger Grund ersichtlich wäre.209 Dies gilt insbesondere, weil regelmäßig das materiell-rechtliche Ergebnis für den Erblasser entscheidend ist. Hat er sich bestimmter Gestaltungen bzw. Regelungsinstitute seines Heimatrechts bedient, so will er diese in materiell-rechtlicher Hinsicht zur Geltung bringen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum man diesen Wunsch nicht (oder nur eingeschränkt) gewähren sollte. Dann müsste man die im Testament enthaltenen materiell-rechtlichen Anordnungen ins ausländische Recht „übersetzen“ um – im besten Fall –, nämlich wenn sie (vollständig) „übersetzbar“ sind, das vom Erblasser gewollte Ergebnis im ausländischen Recht zu erzielen. Das schafft unnötige Schwierigkeiten. Zudem ist auf diese unter „Handeln unter falschem Recht“210 bekannte Vorgehensweise immer erst dann zu205
So auch Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 62. Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 14. Auch deshalb ist das Erfordernis der Eindeutigkeit aus dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 EuErbVO gestrichen worden. 207 Vgl. oben S. 164. 208 Das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Todeszeitpunkt ist insoweit wählbar, als es gilt, wenn der Erblasser gerade keine Rechtswahl trifft. 209 Vgl. zum bisherigen deutschen IPR Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 17, 29. 210 Vgl. oben S. 38. 206
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
rückzugreifen, wenn die kollisionsrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.211 Dies ist nach der hier vertretenen Auffassung gerade nicht der Fall. Im Übrigen stellt sich die Frage, wie das Vorliegen oder das Fehlen eines kollisionsrechtlichen Gestaltungswillens nach dem Tod des Erblassers festzustellen sein soll. Sollte erforderlich sein, dass sich dieser Wille aus der Verfügung von Todes wegen ergibt (was anzunehmen ist), wäre der Spielraum für eine konkludente Rechtswahl stark eingeschränkt. Für eine solche müsste der Erblasser einerseits sein Bewusstsein zum Ausdruck gebracht haben, zwischen Geltung des Aufenthaltsrechts und Wahl des Heimatrechts entscheiden zu können. Andererseits dürfte er das Heimatrecht gerade nicht ausdrücklich, sondern nur konkludent berufen haben. Könnten demgegenüber auch außerhalb der Verfügung von Todes wegen liegende Umstände, etwa Aussagen aus dem familiären Umfeld, berücksichtigt werden, ergäben sich daraus Missbrauchsmöglichkeiten. Denn dann hätte es das familiäre Umfeld in der Hand, durch die Aussage, dass der Erblasser sich über die Rechtswahlmöglichkeit gar nicht im Klaren war, eine eigentlich beabsichtigte Rechtswahl zu Fall zu bringen und den Erblasserwillen zu vereiteln. Auch der Rechtssicherheit ist genüge getan, wenn sich der Wille, ein bestimmtes Recht zur Anwendung zu bringen, aus der Verfügung von Todes wegen ergibt. Das Erfordernis eines kollisionsrechtlichen Gestaltungswillens erhöht umgekehrt die Rechtssicherheit nicht. Dies könnte nur die Beschränkung auf eine ausdrückliche Rechtswahl, die die EuErbVO aber nicht vorsieht. Dass im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO sowie des HUntProt ein kollisionsrechtlicher Gestaltungswille überwiegend gefordert wird, spricht nicht gegen eine abweichende Auslegung im Rahmen der EuErbVO. Die Umstände der Rechtswahl sind in diesen andere als in der EuErbVO.212 Zunächst sind bei der Rom I- und der Rom II-VO grundsätzlich alle staatlichen Rechte der Welt wählbar. Das macht die Feststellung, welches Recht konkludent gewählt wurde, im Zweifelsfall schwieriger, womit sich auch erhöhte Anforderungen an den Willen zur Vornahme einer solchen Rechtswahl rechtfertigen lassen. Demgegenüber ist im Rahmen der EuErbVO nur ein Recht wählbar, nämlich das Heimatrecht des Erblassers. Daher stellt sich von vornherein nur die Frage, ob dieses Recht konkludent gewählt wurde. Ferner ist an der Rechtswahl nach der EuErbVO nur eine Person beteiligt, während im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO (sowie im HUntProt) zwei oder mehrere Parteien die Rechtswahl als (Verweisungs-)vertrag treffen. Erforderlich sind daher übereinstimmende Willenserklärungen der die Rechtswahl treffenden Parteien. Das macht auch erforderlich, dass die Parteien sich auf subjektiver Seite darüber im Klaren sind, dass der Vertrag oder das außervertragliche Schuldverhältnis potenziell mehreren Rechten unterliegen kann und sie davon abweichend ein konkretes Recht berufen. Ferner muss sich die Rechtswahl in der EuErbVO aus der Verfügung von 211 Vgl. zum alten Recht Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 17, 29; zum IPR allgemein MüKo/ v. Hein, Einl. IPR, Rn. 226. 212 Vgl. Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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Todes wegen ergeben. Diese wird erst nach dem Tod des Erblassers ausgelegt, sodass eine Befragung des Erblassers nach seinen Absichten nicht mehr möglich und damit der Nachweis eines kollisionsrechtlichen Gestaltungswillens schwierig ist. Im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO ist demgegenüber eine Befragung der Parteien bspw. im Prozess möglich, aus der sich ergeben kann, ob eine Klausel oder ein Verhalten eine konkludente Rechtswahl darstellen sollte. Ob man eine Rechtswahl „unter lebenden Vertragspartnern oder Verfügungen von Todes wegen zu bewerten hat“213, macht demnach durchaus einen Unterschied. Darüber hinaus erklärt sich das Erfordernis des Rechtswahlbewusstseins im Rahmen der Rom I und Rom II-VO auch daraus, dass sich die Rechtswahl dort auch aus den „Umständen des Falles“ ergeben kann, eine Alternative, die die EuErbVO nicht kennt. Auch ein Schutzbedürfnis, wie es im Rahmen des HUntProt geltend gemacht wird, spricht jedenfalls nicht für das Erfordernis eines kollisionsrechtlichen Gestaltungswillens. Die einzig schutzwürdige Partei ist – soweit das Heimatrecht betroffen ist – der Erblasser; es kommt ihm und der Wirksamkeit seiner materiellrechtlichen Verfügungen zu Gute, wenn man keine zu hohen Anforderungen an eine konkludente Rechtswahl stellt. Generell muss damit gelten, dass kein Bewusstsein erforderlich ist, von dem objektiv anwendbaren Recht abzuweichen oder im rechtstechnischen Sinne eine Rechtswahl vorzunehmen. Es ist auch nicht notwendig, dass der Erblasser sich der Möglichkeit bewusst ist, dass verschiedene Rechte Anwendung finden können.214 Es genügt vielmehr, dass sich aus den Formulierungen des Erblassers in seiner Verfügung von Todes wegen ergibt, dass er die Geltung seines Heimatrechts will bzw. mit ihr einverstanden ist. Nicht ausreichen kann allerdings – im Einklang mit den Verordnungen Rom I und Rom II – der hypothetische Erblasserwille. dd) Bezugnahme auf spezifische Bestimmungen oder Rechtsbegriffe als konkludente Rechtswahl? (1) Streitstand im Rahmen der EuErbVO Ein weiteres Problem der Rechtswahl stellt die Frage dar, inwieweit bereits in der Bezugnahme auf Bestimmungen oder Rechtsbegriffe des Heimatrechts eine konkludente Rechtswahl gesehen werden kann. Ausgangspunkt für die Diskussion war das Beispiel der MPI-Stellungnahme für die (konkludente) Wahl österreichischen Rechts durch Verwendung von Begriffen wie „Einantwortung“ und „Verlassenschaft“ im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen.215 Nach Auffassung des MPI war durch die Verwendung dieser Begriffe in seiner letztwilligen
213 214 215
Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 62. MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 613 f.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Verfügung der Wille des Erblassers, das österreichische Recht zu wählen, hinreichend belegt.216 Odersky ist der Auffassung, es komme in einem solchen Fall darauf an, ob es sich bei den in Bezug genommenen Rechtsinstituten tatsächlich um spezielle Rechtsinstitute handelt, die nur ein Recht kennt.217 Sei dies der Fall (wie z. B. bei einer Vorund Nacherbfolge), könne man regelmäßig eine Rechtswahl unterstellen.218 Handele es sich demgegenüber um eine Verfügung wie eine Erbeinsetzung, die in praktisch jeder Rechtsordnung bekannt sei, könne daraus keine konkludente Rechtswahl abgeleitet werden.219 Nach Auffassung von Solomon220 ist danach zu differenzieren, ob das in Bezug genommene Recht bereits aufgrund objektiver Anknüpfung Anwendung findet oder vielmehr objektiv ein anderes Recht anwendbar ist. Im ersteren Fall sei in der Verwendung der genannten Begriffe „lediglich die zwangsläufige Orientierung an dem objektiv […] zur Anwendung berufenen“221 Recht zu sehen. Wenn der Erblasser nach der Testamentserrichtung in ein anderes Land auswandere, wechsele auch das auf die Erbfolge anwendbare Recht.222 Im Ergebnis sei also, jedenfalls wenn das möglicherweise gewählte Recht schon objektiv anwendbar ist, die Bezugnahme auf dessen Begriffe oder Institute nicht ausreichend, um eine Rechtswahl zu belegen.223 Generell spreche Art. 83 Abs. 4 EuErbVO224 gegen die These, dass die Ausrichtung des Testaments an einer bestimmten Rechtsordnung als konkludente Rechtswahl anzusehen sei.225 Denn aus diesem folge im Umkehrschluss, dass in allen anderen Fällen die Ausrichtung auf eine bestimmte Rechtsordnung gerade keine konkludente Rechtswahl darstelle. Nordmeier geht zwar grundsätzlich von einer starken Indizwirkung der Bezugnahme auf bestimmte Rechtsinstitute bzw. Vorschriften des Heimatrechts aus. Er führt aber – ähnlich wie Solomon – aus, die Verwendung spezifischer erbrechtlicher Begriffe und Rechtsinstitute hätte ein umso geringeres Gewicht, je näher diese dem objektiven Erbstatut stünden.226 Zur Prüfung sei folgender Gedankengang anzu216
MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 614; zust. Wilke, RIW 2012, 601, 606. Odersky, notar 2013, 3, 5. 218 Odersky, notar 2013, 3, 5. 219 Odersky, notar 2013, 3, 5. 220 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 41; ähnlich auch Leitzen, ZEV 2013, 128, 129. 221 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 41; ähnlich auch Nordmeier, GPR 2013, 148, 152. 222 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 41. 223 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 41. 224 Art. 83 Abs. 4 EuErbVO lautet: „Wurde eine Verfügung von Todes wegen vor dem 17. August 2015 nach dem Recht errichtet, welches der Erblasser gemäß dieser Verordnung hätte wählen können, so gilt dieses Recht als das auf die Rechtsfolge von Todes wegen anzuwendende gewählte Recht.“ 225 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 44. 226 Nordmeier, GPR 2013, 148, 152. 217
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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stellen: Je fremder die jeweiligen Rechtsbegriffe dem objektiv anwendbaren Recht (d. h. regelmäßig dem Aufenthaltsrecht im Todeszeitpunkt227) und je bekannter sie dem Heimatrecht seien, desto näher liege die Bejahung einer konkludenten Rechtswahl.228 Andere sind der Auffassung, die Verwendung spezifischer Rechtsinstitute habe generell nur Indizwirkung.229 (2) Vergleich zu anderen Verordnungen Auch im Rahmen der Rom I-VO stellt sich die Frage, ob in der Bezugnahme auf ein bestimmtes Recht eine konkludente Rechtswahl zu sehen ist. So wird eine solche Bezugnahme im Rahmen der Rom I-VO generell als (gewichtiges) Indiz für eine konkludente Rechtswahl angesehen.230 Als Beispiele werden die Verwendung von auf einer Rechtsordnung aufbauenden Formularen231 oder AGB232, die Anordnung, dass der Vertrag nach einer bestimmten Rechtsordnung auszulegen ist233 oder die Vereinbarung deutscher Tarifverträge234 genannt. Strittig ist auch im Rahmen der Rom I-VO insbesondere die Bezugnahme auf einzelne Vorschriften eines bestimmten Rechts. Während die h.M. hier regelmäßig eine konkludente Rechtswahl annimmt235, geht eine Mindermeinung davon aus, dass aufgrund der Möglichkeit einer Teilrechtswahl nach Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO darin gerade keine konkludente (Gesamt-)rechtswahl zu sehen ist.236 Im Rahmen des HUntProt wird ebenfalls eine konkludente Rechtswahl angenommen, wenn sie „eindeutig auf der Basis eines bestimmten Rechts getroffen worden ist“.237 Dies könne etwa zu bejahen sein, wenn die Parteien auf Normen eines Rechts Bezug genommen hätten, mit dem sie beide eng verbunden seien.238 227
Nordmeier, GPR 2013, 148, 152, dort Fn. 73. Nordmeier, GPR 2013, 148, 152. 229 Dörner, ZEV 2012, 505, 510; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 150 (wenn auch eine stärkere als die Verwendung einer bestimmten Sprache). 230 Beck-OK/Spickhoff, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 23; Erman/Hohloch, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 16; NK-BGB/Leible, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 56; Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 90; Calliess/Calliess, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 46; Dauses/Kreuzer/Wagner/Reder, R., Rn. 140; schwächer MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 58 und Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 33. 231 Beck-OK/Spickhoff, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 23. 232 BGH, NJW 2003, 288; NJW 2003, 2605, 2606; Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 7. 233 MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 57. 234 BAG NJW 1996, 741; MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 59. 235 Beck-OK/Spickhoff, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 23; Erman/Hohloch, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 16; MüKo/Martiny, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 58 m.w.N.; Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 7 m.w.N.; zurückhaltender Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 91 f. 236 Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 33. 237 Rauscher/Andrae, Art. 8 HUntProt, Rn. 6. 228
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(3) Eigene Stellungnahme (a) Grundthese Zunächst ist festzustellen, dass die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt, eine Frage der Auslegung ist, über die keine allgemeingültige Aussage getroffen werden kann, bei der vielmehr die Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Dem MPI ist dennoch in seiner Auffassung zu folgen, dass die Verwendung bestimmter, nur in einer Rechtsordnung vorkommender Rechtsbegriffe bzw. die Bezugnahme auf spezifische Vorschriften eines Rechts regelmäßig eine konkludente Rechtswahl darstellt. (b) Beurteilung der Rechtswahl unabhängig vom objektiven Erbstatut Zunächst ist nicht überzeugend, abhängig vom objektiv anwendbaren Recht239 unterschiedliche Maßstäbe für die Beurteilung des subjektiv anwendbaren Rechts anzulegen. Die Ansichten Solomons240 und Nordmeiers241 überzeugen nicht. Die Frage, ob die Auslegung bestimmter Tatsachen zu einer konkludenten Rechtswahl führt, ist vielmehr allein durch die Auslegung der Verfügung von Todes wegen zu entscheiden.242 Daher können auch äußere, außerhalb der Verfügung von Todes wegen liegende Umstände eine ansonsten wirksame Rechtswahl nicht zerstören. Dafür spricht zunächst, dass nach dem hier vertretenen Verständnis von einer konkludenten Rechtswahl auszugehen ist, wenn der Erblasser den Willen bzw. das Einverständnis mit der Geltung seines Heimatrechts zum Ausdruck bringt, auch wenn diese auf der Annahme beruhen, das Recht sei objektiv anwendbar. Ferner enthält die EuErbVO keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Anforderungen an die Wahl des Heimatrechts strenger sind, wenn dieses dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts entspricht. Das einzige objektive, für eine Rechtswahl erforderliche Element ist die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates. Weitere objektive Elemente erfordert die EuErbVO gerade nicht, sodass auch die „Entfernung“ des möglicherweise gewählten Rechts vom objektiven Erbstatut keine Rolle spielen kann. Auch aus Sicht des Erblassers wäre eine solche Deutung verfehlt. Warum sollte der Erblasser die Geltung eines Rechts weniger wollen, wenn dieses auch objektiv anwendbar ist? Es lässt sich auch das Gegenteil vertreten: Ist das vermeintlich ge238
Rauscher/Andrae, Art. 8 HUntProt, Rn. 6. Nach der Auffassung Solomons (in: Dutta/Herrler, S. 19, 41) kommt es wohl im Unterschied zu Nordmeier (GPR 2013, 148, 152, dort Fn. 73) auf das objektiv anwendbare Recht im Wahlzeitpunkt an. 240 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 41 f. Solomon wandelt den vom MPI genannten Beispielsfall des österreichischen Erblassers insofern ab, als dieser später nach Brasilien zieht. Aus seiner Sicht liegt keine wirksame Rechtswahl vor, damit sei brasilianisches Recht anwendbar. 241 Nordmeier, GPR 2013, 148, 152. 242 Vgl. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 63. 239
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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wählte Recht aufgrund objektiver Anknüpfung Erbstatut, bedarf es keiner testamentarischen Anordnung mehr, um diesem Geltung zu verschaffen. Verwendet der Erblasser dennoch Rechtsinstitute und Begriffe, die nur im Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts vorkommen, spricht das für einen starken Willen, dieses zur Geltung zu bringen. Ein starkes Motiv für eine Rechtswahl kann im Übrigen in diesem Fall gerade darin liegen, die Geltung des Heimatrechts zu perpetuieren, wenn ein zukünftiger Aufenthaltswechsel möglich erscheint. Vor dem Hintergrund einer gesicherten Nachlassplanung kann es jedenfalls nicht zu Lasten des Erblassers bzw. der Wirksamkeit seiner Rechtswahl gehen, dass er im Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Staat seines gewählten Rechts hatte. Eine Geltung des Aufenthaltsrechts, wie Solomon sie vorschlägt, läuft dem Erblasserwillen in diesem Fall in aller Regel zuwider. Denn durch die Orientierung des Erblassers an einem bestimmten Recht hat der Erblasser sein Einverständnis mit dessen Geltung zum Ausdruck gebracht, sodass das Heimatrecht regelmäßig näher liegt als das neue Aufenthaltsrecht.243 Nach der hier vertretenen Auffassung ist dem Erblasserwillen – soweit dies nicht den anderen durch die Rechtswahl geschützten Interessen widerspricht – soweit wie möglich Geltung zu verschaffen. Die Rechtssicherheit gebietet ferner die autonome Behandlung der Frage. Hängt die Frage der Rechtswahl vom gewöhnlichen Aufenthalt ab, steht der Rechtsanwender vor dem Problem, den früheren, u. U. Jahre zurückliegenden gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ermitteln zu müssen. Es wäre systemwidrig, dieses Erfordernis in die Rechtswahl hineinzulesen, wenn diese den Erblasser in die Lage versetzen soll, den „Nachlass vorab zu regeln“244 und damit Klarheit über das Erbstatut zu schaffen. Problematisch hinsichtlich der Rechtssicherheit ist insbesondere der von Nordmeier245 vorgeschlagene Ansatz. Er will die Frage offenbar anhand der „Entfernung“ des Heimatrechts zum Aufenthaltsrecht im Todeszeitpunkt entscheiden.246 Das würde dann dazu führen, dass die gleichen testamentarischen Anordnungen des Erblassers in Abhängigkeit vom gewöhnlichen Aufenthalt in einem Fall als konkludente Rechtswahl, in einem anderen Fall nicht als konkludente Rechtswahl aufzufassen wären. Eine Rechtswahl, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme ursprünglich weit genug vom Aufenthaltsrecht entfernt ist und damit als konkludente Rechtswahl aufzufassen wäre, wäre es bei Wechsel des Aufenthalts in den Heimatstaat vor dem Tod nicht mehr. So läge es bspw. bei einem deutschen Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Frankreich, der fünf Jahre vor seinem Tod auf Deutsch sein Testament errichtet und dabei auf eindeutig deutsche Bestimmungen Bezug nimmt. Diese Bezugnahme wäre nach der Ansicht Nordmeiers wohl eine konkludente Rechtswahl, wenn der Erblasser im Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach wie vor in Frankreich hat. Verlegt er seinen gewöhnlichen Auf243 Im Beispielsfall von Solomon (Fn. 240) liegt österreichisches Recht näher als brasilianisches Recht. 244 EG 38 S. 1 EuErbVO. 245 Nordmeier, GPR 2013, 148, 152. 246 Nordmeier, GPR 2013, 148, 152, Fn. 73.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
enthalt demgegenüber ein Jahr vor seinem Tod nach Deutschland, läge wohl keine wirksame Rechtswahl mehr vor, denn das objektiv anwendbare Recht ist ebenfalls deutsches Recht. Auch wenn dies im praktischen Ergebnis keinen Unterschied macht (deutsches Recht ist aufgrund objektiver Anknüpfung anwendbar), ist es dogmatisch äußerst zweifelhaft, das gleiche Verhalten des Erblassers in Abhängigkeit vom objektiven Erbstatut unterschiedlich zu deuten. Der Wille des Erblassers zur Geltung eines bestimmten Rechts ist in beiden Fällen klar dokumentiert und sollte deshalb auch entscheidend sein. Schließlich müssen sich Nordmeier und Solomon fragen lassen, ob eine an sich unwirksame Rechtswahl im Falle der Anwendbarkeit der Ausweichklausel „wieder aufleben“ würde. Generell ist unklar, welche Rolle die Anwendbarkeit der Ausweichklausel für die Frage einer konkludenten Rechtswahl spielt, wenn diese vom objektiven Erbstatut abhängt. Dies zeigt folgender Fall: A (Amerikanerin) und B (Deutscher) sind verheiratet und leben mit ihren Kindern zunächst in Deutschland. Sie entschließen sich, nach Florida zu ziehen; A zieht sofort mit den Kindern dorthin, B verbleibt zunächst in Deutschland, weil er in Florida keine Arbeit findet. Nach sechs Monaten findet er dort eine Anstellung. Er plant seinen Umzug; zwei Tage vor dem geplanten Umzug stirbt B überraschend an einem Herzinfarkt. Er hatte drei Tage zuvor wegen Flugangst eine Verfügung von Todes wegen errichtet, in der er an mehreren Stellen (eindeutig) auf Bestimmungen des BGB Bezug nimmt. Hier stellt sich die Frage, ob B konkludent deutsches Recht gewählt hat. Nach dem Verständnis Nordmeiers und Solomons dürfte eine Rechtswahl u. U. zu verneinen sein, weil das gewählte Recht dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des B im Todeszeitpunkt (und auch im Errichtungszeitpunkt247) entspricht. Unterstellt man (was naheliegend ist) die Anwendbarkeit der Ausweichklausel zugunsten des Rechts von Florida, so könnte jedoch die Rechtswahl wieder aufleben. Für ein Wiederaufleben der Rechtswahl spräche, dass das Recht, auf das Bezug genommen wurde, nicht mehr mit dem objektiv (kraft Ausweichklausel) anwendbaren Recht übereinstimmt. Dagegen könnte man anführen, dass B ja u. U. von der objektiven Anwendbarkeit gerade des Aufenthaltsrechts ausgegangen ist, m.a.W. die Anwendbarkeit der Ausweichklausel verkannt hat, und deshalb die Bezugnahme auf die deutschen Vorschriften doch wiederum nur eine „Orientierung an dem objektiv“248 (vermeintlich) anwendbaren Recht und damit keine Rechtswahl ist. Soll nun entscheidend sein, von welchem objektiv anwendbaren Recht der Erblasser ausgegangen ist? Die Abhängigkeit der Rechtswahl vom objektiven Erbstatut kann insgesamt nicht überzeugen. (c) Argumente für die Annahme einer konkludenten Rechtswahl Für die Auslegung der Verwendung bestimmter Rechtsbegriffe als konkludente Rechtswahl spricht zunächst, dass EG 39 S. 2 EuErbVO die spezifische Bezugnahme auf Bestimmungen des Heimatrechts oder (sogar) deren Erwähnung in anderer Weise 247 248
Auf den Solomon abstellt, vgl. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 41. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 41.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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als Beispiele für eine konkludente Rechtswahl benennt. Generell stellt sich zudem die Frage, welcher Anwendungsfall der konkludenten Rechtswahl noch verbleibt, wenn sie nicht einmal in der Verwendung von konkreten Rechtsbegriffen oder -instituten eines Staates zu sehen ist.249 Die Bejahung einer Rechtswahl in dieser Fallkonstellation hat darüber hinaus den Vorteil, dass viele Fälle des „Handelns unter falschem Recht“250 beseitigt und als Fälle des Handelns unter „richtigem“ Recht behandelt werden.251 Wer eine Rechtswahl deshalb ablehnt, weil das vermeintlich gewählte Recht dem objektiven Erbstatut entspricht, sieht sich demgegenüber mit dem Problem konfrontiert, dass den am Heimatrecht ausgerichteten testamentarischen Bestimmungen im Aufenthaltsrecht Geltung verschafft werden muss. Unzutreffend ist schließlich die Aussage Solomons, aus Art. 83 Abs. 4 EuErbVO ergebe sich im Umkehrschluss, dass in allen anderen Fällen in der Ausrichtung eines Testaments an einer Rechtsordnung gerade keine konkludente Rechtswahl abzuleiten sei.252 Art. 83 Abs. 4 EuErbVO enthält eine Fiktion.253 Fingiert wird dabei, dass die Errichtung eines Testaments „nach dem Recht“ der Staatsangehörigkeit eine Rechtswahl darstellt, ohne dass sich eine konkludente Rechtswahl tatsächlich aus der Auslegung des Testaments ergeben muss. Untersucht wird also nur, ob der Testator sich an den Bestimmungen seines Heimatrechts orientiert hat. Wenn dies der Fall ist, wird fingiert, dass eine Wahl des Heimatrechts vorliegt. Einzig möglicher Umkehrschluss aus Art. 83 Abs. 4 EuErbVO ist daher: In allen anderen Fällen (d. h. bei jeder Rechtswahl nach dem 17. 8. 2015) wird bei Ausrichtung des Testaments an einer Rechtsordnung nicht fingiert, dass eine Rechtswahl vorliegt. Das verhindert jedoch nicht, dass in einem solchen Fall die Auslegung ergibt, dass eine konkludente Rechtswahl vorliegt. Für die Annahme einer konkludenten Rechtswahl spricht auch der Vergleich zur Rom I-VO, in deren Rahmen die überwiegende Ansicht in der Bezugnahme auf bestimmte Normen eines Rechts ebenfalls eine konkludente Rechtswahl sieht.254 Dafür ist insbesondere anzuführen, dass in der Rom I-VO die konkludente Rechtswahl sogar eindeutig sein muss,255 ein Erfordernis, das die EuErbVO256
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Zur Frage der Eindeutigkeit vgl. S. 200. Vgl. dazu oben S. 38. 251 Dies räumt auch Solomon ein, vgl. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 42. 252 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 44. 253 Art. 83 Abs. 4 EuErbVO lautet: „Wurde eine Verfügung von Todes wegen vor dem 17. August 2015 nach dem Recht errichtet, welches der Erblasser gemäß dieser Verordnung hätte wählen können, so gilt dieses Recht als das auf die Rechtsfolge von Todes wegen anzuwendende gewählte Recht.“ 254 Vgl. dazu oben S. 195. 255 Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 lautet: „Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen.“ 250
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
(bewusst) nicht kennt. Im Übrigen ist im Rahmen der EuErbVO generell keine zu große Strenge angebracht.257 Es besteht insbesondere keine Schutzbedürftigkeit einer anderen Partei, wie sie sich etwa im Rahmen eines vertraglichen Schuldverhältnisses ergeben kann, insbesondere, wenn die vermeintlich als Rechtswahl auszulegende Klausel in AGB enthalten ist, die eine Partei der anderen stellt.258 Der Erblasser ist demgegenüber alleiniger Herr über seine letztwillige Verfügung. Selbst wenn man im Rahmen der Rom I-VO der Mindermeinung folgt, die darlegt, eine Bezugnahme auf einzelne Vorschriften eines bestimmten Rechts stelle gerade keine konkludente Gesamtrechtswahl sondern höchstens eine Teilrechtswahl dar,259 dürfte man zu keinem anderen Ergebnis gelangen. Denn eine Teilrechtswahl ist nach der EuErbVO gerade nicht möglich, vielmehr muss sich die Rechtswahl auf den gesamten Nachlass beziehen. Daraus folgt, dass das Argument, durch die Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften einer Rechtsordnung komme nur der Wille zur Teilrechtswahl zum Ausdruck, hinsichtlich der EuErbVO nicht gilt. (d) Ergebnis Durch die Verwendung von einer Rechtsordnung entstammenden Rechtsbegriffen bzw. Bezugnahme auf bestimmte Bestimmungen kommt regelmäßig hinreichend der Wille des Erblassers zum Ausdruck, dieses Recht zur Anwendung zu bringen. Erforderlich für die Annahme einer konkludenten Rechtswahl ist allerdings, dass die verwendeten Bestimmungen bzw. Rechtsbegriffe sich eindeutig einer bestimmten Rechtsordnungen zuordnen lassen, wie es bei den vom MPI genannten Begriffen („Einantwortung“, „Verlassenschaft“) der Fall ist. ee) Verwendung einer bestimmten Sprache allein keine konkludente Rechtswahl Diskutiert wird auch die Frage, ob die Verwendung einer bestimmten Sprache zur Annahme einer konkludenten Rechtswahl ausreicht. Nach einhelliger Auffassung hat diese nur Indizwirkung.260 Dem ist zuzustimmen. Der Erblasser kann eine bestimmte Sprache aus Gründen wählen, die nichts mit einer Rechtswahl zu tun haben, etwa weil sie seine Muttersprache oder ihm geläufiger ist, weil die notarielle Beratung in der entsprechenden Sprache erfolgte, weil er in dem entsprechenden Land seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat usw. Deshalb gilt, dass neben der Sprache weitere Umstände vorliegen müssen, die auf die konkludente Rechtswahl 256
Art. 22 Abs. 2 EuErbVO lautet: „Die Rechtswahl muss ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben.“ 257 Vgl. Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15. 258 Vgl. dazu Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 93. 259 Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 33. 260 Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 150; Nordmeier, GPR 2013, 148, 152 (dort auch in Fn. 75).
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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hindeuten. Die Sprache ist m. E. allerdings ein Indiz, das zusammen mit der Verwendung bestimmter Rechtsbegriffe zum Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl führen kann. So wird regelmäßig von einer konkludenten Rechtswahl auszugehen sein, wenn auf Rechtsinstitute Bezug genommen wird, die in mehreren Staaten existieren, die Sprache der letztwilligen Verfügung aber nur in einem dieser Staaten gesprochen wird. Für diese Auslegung spricht auch der Vergleich zur Rom I-VO. Auch dort wird eine Ableitung einer konkludenten Rechtswahl allein aus der Sprache eines bestimmten Vertrages abgelehnt.261 c) Probleme bei Änderung und Widerruf der Rechtswahl Auch bei Änderung und Widerruf der Rechtswahl stellen sich verschiedene Probleme. Wie bereits dargelegt, regelt Art. 22 Abs. 4 EuErbVO lediglich die Form der Änderung und des Widerrufs einer Rechtswahl. Auf materielle Fragen bezieht er sich nach seinem Wortlaut nicht.262 Daher sind folgende Punkte strittig: aa) Das auf Widerruf und Wahl eines neuen Rechts anwendbare Recht (1) Darstellung des Problems Es stellt sich die Frage, welches Recht auf den Widerruf und die die Neuwahl eines Rechts Anwendung findet. Für den schlichten Widerruf der Rechtswahl (ohne Neuwahl eines Rechts) wird überwiegend vertreten, dass dieser sich nach dem ursprünglich gewählten Recht, also der „widerrufenen Rechtsordnung“263 richte.264 Als Argument wird EG 40 S. 2 EuErbVO angeführt.265 Dutta vertritt dagegen, dass in analoger Anwendung des 261 Beck-OK/Spickhoff, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 25; juris-PK/Ringe, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 22; Palandt/Thorn Art. 3 Rom I-VO, Rn. 7; vgl. BGHZ 19, 110, 111 f. 262 Vgl. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43; Döbereiner, DNotZ 2014, 323, 325; Heinig, RNotZ 2014, 197, 206. Nicht nachvollziehbar ist allerdings die Aussage Duttas (MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 19), die EuErbVO schweige zur Frage der Widerruflichkeit bzw. Abänderbarkeit der Rechtswahl, weil Art. 22 Abs. 4 EuErbVO nur die Form regele. Auch wenn Art. 22 Abs. 4 EuErbVO nicht regelt, welches Recht hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit der Änderung und des Widerrufs gilt, geht er eindeutig von der Widerruflichkeit bzw. Änderbarkeit der Rechtswahl aus; so auch Volmer, RPfleger 2013, 421, 423; Heinig, RNotZ 2014, 197, 212. 263 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43. 264 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43; Nordmeier, GPR 2013, 148, 154; Beck-OGK/ Schmidt, Art. 22 EuErbVO, Rn. 40; a.A. MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 20; Dutta, IPRax 2015, 32, 37. 265 Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 363; Nordmeier, GPR 2013, 148, 154. EG 40 S. 2 EuErbVO lautet: „Die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der die Rechtswahl
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Art. 22 Abs. 1 – 3 EuErbVO sich die materielle Wirksamkeit des Widerrufs nach dem (bei Wirksamkeit des Widerrufs maßgeblichen) objektiven Erbstatut (nach Art. 21 Abs. 1 oder Abs. 2 EuErbVO) richte.266 Grund für die analoge Anwendung des Art. 22 Abs. 1 – 3 EuErbVO sei, dass der Widerruf als negative Rechtswahlerklärung angesehen werden müsste.267 Strittig ist die Frage insbesondere bei der Änderung der Rechtswahl. Eine solche besteht darin, dass der Erblasser seine ursprünglich getroffene Rechtswahl durch eine neue ersetzt. Unterschiedlich beurteilt wird dabei zunächst, ob die Änderung sich als einheitlicher Vorgang268 darstellt oder juristisch in zwei Teilakte zu gliedern ist, einerseits den Widerruf der ursprünglichen Rechtswahl, andererseits die Vornahme der neuen Rechtswahl.269 Diejenigen, die die Änderung als einheitlichen Vorgang ansehen, wollen diesen überwiegend dem neu gewählten (derogierenden) Recht unterstellen.270 Dafür wird Art. 22 Abs. 3 EuErbVO analog herangezogen.271 Teilweise wird die Änderung aber auch einheitlich dem abgewählten (derogierten) Recht unterstellt.272 Dafür wird geltend gemacht, dass Widerruf und Änderung der Rechtswahl den Willen des Erblassers in Zweifel ziehe.273 Ferner wird auf EG 40 S. 2 EuErbVO verwiesen.274 Diejenigen, die in der Änderung der Rechtswahl zwei verschiedene Vorgänge sehen, halten ebenfalls unterschiedliche Rechte für anwendbar. Teilweise wird vertreten, der Widerruf richte sich nach der widerrufenen Rechtsordnung, die Neuwahl nach der neu gewählten Rechtsordnung.275 Nach anderer Auffassung ent-
getroffen wird, sollte sich jedoch nach dem gewählten Recht bestimmen, d. h. ob davon auszugehen ist, dass die Person, die die Rechtswahl trifft, verstanden hat, was dies bedeutet, und dem zustimmt.“ 266 MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 20; Dutta, IPRax 2015, 32, 37; ebenso MüllerLukoschek, § 4, Rn. 30. Die Frage, ob eine Rechtswahl überhaupt widerruflich ist, will Dutta aber dem ursprünglich gewählten Recht überlassen. 267 MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 20; Dutta, IPRax 2015, 32, 37. 268 So (stillschweigend) wohl MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 20 f.; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 363; Nordmeier, GPR 2013, 138, 154; Beck-OGK/Schmidt, Art. 22 EuErbVO, Rn. 40; Heinig, RNotZ 2014, 197, 206. 269 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43; Müller-Lukoschek, § 4, Rn. 30; Leitzen, ZEV 2013, 128, 129. 270 Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 363; ders., DNotZ 2014, 323, 326; MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 20; Heinig, RNotZ 2014, 197, 206. 271 MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 20; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 363; ders., DNotZ 2014, 323, 326. 272 Nordmeier, GPR 2013, 148, 154; Beck-OGK/Schmidt, Art. 22 EuErbVO, Rn. 40; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 70. 273 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 70. 274 Nordmeier, GPR 2013, 148, 154. 275 Leitzen, ZEV 2013, 128, 129; Müller-Lukoschek, § 4, Rn. 30 (anders aber in § 2, Rn. 153).
