Der Bestandsschutz des Unterhaltsrechts der Beamten im Grundgesetz: Zugleich ein Beitrag zu den beamtenrechtlichen Treuepflichten [1 ed.] 9783428488551, 9783428088553

Können die Bezüge der Beamten gekürzt werden - die Grundbesoldung, das Weihnachtsgeld, die Zulagen, das Ruhegehalt? Eine

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German Pages 221 Year 1997

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Der Bestandsschutz des Unterhaltsrechts der Beamten im Grundgesetz: Zugleich ein Beitrag zu den beamtenrechtlichen Treuepflichten [1 ed.]
 9783428488551, 9783428088553

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RICHARD MÜLLER

Der Bestandsschutz des Unterhaltsrechts der Beamten im Grundgesetz

Beiträge zum Beamtenrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Detlef Merten und Prof. Dr. Helmut Lecheier

Band 5

Der Bestandsschutz des Unterhaltsrechts der Beamten im Grundgesetz Zugleich ein Beitrag zu den beamtenrechtlichen Treuepflichten

Von

Richard Müller

DUßcker & Humblot · Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Müller, Richard: Der Bestandsschutz des Unterhaltsrechts der Beamten im Grundgesetz : zugleich ein Beitrag zu den beamtenrechtlichen Treuepflichten I von Richard Müller. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Beiträge zum Beamtenrecht ; Bd. 5) Zug!.: Erlangen, Nümberg, Univ. Diss., 1996 ISBN 3-428-08855-7 NE:GT

D29 Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0940-676X ISBN 3-428-08855-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 i§

Meinen Kindern Wolfgang, Anja und Liane

Inhaltsverzeichnis

A.

Problemstellung....................................................................................

15

I. 11. 111.

15 15

Verfassungsrechtliche Ausgangslage............................................ Das Unterhaltsrecht der Beamten.................................................. Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Besoldungs- und Versorgungsrechte................................................. Kritische Anmerkungen zu dieser Rechtsprechung.......... ........ ..... Auswirkungen der Rechtsprechung auf die politische Behandlung ............................................................................................... 1. Kürzungsbestrebungen des Bundes............... .............. ......... 2. Kürzungsinitiativen der Länder............................................ 3. Eingriffe in die Versorgungsrechte...................................... 4. Eingriffe in die Beihilfeansprüche.......................................

21 21 23 24 30

Kritische Anmerkungen zur Entwicklung der Gesetzgebung........

35

Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte............

40

I. 11. III. IV. V.

40 41 44 48

IV. V.

VI.

B.

Allgemeines................................................................................... Der Schutz in der germanischen Gefolgschaft..... ................. ........ Der Schutz der Unterhaltsrechte im Lehnswesen.......................... Der Schutz im mittelalterlichen Ämterwesen................................ Der Schutz der erworbenen Unterhaltsrechte im aufgeklärten Fürstenstaat. insbesondere im Reichsdeputationshauptschluß und der Bayerischen Hauptlandespragmatik.. ....................................... VI. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte im Deutschen Kaiserreich............................................................................................... VII. Der Schutz der Unterhaltsrechte in der Weimarer Republik......... 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Entstehungsgeschichte........................................................ . Wohlerworbene Beamtenrechte........................................... Aushöhlung des Verfassungsschutzes durch den Gesetzgeber........................................................................................ Notgesetzgebung der Jahre 1930/31.................................... Institutionelle Garantie............................. ........ .. ..... ............ . Zusammenfassung............................................................. .. .

17 18

54 66 72 72 74 78 85 90 93

8

Inhaltsverzeichnis VIII. Der Schutz der Unterhaltsrechte im Dritten Reich........................ IX.

C.

Der Schutz der Unterhaltsrechte nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches bis zur Gründung der Bundesrepublik.................

102

Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im geschichtlichen Rückblick der Bundesrepublik......................................

113

I. 11. 111.

D.

94

Die Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 4 und 5 GG.............. Die Übergangs- und Eingriffsregelung der Artikel 131 und 132

GG.................................................... ..............................................

113 120

Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte nach dem Grundgesetz in Gesetzgebung. Rechtsprechung und Lehre................................

123

1. 2. 3.

Gesetzgebung ...................................................................... . Rechtsprechung ................................................................... . Lehre ................................................................................... .

123 142 151

Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen...........................................................................................................

156

Der Schutz durch das besondere Treueverhältnis ......................... .

156

Das Treueverhältnis als Wesensmerkmal des Beamtenverhältnisses.............................................................................. Der Treuebcgriff im Beamtenverhältnis ............................ .. . al Die Treue im allgemeinen Sprachgebrauch ............ . bl Die Treue im Beamtenverhältnis ........................... .. c) Die Gegenseitigkeit der Treuepflicht... .................. .. d) Die Treuepflicht als Hauptpflicht... ........................ .

156 158 158 160 161 163

Der Schutz der Unterhaltsrechte als Treuepflicht des Dienstherrn

164

Unterlassungs- und Handlungspflichten ............................. . Echte und unechte Unterlassungspflichten .......................... . Konkretisierung der U nterlassungspfl ichten ....................... . a) Schutz nur für Rechte aus dem Beamtenverhältnis .. b) Schutz für Hillige Unterhaltsansprüche .................. .. c) Schutz für noch nicht fällige Ansprüche ................ .. d) Schutz des summenmäßigen Bestandes .................. . el Schutz der besonderen Rechtsqualität... ................ . Handl ungspfl ichtcn ......................................................... .... .

164 164 168 168 169 170 172 173 175

Der Schutt der Unterhaltsrechte durch die hergebrachten Grundsätze des Ikrur"heamtentums ..

178

I.

I. 2.

11.

I. 2. 3.

4. 111.

Inhaltsverzeichnis IV. V.

9

Der Schutz durch die Eigentumsgarantie...................................... Der Schutz durch das Rechtsstaatsprinzip und andere Verfassungsgrundsätze.. .......................................... ... ........ ........... ......

181

1. 2.

Das Rechtsstaatsprinzip ....................................................... . Der Gleichheitssatz............................................................. . a) Allgemeiner Schutz der Unterhaltsrechte ............... . b) Schutz vor strukturellen Verschlechterungen ......... . Das Sozialstaatsgebot. ......................................................... .

185 188 188 189 190

Die Grenzen des Bestandsschutzes in Notzeiten des Staates.........

191

1. 2. 3.

Bestandsschutz auch in Krisen- und Notzeiten ................... . Grenzen des Bestandsschutzes in der Vergangenheit... ...... .. Keine ausdrückliche Regelung im Grundgesetz.................. . Notrecht aus dem Beamtenverhältnis .................................. . Voraussetzungen flir das Notrecht.. .................................... . a) Finanzielle Notlage des Staates .............................. . b) Eingriff als letztes Mittel... ..................................... . c) Keine grundlegende Systemänderung .................... . d) Begrenzung aufNotzeit.. ....................................... ..

191 192 193 194 195 195 197 198 198

VII. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen................................

199

Literaturverzeichnis.. .... ... .......... ........ ........ ...... ... ... ........... .......... .......... ............ Sachwortregister... ............................ ......... ...... ..... ......... ....... ...... ................... ...

202 213

3.

VI.

4.

5.

185

Abkürzungsverzeichnis a.A.

aaO Abg. ABI.KR Abs. Abschn. a.F. Anh. Anl. Anm. AöR Art. Aufl. BAG BayBG BBesAnpG BBesÄndG BBesErhG BBesG BBG BBVAnpG Bd. BeamtVG BeamtVÄndG BesÄndG BesAnpG BesErhG BesG BesGr. BesNG BesR BesStrukG BesVNG BFV BGB BGBI. BGH BGHStr BGHZ

anderer Ansicht am angegebenen Ort Abgeordneter Amtsblatt des Kontrollrats Absatz Abschnitt alte Fassung Anhang Anlage Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Bundesarbeitsgericht Bayerisches Beamtengesetz Bundesbesoldungsanspassungsgesetz Bundesbesoldungsänderungsgesetz Bundesbesoldungserhöhungsgesetz Bundesbesoldungsgesetz Bundesbeamtengesetz Bundesbesoldungs- u. -versorgungsanpassungsgesetz Band Beamtenversorgungsgesetz Beamtenversorgungsänderungsgesetz Besoldungsänderungsgesetz Besoldungsanpassungsgesetz Besoldungserhöhungsgesetz Besoldungsgesetz Besoldungsgruppe Besoldungsneuregelungsgesetz Besoldungsrecht Besoldungsstrukturgesetz Besoldungsvereinheitlichungs- und -neuregelungsgesetz Bundesfinanzverwaltung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Strafsachen Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Zivilsachen

Abkürzungsverzeichnis BHLP BhV BM BMF BM! BR-Drucks. BReg BRRG BT BT-Drucks. BT-IA BVerfG BVerfGE BVerfGG BVersG BVerwG BVerwGE DBB DBG d.h. Diss. DJT DJZ DM DÖD DÖV dpa

DRZ

DRiZ DVBI DVO E Entw. Erg. Erl.

f. u. ff. FN

FS G oder Ges. GBI. GG GKVO GMBI. GS u. Gslg GVBI.

11

Bayerische Hauptlandespragmatik von 1805 Beihilfevorschriften Bundesminister Bundesminister der Finanzen Bundesminister des Inneren Bundesratsdrucksache Bundesregierung Beamtenrechtsrahmengesetz Deutscher Bundestag Bundestagsdrucksache Bundestagsinnenausschuß Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Band u. Seite) Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesversorgungsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Band u. Seite) Deutscher Beamtenbund Deutsches Beamtengesetz das heißt Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung (Jahr u. Spalte) Deutsche Mark Der Öffentliche Dienst (Jahr u. Seite) Die Öffentliche Verwaltung (Jahr u. Seite) Deutsche Presse-Agentur Deutsche Rechtszeitschrift (Jahr u. Seite) Deutsche Richterzeitung (Jahr u. Seite) Deutsches Verwaltungsblatt (Jahr u. Seite) Durchführungsverordnung Entscheidung Entwurf Ergänzung Erläuterung folgende Fußnote Festschri ft Gesetz Gesetzblatt Grundgesetz Gehaltskürzungsverordnung Gemeinsames Ministerialblatt Gesetzessammlung Gesetz- und Verordnungsblatt

12 GVS HarmNov HBeglG h.L. h.M. HRG Hrsg. HStrukG IA i.d.F. JöR JR JW JZ Kom. LAG Leg.Periode LVG MDR Mil.Reg. Min. Mio. Mrd. NDBZ NJW Nr. NVwZ o.a. OLG OVG ParI. Rat Plen.Prot. Prot.

RB RBBI

RBesG

RBG

RdA RDHS Rdnr. RegEntw. RFH

RFM

RGBI. RG RGZ RiA

Abkürzungsverzeichnis Gesetz- und Verordnungssammlung Harrnonisierungsnovelle Haushaltsbegleitgesetz herrschende Lehre herrschende Meinung Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte Herausgeber Haushaltsstrukturgesetz Innenausschuß in der Fassung Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Rundschau (Jahr u. Seite) Juristische Wochenschrift (Jahr u. Seite) Juristen-Zeitung (Jahr u. Seite) Kommentar Landesarbeitsgericht Legislaturperiode Landesverwaltungsgericht Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr u. Seite) Militärregierung Minister Millionen Milliarden Neue Deutsche Beamtenzeitung Neue Juristische Wochenschrift (Jahr u. Seite) Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Jahr u. Seite) oben angeführt Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Parlamentarischer Rat Plenarprotokoll Protokoll Reichsbund Reichsbesoldungsblatt Reichsbesoldungsgesetz Reichsbeamtengesetz Recht der Arbeit (Jahr u. Seite) Reichsdeputationshauptschluß von 1803 Randnummer Regierungsentwurf Reichsfinanzhof Reichsfinanzminister Reichsgesetzblatt Reichsgericht Reichsgericht, Entscheidungen in Zivilsachen Recht im Amt (Jahr u. Seite)

Abkürzungsverzeichnis RReg Rspr. RT-Drucks. RuPrVwBI. RV S. s. sog. Sp. st.Rspr. Tit. TVG Überbl. UmstG Vbg. Verf. VGH vgl. v.H. VO VwVfG WiGBI WRV(WV) z.B. ZBR Ziff. ZRP

Reichsregierung Rechtsprechung Reichstagsdrucksache Reichs- u. Preußisches Verwaltungsblatt Reichsverfassung von 1871 Seite siehe sogenannt Spalte ständige Rechtsprechung Titel Tarifvertragsgesetz Überblick Umstellungsgesetz Verbindung Verfassung Verwaltungsgerichtshof vergleiche vom Hundert Verordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Weimarer Reichsverfassung zum Beispiel Zeitschrift flir Beamtenrecht (Jahr u. Seite) Ziffer Zeitschrift flir Rechtspolitik (Jahr u. Seite)

13

A. Problemstellung I. Verfassungsrechtliche Ausgangslage Das Grundgesetz vom 23. Mai 1949 bekennt sich für die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zur Aufrechterhaltung des Berufsbeamtenturns. Es bestimmt, daß die Ausübung hoheitlicher Befugnisse in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen (Art. 33 Abs. 4). Was die nähere rechtliche Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses anbelangt, so verzichtet es auf die unmittelbare Normierung bestimmter verfassungsrechtlicher Grundsätze. Es legt lediglich in allgemeiner Form fest, daß das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns zu regeln ist (Art. 33 Abs. 5). Das Grundgesetz knüpft mit diesen Grundentscheidungen an das historisch gewachsene Berufsbeamtenturn an und übernimmt es in seinen in der deutschen Verfassungstradition bewährten Wesensmerkmalen und Strukturprinzipien fiir den staatlichen Aufbau der Bundesrepublik.

11. Das Unterhaltsrecht der Beamten Das Beamtenverhältnis besteht im wesentlichen in der Leistung von Diensten fiir die Allgemeinheit gegen die Gewährung von Unterhalt fiir den Beamten und seine Familie, wobei sowohl der Beamte als auch der Dienstherr besonderen Treuebindungen unterliegen und die gegenseitigen Rechte und Pflichten einseitig und hoheitlich vom Gesetzgeber geregelt werden. I Der Anspruch auf Unterhalt 2 ist das wichtigste subjektive Recht des Beamten aus dem Beamtenverhältnis. Er ist zumeist seine einzige Einnahmequelle.

Vgl. BVerfGE 3,58/160; 6,132/153; 44,249/264; st. Rspr. Der Unterhaltsanspruch der Beamten wird in Rechtsprechung und Schrifttum in der Regel als "Alimentationsanspruch" bezeichnet, vgl. z.B. BVerfGE 18,159/166: 44,249/263: 55.373/392; 76.2561298; BVerwGE 41,316/320; MaunzlDürig Kom. z. GG. Art. 33. Rdnr. 69: LeibholziRink, Kom. z. GG, Art. 33; Rdnr. 9; SchwegI

2

16

A. Problemstellung

Er bildet die Grundlage für seine wirtschaftliche Existenz und seine materielle Lebensplanung. Aus ihm bestreitet er in der Regel seine gesamten Lebensbedürfnisse sowie die seiner Familie. Er sichert ihm seine Grundbedürfnisse an Nahrung, Kleidung und Wohnung und ermöglicht ihm darüber hinaus eine persönliche Lebenshaltung und individuelle Lebensgestaltung, die der Bedeutung, dem Schwierigkeitsgrad und der Verantwortung des ihm übertragenen Amtes entspricht. 3 Der Unterhaltsanspruch ist aber nicht nur das wichtigste Recht des Beamten, er ist auch von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit. Von seiner rechtlichen und finanziellen Ausgestaltung hängt es zunächst schon ab, ob er auch für qualifizierte und leistungsstarke Kräfte genügend Anreize bietet, in den öffentlichen Dienst einzutreten. Nur wirklich fähige und tüchtige Beamte sind aber in der Lage, in unserer modemen, komplizierten und pluralistischen Industriegesellschaft die für die Verwirklichung des sozialen Rechtsstaates erforderlichen Ordnungs-, Gestaltungs- und Leistungsaufgaben gut und sachgerecht zu bewältigen. 4 Mit dem wachsenden Einfluß des Staates auf nahezu alle Lebensbereiche des Bürgers erhöht sich dabei auch die Möglichkeit und Gefahr einer unsachlichen Einflußnahme auf die von dem Beamten wahrzunehmenden Aufgaben. Die Gefahr kann sowohl vom Innenverhältnis des Beamten ausgehen, insbesondere von seinen Vorgesetzten, als auch von außen kommen, wie von betroffenen Bürgern oder von interessierten Parteien, Verbänden oder Medien. Bei Vorgesetzten kann sie Z.B. im Äußern sachfremder Wünsche oder im Erteilen sachlich nicht vertretbarer oder gar rechtswidriger Weisungen bestehen, bei Außenstehenden im Versprechen finanzieller Zuwendungen sowie von Geschenken oder anderen Vorteilen für die Vornahme oder Unterlassung bestimmter Amtshandlungen. Den hiervon ausgehenden Gefahren für unseren

mann/Summer, Kom. z. BBesG, § I Anm. 11; Clemens/ Milack/Engelking/Lantermann/Henkel, Kom. z. BesR, § I Anm. 1.3; Leisner, Grundlagen des Berufsbeamtenturns, S. 69; LecheIer, Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Bundesverwaltungsgerichts. AöR 1978 S. 336ff.; Rüfner, in Leisner, Berufsbeamtenturn im modernen Staat, S. 148; Summer/Rumetsch, Alimentationsprinzip gestern und heute. ZBR 1981 S. I ff. Die dem heutigen Sprachgebrauch nicht mehr entsprechende Bezeichnung dient vor allem der Unterscheidung zum vertraglichen Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer. In der Umgangssprache wird als Alimentation nur noch die Unterhaltszahlung des Vaters an das uneheliche Kind bezeichnet (s. Duden, Herkunftswörterbuch). 3 BVerfG 8, 11\41\6; 44,249/265; st. Rspr. 4 S. Leisner, Der Beamte als Leistungsträger, in: Das Berufsbeamtenturn im demokratischen Staat, S. 121 ff.

III. Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts

17

Rechtsstaat kann am wirkungsvollsten durch eine Unterhaltsregelung begegnet werden, die den Beamten rechtlich und wirtschaftlich unabhängig macht. 5 Hierdurch wird es ihm erst ermöglicht, sein Amt ohne Rücksicht auf eigene Vor- oder Nachteile uneigennützig, unbestechlich, mutig und unparteiisch auszuüben und sich bei seinen Amtshandlungen ausschließlich von Recht und Gesetz sowie dem Allgemeinwohl leiten zu lassen. Die Unterhaltsansprüche im einzelnen sind fur die im aktiven Dienst stehenden Beamten im Besoldungsrecht, und zwar insbesondere im BundesbesOldungsgeseti, für die Ruhestandsbeamten und die Hinterbliebenen der Beamten im Versorgungsrecht, und hier vor allem im Beamtenversorgungsgesetz7 geregelt.

III. Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Was nun die Frage nach dem Schutz dieser Unterhaltsansprüche durch die Verfassung anbelangt, so wird ein derartiger Schutz nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nur in erheblich eingeschränktem Umfang gewährt. Das Gericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die Meinung, der Beamte habe zwar im Rahmen des Art. 33 Abs. 5 GG einen grundrechtsähnlichen Individualanspruch auf einen seinem Amt angemessenen Lebensunterhalt. 8 Die Verfassung schütze jedoch nicht den von dem Beamten erworbenen Anspruch auf eine summenmäßig bestimmte Besoldung oder Versorgung, wie er in den Besoldungs- und Versorgungsgesetzen festgelegt sei. Von der Verfassung garantiert werde vielmehr nur der "Kembestand", das "unerläßliche Mindestmaß" dieses Anspruchs. 9 Der Gesetzgeber habe bei der Entscheidung über die Amtsangemessenheit des Lebensunterhalts einen weiten Ermessens- oder Gestaltungsspielraum. 1o Nur wenn die unterste Grenze des angemessenen Unterhalts eindeutig unterschritten werde, sei der von der Verfassung gewährleistete Kembestand verletzt. Bis zu dieser untersten Grenze könne der Gesetzgeber die Bezüge der Beamten aus sachgerechten Gründen fur die Zukunft jederzeit

Vgl. BVerfGE 7,155/163; 70.251/267f. In der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Febr. 1989 (BGBI. I S. 261) mit späteren Änderungen. 7 Vom 24. Aug. 1976 in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Febr. 1987 (BGBI. I S. 1339) mit späteren Änderungen. 8 BVerfGE 8,1/17; sI. Rspr. 9 BVerfGE 8.1/26; 17.337/355. 10 BVerfGE 8.1/16: st. Rspr. 6

2 Müller

A. Problemstellung

18

herabsetzen. 11 Im übrigen sei der Kernbestand des Unterhaltsanspruchs "durch Art. 33 Abs. 5 GG ebenso gesichert, wie er es als Eigentum durch Art. 14 GG" sein würde. 12

IV. Kritische Anmerkungen zu dieser Rechtsprechung Bei der skizzierten Rechtsprechung fällt zunächst auf, daß das Gericht als Schutznorm für die Unterhaltsrechte der Beamten lediglich den Art. 33 Abs. 5 GG mit seinen hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtenturns heranzieht, den Art. 33 Abs. 4 mit seiner verfassungsrechtlichen Verankerung des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis aber im wesentlichen unberücksichtigt läßt. Die verfassungsrechtlichen Folgerungen, die sich insbesondere aus der Festlegung des Beamtenverhältnisses als beiderseitiges Treueverhältnis für die Unterhaltsptlichten des Dienstherrn und die Unterhaltsrechte der Beamten ergeben, wurden vom Gericht bisher nicht näher untersucht. Die Prüfung dieser Frage erscheint umso mehr erforderlich, als der grundrechtsähnliche Anspruch auf einen amtsangemessenen Lebensunterhalt, den das Gericht den Beamten aus Art. 33 Abs. 5 GG zugebilligt hat, so unbestimmt ist und in seiner Ausgestaltung so sehr dem Gesetzgeber überlassen wurde, daß ein konkreter Rechtsanspruch, der mit Aussicht auf Erfolg auch gerichtlich geltend gemacht werden könnte, hieraus praktisch nicht abgeleitet werden kann. Dies wird vom Gericht auch selbst eingeräumt, wenn es darauf hinweist, daß der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers für die Angemessenheit und damit auch für den verfassungsrechtlich nur geschützten Kern des Unterhaltsanspruchs so weit ist, daß es "in zweifelhaften Fällen nur schwer einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG mit der für eine richterliche Entscheidung erforderlichen Eindeutigkeit feststellen" kann. 13 Ein grundrechtsähnlicher Anspruch, der vom Anspruchsberechtigten - von offensichtlichen, extremen Ausnahmefällen abgesehen - nicht konkretisiert und realisiert werden kann, verfehlt aber seinen Sinn und Zweck und läßt den Betroffenen in seinen Grundrechten gegenüber dem Staat in Wirklichkeit weitgehend schutzlos. Ähnlich unbefriedigend sind die Aussagen des Gerichts zum Eigentumsschutz der Unterhaltsrechte. Obwohl das Gericht inzwischen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG auch für öffentlich-rechtliche Forderungen anerkannt

II

11 I)

BVerfGE 8.1/22: 18.159/167: kritisch hierzu LecheIer. AöR 1978. S. 369. BVerGE 16.94/1121' BVerfGE 8.1/22f.

IV. Kritische Anmerkungen zu dieser Rechtsprechung

19

hat, wenn sie Gegenleistung und Äquivalent fur eigene Leistung sind,14 hält es bei den Unterhaltsrechten der Beamten nach wie vor an seiner Auffassung fest, daß Art. 33 Abs. 5 GG eine Sonderregelung darstellt, die die Anwendung des Art. 14 GG ausschließt. 15 Das Gericht betont dabei zwar, der grundrechtsähnliche Anspruch nach Art. 33 Abs. 5 GG sichere den "Kembestand" des Unterhaltsrechts in gleicher Weise wie Art. 14 GG. 16 Tatsächlich wird mit der Beschränkung des Schutzes auf den unbestimmten Kembereich die Eigentumsgarantie aber erheblich eingeschränkt und auf den gänzlich unzureichenden Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG reduziert. Zwar ließe auch die Garantie des Art. 14 GG theoretisch eine Kürzung der Unterhaltsansprüche für die Zukunft zu, wenn dies aus zwingenden Gründen "zum Wohle der Allgemeinheit" erforderlich wäre (Art. 14 Abs. 3 GG).17 Da die Kürzung als teilweise Enteignung aber nur gegen Entschädigung zulässig wäre, die ihrerseits wieder dem Umfang der Kürzung entsprechen und diese ausgleichen müßte (Art. 14 Abs. 3 GG), wäre eine Kürzung widersinnig. 18 Ebenso vermißt man in der Rechtsprechung des Gerichts ein näheres Eingehen auf das Rechtsstaatsprinzipl9 und die ihm immanenten Grundsätze der Rechtssicherheit 20, des Vertrauensschutzes 21 und von Treu und Glauben 12 . Diese Grundsätze beherrschen als Grundphänomene und Wesensmerkmale des Rechts in seiner Funktion als Ordnung des menschlichen Gemeinschaftslebens das gesamte öffentliche und private Recht. Eine Auseinandersetzung mit ihnen im Rahmen der Unterhaltsrechte und der Versagung eines echten Bestandsschutzes hätte umso näher gelegen, als:

14 BVerfGE 14,288/294; 18,392/397; 72.175/193 u.a.; s. im einzelnen hierzu Abschn. C. III. 2. und D. IV. 15 BVerwGE 17,337/355; lediglich für die Unterhaltsrechte der Soldaten hat das Gericht Art. 14 GG als Schutznorm herangezogen, dabei allerdings den Schutzumfang wieder auf den der beamtenrechtlichen Unterhaltsansprüche nach Art. 33 Abs. 5 GG. d.h. auf den Kernbestand, eingeschränkt, E 16,94/116. 16 BVerfGE 21,329/344; 53,257/307. 17 Die Kürzung einer Geldforderung ist keine Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. I GG, da ihr konkreter Inhalt in der Hand des Anspruchsberechtigten, d.h. ihr Bestand und ihre Höhe, bereits festgelegt ist. IX Vgl. Stein, Staatsrecht, S. 252. 19 Art. 20 Abs. 3 GG, s. Abschnitt D. V. 2U Vgl. BVerfGE E 3, 225/237; 7,194/196 u. st. Rspr. Vgl. auch Dahm. Deutsches Recht, S. 13 u. Coing, Rechtsphilosophie, S. 24ff. 21 Grundsätzlich Lecheier, Vertrauensschutz bei der Beamtenbesoldung und Beamtenversorgung, ZBR 1990 S. I ff.; Leisner, Das Gesetzesvertrauen des Bürgers. FS f. Berber, 1973 S. 273ff. vgl. auch BVerfGE 52. 303/345. 22 Vgl. BVerfGE 3.581\57; ferner Palandt. Kom. z. BGB. 242 Rom. I. 2: Coing. Rechtsphilosophie. S. 146ff.

*

2'

A. Problemstellung

20

die Grundsätze auch den Gesetzgeber binden und seiner Gestaltungsfreiheit Schranken setzen,23 es sich bei den Unterhaltsrechten der Beamten nicht um einseitige Sozialleistungen handelt, wie sie allen Bürgern bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen zur Gewährleistung eines Mindestmaßes an sozialer Sicherung gewährt werden,24 im öffentlichen und privaten Vertragsrecht die geschuldeten Leistungen durch die genannten Grundsätze zumindest in ihrem vermögensrechtlichen Wert voll erfaßt und geschützt werden,25 es mit diesen Grundsätzen kaum vereinbar erscheint, daß der Staat auch in seiner Eigenschaft als Beteiligter an einem gegenseitigen Rechtsverhältnis befugt sein soll, die von ihm selbst dem anderen Beteiligten in rechtsverbindlicher Form zugesicherte Gegenleistung jederzeit wieder mehr oder minder weitgehend und beliebig zu verschlechtern/ 6 den Beamten für ihr wichtigstes Beamtenrecht der Schutz des Vertrauens in den Fortbestand versagt wird, obwohl ihnen dieses Recht in der rechtlich stärkst-möglichen Form eines feierlichen staatlichen Gesetzgebungsaktes zugesichert wird und obwohl der Vertrauensschutz im öffentlichen Recht grundsätzlich nur bei rechtswidrigen Hoheitsakten und auch dort nur bei Kenntnis oder grobfahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit verwehrt werden kann/ 7 Notstandslagen des Staates oder sonstige übergeordnete Rechtfertigungsgründe, die einen Eingriff in bestehende Unterhaltsrechte ausnahmsweise rechtfertigen könnten, vom Gericht nicht gefordert werden. 28

23

Zur Gestaltungsfreiheit bei den Unterhaltsrechten vgl. BVerfGE 8, 1/22f.

l~ BVerfGE 16,94/116: 17.337/355; 21, 329/344/360.

Vgl. §§ 54ff. VwVfG; § 242 BGB. Die Verschlechterung führt zu einer Wertverschiebung im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zum Nachteil des Beamten. Vgl. hierzu den Rechtsgrundsatz des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Vertragsrecht, insbesondere bei Unterhaltsverträgen: s. z.B. Palandt. Kom. z. BGB § 242 Anm. 6: Efstration, Die Bestandskraft des öffentlich-rechtlichen Vertrages, S. 293ff. ]7 Vgl. § 48 VwVfG. ]X Vgl. §§ 226ff. BGB: Hesse in Staatslexikon, 1960, Stichwort Staatsnotstand und Staatsnotrecht. ]5

lh

V. Auswirkungen der Rechtsprechung auf die politische Behandlung

21

V. Auswirkungen der Rechtsprechung auf die politische Behandlung Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts blieb im politischen Raum nicht ohne Auswirkungen auf die Besoldungspolitik und die Unterhaltsrechte. Sie ermöglichte es dem Gesetzgeber, unter Berufung auf seine kaum eingeschränkte Gestaltungsfreiheit die von ihm bereits gestalteten Bezüge ohne Bindung an seine eigene Entscheidung auch zum Nachteil der Beamten erneut zu gestalten.-'9 I. Kürzungsbestrebungen des Bundes

So wurden die durch das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1981 30 festgesetzten Unterhaltsansprüche der Beamten, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger schon wenige Tage nach Verkündung des Gesetzes durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz von 1981 31 wieder gekürzt. Die Kürzung fiel mit 1 v.H. des Anfangsgrundgehalts bzw. des Festgehalts und des Ortszuschlages (Stufe I) zwar relativ gering aus. 32 Sie ist aber im Zusammenhang mit umfangreichen weiteren Sparmaßnahmen zu sehen, die außerhalb des Besoldungs- und Versorgungsgesetzes teils auf gesetzlicher Grundlage, teils im VerwaItungswege noch zusätzlich getroffen wurden und die gerade auch die Angehörigen des öffentlichen Dienstes belasteten. 33

29 Soweit die Unterhaltsansprüche in Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung oder im Rahmen einer Neubewertung von Ämtern erhöht werden. sind verfassungsrechtliche Schutznormen nicht erforderlich. da hierdurch die Rechtsstellung des Beamten nicht verschlechtert wird. 30 Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern vom 21.12.1981. BGBI. I S. 1465. Das Gesetz trat mit Wirkung vom 1.5.1981 in Kraft. 31 Zweites Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22.12.1981. BGBI. I S. 1523. 32 Art. 1 des 2. HStruktG. Die errechnete Einsparung für Bund. Länder und Gemeinden betrug 1.4 Mrd. DM. 33 Erwähnt seien hier z.B. das Zurückbleiben der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst hinter der Einkommensentwicklung in der Wirtschaft. der Abbau von Planstellen mit der Folge der Arbeitsmehrbelastung und des Wegfalls von BeförderungssteIlen. die Anpassung der Unterhaltsansprüche erst drei Monate nach Inkrafttn:ten der entsprechenden Tarifverträge im öffentlichen Dienst. die strukturelle Absenkung der Eingangsbesoldung und der Anwärterbezüge. die Streichung der bisher gewährten Essenszuschüsse. die Einschränkungen im Beihilferecht usw. Vgl. hierzu BT-

22

A. Problemstellung

Die Kürzungen der Unterhaltsansprüche im 2. Haushaltsstrukturgesetz waren Teil eines umfassenden Programms zur Einsparung von Haushaltsmitteln mit dem Ziel der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen. Die Konsolidierung war erforderlich geworden, weil eine ideologisch motivierte, außerordentlich großzügige Ausgabenpolitik der damaligen Regierungsparteien vor allem in der Sozialgesetzgebung in Verbindung mit einem Nachlassen des Wirtschaftswachstums und der Haushaltseinnahmen zu einer erheblichen Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte geführt hatte. 34 Soweit das Sparprogramm Eingriffe in Leistungsgesetze enthielt, wurde nicht unterschieden nach der Art des Leistungsgesetzes und dem Grund für die Gewährung der Leistung, sondern lediglich "nach der sozialen Dringlichkeit der betroffenen Leistungen".35 Bei der Bewertung der sozialen Dringlichkeit ging der Gesetzgeber davon aus, daß den Beamten, Richtern und Soldaten wegen des geringen Risikos, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, eine Kürzung ihrer Bezüge "billigerweise abverlangt" werden kann. 36 Die Kürzung erfolgte also nicht zur Anpassung der Unterhaltsansprüche an die Entwicklung der Löhne und Gehälter in der freien Wirtschaft. Hinter ihr lagen sie sogar noch zurück. 37

Sie erfolgte vielmehr in "Gleichbehandlung" mit der Einschränkung nicht mehr voll finanzierbarer Sozialleistungen und Subventionen, und zwar ohne zu berücksichtigen, daß es sich bei den Dienst- und Versorgungsbezügen gerade nicht um ohne Gegenleistung gewährte Sozialleistungen an alle betroffenen Bürger handelt, sondern um Entgelt für geleistete Dienste. In die Kürzungen sollten nach den Vorstellungen der Bundesregierung und des Parlamentes wegen der rechtspolitisch erwünschten Gleichbehandlung des gesamten öffentlichen Dienstes bei allgemeinen Erhöhungen oder Absenkungen der Bezüge auch die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes einbezogen werden. 38 Die Kürzungen konnten im Taritbereich aber nicht durchgesetzt werden, da die Gewerkschaften einer Rücknahme bereits vorgenommener Anpassungen an die wirtschaftliche Entwicklung nicht zustimmten. Sie wurden

Drucks. 9/795 S. 40: Clemens. ZBR 1984 S. 25: Reiners, RiA 1984 S. 34 u. 1985 S. 534. ,. Vgl. BT-Drucks. 9/795 S. 33. )< Wie FN 34. ", BMF-Informationen BFV Nr. 4/81: zu den Auswirkungen der Arbeitsplatzsicherheit auf die Beamtenbesoldung s. Günther, Die Anpassung der Beamtenbesoldung an die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse, S. 153f. ,) Vgl. Käppner. Bundesbesoldungs- u. -versorgungsanpassungsgesetz 1981. ZBR 19XI S. 365f " BT-Drucks. 9/795 S. 51.

V. Auswirkungen der Rechtsprechung auf die politische Behandlung

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daher auch bei den Beamten und Versorgungsempfängern wieder aufgehoben. 39 2. Kürzungsinitiativen der Länder

Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung löste ferner in mehreren Bundesländern politische Initiativen zur Kürzung von Dienst- und Versorgungsbezügen aus. Im Mittelpunkt der Kürzungsbemühungen standen dabei die jährliche Sonderzuwendung (sog. Weihnachtsgeld oder 13. Monatsgehalt) und das Urlaubsgeld. 40 So brachte das Land Nordrhein-Westfalen am 3.2.1982 beim Bundesrat den "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung und des Gesetzes über die Gewährung eines jährlichen Urlaubsgeldes" ein. 4 \ Der Entwurf sah bei der Sonderzuwendung eine nach Besoldungsgruppen gestaffelte Kürzung um 10 v.H. in Besoldungsgruppe A 9 bis um 33 1/3 v.H. ab Besoldungsgruppe A 12 und beim Urlaubsgeld eine Streichung ab Besoldungsgruppe A 12 sowie eine Halbierung in den Besoldungsgruppen A 9 bis A 11 vor. 42 Begründet wurde der Gesetzentwurf mit der schwierigen Lage der öffentlichen Haushalte, die Einsparungen im Personalkostenbereich auch durch maßvolle Eingriffe in Leistungsgesetze erforderlich mache. Maßgebend für die Kürzungen sei die Leistungsflihigkeit der Betroffenen. Die Eingriffe seien auch verfassungsmäßig, da sie nicht den Kernbereich der Besoldung berührten und vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich für zulässig erklärt worden • 43 selen. 39 Abschnitt I § I Nr. 2 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1982 v. 20.12.1982, BGBI. I S. 1835. Ausführlich hierzu Käppner. Die Besoldungs- und Versorgungsanpassung 1982 und 1983. ZBR 1983 S. 15ff. sowie Reiners, Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1983, RiA 1982 S. 141 ff. S. Abschn. C. III. I. 40 Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung in der Fassung vom 23.5.1975, BGBI. I S. 1173 und Gesetz über die Gewährung eines jährlichen Urlaubsgeldes i.d.F. vom 30.7.1979. BGBI. I S. 1285. In seiner Entscheidung Bd. 44. 249/263 hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt. daß die Sonderzuwendung und das Urlaubsgeld nicht den Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG genießen und .jederzeit.. geändert werden können. 41 BR-Drucks. 53/82. 42 Im einzelnen siehe Reiners. RiA 1982. 141. 142 und earl. DÖD. 1988. 101. 43 Niederschrift über die 499. Sitzung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten am 14.4.1982 S. 61.

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A. Problemstellung

Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf nicht beim Bundestag eingebracht. 44 Er entsprach damit einer Empfehlung seines Ausschusses für Innere Angelegenheiten und seines Finanzausschusses, die den Entwurf vor allem deshalb ablehnten, weil er die Beamten gegenüber den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes benachteilige. Die Landesregierung von Baden-Württemberg kündigte Ende 1982 in der Presse 45 eine Bundesratsinitiative zur Halbierung der Sonderzuwendung und des Urlaubsgeldes an. Mit Schreiben vom 3.5.1983 übersandte der Ministerpräsident des Landes dann dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der anderen Bundesländer den "Entwurf eines Gesetzes über einen Solidaritätsbeitrag des öffentlichen Dienstes und zur Verbesserung der Arbeitsplatzchancen junger Menschen".46 Der Entwurf sah - entgegen seiner Überschrift keinen Solidaritätsbeitrag des gesamten öffentlichen Dienstes, sondern nur der Besoldungs- und Versorgungsempfänger vor, und zwar in Form einer Kürzung der Sonderzuwendung auf den Höchstbetrag von 2000 DM für die Dauer von fünf Jahren. Der Einsparungsbetrag sollte nach den Vorstellungen des Landes zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit beitragen und zweckgebunden zur Verbesserung der Arbeitsplatzchancen junger Menschen eingesetzt werden. Auch dieses Kürzungsvorhaben scheiterte letztlich an der mangelnden Durchsetzbarkeit der entsprechenden Kürzungen im Tarifbereich, d.h. am Widerspruch und am Streikrecht der Gewerkschaften. 47 Die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts von der Verfassung nicht gewährleistete und die vom Gesetzgeber nicht gewährte Bestandsgarantie für die gesetzlich zugesicherten Unterhaltsrechte wurde den Beamten de facto also von den Gewerkschaften gegeben. 3. Eingriffe in die Versorgungsrechte

Auf ihren Schutz und ihre Hilfe kann die Beamtenschaft allerdings nicht hoffen, wenn der Gesetzgeber Kürzungen in Unterhaltsgesetzen vornimmt, die sich weder unmittelbar - wie bei tarifrechtlichen Verweisungen auf besoldungsrechtliche Regelungen - noch mittelbar auf die Gehälter und Löhne der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes auswirken. Beschluß vom 16.7.1982. BR-Drucks. 53/82. dpa-Meldung vom 28.10.1982. 46 Das Schreiben und der Gesetzentwurf wurden nicht veröffentlicht. 47 Tarifverträge sind zwar kündbar. wirken aber bis zum Abschluß eines neuen Tarifvertrages nach (~ 4 Abs. 5 TVG). so daß eine Kürzung ohne Zustimmung der Gewerkschaften nicht möglich ist. Diese hatten aber zu erkennen gegeben. daß sie einer Kürzung keinesfalls zustimml:n \\ ünkn. 44 45

V. Auswirkungen der Rechtsprechung auf die politische Behandlung

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Dies gilt z.B. bei Eingriffen in die Versorgungsrechte der Beamten. Hier dienten umgekehrt sogar notwendige Korrekturen und Einsparungen im Rentenrecht der Arbeitnehmer zur Begründung und Rechtfertigung von gleichzeitigen Eingriffen und Einsparungen im Versorgungsrecht der Beamten. So führte die Bundesregierung 1989 eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung für Arbeitnehmer durch. 48 Die Reform war vor allem deshalb notwendig geworden, weil: - die 1957 gesetzlich eingeführte dynamische Rentenformel einen schwerwiegenden systematischen Fehler aufwies, der die Renten im Vergleich zum Nettoarbeitseinkommen der Arbeitnehmer überproportional anwachsen ließ und der beim Unterlassen einer Korrektur dazu geführt hätte, daß die Renten nach einiger Zeit die Nettolöhne und -gehälter der aktiven Arbeitnehmer sogar überschritten hätten;49 - die Vorverlegung der Altersgrenze für den Bezug der Altersrente von 65 auf 60 und 63 Jahre einen weiteren Systemfehler enthielt, soweit sie die Arbeitnehmer besonders begünstigte, die zu ihrer gesetzlichen Altersrente noch eine betriebliche Zusatzversorgung erhalten. 50 Beide Renten zusammen ermöglichten den Arbeitnehmern ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsleben weitgehend ohne finanzielle Einbußen und zum Teil sogar mit einer Gesamtversorgung, die über ihren zuletzt erreichten Nettolöhnen und -gehältern liegt (sog. Überversorgung).51 Dies hatte zur Folge, daß das als Ausnahme gedachte vorzeitige Ausscheiden aus dem Berufsleben zum Regelfall wurde und die Rentenfinanzierung erheblich belastete. 52

48 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18.12.1989, BGB!. I S. 2261. Die gesetzliche Rentenversicherung ist eine staatliche Zwangsversicherung zum Schutz der Arbeitnehmer bei Berufs- und Erwerbsunfähigkeit und im Alter. Die Finanzierung erfolgt durch Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber sowie durch staatliche Zuschüsse. 49 Als Bemessungsgrundlage flir die jährliche Rentenanpassung war der Anstieg der Brutto-Arbeitsentgelte festgelegt worden. Dabei wurde nicht berücksichtigt, daß die Renten praktisch abgabenfrei, d.h. ohne Steuerabzug und ohne Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen gewährt werden. Vg!. Reg.Entw. eines Rentenreformgesetzes 1992, BR-Drucks. 120/89, Amt!. Begr. S. 139f. A IV Ziff. 4; Heubeck, Kom. z. Betriebsrentengesetz, § 16, Rdnr. 127ff., 146ff. 50 V g!. Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974. BGB!. I S. 3610. Eine betriebliche Altersversorgung erhielten 1981 rd. 70 v.H. aller Arbeitnehmer (nach Heubeck, Kom. z. Betriebsrentengesetz, Vorwort S. V. 51 Vg!. Heubeck. Kom. z. Betriebsrentengesetz § 5 Rdnr. 44. 52 V g!. Sozialbericht 1990 der Bundesregierung, BR-Drucks. 479/90 S. 42f.

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A. Problemstellung

- Hinzu kam, daß beide Systemfehler sich infolge der demographischen Entwicklung mit ihrer steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung bei gleichzeitig sinkender Geburtenrate besonders kostensteigernd auswirkten und die Rentenfinanzierung zunehmend gefährdeten. 53 Die Notwendigkeit zu einer Korrektur des Rentenrechts ergab sich somit grundsätzlich nicht aus der demographischen Entwicklung, sondern aus den System- und Strukturfehlern in der Rentengesetzgebung, die erst in Verbindung mit der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung54 die künftige Finanzierung der Renten in Frage stellten.

Um die Fehler des Gesetzgebers nicht offenlegen zu müssen und die Rentenreform politisch "besser verkaufen,,55 zu können, wurde ihre Notwendigkeit in der amtlichen Begründung des Gesetzes und in der parlamentarischen Diskussion fast ausschließlich mit der Bevölkerungsentwicklung begründet. Gleichzeitig wurde von der Bundesregierung ein "Rentenbeitrag" der Beamten gefordert, weil die Reform "sonst nicht zu schaffen" sei. 56 "Das Problem der Bevölkerungsentwicklung treffe die ganze Sozialpolitik,,57 und alle ganz oder teilweise aus Steuermitteln finanzierten Alterssicherungssysteme. 58 Ein Beitrag der Beamten sei daher "aus Gründen der Gerechtigkeit" und der "Akzeptanz" der Reform bei den betroffenen Arbeitnehmern und Rentnern unerläßlich. 59 Die in der Opposition stehende SPD nutzte die von den Regierungsparteien fllr die Rentenreform angestrebte breite parlamentarische Mehrheit zu einem "strategischen Durchbruch" fllr den "Einstieg in die Harmonisierung der Alterssicherungssysteme".60 Sie machte ihre Zustimmung von gleichzeitigen und gleichgewichtigen Verschlechterungen in der Beamtenversorgung abhängig.

Vgl. Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BR-Drucks. 120/89 S. 136ff. Die der Rentenreform zugrunde gelegten Prognosen und Modellrechnungen über die künftige finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung waren bereits ein Jahr nach Verabschiedung des Reformgesetzes zugunsten der Rentenversicherung überholt, und zwar insbesondere infolge der Wiedervereinigung Deutschlands. 55 Bundesarbeitsminister Blüm im "Bonner Behördenspiegel" NT. IV vom April 1989 S. 1. 56 BM Blüm in "Westdeutsche Allgemeine" vom 14.7.1989. 57 Blüm, wie FN 56. 58 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Beamtenversorgungsänderungsgesetzes, Allgemeiner Teil A I. BR-Drucks. 120/89. 59 BM Blüm, BT -Drucks. 11/174 S. 13135, ähnlich Abg. Bemrath, S. 13161. 60 Abg. Dreßler, Plenarprotokoll BT-Drucks. 11/174 S. 13109. Abg. Steinhauer, wie vor S. 13156. 53

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V. Auswirkungen der Rechtsprechung auf die politische Behandlung

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Das Ergebnis war ein Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes 61 , das eine Reihe von Verschlechterungen bei den bestehenden versorgungsrechtlichen Regelungen vornahm. Verschlechtert wurden vor allem: (1)

die Zeitvoraussetzungen fur die Versorgungsbezüge. Die bisherige degressive Ruhegehaltsskala62 wurde ersetzt durch eine gleichmäßig ansteigende Skala von 1,875 v.H. je Jahr, so daß der höchste Ruhegehaltssatz von 75 v.H. nicht mehr wie bisher nach 35 Jahren, sondern erst nach 40 Jahren erreicht wird (§ 14 Abs. 1 BeamtVG);63

(2)

die Höhe der Versorgungsbezüge bei Gebrauchmachung von der Antragsaltersgrenze. Tritt ein Beamter hiernach vorzeitig in den Ruhestand, dann erhält er einen Abschlag von 3,6 v.H. pro Jahr vom Ruhegehalt (§ 14 Abs. 3 BeamtVG);64

(3) die Anrechnung von Erwerbseinkommen. Ein außerhalb des öffentlichen Dienstes erzieltes Erwerbseinkommen wird erstmals bei vorzeitigem Ausscheiden bis zum 65. Lebensjahr in bestimmtem Umfang auf das Ruhegehalt angerechnet (§§ 53, 53a BeamtVG).65 Die vom Gesetzgeber beschlossenen Verschlechterungen sind nicht so schwerwiegend, daß sie den "Kern bestand" der Versorgungsrechte in Frage stellen würden. Sie sind jedoch substantielle und deutlich spürbare Eingriffe in den Bestand der von den Beamten auf Grund der bisherigen Gesetzeslage erworbenen Rechtsansprüche und Rechtspositionen. 66

61 Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18.12.1989, BGB!. I S. 2218; dazu Battis, Die Neuregelung der Beamtenversorgung, NVwZ 1990 S. 933ff., s. ferner Abschnitte C. 111. 1. und 2. sowie D. 11. 2. 62 In den ersten IO Jahren 35 v.H., in den nächsten 15 Jahren je 2 v.H. und in den folgenden Jahren je 1 v.H. bis zu 75 v.H. 63 Nicht betroffen sind die am 1.1.1992 vorhandenen Versorgungsempfänger sowie die Beamten, die vor dem 1.1.2002 die für sie geltende Altersgrenze erreichen. 64 Bei einer Zurruhesetzung mit vollendetem 62. Lebensjahr ergibt sich bis zum vollendeten 65. Lebensjahr eine Minderung des Ruhegehalts von 10,8 v.H. Die Abschlagsregelung wird stufenweise ab dem Jahr 2002 eingeführt und erreicht ab dem Jahr 2007 den vollen Satz. 6; Angerechnet werden nur die Teile der Ruhestandsbezüge, die nicht individuell erworben werden, sondern in Form von Zuschlägen wegen des vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand, z.B. bei einem Dienstunfall, hinzu kommen. 66 Sowohl das Rentenreforrngesetz 1992 als auch das Beamtenversorgungsänderungsgesetz traten im wesentlichen am 1.1.1992 in Kraft.

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A. Problemstellung

Die Eingriffe lassen sich nicht durch die Bezugnahme auf die fur alle gleiche Bevölkerungsentwicklung und die ganz oder teilweise gleiche Finanzierung aus Steuermitteln rechtfertigen. 67 Soweit die Bezugnahme "aus Gründen der Gerechtigkeit" die Notwendigkeit einer rechtlichen Gleichbehandlung mit den rentenrechtlichen Eingriffen begründen soll, verkennt sie, daß eine Gleichbehandlung unter dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot (Art. 3 GG) im wesentlichen gleiche Sachverhalte voraussetzt,68 die hier in Frage stehenden Alterssicherungssysteme sich aber in allen wesentlichen rechtlichen Merkmalen grundlegend voneinander unterscheiden. 69 Die gesetzliche Rentenversicherung ist Teil der Sozialgesetzgebung des Staates, beruht auf dem Versicherungsprinzip und sichert mindestens eine häufig durch eine Betriebsrente ergänzte Grundversorgung. Ihre Finanzierung erfolgt im Rahmen eines "Generationenvertrages" unter Anwendung eines Umlageverfahrens durch Beiträge der Versichertengemeinschaft der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie durch einen aus sozialpolitischen Gründen aus Steuermitteln gewährten Bundeszuschuß. Die Rente ist praktisch steuerfrei. 70 Die Beamtenversorgung ist dagegen wie die Besoldung der Beamten Gegenleistung des Dienstherm fur diesem im Rahmen eines gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses geleistete Dienste. 7! Die Besoldung und die Versorgung sind dabei so aufeinander abgestimmt, daß sie beide zusammen den vollen Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie auf Lebenszeit sicherstellen. Das Ruhegehalt ist steuerpflichtig. Eine "Gleichbehandlung" der Versorgungsansprüche der Beamten mit den Eingriffen in die rentenrechtlichen Regelungen verbietet sich aber nicht nur wegen der grundsätzlichen Verschiedenheit der beiden Rechtssysteme, sie 67 Vgl. auch Beschlußempfehlung BT-IA, BT-Drucks. 11/5537 S. 2/47. Nach Auffassung des Vorsitzenden des BT-IA, des Abg. Bemrath, SPD, rechtfertigte schon ,.die grundsätzliche Vergleichbarkeit der Ziele der Alterssicherung" die Eingriffe in die Beamtenversorgung; BT-Drucks. 11/174 S. 13162. 68 Aus der umfangreichen Rechtsprechung vgl. BVerfGE 15, 167ff. und E vom 23.1.1990, JZ 1990 S. 536ff., 542; nach Hesse, Verfassungsrecht, S. 169 FN 88 hat das BVerfG dem Gesetzgeber im Rahmen des Art. 3 GG eine weitere Gestaltungsfreiheit zugestanden, wenn es sich um eine gewährende Staatstätigkeit handelt, eine engere bei Eingriffen in die Rechtssphäre der Bürger (mit Nachweisen). 69 Vgl. BVerfGE 21, 329/344. Ebenso Fürst in der öffentlichen Anhörung von Sachverständigen vor dem BT-lA am 6.10.1989, Prot. über die 61. Sitzung des IA S. 8. 70 Sie werden nur mit dem Ertragsanteil versteuert; s. Heubeck, Kom. z. Betriebsrentengesetz. § 16 Rdnr. 127ff., 146ff. Im übrigen sind an dem Bundeszuschuß auch die Beamten und Versorgungsempfanger als Steuerzahler beteiligt. 71 BVerfGE 21,329/344.55,207/236 usw.

V. Auswirkungen der Rechtsprechung auf die politische Behandlung

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verbietet sich auch wegen der unterschiedlichen Ausgangslage und Zielsetzungen der Rentenreforrn. Mit ihr mußten - wie oben aufgezeigt - Strukturfehler im Versicherungssystem bereinigt werden, die, nicht zuletzt wegen der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung 71 , die weitere Rentenfinanzierung erheblich gefährdeten. Vergleichbare Strukturfehler und Fehlentwicklungen lagen im Versorgungsrecht der Beamten jedoch nicht vor. Damit entfielen aber auch die Voraussetzungen für vergleichbare Einschnitte und Korrekturen in der Beamtenversorgung. Und damit entfiel zugleich das Argument von der für alle gleichen Bevölkerungsentwicklung als Rechtfertigungsgrund für die entsprechenden Verschlechterungen. Hinzu kommt, daß die Eingriffe auch nicht erforderlich waren, um - wie bei der Rentenversicherung 73 - die weitere Finanzierung der Beamtenversorgung sicherzustellen. Deren Charakter als Teil der Gegenleistung der vom Beamten während seiner Dienstzeit geleisteten Dienste macht es notwendig, daß diese vom Staat als Dienstherrn und Nutznießer der Dienste finanziert wird. 74 Die Finanzierung erfolgt dabei wie grundsätzlich bei allen staatlichen Aufgaben durch die von den Bürgern erhobenen Steuern. Zwar steigen naturgemäß auch die Versorgungsaufwendungen, wenn sich infolge einer Änderung in der Altersstruktur der Bevölkerung die Anzahl der Versorgungsempfänger erhöht. Die Erhöhung erreicht aber keinesfalls ein Ausmaß, das die Finanzierung der Versorgungsaufwendungen (oder auch sonstiger wichtiger Aufgaben des Staates) ernsthaft gefährden könnte. 75 Dies gilt um so mehr, als die Versorgungsrechte in einer Zeit verschlechtert wurden, die durch eine wirtschaftliche Hochkonjunktur, hohe Steuereinnahmen und einen steigenden Wohlstand gekennzeichnet war. 76 72 Die Prognose ist - wie bereits erwähnt - zwischenzeitlich insbesondere durch die Wiedervereinigung Deutschlands und den Zustrom von Aussiedlern schon weitgehend überholt. 7J Vgl. BVerGE 53, 257/293 u. v. Brünneck, Eigentumsschutz der Renten, JZ 1990 S. 992, 994. 74 Die Beamtenversorgung ist insoweit vergleichbar mit der Betriebsrente und der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, die ebenfalls voll vom Arbeitgeber finanziert werden. 75 Vgl. Entw. BeamtVÄndG, Begründung Teil C, BT-Drucks. 1115136, 11/5372; BM Schäuble sprach von einer Einsparung von 4,3 Mrd. DM, Plen.Prot. BT-Drucks. 11/158 S. 12013; vgl. Battis, NVwZ 1990 S. 993. Kritisch dazu Ruland, ZRP 1989 S. 377/382. Im übrigen wäre der Dienstherr andernfalls gehalten, finanzielle Rücklagen zu bilden, mit deren Hilfe er die jederzeitige Erfüllung seiner Versorgungspflichten sicherstellen kann. 76 Auch Abg. Dreßler, SPD, sprach von "guter Konjunkturlage", Plen.Prot. BTDrucks. 11/174 S. 13109.

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A. Problemstellung

Die Eingriffe des Gesetzgebers in die Unterhaltsrechte der Beamten und die Einbeziehung ihrer Versorgungsregelungen in die Rentenrefonn waren somit rechtlich nicht erforderlich, und zwar weder aus verfassungsrechtlichen noch aus beamten-, versorgungs- oder haushaltsrechtlichen Gründen. 77 Auch sonstige sachliche oder gar zwingende Gründe des Allgemeinwohls, die die Eingriffe hätten rechtfertigen können, sind - im Gegensatz zum Rentenrecht - nicht ersichtlich. 78 Die politische Absicht der Regierungsparteien, durch einen gleichzeitigen Spareingriff in Beamtenrechte die Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer und Rentner zur unpopulären Rentenrefonn zu erhöhen, reicht hierzu nicht aus. Sie ist kein sachlicher, im Interesse der Allgemeinheit liegender Gnmd, sondern lediglich eine parteipolitische Konzession an die Geruhle des Neides und der Mißgunst in bestimmten Bevölkerungsund Wählerkreisen wegen venneintIicher Begünstigungen und Privilegien der Beamten. Und der von der Opposition mit der Einbeziehung der Beamten bezweckte Einstieg in die Vereinheitlichung der Alterssicherungssysteme hat sogar die verfassungswidrige Abschaffung der eigenständigen Beamtenversor· 179 gung zum Z le. 4. Eingriffe in die Beihilfeansprüche

Der "Erhöhung der Akzeptanz" einer weiteren Maßnahme auf dem Gebiet der Sozialpolitik, nämlich der Gesundheitsrefonn, diente schließlich auch die Verschlechterung der Beihilferegelungen im Beamtenrecht. Hauptanlaß rur die Gesundheitsrefonn war die sog. Kostenexplosion in der gesetzlichen Krankenversicherung mit der durch sie ausgelösten Geflihrdung ihrer weiteren Finanzierbarkeit. 80 Die extreme Ausgabenentwicklung hatte seit Jahren eine laufende Anhebung der Beitragssätze erforderlich gemacht, die die Versicherten und die Arbeitgeber an die gesetzlichen Krankenkassen zu zahlen

77 Dies dürfte dem Gesetzgeber auch bewußt gewesen sein. Die Forderung auf Einbeziehung der Beamten wurde nämlich nicht von den Verfassungs-, Beamten- oder Finanzpolitikern erhoben, sondern von den Sozialpolitikern. Und die Begründung mit der für alle gleichen Bevölkerungsentwicklung sowie der Finanzierung aus Steuermitteln dürfte nur vorgeschoben worden sein, um die bei den Gesetzgebungsmaßnahmen optisch miteinander verbinden zu können. 78 S. hierzu Bruns, Beamtenrechte, S. 68ff., 83ff. 79 Vgl. BVerfGE 3, 58/160; 8, 1114; 61, 43/58. 80 Vgl. Vorblatt zum Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen, BT-Drucks. 11/2237 sowie Sozial bericht 1990 der Bundesregierung, BRDrucks. 479/90 S. 49.

V. Auswirkungen der Rechtsprechung auf die politische Behandlung

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hatten, so daß ihnen eine weitere Beitragserhöhung kaum mehr zugemutet werden konnte. 81 Ursächlich für diese Entwicklung war neben einer großzügigen Ausweitung des Leistungsspektrums durch den Gesetzgeber ohne ausreichende Berücksichtigung der künftigen Finanzierbarkeit und neben Fortschritten in der medizinischen Entwicklung insbesondere das Fehlen von Anreizen zu einem wirtschaftlichen Verhalten der Versicherten, aber auch der Ärzte, Krankenhäuser, Apotheker usw. als Leistungserbringer. Vor allem die "kostenlosen" Versicherungsleistungen führten vielfach zu dem von den Leistungserbringern noch unterstützten Wunsch der Versicherten, das Leistungsangebot ohne Rücksicht auf den medizinischen Bedarf und Nutzen voll auszuschöpfen. 82 Es handelte sich somit auch hier - ähnlich wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung - weitgehend um Fehler und Mängel im System und in der Ausgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung, deren Korrektur nicht mehr länger hinausgeschoben werden konnte. Durch das Reformgeseti 3 wurde daher vor allem die Kostenerstattung für die Versicherungsleistungen begrenzt, die Eigenverantwortung der Versicherten durch maßvolle Zuzahlungen gestärkt, die bestehenden Mißbrauchsmöglichkeiten vermindert und die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung verbessert. 84 Die erzielten Einsparungen sollten in Form von Beitragssenkungen wieder den Versicherten zugute kommen und daneben Leistungsverbesserungen bei der häuslichen Pflege von Schwerpflegebedürftigen sowie bei der Krankheitsvorbeugung und Früherkennung ermöglichen. 85 Schon bei den ministeriellen Vorarbeiten zum Gesundheitsreformgesetz erklärte der federführende Bundesarbeitsminister, daß das Beihilferecht der Beamten von der Reform nicht ausgeklammert bleiben dürfe, weil er sein "Reformwerk" sonst nicht "verkaufen" könne. Zur Erhöhung der Akzeptanz der Gesundheitsreform forderte er - ganz ähnlich wie bei der Rentenreform eine systemkonforme Übernahme der Einschränkungen für die gesetzlich Krankenversicherten. Der für das Beamtenrecht federführende Bundesinnenminister schloß sich seiner Auffassung an und beteuerte öffentlich, daß die

NI Der durchschnittliche Beitragssatz betrug 13 v.H., für Arbeitnehmer und Arbeitgeber also je 6,5 v.H.; s. Vorblatt wie FN 80. HZ Vgl. Sozialbericht 1990, wie FN 80 S. 50. H, Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988, BGBI. 1 S.2477. H~ S. Vorblatt wie FN 80. H; Verbessert wurden in Anlehnung an das Gesundheitsreformgesetz teilweise die Leistungen für häusliche Pflege von Schwerpflegebedürftigen sowie bei Vorsorgeuntersuchungen.

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A. Problemstellung

Beamtenschaft emen gleichgewichtigen, adäquaten Sparbeitrag leisten werde. 86 Im April 1988 beschloß die Bundesregierung, den Regierungsentwurf des Gesundheitsreformgesetzes in das Parlament einzubringen. Gleichzeitig beauftragte sie den Bundesinnenminister, zu prüfen, welche Folgerungen aus den vorgesehenen Leistungsveränderungen in der Krankenversicherung für die Beihilfe der Beamten zu ziehen sind. Der Auftrag führte zu einer Verschlechterung der geltenden Beihilfevorschriften des Bundes. 87 Vermindert wurde die Beihilfefahigkeit von Arzneimitteln 88 , beim Zahnersatz, bei Sanatoriumsbehandlungen und Heilkuren, bei Brillengestellen und Hilfsmitteln sowie bei Fahrtkostenerstattungen. 89 Das Beihilferecht gehört nach der Rechtssystematik des Beamtenrechts weder zur Besoldung noch zur Versorgung. 90 Es wird auch nicht vom Gesetzgeber, sondern - jedenfalls für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes - von dem für das Beamtenrecht zuständigen Bundesminister des Innern durch Allgemeine Verwaltungsvorschriften geregelt. 91 Die Beihilfeansprüche sind für die Lebensverhältnisse der Beamten dabei von erheblicher Bedeutung. Sie sind nach ihren Ansprüchen auf Unterhaltsgewährung ihre wichtigsten Rechte aus dem Beamtenverhältnis. 92 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind auch diese Ansprüche in ihrem rechtlichen Bestand durch die Verfassung nicht gewährleistet. 93 Die Beihilfe müsse allerdings sicherstellen, daß der Beamte in Krankheits-, Geburts- und Todesfallen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibe, die seinen amtsangemessenen Lebensunterhalt gefahrden würden. 94

86 Vgl. Unverhau, Die Beihilfe im Sog der Gesundheitsreform, ZBR 1990, S. 33; ferner: BEAMTE HEUTE, Heft 9 1989, S. 8. 87 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 19.8.1989, GMBI. 1989 S. 542. Die Vorschriften gelten für die Beamten des Bundes und der Länder, die das Bundesrecht anwenden. 88 So wurden z.B. die wohl am häufigsten benötigten Arzneimittel gegen Erkältungskrankheiten und grippale Infekte, Mund- und Rachentherapeutika und Abführmittel von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen (§ 6 Abs. I Nr. 2 Beihilfevorschriften). 89 Wegen näherer Einzelheiten siehe Unverhau, ZBR 1990, S. 33. 90 Vgl. § I BBesG, § 2 BeamtVG. 91 S. FN 87; Rechtsgrundlage ist die besondere Fürsorgepflicht des Dienstherrn. für Bundesbeamte § 79 BBG. 92 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beihilfe in seiner Entscheidung Bd. 51, 193/200 zutreffend als eine Art Nebenalimentation bezeichnet. 93 BVerfGE 44, 249/263; 58, 68177; s. hierzu Leisner, Sozialversicherungspflicht flir Ruhestandsbeamte, Verantwortung und Leistung, Heft 5, S. 37. 94 BVerfGE 83, 89/100ff.

V. Auswirkungen der Rechtsprechung auf die politische Behandlung

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Die o.a. Beihilfekürzungen dürften - jedenfalls bei einer isolierten Betrachtungsweise - regelmäßig nicht so einschneidend sein und die Lebensverhältnisse des Beamten und seiner Familie nicht so verteuern, daß sie den Kernbestand des amtsangemessenen Unterhalts offensichtlich nicht mehr sicherstellen würden. 9s Sie fUhren jedoch zu erheblichen Einschnitten in die bisherigen Beihilferechte der Beamten. Empfindliche finanzielle Einbußen mit entsprechenden Mehrbelastungen und Mehraufwendungen sind die Folge. 96 Die Mehraufwendungen treten dabei unabhängig davon auf, ob der Beamte nunmehr die nicht mehr beihilfefahigen Kosten im Krankheitsfalle jeweils selbst trägt oder ob er sich gegen die finanziellen Auswirkungen der Kürzungen durch den Abschluß einer privaten Krankenversicherung absichert und die dafür anfallenden Versicherungsbeiträge bezahlt. Besonders hoch sind diese zusätzlichen Aufwendungen bei Beamten mit mehreren Kindern. Bei ihnen erhöhen sich die Mehrkosten mit der Anzahl der Kinder. Die gewährten Besoldungs- und Versorgungsbezüge decken diese Kosten bei Beamten mit mehr als zwei Kindern bisher jedenfalls nicht ab. 97 Die Begründung, die für die Eingriffe gegeben wurde, ist nicht haltbar. Das Hauptargument, die Eingriffe seien zur Verbesserung der Akzeptanz der Gesundheitsreform erforderlich, wäre nur verständlich, wenn ein Unterlassen der Eingriffe in das Beihilferecht im Hinblick auf die Eingriffe in die Krankenversicherung mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise nicht vereinbar wäre. Dies würde voraussetzen, daß es sich bei der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Beihilferecht um gleichartige Rechtssysteme handeln würde, bei denen auch ein gleichartiger oder doch vergleichbarer Novellierungsbedarf vorgelegen hätte. 98 Die beamtenrechtliche Beihilfe ist eine subsidiäre Hilfe zur Ergänzung und Unterstützung der von dem Beamten aus Mitteln der Besoldung und Versorgung zu betreibenden Eigenvorsorge. Sie ist Teil der Gegenleistung des Dienstherrn aus dem Beamtenverhältnis und soll sicherstellen, daß der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten beim Auftreten besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- und Todesfällen nicht gefahrdet wird.

Vgl. auch BVerfGE 8, 1/22. Z.B. flir die nicht mehr beihilfefahigen Arzneimittel gegen die häufig auftretenden Erkältungskrankheiten. 97 BVerGE 44, 249/250/272ff./279 und Beschluß vom 22.3.1990 JZ 23/1990 S. 1125 mit Anmerkungen von Lecheier. S. 1128f. 9K Leisner, Die beabsichtigte Neuordnung des Beihilferechts. ZBR 1983 S. 141 ff. 95

96

3 Müller

34

A. Problemstellung

Die gesetzliche Krankenversicherung ist demgegenüber eine auf dem Versicherungsprinzip beruhende staatliche Zwangsversicherung zur Sicherstellung der medizinisch notwendigen Versorgung der Arbeitnehmer und Rentner. Sie ist Teil der Sozialgesetzgebung des Staates und wird finanziert durch Beiträge der Versichertengemeinschaft der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie durch Zuschüsse der öffentlichen Hand. Die unterschiedlichen Rechtssysteme sind das Ergebnis historisch unterschiedlich gewachsener Strukturen. Die Systemunterschiede lassen es nicht zu, bei notwendigen Eingriffen in das eine System die bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Unterschiede einfach zu ignorieren und im Hinblick auf eine politisch erwünschte Akzeptanz "gleichgewichtige, adäquate" Eingriffe auch in dem anderen System vorzunehmen. Ebenso unterschiedlich wie die Rechtssysteme war auch der Novellierungsbedarf. Die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung war - wie oben erwähnt - notwendig geworden, um die extreme Ausgabenentwicklung einzudämmen und einer mangelnden Finanzierbarkeit vorzubeugen. Ursächlich für die Entwicklung war vor allem die gesetzlich vorgeschriebene Vollversicherung und die mit ihr verbundene volle Kostenübernahme im Krankheitsfal1. 99 Sie führte zu einem unwirtschaftlichen Anspruchsverhalten bei den Beteiligten und zu einer Überversorgung der Versicherten. loo Um das Versicherungssystem zu retten, mußte es geändert und in die Rechte der Betroffenen eingegriffen werden. Derartige Notwendigkeiten und Systemfehler lagen im Beihilferecht der Beamten nicht vor. Es kennt insbesondere grundsätzlich keine volle Kostenübernahme im Krankheitsfall. lol Soweit im Beihilferecht ausnahmsweise eine "Überversorgung,d 02 möglich war, war diese bereits 1985 abgeschafft wor-

99 Vgl. Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung. Endbericht der Enquete-Kommission des 11. Deutschen Bundestages, Bd. 2 S. 89f. 100 Zu den Mängeln dieses Systems gehört es auch, daß der Versicherte die Höhe der von ihm verursachten Kosten nicht einmal kannte. 101 Der Beamte selbst erhält in der Regel eine Beihilfe in Höhe von 50 v.H. zu den beihilfefähigen Aufwendungen seiner Krankheitskosten (§ 14 Abs. I Nr. I BhV). 102 Als .. Überversorgung·· wurde eine über hundertprozentige Kostenerstattung bezeichnet. Sie war nur in Verbindung mit einer privaten Krankenversicherung des Beamten möglich. fiir die er die Versicherungsbeiträge in voller lIöhe selbst zu tragcn hatte (§ 15 Bh V). Das BVerfG hat - anders als das ßVerwG - die Einfiihrung der 100 v.H.-Grenze in das Beihilferecht als mit dem GG vereinbar erklärt (Beschluß v. 13. Nov. 1990.2 BvF 3/88)

VI. Kritische Anmerkungen zur Entwicklung der Gesetzgebung

35

den. \03 Darüber hinaus war damals das Beihilferecht grundlegend überarbeitet und neu gefaßt worden. Ein Novellierungsbedarfbestand daher nicht mehr. Auch der Hinweis auf die Notwendigkeit eines gleichgewichtigen Sparbeitrages geht fehl. Zum einen sind die Beihilfekosten infolge des anders strukturierten und fehlerfrei konzipierten Beihilferechts weit weniger gestiegen als die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. So haben sich in der Zeit von 1970 bis 1986 die Ausgaben rur die Beihilfe um 226 v.H. erhöht, die fur die gesetzliche Krankenversicherung dagegen um 379 v.H. \04 Der Kostenanstieg bei der Beihilfe blieb in dem genannten Zeitraum somit um nicht weniger als 153 v.H. hinter dem in der gesetzlichen Krankenversicherung zurück. Und zum anderen dienten die Eingriffe in die Versicherungsrechte der Arbeitnehmer nicht der Einsparung von Haushaltsmitteln, sondern der Fehlerkorrektur und der Vermeidung weiterer Beitragserhöhungen. 105 Anders als bei der gesetzlichen Krankenversicherung bestand rur einen Eingriff in die erworbenen Beihilferechte also auch insoweit kein Anlaß.

VI. Kritische Anmerkungen zur Entwicklung der Gesetzgebung Die geschilderte Entwicklung zeigt, daß vom Gesetzgeber und vom Dienstherrn rur Eingriffe in erworbene Beamtenrechte immer geringere Anforderungen gestellt werden. Waren es zu Beginn der siebziger Jahre bei den Besoldungskürzungen immerhin noch fiskalische Gründe in Form eines von den Beamten geforderten Solidarbeitrages zur Sanierung der öffentlichen Finanzen, so genügte Ende der achtziger Jahre bei den Kürzungen der Versorgungsund Beihilferechte schon der Wunsch nach Erhöhung der Akzeptanz fur notwendige Verschlechterungen in der Sozialgesetzgebung. In keinem der Fälle wurden die Eingriffe vorgenommen, weil sie "notwendig" gewesen wären, um im Wortsinne eine Not zu wenden. Notwendig in diesem Sinne waren allerdings noch die Eingriffe in die Beamtenrechte durch das Gesetz zu Artikel 131 GG I06 , mit dem die Kriegs- und Vertreibungsfolgen des 103 Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-. Geburts- und Todesfällen vom 19. April 1985 (GMB!.

S.290).

S. BEAMTE HEUTE. Heft 9/89. S. 8. Bei den Beamten führten die Beihilfekürzungen sogar umgekehrt zu Beitragserhöhungen bei ihrer privaten Krankenversicherung. wenn sie sich gegen die finanziellen Risiken der Kürzungen zusätzlich versicherten. 1CJ6 Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 fallenden Personen v. 11.5.1951 (BGB!. I S. 307): s. BVerfGE 3. 58. 104

105

3'

A. Problemstellung

36

letzten Krieges bewältigt werden mußten, sowie die Eingriffe im Rahmen der sog. Brüning'schen Notverordnungen in der Weimarer Republik, die durch die damalige Weltwirtschaftskrise ausgelöst wurden. 107 Die aufgezeigte Entwicklung macht gleichzeitig deutlich, daß die Eingriffstatbestände inzwischen auf Fälle ausgeweitet wurden, in denen privatrechtlich begründete und unter Eigentumsschutz stehende Vermögens- und Unterhaltsrechte dem Zugriff des Gesetzgebers entzogen sind. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG schließt Eingriffe in Eigentumsrechte aus fiskalischen oder gar Akzeptanzgründen aus. 108 Der Schutz der Beamtenrechte bleibt damit hinter dem Schutz der Eigentumsrechte zurück. Dies ist umso unverständlicher, als in der historischen Entwicklung - wie noch zu zeigen sein wird - der Schutz der vom Dienstherm gewährten Unterhaltsrechte dem Eigentumsschutz für alle Bürger vorausging und diesen erst auslöste. Aus rechtshistorischer und rechtsstaatlicher Sicht stellt das nunmehrige Zurückbleiben des Schutzes der Unterhaltsrechte hinter der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie einen Rückschritt in der Rechtsentwicklung und eine Rückbildung des Rechts dar. Der Gesetzgeber hielt sich - anders als der Gesetzgeber in der Weimarer Republik lO9 - für befugt, frei darüber zu entscheiden, ob er die Unterhaltsansprüche der Beamten wieder herabsetzt. Er konnte sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes beziehen, das ihm eine weite Gestaltungsfreiheit nicht nur bei der Festlegung des amtsangemessenen Unterhalts, sondern auch bei der Verschlechterung der von den Beamten bereits erworbenen Unterhaltsansprüche zugestanden hat. llo Eingeschränkt hat das Gericht seine Aussage allerdings durch den Zusatz, daß die Kürzung "aus sachgerechten Gründen" erfolgen müsse. 111 Welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine Kürzung sachgerecht ist, hat das Gericht nicht näher erläutert. Es dürfte bei seiner Feststellung von dem in der Verfassung verankerten Rechtsstaatsprinzip ausgegangen sein. ll2 Dem Rechtsstaatsprinzip immanent ist die Verpflichtung zur Sachge-

S. Abschn. B. VII. 4. Vgl. z.B. RGZ 136. 123: Palandt, Kom. z. BGB, Überbl. v. § 903, Rdnr. 7; Abschn. D. IV. 10" Nach Art. 129 Abs. I S. 3 WRV waren die wohlerworbenen Rechte der Beamten unverletzlich. S. Abschn. B. VII. 110 BVerfGE 8. 1/22f.: Bezugnahme u.a. in BVerfGE 44. 249/273; 65, 141/142. 111 BVerfGE 18. 1591166f.: Bezugnahme u.a. in 64. 367/371: zu dem weiteren Hinweis des Gerichts. daß die Kürzung unter Beachtung des Grundsatzes der Alimentationspflicht erfolgen müsse. also die untere Grenze des angemessenen Unterhalts nicht unterschreiten dürfe. vgl. Abschn. B. VII. 3. sowie Bruns. Beamtenrechte, S. 74. I" Art. 20 Abs. 3: Art. 28 GG. Vgl. Abschn. D. V. I. 107

lOH

VI. Kritische Anmerkungen zur,Entwicklung der Gesetzgebung

37

rechtigkeit. 113 Das Gebot der Sachgerechtigkeit verpflichtet den Gesetzgeber wie alle anderen Staatsorgane, nur Entscheidungen zu treffen, die in jeder Hinsicht sachgemäß und gerecht sind. 114 Dies bedeutet unter anderem: - Der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers sind durch den Grundsatz der Sachgerechtigkeit ebenso wie durch die anderen Grundsätze und Normen der Verfassung Schranken gesetzt. Der Gesetzgeber darf bei der Gestaltung des Rechts nicht nach seinem Belieben oder Gutdünken oder gar willkürlich verfahren. Er darf bei der Ausübung seines Mandats insbesondere nicht einseitig und parteiisch die Interessen seiner Partei und Wählerschaft vertreten, sondern er muß seine Rechtsetzungsakte sorgfältig abwägen und objektiv und rational am Wohl der Allgemeinheit und an der Idee der Gerechtigkeit orientieren; - Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob eine Entscheidung sachgerecht ist, ist der ihr zugrunde liegende Sachverhalt. Die Gründe für die Entscheidung müssen sich aus dem Sachverhalt selbst ergeben und aus diesem abgeleitet sein. Für die geschilderten Eingriffe in die Versorgungs- und Beihilferechte der Beamten waren ursächlich die teils vorausgegangenen, teils gleichzeitigen Eingriffe in die Rechte der Arbeitnehmer aus der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung. Ohne die Eingriffe in diese Rechte - sie waren im Gegensatz zu den Eingriffen in die Beamtenrechte notwendige Korrekturen, um die sozialrechtlichen Systeme vor dem finanziellen Zusammenbruch zu retten - wären die Eingriffe in die Beamtenrechte nicht vorgenommen worden. Die Eingriffe wurden daher in sachwidriger Weise nicht aus dem Beamtenrecht, sondern aus dem Sozialrecht abgeleitet. - Die Gründe, die die Entscheidung des Gesetzgebers rechtfertigen sollen, müssen seine tatsächlichen oder wirklichen Gründe sein. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, daß die in der amtlichen Begründung aufgeführten und in den Gesetzesmaterialien genannten Gründe zutreffen und die wahren Beweggründe für die gesetzgeberische Entscheidung enthalten. Nicht selten werden in der Gesetzgebungspraxis die wahren Motive aus Gründen der politischen Opportunität jedoch mehr oder minder verschleiert und durch vorgeschobene Gründe ersetzt. In derartigen Fällen können - unbeschadet der Schwierigkeiten ihres Nachweises - nur die wahMaunzlDürig/Herzog. Kom. z. GG. Art. 70 Rdnr. 22. Der Grundsatz der Sachgerechtigkeit bildet die geistig-sittliche Grundlage des Rechts und der Gerechtigkeit. Er überlagert als Leit- und Fundamentalgrundsatz alle anderen Rechtsgrundsätze. die nur spezielle Ausprägungen dieses obersten Grundsatzes darstellen. 113 114

38

A. Problemstellung

ren Gründe zur Beurteilung der Sachgerechtigkeit herangezogen werden. Werden für die Entscheidung mehrere Gründe angegeben, so ist maßgebend der sie aus der Sicht des Gesetzgebers auslösende und für ihn ausschlaggebende Grund. Es genügen also nicht irgendweIche sachlichen Gründe, wenn sie für die Entscheidung nicht bestimmend waren. Für die Eingriffe in die Unterhaltsrechte der Beamten war - wie die Entstehungsgeschichte deutlich zeigt - der ausschlaggebende Grund der Wunsch nach Erhöhung der Akzeptanz für die Eingriffe in die Sozialgesetze durch einen "Solidarbeitrag" der Beamten. Es handelt sich hierbei nicht um einen objektiv-rationalen Grund, sondern um eine unsachliche Konzession an die subjektiv-emotionalen Vorurteile und Neidgefühle eines Teils der Bevölkerung gegen die Beamtenschaft. - Greift der Gesetzgeber mit seiner Entscheidung in subjektive Rechte ein, so ist die Sachgerechtigkeit des Eingriffs abhängig von der Art des subjektiven Rechts und dem Grund des Eingriffs. Aus der Art des Rechts ergibt sich seine Stellung und seine Wertigkeit im Gefüge der Rechtsordnung, aus seinem Stellenwert der Grad seiner Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit. 11S Aus dem Grund für den Eingriff ist das Ausmaß seiner Dringlichkeit und die Stärke des öffentlichen Interesses ersichtlich. Handelt es sich bei dem subjektiven Recht um ein Vermögensrecht, das auf einer einseitigen Gewährung für alle Bürger beruht, die die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen,116 so ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch den Grundsatz der Sachgerechtigkeit weit weniger eingeschränkt als bei einem Individualrecht, das als Gegenleistung und Äquivalent für eine eigene Leistung des Rechtsinhabers gewährt wird. Das letztere ist bei den UnterhaItsrechten der Beamten der Fall. Bei ihnen kommt hinzu, daß sie unter dem besonderen Schutz eines beiderseitigen Treueverhältnisse stehen. - Ob und gegebenenfalls unter weIchen Voraussetzungen, in weIchem Umfang und mit weIchen Rechtsfolgen der Gesetzgeber in die Unterhaltsrechte der Beamten eingreifen darf, hängt also entscheidend davon ab, um weIche Art von Rechten 117 es sich hierbei nach ihrer Wertigkeit und ihrem Rang Vgl. BVerfGE 44. 249 Beispiel: Kindergeld. Wohngeld. Ausbildungsförderung usw. 117 Das BVerfG hat in seiner Kindergeldentscheidung für Beamtenkinder (Bd. 44, 249) darauf hingewiesen. daß sich die Unterhaltsansprüche der Beamten .,ihrer Art nach" vom Anspruch auf Gegenleistung innerhalb eines Arbeits- und Angestelltenvertrages unterscheiden und daß sie ..etwas anderes und Eindeutigeres als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und eines sozialen Standards für alle" seien. 11'

11'

VI. Kritische Anmerkungen zur Entwicklung der Gesetzgebung

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handelt, den sie in unserem Verfassungs- und Rechtssystem einnehmen, 118 und welche korrespondierenden Schutzpflichten sich hieraus für den Dienstherm, Staat und Gesetzgeber ergeben. Zu beachten ist dabei insbesondere, daß es sich bei den Unterhaltsrechten um Rechte aus einem Äquivalenzverhältnis handelt, die eigentumsähnlichen Charakter haben und die darüber hinaus unter dem besonderen Schutz eines grundrechtsfundierten Treueverhältnisses stehen. Die Untersuchung der Bedeutung des Treueverhältnisses für den Schutz des wichtigsten Beamtenrechts ist das eigentliche Anliegen dieser Arbeit. Eine derartige Untersuchung erscheint umso mehr erforderlich, als - das beiderseitige Treueverhältnis in der zweitausendjährigen Geschichte des germanisch-deutschen Beamtentums" 9 die Grundlage und das Fundament des Beamtenverhältnisses bildet; - das BVerfG - und ihm folgend das BVerwG - sich in seiner umfangreichen Rechtsprechung zur Besoldung und Versorgung der Beamten mit den Auswirkungen des Treueverhältnisses auf deren Unterhaltsansprüche bisher nicht befaßt hat; - der Gesetzgeber seit einigen Jahren ohne Not in die Unterhaltsrechte der Beamten eingreift l20 und dabei sogar sozialgesetzlichen Leistungsansprüchen Vorrang vor diesen einräumt. 121

118 Das Recht dient der Ordnung des sozialen Zusammenlebens in der Gemeinschaft nach bestimmten Wertvorstellungen dieser Gemeinschaft. Die Werte ergeben sich aus der Bewertung geistiger und materieller Interessen und Ziele. Konkurrieren die Interessen und Ziele miteinander. so müssen sie geordnet und in eine Rang- und Stufenfolge eingeteilt werden. Nach dem Gebot der Sachgerechtigkeit muß der höhere Wert dabei den höheren Rang erhalten, darf also nicht einem niedrigeren Wert geopfert werden. Vgl. Coing, Rechtsphilosophie. S. 106fL 146ff.: Engisch. Juristisches Denken. S. 187ff. 119 Beamtenturn funktional verstanden als ständiger Dienst f1ir die Gemeinschaft. 120 S. Abschnitt A. V. 121 Vgl. § 55 BeamtVG. wonach beim Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die Renten. sondern die Versorgungsbezüge gekürzt werden. Das BVerfG hat sogar die rückwirkende Ausdehnung der Rentenanrechnungsregelung durch das 2. HStrukG 1981 ohne jede Einschränkung f1ir verfassungskonforrn erklärt (E.v. 30.9.1987): s. hierzu Abschnitte C. 111. 1. und 2. sowie D. 11.