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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scheidet das derogierende Recht über beide Fragen.276 Dafür wird angeführt, dass bereits bei der „ersten“ Rechtswahl allein das derogierende Statut (das gewählte Recht) im Vergleich zum derogierten Statut (das objektiv anwendbare Recht) über die Frage entscheide.277 Es sei kein Grund ersichtlich, warum dies deshalb anders sein sollte, wenn das derogierte Recht ein früher gewähltes Recht ist.278 (2) Eigene Stellungnahme Zunächst ist festzustellen, dass die Änderung einer bereits getroffenen Rechtswahl sich bei genauer Betrachtung zwar in zwei verschiedene Elemente gliedert, nämlich einerseits den Widerruf der bisher getroffenen Rechtswahl, andererseits die Vornahme einer zweiten (neuen) Rechtswahl. Nicht zielführend ist es jedoch, sie verschiedenen Rechtsordnungen zu unterwerfen. Solomon hat zutreffend dargelegt, dass dann eine der beiden Handlungen nach dem auf sie anwendbaren Recht unwirksam sein könnte.279 Beträfe die Unwirksamkeit den Widerruf, wären zwei Rechtsordnungen gewählt.280 Beträfe die Unwirksamkeit demgegenüber die Neuwahl, wäre überhaupt kein Recht mehr gewählt.281 Beides ist problematisch, weil damit die Geltung des Erblasserwillens vereitelt und die durch die Rechtswahl beabsichtigte sichere Nachlassplanung zunichte gemacht wird. Außerdem läuft es der Rechtssicherheit zuwider, wenn zwei verschiedene Rechte befragt werden müssen und u. U. verschiedene Antworten liefern. Bei der Änderung der Rechtswahl handelt es sich zudem für den Erblasser um einen einheitlichen Vorgang, auch wenn er sich juristisch in einen Widerruf und eine Neuwahl gliedert. Auf die beiden Bestandteile der Änderung muss daher ein einheitliches Recht Anwendung finden.282 Der Wortlaut der EuErbVO selbst schweigt zu der Frage, welches Recht auf die Wirksamkeit von Widerruf und Änderung einer Rechtswahl anzuwenden ist. EG 40 S. 2 EuErbVO283 (bzw. Art. 22 Abs. 3 EuErbVO) hilft in diesem Zusammenhang 276
Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43. 278 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43. 279 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43. Dagegen wendet sich MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 21, der allerdings nicht das von Solomon angesprochene Problem zu behandeln scheint. Dutta hält es für unproblematisch, dass die Frage nach der Widerruflichkeit bzw. Abänderbarkeit der Rechtswahl einerseits und die Wirksamkeit der Widerrufs- bzw. Abänderungserklärung andererseits verschiedenen Rechten untersteht. Solomon hat demgegenüber jedenfalls nach meinem Verständnis das Problem im Blick, dass man die Rechtswahl in Widerruf und Neuvornahme aufspalten und beide verschiedenen Rechtsordnungen unterwerfen könnte, was durchaus zu Verwerfungen führen kann. 280 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43. 281 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43. 282 So schon Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43. Den Auffassungen von Leitzen, ZEV 2013, 128, 129 und Müller-Lukoschek, § 4, Rn. 30 wird hier deshalb nicht gefolgt. 283 EG 40 S. 2 EuErbVO lautet: „Die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der die Rechtswahl getroffen wird, sollte sich jedoch nach dem gewählten Recht bestimmen, d. h. ob 277
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
nicht unmittelbar weiter, weil er von der materiellen Wirksamkeit der die Rechtswahl vornehmenden Rechtshandlung spricht.284 EG 40 S. 3 EuErbVO285 lässt sich grundsätzlich in zwei Richtungen deuten: „Das Gleiche“ kann einerseits bedeuten, dass das „gleiche Ergebnis“ wie bei EG 40 S. 2 EuErbVO zu erzielen ist. Im Ergebnis untersteht die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der die Rechtswahl vorgenommen wird, dem gewählten Recht. Damit wäre das (ursprünglich) gewählte Recht ebenfalls maßgeblich für die materielle Wirksamkeit des Widerrufs und der Änderung der Rechtswahl.286 EG 40 S. 3 EuErbVO kann jedoch auch die „gleiche Kollisionsnorm“287 wie bei EG 40 S. 2 EuErbVO bezeichnen. Dann wäre die Kollisionsnorm des Art. 22 Abs. 3 EuErbVO auf die Frage der materiellen Wirksamkeit von Widerruf und Änderung der Rechtswahl zu übertragen. Folge davon müsste sein, dass jeweils das Recht anzuwenden wäre, das bei Wirksamkeit des Widerrufs oder der Änderung der Rechtswahl gälte.288 Bei einem schlichten Widerruf wäre dies das objektive Erbstatut (nach Art. 21 Abs. 1 oder 2 EuErbVO), bei einer Änderung (für beide Teilakte) das neu gewählte Recht.289 Solomon deutet Art. 22 Abs. 3 EuErbVO in diesem Zusammenhang demgegenüber so, dass das neu gewählte Recht zwar einheitlich für die beiden Teilakte der Änderung (Widerruf und Neuvornahme) gilt,290 der schlichte Widerruf aber dem ursprünglich gewählten Recht untersteht.291 Das erscheint nicht konsequent, sodass dieser Auffassung nicht gefolgt werden kann. Für die erste Interpretation des EG 40 S. 3 EuErbVO („gleiches Ergebnis“) sprechen Einheitlichkeit und Rechtssicherheit: Einheitlichkeit deshalb, weil Widerruf und Änderung dem gleichen Recht unterliegen292 ; Rechtssicherheit deshalb, weil das bisher gewählte Recht sicher feststeht. Für die zweite Interpretation spricht, dass sie die Maßgeblichkeit des möglicherweise gewählten293 Rechts, die der Gesetzgeber in Art. 22 Abs. 3 EuErbVO für die ursprüngliche Rechtswahl angeordnet hat, konsequent befolgt. Letztlich dürfte die erste Interpretation aber vorzugswürdig sein. Unterstellt man Widerruf und Änderung dem ursprünglich gewählten Recht, werden letztlich alle Fragen, die im weitesten Sinne mit der materiellen Wirksamkeit davon auszugehen ist, dass die Person, die die Rechtswahl trifft, verstanden hat, was dies bedeutet, und dem zustimmt.“ 284 Anders aber Nordmeier, GPR 2013, 148, 154 und Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 363. 285 EG 40 S. 3 EuErbVO lautet: „Das Gleiche sollte für die Rechtshandlung gelten, mit der die Rechtswahl geändert oder widerrufen wird.“ 286 So Nordmeier, GPR 2013, 148, 154. 287 So MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 20 (dort Fn. 66). 288 So MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 20; Dutta, IPRax 2015, 32, 37. 289 So MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 20; Dutta, IPRax 2015, 32, 37. 290 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43. 291 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43. 292 Damit wäre die von Solomon (Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 43) beschriebene Gefahr gebannt. 293 Im Falle eines schlichten Widerrufs ist das „gewählte“ Recht das objektive Erbstatut.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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der (ursprünglichen) Rechtswahl zusammenhängen, dem gleichen Recht unterworfen. Das vereinfacht die Rechtsanwendung. Die ursprüngliche Rechtswahl wird somit als ein Vorgang betrachtet, zu dem auch der Widerruf und die Änderung zählen. Ferner hat die erste Interpretation den Vorteil, dass sie eine Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen der Rechtswahl entbehrlich macht, insbesondere aber die mit Rechtsunsicherheit behaftete Ausweichklausel (Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) ganz aus der Frage der materiellen Wirksamkeit der Änderung oder des Widerrufs heraushält. Darüber hinaus spricht das Fehlen einer Art. 22 Abs. 3 EuErbVO entsprechenden Regelung für Änderung und Widerruf der Rechtswahl im Verordnungstext selbst für die Anwendbarkeit des ursprünglich gewählten Rechts. Maßgeblich für Änderung und Widerruf der Rechtswahl ist damit das derogierte Recht.294 Daraus lässt sich folgende allgemeine Regel zur materiellen Wirksamkeit der Rechtswahl ableiten: Die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der eine Rechtswahl vorgenommen, widerrufen oder geändert wird, unterliegt dem (ursprünglich) gewählten Recht. bb) Möglichkeit einer konkludenten Änderung bzw. eines konkludenten Widerrufs der Rechtswahl Nicht klar geregelt ist schließlich die Frage, ob die Änderung oder der Widerruf der Rechtswahl auch konkludent erfolgen kann.295 Soweit ersichtlich, wird allgemein vertreten, dass eine konkludente Änderung bzw. ein konkludenter Widerruf der Rechtswahl zulässig sei.296 Dem ist zuzustimmen. Dafür ist anzuführen, dass nicht einzusehen ist, warum die Änderung und der Widerruf nicht konkludent möglich sein sollten, wenn die Rechtswahl selbst es ist.297 Der Gesetzgeber hat eine Anpassung des Art. 22 Abs. 4 EuErbVO möglicherweise vergessen, da eine konkludente Rechtswahl im Kommissionsentwurf ursprünglich nicht vorgesehen war.298 Fischer-Czermak ist darin zuzustimmen, dass bei einem Erblasser, der nach Wechsel der Staatsangehörigkeit neu testiert und auf sein (neues) Heimatrecht Bezug nimmt, regelmäßig ein konkludenter Widerruf bzw. eine konkludente Änderung der Rechtswahl vorliegt.299
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Nordmeier, GPR 2013, 148, 154. Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 48. 296 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 69; Cach/Weber, ZfRV 2013, 263, 266; Heinig, RNotZ 2014, 197, 206; Leitzen, ZEV 2013, 128, 129; Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 48. 297 Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 48. 298 Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 48. 299 Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 48. 295
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
d) Über Art. 22 EuErbVO hinausgehende Rechtswahlmöglichkeiten? aa) Wahl eines Rechts gem. dem nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO anwendbaren Recht Wie ausgeführt, erlaubt das deutsche und französische IPR im Wege einer Rückoder Weiterverweisung eine Rechtswahl, die nach nationalem IPR an sich unzulässig ist, wenn sie durch das objektiv berufene IPR gestattet wird.300 Voraussetzung dafür ist eine Gesamtverweisung des deutschen oder französischen IPR auf das ausländische Recht. Die von der EuErbVO ausgesprochene Verweisung ist ebenfalls unter gewissen Voraussetzungen eine Gesamtverweisung, nämlich wenn das berufene Recht des Drittstaats auf das Recht eines Mitgliedstaats zurückverweist oder auf das Recht eines (zweiten) Drittstaats weiterverweist, der sein eigenes Recht anwenden würde (Art. 34 Abs. 1 EuErbVO).301 Daher stellt sich auch im Rahmen der EuErbVO die Frage, ob eine durch das objektiv berufene IPR gestattete Rechtswahl in den Mitgliedstaaten wirksam sein kann. So läge es bspw. im Fall eines kanadischen Erblassers mit Wohnsitz in Deutschland, der zehn Jahre vor seinem Tod eine letztwillige Verfügung errichtet, in der er seine Erbfolge dem deutschen Recht unterwirft. Vier Jahre vor seinem Tod zieht er nach Québec, das er seitdem nicht mehr verlässt. Zu seinem Vermögen gehören mehrere Konten und Wertpapiere in Deutschland. Grundsätzlich anwendbar wäre nach Art. 21 Abs. 1, 36 Abs. 1 lit. a EuErbVO302 das Recht von Québec als Recht des gewöhnlichen Aufenthalts.303 Dieses erlaubt dem Erblasser, seine Rechtsnachfolge dem Wohnsitzrecht im Zeitpunkt der Rechtswahl zu unterstellen.304 Das Wohnsitzrecht im Zeitpunkt der Rechtswahl war das deutsche, sodass es zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht käme, die nach Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO anzunehmen wäre, vorausgesetzt, Art. 34 Abs. 1 EuErbVO umfasst auch Rückverweisungen aufgrund einer Rechtswahl. Dafür spricht zunächst der Wortlaut des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO. Danach beziehen sich die Verweisungen der EuErbVO auch auf die Vorschriften des IPR des berufenen Staates, „soweit diese [auf das Recht eines Mitgliedstaats] zurück- oder weiterverweisen“. Eine Einschränkung, dass sich dieser Renvoi aus der objektiven Anknüpfung ergeben muss, ergibt sich aus dem Wortlaut nicht. Zwar könnte man aus Art. 22 EuErbVO den generellen Willen des Gesetzgebers ableiten, im Falle einer Rechtswahl nur eine Sachnormverweisung auszusprechen. Genau genommen handelt es sich jedoch nicht um eine Anknüpfung infolge einer Rechtswahl. Aus Sicht der EuErbVO ist 300
Vgl. oben S. 39 (deutsches Recht) und S. 60 (französisches Recht). Vgl. dazu näher unten S. 236. 302 Eine Zuständigkeit eines Mitgliedstaates (Deutschland) würde sich aus Art. 10 Abs. 1 lit. b EuErbVO ergeben. 303 Die Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts hat zunächst keine Wirkung. 304 Art. 3098 Abs. 2 CC (Québec), abgedruckt bei Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 386 sowie in RabelsZ 60 (1996), 327, 330; vgl. Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 86. 301
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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nämlich die durch den Erblasser getroffene Rechtswahl im Ausgangspunkt unwirksam, weil sie nicht den Erfordernissen des Art. 22 EuErbVO entspricht. Daraus folgt, dass die Verweisung der EuErbVO aufgrund objektiver Anknüpfung erfolgt. Zwar könnte man argumentieren, dass der europäische Gesetzgeber an den Fall möglicherweise nicht gedacht hat. Für eine Zulassung einer Rückverweisung kraft ausländischer subjektiver Anknüpfung spricht aber, dass der Sinn und Zweck, der im bisherigen nationalen Recht für die Anerkennung der Rechtswahl spricht, gleichermaßen in der EuErbVO erreicht würde. Durch die Akzeptanz der im Ausland gültigen Rechtswahl werden die Rechtsanwendungsergebnisse harmonisiert und hinkende Rechtsverhältnisse vermieden. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO.305 Wird damit in dem nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berufenen Drittstaat eine Rechtswahl zugebilligt, die über Art. 22 EuErbVO hinausgeht und das Recht eines Mitgliedstaats beruft, so ist diese Rechtswahl wirksam.306 Gleiches muss dann gelten, wenn der von der EuErbVO berufene Drittstaat die Wahl des Rechts eines anderen Drittstaats gewährt, dessen Recht vom Erblasser gewählt wurde. Nicht gültig ist die Rechtswahl in diesem Fall allerdings, wenn zwar der von der EuErbVO berufene Drittstaat eine Rechtswahl erlaubt, diese allerdings nicht im Staat des gewählten Rechts gewährt wird und dort auch nicht entsprechend objektiv angeknüpft wird. In diesem Fall spricht die EuErbVO nämlich (nur) eine Sachnormverweisung aus (arg. ex Art. 34 Abs. 1 EuErbVO). bb) „Verdeckte“ Rechtswahl durch testamentarische Festlegung der engsten Verbindung nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO (1) Darstellung des Problems Die Rechtswahl des Art. 22 EuErbVO ist beschränkt auf das Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes. Es fehlt die Möglichkeit, das Recht des aktuellen oder vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts zu wählen. Dies ist in der Literatur teilweise auf Kritik gestoßen.307 Insbesondere wird das Fehlen der Möglichkeit, das aktuelle Aufenthaltsrecht zu wählen bei Menschen kritisiert, die seit langer Zeit in einem anderen als ihrem Heimatstaat leben, aber nicht die dortige Staatsangehörigkeit erworben haben.308 Diese würden davon abgehalten, das Recht ihrer engsten Verbindung zu wählen.309 305
Vgl. im Einzelnen unten S. 239 ff. So auch – allerdings ohne Begründung – MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 2. 307 Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 576; MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 2; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 36; Lange, ZErb 2012, 160, 163; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2088; Wilke, RIW 2012, 601, 606; Volmer, RPfleger 2013, 421, 424; kritisch auch Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 151. 308 Lange, ZErb 2012, 160, 163 nennt folgenden Fall: Der A ist als Kind spanischer Gastarbeiter im Kleinkindalter nach Deutschland gezogen. Er arbeitet heute bei einer Bank in London. A hat die spanische Staatsangehörigkeit behalten, hat aber die engsten Verbindungen nach Deutschland, wo seine Familie lebt. 306
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Volmer kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Verordnung dem Erblasser nicht die Möglichkeit gewähre, die „Abgrenzung von Art. 21 Abs. 1 und 2 EuErbVO privatautonom zu entscheiden“310. Er wirft die Möglichkeit einer „verdeckten“311 Rechtswahl auf und führt aus, der Erblasser könne „durch seine Testamentsgestaltung und die Verwendung bestimmter, nur in einer Rechtsordnung vorhandener Gestaltungsinstrumente zum Ausdruck […] [bringen], wie er für sich die Nähebeziehung sieht“312. Solomon bringt die indirekte Rechtswahl im Falle der „Mallorca-Rentner“ ins Spiel, die die Hälfte des Jahres in Deutschland, die andere Hälfte in Spanien verbringen.313 Er führt aus, in solchen Zweifelsfällen könne man nicht Erklärungen des Erblassers darüber, wo er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, von vornherein jegliche Relevanz versagen. Welche Relevanz sie indes haben sollten, bleibt offen. Schaub ist der Auffassung, dass Mallorca-Rentner, die das Winterhalbjahr auf der Insel verbringen, „bei rein objektiver Betrachtung […] zwei gewöhnliche Aufenthalte“314 haben. Sie führt aus, dass man diesen „möglicherweise“315 bzgl. ihres gewöhnlichen Aufenthalts ein Wahlrecht einräumen könnte. Gegen ein solches Wahlrecht spreche jedoch, dass die EuErbVO nur im Falle einer Rechtswahl eines Doppelstaaters in Art. 22 Abs. 1 S. 2 EuErbVO ein Wahlrecht vorgesehen hat.316 Hohloch führt aus, der gewöhnliche Aufenthalt sei „bewusst nicht in die Wahlmöglichkeiten einbezogen worden“.317 Gleichzeitig sei aber die „Perpetuierung eines nicht mehr aktuellen oder [die] Antizipierung eines künftigen gewöhnlichen Aufenthalts […] nur im Rahmen von Art. 21 II [EuErbVO] als Regelung einer besonderen Situation, die sich der Regelbeurteilung entzieht“,318 möglich. Daraus ist wohl zu schließen, dass dem Erblasser jedenfalls nicht die Wahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO offensteht; inwieweit jedoch der Wille zur Geltung des Rechts des (bspw.) vergangenen gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zu berücksichtigen ist, bleibt offen.
309 310 311 312 313 314 315 316 317 318
Lange, ZErb 2012, 160, 163. Volmer, RPfleger 2013, 421, 424. Volmer, RPfleger 2013, 421, 424; ähnlich auch Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 37. Volmer, RPfleger 2013, 421, 424. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 37. Schaub, Hereditaire 2013, 91, 113. Schaub, Hereditaire 2013, 91, 113. Schaub, Hereditaire 2013, 91, 113. Erman/Hohloch, Art. 22 EuErbVO, Rn. 5. Erman/Hohloch, Art. 22 EuErbVO, Rn. 5.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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(2) Eigene Stellungnahme Die Bestimmung des anwendbaren Rechts über eine „indirekte Rechtswahl“ erscheint grundsätzlich problematisch, und zwar unabhängig von der Frage, ob man sie durch eine Festlegung des gewöhnlichen Aufenthalts oder durch die „privatautonome Entscheidung“319 zwischen Art. 21 Abs. 1 und 2 EuErbVO gewähren will.320 Zwar ist nach dem hier vertretenen Verständnis das Kriterium der gewöhnliche Aufenthalt subjektiv zu verstehen. Im Rahmen des gewöhnlichen Aufenthalts ist infolgedessen der Wille des Erblassers, sich bewusst in einen Rechtskreis zu begeben und dauerhaft in ihm zu leben, zu berücksichtigen.321 Jedoch ist nach der hier vertretenen Auffassung der Wille des Erblassers allein zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht ausreichend, es müssen vielmehr objektive Umstände vorliegen, die diesen Willen untermauern. Eine testamentarische Anordnung, die den gewöhnlichen Aufenthalt oder die engste Verbindung des Erblassers nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO bestimmt, hat keine größere Aussagekraft als ein in anderer Weise feststellbarer Wille. Insbesondere kann der im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen geäußerte Wille die für eine Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts fehlenden objektiven Umstände nicht ersetzen. Spräche man der testamentarischen Festlegung des gewöhnlichen Aufenthalts oder der engsten Verbindung nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO eine größere Wirkung zu, würde dies die vom Gesetzgeber beabsichtigte Beschränkung der Rechtswahl umgehen. Objektive und subjektive Anknüpfung sind im Zusammenhang zu sehen. Die subjektive Anknüpfung verfolgt neben dem Zweck der gesicherten Nachlassplanung, der Klarheit des Erbstatuts und der Rechtssicherheit ebenfalls den Zweck, Pflichtteilsberechtigte nicht zu benachteiligen. Insoweit steht sie im Spannungsverhältnis zum Willen des Erblassers und begrenzt diesen, indem sie bewusst keine Möglichkeit gewährt, das Recht des aktuellen (oder vergangenen) gewöhnlichen Aufenthalts zu wählen. Diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers darf nicht dadurch umgangen werden, dass im Rahmen der objektiven Anknüpfung faktisch eine zusätzliche Rechtswahl gewährt wird. Dies stellt keinen Widerspruch zu der Möglichkeit der erweiterten Rechtswahl aufgrund objektiver Anknüpfung322 dar, weil dort die Rechtswahl durch das ausländische, berufene IPR gewährt wird. Dies hat die EuErbVO – wenn sie eine Gesamtverweisung ausspricht – zu respektieren. Abzulehnen ist im Übrigen die Ansicht Schaubs, Mallorca-Rentner hätten „bei rein objektiver Betrachtung“323 zwei gewöhnliche Aufenthalte.324 Es widerspricht – 319
Volmer, RPfleger 2013, 421, 424. Dies ändert nichts daran, dass die fehlende Möglichkeit, das Aufenthaltsrecht zu wählen, kritisch zu beurteilen ist; vgl. unten S. 227. 321 Vgl. oben S. 112. 322 Vgl. oben S. 206. 323 Schaub, Hereditaire 2013, 91, 113; vgl. schon die gegen die Auffassung Mankowskis, Mallorca-Rentner hätten einen konsekutiv wechselnden gewöhnlichen Aufenthalt, vorgetragenen Argumente (oben S. 125). 320
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
auch bei rein objektivem Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts – der Absicht des Gesetzgebers, das auf die Erbfolge anwendbare Recht klar festzulegen, wenn man zwei gewöhnliche Aufenthalte zulässt. Außerdem ist ein „Gleichstand“ zwischen zwei Staaten schwer vorstellbar, im Einzelfall wird vielmehr immer zu einem der beiden Orte eine (wenn auch minimal) engere Verbindung bestehen. Im Regelfall wird dies bei Mallorca-Rentnern, sofern sie nicht ausschließlich auf der Insel leben, Deutschland sein. Auch spricht gegen ein Wahlrecht zwischen zwei gewöhnlichen Aufenthalten, dass dieses der Möglichkeit der Wahl des Rechts des aktuellen gewöhnlichen Aufenthalts gleichkommt, die der Gesetzgeber bewusst nicht vorgesehen hat. Darüber hinaus sind die praktischen Folgen nicht handhabbar. So ist nicht abzusehen, wie stark die Verbindung des Erblassers zu einem zweiten Staat sein muss, um ein solches Wahlrecht zu begründen. Es stellt sich bspw. die Frage, ob eine Immobilie in einem zweiten Staat bereits ausreicht oder ob darüber hinaus noch soziale oder berufliche Kontakte hinzukommen müssen. Ferner würden große Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet. Wünscht der Erblasser die Geltung eines bestimmten Rechts, so wird er bei Bestehen einer nur minimalen Verbindung zu diesem Staat testamentarisch anordnen, dass dieses Recht gelten soll. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass die Festlegung des gewöhnlichen Aufenthalts oder der engsten Verbindung i.S.d. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen nicht ausreicht, um das Recht des genannten Staates zur Anwendung zu bringen.325 Auch wenn der Erblasser eine solche Festlegung getroffen hat, ist der gewöhnliche Aufenthalt bzw. die engste Verbindung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Allerdings kann eine solche Festlegung als Nachweis des Willens des Erblassers dienen. Sie hat jedoch keine größere Wirkung als ein in anderer Weise festgestellter Wille.
4. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Rechtswahlmöglichkeit den Zweck verfolgt, dem Erblasser eine sichere Nachlassplanung zu ermöglichen und ihm Klarheit über das Erbstatut zu verschaffen. Sie verfolgt weiterhin den Zweck der Parteiautonomie als Parallelerscheinung zur Privatautonomie. Darüber hinaus will sie für Rechtssicherheit sorgen. Diese Zwecke sind bei der Beantwortung der bei der Rechtswahl auftretenden Einzelfragen entscheidend. Dem Erblasserwillen ist grundsätzlich soweit wie möglich Geltung und der Rechtswahl größtmögliche Wirksamkeit zu verschaffen, soweit nicht andere Zwecke, insbesondere die Rechtssicherheit, etwas anderes gebieten. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Anforderungen an die Rechtswahl im Rahmen der EuErbVO im Vergleich mit den anderen Regelungsinstrumenten des EuIPR besonders streng sind. Dies ist durch eine wirksamkeitsfördernde Auslegung auszugleichen. Der Grundsatz der größtmögli324 325
Schaub, Hereditaire 2013, 91, 113. Vgl. auch Mankowski, IPRax 2015, 39, 45 („allenfalls ein Ausgangspunkt“).
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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chen Wirksamkeit ist darüber hinaus abzuleiten aus dem Vorrang der Rechtswahl gegenüber der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt als dem die tatsächlich engste Verbindung berücksichtigenden Anknüpfungskriterium. Ferner folgt er aus dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat durch die im Kommissionsentwurf nicht enthaltene Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl und der Alternative, im Todeszeitpunkt über die Staatsangehörigkeit des gewählten Rechts zu verfügen, seinen entsprechenden Willen zur wirksamkeitsfördernden Auslegung zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus rechtfertigt sich eine solche Auslegung durch das einheitsstiftende, materiell-rechtliche Prinzip der Testierfreiheit. Der dem materiellen Recht bekannte favor testamenti schlägt sich damit in einen kollisionsrechtlichen favor testamenti nieder. Ferner spricht dafür die Erblasserbezogenheit, die an verschiedenen Stellen der Verordnung zum Ausdruck kommt. Die Rechtswahl ist – wie ausgeführt – nicht unbegrenzt, insbesondere um die Interessen der potenziell Pflichtteilsberechtigten nicht unangemessen zu beeinträchtigen. Dieser Schutz realisiert sich jedoch durch die Beschränkung auf das Heimatrecht, nicht aber durch das Erfordernis einer sonstigen Verbindung, wie sie etwa beim gewöhnlichen Aufenthalt notwendig ist. Soweit das Heimatrecht betroffen ist, kommt dem Schutzgesichtspunkt im Rahmen der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen daher keine besondere Bedeutung zu. Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass bei Zugrundelegung dieser Prinzipien eine isolierte Rechtswahl zulässig ist. Eine abstrakte Rechtswahl ist ebenfalls zulässig, soweit das gewählte Recht sich klar aus ihr ergibt. Eine negative Rechtswahl ist zulässig, die Folgen einer solchen hängen jedoch von den Umständen des Einzelfalls ab. Bzgl. einer konkludenten Rechtswahl gilt, dass autonom zu entscheiden ist, ob die Voraussetzungen für eine solche vorliegen. Dies ist eine Frage der Auslegung der Verfügung von Todes wegen. Auf subjektiver Seite ist lediglich Wille zur bzw. das Einverständnis mit der Geltung des Heimatrechts zu fordern. Darüber hinausgehende Anforderungen sind nicht zu stellen; insbesondere ein kollisionsrechtlicher Gestaltungswille ist nicht zu verlangen. In einer Bezugnahme auf spezifische Bestimmungen des Heimatrechts ist regelmäßig eine konkludente Rechtswahl zu sehen. Diese müssen jedoch eindeutig auf eine bestimmte Rechtsordnung hinweisen. Die Verwendung einer bestimmten Sprache reicht für sich genommen zu einer Bejahung einer konkludenten Rechtswahl nicht aus. Die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der eine Rechtswahl vorgenommen, widerrufen oder geändert wird, unterliegt dem (ursprünglich) gewählten Recht. Eine über Art. 22 EuErbVO hinausgehende Rechtswahl kann im Wege einer Rück- oder Weiterverweisung Wirksamkeit erlangen, wenn der von der EuErbVO berufene Drittstaat eine weitergehende Rechtswahlmöglichkeit vorsieht. Erforderlich dafür ist, dass der von der EuErbVO berufene Drittstaat entweder die Mög-
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
lichkeit vorsieht, das Recht eines Mitgliedstaats zu wählen oder das Recht eines Drittstaats für wählbar hält, der seine eigene Kompetenz akzeptiert. Eine „verdeckte“ Rechtswahl hat nicht die gleichen Wirkungen wie eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO. Sie ist lediglich als Nachweis des Willens im Rahmen der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zu werten. Indes hat sie keine höhere Bedeutung als ein in sonstiger Weise kundgetaner Wille des Erblassers.
III. Zusammenfassung und Stellungnahme zur Kohärenz des EuIPR Hinsichtlich der Kohärenz in der Gesetzgebung ist festzustellen: Die beschränkte Rechtswahl ist im EuIPR, insbesondere im Bereich des Familienrechts, ein geradezu typisches Instrument. Teilweise orientieren sich die Rechtswahlmöglichkeiten dabei am objektiv anwendbaren Recht, teilweise eröffnen sie – wie die EuErbVO – die Möglichkeit der Wahl eines von der objektiven Anknüpfung abweichenden Rechts. Auch ist hinsichtlich des Zwecks der Begrenzung der Rechtswahl im EuIPR eine Kohärenz festzustellen. Dieser besteht verordnungsübergreifend im Schutz der (vermeintlich) schwächeren Partei. Die einzelnen Mechanismen, mit denen der Schutz erreicht werden soll, weisen indes große Unterschiede auf. Teilweise wird vorgegeben, welche Rechte wählbar sind, teilweise wird eine Rechtswahl bei bestimmten Personen ausgeschlossen, teilweise werden die Umstände einer Rechtswahl beschränkt, teilweise wird das gewählte Recht durch Teile des objektiv anwendbaren Rechts überlagert, teilweise die Folgen der Rechtswahl einer materiell-rechtlichen Kontrolle unterzogen. Hinsichtlich der Mechanismen, die den potenziell Schwächeren schützen sollen, kann von einer Kohärenz des EuIPR somit keine Rede sein. Die EuErbVO nimmt hier auch deshalb eine Sonderrolle ein, weil die vermeintlich schwächere Partei in Person des (potenziell) Pflichtteilsberechtigten an der Rechtswahl nicht beteiligt ist. Begrenzt ist die Kohärenz des EuIPR in der Gesetzgebung auch bei der Frage, ob eine Rechtswahl konkludent möglich ist. Die EuErbVO, die Rom I- und Rom II-VO bejahen dies; die Rom III-VO und das HUntProt regeln die Frage nicht ausdrücklich326, der EuGüVO-E akzeptiert nach seinem Wortlaut nur eine ausdrückliche Rechtswahl. Selbst die drei eine konkludente Rechtswahl ausdrücklich vorsehenden Verordnungen sind jedenfalls in ihrem Wortlaut nicht kohärent, denn sie verlangen teilweise, dass sich die Rechtswahl „eindeutig“ (Rom I), teilweise „mit hinreichender Sicherheit“ (Rom II) aus den Bestimmungen des Vertrags bzw. den Umständen des Falles ergeben muss, teilweise stellen sie ein solches Erfordernis überhaupt nicht auf (EuErbVO). 326 Im Rahmen des HUntProt kann allerdings der Umkehrschluss aus dem Erfordernis der Ausdrücklichkeit im Rahmen des Art. 7 HUntProt herangezogen werden.
A. Wahl des Heimatrechts nach Art. 22 EuErbVO
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Im Rahmen der Rechtswahl ist die Kohärenz auch in der Auslegung beschränkt. Teilweise lässt sich (wie etwa bei der Frage der Zulässigkeit einer „abstrakten Rechtswahl“ bzw. einer „floating choice of law“327) schon im bisherigen EuIPR eine gewisse Inkohärenz in der Auslegung feststellen. Grund dafür ist, dass die Interessenlage im Umfeld der jeweiligen Verordnung voneinander abweicht.328 Auch kann die Beantwortung von Fragen der Auslegung im Rahmen der Rechtswahl davon abhängen, welche Rechte wählbar sind. So ist es nachvollziehbar, dass aus der „Abwahl“ eines bestimmten Rechts im Rahmen der Rom I-VO keine konkludente Wahl eines anderen Rechts geschlossen werden kann, weil prinzipiell jedes staatliche Recht wählbar ist. Im Rahmen der EuErbVO spricht bei Abwahl des objektiv anwendbaren Aufenthaltsrechts demgegenüber einiges dafür, dass der Erblasser das (einzig in Betracht kommende) Heimatrecht berufen wollte und damit eine konkludente Rechtswahl zu bejahen ist. Auch ist die subjektive Anknüpfung immer im Verhältnis zur objektiven Anknüpfung zu sehen. Wenn bspw. im Rahmen der Rom I-VO das eigentlich objektiv anwendbare Recht abgewählt wird, führt dies dazu, dass das Recht der zweitengsten Verbindung zu berufen ist.329 Wenn jedes Recht der Welt wählbar ist, muss auch ein bestimmtes Recht abgewählt werden können. Dies kann im Rahmen der EuErbVO jedoch u. U. nicht gelten, etwa wenn das der Erblasser das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts abwählt, das auch sein (einziges) Heimatrecht ist.330 Eine verordnungsübergreifende Lösung besteht – jedenfalls nach der hier vertretenen Auffassung – bei der Frage, nach welchem Recht zu beurteilen ist, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt. Dies ist, ebenso wie überwiegend im Rahmen der Verordnungen Rom I und Rom II, autonom und nicht nach dem möglicherweise gewählten Recht zu entscheiden. Hier ist die Interessenlage in den genannten Verordnungen vergleichbar und einzelne Argumente sind übertragbar. Dies gilt insbesondere für die Erwägung, dass die jeweilige Verordnung einheitlich (und unabhängig vom nationalen Recht) ausgelegt werden muss. Eine einheitliche Lösung wird im Grundsatz auch bei der Frage befürwortet, ob die Bezugnahme auf bestimmte Normen eine konkludente Rechtswahl darstellen kann; im Übrigen hängt die Frage aber von den Umständen des Einzelfalles ab. Hinsichtlich der Frage nach dem Erfordernis eines Rechtswahlbewusstseins ist nach der hier vertretenen Auffassung aufgrund der besonderen Interessenlage im Rahmen des internationalen Erbrechts eine einheitliche Lösung nicht sinnvoll bzw. eine weniger strenge Lösung im Rahmen der EuErbVO als im bisherigen EuIPR angebracht. Dafür sprechen der Wille des Gesetzgebers, die Anforderungen an eine 327
Vgl. oben S. 171. Im Rahmen der Rom I-VO etwa aufgrund der Tatsache, dass eine „floating choice of law“ dort hinsichtlich der Rechtssicherheit unproblematisch ist. 329 Vgl. oben S. 181. 330 Die Ausweichklausel kann nicht durch den Willen des Erblassers zur Anwendung kommen. 328
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Rechtswahl niedrig zu halten, das Interesse des Erblassers an einer gesicherten Nachlassplanung, die Tatsache, dass der Erblasser ausschließlich an materiellrechtlichen Ergebnissen interessiert ist sowie die im Unterschied zu anderen Verordnungen bestehende schwierige Feststellbarkeit eines kollisionsrechtlichen Gestaltungswillens im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen. Ferner ist auch hier für eine verordnungsautonome Lösung anzuführen, dass der Erblasser ausschließlich sein Heimatrecht wählen kann. Darüber hinaus sind unterschiedliche Anforderungen damit zu begründen, dass die Rechtswahl im Rahmen der EuErbVO als einseitiges Rechtsgeschäft, im Rahmen der übrigen Verordnungen aber als Verweisungsvertrag erfolgt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Kohärenz in der Gesetzgebung grundsätzlich gegeben ist; eine solche besteht auch hinsichtlich des Zwecks der Beschränkung der Rechtswahl. Im Detail ergeben sich jedoch bereits bei der Gesetzgebung deutliche Unterschiede, insbesondere bei den wählbaren Rechten, bei der Frage der konkludenten Rechtswahl und bei der Umsetzung des Schwächerenschutzes. Im Rahmen der Auslegung ergeben sich im Einzelnen z. T. erhebliche Unterschiede. Feststellbar sind aber auch hier den Verordnungen gemeinsame Prinzipien. Dies gilt etwa für den hinter der Rechtswahl stehenden Zweck der Parteiautonomie sowie der angestrebten Rechtssicherheit und Klarheit über das anwendbare Recht.
B. Rechtswahlmöglichkeiten im Übergangszeitraum I. Hintergrund der Übergangsvorschriften Die Verordnung findet – wie bereits ausgeführt – Anwendung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen von Personen, die nach dem 17. 8. 2015 verstorben sind (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO). Art. 83 Abs. 2 EuErbVO enthält für die Rechtswahl eine Übergangsvorschrift. Eine Rechtswahl, die vor dem 17. 8. 2015 erfolgt ist, ist danach wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III der EuErbVO erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des IPR in dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts oder der Staatsangehörigkeit des Erblassers wirksam ist. Sinn und Zweck der Norm ist nach einhelliger Auffassung die Gewährung von Bestands- bzw. Vertrauensschutz.331 Dies trifft insoweit zu, als Art. 83 Abs. 2 EuErbVO einer Rechtswahl Wirksamkeit gewährt, wenn sie vor dem 17. 8. 2015 im 331
Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, 445; Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15; Heinig, RNotZ 2014, 197, 213; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2088; Nordmeier, GPR 2013, 148, 154; Palandt/Thorn, Art. 83 EuErbVO, Rn. 4; Schoppe, IPrax 2014, 27, 28; Beck-OGK/Schmidt, Art. 83 EuErbVO, Rn. 4; ähnlich („Schutz der berechtigten Erwartungen der Erblasser“) MüKo/Dutta, Art. 83 EuErbVO, Rn. 1; vgl. Bonomi/Öztürk, in: Dutta/Herrler, S. 47, 67.
B. Rechtswahlmöglichkeiten im Übergangszeitraum
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Einklang mit dem bisherigen IPR (des Aufenthalts- oder Heimatstaates des Erblassers im Zeitpunkt der Rechtswahl) erfolgt ist. Geschützt wird damit der Erblasser, der in Kenntnis des bisher gültigen IPR eine Rechtswahl vorgenommen hat und nach Inkrafttreten der EuErbVO auf die Gültigkeit dieser Rechtswahl vertraut. Dies kann sich insbesondere daran zeigen, dass er die Rechtswahl nach Inkrafttreten der EuErbVO nicht erneut – im Einklang mit dieser – trifft. Der Aspekt des Vertrauensschutzes rechtfertigt aber nur, dass die Wahl des Rechts im Einklang mit dem bisherigen IPR des Aufenthalts- oder Heimatstaats als wirksam angesehen wird. Er begründet dagegen nicht, dass der Erblasser vor dem 17. 8. 2015 auch die Möglichkeit hat, eine Rechtswahl nach Kapitel III der EuErbVO, also insbesondere nach Art. 22 EuErbVO zu treffen. Teilweise wird auch angeführt, die Übergangsvorschrift solle die Rechtspraxis in die Lage versetzen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen.332 Vor allem soll der Erblasser in die Lage versetzt werden, bereits vor dem 17. 8. 2015 von der Rechtswahlmöglichkeit nach der EuErbVO Gebrauch zu machen und damit auch davon befreit werden, nach dem 17. 8. 2015 erneut testieren zu müssen. Art. 83 Abs. 2 EuErbVO hat daher eine Doppelfunktion: Zum einen gewährt sie Vertrauensschutz, indem sie nach bisherigem Kollisionsrecht wirksame Rechtswahlen auch weiterhin für wirksam hält. Zum anderen führt sie trotz grundsätzlicher Geltung der EuErbVO für Erbfälle ab dem 17. 8. 2015 zu einer Vorwirkung der nach Art. 22 EuErbVO getroffenen Rechtswahl. Sie trägt damit der Besonderheit Rechnung, dass die EuErbVO bereits am 16. 8. 2012 in Kraft getreten ist, aber erst für Erbfälle ab dem 17. 8. 2015 gilt. Insoweit ermöglicht Art. 83 Abs. 2 EuErbVO tatsächlich einen Übergang von der alten in die neue Rechtslage. In der Übergangszeit gelten beide Rechtssysteme parallel, was dazu führt, dass eine Rechtswahl in besonders vielen Fällen wirksam ist.333 Der Übergangszeitraum endet am 17. 8. 2015. Die nachfolgenden Ausführungen betreffen somit nur Rechtswahlen, die bis zu diesem Zeitpunkt vorgenommen worden sind.
II. Rechtswahl im Einklang mit Kapitel III der EuErbVO 1. Grundsätzliche Reichweite der Übergangsvorschrift Die erste Alternative des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO ist erfüllt, wenn die Rechtswahl „die Voraussetzungen des Kapitels III“ der EuErbVO erfüllt. Damit verweist die Norm insbesondere334 auf Art. 22 EuErbVO. Daraus folgt, dass eine Wahl des 332
Schoppe, IPrax 2014, 27, 28. Vgl. Beck-OGK/Schmidt, Art. 83 EuErbVO, Rn. 4. 334 Aber nicht ausschließlich, vielmehr kommen auch Art. 24 Abs. 2 und 25 Abs. 3 EuErbVO zur Anwendung, vgl. Schoppe, IPrax 2014, 27, 29. 333
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Heimatrechts des Erblassers (im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes)335, die der Erblasser bereits vor dem 17. 8. 2015 getroffen hat, wirksam ist. Durch diese Alternative wird die Wirkung des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO zumindest auf den Zeitraum zwischen dem 16. 8. 2012 und dem 17. 8. 2015 vorverlagert. 2. Vor dem 16. 8. 2012 getroffene Rechtswahlen erfasst? Strittig ist allerdings, ob eine vor dem 16. 8. 2012 getroffene Rechtswahl auch als im Einklang mit den „Voraussetzungen des Kapitels III“ der (zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getretenen) EuErbVO angesehen werden kann. Die weit überwiegende Auffassung nimmt die Geltung auch für vor dem 16. 8. 2012 getroffene Rechtswahlen an.336 Dafür wird angeführt, dass der Wortlaut des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 lediglich verlange, dass die Rechtswahl „die Voraussetzungen des Kapitels III“ erfülle; erforderlich sei aber nicht, dass eine solche Rechtswahl nach den Voraussetzungen des Kapitels III getroffen worden sei.337 Darüber hinaus spreche für eine solche Interpretation die englische und französische Fassung der Norm.338 Ferner wird für eine Fortgeltung dieser Rechtswahlen angeführt, dass ein solches Verständnis der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 17 EuGVÜ und Art. 22 Abs. 2 des HÜ entspreche.339 Der Wortlaut kann m. E. hier in beide Richtungen gedeutet werden, auch die englische und französische Sprachfassung spricht nicht zwingend für eine Anwendung des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 EuErbVO auf eine vor Inkrafttreten der EuErbVO getroffene Rechtswahl. Der Verweis auf Art. 22 Abs. 2 des HÜ ist schon deshalb wenig überzeugend, weil dieser nach seinem Wortlaut klar eine Fortgeltung der vor Inkrafttreten des Übereinkommens getroffenen Rechtswahlen anordnete. Ein Gleichlauf mit dem EuGVÜ ist ebenfalls kein zwingendes Argument. Zu berücksichtigen ist jedoch der Sinn und Zweck des Vertrauensschutzes. Die Gewährung generellen Vertrauensschutzes würde hier für eine Fortgeltung der im Einklang mit Art. 22 EuErbVO getroffenen Rechtswahl sprechen. Problematisch daran ist jedoch, dass vor dem 16. 8. 2012 keine Regelung existiert hat, auf deren Geltung der Erblasser vertrauen konnte340, Art. 22 EuErbVO existierte jedenfalls noch nicht. Nimmt 335 Ein Verlust der Staatsangehörigkeit nach der Rechtswahl ist auch in dieser Konstellation unschädlich. Dies ergibt sich daraus, dass Art. 83 Abs. 2 EuErbVO auf das gesamte Kapitel III verweist, vgl. Bonomi/Wautelet/Wautelet, Art. 83 EuErbVO, Rn. 7. 336 Heinig, RNotZ 2014, 197, 213; Nordmeier, GPR 2013, 148, 154; Odersky, notar 2013, 3, 5; Palandt/Thorn, Art. 83 EuErbVO, Rn. 4; MüKo/Dutta, Art. 83 EuErbVO, Rn. 7; zweifelnd Leitzen, ZEV 2013, 128, 131; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 45. 337 Schoppe, IPRax 2014, 27, 29. 338 Schoppe, IPrax 2014, 27, 29 bezieht sich auf den Wortlaut der französischen („s’il remplît les conditions fixées au chapitre III“) und englischen Fassung („if it meets the conditions laid down in Chapter III“). 339 Heinig, RNotZ 2014, 197, 213. 340 So auch Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 45.
B. Rechtswahlmöglichkeiten im Übergangszeitraum
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man, wie hier vertreten, eher einen Vorwirkungscharakter des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 EuErbVO an, spricht dies gegen eine Gültigkeit der vor dem 16. 8. 2012 getroffenen Rechtswahl. Denn eine solche Überleitung greift erst ab dem 16. 8. 2012. Dennoch ist von der Wirksamkeit einer vorher getroffenen Rechtswahl auszugehen. Wie bereits dargestellt, verfolgt die Rechtswahlmöglichkeit den Zweck, dem Willen des Erblassers Geltung zu verschaffen, wenn er klar in einer Verfügung von Todes wegen zum Ausdruck kommt. Es wäre unnötiger Formalismus, dem Erblasser die Gültigkeit einer Rechtswahl zu versagen, die er vor dem 16. 8. 2012 getroffen hat, wenn er diese ab dem 16. 8. 2012 jederzeit erneut treffen könnte. Es ist ferner davon auszugehen, dass der Erblasser die Rechtswahl erneut treffen würde, wüsste er von deren möglicher Ungültigkeit. 3. Gültigkeit bei Erbfall vor dem 17. 8. 2015? Es stellt sich ebenfalls die Frage, ob eine nach den Übergangsvorschriften durchgeführte Rechtswahl auch dann Wirksamkeit erlangt, wenn der Erblasser vor dem 17. 8. 2015 verstirbt. Zu beachten ist grundsätzlich, dass sich das Problem praktisch nur dann stellt, wenn die Rechtswahl auf einer Erweiterung der Rechtswahlmöglichkeit infolge der Übergangsvorschrift beruht. Es geht demnach regelmäßig um Fälle, in denen vor dem 17. 8. 2015 das Recht nach Art. 22 EuErbVO gewählt wird, und nicht um Fälle, in denen das IPR des Heimats- oder Aufenthaltsstaats eine Rechtswahl erlaubt. Letzteres gilt nämlich bis zum 17. 8. 2015 weiter und führt damit selbst die Gültigkeit der Rechtswahl herbei. Nach fast einhelliger Auffassung ist eine Rechtswahl bei Tod des Erblassers vor dem 17. 8. 2015 wirkungslos.341 Begründet wird dies mit dem Umkehrschluss aus Art. 83 Abs. 1 EuErbVO342 und mit dem Argument, dass anderenfalls Erblasser und Rechtsberater – entgegen dem Sinn und Zweck der Norm – keine Zeit hätten, sich auf die neuen Regeln einzustellen.343 Solomon ist demgegenüber der Auffassung, dass eine Rechtswahl auch dann wirksam ist, wenn der Erblasser vor dem 17. 8. 2015 verstirbt.344 Er führt aus, dass das Ziel der sicheren Nachlassplanung, das die Rechtswahl verfolge, ansonsten ohne Not aufgegeben würde.345 Im Übrigen sei kein Interesse ersichtlich, das der Wirksamkeit einer solchen Rechtswahl entgegenstün341
Bonomi/Wautelet/Wautelet, Art. 83 EuErbVO, Rn. 11, 13; de Vareilles-Sommières, Recueil Dalloz 2012, 2321, 2322; Dörner, ZEV 2012, 505, 506; Heinig, RNotZ 2014, 197, 214; Leitzen, ZEV 2013, 128, 130; Odersky, notar 2013, 3, 5; Schaub, Hereditaire 2013, 91, 129; Palandt/Thorn, Art. 83 EuErbVO, Rn. 4; PWW/Martiny, EuErbVO, Rn. 98; Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 47; Schoppe, IPrax 2014, 27, 29; wohl auch Burandt/Rojahn/ Burandt, Art. 83 EuErbVO, Rn. 2. 342 Dörner, ZEV 2012, 505, 506. 343 Schoppe, IPrax 2014, 27, 29. 344 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 45. 345 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 45.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
de.346 Ferner sei Art. 83 Abs. 1 EuErbVO nicht zwingend auch in Art. 83 Abs. 2 EuErbVO hineinzulesen.347 Darin ist Solomon zuzustimmen. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Rechtswahlmöglichkeit selbst und aus dem Sinn und Zweck der Übergangsvorschriften. Um eine sichere Nachlassplanung zu ermöglichen und für Rechtssicherheit zu sorgen, gewährt Art. 22 EuErbVO die Wahl des Heimatrechts. Diese Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO soll nach Art. 83 Abs. 2 EuErbVO auch gelten, wenn der Erblasser sie vor dem 17. 8. 2015 trifft. Eine sichere Nachlassplanung wird aber vereitelt, wenn der Erblasser um die Wirksamkeit seiner Rechtswahl bangen muss,348 weil er nicht weiß, ob er bis zum 17. 8. 2015 lebt. Es sprechen zudem keine Rechtssicherheitserwägungen gegen eine Wirksamkeit auch bei Erbfällen vor dem 17. 8. 2015. Der Zweck der Vorwirkung des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 EuErbVO wird ferner ad absurdum geführt, wenn einerseits die Regelungen vor dem 17. 8. 2015 gelten sollen, andererseits aber eine danach wirksame Rechtswahl wieder unwirksam wird, wenn der Erblasser (u. U. überraschend) vor dem 17. 8. 2015 verstirbt. Dann wäre es für den Erblasser günstiger gewesen, überhaupt keine Übergangsvorschrift vorzusehen; mit einer solchen Auslegung der Übergangsvorschrift verleitet man den Erblasser zu einer unwirksamen Rechtswahl. Im Übrigen ist Solomon darin zuzustimmen, dass Art. 83 Abs. 1 nicht in Art. 83 Abs. 2 EuErbVO hineingelesen werden muss.349 Demnach gilt entgegen der h.M. eine im Einklang mit Art. 22 EuErbVO vorgenommene Rechtswahl auch bei Erbfällen vor dem 17. 8. 2015.