B. Der Schutz der UnterhaItsrechte in der Geschichte I. Allgemeines Das bestehende Recht kann nur dann richtig verstanden und in seiner Bedeutung, Wertigkeit und Schutzwürdigkeit fur den einzelnen und die Allgemeinheit zutreffend gewürdigt werden, wenn man weiß, wie es entstanden ist. Handelt es sich um ein historisch gewachsenes Recht oder Rechtsinstitut, so ist fur seine Erkenntnis und Inhaltsbestimmung weniger auf bestimmte Zeitabschnitte in der politischen Geschichte abzustellen, wie die Weimarer Republik l oder die Gründung des 2. Deutschen Reiches im Jahre 1871 2 fur das Beamtenrecht. Auszugehen ist hier vielmehr von der geschichtlichen Entstehung und Weiterentwicklung der wesensbestimmenden Merkmale des Rechts und Rechtsinstituts. Für das Beamtenreche und die aus ihm abgeleiteten Rechte und Pflichten ist im deutschen Rechtsraum seit jeher wesensbestimmend und charakteristisch seine Ausgestaltung als besonderes Treueverhältnis. Die geschichtlichen Wurzeln dieses Treueverhältnisses reichen zurück bis in das Lehnrecht und das germanische Gefolgschaftswesen. 4 Bevor die Frage erörtert werden kann, weIche verfassungsrechtlichen Auswirkungen sich in der Gegenwart aus dem Treueverhältnis fur die Unterhaltsrechte der Beamten ergeben, muß daher zunächst einmal untersucht werden, weIche Rechtsfolgen in der Vergangenheit, d.h. zur Zeit seiner Entstehung und im Verlaufe seiner geschichtlichen Entwicklung, mit ihm verbunden waren.

BVerfGE 8. 332/342f. u.a. BVerfGE 11. 210; im einzelnen Lecheier. AöR. 1978 S. 349. 353. verstanden im weiteren Sinne als Recht des Dienstes für die Gemeinschaft. 4 Mitteis. Rechtsgeschichte. S. 16, 44. Nur die katholische Kirche kann als Institution auf eine vergleichbar lange Lebensdauer zurückblicken wie das Berufsbeamtenturn. I

2

11. Der Schutz in der gennanischen Gefolgschaft

41

11. Der Schutz in der germanischen Gefolgschaft5 Die Gefolgschaft (comitatus, ahd. druht) war eine Einrichtung der germanischen Volksverfassung. 6 Eine Gefolgschaft konnten nur Fürsten halten, die die Leitungsgewalt in der Landsgemeinde (ding, thing) hatten. Sie hatten damit eine besondere Verantwortung fiir das "Heil" der Sippe (sibja) und des Stammes, insbesondere ihren Schutz und ihre Sicherheit nach außen und im Inne7 ren. Die Gefolgschaft hatte sich aus der Munt, der Schutz- und Leitungsgewalt des Hausherrn über die Hausgemeinschaft, entwickelt. 8 Sie war ein unter freien Germanen vertraglich eingegangener, der Familiengemeinschaft nachgebildeter Männerbund mit verwandtschaftsähnlichen sittlichen Pflichten und Bindungen. 9 Der Eintritt in die Gefolgschaft verpflichtete den Gefolgsmann zu ehrenhaften Diensten - vor allem zum Waffen- und Kriegsdienst - fiir den Fürsten, den Fürsten zur Aufnahme des Gefolgsmannes in seine Haus- und Tischgemeinschaft lO sowie zur Gewährung von "stipendium" I I. Grundlage des Gefolgschaftsverhältnisses war die gegenseitige Treuepflicht. 12 Es galt der Rechtsgrundsatz: Treue gegen Treue. Die Treuepflicht

Die gennanische Zeit endet um 500 n. Chr. Mitteis, Rechtsgeschichte, S. 15ff.; Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 371ff. 7 Der Fürst galt als mit übernatürlichen Heilskräften begabt. Versiegten diese, was sich z.B. auch im Auftreten von Mißernten oder Seuchen zeigen konnte, so konnte er von der Landsgemeinde abgewählt werden. Vgl. Mitteis, Rechtsgeschichte S. 12; Mann/Nitschke, Propyläen Weltgeschichte, Bd. 5 S. 277. 8 Vgl. Mitteis, Rechtsgeschichte, S. 15. Grundlage der Gesellschaftsordnung war die patriarchalische Großfamilie, s. Lexikon der Alten Welt, Stichwort Gennanen. 9 Vgl. die auch den Germanen bekannte Blutsbrüderschaft, s. Mitteis, Rechtsgeschichte, S. 9. 10 Mit der Aufnahme verbunden war die Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und Bekleidung in einer dem Lebensstil des Fürsten entsprechenden Weise; vgl. Waitz, Deusche Verfassungsgeschichte, Bd. I S. 373. 11 Hierunter verstand man Gaben und Belohnungen in Fonn von Waffen, Pferden, Gold, Edelsteinen usw. Man erwartete vom Fürsten Großzügigkeit im Geben. Vgl. Handbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Stichwort Gefolgschaft; Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I S. 376 sowie Tacitus, Germania, cap. 15. 12 Mitteis, Rechtsgeschichte, S. 16 und Lehnrecht, S. 47, 59; Schieder, Handbuch der europäischen Geschichte, Bd. I S. 104; De Vries, Die geistige Welt der Germanen, S. 59f.: Gebhard, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 1, S. 709; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte. S. 22. 5

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

des Gefolgsmannes setzte die sie bedingende des Fürsten und Gefolgsherren voraus. 13 Die Treue war bei den Germanen neben der Ehre und dem Mut ein sittlicher Höchstwert. 14 Sie war der Inbegriff des Beständigen, Verläßlichen und Vertrauenswürdigen. 15 Unter Treue verstanden sie vor allem die Treue zum gegebenen Wort, die Einhaltung gegebener Zusagen. 16 So berichtet Tacitus über ihre Treue und Festigkeit bei Zusagen im Würfelspiel. Sie betrieben das Spiel - so schreibt er - "mit solcher Verwegenheit im Gewinnen und Verlieren, daß sie, wenn alles verspielt ist, mit dem letzten entscheidenden Wurf um Freiheit und Leben spielen. Der Unterliegende geht ohne Widerstreben in die Knechtschaft. Wenn er auch jünger, wenn er auch stärker ist, läßt er sich binden und verkaufen. Solcher Starrsinn herrscht in dieser verkehrten Sache. Sie selbst nennen es Treue (ipsi fidem vocant)!,,17. In der Gefolgschaft war die beiderseitige Treuepflicht Hauptinhalt und Urgrund aller Leistungspflichten. 18 Sie überlagerte alle bestehenden EinzeIpflichten und hob das vertragliche Austauschverhältnis von Leistungen auf die höhere Ebene einer Lebens- und Schicksalsgemeinschaft mit sittlichen Bindungen und Verpflichtungen. Sie forderte nicht nur die unbedingte Einhaltung der gegebenen Zusagen, sondern ein Dauerverhalten nach dem Geist des Gefolgschaftsverhältnisses, das die Schutz- und Hilfsfunktionen der Familiengemeinschaft und der Blutsverwandtschaft verstärkte und erweiterte. 19 Die wechselseitige Treuepflicht in der Gefolgschaft hatte sich besonders in Zeiten der Not und Gefahr, vor allem im Kampf zu bewähren. Sie verpflichtete den Gefolgsherrn und den Gefolgsmann zur Treue aufLeben und Tod. 20

Mitteis, Lehnrecht, 81, 533; Ganshof, Was ist das Lehnswesen, S. 98ff. Mitteis, Rechtsgeschichte, S. 44; De Vries, Die geistige Welt der Germanen, S. 12, 20ff. IS Die älteste Bedeutung des Wortes war "stark, fest wie ein Baum"; s. Duden, Herkunftswörterbuch, Stichwort treu. 16 Vgl. das alte Rechtssprichwort: "Ein Mann, ein Wort", sowie den Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben. 17 Tacitus, Germania, cap. 14; für den Römer Tacitus war es offenbar unverständlich, daß die Germanen sich durch eine Zusage, deren Eintreten noch dazu vom Zufall abhing, so sehr gebunden fühlten, daß sie für ihre Einhaltung sogar ihre Freiheit hingaben. 18 Vgl. Mitteis, Lehnrecht, S. 59. 19 Vgl. Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 73. 20 Mitteis, Rechtsgeschichte, S. 16; vgl. Tacitus, Germania, S. 14; Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 376; De Vries, S. 62ff. Die Gefolgschaftstreue ging als typisch germanische Charaktereigenschaft in die germanisch-deutsche Heldendichtung ein (vgl. Nibelungenlied-Nibelungentreue). Sie setzte sich in der Vasallentreue fort und galt als Nationaltugend der Deutschen. 13

14

11. Der Schutz in der germanischen Gefolgschaft

43

Feierlich bekräftigt wurde das Gefolgschaftsverhältnis durch einen besonderen Treueid?' Er wurde vom Gefolgsmann bei Aufnahme in die Gefolgschaft abgegeben. Die Entgegennahme des Eides verpflichtete auch hier den Fürsten wieder nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit in gleicher Weise wie den Gefolgsmann. 22 Der Gefolgschaftseid war bei den Germanen vermutlich eine Art magische Zauberformel mit Anrufung der Gottheit als Zeugen des Treuebundes, verbunden mit einer Selbstverfluchung für den Fall, daß man das beschworene Bündnis bricht. 23 Eine vorsätzliche Verletzung der Treuepflichten war Vertrags-, Treue- und Eidbruch (Felonie) und machte ehrlos, friedlos und rechtlos. 24 Die Unterhaltsansprüche des Gefolgsmannes waren in der germanischen Gefolgschaft somit geschützt und gesichert: (1)

durch die vertraglichen Verpflichtungen des Dienstherrn;

(2)

durch den treurechtlichen Schutz;

(3)

durch die eidliche Bekräftigung, und

(4) durch die charismatische Stellung des Fürsten, die einen Wort- und Treuebruch praktisch ausschloß. Der Gefolgsmann hatte damit ein hohes Maß an Rechtssicherheit und eine weitgehende Garantie gegen eine Verletzung und Schmälerung seiner Unterhaltsrechte durch den Dienstherrn.

21 Tacitus, Germania S. 14; Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 373; Mitteis, Rechtsgeschichte S. 16. Der Wortlaut des germanischen Gefolgschaftseides ist nicht überliefert. 22 Vgl. Mitteis, Lehnrecht, S. 95. 23 Vgl. Trübner, Deutsches Wörterbuch, Stichwort Eid; De Vries, Die geistige Welt der Germanen, S. 22f 24 De Vries, Die giestige Welt der Germanen, S. 22.

44

B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

111. Der Schutz der Unterhaltsrechte im Lehnswesen Das Lehnswesen war die auf dem Lehnsverhältnis beruhende Staats- und Gesellschaftsordnung des Mittelalters. 25 In seinem Kern war es die Verpflichtung zu Dienstleistungen, die fur den Staat lebensnotwendig waren, gegen die Gewährung von Unterhalt aus staatlichem Vermögen. 26 Seine juristische Ausformung erfolgte durch das mittelalterliche Lehnrecht. 27 Das Eigentümliche des Lehnsverhältnisses bestand darin, daß es nicht auf einem freiwilligen Unterwerfungsverhältnis beruhte,28 sondern auf dem gegenseitigen Treueverhältnis zweier gleichberechtigter Partner. 29 Begründet wurde das Lehnsverhältnis durch einen Vertrag, in dem sich der Lehnsmann (Vasall, von vassus, kelt. gwas, Knecht) zur Treue und zu Dienstleistungen höherer Art gegenüber einem Lehnsherrn (dominus, senior), der Herr zur Gegentreue sowie zur Gewährung von Schutz und von Unterhalt in Form eines Lehens gegenüber dem Vasallen verpflichtete. 3o Die Dienstleistungen, die der Vasall zu erbringen hatte, waren abstrakt formuliert "Rat und Hilfe" (consilium et auxilium).31 Der "Rat" bestand vorwiegend in der Beratung des Herrn an dessen Hofe bei der Entscheidung wichtiger öffentlicher Angelegenheiten (Hoffahrt), die "Hilfe" hauptsächlich in ritterlichen Waffen- und Kriegsdiensten (Heerfahrt) sowie in der Ausübung hoher Verwaltungsfunktionen. 32 Die Schutzpflichten des Herrn hatten die Verpflichtung zum Inhalt, den Vasallen bei einer Bedrohung seines Lebens, seiner Freiheit und seines Eigentums durch Dritte zu schützen und zu verteidigen, erfor-

25 Als Mittelalter gilt die Zeit von etwa 500 bis 1500. Verfassungsrechtlich blieb das alte Deutsche Reich jedoch bis 1806 ein Lehensstaat. Das Lehnswesen entstand aus der militärischen Notwendigkeit, schwer gepanzerte Reiterheere aufzustellen, deren Ausrüstung und Unterhaltung mit hohen Kosten verbunden war. 26 Vgl. Mitteis, Lehnrecht, S. 13. 27 Nach Mitteis fand im Lehnrecht die Rechtskultur des Mittelalters ihren Höhepunkt (Lehnrecht, S. 24). 28 Ein Unterwerfungsverhältnis war die als Vorläufer des Lehnsverhältnisses geltende Kommendation, bei der sich ein Freier meist aus wirtschaftlicher Not unter den Schutz und die Gewalt eines anderen Freien begab unq dabei lebenslangen Dienst und Gehorsam versprach. Vgl. Mitteis, Lehnrecht, S. 27; Ganshof, Lehnswesen, S. 4. 29 Mitteis, Lehnrecht, S. 14; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 254. 30 Vgl. Ganshof, Lehnswesen, S. XIV und Conrad, Rechtsgeschichte, S. 254. 31 Mitteis, Lehnrecht, S. 59; Ganshof, Lehnswesen, S. 90ff. 32 Vgl. Mitteis, Lehnrecht, S. 199,538,591; Ganshof, Lehnswesen, S. 31, 90ff; HRG, Stichwort Lehnpflichten.

III. Der Schutz im Lehnswesen

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derIichenfalls auch mit Waffengewalt, und ihm in gerichtlichen Verfahren Rechtsschutz vor Gericht zu gewähren. 33 Das Lehen (beneficium, Wohltat; auch deudum) war ein "zur Nutzung verliehener Besitz,,34 mit einer doppelten Zweckbestimmung: es sollte dem Lehnsmann einmal den ihm für seine Dienstleistungen zustehenden Unterhalt verschaffen und zum anderen die Kosten ersetzen, die er vor allem für die Heerfahrt und die Hoffahrt aufzuwenden hatte 35 . Gegenstand des Lehens (Lehngut) waren im Hinblick auf die agrarische Wirtschaftsstruktur hauptsächlich Grundstücke und Ländereien, aber auch Herrschafts- und Amtsrechte mit den dazu gehörenden Ländereien (Amtslehen) sowie andere Gegenstände und Rechte, die einen dauernden Nutzen abwarfen. Die Größe der Liegenschaften und der Wert des Lehnsobjektes hingen vom Rang des Vasallen in der Lehenshierarchie sowie von der Größe des Aufgebots an Rittern ab, das er im Kriegsfall zu stellen hatte. 36 Die Belehnung (Investitur) war der Rechtsakt, durch den dem Lehnsmann das Nutzungsrecht an dem Lehnsgegenstand eingeräumt wurde. 3? Sie folgte unmittelbar auf Mannschaft (homagium/ 8 und Treueid und bestand in der Übergabe eines symbolischen Gegenstandes durch den Herm 39 bei gleichzeitiger Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung. Mit der Belehnung erhielt der Lehnsmann die Lehnsgewere, d.h. ein unwiderrufliches dingliches Recht an dem Grundstück oder dem sonstigen Lehngut, das ihn zum Besitz und zur Nutzung berechtigte Gus utendi et fruendi).40 Das Eigentum verblieb bei dem Lehnsherrn, der Vasall durfte das Lehen aber weiterverleihen (Afterlehen).41

Mitteis, Lehnrecht, S. 538; Ganshof, Lehnswesen, S. 99. Duden, Herkunftswörterbuch, Stichwort Lehen; Mitteis, Lehnrecht, S. 107ff., 627; Ganshof, Lehnswesen, S. 8, 37, 45. Jj Mitteis, Lehnrecht, S. 107ff., Ganshof, Lehnswesen, S. 100. 36 Mitteis, Lehnrecht, S. I 98ff., 470ff.; Ganshof, Lehnswesen, S. 37, 54, 120; HRG, Stichwort Benefizium. 37 Mitteis, Lehnrecht, S. 500; Ganshof, Lehnswesen, S. 134. 38 Die Mannschaft ersetzte im Lehnrecht die Kommendation (S. FN 28). Sie war die symbolische Handlung, durch die der Vasall der ,.Mann" des Lehnherrn wurde und sich ihm zu Dienst und Gehorsam verpflichtete. Vgl. Mitteis, Lehnrecht, S. 480ff.; Ganshof, Lehnswesen, S. 73ff.; HRG, Stichwort Homagium. 39 Bei Grundstücken bestand das Symbol z.B. in einem Zweig oder einer Handvoll Erde oder einem Rasenstück vom jeweiligen Grundstück, bei öffentlichen Ämtern in einer Fahne (bei Reichsfllrsten) oder Lanze. Vgl. Mitteis, Lehnrecht, S. 508; Ganshof, Lehnswesen, S. 135. 40 Mitteis, Lehnrecht, S. 504; Ganshof, Lehnswesen, S. 136. 41 Durch das Recht auf Weiterverleihung entstand eine Lehnshierarchie, die sog. Heerschildordnung. Sie war eine Standes- und Rangordnung mit dem König an der 33

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B. Der Bestandsschutz der Unterhalts rechte in der Geschichte

Eine Entziehung des Lehens war nur bei einem schweren Verstoß gegen die vasallitischen Treuepflichten und nur durch Urteil des Lehnsgerichts zulässig. 42 Ein Austausch oder eine Veränderung des Lehens waren von der Zustimmung des Lehnsmannes abhängig. 43 Mit der Belehnung erfüllte der Lehnsherr seine Unterhaltspflicht. Die Belehnung war Erfüllungshandlung. Sie war eine Vorausleistung auf die vom Lehnsmann zugesagten und erwarteten Dienste. 44 Durch die Einräumung eines dinglichen Nutzungsrechts erhielt der Vasall dabei eine eigentumsähnliche Rechts- und Bestandsgarantie, die sogar Vorrang vor dem Eigentum hatte. Als absolutes, gegen jedermann wirkendes Recht am Grundstück gewährleistete sie ihm ein Höchstmaß an rechtlicher und wirtschaftlicher Sicherheit gegen eine nachträgliche Entziehung oder Verschlechterung. Sie machte ihn lebenslang unabhängig von der Gnade oder dem Wohlwollen des Lehnsherren sowie von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Zu der vertraglichen und dinglichen Sicherung der Unterhaltsrechte trat noch der treurechtliche Schutz. Wie schon in der Gefolgschaft, so war auch im Lehnsverhältnis der alles beherrschende Grundgedanke die sittliche Idee der Treue. Als Treueverhältnis war das Lehnsverhältnis ein Rechtsverhältnis, das auf der persönlichen Haltung und Gesinnung der Beteiligten, auf Vertrauen und Zuverlässigkeit, auf Hingabe, Pflichtbewußtsein und Ehrgefühl aufbaute. Durch das Treueverhältnis wurden nicht nur die wechselseitigen Vertragspflichten zu Treuepflichten, sondern aus ihm ergaben sich auch selbständige Rechte und Pflichten der Beteiligten. Anders als in der Gefolgschaft waren die originären Treuepflichten im Lehnsverhältnis allerdings ursprünglich weniger umfassend. 45 Sie bestanden zunächst im wesentlichen nur in der Verpflichtung, alles zu unterlassen Spitze. Mitteis, Lehnrecht, S. 436ff., Rechtsgeschichte, S. 88; Ganshof, Lehnswesen, S. 179; HRG, Stichw. Lehnrecht, Sp. 1732. 42 So das erste Lehnsgesetz überhaupt, das \037 von Konrad 11. zum Schutz der Vasallen erlassen wurde. Die Unentziehbarkeit war das wichtigste Merkmal des echten Lehens. Nähere Einzelheiten siehe Mitteis, Lehnrecht, S. 159,399,431,675. Nach Mitteis erwuchsen aus dem Schutz der Vasallenrechte die Anfänge der rechtsstaatlichen Garantien, Lehnrecht S. 82. Der in der deutschen Verfassungsgeschichte wohl bedeutendste Fall einer gerichtlichen Lehensentziehung war die Absetzung Heinrichs des Löwen, des Herzogs von Sachsen und Bayern, wegen Verletzung seiner Vasallenpflichten im Jahre 1180 unter Kaiser Friedrich I. 43 Mitteis, Lehnrecht, S. 632. 44 Mitteis, Lehnrecht, S. 146; die Belehnung war allerdings nur Teilerflillung, weil sich aus dem Lehnverhältnis noch weitere Verpflichtungen des Herrn ergaben, wie z.B. die Treue-, Schutz- und Gewährleistungspflichten. 45 Wohl unter dem Einfluß des engeren Treuebegriffes im gallo-romanischen Rechtskreis.

1Il. Der Schutz im Lehnswesen

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und nichts zu tun (non facere), was das Leben, die Ehre und das Eigentum des anderen schädigen oder gefährden konnte. Sie hatten den negativen Sinn, jedes schädigende Verhalten gegenüber dem, dem man Treue schuldete, zu vermeiden. 46 Die treurechtlichen Unterlassungspflichten47 wurden dann aber auch im lehnrechtlichen Treueverhältnis bald erweitert um treurechtliche Handlungsund Leistungspflichten. Sie forderten allgemein ein positives Zum-Anderenstehen ohne Rücksicht auf eigene Vor- oder Nachteile, eine dauernde Hilfsund Leistungsbereitschaft, ein aktives Eintreten rur die berechtigten Interessen des anderen im Geist des Treueverhältnisses. 48 Die geschilderten Unterlassungs- und Leistungspflichten waren - wie in der Gefolgschaft - wechselseitig. Die Herrentreue war ein Korrelat der Mannestreue. Es lag also nicht zuletzt beim Herren selbst und seinem Verhalten, ob er sich auf die Treue des Mannes verlassen konnte. 49 Aus den positiven Treuepflichten des Herrn entwickelten sich im einzelnen u.a. die Pflicht zur Gewährschaftsleistung rur das Lehngut mit der Verpflichtung zum Schutz des Lehens gegen Ansprüche Dritter, der Haftung rur Mängel im Recht, der Schadensersatzpflicht bei einer vom Vasallen nicht verschuldeten Verschlechterung des Lehens sowie besondere Unterstützungspflichten. 50 Der Treueid (fidelitas, hulde) bekräftigte als Versprechens- und Sicherheitseid die Treuzusage. Er wurde vom Lehnsmann gegenüber dem Lehnsherrn unter Anrufung Gottes und Berührung eines heiligen Gegenstandes (res sacra), meist einer Reliquie oder eines Evangeliars, geleistet. 51 Der Treueid hatte rur den Lehnsherrn die gleiche rechtsbestärkende rechtliche und religiöse Bindungswirkung wie rur den Lehnsmann. 52

46 Mitteis unterscheidet zwischen selbständigen und unselbständigen Unterlassungspflichten, die zusammen den Hauptinhalt der Treuepflicht gebildet hätten (Lehnrecht, S. 48); Ganshof, Lehnswesen, S. 88, 99; beide mit umfangreichen historischen Nachweisen. 47 Aus dem Verstoß gegen die treurechtlichen Unterlassungspflichten (Treu und Glauben) entstand die positive Vertragsverletzung; Mitteis, Lehnrecht, S. 48. 4K Vgl. Mitteis, Lehnrecht, S. 79ff., 533; Ganshof, Lehnswesen, S. 87. 4Y Mitteis, Lehnrecht, S. 81, 95, 533; Ganshof, Lehnswesen, S. 87, 98. 50 Mitteis, Lehnrecht, S. 536ff.; Ganshof, Lehnswesen, S. 100. 51 Mitteis. Lehnrecht, S. 48Iff.; Ganshof, Lehnswesen, S. 27, 77; HRG, Stichwort Lehnseid. S2 Mitteis, Lehnrecht. S. 95, 534; Ganshof, Lehnswesen. S. 98.

48

B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

Eine vorsätzliche Verletzung der Treuepflichten war Eidbruch (Felonie) und Todsünde zugleich. 53 Zusammenfassend waren die Unterhaltsrechte der Vasallen im Lehnsverhältnis geschützt: durch die vertraglich abgesicherten Zusagen des Lehnsherrn, durch die mit Vertragsabschluß erfolgte Übergabe des Lehngutes als Erftillungshandlung, (3) durch die Einräumung eines unwiderruflichen dinglichen Nutzungsrechts am Lehngut, (4) durch die treurechtlichen Bindungen und Unterlassungs- und Handlungspflichten des Lehnsherrn, (5) durch die eidliche Bekräftigung der Treuepflichten, (6) durch den Rang und die gesellschaftliche Stellung des Lehnsherrn in einer von sittlich-religiösen Idealen und feststehenden Ehr- und Moralbegriffen geprägten Gesellschaft. (1) (2)

Den Vasallen war damit rechtlich und tatsächlich ein Höchstmaß an Schutz und Sicherheit für den Bestand ihrer (wohl-) erworbenen Unterhaltsrechte und gegen jede Art von einseitigen Verschlechterungen und Eingriffen durch den Dienstherrn gewährleistet.

IV. Der Schutz im mittelalterlichen Ämterwesen Mit der Ausbildung der Landeshoheit in den Territorien - sie erfolgte unter dem Einfluß des Lehnrechts - wurden die geistlichen und weltlichen Fürsten zu Landesherren. 54 Sie übten in ihren Ländern die Gesetzgebung, die oberste Gerichtsgewalt sowie militärische Funktionen aus. 55 Ihre wichtigste Aufgabe war die Wahrung des Rechts und der Ordnung im Inneren, insbesondere die Sicherung des Landfriedens. 56 Zur Bewältigung ihrer Aufgaben, aber auch zur Festigung ihrer Landesherrschaft und zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele schufen sie eine eigene Verwaltungsorganisation mit den erforderlichen Ämtern und Bediensteten. Ei-

53 Ganshof, Lehnswesen, S. 28. Der Eidbruch wurde beim Vasallen auch strafrechtlich geahndet. 54 Die Landesherrn blieben rechtlich Vasallen des Kaisers und damit im weiteren Sinne Beamte des Reiches bis zur Auflösung des Deutschen Reiches im Jahre 1806. 55 Der Schutz nach außen mit seinen kostspieligen Ritterheeren war nach wie vor Aufgabe des Reiches. 56 Mitteis, Rechtsgeschichte, S. 118ff.; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte S. 209ff.; Dahm, Deutsches Recht, S. 255.

IV. Der Schutz im mittelalterlichen Ämterwesen

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ne zentrale, einheitliche Steuerung der Ämter war dabei wesentliche Voraussetzung fiir eine erfolgreiche Aufgabenerledigung im ganzen Land. Sie schloß eine Vergabe der Ämter nach Lehnrecht aus. Der Fürst und Landesherr konnte nach der lehnrechtlichen Heerschildordnung nur Grafen belehnen. 57 Sie standen als hohe Adlige fur Amtsaufgaben in den Verwaltungsbezirken im allgemeinen nicht zur Verfiigung. Hinzu kam, daß bei einer Belehnung mit den Ämtern die Amtsbefugnisse als Eigenrechte auf die Amtsinhaber übergegangen wären, so daß der Dienstherr keine Kontroll- und Weisungsbefugnisse mehr gehabt hätte, und daß ferner die Erblichkeit der Amtslehen dem Dienstherrn nach dem Tode des Lehnsempfangers die Auswahl eines geeigneten Nachfolgers unmöglich gemacht hätte. Die Landesherrn griffen daher auf das vor dem Lehnrecht bestehende und teilweise auch neben diesem fur Nichtadlige, aber Freie weiterbestehende Amts- und Dienstrecht zurück. 58 Anders als das Lehnrecht und teilweise auch das Amtsrecht des Reiches 59 wurde das in den Territorien geltende Amts- und Dienstrecht weder kodifiziert noch aufgezeichnet. Es beruhte - wie das meiste Recht im Mittelalter - als besonderes Dienstrecht fur den Königs- und Fürstendienst auf altem Herkommen und langjährigen Traditionen, die von der Rechtsgemeinschaft als Gewohnheitsrecht anerkannt wurden. 60 Unabhängig davon, ob der Königs- und Fürstendienst in den Formen des Lehnrechts oder Amtsrechts geleistet wurde, galt fur ihn seit der germanischfränkischen Zeit in allen Fällen als gemeinsames, tragendes Grundprinzip, daß dem Dienst ein beiderseitiges Treueverhältnis zugrunde lag,61 und daß der Dienstherr sich den im Rahmen des Dienstverhältnisses zugesicherten Leistungen nicht dadurch entziehen konnte, daß er die unter Berufung

Mitteis, Rechtsgeschichte, S. 89, Lehnrecht. S. 400. Das Amtsrecht in den Territorien begann also nicht beim Nullpunkt. 59 Siehe die Einsetzung eines Hofrichters und Hofgerichtsschreibers nach §§ 28 u. 29 des Mainzer Reichslandfriedens v. 15.8.1235, abgedruckt bei Buschmann. Kaiser und Reich S. 80ff.; die Voraussetzungen ftir ein Lehnverhältnis lagen hier nicht vor: vgl. Rehm, Die rechtliche Natur des Staatsdienstes, in Annalen des Deutschen Reichs. Jahrgang 1884 S. 569. 60 Vgl. Mitteis. Rechtsgeschichte. S. 49ff.. 102ff.; Conrad. Deutsche Rechtsgeschichte, S. 345ff. 6\ Vgl. Mitteis, Lehnrecht. S. 59, 95: Scheyhing. Eide. Amtsgewalt und Bannleihe. S.120. 57 58

4 Müller

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte auf seine Herrschaftsrechte eingegangenen Verpflichtungen unter erneuter Berufung auf eben diese Rechte wieder rückgängig machte. 62

Da der Dienst für den König und Fürsten als Herrscher gleichzeitig Dienst für die Gemeinschaft war und für ihr Zusammenleben und ihren Schutz erhebliche Bedeutung hatte, waren diese Grundsätze im Reich und in den Territorien Bestandteil der verfaßten Ordnung. Sie hatten damit Verfassungsrang. Begründet wurde das Beamtenverhältnis durch eine freiwillig abgeschlossene Vereinbarung zwischen dem Fürsten und dem Beamten, in der sich der Beamte zur Treue und zur Leistung der geforderten Amtsdienste verpflichtete und der Fürst dem Beamten hierfür Schutz und bestimmte Ehren- und Vermögensrechte versprach. 63 Bei der Ausgestaltung der Verträge hatten die Parteien eine weite Gestaltungsfreiheit, 64 die jedoch durch das geltende Verfassungsund Gewohnheitsrecht begrenzt wurde. Abgeschlossen wurde der Vertrag durch die Ernennung zum Beamten mit Aushändigung der Bestallungsurkunde und die Ableistung des Dienst- und Treueides. 65 Durch seine Ernennung erwarb der Beamte - anders als der Vasall durch die Belehnung - kein eigenes Recht an dem Amt, sondern er übte die ihm verliehenen Amtsrechte gegenüber dem Dienstherrn als Amtspflichten aus, und zwar im Auftrag und auf Weisung des Herrn. Die Amtsdienste, die gefordert wurden, hatten einen abgegrenzten, mehr oder weniger genau umschriebenen Kreis von hoheitlichen Aufgaben zum Inhalt. 66 Sie waren teilweise am Hofe des Dienstherrn zu leisten, Z.B. als Hofrat, vor allem aber in den Verwaltungsbezirken als Amtmann, Landrichter, Vogt, Landpfleger, Rentmeister usw. Die den Beamten zugesicherten Ehren- und Vermögens rechte sollten in erster Linie die sachgerechte Wahrnehmung der anfallenden Amtsgeschäfte ermöglichen und sicherstellen. Hierzu gehörte auch die dauerhafte wirtschaftliche Absicherung der Beamten durch die lebenslange Gewährung eines ihrem Amt angemessenen Lebensunterhalts. 62 Die vom Fürsten bewilligten Rechte galten im Mittelalter als Privilegien Uura quaesita, wohlerworbene Rechte), die seinem Zugriff auch in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber entzogen waren; s. Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, § 456. 63 Vgl. Rehm, Staatsdienst, S. 575f.; Scheyhing, Eide, S. 126, zweifelnd zum Vertragscharakter; Willoweit, Verwaltungsgeschichte, S. 352. 64 Willoweit. Verwaltungsgeschichte, S. 139ff.; ob es sich bei den Verträgen nach heutiger Terminologie um öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Verträge handelt, kann offen bleiben, weil das mittelalterliche Recht nicht zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht unterschied. 6, Rehm, Staatsdienst. 569, 574: Willoweit, Verwaltungsgeschichte. S. 352. 66 Zum mittelalterlichen Amtsbegriff siehe Willoweit, Verwaltungsgeschichte. S.8Iff.

IV. Der Schutz im mittelalterlichen Ämterwesen

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Die dem Beamten zugesicherten Ehrenrechte bestanden in der Verleihung der mit der Amtstätigkeit verbundenen Amtsbezeichnung (Amtmann usw.). Sie erfolgte gleichzeitig mit dem Ernennungsakt und der Verleihung der Amtsbefugnisse. Sie war Erftillungshandlung und grundsätzlich unwiderruflich. Sie sicherte dem Beamten einen bestimmten Rang innerhalb der Gesellschaftsordnung. Bei den als Gegenleistung gewährten Vermögensrechten wurden die dem Unterhalt des Beamten und seiner Familie dienenden Leistungen mit der Entschädigung für seine dienstlich notwendigen Aufwendungen sowie ftir seine amtlichen Repräsentationsaufgaben zusammengefaßt. Sie bestanden zumeist aus Geld- und Sachleistungen. Zu den Sachleistungen gehörten neben Naturalleistungen in der Regel die Zur-Verftigung-Stellung des Amtsgebäudes - häufig einer Burg - mit den erforderlichen Wohnräumen und den dazu gehörenden Grundstücken zur Nutzung. Die Höhe der Unterhaltsleistungen richtete sich nach dem Rang des Beamten, der Bedeutung seines Amtes, dem Schwierigkeitsgrad der Amtsaufgaben und dem sich hieraus ergebenden Grad der Verantwortung. Soweit die Unterhaltsleistungen - was häufig der Fall war - auch in der Überlassung von Gebühren oder Gebührenanteilen bestand,67 richtete sie sich ferner nach der Anzahl der vorgenommenen gebührenpflichtigen Amtshandlungen. 68 Die dienstlich notwendigen Aufwendungen, die durch die Vermögensleistungen mit abgegolten wurden, hatten einen im Vergleich zu heute viel weitergehenden Umfang. 69 Sie konnten Z.B. neben den Aufwendungen für Dienstreisen auch die ftir die Einstellung von Hilfskräften wie Amtsschreiber und Amtsboten, für die Anschaffung und Unterhaltung von Dienstpferden, für die Instandhaltung, Beleuchtung und Beheizung des Dienstgebäudes usw. umfas70 sen. Das wechselseitige Treueverhältnis als Fundament aller Dienstverhältnisse mit hoheitlicher AufgabensteIlung bewirkte auch im Beamtenverhältnis besondere Pflichten und Rechte, die denen in der Gefolgschaft und im Lehnsverhältnis voll entsprachen. 71 Die Idee der Treue war auch hier ethische Grundhaltung und Handlungsmaxime zugleich. Sie machte aus dem Beamtenverhältnis ein Vertrauens-, Schutz- und Verantwortungsverhältnis auf hoher sittli67 Das von den Untertanen für Amtshandlungen zu zahlende Entgelt bezeichnete man als Sporteln. 68 Vgl. Willoweit. Verwaltungsgeschichte. S. 354f.: Klein. Beamtenbesoldung in Altbayern, S. 25, 88; Hattenhauer. Geschichte des Beamtentums. S. 271. 69 Vgl. § 17 BBesG. 70 Vgl. Klein. Beamtenbesoldung in Altbayern. S. 22. 30f.: Willoweit. Verwaltungsgeschichte. S. 356. 71 S. Abschn. B.1l und 111.