III. Rechtswahl im Einklang mit dem bisherigen IPR 1. Grundsätzliche Reichweite der Übergangsvorschrift Weiterhin gültig ist nach Art. 83 Abs. 2 Alt. 2 und 3 EuErbVO ebenfalls eine Rechtswahl eines Erblassers, die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nach dem IPR seines Heimatstaates oder des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts wirksam war. Der Unterschied zu Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 EuErbVO liegt darin, dass das IPR des Heimatstaates die Rechtswahl gewähren muss, bei Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 EuErbVO handelt es sich durch den Verweis auf Kapitel III der EuErbVO um eine Sachnormverweisung (Art. 34 Abs. 2 EuErbVO). Die Rechtswahlmöglichkeit kann durch die zweite und dritte Alternative des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO grundsätzlich erweitert werden. Eine Erweiterung liegt 346
Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 45. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 45. 348 Vgl. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 45; de Vareilles-Sommières, Recueil Dalloz 2012, 2321, 2322. 349 Vgl. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 45; anders wohl aber de Vareilles-Sommières, Recueil Dalloz 2012, 2321, 2322. 347
B. Rechtswahlmöglichkeiten im Übergangszeitraum
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tatsächlich jedoch nur vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich eine erblasserbezogene und eine statutsbezogene Voraussetzung. In Bezug auf den Erblasser verlangt Art. 83 Abs. 2 EuErbVO, dass dieser Angehöriger eines Staates ist bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, dessen IPR überhaupt eine Rechtswahl zulässt (erblasserbezogene Voraussetzung). Darüber hinaus muss, damit Alt. 2 und 3 des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO im Verhältnis zur Alt. 1 eine besondere Bedeutung erhalten, das entsprechende IPR eine über das Recht der Staatsangehörigkeit hinausgehende Rechtswahl zubilligen (statutsbezogene Voraussetzung). Das ist z. B. nicht der Fall bei Ländern wie Bulgarien, die ohnehin „nur“ die Wahl des Heimatrechts350 erlauben, denn diese gewährt schon die EuErbVO. Erforderlich ist also, dass das IPR des betreffenden Staates ein anderes Recht zur Wahl stellt, z. B. das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers. So erlaubt bspw. das italienische internationale Erbrecht dem Erblasser, das Recht seines Wohnsitzes zu wählen (Art. 46 Abs. 2 ital. IPRG)351. Eine nach dieser Norm vor dem 17. 8. 2015 getroffene Rechtswahl bleibt auch nach dem 17. 8. 2015 wirksam. Wenn der deutsche Erblasser also im Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hatte, darf er italienisches Recht wählen, weil das italienische IPR als das IPR des gewöhnlichen Aufenthalts die Wahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts erlaubt. Darüber hinaus darf bis zum 17. 8. 2015 jeder Italiener das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts wählen. 2. Bedeutung des Art. 25 Abs. 2 EGBGB im Übergangszeitraum Art. 25 Abs. 2 EGBGB erlaubt dem Erblasser unabhängig von seiner Nationalität oder seinem gewöhnlichen Aufenthalt, die Rechtsnachfolge in unbewegliches, in Deutschland belegenes Vermögen dem deutschen Recht zu unterstellen.352 Die Tatsache, dass Art. 25 Abs. 2 EGBGB im Übergangszeitraum anwendbar ist, führt gleichzeitig zu einer Beschränkung und einer Erweiterung ihres Anwendungsbereichs. Erweitert ist ihr Anwendungsbereich dadurch, dass nunmehr auch deutsche Erblasser von der Rechtswahlmöglichkeit profitieren können; bisher hatte Art. 25 Abs. 2 EGBGB für Deutsche im Ergebnis deshalb keine Relevanz, weil sie ohnehin nach deutschem Recht beerbt wurden (Art. 25 Abs. 1 EGBGB).353 Eine Rechtswahl 350
Vgl. Art. 89 des bulgarischen Kodex für das internationale Privatrecht, abgedruckt bei Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 137. 351 Abgedruckt bei Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 349; vgl. dazu auch Süß/Wiedemann/Wiedemann, S. 831; MüKo/Birk (2010), Art. 25 EGBGB, Rn. 29; Mankowski/ Osthaus, DNotZ 1997, 10, 13. Erforderlich ist allerdings, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Staat des gewählten Rechts auch noch im Todeszeitpunkt hat; vgl. A. Gruber, IWB 2014, 447, 451 f. 352 Vgl. im Einzelnen oben S. 33 ff. 353 Vgl. oben S. 37.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
eines Deutschen nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB hatte daher nur deklaratorische Bedeutung und wirkte sich nur bei einem Wechsel der Staatsangehörigkeit nach der Rechtswahl aus. Im Übergangszeitraum können demgegenüber auch deutsche Erblasser von der Teilrechtswahl des Art. 25 Abs. 2 EGBGB profitieren. Sie können in diesem Zeitraum dauerhaft wirksam für in Deutschland belegenes Immobiliarvermögen deutsches Recht wählen, ihr Erbstatut im Übrigen richtet sich ab dem 17. 8. 2015 nach dem gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Der Anwendungsbereich des Art. 25 Abs. 2 EGBGB ist gleichzeitig aber auch beschränkt, denn dieser steht einem Erblasser nur dann zur Verfügung, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat oder deutscher Staatsangehöriger ist.354 Dieses Erfordernis enthielt Art. 25 Abs. 2 EGBGB in seiner ursprünglichen Fassung nicht, vielmehr konnte jeder Erblasser seinen in Deutschland belegenen unbeweglichen Nachlass dem deutschen Recht unterstellen. Problematisch ist dies insbesondere in Hinblick auf Erblasser, die im Zeitpunkt der Rechtswahl weder Deutscher waren noch in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Deren Rechtswahl ist ab dem 17. 8. 2015 ungültig.355 Dies wird insbesondere auf Erblasser zutreffen, die ihre Rechtswahl bereits erhebliche Zeit vor Inkrafttreten der EuErbVO vorgenommen haben. Im Ergebnis lässt sich also feststellen, dass Art. 83 Abs. 2 Alt. 2 und 3 in Hinblick auf Art. 25 Abs. 2 EGBGB für Deutsche eine Erweiterung bedeutet, für Ausländer eine Beschränkung. Kombiniert man Art. 83 Abs. 2 EuErbVO mit Art. 25 Abs. 2 EGBGB, so ergibt sich folgende Regel: Eine auf unbewegliches, in Deutschland belegenes Vermögen beschränkte, von Deutschen oder Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland getroffene Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts ist wirksam, wenn sie vor dem 17. 8. 2015 erfolgt. Eine solche Rechtswahl bleibt nach dem Wortlaut des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO auch nach dem 17. 8. 2015 wirksam.356 Eine nach dieser Norm nach dem 17. 8. 2015 getroffene Rechtswahl ist unwirksam. 3. Bedeutung der Übergangsvorschrift aus französischer Sicht Die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 2 Alt. 2 und 3 spielt grundsätzlich für das französische IPR keine Rolle, da dieses keine Rechtswahl gewährt.357 Zu beachten ist jedoch, dass ein französischer Erblasser, der seinen gewöhnlichen Auf354
Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, 445; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 44; Schoppe, IPrax 2014, 27, 31. 355 Schoppe, IPrax 2014, 27, 31; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2398. 356 Odersky, notar 2013, 3, 6; Leitzen, ZEV 2013, 128, 131; a.A. (ohne Begründung) Lehmann, ZEV 2012, 533. 357 Vgl. oben S. 60.
B. Rechtswahlmöglichkeiten im Übergangszeitraum
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enthalt in einem Mitgliedstaat hat, dessen IPR die Rechtswahl zulässt, nach diesem IPR wirksam eine Rechtswahl vornehmen kann. Im Übrigen kommt die Gültigkeit einer Rechtswahl durch Weiterverweisung in Betracht.358 4. Wirksamkeit einer Rechtswahl durch Weiterverweisung a) Darstellung des Problems Sowohl im bisherigen deutschen359 als auch im bisherigen französischen360 Recht ist eine Rechtswahl wirksam, wenn sie zwar nicht vom jeweiligen IPR selbst, jedoch vom objektiv verwiesenen IPR gewährt wird. Demzufolge stellt sich auch im Übergangszeitraum die Frage, ob eine solche Rechtswahl Gültigkeit hat. Dies gilt insbesondere, wenn der Erblasser Franzose ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt361 auch in Frankreich hat. Heimatrecht und Recht des gewöhnlichen Aufenthalts ist damit das französische Recht, das – wie bereits ausgeführt362 – keine Rechtswahl erlaubt. Ist der Erblasser Eigentümer eines Grundstücks in Deutschland und hat er in seiner letztwilligen Verfügung die Geltung deutschen Rechts für dieses Grundstück gewählt, so stellt sich bei Tod des Erblassers nach dem 17. 8. 2015 die Frage, ob seine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB wirksam ist.363 Dies wäre der Fall, wenn Art. 83 Abs. 2 Alt. 2 und 3 auch Fälle erfasst, in denen das IPR im Heimatstaat oder Staat des gewöhnlichen Aufenthalts objektiv auf ein Recht verweist, das eine Rechtswahl zulässt. Durch die Berufung der lex rei sitae des französischen IPR würde nämlich aus der Sicht Frankreichs objektiv auf deutsches Recht verwiesen, wählbar wäre dieses Recht nach dem französischen IPR aber nicht. Überwiegend wird vertreten, dass eine solche Rechtswahl wirksam ist.364 Dafür wird geltend gemacht, dass der Wortlaut des Art. 83 Abs. 2 lediglich erfordere, dass die Rechtswahl nach dem zum Zeitpunkt der Vornahme im Heimatstaat bzw. Staat des gewöhnlichen Aufenthalts geltenden IPR „wirksam“ sei.365 Die Formulierung erfordere nicht, dass das IPR (bspw. des Heimatstaates) selbst die Rechtswahl gewähre.366 Darüber hinaus wird auch der französische und englische Wortlaut des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO angeführt, der nahelege, dass es auf die „Anwendung“367 358
Vgl. oben S. 206. Vgl. oben S. 39. 360 Vgl. oben S. 60. 361 Im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtswahl. 362 Vgl. oben S. 60. 363 Fall nach Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, 445. 364 Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, 445; Heinig, RNotZ 2014, 197, 214; Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15; MüKo/Dutta, Art. 83 EuErbVO, Rn. 7. 365 Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15. 366 Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15. 367 In der englischen Fassung lautet Art. 83 Abs. 2 EuErbVO: „Where the deceased had chosen the law applicable to his succession prior to 17 August 2015, that choice shall be valid if 359
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
der im Heimats- oder Aufenthaltsstaat geltenden Vorschriften des IPR ankomme.368 Zur Anwendung gehöre dann eben auch eine Weiterverweisung.369 b) Eigene Stellungnahme Das Wortlautargument ist m. E. nicht zwingend. Art. 83 Abs. 2 EuErbVO kann auch so verstanden werden, dass mit IPR der Teil des IPR gemeint ist, der eine Rechtswahlmöglichkeit enthält. Dies legt der Passus „wenn sie [die Rechtswahl] nach den Vorschriften des Internationalen Privatrechts […] wirksam ist“ nahe. Gegen eine Fortgeltung einer Rechtswahl nach dem objektiv berufenen IPR könnte man ebenfalls anführen, dass die Konsequenzen z. T. unabsehbar sind, weil es nicht bei einer einzelnen Weiterverweisung bleiben muss. So könnte bspw. die (nach bisherigem französischem Recht) anwendbare lex rei sitae weiterverweisen auf den Wohnsitz oder die Staatsangehörigkeit, und dieses weiter auf den gewöhnlichen Aufenthalt etc. Dies wird jedoch der Ausnahmefall sein. Für eine Gültigkeit der Rechtswahl aufgrund einer Weiterverweisung spricht die Interessenlage des Betroffenen. Hat er vor dem 17. 8. 2015 testiert und die Beratung eines Notars in Anspruch genommen, so hat er u. U. tatsächlich eine Rechtswahl getroffen, die zwar nicht sein „eigenes“ IPR, jedoch das verwiesene IPR gewährt. Sinn und Zweck des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO Alt. 2 und 3 ist die Gewährung von Vertrauensschutz. Dieser erfolgt dadurch, dass eine Rechtswahl, die nach der EuErbVO an sich nicht möglich ist, dennoch wirksam ist, wenn das bisherige IPR eine solche ermöglicht. Die EuErbVO erzeugt damit eine Fortwirkung des bisherigen Rechts, um das „Vertrauen eines Menschen in das Wirksambleiben“370 seiner Rechtswahl zu schützen. Legt man diesen Sinn und Zweck zugrunde, kann es keinen Unterschied machen, in welcher Weise das bisherige IPR eine Rechtswahl gewährt hat, sondern nur, dass es dies getan hat. Die rechtstechnischen Nuancen können für den Laien keinen Unterschied machen, ihm kommt es auf die Wirksamkeit an, und diese bestand nach bisherigem Recht. Infolgedessen ist eine Rechtswahl auch dann wirksam, wenn das IPR des Heimatstaats oder des Staats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers objektiv auf das Recht eines anderen Staates verweist, das eine Rechtswahl kennt und diese Rechtswahl auch akzeptiert. In Bezug auf den it meets the conditions laid down in Chapter III or if it is valid in application of the rules of private international law which were in force, at the time the choice was made, in the State in which the deceased had his habitual residence or in any of the States whose nationality he possessed.“ (eigene Hervorhebung). In der französischen Fassung lautet er: „Lorsque le défunt avait, avant le 17 août 2015, choisi la loi applicable à sa succession, ce choix est valable s’il remplit les conditions fixées au chapitre III ou s’il est valable en application des règles de droit international privé qui étaient en vigueur, au moment où le choix a été fait, dans l’État dans lequel le défunt avait sa résidence habituelle ou dans tout État dont il possédait la nationalité.“ (eigene Hervorhebung). 368 So Heinig, RNotZ 2014, 197, 214. 369 Heinig, RNotZ 2014, 197, 214. 370 Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 15.
B. Rechtswahlmöglichkeiten im Übergangszeitraum
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eingangs dargestellten Fall bedeutet dies, dass auch ein Franzose mit gewöhnlichem Aufenthalt in Frankreich in den Genuss des Art. 25 Abs. 2 EGBGB kommt, weil das bisherige französische IPR bzgl. eines in Deutschland belegenen Grundstücks auf die lex rei sitae und damit auf deutsches Recht verweist. 5. Wirksamkeit aufgrund des Rechts eines Drittstaats a) Darstellung des Problems Unterschiedlich wird ebenfalls die Frage beurteilt, ob das in Art. 83 Abs. 2 Alt. 2 und 3 EuErbVO genannte Recht zwingend das Recht eines Mitgliedstaats sein muss oder ob es ebenfalls das Recht eines Drittstaats sein kann. Wautelet ist der Auffassung, dass das Recht eines Drittstaats nicht gemeint sein könne.371 Sinn und Zweck des Artikels sei es, Fragen zu regeln, die sich daraus ergäben, dass das Recht der Mitgliedstaaten durch die Verordnung ersetzt würde.372 Geregelt werden sollten aber nicht eventuelle Konflikte mit der Rechtsordnung eines Drittstaats.373 Demgegenüber vertritt Heinig, dass das Recht nach Art. 83 Abs. 2 EuErbVO auch das Recht eines Drittstaats sein kann.374 Dafür führt er den Wortlaut des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO und Art. 20 EuErbVO an, nach dem die EuErbVO eine loi uniforme ist.375 Ferner gebiete der Sinn und Zweck des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO ein solches Verständnis. Dieser solle das Vertrauen des Erblassers in eine Rechtswahl schützen, die nach derzeitigem Kollisionsrecht (allgemein) wirksam sei.376 Zur Beurteilung der Rechtslage könne es bei Weiterverweisung durch das Recht des Mitgliedstaats auch auf das Recht des Drittstaats ankommen. b) Eigene Stellungnahme Für die Ansicht Wautelets lässt sich anführen, dass es sich bei Art. 83 Abs. 2 EuErbVO um eine Übergangsvorschrift handelt, die den Zweck verfolgt, den Übergang vom Recht der Mitgliedstaaten auf das Recht der Verordnung zu erleichtern. Insoweit erscheint es auf den ersten Blick zweifelhaft, auch Drittstaatenrecht in die Vorschrift einzubeziehen. Mit Blick auf den Vertrauensschutz, den die Vorschrift verfolgt, kann der Ansicht Wautelets dennoch nicht zugestimmt werden. Das Vertrauen des Erblassers wird auch enttäuscht, wenn seine Rechtswahl nach dem Recht des Drittstaats wirksam war. So kann – wie Heinig377 richtig ausführt – es auf 371 372 373 374 375 376 377
Bonomi/Wautelet/Wautelet, Art. 83 EuErbVO, Rn. 18. Bonomi/Wautelet/Wautelet, Art. 83 EuErbVO, Rn. 18. Bonomi/Wautelet/Wautelet, Art. 83 EuErbVO, Rn. 18. Heinig, RNotZ 2014, 197, 214; so auch MüKo/Dutta, Art. 83 EuErbVO, Rn. 7. Heinig, RNotZ 2014, 197, 214 f. Heinig, RNotZ 2014, 197, 215. Heinig, RNotZ 2014, 197, 215.
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
das Recht eines Drittstaats ankommen, wenn das Recht des Mitgliedstaats objektiv auf das Recht des Drittstaats verweist und dieses eine Rechtswahl erlaubt. Dies gilt aus deutscher Sicht bspw. für jeden Staatsangehörigen eines Drittstaats, in dem das Recht der Staatsangehörigkeit gewählt werden kann. Wautelet meint demgegenüber wohl den Fall, dass die Wahl direkt nach dem Recht eines Drittstaats zugelassen wird, in dem der Erblasser nach Art. 83 Abs. 2 EuErbVO seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Hier liegt kein Bezug zum Recht eines Mitgliedstaats vor. Insoweit überzeugt die Begründung Heinigs nicht, dass es zur Beurteilung der Wirksamkeit der Rechtswahl auf das Recht eines Drittstaats ankommen kann, „wenn das Kollisionsrecht eines Mitgliedstaats darauf verweist“.378 Dennoch ist von einer Wirksamkeit auszugehen. Gewährung von Vertrauensschutz heißt, dass der Erblasser sich auf die Wirksamkeit seiner Rechtswahl verlassen kann, wenn er Angehöriger eines Staates war, der eine Rechtswahl erlaubt hat oder dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Wird eine nach dem IPR eines Drittstaats wirksame Rechtswahl auch zukünftig für wirksam gehalten, vermeidet dies zudem ein hinkendes Rechtsverhältnis, das im Falle der Unzulässigkeit entstehen könnte. Im Übrigen ist Heinig darin zuzustimmen, dass die Verweisungen der EuErbVO grundsätzlich Verweisungen auch auf das Recht eines Drittstaats (Art. 20 EuErbVO) sind. Sollte für Art. 83 Abs. 2 EuErbVO etwas anderes gelten, wäre eine entsprechende Regelung zu erwarten gewesen. 6. Eliminierung einer wirksamen Rechtswahl durch erneutes Testieren nach dem 17. 8. 2015? a) Darstellung des Problems Diskutiert wird die Frage, ob der Erblasser seine im Übergangszeitraum, im Einklang mit dem bisherigen IPR seines Heimatstaates bzw. Staates des gewöhnlichen Aufenthalts dadurch zerstört, dass er erneut (materiell-rechtlich) testiert.379 Teilweise wird die Auffassung vertreten, ein erneutes Testament zerstöre immer eine solche Rechtswahl.380 Ferner wird vertreten, dass eine solche Rechtswahl jedenfalls dann aufgehoben werde, wenn der Erblasser die Möglichkeit habe, seine (neue) gesamte Verfügung auf das neue Recht abzustimmen.381 Dafür wird geltend gemacht, dass, wenn die Rechtswahl unter allen Umständen fortgelte, das staatliche Interesse an effektiver Normgeltung beeinträchtigt sei.382 Wenn der Erblasser an seiner bisherigen Rechtswahl festhalten wolle, obwohl er sein neues Testament auf die andere
378 379 380 381 382
Heinig, RNotZ 2014, 197, 215. Schoppe, IPrax 2014, 27, 31. Odersky, notar 2013, 3, 6. Schoppe, IPrax 2014, 27, 31. Schoppe, IPrax 2014, 27, 31.
B. Rechtswahlmöglichkeiten im Übergangszeitraum
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Rechtsordnung vollständig abstimmen könne, ginge es ihm um „Rosinenpicken“.383 Wer ein „grundlegend neues Konzept“384 wähle, vertraue „nicht mehr auf die Wirksamkeit der alten Lösung“385. Nach einer weiteren Auffassung ist demgegenüber davon auszugehen, dass das erneute Gebrauchmachen von der materiellrechtlichen Testierfreiheit die vorgenommene Rechtswahl i. d. R. unberührt lässt.386 b) Eigene Stellungnahme Der erste Ansatz, der bei jeder neuen materiell-rechtlichen Verfügung die Ungültigkeit der im Übergangszeitraum getroffenen Rechtswahl annimmt, ist verfehlt. Eine solche Regelung, die schon bei kleinsten Änderungen greift, widerspricht dem Sinn und Zweck des Vertrauensschutzes, den Art. 83 Abs. 2 EuErbVO verfolgt.387 Außerdem besteht für sie kein Anhaltspunkt in der Verordnung. Auch der zweite Ansatz ist indes nicht überzeugend.388 Denn zunächst ist eine kollisionsrechtliche Rechtswahl – wie sich schon bei der Zulässigkeit einer isolierten Rechtswahl389 gezeigt hat – von einer materiell-rechtlichen testamentarischen Verfügung zu trennen. Es ist nicht ersichtlich, warum die eine die Wirksamkeit der anderen beeinflussen sollte. Darüber hinaus ist gegen die zweite Ansicht anzuführen, dass Art. 83 Abs. 2 EuErbVO kein tatsächliches Vertrauen auf die Geltung eines bestimmten Rechts voraussetzt, auch wenn die Norm ein solches Vertrauen schützt.390 Die Rechtswahl muss damit nicht im Vertrauen auf die Gültigkeit einer bestimmten Rechtswahl getroffen werden, sie muss vielmehr im Einklang mit dem entsprechenden Recht getroffen werden. Demzufolge wird auch nicht durch ein späteres Wegfallen dieses Vertrauens aufgrund erneuten Testierens eine einmal wirksam getroffene Rechtswahl ungültig. Der Gesetzgeber hat vielmehr durch Art. 83 Abs. 2 EuErbVO einer nach bisherigem Recht wirksamen Rechtswahl auch für die Zukunft Wirksamkeit zugesprochen. Diese alte Rechtswahl gilt bis zu einer neuen kollisionsrechtlichen Rechtswahl. Ob eine solche vorliegt, ist nach den o.g.391 Grundsätzen durch Auslegung der Verfügung von Todes wegen zu ermitteln. Dabei gilt – wie bereits ausgeführt –, dass die Verwendung von Begriffen und Rechtsinstituten einer bestimmten Rechtsordnung regelmäßig als konkludente Rechtswahl aufgefasst werden muss. Liegen die Voraussetzungen einer konkludenten Rechts383
Schoppe, IPrax 2014, 27, 31. Schoppe, IPrax 2014, 27, 31. 385 Schoppe, IPrax 2014, 27, 31. 386 Palandt/Thorn, Art. 83 EuErbVO, Rn. 5; Heinig, RNotZ 2014, 197, 215. 387 So im Ausgangspunkt auch Schoppe, IPrax 2014, 27, 31. 388 So im Ergebnis auch Heinig, RNotZ 2014, 197, 215. 389 Siehe oben S. 168. 390 Dies verkennt Schoppe, IPrax 2014, 27, 31, indem er glaubt, zwischen „Interesse des Staates an effektiver Normgeltung“ und „Vertrauensschutz“ einen Ausgleich finden zu müssen. 391 Vgl. oben S. 193 ff. 384
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
wahl nicht vor, so bleibt die ursprüngliche Rechtswahl wirksam. Dies gilt selbst dann, wenn auf materiell-rechtlicher Ebene alle Begünstigten ausgetauscht werden und auch wenn das neue Testament zehn Jahre nach dem alten errichtet wird. Eine neue Rechtswahl ist nicht deshalb anzunehmen, weil der Erblasser sich an einer bestimmten Rechtsordnung orientieren kann, sondern weil er dies tatsächlich tut. Solange dies nicht der Fall ist, ist auch keine neue Rechtswahl gegeben, die alte ist damit weiterhin wirksam.
IV. Zwischenergebnis Im Übergangszeitraum vom 16. 8. 2012 bis zum 17. 8. 2015 sind die Rechtswahlmöglichkeiten des Erblassers sowohl gegenüber dem bisherigen deutschen Recht als auch gegenüber dem zukünftigen Recht der EuErbVO erweitert. Eine Rechtswahl ist möglich, wenn sie die EuErbVO, das IPR des Heimatrechts des Erblassers oder das IPR seines gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Rechtswahl erlaubt. Die erste Alternative hat den Zweck der Vorwirkung der zukünftigen Rechtslage, d. h. der Erblasser soll in die Lage versetzt werden, schon jetzt mit Bestandskraft für die Zukunft von der Rechtswahlmöglichkeit der EuErbVO Gebrauch machen zu können. Die zweite und dritte Alternative haben den Zweck des Vertrauensschutzes. Der Erblasser, der bereits eine Rechtswahl getroffen hat oder diese bis zum 17. 8. 2015 im Einklang mit dem bisherigen IPR trifft, soll auf die Wirksamkeit und Bestandskraft dieser Rechtswahl vertrauen können. Die Übergangsvorschrift führt dazu, dass u. U. eine Wahl des Rechts des aktuellen gewöhnlichen Aufenthalts und über Art. 25 Abs. 2 EGBGB eine Wahl deutschen Rechts für unbewegliches Vermögen möglich ist. Für französische Erblasser ist Art. 83 Abs. 2 Alt. 2 und 3 EuErbVO von untergeordneter Bedeutung, er erweitert deren Rechtswahlmöglichkeiten lediglich dann, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat haben, der eine Rechtswahl gewährt. Bei der Beantwortung der strittigen Fragen ist – wie bei den Fragen der Wirksamkeit der Rechtswahl selbst – von dem grundlegenden Prinzip auszugehen, dass die EuErbVO der Rechtswahl größtmögliche Wirksamkeit gewähren und dem Erblasserwillen Geltung verschaffen will. Dies wird bei den Übergangsvorschriften dadurch verstärkt, dass Teile dieser den Vertrauensschutz des Erblassers bezwecken. Daher ist eine wirksame Rechtswahl auch dann anzunehmen, wenn sie vor dem 16. 8. 2012 getroffen wurde und im Einklang mit Art. 22 EuErbVO steht. Ferner ist bei Eintritt des Erbfalls vor dem 17. 8. 2015 von einer gültigen Rechtswahl auszugehen. Darüber hinaus ist auch eine Rechtswahl, die nach bisherigem IPR des Heimatmitgliedstaats oder des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts aufgrund objektiver Verweisung gewährt wurde, nach dem 17. 8. 2015 wirksam. Schließlich ist eine Rechtswahl ebenfalls nach dem 17. 8. 2015 gültig, wenn sie aufgrund subjektiver Anknüpfung des Rechts eines Drittstaats, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam war.
C. Abschließende Würdigung der subjektiven Anknüpfung
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C. Abschließende Würdigung der subjektiven Anknüpfung I. Grundsätzliche Angemessenheit der Gewährung einer Rechtswahlmöglichkeit Die Gewährung der Möglichkeit einer Rechtswahl ist grundsätzlich überzeugend. Die Möglichkeit, das Recht der Staatsangehörigkeit dauerhaft wirksam zu wählen, führt zu einer Vorhersehbarkeit des anwendbaren Erbrechts. Sie gewährt dem Erblasser in gewissen Grenzen Parteiautonomie. Dies entspricht zum einen der materiell-rechtlichen Testierfreiheit. Zum anderen entspricht es dem regelmäßig vorherrschenden Verständnis des Erblassers, über sein Vermögen grundsätzlich frei verfügen zu können. Zu begrüßen ist auch die Tendenz der EuErbVO, der Rechtswahl größtmögliche Wirksamkeit zu verleihen, soweit das Heimatrecht betroffen ist. Diese zeigt sich daran, dass die Rechtswahl wirksam ist, wenn der Erblasser zu einem beliebigen Zeitpunkt zwischen ihrer Vornahme und seinem Tod die Staatsangehörigkeit des gewählten Rechts besitzt.
II. Probleme bei Einzelfragen Nicht überraschend ist, dass sich auch im Rahmen der Rechtswahl einzelne Probleme ergeben. Insbesondere strittig ist dabei, ob eine abstrakte Rechtswahl möglich ist und nach welchem Recht bzw. unter welchen Voraussetzungen eine konkludente Rechtswahl bejaht werden kann. Vom Gesetzgeber kann allerdings nicht erwartet werden, jede eventuell auftretende problematische Fallkonstellation bereits im Gesetzestext selbst zu lösen. Unzulänglich sind allerdings die Übergangsvorschriften. Hier hätte klarer geregelt werden können, ob die Rechtswahl auch dann gilt, wenn sie vor dem 16. 8. 2012 getroffen wurde. Insbesondere die Frage, ob die Übergangsbestimmung so zu verstehen ist, dass eine Rechtswahl auch bei Tod vor dem 17. 8. 2015 wirksam ist, hätte einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Ist die Frage – entgegen der hier vertretenen Ansicht – negativ zu beantworten, würde der Zweck, den Erblassern bereits im Übergangszeitraum eine bestandskräftige Rechtswahl zu ermöglichen, verfehlt. Diese Unsicherheit läuft der Rechtssicherheit und der Klarheit des Erbstatuts, den die Rechtswahl verfolgt, zuwider.
III. Kritik an der Beschränkung der Rechtswahl auf das Heimatrecht Kritisch zu sehen ist auch die Begrenzung der Rechtswahlmöglichkeit auf das Heimatrecht. Die EuErbVO entwertet damit das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts. Einerseits scheint der europäische Gesetzgeber der Auffassung gewesen zu
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Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
sein, dass bei objektiver Anknüpfung, also im gesetzlichen Regelfall, der gewöhnliche Aufenthalt das angemessene Anknüpfungskriterium ist. Andererseits gewährt er dem Erblasser gerade nicht die Möglichkeit, das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zu wählen, sondern erlaubt nur die Wahl des Rechts der Staatsangehörigkeit. Versteht man den gewöhnlichen Aufenthalt wie der europäische Gesetzgeber als „Lebensmittelpunkt“392, ist nicht ersichtlich, warum das Recht des Lebensmittelpunkts nicht gewählt werden kann. Zudem ist vor dem Hintergrund, dass die Rechtswahl die Nachlassplanung sicherstellen soll, die Perpetuierungsfunktion der Rechtswahl hervorzuheben. Gerade aufgrund der Freizügigkeit in Europa ist das Fehlen der Möglichkeit der Wahl des Aufenthaltsrechts problematisch; es trifft all jene Erblasser, die einen Großteil ihres Lebens in einem Mitgliedstaat verbringen, der nicht ihr Heimatstaat ist und dessen Recht sie vor einem Aufenthaltswechsel wählen wollen.393 Der Ausschluss ist insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 21 Abs. 1 AEUV problematisch, weil Erblasser, die nicht in ihrem Heimatstaat leben, aus Angst vor einem Wechsel des Erbstatuts vor einem Aufenthaltswechsel zurückschrecken könnten.394 Dem Argument, dass mit der Wahl des aktuellen Aufenthaltsrechts eine größere Missbrauchsmöglichkeit hinsichtlich des Pflichtteilsrechts verbunden ist, ist folgendes entgegenzuhalten: Der Begriff des Missbrauchs ist bereits problematisch. Dieser suggeriert, dass das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts – obwohl Recht des Lebensmittelpunkts – als geltendes Erbrecht unangemessen und stattdessen ein anderes Recht adäquat ist.395 Wie kann aber dem Recht, zu dem der Erblasser im Wahlzeitpunkt eine „besonders enge und feste Verbindung“ (EG 23 S. 3 EuErbVO) haben muss, eine Missbrauchsmöglichkeit innewohnen? Damit wird das Ergebnis vorweggenommen und es kommt ein generelles Misstrauen gegenüber dem Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts zum Ausdruck. Die „Missbrauchsmöglichkeit“ einer solchen Rechtswahl hätte sich allein dadurch begrenzen lassen, dass man den gewöhnlichen Aufenthalt – wie hier vertreten – besonders stabil versteht. Zwar könnte man anführen, der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers, aufgrund dessen er ein bestimmtes Recht wählen konnte, könnte u. U. Jahre zurückliegen. So liegt es aber auch bei der Staatsangehörigkeit, denn es ist auch eine Rechtswahl zugunsten des Rechts eines Staates zulässig, dessen Angehörigkeit der Erblasser vor zwanzig Jahren verloren hat, solange die Staatsangehörigkeit im Wahlzeitpunkt bestand. Zudem ist der Gedanke, die Wahl eines ausländischen Rechts könnte Pflichtteilsberechtigte benachteiligen, eher ein Gedanke, der im Rahmen einer nationalstaat392
Vgl. EG 24 S. 3 EuErbVO. Vgl. Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 36; Lange, ZErb 2012, 160, 163. 394 MüKo/Dutta, Art. 22 EuErbVO, Rn. 2. Eine ähnliche Überlegung wird als Begründung für die Ausweichklausel des HUntProt angeführt, vgl. oben S. 128. 395 Vgl. Kühne, JZ 1973, 403, 405 f. der bereits zutreffend dargelegt hat, dass es bei einem internationalen Sachverhalt grundsätzlich keine „an sich geltende Rechtsordnung“ gibt und deshalb auch der Gesichtspunkt der Umgehung von Schutzvorschriften eher ein schwaches Argument gegen die Zulassung der Rechtswahl (generell) ist. 393
D. Zusammenfassung und Vergleich der Rechtswahlmöglichkeiten
229
lichen IPR-Norm zu erwarten wäre.396 Er läuft dem europäischen Verständnis, das von der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen der EU ausgehen sollte, im Grundsatz zuwider. Ferner ist die Regelungstechnik des generellen Ausschlusses unflexibel. Alle Rechte, die nicht Heimatrechte des Erblassers sind, werden pauschal ausgeschlossen, um die „berechtigten Erwartungen der Pflichtteilsberechtigten“ zu schützen, dabei kann das Recht des (früheren) gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers für einen potenziell Pflichtteilsberechtigten deutlich günstiger sein. Gleichzeitig werden aber (Grenze ist erst der ordre public) alle „Heimatrechte“ der Welt zugelassen, auch wenn sie (nach Aufenthaltsrecht) Pflichtteilsberechtigte noch so sehr benachteiligen. Insoweit wäre eine an Art. 6 Abs. 2 bzw. Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO vergleichbare Regelungstechnik, die auf materiell-rechtlicher Ebene etwa einen gewissen Mindestgehalt hinsichtlich des Pflichtteilsrechts fordert, erwägenswert gewesen. Die Forderung nach einer weitergehenden Rechtswahl, insbesondere der Vorschlag des MPI, erscheint allerdings zu weitgehend. Zwar birgt eine Erweiterung der Rechtswahlmöglichkeit auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts keine erhöhte Missbrauchsgefahr. Dennoch führt die Möglichkeit der Wahl von sechs verschiedenen Rechten397 u. U. dazu, dass der Erblasser sich ein Recht aussucht, zu dem er überhaupt keine Verbindung hat.398 Dann ist es auch möglich, dass der Erblasser das jeweilige Recht nur deshalb aussucht, weil dieses im Hinblick auf das Pflichtteilsrecht am günstigsten ist. Zwar trifft es zu, dass eine Umgehung eines bestimmten Pflichtteilsrechts auch immer durch die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts möglich ist. Eine Rechtswahl erfordert jedoch einen viel geringeren Aufwand. Dies gilt insbesondere, wenn man den gewöhnlichen Aufenthalt nach der hier vertretenen Auffassung versteht.
D. Zusammenfassung und Vergleich der Rechtswahlmöglichkeiten mit der bisherigen Rechtslage in Deutschland und Frankreich Die EuErbVO gestattet die Wahl des Heimatrechts des Erblassers in einer Verfügung von Todes wegen. Die Wahl des aktuellen gewöhnlichen Aufenthalts gewährt sie hingegen nicht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Mitgliedstaaten einer 396 Vgl. die eine Rechtswahl ablehnende Grundsatzentscheidung des BGH NJW 1972, 1001 ff. sowie die Begründung der Beschränkung des Art. 25 Abs. 2 EGBGB auf im Inland belegenes unbewegliches Vermögen, BT-Drucks. 10/5632, S. 44 („Mit der Möglichkeit, die Rechtswahl allgemein zugunsten des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts und/oder des Lageorts von unbeweglichem Vermögen zuzulassen, ergäbe sich vor allem das (bisher nicht gelöste) Problem des Schutzes von Pflichtteilsberechtigten“). 397 So der Vorschlag des MPI, MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 607 ff. 398 Etwa das nach der MPI-Stellungnahme wählbare frühere Heimatrecht.
230
Kap. 3: Die subjektive Anknüpfung nach der EuErbVO
Rechtswahl aus Angst vor einer Umgehung des Pflichtteilsrechts skeptisch gegenüberstanden.399 Im Vergleich zur bisherigen deutschen und französischen Regelung werden die Rechtswahlmöglichkeiten erweitert. Im französischen IPR war bisher eine Rechtswahl generell nicht möglich. Durch die Regelung der EuErbVO werden zukünftig auch französische Erblasser in die Lage versetzt, ihren Nachlass sicher vorab zu regeln. Insbesondere können sie den mit der Domicile-Anknüpfung möglicherweise verbundenen Statutenwechsel umgehen.400 Das erhöht die Rechtssicherheit und die Planbarkeit des Nachlasses. Das deutsche Recht sah bisher lediglich die räumlich und persönlich stark begrenzte Möglichkeit der Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB vor. Diese starke Begrenzung der Rechtswahl erfährt in Zukunft eine deutliche Erweiterung. Insbesondere können zukünftig auch deutsche Erblasser eine Rechtswahl treffen. Diese profitierten nach bisheriger Regelung nicht von Art. 25 Abs. 2 EGBGB, da ihre Erbfolge sich nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB bereits nach deutschem Recht richtet. Darüber hinaus betrifft die Rechtswahl des Art. 22 EuErbVO im Unterschied zu Art. 25 Abs. 2 EGBGB den gesamten Nachlass; eine Teilrechtswahl ist nicht mehr möglich. Art. 22 EuErbVO bringt im Verhältnis zu Art. 25 Abs. 2 EGBGB daher auch eine gewisse Beschränkung mit sich, weil eine auf inländische Grundstücke beschränkte Rechtswahl in Zukunft nicht mehr getroffen werden kann. Auch das ist zu begrüßen, da die Nachlassspaltung, auch wenn sie durch eine Rechtswahl erfolgt, nicht überzeugt. Möglich ist nach der hier vertretenen Ansicht – wie im bisherigen deutschen und französischen Recht – eine über Art. 22 EuErbVO hinausgehende Rechtswahl, wenn sie vom objektiv berufenen Recht (IPR) gestattet wird. Dies setzt aber voraus, dass tatsächlich nach Art. 34 Abs. 1 EuErbVO eine Gesamtverweisung vorliegt. Im Übergangszeitraum werden die Rechtswahlmöglichkeiten abermals erweitert und mit den bisher national bestehenden kombiniert, um den Übergang in das neue Recht zu erleichtern und den alten Rechtswahlen Bestandsschutz zu gewähren.
399 400
Vgl. Leitzen, ZEV 2013, 128. Vgl. die Kritik oben S. 60.
Kapitel 4
Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO) A. Kohärenz in der Gesetzgebung? I. Der Ausschluss des Renvoi als Prinzip des (bisherigen) EuIPR 1. Überblick Das bisherige EuIPR ist davon geprägt, seine Verweisungen als solche auf Sachvorschriften zu verstehen und nicht auf Vorschriften des internationalen Privatrechts zu verweisen, den Renvoi also auszuschließen.1 Henrich hatte deshalb im Jahr 2011 bereits die Frage aufgeworfen, ob es nicht „Zeit für einen Abgesang“2 auf den Renvoi sei. Die einzelnen Regelungen der Instrumente des bisherigen EuIPR lauten wie folgt: 2. Rom I-VO Art. 20 Rom I-VO lautet: „Unter dem nach dieser Verordnung anzuwendenden Recht eines Staates sind die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts zu verstehen, soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.“
Der Renvoi ist im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse damit grundsätzlich ausgeschlossen. Unter die „anderen Bestimmungen“ fallen lediglich Normen wie Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO, nach denen sich die Anknüpfung nach dem autonomen Recht der Mitgliedstaaten richtet.3 Ratio der Norm ist es, die Ermittlung des anwendbaren Rechts „nicht mit der Untersuchung fremden Kollisionsrechts zu überfrachten“4 bzw. die Rechtsanwen1 Siehe dazu schon v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 342; Heinze, in: FS Kropholler, S. 115; Henrich, in: FS v. Hoffmann, S. 159, 163; Schack, IPRax 2013, 315, 318. 2 Henrich, in FS v. Hoffmann, S. 159. 3 Vgl. näher Staudinger/Hausmann, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 15. 4 MüKo/Martiny, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2; ähnlich auch Beck-OK/Spickhoff, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 1; Erman/Hohloch, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 1; jurisPK-BGB/Ringe, Art. 20 Rom IVO, Rn. 3; NK-BGB/Leible, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 3.
232
Kap. 4: Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
dung zu vereinfachen.5 Angeführt wird außerdem, der Ausschluss der Anwendung des ausländischen IPR entspreche jedenfalls bei einer ausdrücklichen oder konkludenten Rechtswahl ferner dem Parteiwillen.6 Die Ermittlung des Vertragsstatuts solle zudem in der Hand der lex fori bleiben.7 Darüber hinaus ergebe die im Rahmen der Rom I-VO durchgeführte Abwägung der kollisionsrechtlichen Interessen die Maßgeblichkeit einer bestimmten Rechtsordnung8 bzw. sei der Sitz des Rechtsverhältnisses bereits durch die objektiven Anknüpfungsmerkmale lokalisiert.9 Dieses Ergebnis trage „die Gewähr der Richtigkeit in sich“ und bedürfe keiner Korrektur durch die berufene Rechtsordnung.10 Der internationale Entscheidungseinklang sei ferner anders als bei Statussachen nur von untergeordneter Bedeutung.11 Wichtiger sei die Vorhersehbarkeit des Vertragsstatuts (Rechtssicherheit).12 3. Rom II-VO Art. 24 Rom II-VO lautet: „Unter dem nach dieser Verordnung anzuwendenden Recht eines Staates sind die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts zu verstehen.“
Im Unterschied zur Rom I-VO gilt der Grundsatz der Sachnormverweisung hier somit ohne Ausnahme.13 Auch hier wird als Ratio angesehen, die Ermittlung des anwendbaren Rechts nicht mit der Untersuchung des IPR der verwiesenen Rechtsordnung zu überfrachten.14 Der Ausschluss diene der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts.15 Hingewiesen wird auch auf den hohen Differenzierungsgrad der Anknüpfungen der Art. 4 ff. Rom II-VO.16 Dieser rechtfertige es, Rück- oder Wei5
Staudinger/Hausmann, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 5. MüKo/Martiny, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2; NK-BGB/Leible, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 3; Staudinger/Hausmann, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 5. 7 MüKo/Martiny, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2. 8 MüKo/Martiny, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2. 9 NK-BGB/Leible, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 3. 10 MüKo/Martiny, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2; ähnlich auch Rauscher/Thorn Art. 20 Rom IVO, Rn. 1 („Durchsetzung der kollisionsrechtlichen Vorstellungen der Gemeinschaft“). 11 Vgl. Lorenz, IPRax 1995, 329, 330; MüKo/Martiny, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2; Staudinger/Hausmann, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 5. 12 Staudinger/Hausmann, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 6; vgl. auch Rauscher/Thorn, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 1. 13 NK-BGB/Schulze, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 1. 14 MüKo/Junker, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 1; Huber/Altenkirch, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 2. 15 Huber/Altenkirch, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 2. 16 MüKo/Junker, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 2; NK-BGB/Schulze, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 3; Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256, 307. 6
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
233
terverweisungen nicht zuzulassen. Die sich aus den differenzierten Anknüpfungen ergebenden, materiellen Wertungen der Kollisionsnorm seien wichtiger als das Interesse am internationalen Entscheidungseinklang.17 Ferner solle der Vereinheitlichungszweck der Rom II-VO nicht durch eine Rück- oder Weiterverweisung in Frage gestellt werden.18 4. Rom III-VO Art. 11 Rom III-VO enthält eine Art. 24 Rom II-VO exakt entsprechende Regelung. Wie bei der Rom II-VO ist ein Renvoi folglich generell ausgeschlossen.19 Auch die Argumente für den Ausschluss entsprechen weitgehend den bereits in den Verordnungen Rom I und Rom II genannten. So wird angeführt, Sinn und Zweck sei auch hier die Rechtssicherheit, die durch einen möglichen Renvoi nicht in Frage gestellt werden solle.20 Im Falle einer Rechtswahl sei der Parteiwille auf die Berufung des Sachrechts gerichtet.21 Bei der objektiven Anknüpfung habe der Verordnungsgeber durch seine Verweisung selbst bestimmt, zu welchem Recht der Sachverhalt die engste Verbindung aufweise; es würde dem Sinn der Verweisung widersprechen, hier einen Renvoi zuzulassen.22 Insbesondere wird auf die bewusste Wertung hingewiesen, die in der Rangfolge der Anknüpfungskriterien des Art. 8 Rom III-VO zum Ausdruck kommt und nicht durch die Zulassung eines Renvoi unterlaufen werden dürfe.23 Im Unterschied zur Rom I und Rom II-VO wird der Ausschluss des Renvoi im Rahmen der Rom III-VO überwiegend kritisiert.24 Angeführt wird, dass die Missachtung des internationalen Entscheidungseinklangs im Verhältnis zu Drittstaaten nicht sachgerecht sei.25 Auf diesen komme es insbesondere in Statusverhältnissen 17 Fuchs, GPR 2004, 100, 104; MüKo/Junker, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 2; NK-BGB/ Schulze, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 3; Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256, 307. 18 Beck-OK/Spickhoff, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 1; Palandt/Thorn, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 1; Rauscher/Jakob/Picht, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 2. 19 NK-BGB/Budzikiewicz, Art. 11 Rom III-VO, Rn. 1. 20 jurisPK-BGB/Ringe, Art. 11 Rom III-VO, Rn. 1; NK-BGB/Budzikiewicz, Art. 11 Rom III-VO, Rn. 1. 21 Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 230. 22 Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 231. 23 MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn 121; ders., in: Leible/Unberath, S. 341, 371; Finger, FamFR 2011, 434, 435. 24 Gruber, IPRax 2012, 381, 388; Erman/Hohloch, Art. 11 Rom III-VO, Rn. 2; Hammje, Rev. crit. DIP 2011, 291, 330; Kohler, FamRZ 2008, 1673, 1679 f.; Palandt/Thorn, Art. 11 Rom III-VO, Rn. 1; Schurig, in: FS v. Hoffmann, S. 405, 412 f.; Sonnenberger, IPRax 2011, 325, 330; Hau, FamRZ 2013, 249, 254; MüKo/Winkler von Mohrenfels, Art. 11 Rom III-VO, Rn. 1; Schack, IPRax 2013, 315, 319; a.A. v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 372; Henrich, in: FS v. Hoffmann, S.159, 164; Finger, FamFR 2011, 434, 435. 25 Gruber, IPRax 2012, 381, 388; MüKo/Winkler von Mohrenfels, Art. 11 Rom III-VO, Rn. 1.