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

cher Grundlage. Sie verstärkte die gegenseitigen Vertragspflichten und hob sie auf die rechtlich und moralisch höhere Ebene von Treuepflichten. 72 Sie war darüber hinaus Rechtsgrundlage fiir selbständige, sich aus dem Wesen der Treue ergebende Unterlassungs- und Leistungspflichten. Die Unterlassungspflichten bestanden in ihrem Kern - wie bei der Gefolgschafts- und der Lehenstreue - beim Beamten und Dienstherrn in gleicher Weise in der Verpflichtung, alles zu vermeiden, was dem anderen Nachteile bereiten und schaden konnte. Die Leistungspflichten als positive Handlungspflichten forderten im wesentlichen ein aktives Eintreten fiir die Interessen des anderen im Rahmen des bestehenden Dienstverhältnisses. 73 Die im einzelnen zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten vereinbarten Rechte und Pflichten fanden ihren Niederschlag in der Bestallungsurkunde. 74 Sie war ein amtliches, vom Dienstherrn selbst oder in seinem Auftrag ausgestelltes Dokument über die Ernennung und die Rechtsstellung des Beamten. Sie gab ihm ein durch eine fiirstliche Urkunde verbrieftes, besiegeltes und garantiertes Recht gegenüber dem Landesherrn. Der Treueid des Beamten war dem des Vasallen nachgebildet. 75 Er wurde ebenfalls auf eine heilige Reliquie geleistet und beschwor neben den Treuepflichten auch die Amtspflichten. Die Verletzung des Treueides war auch hier Eidbruch und Meineid, der kirchenrechtliche und strafrechtliche Sanktionen nach sich zog. Die rechtliche und religiöse Bestärkungsfunktion galt - ohne die strafrechtlichen Konsequenzen - nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit auch fur den Dienstherrn. Als Ergebnis der Kurzdarstellung über die Rechtsverhältnisse und den Schutz der Unterhaltsrechte der sog. Fürstendiener im Mittelalter ist festzuhalten:

72 Dies gilt insbesondere auch flir die Verpflichtung, gegebene Zusagen gerade auch in schwierigen Lagen und Zeiten einzuhalten, wenn dies schwer fällt und Opfer fordert. 7, Die mit dem Treueverhältnis untrennbar verbundene Verantwortung und Sorgepflicht flir den Beamten schloß auch eine einseitige Beendigung des Beamtenverhältnisses ohne schwerwiegende Gründe (wie schwere Verstöße gegen die Amtspflichten), d.h. nach dem Belieben des Dienstherrn von vornherein aus. Vgl. hierzu allerdings die ausführliche Darstellung der Kontroverse über die willkürliche Lösung des Dienstverhältnisses durch den Fürsten im damaligen Schrifttum von Rehm, Staatsdienst, S.576ff. 7. Die Bestallungsurkunden waren weitgehend typisierte, formularrnäßige Anstellungs- und Ernennungsurkunden. Sie sind die wichtigsten Erkenntnisquellen für das Amts- und Bcamh:nrecht des Mittelalters. 7"

Schcyhing. Eide. S. 120ff.. ] 40: Wyluda~ Lehnrecht und Beamtentum, S. 132ff.

IV. Der Schutz im mittelalterlichen Ämterwesen

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Die Unterhaltsansprüche der Beamten waren im frühen Beamtenverhältnis jener Zeit geschützt und gesichert76 (1) durch das geltende Gewohnheitsrecht für Dienstverhältnisse mit hoheitlichen Aufgaben, das in seinen tragenden Grundprinzipien Verfassungsrang hatte und der Gestaltungsfreiheit des Fürsten und Gesetzgebers im Hinblick auf die treurechtliche Ausgestaltung und die Lösbarkeit von eingegangenen Verpflichtungen Schranken setzte; (2) durch die vertragliche Festlegung von Art und Umfang der vom Beamten zu beanspruchenden Unterhalts- und Vermögensrechte; (3)

durch das besondere Treueverhältnis mit seiner treurechtlichen Bekräftigung der Unterhaltsansprüche und seinen selbständigen Unterlassungsund Handlungspflichten;

(4) durch die rechtlich und religiös bestärkende Kraft des Treueides, der nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit auch die Treuepflichten des Dienstherm verstärkte; (5)

durch die Dokumentierung der Unterhaltsansprüche in der fürstlichen Bestallungsurkunde;

(6)

durch den Ehrenkodex und das Amtsethos des Dienstherm und Fürsten, der als oberster Landesherr und höchste Autorität im Lande ein Vorbild an Vertrags- und Rechtstreue sein mußte.

Eingeschränkt war der Schutz der Unterhaltsrechte jedoch durch das Notrecht des Landesherm77 • Es beruhte auf altem Herkommen und diente dem Schutz und der Rettung des Staates vor und aus Notlagen, die sein Existenzrecht bedrohten. Ihm lag der Gedanke der Güterabwägung zugrunde. Der Staat als gesellschaftstragende Institution galt als höchstes aller Rechtsgüter, hinter dem im Konfliktsfall alle anderen Rechtsgüter zurückstehen mußten. Zu den Notlagen und Notständen, die die Anwendung des Notrechts rechtfertigten, gehörten vor allem kriegerische Auseinandersetzungen mit anderen Staaten, wie die in jener Zeit häufigen Erbfolge-, Religions- und Eroberungskriege, mit den durch sie häufig ausgelösten schweren Kriegsschäden und Wirtschafts- und Versorgungskrisen. Eingriffe in bestehende Rechtspositionen wurden durch das Notrecht dabei nur gerechtfertigt, wenn und soweit

76 Daß die Landesherrn sich nicht immer an diese Rechtslage hielten und ihn: Machtbefugnisse teilweise mißbrauchten. ist eine andere Frage. auf die hier nicht eingegangen werden muß. Vgl. Summer. Das Amt ZBR 1982 S. 325. 77 Jus eminens. Die Rechte der Beamten gehörten zu den jura quaesita (wohlerworbenen Rechten). in die der Fürst nur bei echten Notlagen eingreifen durfte. S. Klüber. Öffentliches Recht § 456.

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

sie tatsächlich notwendig waren, um die Not des Staates zu wenden und zu beheben. Sie mußten das äußerste, im Lebensinteresse des Staates zwingend gebotene und nicht mehr zu umgehende Mittel sein. 78 In diesem Sinne durch das übergesetzliche und gewohnheitsrechtliehe Notrecht legitimiert waren Z.B. die "Reduktion" der Gehälter der preußischen Beamten in den Jahren 1651, 1674 und 1711 durch den Kurfürsten und späteren König von Preußen. 79

v. Der Schutz der erworbenen Unterhaltsrechte im aufgeklärten Fürstenstaat, insbesondere im Reichsdeputationshauptschluß und in der Bayerischen Hauptlandespragmatik Nach mittelalterlichem Rechts- und Staatsverständnis war der Territorialstaat keine selbständige Bezugsgröße mit eigener Rechtspersönlichkeit, sondern ein mit der Herrschaftsgewalt verbundenes persönliches Besitz- und Vermögensrecht des Fürsten. 8o Die Herrschaftsgewalt über das Land und das Land selbst galten als eigentumsähnliches Recht des Fürsten, das durch Vererblichkeit, Veräußerlichkeit und Privatnützigkeit gekennzeichnet war. 81 Das Beamtenverhältnis war daher folgerichtig auf die Person des Fürsten ausgerichtet und durch vertragliche Vereinbarung mit ihm geregelt. 82 Unter dem Gedankengut der Aufklärung wurde im Verlaufe einer längeren historischen Entwicklung der Staat begrifflich von der Person des Fürsten getrennt und als abstrakte, eigenständige Rechtsfigur gedacht, in dessen Mittelpunkt das Staatsvolk stand. 83 Fürst und Staat waren nicht mehr identisch, und Vgl. Nawiasky in Staatslexikon v. Sacher, 5. Aufl., Stichwort Notrecht. Isaacsohn, Geschichte des preußischen Beamtentums, Bd. 2 S. 339 und Bd. 3 S. 181. Hf! Fürsten in diesem Sinne waren alle Regenten, die Herrschaftsgewalt ausübten, wie Könige. Herzöge. Markgrafen, Fürstbischöfe usw. RI Bold. Verfassungsgeschichte. S. 158; Dahm, Deutsches Recht, S. 502. Legitimiert wurde die Herrschaft durch die Berufung auf das Gottesgnadentum. In ihm lag nicht nur eine Bestärkung der Herrschaft, sondern auch eine Bindung der Fürstenmacht an den Willen und die Gebote Gottes, die eine Willkürherrschaft oder auch nur Willkürentscheidungen ausschlossen. X2 Mangels einer gesetzlichen Regelung versuchten die Juristen damals eine Einordnung in die Vertragstypen des gemeinen Rechts. wie z.B. als Mandat, Precarium, Dienstmiete oder Privileg. Ausführlich hierzu Rehm, Staatsdienst S. 565ff. x, Vgl. Summer. Dokumente. S. 15fL sowie Das Amt, ZBR 1982 S. 324. 7M

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V. Der Schutz im aufgeklärten Fürstenstaat

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der Fürst nahm nicht mehr eigene Rechte und Interessen wahr, sondern die des Staates und des Staatsvolkes. Der Fürst wurde nach einem Ausspruch Friedrichs des Großen zum "ersten Diener des Staates,,84, und die Beamten dienten nicht mehr dem Fürsten, sondern dem Staat, sie leisteten nicht mehr Fürstendienst, sondern Staatsdienst. 85 Aus den vertraglichen Rechtsbeziehungen zum Fürsten wurden öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen zum Staat, und aus der Gegen- und Unterhaltsleistung für dem Fürsten geleistete Dienste eine Entschädigungsrente und Alimentation des Staates. S{j An der persönlichen Rechtsstellung und den Unterhaltsrechten der Beamten änderte dies zunächst nur wenig. Der Fürst blieb nach wie vor Inhaber des höchsten Staatsamtes und das für den Staat handelnde Organ. Er blieb damit auch Träger der Personalgewalt87, höchster Dienstvorgesetzter und eigentlicher Dienstherr des Beamten. Ebenso blieb das Beamtenverhältnis ein Dienstund Treueverhältnis eigener Art, dessen rechtliche Ausgestaltung sich unverändert nach den überlieferten Grundsätzen für Dienstleistungen mit hoheitsrechtlichen Befugnissen richtete. Dies galt insbesondere auch für das Wesensmerkmal des Beamtenverhältnisses, das beiderseitige Treueverhältnis, und die sich hieraus ergebenden besonderen Schutz-, Handlungs- und Unterlassungspflichten. Das erste große Gesetzgebungswerk jener Zeit, das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794, normierte trotz eines Abschnitts mit der Überschrift "Von den Rechten und Pflichten der Diener des Staates,,88 im wesentlichen nicht die Rechte, sondern nur die Pflichten der Beamten. Es betonte dabei ausdrücklich die Pflicht der Beamten zur besonderen Treue gegenüber dem "Oberhaupt des Staates" (§ 2). Eine Regelung über die Rechte der Beamten brachte jedoch das letzte große Verfassungsgesetz des I. Deutschen Reiches, der Reichsdeputationshauptschluß (RDHS) von 1803 89 . Der Hauptzweck des Gesetzes war die Entschädigung der Fürsten, die durch die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich im Friedensvertrag

84 "Ich bin der erste Diener de"s Staates". Ausgewählte Werke Friedrichs des Großen, hrsg. v. Volz, Bd. 1 1 S. 24. 85 Bold, Verfassungsgeschichte. S. 159: leserich, Deutsche Verwaltungsgeschichte. S. 302ff. 86 Summer/Rometsch, Alimentationsprinzip gestern und heute. ZBR 1981 S. 1. 4ff. 87 Lecheier, Die Personalgewalt öffentlicher Dienstherrn. S. 142ff. 88 11. Teil. 10. Titel. S. Koch Landrecht. Bd. 4 S. 44. 89 Hauptschluß der außerordentlichen Reichsdeputation vom 25.2.1803. abgedruckt bei Buschmann. Kaiser und Reich. S. 591 ff.

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

von Luneville (1801) einen Teil ihrer bisherigen Territorien verloren hatten. 9o Die Entschädigung erfolgte durch Aufhebung sämtlicher geistlicher Fürstentümer sowie Entzug der Reichsunmittelbarkeit zahlreicher Reichsgrafen, Reichsritter und freien Reichsstädte und durch Zuteilung ihrer Gebiete an die entschädigungsberechtigten Reichsfürsten (Säkularisierung und Mediatisierung).9\ Die Beamten der säkularisierten und mediatisierten Länder und Herrschaften verloren mit der Neuordnung ihren bisherigen Dienstherm. 92 Wurde ein derartiger Beamter von dem neuen Landesherrn nicht übernommen - was die Ausnahme gewesen sein dürfte -, so mußte dieser ihm seine bisherige Besoldung in voller Höhe lebenslang weiterbezahlen. 93 Den übernommenen Beamten wurde "der unabgekürzte, lebenslängliche Fortgenuß ihres bisherigen Rangs, ganzen Gehalts und rechtmäßiger Emolumente, oder, wo diese wegfallen, eine dafür zu regulierende Vergütung"garantiert. 94 Der Anspruch auf Weiterzahlung der Bezüge setzte voraus, daß die Beamten sich "nach Maßgabe ihrer Talente und Kenntnisse" auch versetzen ließen. Sollte die Versetzung allerdings in eine andere Provinz erfolgen, so mußte der neue Dienstherr den Beamten freistellen, ob sie nicht lieber in Pension gehen wollten. Ließen sie sich pensionieren, so hatten sie bei einer Dienstzeit von fünfzehn Jahren Anspruch auf ihr "volles Gehalt mit Emolumenten", nach einer Dienstzeit von zehn Jahren Anspruch auf zwei Drittel und bei einer kürzeren Dienstzeit Anspruch auf die Hälfte des Gehalts mit den Nebeneinnahmen als Pension. Den bereits vorhandenen "wirklichen Pensionisten" wurde ihre bisherigen Pensionen fortbezahlt. 95 Die Erfüllung der Unterhaltsansprüche durch die neuen Dienstherrn wurde durch besondere Auflagen und Verwaltungsmaßnahmen sichergestellt, die im RDHS selbst im einzelnen festgelegt waren. 96 Für den Bestandsschutz der UnterhaItsrechte im Beamtenrecht war die Entschädigungs- und Besitzstandsregelung im Reichsdeputationshauptschluß von erheblicher Bedeutung:

Betroffen waren vor allem Preußen, Bayern, Württemberg. Baden u. Hessen. Buschmann, Kaiser und Reich, S. 43[.; Gaspari, Der Deputations-Receß. S. 91 ff. 92 Nach den Erklärungen der Deputierten verloren die Beamten ihre .. konstitutionelle Existenz". S. Protokoll der außerordentlichen Reichsdeputation zu Regensburg, Bd. I S. 30, 51 usw. Y3 § 59 Abs. 3 RDHS: .. so verbleibt demselben seine genossene Besoldung lebenslänglich". 94 § 59 Abs. I RDHS. Emolumente waren Nebeneinkünfte. die mit dem Amt verbunden waren. wie Gebühren usw. Y; § 59 Abs. 2 RDHS. 9h §§ 66 u. 67 RDHS. Die Verfassungsgeber hatten offenhar kein volles Vertrauen in die Verfassungstreue und Erfüllungshercitschaft der Landesherrn. 90 Y\

V. Der Schutz im aufgeklärten Fürstenstaat

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Sie war die erste gesetzliche Regelung zum Schutz der erworbenen Beamtenrechte überhaupt. Die Beamten erhielten durch sie erstmals die Möglichkeit, sich bei Geltendmachung ihrer Ansprüche nicht nur auf allgemei ne Grundsätze des Rechts und der Billigkeit97 sowie auf altüberliefertes Gewohnheitsrecht zu berufen. Sie konnten sich jetzt vielmehr auf das leicht nachweisbare gesetzte, d.h. schriftlich festgelegte Recht beziehen. Ihre Rechtsposition wurde dadurch deutlich verbessert. Eine weitere erhebliche Stärkung ihrer Rechtsstellung bestand darin, daß der RDHS in den Rang eines Reichsgrundgesetzes gehoben wurde. 98 Die in dem Grundgesetz gewährleisteten Rechte wurden als Bestandteile der verfassungsmäßigen Ordnung des Reiches zu Grundrechten. Sie waren damit der Regelungsbefugnis des Reichsgesetzgebers für einfaches Reichsrecht ebenso entzogen wie der des Landesgesetzgebers für Landesrecht einschließlich Landesverfassungsrecht. Den Landesherrn war eine Verschlechterung und ein Zugriff ohne Rücksicht auf die Gründe, die hierzu Anlaß hätten geben können, verwehrt, und eine Änderung war nur noch über eine Änderung des Reichsgrundgesetzes möglich. Die grundrechtliche Sicherung der Unterhaltsrechte beschränkte sich nicht auf den Schutz eines "Kernbestandes" des Unterhalts oder auf die Gewährleistung eines "amtsangemessenen Lebensunterhalts" nach den Vorstellungen der neuen Landesherrn und unter Zubilligung eines weiten Ermessensspielraums. 99 Das Verfassungsgesetz regelte vielmehr den Inhalt und den Umfang der geschützten Rechte selbst, und zwar sehr konkret und bis in die Einzelheiten. Es nahm dabei keine Neuordnung der Unterhaltsansprüche vor, sondern es übernahm die bestehenden, vorkonstitutionellen Ansprüche und Besitzstandsregelungen, die sich nach altem Herkommen für die Beamtenverhältnisse herausgebildet hatten. Die lebenslange Garantie der erworbenen Unterhaltsrechte wurde auch nicht in den Fällen eingeschränkt, in denen den Beamten der aufgelösten Länder höhere Bezüge zustanden als den vergleichbaren Beamten in den übernehmenden Ländern. Der Schutz der erworbenen Beamtenrechte hatte nach der Wertentscheidung des Verfassungsgebers Vorrang vor einer Anpassung dieser Rechte an das Recht der aufnehmenden Länder und an einer Gleichbehandlung aller Beamten in den neugeschaffenen Ländern. Dies galt auch dann, wenn die wirtschaftliche und finanzielle Leistungskraft der

Protokoll der außerordentlichen Reichsdeputation zu Regensburg, Bd. I S. 419. Der RDHS wurde mit der Annahme durch die Reichsversammlung u. der Ratifizierung durch den Kaiser am 27.4.1803 zum Reichsgrundgesetz; S. Gaspari, Der Deputations-Receß, S. 413, 424. "" Vgl. BVerfGE 8. 16ff.l29; 11, 210f.l216f. "7 "K

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

aufnehmenden Länder deutlich unter derjenigen der übernommenen Länder und Gebiete lag und die garantierten Bezüge nach den "Grundsätzen der Billigkeit und einer guten Staatsverwaltung" 100 nicht mehr angemessen, sondern zu hoch waren. Die von der Verfassung garantierten Unterhaltsrechte hatten höchste Priorität und waren vor allen anderen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtungen der neuen Länder und Dienstherren zu erfiillen. 101 Der Schutz des erreichten Besitzstandes war verfassungs politische Leitlinie fur die Garantie der Unverletzlichkeit der Beamtenrechte in den Verfassungen der konstitutionellen Monarchien des 19. Jahrhunderts und in der Weimarer Reichsverfassung l02 • Er war ferner Vorläufer fur den Schutz der Freiheitsrechte und des Eigentums fiir alle Bürger im Entwurf der Deutschen Reichsverfassung von 1849 103 , in der Weimarer Reichsverfassung und im Bonner Grundgesetz lO4 • Ausdrücklich bestätigt und übernommen wurden die beamtenrechtlichen Schutzregelungen des RDHS nach dem Zusammenbruch des 1. Deutschen Reiches vom Deutschen Bund in der Deutschen Bundesakte von 1815 105 • Der verfassungsrechtliche Bestandsschutz der Beamtenrechte im RDHS war auch Grundlage fiir die erste bedeutende landesgesetzliche Regelung der Beamtenrechte, die Bayerische Hauptlandespragmatik von 1805 (BHLP)I06. Anders als das Preußische Allgemeine Landrecht mit seiner besonderen Betonung des Pflichtenkreises der Beamten regelte das bayerische Beamtengesetz vorwiegend Art und Umfang ihrer Rechte. 107 Erworben wurden die Beamtenrechte nach dem Gesetz nicht mehr durch einen Vertrag, sondern durch einen Hoheitsakt, die Ernennung zum "Staatsdiener". Die Ernennung erfolgte durch Aushändigung des "Anstellungsreskripts". 108 Sie erfolgte auf Lebenszeit und begründete das Beamtenverhältnis als "öffentliches Verhältnis,d 09 . Mit der Er-

IlJO

101 102

§ 59 Abs. 3 letzter Satz RDHS. Vgl. §§ 66, 67 RDHS. Art. 129 Abs. 1 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919 (RGBl.

S. 1383).

103 Beschluß der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche vom 28.3.1849. 104 Art. Iff., 14 GG. 10; Art. 15 der Deutschen Bundesakte vom 8.6.1815; s. Klüber, Öffentliches Recht S. 63, 71. 106 Churpfalzbaier. RegBl. MDCCCV S. 226. 101 Nach seiner Überschrift regelt das Gesetz "die Dienstverhältnisse der Staatsdiener, vorzüglich in Beziehung auf ihren Stand und Gehalt." 108 Art. I BHLP. 109 S. Präambel BHLP.

V. Der Schutz im aufgeklärten Fürstenstaat

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nennung auf Lebenszeit verbunden war die lebenslange Gewährleistung der erworbenen Beamtenrechte nach Besoldung, Rang und Titel. Bei der Besoldung unterschied das Gesetz zwischen einem "Gehalt des Standes" und einem "Gehalt des Dienstes" .110 Als Gehalt des Standes bezeichnete es den Teil der Bezüge, der dem standesgemäßen Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie diente. 111 Das Standesgehalt entsprach damit unserem heutigen Besoldungsbegriff. 112 Das Gehalt des Dienstes war demgegenüber der über das Standesgehalt hinaus gewährte Teil der Bezüge, den der Beamte als Ersatz für die dienstlich notwendigen Aufwendungen und als Entschädigung für die Kosten der amtlichen Repräsentation erhielt. 113 Das Dienstgehalt enthielt somit auch unsere heutige Aufwandsentschädigung. 114 Das Dienstgehalt wurde nur während der aktiven Dienstzeit gezahlt, da nur hierbei dienstlich bedingte Aufwendungen anfielen. 115 Das Standesgehalt wurde dagegen auf Lebenszeit gewährt, d.h. auch nach Eintritt in den Ruhestand. Nachdem die unterschiedlichen Zweckbestimmungen in der Regel nicht gesondert ausgewiesen waren, mußte das Gesetz für die Zeit nach Eintritt in den Ruhestand eine Aufteilung vornehmen. Als Standesgehalt bewertete es während der ersten zehn Dienstjahre 70 v.H. des "Hauptgeldbezugs", im zweiten Jahrzehnt 80 v.H. und im dritten Jahrzehnt des Dienstes 90 V.H. 116 Das Ruhegehalt betrug damit nach einer dreißigjährigen Dienstzeit 90 v.H. der letzten Gesamtbezüge einschließlich der Aufwandsentschädigung. 117 Die zum Schutz der Unterhaltsrechte wichtigste Bestimmung lautete: "Außer dem Falle eines richterlichen Spruches hat der einmal verliehene Dienerstand und Standesgehalt die unverletzliche Natur der Perpetuität.,d 18 Art. 11 ff. BHLP. S. hierzu den Verfasser des Gesetzes, Gönner, Der Staatsdienst ... , nebst Hauptlandespragmatik, Anm. 6) 112 Vgl. § lAbs. 2 u. 3 BBesG. 113 Ausführlich Gönner, Staatsdienst, S. 25, 105, 145, sowie Anm. 8 zur Hauptlandespragmatik. 114 § 17 BBesG. 11; Die Höhe der Bezüge wurde in der Pragmatik nicht geregelt. Sie ergab sich aus dem Anstellungsreskript oder den allgemeinen Besoldungsregulationen (Art. IV BHLP). 116 Eine besondere Regelung galt, wenn neben dem Hauptgeldbezug noch Nebenbezüge gewährt wurden (Art. VII BHLP). Mit der Verbesserung der Relation zwischen Standesgehalt und Dienstgehalt sollten langjährige Dienste besonders belohnt werden; (S. Gönner, Staatsdienst Anm. 11 zur Pragmatik). 117 Der Eintritt in den Ruhestand war dem Beamten nach vierzig Dienstjahren oder nach Vollendung des siebzigsten Lebensjahres oder bei nachgewiesener Dienstunfahigkeit möglich (Art. XVII BHLP). 118 Art. XXVI Abs. 3 BHLP. 110 111

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

Sie bedeutete, daß die Ernennung zum Beamten vom Dienstherrn nicht mehr widerrufen oder aufgehoben werden konnte und daß die einem Beamten zugebilligten Unterhaltsrechte auch mit Wirkung flir die Zukunft nicht mehr entzogen oder verschlechtert werden konnten. Das generelle Verbot der Verschlechterung der erreichten Rechtsposition konnte auch nicht im Einzelfall durch eine Versetzung in ein niedriger bewertetes Amt umgangen werden. Eine Versetzung durfte "weder eine Zurücksetzung in Beziehung auf die Dienstklasse, noch eine Beschädigung in Beziehung auf das Gesamtgehalt und auf die unvermeidlichen Kosten des Umzugs sein.'.! 19 Besonders verstärkt wurden die Rechte der Beamten noch dadurch, daß das Gesetz mit dem "permanenten Karakter einer konstitutionellen Haupt Landes - Pragmatik" ausgestattet wurde, d.h. den höchsten Rang einer Konstitution oder Verfassung erhielt. 120 Die Schutzregelungen der Bayer. Hauptlandespragmatik wurden später in das Bayer. Staatsdieneredikt übernommen, das als IX. Verfassungsbeilage Bestandteil der Bayer. Verfassung von 1818 wurde. l2l Ausgehend von der bayerischen Regelung wurde der Schutz der erworbenen Beamtenrechte in unterschiedlichem Umfang neben dem Schutz der Institution des Berufsbeamtenturns in den neugeschaffenen Verfassungsgesetzen der Länder Baden 122, Braunschweig 123 , Hannover l24 , Hessen-Darmstadt 125 , Kurhessen 126 , Oldenburg 127, Preu ß en 128 , Reu ß129, Sachsen 130 , Sac hsen-

Art. XIII Abs. 2 BHLP. Art. XXVI BHLP. 121 a) Tit. V § 6 der Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern v. 26.5.1818 (GBI Sp. 101); b) Bayer. Staatsdiener-Edikt v. 26.5.1818 (GBI Sp. 333), beide abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 128ff. Nach § 18 des Edikts hatten "der definitiv verliehene Dienerstand und Standesgehalt ... die unverletztliche Natur der Dauer auf Lebenszeit". 122 § 24 der Badischen Verfassungsurkunde v. 22.8.1818, abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. lOS. 123 § 157 der Landschaftsverordnung für das Herzogtum Braunschweig v. 12.10.1832, abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 137. 124 a) §§ 162 bis 164 des Grundgesetzes für das Königreich Hannover v. 26.9.1833 (GSlg. I S. 286), abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 161, b) §§ 172 bis 177 des Landesverfassungsgesetzes Hannover vom 6.8.1840(GS I S. 141), abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 162. 125 § 49 der Hess.-Darmst. Verfassungsurkunde v. 17.12.1820, abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 187. 126 a) §§ 56 bis 62 der Kurhessischen Verfassungsurkunde v. 5.1.1831 (GS S. 1). abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 201, b) §§ 41 u. 42 der Kurhess. Verfassungsurkunde v. 30.5.1860 (GS S. 25), abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 205. 119 120

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Altenburg l31 , Sachsen-Coburg 132 , Sachsen-Gotha I33 , Schaumburg-Lippe 134 und Württemberg l35 geregelt. Die verfassungsrechtlichen Garantien wurden mehr oder minder weitgehend teils ergänzt, teils ersetzt durch besondere Beamtengesetze, die als Staatsdiener-Edikte, Staatsdienergesetze, Staatsdienstgesetze, Civilstaatsdienergesetze oder Civilstaatsdienstverordnungen ergingen. 136 Rechtspolitisch ausgelöst wurden die Normierungen durch das freiheitliche Gedankengut der französischen Revolution, das sich zunehmend ausbreitete und verstärkte und seine Wirkung auf das Verhältnis der "Untertanen" zur absoluten Herrschaftsgewalt der Landesherrn nicht verfehlte. 137 Durch verfassungsrechtliche Reformen und Zugeständnisse "von oben" wollten die regierenden Fürsten und Könige den Gefahren vorbeugen, die von politischen Unruhen in der Bevölkerung und von einer Erzwingung von Bürgerfreiheiten durch eine Revolution "von unten" ausgegangen wären. Der eigentliche Zweck der neu verfaßten Ordnungen war daher die - zunächst noch von den Regenten selbst verfügte - Einschränkung ihrer unumschränkten Souverän itätsrechte zugunsten eines grundrechtlich gesicherten Freiheits- und Schutzbereiches der Bürger. Dabei wurde von Anfang an auch die Bedeutung eines rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Berufsbeamtentums für die Gewähr127 a) Art. 91,116,125,126 des Oldenburgischen Staatsgrundgesetzes v. 18.2.1849 (GBI. S. 47), abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 254, b) Art. 109 des Oldenburgisehen Staatsgrundgesetzes v. 22.11.1852 (GBI. S. 14\), abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 256. 128 Art. 25 Satz 3, 98 der Preußischen Verfassungsurkunde vom 31.1.1850, abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 322, sowie Koch, Landrecht, S. 503ff. 129 §§ 20, 21, 38 des Rev. Staatsgrundgesetzes für Reuß vom 14.4.1852, abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 386. 130 § 44 der Sächsischen Verfassungsurkunde v. 4.9.1831, abgedruckt bei Summer, Dokumente S. 408. 131 §§ 85, 123 des Grundgesetzes von Sachsen-Altenburg vom 29.4.1831 (GS S. 71), abgedruckt bei Summer, Dokumente, s. 439. 132 § 23 der Verfassung von Sachsen-Coburg v. 8.8.1821 (GS Bd. 1 S. 28), abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 450. 133 § 101 des Staatsgrundgesetzes von Sachsen-Gotha v. 25.3.1849 (GS Bd. 6 S. 143), abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 458. 134 Art. 64 bis 66 des Verfassungsgesetzes von Schaumburg-Lippe v. 17.11.1868 (LVen S. 415), abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 515. lJ5 §§ 46 bis 50 der Württembergischen Verfassungsurkunde vom 15.9.1819 (StRBI. S. 634), abgedruckt bei Summer, Dokumente, S. 608. 136 S. neben dem Bayer. Staatsdiener-Edikt (FN 121) das Hess.-Darmst. CivilStaatsbeamten-Edikt v. 12.4.1820, das Hann. Staatsdienergesetz v. 8.5.1852, das Kurhess. Staatsdienstgesetz v. 8.3.1831, das Oldenburg. Civilstaatsdienergesetz v. 26.3.1855, die Civilstaatsdienstverordnung v. Sachsen-Coburg v. 20.4.1821, alle abgedruckt bei Summer, Dokumente. 137 Vgl. Summer, Das Amt, ZBR 1982 S. 321, 327.

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

leistung des Verfassungs- und Rechtsstaates anerkannt und berücksichtigt. Hinzu kam, daß die Beamten im Interesse der Allgemeinheit nicht durch eine ungesicherte Rechtsstellung den Versuchungen der Bestechlichkeit und des Mißbrauchs ihrer Amtsbefugnisse zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz ausgesetzt werden sollten. Nicht zuletzt sollte mit der gesetzlichen Garantie der Beamtenrechte auch die persönliche Abhängigkeit vom Regenten gemindert werden. Der Schutz des Rechts- und Besitzstandes vor beliebigen Eingriffen durch den Monarchen galt als wichtiges Element im aufkommenden Verfassungsstaat. Die Verfassungspolitik war daher durchzogen von dem Bestreben, die Vermögens- und Ehrenrechte der Beamten "ungeschmälert und unverletzt zu erhalten" 138. Die Gesetzgebung befand sich hierbei in Übereinstimmung mit der herrschenden staatsrechtlichen Lehre. In seinem 1793 erschienen grundlegenden Werk "Von den Verhältnissen des Staates und der Diener des Staates gegeneinander im rechtlichen und politischen Verstande" vertritt J.M. Seuffert l39 die Auffassung, daß dem Beamtenverhältnis ein Anstellungsvertrag zugrunde liege und die aus dem Vertrag erworbenen Beamtenrechte "fortdauernd" und "ewig" seien. Sie könnten vom Staat nicht wieder einseitig entzogen oder geschmälert werden, wenn dies nicht ausdrücklich vorbehalten sei. 140 Bei der Besoldung gelte dies allerdings nur für die erlaubten Besoldungsteile, wie sie im Anstellungsvertrag festgesetzt seien, und auch hier nur für ihren Wert. 141 Auf die vertraglich ausgewiesene Besoldung bestehe ein "wohlerworbenes Recht", das im Kollisionsfalle mit dem öffentlichen Wohl nur noch gegen volle Entschädigung entzogen werden könne. 142 Anders bei Besoldungsteilen, die unter Mißbrauch der Amtsgewalt angemaßt seien. 143 Sie seien unerlaubt und könnten ersatzlos entzogen werden .. Tb. Gönner l44 , der Verfasser der Bayer. Hauptlandespragmatik, verwirft in seiner bereits erwähnten Schrift: "Der Staatsdienst aus dem Gesichtspunkt des Rechts und der Nationalökonomie,,145 Rehm, Staatsdienst, 2. Teil S. 109. Seuffert war Professor der Rechte und Würzburgischer Hof- und Regierungsrat. 140 Seuffert S. 132f. 141 Seuffert S. 93. 142 Seuffert S. 93, 105, 134, 144f., 146; nach Seuffert darf der Regent auch nicht Schulden in der Finanzkasse, die er durch unkluge Finanzspekulationen gemacht hat, durch "Beschneidung der Salarien" ausgleichen (S. 75). 143 Seuffert nennt hier u.a. als Beispiel den "kleinen Zehenr', wenn der Beamte "auch den neunten oder achten Theil hinwegnimmt", oder die Einziehung von Frohngebühren bei frohnpflichtigen Untertanen, wenn die Herrschaft dieses Recht nicht selbst ausübt (S. 84, 86). 144 Gönner war zunächst fürstlich bambergischer Hofrat und anschließend Professor an der Universität Landshut. 14; Landshut 1808. 138

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V. Der Schutz im aufgeklärten Fürstenstaat

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die Vertragstheorie und bezeichnet das Beamtenverhältnis als öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis l46 . Die Besoldung des Staatsdieners sei die Entschädigung dafür, daß er seine Arbeitskraft dem Staat zur Verfügung stelle und keinem anderen Erwerb nachgehen könne. 147 Gönner verglich die Rechte aus dem Beamtenverhältnis mit den Rechten aus einer staatlichen Gewerbekonzession, die ebenfalls dem Lebensunterhalt diene und nicht mehr widerrufen werden könne. 148 Auch der Staatsdienst begründet einen unwiderruflichen und unter der Garantie des Staates stehenden Nahrungsstand. 149 Die Besoldung müsse unverkürzt auf Lebenszeit belassen werden und den Staatsdiener unabhängig machen von der Fürstengunst und den Launen der Machthaber. 150 Rönne, Vize-Präsident des preußischen Appelationsgerichts, bezeichnete 1864 mit der herrschenden Lehre das Beamtenverhältnis als staatsrechtliches Rechtsverhältnis, die dem Beamten in seiner Person zustehenden Rechte aber als privatrechtlicher Natur. 151 Durch die definitive Anstellung erwerbe der Beamte ein "unentziehbares Recht" auf die mit dem übertragenen Amt verbundenen oder ihm zugesicherten Amtseinkünfte. Das Recht könne nicht einseitig entzogen werden, sondern nur durch freiwillige Auflösung des Dienstverhältnisses oder infolge der Dienstentlassung wegen richterlicher Verurteilung zu einer den Verlust des Amtes nach sich ziehenden Strafe oder im Wege des · . I'marverla &: h DISZIP rens. 152 Zum Umfang der Bindung des Diensthenn an die in den Verfassungen und Beamtengesetzen garantierten Vermögens- und Ehrenrechte ergab sich folgendes: Die Konstitutionen und Gesetze in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren allgemeine Anordnungen des regierenden Fürsten, mit denen er, soweit es sich um die genannten Beamtenrechte handelte, kein neues Recht setzte, sondern die seit langem bereits bestehenden Rechte lediglich in Verfassungs- und Gesetzesurkunden ausdrücklich anerkannte und bestätigte. Sie enthielten die schon bisher von der staatlichen Gemeinschaft anerkannte Werteordnung des Rechts und der Gerechtigkeit, die als "Herkommen" bezeichnet wurde und als ungeschriebenes Verfassungs- und Gewohnheitsrecht galt. 153 Zum "Herkommen" mit Verfassungsrang gehörten im deutschen Rechtsraum seit Jahrhunderten die Wesenselemente der Dienstverhältnisse, die die 146 Gönner S. 142; Gönner verstand hierunter keinen öffentlich-rechtlichen Vertrag, da seine Zeit nur privatrechtliche Verträge kannte. 147 Gönner S. 101 ff., 117. 14K Gönner S. 125f., 153. 149 Gönner S. 126, 142ff., 195. 1;0 Gönner S. 14,24,267. 1;1 von Rönne, Preußisches Staatsrecht, 1864, Bd. 2 Abt. a) S. 302. 1;2 Wie FN 151 S. 371. 1;3 Klüber, Öffentliches Recht, 1822, S. 76ff.

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

Ausübung hoheitlicher Aufgaben zum Inhalt hatten. Die das Wesen dieser Dienstverhältnisse bestimmenden Elemente waren unabhängig von der gewählten Rechtsform im einzelnen die Ausgestaltung als besonderes Treueverhältnis mit beiderseitigen besonderen Treuepflichten und Treuebindungen sowie das unbedingte Einstehen für die eingegangenen Verpflichtungen mit voller Gewährleistung der zugesicherten Vermögens- und Ehrenrechte seitens des Dienstherrn. 154 Mit der ausdrücklichen Anerkennung der Beamtenrechte in der feierlichen Form von Verfassungs- und Gesetzesurkunden sollte die Rechtsstellung der Beamten noch verbessert und gesichert werden. Eine Verschlechterung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht wäre es in Wirklichkeit jedoch gewesen, wenn hiermit - anders als bei vertraglich eingegangenen Verpflichtungen - die Befugnis des Gesetzgebers verbunden gewesen wäre, unter Berufung auf seine Ermessensfreiheit die Beamtenrechte jedenfalls für die Zukunft einseitig zu mindern. Der besondere Schutz, unter dem die Rechte aus dem Dienst- und Treueverhältnis nach altem Herkommen und nach den zwischenzeitlichen Kodifizierungen standen, wurde auch Beamten in Ländern weitergewährt, die eine Kodifizierung nicht vorgenommen hatten. So annektierte Preußen nach dem preußisch-österreichischen Krieg von 1866 das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Hessen-Nassau und die Freie Stadt Frankfurt. 155 Soweit hierbei die Beamten in den annektierten Gebieten unter dem preußischen König nicht weiterdienen konnten oder wollten, erhielten sie ihre bisher erworbenen Vermögens- und Ehrenrechte in vollem Umfang weiter. Die übernommenen Beamten traten in die gleichen Rechte und Pflichten ein, die für die altpreußischen Beamten galten. Sie behielten dabei aber neben ihren Ansprüchen aus dem neuen Dienstverhältnis auch aus der Vergangenheit "die wohlerworbenen Rechte auf Gehalt, Ruhe- und Hinterbliebenenbezüge, was besonders wichtig war, weil diese Dinge in Preußen noch minder günstig geregelt waren,,156. Unberührt von den geschilderten Kodifikationen und Schutzgarantien blieb auch in dieser Epoche das weiterhin auf altem Herkommen als Rechtsquelle beruhende Notrecht des Staates. 157 Es berechtigte als "äußerstes Recht" zur Verletzung der Individualrechte der Untertanen, wenn die Verletzung absolute Bedingung für die Erhaltung des Staates war. Vgl. Abschnitt B. IV. Patente wegen Besitznahme des vormaligen Königreichs Hannover, des Kurfürstentums Hessen, des Herzogtums Nassau, der Freien Stadt Frankfurt v. 3.10.1866 (GS. Nr.51). 156 So Oberverwaltungsgerichtsrat Lotz, der selbst einer alten hessischen Beamtenfamilie angehörte, in seiner Geschichte des deutschen Beamtentums, S. 498. 157 Klüber, Öffentliches Recht, S. 884ff. 154 155

V. Der Schutz im aufgeklärten Fürstenstaat

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Vom Staatsnotrecht machte der preußische König Gebrauch, als er nach der Niederlage gegen Napoleon in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt (1806) über die Hälfte seines Staatsgebietes verlor und auch noch hohe Kriegsentschädigungen an Frankreich zahlen mußte. 158 Die große wirtschaftliche Not, in die das Land dadurch geraten war, zwang den König, bei seinen "Hof-, Militär- und Zivilpersonen" einen "einstweiligen Abzug" vom Diensteinkommen in Höhe von 4 v.H. bis II v.H. vorzunehmen. 159 Zusammenfassend kann zum Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Zeit der frühkonstitutionellen Fürstenstaaten festgehalten werden: (l)

Die rechtmäßig erworbenen Beamtenrechte wurden im Reichsdeputationshauptschluß von 1803 erstmals in einer Verfassungsurkunde ausdrücklich als unwiderruflich anerkannt und garantiert.

(2)

Der Schutz beschränkte sich nicht auf den "Kernbereich" der Rechte, sondern er umfaßte ihren vollen Bestand und Wert. 160

(3)

Die geschützten Rechte waren als Reichsrecht der Gesetzgebungsgewalt der Landesherrn entzogen; sie durften selbst bei einer erheblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Landes nicht beeinträchtigt werden.

(4) Den reichsrechtlichen Garantien folgten mit landesrechtlichen Gewährleistungen die Bayer. Hauptlandespragmatik und weitere Landesgesetze vor allem in den süddeutschen Ländern mit und ohne Verfassungsrang. Sie verbesserten die Rechtslage der Beamten dadurch, daß diese nicht mehr das Herkommen als Rechtsquelle und Rechtsgrundlage für den Schutz ihres Besitzstandes gegen Eingriffe des Dienstherrn nachweisen mußten. (5)

Durch die gesetzlichen Regelungen wurden die garantierten Rechte noch dadurch verstärkt, daß die Gesetze - anders als die vertraglichen Vereinbarungen - öffentlich verkündet wurden und der Fürst als Gesetzgeber

15K Im Frieden von Tilsit (1807) mußte Preußen alle linkselbischen Gebiete sowie den größten Teil des Gewinns aus den polnischen Teilungen abtreten (s. Der Große Brockhaus. Stichwort Preußen. Geschichte). 159 Kabinettsorder v. 26.2.1808. Durch Kabinettsorder v. 1.3.1809 wurde der Gehaltsabzug in eine freiwillige Abgabe umgewandelt. S. Schröder. Die verfassungsmäßige Garantie der Institution des Berufsbeamtentums, S. 30f. 160 Der Schutz der subjektiven Rechte galt in jener Zeit als Wesensmerkmal für den Rechtsstaat. der in erster Linie Rechtssicherheit zu gewährleisten hatte.

5 Müller

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

sich öffentlich und persönlich "mit Fürstlichen Worten und Ehren" fiir deren Einhaltung verbürgte. 161 (6)

Der Übergang von der privatrechtlichen zur öffentlich-rechtlichen Regelung des Beamtenverhältnisses hatte nicht eine Ausweitung, sondern eine Einschränkung der überlegenen Rechtsrnacht des Dienstherrn zum Ziel; er diente nicht der Minderung, sondern der Bestärkung und Sicherung der erworbenen Beamtenrechte durch Selbstbindung der absoluten Herrschaftsgewalt des Dienstherm. '62

(7)

Eingriffe in subjektive Beamtenrechte waren nur bei einer existenzbedrohenden Notlage des Staates und nur unter den besonderen Bedingungen des Staatsnotrechts zulässig.

VI. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte im Deutschen Kaiserreich Das Deutsche Reich (1871 bis 1918) war nach der Reichsverfassung 163 ein Bundesstaat mit 25 Mitgliedsstaaten und dem Reichsland Elsaß - Lothringen. Staatsorgane des Reichs waren der Kaiser als Staatsoberhaupt '64 , der Bundesrat als Vertretung der Bundesländer, der Reichstag als Vertretung des Volkes und der Reichskanzler als Leiter der Außen- und Innenverwaltung '65 . Das Gesetzgebungsrecht fiir Reichsgesetze lag mit Schwerpunkt beim Bundesrat l66 sowie beim Reichstag. Der Kaiser war u.a. zuständig für die Berufung, Eröffnung, Vertagung und Schließung des Bundesrats und des Reichstags, die Er-

Vgl. § 120 der Verfassung von Sachsen-Coburg v. 8.8.1821 (GS Bd. 1 S. 28). Auf die Gefahren des Mißbrauchs der Gesetzgebungsgewalt auch durch den parlamentarischen Gesetzgeber für den Rechtsstaat, insbesondere die Rechtssicherheit, das Gesetzesvertrauen und das Rechtsbewußtsein der Bürger weist Leisner eindringlich hin in .. Der Rechtsstaat - ein Widerspruch in sich?", JZ 1977 S. 537ff.; "Das Gesetzesvertrauen des Bürgers", Berber - Festschrift 1973 S. 273ff. und .,Gesetz wird Unsinn .. .", DVBI. 1981 S. 849ff. Der Mißbrauch kann dabei nicht nur in selbstherrlichen und sachfremden, parteipolitisch motivierten und dem Machterhalt dienenden Entscheidungen, sondern auch schon in einer Ausuferung der Gesetzgebung liegen. 163 Gesetz, betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16.4.187 L RGBI. S.63. 164 Art. 18 RV; der erbliche König von Preußen war zugleich Deutscher Kaiser. 165 Art. 6, 20 und 15 RV. 166 Der Bundesrat heschloß über die dem Reichstag zu machenden Vorlagen und die von ihm ge faßten Beschlüsse. An. 7 Abs. I RV. 161

162

VI. Der Schutz im Deutschen Kaiserreich

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nennung des Reichskanzlers und der Reichsbeamten sowie die Überwachung und Ausführung der Bundesgesetze. 167 Die Entwicklung des neuen Reiches von einem bloßen Bündnis seiner 25 Einzelstaaten zu einem eigenständigen Gesamtstaat hing wesentlich von einem leistungsfähigen, das Reich institutionell und funktionell tragenden Personalkörper ab. 168 Das Reich griff hierzu auf die in den Ländern seit langem bewährte Institution des Berufsbeamtenturns und seine Beamtenschaft zurück. Es übernahm die in den Ländern für das Berufsbeamtenturn geltenden Rechtsgrundsätze mit dem Beamtenverhältnis als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis und sicherte den in den Reichsdienst übertretenden Beamten in der Reichsverfassung nach dem Grundsatz der Rechtsstandswahrung "dem Reich gegenüber diejenigen Rechte zu, welche ihnen in ihrem Heimatlande aus ihrer dienstlichen Stellung zugestanden hatten.,,169 Zu den garantierten Rechten gehörten vor allem die erworbenen Unterhaltsansprüche, und zwar auch diejenigen, die erst künftig fällig wurden. 170 Die Höhe der garantierten Besoldung ergab sich dabei grundsätzlich aus der Bestallungs- oder Anstellungsurkunde, in der sie durch Angabe des Betrages festgelegt war. 171 Für die nach der Übernahme in den Ruhestand getretenen Reichsbeamten sicherte das Reichsbeamtengesetz von 1873 in Ausführung der Verfassungsgarantie die landesrechtlich erworbenen Unterhal,sansprüche, soweit diese für die Ruhestandsbeamten günstiger waren als die nach dem Reichsbeamtengesetz zustehenden Pensionen. 172 Der Sicherung des von den Reichsbeamten erreichten Art. 12, 15, 18 RV. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 965ff. 169 Art. 18 Abs. 2 RV. 170 Vgl. Brand, Kom. z. RBG v. 1873, § 4 Erl. 3. Konnte der Beamte nach Landesrecht in seinem Diensteinkommen aufsteigen, so wurde ihm der Anspruch auf die Besoldung gewährleistet, die er bezogen haben würde, wenn er im Landesdienst verblieben und in seinen Dienstbezügen aufgerückt wäre. 171 Die Urkunde war der für den Beamten maßgebliche Rechtstitel. Der in ihr aufgeführte Geldbetrag wurde in der Regel den jeweiligen Besoldungsregulativen entnommen, die nur innerdienstliche Weisungen darstellten und durch Einzelakte umgesetzt werden mußten, um rechtlich wirksam zu werden. S. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl. 1924 S. 205. Die Festlegung der Besoldung in den Bestallungsurkunden war in einer Reihe von Landesgesetzen vorgeschrieben. Hierzu im einzelnen Schwegmann/Summer, Kom. z. BBesG. S. 20 FN 96. Über das Beamtenverhältnis und die Unterhaltsrechte der Beamten im Kaiserreich grundlegend Hintze. Der Beamtenstand, 1911. 172 §§ 70 u. 71 des Gesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten \. 31.3.1873, RGBI. S. 63. Ebenso wie bei der Berechnung der Besoldung zwei Besoldungssysteme konnten bei der Berechnung des Ruhegehalts somit z\\ei Ruhegehaltssysteme Anwendung finden. S. Brand. Kom. z. RBG v. 1873. 71. Erl. 3. 167 168

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

Rechtsstandes diente ferner die Regelung im Reichsbeamtengesetz, die eine Versetzung in ein anderes Amt nur zuließ, wenn es mit einem "nicht geringeren Rang und etatmäßigen Diensteinkommen" verbunden war. 173 Die Vorschrift verhinderte eine Umgehung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Vermögens- und Ehrenrechte im Einzelfall. In den Ländern hatte der althergebrachte Grundsatz der Unverletzlichkeit der Unterhaltsrechte ebenfalls wieder in einer Reihe von Landesgesetzen seinen Niederschlag gefunden, und zwar in Form einer ausdrücklichen Regelung zur Wahrung des Rechtsstandes in den Fällen, in denen eine gesetzliche Neuregelung eigentlich zu einer Herabsetzung der Bezüge hätte führen müssen. So sah z.B. das Bayerische Beamtengesetz von 1908 vor, daß bei Bezügeänderungen die "bisher erworbenen" Bezüge gewahrt bleiben. 174 Die Badische Gehaltsordnung von 1908 bestimmte: "Beim Inkrafttreten des neuen Gehaltstarifs bleiben die Ansprüche der Beamten auf den erdienten Gehalt und Einkommensanschlag sowie auf das bisherige Wohnungsgeld unberührt.,,175. Die amtliche Randbemerkung hierzu lautete: "Wahrung erworbener Gehaltsansprüehe". Das Preußische Richterbesoldungsgesetz von 1907 schrieb vor: "Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes wird der Fortbezug eines höheren Gehaltsbetrages, auf den ein Rechtsanspruch bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erworben ist, nicht berührt.'d76. Ähnliche Regelungen enthielten das Preußische Besoldungsgesetz von 1909 177, die Braunschweigische Gehaltsordnung von 1910 178 und das Anhaltische Besoldungsgesetz von 1913 179 . Und das Hessische Besoldungsgesetz von 1914 stellte als letztes vor dem Ersten Weltkrieg ergangenes Beamtengesetz klar: "Kein Beamter darf in den Dienstbezügen, die er beim Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April 1914 hatte, verletzt werden.'d80 Für das Versorgungsrecht bestimmten in ähnlicher Weise Z.B. die preußischen Pensionsgesetze von 1872, 1882 und 1907 181 sowie das AbändeReichsbeamtengesetz 1873, § 23. Art. 211 des Bayer. Beamtengesetzes v. 16.8.1908. 175 § 40 Abs. I der Badischen Gehaltsordnung v. 12.8.1908, GVB\. S. 376. m § 8 Abs. 3 des Preuß. Richterbesoldungsges. v. 29.5.1907, PrGS. S. 11. 177 § 5 des Gesetzes, betr. die Bereitstellung von Mitteln zu Diensteinkommensverbesserungen v. 26.5.1909, PrGS: S. 85. In der amt\. Begründung hierzu heißt es: es bedürfe keiner Hervorhebung, daß eine Minderung der gegenwärtig pensionsfahigen Bezüge nicht eintreten dürfe. da die Beamten ein klagbares Recht auf die ihnen bewilligten Bezüge hätten (Drucks. d. Abg. Hauses Nr. 9 S. 82 der 21. Leg. Periode). 17X Ball d. Braunschweig. Gehaltsordnung v. 17.6.1910. GVS. S. 193. 17" ~ 4 des Anhaltischen Besoldungsgesetzes v. 16.5.1913. IXII Art. 31 des Hessischen Gesetzes. die Besoldung der Staatsbeamten betreffend. v. 31.3.1914. RB\. S. 195. lXI ~ 32 des Preuß. Gesetzes. betr. die Pensionierung der unmittelbaren Staatsbeamten UW. v. 27.3.1872. CiS. S. 268: Art. 11 des Preuß. Gesetzes v. 31.3.1882 über die 17)

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rungsgesetz zum Lehrerpensionsgesetz von 1907'82, daß dem Beamten das bisherige Ruhegehalt in der bisherigen Höhe auch weiterhin zustehen solle, falls das durch die neuen Gesetze gewährte Ruhegehalt geringer sei als dasjenige, das ihm vor Inkrafttreten der Neuregelung zugestanden habe. Die aufgeführten Rechts- und Besitzstandsgarantien zeigen, daß sie immer dann normiert wurden, wenn hierzu ein besonderer Anlaß bestand, weil die garantierten Rechte durch eine Änderung der Gesetzgebung oder auf andere Weise tangiert waren oder gefährdet erschienen. Die Einheitlichkeit der Normierungen im Reich und in den einzelnen Ländern in der gesamten Epoche macht gleichzeitig deutlich, daß der Schutz der einmal zugesicherten Unterhaltsrechte auch nach den Rechtsanschauungen jener Zeit als ein elementares, allgemein anerkanntes Grundrecht galt. Es war dabei ohne Bedeutung, ob die Unterhaltsrechte durch Vertrag oder durch Gesetz festgelegt waren und ob bei der gesetzlichen Festlegung der Monarch - wie noch in der absoluten Monarchie - oder das Parlament - wie nunmehr in der konstitutionellen Monarchie der Gesetzgeber war. Grundlage des Grundrechts war stets das besondere Dienst- und Treueverhältnis der Beamten und die ihm immanente Schutz-, Unterlassungs- und Gewährleistungspflicht des Dienstherm. Im übrigen wurden nach einer damals offenbar weit verbreiteten Meinung die Rechte der Beamten durch den Monarchen stärker und besser geschützt und gesichert als durch ein Gesetz des parlamentarischen Gesetzgebers. '83 Ursächlich für diese Meinung dürfte die Erfahrung gewesen sein, daß der Monarch sich seinen Beamten gegenüber im Rahmen des gegenseitigen Dienstund Treueverhältnisses persönlich verpflichtet und verantwortlich fühlte und ihnen als ihr Schirm- und Schutzherr mit der Autorität seines Amtes und seiner Person Schirm und Schutz gewährte, während die Abgeordneten den Beamten vielfach mit Mißtrauen begegneten, weil sie in ihnen die Verkörperung des Polizei- und Obrigkeitsstaates und der die Freiheitsrechte der Bürger gefährdenden Staatsgewalt sahen. Tatsächlich wurde im Bereich der Gesetzgebung durch den Wegfall der personalen, sittlich-ethisch fundierten Treuebindung, die mit dem Übergang der Gesetzgebungsgewalt vom Monarchen auf das Parlament verbunden war, die Rechtslage der Beamten rechtspolitisch und verfassungsrechtlich nicht verbessert, sondern eher verschlechtert; denn der Monarch konnte auch als Gesetzgeber im absoluten Staat die von ihm selbst bewilligten Rechte nicht für die Zukunft einfach wieder entschädigungslos zurücknehmen. wenn er seine Abänderung des Pensionsgesetzes v. 27.3.1872. GS. S. 133: Art. XI des Preuß. Gesetzes v. 27.5.1907 über die Abänderung des Pensionsgesetzes v. 31.3.1882. GS. S. 95. IXl Art. 11 Abs. 5 des Gesetzes v. 10.6.1907. GS. S. 133. IX) Bruns. Beamtenrechte. S. 1. 22. 25.

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

Meinung über die Zweckmäßigkeit oder Angemessenheit seiner eigenen Entscheidung nachträglich wieder änderte. Für ihn galt auch als Gesetzgeber der alte Rechtsgrundsatz: pacta sunt sevanda, wenn es sich bei dem bewilligten Recht um eine gesetzlich garantierte Entschädigung oder Gegenleistung in einem vertragsähnlichen Austauschverhältnis handelte. Im Schrifttum der Zeit wurde der Frage der Unverletzlichkeit der erworbenen Beamtenrechte nur wenig Beachtung geschenkt - vermutlich deshalb, weil die Unverletzlichkeit als selbstverständlich galt und kein Bedürfnis für eine rechtsdogmatische Behandlung bestand. Immerhin betonte G. Jellinek 1905, daß eine Minderung des "gesetzlich zugesicherten" Gehalts gegenüber einem bereits ernannten Beamten unzulässig sei. 184 Laband ging 1911 allgemein davon aus, daß die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten ihren Inhalt aus einem Rechtsverhältnis empfingen, das durch einen öffentlich-rechtlichen Anstellungsvertrag begründet sei. Er verwies hierzu auch auf die Analogie des Beamtenverhältnisses zur Vasallität in ihrer ursprünglichen Form. 185 Und der wohl kompetenteste Zeitzeuge, der für das Beamtenrecht federführende Referent im Reichsschatzamt und spätere Präsident des Reichsfinanzhofs, Jahn, faßte die herrschende, auch der Gesetzgebung des Reiches zugrunde gelegte Rechtsauffassung wie folgt zusammen: "Ich habe bis zum September 1918 18 Jahre lang im früheren Reichsschatzamte sämtliche Beamtenrechtssachen bearbeitet, die Novellen zum Reichsbeamtengesetz, das erste Besoldungsgesetz, die Gehaltsvorschriften stammen aus meiner Feder, an allen Beratungen über Beamtenrechtsfragen bin ich beteiligt gewesen, und ich kann bezeugen, daß niemals jemand von einer anderen Auffassung ausgegangen ist, als daß die von einem Beamten kraft der Bewilligung erlangten Gehaltsansprüche zu seinen wohIerworbenen Rechten gehören. Damals konnten auch wohlerworbene Rechte durch einfaches Gesetz entzogen werden. Aber stets haben sämtliche Verwaltungsstellen es als notwendig erachtet, daß die Gesetze vor wohlerworbenen Rechten Halt machen. Kein Gesetz, keine Verordnung ist ergangen, ohne daß sorgfältig geprüft wäre, ob dieser Grundsatz auch nicht verletzt werde.,,186 Ähnlich auch an anderer Stelle des gleichen Aufsatzes: man könne das ganze Schrifttum über die Reichsverfassung durchsehen, und man werde auch nicht eine Stimme finden, die den Anspruch auf das bewilligte Gehalt nicht als wohlerworbenes Recht der Beamten angesehen habe. Mißverständlich dürfte an diesen Ausführungen allerdings die mehr beiläufig gemachte Bemerkung

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lellinek. System d. subj. öffentl. Rechte. S. 337. Laband. Das Staatsrecht d. Deutschen Reiches, S. 513. lahn in RuPrVerwBI. 1931 S. 483.

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sein, daß die wohlerworbenen Rechte damals auch durch einfaches Gesetz entzogen werden konnten. Mit ihr wollte Jahn vermutlich nur zum Ausdruck bringen, daß diese Rechte nicht schon wie in der Weimarer Verfassung ausdrücklich verfassungsrechtlich garantiert waren. Andernfalls wäre seine Kernaussage unverständlich, daß die Gesetze auch damals schon vor den wohlerworbenen Rechten halt machen mußten, und daß alle Gesetzesnovellen sorgtaltig überprüft wurden, ob dieser Grundsatz auch nicht verletzt werde. Von der Rechtsprechung wurde der Grundsatz von der Unverletzlichkeit der erworbenen Beamtenrechte bestätigt. Das Reichsoberhandelsgericht - es war Vorgänger des Reichsgerichts - führte 1876 in einem Rechtsstreit der Witwe eines Postdirektors, der im mecklenburgischen Postdienst angestellt und später in den Reichsdienst übernommen worden war, wegen Zahlung des 187 sog. Sterbequartals und der Gnadenquartale aus: "Hat also die Konstitution vom Jahre 1770 ein Recht des Beamten begründet oder geschaffen, so ist durch die Anstellung diese gesetzliche Verleihung ein besonderer Rechtstitel rur den einzelnen Beamten, damit aber auch ein wohlerworbenes Recht geworden ..... Steht sonach fest, daß den mecklenburgischen Beamten kraft der Konstitution vom 28. März 1770 und kraft und mit der Anstellung ein Recht auf die Gnadenquartale zugestanden worden ist, so folgt daraus, daß durch eine spätere Gesetzgebung im Heimatstaate dieses wohlerworbene Recht den bereits Angestellten weder entzogen noch geschmälert werden durfte ..... Auch der Umstand, daß diese Wirksamkeit bedingt ist, daß der Beamte bis zu seinem Tode im aktiven Dienste verbleibe, gestattet nicht, daß es den Änderungen durch spätere, vor Eintritt des Todes erlassene Gesetze unterworfen werde .... Wird durch die Erhaltung dieser wohlerworbenen Rechte vorerst die gleichmäßige Anwendung und Durchführung des Reichsbeamtengesetzes auf alle Beamten des Reiches nicht möglich, so ist dieser Rechtszustand kein anderer, als wie er bei jeder Übergangsperiode vorzukommen pflegt und von dem Grundsatz bedingt ist, daß durch den Wechsel der Gesetzgebung wohlerworbene Rechte nicht verletzt werden dürfen." Die vorstehenden Ausführungen über den Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Periode des Zweiten Deutschen Reiches lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Reichsverfassung von 1871 übernahm für das neu geschaffene Reich die in den Ländern bestehende Institution des Berufsbeamtentums mit den sie tragenden Rechtsgrundsätzen; sie garantierte den vom Landesdienst in den Reichsdienst übergewechselten Beamten die im Landes-

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Urt. v. 7.10.1876. Zentralblatt für das Deutsche Reich Nr. 48 von 1876.

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

dienst erworbene Rechtsstellung einschließlich ihrer Unterhaltsansprüche in der erst künftig wirksam werdenden Höhe. (2)

In der weiteren Gesetzgebung des Reiches und der Länder kam der Grundsatz von der Unverletzlichkeit der wohlerworbenen Beamtenrechte regelmäßig dann zur Anwendung, wenn hierzu ein konkreter Anlaß bestand, weil eine Änderung des Beamtenrechts eigentlich zu einer Minderung der Gehalts- oder Versorgungsbezüge hätte führen müssen. Die Aufrechterhaltung der erworbenen Unterhaltsansprüche auch fur die Zukunft wurde in diesen Fällen stets durch entsprechende Rechtsstandsregelungen sichergestellt.

(3)

Die Rechte der Beamten galten durch den Monarchen als ihren tatsächlichen Dienst-, Schutz- und Schirmherrn weit besser und wirksamer geschützt als durch die Gesetze des parlamentarischen Gesetzgebers. Obwohl Monarch und Parlament durch das beamtenrechtliche Dienst- und Treueverhältnis in gleicher Weise zur Diensthermtreue verpflichtet waren, fuhlte sich im wesentlichen nur der Monarch den Beamten im treurechtlichen Sinne verantwortlich und verpflichtet.

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Im Schrifttum und in der Rechtsprechung wurde der Grundsatz anerkannt, daß die von den Beamten erworbenen Unterhaltsansprüche vom Gesetzgeber nicht verletzt werden dürfen.

VII. Der Schutz der Unterhaltsrechte in der Weimarer Republik 1. Entstehungsgeschichte

Die militärische Niederlage im I. Weltkrieg fuhrte zum Zusammenbruch des Kaiserreiches und des monarchischen Systems. Mit der Abdankung des Kaisers und der Landesfürsten verloren die kaiserlichen und königlichen Beamten im Reich und in den Ländern ihren Schutzherm, dem sie den Treueid geleistet hatten,188 und der mit seinem starken politischen Einfluß treu rechtlich-fursorglich und loyal fur sie eingetreten war. Sie befürchteten, daß mit den revolutionären Umwälzungen von den zur Herrschaft gelangten Parteien auch ihre Rechte als Staatsdiener abgeschafft würden. So hatte die Sozialdemokratische Partei (SPD), die zusammen mit der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) im "Rat der Volksbeauftragten" die Macht übernommen hatte, bereits in ihrem Erfurter Programm von 1891 die

IX> In seiner Abdankungserklärung vom 28.11.1918 (Reichsanzeiger Nr. 283 v. 30.11.1918) entband der Kaiser Jie Beamten ausdrücklich von ihrem Treueid.

VII. Der Schutz in der Weimarer Republik

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Abschaffung des Berufsbeamtentums gefordert. 189 Und die neue Regierung hatte dann auch in einer ihrer ersten Amtshandlungen die Beamten aufgefordert, ihre Dienste der jungen Republik nicht zu versagen und solange weiterzuarbeiten, "bis die Stunde der Ablösung gekommen ist,,190. Die Unsicherheit der Beamten wurde nicht dadurch gemindert, daß die Regierung kurz darauf versicherte, daß "die Gehalts-, Pensions- und sonstigen Rechtsansprüche der im öffentlichen Dienst stehenden Beamten ... und der Hinterbliebenen dieser Personen .... unberührt und weiterhin in Kraft bleiben,,19\ sich wenig später aber schon wieder die Entschließung darüber vorbehielt, "wie die Rechts- und Einkommensverhältnisse der Beamten nach den Grundsätzen des neuen Systems umgestaltet werden können" 192. Schon bald erkannte die Regierung dann jedoch, daß mit einer verunsicherten und verbitterten Beamtenschaft und einer nur begrenzt funktionsHihigen Verwaltung die Not des Reiches nicht überwunden und die neue Republik nicht aufgebaut werden konnten. Auf das Drängen der Beamten nach einer Garantie ihrer wohlerworbenen Rechte sagte Ministerpräsident Scheidemann (SPD) ihnen im Februar 1919 ausdrücklich zu, daß ihnen "kein wohlerworbenes Recht verloren gehen" solle. 193 In der verfassungs gebenden Nationalversammlung forderten die Beamten nunmehr eine grundrechtliche Festschreibung ihrer traditionellen Rechte. 194 Der von der Nationalversammlung eingesetzte Verfassungsausschuß war hierzu bereit. Über die weitere Entwicklung berichtet ein Mitglied des Ausschusses l95 : in den Materialien des Ausschusses sei der spätere Art. 129 Abs. I in der Drucksache 214 zum ersten Mals als Art. 22 Abs. 2 aufgetaucht. Seine ursprüngliche Fassung habe gelautet: 196 "Die durch die Anstellung erworbenen Rechte können dem Beamten nur durch Gesetz entzogen werden, das den Bestimmungen über Verfassungsänderungen unterliegt." Dieser Wortlaut sei dem Entwurf der Württembergischen Verfassung entnommen worden. 197 Er sei später nach seiner Erinnerung nur deshalb geändert Vgl. Forderungen 2 und 8 des Erfurter Programms v. 1891. Deutscher Reichsanzeiger v. 12.11.1918. 191 Erlaß v. 15.11.1918, zitiert nach Hattenhauer, Beamtenturn, S. 299. 102 Schreiben vom 2.12.1918 an die Interessengemeinschaft der deutschen Beamtenverbände. 193 Schreiben vom 26.2.1919 an den Deutschen Beamtenbund, zit. nach Schröder, Die verfassungsmäßige Garantie der Institution des Berufsbeamtenturns, S. 63. 104 Forderung des Beamtenbundes in der Sitzung v. 18.3.1919, abgedruckt in der Beamtenkorrespondenz Nr. 3 v. 20.3.1919. 19; Ministerialdirektor Poetzsch-Heffter in: Gutachten u. Urteile, S. 133. 1% Die Fassung wurde von Abg. Dr. Bayerle aus Württemberg vorgeschlagen. 107 Vgl. § 60 Abs. 3 d. württ. Verf. v. 20.5.1919, Reg.BI. 14 S. 85. IS9

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

worden, um nicht nur die bei der Anstellung, sondern auch die später zusätzlich erworbenen Rechte zu sichern. Alles, was der Beamte an subjektiven Rechten gegenüber dem Staat erwerbe, habe dem Abänderungswillen des einfachen Gesetzgebers und dem Wechsel des Ermessens der Parlamentsmehrheit entzogen werden sollen. 2. Wohlerworbene Beamtenrechte

Der endgültige Vorschlag des Verfassungsausschusses wurde vom Plenum der Nationalversammlung gebilligt und in die "Verfassung des Deutschen Reiches" vom 11.8.1919 übernommen. 198 Im Abschnitt über die Grundrechte wurde als Art. 129 Abs. 1 folgende Regelung aufgenommen: "Die Anstellung der Beamten erfolgt auf Lebenszeit, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung werden gesetzlich geregelt. Die wohlerworbenen Rechte der Beamten sind unverletzlich. Für die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten steht der Rechtsweg offen." Die hiernach unmittelbar dem Schutz der erworbenen Beamtenrechte dienende Bestimmung ist der Satz drei, der die Unverletzlichkeit dieser Rechte garantiert. Daß dieser Schutz sich auch auf das wichtigste Beamtenrecht erstrecken würde, nämlich die einmal erworbenen Unterhaltsansprüche in ihrer ziffernmäßigen Höhe, war zunächst in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre so gut wie unzweifelhaft. Was den Bereich der Gesetzgebung anbelangt, so enthielt die Bestimmung im Grunde nichts anderes als die Weiterfiihrung der treurechtlichen Bestandsgarantien des Beamtenverhältnisses, die vor dem letzten Verfassungsgesetz des Ersten Deutschen Reiches schon jahrhundertelang gewohnheitsrechtlich als "Herkommen" gegolten hatten und die seit dem Reichsdeputationshauptschluß, der Bayer. Hauptlandespragmatik, der Reichsverfassung von 1871 und zahlreichen anderen Verfassungs- und Einzelgesetzen bis zum Zusammenbruch des Kaiserreiches immer dann kodifiziert wurden, wenn hierzu wegen der Gefll.hrdung des Rechts eine besondere Veranlassung bestand. 199 Die Absicht des Verfassungs gebers, die Vermögensrechte der Beamten uneingeschränkt zu garantieren, kann auch einem Vergleich mit der gleichzeitig in die Verfassung aufgenommene Eigentumsgarantie entnommen werden. Wie die subjektiven Rechte der Beamten, so wurden auch die Eigentumsrechte der Bürger als rur den freiheitlichen Rechtsstaat besonders grundlegende Rechte in

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RGBI. S. 1383. Vgl. Abschnitte B. V. 1. und 2.

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den Abschnitt über die Grundrechte aufgenommen. 2oo Der Verfassungsentwurf der Regierung hatte dabei für den Schutz des Eigentums folgende Fassung vorgeschlagen: "Das Eigentum ist unverletzlich". Diese absolute und unbeschränkte Garantie wurde vom Verfassungsausschuß verworfen und in eine nur beschränkte Institutsgarantie umgewandelt, die von dem Grundsatz der Sozialbindung des Eigentums gegenüber der Gemeinschaft ausging. Die geänderte, von der Nationalversammlung angenommene Fassung hatte folgenden Wortlaut: "Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen.,,201 Der Verfassungsgeber unterschied also eindeutig zwischen der vorbehaltlosen Garantie der subjektiven Rechte der Beamten und der unter dem Vorbehalt der gesetzlichen Inhaltsbestimmung und Beschränkung stehenden Garantie des Eigentums. Der gesetzliche Vorbehalt schloß dabei auch bereits erworbene Eigentumsrechte ein. Beim Schutz der Beamtenrechte war ein derartiger Vorbehalt nicht erforderlich, weil die Begründung und der Erwerb dieser Rechte bereits einen Akt des Gesetzgebers voraussetzten und die Interessen der Allgemeinheit dabei schon berücksichtigt wurden. Die Vermögensrechte aus dem Beamtenverhältnis waren damit nach der Rang- und Werteordnung der Verfassung schutzwürdiger und schutzbedürftiger als die allgemeinen Eigentumsrechte. Sie standen in ihrer verfassungsrechtlichen Wertigkeit und Schutzwürdigkeit noch über den Eigentumsrechten und wurden daher auch umfassender gegen Eingriffe der Staatsgewalt und insbesondere des Gesetzgebers geschützt. Daß der Verfassungsgeber mit den wohlerworbenen Rechten auch die von den Beamten erworbenen Unterhaltsansprüche in ihrer rechtlich zugesicherten Höhe garantieren wollte, kann ferner der Bedeutung entnommen werden, die das Reich und die Länder Bayern und Württemberg diesen Unterhaltsansprüchen bei der Übernahme ihrer Post- und Telegraphenverwaltungen sowie ihrer Ländereisenbahnen durch das Reich beigemessen hatten. Die Übernahme erfolgte kurz nach Inkrafttreten der Reichsverfassung. Sie geschah durch besondere Staatsverträge, die zwischen dem Reich und den §enannten Ländern abgeschlossen wurden. 202 In diesen Verträgen heißt es: 03 "An regelmäßigem 200 Der Schutz der Beamtenrechte ist rechtshistorisch Vorläufer des Schutzes der Freiheits- und Eigentumsrechte für alle Bürger, vgl. Abschn. B. 111. 20\ Art. 153 WRV. 202 Postübernahmeverträge zwischen dem Reich und Bayern bzw. Württemberg v. 29./31.3.1920; Eisenbahnübernahmeverträge vom 31.3./29.4.1920; RGBI. 1920 S. 652, 667,783.

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Diensteinkommen gewährleistet das Reich jedem Beamten den Betrag, den er bezogen haben würde, wenn er in seiner Stelle im bayerischen (bzw. württembergischen) Landesdienste verblieben und in diesem nach Maßgabe der am 31. März 1920 geltenden Besoldungsgrundsätze in seinem Diensteinkommen aufgerückt wäre." Die Gewährung der im Landesdienst erworbenen Besoldungsansprüche entsprach nicht nur den auch verfassungsrechtlich geforderten Bestandsgarantien bei der Übernahme von Landesbeamten in den Reichsdienst im Zuge der Reichsgründung von 1871, sondern sie dürfte auch die Auffassung des Gesetzgebers über den Schutzumfang des Art. 129 Abs. 1 WRV dargestellt haben. Seine Auffassung hierzu brachte der Gesetzgeber weiter zum Ausdruck im Reichsbesoldungsgesetz vom 30.4.1920204 . Er erhöhte in diesem Gesetz die Bezüge der Beamten, nahm dabei aber gleichzeitig einen gesetzlichen Vorbehalt auf, der die spätere Rücknahme der vorgenommenen Erhöhung durch einfaches Gesetz ermöglichen sollte (§ 34 RBesG).205 In der amtlichen Begründung hierzu heißt es 206 : "Die Besoldungsregelung erfolgt in einer Zeit, in der sich die künftige Gestaltung der Finanzlage des Reichs und die wirtschaftliche Entwicklung in keiner Weise übersehen läßt. Im Hinblick auf Artikel 129 Abs. I Satz 3 der Reichsverfassung muß daher die Möglichkeit zu einer Änderung der im Entwurf vorgesehenen Sätze vorbehalten bleiben." Die "salvatori sc he Klausel" des § 34 RBesG war nach eigenem Bekunden des Gesetzgebers also erforderlich, um die vorgenommene Besoldungsverbesserung dem verfassungsrechtlichen Bestandsschutz zu entziehen. Im übrigen enthielt auch dieses Gesetz - ebenso wie das ihm nachfolgende Reichsbesoldungsgesetz vom 16.12. 192i07 - die traditionellen Bestandsschutzklauseln, die im Rahmen des beamtenrechtlichen Treueverhältnisses schon immer geltendes Staats- und Verfassungsrecht waren und die die einmal erworbenen Unterhaltsansprüche auch für die Zukunft aufrecht erhielten?08 Die Auffassung der Reichsregierung brachte aber am klarsten das Reichsjustizministerium zum Ausdruck. Es vertrat in seinem Gutachten vom 7.2.1921 209 den Standpunkt, daß Art. 129 Abs. 1 Satz 3 WRV ,jedem Eingriff der Verwaltung oder Gesetzgebung entgegenstehe, der eine Beseitigung oder Minderung bereits vorhandener Ansprüche der

203 Postübernahmeverträge: Schlußprotokoll "Zu § 10" Abs. 3, Eisenbahnübernahmeverträge: § 31. 204 RGBI. S. 805. 205 Ob der Vorbehalt nicht seinerseits wieder verfassungswidrig war, war lebhaft umstritten. Vgl. Bruns, Beamtenrechte S. 36. 206 Drucksache der Nationalversammlung. Zu Nr. 2471. 207 RGBI. 1 S. 349. 208 RBcsG 1920: §§ 23, 25, 30; RBesG 1927: §§ 24, 35, 37. 209 RT-Drucks. Nr. 3127/1 WP S. 15.

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Beamten aus dem Beamtenverhältnis zur Folge haben würde," und bezeichnete als "wohlerworbene Rechte .... alle bereits entstandenen subjektiven Rechte der Beamten, die sich aus dem Beamtenverhältnis ergeben.,,2Io Vom Reichsgericht wurde diese Auffassung geteilt. Es vertrat in ständiger Rechtsprechung die Meinung, daß zu den wohlerworbenen Beamtenrechten vor allem die subjektiven Rechte auf die gesetzlich festgelegten Gehaltsbezüge gehörten. Die auf Grund der Besoldungsgesetze zustehenden Gehaltsansprüche würden von der Verfassung in dem einmal gegebenen Bestand geschützt. Die Verfassung gewährleiste auch für die Zukunft die Zahlung des vollen Stellengehalts. z" Zu den so geschützten Rechten gehörten auch die Ansprüche auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung. m Im staatsrechtlichen Schrifttum war es bis zum Beginn der dreißiger Jahre ebenfalls so gut wie einhellige Meinung, daß der Schutz der wohlerworbenen Beamtenrechte sich insbesondere auch auf die ziffernmäßige Höhe der gesetzlich zugesicherten Unterhaltsansprüche bezieht und diese dabei auch für die Zukunft gewährleistet. So wurde Z.B. ausgeführt, der Beamte habe ein unentziehbares Recht "auf den ihm in der Besoldungsordnung oder kraft besonderer Vereinbarung ziffernmäßig verheißenen Geldbetrag,,213, oder "auf die absolute Höhe des (ihm) durch Gesetz ein für allemal zugebilligten Unterhalts."z'4 "Die in den Gehaltsordnungen bestimmten Gehälter sind ... in ihrer ziffernmäßigen Höhe die wohlerworbenen Rechte der Beamten und die Ansprüche auf diese sollen "unverletzlich" sein.,,215 "Eine Änderung der Besoldungsordnung (wird) für die bereits angestellten Beamten wirksam nur, soweit sie zu seinem Gunsten, nicht aber, soweit sie zu seinem Ungunsten lautet".216 Dem Beamten stehe "grundsätzlich ein wohlerworbenes und somit unverletzliches Recht auf eine ziffernmäßig bestimmte 217 Besoldung zu" . Art. 129 der Weimarer Verfassung enthielt somit nach allgemeiner Meinung eine summenmäßige Garantie der mit der Beamtenernennung begründeten oder durch eine Besoldungserhöhung erworbenen Unterhaltsansprüche. 210 Bereits vorhandene Ansprüche und bereits entstandene Rechte sind nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch Ansprüche und Rechte, die noch nicht fällig oder die aufschiebend bedingt sind, nicht jedoch bloße Anwartschaften. 211 RGZ 104,61 v. 14.3.1922; 112, 106v.17.11.I925; 134, 12v. 10.7.1931. 212 RGZ 109, 121; 120,393. 213 Triepel, Gutachten und Urteile S. 12/13. 214 Sölch, Gehaltskürzungen und Reichsverfassung, JW 31 S. 1658. 215 Lobe, Gutachten und Urteile, S. 68. 216 Triepel, Gutachten und Urteile, S. 12. 217 Jellinek, Wohlerworbene Besoldungsrechte, RuPrVwBI. 1931 S.41.