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Kap. 4: Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
an.26 Die Beeinträchtigung des internationalen Entscheidungseinklangs sei insbesondere deshalb problematisch, weil an der Rom III-VO bei Weitem nicht alle EUMitgliedstaaten teilnähmen; der Ausschluss des Renvoi führe also häufig zu einer Missachtung des Kollisionsrechts anderer EU-Staaten.27 Darüber hinaus würde die Zulassung einer Rückverweisung generell die Gerichte von der Prüfung des ausländischen Sachrechts entlasten.28 5. EuGüVO-E Der EuGüVO-E schließt die Beachtlichkeit des IPR von Drittstaaten ebenfalls kategorisch aus und enthält dabei in seinem Art. 24 eine Art. 24 Rom II-VO und Art. 11 Rom III-VO exakt entsprechende Vorschrift. Der Ausschluss des Renvoi ist hier in der Literatur ebenfalls auf Kritik gestoßen.29 Angeführt wird insbesondere, dass durch den Ausschluss des Renvoi im Drittstaat ein anderes Recht als die lex rei sitae Anwendung finden könnte, insbesondere in Bezug auf Grundstücke, auf deren Belegenheit der EuGüVO-E keine Rücksicht nehme.30 Dies könne zu Spannungen führen, wenn das ausländische Belegenheitsrecht ebenfalls Anwendung beanspruche.31 Erwogen wird außerdem, dass die Anknüpfung an Art. 17 Abs. 1 lit. a EuGüVO-E (erster gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt nach der Eheschließung) in manchen Fällen keine höhere Überzeugungskraft habe als die Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit, die typischerweise einen Renvoi zuließe, sodass die Beachtlichkeit ausländischen Kollisionsrechts hier zu einer sachgerechten Anknüpfung führen könnte.32 Für einen Ausschluss des Renvoi wird angeführt, dass dieser aus Gründen der „systematischen Kohärenz“33 erforderlich sei, denn das Ehegüterrecht hinge insbesondere mit dem Scheidungsrecht zusammen, bei dem der Renvoi ebenfalls ausgeschlossen ist.34
26
Palandt/Thorn, Art. 11 Rom III-VO, Rn. 1. Hau, FamRZ 2013, 249, 254; Schurig, in: FS v. Hoffmann, S. 405, 412 f. 28 Gruber, IPRax 2012, 381, 388; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn 231. 29 Buschbaum/Simon, GPR 2011, 262, 267; dies., Rev. crit. DIP 2011, 801, 808; Döbereiner, MittBayNot 2011, 463, 465; Martiny, IPRax 2011, 437, 452; Sonnenberger, IPRax 2011, 325, 330; in der Tendenz begrüßend Finger, FuR 2012, 10, 15 f.; Henrich, in: FS v. Hoffmann, S. 165 f. 30 Martiny, IPRax 2011, 437, 452. 31 Martiny, IPRax 2011, 437, 452. 32 MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 137, der allerdings im Ergebnis wieder für den Ausschluss des Renvoi plädiert. 33 MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 138. 34 MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 138. 27
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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6. HUntProt Das HUntProt enthält in Art. 12 eine Regelung zur Frage des Renvoi. Art. 12 HUntProt lautet: „Der Begriff ,Recht‘ im Sinne dieses Protokolls bedeutet das in einem Staat geltende Recht mit Ausnahme des Kollisionsrechts.“
Auch im HUntProt wird damit – wie in anderen Instrumenten der Haager Konferenz35 – ausschließlich auf Sachrecht verwiesen. Dies wird in der Literatur damit begründet, dass es nicht um familienrechtliche Statusfragen, sondern darum ginge, den finanziellen Bedarf schnell und einfach zu decken.36 7. Kommissionsentwurf Auch der Kommissionsentwurf der EuErbVO enthielt in Art. 26 eine mit Art. 24 Rom II-VO und Art. 11 Rom III-VO exakt übereinstimmende Vorschrift, hat den Renvoi also generell ausgeschlossen. Dieser Ausschluss wurde insbesondere im Verhältnis zu Drittstaaten von der Literatur scharf kritisiert.37 Hingewiesen wurde insbesondere auf die Gefahr hinkender Rechtsverhältnisse bzw. die Verletzung des internationalen Entscheidungseinklangs.38 Ferner wurde geltend gemacht, dass eine Rückverweisung für die Gerichte der Mitgliedstaaten eine entlastende Wirkung habe.39 Lorenz verteidigte den Ausschluss des Renvoi mit dem Argument, die Entscheidung des Gesetzgebers, dass sich das Zentrum des Rechtsverhältnisses am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers befinde, dürfte nicht durch die Zulassung einer Rück- oder Weiterverweisung in Frage gestellt werden.40 Gegen das Argument des internationalen Entscheidungseinklangs spreche, dass dieser nur dann entstehe, wenn die Rückverweisung „durch ein renvoifeindliches System“ erfolge.41 Ferner sei gegen einen Renvoi anzuführen, dass dieser u. U. zu einer Nachlassspaltung führe.42 Schließlich müsste, wenn der internationale Entscheidungseinklang realisiert wer-
35
Vgl. Bonomi-Bericht, Rn. 174. MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 123. 37 Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 162, 163; DNotV, Stellungnahme v. 19. 10. 2010, 16; Kindler, in: Liber Amicorum Siehr, S. 255 f.; ders., IPRax 2010, 44, 48 f.; MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, 657; Remde, RNotZ 2012, 65, 75; Schurig, in: FS Spellenberg, S. 343, 347 f. 38 Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 162, 163; MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, Rn. 240. 39 Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 162, 163; MPI-Stellungnahme, RabelsZ 74 (2010), 522, Rn. 240. 40 Lorenz, ErbR 2012, 39, 47. 41 Lorenz, ErbR 2012, 39, 47; vgl. auch Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 16 f. 42 Lorenz, ErbR 2012, 39, 47. 36
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Kap. 4: Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
den solle, auch eine Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechende Regelung eingeführt werden.43 Dennoch wurde der Kommissionsentwurf auf Vorschlag des EP44 geändert und der Renvoi unter den Voraussetzungen des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO zugelassen.
II. Abweichende Renvoiregelung im Rahmen der EuErbVO 1. Darstellung der Regelung a) Grundsatz der Sachnormverweisung Wie bereits ausgeführt, bestimmt die Verordnung das anwendbare Recht, auch wenn es sich dabei um das Recht eines Drittstaats handelt („loi uniforme“). Nach Art. 34 Abs. 1 EuErbVO sind unter dem nach der EuErbVO anzuwendenden Recht eines Drittstaats die in diesem Staat geltenden Rechtsvorschriften einschließlich derjenigen seines internationalen Privatrechts zu verstehen, soweit diese zurückoder weiterverweisen auf das Recht eines Mitgliedstaats oder das Recht eines anderen Drittstaats, der sein eigenes Recht anwenden würde. Daraus ist zu schließen, dass der Renvoi in allen sonstigen Fällen ausgeschlossen ist. Es handelt sich bei Verweisungen der EuErbVO demnach grundsätzlich um Sachnormverweisungen,45 es sei denn, es liegt ein Fall des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO vor. b) Ausnahmsweise Gesamtverweisung im Verhältnis zu Drittstaaten aa) Bedeutung des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO Im Geltungsbereich der EuErbVO würde jedoch auch eine Gesamtverweisung am anwendbaren Recht i. d. R. nichts ändern46, da durch die Vereinheitlichung der EuErbVO das im Staat geltende IPR ebenfalls das der EuErbVO ist und somit zum gleichen Ergebnis käme. Art. 34 Abs. 1 EuErbVO erlangt jedoch in den Fällen Bedeutung, in denen auf das Recht eines Drittstaats verwiesen wird. Hier ist zunächst festzustellen, dass der Grundsatz der Sachnormverweisung des Art. 34 EuErbVO auch im Verhältnis zu 43
Lorenz, ErbR 2012, 39, 47. Vgl. Lechner-Bericht S. 38 f. 45 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 5; Burandt, FuR 2013, 377, 384; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 364; v. Hinden/Müller, ErbStB 2013, 97, 101; Odersky, notar 2013, 3, 4; Richters, ZEV 2012, 576, 578; Schaal, BWNotZ 2013, 29, 30; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2396. 46 Anders aber, wenn staatsvertragliche Regelungen vorgehen, in diesem Fall wird aus dem Schweigen der EuErbVO der Ausschluss eines mitgliedstaatlichen Renvoi geschlossen, siehe MüKo/Dutta, Art. 34 EuErbVO, Rn. 11 f.; Ludwig, ZEV 2013, 151, 152. 44
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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Drittstaaten gilt, denn nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 34 Abs. 1 lit. a oder b liegt eine Gesamtverweisung vor, in allen anderen Fällen somit eine Sachnormverweisung. Dennoch ist bei Verweisung auf das Recht eines Drittstaats dessen IPR in jedem Fall zu untersuchen. Diese Untersuchung erfolgt, ohne dass feststeht, ob dieses aus der Sicht der EuErbVO letztlich beachtlich ist. Beachtlich ist es nach Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO zum einen, wenn es auf das Recht eines Mitgliedstaats verweist. Eine solche Verweisung ist nicht zwingend eine Rückverweisung, d. h. dass das Recht des international zuständigen Mitgliedstaats, der die ursprüngliche Verweisung ausgesprochen hat, berufen wird. Es kann vielmehr auch auf das Recht eines anderen Mitgliedstaats weiterverwiesen werden,47 beispielsweise durch Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit oder an die lex rei sitae. Dafür spricht der Wortlaut, der vom Recht „eines“ Mitgliedstaats, nicht „des“ (die ursprüngliche Verweisung aussprechenden) Mitgliedstaats spricht. Ferner kann nach dem Wortlaut auch auf das Recht eines Mitgliedstaats „weiterverwiesen“ werden, das ist aber nur möglich bei Berufung des Rechts eines anderen als des ursprünglich die Verweisung aussprechenden Mitgliedstaats. Außerdem wird dafür angeführt, dass die Ermittlung des anderen EU-Rechts für die Gerichte des einen EU-Staates regelmäßig einfacher ist als die Ermittlung des Rechts des Drittstaats.48 Entscheidender dürfte jedoch sein, dass der internationale Entscheidungseinklang auch bei einer Weiterverweisung auf das Recht eines anderen Mitgliedstaats erreicht wird.49 Beachtlich ist das IPR des verwiesenen Staates zum anderen, wenn es auf einen anderen Drittstaat verweist und dessen IPR die Verweisung akzeptiert (Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO).50 Auch dessen IPR ist demnach (zunächst vorsorglich) zu untersuchen, um die Beachtlichkeit eines Renvoi festzustellen. bb) Nicht geregelte Fälle des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO Art. 34 Abs. 1 EuErbVO regelt zunächst nicht, wie die EuErbVO auf die Rückverweisung oder Weiterverweisung des Drittstaats auf das Recht eines Mitgliedstaats „reagiert“. Es fehlt insbesondere eine an Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB angelehnte Vorschrift, dass im Falle einer Rück- oder Weiterverweisung auf das Recht eines Mitgliedstaats die Sachvorschriften des Mitgliedstaats anzuwenden sind.51 Da in einem solchen Fall aber eine erneute Berufung des Drittstaatenrechts eine mögli-
47 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 14; Palandt/Thorn, Art. 34 EuErbVO, Rn. 3; Bajons, in: Schauer/Scheuba, S. 29, 37; MüKo/Dutta, Art. 34 EuErbVO, Rn. 3; Lein, in: Dutta/Herrler, S. 199, 211. 48 Bajons, in: Schauer/Scheuba, S. 29, 37. 49 Vgl. zum Sinn und Zweck im Einzelnen unten S. 239. 50 Eine Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO entsprechende Regelung hatte schon Art. 4 des HÜ enthalten. 51 Vgl. schon Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 9; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 165.
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Kap. 4: Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
cherweise nicht endende Verweisungskette zur Folge hätte, ist die Rück- oder Weiterverweisung auf das Recht eines Mitgliedstaats an dieser Stelle abzubrechen.52 Art. 34 Abs. 1 EuErbVO regelt außerdem nicht alle in Betracht kommenden Fälle mit Verbindung zu einem Drittstaatenrecht. So müsste nach dem Wortlaut des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO an sich eine Sachnormverweisung vorliegen, wenn die Rück- oder Weiterverweisung auf das Recht eines Mitgliedstaats nicht direkt vom durch die EuErbVO berufenen Recht ausgesprochen wird, sondern vom Recht eines zweiten, dritten, oder gar vierten Drittstaats.53 Das zeigt das Beispiel54 eines in Japan lebenden Engländers, zu dessen Vermögen eine in Frankreich belegene Immobilie gehört. Die französischen Gerichte, deren Kompetenz auf Art. 10 Abs. 2 EuErbVO gestützt werden könnte55, würden nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO japanisches Recht anwenden. Die Verweisung wäre nach Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO eine Sachnormverweisung, weil das japanische Recht auf das englische Staatsangehörigkeitsrecht verweist56 und erst dieses57 hinsichtlich des Grundstücks auf das französische Recht (als Recht eines Mitgliedstaats) zurückverweist. Damit liegt keine Rückverweisung des „nach dieser Verordnung anzuwenden Recht[s] eines Drittstaats“ (Art. 34 Abs. 1 EuErbVO) vor.58 Ähnlich liegt es, wenn im Falle des Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO erst der „dritte“ (oder ein noch späterer) Drittstaat seine Kompetenz akzeptiert oder wenn der zweite Drittstaat auf das Recht des ersten Drittstaats zurückverweist59 oder der dritte Drittstaat auf das Recht des zweiten Drittstaats zurückverweist. In diesen Fällen wäre nach dem Wortlaut des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO trotz des möglichen internationalen Entscheidungsgleichklangs von einer Sachnormverweisung auszugehen. 52
Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 9; Bajons, in: Schauer/Scheuba, S. 29, 37; Schack, IPRax 2013, 315, 319; Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 253; a.A. (Entscheidung abhängig von der Art der Verweisung der ausländischen Kollisionsnorm) Staudinger/ Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 165. 53 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 18; MüKo/Dutta, Art. 34 EuErbVO, Rn. 5; v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 374 f.; Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 254 ff. 54 Nach Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 18. 55 Vgl. unten S. 257. 56 Art. 36 des Gesetzes Nr. 78 v. 21. 6. 2006, abgedruckt bei Staudinger/Dörner Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 357; vgl. auch Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann/Sato, Japan, Grdz., Rn. 13. 57 Die maßgeblichen britischen Teilrechtsordnungen unterwerfen unbewegliches Vermögen der lex rei sitae, vgl. Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 281. 58 Die Voraussetzungen des Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO sind ebenfalls nicht gegeben, weil das englische Recht seine Kompetenz nicht akzeptiert. Bonomi befürwortet hier eine analoge Anwendung des Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO (vgl. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 18); ebenso MüKo/Dutta, Art. 34 EuErbVO, Rn. 5. 59 So schon Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 254 ff.; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 20; Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 13; MüKo/Dutta, Art. 34 EuErbVO, Rn. 5.
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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c) Sachnormverweisung bei Ausweichklausel und Rechtswahl Das IPR eines Drittstaats spielt (u. a.) in zwei weiteren Konstellationen unabhängig von dessen Inhalt keine Rolle. Zum einen dann, wenn der Erblasser das anwendbare Recht durch Rechtswahl berufen hat. Zum anderen dann, wenn das anwendbare Recht über die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO bestimmt worden ist. Hier handelt es sich bei den Verweisungen der EuErbVO um Sachnormverweisungen, was sich aus Art. 34 Abs. 2 EuErbVO ergibt. 2. Ratio der Regelung a) Ratio des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO Ratio der Norm ist nach allgemeiner Auffassung generell die Gewährleistung des internationalen Entscheidungseinklangs (vgl. EG 57 S. 3).60 Hinsichtlich der beiden Alternativen des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO wird wie folgt unterschieden: aa) Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO Sinn und Zweck der Norm ist nach den bisher vertretenen Auffassungen in der Literatur das Folgende: Es sei „systemkonsistent“, einen Renvoi zu akzeptieren, weil er zur Geltung des Rechts eines Mitgliedstaats führe.61 Bei einer Rückverweisung auf die lex fori komme es ferner zu dem von der EuErbVO allgemein angestrebten Gleichlauf von forum und ius.62 Generell führe die Regelung zur „Anwendung des gleichen Rechts in allen betroffenen Staaten“63, also zum internationalen Entscheidungseinklang.64 Auch könnte das Recht eines anderen Mitgliedstaats einfacher handhabbar bzw. zugänglich sein.65 Darüber hinaus entspreche diese Lösung regelmäßig dem mutmaßlichen Erblasserwillen.66 Ferner habe die EU generell ein 60 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 3; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 2, 16; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 364; Eichel, in: Leible/Unberath, S. 397, 419; Godechot-Patris, Recueil Dalloz 2012, 2462, 2466; Hellner, in: Dutta/Herrler, S. 107, 110; Herzog, ErbR 2013, 2, 5; Janzen, DNotZ 2012, 484, 490; Lange, ZErb 2012, 160, 164; Lein, in: Dutta/Herrler, S. 199, 205; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 120; Sonnentag, EWS 2012, 457, 468; Palandt/Thorn, Art. 34 EuErbVO, Rn. 1; MüKo/Dutta, Art. 34 EuErbVO, Rn. 1. 61 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 8; ähnlich Agostini, Rev. crit. DIP 2013, 545, 570. 62 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 8; MüKo/Dutta, Art. 34 EuErbVO, Rn. 3. 63 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 8; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 15. 64 Bonomi/Wautelet/Bonomi, EuErbVO, Rn. 16. 65 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 8; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 15; MüKo/Dutta, Art. 34 EuErbVO, Rn. 3. 66 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 8.
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Kap. 4: Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
Interesse an der Geltung ihrer Heimatrechtsordnungen in möglichst vielen Fällen.67 Zudem befreie die Regelung i. d. R. von der Prüfung des ordre public, weil die grundlegenden Werte in den Mitgliedstaaten übereinstimmten.68 Henrich hat in diesem Zusammenhang generell für die Rückverweisung im internationalen Erbrecht geltend gemacht, dass Erbfolgeregeln außerhalb Europas den europäischen Wertvorstellungen häufig zuwiderliefen.69 Etwa im Falle einer Ungleichbehandlung weiblicher und männlicher Erben durch eine islamische Rechtsordnung stelle sich die Frage, warum man dieses Recht anwenden sollte, wenn es gar nicht angewendet werden will.70 bb) Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO Als Sinn und Zweck des Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO wird der internationale Entscheidungseinklang angesehen. So würde das Recht eines Staates angewendet, der sein eigenes Recht für anwendbar hält, zudem teile der von der EuErbVO berufene Drittstaat diese Einschätzung.71 Ferner entstehe keine „endlose Verweiskette“.72 cc) Kritik Dem kann nur teilweise zugestimmt werden. Zwischen dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck und den sonstigen, möglicherweise für die Praxis vorteilhaften Folgen der Regelung ist genau zu trennen. Der Änderungsantrag des EP, auf den die Einführung des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO zurückgeht, ergibt nur, dass der Renvoi eingeführt werden sollte, um „ein international kohärentes Vorgehen“73 zu gewährleisten. Sinn und Zweck ist damit der internationale Entscheidungseinklang.74Abzulehnen ist insbesondere die Aussage, dass es „systemkonsistent“ sei, einen Renvoi zu akzeptieren, weil er zur Geltung des Rechts eines Mitgliedstaats führt.75 Gleiches gilt für den Standpunkt, die EU habe generell ein Interesse an der Geltung ihrer Heimatrechtsordnungen in möglichst vielen Fällen.76 Eine Bevorzu67
Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 8. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 15. 69 Henrich, in: FS v. Hoffmann, S. 159, 165. 70 Henrich, in: FS v. Hoffmann, S. 159, 165. 71 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 11; ähnlich Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691, 706; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 19; Agostini, rev. crit, DIP 2013, 545, 569 f. 72 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 11. 73 Lechner-Bericht, S. 19, EG 23b. 74 (Nur) davon spricht auch EG 57 S. 3 EuErbVO. 75 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 8; ähnlich Agostini, Rev. crit. DIP 2013, 545, 570. 76 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 8. 68
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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gung des Rechts eines Mitgliedstaats ergibt sich an keiner Stelle aus der Verordnung. Sie wäre auch rechtspolitisch verfehlt, denn das Heimwärtsstreben, auch wenn es die EU als Ganze betrifft, widerspricht der kollisionsrechtlichen Neutralität.77 Die EU hat vielmehr ein Interesse daran, dass der Erbfall nach dem Recht der engsten Verbindung beurteilt wird, auch wenn es das Recht eines Drittstaats ist.78 Die Anwendung des Rechts eines Mitgliedstaats (insbesondere der lex fori) ist ein willkommener Nebeneffekt und eine Erleichterung für die Gerichte, aber nicht Sinn und Zweck der Zulassung eines Renvoi.79 Dass der Renvoi zu einem Gleichlauf von forum und ius führt, ist zwar möglich, aber nicht zwingend80 und jedenfalls nicht Ratio des Renvoi. Auch dass die Zulassung eines Renvoi regelmäßig dem Erblasserwillen entsprechen soll, erscheint nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Für den Laien jedenfalls dürfte eine Rückverweisung des eigentlich berufenen ausländischen Rechts überraschend sein und die Planbarkeit seines Nachlasses beeinträchtigen. Nicht überzeugen kann das Argument, der Renvoi vermeide die Geltung eines Rechts, das den europäischen Wertvorstellungen zuwiderläuft. Das mag im Ergebnis so sein, ist aber nicht Aufgabe des Renvoi, sondern (im konkreten Fall) des ordre public.81 Im Übrigen ist es gewagt, die Ausgestaltung der eigenen Verweisung (als Gesamt- oder Sachnormverweisung) generell damit zu begründen, dass das ausländische Recht dadurch nicht angewendet wird. Dieses kann darüber hinaus die Verweisung (trotz seines unseren Wertvorstellungen entsprechenden Gehalts) akzeptieren. b) Ratio des Art. 34 Abs. 2 EuErbVO Hinsichtlich der Ratio des Ausschlusses des Renvoi im Falle der Ausweichklausel wird folgendes angeführt: Die Prüfung des konkreten Falles habe ergeben, dass zu einem anderen Staat als dem des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers eine engere Verbindung bestehe. Bei der Ausweichklausel handele es sich um eine flexible Kollisionsnorm, die auf dem Prinzip der Nähebeziehung beruhe.82 Wenn danach das Recht eines Staates als das dem Erblasser am nächsten stehende anzusehen sei, dürfe diese Bewertung nicht durch einen Renvoi in Frage gestellt werden.83 Der internationale Entscheidungseinklang stehe dahinter zurück.84 Dies entspreche der
77
Vgl. Leible, Rom I, Rom II, S. 53; Lorenz, ErbR 2012, 39, 47. Insoweit zu Recht kritisch Lorenz, ErbR 2012, 39, 47. 79 Vgl. auch Basedow/Hopt/Zimmermann/Siehr, S. 1294. 80 In jedem Fall der Weiterverweisung liegt gerade kein Gleichlauf vor. 81 So schon v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 347. 82 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 22. 83 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 22; ähnlich auch Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 17. 84 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 22. 78
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Kap. 4: Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
weit verbreiteten Auffassung, dass bei einer flexiblen Anknüpfung ein Renvoi auszuschließen ist.85 Solomon sieht den Ausschluss des Renvoi im Falle der Ausweichklausel kritisch.86 Bei der Ausweichklausel gelange i. d. R. das Recht des früheren gewöhnlichen Aufenthalts zur Anwendung, und zwar insbesondere dann, wenn der neue Aufenthalt des Erblassers noch nicht verfestigt gewesen sei.87 Der Ausschluss einer (partiellen) Rückverweisung ließe sich aber nicht mit dieser mangelnden Verfestigung begründen.88 Wenn die Ausweichklausel das bisherige Aufenthaltsrecht beriefe (das vor dem Umzug des Erblassers über Art. 21 Abs. 1 EuErbVO anwendbar war), sei der Wechsel von der Gesamt- zur Sachnormverweisung willkürlich.89 Darüber hinaus sei nicht einzusehen, warum das ausländische Kollisionsrecht im Falle einer engsten Verbindung zu einem Staat ohne entsprechenden Aufenthalt nicht berücksichtigt werden sollte, hingegen schon, wenn diese enge Verbindung zusätzlich durch den Aufenthalt im betreffenden Staat untermauert würde und damit noch enger sei.90 Als Sinn und Zweck des Ausschlusses des Renvoi im Falle einer Rechtswahl wird – wie im Rahmen der Rom-Verordnungen für den generellen Ausschluss des Renvoi – geltend gemacht, dass eine Sachnormverweisung regelmäßig dem Erblasserwillen entspreche, wollte dieser doch gerade das gewählte Recht zur Anwendung bringen.91 Ansonsten sei es dem Erblasser ferner unmöglich, die Folgen seiner Rechtswahl einzuschätzen.92 Auch hier kritisiert Solomon den Ausschluss des Renvoi.93 Ein solcher sei nur vollständig überzeugend, wenn die Parteien – wie im Schuldrecht – vollständige Rechtswahlfreiheit hätten. Grundsätzlich habe der Gesetzgeber im internationalen Erbrecht die Wahl, ob er objektiv an den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit anknüpfe. Der Gesetzgeber könne die Anwendung eines der beiden Rechte vorschreiben, wie er es bisher nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB getan habe. Habe der Gesetzgeber sich für eine Beachtung des Renvoi entschieden, so bliebe diese Entscheidung unabhängig von der gewählten Anknüpfung bestehen.94 Wenn der Gesetzgeber aber – wie in der EuErbVO – die Entscheidung „zwischen 85
Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 22. Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 258. 87 Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 257. 88 Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 258. 89 Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 258. 90 Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 258. 91 Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 18; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 23. 92 Vgl. Godechot-Patris, Recueil Dalloz 2012, 2462, 2466. 93 Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 259 f. Nicht klar ist allerdings, ob er generell einen Renvoi annehmen will oder nur die Wahl eines bestimmten Kollisionsrechts ermöglichen will. Die Regelung demgegenüber begrüßend v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 377. 94 Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 259 f. 86
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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Staatsangehörigkeits- und Domizilprinzip“95 dem Erblasser überlassen habe, müsse er dennoch festlegen, welches Recht anzuwenden sei, wenn der Erblasser eine solche Entscheidung nicht treffe. Dies habe er in der Weise getan, dass objektiv an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werde. Die Regelung hätte aber auch umgekehrt erfolgen können.96 Daher dürfe dieser „Stichentscheid“ des Gesetzgebers keinen Einfluss auf die Frage des Renvoi haben.97 3. Würdigung der Regelung Zunächst ist die Frage des Renvoi, wie dies auch im Rahmen anderer Verordnungen erfolgt, im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Anknüpfung der EuErbVO zu sehen. Angeknüpft wird im Regelfall an den gewöhnlichen Aufenthalt. Dieser wird verstanden als von objektiven Umständen getragener Wille des Erblassers, sich in einen bestimmten Rechtskreis zu begeben und dauerhaft in ihm zu leben, der unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Elemente ermittelt wird. Gerechtfertigt werden kann die Berücksichtigung eines Renvoi somit nicht damit, dass das Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts zu undifferenziert sei und gerade deshalb einer Korrektur durch die ausländische Rechtsordnung bedürfe.98 Auf den ersten Blick könnte man zwar vertreten, dass, wenn sich der Ausschluss des Renvoi bspw. im Rahmen der außervertraglichen Schuldverhältnisse aus dem hohen Differenzierungsgrad der Anknüpfung ergebe, er im internationalen Erbrecht, wo gerade kein hoher Differenzierungsgrad herrscht, möglich sein müsse.99 Diese These übersieht jedoch, dass die Gestaltungsoptionen des Gesetzgebers im internationalen Erbrecht, folgt er dem Prinzip der Nachlasseinheit, kaum über die Wahl zwischen der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit hinausgehen.100 Entscheidender ist aber, dass auch die im Rahmen der EuErbVO durchgeführte Abwägung der für dieses Rechtsgebiet maßgeblichen kollisionsrechtlichen Interessen (nämlich der des Erblassers) zur Maßgeblichkeit einer bestimmten Rechtsordnung101 geführt hat. Der Sitz des Rechtsverhältnisses Erbfolge ist damit bereits durch das konkrete Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts lokalisiert.102 Daraus folgt, dass die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers (insbesondere nach dem hier vertretenen Verständnis) ebenso wie eine bspw. nach Vertragstyp differenzierende Anknüpfung
95
Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 259 f. Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 260. 97 Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 260. 98 Dagegen schon Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 245. 99 Vgl. Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 245. 100 So zu Recht schon Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 245 f. 101 Vgl. MüKo/Martiny, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2. 102 Vgl. MüKo/Martiny, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2. 96
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Kap. 4: Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
die „Gewähr der Richtigkeit in sich“103 trägt. Das könnte im Ausgangspunkt – wie im Rahmen der Rom I und Rom II-VO – gegen die Zulassung eines Renvoi sprechen. Die durch die EuErbVO festgelegte Anknüpfung gerät allerdings u. U. in Konflikt mit dem internationalen Entscheidungseinklang. Diesen Konflikt hat der Gesetzgeber anders als in den bisherigen Verordnungen des EuIPR, aber in grundsätzlich überzeugender Weise zugunsten des internationalen Entscheidungseinklangs gelöst. Zwar trifft die Aussage von Lorenz zu, dass dieser durch die Regelung nicht in jedem Fall erreicht wird.104 Unterschiede ergeben sich in der Tat kaum, wenn es um das Verhältnis zwischen Mitgliedstaat und einem Drittstaat geht. Um dort nach der aktuellen Regelung des Art. 34 EuErbVO den internationalen Entscheidungseinklang zu erreichen, muss der Drittstaat seine Verweisung als Sachnormverweisung verstehen. Versteht er sie demgegenüber als Gesamtverweisung, beachtet er seinerseits eine Rückverweisung durch die EuErbVO und wendet damit sein eigenes Recht an, womit der internationale Entscheidungseinklang gerade nicht erreicht wird.105 Demgegenüber hätte die im Kommissionsentwurf enthaltene, reine Sachnormverweisung der EuErbVO dazu geführt, dass Entscheidungsharmonie bestanden hätte, wenn der ausländische Staat seine abweichende Verweisung als Gesamtverweisung verstanden hätte. In diesem Fall wäre aus Sicht des ausländischen Staates auf das IPR eines Mitgliedstaats verwiesen worden, der als Sachnormverweisung zurückverwiesen hätte. Wäre jedoch die Verweisung des Drittstaats als Sachnormverweisung anzusehen gewesen, hätten Mitgliedstaat und Drittstaat jeweils das Recht des anderen für anwendbar gehalten (gekreuzte Sachnormverweisung) und der internationale Entscheidungseinklang wäre nicht erreicht worden. Letztlich ist bei einem Fall der Verweisungen zwischen einem Drittstaat und einem Mitgliedstaat die Frage des internationalen Entscheidungseinklangs also vom „Zufall“ abhängig, wie das Drittstaatenrecht seine Verweisung versteht. Einen Vorteil für den äußeren Entscheidungseinklang bedeutet die Regelung der finalen Fassung aber im Falle einer Weiterverweisung durch das Recht des von der EuErbVO berufenen Drittstaats auf einen zweiten Drittstaat.106 Hier führt die Regelung der EuErbVO dazu, dass die drei Staaten, zu denen der Erbfall Berührungspunkte hat, den Fall gleich beurteilen. Demgegenüber hätte die reine Sachnormverweisung dazu geführt, dass der internationale Entscheidungseinklang beeinträchtigt wird, weil der von der EuErbVO berufene Drittstaat den Rechtsanwendungsbefehl nicht akzeptiert, die EuErbVO dies aber nicht beachtet. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass eine Entscheidungsgleichheit in drei Staaten möglich ist, unangemessen. 103
Vgl. MüKo/Martiny, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2. Lorenz, ErbR 2012, 39, 47. 105 Sowohl der Mitgliedstaat als auch der Drittstaat wenden jeweils ihr eigenes Recht an, vgl. zum bisherigen Recht bereits oben S. 50. 106 Gegen das Argument, der internationale Entscheidungseinklang würde nicht immer erreicht, generell Kropholler, § 24 I 3 (S. 166); v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 348. 104
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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Leider hat der Verordnungsgeber sich in Art. 34 Abs. 1 EuErbVO mit der Regelung der zwei wahrscheinlichsten Konstellationen des Renvoi begnügt. Insbesondere nicht geregelt hat er die Fälle der Verweiskette auf das Recht eines dritten Drittstaats, der die Verweisung akzeptiert, der Rückverweisung auf das Recht eines Mitgliedstaats durch einen anderen als den ersten Drittstaat und der einer Weiterverweisung auf den dritten Drittstaat, der auf den zweiten Drittstaat zurückverweist.107 Da die Renvoiregelung im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs eingeführt worden ist, wäre es konsequent gewesen, auch in diesen Fällen von einer Beachtlichkeit einer Rück- oder Weiterverweisung auszugehen. Insbesondere in dem Fall, in dem erst der dritte Drittstaat die Verweisung akzeptiert, liegt (an sich) ein internationaler Entscheidungseinklang zwischen vier Staaten108 vor, dennoch spricht die EuErbVO eine Sachnormverweisung aus. Das ist nicht nachvollziehbar; strebt die EuErbVO mit der Renvoiregelung den internationalen Entscheidungseinklang an, so hat die Regelung auch so zu erfolgen, dass dieser Zweck in größtmöglichem Maße erreicht wird. Die genannten Fälle mögen selten sein, sie sind jedoch nicht so abwegig, dass man sie nicht hätte regeln können. In der Literatur wird bereits die analoge Anwendung des Art. 34 Abs. 1 lit. a im Falle der Rück- oder Weiterverweisung eines anderen als des ersten Drittstaats befürwortet109, dem ist zuzustimmen. M. E. ist darüber hinausgehend Art. 34 Abs. 1 lit b EuErbVO in allen Fällen analog anzuwenden, in denen das über Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berufene Recht des Drittstaats zu einer Verweiskette führt, die ein in der Kette berufener Drittstaat zu seinen Gunsten abbricht, denn hier wird der internationale Entscheidungseinklang und damit der Zweck des Art. 34 EuErbVO regelmäßig erreicht. Nicht überzeugen kann auch der Ausschluss des Renvoi, wenn das anwendbare Recht aufgrund der Ausweichklausel zur Anwendung kommt (Art. 34 Abs. 2 EuErbVO).110 Das von Bonomi – in Anlehnung an das Argument der differenzierten Anknüpfung der Rom II-VO – vertretene Argument, dass bei der Prüfung der engsten Verbindung nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO der Verordnungsgeber bereits aufgrund einer umfassenden Interessenwürdigung zur Maßgeblichkeit einer bestimmten Rechtsordnung gelangt sei und dieses Ergebnis nicht durch eine ausländische Regelung in Frage gestellt werden dürfe111, ist abzulehnen. Es widerspricht dem hier vertretenen Verhältnis zwischen Regelanknüpfung und Ausweichklausel. Diese stehen zum einen grundsätzlich auf gleicher Stufe. Zum anderen haben beide 107
Vgl. im Einzelnen oben S. 237. Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 255 spricht von dreien, meint aber wohl nur die Drittstaaten. 109 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 18; MüKo/Dutta, Art. 34 EuErbVO, Rn. 5. 110 Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 258; a.A. v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 356. Vgl. zum ähnlichen, aber aufgrund der Anknüpfungsleiter nicht vollständig vergleichbaren Problem des Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB Kropholler, § 24 II 2 a) (S. 170). 111 Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 22; in diese Richtung wohl auch Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 17. 108
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Kap. 4: Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
grundsätzlich den gleichen Zweck, nämlich die Ermittlung des sachnächsten Rechts.112 So ist bereits beim gewöhnlichen Aufenthalt der Lebensmittelpunkt des Erblassers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Einziger Unterschied zwischen Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 EuErbVO ist, dass letzterer keine physische Präsenz des Erblassers voraussetzt. Aufgrund der bei beiden Absätzen durchgeführten umfassenden Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls113 wäre – folgte man der genannten Argumentation – auch bei der Regelanknüpfung das ausländische IPR auszuschließen gewesen. Das hat der Gesetzgeber aus nachvollziehbaren Gründen nicht getan; dann hätte er es auch bei die Ausweichklausel tun müssen.114 Nachvollziehbar ist demgegenüber der Ausschluss des Renvoi im Falle der Rechtswahl. Nicht überzeugen kann dabei allerdings das gegen eine Einführung des Renvoi im Falle der Rechtswahl vorgebrachte Argument, dass sie die Rechtswahlbefugnisse erweitern könnte.115 Denn auch durch eine Berufung eines Drittstaatenrechts im Rahmen der objektiven Anknüpfung können die Rechtswahlbefugnisse erweitert werden, was allgemein akzeptiert wird.116 Dennoch ist der Ausschluss des Renvoi bei einer Rechtswahl sinnvoll. Es ist im Rahmen der objektiven Anknüpfung nachvollziehbar, wenn der internationale Entscheidungseinklang entweder mit zwei Drittstaaten oder dieser durch Rück- oder Weiterverweisung auf das Recht eines Mitgliedstaats erreicht werden kann, von dem berufenen Recht aufgrund der abweichenden Anknüpfung des Drittstaats abzuweichen. Wenn der Erblasser hingegen eine Rechtswahl trifft, überlagert diese selbst seinen gewöhnlichen Aufenthalt als Lebensmittelpunkt des Erblassers. Wenn der Erblasserwille sich sogar über die Regelanknüpfung der EuErbVO hinwegsetzt, muss er dies erst recht auch gegenüber der Anknüpfung des Drittstaats und dem internationalen Entscheidungseinklang tun. Zudem trifft hier auch das bei den Rom-Verordnungen vertretene Argument zu, dass es dem Willen des die Rechtswahl Treffenden widerspricht, deren Wirksamkeit von der Anknüpfung der gewählten Rechtsordnung abhängig zu machen.117 Wählt der Erblasser ein bestimmtes Recht, so entspricht es seiner Vorstellung, dass die Rechtswahl nicht von der Anerkennung durch die Rechtsordnung des Drittstaats
112 Dagegen ist Bonomi, in Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 34 EuErbVO, Rn. 22 offenbar der Auffassung, dass nur die Ausweichklausel eine starke Nähebeziehung zwischen dem betroffenen Recht und dem Erblasser voraussetze. 113 Vgl. die ähnliche Argumentation Solomons, in: Liber Amicorum Schurig, S. 258 f. 114 So auch Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 258. 115 So generell Stoll, IPRax 1984, 1, 3; Kropholler, § 24 II (S. 175); v. Hein, in: Leible/ Unberath, S. 341, 353; a.A. Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 259 f. 116 Vgl. oben S. 206. 117 Vgl. zur Rom I-VO: MüKo/Martiny, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2; NK-BGB/Leible, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 3; Staudinger/Hausmann, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 5; zur Rom III-VO: Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 230; so generell auch Lagarde, in: Fallon/Lagarde/ Poillot-Peruzetto, S. 365, 374; vgl. auch Rühl, in: FS Kropholler, S. 187, 196.
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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abhängt.118 Untermauert wird dies von der hier vertretenen These, dass dem Erblasserwillen bei der Rechtswahl in größtmöglicher Weise Geltung zu verschaffen ist.119 Machte man die Anwendbarkeit des Heimatrechts des Erblassers von der Zustimmung des Drittstaats abhängig, würde dies den Erblasserwillen u. U. vereiteln. Dies ginge auch zu Lasten der Rechtssicherheit bzw. Planbarkeit des Erbstatuts, die Ratio der Rechtswahlmöglichkeit sind.120 Gegen die von Solomon vorgebrachte Kritik spricht insbesondere, dass die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit für die objektive Anknüpfung vom europäischen Gesetzgeber nie ernsthaft in Erwägung gezogen wurde. Deshalb ist schon die Prämisse falsch, dass objektive Anknüpfung an gewöhnlichen Aufenthalt und subjektive Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit „auch umgekehrt“121 hätte ausfallen können. Hinzu kommt, dass die Rechtswahl regelmäßig unter notarieller Beratung erfolgt, sodass der Erblasser über die mögliche mangelnde Durchsetzbarkeit der Rechtswahl im Drittstaat informiert ist. Jedenfalls aber ist eine bewusste Entscheidung des Erblassers, mit der Rechtswahl ein bestimmtes Recht zu berufen, aus den genannten Gründen nicht gleichzusetzen mit der Geltung eines Rechts kraft objektiver Anknüpfung.
III. Stellungnahme zur fehlenden Kohärenz in der Gesetzgebung des EuIPR Begrüßt man – wie hier – die Zulassung des Renvoi im Rahmen der EuErbVO, stellt sich anschließend unter dem Gesichtspunkte der Kohärenz die Frage, ob es spezifisch erbrechtliche Erwägungen sind, die für die Beachtlichkeit des drittstaatlichen IPR sprechen, oder ob nicht vielmehr der Renvoi auch in anderen Verordnungen zugelassen werden müsste. Nach der hier vertretenen Auffassung überzeugen folgende, zu Gunsten des Renvoi geltend gemachte Argumente auch in den Bereichen des EuIPR außerhalb des Erbrechts nicht: Zunächst das Argument, die Zulassung einer Rück- bzw. Weiterverweisung diene der Flexibilität bzw. Einzelfallgerechtigkeit.122 Einzelfallgerechtigkeit sollte der Gesetzgeber mit dem Anknüpfungskriterium selbst erreichen, das ggf. durch eine Ausweichklausel zu ergänzen ist.123 Das Argument ist 118 Vgl. dazu den treffenden Satz von Schack, IPRax 2013, 315, 317: „Denn die Parteien wollen ihr Rechtsverhältnis unmittelbar und vorhersehbar regeln und nicht auf kollisionsrechtlicher Ebene Pingpong spielen.“ 119 Vgl. oben S. 162. 120 Vgl. im Einzelnen oben S. 160. 121 Solomon, in: Liber Amicorum Schurig, S. 260. 122 Vgl. dazu schon v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 346 f. 123 Vgl. bereits die Kritik am Fehlen einer Ausweichklausel im Rahmen der Rom III-VO oben S. 108 f.