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

Später erlassene Gesetze konnten die Bezüge zwar erhöhen oder herabsetzen mit der Folge, daß bei Erhöhungen ein wohlerworbenes Recht auf die erhöhten Bezüge entstanden ist; die Bezüge konnten aber nicht mit Wirkung gegen einen Beamten herabgesetzt werden, der vor Inkrafttreten der Änderung bereits ernannt war. Die in den Besoldungsgesetzen zugesicherten und von dem Beamten mit seiner Ernennung erworbenen Unterhaltsansprüche waren hiernach also das von der Verfassung gewährleistete Minimum an Rechten aus dem Beamtenverhältnis. 3. Aushöhlung des Verfassungsschutzes durch den Gesetzgeber

Die ziffernmäßige Garantie der Verfassung erlangte zunächst allerdings keine praktische Bedeutung. Die Veränderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse und besonders der rasche Währungsverfall anfangs der zwanziger Jahre machten schon bald eine grundlegende Umstrukturierung der Besoldung und eine Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge an die gesunkene Kaufkraft des Geldes erforderlich. Sie erfolgten im Reichsbesoldungsgesetz vom April 1920218 • In der Besoldungsstruktur wurden die nach dem Besoldungsgesetz von 1909 vorhandenen rund 180 Gehaltsklassen in 13 Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern und 7 mit festen Gehältern zusammengefaßt. Die Gehälter wurden eingeteilt in das Grundgehalt und in Orts-, Kinder- und Teuerungszuschläge. 219 Das Grundgehalt sollte ausschließlich den Gegenwert für die Leistung des Beamten darstellen, während die Zuschläge "neben dem Leistungswert den besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen in großen örtlichen, zeitlichen und persönlichen Verschiedenheiten Rechnung tragen" sollten?20 Die Teuerungszuschläge wurden nicht im Gesetz selbst, sondern im Reichshaushaltsplan festgelegt, um sie rascher den wirtschaftlichen und finanziellen Veränderungen anpassen zu können. 221 Neben den üblichen Rechts- und Besitzstandsklauseln (§§ 23, 25 und 30 RBesG) in den Übergangsbestimmungen enthielt das Gesetz im Abschnitt über die Schlußvorschriften erstmalig einen sog. Widerrufsvorbehalt (§ 34 Abs. 1)222. Er hatte folgenden Wortlaut: Reichsbesoldungsgesetz vom 30.4.1920, RGBI. S. 805. § 1 des Besoldungsgesetzes. 220 Amtliche Begründung des Reg.Entw. S. 2, in RT-Drucks. Nr. 2471. 221 § 17 des BesG. 222 Die meisten Länder verfuhren in gleicher Weise, so z.B. Bayern mit dem wörtlich übereinstimmenden Art. 69 des Beamtenbesoldungsgesetzes vom 2.6.1920 (GVBI. S. 275) und Preußen mit § 24 des Beamten-Diensteinkommensgesetzes v. 7.5.1920 (PrGS. S. 204). 218

219

VII. Der Schutz in der Weimarer Republik

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"Änderungen der durch dieses Gesetz geregelten Gehälter, Ortszuschläge und Kinderzuschläge sowie der auf Grund der Gehälter und Ortszuschläge festgesetzten Pensionen, Wartegelder und Versorgungsgebührnisse, ebenso der Einreihung der Beamten in die Gruppen der Besoldungsordnungen können durch Gesetz erfolgen." Der Vorbehalt war eine Vorsorgemaßnahme. Er sollte verhindern, daß die erhöhten Nennbeträge der Bezüge, insbesondere die Teuerungszuschläge, die nur die Folgen der schweren Wirtschaftskrise und der durch sie ausgelösten inflationären Geldentwertung mildem sollten, in den Rang von "wohlerworbenen Beamtenrechten" erhoben wurden und unter den Bestandsschutz der Verfassung fielen. Nach einer Normalisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse und einer Stabilisierung des Geldwertes sollte der Vorbehalt die Rücknahme der Ausnahmeregelungen rechtlich erleichtern und durch einfaches, nichtverfassungsänderndes Gesetz ermöglichen. Der Wortlaut der Vorbehaltsklausel beschränkte die Rücknahmemöglichkeit allerdings nicht auf die krisenbedingten Teuerungszuschläge und Ausgleichsmaßnahmen, sondern er sah sie für die gesamten im Gesetz geregelten Unterhaltsleistungen vor. Daß der Vorbehalt sich aber trotz seines umfassenden Wortlautes auch nach Auffassung des Gesetzgebers nur auf die Rechte erstrecken konnte und sollte, die nicht bereits vor Inkrafttreten des Besoldungsgesetzes "wohlerworben" waren oder die aus den neuerworbenen Ansprüchen zu den von der Verfassung geschützten Rechten gehörten, machte das nur wenig später erlassene Besoldungssperrgesetz vom Dezember 1920 deutlich. 223 Es untersagte den Ländern und Gemeinden, für ihre Beamten günstigere Besoldungsregelungen zu treffen, als das Reich sie für die Reichsbeamten erlassen hatte. Gleichzeitig ordnete es aber an, daß die Beamten, die bereits einen Rechtsanspruch auf höhere Dienstbezüge erworben hatten, ihre "wohlerworbenen Rechte" behielten. Im Schrifttum wurde die Vorbehaltsklausel ebenfalls überwiegend nur als Deflationsklausel angesehen?24 Von der Klausel wurde nach einer beispiellosen Entwertung der Mark - 1 Friedensmark hatte zuletzt den Wert von 1 Billion Pa~iermark - Gebrauch gemacht bei der Umstellung von den Inflationsbezügen 25 zum Goldmarkgehalt. 223 Gesetz zur Sicherung einer einheitlichen Regelung der Beamtenbesoldung vom 21.12.1920 (RGBI. S. 2117) § 3 Abs. 1 S. 2. m Poetzsch-Heffter, Gutachten und Urteile, S. 146; Bruns, Beamtenrechte, S. 58; a.A. anscheinend lellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931 S. 210f. m Die Teuerungszuschläge zu den am 1.7.1923 neu festgesetzten Grundgehältern betrugen im Aug. 1923 6.504 v.H. und im Sept. 699.900 v.H. Ab Okt. 1923 wurden die vom Stat. Reichsamt errechneten Teuerungsziffern wöchentlich im Reichsbesoldungsblatt veröffentlicht und die Gehälter danach automatisch berechnet und ausbezahlt. S. Linck. Beamtenbesoldung S. 70.

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

Sie erfolgte im Dez. 1923 durch Einbau der neuen Goldmark-Sätze in das Besoldungsgesetz. 226 Die Goldgehälter blieben dabei zunächst mit Rücksicht auf die äußerst angespannte Finanzlage des Reiches noch erheblich hinter den Gehältern des Vorkriegsjahres 1913 zurück. Der Rückstand betrug bei den unteren Besoldungsgruppen mehr als ein Viertel und bei den höheren weit mehr als die Hälfte der nominellen Friedensgehälter. 227 Der Realwert der Bezüge war dabei noch deutlich niedriger. Er erreichte damals den niedrigsten Stand, den es je gegeben hatte. Die Beamten nannten ihre Gehälter daher "GoldmarkHungergehälter", und die Reichsregierung sprach zu Recht von "Notgehältern".228 Mit Besserung der Haushaltslage wurden die Bezüge dann aber rasch angehoben. 229 Ende 1924 überschritten sie unter Einbeziehung der strukturellen Verbesserungen bei den unteren und mittleren Besoldungsgruppen die Nominalgehälter von 1913, und bei den höheren Besoldungsgruppen wurden sie knapp erreicht. 230 Sie hatten damit allerdings noch immer nicht den realen Wert, d.h. die Kaufkraft der Vorkriegsgehälter. 23I In den folgenden Jahren unterblieben aus währungspolitischen Gründen nennenswerte Besoldungsanpassungen an die gestiegenen Lebenshaltungskosten, so daß sich die wirtschaftliche Lage der Beamten erneut verschlechterte. Mit dem Reichsbesoldungsgesetz von 1927 sollte dem abgeholfen und der Anschluß an die wirtschaftliche Entwicklung hergestellt werden. 232 Die bisherigen Gehälter wurden hierzu in den unteren Besoldungsgruppen um 25 v.H., in den mittleren um 21 v.H. und in den höheren um 18. v.H. erhöht. 233 Gleichzeitig wurden strukturelle Mängel durch eine Neuordnung des Besoldungs-

226 VO. d. RReg. über die 12. Erg. d. Bes.Ges. v. 12.12.1923 (RGBI. S. 1181); die VO erging auf Grund des Ermächtigungsgesetzes v. 8.12.1923 (RGBI. S. 1179), das keine Verfassungsänderung und damit keinen Eingriff in wohlerworbene Beamtenrechte ermöglichte. 227 Heer, Beamtenbesoldung, S. 12; Hülden, Entwicklung der Beamtenbesoldung, S. III/63. 228 Hülden, wie FN 227; die monatlichen Endgrundgehälter betrugen danach (die entsprechenden Endgrundgehälter von 1913 in Klammem) beim Schaffner 91 M (125 M), Assistent 108,50 (150 M), Obersekretär Uetzt Inspektor) 155 M (350 M) und Regierungsrat 250 M (600 M). 229 15., 16. u. 17. VO zur Erg. d. Bes.Ges. v. 1920 v. 20.3.1924, RBBI. S. 63, v. 24.5.1924, RBBI. S. 153, u. v. 30.6.1924, RBBI. S. 193. 230 Heer, Beamtenbesoldung, S. 14. 231 S. Reichsfinanzminister Dr. Köhler am 21.10.1927 im Reichstag RT-Drucks. S.11617. 232 Reichsbesoldungsgesetz v. 16.12.1927 (RGBI. S. 349); amtl. Begründung in RTVerhandlungen 1927, Band 419, Anl. zu Drucksache Nr. 365b S. 181. 23J Linck, Beamtenbesoldungspolitik, S. 74.

VII. Der Schutz der Weimarer Republik

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systems beseitigt. 234 Die Besoldung bestand jetzt aus dem Grundgehalt, dem Wohnungsgeldzuschuß, der den Ortszuschlag ersetzte, und dem Kinderzuschlag, der für alle Beamtenkinder in gleicher Höhe gezahlt wurde. Die bereits erworbenen Beamtenrechte wurden in ihrem Bestand wieder durch besondere Regelungen gesichert. Den weitestgehenden Schutz sah das Gesetz - wie schon das Besoldungsgesetz von 1920 235 - rur die Beamten vor, die infolge einer Umbildung von Reichsbehörden aus dienstlichen Gründen in einem geringer besoldeten Amt verwendet wurden. Sie behielten die vollen Dienstbezüge, die sie erhalten hätten, wenn sie in ihrem bisherigen, höher besoldeten Amt verblieben wären (§ 24 RBesG). Die Vorschrift sicherte den Beamten nicht nur die Dienstbezüge in der zuletzt bezogenen betragsmäßigen Höhe, sondern auch die darüber hinausgehenden, künftig erst fällig werdenden Unterhaltsansprüche aus dem bisherigen Amt in ihrer weiteren Entwicklung. Sie bezog sich insbesondere auf eine günstigere Regelung der Dienstalterszulagen in dem bisher innegehabten Amt. Die Schutzregelung entsprach in ihrem Schutzumfang derjenigen, die im Reichsbeamtengesetz von jeher für Versetzungen enthalten war. Hiernach konnte ein Beamter aus dienstlichen Gründen und ohne seine Zustimmung in ein anderes Amt nur versetzt werden, wenn es mit einem nicht geringeren "planmäßigen Diensteinkommen" verbunden war (§ 23 Abs. I RBG).236 Bei dem notwendigen Vergleich der Dienstbezüge mußte auch in Betracht gezogen werden, bis zu welchem Endgrundgehalt der Beamte in seinem bisherigen und in seinem neuen Amt aufsteigen konnte (§ 35 RBesG).237 Einen nur eingeschränkten Bestandsschutz erhielten Beamte, deren Bezüge sich infolge der Neustrukturierung des Besoldungssystems ausnahmsweise vermindert hätten. Sie bekamen einen Zuschuß, der die entstandene Minderung sowohl ihrer Höhe nach als auch ihrer Rechtsqualität nach als ruhegehaltsfähiger oder nichtruhegehaltsfähiger Bezügeteil ausglich (§ 37 RBesG).238 Ausgeglichen wurden aber nur die Verschlechterungen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung betragsmäßig entstanden wären, nicht aber diejenigen, die erst später, z.B. durch eine günstigere Regelung der Dienstaltersstufen, in dem alten Amt auftraten. Der Schutzumfang blieb damit hinter dem traditionellen Schutz des erworbenen Rechtsstandes zurück, wie er noch bei der Auflösung von Behörden oder bei der Versetzung im dienstlichen Interesse ausdrücklich anerkannt wurde. 234 Amtl. Begründung. wie FN 232: Hülden, Entwicklung der Beamtenbesoldung. S. 111/64. m § 23 RBesG 1920: ebenso § 35 PrBesG. 1927 u. Art. 56 BayBesG. 1928. 236 S. Brand. Kom. z. RBG v. 1873. Anm. 2c zu § 23. 237 Sölch/Ziegelasch, Kom. z. RBesG. Anm. I zu § 35. m Ebenso schon RBesG v. 1920. § 30.

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B. Der Bestandsschutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte

Aus welchen Gründen der Gesetzgeber den Schutzumfang unterschiedlich geregelt hatte, und weshalb er den traditionellen Bestandsschutz gerade bei strukturellen Rechtsänderungen einschränkte, ist weder den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, noch aus dem Schrifttum ersichtlich. Denkbar wäre z.B. der Wunsch nach Verwaltungsvereinfachung bei der Durchführung der Umstellung auf das neue Recht, um über den Umstellungsstichtag hinausgehende, langjährige Vergleichsberechnungen zu erübrigen. 239 Allerdings scheint bei der ersten reichs gesetzlichen Bestandsschutzregelung dieser Art, der Übergangsregelung des § 46 im Reichsbesoldungsgesetzes von 1909, die Möglichkeit der erst später eintretenden Verschlechterung einfach übersehen worden zu sein. In der amtlichen Begründung des damaligen Gesetzentwurfes heißt es nämlich: "Einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung bedarf es nur zur Sicherung der Beamten, Offiziere und Unteroffiziere, daß die Neuregelung ihnen an keiner Stelle zum Nachteile gereichen kann.,,24o Und erfahrungsgemäß werden in der Gesetzgebungspraxis vom Gesetzgeber für bestimmte Sachverhalte einmal getroffene Entscheidungen in vergleichbaren Fällen häufig ohne erneute Überprüfung einfach wieder übernommen und weitergeführt. Ob ein derartiger Eingriff in den erworbenen status quo - sei er beabsichtigt oder nicht - mit dem historischen und in der Weimarer Verfassung garantierten Bestandsschutz aus dem Beamtenverhältnis vereinbar war, braucht in diesem Zusammenhang nicht näher untersucht zu werden. Neben den Bestandsschutzregelungen enthielt das Besoldungsgesetz von . . .. '41 1927 aber auch WIeder emen Anderungsvorbehalt (§ 39).- Er wurde wortgleich aus dem Besoldungsgesetz von 1920 übernommen, obwohl seine damalige Zweckbestimmung als Deflationsklausel inzwischen weggefallen war. 242 Während die Regelung im Besoldungsgesetz von 1920 unter den damals vorherrschenden wirtschaftlichen und finananziellen Verhältnissen kaum Widerspruch hervorgerufen hatte, war sie im Besoldungsgesetz von 1927 von Anfang an lebhaft umstritten. Der Streit ging darüber, ob ein Besoldungsgesetz bei seinem Erlaß - nicht etwa nachträglich - eine spätere Verschlechterung der

m Die Anzahl der hier in Betracht kommenden Fälle konnte im Hinblick auf die grundsätzlichen Besoldungsverbesserungen allerdings nur gering sein. 240 RT -Drucks. 12/1022 v. 5.11.1908 S. 102. zu 13 des Entwurfs. 241 Der Änderungsvorbehalt wurde von allen Ländern mit Ausnahme der Reichsstädte Lübeck und Bremen wieder inhaltsgleich übernommen. z.B. von Preußcn mit 39 Pr.BesG. v. 17.12.1927 und von Bayern mit Art. 58 des Bay. BesG. v. 20.4.1928. 242 S. Abschn. B. VII. 3.: im einzelnen Poetzsch-Heffter. Gutachten und Urteile. S. 146 und Bruns. Beamtenrechte. S. 38f.. 62ff.: die amtliche Begründung beschränkte sich auf den Satz: .. Die Bestimmung entspricht dem 34 des Besoldungsgesetzes vom 30.4.1920:'

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VII. Der Schutz der Weimarer Republik

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von ihm festgesetzten Unterhaltsansprüche durch einfaches Gesetz vorbehalten dürfe. 243 Vom Schrifttum wurde die Änderungsklausel nahezu einhellig als verfassungswidrig und daher rechtsunwirksam angesehen, weil sie das unverletzliche Recht des Beamten auf ungeschmälerten Fortbezug seiner erworbenen Unter.. h e ver Ietze. 244 D·Je 0 bersten G· · "45 haItsanspruc erlc hte des F· relstaates D anzlgsowie der Länder Bayem 246 und Sachsen 247 hielten ihre landesrechtlichen Änderungsklauseln ebenfalls für verfassungswidrig und nichtig. Das Reichsgericht hielt demgegenüber in seiner Grundsatzentscheidung vom 30.7.1931 248 die Änderungsklausel in der Auslegung für verfassungsgemäß, daß sie einfachgesetzliche Herabsetzungen bereits bewilligter Dienstbezüge zuließ, die den amtsangemessenen Unterhalt der Beamten nicht verletzten. Das Gericht führte hierzu eingehend aus, daß die nach Maßgabe der Besoldungsgesetze erworbenen Gehaltsansprüche in voller Höhe in ihrem einmal gegebenen Bestand, d.h. in ihrem vorhandenen und zukünftigen Rechtsstand, als wohlerworbene Beamtenrechte von der Verfassung gewährleistet würden. Es treffe nicht zu, daß dem Gesetzgeber eine nur unwesentliche Schmälerung der Bezüge gestattet wäre, und nur die Gewährung eines standesgemäßen Unterhalts von der Verfassung geschützt würde. 249 Der Gesetzgeber sei jedoch bei der erstmaligen Begründung von Beamtenrechten grundsätzlich völlig frei. 250 Er könne derartige Rechte auch befristet, bedingt oder unter Widerrufslellinek, Wohlerworbene Besoldungsrechte RuPrVBI. 1931 S. 41. So z.B. Triepel, Damme, Loening, Lobe, Litten, Brand, Poetzsch-Heffter und Miegel, Gutachten und Urteile; Jellinek, RuPrVBI. 1932 S. 45 sah in der Klausel einen Ausweg in Zeiten der Not, hielt ihre Anwendung also nur in Notzeiten für zulässig: nach Sö\ch/Ziegelasch, Kom. z. RBesG. 1927, § 39 Anm. 1 sollte die Klausel eine Herabsetzung der Dienstbezüge für den Fall eines Notstandes oder einer erheblichen Steigerung des Geldwertes ermöglichen. - Vorbehaltslos zustimmend Anschütz. Kom. z. WRV Art. 129 Anm. 4 c). W Plenarentscheidung des Danziger Obergerichts v. 25.9.1928. JW 1928 S. 3257; das Urteil beruht auf den in FN 244 erwähnten Danziger Gutachten. 246 Plenargutachten des Bay.Oberst.LG v. 9.7.1929 zur Gültigkeit des Art. 58 des Bay.BesG. von 1928 für das Bay. Staatsministerium der Finanzen. DRiZ 1930 S. 124ff. 247 Gutachten des OLG Dresden v. 28.12.1927 zur Gültigkeit des § 22 Abs. 1 des Sächs. BesG. v. 28.12.1927, erstattet für die Sächs. Staatsregierung. DRiZ 1931 S.40Iff. 248 RGZ 134 S. 1ff. 249 RGZ 134 S. 12. Unzutreffend ist allerdings die Auffassung des Gerichts. vor 1919 sei das Recht auf Gehalt in bestimmter Höhe verfassungsrechtlich nicht besonders geschützt gewesen (S. 11). 25-- Drucks. 543 v. 25.].1949. S. 31. 3" JöR NF Bd. I S. 323. '7 Hauptausschuß. 57. Sitzung v. 5.5.1949, Verhandlungen S. 751. " Vgl. Hattenhauer. Beamtentum. S. 468; Morsey. Verfassungsschöpfung unter Acsatzungsherrschaft. DÖV 1989 S. 471 ff. q

I. Die Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 4 und 5 GG

119

verfassungsrechtlichen Schutz der Beamtenrechte im Sinne des von den Alliierten und der SPD gewünschten einheitlichen Dienstrechts auf arbeitsrechtlicher Grundlage deutlich verschlechterten. Denkbar ist allerdings auch, daß es der Fraktion der SPD schließlich doch noch gelungen ist, über den Allgemeinen Redaktionsausschuß die von den Fraktionen der bürgerlichen Parteien im Hauptausschuß bereits beschlossene Bindung des Gesetzgebers an die "hergebrachten Grundsätze über die RechtssteIlung der Beamten" wieder zu eliminieren und in eine einfache Institutsgarantie umzuwandeln. Gegen diese Annahme spricht allerdings die unverständliche Begründung des Redaktionsausschusses rur seinen Änderungsvorschlag, daß nämlich bei der Regelung des Beamtenrechts auch das Recht der im öffentlichen Dienst stehenden Angestellten Beachtung verdiene. Die letztendliche Zustimmung zu den "redaktionellen Änderungen" dürfte den Abgeordneten der bürgerlichen Parteien dann aber dadurch erleichtert worden sein, daß das Grundgesetz von ihnen nur als Übergangsregelung bis zur bald erwarteten Wiedervereinigung gedacht war und seine Gültigkeit an dem Tage verlieren soHte, an dem eine vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossene Verfassung in Kraft treten würde. 39

39

S. Präambel und Art. 146 GG.

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C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

11. Die Übergangsregelungen der Artikel 131 und 132 GG Die Besatzungsmächte dürften allerdings kaum flir die Übergangsregelungen im Grundgesetz verantwortlich gemacht werden können, die zum Teil tief in erworbene Beamtenrechte eingriffen. Es ging dabei einmal um die Rechte der Beamten, die vor dem 8.5.1945 Beamte geworden waren, nach dem Zusammenbruch ihr Amt und ihren Unterhalt aber durch Amtsenthebung, Flucht oder Vertreibung verloren hatten, und zum anderen um Beamte, die unter den besonderen Verhältnissen der Nachkriegszeit ernannt worden waren. Die letzteren waren nicht selten auf Betreiben der Militärregierung oder einer politischen Partei eingestellt worden, ohne die erforderliche Qualifikation zu besitzen. Besonders von den Bediensteten der Bizonenverwaltung in Frankfurt schien ein Teil flir die Übernahme in die neu aufzubauende Bundesverwaltung . h . 40 nlC t geeIgnet. Nicht wenige Behörden schienen auch personell überbesetzt oder sollten aufgelöst werden, wie die Wirtschaftsämter nach Aufhebung der staatlichen Zwangsbewirtschaftung. Dem wurde dadurch Rechnung getragen, daß Beamten binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten des Grundgesetzes in den Ruhestand oder Wartestand versetzt oder in ein Amt mit niedrigeren Dienstbezügen versetzt werden konnten (Art. 132 GG).41 Die praktische Bedeutung des besonderen Eingriffs- und Ausnahmerechts blieb allerdings gering. 42 Anders bei dem ersteren Personenkreis. Es handelte sich hier um Beamte und Versorgungsempfanger, die am 8.5.1945 unterschiedliche Dienstherm hatten (das Reich, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband), aus unterschiedlichen Gründen ihr Amt oder ihre Bezüge verloren (durch Flucht, Vertreibung, Wegfall und Auflösung von Dienststellen, Amtsenthebung usw.) und deren Dienststellen sich teils außerhalb und teils innerhalb des Bundesgebietes befanden. 43 Betroffen waren im Januar 1950 rund 240 000 Beamte und Versorgungsempfanger, von denen 76390 Heimatvertriebene waren. 44 Viele von ihnen waren fur ihren Lebensunterhalt auf die öffentliche Fürsorge angewiesen, die ihnen angesichts der weithin herrschenden Not aber kaum das Existenzminimum geben konnte. Die Länder unternahmen zum Teil

40 Der Rechnungshof der britischen Zone hatte der Bizonenverwaltung mangelnde Leistungsfähigkeit, schlechte Organisation und personelle Aufwendigkeit bescheinigt; s. Morsey, Personal und Beamtenpolitik, S. 198. 41 Entsprechendes galt für Angestellte. 42 VgI. Hattenhauer. Beamtentum, S. 468 u. Sörge!. Konsensus u. Interesse S. 131. 43 VgI. Abschn. ß. IX. 44 Nach .. Die Vertriebenen in Westdeutsch land". VerI. Hirt. 1959 Bd. I S. 92.

11. Die Eingriffsregelung der Artikel BI und 132 GG

121

Lösungsversuche, waren bei der Schwierigkeit und Größe der Aufgabe jedoch überfordert. 45 Der Verfassungsgeber erkannte die Verantwortung der Allgemeinheit flir den genannten Personenkreis an und erteilte der neuen Bundesrepublik folgenden Auftrag (Art. 131 GG): "Die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden, sind durch Bundesgesetz zu regeln. Entsprechendes gilt flir Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 versorgungsberechtigt waren und aus anderen als beamten- oder tarifrechtliehen Gründen keine oder keine entsprechende Versorgung mehr erhalten. Bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes können vorbehaltlich anderweitiger landesrechtlicher Regelung Rechtsansprüche nicht geltend gemacht werden." In Ausführung des Auftrages erging das "Gesetz zur Regelung der Reehtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen" vom 11.5.1951 46 . Die fraglichen Rechtsverhältnisse wurden in dem Gesetz auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt. Sie wurden in einer Reihe von Punkten wesentlich ungünstiger geregelt, als sie am 8. Mai 1945 sowie in dem flir aktive Beamte allgemein geltenden Beamtenrecht geregelt waren. So erhielten die betroffenen Beamten den besonderen Status von "Beamten zur Wiederverwendung" (§ 5 Abs. 2) mit einem besonders ausgestalteten Anspruch auf Wiedereinstellung (§§ 11 ff.) und mit einem stark verminderten Übergangsgehalt (§ 37). Die Ansprüche wurden erst ab Inkrafttreten des Gesetzes gewährt und setzten eine mindestens zehnjährige Dienstzeit als Beamter voraus (§§ 85, 77). Private Arbeitseinkünfte wurden angerechnet usw. (§§ 33, 37). Entsprechendes galt flir Ruhestandsbeamte und Hinterbliebene (§§ 30, 33, 48ff.).47 Zusammenfassend kann festgehalten werden: 45 Zu den Länderregelungen vgl. Abschn. B. IX (Sicher.- u. SparVOen) sowie Bonner Kom. z. GG, Art. 131 S. 25, 34f., 44; vgl. auch OLG Hamm, DV 1950 S. 654; LAG Düsseldorf, DRZ 1950 S. 38; BAY. VGH, DÖV 1950 S. 470; OLG Lüneburg, DVBl. 1950 S. 407, MDR 1950 S. 655, 695; OVG Koblenz ZBR 1954 S. 118. ~6 BGBl. I S. 307. 47 Das BVerfG erklärte das Gesetz in seinem bekannten Beamtenurteil vom 17.12.1953 für verfassungsgemäß (BVerGE 3, 58). Es begründete dies mit einer vermeintlichen Umwandlung des traditionellen Beamtenverhältnisses in ein persönliches Treueverhältnis zur Person Hitlers mit der vom Gericht hieraus abgeleiteten Folge, daß alle Beamtenverhältnisse am 8. Mai 1945 - also nicht etwa am Todestag Hitlers, dem 30. April 1945 - erloschen seien. S. hierzu Abschn. B. IX. FN 314.

122

C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

(1)

Das Grundgesetz wollte mit der Aufnahme des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses und der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zwar das Berufsbeamtentum als Institution erhalten und sichern, nicht aber die vor seinem Inkrafttreten erworbenen Beamtenrechte.

(2)

Eine ausdrückliche Gewährleistung der wohlerworbenen Rechte der Beamten wie in Art. 129 WRV war wegen der damaligen außerordentlich schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse im Bundesgebiet, insbesondere der ungeheueren Verluste und Schäden als Folge des 2. Weltkrieges, nicht möglich.

(3)

Soweit Beamte und Versorgungsempfänger nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches ihr Amt oder ihre Versorgungsbezüge aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen verloren hatten, machte die weithin herrschende Not sogar tiefgreifende Einschnitte in die einmal erworbenen Beamten- und Unterhaltsrechte erforderlich. Sie erfolgten durch das "Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen", zu dem der Verfassungsgeber den Gesetzgeber beauftragt und ennächtigt hatte.

(4) Zu weiteren Eingriffen in erworbene Rechte ennächtigte das Grundgesetz bei Beamten, die unter den besonderen Verhältnissen der Nachkriegszeit ernannt worden waren. Sie konnten insbesondere dann, wenn ihnen die erforderliche Eignung fehlte, in den Ruhestand oder Wartestand oder in ein Amt mit niedrigerem Diensteinkommen versetzt werden (Art. 132 GG.).

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

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111. Der Bestandsschutz der Unterhalts rechte nach dem Grundgesetz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre 1. Gesetzgebung

Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes galt auf dem Gebiet der Besoldung für die Beamten und Richter des Bundes zunächst das Reichsbesoldungsgesetz von 192t8 in der am 23.5.1949 für die Verwaltungsangehörigen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes geltenden Fassung einschließlich der noch nicht aufgehobenen Ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1.12.193049 weiter (Art. 123 Abs. I, 124, 127 GG). Durch das "Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen" vom 17.5.1950 wurde diese Regelung vom Bundesgesetzgeber ausdrücklich als Bundesrecht übernommen. 50 Schon mit Wirkung vom 1.7.1948 - also noch vor Inkrafttreten des Grundgesetzes - waren den Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in den unteren und mittleren Besoldungsgruppen wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage nichtruhegehaItsfahige Zulagen gewährt worden. 51 Mit dem Besoldungsänderungsgesetz vom 6.12.1951 52 wurde die Erste Gehaltskürzungsverordnung von 1930 mit ihrer sechsprozentigen Gehaltskürzung aufgehoben. 53 Zur Wahrung des Besitzstandes wurden die mit Wirkung vom 1.7.1948 gewährten Zulagen gleichzeitig insoweit weitergezahlt, als sie den Mehrbetrag der Dienstbezüge überstiegen, die sich aus dem Wegfall der sechsprozentigen GehaItskürzung ergaben (§ 2). Durch den Zusammenbruch des Deutschen Reiches war die Einheitlichkeit des Besoldungsrechts, die in der Weimarer Republik und im Dritten Reich hergestellt worden war, im Verhältnis der Länder untereinander und anschließend auch zum Bund bereits teilweise verloren gegangen. Um ein weiteres

S. Abschn. B. VII. 3. S. Abschn. B. VII. 4. 50 BGB\. S. 207, hier: § 2 Buchst. b) des Gesetzes. 51 Ges. ü. die Änderung v. Dienstbez. f. die Verw.Ang. des Ver. Wirtschaftsgebietes v. 3.12.1948, WiGB\. S. 137. 52 Ges. z. Änd. u. Ergänz. d. Bes.Rechts v. 6.12.1951, BGB\. I S. 939. 53 Durch den Wegfall d. Kürzung wurden die NominalgehäIter von 1927 wieder erreicht. Zur Anpassung an die gestiegenen LebenshaItungskost. sah das Gesetz ferner Zulagen v. 15 bzw. 20 v.H. d. Grundgehalts vor. Vg\. Hülden, Entwicklung der Beamtenbesoldung, S. 66. 48

49

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C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

Auseinanderfallen zu verhindern, bestimmte das Gesetz unter Berufung auf die Rahmenkompetenz des Bundes nach Art. 75 und 72 GG ferner, daß die nach Bundesrecht maßgebenden Bezüge als Höchstbeträge für die entsprechenden Beamten in den Ländern gelten würden (§ 8 Abs. 1).54 Gleichzeitig sah das Gesetz auch hier zur Wahrung des Besitzstandes für die Beamten, deren Bezüge die nach der Sperrvorschrift zulässigen Höchstbeträge überschritten, eine Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den bisherigen und den nunmehr zulässigen Höchstbeträgen vor (§ 8 Abs. 2)55. Das Dritte Besoldungsänderungsgesetz vom 27.3.1953 56 enthielt neben einer linearen Erhöhung der Grundgehälter um 20. v.H. wieder einige strukturelle Verbesserungen, wie Verbesserungen beim Wohnungsgeldzuschuß, die Wiedereinführung eines nach dem Lebensalter gestaffelten Kinderzuschlages und verbesserte Einstufungen in den Besoldungsordnungen. Verbesserte Einstufungen (Beförderungen) waren nach dem geltenden Recht in der Regel mit einer Rückstufung im Besoldungsdienstalter verbunden (§§ 5, 7 BesG 1927). Für die wenigen Fälle, in denen hiermit eine vorübergehende Verminderung der bisherigen Bezüge verbunden gewesen wäre, sah das Gesetz zur Besitzstandswahrung die Beibehaltung des bestehenden BesoldungsdienstaIters vor (§ 9). Das Bundesbesoldungsgesetz vom 27.7.195i 7 brachte dann die erste umfassende Neuregelung der Besoldung für die Beamten, Richter und Soldaten des Bundes. Das von ihm eingeführte Besoldungssystem hat sich in seinen Grundzügen bis heute bewährt und erhalten. Es verminderte die bis dahin geltenden 47 Besoldungsgruppen auf 27, unterteilt in die Besoldungsordnung A mit 16 Besoldungsgruppen für aufsteigende Gehälter und die Besoldungsordnung B mit 11 Besoldungsgruppen für Spitzenämter mit Festgehältern. Die eigenen Besoldungsordnungen für Soldaten, Lehrer usw. wurden abgeschafft. Das Besoldungsdienstalter, der Ortszuschlag, der Kinderzuschlag, die SteIlenzulagen und die Auslandsdienstbezüge wurden neu geregelt. Für die Besoldung der Beamten und Richter der Länder wurde auf der Grundlage der damaligen Verfassungslage 58 Rahmenvorschriften erlassen, die noch der Ergänzung und Ausfüllung durch Landesrecht bedurften. Das Fehlen rahmenrechtli54 Das BVerfG hat durch Urteil v. 1.12.1954 (BVerfGE 4, 115) die Sperrvorschriften für verfassungswidrig erklärt, weil der Bundesgesetzgeber mit ihr seine Rahmenkomoetenz überschritten habe. 55' Die Ausgleichszulage war im Hinblick auf die beschränkte Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nur als die Länder ermächtigende .,Kann-Bestimmung" ausgestaltet. 56 Drittes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts v. 27.3.1953, BGB\. I S. 81. ;7 BGB\. I S. 993. 5K Art. 75 Abs. 1 GG in der Auslegung des BVerfG in BVerfGE 4 S. 115.

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

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cher Bindungen und Schranken fur die wichtige Gruppe der Lehrer führte allerdings schon bald zu deren Ausbrechen aus dem neuen Besoldungsgefuge. Der wirtschaftliche Aufschwung der Bundesrepublik schlug sich in einer Anhebung der Grundgehaltssätze auf 165 v.H. des nominellen Standes von 1927 nieder. 59 In der Frage des Bestandsschutzes differenzierte der Gesetzgeber. Unverändert beibehalten wurde der nach wie vor im Bundesbeamtengesetz60 geregelte besoldungsrechtliche Schutz des Beamten bei Versetzung in ein anderes Amt. Eine Versetzung ohne die Zustimmung des Beamten blieb nur zulässig, wenn das neue Amt derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn angehörte und mit mindestens demselben Endgrundgehalt versehen war. Ruhegehaltsfahige und unwiderrufliche Stellenzulagen galten dabei als Bestandteil des Grundgehalts (§ 26 Abs. I BBG). Den gleichen vollen Schutz der erworbenen Unterhaltsrechte - und nicht nur des bereits bezogenen Unterhalts behielten Beamte, die wegen der Auflösung oder Umbildung ihrer Behörde in einem niedriger besoldeten Amt verwendet werden mußten (§ 26 Abs. 2 BBG in der 1957 geltenden Fassung).61 Durch die genannten Regelungen wurde die von den Beamten einmal erreichte Rechtsstellung und damit der von ihnen erworbene Rechtsstand bei dienstlich notwendigen Versetzungen uneingeschränkt geschützt und gewahrt. Der volle Bestandsschutz entsprach altem Herkommen. 62 Ein nur eingeschränkter Bestandsschutz war demgegenüber die" Wahrung des Besitzstandes,,63 beim Übertritt eines Beamten aus dem Dienst eines anderen Dienstherrn (Land, Gemeinde usw.) in den Bundesdienst. Blieb hier das neue Grundgehalt hinter dem zuletzt bezogenen zurück, so erhielt der Beamte eine ruhegehaltsfahige Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages (§ lO Abs. 2).64 Eine günstigere Regelung bei den weiteren Dienstaltersstufen und dem Endgrundgehalt im Amt des bisherigen Dienstherrn wurde also - anders als Z.B. in der Reichsverfassung von 1871 65 - nicht mehr ausgeglichen. 66 Eine noch weitergehende Einschränkung enthielt die Besitzstandsregelung fur Beamte, die mit ihrer Zustimmung - Z.B. zur Vermeidung einer vorzeitigen 59 S. Hülden, Entwicklung der Beamtenbesoldung, S. 67, sowie zum BBesG 1957 insgesamt AnziFaber/Renk/Dietrich, Das Besoldungsrecht des Bundes, Kom. 1958. 60 Bundesbeamtengesetz v. 14.7.1953, (BGBI. I S. 551). 61 Vgl. Fischbach, Kom. z. BBG, Erl. zu § 26. 62 S. Abschn. B. V. (Reichsdeputationshauptschluß v. 1803 und Bayer. Hauptlandespragmatik v. 1805) u. Abschn. B. VI. (Reichsbeamtenges. v. 1873). 63 So die amtliche Überschrift des § 10 BBesG v. 1957. 64 Entsprechendes galt für die Wiedereinstellung von Ruhestandsbeamten. 65 S. Abschn. B. VI. 66 Zur vollen Rechtsstandswahrung hielt sich der Gesetzgeber wohl nicht zuletzt im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG zu den wohlerworbenen Beamtenrechten nicht mehr für verpflichtet.

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C. Der Schutz der UnterhaItsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit im bisherigen Amt67 in eine niedrigere Besoldungsgruppe übertraten. Sie erhielten ebenfalls eine Ausgleichszulage, die aber das Endgrundgehalt der neuen und damit niedrigeren Besoldungsgruppe nicht übersteigen durfte (§ 10 Abs. 1). Die Zulage gewährleistete also nicht in jedem Fall die Höhe der zuletzt erhaltenen Bezüge. 68 Keine Bestandsschutzregelung im eigentlichen Sinne war die Überleitungszulage, die bei der Überleitung vorhandener Beamter in die neuen Besoldungsordnungen gewährt wurde, wenn das neue Grundgehalt hinter dem Überleitungsgrundgehalt zurückblieb (§ 37 Abs. 3 BBesG). Mit der Zulage sollte vor allem erreicht werden, daß jeder übergeleitete Beamte eine Steigerung seines bisherigen Grundgehaltes auf mindestens 165 v.H. des Standes von 1927 erhielt69 • Eine echte, wenn auch eingeschränkte Besitzstandswahrung stellte jedoch die abstandsgleiche Überleitung rur Beamte dar, bei denen die Neuregelung der Dienstaltersstufen im Zeitpunkt der Überleitung zu einem niedrigeren Grundgehalt geführt hätte. Sie behielten bei der Berechnung des Überleitungsgrundgehalts in ihrer neuen Dienstaltersstufe ihren bisherigen Abstand von der Endstufe (§ 3 Abs. 3 S. 3 BBesG). Das Endgehalt der neuen Besoldungsgruppe konnte aber auch in diesen Fällen nur nach Maßgabe des nach neuem Recht festzusetzenden Besoldungsdienstalters erreicht werden. Der Anspruch auf das bisherige, aber erst künftig fiillig werdende Endgrundgehalt wurde also auch hier nicht als besoldungsrechtlich zu schützender Besitzstand anerkannt. 70 In den Schutz des Besitzstandes einbezogen wurden auch die Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst,. d.h. die Referendare und die Anwärter rur den gehobenen, mittleren und einfachen Dienst. Nach der Unterhaltszuschußverordnung von 1957 wurde ihnen ebenfalls eine Ausgleichszulage zugebilligt, wenn ihr Unterhaltszuschuß vor Inkrafttreten der Verordnung höher war als der nach neuem Recht. 71 Nach mehreren teils ausschließlichen, teils fast ausschließlichen allgemeinen Besoldungserhöhungen zur Anpassung an die allgemeine Einkommensentwicklung72 machte die sog. I-iarmonisierungsnovelle von 1963 73 einen Beispiel: ein Lokomotivführer wurde farbenblind. S. AnzlFaber/RenkiDietrich, Das Besoldungsrecht des Bundes, Erl. 2 zu § 10. 69 Wie FN 68, Erl. 2 zu § 37. 70 Wie FN 69. 71 Verordnung über den UnterhaItszuschuß für Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst v. 21.11.1957 (BGBI. I S. 1828) § 12. 72 Vgl. Clemens, Das Dritte Besoldungserhöhungsgesetz, ZBR 1963 S. 111 und Hülden, Entwicklung der Beamtenbesoldung, S. 68. 73 Zweites Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften v. 18.12.1963, BGBI. I S. 901. 67

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IlI. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

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weiteren Versuch einer Annäherung der Besoldung bei Bund, Ländern und Gemeinden. 74 Die Novelle brachte vor allem Strukturverbesserungen beim Ortszuschlag und Kinderzuschlag rur Beamte des einfachen und mittleren Dienstes sowie beim Besoldungsdienstalter, aber auch eine einschränkende KlarsteIlung bei der Anerkennung von Dienstzeiten. Die KlarsteIlung führte teilweise zu einer Verschlechterung des Besoldungsdienstalters gegenüber den bisherigen Festsetzungen. Um hier tiefergreifende Eingriffe in die der bisherigen Praxis entsprechenden Festsetzungen zu vermeiden, ordnete das Gesetz an, daß Festsetzungen, die auf der Grundlage des bisherigen Rechts erfolgt waren, bestehen blieben. 75 Die betroffenen Beamten wurden also nicht nur für die Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch rur die Zukunft vor Verschlechterungen der sich aus dem bisherigen Recht ergebenden Ansprüche geschützt. Blieb das Grundgehalt allerdings auf Grund sonstiger Vorschriften der Novelle hinter dem bisherigen Grundgehalt zurück, so erhielten die Beamten wieder nur eine Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages. Sie wurde gewährt, bis der Unterschied durch Erhöhung des Grundgehalts ausgeglichen war. 76 Nach mehreren weiteren allgemeinen Anpassungsgesetzen bemühte sich der Bundesgesetzgeber im Ersten Besoldungsneuregelungsgesetz von 196777 erneut um eine wenigstens teilweise Wiederherstellung der Besoldungseinheit zwischen Bund und Ländern. 78 Mit teils rahmenrechtlicher Bindung sah das Gesetz neue Vorschriften über die Ämterbewertung, die Einruhrung neuer Spitzenämter in den Laufbahnen des einfachen, mittleren und gehobenen Dienstes, die Zulässigkeit und Abgrenzung von Amts-, Stellen- und sonstigen Zulagen sowie über die Festlegung der Laufbahngruppen und der Richterämter vor. Die Neuregelungen bei den Zulagen und bei der Ämterbewertung hätte bei einem Teil der vorhandenen Beamten zu Besoldungseinbußen geruhrt. In einer Übergangsregelung ordnete das Gesetz daher an, daß Beamte, die vor Inkrafttreten des Gesetzes schon einer höheren Besoldungsgruppe zugewiesen waren, als die Neuregelung es zuließ, ihren erworbenen Besitzstand behielten. 79 Ähnlich wurde bei den Zulagen verfahren. Wurden nach bisherigem Recht Zulagen gewährt, die nach neuem Recht nicht mehr zulässig waren, so

S. Clemens, Die Harmonisierung d. Besoldungsrechts, ZBR 64 S. 33. Art. [§ 3 Abs. [ HarmNov, vgl. BVerwG, Urt. v. 13.8.1968, ZBR 1969 S. 90. 76 Art. [ § 3 Abs. 2 HarmNov. 77 Erstes Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrecht v. 6.7.1967, (BGBI. S.629). 7K S. Clemens, Grundlagen der Beamtenbesoldung, ZBR 1966 S. 293. 79 § 6 Abs. 4 letzter Satz 1. BesNG: "Für gegenwärtige Stelleninhaber bleibt der Besitzstand gewahrt." Vgl. auch § 6 Abs. 3. 74

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C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

wurden sie den bisherigen Zulagenempfängern solange weitergezahlt, bis sie durch Erhöhungen des Grundgehalts aufgezehrt waren. 80 Das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz von 196981 setze die Bemühun-

gen um eine Vereinheitlichung des Besoldungsrechts fort. Es nahm hierzu eine Neuordnung der Grundgehälter mit rahmenrechtlicher Bindung der Länder und eine Reihe von strukturellen Verbesserungen, vor allem für Richter, vor. "Für etwa mögliche Fälle einer Verringerung,,82 der Besoldungs- und Versorgungsbezüge wurden Besitzstandsregelungen in das Gesetz aufgenommen. Danach bekamen Beamte des Bundes, deren Bezüge bei Anwendung des Gesetzes hinter den Bezügen zurückblieben, die sie nach bisherigem Recht erhielten, eine aufzehrbare Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages. 83 Eine entsprechende Regelung enthielt das Gesetz für die Versorgungsempfänger. 84 Für die Beamten der Länder war die Besitzstandsklausel wegen der fehlenden Vollkompetenz des Bundes nur als Ermächtigung an den Landesgesetzgeber ausgestaltet. 85 Trotz aller Vereinheitlichungsbemühungen des Bundes entwickelte sich die Besoldung in Bund und Ländern immer weiter auseinander. Die Rahmenvorschriften des Bundes wurden hauptsächlich von einigen finanzstarken Ländern durch großzügige Zulagengewährungen und andere Strukturverbesserungen86 unterlaufen. Sie verschafften sich so einen Besoldungsvorsprung vor dem Bund und den anderen Ländern, der ihnen einen Bewerbervorsprung für den öffentlichen Dienst sicherte, die anderen Dienstherrn aber zwang, nachzuziehen. Diese Entwicklung wurde durch das Bundesverfassungsgericht begünstigt, das durch seine Rechtsprechung die Harmonisierungsbemühungen des Bundes nicht unterstützte. 87 § 2 Abs. 3 I. BesNG, vgl. auch § 2 Abs. 2 u. § 6 Abs. 3 u. 5. Zweites Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrechts v. 10.5.1969 (BGBl. S. 365); s. ClemenslLantermann, Betrachtungen zum Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz d. Bundes, ZBR 1969 S. 129. 82 Vgl. Gesetzentwurf der BReg., BT-Drucks. V/3693, amtl. Begründung zu Art. 11 § 8. 83 Art. I § 2 Abs. 22. BesNG. 84 Art. 11 § 82. BesNG. 85 Art. I § 6 Abs. 5 2. BesNG. 86 Zu nennen ist hier besonders die einseitige Höherstufung der Volksschullehrer in die BesGr. der Amtmänner (A 11) und der Mittelschullehrer in die der Amtsräte (A 12), und zwar unter Berufung auf eine wissenschaftlich orientierte Ausbildung. Vgl. Millack, Besoldung in der Krise, Bay. Beamtenzeitung 1967 S. 49, 51. 87 Mit Urteil v. 15.11.1971 (BVerfGE 32, 199) erklärte das Gericht das hessische Richterbesoldungsgesetz v. 4.3. I 970 in einem Normenkontrollverfahren trotz der entgegenstehenden Rahmenvorschriften des Bundes für zulässig. Vgl. auch die Urteile v. 1.12.1954 (BVerGE 4, 115) zur Auslegung des Begriffs Rahmenvorschriften und v. 80

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Um ein weiteres Hochtreiben der Besoldung mit den sich hieraus ergebenden Gefahren für die öffentlichen Haushalte und das Wirtschaftswachstum zu verhindern, einigten sich Bund und Länder, dem Bund durch eine Änderung des Grundgesetzes die konkurrierende Gesetzgebung "für die Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen", zu übertragen. 88 Sie ermöglichte es dem Bund, nunmehr wirksame Maßnahmen zur Wiederherstellung der Besoldungseinheit zu ergreifen und als ersten Schritt hierzu das Erste Besoldungs-Vereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetz von 1971 89 zu erlassen. Neben einer einheitlich für Bund und Länder geltenden linearen Anhebung der Bezüge90 enthielt das Gesetz umfangreiche strukturelle Anpassungsmaßnahmen für Besoldungs- und Versorgungsempfänger. Schwerpunkt der Regelungen war die Umstellung des Landesrechts bei den Grundgehältern, Ortszuschlägen und Kinderzuschlägen und die Vereinheitlichung des Zulagenwesens. Die Anpassung erfolgte dabei aus Gründen des Bestandsschutzes grundsätzlich - d.h. von Ausnahmen abgesehen, wie der Regelung des Ortszuschlages für kasernierte Beamte91 - auf der Grundlage der günstigsten landesrechtlichen Regelung. Wurde die Vereinheitlichung auf einer niedrigeren Ebene durchgeführt, so wurde wiederum aus Gründen des Bestandsschutzes zumindest der erworbene Besitzstand aufrecht erhalten. So wurden im vorliegenden Gesetz einmal die vom Bund nicht übernommenen Landesregelungen für in Gemeinschaftsunterkünften wohnende Beamte92 und zum anderen für vorhandene Beamte bereits erfolgte Festsetzungen des Besoldungsdienstalters93 beibehalten. Ergaben sich dennoch bei der Umstellung auf das Bundesrecht ausnahmsweise geringere Gesamtbezüge aus Grundgehalt, Ortszuschlag und Kinderzuschlag, so erhielten die Beamten eine ruhegehaltsfähige Ausgleichs-

26.7.1972 (BVerfGE 34, 9) zu den Grenzen der Bundeskompetenz im Rahmen des Art. 74aGG 88 Art. 74a GG, eingefügt durch das Achtundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 20.3.1971. BGBI. I S. 206. S. hierzu Wilhelm, Das Achtundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 74a GG). ZBR 1971 S. 129. 89 Erstes Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern v. 18.3.1971, BGBI. I S. 208. Ausführlich Clemens/Lantermann. Zur ersten Stufe der Besoldungsvereinheitlichung, ZBR 1971 S. 137ff. 90 Die allgemeine Anhebung des Grundgehalts u. Ortszuschlags betrug 7 v.H. Inzwischen hatte die Besoldung nach dem Stand v. 1.4.1957 einen Stand von 178.1 v.H. erreicht. 91 Der Grund für die Ausnahme: die Übernahme der besseren Landesregelungen durch den Bund wäre wegen d. Auswirkungen auf den Bundesgrenzschutz und die Bundeswehr zu teuer geworden. 92 Art. 11 § 13 Abs. 2 Nr. 1 des 1. BesVNG. 9> Art. 11 § 13 Abs. 2 Nr. 2 des 1. BesVNG. 9 Müller

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zulage in Höhe der Differenz. 94 Für vorhandene Landesbeamte, deren Amt landesrechtlich schon einer höheren Besoldungsgruppe zugeordnet war, als das neue Bundesrecht es zuließ, sah das Gesetz wieder eine Rechtsstandswahrung vor. 95 Obwohl diese Beamten nach Auffassung des Bundesgesetzgebers nicht amtsangemessen, sondern zu hoch besoldet wurden, erkannte er also weiter an, daß der Schutz des erworbenen Rechtsstandes aus rechtsstaatlichen Gründen Vorrang vor einer Korrektur der Ämterbewertung und vor dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller gleichen Amtsinhaber haben mußte. Eine entsprechende Rechtsstandswahrung enthielt das Gesetz flir Empfanger von .. 96 V ersorgungsbezugen. Während sich das darauffolgende Erste Besoldungserhöhungsgesetz von 197297 auf eine lineare Anpassung der Besoldung und Versorgung an die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung beschränkte98 , brachte das Zweite Besoldungserhöhungsgesetz von 1973 zusätzliche strukturelle Anpassungsmaßnahmen, vorwiegend für die Techniker, die Polizei- und die Kommunalbeamten 99 • Führte der Wegfalllandesrechtlicher Vorschriften zu einer Verringerung der bisherigen Bezüge, so erhielten die betroffenen Beamten und Versorgungsempfanger wieder eine Ausgleichszulage in Höhe der Verminderung. 1oo Einen nicht sachlich begründeten, sondern ideologisch motivierten Eingriff in die Beamtenrechte nahm der Gesetzgeber im Siebten Beamtenrechtsänderungsgesetz von 1974 vor. IOI Die sozialliberale Koalition strebte eine "Reform" des Beamtenrechts mit dem Ziele an, das Beamtenrecht an das Tarifrecht heranzuführen und ein einheitliches Dienstrecht für den gesamten öffentlichen Dienst zu schaffen. 102 Ein schrittweiser Abbau angeblicher Beam94 Art. II § \3 Abs. 3 des I. BesVNG. Ausführlich hierzu Clemens/Lantermann, ZBR 1971, S. 139. 95 Art. II § 18 Abs. 3 des 1. BesVNG. 96 Art. IV § 18 Abs. 2 des I. BesVNG. 97 Erstes Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern v. 17.\0.1972, BGBI. I S. 2001. 98 Die allgemeine Erhöhung betrug 4 v.H., dazu kam ein Sockel betrag von DM 40. 99 Zweites Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern v. 5.11.1973, BGBI. I S. 1569. S. Vogelsang Klaus, Zum Zweiten BesErhG, ZBR 1973 S. 321. l(J(l Art. III § 2 des 2. BesErhG. Die Zulage verringerte sich jeweils um ein Drittel des Betrages, um den sich die Dienstbezüge auf Grund von allgemeinen Besoldungsverbesserungen erhöhten. 101 Siebentes Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 20.12.1974. BGBI. I S. 3713. 102 Vgl. die von der Bundesregierung am 11.12.1970 eingesetzte Studienkommission fur die Reform des öffentlichen Dienstrechts und den Bericht der Kommission v. 27.3.1973. Nomos-Verlag 1971.

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

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tenprivilegien sollte hierzu den Weg bereiten. 103 Unter Berufung auf die sozialpolitisch erwünschte Gleichbehandlung aller Kinder im Rahmen eines Familienlastenausgleiches wurde der seit 1920 gewährte Kinderzuschlag für Beamte kurzerhand abgeschafft 104 und durch das allgemeine Kindergeld nach dem Bundeskindergeidgesetz 105 ersetzt. Aus einer Gegenleistung des Diensthenn für die vom Beamten geleisteten Dienste wurde damit eine einseitige Sozialleistung des Staates für alle Bürger. 106 Ob die Abschaffung eines wichtigen Besoldungsbestandteils und die "Entschädigung" mit einer Sozialleistung mit den verfassungsrechtlichen Treuepflichten des Diensthenn jedoch zu vereinbaren ist, bedarf noch der - später vorzunehmenden _ Prüfung. 107 Im wesentlichen abgeschlossen wurde die Hannonisierung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern durch das Zweite Besoldungsvereinheitlichungsund Neuregelungsgesetz von 1975 108 • Es brachte eine vollständige Neufassung des Bundesbesoldungsgesetzes mit unmittelbarer Geltung für alle Besoldungsempfänger des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände. Das Gesetz nonnierte erstmals den Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung und ordnete u.a. die Besoldung der Richter, der Hochschullehrer, der Auslandsbeamten und der Beamtenanwärter neu. 109 Inzwischen hatte die Verschuldung der öffentlichen Haushalte erheblich zugenommen. Die von den Finanzministern des Bundes und der Länder geforderte "kostenneutrale" Ausgestaltung des Gesetzes ließ eine Hannonisierung auf dem hohen Niveau der günstigsten Länderregelungen vielfach nicht mehr zu. Um so bedeutsamer wurde der Bestandsschutz für Besoldungs- und Versorgungsempfanger, deren Bezüge und Ansprüche sich durch die Neuregelung verschlechterten. Bei diesen Verschlechterungen wurde unterschieden zwischen Eingriffen in ruhegehaltsfähige und in nicht ruhegehaltsfähige DienstbeVg\. Summer, Gedanken zu den "Besoldungsprivilegien", ZBR 1984 S. 57. Art. I (Dienstrechtlicher Teil des Familienlastenausgleichs) 7. BBÄndG 1974: §§ 2, 18ff. BBesG 1971. Gleichzeitig wurde der steuerrechtliche Kinderfreibetrag gestrichen. 105 § 45 des Bundeskindergeldgesetzes i.d.F. des Einkommensteuerreformgesetzes v. 5.8.1974, BGB\. I S. 1769. 106 Vg\. Clemens/Lantermann, Die Entwicklung der Beamtenbesoldung im letzten Jahrzehnt, RdA 1982 S. 218, 221. 107 Das BVerfG hat in seinem Beamtenkinderbeschluß v. 30.3.1977 (BVerfGE 44. 249) die Besoldung der Beamten mit 3 u. mehr Kindern zwar flir verfassungswidrig erklärt, die Anrechnung von Sozialleistungen auf die Unterhaltsrechte aber nicht beanstandet. 108 Zweites Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern, v. 23.5.1975. BGB\. I S. 1173. 109 §§ 18 (funktionsgerechte Besoldung), 37ff. (Richter). 32ff. (Hochschullehrer). 52ff. (Auslandsbeamte), 59ff. (Anwärter) des 2. BesVNG. 103

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züge. Bei Eingriffen in ruhegehaltsfahige Dienstbezüge wurde eine Überleitungszulage gewährt, bei Eingriffen in nichtruhegehaltsfahige Bezüge eine Ausgleichszulage. I IO Die Überleitungszulage erhielten Beamte bei Änderung der Einstufung ihres Amtes, bei Wegfall oder Änderung von ruhegehaltsfahigen Zulagen oder bei Abweichung des Grundgehaltssatzes von dem bisherigen. Sie glich den Unterschiedsbetrag zwischen den bisherigen Bezügen und den nach dem neuen Gesetz zustehenden Bezügen aus, war ruhegehaltsfahig und nahm an "allgemeinen Besoldungsverbesserungen" - also nicht an allgemeinen Besoldungsverschlechterungen - teil. Erhöhungen der Bezüge durch Beförderungen, Aufsteigen in den Dienstaltersstufen und künftige strukturelle Verbesserungen wurden jedoch auf die Zulage angerechnet. 111 Die Ausgleichszulage als schwächste Form des Bestandsschutzes wahrte den finanziellen Besitzstand in Höhe der bisher erhaltenen Bezüge, wenn eine Verringerung eingetreten wäre infolge Wegfalls oder Änderung einer nichtruhegehaltsfahigen Stellenzulage, einer Änderung der Auslandsdienstbezüge oder einer Verringerung der Bezüge, weil Unterhaltszuschüsse durch Anwärterbezüge ersetzt wurden. Sie war selbst nicht ruhegehaltsfahig und verminderte sich außer in den Fällen, in denen sich auch die Überleitungszulage verringerte, bei allgemeinen Besoldungserhöhungen um jeweils ein Drittel des Erhöhungsbetrages. 112 Wurde durch das Gesetz eine ruhegehaltsfahige Zulage durch eine nichtruhegehaltsfahige ersetzt und keine ruhegehaltsfahige Ausgleichszulage (Überleitungszulage ) gewährt, so galt rur die bisherigen Empfanger von ruhegehaltsfähigen Zulagen die neue Zulage bis zur Höhe der bisherigen als ruhegehaltsfahig.1 I3 Eine volle Rechtsstandswahrung enthielt das Gesetz - rur das Besoldungsdienstalter der vorhandenen Beamten I 14, - ftir Beamte, die ftir ihre Person Dienstbezüge nach einer höheren Besoldungsgruppe erhielten, als für ihr Amt nach der allgemein geltenden Einstufung vorgesehen war. Sie erhielten ihre Dienstbezüge weiterhin nach der höheren Besoldungsgruppe. 115

Art. IX §§ 11 und 122. BesVNG. Art. IX § 11 Abs. 1-32. BesVNG. 112 Art. IX § 122. BesVNG. 11) Art. IX § 13 2. BesVNG. 11. Art. IX § 6 2. BesVNG: eine Änderung des BesoIdungsdienstaIters war nur zulässig. wenn sich daraus eine Verbesserung ergab. 11' Art. IX § 4 Abs. 72. BesVNG. 1111

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Eine Rechtsstandswahrung besonderer Art sicherte das Gesetz Beamten in künftig wegfallenden Ämtern. Obwohl diese Ämter nicht mehr verliehen werden durften, konnte einem Beamten in einem derartigen Amt sogar noch im Wege der Beförderung ein ebenfalls als künftig wegfallend bezeichnetes Amt verliehen werden, wenn eine Beförderung in einem anderen Amt nicht möglich war. 116 Bei den geschilderten Bestandsschutzvorschriften handelte es sich um Überleitungsregelungen des Zweiten Besoldungsvereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetzes, mit denen vor der Vereinheitlichung erworbene Unterhaltsrechte der Beamten mehr oder minder weitgehend in ihrem bisherigen Bestand geschützt wurden, mindestens aber in Höhe der zuletzt erhaltenen summenmäßigen Bezüge. Unabhängig hiervon wurde im gleichzeitig neugefaßten Bundesbesoldungsgesetz beibehalten die traditionelle "Wahrung des Besitzstandes" bei Individualakten des Dienstherm mit unterhaltsrechtlichen Auswirkungen. 117 Aus dem Bundesbeamtengesetz übernommen und modifiziert wurde dabei die bisher dort geregelte Rechtsstandswahrung bei der Auflösung oder Umbildung von Behörden. 118 Die Modifizierung bestand in der Gewährung einer Ausgleichszulage nach Maßgabe des alten Rechts anstelle der Fortgeltung des alten Rechts. 119 Beibehalten wurde ferner die volle Bestandsschutzregelung für Beamte, die aus gesundheitlichen Gründen zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand in ein niedriger besoldetes Amt versetzt wurden und die eingeschränkte Besitzstandswahrung bei freiwilligem Übertritt in ein Amt mit niedrigerem Grundgehalt. 120 Durch eine wirtschaftliche Rezession, nicht zuletzt ausgelöst durch eine ausgabefreudige Sozialpolitik, mit der auch die Belastungfahigkeit der Wirtschaft getestet werden sollte, war die Verschuldung des Staates zwischenzeitlich bedrohlich angewachsen. Sie veranlaßte die Regierung zu einem Sparprogramm, in das auch der öffentliche Dienst einbezogen wurde. Der dienstrechtliche Teil des sog. Haushaltsstrukturgesetzes 1975 121 enthielt u.a. den Wegfall Art. IX § 4 Abs. 5 2. BesVNG. § 13 BBesG 1975, vorher § 10 BBesG 1957. mit amtlicher Überschrift: ,.Wahrung des Besitzstandes". 113 § 13 Abs. 1 BBesG 1975 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz und §§ 19, 128 u. 130 Abs. 1 Beamtenrechtsrahmengesetz. 119 Vg!. Abschn. C. IIJ. I. 120 § 13 Abs. 2 u. 3 BBesG 1975. vorher § 10 Abs. 2 u. 1 BBesG 1957: vg!. Abschn. C.I1I.I. 121 Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur v. 18.12.1975. BGB!. I S. 3091. Das Sparprogramm für den äffent!. Dienst umfaßte auch noch Sparmaßnahmen im Steuerrecht sowie Maßnahmen. die nicht auf gesetzlicher Grundlage beruhten. wie den 116

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C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

der sog. Bewährungsbeförderung, das Hinausschieben vorgezogener Altersgrenzen, Kürzungen beim Ortszuschlag, die Festschreibung dynamisierter Zulagen (Ministerialzulage, Bankzulage, Sparkassenzulage), bei Zeitsoldaten die Kürzung und den Wegfall von Verpflichtungsprämien, Kürzungen von Übergangsbeihilfen, die Zahlung von Dienstbezügen erst nach sechsmonatiger Dienstzeit und bei Versorgungsempfängern die Verlängerung der Mindestfrist für die Wahrnehmung eines Beförderungsamtes von einem auf mindestens zwei Jahre für die Berücksichtigungsfähigkeit im Rahmen der Versorgung. 122Auch bei diesen allein zur Einsparung von Haushaltsmitteln bewirkten Einschnitten in das geltende Status- und Vermögensrecht hielt der Gesetzgeber für die vorhandenen Besoldungs- und Versorgungsempfanger wieder umfassende Regelungen zum Schutz des Rechts- und Besitzstandes für erforderlich. So wurde ihnen bei einer Minderung ihrer bisherigen Bezüge durch die Neuregelung des Ortszuschlages eine Ausgleichszulage in Höhe der Minderung gewährt. 123 Entsprechendes galt für Beamtenanwärter beim Wegfall des Verheiratetenzuschlages. 124 Soweit die Minderung der Bezüge auf einer Zurückstufung des Beamten in den Stufen des Ortszuschlages beruhte, enthielt das Gesetz für die Betroffenen eine Rechtsstandswahrung in Form der Weitergeltung des bisherigen Rechts. 125 Ebenso wurden vorhandene Soldaten und Versorgungsempfanger von den Verschlechterungen im Soldaten- und Versorgungsbereich ausgenommen. 126 Die Bestandsschutzvorschriften hatten hier zur Folge, daß der vom Gesetzgeber angestrebte Spareffekt nicht sofort eintrat, sondern erst mit einer mehr oder weniger großen zeitlichen und umfangmäßigen Verzögerung. Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet durch eine regelmäßige, aber zurückhaltende Anpassung der Besoldung an die allgemeine Einkommensentwicklung. 127 Verbesserungen in der Besoldungsstruktur wurden durch ein Wegfall des Essenszuschusses, Einsparungen im Beihilferecht usw. S. Clemens, Der öffent\. Dienst im Sparprogramm der Regierungskoalition, ZBR 1975 S. 333. 122 Art. I §§ I u. 5, Art. 3 § I, Art. 6 bis 8 u. 10 1. HStrukG. 123 Art. I § 4 1. HStrukG. Die Zulage verringerte sich bei allgem. Besoldungserhöhungen um die Hälfte des Erhöhungsbetrages. 124 Art. I § 4 letzter Satz I. HStrukG. 125 Art. I § 2 Abs. 2 I. HStrukG. 126 Art. I § I Nr. 8 und § 2, Art. 3 § 2 I. HStrukG. 127 Nachdem 1974 eine - im Tarifbereich erstreikte - außergewöhnliche Besoldungserhöhung von 11 v.H. bei einer Mindesterhöhung von 170 DM vorgenommen wurde (3. BesErhG. v. 28.7.1974. BGB\.I S. 1557), folgte 1975 eine Erhöhung um 6 v.H. mit einer Einmalzahlung von 100 DM (4. BesErhG. v. 6.8.1975, BGB\. I S. 2089), 1976 um 5 v.H. bei einer Mindesterhöhung um 85 DM (5. BesErhG. v. 18.8.1976, BGB\. I S. 2179). 1977 um 5.3 v.H. mit einer Einmalzahlung von 100 DM (6. BesErhG. v. 15.11.1977. BGB\. I S. 2117) und 1978 um 4,5 v.H. (7. BesErhG. v. 20.3.1979, BGB\. I S. 357).

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

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zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder Ende 1974 abgeschlossenes Stillhalteabkommen (sog. Besoldungsmoratorium)128 und die weiter anwachsende Verschuldung der öffentlichen Haushalte weitgehend verhindert. Der anhaltende Sparzwang fiihrte sogar dazu, daß die im Zweiten Besoldungsvereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetz bereits beschlossene und verkündete, aber teilweise noch nicht in Kraft gesetzte neue Besoldungsordnung C für Hochschullehrer im Achten Beamten- und Besoldungsrechtsänderungsgesetz von 1978 wieder verschlechtert wurde. 129 Verschlechtert wurde vor allem der Zuschnitt der vier Besoldungsgruppen. Soweit durch die Absenkung bei den vorhandenen Hochschullehrern Einkommensminderungen gegenüber dem bisher geltenden Recht eintraten, wurde der erworbene Rechtsund Besitzstand im Rahmen der Überleitungs- und Bestandsschutzregelungen des 2. BesVNG gesichert. l3O Bei der Beratung des Gesetzes im Bundestag betonte der Abgeordnete Broll als Berichterstatter hierzu: "Die jetzigen Hochschullehrer haben persönlich keinen Nachteil, weil ihnen natürlich die Bestandsgarantie gegeben wird."l31 Eine Bestandsgarantie besonderer Art schuf das gleiche Gesetz für Schulleiter und ihre Vertreter. Ihre Einstufung in der Besoldungsordnung ist u.a. von der Schülerzahl der jeweiligen Schule abhängig. Sind wegen eines Rückganges der Schülerzahl die Voraussetzungen für die Zuordnung ihres Amtes nicht mehr erfilllt, so erhalten die Beamten eine ruhegehalts fähige Ausgleichszulage in der weitestgehenden Form, d.h. entsprechend der jeweiligen Rechtslage in der Besoldungsgruppe des verlassenen Amtes. Die Zulage wird nur durch Beförderungen aufgezehrt. 132 Nicht eine Rechtsänderung, sondern eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mit Auswirkungen auf die Person des Beamten führte hier also zu einer Bestandsschutzregelung. Wie wichtig dem Gesetzgeber selbst in den Zeiten einer bedrohlichen Haushaltsentwicklung und Staatsverschuldung der Schutz des erworbenen 128 Gemeinsame Erklärung der Bundesregierung und der Regierungen der Länder vom 19.12.1974, abgedruckt im Bul1etin 1975 Nr. 12 S. 134. Durch die Erklärung verpflichteten sich die Regierungen des Bundes und der Länder, eine gemeinsame stabilitätskonforme Steuerung der Personalkosten im öffentlichen Dienst dadurch anzustreben, daß al1e kostenwirksamen strukturel1en Maßnahmen einem bestimmten Zustimmungsverfahren unterworfen wurden. 129 Achtes Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften v. 26.6.1978, BGBI. I S. 869, Art. I. 130 Wegen der Besonderheiten der Hochschul1ehrerbesoldung wurde der Bestandsschutz für Hochschul1ehrer in einer besonderen Überleitungsvorschrift. dem Art. X § 5 des 2. BesVNG geregelt. 131 Niederschrift über die 1. Lesung des RegEntw. am 13.4.78, S. 6577. 132 Art. II Nr. I 8. BBesÄndG in Verb. mit § 13 Abs. I BBesG. Vgl. Clemens/Millack, Kom. z. Besoldungsrecht. Anm. 2 zu § 13.

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C. Der Schutz der Unterhalts rechte durch das Grundgesetz im Rückblick

Einkommens war, zeigt die Bestandsregelung für Diplomatenkinder im Besol133 ." dungs- und Versorgungsänderungsgesetz 1980 . Durch eme Anderung des Bundeskindergeldgesetzes mit Anhebung des allgemeinen Kindergeldes für das zweite und die weiteren Kinder l34 war eine Anpassung des Auslandskinderzuschlags erforderlich geworden. 135 Sie betraf die Kinder von Diplomaten, die sich im Inland aufhielten. Bei der Anpassung ergaben sich für das zweite und alle weiteren Kinder entsprechende Verbesserungen, für das erste Kind jedoch eine strukturelle Verminderung des bisherigen Auslandskinderzuschlags um 8.- DM. \36 Dies war im Durchschnitt weniger als eintausendstel der Auslandsbesoldung eines Diplomaten. Trotz der kaum spürbaren finanziellen Auswirkungen hielt der Gesetzgeber streng an dem Grundsatz der Besitzstandswahrung fest und schuf für die wenigen in Betracht kommenden Fälle . eigene . A ' hszu Iage. \37 eme usgIelc Die trotz aller Sparbemühungen rasch fortschreitende Staatsverschuldung veranlaßte die sozial-liberale Regierung zu weiteren Sparmaßnahmen, darunter auch das Zweite Haushaltsstrukturgesetz von 1981 \38. Es brachte für den öffentlichen Dienst als wichtigste Sparmaßnahme eine Kürzung der Besoldungs-, Versorgungs- und Anwärterbezüge um 1 v.H. des Anfangsgrundgehalts bzw. des Festgehalts und des Ortszuschlages sowie des Anwärtergrundbetrages. \39 Die Kürzung selbst wurde bei der Harmonisierungszulage oder, wo diese nicht anfiel, beim Ortszuschlag vorgenommen. Die Kürzung galt auch für die Empfänger von Amtsbezügen und erfaßte in ihren Auswirkungen auch die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes. 14o Bei den Beamtenanwärtern nahm das Gesetz zusätzlich eine progressiv gestaffelte Herab133 Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften 1980 v. 20.8.1980, BGBI. I S. 1509. 134 Achtes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes v. 14.11.1978, BGBI. I PS. 1757. J35 § 56 BBesG. Art. I Nr. 9 BesÄndG 1980. 136 § 56 Abs. I Nr. 2 in Verbindung mit Anl. VI f BBesG: bisheriger Zuschlag 210 DM, neuer Zuschlag 202 DM. 137 Art. 10 BesÄndG 1980 (FN 129). l3K Zweites Gesetz zur Verbesserung der HaushaItsstruktur vom 22.12.1981, BGBI. I S. 1523. 139 Zur Aufhebung der Kürzung s. Abschn. A. V. I. 140 Art. I bis 3 2. HStrukG. Darüber hinaus umfaßte das Sparprogramm ein Bündel weiterer Maßnahmen. wie z.B. eine gegenüber dem Tarifbereich verspätete Anpassung der Besoldung und Versorgung. die Streichung von Planstellen, Einschränkungen im Beihilferecht. Herabsetzung des Kindergeldes für das 2. u. 3. Kind, Erhöhung der Darlehenszinsen bei Familienheimdarlehen, Verschlechterungen des Stellenschlüssels für den gehobenen u. höheren Dienst usw. S. hierzu Clemens, Der öffentliche Dienst in der .. Operation 82" zur Sanierung der Staatsfinanzen, ZBR 82 S. 61 u. Käppner, Die Besoldungs- u. Versorgungsanpassung 1982 und 1983. ZßR 1983 S. 15.

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

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setzung der Anwärterbezüge um 5,8 v.H. (einfacher Dienst) bis 15,4 v.H. (höherer Dienst) der bisherigen Bezüge vor. 141 Für die Gehaltskürzungen um 1 v.H. war eine Bestandsschutzklausel rur die vorhandenen Beamten nicht vorgesehen, da sie den bezweckten Spareffekt weitgehend zunichte gemacht hätte. Bei der strukturellen Absenkung der Anwärterbezüge wurde der Rechtsstand rur die vorhandenen Anwärter jedoch dadurch voll gewahrt, daß die Absenkung nur rur die nach Inkrafttreten des Gesetzes neu eintretenden Anwärter 142 ga It . Eine besondere Sparmaßnahme enthielt und enthält das Gesetz rur Ruhestandsbeamte, die neben ihrem Ruhegehalt aus dem Beamtenverhältnis noch eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer Zusatzversorgung rur den öffentlichen Dienst erhielten, weil sie z.B. vor ihrer Ernennung zum Beamten in einem privatrechtlichen Arbeitnehmerverhältnis beschäftigt waren. Bei ihnen konnten die Gesamtbezüge höher sein als die beamtenrechtliche Höchstversorgung und sogar höher als das letzte Gehalt als aktiver Beamter. 143 Um diese beamten- und sozialpolitisch unerwünschte Doppel- oder Überversorgung abzubauen, hatte bereits das Dritte Beamtenrechtsänderungsgesetz von 1965 eine teilweise Anrechnung der Rentenleistungen auf die Beamtenversorgung eingeruhrt. 144 Die Regelung galt jedoch nur rur neu eintretende Beamte, nicht rur die schon ernannten. Das Zweite Haushaltsstrukturgesetz erweiterte nun die Anrechnungsvorschriften auf alle Versorgungsempfänger, unabhängig vom Zeitpunkt der Begründung des Beamtenverhältnisses und des Eintritts in den Ruhestand. 145 Abgemildert wurden die Anrechnungsbestimmungen durch eine Übergangsregelung in Gestalt einer langfristigen Ausgleichszahlung rur bereits vorhandene und künftige Versorgungsempfänger. Ausgeglichen wurde der Unterschied zwischen der Versorgung nach altem und nach neuem Recht, wobei sich der Ausgleichsbetrag durch allgemeine Versorgungserhöhungen und einen jährlichen stufenweisen Abbau um jeweils ein Zwölftel verminderte. 146

Art. 1 Nr. 3 2. HStrukG. Nr. 2 der An\. VIII zum BBesG in Verbindung mit Art. 41 Abs. 1 2. HStrukG. 143 Nach der amtlichen Begründung zum 3. Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher u. besoldungsrechtlicher Vorschriften betrug die Gesamtversorgung bis zu 125 v.H. und mehr der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge; s. BT-Drucks. IV/2174 S. 18. 144 Drittes Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften v. 31.8.1965, BGB\. I S. 1007. 14; Art. " § I Nr. 7 2. HStrukG mit Änderung des § 55 BeamtVG. Ausführlich W. Fürst und W. Loschelder, Versorgungsgerechtigkeit beim Zusammentreffen von Ruhegehalt und Rente, ZBR 1983 S. I. 146 Art. 11 § 2 2. HStrukG; der Ausgleich betrug bei Eintritt der Voraussetzungen elf Zwölftel des Unterschieds. 141

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C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

Nach Ablösung der sozial-liberalen Regierungskoalition unter Bundeskanzler Schmidt durch die christlich-liberale Regierung unter Bundeskanzler Kohl erklärte diese die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu einem ihrer vordringlichsten politischen Ziele. Die Konsolidierung sollte dabei nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch eine nachhaltige Dämpfung des Wachstums der öffentlichen Ausgaben erreicht werden. 147 Auch der öffentliche Dienst sollte hierbei einen wichtigen Beitrag leisten. Er bestand u.a. in einer im Haushaltsbegleitgesetz 1983 148 vorab geregelten, restriktiven und verschobenen Anpassung der Bezüge für Besoldungs- und Versorgungsempfanger um 2 v.H. ab 1.7.1983 149 sowie im Unterlassen einer allgemeinen Anpassung im Jahre 1984 als sog. Nullrunde. 150 Im Haushaltsbegleitgesetz 1984 151 kam für die Beamten des gehobenen und höheren Dienstes eine Absenkung der Eingangsbesoldung um durchschnittlich eine Besoldungsgruppe für die Dauer von drei bzw. vier Jahren und für die entsprechenden Anwärter eine nochmalige Absenkung der Anwärterbezüge um 3,4 bis 6,7 v.H. hinzu. 152 Eingriffe in Rechts- und Besitzstände wurden bei den Absenkungen von vornherein dadurch vermieden, daß die Absenkungen nur für neu in den öffentlichen Dienst eintretende Beamte, Richter und Anwärter galten. Einen unmittelbaren Eingriff in die Bezüge der Versorgungsempflinger enthielt allerdings eine neue Sparmaßnahme des Gesetzes. Die Versorgungsempflinger erhielten bis Ende 1983 mit ihren Versorgungsbezügen einen Amt!. Begründung zum HBeglG 1984, BT-Drucks. 10/336 S. 1 u. 2. Gesetz zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts v. 20.12.1982, BGB!. I S. 1857, 1870. 149 Art. 11 HBeglG 1983. Die Anpassung erfolgte zum 1.7.1983, während die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Diensts ab 1.3.1983 = 2 v.H., ab 1.7.1983 = 2,5 v.H. und ab 1.3.1984 = 3 v.H. erhielten (s. hierzu BT-Drucks. 10/235). Die geringe "Anpassung" wurde vom Deutschen Beamtenbund als Benachteiligung und einseitiges Sparopfer der Beamten bezeichnet. Vorausgegangen waren lineare Anpassungen von 4 v.H. für 1979 mit Erhöhung des Urlaubsgeldes um 150 DM (BBesErhG v. 30.7.1979, BGB!. I S. 1285), von 6,3 v.H. für 1980 mit Einmalzahlung von 110 DM (BBesErhG v. 16.8.1980, BGB!. I S. 1439), von 4,3 v.H. fllr 1981 mit Einmalzahlung von 120 DM (BBesAnpG v. 21.12.1981, BGB!. I S. 1465) und von 3,6 v.H. für 1982 mit Einmalzahlung von 40 DM (BBesAnpG v. 20.12.1982, BGB!. I S. 1835). ISO Die Verschiebung der Besoldungsanpassung bis 1.4.1985 lag den Haushaltsbeschlüssen der BReg für 1984 zugrunde, war aber nicht Gegenstand einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung; s. Bulletin der BReg v. 20.5.1983, S. 470; ferner Käppner, Besoldungs- und Versorgungsanpassung 1985, ZBR 1985 S. 65. 151 Gesetz über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe v. 22.12.1983, BGB!. I S. 1532. 152 Art. 30 HBeglG 1984. Eingehend hierzu Merten, Zur Verfassungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit einer Absenkung der Eingangsbesoldung gemäß § 19 a BBesG. 147 141