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Kap. 4: Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
zudem deshalb nicht stichhaltig, weil es sich beim EuIPR um ein modernes Kollisionsrecht handelt, das primär an den gewöhnlichen Aufenthalt und nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft.124 Gleiches gilt für die bereits im Rahmen der Renvoiregelung der EuErbVO behandelte Erwägung, der Renvoi vermeide die Geltung eines Rechts, das den europäischen Wertvorstellungen zuwiderläuft;125 der Renvoi ist hierfür nicht das geeignete Instrument. Die Zulassung eines Renvoi läuft auch nicht dem Vereinheitlichungszweck der jeweiligen Verordnung zuwider, weil ein Renvoi in aller Regel nur im Verhältnis zu Drittstaaten erfolgen kann, die ihr eigenes IPR haben. Nach dem hier vertretenen Verständnis ist vielmehr der internationale Entscheidungseinklang entscheidender Rechtfertigungsgrund für die Zulassung einer Rück- bzw. Weiterverweisung. Es stellt sich deshalb die Frage, ob auch in anderen Bereichen des EuIPR ein (erhöhtes) Bedürfnis für den internationalen Entscheidungseinklang besteht. Dies ist m. E. im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO nicht der Fall. Hier ist der Ausschluss des Renvoi sinnvoll. Dies gilt insbesondere für die Rom I-VO, denn hier wird der Entscheidungseinklang zumindest häufig allein dadurch erreicht, dass weltweit die überwiegende Anzahl der Rechtsordnungen Parteiautonomie gewährt.126 Zwar ist damit nicht eine Entscheidungsdisharmonie bei objektiver Anknüpfung ausgeschlossen, jedenfalls aber kann durch Rechtswahl in den meisten Fällen der internationale Entscheidungseinklang erreicht werden. Ferner spricht für den Ausschluss von Rück- und Weiterverweisungen im Rahmen des internationalen Schuldvertragsrechts insbesondere, dass hier ein besonderes Bedürfnis dafür besteht, das Vertragsstatut vorhersehbar und einfach ermittelbar zu machen. Der internationale Entscheidungseinklang tritt im Übrigen im Rahmen der Rom IVO und auch der Rom II-VO hinter anderen Erwägungen zurück. So stehen hinter den Anknüpfungen in diesen Verordnungen materielle Wertungen, die durch die Berücksichtigung des ausländischen Kollisionsrechts möglicherweise umgangen werden.127 Dies gilt etwa für die Kollisionsregeln, die den Verbraucherschutz bezwecken. Hier ist der Gesetzgeber der Auffassung, dass unabhängig von der Frage der engsten Verbindung des Vertrags mit einem Verbraucher objektiv das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers Anwendung finden soll, um diesen zu schützen. Diese Wertung darf nicht durch die Beachtung der ausländischen Kollisionsnorm umgangen werden, denn dieses beruft u. U. gerade nicht das dem Verbraucher nahestehende Recht. Entsprechendes gilt auch für die Rom II-VO.128 124
So schon v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 347 f. Vgl. oben S. 239. 126 v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 353; zur Parteiautonomie weltweit näher Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 34 m.w.N. 127 Vgl. im Einzelnen Sonnentag, S. 148 ff.; ders., ZVglRWiss 105 (2006), 256, 307 f. 128 Vgl. etwa Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256, 307, der das Beispiel der Anknüpfung an das Marktortrecht im internationalen Wettbewerbsrecht nennt, das den Zweck hat, die Chancengleichheit der Wettbewerber zu schützen. 125
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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Generell spricht gegen eine Zulassung des Renvoi im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO, dass es dort i. d. R. um Rechtsverhältnisse geht, die „auf eine einmalige Abwicklung gerichtet“129 sind und sich regelmäßig nicht erneut im Rahmen eines anderen Rechtsverhältnisses stellen. Hier wirkt die Verfehlung des internationalen Entscheidungseinklangs weniger schwer als in Bereichen, in denen „Rechte und Rechtslagen“130 begründet werden, in denen es also (wie regelmäßig im Familienund Erbrecht131) um „Statusverhältnisse“ geht.132 Dass der EU-Gesetzgeber aber bisher auch in den Bereichen, in denen es gerade um Statusfragen geht, den Renvoi (im Rahmen der objektiven Anknüpfung) ausschließt, ist nicht nachvollziehbar.133 Es erscheint bei Rechtsverhältnissen mit starkem personenrechtlichem Einschlag unangemessen, dass die Entscheidung des Rechtsstreits davon abhängt, welches Gericht angerufen wird.134 Daher sollte hier der Entscheidungseinklang so weit wie möglich gefördert werden. Dies gilt insbesondere für die Rom III-VO. Weist eine Ehe Bezugspunkte zu mehreren Staaten auf, so ist es für die Parteien von Interesse, dass ihre Scheidung in allen Staaten, mit denen Berührungspunkte bestehen, als wirksam angesehen wird. Die Frage nach der Wirksamkeit der Scheidung kann sich zudem in mehreren anderen Rechtsverhältnissen (insbesondere im Erbrecht) erneut (z. B. als Vorfrage) stellen. Auch insofern besteht ein besonderes Interesse daran, die Frage im Einklang mit dem Staat des berufenen Rechts zu regeln, also internationalen Entscheidungseinklang zu erzielen.135 Verstärkt wird das Bedürfnis für einen Renvoi durch die Tatsache, dass nur vierzehn Mitgliedstaaten der EU an der Rom III-VO teilnehmen, sodass Drittstaatenrecht häufig das Recht eines EU-Staates ist. Hier erscheint es schon rechtspolitisch erstrebenswert, das IPR des anderen EU-Staates zu beachten und den internationalen Entscheidungseinklang so weit wie möglich zu fördern. Dass die Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO auf einer bewussten Wertung des Gesetzgebers beruht,136 überwiegt das Interesse am äußeren Entscheidungseinklang nicht. Ähnliche Erwägungen treffen auch auf den EuGüVO-E zu. Auch hier ist der Ausschluss des Renvoi nicht angemessen. Hier besteht ebenfalls ein erhöhtes Be129
Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256, 308; vgl. Sonnentag, S. 124, 264 ff. Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 238. 131 Vgl. Sonnentag, S. 123 f.; 263 ff. 132 Vgl. Sonnentag, S. 269 f.; v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 359; Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 227, 238; zur Rom II-VO bereits Sonnentag, ZVglRWiss 105 (2006), 256, 308; vgl. Lagarde, in: Bonomi/Schmidt, S. 18. 133 Für eine Zulassung eines Renvoi bei Rechtsgebieten, in denen es regelmäßig um Statusverhältnisse geht schon Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 227, 238; Sonnentag, S. 269; vgl. auch OLG Karlsruhe, IPRspr. 1978 Nr. 29, S. 47; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 37; ders., in: Leible/Unberath, S. 341, 359 f. 134 Vgl. OLG Karlsruhe, IPRspr. 1978 Nr. 29, S. 47. 135 Vgl. schon Gruber, IPRax 2012, 381, 388. 136 MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn 121; ders., in: Leible/Unberath, S. 341, 371; Finger, FamFR 2011, 434, 435. 130
250
Kap. 4: Die Art der Verweisung (Art. 34 EuErbVO)
dürfnis für einen internationalen Entscheidungseinklang. Die Frage des Güterstandes kann sich ferner – ähnlich wie die Frage nach der Wirksamkeit der Ehe – im Rahmen anderer Bereiche des IPR erneut stellen, bspw. im Erbrecht, wo ohnehin schwierige Schnittstellen zum Güterrecht bestehen.137 Die Renvoiregelung des internationalen Güterrechts muss dabei nicht zwingend Art. 34 EuErbVO entsprechen.138 Denn im Rahmen des EuGüVO-E in seiner aktuellen Fassung wird durch die primäre Anknüpfung an den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach der Eheschließung häufig schon bei der Anknüpfung kein Gleichlauf mit dem Erbstatut erzielt, was auch durch eine Übertragung der Renvoiregelung nicht verhindert wird. Allerdings wird in allen Fällen, in denen der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Todeszeitpunkt dem des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts nach der Eheschließung entspricht, ein Gleichlauf von Erb- und Güterstatut139 erzielt. Insgesamt wäre es m. E. sinnvoll, in den Rechtsbereichen, in denen es regelmäßig um Statusverhältnisse geht, also insbesondere im Rahmen des internationalen Familien- und Erbrechts, eine kohärente Regelung des Renvoi vorzusehen, die durchaus an Art. 34 EuErbVO orientiert sein kann, ergänzt um die notwendigen Klarstellungen (etwa hinsichtlich der Rückverweisung des zweiten Drittstaats). Generell gerechtfertigt ist der Ausschluss des Renvoi, soweit die Parteien das anwendbare Recht durch Rechtswahl bestimmen können. Insbesondere das Argument, dass die eine Rechtswahl treffenden Parteien mit ihrer Wahl das Sachrecht des jeweiligen Staates berufen wollen, trifft verordnungsübergreifend zu. Auch läuft es regelmäßig der mit der Rechtswahl beabsichtigten Rechtssicherheit zuwider, ausländisches Kollisionsrecht zu beachten. Insoweit ist die durch den generellen Ausschluss des Renvoi in den bisherigen Regelungsinstrumenten unbewusst herbeigeführte Kohärenz des EuIPR zu begrüßen.
B. Zusammenfassung Art. 34 Abs. 1 EuErbVO lässt unter gewissen Voraussetzungen Rück- oder Weiterverweisungen zu. Sinn und Zweck der Regelung ist die Gewährleistung des internationalen Entscheidungseinklangs, der zwar nicht immer, aber häufiger als bei einer reinen Sachnormverweisung erzielt werden kann. Ein praktischer Vorteil kann zudem in der Anwendung der lex fori bestehen. Der Renvoi wird zugelassen, wenn der Drittstaat auf das Recht eines Mitgliedstaats zurück- oder weiterverweist; ferner, wenn der durch die EuErbVO berufene Drittstaat auf einen weiteren Drittstaat verweist, der seine Kompetenz akzeptiert. Nicht geregelt ist die Frage, wie mit einer 137
Man denke etwa an das Problem der Qualifikation des § 1371 BGB, vgl. dazu Dörner, in: Dutta/Herrler, S. 73, 77 ff. 138 Erwogen von Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rn. 166. 139 Voraussetzung dafür ist das Fehlen einer Rechtswahl und die Nichtanwendbarkeit der Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO.
B. Zusammenfassung
251
Rück- oder Weiterverweisung auf das Recht eines Mitgliedstaats umzugehen ist. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Verweisungskette an dieser Stelle abzubrechen. Die Renvoivorschrift regelt darüber hinaus insbesondere nicht den Fall, in dem der von der EuErbVO berufene Drittstaat auf das Recht eines anderen Drittstaats verweist, der wiederum auf das Recht eines Mitgliedstaats verweist. Hier ist Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO analog anzuwenden. Nicht vom Wortlaut umfasst sind ferner die Fälle der Verweiskette auf das Recht eines dritten Drittstaats, der die Verweisung akzeptiert und der einer Weiterverweisung auf den zweiten Drittstaat, der auf den von der EuErbVO berufenen Drittstaat zurückverweist. Hier sollte – um den Zweck des internationalen Entscheidungseinklangs so weit wie möglich zu fördern – Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO ebenfalls analog angewendet werden. Generell ist Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO immer dann (analog) anzuwenden, wenn das über Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berufene Recht des Drittstaats zu einer Verweiskette führt, die ein in der Kette berufener Drittstaat zu seinen Gunsten abbricht. Nach Art. 34 Abs. 2 EuErbVO sind Verweisungen aufgrund einer Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO sowie Verweisungen aufgrund der Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO Sachnormverweisungen. Dies ist im Falle der Rechtswahl nachvollziehbar. Nicht überzeugen kann der Ausschluss des Renvoi indes im Rahmen der Ausweichklausel. Dagegen spricht insbesondere die Ähnlichkeit von Regelanknüpfung und Ausweichklausel; es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass die Ausweichklausel einen höheren Differenzierungsgrad aufweist als die Regelanknüpfung. Hinsichtlich der Frage der Kohärenz ist festzustellen, dass sich die Gesetzgebung im Bereich des EuIPR gerade durch eine „bewusste Inkohärenz“ auszeichnet. Kein europäisches Regelungsinstrument lässt bisher den Renvoi zu.140 Lediglich die EuErbVO weicht von diesem Grundsatz ab. Nach der hier vertretenen Auffassung wäre in den Rechtsbereichen, in denen es regelmäßig um Statusverhältnisse geht, also im Rahmen der Rom III-VO und des EuGüVO-E die Zulassung eines Renvoi sinnvoll gewesen, weil hier der internationale Entscheidungseinklang von ähnlich großer Bedeutung ist wie im Rahmen des internationalen Erbrechts. Hier hätte sich m. E. eine an Art. 34 EuErbVO angelehnte Regelung (ergänzt um die notwendigen Klarstellungen) angeboten.
140
Eine Ausnahme findet sich allein in Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO.
Kapitel 5
Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO A. Kohärenz in der Gesetzgebung? I. Die Statuteneinheit als Prinzip des (bisherigen) EuIPR? 1. Grundsätzlich einheitliche Behandlung des Vermögens im Rahmen der EuErbVO und des EuGüVO-E Das bisherige EuIPR zeichnet sich – zumindest in den bisher geregelten Bereichen, in denen grundsätzlich eine Rechtsspaltung eintreten kann – durch Statuteneinheit aus, d. h. durch die einheitliche Berufung einer Rechtsordnung, die nicht nach der Art des Vermögens unterscheidet. Wie bereits ausgeführt, enthält die EuErbVO sowohl bei objektiver Bestimmung des Erbstatuts als auch bei Rechtswahl eine einheitliche Anknüpfung (Nachlasseinheit). Für das Prinzip der Nachlasseinheit wird in EG 37 S. 4 EuErbVO folgendes angeführt: „Aus Gründen der Rechtssicherheit und um eine Nachlassspaltung zu vermeiden, sollte der gesamte Nachlass, d. h. das gesamte zum Nachlass gehörende Vermögen diesem Recht unterliegen, unabhängig von der Art der Vermögenswerte und unabhängig davon, ob diese in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat belegen sind.“
Auch der EuGÜVO-E sieht in seinem Artikel 15 ausdrücklich vor, dass das Güterrechtsstatut einheitlich bestimmt wird.1 Dazu heißt es in der Begründung des Kommissionsentwurfs2 : „In der Verordnung wurde gegen eine Rechtsspaltung entschieden, d. h. das gesamte Vermögen der Ehegatten unterliegt ein und demselben Recht, und zwar dem Recht, das für den betreffenden ehelichen Güterstand gilt. Immobilien nehmen im Vermögen der Ehegatten eine Sonderstellung ein. Eine Möglichkeit wäre, sie dem Recht des Belegenheitsstaats zu unterwerfen (lex rei sitae), womit eine Rechtsspaltung in Kauf genommen würde. Diese Lösung kann jedoch gewisse Komplikationen, insbesondere bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung, nach sich ziehen, da sie zu einer wenig wünschenswerten Spaltung des Güterstandes und zur Anwendung unterschiedlicher Sachrechte auf die verschiedenen Vermögenswerte, aus denen sich das Ehevermögen zusammensetzt, führen würde (während 1 Art. 15 EuGüVO-E lautet: „Das gesamte Vermögen der Ehegatten unterliegt dem gemäß den Artikeln 16, 17 und 18 auf den ehelichen Güterstand anzuwendenden Recht.“ 2 EG 5.3 (S. 8) EuGüVO-E.
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
253
für das Passivvermögen Einheitsrecht gelten würde). In der Verordnung ist daher vorgesehen, dass das auf den Ehegüterstand anzuwendende Recht unabhängig davon, ob es von den Ehegatten gewählt oder mangels Rechtswahl nach Maßgabe anderer Bestimmungen festgelegt wurde, für das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen der Eheleute unabhängig vom Belegenheitsort gilt.“
2. Kein Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut Kohärenz besteht in der Gesetzgebung des bisherigen EuIPR insbesondere insoweit, als keine Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechende Bestimmung vorgesehen ist, die zu einem Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut führen könnte.3 Das bedeutet: Im Bereich des Erb- und Ehegüterrechts umfassen die Verweisungen der jeweiligen Verordnung auch Immobilien in einem Drittstaat, auch wenn die dortigen IPR-Vorschriften aufgrund der Anknüpfung an die lex rei sitae ihr eigenes Recht für anwendbar halten und die von der EuErbVO ausgesprochene Verweisung nicht teilen. Dass dieser Geltungsanspruch der EuErbVO und des EuGüVO-E bzw. des von ihnen berufenen Rechts im Drittstaat nicht durchsetzbar ist, nehmen die Verordnungen offenbar hin.4 3. Fehlende Kohärenz aufgrund unterschiedlicher Renvoiregelung Die im Ausgangspunkt bestehende Kohärenz zwischen der EuErbVO und dem EuGüVO-E hinsichtlich der Frage der Statuteneinheit wird allerdings durch eine unterschiedliche Regelung der Art der Verweisung wieder relativiert. Wie bereits ausgeführt, sind im Rahmen des EuGüVO-E alle Verweisungen Sachnormverweisungen, das IPR eines Drittstaats findet damit keine Beachtung. Durch den Ausschluss von Rück- und Weiterverweisung kann – im Unterschied zum geltenden deutschen Recht5 – auch kein Renvoi zu einer Güterrechtsspaltung führen. Demgegenüber lässt die EuErbVO unter gewissen Voraussetzungen eine Rück- bzw. Weiterverweisung zu. Diese Zulassung von Rück- und Weiterverweisung kann auch zu einer Spaltung des Nachlasses (und damit gerade nicht zur „Statuteneinheit“) führen, nämlich dann, wenn nach der EuErbVO das IPR eines Staates zu beachten ist, das eine unterschiedliche Behandlung von beweglichem und unbeweglichem Nachlassvermögen vorsieht.6
3 Vgl. zur EuErbVO Odersky, notar 2013, 3, 4; Staudinger/Hausmann, Art. 3a EGBGB, Rn. 31; MüKo/Dutta, Art. 25 EGBGB, Rn. 102, Art. 30 EuErbVO, Rn. 9; zum EuGüVO-E Döbereiner, MittBayNot 2011, 463, 465, für eine Einführung eines entsprechenden Vorrangs: Stellungnahme des deutschen Rats für IPR, S. 12 (Artikel III); Martiny, in: FS Kropholler, S. 373, 378; ders., IPRax 2011, 437, 451. 4 Vgl. im Einzelnen unten S. 270 f. 5 Siehe dazu etwa Schotten/Schmellenkamp, § 6, Rn. 149. 6 Vgl. dazu S. 256 ff.
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Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
II. Ausnahmen von der Nachlasseinheit im Rahmen der EuErbVO 1. Rechtliche Nachlassspaltung durch begrenzte Anwendbarkeit des Belegenheitsrechts? a) Art. 1 Abs. 2 lit. 1 EuErbVO Nach Art. 1 Abs. 2 lit. l EuErbVO ist die Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register und deren Voraussetzungen nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung umfasst. EG 18 EuErbVO präzisiert, dass das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird bzw. bei unbeweglichem Vermögen die lex rei sitae, entscheidet, unter welchen Voraussetzungen und bei welchen Stellen die Eintragung vorzunehmen ist. Das soll sich bspw. auf das Eintragungserfordernis im Grundbuch bei Vererbung eines Grundstücks beziehen.7 Dies stellt jedoch nur eine Beschränkung des Erbstatuts und keinen Fall der Nachlassspaltung dar. b) Art. 30 EuErbVO Art. 30 EuErbVO ordnet für die Rechtsnachfolge in bestimmte Vermögenswerte die Geltung bestimmter Regelungen an, die die Rechtsnachfolge von Todes wegen in Bezug auf jene Vermögenswerte aus wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Erwägungen beschränken oder berühren, soweit die Regelungen nach dem Recht dieses Staates unabhängig von dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht anzuwenden sind. Darunter fällt nach EG 54 S. 4 nicht die in einem Staat geltende kollisionsrechtliche Unterscheidung zwischen Mobiliar- und Immobiliarvermögen.8 Vielmehr sind damit lokale Eingriffsnormen gemeint.9 So soll sich die Norm etwa auf Besonderheiten im Landwirtschaftserbrecht beziehen.10 Auch Art. 30 führt demnach keine Nachlassspaltung herbei.
7
Janzen, DNotZ 2012, 484, 487; MüKo/Dutta, Art. 1 EuErbVO, Rn. 32. Beck-OGK/Schmidt, Art. 30 EuErbVO, Rn. 10; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 364; Dutta, FamRZ 2013, 4, 11; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 114; Palandt/Thorn, Art. 30 EuErbVO, Rn. 2; Heinig, RNotZ 2014, 197, 206 f.; Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 48 f.; Hertel, in: Dutta/Herrler, S. 85, 104; Lehmann, ZErb 2013, 25, 30; ders., DStR 2012, 2085, 2088; Richters, ZEV 2012, 576, 578; Schaub, Hereditare 2013, 91, 121; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2396; MüKo/v. Hein, Art. 4 EGBGB, Rn. 131. 9 Vgl. näher Beck-OGK/Schmidt, Art. 30 EuErbVO, Rn. 4 ff. 10 Ratsdokumente Nr. 5811/10 ADD 14, S. 7, Nr. 5811/10 ADD 17, S. 8; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 364; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 112 f.; MüKo/Dutta, Art. 30 EuErbVO, Rn. 8; Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43, 48; Palandt/Thorn, Art. 30 EuErbVO, Rn. 1; Herzog, ErbR 2013, 2, 4; Martiny, IPRax 2012, 119, 129; vgl. Beck-OGK/Schmidt, Art. 30 EuErbVO, Rn. 15. 8
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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c) Art. 33 EuErbVO Art. 33 EuErbVO räumt dem Belegenheitsrecht einen gewissen Spielraum ein.11 Allerdings ist der Anwendungsbereich in zweierlei Hinsicht begrenzt. Er beschränkt sich zum einen auf Fälle eines erbenlosen Nachlasses und erklärt zum anderen nur bestimmte Regelungen für anwendbar, nämlich solche, die ein Aneignungsrecht des Staates zum Gegenstand haben. Inhaltlich legt die Norm fest, dass trotz ausländischen Erbstatuts der Mitgliedstaat (Inland) sich das in seinem Hoheitsgebiet belegene Nachlassvermögen aneignen darf, wenn die Gläubiger berechtigt sind, aus dem gesamten Nachlass Befriedigung ihrer Forderung zu suchen. Die Norm löst damit ein Qualifikationsproblem, das nach den bisherigen Regelungen aufgrund einer Kollision zwischen Erbrecht und Aneignungsrecht zweier Staaten entstehen kann. Hier handelt es sich um einen Fall der Nachlassspaltung; allerdings nur um eine partielle12, denn nur das Aneignungsrecht des Belegenheitsstaates hat Vorrang, die Erbfolge im Übrigen bleibt davon unberührt. d) Art. 12 EuErbVO Bonomi und Schmidt vertreten, im Falle des Art. 12 EuErbVO13 komme es zu einer „Nachlassspaltung“.14 Eine rechtliche Nachlassspaltung liegt hier allerdings nicht vor.15 Diese zeichnet sich dadurch aus, dass aus Sicht des Gerichts zwei verschiedene Rechtsordnungen auf die Erbfolge anzuwenden sind, abhängig von der Art des Vermögens. Bei Art. 12 EuErbVO wird der Nachlass aus der Sicht des angerufenen Gerichts jedoch nicht zwei verschiedenen Rechtsordnungen unterworfen, sondern nur einer, denn es bleibt beim einheitlichen Erbstatut nach Art. 21 oder 22 EuErbVO. Art. 12 EuErbVO beschränkt lediglich den Umfang der Entscheidung des 11 Art. 33 EuErbVO lautet: „Ist nach dem nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht weder ein durch Verfügung von Todes wegen eingesetzter Erbe oder Vermächtnisnehmer für die Nachlassgegenstände noch eine natürliche Person als gesetzlicher Erbe vorhanden, so berührt die Anwendung dieses Rechts nicht das Recht eines Mitgliedstaates oder einer von diesem Mitgliedstaat für diesen Zweck bestimmten Einrichtung, sich das im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates belegene Nachlassvermögen anzueignen, vorausgesetzt, die Gläubiger sind berechtigt, aus dem gesamten Nachlass Befriedigung ihrer Forderungen zu suchen.“ 12 MüKo/Dutta, Art. 33 EuErbVO, Rn. 8. 13 Art. 12 Abs. 1 EuErbVO lautet: „Umfasst der Nachlass des Erblassers Vermögenswerte, die in einem Drittstatt belegen sind, so kann das in der Erbsache angerufene Gericht auf Antrag einer der Parteien beschließen, über einen oder mehrere dieser Vermögenswerte nicht zu befinden, wenn zu erwarten ist, dass seine Entscheidung in Bezug auf diese Vermögenswerte in dem betreffenden Drittstatt nicht anerkannt oder gegebenenfalls nicht für vollstreckbar erklärt wird.“ 14 Beck-OGK/Schmidt, Art. 12 EuErbVO, Rn. 16; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 12 EuErbVO, Rn. 13. 15 Klarer MüKo/Dutta, Art. 12 EuErbVO, Rn. 1, der von einer „Ausnahme zum Grundsatz der zuständigkeitsrechtlichen Nachlasseinheit“ (eigene Hervorhebung) spricht.
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Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
Gerichts auf einen Teil des Nachlasses und schließt den im Drittstaat belegenen Teil des Nachlasses von seiner Entscheidung aus. Dafür muss damit zu rechnen sein, dass die Entscheidung des Gerichts des Mitgliedstaats im Drittstaat nicht anerkannt wird. Dies ist insbesondere der Fall bei Staaten, die eine exklusive Kompetenz für im Inland belegene Immobilien vorsehen.16 Erfolgt eine Beschränkung der Zuständigkeit nach Art. 12 Abs. 1 EuErbVO, unterliegt der Nachlass zwar im Ergebnis (faktisch) zwei unterschiedlichen Rechten. Dies würde er jedoch auch, wenn das Gericht seine Zuständigkeit nicht nach Art. 12 EuErbVO beschränkt hätte. Denn auch wenn das Gericht bspw. über eine im Drittstaat belegene Immobilie mitentscheidet, wäre dessen Entscheidung nicht durchsetzbar, wenn sie im Drittstaat nicht anerkannt wird. Somit ist die Nachlassspaltung nicht Folge des Art. 12 EuErbVO; dieser reagiert vielmehr auf die (drohende) faktische Nachlassspaltung.17 e) Zwischenergebnis Auch wenn die EuErbVO gewisse Normen des Belegenheitsrechts bestehen lässt, führt dies nicht zu einer Nachlassspaltung im Sinne einer Vererbung verschiedener Nachlassteile nach unterschiedlichen Rechten. 2. Rechtliche Nachlassspaltung durch Gesamtverweisung auf das Recht eines Drittstaats a) Berufung des Rechts eines Drittstaats aa) Grundsätzlicher Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht Eine Nachlassspaltung kann durch Rück- oder Weiterverweisung entstehen. Dafür muss allerdings durch die EuErbVO das Recht eines Drittstaats berufen werden. Damit die EuErbVO überhaupt Anwendung finden kann, muss die internationale Zuständigkeit eines Mitgliedstaats gegeben sein. Die Grundregel der internationalen Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten findet sich in Art. 4 EuErbVO. Danach sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Der Verordnungsgeber hat sich damit – wie bereits ausgeführt – bewusst (EG 27) für einen grundsätzlichen Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht entschieden.18 Denn auch beim anwendbaren Recht wird regelmäßig an den ge16
Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 12 EuErbVO, Rn. 2; vgl. auch MüKo/Dutta, Art. 12 EuErbVO, Rn. 6. 17 Vgl. dazu im Einzelnen unten S. 282. 18 Cach/Weber, ZfRV 2013, 263, 269; Dörner, ZEV 2012, 505, 509; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 206; Hess, in: Dutta/Herrler, S. 131, 132; Schmidt, ZEV 2014, 389, 390; Bajons, in:
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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wöhnlichen Aufenthalt angeknüpft (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Damit wenden die Gerichte der Mitgliedstaaten im Regelfall ihr eigenes Recht an, womit sie entlastet werden sollen. Bei gewöhnlichem Aufenthalt im Mitgliedstaat bezieht sich die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats auf den gesamten weltweiten Nachlass, unabhängig von der Belegenheit des Vermögens.19 Folge der Zuständigkeitsregeln der EuErbVO ist, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten bei einem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs der EuErbVO (also in einem Drittstaat) grundsätzlich nicht international zuständig sind, sodass sich das Problem der Anwendung eines (möglicherweise eine Nachlassspaltung vorsehenden) Drittstaatenrechts im Regelfall nicht stellt. bb) Möglichkeiten eines Auseinanderfallens von Zuständigkeit und anwendbarem Recht (1) Zuständigkeit trotz fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat und Anwendung des Aufenthaltsrechts Grundsätzlich erforderlich für die Berufung des Rechts eines Drittstaats ist damit, dass forum und ius auseinanderfallen. Eine solche Diskrepanz zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht kann vorliegen, wenn trotz fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat eine Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats besteht, gleichzeitig aber das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts Erbstatut ist. Zum einen kann sich eine subsidiäre Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO ergeben. Voraussetzung dafür ist, dass sich Nachlassvermögen im Mitgliedstaat befindet20 und dass der Erblasser entweder Staatsangehöriger des Mitgliedstaats im Zeitpunkt seines Todes war oder dass er in den letzten fünf Jahren im Mitgliedstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Zum anderen besteht nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO eine subsidiäre, auf den im MitSchauer/Scheuba, S. 29, 30 f.; Bonomi, in: Liber Amicorum Siehr, S. 165; Meyer, S. 57; Bonomi/Wautelet/Bonomi, Introduction, Rn. 41, Art. 4 EuErbVO, Rn. 5, Art. 21 EuErbVO, Rn. 10; Burandt, FuR 2013, 377, 379; Burandt/Jensen, NWB 2012, 3380, 3382; Burandt, S. 34; Dörner, ZEV 2010, 221, 222; ders., ZEV 2012, 505, 509; Dutta, FamRZ 2013, 4, 6; ders., IPRax 2015, 32; Fischer-Czermak, in: Schauer/Scheuba, S. 43; Gaudemet-Tallon, in: Khairallah/Revillard (2010), S. 123; Geimer, in: Hager, S. 9, 17; Godechot-Patris, Recueil Dalloz 2012, 2462, 2467; Herzog, ErbR 2013, 2, 5; Kunz, GPR 2012, 208; Lange, ZVglRWiss 110 (2011), 426, 428; Remde, RNotZ 2012, 65, 72; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2394; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 21; Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 1; Wagner/Scholz, FamRZ 2014, 714, 715; Wilke, RIW 2012, 601, 604; MüKo/Dutta, Art. 4 EuErbVO, Rn. 2; Scherer/Pawlytta/Pfeiffer, § 33, Rn. 211; Mankowski, IPRax 2015, 39 f.; vgl. Rats-Dok. 15247/ 10, S. 2; Camara, IPRax 2011, 198; Clavel, Rn. 794. 19 Vgl. Art. 4 EuErbVO; Beck-OGK/Schmidt, Art. 4 EuErbVO, Rn. 1, 36; Müller-Lukoschek, § 2, Rn. 209. 20 Ob es sich um bewegliches oder unbewegliches Nachlassvermögen handelt, spielt keine Rolle, vgl. Beck-OGK/Schmidt, Art. 10 EuErbVO, Rn. 8 m.w.N.
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Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
gliedstaat befindlichen Nachlass beschränkte Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, wenn die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 EuErbVO nicht vorliegen. Darüber hinaus enthält Art. 11 EuErbVO eine Notzuständigkeit. In allen Fällen bleibt es grundsätzlich bei der Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO.21 (2) Zuständigkeit aufgrund gewöhnlichen Aufenthalts und keine Anwendung des Aufenthaltsrechts Ferner laufen Zuständigkeit und anwendbares Recht nicht gleich, wenn zwar eine Zuständigkeit des Gerichts eines Mitgliedstaats aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 4 EuErbVO) besteht, beim anwendbaren Recht aber nicht an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft wird. Dies ist der Fall, wenn die Ausweichklausel (Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) zur Anwendung kommt oder wenn der Erblasser eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO getroffen hat. Im letzteren Fall kann es jedoch in zwei Konstellationen wieder zu einem Gleichlauf kommen, wenn das gewählte Recht das eines Mitgliedstaats ist. Zum einen, wenn die Verfahrensbeteiligten eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO getroffen haben; in diesem Fall hat sich das (zuerst angerufene) Gericht des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 4 EuErbVO) für unzuständig zu erklären, Art. 6 lit. b EuErbVO; dann folgt die Zuständigkeit des Gerichts des Mitgliedstaats, dessen Recht gewählt wurde, aus Art. 7 lit. a bzw. b EuErbVO. Zum anderen, wenn sich das nach Art. 4 EuErbVO zuständige Gericht ohne Gerichtsstandsvereinbarung allein aufgrund der Rechtswahl für unzuständig erklärt (Art. 6 lit. a EuErbVO). Im Unterschied zum Fall der Gerichtsstandsvereinbarung ist es in diesem Fall jedoch nicht verpflichtet, sich für unzuständig zu erklären. Tut es dies dennoch, folgt eine Zuständigkeit des Gerichts, dessen Recht gewählt wurde aus Art. 7 lit. a EuErbVO. Sinn und Zweck dieser Mechanismen ist die Wahrung des Gleichlaufs von Zuständigkeit und anwendbarem Recht auch bei Vornahme einer Rechtswahl (vgl. EG 27).22 Bei Anwendung der Ausweichklausel (Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) ist von vornherein nicht vorgesehen, dass die Zuständigkeit dem anwendbaren Recht folgt.23 Teilweise wird hier eine analoge Anwendung der Art. 5 ff. EuErbVO befürwortet;24 dagegen spricht aber (wohl) der Wille des Gesetzgebers.25 21
Vgl. aber Beck-OGK/Schmidt, Art. 21 EuErbVO, Rn. 19.2, die bei Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO ganz erhebliche Bezugspunkte zum Forumstaat sieht und deshalb (wohl) für die Anwendung der Ausweichklausel plädiert. 22 Vgl. Beck-OGK/Schmidt, Art. 4 EuErbVO, Rn. 5; Dutta, FamRZ 2013, 4, 6; Hess, in: Dutta/Herrler, S. 131, 133; Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 21. 23 Solomon, in: Dutta/Herrler, S. 19, 21; Weber, S. 113 f. 24 So Schauer, JEV 2012, 78, 81; Lurger/Melcher, Rn. 3/31. 25 Vgl. die Aussage des Berichterstatters Lechner, in: Dutta/Herrler, S. 5, 11; so auch MüKo/Dutta, vor Art. 4 ff. EuErbVO, Rn. 11; Dutta, IPRax 2015, 32, 36; Bajons, in: Schauer/ Scheuba, S. 29, 32 (dort Fn. 9).
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Dass die EuErbVO bei Anwendbarkeit der Ausweichklausel keinen Wechsel der Zuständigkeit vorsieht, ist kritisch zu beurteilen. Das zeigt der Vergleich zur Rechtswahl, bei der der Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht zumindest realisiert werden kann, wenn das Recht eines Mitgliedstaats gewählt wurde (vgl. Art. 6 und 7 EuErbVO). Gegen eine Vergleichbarkeit könnte man zwar anführen, dass die Rechtswahl bereits bei Anrufung des Gerichts feststeht und relativ schnell ermittelt werden kann, wohingegen die Frage, ob die Ausweichklausel anwendbar ist, einer intensiveren Prüfung bedarf. Dagegen spricht aber, dass auch die Prüfung der Wirksamkeit der Rechtswahl im Einzelfall schwierig und aufwendig sein kann, Art. 6 und 7 setzen aber eine wirksame Rechtswahl voraus.26 Ferner kann auch ein eine Rechtswahl enthaltendes Testament erst im Laufe des Verfahrens auftauchen. Gegen den Wechsel der Zuständigkeit bei Anwendbarkeit der Ausweichklausel wird zudem angeführt, dass das Verfahren nach Art. 5 ff. EuErbVO für das Gericht und die Beteiligten belastend sei und die Unsicherheiten der Ausweichklausel auf die Zuständigkeitsvorschriften ausgedehnt würden.27 Dagegen spricht, dass die Art. 5 ff. EuErbVO letztlich zum Gericht des Lebensmittelpunkts des Erblassers und damit i. d. R. auch der am Verfahren beteiligten, nämlich seiner Familienangehörigen führt. Schließlich führt Dutta an, dass der Richter möglicherweise erst zum Ende des Verfahrens zur Erkenntnis gelange, dass die Ausweichklausel Anwendung finden soll.28 Dies ist indes nach der hier vertretenen Ansicht unwahrscheinlich, da danach die Ausweichklausel nur anwendbar ist, wenn mangels physischer Präsenz im Staat der überwiegenden Lebensinteressen kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden kann.29 In einem solchen Fall dürfte der Richter den Ort dieser überwiegenden Lebensinteressen bereits relativ schnell feststellen, ansonsten ist die Ausweichklausel nicht anwendbar. Folge der Regelung der EuErbVO ist, dass bei Anwendbarkeit der Ausweichklausel sowohl im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander als auch im Verhältnis zu Drittstaaten Zuständigkeit und anwendbares Recht auseinanderfallen. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht im Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts der Auffassung ist, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO anwendbar ist, besser entscheiden können. (3) Zuständigkeit trotz fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts im Mitgliedstaat und Anwendung eines abweichenden Rechts aufgrund Art. 21 Abs. 2 oder Art. 22 EuErbVO Ferner fallen forum und ius auseinander, wenn der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hatte, die Gerichte eines solchen dennoch gemäß Art. 10 oder 11 EuErbVO international zuständig sind und ein vom Recht des 26 27 28 29
Vgl. MüKo/Dutta, Art. 6 EuErbVO, Rn. 5. MüKo/Dutta, vor Art. 4 ff. EuErbVO, Rn. 11; Dutta, IPRax 2015, 32, 36. MüKo/Dutta, vor Art. 4 ff. EuErbVO, Rn. 11. Vgl. oben S. 143.
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Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
Mitgliedstaats abweichendes Recht aufgrund von Art. 21 Abs. 2 oder Art. 22 EuErbVO anwendbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Erblasser das Recht eines Mitgliedstaats gewählt hat, das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aber gem. Art. 10 EuErbVO zuständig ist und sich nicht nach Art. 6 EuErbVO für unzuständig erklärt.30 Es ist ferner der Fall, wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats zuständig ist, der Erblasser aber das Recht eines Drittstaats nach Art. 22 EuErbVO gewählt hat. Dann kommt es zu einem Auseinanderfallen von forum und ius, weil Art. 6 und 7 EuErbVO nicht anwendbar sind. In diesem Fall kann eine Zuständigkeit aus Art. 10 EuErbVO folgen, wobei dessen lit. a nur bei Mehrstaatern denkbar ist, ansonsten ist das gewählte Recht nicht das Recht eines Drittstaats. Ferner kann in Ausnahmefällen eine Zuständigkeit durch Art. 11 EuErbVO begründet werden. Zuständigkeit und anwendbares Recht fallen darüber hinaus auseinander, wenn die Ausweichklausel (Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) bei bestehender Zuständigkeit eines Mitgliedstaats (Art. 10 EuErbVO) zum Recht eines anderen Mitgliedstaats oder zum Recht eines Drittstaats führt. b) Keine Berufung des Drittstaatenrechts durch Rechtswahl oder Ausweichklausel Wie bereits ausgeführt, liegt im Falle der Rechtswahl und im Falle der Ausweichklausel generell eine Sachnormverweisung vor (Art. 34 Abs. 2 EuErbVO).31 Auch wenn dies in Hinblick auf die Ausweichklausel verfehlt ist,32 ist der eindeutige Wortlaut des Art. 34 Abs. 2 EuErbVO zu akzeptieren. Eine Nachlassspaltung durch Renvoi ist damit bei einer Rechtswahl und bei Anwendung der Ausweichklausel ausgeschlossen. Diese kommt nur in Betracht, wenn bei Zuständigkeit eines Mitgliedstaats aufgrund der Anknüpfung nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO das Recht eines Drittstaats angewendet wird.33 Sie kann demnach nur eintreten, wenn die internationale Zuständigkeit des Mitgliedstaats gerade auf Art. 10 oder 11 (und nicht auf Art. 4 EuErbVO) beruht.
30 Dies ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn auch eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte des Staates, deren Recht gewählt wurde, getroffen wurde, denn dann hat sich auch das nach Art. 10 EuErbVO zuständige Gericht für unzuständig zu erklären, vgl. Art. 6 lit b EuErbVO. 31 Vgl. oben S. 239. 32 Vgl. oben S. 243. 33 Dörner, ZEV 2012, 505, 511.
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c) Teilweise Rück- oder Weiterverweisung aa) Grundsatz Voraussetzung für eine Nachlassspaltung durch Renvoi ist ferner, dass das ausländische IPR teilweise zurück- oder weiterverweist.34 bb) Grundstück im Mitgliedstaat Der typische – und wohl am häufigsten vorkommende – Fall der teilweisen Rückoder Weiterverweisung liegt vor, wenn auf das Recht eines Drittstaats verwiesen wird, der zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterscheidet und das unbewegliche Vermögen der lex rei sitae unterwirft. Dies tut bspw. das englische Recht.35 Befindet sich ein zum Nachlass gehörendes Grundstück in einem Mitgliedstaat, liegt in einem solchen Fall eine Gesamtverweisung vor (Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO), da auf das Recht eines Mitgliedstaats zurück- oder weiterverwiesen wird, Die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats kann sich in diesem Fall aus Art. 10 Abs. 1 EuErbVO ergeben. Voraussetzung dafür wäre ein vorheriger gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers in dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb der letzten fünf Jahre oder die entsprechende Staatsangehörigkeit und die Belegenheit von Nachlassvermögen in diesem Staat. Dieses Nachlassvermögen kann mit der die Nachlassspaltung auslösenden Immobilie identisch sein, muss es aber nicht. Identisch sind beide etwa, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in England hat, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und zu seinem Nachlass ein in Deutschland belegenes Grundstück gehört. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ist aufgrund der Staatsangehörigkeit und der Belegenheit des Grundstücks gem. Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO zu bejahen. Die nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ausgesprochene Berufung des englischen Rechts führt zu einer teilweisen, auf das Grundstück bezogenen Rückverweisung auf das deutsche Recht als lex rei sitae. Da das englische IPR auf einen Mitgliedstaat zurückverweist, handelt es sich nach Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO um eine Gesamtverweisung. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn der Erblasser statt der deutschen Staatsangehörigkeit innerhalb der letzten fünf Jahre in Deutschland seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das die Nachlassspaltung auslösende Vermögen kann jedoch auch ein anderes als das die Zuständigkeit begründende Vermögen sein. So liegt es, wenn der deutsche Erblasser statt des Grundstücks in Deutschland ein Grundstück in Frankreich hat und 34
Kritisch zur Möglichkeit eines Teilrenvoi Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 558 f.; DNotIStudie, S. 274; v. Hein, in: Leible/Unberath, S. 341, 378 f. 35 Das gilt für alle britischen Teilrechtsordnungen, vgl. Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 EGBGB, Rn. 281; vgl. auch Beck-OGK/Schmidt, Art. 34 EuErbVO, Rn. 15 ff.; MüKo/Dutta, Art. 34 EuErbVO, Rn. 8; Lehmann, ZErb 2013, 25, 30; Mansel, in: Liber Amicorum Schurig, S. 182.
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Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
zu seinem Nachlass ein deutsches Bankkonto gehört. Hier liegt ein Fall der Weiterverweisung auf das Recht eines Mitgliedstaats vor. An der Zuständigkeit ändert sich nichts, da der Erblasser immer noch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und über Nachlassvermögen in Deutschland (hier allerdings bestehend aus dem Bankkonto) verfügt. Das englische Recht wäre grundsätzlich nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berufen, es würde hinsichtlich des Grundstücks allerdings auf den Belegenheitsort der Sache (Frankreich) weiterverweisen (Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO). Auch hier kann der Erblasser statt der deutschen Staatsangehörigkeit seinen vorherigen, nicht länger als fünf Jahre zurückliegenden gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Im Zusammenhang mit der Teilrückverweisung stellt sich im Übrigen hinsichtlich der Regelung des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO die (eher theoretische) Frage, ob – wenn die Voraussetzungen des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO nur bzgl. eines Nachlassteils gegeben sind – sich die Verweisung der EuErbVO auch nur als eine „Teilgesamtverweisung“ versteht. Auswirkungen hätte dies nur, wenn die betreffende ausländische Rechtsordnung die Nachlassspaltung kennt, aber bzgl. des beweglichen Vermögens ein anderes Anknüpfungskriterium als das des gewöhnlichen Aufenthalts vorsieht. Regelmäßig knüpfen jedoch die die Nachlassspaltung vorsehenden Staaten hinsichtlich des beweglichen Vermögens an den gewöhnlichen Aufenthalt oder den diesem im Regelfall entsprechenden Wohnsitz oder Domicile an, sodass die praktische Relevanz dieser Fallgruppe gering sein dürfte. Anders liegt es aber, wenn ein armenischer Erblasser bspw. seinen Wohnsitz in Georgien hat, aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Armenien und sein Vermögen ein Grundstück in Deutschland umfasst. Hier wäre aus deutscher Sicht36 nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO im Ausgangspunkt armenisches Recht anwendbar, dieses würde hinsichtlich des deutschen Grundstücks auf das „Recht eines Mitgliedstaats“ (Art. 34 Abs. 1 lit a EuErbVO) zurückverweisen. Hinsichtlich des Grundstücks läge also eine Gesamtverweisung durch die EuErbVO vor. Hinsichtlich des beweglichen Vermögens würde das armenische IPR37 aber auf das Wohnsitzrecht von Georgien weiterverweisen, das aufgrund der dortigen Staatsangehörigkeitsanknüpfung38 die Verweisung nicht akzeptiert (Rückverweisung auf das Recht von Armenien). Nach dem Wortlaut des Art. 34 EuErbVO sind die Voraussetzungen für eine Gesamtverweisung nicht gegeben, denn der „andere Drittstaat“ (Georgien) akzeptiert die Verweisung des (ersten) Drittstaats (Armenien) nicht.39 Aufgrund des Passus („soweit diese zurückoder weiterverweisen […]“) in Art. 34 EuErbVO müsste aus Sicht der EuErbVO eine Teilgesamtverweisung vorliegen, d. h. nur der Teil des armenischen IPR berufen sein, 36
Eine Zuständigkeit nach der EuErbVO ließe sich über Art. 10 Abs. 1 lit b EuErbVO begründen, wenn der Erblasser seinen vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, der bei Anrufung des Gerichts nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. 37 Siehe dazu Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 53 f. 38 Beck-OK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 86. 39 Hier ist m. E. Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO analog anzuwenden, vgl. bereits oben S. 252.
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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der die lex rei sitae für das Grundstück beruft, die EuErbVO im Übrigen aber eine Sachnormverweisung aussprechen. cc) Grundstück im (verwiesenen) Drittstaat Theoretisch möglich ist ebenfalls ein Fall der teilweisen Rückverweisung, wenn nicht hinsichtlich des unbeweglichen, sondern hinsichtlich des beweglichen Vermögens auf das Recht eines Mitgliedstaats zurück- oder weiterverwiesen wird. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Erblasser bspw. seinen Wohnsitz in Deutschland hat, aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Armenien, und sein Vermögen ein Grundstück in Armenien umfasst. Nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ist das Recht von Armenien berufen, das hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens die lex rei sitae anwendet und hinsichtlich des beweglichen Vermögens das Recht des Wohnsitzes. Hinsichtlich dieses Vermögens wird damit auf deutsches Recht zurückverwiesen und diese Verweisung nach Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO angenommen. dd) Grundstück im (zweiten) Drittstaat Möglich ist auch die Verweisung auf das Recht eines zweiten Drittstaats, der diese Verweisung annimmt. Dies wäre bspw. der Fall bei einem (deutschen) Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in England, zu dessen Vermögen ein Grundstück in Florida gehört. Das von Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berufene englische Recht verweist hinsichtlich des Grundstücks auf das Recht von Florida als Belegenheitsrecht, welches die Verweisung aufgrund der dort ebenfalls geltenden Anknüpfung an die lex rei sitae40 annimmt. Daher liegen die Voraussetzungen einer Gesamtverweisung nach Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO vor. Die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats würde sich auch hier ergeben, wenn der Erblasser Angehöriger des Mitgliedstaats ist oder seinen vorherigen, nicht länger als fünf Jahre zurückliegenden gewöhnlichen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat hatte und sich dort (anderes) Nachlassvermögen befindet. ee) Entsprechende Fallgruppen bei Art. 11 EuErbVO Die genannten Fallgruppen können sich ebenfalls stellen, wenn sich die Zuständigkeit der Gerichte aus Art. 11 EuErbVO ergibt. Dieser sieht eine Notzuständigkeit eines Mitgliedstaats vor, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, ein Verfahren im Drittstaat, mit dem die Sache einen engen Bezug aufweist, einzuleiten oder zu führen. Art. 11 EuErbVO ist eine Ausnahmevorschrift, die nur in Extremfällen wie dem eines Bürgerkriegs (EG 31) greift.41 Jedoch wäre auch bei ihr eine Nachlassspaltung denkbar, sollte der Drittstaat eine solche vorsehen. 40 Sämtliche Einzelstaaten der USA unterwerfen den unbeweglichen Nachlass der lex rei sitae, vgl. Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 926. 41 Vgl. näher Beck-OGK/Schmidt, Art. 11 EuErbVO, Rn. 13.
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Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
ff) Entsprechende Fallgruppen bei Art. 10 Abs. 2 EuErbVO Eine teilweise Rückverweisung durch das IPR eines Drittstaats ist ebenfalls möglich bei Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO. Dieser sieht eine auf den im Mitgliedstaat befindlichen Nachlass beschränkte Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten vor, wenn die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 EuErbVO nicht gegeben sind. Eine Nachlassspaltung durch Renvoi wäre hier bspw. in folgendem Fall gegeben: Der englische Erblasser mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in England hat ein Grundstück in Deutschland und mehrere Konten in Deutschland und England. Ein deutscher (potenzieller) Erbe mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland beantragt vor einem deutschen Gericht einen gegenständlich beschränkten Erbschein. Aus Art. 4 EuErbVO ergibt sich keine Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats. Die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 EuErbVO liegen nicht vor, weil der Erblasser weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats noch in einem solchen in den letzten fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ein Fall des Artikels 11 EuErbVO liegt nicht vor. Damit bleibt nur eine auf das in Deutschland belegene Grundstück beschränkte Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO. Gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ist das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts, also englisches Recht anwendbar. Das englische Recht verweist bzgl. der Immobilie auf deutsches Recht zurück, diese Verweisung ist gem. Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO anzunehmen. Damit findet nur auf das in Deutschland belegene Grundstück deutsches Recht Anwendung, der Rest des Nachlasses unterliegt dem englischen Recht. Darunter fiele bspw. ein deutsches Konto, nicht aber ein englisches, weil es insoweit an einer Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO fehlt. 3. Rechtliche Nachlassspaltung durch Rechtswahl? a) Grundsatz Zukünftig kann durch Rechtswahl grundsätzlich keine Nachlassspaltung mehr erfolgen, weil auch das nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO gewählte Recht für die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen gilt.42 Dies gilt auch im Verhältnis zu Drittstaaten, die eine Nachlassspaltung vorsehen. Art. 34 Abs. 2 EuErbVO legt in diesem Zusammenhang fest, dass eine Verweisung durch Rechtswahl immer eine Sachnormverweisung ist. Daraus folgt, dass, auch wenn ein Recht gewählt wird, das eine Nachlassspaltung vorsieht, diese aus Sicht der Mitgliedstaaten ohne Relevanz ist.
42
Siehe oben S. 164.
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b) Gegenständlich beschränkte Rechtswahl im Übergangszeitraum Wie bereits oben43 dargestellt, gilt gem. Art. 83 Abs. 2 EuErbVO folgende Besonderheit: Eine Rechtswahl, die vor dem 17. 8. 2015 erfolgt ist, ist wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III der EuErbVO erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des IPR in dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts oder der Staatsangehörigkeit des Erblassers wirksam ist. Damit ist eine Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB wirksam, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Rechtswahl entweder Deutscher ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und die Rechtswahl vor dem 17. 8. 2015 trifft. Da eine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB nur bzgl. des im Inland belegenen unbeweglichen Vermögens gilt, führt sie bei gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb Deutschlands (im Zeitpunkt des Todes) zu einer Nachlassspaltung, da sich das Erbstatut im Übrigen (grundsätzlich) nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO bestimmt.44 c) Teilrechtswahl bei gegenständlich beschränkter Zuständigkeit? Bonomi ist der Auffassung, im Falle einer gegenständlich beschränkten Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO bzw. Art. 12 EuErbVO sei auch eine gegenständlich beschränkte Rechtswahl zuzulassen.45 Dagegen wendet sich Heinig.46 Er führt aus, dass Zulässigkeit und Wirksamkeit der Rechtswahl spätestens im Todeszeitpunkt feststehen müssten und nicht davon abhängig gemacht werden könnten, dass später eine bestimmte gerichtliche Zuständigkeit in Anspruch genommen wird.47 Darüber hinaus bestünde die Möglichkeit, dass in anderen, denselben Erblasser betreffenden Verfahren der Verfahrensgegenstand nicht nach Art. 10 Abs. 2 und Art. 12 EuErbVO beschränkt wird. Die Teilrechtswahl müsse in diesen Verfahren unwirksam sein, dies führe u. U. zu divergierenden Entscheidungen.48 Bonomi ist demgegenüber der Auffassung, ein Amerikaner mit gewöhnlichem Aufenthalt in den USA könnte für seine in Frankreich belegenen Vermögensgegenstände französisches Recht wählen, wenn die Zuständigkeit der französischen Gerichte ohnehin nach Art. 10 Abs. 2 oder 12 EuErbVO auf das in Frankreich befindliche Vermögen beschränkt sei.49
43 44 45 46 47 48 49
Vgl. S. 214 ff. Vgl. Leitzen, ZEV 2013, 128, 129. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 44. Heinig, RNotZ 2014, 197, 206. Heinig, RNotZ 2014, 197, 206. Heinig, RNotZ 2014, 197, 206. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 44.
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Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
Eine Teilrechtswahl ist auch bei gegenständlich beschränkter Zuständigkeit abzulehnen. Zwar besteht die Gefahr divergierender Entscheidungen in verschiedenen Mitgliedstaaten nicht bei Art. 10 Abs. 2 EuErbVO, denn dieser greift nur subsidiär, wenn sich keine Zuständigkeit der Gerichte von Mitgliedstaaten nach Art. 4 oder Art. 10 Abs. 1 EuErbVO ergibt. Zwar können Gerichte in verschiedenen Mitgliedstaaten jeweils nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO zuständig sein, dann ist aber auch die Entscheidungskompetenz der Gerichte im jeweiligen Mitgliedstaat auf den im Inland belegenen Nachlass beschränkt, sodass eine Teilrechtswahl nicht die Gefahr divergierender Entscheidung begründen würde.50 Eine solche besteht aber möglicherweise bei Kompetenz mehrerer Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO (verbunden mit einer Beschränkung nach Art. 12 EuErbVO).51 Die Verordnung lässt eine Rechtswahl zudem nur in den Grenzen des Art. 22 EuErbVO zu, und dieser erlaubt nur, dass das Heimatrecht für den gesamten Nachlass gewählt wird.52 Von einer Zuständigkeitsvorschrift ist zudem nicht auf das anwendbare Recht und schon gar nicht auf die Möglichkeit einer Rechtswahl zu schließen. Heinig ist darüber hinaus darin zuzustimmen, dass die Voraussetzungen einer Rechtswahl im Todeszeitpunkt vorliegen müssen und nicht davon abhängen können, auf welche Kompetenznorm sich später das Gericht stützt. Eine solche Abhängigkeit von dem später angerufenen Gericht würde der Rechtssicherheit, die auch mit einer Rechtswahl erreicht werden soll,53 zuwiderlaufen. Eine auf Art. 22 EuErbVO basierende Rechtswahl kann daher aus Sicht der EuErbVO nur für den gesamten Nachlass wirken, auch wenn sie – hält das ausländische IPR sie für unwirksam – faktisch nur für den im Inland belegenen Nachlass gilt.54 Das Beispiel Bonomis ist zudem schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil es auch bei Art. 10 Abs. 2 oder bei Art. 12 EuErbVO dabei bleibt, dass der Erblasser nur sein Heimatrecht wählen kann. Französisches Recht ist deshalb im Beispielsfall55 aus Sicht der EuErbVO von vornherein nicht wählbar.
50
Insoweit trifft der Einwand Heinigs (RNotZ 2014, 197, 206) nicht zu. Möglich ist diese bei einem Mehrstaater mit Nachlassvermögen in beiden Staaten (die Zuständigkeit beider Mitgliedstaaten stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO), bei einem Erblasser mit früherem gewöhnlichen Aufenthalt und Nachlassvermögen sowohl in dem einen als auch in dem anderen Mitgliedstaat (die Zuständigkeit beider Mitgliedstaaten stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 lit. b EuErbVO) oder bei Staatsangehörigkeit und Vermögen in einem und früherem gewöhnlichen Aufenthalt und Vermögen im anderen Mitgliedstaat (Zuständigkeit im Mitgliedstaat A basiert auf Art. 10 Abs. 1 lit a, die im Mitgliedstaat B auf Art. 10 Abs. 1 lit. b EuErbVO), vgl. MüKo/Dutta, Art. 10 EuErbVO, Rn. 12. 52 Vgl. Beck-OGK/Schmidt, Art. 22 EuErbVO, Rn. 35. 53 Vgl. oben S. 160. 54 Vgl. dazu unten S. 276. 55 Der Beispielsfall eines Amerikaners mit gewöhnlichem Aufenthalt in den USA, bei dem Bonomi annimmt, er könnte für seine in Frankreich belegenen Vermögensgegenstände französisches Recht wählen (Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 44). 51
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
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d) Teilrechtswahl aufgrund des objektiv berufenen Erbstatuts Wie ausgeführt, ist unter gewissen Voraussetzungen auch eine über Art. 22 EuErbVO hinausgehende Rechtswahl zulässig, wenn sie aufgrund des nach objektiver Anknüpfung anwendbaren Rechts gewährt wird. Theoretisch denkbar ist, wie im Rahmen des deutschen Rechts dargestellt,56 dass die Nachlassspaltung durch Rechtswahl gemäß dem nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO objektiv berufenen Recht entsteht. So wäre – wie im Beispielsfall zum deutschen Recht – der deutsche Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Québec nach dem dortigen IPR befugt, Immobilien dem Belegenheitsrecht zu unterstellen. Wählt er für ein in Deutschland belegenes Grundstück deutsches Recht, so ist diese Rückverweisung auch im Rahmen der EuErbVO wirksam.57 4. Zusammenfassung Eine Nachlassspaltung kann im Rahmen der EuErbVO nur noch durch eine teilweise Rück- oder Weiterverweisung durch das IPR eines Drittstaats bestehen. Die Voraussetzungen dafür sind: 1. Forum und ius müssen auseinanderfallen. 2. Das Recht eines Drittstaats muss durch die Kollisionsnorm der EuErbVO berufen sein. Die Anwendbarkeit des Rechts des Drittstaats darf dabei nicht aus einer Rechtswahl oder aus Art. 21 Abs. 2 EuErbVO (Ausweichklausel) folgen. 3. Das verwiesene Recht muss anders anknüpfen als die EuErbVO. Es muss zurückverweisen auf das Recht eines (nicht notwendigerweise des gleichen) Mitgliedstaats oder weiterverweisen auf das Recht eines Drittstaats, das die Verweisung akzeptiert. 4. Diese Verweisung darf nur einen Teil des Nachlasses betreffen. Die Fälle der Nachlassspaltung durch Renvoi sind bei Geltung der EuErbVO folglich insbesondere aus den folgenden Gründen minimiert: Erstens sieht die EuErbVO selbst keine Nachlassspaltung vor, knüpft das Erbstatut also einheitlich an, und zwar sowohl bei der objektiven Anknüpfung als auch bei der Rechtswahl. Zweitens handelt es sich bei den Verweisungen nur in bestimmten Fällen um Gesamtverweisungen, d. h. nicht jedes ausländische IPR, das eine Nachlassspaltung kennt, ist durch die EuErbVO berufen, selbst wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Drittstaat ist. Insbesondere liegen im Falle der Ausweichklausel 56 Vgl. oben S. 49. Im deutschen Recht ging es um einen Staatsangehörigen von Kanada mit Wohnsitz in Québec, zu dessen Vermögen ein Grundstück in Deutschland gehört, für das er im Einklang mit dem IPR der Provinz Québec deutsches Recht gewählt hat. 57 Zu beachten ist allerdings auch hier, das auch die objektive Anknüpfung des IPR von Québec zur Anwendung des Belegenheitsrechts geführt hätte, vgl. oben S. 49.
268
Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
(Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) und der Rechtswahl (Art. 22 EuErbVO) immer Sachnormverweisungen vor (Art. 34 Abs. 2 Alt. 1 EuErbVO). Drittens knüpfen die Regeln zur internationalen Zuständigkeit ebenso wie die zum anwendbaren Recht grundsätzlich an den gewöhnlichen Aufenthalt an. Das führt zu einem regelmäßigen Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht und außerdem dazu, dass bei gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der Mitgliedstaaten deren Gerichte i. d. R. nicht zuständig sind (Ausnahmen von der Zuständigkeitsregel des Art. 4 EuErbVO sind in Art. 10 und 11 vorgesehen). Viertens ist eine Teilrechtswahl im Falle einer gegenständlich beschränkten Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO abzulehnen. Die folgende Tabelle soll die verschiedenen Konstellationen von Zuständigkeit und anwendbarem Recht und die jeweiligen Auswirkungen auf Renvoi und Nachlassspaltung verdeutlichen: #
Zuständigkeit Anwendb. Recht
Gleichlauf?
Renvoi?
Nachlassspaltung?
1
Art. 4
Art. 21 Abs. 1
Ja
Nein (Anwendung der lex fori)
Nein (Anwendung der lex fori)
2
Art. 21 Abs. 2
Nein
Nein (Ausschluss nach Art. 34 Abs. 2)
Nein (kein Renvoi)
3
Art. 22
Nein
Nein (Ausschluss nach Art. 34 Abs. 2)
Nein (kein Renvoi)
Ja
Nein (Ausschluss nach Art. 34 Abs. 2)
Nein (kein Renvoi)
4
Art. 7
Art. 22
5
Art. 10 Abs. 1
Art. 21 Nein Abs. 1 (sonst Art. 4) (Recht eines Drittstaats)
Möglich (abhängig vom IPR des Drittstaats)
Möglich (abhängig vom IPR des Drittstaats)
6
Art. 21 Abs. 2
Möglich (Engere Verbindung mit Gerichtsstaat möglich)
Nein (Ausschluss nach Art. 34 Abs. 2)
Nein (kein Renvoi)
7
Art. 22
Möglich
Nein (Ausschluss nach Art. 34 Abs. 2)
Nein (kein Renvoi)
A. Kohärenz in der Gesetzgebung?
8
Art. 10 Abs. 2
269
Art. 21 Abs. 1
Nein (sonst Art. 4)
Möglich (abhängig vom IPR des Drittstaats)
Möglich (abhängig vom IPR des Drittstaats)
9
Art. 21 Abs. 2
Möglich*
Nein (Ausschluss nach Art. 34 Abs. 2)
Nein (kein Renvoi)
10
Art. 22
Nein
Nein (Ausschluss nach Art. 34 Abs. 2)
Nein (kein Renvoi)
11 Art. 11
Art. 21 Abs. 1
Nein (sonst Art. 4)
Möglich (abhängig vom IPR des Drittstaats)
Möglich (abhängig vom IPR des Drittstaats)
12
Art. 21 Abs. 2
Möglich*
Nein (Ausschluss nach Art. 34 Abs. 2)
Nein (kein Renvoi)
13
Art. 22
Möglich**
Nein (Ausschluss nach Art. 34 Abs. 2)
Nein (kein Renvoi)
Erklärung: Genannte Normen beziehen sich auf die EuErbVO # = Mögliche Konstellation Zuständigkeit = Norm der EuErbVO, nach der die Zuständigkeit in einem Mitgliedstaat begründet wird Anwendbares Recht = Norm der EuErbVO, nach der das anwendbare Recht bestimmt wird Gleichlauf? = Gleichlauf von anwendbarem Recht und Zuständigkeit Renvoi? = Renvoi durch das berufene Recht aus Sicht der EuErbVO möglich? Nachlassspaltung? = Spaltung des Nachlasses aus Sicht der EuErbVO möglich? * Unwahrscheinlicher Fall, dass die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 nicht vorliegen, trotzdem aber engere Verbindung zum Gerichtsstaat besteht. ** Art. 10 Abs. 1 lit. a wird i. d. R. erfüllt sein, ist aber nicht erfüllt, wenn sich kein Nachlassvermögen im Mitgliedstaat befindet.
270
Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
III. Zusammenfassung und Stellungnahme zur Kohärenz des EuIPR Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass hinsichtlich der Frage der Statuteneinheit eine grundsätzliche Kohärenz in der Gesetzgebung des EuIPR gegeben ist. Die bisherigen Verordnungen, in deren Anwendungsbereich eine Statutenspaltung möglich wäre, schließen eine solche grundsätzlich aus. Im Rahmen des internationalen Güterrechts wird die Statuteneinheit vollständig verwirklicht. Zunächst gilt ein einheitliches Ehegüterstatut, ferner ist der Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut ausgeschlossen und darüber hinaus spricht der EuGüVO-E nur Sachnormverweisungen aus, sodass eine Güterrechtsspaltung auch nicht durch Renvoi entstehen kann. Auch eine Teilrechtswahl, wie sie etwa Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB vorsieht, nach der die lex rei sitae für Immobilien gewählt werden kann, würde bei Inkrafttreten des EuGüVO-E wegfallen.58 Auch wenn der EuGüVO-E den Renvoi nach dem hier vertretenen Verständnis hätte zulassen sollen, ist die Regelung insofern konsequent, als dass sie die Statuteneinheit vollständig verwirklicht. Die EuErbVO sieht ebenfalls eine einheitliche Anknüpfung vor, lässt keinen Vorrang des Einzelstatus vor dem Gesamtstatut zu und schließt eine Teilrechtswahl59 aus; eine Nachlassspaltung durch teilweise Rück- oder Weiterverweisung lässt sie indes zu. Das Fehlen einer Teilrechtswahl ist zu begrüßen, weil eine solche die Möglichkeit einer Nachlassspaltung erst schafft und nicht nur im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs hinnimmt. Nicht nachvollziehbar ist das Fehlen einer Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechenden Regelung. Es erscheint zum einen nicht konsequent, zum anderen in der Sache nicht überzeugend. Bei einem Erblasser mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in England nimmt die EuErbVO die Nachlassspaltung hin, wenn zum Vermögen des Erblassers ein Grundstück in Deutschland gehört. Demgegenüber soll im umgekehrten Fall, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, aber Eigentümer eines Grundstücks in England ist, einheitlich deutsches Recht Anwendung finden, und zwar auch auf das in England belegene Grundstück, obwohl der Geltungsanspruch des deutschen Rechts in England nicht durchsetzbar ist. Handelt es sich um zwei Drittstaaten, erscheinen die Ergebnisse noch zufälliger: Hat der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Key West und gehört zu seinem Vermögen ein Grundstück in Toronto60, akzeptieren wir die Nachlassspaltung (und erzielen internationalen Entscheidungseinklang), wenn er demgegenüber seinen gewöhnlichen
58
Döbereiner, MittBayNot 2011, 463, 465. Ausnahme ist die Teilrechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB im Übergangszeitraum, vgl. dazu oben S. 219. 60 Ontario sieht eine den common-law Prinzipien entsprechende Regelung vor, vgl. BeckOK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 86. 59
B. Vergleich zur bisherigen Rechtslage
271
Aufenthalt in Havanna61 und ein Grundstück in Toronto hat, wenden wir kubanisches Recht auf den gesamten Nachlass an (und erzielen den internationalen Entscheidungseinklang gerade nicht). Insoweit hat sich der EU-Gesetzgeber durch seine Zulassung einer Teilrückverweisung bei gleichzeitigem Ausschluss des Vorrangs des Einzelstatuts für einen Zickzackkurs zwischen internationalem Entscheidungseinklang und Nachlasseinheit entschieden, der aufgrund seiner Zufälligkeit nicht überzeugt. Diese fehlende innere Kohärenz der EuErbVO ist zu bedauern. Nach der hier vertretenen Auffassung wäre es sinnvoll gewesen und hätte auch einer (äußeren) Kohärenz des internationalen Ehegüter- und Erbrechts entsprochen, in diesen Bereichen nicht nur den Renvoi zuzulassen, sondern den Geltungsanspruch der eigenen Verweisung zu beschränken, wie Art. 3a Abs. 2 EGBGB es tut, wenn eine in einem Drittstaat belegene Immobilie dem dortigen (Erb- oder Güter-)Recht unterliegt. Der Ausschluss von Renvoi und einer Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechenden Regelung (wie im EuGüVO-E) führt zwar zu einer vollständig einheitlichen Anknüpfung „auf dem Papier“, die aber im Belegenheitsstaat nicht realisiert werden kann und deshalb praktisch keinen Vorteil bringt. Insoweit sollten die Regelungen des EuGüVO-E und der EuErbVO überdacht werden.
B. Vergleich zur bisherigen Rechtslage I. Weitgehende Beseitigung einer rechtlichen Nachlassspaltung Eine rechtliche Nachlassspaltung, d. h. die Vererbung des Nachlasses nach verschiedenen Rechten in Abhängigkeit von der Art des Vermögens, ist im Rahmen der EuErbVO weitestgehend reduziert. Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage in Frankreich ergibt sich dies daraus, dass grundsätzlich einheitlich angeknüpft wird und keine unterschiedlichen Kollisionsnormen für bewegliches und unbewegliches Vermögen existieren. Auch im Vergleich zum ebenfalls einheitlich anknüpfenden deutschen Recht kommt es in weniger Fällen zu einer Nachlassspaltung. Dies folgt insbesondere daraus, dass keine Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechende Norm in der EuErbVO existiert.62 Es resultiert ferner daraus, dass im Unterschied zu Art. 25 Abs. 2 EGBGB keine Teilrechtswahl mehr möglich ist. Schließlich kann im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander im Unterschied zum bisherigen deutschen Recht auch keine Nachlassspaltung mehr durch Renvoi entstehen, was bereits aus der Vereinheitlichung des IPR im Bereich des Erbrechts folgt.
61
Kuba knüpft in Art. 15 Código civil einheitlich an das Heimatrecht an, der entsprechende Wortlaut ist abgedruckt bei Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 443; vgl. BeckOK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 86. Hier wird unterstellt, dass der Erblasser Kubaner ist. 62 Allerdings um den Preis einer faktischen Nachlassspaltung, vgl. unten S. 275.
272
Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
Im Verhältnis zu Drittstaaten ist weiterhin eine rechtliche Nachlassspaltung durch Renvoi möglich. Im Vergleich zum bisherigen deutschen Recht sind die Fälle einer solchen jedoch reduziert, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens, weil die Verweisung der EuErbVO nur in den Fällen des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO eine Gesamtverweisung ist, die durch Art. 25 Abs. 1 EGBGB ausgesprochene Verweisung dagegen in aller Regel eine Gesamtverweisung (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB).63 Zweitens, weil im bisherigen deutschen IPR generell häufiger ausländisches Recht anwendbar war. Dies hat seinen Ursprung im Zusammenhang von Zuständigkeit und anwendbarem Recht. Im Rahmen der EuErbVO kann nur bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem Drittstaat eine Gesamtverweisung auf dessen Recht durch die EuErbVO ausgesprochen werden; bei gewöhnlichem Aufenthalt des Erblassers in einem Drittstaat sind jedoch die Gerichte der Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht international zuständig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Voraussetzungen einer subsidiären Zuständigkeitsnorm (Art. 10, 11 EuErbVO) greifen. Die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 EuErbVO für eine Begründung der Zuständigkeit eines Mitgliedstaats sind dabei relativ eng. Der bisher in Deutschland geltende § 343 FamFG sieht demgegenüber schon im Grundsatz keinen Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht vor. Er gewährt deutschen Gerichten außerdem eine weite Zuständigkeit, wobei stets das Heimatrecht anwendbar ist. Ausreichend für eine Zuständigkeit ist der Wohnsitz in Deutschland, mangels eines solchen der schlichte Aufenthalt (§ 343 Abs. 1 FamFG). Ist beides nicht der Fall, genügt die deutsche Staatsangehörigkeit64 (§ 343 Abs. 2 FamFG). Ausreichend ist nach § 343 Abs. 3 FamFG sogar, dass sich Nachlassvermögen in Deutschland befindet, auch hier besteht die Zuständigkeit für den gesamten Nachlass.65 Die Voraussetzungen einer Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats sind bei Fehlen des gewöhnlichem Aufenthalts in einem solchen im Rahmen der EuErbVO deutlich höher. Art. 10 Abs. 1 EuErbVO erfordert für eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte die deutsche Staatsangehörigkeit bzw. den früheren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland66 und zusätzlich die Belegenheit von Nachlassgegenständen in Deutschland. Eine ähnliche Regelung wie § 343 Abs. 3 FamFG sieht die EuErbVO in Art. 10 Abs. 2 EuErbVO auch vor. Die Zuständigkeit ist im Falle des Art. 10 Abs. 2 EuErbVO, anders als bei Art. 343 Abs. 3 FamFG, auf das im Mitgliedstaat belegene Nachlassvermögen beschränkt.
63
Vgl. oben S. 41. In diesem Fall kommt es i. d. R. zu einem Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht. 65 MüKo-ZPO/Mayer, § 343 FamFG, Rn. 42. m.w.N. 66 Dieser darf zudem nicht weiter als fünf Jahre zurückliegen. 64
B. Vergleich zur bisherigen Rechtslage
273
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die Regelung der EuErbVO macht die Anwendung ausländischen Rechts von verschiedenen Bedingungen abhängig; sie wird maßgeblich durch den Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht und den höheren Hürden für die Begründung einer Zuständigkeit bei fehlendem gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat begrenzt. Die deutschen Regeln zu Zuständigkeit und anwendbarem Recht sind so ausgestaltet, dass im Grundsatz kein Gleichlauf vorliegt, die Zuständigkeit der deutschen Gerichte weit ausfällt und die Anwendung ausländischen IPRs häufig ist. Folglich kommt auch häufig ein Renvoi und damit auch eine Nachlassspaltung in Frage. Die Unterschiede zwischen der bisherigen deutschen Regelung und der der EuErbVO sollen durch folgende Tabelle verdeutlicht werden. EuErbVO
Deutschland
Nur in Art. 34 Abs. 1 EuErbVO Gesamtverweisung
Grundsätzlich Gesamtverweisung
Grundsätzlich Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht
Grundsätzlich kein Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht
Enge Ausnahme für Zuständigkeit: allein Art. 10 EuErbVO (kein gewöhnlicher Aufenthalt in einem Mitgliedstaat, Staatsangehörigkeit oder vorheriger gewöhnlicher Aufenthalt und Nachlassvermögen im Mitgliedstaat)
Grundsätzlich weite Zuständigkeit (Wohnsitz oder Aufenthalt oder Staatsangehörigkeit oder Nachlassvermögen)
! Grundsätzlich seltene Anwendung ausländischen IPRs
! Grundsätzlich häufige Anwendung ausländischen IPRs
II. Verringerung einer faktischen Nachlassspaltung 1. Faktische Nachlassspaltung aufgrund unterschiedlicher Anknüpfungskriterien für das Gesamtstatut Nicht mehr entstehen kann eine faktische Nachlassspaltung aufgrund unterschiedlicher Anknüpfungskriterien für das Gesamtstatut. Durch die Vereinheitlichung der EuErbVO gilt in allen Mitgliedstaaten das gleiche Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts. Das Problem stellt sich allerdings naturgemäß weiterhin im Verhältnis zu Drittstaaten, die an die Staatsangehörigkeit oder sonstige abweichende Anknüpfungskriterien für das Gesamtstatut anknüpfen. So wird bspw. ein ägyptischer Staatsangehöriger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, aus der Sicht der EuErbVO nach deutschem Recht beerbt. Die Geltung des deutschen Rechts lässt sich jedoch in Ägypten nicht durchsetzen, weil
274
Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
nach dortigen Vorstellungen ägyptisches Recht anwendbar ist (Anknüpfung an das Heimatrecht67). 2. Faktische Nachlassspaltung aufgrund mehrerer Staatsangehörigkeiten Ausgeschlossen ist ebenfalls eine faktische Nachlassspaltung aufgrund mehrerer Staatsangehörigkeiten. Dies folgt für die Mitgliedstaaten daraus, dass nicht mehr an die Staatsangehörigkeit, sondern an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft wird. Nach dem hier (und weit überwiegend) vertretenen Verständnis ist zudem auch nur ein gewöhnlicher Aufenthalt möglich. Maßgeblich ist die Staatsangehörigkeit jedoch weiterhin für die Frage der Rechtswahl. Auch hier ist aber eine faktische Nachlassspaltung im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander ausgeschlossen. Es kann nur ein Heimatrecht für den Nachlass gewählt werden; eine Rechtswahl hat zudem in allen Mitgliedstaaten die gleiche Wirkung. Auch bei Mehrstaatern liegt eine einheitliche Lösung vor. Diesen gewährt die EuErbVO ein Wahlrecht zwischen den verschiedenen Heimatrechten, ohne dass es auf die effektive Staatsangehörigkeit ankommt. Hinkende Rechtsverhältnisse können sich jedoch weiterhin im Verhältnis zu Drittstaaten ergeben. Dies folgt in aller Regel nicht daraus, dass der Drittstaat die Wahl zwischen den Heimatrechten nicht akzeptiert, sondern vielmehr daraus, dass er eine Rechtswahl generell nicht gewährt und auch nicht objektiv an das (gewählte) Heimatrecht anknüpft.68 Handelt es sich beim Erblasser um einen Mehrstaater, so kann es bei einem objektiv an das Heimatrecht anknüpfenden Staat zudem dazu kommen, dass dieser (aus welchen Gründen auch immer) die eigene Staatsangehörigkeit vorgehen lässt. Das kann dazu führen, dass die Rechtswahl im Drittstaat auch nicht durch eine entsprechende objektive Anknüpfung „anerkannt“ wird. 3. Faktische Nachlassspaltung durch Gesamtverweisung Eine faktische Nachlassspaltung kann im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander auch nicht mehr durch eine Gesamtverweisung entstehen. Dies ergibt sich bereits aus der vereinheitlichten Anknüpfung, zudem aus der Tatsache, dass die Verweisungen auf Mitgliedstaaten stets Sachnormverweisungen sind. Im Verhältnis zu Drittstaaten führt die Regelung des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO zwar zu einer Verbesserung des internationalen Entscheidungseinklangs im Vergleich zur reinen Sachnormverweisung des Kommissionsentwurfs. Hinkende Rechtsverhältnisse können jedoch weiterhin entstehen, wenn der Drittstaat seine 67 Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 3 ff.; Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann/Scholz, Ägypten, Grdz. C, Rn. 10. 68 Vgl. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 14 sowie unten S. 276.
B. Vergleich zur bisherigen Rechtslage
275
Verweisung auf das Recht eines Mitgliedstaats ebenfalls als Gesamtverweisung versteht.69 In diesem Fall ist aus der Sicht der EuErbVO das Recht des Mitgliedstaats, aus Sicht des Drittstaats sein eigenes Recht anwendbar. Darüber hinaus sind einige Konstellationen nach dem Wortlaut des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO von der Regelung nicht erfasst, sodass es sich nach dem Wortlaut der Norm um Sachnormverweisungen handeln müsste, was kritisch zu sehen ist.70 Um den internationalen Entscheidungseinklang auch in diesen Fällen zu erreichen, ist die analoge Anwendung des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO angebracht.71 4. Faktische Nachlassspaltung durch Erstreckung des Geltungsanspruchs auf im Ausland belegene Grundstücke Zwischen den Mitgliedstaaten führt auch eine Entscheidung über im Ausland belegenen Nachlass nicht zu einem hinkenden Rechtsverhältnis, da alle Mitgliedstaaten auch hinsichtlich dieses Grundstücks in Zukunft gleich anknüpfen. Im Unterschied zur bisherigen Regelung in Deutschland enthält die Verordnung keinen Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut im Verhältnis zu Drittstaaten.72 Daraus folgt, dass der Geltungsanspruch der EuErbVO auch das in einem Drittstaat belegene Grundstück umfasst. Das kann bei anderer Anknüpfung dieses Drittstaats den internationalen Entscheidungseinklang beeinträchtigen. So liegt es bei einem englischen Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, zu dessen Vermögen Grundstücke in England zählen. Nach der EuErbVO ist auf den gesamten Nachlass deutsches Recht anwendbar. Die Geltung deutschen Rechts lässt sich aber in England nicht durchsetzen, weil England auf die Rechtsnachfolge in die Grundstücke die lex rei sitae73 (englisches Recht) für anwendbar erklärt. Was bisher – aufgrund der Gesamtverweisung des Art. 25 Abs. 1 EGBGB – ein Fall der rechtlichen Nachlassspaltung war,74 ist nunmehr ein Fall der faktischen Nachlassspaltung. Aus der Sicht der EuErbVO unterliegt die Erbfolge einem Recht einheitlich, die von der EuErbVO getroffene Verweisung wird jedoch im Drittstaat, wo sich Vermögen befindet, nicht akzeptiert. Bei Anwendung des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO kann allerdings die dargestellte Renvoiregelung auch dazu führen, dass auf das Recht der Belegenheit der Sache 69
Vgl. bereits oben S. 52. Vgl. oben S. 243. 71 Vgl. oben S. 245. 72 Vgl. bereits oben S. 253. 73 Vgl. Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 281. 74 Nach bisheriger Rechtslage wäre nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB aufgrund der englischen Staatsangehörigkeit des Erblassers im Ausgangspunkt englisches Recht anwendbar gewesen (Gesamtverweisung). Das englische IPR hätte – unter der Voraussetzung, dass der Domicile dem gewöhnlichen Aufenthalt entspricht – hinsichtlich des beweglichen Vermögens auf deutsches Recht zurückverwiesen, die Verweisung hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens jedoch akzeptiert. Im Ergebnis hätte ein Fall rechtlicher Nachlassspaltung vorgelegen. 70
276
Kap. 5: Die Reichweite der Nachlasseinheit nach der EuErbVO
weiterverwiesen wird, das seine Kompetenz akzeptiert. So wird bspw. bei einem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in England, zu dessen Nachlass ein Grundstück in New York gehört, über die Weiterverweisung des englischen Rechts bzgl. des Grundstücks auf das Recht von New York der internationale Entscheidungseinklang erreicht, weil das Recht von New York seine eigene Kompetenz akzeptiert.75 Er wird auch erzielt bei teilweiser Rückverweisung des durch Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berufenen Rechts auf das Recht eines Mitgliedstaats. Nicht erreicht wird er jedoch, wenn die Verweisung der EuErbVO von vornherein eine Sachnormverweisung ist (Art. 21 Abs. 2 oder Art. 22 EuErbVO) und sich das Grundstück in einem an die lex rei sitae anknüpfenden Staat befindet, dessen Recht nach der EuErbVO nicht berufen ist. Entscheidungsdisharmonie besteht ferner, wenn weder durch die EuErbVO noch durch den von dieser nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berufenen Drittstaat, auf das Recht eines (anderen) Belegenheitsstaates verwiesen wird, der sein eigenes Recht für anwendbar hält. Art. 12 EuErbVO kann dieses Problem jedoch abmildern.76 5. Faktische Nachlassspaltung durch Nichtanerkennung der Rechtswahl Im Geltungsbereich der EuErbVO gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen an eine Rechtswahl. In allen Mitgliedstaaten ist damit die Wahl des Heimatrechts möglich, sodass es hier nicht mehr zu einer faktischen Nachlassspaltung kommen kann.77 Eine faktische Nachlassspaltung tritt allerdings ein, wenn der Erblasser das Recht eines Drittstaats wählt und dieser Drittstaat objektiv sein Recht nicht für anwendbar hält und auch die Rechtswahl nicht anerkennt. In diesem Fall unterliegt die Erbfolge im Staat des gewählten Rechts und im Mitgliedstaat faktisch nicht dem gleichen Recht.78 Im Ergebnis wird also der im Mitgliedstaat belegene Nachlass nach dem gewählten Recht, der im Drittstaat belegene Nachlass nach dem nach dortigem Kollisionsrecht anwendbaren Recht vererbt. 6. Beschränkung der Zuständigkeit nach Art. 12 EuErbVO zur Verhinderung einer faktischen Nachlassspaltung Nach Art. 12 EuErbVO kann sich ein ursprünglich unbeschränkt zuständiges Gericht in seiner Zuständigkeit beschränken. Danach kann es auf Antrag einer Partei beschließen, über in einem Drittstaat belegene Vermögenswerte nicht zu entschei75 76 77 78
Siehe Staudinger/Dörner, Anh. Art. 25 f. EGBGB, Rn. 926. Näher dazu unten 6. Vgl. dazu schon oben 2. Vgl. Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 22 EuErbVO, Rn. 17.
B. Vergleich zur bisherigen Rechtslage
277
den, wenn zu erwarten ist, dass seine Entscheidung in Bezug auf diese Vermögenswerte im Drittstaat nicht anerkannt oder nicht für vollstreckbar erklärt wird. Sinn und Zweck der Norm ist die Vermeidung eines drohenden hinkenden Rechtsverhältnisses, das dadurch entstehen würde, dass das angerufene, unbegrenzt zuständige Gericht auch über den im Drittstaat belegenen Nachlass entscheidet. Art. 12 EuErbVO ist damit das Pendant zu Art. 3a Abs. 2 EGBGB. Letztere führt zu einer „Selbstbeschränkung gegenüber der stärkeren Rechtsordnung“79 auf der Ebene des anwendbaren Rechts. Art. 12 EuErbVO enthält ebenfalls den Gedanken der Selbstbeschränkung gegenüber der stärkeren Rechtsordnung, jedoch auf Zuständigkeitsebene.80
79
Vgl. oben (Kapitel 1) Fn. 125. Insoweit richtig Bonomi/Wautelet/Bonomi, Art. 12 EuErbVO, Rn. 3, der vom „conflit des juridictions“ und MüKo/Dutta, Art. 12 EuErbVO, Rn. 1, der von einer „Ausnahme zum Grundsatz der zuständigkeitsrechtlichen Nachlasseinheit“ spricht. 80
Kapitel 6
Würdigung der Anknüpfung und der Kohärenz des EuIPR A. Lösung der aufgezeigten praktischen Probleme Zusammenfassend soll dargestellt werden, welche Vorteile sich aus den Regelungen der EuErbVO hinsichtlich der Anknüpfung im Vergleich zum bisherigen Recht bei grenzüberschreitenden Nachlässen ergeben.
I. Einheitlichkeit des Anknüpfungskriteriums Durch die EuErbVO gilt in allen Mitgliedstaaten das gleiche Anknüpfungskriterium, nämlich (grundsätzlich) der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes. Dies vereinfacht die Rechtsanwendung und die Abwicklung eines grenzüberschreitenden Nachlasses erheblich. Zukünftig ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen in allen Mitgliedstaaten das gleiche Recht anwendbar. Dies stellt einen ganz entscheidenden Vorteil dar; die Unterschiedlichkeit der Anknüpfungskriterien in den IPR-Regelungen im Bereich des Erbrechts innerhalb der EU, die in dieser Arbeit beispielhaft an den Ländern Frankreich und Deutschland dargestellt wurde, hat in der Vergangenheit die großen Schwierigkeiten grenzüberschreitender Erbfälle ausgemacht. Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage ist die Ermittlung des ausländischen IPR innerhalb der EU nicht mehr erforderlich. Die von der EuErbVO hervorgebrachte Einheitlichkeit kann aber durch eine unterschiedliche Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts beeinträchtigt werden. Dem versucht das hier vertretene Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts entgegenzuwirken. Weniger gravierend ist eine eventuell unterschiedliche Auslegung der Ausweichklausel, weil im Falle der Ausweichklausel die gerichtliche Zuständigkeit beim Gericht im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers verbleibt. Auswirken kann sie sich aber bei gewöhnlichem Aufenthalt des Erblassers in einem Drittstaat und Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO sowie bei der beschränkten Zuständigkeit des Art. 10 Abs. 2 EuErbVO (auch im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander).
A. Lösung der aufgezeigten praktischen Probleme
279
II. Keine Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen Durch die einheitliche Anknüpfung in allen Mitgliedstaaten ist die Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen für die Frage des auf die Rechtsnachfolge anzuwendenden Rechts in Zukunft irrelevant. Dies vereinfacht die Rechtslage, weil die Abgrenzung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen z. T. bereits innerhalb einer Rechtsordnung strittig und schwierig ist; sie kann insbesondere Probleme bereiten, wenn möglicherweise unterschiedliche Rechte den Fall beurteilen. Die Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen hat nach der bisherigen Rechtslage in Frankreich die Frage bestimmt, wie generell anzuknüpfen war. Sie war zudem bei der Reichweite der durch das französische IPR ausgesprochenen Verweisung (Renvoi) maßgeblich. Im deutschen Recht war die Beantwortung der Frage dafür entscheidend, ob der Erblasser wirksam eine Rechtswahl treffen konnte. Generell konnte eine unterschiedliche Behandlung des jeweiligen Vermögensgegenstandes zu einem Renvoi infolge einer abweichenden Qualifikation führen. Bei der Bestimmung des anwendbaren Erbstatuts musste also auch die im Ausland vorherrschende Behandlung des jeweiligen Vermögensgegenstandes mit einbezogen werden. Dies alles spielt keine Rolle mehr. Folge der einheitlichen Anknüpfung ist die von der EuErbVO beabsichtigte Klarheit des Erbstatuts (EG 37 S. 1 EuErbVO).
III. Weitgehende Beseitigung der rechtlichen Nachlassspaltung Zumindest im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander ist eine rechtliche Nachlassspaltung durch die EuErbVO ausgeschlossen. Das Erbstatut wird nach der EuErbVO im Unterschied zur bisherigen französischen Regelung grundsätzlich einheitlich bestimmt. Die EuErbVO enthält auch keine Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechende Norm, die zu einem Vorrang des Einzelstatuts führen würde. Eine solche würde allerdings auch zwischen den Mitgliedstaaten nichts an der Nachlasseinheit ändern, da überall die gleichen Kollisionsnormen gelten. Gleiches gilt für die Nachlassspaltung durch Renvoi, die auch vor deutschen Gerichten bisher bei ausländischer Staatsangehörigkeit des Erblassers möglich war (z. B. bei einem französischen Erblasser) und auch für die Rechtswahl des Erblassers gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB entstehen konnte. Im Verhältnis zu Drittstaaten kann es – wie aufgezeigt – noch zu einer rechtlichen Nachlassspaltung kommen. Allerdings kommen solche Fälle seltener vor, insbesondere weil die Verweisungen der EuErbVO nur in bestimmten Fällen Gesamtverweisungen sind und außerdem regelmäßig ein Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht vorliegt; bei fehlendem gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat sind die Gerichte der Mitgliedstaaten regelmäßig nicht international
280
Kap. 6: Würdigung der Anknüpfung und der Kohärenz des EuIPR
zuständig und können infolgedessen auch kein (eventuell die Nachlassspaltung vorsehendes) Drittstaatenrecht anwenden. Darüber hinaus existiert, wie ausgeführt, keine Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechende Vorschrift.
IV. Stark begrenzte Anwendung ausländischen Sachrechts Die EuErbVO führt dazu, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten im Regelfall ihr eigenes Recht anwenden. Dadurch werden diese im Vergleich zur bisherigen Rechtslage entlastet. Aufgrund des in Deutschland geltenden Staatsangehörigkeitsprinzips, verbunden mit der weiten Zuständigkeit nach § 343 FamFG, war die Anwendung ausländischen Rechts häufig. In Frankreich kam sie – wenn auch weniger häufig – ebenfalls vor. Demgegenüber führt die grundsätzliche Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt bei Zuständigkeit (Art. 4 EuErbVO) und anwendbarem Recht (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) zu einem Gleichlauf von forum und ius und damit zur Geltung der lex fori. Zwischen den Mitgliedstaaten ist die Anwendbarkeit ausländischen Rechts bei Zuständigkeit der Gerichte des Inlands die Ausnahme. Sie kann nur noch in zwei Fällen entstehen: Erstens, wenn der Erblasser das Recht eines Mitgliedstaats gewählt hat und sich das Gericht im (abweichenden) Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts nicht für unzuständig erklärt (Art. 6 EuErbVO). Zweitens, wenn bei Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats aufgrund Art. 4 EuErbVO die Ausweichklausel Anwendung findet und das Recht eines anderen Mitgliedstaats berufen wird. Im Verhältnis zu Drittstaaten kommt die Anwendung ausländischen Sachrechts häufiger vor. Zwar sind die Gerichte der Mitgliedstaaten bei gewöhnlichem Aufenthalt des Erblassers im Drittstaat grundsätzlich nicht (Art. 4 EuErbVO) zuständig. Allerdings besteht in einem solchen Fall die Möglichkeit, nach Art. 10 EuErbVO die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats zu begründen.1 In diesem Fall bleibt es grundsätzlich bei der Anwendung des Aufenthaltsrechts, die Zulassung einer Rückverweisung kann dies allerdings ausgleichen. Zur Anwendung ausländischen Sachrechts kommt es abweichend davon immer, wenn der Erblasser bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat das Recht eines Drittstaats gewählt hat. Es kommt ferner bei einer solchen Rechtswahl trotz fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat zur Anwendung ausländischen Sachrechts, wenn die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats nach Art. 10 oder 11 EuErbVO begründet werden kann. Entsprechendes gilt, wenn aufgrund der Ausweichklausel ein Drittstaatenrecht Anwendung findet.
1 Gleiches gilt auch für den praktisch nicht sehr häufig vorkommenden Fall des Art. 11 EuErbVO.
A. Lösung der aufgezeigten praktischen Probleme
281
V. Stark begrenzte Fälle der Rück- oder Weiterverweisung Die Fälle der Rück- oder Weiterverweisung sind im Rahmen der EuErbVO stark begrenzt. Im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander sind sie insgesamt ausgeschlossen. Der Ausschluss des Renvoi gilt im Grundsatz auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Die Verweisungen der EuErbVO sind nur dann Gesamtverweisungen, wenn auf das Recht eines Drittstaats verwiesen wird, dessen IPR auf das Recht eines Mitgliedstaats zurück- oder weiterverweist oder auf das Recht eines Drittstaats, der sein eigenes Recht anwenden würde. Dass nicht generell eine Gesamtverweisung ausgesprochen wird, vereinfacht auch im Verhältnis zu Drittstaaten die Arbeit des Rechtsanwenders, geht aber zu Lasten des internationalen Entscheidungseinklangs.2
VI. Einheitliche Anerkennung einer getroffenen Rechtswahl Die Frage, ob eine Rechtswahl wirksam ist, wird im Geltungsbereich der EuErbVO in Zukunft einheitlich entschieden, zumindest soweit es um die Frage der Zulässigkeit der kollisionsrechtlichen Rechtswahl an sich geht.3 Dies schafft Rechtssicherheit und ermöglicht eine gesicherte Nachlassplanung. Der Erblasser muss – anders als in der Vergangenheit – nicht mehr fürchten, dass seine im Einklang mit dem IPR seines Heimatstaates getroffene Rechtswahl in einem anderen Mitgliedstaat nicht anerkannt und anders angeknüpft wird. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zu Staaten, die (wie z. B. Frankreich4) generell keine Rechtswahlmöglichkeit gewährt haben. Diese Probleme werden von der EuErbVO ausgeräumt. Um diese Vorteile für den Erblasser zu gewährleisten, muss die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl des Erblassers vorliegt, aber – wie hier vertreten – autonom und gerade nicht in Abhängigkeit vom Recht des jeweiligen Staates beantwortet werden. Der Grundsatz der universellen Anwendbarkeit ermöglicht ebenfalls die Wahl des Rechts eines Drittstaats. Naturgemäß wird diese Rechtswahl nicht unbedingt im Drittstaat, dessen Recht gewählt wurde, anerkannt. Dies ist der EuErbVO allerdings nicht anzulasten. Auch wenn die Zulassung eines Renvoi hier möglicherweise die Entstehung einer faktischen Nachlassspaltung verhindert hätte, ist der Ausschluss des Renvoi bei Vornahme einer Rechtswahl zu begrüßen, insbesondere, weil eine Rück- oder Weiterverweisung dem Erblasserwillen zuwiderläuft. Dass bei Wahl des Rechts eines Drittstaats hinkende Rechtsverhältnisse entstehen können, ist hinzunehmen. 2
Vgl. nachfolgend VII. Allerdings unterliegt die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der die Rechtswahl vorgenommen wird, dem gewählten Recht, sie wird also nicht autonom entschieden, Art. 22 Abs. 3 EuErbVO. 4 Vgl. oben S. 60. 3
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Kap. 6: Würdigung der Anknüpfung und der Kohärenz des EuIPR
VII. Begrenzung einer faktischen Nachlassspaltung Die EuErbVO vermindert die Fälle einer faktischen Nachlassspaltung bzw. hinkender Rechtsverhältnisse. In der Vergangenheit sind solche insbesondere entstanden aufgrund unterschiedlicher Anknüpfungskriterien für das Gesamtstatut, aufgrund mehrerer Staatsangehörigkeiten oder durch Gesamtverweisung. Im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander sind alle drei Möglichkeiten entfallen: Das Anknüpfungskriterium ist harmonisiert, mehrere Staatsangehörigkeiten mangels Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit5 obsolet und eine Gesamtverweisung nicht mehr gegeben. Zwischen den Mitgliedstaaten kommt es daher in Zukunft nicht mehr zu hinkenden Rechtsverhältnissen. Hinkende Rechtsverhältnisse können allerdings weiterhin im Verhältnis zu Drittstaaten entstehen. Die Gründe dafür sind insbesondere: Ein abweichendes Gesamtstatut (insbesondere bei Anknüpfung des Drittstaats an die Staatsangehörigkeit), die fehlende Anerkennung der nach Art. 22 EuErbVO getroffenen Rechtswahl, die Gesamtverweisung (insbesondere bei Anknüpfung des Drittstaats an die Staatsangehörigkeit), in anderen Fällen6 die Sachnormverweisung und schließlich das Fehlen einer Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechenden Regelung. Im Verhältnis zu Drittstaaten allerdings kann die EuErbVO insbesondere aufgrund des Fehlens einer Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechenden Norm u. U. mehr hinkende Rechtsverhältnisse produzieren als das bisherige deutsche Recht.
B. Abschließende Würdigung der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO I. Grundsätzliche Angemessenheit der Anknüpfungsregeln Die in der EuErbVO vorgesehenen Anknüpfungsregeln sind grundsätzlich angemessen. Sie berücksichtigen mit dem gewöhnlichen Aufenthalt (objektive Anknüpfung) und der Staatsangehörigkeit (subjektive Anknüpfung) die zwei Kriterien, die dem Erblasser am nächsten stehen. Mit dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts beruft der Gesetzgeber grundsätzlich das Recht der engsten Verbindung; durch die Möglichkeit der Wahl des Heimatrechts trägt er insbesondere dem Kontinuitätsinteresse des Erblassers Rechnung. Grundsätzlich erscheint ein berechtigtes Interesse des Erblassers, nach einem anderen als dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts oder seinem Heimatrecht beerbt zu werden, schwer begründbar. Ein solches wäre nur gegeben, wenn man dem Erblasser zugestände, nach einem Recht beerbt zu werden, 5 Im Rahmen der Rechtswahl, bei der Art. 22 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO eine eigene Regelung zu Mehrstaatern trifft, spielt die Frage keine Rolle. 6 Gemeint sind hier insbesondere die Fälle, in denen erst der „zweite“ Drittstaat auf das Recht eines Mitgliedstaats zurückverweist und die Fälle, in denen eine Verweisungskette bis zum „dritten“ Drittstaat führt, der seine eigene Kompetenz akzeptiert.
B. Abschließende Würdigung der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO
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mit dem er keine (enge) Verbindung hat. Dies soll dem Erblasser im internationalen Erbrecht nach dem Verständnis aller Mitgliedstaaten insbesondere aufgrund der möglichen Umgehung des Pflichtteilsrechts gerade nicht zugebilligt werden, was nachvollziehbar ist. Deshalb ist die Kombination von Recht des gewöhnlichen Aufenthalts und Heimatrecht angemessen. In Ausnahmefällen wird die Aufenthaltsanknüpfung durch die Ausweichklausel ersetzt, die der umfassenden Berücksichtigung der Bezugspunkte des Erblassers zu einem Staat auch in dem Fall Rechnung trägt, in dem er gerade keine physische Präsenz im Staat seiner überwiegenden Lebensinteressen hat. Nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber die Definition des gewöhnlichen Aufenthalts der Literatur und der Rechtsprechung überlassen hat. Dafür spricht, dass auch andere Verordnungen auf dem Gebiet des IPR den gewöhnlichen Aufenthalt nicht definieren. Ferner ist dafür anzuführen, dass eine Definition das Problem der Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts nur verschiebt (infiniter Regress der Definitionen7). Der geringeren Bestimmbarkeit im Vergleich zum Kriterium der Staatsangehörigkeit wird zudem durch eine Definition auch nicht abgeholfen. Angemessen ist auch die Rangfolge der Anknüpfung, d. h. die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt als gesetzlicher Regelfall (ohne Rechtswahl) und die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit nur im Falle der besonderen Berufung durch Rechtswahl. Für die Wahl des Aufenthaltsrecht bei der objektiven Anknüpfung spricht – wie im Einzelnen oben ausgeführt8 – die Tatsache, dass sich regelmäßig Familienangehörige, Nachlassgegenstände und soziale Bindungen am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts befinden. Dies gilt umso mehr bei dem hier vertretenen Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts, das die Bindung des Erblassers zu einer Rechtsordnung aufgrund seiner autonomen Entscheidung, sich in den Rechtskreis eines Staates zu begeben und dauerhaft in ihm zu leben, für entscheidend hält. Darüber hinaus lässt sich dafür die generelle Erwägung anführen, dass Europa von der Mobilität der Bürger und der abnehmenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit lebt. Ein weiteres Argument für die Grundanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ist das des Gleichlaufs von Zuständigkeit und anwendbarem Recht und der Entlastung der Gerichte durch die häufige Anwendung der lex fori, der bei Anwendung des Staatsangehörigkeitsrechts nicht realisierbar gewesen wäre. Den Kritikern der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ist zudem entgegenzuhalten, dass die EuErbVO der Staatsangehörigkeit durchaus einen großen Stellenwert einräumt. So setzt sich das Recht der Staatsangehörigkeit im Falle einer Rechtswahl auch durch, wenn die überwiegenden Lebensinteressen des Erblassers nicht im Heimatstaat liegen bzw. selbst dann, wenn überhaupt keine Lebensinteressen im Heimatstaat bestehen. Wenn man berücksichtigt, dass sich aus den Erwägungsgründen ergibt9, dass der Gesetzgeber eigentlich immer das Recht der 7 8 9
Vgl. oben S. 149. Vgl. oben S. 75. Vgl. EG 23 und 24 EuErbVO.
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überwiegenden Lebensinteressen berufen will, ist das ein großes Zugeständnis. Darüber hinaus zeigt sich die wichtige Rolle des Heimatrechts daran, dass ausschließlich dieses gewählt werden kann.
II. Beschränkte Kohärenz innerhalb der EuErbVO Kritisch zu beurteilen ist aber, dass die EuErbVO verschiedene Prinzipien, die nach den Erwägungsgründen bzw. Gesetzgebungsmaterialien hinter den Anknüpfungsregeln stehen, nicht konsequent befolgt. Insoweit lässt sich durchaus von einer fehlenden Kohärenz innerhalb der EuErbVO sprechen. Kohärenz ist nach der hier vertretenen Auffassung auch als konsequente Befolgung und Realisierung der beanspruchten Prinzipien innerhalb einer einzigen Verordnung zu verstehen. Eine in dieser Hinsicht bestehende Inkohärenz ist stets kritikwürdig, weil zumindest eine Verordnung für sich als Einheit anzusehen ist und sie deshalb die von ihr verfolgten Prinzipien so weit wie möglich realisieren sollte. Dies ist insbesondere bei folgenden Prinzipien nicht vollständig der Fall: 1. Klarheit des Erbstatuts Die EuErbVO verfolgt nach ihrem EG 37 das Ziel, den Bürgern „im Voraus Klarheit über das in ihrem Fall anwendbare Erbstatut zu verschaffen“. Wenn sich die EuErbVO diese Klarheit des Erbstatuts zum Ziel setzt, ist nicht nachvollziehbar, warum sie selbst keine klare Abgrenzung zwischen der Regelanknüpfung des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO und der Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO enthält. Insbesondere der EG 23 (S. 2 und 3) EuErbVO und Art. 21 Abs. 2 EuErbVO widersprechen sich auf den ersten Blick durch das Erfordernis einer besonders engen und festen Bindung beim gewöhnlichen Aufenthalt und die Notwendigkeit einer engeren Verbindung zu einem anderen Staat bei der Ausweichklausel.10 Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass die fehlende physische Präsenz im Staat der überwiegenden Lebensinteressen die Existenz der Ausweichklausel rechtfertigt. Dabei handelt es sich aber nur um eine mögliche Interpretation. Hier hätte eine detaillierte Erläuterung in den Erwägungsgründen, wie das in EG 23 und 24 für den gewöhnlichen Aufenthalt geschehen ist, den Anwendungsbereich der Ausweichklausel klarer machen müssen. 2. Gleichlaufgrundsatz Die EuErbVO will nach EG 27 weiterhin erreichen, „dass die mit der Erbsache befasste Behörde in den meisten Situationen ihr eigenes Recht anwendet“, sie bezweckt also den Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht. Dieses Ziel 10
Vgl. oben S. 143.
B. Abschließende Würdigung der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO
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verfolgt die Verordnung jedoch nicht konsequent, weil sie keinen Wechsel der Zuständigkeit vorsieht, wenn das Gericht die Anwendung der Ausweichklausel (zugunsten des Rechts eines anderen Mitgliedstaats) für geboten hält. Wie bereits ausgeführt, sprechen die überwiegenden Argumente dafür, hier auch einen Wechsel der Zuständigkeit herbeizuführen; die Situation ist insbesondere mit dem Fall der Rechtswahl vergleichbar, bei dem die Zuständigkeit zumindest wechseln kann, u. U. sogar muss. Eine analoge Anwendung der Art. 5 ff. EuErbVO scheitert aber am entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers. Auch den Gleichlaufgrundsatz setzt die Verordnung damit nicht konsequent um. 3. Internationaler Entscheidungseinklang Kritikwürdig ist außerdem, dass die EuErbVO den von ihr bezweckten internationalen Entscheidungseinklang11 an verschiedenen Stellen verfehlt. Nicht nachvollziehbar ist zunächst, dass die Renvoiregelung selbst, auf die sich das Motiv des internationalen Entscheidungseinklangs nach EG 57 S. 3 EuErbVO bezieht, verschiedene wichtige Fragen und Konstellationen nicht regelt. Dies gilt für die Frage, ob die Verweisungskette bei einer Rück- oder Weiterverweisung auf das Recht eines Mitgliedstaats abzubrechen ist. Ferner werden verschiedene mögliche Fälle mit Verbindung zu Drittstaaten nicht von Art. 34 EuErbVO erfasst. Zwar plädiert diese Arbeit für eine analoge Anwendung des Art. 34 EuErbVO in verschiedenen Fallgruppen,12 dennoch hätte der Gesetzgeber sich intensiver mit den möglichen Konstellationen eines Renvoi auseinandersetzen müssen. Der internationale Entscheidungseinklang wird nach der Regelung des Art. 34 Abs. 2 EuErbVO verfehlt, wenn die Ausweichklausel anwendbar ist. Das ist zunächst aufgrund der Gleichwertigkeit von Regelanknüpfung und Ausweichklausel nicht sachgerecht. Es ist ferner insbesondere deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Ausweichklausel sich vom gewöhnlichen Aufenthalt lediglich dadurch unterscheidet, dass sie keine physische Präsenz im betreffenden Staat voraussetzt. Die Ausweichklausel steht in der Nähe der Regelanknüpfung, nicht in der Nähe der Rechtswahl, bei der der Ausschluss zu begrüßen ist. Schließlich erzielt die EuErbVO keinen internationalen Entscheidungseinklang, wenn in einem Drittstaat, dessen Recht nach der EuErbVO nicht (auch nicht durch Weiterverweisung des von der EuErbVO berufenen IPR) anwendbar ist, bestimmtes Vermögen, insbesondere Immobilien, der lex rei sitae unterworfen werden. Grund dafür ist, dass eine Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechende Regelung in der EuErbVO nicht vorgesehen ist. Das ist verfehlt. Die Nachlasseinheit kann bereits durch einen Renvoi durchbrochen werden. Das Fehlen eines Vorrangs des Einzelstatuts lässt sich also nicht etwa damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber das Prinzip der Nachlasseinheit vollständig verwirklichen wolle. Es ist insbesondere deshalb unange11 12
Vgl. EG 57 S. 3 EuErbVO. Vgl. im Einzelnen oben S. 252.
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messen, weil der internationale Entscheidungseinklang dadurch letztlich von der Zufälligkeit abhängt, wie das von der EuErbVO berufene IPR anknüpft.13 Die Ausgestaltung des IPR des von der EuErbVO berufenen Drittstaats sollte aber für die Frage des internationalen Entscheidungseinklangs zwischen dem Mitgliedstaat der EuErbVO und einem anderen Drittstaat nicht entscheidend sein. 4. Parteiautonomie Ein weiteres Prinzip der EuErbVO besteht in der Gewährung von Parteiautonomie. EG 38 S. 1 EuErbVO betont, dass die Rechtswahl den Bürger in die Lage versetzen soll, seinen „Nachlass vorab zu regeln“. Nachvollziehbar ist dabei, dass der Gesetzgeber die Rechtswahl hinsichtlich der wählbaren Rechte insbesondere zum Schutz möglicher Pflichtteilsansprüche auf ein vernünftiges Maß reduzieren wollte; dass die EuErbVO es dem Erblasser verwehrt, das Recht seines (aktuellen) gewöhnlichen Aufenthalts zu wählen, ist allerdings kritikwürdig. Das Fehlen dieser Möglichkeit lässt sich zwar auf den ersten Blick mit dem Kompromisscharakter der Anknüpfungsregeln erklären.14 Um den Anhängern des Staatsangehörigkeitsprinzips entgegen zu kommen, ist es aber nicht notwendig, ausschließlich das Heimatrecht zur Wahl zu stellen. Darüber hinaus handelt es sich beim Recht des gewöhnlichen Aufenthalts um das Recht des Lebensmittelpunkts, das der Gesetzgeber objektiv im Todeszeitpunkt für das angemessene Recht hält. Wenn es schon ohne Rechtswahl im Todeszeitpunkt Anwendung findet, muss es auch wählbar sein. Dafür spricht auch die Überlegung, dass der Erblasser kurz vor der Vornahme der geplanten Rechtswahl zufällig versterben könnte, was gerade die Anwendung des Aufenthaltsrechts zu Folge hätte. Wertungsmäßig ist es darüber hinaus bei einer erblasserzentrierten Auslegung problematisch, die Wahl des Heimatrechts zu gewähren, andererseits das viel differenzierendere Aufenthaltsrecht nicht zur Wahl zu stellen. Damit wird auch das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts entwertet. Ferner spricht für die Möglichkeit der Wahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts die Mobilität im europäischen Binnenmarkt, aufgrund derer Bürger u. U. aufeinanderfolgend verschiedene Aufenthalte in verschiedenen Staaten haben und zu einem Zeitpunkt ein (schutzwürdiges) Interesse an der Perpetuierung eines bestimmten Rechts haben können. Schließlich ist dafür anzuführen, dass das gegen die Wahl des Aufenthaltsrechts vorgebrachte Argument des möglichen Missbrauchs nicht haltbar ist, insbesondere vor dem Hintergrund des hier vertretenen Verständnisses des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers inklusive des Erfordernisses einer besonders 13 Vgl. den o.g. Fall des Erblassers, der in einer Variante seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Key West, in der anderen in Havanna hat. 14 Mit Kompromisscharakter ist gemeint, dass die Rechtswahlmöglichkeit zugunsten des Heimatrechts auch eingeführt worden ist, um den Anhängern des Staatsangehörigkeitsprinzips Rechnung zu tragen und damit den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungskriterium „leichter vermittelbar“ (DNotI-Studie, S. 267; vgl. auch Mansel, in: Leible/Unberath, S. 241, 263) zu machen.
C. Beschränkte Kohärenz des EuIPR
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engen und festen Bindung (EG 23 S. 3 EuErbVO)15 und angesichts des Umstands, dass die EuErbVO das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts selbst objektiv für maßgeblich hält. 5. Rechtssicherheit Ein weiteres Prinzip, dem sich die EuErbVO verpflichtet fühlt, ist das der Rechtssicherheit.16 Dieses Prinzip realisiert die EuErbVO weitgehend, aber nicht vollständig. Insbesondere wird es nicht bei den Übergangsvorschriften zur Rechtswahl realisiert, die verschiedene Probleme aufwerfen. So ist unklar, ob eine vor dem 16. 8. 2012 nach den Übergangsbestimmungen getroffene Rechtswahl auch als wirksam anzusehen ist. Darüber hinaus hätte der Gesetzgeber angesichts des mit der Übergangsvorschrift verfolgten Zwecks, dem Erblasser eine sichere Nachlassplanung zu ermöglichen, klar regeln müssen, dass eine im Übergangszeitraum getroffene Rechtswahl auch dann wirksam ist, wenn der Erblasser vor dem 17. 8. 2015 verstirbt. Zumindest die letzte Frage wird sich allerdings ab dem 17. 8. 2015 erledigt haben.
C. Beschränkte Kohärenz des EuIPR Schließlich bleibt darzustellen, welche Folgen die bisherige Untersuchung für die Frage nach der Kohärenz des europäischen IPR hat.
I. Zusammenfassung der hinsichtlich der Kohärenz erzielten Ergebnisse 1. Kohärenz in der Gesetzgebung a) Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt Eine Kohärenz des EuIPR besteht weitgehend hinsichtlich der Wahl des Anknüpfungskriteriums. Der gewöhnliche Aufenthalt ist das zentrale Anknüpfungskriterium des EuIPR. Er hat insbesondere die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium verdrängt oder auf den zweiten oder dritten Platz verwiesen. Der gewöhnliche Aufenthalt wird in allen Verordnungen, die das anwendbare Recht bestimmen, verwendet und bildet dort weit überwiegend auch das primäre Anknüpfungskriterium. Gleiches gilt mit Abstrichen für die internationale Zuständigkeit, hier orientieren sich die Verordnungen im Bereich des Familienrechts (Brüssel 15 16
Vgl. im Einzelnen oben S. 97 ff. Vgl. etwa EG 37 und 48 EuErbVO.
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Kap. 6: Würdigung der Anknüpfung und der Kohärenz des EuIPR
IIa-VO, EuUntVO, EuGüVO-E, EuErbVO) primär am gewöhnlichen Aufenthalt. In Zivil- und Handelssachen stellt die Brüssel Ia-VO eine Ausnahme dar, indem sie sich nach wie vor am Wohnsitz orientiert. Kohärent ist das EuIPR auch insoweit, als es den gewöhnlichen Aufenthalt (jedenfalls soweit es um nicht beruflich handelnde natürliche Personen geht) nicht definiert. b) Berufung eines von der Regelanknüpfung abweichenden Rechts durch eine Ausweichklausel Ausweichklauseln sind im Rahmen des bisherigen EuIPR ein regelmäßig vorkommendes Instrument, sie sind aber nicht in allen Verordnungen vorgesehen. Insbesondere im Familienrecht enthält lediglich das HUntProt eine (spezielle) Ausweichklausel. Eine solche fehlt aber insbesondere in der Rom III-VO und im EuGüVO-E. Dies ist angesichts der Tatsache, dass die Anknüpfungsregeln in beiden Verordnungen häufig nicht das Recht der engsten Verbindung berufen, problematisch (im Rahmen des EuGüVO-E etwa durch die recht starre Berufung des Rechts des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten, im Rahmen der Rom III-VO etwa durch die Berufung der lex fori unter gewissen Umständen bei gemischt-nationalen Ehen). Hier wäre eine größere Kohärenz des europäischen IPR wünschenswert gewesen. Insoweit könnte man sich die von Lagarde vorgeschlagene Ausweichklausel durchaus zum Vorbild nehmen. c) Beschränkte Rechtswahl Es entspricht ferner der Kohärenz des EuIPR, eine beschränkte Rechtswahl zuzulassen, insbesondere im Familienrecht. Auch hinsichtlich des Zwecks der Beschränkung der Rechtswahl ist eine Kohärenz feststellbar; dieser besteht im Schutz der (potenziell) schwächeren Partei. Die Ausgestaltung der beschränkten Rechtswahl ist von Verordnung zu Verordnung unterschiedlich. Teilweise sind die wählbaren Rechte an den objektiv anwendbaren Rechten angelehnt, jedoch ist die Wählbarkeit an geringere Voraussetzungen geknüpft als die objektive Anwendbarkeit (so etwa bei Rom III-VO, EuGüVO-E). Teilweise sind von der objektiven Anknüpfung abweichende Rechtsordnungen wählbar (EuErbVO, HUntProt). Grundsätzlich keine Beschränkung der wählbaren Rechte sehen die Rom I- und Rom II-VO vor; dennoch ist auch hier der Gedanke des Schwächerenschutzes präsent. Er zeigt sich (u. a.) durch die Beschränkung der Rechtswahl bei bestimmten Vertragstypen (etwa im Versicherungsrecht) oder auch durch die Überlagerung der Rechtswahl durch bestimmte, nach objektiver Anknüpfung maßgeblichen Vorschriften bei Verbraucher- oder Arbeitsverträgen sowie durch die Beschränkung der Umstände der Rechtswahl, die auch danach unterscheidet, ob es sich um eine potenziell schwächere Partei handeln kann.
C. Beschränkte Kohärenz des EuIPR
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Die Umsetzung des Schwächerenschutzes erfolgt im Rahmen der bisherigen Verordnungen des EuIPR äußerst inkohärent. Vorzufinden sind etwa die Begrenzung der Rechtswahl auf bestimmte Rechte, der Ausschluss der Rechtswahl bei bestimmten Personen, die Beschränkung der Umstände der Rechtswahl, die Überlagerung der Rechtswahl durch Teile des nach objektiver Anknüpfung anwendbaren Rechts und schließlich die materiell-rechtliche Kontrolle der Rechtswahl. Die EuErbVO setzt durch ihre Beschränkung der Rechtswahl auf das Heimatrecht des Erblassers die grundsätzlich bestehende Kohärenz des EuIPR in der Gesetzgebung fort; sie wählt dabei durch ihre Begrenzung der Wahlmöglichkeit auf ein Recht die bisher strengste Form. Sie enthält auch hinsichtlich des Schutzaspekts die Besonderheit, dass erstmals eine nicht an der Rechtswahl beteiligte Person, nämlich der (potenziell) Pflichtteilsberechtigte, durch die Begrenzung der Rechtswahl geschützt werden soll. Im bisherigen IPR (vor Geltung der EuErbVO) wurde durch die Rechtswahlbeschränkung stets eine an der Wahl beteiligte Partei geschützt. Die EuErbVO betritt hier insoweit Neuland, sie setzt außerdem die bestehende Inkohärenz bei der Umsetzung des Schwächerenschutzes fort. Kohärenz im Sinne einer einheitlichen Lösung besteht nicht bei Einzelfragen der Rechtswahl wie etwa bei der Frage, ob eine solche auch konkludent möglich ist. Verordnungsübergreifend lassen sich hinter der Rechtswahl stehende Prinzipien feststellen, nämlich das Prinzip der Parteiautonomie, die angestrebte Klarheit über das anwendbare Recht (Rechtssicherheit) sowie der schon genannte Schutz der potenziell schwächeren Partei (als Grund für die Beschränkung der Rechtswahl). d) Art der Verweisung Vor Schaffung der EuErbVO ließ sich auch bei der Frage der Art der Verweisung eine Kohärenz des EuIPR feststellen, die gerade darin bestand, dass der Renvoi insgesamt ausgeschlossen wurde. Die EuErbVO schafft durch ihre (beschränkte) Zulassung einer Rück- bzw. Weiterverweisung bewusst eine Inkohärenz des EuIPR. Diese Inkohärenz ist nach der hier vertretenen Auffassung zu bedauern; nicht etwa, weil die Regelung der EuErbVO verfehlt wäre, sondern deshalb, weil der Renvoi in den Bereichen des EuIPR, in denen es regelmäßig um Statusfragen geht, ebenfalls hätte zugelassen werden sollen. Dies gilt m. E. insbesondere für die Rom III-VO, aber auch für den Bereich des Ehegüterrechts. Soweit das anwendbare Recht durch die Partei(en) gewählt wurde, zeichnet sich eine (unbewusste) Kohärenz des EuIPR ab, die darin besteht, den Renvoi bei einer Rechtswahl auszuschließen. Dies ist nach der hier vertretenen Auffassung zu begrüßen.
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e) Statuteneinheit Eine Kohärenz ist im bisherigen EuIPR auch darin zu sehen, dass keine Rechtsspaltung vorgesehen ist, sondern eine einheitliche Berufung einer Rechtsordnung unabhängig von der Art des Vermögens (Statuteneinheit). Dies gilt sowohl bei objektiver Anknüpfung als auch bei der Rechtswahl. Vermindert wird die Kohärenz des EuIPR allerdings durch eine unterschiedliche Renvoiregelung bei der EuErbVO und dem EuGüVO-E. Der EuGüVO-E setzt durch seinen Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung das Prinzip der Statuteneinheit konsequent um, allerdings verfehlt er deshalb häufiger den internationalen Entscheidungseinklang. Die EuErbVO lässt eine teilweise Rück- oder Weiterverweisung zu, um den internationalen Entscheidungseinklang zu gewährleisten, befolgt allerdings dadurch das Prinzip der Statuteneinheit nicht in allen Fällen. Nach der hier vertretenen Auffassung wäre eine Kohärenz zwischen EuGüVO-E und EuErbVO wünschenswert, die zwar grunsätzlich die Statuteneinheit befolgt, jedoch bei Rück- und Weiterverweisung sowie bei einer abweichenden Anknüpfung im Belegenheitsstaat der Immobilie davon abweicht (durch eine Art. 3a Abs. 2 EGBGB entsprechende Regelung). 2. Kohärenz in der Auslegung a) Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts Bei der Frage des gewöhnlichen Aufenthalts kommt diese Arbeit zu dem Ergebnis, dass die Auslegung dieses Begriffs unabhängig vom Recht der Mitgliedstaaten zu erfolgen hat. Insoweit besteht eine Kohärenz zu anderen Instrumenten des EuIPR. Nach dem hier vertretenen Verständnis hat die Interpretation allerdings (jedenfalls grundsätzlich) auch unabhängig von anderen Rechtsbereichen des europäischen IPR zu erfolgen.17 Insoweit ist eine Kohärenz nicht anzustreben. Insbesondere ist nicht die Begriffsinterpretation des HÜ oder der Brüssel IIa-VO zu übertragen. Für eine eigene, also von anderen Rechtsinstrumenten des EuIPR unabhängige Begriffsinterpretation des gewöhnlichen Aufenthalts spricht, dass es bei der EuErbVO um die Ermittlung des Sitzes des Rechtsverhältnisses Erbfolge geht. Die Besonderheiten des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers sind dabei zu berücksichtigen. Strukturell ist der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers, wenn dieser (wie im Regelfall) ein Erwachsener ist, insbesondere nicht identisch mit dem von Kindern i.S.d. Brüssel IIa-VO. Deshalb ist bereits ein Teil der im Rahmen des Begriffsverständnisses der Brüssel IIa-VO für relevant gehaltenen Kriterien nicht übertragbar. Im Übrigen wird der gewöhnliche Aufenthalt im Rahmen der Brüssel IIa-VO im Kontext einer Zuständigkeitsregel verwendet, die zum Zweck des Kindeswohls einem räumlich nahestehenden Gericht eine schnelle Entscheidung ermöglichen soll und deshalb nicht mit der EuErbVO vergleichbar ist. Das HÜ, das eine Mischung aus Staatsangehörigkeits- und Aufenthaltsprinzip vorsieht, kann nicht 17
Vgl. im Einzelnen oben S. 83 ff.
C. Beschränkte Kohärenz des EuIPR
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für die Begriffsinterpretation herangezogen werden, weil der systematische Zusammenhang der Anknüpfungsregel, der dort in der Kombination mit dem Staatsangehörigkeitsprinzip besteht, sich auch auf ihre Interpretation auswirkt. Zudem verlangt der Wortlaut der Erwägungsgründe der EuErbVO, die in keiner anderen Verordnung vorhanden sind, eine erbrechtsspezifische Interpretation. Die Rechtssicherheit gebietet auch nicht eine einheitliche Begriffsdefinition, denn eine solche würde sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Verordnungen beschränken, und das schafft Rechtsunsicherheit. Im Übrigen entstünden Widersprüche zu den Erwägungsgründen der EuErbVO. Ferner besteht im Rahmen des internationalen Erbrechts ein besonderes Bedürfnis für Stabilität bzw. eine besonders enge Bindung. Die Arbeit plädiert deshalb für eine autonome Auslegung des Begriffs unter Zugrundelegung der üblichen Auslegungsmethoden, die zum dargestellten subjektiven Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts führt. b) Anwendungsbereich der Ausweichklausel Die Kohärenz der Ausweichklauseln des EuIPR besteht zunächst in ihrem Zweck, das Recht der engsten Verbindung zu berufen. Gemeinsamkeiten bestehen ferner bei Einzelfragen, etwa insoweit, als dass (jedenfalls die allgemeinen) Ausweichklauseln des EuIPR bei einer Rechtswahl nicht anwendbar sind. Zwischen den Ausweichklauseln mit Ausnahme der des HUntProt lässt sich außerdem die Gemeinsamkeit feststellen, dass für die engere Verbindung immer auf den Zeitpunkt der Regelanknüpfung abzustellen ist. Der nähere Vergleich der Ausweichklauseln offenbart jedoch einige, teilweise erhebliche Unterschiede. Diese Unterschiede gelten vor allem für das HUntProt. Die Ausweichklausel ist hier als Einrede ausgestaltet und hat eine besondere Schutzfunktion. Beides ist bei den Verordnungen des EuIPR nicht der Fall. Sie erfordert ferner abweichend von den EU-Verordnungen keine offensichtlich engere Verbindung. Unterschiede zwischen EuErbVO und den bisherigen Regelungsinstrumenten des EuIPR ergeben sich insbesondere aus dem Verhältnis zur Regelanknüpfung. Zunächst weichen die Regelanknüpfungen selbst voneinander ab. So unterscheidet sich die Regelanknüpfung im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO von der der EuErbVO, weil sie sich dort am zweiseitigen Rechtsverhältnis des Vertrags (gewöhnlicher Aufenthalt des Erbringers der vertragstypischen Leistung, Art. 4 Abs. 1, 2 Rom IVO) oder des Delikts orientiert. Im Rahmen der EuErbVO orientiert sie sich aber an einem einseitigen Rechtsverhältnis, alleine am Erblasser. Das HUntProt orientiert sich in seiner Grundanknüpfung zwar an einer Person, stellt dann jedoch im Rahmen der Ausweichklausel auf ein zwei Personen betreffendes Rechtsverhältnis ab. Ferner sind die Grundanknüpfungen im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO entweder typisierend (Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO) oder starr (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO). Deshalb verfolgen die Ausweichklauseln der Rom I- und Rom II-VO generell den Zweck,
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zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit von der (unflexiblen) Regelanknüpfung abzuweichen. Den Zweck der Einzelfallgerechtigkeit verfolgt zwar auch die EuErbVO. Er wird aber in aller Regel bereits durch Art. 21 Abs. 1 EuErbVO erreicht, weil – anders als in den Grundanknüpfungen der Rom I- und Rom II-VO – alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Im Rahmen der EuErbVO ist die Ausweichklausel somit nicht zum Ausgleich einer typisierenden oder starren Grundanknüpfung eingeführt worden. Das führt dazu, dass die Ausweichklauseln im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO einen größeren Anwendungsbereich haben. Unterschiede ergeben sich auch, weil die bisherigen Ausweichklauseln sich teilweise an anderen Faktoren als die jeweilige Regelanknüpfung orientieren. Dies gilt insbesondere für die Rom I-VO, bei der sich die Grundanknüpfung (überwiegend) an einer Partei und die Ausweichklausel am gesamten Vertrag orientiert. Es gilt ebenfalls für das HUntProt, bei dem die Regelanknüpfung an einer Partei, die Ausweichklausel an einem Rechtsverhältnis von zwei Parteien ausgerichtet ist. Im Rahmen der Ausweichklausel der EuErbVO sind demgegenüber keine anderen Umstände zu berücksichtigen als bei der Regelanknüpfung, die Ausweichklausel unterscheidet sich lediglich dadurch von der Regelanknüpfung, dass sie keine physische Anwesenheit des Erblassers im betreffenden Staat voraussetzt. c) Fragen im Rahmen der Rechtswahl Eine Kohärenz des EuIPR ist zunächst im Zweck der Beschränkung der Rechtswahl zu sehen, der darin besteht, die (potenziell) schwächere Partei zu schützen. Es bestehen ansonsten jedoch strukturelle Unterschiede zwischen der Rechtswahl im Rahmen der EuErbVO und der im bisherigen EuIPR. In den bisherigen Verordnungen ist die Rechtswahl ein zweiseitiges Rechtsgeschäft (Verweisungsvertrag), in der EuErbVO demgegenüber ein einseitiges Rechtsgeschäft. Darüber hinaus wird der Schwächerenschutz im Rahmen der EuErbVO durch die bisher strengste Form der Beschränkung realisiert. Lediglich ein Recht kann gewählt werden. Das bisherige EuIPR stellt – wenn es überhaupt eine Beschränkung vorsieht – stets mehrere Rechte zur Wahl, sieht nur in bestimmten Fällen eine Beschränkung vor, begrenzt lediglich die Umstände der Rechtswahl oder sieht vor, dass trotz Rechtswahl bestimmte Vorschriften des objektiv anwendbaren Rechts gelten. Die strukturellen Unterschiede zwischen der Rechtswahl im Rahmen der EuErbVO und der im übrigen EuIPR gebieten im Rahmen der EuErbVO eine großzügige Auslegung der Rechtswahl, soweit das Heimatrecht des Erblassers betroffen ist. Bei der Frage der Zulässigkeit der abstrakten Rechtswahl hat sich gezeigt, dass diese im bisherigen EuIPR unterschiedlich beantwortet wird. Im Rahmen der Rom IVO ist eine solche zulässig, im Rahmen der Rom III-VO und des HUntProt nach überwiegender Auffassung nicht. Insoweit ist also eine Inkohärenz des EuIPR festzustellen. Die im Rahmen der Rom I-VO vertretenen Argumente sind nicht auf die EuErbVO übertragbar. Insbesondere das Argument für die abstrakte Rechtswahl, dass eine nachträgliche Rechtswahl zulässig ist, ist im Rahmen der EuErbVO nicht
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verwendbar, weil hier eine nachträgliche Rechtswahl im gerichtlichen Verfahren aufgrund des Todes des Erblassers nicht mehr möglich ist. Auch die im Rahmen der Rom III-VO und des HUntProt angeführten Argumente treffen nicht für die EuErbVO zu. Der Vergleich zur Rom III-VO hat aber ergeben, dass ein gemeinsames Prinzip der Rom III-VO und der EuErbVO feststellbar ist, nämlich die beabsichtigte Klarheit des anwendbaren Rechts. Hinsichtlich der Folgen einer negativen Rechtswahl sind die Erwägungen aus anderen Verordnungen teilweise übertragbar. Zwar wird etwa im Rahmen der Rom IVO aus der Abwahl eines Rechts noch keine Wahl eines anderen Rechts geschlossen; dies hat seinen Grund aber darin, dass grundsätzlich alle staatlichen Rechte gewählt werden können. Dennoch kann sich auch im Rahmen der Rom I-VO in einem solchen Fall eine konkludente Wahl eines anderen Rechts ergeben, diese ist nur nicht alleine aus der Abwahl eines Rechts zu schließen. Die Hürden für eine konkludente Rechtswahl sind im Rahmen der EuErbVO m. E. deshalb geringer, weil bei Abwahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts regelmäßig mit dem Heimatrecht des Erblassers nur noch ein Recht in Betracht kommt. Dies führt nach dem hier vertretenen Verständnis dazu, dass schon bei Abwahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts i. d. R. eine konkludente Wahl des Heimatrechts vorliegt, es sei denn, der Erblasser war der Auffassung, ein drittes Recht wählen zu können. Wird das einzige wählbare Recht (Heimatrecht) abgewählt, liegt grundsätzlich keine Rechtswahl vor. Die Abwahl dieses Rechts schließt aber – anders als im Rahmen der Rom I-VO – nicht aus, dass es dennoch Anwendung findet, etwa wenn es auch das objektiv anwendbare Recht ist, weil die EuErbVO – anders als die Rom I-VO – gerade nicht von der freien Rechtswahl geprägt ist. Bei der Frage der konkludenten Rechtswahl hat diese Untersuchung gezeigt, dass die Verordnungen, die eine konkludente Rechtswahl zulassen, nach ihrem Wortlaut unterschiedliche Anforderungen an diese Rechtswahl stellen. Teilweise muss sich die Rechtswahl eindeutig, teilweise mit hinreichender Sicherheit aus dem Vertrag oder den Umständen des Falles ergeben. Im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO wird dennoch eine einheitliche Auslegung befürwortet. Die EuErbVO enthält weder das Erfordernis der Eindeutigkeit noch das der hinreichenden Sicherheit, verlangt aber, dass sich die Rechtswahl aus einer Verfügung von Todes wegen ergibt. Eine Kohärenz in der Auslegung besteht nach dem hier vertretenen Verständnis bei der Frage, nach welchem Recht zu beurteilen ist, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt. Die Argumente, die im Rahmen der Rom I-VO für die autonome Entscheidung sprechen, sind auf die EuErbVO übertragbar. So enthält die Rom I-VO mit Art. 3 Abs. 5 eine mit Art. 22 Abs. 3 EuErbVO vergleichbare Vorschrift. Dennoch wird auch im Rahmen der Rom I-VO die Frage, ob das Verhalten der Parteien eine konkludente Rechtswahl darstellt, autonom entschieden. Der Wortlaut der beiden Vorschriften ist ähnlich. Für eine autonome Beantwortung der Frage spricht auch, dass eine solche dazu führt, dass die Verordnung einheitlich ausgelegt wird.
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Beim Rechtswahlbewusstsein ergibt sich aus der Untersuchung folgendes: Wie im Rahmen der Rom I- und Rom II-VO ist auch im internationalen Erbrecht ein hypothetischer Parteiwille nicht ausreichend. Insoweit ist eine Kohärenz gegeben. Nicht zu fordern ist im Rahmen der EuErbVO aber ein kollisionsrechtlicher Gestaltungswille. Insoweit ist eine Kohärenz nicht anzustreben. Vielmehr genügt, dass sich aus der Verfügung von Todes wegen der Wille des Erblassers zur bzw. sein Einverständnis mit der Geltung seines Heimatrechts ergibt, auch wenn der Erblasser nicht wusste, dass er die „Wahl“ zwischen mehreren Rechten hatte oder wenn er von der objektiven Anwendbarkeit seines Heimatrechts ausgegangen ist. Gegen eine einheitliche Lösung der Frage des Rechtswahlbewusstseins spricht der Wille des Gesetzgebers, die Anforderungen an eine Rechtswahl in der EuErbVO niedrig zu halten, was auch zur Streichung des Erfordernisses der Eindeutigkeit geführt hat sowie der aus diesem Willen des Gesetzgebers abgeleitete Grundsatz der größtmöglichen Wirksamkeit der Rechtswahl. Für eine von den Rom I- und II-VO abweichende Lösung ist außerdem der Zweck der gesicherten Nachlassplanung anzuführen. Er vermeidet zudem ein „Handeln unter falschem Recht“. Die durch das hier vertretene Verständnis hervorgerufene Inkohärenz des EuIPR lässt sich auch damit erklären, dass bei den genannten Rom-Verordnungen alle staatlichen Rechte wählbar sind, was die Feststellung des gewählten Rechts schwieriger und erhöhte Anforderungen an das Rechtswahlbewusstsein notwendig macht. Gleiches gilt für die Ausgestaltung der Rechtswahl als Verweisungsvertrag. Weiterhin muss sich die Rechtswahl nach der EuErbVO aus der Verfügung von Todes wegen ergeben, die erst nach dem Tod des Erblassers ausgelegt wird, sodass dieser nicht mehr nach seinen Absichten befragt werden kann. Dies ist bei den Rom I- und Rom II-VO anders, dort können die Parteien noch im Prozess befragt werden, ob ihr Verhalten eine Rechtswahl darstellen sollte und damit ihrer Rechtswahl zur Wirksamkeit verhelfen. Dies kann der Erblasser nach seinem Tod nicht mehr, was ebenfalls für geringere Anforderungen an ein Rechtswahlbewusstsein spricht. Bei der strittigen Frage, ob eine konkludente Rechtswahl in der Bezugnahme auf Begriffe bzw. Rechtsinstitute eines bestimmten Rechts zu sehen ist, ist ein ErstRecht-Schluss zur Rom I-VO möglich. Wenn dort eine konkludente Rechtswahl bei Bezugnahme auf bestimmte Normen trotz des Erfordernisses der Eindeutigkeit überwiegend bejaht wird, muss diese erst recht im Rahmen der EuErbVO eine konkludente Rechtswahl darstellen. Insbesondere ist im Rahmen der EuErbVO beim Vorgang der Rechtswahl an sich keine schutzwürdige Partei erkennbar. Der nach Aufenthaltsrecht Pflichtteilsberechtigte als schutzbedürftige Partei wird allein durch die Begrenzung der Rechtswahl auf das Heimatrecht geschützt, muss also nicht durch erhöhte Anforderungen an den Vorgang der Rechtswahl geschützt werden. Die überwiegenden Argumente für eine Annahme einer konkludenten Rechtswahl sind aber spezifisch erbrechtliche, insbesondere EG 39 EuErbVO. Eine Kohärenz ist auch insofern feststellbar, als verordnungsübergreifend die Verwendung einer bestimmten Sprache alleine für die Bejahung einer Rechtswahl nicht ausreicht.
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II. Zusammenfassung der Gründe für eine fehlende Kohärenz Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass folgende Strukturunterschiede der Rechtsgebiete eine Kohärenz im Sinne eines Gleichlaufs bzw. einer exakt gleichen Auslegung der verschiedenen Regelungsinstrumente verhindern. Die Rechtsgebiete betreffen eine unterschiedliche Anzahl von Parteien. Dabei kann bereits der Rechtsbegriff selbst mehrere Personen betreffen, was dessen Auslegung beeinflusst. So liegt es etwa, wenn es auf den gewöhnlichen Aufenthalt von zwei Personen ankommt (z. B. der Ehegatten, Art. 8 lit. a Rom III-VO). Hier sind insbesondere die gemeinsamen Faktoren entscheidend, also diejenigen, die beide Ehegatten betreffen. Diese Faktoren reichen u. U. umgekehrt für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person nicht aus. Es ist auch denkbar, dass zwar der Rechtsbegriff auf eine Partei bezogen ist, das jeweilige Rechtsgebiet aber Bezug zu zwei oder mehreren Parteien aufweist. So liegt es etwa im Rahmen der Rom I-VO: Bei einem gewöhnlichen Aufenthalt der die vertragstypische Leistung erbringenden Partei (Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO) werden u. U. andere Umstände berücksichtigt, wenn es gerade um ihre Stellung als Erbringer der vertragstypischen Leistung im zweiseitigen Verhältnis Vertrag geht, als beim gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers, bei dem es um seine Erbfolge, also ein einseitiges Rechtsverhältnis geht. Die Anzahl der Parteien hat auch Einfluss auf die Frage, wann von einer wirksamen Rechtswahl auszugehen ist. So ist es im Rahmen einer zweiseitigen Rechtswahl (als Verweisungsvertrag) nachvollziehbar, eine rechtsgeschäftliche Einigung und infolgedessen auch einen kollisionsrechtlichen Gestaltungswillen zu verlangen. Trifft der Betreffende demgegenüber – wie im internationalen Erbrecht – die Rechtswahl alleine, kann es sachgerecht sein, geringere Anforderungen an den Willen zur Vornahme der Rechtswahl zu stellen. Auch der von der Verordnung geregelte Rechtsbereich, deren Regelungsgegenstand, hat Einfluss auf die Interpretation der darin verwendeten Begriffe. Beim bereits genannten 35jährigen Deutschen, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, aber seit zwei Jahren in Frankreich lebt und als Autohändler arbeitet18 liegt es nahe, den gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich anzunehmen, soweit es um einen mit einem Kunden geschlossenen Kaufvertrag geht. Bei der Frage der Erbfolge kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, also auf seine sozialen und familiären Beziehungen, seinen Rückkehrwillen, den Belegenheitsort von Nachlassgegenständen, die Staatsangehörigkeit, etc., also auf Umstände, die im Rahmen der Rom IVO teilweise gar nicht berücksichtigt werden oder zumindest von untergeordneter Bedeutung sind. Hinzu kommt ein je nach Rechtsbereich unterschiedliches Bedürfnis nach Stabilität des gewöhnlichen Aufenthalts, das es (wie im Erbrecht) erforderlich machen kann, den gewöhnlichen Aufenthalt über einen längeren Zeitraum der Abwesenheit bestehen zu lassen. Daran zeigt sich, dass sich der Rechtsbereich 18
Fall nach Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 14; vgl. bereits oben S. 82 f.
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Kap. 6: Würdigung der Anknüpfung und der Kohärenz des EuIPR
auf die Interpretation der Begriffe auswirkt. Zu nennen ist hier ferner das unterschiedliche Schutzbedürfnis der (vermeintlich) schwächeren Parteien, das in den verschiedenen Rechtsbereichen unterschiedlich ausgeprägt ist oder unterschiedliche Folgen hat. So ist das Begriffsverständnis des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen der Brüssel IIa-VO insbesondere von dem Gedanken des Kindeswohls geprägt; es orientiert sich nicht zuletzt deshalb an den Bezugspersonen. Ein solches an den Bezugspersonen orientiertes Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts kann im Rahmen der EuErbVO dem Interesse des demenzkranken Erblassers als schutzbedürftiger Person jedoch gerade zuwiderlaufen. Das zeigt sich bspw., wenn man – wie hier ausdrücklich abgelehnt – in Anlehnung an die Brüssel IIa-VO eine Ableitung des gewöhnlichen Aufenthalts von den Verwandten (oder gar den Betreuern) befürwortet. Das Schutzbedürfnis der (vermeintlich) schwächeren Partei wirkt sich auch dann unterschiedlich auf die Auslegung einer Rechtswahl aus, wenn gerade die Umstände der Rechtswahl eine besondere Gefahr für diese bedeuten (wie etwa im Rahmen der Rom II-VO). Demgegenüber wirkt es sich u. U. nicht auf die Anforderungen an den Vorgang der Rechtswahl aus, wenn die Gefahr für den vermeintlich Schwächeren nicht im Vorgang der Rechtswahl besteht (wie im Rahmen der EuErbVO). Auch die Anzahl der in Betracht kommenden (d. h. objektiv anwendbaren und subjektiv wählbaren) Rechte hat Einfluss auf die Auslegung. Sie wirkt sich nach der hier vertretenen Auffassung generell darauf aus, wie streng die Anforderungen an eine Rechtswahl sein müssen. Die Anzahl der in Betracht kommenden Rechte hat auch Einfluss auf die Frage der Zulässigkeit einer abstrakten Rechtswahl. Sie zeigt sich auch bei der negativen Rechtswahl, deren Wirkung ganz entscheidend davon abhängt, welche Rechte insgesamt gewählt werden können bzw. objektiv anwendbar sind. Darüber hinaus steht ein einzelnes Anknüpfungskriterium immer im Zusammenhang mit den sonstigen in der Verordnung verwendeten Anknüpfungskriterien. Ist der gewöhnliche Aufenthalt im Rahmen der betroffenen Verordnung (wie bei der EuErbVO) das einzige (objektive) Anknüpfungskriterium, so liegt eine umfassende Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände nahe. Eine solche kann – wie im Rahmen der EuErbVO – auch die Staatsangehörigkeit umfassen. Anders ist es möglicherweise aber, wenn die betreffende Verordnung mehrere Anknüpfungskriterien verwendet. Gehört die Staatsangehörigkeit aber zu den ebenfalls in der VO maßgeblichen, etwa subsidiär zu berücksichtigenden Anknüpfungskriterien (z. B. Art. 8 Abs. 1 lit. c Rom III-VO), kann dies einen Rückgriff auf die Staatsangehörigkeit im Rahmen der Grundanknüpfung verbieten. Auch kann sich eine typisierende oder starre Regelanknüpfung (z. B. die des Art. 4 Rom I-VO) – wie oben gezeigt – auf den Sinn und Zweck und damit auch auf den Anwendungsbereich einer Ausweichklausel auswirken. Auch die Art und die Umstände des Rechtsinstituts spielen eine entscheidende Rolle. Dies zeigt sich am Beispiel der Rechtswahl. Entscheidend kann bspw. sein, ob die Rechtswahl im Rahmen einer letztwilligen Verfügung erfolgt, die in jedem Mitgliedstaat gewissen Formerfordernissen unterliegt, oder ob sie im Rahmen eines
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Vertrages erfolgt, der auch mündlich geschlossen werden kann. Unterschiedlich wirkt sich auch aus, zu welchem Zeitpunkt die vermeintliche Rechtswahl ausgelegt wird. Erfolgt die Auslegung etwa nach dem Tod des Erblassers, spricht das für eine eher großzügige Auslegung, weil der Erblasser nicht mehr befragt werden kann. Handelt es sich demgegenüber um eine Rechtswahl im Rahmen eines Vertrages, kann eine weniger großzügige Auslegung angezeigt sein, etwa weil die Parteien noch im Rahmen eines eventuellen Prozesses befragt werden können. Ferner kann auch ein unterschiedliches Bedürfnis nach Rechtssicherheit bestehen. Dies zeigt sich etwa daran, dass im Rahmen der Rom III-VO eine „floating choice of law“ überwiegend abgelehnt wird, weil die abstrakte Berufung der lex fori hinsichtlich der Rechtssicherheit problematisch ist, insbesondere, weil sich die Parteien bei einer solchen möglicherweise nicht der rechtlichen und sozialen Folgen der Rechtswahl bewusst sind. Im Rahmen der EuErbVO ist eine abstrakte Rechtswahl demgegenüber nach der hier vertretenen Auffassung jedenfalls im Regelfall weniger problematisch, weil sich aus ihr hier das anwendbare Recht zweifelsfrei ergibt. Schließlich spielen auch materiell-rechtliche Wertungen eine Rolle. Auch wenn das IPR grundsätzlich neutral ist, das anwendbare Recht also unabhängig vom materiell-rechtlichen Ergebnis bestimmt, überlagern die materiell-rechtlichen Wertungen des jeweiligen Rechtsbereichs auch das IPR. Das hat sich in der vorliegenden Arbeit etwa an dem Grundsatz der größtmöglichen Wirksamkeit der Rechtswahl gezeigt, der sich insbesondere aus dem materiell-rechtlichen Grundsatz des favor testamenti ableitet. Verdeutlicht hat sich der Einfluss aber auch am einheitsstiftenden Prinzip der Testierfreiheit, das das in dieser Arbeit vertretene Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts untermauert.
III. Folge für die Kohärenz des europäischen IPR Aus der vorangegangenen Untersuchung ergibt sich, dass die Rechtsbegriffe des europäischen IPR nicht zwingend einheitlich ausgelegt und Probleme nicht zwingend einer einheitlichen Lösung zugeführt werden müssen. Kohärenz bedeutet Zusammenhang. Der Wunsch nach Kohärenz des europäischen IPR ist damit zunächst nur der Wunsch nach einem Zusammenhang der verschiedenen Regelungsbereiche des europäischen IPR. Kohärenz sollte jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass zwingend in jedem Fall eine identische Interpretation gleichlautender Rechtsbegriffe, die in mehreren EU-Verordnungen vorkommen, angezeigt ist. Vielmehr ist die Interpretation eines bestimmten Rechtsbegriffs bzw. die Lösung für ein bestimmtes Problem unter Umständen aus dem Vergleich zu anderen Verordnungen zu gewinnen. Dieser Vergleich kann ergeben, dass die im Rahmen einer anderen Verordnung vertretenen Argumente, die für oder gegen die Zulässigkeit eines bestimmten Phänomens (z. B. abstrakte Rechtswahl) angeführt werden, auf das in Frage stehende Problem übertragbar sind. Dabei ist der Gedan-
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kengang stets auf seinen Sinn im Kontext des neuen Regelungsinstruments zu überprüfen. Ist nur ein Teil der Argumente übertragbar, so kann diese teilweise Übertragbarkeit die Entscheidung der Frage beeinflussen. Ist die Situation weitestgehend vergleichbar, ist eine einheitliche Lösung u. U. zwingend. Der Vergleich zu anderen Verordnungen kann aber ebenfalls ergeben, dass bspw. die betroffenen Interessen, wie im Rahmen des gewöhnlichen Aufenthalts, andere sind als in anderen Rechtsbereichen. Die zu untersuchende Verordnung selbst gibt – wie es die EuErbVO in ihren Erwägungsgründen für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts tut – dabei u. U. auch Hinweise darauf, ob die Interpretation mit der anderer Verordnungen übereinstimmen muss. Das ist legitim; der EU-Gesetzgeber kann, wie das auch jeder nationale Gesetzgeber kann, einen Begriff in einem Gesetz anders bestimmen als in einem anderen. Eine von der Interpretation in anderen Verordnungen abweichende Auslegung eines Rechtsbegriffs ist folglich nicht deshalb unzulässig, weil damit kein Interpretationsgleichlauf erzielt wird. Kohärenz bedeutet keinesfalls eine schablonenhafte Übertragung von Lösungen. Denn die Forderung nach Kohärenz in diesem Sinne ist nichts anderes als die Forderung nach einer systematischen Auslegung des gesamten EuIPR. Eine solche kann durchaus sinnvoll sein, sie ist jedoch nicht alleine maßgeblich, nämlich insbesondere dann nicht, wenn die Verordnung selbst ein eigenes Verständnis des jeweiligen Rechtsbegriffs oder eine eigene Lösung eines bestimmten Problems gebietet. Kohärenz darf damit nicht Selbstzweck sein, sie ist m.a.W. keine zwingende Auslegungsmethode. Ansonsten würde sich die Methode von ihrem Gegenstand entfernen. Die Kohärenz der europäischen Regelungen findet somit immer dort eine Grenze, wo die Eigengesetzlichkeit der Rechtsmaterien auch eine eigenständige Begriffsbildung erfordert. Das hat die vorliegende Arbeit an verschiedenen Stellen gezeigt. Wenn auch nicht in jedem Fall eine Kohärenz im Sinne eines Gleichlaufs der Auslegung möglich ist, so kann die Kohärenz auch in der Einheitlichkeit übergeordneter Prinzipien bestehen. So hat der Blick auf den Sinn und Zweck der Rechtswahl im Rahmen der EuErbVO und im Rahmen der Rom III-VO bspw. das übergeordnete Prinzip der Parteiautonomie sowie die angestrebte Klarheit über das anwendbare Recht gezeigt. Ein weiteres übergeordnetes Prinzip ist beim Sinn und Zweck der untersuchten Ausweichklauseln festzustellen, das in der Berufung des Rechts der engsten Verbindung besteht. Gleichzeitig orientieren sich die Details der Auslegung aber an Faktoren der Verordnungen selbst, wie z. B. der Art der Regelanknüpfung. Ein weiteres regelungsübergreifendes Prinzip besteht etwa in der Statuteneinheit. Grundsätzlich mit Skepsis zu betrachten ist die Forderung nach der Kodifikation eines IPR AT. Wenn auch der Wunsch nach einer solchen – zumindest aus deutscher Sicht – nachvollziehbar erscheint, dürfte die Umsetzung im Detail Schwierigkeiten bereiten und keine großen Vorteile mit sich bringen. So müsste sich bspw. eine allgemeine Beschreibung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts auf Formulierungen wie „Mittelpunkt der Lebensinteressen“ beschränken, gleichzeitig müsste aber der Zusatz enthalten sein, dass die Details des Begriffes durch die jeweilige
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Verordnung konkretisiert werden. Damit ist wenig gewonnen. Auch die Normierung einer allgemeinen Ausweichklausel ist nicht sinnvoll. Zum einen bestehen erhebliche Unterschiede im Anwendungsbereich der existierenden Ausweichklauseln, zum anderen ist eine Ausweichklauseln bei manchen Anknüpfungen nicht sinnvoll – etwa bei den Schutzanknüpfungen im Rahmen der Rom I-VO.19 Gleiches gilt auch bspw. für eine allgemeine Regel zur Frage der Rechtswahl. Eine solche könnte nur dahingehend lauten, dass eine Rechtswahl gewährt wird, „soweit die das Rechtsgebiet betreffende Verordnung eine solche vorsieht“. Denn bei den wählbaren Rechten, aber auch bei Einzelfragen der abstrakten, konkludenten oder negativen Rechtswahl bestehen durchaus erhebliche Unterschiede. Für die Frage des Renvoi wäre – bis zum Inkrafttreten der EuErbVO – immerhin die allgemeine Regel möglich gewesen, dass dieser grundsätzlich ausgeschlossen ist; nunmehr müsste eine solche Regel unter dem Vorbehalt stehen, dass der Ausschluss gerade nicht für das internationale Erbrecht gilt. Eine (notwendigerweise) äußerst generell gehaltene Funktionsbeschreibung der verordnungsübergreifend vorgesehenen Rechtsinstrumente bringt keine nennenswerten Vorteile und ist deshalb nicht sinnvoll. Das schließt die Kohärenz des EuIPR aber nicht aus, diese besteht nach dem hier vertretenen Verständnis vielmehr in der Respektierung der Eigengesetzlichkeit und Besonderheit der Rechtsgebiete in einem (verordnungs-)übergreifenden Rahmen.
19
Remien, in: Leible/Unberath, S. 223, 234.
Kapitel 7
Schlussthesen Die am Beispiel der bisherigen nationalen Regelungen von Deutschland und Frankreich verdeutlichten Probleme eines grenzüberschreitenden Erbfalls sind insbesondere: Qualifikationsprobleme bei beweglichem und unbeweglichem Vermögen, die rechtliche Nachlassspaltung, die häufige Anwendung des ausländischen Sachrechts, die Rück- und Weiterverweisung, die Ungültigkeit einer getroffenen Rechtswahl und hinkende Rechtsverhältnisse (faktische Nachlassspaltung). Der gewöhnliche Aufenthalt ist das zentrale Anknüpfungskriterium des EuIPR. Er hat die Staatsangehörigkeit (insbesondere im internationalen Familienrecht) verdrängt. Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ist auch im internationalen Erbrecht angemessen. Der gewöhnliche Aufenthalt wird im bisherigen EuIPR nicht für nicht beruflich handelnde natürliche Personen definiert; auch die EuErbVO enthält keine Definition, was allerdings unproblematisch ist. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ist in doppelter Hinsicht autonom auszulegen. Die Auslegung ist einerseits unabhängig vom nationalen Recht der Mitgliedstaaten, andererseits unabhängig von anderen Bereichen des europäischen Kollisionsrechts. Die Übertragbarkeit der Brüssel IIaKriterien ist im Regelfall (bei einem volljährigen Erblasser) stark begrenzt. Sie beschränkt sich auf generelle Aussagen wie die Maßgeblichkeit der sozialen und familiären Integration. Insbesondere nicht übertragbar ist die Ableitung des gewöhnlichen Aufenthalts von Bezugspersonen. Der gewöhnliche Aufenthalt i.S.d. EuErbVO wird durch den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Erblassers bestimmt, also durch die familiären, sozialen und beruflichen Umstände, die das Lebenszentrum des Erblassers bilden. Die Auslegung des Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“ muss das Ziel der EuErbVO berücksichtigen, internationalprivatrechtliche Fragen von Erbfällen zu regeln. Entscheidend sind die Bindung des Erblassers zu einer Rechtsordnung und seine autonome Entscheidung (sein Wille), sich in diesen Rechtskreis zu begeben, die sich durch objektive Kriterien manifestiert. Diese objektiven Umstände haben dabei die Funktion, den Willen des Erblassers zu belegen. Die innere Rechtfertigung dieser „objektiven Anknüpfung“ ist nicht die faktische, räumliche Präsenz einer Person an einem Ort, sondern ihre Entscheidung, sich dorthin zu begeben und ihr Wille, dauerhaft innerhalb eines bestimmten Rechtskreises zu leben. Der Wille des Erblassers ist jedoch nicht alleine entscheidend, wenn keine objektiven Anhaltspunkte für einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem bestimmten Staat sprechen.
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Der gewöhnliche Aufenthalt hat damit grundsätzlich drei konstitutive Elemente: Die physische Präsenz des Erblassers in einem Staat, der Wille, sich dauerhaft in den Rechtskreis dieses Staates zu begeben bzw. dauerhaft in ihm zu leben und objektive Umstände, die den Ort als Lebensmittelpunkt erscheinen lassen. Der gewöhnliche Aufenthalt ist erblasserzentriert zu bestimmen. Objektiv maßgeblich sind die in den Erwägungsgründen 23 und 24 der EuErbVO genannten Kriterien. Sie müssen auf Dauer angelegt sein. Eine Mindestaufenthaltsdauer ist (auch als Faustformel) abzulehnen. Gleiches gilt für die Vermutung des Bestehenbleibens des gewöhnlichen Aufenthalts im Heimatstaat. Folge des Begriffsverständnisses des gewöhnlichen Aufenthalts ist, dass dieser am Tag des Umzugs wechseln kann, aber auch über lange Zeit im Herkunftsstaat bestehen bleiben kann. Eine Ableitung des gewöhnlichen Aufenthalts von Bezugspersonen im Falle von Demenzkranken ist abzulehnen. Ist der Erblasser noch zur Willensbildung und -äußerung in der Lage, so wechselt sein gewöhnlicher Aufenthalt nicht, wenn er gegen seinen Willen ins Ausland verbracht wird, auch wenn er jahrelang dort lebt. Verliert der Erblasser seine Fähigkeit zur Willensbildung bzw. -äußerung, nachdem er ins Ausland verbracht wurde, so ist sein vorheriger Wille weiter maßgeblich. Sein gewöhnlicher Aufenthalt bleibt damit grundsätzlich in seinem Herkunftsstaat bestehen, solange auch noch objektive Umstände für einen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat sprechen. Ist der Erblasser bereits nicht mehr zur Willensbildung bzw. -äußerung in der Lage, wenn er in einen neuen Staat verbracht wird, ist ebenfalls auf den früheren Willen abzustellen. Der gewöhnliche Aufenthalt kann generell dann nicht mehr bestehen bleiben, wenn der (frühere) Wille nicht mehr von objektiven Umständen gedeckt ist. Abzulehnen ist ein zwischen Zuständigkeitsvorschriften und Vorschriften zum anwendbaren Recht unterscheidendes Begriffsverständnis. Ausweichklauseln kommen im EuIPR regelmäßig, aber nicht immer vor. Sie sind insbesondere im internationalen Familienrecht bisher nicht die Regel, was in Bezug auf den EuGüVO-E und die Rom III-VO zu bedauern ist. Gemeinsamer Zweck der Ausweichklauseln ist die Berufung des Rechts der engsten Verbindung. Sie weichen in den verschiedenen Regelungsinstrumenten teilweise deutlich voneinander ab. Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO hat einen eigenständigen Anwendungsbereich. Jedoch ist sie nicht in allen in der Literatur genannten Fallgruppen anwendbar. Vielmehr sollte sich ihre Anwendung auf Fälle beschränken, in denen sich mangels physischer Präsenz im Staat der überwiegenden Lebensinteressen ein gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers begrifflich nicht begründen lässt. Dazu gehören die Fallgruppe des Todes kurz vor dem geplantem Aufenthaltswechsel sowie die der steuerlichen Grenzpendler. Der Anwendungsbereich der Ausweichklausel kann insbesondere nicht mit der Berücksichtigung „erbrechtsspezifischer Besonderheiten“ und auch nicht mit einer anderen Gewichtung der schon beim gewöhnlichen Aufenthalt
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herangezogenen Kriterien begründet werden. Abzulehnen ist ferner die Anwendung der Ausweichklausel bei fehlender Interessengerechtigkeit der Regelanknüpfung, sofern darunter ein better law approach verstanden wird. Die Anwendung der Ausweichklausel ist darüber hinaus jedenfalls nicht regelmäßig bei einer internationalen Zuständigkeit eines Mitgliedstaats nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO geboten. Eine beschränkte Rechtswahl ist geradezu typisch für das bisherige EuIPR, insbesondere im Familienrecht. Der Zweck der Beschränkung der Rechtswahl besteht regelungsübergreifend darin, die potenziell schwächere Partei zu schützen. Die Umsetzung dieses Schwächerenschutzes erfolgt äußerst inkohärent. Die EuErbVO setzt den Schwächerenschutz in der bisher strengsten Form um, nämlich durch die Beschränkung der Rechtswahl auf ein einziges Recht. Eine Besonderheit besteht darin, dass im Rahmen der EuErbVO mit dem potenziell Pflichtteilsberechtigten eine nicht an der Rechtswahl beteiligte Partei geschützt werden soll. Zwischen der Rechtswahl im Rahmen der EuErbVO und der im bisherigen EuIPR bestehen strukturelle Unterschiede. Bei den im Rahmen der Rechtswahl des Art. 22 EuErbVO auftretenden Einzelfragen sind grundsätzlich die Interessen des Erblassers an einer gesicherten Nachlassplanung, die Rechtssicherheit und der Schutz potenziell Pflichtteilsberechtigter zu berücksichtigen. Es ist vom Grundsatz der größtmöglichen Wirksamkeit der Rechtswahl auszugehen, soweit das Heimatrecht des Erblassers betroffen ist. Eine isolierte Rechtswahl ist zulässig. Eine abstrakte Rechtswahl ist ebenfalls zulässig, soweit das gewählte Recht sich klar aus ihr ergibt. Die Wirkungen einer negativen Rechtswahl hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Bzgl. einer konkludenten Rechtswahl gilt, dass autonom zu entscheiden ist, ob die Voraussetzungen für eine solche vorliegen. Die konkludente Rechtswahl setzt voraus, dass sich aus der Verfügung von Todes wegen der Wille des Erblassers zur bzw. sein Einverständnis mit der Geltung seines Heimatrechts ergibt. Ein kollisionsrechtlicher Gestaltungswille ist nicht erforderlich. In einer Bezugnahme auf spezifische Bestimmungen des Heimatrechts ist regelmäßig eine konkludente Rechtswahl zu sehen. Die Frage ist unabhängig vom objektiv anwendbaren Recht zu entscheiden. Die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der eine Rechtswahl vorgenommen, widerrufen oder geändert wird, unterliegt dem (ursprünglich) gewählten Recht. Ein konkludenter Widerruf bzw. eine konkludente Änderung der Rechtswahl ist zulässig. Über die Rechtswahlmöglichkeit des Art. 22 EuErbVO hinausgehen kann eine Rechtswahl gem. dem nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO objektiv anwendbaren Recht. Eine „verdeckte Rechtswahl“ durch Festlegung der engsten Verbindung ist abzulehnen. Im Übergangszeitraum vom 16. 8. 2012 bis zum 17. 8. 2015 sind die Rechtswahlmöglichkeiten des Erblassers sowohl gegenüber dem bisherigen deutschen Recht als auch gegenüber dem zukünftigen Recht der EuErbVO erweitert. Bei der Beant-
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wortung der Einzelfragen ist ebenfalls vom Prinzip der größtmöglichen Wirksamkeit der Rechtswahl auszugehen, das vom Zweck des Vertrauensschutzes untermauert wird. Eine wirksame Rechtswahl ist auch dann anzunehmen, wenn sie vor dem 16. 8. 2012 getroffen wurde und im Einklang mit Art. 22 EuErbVO steht. Bei Eintritt des Erbfalls vor dem 17. 8. 2015 ist ebenfalls von einer gültigen Rechtswahl auszugehen. Eine Rechtswahl, die nach bisherigem IPR des Heimatmitgliedstaats oder des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers aufgrund objektiver Verweisung gewährt wurde, ist ebenfalls nach dem 17. 8. 2015 wirksam. Eine Rechtswahl ist ferner nach dem 17. 8. 2015 gültig, wenn sie aufgrund der Rechtswahlvorschriften eines Drittstaats, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam war. Die Gewährung einer Rechtswahlmöglichkeit ist grundsätzlich angemessen. Kritisch zu beurteilen ist die Beschränkung der Wahlmöglichkeiten auf das Heimatrecht. Der Gesetzgeber hätte das Recht des aktuellen gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zur Wahl stellen müssen. Es entspricht der Kohärenz des bisherigen EuIPR, den Renvoi auszuschließen. Die EuErbVO schafft hier durch ihre beschränkte Zulassung des Renvoi eine bewusste Inkohärenz. Der Sinn und Zweck des Renvoi besteht in der Gewährleistung des internationalen Entscheidungseinklangs. Die Anwendung der lex fori bei einer Rückverweisung ist zwar nicht Sinn und Zweck, aber aufgrund der Entlastung der Gerichte willkommener Nebeneffekt. Die Zulassung eines Renvoi ist zu begrüßen. Der Zweck des internationalen Entscheidungseinklangs wird jedoch von der Renvoiregelung nicht in vollem Umfang erreicht. Daher ist eine analoge Anwendung des Art. 34 Abs. 1 lit a EuErbVO bei einer Rück- oder Weiterverweisung auf das Recht eines Mitgliedstaats durch einen anderen als den ersten Drittstaat geboten. Art. 34 Abs. 1 lit. b ist in allen Fällen analog anzuwenden, in denen das über Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berufene Recht des Drittstaats zu einer Verweiskette führt, die ein in der Kette berufener Drittstaat zu seinen Gunsten abbricht. Der Ausschluss einer Rück- bzw. Weiterverweisung im Falle der Ausweichklausel ist nicht überzeugend, wohl aber der im Falle der Rechtswahl. Der Gesetzgeber hätte in den Bereichen, in denen es regelmäßig um Statusfragen geht, also neben dem internationalen Erbrecht insbesondere im Bereich des Scheidungsrechts und im Bereich des Ehegüterrechts, einen Renvoi ebenfalls zulassen müssen, was auch zur Kohärenz beigetragen hätte. Es ist verordnungsübergreifend sinnvoll, den Renvoi bei einer Rechtswahl auszuschließen. Die Statuteneinheit ist ein gemeinsames Prinzip des bisherigen EuIPR, das sich im Rahmen des EuGüVO-E und in der EuErbVO zeigt. Der EuGüVO-E verhindert eine Güterrechtsspaltung vollständig. Eine Nachlassspaltung kann im Rahmen der EuErbVO demgegenüber weiterhin durch Renvoi (Art. 34 Abs. 1 EuErbVO) entstehen. Die Fälle einer Nachlassspaltung sind aufgrund des grundsätzlichen Gleichlaufs von forum und ius jedoch begrenzt. Die Statuteneinheit ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings wäre es im Rahmen der EuErbVO sinnvoll gewesen, auch eine Art. 3a
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Kap. 7: Schlussthesen
Abs. 2 EGBGB entsprechende Regelung (Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut) vorzusehen. Im internationalen Ehegüterrecht sollte sowohl der Vorrang des Einzelstatuts als auch der Renvoi eingeführt werden, auch wenn er die Möglichkeit einer Güterrechtsspaltung eröffnet. Eine (rechtliche) Nachlassspaltung durch Renvoi wird durch die Regelung der EuErbVO im Vergleich zur bisherigen Rechtslage in Deutschland und Frankreich aus verschiedenen Gründen minimiert. Eine Nachlassspaltung durch Rechtswahl ist nicht mehr möglich, die Rechtswahl muss sich vielmehr auf den gesamten Nachlass beziehen; insbesondere abzulehnen ist eine Teilrechtswahl im Falle einer Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO. Eine faktische Nachlassspaltung kann im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander nicht mehr eintreten. Weiterhin möglich ist eine solche jedoch im Verhältnis zu Drittstaaten. Die Regelung der EuErbVO bringt erhebliche Vereinfachungen für grenzüberschreitende Nachlässe innerhalb der EU mit sich. Positiv auswirken werden sich insbesondere die Einheitlichkeit des Anknüpfungskriteriums, die nicht mehr notwendige Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen, die Beseitigung der rechtlichen Nachlassspaltung, die stark begrenzte Anwendung ausländischen Sachrechts, die starke Begrenzung der Fälle von Rück- oder Weiterverweisungen, die einheitliche Anerkennung einer getroffenen Rechtswahl und schließlich die Begrenzung der faktischen Nachlassspaltung. Insgesamt sind die Anknüpfungsregeln – auch in ihrer Rangfolge – zu begrüßen. Kritisch zu sehen ist die beschränkte Kohärenz innerhalb der EuErbVO, insbesondere, dass die EuErbVO die hinter den Anknüpfungsregeln stehenden Prinzipien nicht konsequent verfolgt. Dies gilt für die Klarheit des Erbstatuts, den Gleichlaufgrundsatz, den internationalen Entscheidungseinklang, die Parteiautonomie und die Rechtssicherheit. Kohärenz im Sinne einer gleichlautenden Auslegung der in verschiedenen Regelungsinstrumenten vorkommenden Begriffe und Instrumente ist im EuIPR nicht in vollem Umfang möglich und auch nicht sinnvoll. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Unterschiede hinsichtlich der Anzahl der Parteien, des Regelungsgegenstands, der Anzahl der in Betracht kommenden Rechte und der Art und den Umständen des Rechtsinstituts bestehen, ein unterschiedliches Bedürfnis nach Rechtssicherheit gegeben ist und zudem materiell-rechtliche Wertungen den jeweiligen Rechtsbereich überlagern. Möglich ist aber eine Kohärenz im Sinne einer systematischen Auslegung der Verordnungen des europäischen IPR, aus der die Übertragbarkeit einer bestimmten Begriffsauslegung folgen kann, abhängig von der Vergleichbarkeit der Interessenlage. Die Kohärenz kann ferner in der Einheitlichkeit bestimmter übergeordneter Prinzipien (Parteiautonomie, Klarheit über das anwendbare Recht, Berufung des Rechts der engsten Verbindung, Statuteneinheit) gesehen werden. Sie besteht jedenfalls aber in der Respektierung der Eigengesetzlichkeit und Besonderheit der Rechtsgebiete in einem (verordnungs-)übergreifenden Rahmen.
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Stichwortverzeichnis Anknüpfung – akzessorische 125, 128 – alternative 42 f. – objektive 30, 55, 73 – Rangfolge 283 – subjektive 32, 60, 153 – typisierende 146, 148 Aufenthalt, gewöhnlicher 73, 78, 90, 97, 278, 287, 290 – Ableitung 104, 109 – Bindung 105 – Brüssel IIa-VO 87 – Definition 78, 149, 283 – doppelter 115, 208 – einheitlicher 83 – erbrechtlicher 94, 107, 116 – HÜ 89 – im Heimatstaat 100 – Integration 101, 106 – objektive Elemente 98, 107 – Rom I-VO 84 – Rom II-VO 86 – Rom III-VO 86 – Säugling 104 – subjektives Element 101, 104, 107, 209 – Verfestigung 105 Aufenthalt, schlichter 31, 57, 136 Aufenthaltsprinzip 74 Aufenthaltswechsel – fremdbestimmter 101, 103, 109 – geplanter 136 Auflassungsvormerkung 34 Auslandsstudent 79, 151 Auslegung – autonome 80, 85, 90, 114, 116 – erblasserzentrierte 98, 107, 116, 139 – erbrechtsspezifische 84, 107 Auslegungsklausel 39 Ausweichklausel 42, 118, 288, 291 – erbrechtsspezifische 137, 144 – Fallgruppen 129
– – – – – –
HUntProt 126 internationale Zuständigkeit Rom I-VO 122 Rom II-VO 125 Staatsangehörigkeit 121 Zeitpunkt 121, 146
258
Berufspendler 79, 151 better law approach 142, 145, 148 Binnenmarkt 75 f., 108 Binnensachverhalt 155 Bleibewille 101, 103 f. De Marchi-Entscheidung 62 Demenz 59 Demenzkranker 101, 103, 109, 133, 296 Demenztourismus 111 Domicile 53, 55, 57 – ausländischer 66 – de dépendance 57 – d’origine 57 – fiscal 59 – volontaire 57 engste Verbindung, Festlegung 207 Entscheidungseinklang, internationaler 42, 47, 233, 235, 239, 244, 248, 271, 274, 285 Erbhöfe 46 Erklärungsbewusstsein 189 Europäisches Nachlasszeugnis 133 favor testamenti 163 – kollisionsrechtlicher 163, 211 Feudalsystem 55 floating choice of law 171 f., 213 Forgo-Entscheidung 61 forum shopping 23, 71, 122 GbR 34 Genfer UN-Übereinkommen 32 Gerichtsstandsvereinbarung 258
324
Stichwortverzeichnis
Gesamtverweisung 41, 236, 272, 274 siehe im Übrigen Renvoi Geschäftsfähigkeit 53, 59 f., 109 Geschäftsunfähiger 59, 101, 104, 109 f. Gestaltungswille, kollisionsrechtlicher 189, 211, 214 Gleichlauf von forum und ius 76, 114, 132, 143, 145, 241, 256, 280, 284 Grenzpendler 79, 93, 136, 150 Grundpfandrechte 34 Haager Testamentsformübereinkommen 21 Haager Übereinkommen von 1989 21, 89, 216 Häftling 79, 152 Handeln unter falschem Recht 36, 38, 191, 199, 294 Handelsgesellschaft 34 Hauptwohnsitz 57 Heimwärtsstreben 42, 241 Integration
101, 106
Kohärenz – in der Auslegung 78, 118, 122, 160, 213, 290, 293 – in der Gesetzgebung 73, 117 f., 145, 153, 212, 214, 231, 247, 252, 270, 287 – innerhalb der EuErbVO 284 – systematische 234 Kollisionsnorm – doppelte 54 – einseitige 33 Kompetenzkonflikt – negativer 48 – positiver 45 Labedan-Entscheidung 55 f. Leistung, vertragstypische 123 f., 291 lex causae 34, 36 lex fori 29, 34, 42, 52, 76, 114, 119, 154, 171, 173 – 175, 232, 239, 241, 268, 280, 283, 288 lex rei sitae 33 f., 55, 64 – 66, 69, 71, 122 f., 147, 221 – 223, 234, 237, 253 f., 261, 263, 270, 276 loi uniforme 223, 236
Mallorca-Rentner 79, 133 f., 136, 161, 208 f. Mehrstaater 31, 43, 166, 177, 179, 183, 266, 274 Mindestaufenthaltsdauer 99 – als Faustregel 100 mobilia sequuntur personam 56 Mobilität 76, 108 Nacherbfolge 194 Nachlasseinheit 22, 29, 44, 252, 271 – durch Renvoi 66 Nachlassplanung 23, 159 f., 164, 168, 178, 188, 197, 210, 217, 228, 230, 241 Nachlassspaltung 22, 35, 45, 54, 64, 69, 165, 255, 267, 271, 279 – durch Rechtswahl 49, 264 – durch Renvoi 48, 253, 256, 262, 270, 272 – faktische 49, 71, 256, 273, 282 – rechtliche Folgen 68 Nähe, räumliche 89, 92 nécessité du domicile 57 Niederlassung 60, 137 – effektive 57 Notzuständigkeit 132, 258, 263 Partei, schwächere siehe Schwächerenschutz Parteiautonomie 156, 158, 160, 210, 214, 227, 248, 286, 289 Personalstatut 30, 55 Personenstand 53 Pflegebedürftiger 79, 104 Pflegefall 79 Pflichtteilsanspruch 47, 161 Pflichtteilsberechtigter 33, 139, 159, 161 f., 209, 211 f., 228 f., 289, 294 Pflichtteilsrecht 47, 108, 122, 159 Pflichtteilsregelung 33 Präsenz, physische 105, 136, 139, 145 f., 148, 150 Privatautonomie 160, 210 Profisportler 79, 152 Prozessökonomie 76 Qualifikation 54 – als unbewegliches Vermögen – funktionale 30 – lege fori 54
34
Stichwortverzeichnis Qualifikationsprobleme 69 Qualifikationsrenvoi 69, 279 question anglaise 44 Rechtsfähigkeit 53, 101 Rechtsgeschäft – einseitiges 161, 214, 292 – zweiseitiges 161, 292 Rechtsverhältnis – einseitiges 148, 295 – hinkendes 39, 50, 166, 224, 277, 281 f. – zweiseitiges 147 f., 291 Rechtswahl 153, 274, 281, 288, 292 – abstrakte 170, 179, 211, 213, 292 – Änderung 202 – konkludente 205 – bedingte 171 – beschränkte 153, 212, 227, 286, 288 – durch Renvoi 39, 206, 221 – durch Sprache 200 – EuGüVO-E 154, 212 – freie 155 – größtmögliche Wirksamkeit 162 f., 170, 177, 191, 210, 226 f., 294 – HUntProt 154, 212 – im Übergangszeitraum 214, 226 – indirekte 208 – internationale Zuständigkeit 258 – isolierte 164, 167, 211 – Kommissionsvorschlag 159 – konkludente 162, 164, 167, 183 f., 193, 211, 213, 293 – materielle Wirksamkeit 36, 164, 211 – Mehrstaater 166, 177 – Missbrauch 159, 228 – negative 180, 293 – Prävalenz 106, 116, 162 – Rom I-VO 155, 212 – Rom II-VO 212 – Rom III-VO 153, 212 – verdeckte 207, 212 – Vertrauensschutz 214 – Vorwirkung 215, 226 – Widerruf 201 – konkludenter 205 – Zweck 160 – zweiseitige 295
325
Rechtswahlbewusstsein 188, 213, 294 siehe auch kollisionsrechtlicher Gestaltungswille Renvoi 42, 51, 70, 231, 236, 243, 275, 281, 289 – au premier degré 61 – au second degré 61 – Ausweichklausel 239, 241, 245 – EuGüVO-E 234, 249 – funktioneller 62 – Haager Übereinkommen 235 – HUntProt 235 – Kommissionsentwurf 235 – Ratio 239 – Rechtswahl 239, 242, 246 – Rom I-VO 231 – Rom II-VO 232 – Rom III-VO 233, 249 Riley-Entscheidung 63 Rückkehrwille 59 f., 131 Rückverweisung 37 Sachnormverweisung, gekreuzte 41, 231, 236, 244 siehe im Übrigen Renvoi Säugling 88, 104, 109 Schwächerenschutz 156, 160, 162, 212, 214, 288, 292, 296 Sinnklausel 41 Sitz des Rechtsverhältnisses 83, 107, 142 Staatenlose 32, 166 Staatsangehörigkeit, effektive 31, 166 Staatsangehörigkeitsprinzip 29 f. Stabilität der Anknüpfung 89, 96 Statusverhältnis 249, 289 Statuteneinheit 252, 290 siehe im Übrigen Nachlasseinheit – EuGÜVO-E 252 – Renvoi 253 Statutenwechsel 61, 77, 127, 230 Stewart-Entscheidung 55 Teil, allgemeiner des IPR 298 Teilrechtswahl 165, 195, 265, 267, 270 f. Teilrückverweisung siehe Nachlassspaltung durch Renvoi Testamentsauslegung 38, 187, 211, 225
326
Stichwortverzeichnis
Testierfreiheit 108, 117, 149, 163, 211, 227, 297 unicité du domicile 57 Universalsukzession 44 Unterqualifikation 54 Unwandelbarkeit siehe Wandelbarkeit Vereinheitlichung der Rechtsordnungen 107, 116 Verhaftung 117 Vertrag von Amsterdam 21 Verweisungsvertrag 214, 292, 294 f. Vorrang des Einzelstatuts 45, 253, 270, 275, 285
Wandelbarkeit 30, 119, 126 Weiterverweisung siehe Renvoi Wiener Aktionsplan 22 Wille 101, 105, 109, 111, 130, 132, 134 f., 145, 150 – hypothetischer 189, 193 – natürlicher 101 – rechtsgeschäftlicher 101, 109 Wohnsitz 81, 83, 98, 118, 166, 206, 219, 262, 272 f., 288 Zuständigkeit, internationale
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