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sog. Anpassungszuschlag 153 • Mit ihm wurden strukturelle Verbesserungen im Bereich der aktiven Beamten nach einem bestimmten Berechnungsmodus an sie weitergegeben. Dieser Anpassungszuschlag wurde im Haushaltsbegleitgesetz 1984 mit der einfachen Begründung gestrichen, daß er "angesichts der angespannten Haushaltslage der öffentlichen Kassen künftig nicht aufrechterhalten werden" könne. 154 Ein vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits gezahlter Zuschlag wurde entgegen der bisherigen Staatspraxis, aber gedeckt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nicht mehr in voller Höhe, sondern nur noch zu zwei Drittel weitergewährt. 155 Nach einer zehnjährigen Sparperiode mit Besoldungs- "Anpassungen", die teilweise unter den Preissteigerungsraten lagen,156 brachte das Vierte Besoldungsänderungsgesetz von 1985 157 wieder einige nennenswerte strukturelle Verbesserungen, allerdings fast nur für den einfachen Dienst und die Beamten mit mehreren Kindern. Es handelte sich vor allem um höhere Eingangsämter im einfachen Dienst, die Anhebung der Harmonisierungszulage im einfachen Dienst und die Anhebung der Kinderanteile im Ortszuschlag für das zweite bis fünfte Kind mit zusätzlichen Erhöhungsbeträgen für die Beamten des einfachen Dienstes. Zu dem hier besonders interessierenden Bestandsschutz verstärkte und erweiterte das Gesetz die schon bestehende Besitzstandsregelung des § 13 Abs. 3 BBesG für Aufstiegsbeamte. Die Einrichtung neuer Spitzenämter in den Laufbahnen des einfachen und mittleren Dienstes (A 5 mit Amtszulage und A 9 mit Amtszulage ) hatte dazu geführt, daß die Inhaber dieser Ämter die Beamten in den Eingangsämtern der nächsthöheren Laufbahn (ohne Amtszulage) besoldungsmäßig überholten. Schon bisher erhielten die Aufstiegsbeamten im Eingangsamt ihrer neuen Laufbahn daher eine Ausgleichszulage. 158 Die Zulage verringerte sich jedoch mit jeder allgemeinen Besoldungserhöhung und wurde schließlich ganz aufgezehrt. Sie sicherte also nur die Höhe der Bezüge im Zeitpunkt des Aufstiegs, nicht aber den Vorsprung gegenüber den Eingangsämtern der nächsthöheren Laufbahn. Um auch die Beibehaltung dieses Vorsprungs sicherzustellen, geWährleistete die Neuregelung dem Aufstiegsbeamten nunmehr die Bezüge, die er beim Verbleiben im bisherigen Amt auch künftig in der jeweils besoldungsgesetzlich maßgebenden Höhe er§ 70 Abs. 3, §§ 71 bis 76 BeamtVG v. 24.8.1976. Art. 32 bis 34 Haushaltsbegleitgesetz 1984; amtl. Begründung hierzu s. Art. 24 u. 25 des Reg.Entwurfs, BT-Drucks. 10/336 S. 91. 155 Art. 33 § 2 HBglG 1984. 156 Vgl. Reiners, Erste Hälfte 11. Legislaturperiode usw., RiA, 1988 S. 236, 238. 157 Viertes Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften v. 20.12.1985, BGBI. I S. 2466. 158 § 13 Abs. 3 Satz 2 BBesG i.d.F. v. 1980. Vgl. Käppner, Das Vierte Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften, ZBR 1986 S. 1,8; ferner Clemens/Millack, Kom. z. BesR, § 13 Anm. 4. 153

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halten hätte. 159 Es handelt sich also um den Übergang von der betragsmäßigen Garantie der vor dem Aufstieg zuletzt bezogenen Dienstbezüge in die Garantie der Dienstbezüge, die dem Beamten in seinem bisherigen Amt zugestanden hätten, wenn er nicht aufgestiegen wäre, d.h. von einer Besitzstandswahrung (im engeren Sinne) in eine Rechtsstandswahrung. Der Gesetzgeber ging bei der Neuregelung somit davon aus, daß dem Aufstiegsbeamten eine in der Regel nur vorübergehende Einkommensminderullg nicht zugemutet werden kann, die als Ergebnis einer nivellierenden Besoldungsgesetzgebung bis zur Übertragung eines Beförderungsamtes in der neuen Laufbahn eintreten würde. Der Vorteil des vereinfachten statusrechtlichen Aufstiegs im Rahmen einer Ausnahmeregelung und die erfahrungsgemäß damit verbundenen weiteren Beförderungen erschienen ihm kein ausreichender Ersatz. Im Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1987'60 holte der Gesetzgeber eine Bestandsschutzregelung nach, die er bei der Abfassung der Ruhestandsbestimmungen des Bundesbeamtengesetzes übersehen hatte. 161 Wurde ein Ruhestandsbeamter wieder reaktiviert, so konnte der bisherige Berechnungsmodus der ruhegehalts fähigen Dienstzeit in bestimmten Ausnahmefallen eine geringfügige Verringerung dieser Zeit im Vergleich zur Berechnung des früheren Ruhegehalts ergeben. Um diesen Nachteil zu beseitigen, wurde das Beamtenversorgungsgesetz dahin geändert, daß eine der Berechnung des früheren Ruhegehalts zugrunde gelegte Zurechnungszeit insoweit berücksichtigt wird, als die Zahl der dem neuen Ruhegehalt zugrunde liegenden Dienstjahre hinter der Zahl der dem früheren Ruhegehalt zugrunde gelegenen Dienstjahre zurückbleibt. 162 Rein vorsorglich für im einzelnen nicht bekannte, aber denkbare Benachteiligungsfalle verfügte das Gesetz ferner eine Bestandschutzklausel für Beamte auf Widerruf, die infolge eines Dienstunfalls entlassen wurden. Für vorhandene Versorgungsempfanger galt das bisherige Recht weiter, wenn sich dadurch für sie eine höhere Unfall versorgung ergab. 163 Dienten die bisherigen Sparmaßnahmen der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, so hatten die strukturellen Verschlechterungen im Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes von 1989 (1992) vor allem zum Ziel, die große Rentenreform des gleichen Jahres bei den betroffenen Arbeitnehmern und Rentnern politisch "besser verkaufen" zu können. l64 Auch bei Art. I Nr. 10 4. BesÄndG mit Einfügung eines neuen S. 3 in § 13 Abs. 3 BBesG. Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1987 v. 6.8.1987, BGBI.I S. 2062. 161 §§ 40, 45 des Bundesbeamtengesetzes a.F. 162 Änderung des § 13 Abs. I BeamtVG durch Art. 3 Nr. I BBV AnpG 87; Vgl. Käppner, Das Bundesbesoldungs- und versorgungsanpassungsgesetz 1987, ZBR 1987 S.200. 1~3 Art. 4 Nr. 2 Buchst. b BBVAnpG 1987. 164 S. Abschn. A.V.3. 1;9 160

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dem "Solidaritätsgesetz" wurden die einseitigen Eingriffe des Gesetzgebers in das geltende Versorgungsrecht jedoch wieder durch Rechts- und Besitzstandsregelungen abgemildert. 165 Für die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 1.1.92 bereits vorhandenen Versorgungsempfanger findet das bisher geltende Recht weiter Anwendung. Das gleiche gilt für aktive Beamte, die vor dem 1.1.2002 die flir sie maßgebende Altersgrenze erreicht haben. Bei den übrigen Beamten wird zum Stichtag 31.12.1991 festgestellt, wie hoch die erworbenen Versorgungsanwartschaften sind. Im Jahre 1992 und in den Folgejahren steigt der Ruhegehaltssatz jährlich um I v.H. weiter an. Dabei findet nicht die neue, "verbesserte", sondern die alte Zurechnungszeit Anwendung. Ist das neue Recht günstiger, so findet dieses Anwendung. Hauptinhalt des Besoldungsstrukturgesetzes 1990 166 waren Einkommens-

verbesserungen für die unteren und mittleren Besoldungsgruppen durch Anhebung der Grundgehaltssätze, verbesserte Ämtereinstufungen und Zulagenverbesserungen mit Anerkennung der Ruhegehaltsfahigkeit nach zehnjähriger zulagenberechtigender Verwendung (Polizei-, Sicherheits-, Feuerwehr-, Justizbeamtenzulage u.a.).167 Noch wesentlich großzügigere Verbesserungen vor allem im Zulagenbereich brachte das sog. Bundeswehr-Attraktivitätsgesetz flir die Soldaten der Bundeswehr (Fliegerstellen-, Außendienst-, Marine-, Flugsicherungs-, Kompaniefeldwebelzulage USW.).168 Das Gesetz wurde noch überboten durch das Vierte Besoldungsänderungsgesetz von 1990 169 , das flir die Beamten der Bundesanstalt für Flugsicherung - zugleich als Ausgangsbasis flir eine Rechtsstandswahrung im Gesetz zur Übernahme der Beamten und Arbeitnehmer der Bundesanstalt (Art. 6 des 10. Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes, BR-Drucks. 391190 - Beschluß)170 - noch vor der Privatisie-

165 §§ 69, 69a, 85 BeamtVG. Vgl. Battis, Die Neuregelung der Beamtenversorgung, NVwZ 1990 S. 933, 935, sowie Lecheier, Vertrauensschutz, ZBR 1990 S. 1,6. 166 Fünftes Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28.5.1990, BGBI. I S. 967. 167 Vgl. auch zum folgenden Käppner, Verbesserungen der Besoldungsstruktur 1990, ZBR 1990 S. 229. 168 Zweites Gesetz zur Änderung besoldungs- und wehrsoldrechtlicher Vorschriften v. 19.7.1990, BGBI. I S. 1451. Das Gesetz wurde mit der Notwendigkeit begründet, die Attraktivität der BW zu erhöhen, obwohl inzwischen die Einheit Deutschlands wieder hergestellt war und in seinem Gefolge die Personalstärke der BW von 500 000 auf 370000 Soldaten verringert werden mußte. 169 Viertes Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes vom 19.7.1990, BGBI. I S. 1449. Die Beamten der Bundesanstalt betrieben mit Erfolg die Umwandlung ihrer Anstalt in eine private GmbH, um nicht mehr an das Bundesbesoldungsgesetz gebunden zu sein, obwohl sie gemessen an den Grundsätzen der funktionsgerechten Besoldung (§ 18 BBesG) neben den Diplomaten bereits eine absolute Spitzenbesoldung erhielten. 170 § lAbs. 2 4. BesÄndG 1990.

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rung der Bundesanstalt eine Flugsicherungszulage einführte, die ebenfalls nach zehnjähriger zulageberechtigtender Verwendung ruhegehaltsfähig ist (§ 80a BBesG). Alle drei Gesetze warfen die Frage nach einer Bestandsschutzregelung bei Beendigung der zulage berechtigenden Verwendung vor Eintritt in den Ruhestand auf. Die Frage wurde dahin gelöst, daß ein Beamter oder Soldat, der nach einer mindestens zehnjährigen zulageberechtigenden Verwendung aus dienstlichen Gründen aus der Verwendung ausscheidet und dessen Bezüge sich dadurch verringern, eine Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem jeweiligen Grundgehalt des Bezügeempfängers und dem Grundgehalt, das ihm in seinem bisherigen Amt zugestanden hatte, erhält, wobei zum Grundgehalt auch ruhegehaltsfähige Stellenzulagen gehören (§ 13 Abs. 5 BBesG).17l Eine weitere Bestandsschutzregelung in Form einer Rechtsstandwahrung für vorhandene Lehrer enthält das Besoldungsstrukturgesetz 1990. Im Zusammenhang mit der Aufhebung landesrechtlicher Vorschriften bestimmt es im Rahmen einer Übergangsregelung, daß das bisherige Recht weiter angewendet werden darf. Die Vorschrift ermöglicht sogar die Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtslage für neu einzustellende Beamte, die ihr Lehramtsstudium vor dem 1.1.1991 begonnen haben. 172 Sie schützt also nicht nur erworbene Ansprüche, sondern - und dies ist ein Novum - auch eine Erwartungshaltung. 2. Rechtsprechung

Von den obersten Gerichtshöfen des Bundes hatte sich als erster der Bundesgerichtshof mit dem beamtenrechtlichen Inhalt des Art. 33 GG zu befassen. 173 In einem Gutachten vom 6.10.195i 74 hielt er zunächst an seiner ständigen Rechtsprechung fest, daß Art. 129 Abs. 5 WRV auch nach dem Zusammenbruch von 1945 mit Verfassungsrang weitergegolten habe. Zu den wohlerworbenen Rechten gehörten "auch die Ansprüche des Beamten auf seine Dienstbezüge". Die Beamten hätten diese Ansprüche aber gemäß § 39 RBesG von 1927 aber nur unter dem Vorbehalt einer gewissen Beschränkbarkeit und Widerruflichkeit erworben, nämlich unter dem Vorbehalt, daß sie durch einfaches Gesetz geändert und auch herabgesetzt werden könnten. Die Herabsetzung dürfe jedoch nicht rückwirkend erfolgen und den Rechtscharakter der 171

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IX.

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Vgl. Käppner, ZBR 1990, S. 245. Art. 20 § 2 Abs. 2 BesStrukG 1990; vgl. Käppner, ZBR 1990 S. 256. Zur Rechtsprechung des BGH für die Zeit vor Inkrafttreten des GG s. Abschn. B.

174 BGHZ 11 (Anh),2, 15ff. - Gutachten zur Vorlage an das BVerfG gern. §§ 80ff. BVerfGG zum Gesetz zu Art. 131 GG.

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

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Bezüge als ausreichenden, standesgemäßen Lebensunterhalt nicht antasten. Der Art. 33 Abs. 5 GG habe den Art. 129 WRV abgelöst. Die Fassung des Art. 33 Abs. 5 GG enthalte gegenüber dem Art. 129 WRV insofern eine gewisse Abschwächung, als die Unverletzlichkeit der wohlerworbenen Rechte nicht mehr besonders gefordert sei. "An dem materiellen Gehalt des Art. 33 Abs. 5 wird dadurch aber nichts geändert." Die Vorschrift garantiere eindeutig die Institution des Berufsbeamtenturns. Sie sei unmittelbar anwendbares Recht. Durch die Formulierung, daß der öffentliche Dienst "unter Berücksichtigung" der hergebrachten Grundsätze zu regeln sei, sei dem Gesetzgeber zwar ein gewisser Spielraum gelassen. Der Wesenskern des Berufsbeamtenturns dürfe aber nicht geändert und die wohlerworbenen Rechte des Beamten in ihrer Substanz nicht angetastet werden. 175 Hinzu komme, daß der Gesetzgeber nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verstoßen dürfe. Der Art. 33 Abs. 5 GG verwirkliche nur auf einem Sondergebiet, dem Schutz der vermögenswerten Beamtenrechte, die allgemeine Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Die Eigentumsgarantie ergreife das ganze Vermögen, erstrecke sich also auch auf jedes Vermögensrecht, gleichgültig ob es dem privaten oder dem öffentlichen Recht angehöre. Die Entziehung oder Verkürzung eines solchen Vermögensrechtes, die die Betroffenen im Verhältnis zu anderen ungleich treffe, sei eine unzulässige entschädigungslose Enteignung. 176 In einem weiteren Gutachten vom 8.6.1953 177 und in einem Beschluß des Großen Senates in Zivilsachen vom 20.5.1954 178 bekräftigte der BGH seine Rechtsauffassung. Wenn Art. 129 WRV die "wohlerworbenen Rechte" der Beamten schütze, so sei dies gerechtfertigt, weil der Beamte in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehe und damit weitgehend der Gewalt des Staates unterworfen sei. Er befinde sich mit seinen vermögensrechtlichen Ansprüchen in einer wesentlich schwächeren Position als der in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehende, dessen Ansprüche vom Gesetzgeber nicht verkürzt werden könnten. In der Sache bedeute der Schutz der wohlerworbenen Rechte in Art. 129 WRV nichts anderes als die Verwirklichung der heute in Art. 14 GG enthaltenen Eigentumsgarantie im Beamtenrechts. "Wohlerworbene Rechte" sei "ein altrechtlicher Ausdruck für das, was man · . nennt..179 . heute Etgentumsgarantte Unter dem Einfluß der Entscheidungen des BVerfG änderte der BGH später jedoch seine Rechtsprechung in wichtigen Punkten. Er übernahm dessen Auffassung, daß Art. 129 WRV nach dem Zusammenbruch nicht mehr weitergeBOHZ BGHZ 177 BOHZ 178 BOHZ m BOHZ 175

176

11 (Anh) S. 21 f. 11 (Anh) S. 25, 33. 11 (Anh) S. 81. 85. 13 (Anh) S. 265ff. 13,265/317.

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C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

golten habe. '80 Der Gesetzgeber habe damit auch die Bezüge herabsetzen können, für die eine ausdrückliche Beschränkbarkeit in den Gesetzen selbst nicht vorgesehen worden sei.'8' Der Bundesgerichtshof hielt zwar - insoweit unter Ablehnung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - an seiner Auffassung fest, daß der Schutz der wohlerworbenen Beamtenrechte und der hergebrachten Grundsätze eine verfassungsrechtliche Sonderregelung der Eigentumsgarantie darstelle. '82 Unter der Eigentumsgarantie stehe jedoch nur der Anspruch auf standesgemäßen Unterhalt und der bereits fallige Gehaltsanspruch, nicht dagegen das noch nicht fallige Gehalt.'83 Die gegenseitige Treuepflicht zwinge den Beamten, in Notzeiten Gehaltskürzungen hinzunehmen, so daß "in der Übergangszeit nach dem Zusammenbruch sogar der Einzelanspruch des Beamten auf Gehalt nur eine relativ beschränkte Bedeutung besaß ... ".'84 Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich zur Frage des Bestandsschutzes für Beamtenrechte nach dem Grundgesetz erstmals in seinem umstrittenen Beamtenurteil vom 17.12.1953.'85 Das Grundgesetz gewährleiste in Art. 33 Abs. 5 den Fortbestand des Berufsbeamtenturns in Form einer institutionellen Garantie insoweit, als es sich in seiner hergebrachten Gestalt in den Rahmen unseres heutigen Staatslebens einfügen lasse. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns müßten dabei berücksichtigt, nicht aber unbedingt beachtet werden. Art. 33 Abs. 5 GG stelle, anders als Art. 129 WRV, keine wohlerworbenen Rechte unter Verfassungsschutz. Er garantiere nicht den einmal erworbenen Unterhaltsanspruch in seiner vollen Höhe. Er lasse vielmehr Kürzungen zu, wenn der standesgemäße Unterhalt dadurch nicht beeinträchtigt werde. Die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten und Versorgungsempfanger hätten ihre Grundlage in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, das eine verfassungsrechtliche Sonderregelung in Art. 33 Abs. 5 GG erhalten habe. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG sei daher hier nicht anwendbar.'86

Grundlegend BVerfGE 3, 58, Leitsatz 3, st. Rspr. BGHZ 16, 1921202; 20,15/17; 21, 248/254. 182 Großer Senat: BGHZ 13, 265, 316ff.; III. Senat (Beamtenrechtssenat): BGHZ 14, 138, 145; 16, 138, 145. 183 BGHZ 16, 192/201f. 184 BGHZ 14, 138/143f.; 20, 15/25. Vgl. zur Rechtsprechung des BGH zum Beamtenrecht: Pagendarm, Rechtsprechung des 11. Zivilsenats, DRiZ 1960 S. 314. 185 BVerfGE 3,58. Kritisch u.a. Giese, JR 1954 S. 401; Emge, ZBR 1954 S. 171 u. Peters, JZ 1954 S. 589; vgl. auch Abschn. B. VIII. FN 314. 186 BVerfGE 3,137/153/160, Leitsätze 7,13,17. Vgl. hierzu u.z. folgenden LecheIer, Hergebrachte Grundsätze, AöR 1978 S. 349. 180 181

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

145

In zwei weiteren Grundsatzentscheidungen vom 11.6.1958 und 2.12.1958 wurde die Rechtsprechung konkretisiert und modifiziert. 187 Das Gericht hielt an seiner Auffassung fest, daß das Grundgesetz wohlerworbene Rechte nicht unter Verfassungsschutz stelle und den vom Beamten auf Grund der Besoldungsgesetzgebung einmal erworbenen Anspruch auf eine summenmäßig bestimmte Besoldung nicht gewährieiste. 188 Das Berufsbeamtenturn habe die Aufgabe, eine stabile Verwaltung zu sichern und als ausgleichender Faktor gegenüber den Kräften zu wirken, die das Staats leben gestalten. Dazu müsse es rechtlich und wirtschaftlich gesichert sein. Den Beamten sei daher "nach ihrem Dienstrang, der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtenturns für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards ein angemessener Lebensunterhalt zu gewähren" .189 Dies sei ein besonders wesentlicher hergebrachter Grundsatz, der vom Gesetzgeber zu beachten sei. Die Verpflichtung zur Beachtung gebe dem Beamten ein grundrechtsähnliches Individualrecht, dessen Verletzung mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden könne: 9o Von der Verfassung garantiert werde aber nur der Kernbestand des Anspruchs, sein "unerläßliches Mindestmaß".191 Bei seiner Ausgestaltung habe der Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum. Nur wenn die Mindestgrenze eindeutig unterschritten sei, werde der von der Verfassung geschützte Kernbestand verletzt. Ob dies der Fall sei, werde sich allerdings nur schwer mit der Eindeutigkeit feststellen lassen, die für eine richterliche Entscheidung erforderlich sei. 192 Nach Auffassung des Gerichts behält der Gesetzgeber seine Ermessensfreiheit bei der Festlegung des Kernbestandes selbst dann, wenn er von seinem Ermessen bereits Gebrauch gemacht und über die Angemessenheit der Besoldung schon entschieden hat. Auch in solchen Fällen könne der Gesetzgeber seine Entscheidung zum Nachteil der Beamten wieder ändern, wenn der standesgemäße Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts nicht unterschritten werde. 193 BVerfGE 8, I u. 8, 332. BVerfGE 8, 12, Leitsatz I; 8, 343. 189 BVerfGE 8, 14/16; unzutreffend ist die Auffassung des Gerichts, daß dieser Grundsatz den Besoldungskürzungen in der Weimarer Republik zugrunde gelegen habe. Siehe hierzu Abschn. B. VII. 190 BVerfGE 8, 17, Leitsatz 2. 191 BVerfGE 8, 332/343. 192 BVerfGE 8, 1/22f. Zur praktischen Wertlosigkeit eines derartig unbestimmten Rechts s. Abschn. A- IV. 193 Vgl. BVerfGE 3. 58/160; 3. 288/342. Oh dies allerdings auch dann gelten soll. wenn der Gesetzgeber den Beamten einen Akzeptanz- oder Solidaritätsbeitrag abverlangt, um damit flir sozialpolitische Gesetzgebungsvorhaben außerhalb des Beamtenrechts mehr Verständnis zu finden, ist nicht erkennbar. Daß Eingriffe nur aus .. sachge187 188

IO Müller

146

C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

Im übrigen hielt das Gericht noch an seiner Meinung fest, daß die Unterhaltsforderungen der Beamten nicht unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG fielen, da es sich hier um öffentlich-rechtliche Geldforderungen handle, die auf einer Fürsorgepflicht des Gemeinwesens beruhen würden. 194 Konnte dem o.a. Beamtenurteil von 1953 jedenfalls im Ergebnis - der Bejahung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu Art. 131 GG als Beitrag zur Bewältigung einer Staatskatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes - noch vorbehaltlos zugestimmt werden, so hatten sich die Verhältnisse in der Bundesrepublik bei den letztgenannten Entscheidungen grundlegend geändert. Eine weltweit als deutsches Wirtschaftswunder bekannt gewordene Aufbauleistung auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft hatte die Not beseitigt und der Bevölkerung zumeist wieder zu einem bescheidenen Wohlstand verholfen. Vom Bundesverfassungsgericht hätte daher nunmehr geprüft werden müssen, ob gerichtliche Erkenntnisse, die vor allem zur Rechtfertigung einer Notgesetzgebung für Notzeiten entwickelt worden waren, auch nach Überwindung der Notlage noch Bestand haben konnten. Die Prüfung hätte sich dabei insbesondere auf die Frage erstrecken müssen, ob Eingriffe in erworbene Beamtenrechte, die aus anderen Gründen als zur Überwindung einer existentiellen Notlage des Staates erfolgen, mit den Treuepflichten des Dienstherm aus dem beiderseitigen Treueverhältnis zu vereinbaren sind. Eine derartige Prüfung hat das Gericht aber nicht vorgenommen. 195 Die Bewertung der Beamtenbezüge als öffentlich-rechtliche Geldforderung, die auf einer "Fürsorgepflicht des Gemeinwesens" beruhen, wurde in der Entscheidung vom 7.5.1963 196 nicht mehr aufrecht erhalten. Das Gericht stellte nunmehr fest, daß die Unterhaltsansprüche durch Dienstleistung erworbene Rechte seien, die "rechtlich anders geordnet und stärker gesichert" seien, als die Ansprüche auf einseitig vom Staat gewährte Sozial- und Fürsorgeleistungen. 197 Sie könnten nicht ohne Kompensation entzogen werden und verliehen dem Beamten eine dem Eigentümer ähnliche Stellung. Als verfassungsrechtliche Sonderregelung gehe Art. 33 Abs. 5 GG zwar dem Art. 14 GG vor. Die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten seien durch Art. 33 Abs. 5 aber in gleicher Weise gesichert, wie sie es durch Art. 14 GG sein würden. 198 Von rechten Gründen" erfolgen dürfen, hielt das Gericht wohl für selbstverständlich, erwähnte es aber ausdrücklich in einer späteren Entscheidung (BVerfGE 18, 159/167. 194 BVerfGE 8, 1/13. 195 Sie wurde auch in der Folgezeit nicht nachgeholt, als sich die Bundesrepublik zu einem der reichsten Länder der Welt entwickelt hatte. 196 BVerfGE 16. 94: diese Bewertung wurde im politisch-parlamentarischen Raum allerdings nicht mehr revidiert, sondern bis heute fortgeführt. Vgl. Abschn. A. V. 197 BVerfGE 16.94/112/113/116. lOK BVerfGE 16. 94/114f.: st. Rspr. Für die vermögensrechtlichen Ansprüche der Soldaten hat das Gericht den auf den Kernbestand heschränkten Schutz des Art. 14 GG

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

147

der Verfassung garantiert werde allerdings nicht der gesetzlich geregelte Besoldungs- und Versorgungsanspruch in seiner vollen Höhe, sondern nur der Kern des standesgemäßen Unterhalts. 199 Den Gegenleistungs- und Äquivalenzcharakter der Beamtenbezüge betonte das Gericht noch stärker in seiner Entscheidung vom 11.4.1967 2 "Dienstbezüge, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung .... sind die vom Staat festzusetzende Gegenleistung des Dienstherm dafür, daß sich ihm der Beamte mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und gemäß den jeweiligen Anforderungen seine Dienstpflicht nach Kräften erfüllt. In diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn der Gesetzgeber selbst vom "erdienten" Ruhegehalt des Beamten spricht". In seiner großen "Beamtenkinder-Entscheidung" vom 30.3.1977 201 wiederholte das Gericht erneut seine 1953 getroffene Feststellung, daß es einen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf Erhaltung des Besitzstandes in Bezug auf ein einmal erreichtes Einkommen nicht gebe. Der Gesetzgeber könne die Bezüge ,jederzeit pro futuro" kürzen, solange sie nicht an der unteren Grenze einer amtsangemessenen Alimentierung lägen?02 Es gebe auch keinen hergebrachten Grundsatz, wonach der Beamte einen besonderen Anspruch auf ausreichende Alimentation seiner Kinder habe. Der Gesetzgeber könne daher den bisher gewährten beamtenrechtlichen Kinderzuschlag abschaffen und das allgemeine Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz auf den vom Dienstherm geschuldeten Lebensunterhalt anrechnen. 203 Für weitere wichtige Besoldungsbestandteile, wie das 13. Monatsgehalt, das Urlaubsgeld, die Vergütung für Überstunden, für Leistungszulagen, Beihilfen usw. verneinte das Gericht von vornherein den Schutz der Verfassung mit der Begründung, daß

°°.

anerkannt (aaO S. 116), obwohl es sicher nahe gelegen hätte, das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis der Soldaten ebenfalls unter Art. 33 Abs. 4 u. 5 GG zu subsumieren. 199 BVerfGE 16,94/115; st. Rspr. Kritisch hierzu Lecheier. wie AöR 1978. S. 370. S. ferner Abschn. A. IV. 200 BVerfGE 21, 329/344f. 201 BVerfGE 44, 249. Das Gericht hatte über die Verfassungsbeschw. von Beamten mit mehreren Kindern wegen unzureichender Besold. zu entscheiden. Es unterschied unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgebotes, daß die Bezüge von Beamten mit drei und mehr Kindern nicht den Mindestanforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG entsprachen. S. hierzu Unverhau, Das Bundesverfassungsgericht und die Beamtenkinder. ZBR 1981 S. 205. 202 BVerfGE 44, 249/263; daß eine Kürzung nur aus "sachgerechten Gründen" erfolgen dürfe, wurde vom BVerfG damals nicht ausdrücklich gefordert. Vgl. Abschn. A. VI. 2U3 BVerfGE 44. 249/268ff.: s. hierzu Abschnitt D. 11. 3. e). 10'

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C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

es für sie keinen zu beachtenden hergebrachten Grundsatz des Beamtenturns gebe. 204 In der Entscheidung vom 7.l.1981 205 zur Anpassung der Besoldung der

hessischen Richter im Zweiten Besoldungsvereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetz bekräftigte das Gericht seine bisherige Rechtsprechung und wies darauf hin, daß das Grundgesetz zwar dem Gesetzgeber die Beachtung wesentlicher Strukturprinzipien des Berufsbeamtenturns gebiete, ihm aber nicht die Möglichkeit nehmen wolle, grundsätzliche Neuregelungen zu verwirklichen. Würden bei der Harmonisierung des Besoldungsrechts zwischen Bund und Ländern besoldungsrechtliche Rechtsstände festgeschrieben, so würde eine einheitliche Neuordnung für lange Zeit vereitelt. "Zur Wahrung der Rechte der Betroffenen aus Art. 33 Abs. 5 GG genügte eine Besitzstandswahrung, wie sie dieses Gesetz durch Gewährung einer aufzehrbaren, aber an allgemeinen Besoldungserhöhungen teilnehmenden Überleitungszulage vorsieht.,,206 Mit dieser Aussage wird vom Gericht erstmalig anerkannt, daß der Beamte bei einer grundsätzlich von ihm hinzunehmenden Herabsetzung seiner Bezüge einen verfassungsrechtlich geschützten Ausgleichsanspruch aus Art. 33 Abs. 5 GG mindestens in Höhe der Bezüge hat, die ihm vor dem Eingriff bereits gezahlt wurden. Der garantierte Mindestausgleich entspricht zwar mit seiner Beschränkung auf die zur Zeit des Eingriffs flilligen Unterhaltsansprüche nicht dem Umfang des auferlegten Opfers, gleicht aber das dem Beamten im Interesse der Allgemeinheit abverlangte Sonderopfer wenigstens in Höhe der bereits erhaltenen Bezüge aus?07 Die genannte Klarstellung wurde in der weiteren Rechtsprechung allerdings nicht mehr erwähnt. In zwei kurz darauf ergangenen Entscheidungen vom 4.2.1981 208 zur Ver-

fassungsmäßigkeit der Überleitungsvorschriften des o.a. Gesetzes stützte das Gericht seine Auffassung, daß die Überleitung bestimmter Ämter die vorher erlangte Rechtsstellung nicht ausreichend berücksichtige, nicht auf die Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG, sondern auf die des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG. Die gewährte Überleitungszulage sichere in den fraglichen Fällen 204 BVerfGE 44, 249/263. Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, welcher Wert den mahnenden Worten des Gerichts beizumessen ist, daß die nach Maßgabe der Verfassung geschuldete Alimentierung keine dem Umfang nach beliebig variable Größe sei. die sich einfach nach den .. wirtschaftlichen Möglichkeiten" der öffentlichen Hand oder den politischen Dringlichkeitsbewertungen hinsichtlich der verschiedenen vom Staat zu erfüllenden Aufgaben oder nach dem Umfang der Bemühungen um Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips bemessen lasse. 2"; BVerfGE 55. 372/392f. 211h BVerfGE 55. 372. Leitsatz 2 und S. 395. 2117 Der Mindestausgleich liegt damit unter der Entschädigung, die nach Art. 14 Abs. 3 (j(j bei einem gesetzgeberischen Eingriff in private Vermögensrechte zu leisten wäre. 2'" BVerfGE 56.146/168 und 56.176/183.

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

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lediglich den Besitzstand im Zeitpunkt der Überleitung, nicht aber das erreichte, statusrechtlich herausgehobene Richteramt. Dies sei eine Benachteiligung und verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber den Richtern, die ihre erreichte Beförderungsstelle behalten hätten. Mit Beschluß vom 30.9.1987 209 entschied das Gericht über die Verfas-

sungsmäßigkeit der erweiterten Anrechnung von Renten auf Versorgungsbezüge im Zweiten Haushaltsstrukturgesetz,z1O Hielt es schon der Gesetzgeber im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichts für ratsam, nicht die Versorgungsbezüge auf die Renten, sondern umgekehrt die Renten auf die Versorgungsbezüge anzurechnen, so legalisierte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich diese Handhabung und die damit verbundenen Eingriffe in erworbene Versorgungsrechte,zll Den sozialversicherungsrechtlichen Rentenansprüchen aus dem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis wurde damit auch vom höchsten deutschen Gericht ein höherer Rang und Schutz zugebilligt als den beamtenrechtlichen Versorgungsansprüchen aus dem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Das Gericht betonte zwar auch hierbei wieder, von der Verfassung werde zwingend gefordert, daß der Beamte innerhalb des Beamtenverhältnisses rechtlich und wirtschaftlich abgesichert bleibe. Hierzu gehöre auch, daß die Unterhaltsleistungen vom Dienstherm selbst erbracht und nicht - auch nicht teilweise - durch Leistungen anderer Qualität ersetzt würden. 212 Tatsächlich ließ das Gericht aber zu, - daß die untere Grenze der amtsangemessenen Versorgung durch die Rentenanrechnung unterschritten wird; - daß die Versorgungsbezüge im Umfang der Kürzung nicht vom Dienstherm erbracht werden;213 daß die beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge im Umfang der Kürzung durch Leistungen anderer Art und Qualität, nämlich durch Renten, ersetzt werden. 214 Das Gericht versuchte dieses Ergebnis zwar dadurch zu rechtfertigen, daß es die gleichartigen Auszahlungsverfahren (aus öffentlichen Kassen) und allgemeinen Zielsetzungen (Sicherung des Lebensunterhalts im Alter) beider Ansprüche mit heranzog und dann zur Errechnung der Amtsangemessenheit die NVwZ 1988 S. 329, BVerfGE 76, 256. Die Anrechnung erfolgte in § 55 BeamtVG; vgl. Abschn. C. lII. 1. 211 Vgl. die ursprüngliche Bewertung der Versorgungsansprüche als .. Geldforderungen. die auf einer Fürsorgepflicht des Gemeinwesens" beruhen. 212 BVerfGE 76. 256/319f. 213 Die Rentenversicherungsanstalten sind zwar Körperschaften des öffentlichen Rechts, nicht aber Dienstherr der Beamten oder VersorgungsempHinger. m BVerfGE 76, 256 Leitsätze 2 bis 4 und S. 298ff. 209

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C. Oer Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

ungekürzte Rente einfach zu der gekürzten Beamtenversorgung hinzurechnete. 215 Da es hierbei die besondere Grundlage und Zweckbestimmung der beamtenrechtlichen Versorgung nicht berücksichtigte, ist die Auslegung fehlerhaft. 216 In der Entscheidung vom 15.5.1985 217 ging es um die Frage, ob die im Zweiten Haushaltsstrukturgesetz angeordnete Streichung des Waisengeldes 2l8 , soweit dieses ausnahmsweise noch nach Vollendung des 27. Lebensjahres gezahlt werden konnte, verfassungsgemäß war. Das Gericht fuhrte hierzu aus, daß der von der Verfassung geschützte Kernbestand des Unterhaltsanspruchs durch die Aufhebung der Ausnahmetatbestände nicht verletzt werde. Daneben prüfte das Gericht fur vorhandene Versorgungsempfanger noch eingehend, ob der Gesetzgeber über die von ihm fur die Weitergewährung des Waisengeldes eingeräumte Übergangsfrist von vier Monaten hinaus aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht eine weitergehende Übergangsregelung treffen hätte müssen. Zwar könne der Staatsbürger - so das Gericht - grundsätzlich nicht darauf vertrauen, daß eine fur ihn günstige gesetzliche Regelung in aller Zukunft bestehen bleibe. Wenn der Gesetzgeber jedoch in noch nicht abgeschlossene Rechtspositionen eingreife, dann könne das Vertrauen des Einzelnen in den Fortbestand der günstigen Regelung generell schutzwürdiger sein als das öffentliche Interesse an der Verkürzung des Anspruchs. Hier sei eine Interessenabwägung durch den Gesetzgeber erforderlich. 219 Bei der Abstimmung des Gerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung ergab sich im Senat Stimmengleichheit. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz wurde daher nicht festgestellt. 220 Die Entscheidung vom 22.3.1990 221 befaßte sich erneut mit der Angemessenheit der Besoldung von Beamtenfamilien mit mehreren Kindern. Das Gericht bestätigte die schon mit Beschluß vom 30.3.1977 festgestellte Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der Beamten in den allgemeinen Familienlastenausgleich unter Anrechnung auf die Beso1dung. 222 Es wiederholte dabei jedoch nicht mehr seine damalige Aussage, daß Sozialleistungen generell - also nicht nur das sozialrechtliche Kindergeld - auf die Besoldung angerechnet werden können. Das Beamtenverhältnis selbst charakterisierte das Gericht als "wechselseitig bindendes Treueverhältnis,,223. Es konkretisierte allerdings 215

216

m 1IX

m 2211 221

m ce,

NVwZ 1988 S. 333, 335f. S. Abschnitt O. 11. 3. e). OÖO 1985 S. 189; BVerfGE 50, 69ff. § 61 BeamtVG i.d.F. des Art. 2 § 1 Nr. 10 Buchst. a) des 2. HStrukG. OÖO 1985 S. 191f: BVerfGE 90. 69ff. § 15 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG. BVerfGE 81. 363. BVerfGE 44. 249. JZ 1990 S. 1128.

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

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nicht die sich hieraus für den Dienstherrn ergebenden Bindungen. Es leitete vielmehr aus den treurechtlichen Bindungen die Verpflichtung der Beamten ab, "auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung" selbst dann Rücksicht zu nehmen, wenn der Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise seine beamtenrechtlichen Unterhaltspflichten verletzt hat. 224 Das Gericht bezog diese Aussage zwar nur auf den Zeitraum der rückwirkenden Besoldungskorrektur zur Beseitigung eines verfassungswidrigen Zustandes. Es setzte damit aber Maßstäbe für die Auslegung des beamtenrechtlichen Treuebegriffs, mit denen die Treuepflichten des Dienstherrn geradezu umgekehrt und von diesem auf die Beamten abgewälzt werden. 225 3. Lehre

Das staatswissenschaftliehe Schrifttum hat sich weitgehend der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts angeschlossen, daß das Grundgesetz weder die wohlerworbenen Rechte der Beamten im Sinne der Weimarer Reichsverfassung noch die einmal erworbenen Unterhaltsansprüche in ihrer vollen summenmäßigen Höhe gewährleistet. 226 Es stimmte grundsätzlich der Meinung des Bundesverfassungsgerichts zu, daß von der Verfassung nur der Anspruch auf einen amtsangemessenen Unterhalt garantiert werde und der Gesetzgeber bei der Festlegung des Anspruchs eine weite Gestaltungsfreiheit habe. Nur rückwirkende Eingriffe in bereits fiillige Ansprüche dürfe er nicht vomehmen. 227 Anstelle einer Begründung wurde zumeist lediglich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen. Teilweise hiervon abweichend vertrat Ule 228 die Ansicht, der Grundsatz von der Unverletzlichkeit der wohlerworbenen Rechte gehöre im Hinblick auf Art. 129 Abs. 1 S. 3 WRV eindeutig zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Einschränkend fügte er jedoch hinzu, der Grundsatz habe für die Unterhaltsrechte dadurch wesentlich an Bedeutung eingebüßt, daß schon während der Geltung der Weimarer Verfassung ein wohlerworbenes Recht auf Fortzahlung der Bezüge nicht anerkannt worden sei, so daß eine

JZ 1990 S. 1128. Vgl. die Urteilsanmerkungen von Lecheier, JZ 1990 S. 1128 und von Summer. ZBR 1990 S. 300. 216 Z.B. LeibholziRink, Kom. z. GG, Anm. 6 u. 7 zu Art. 33; Hesse, Verfassungsrecht, Rdnr. 542; Seibert, 39 DJT, D 105. mit Ableitung aus Entstehungsgeschichte d. GG; Holtkotten, Kom. z. Bonner GG. Art. 131 S. 29; von Münch. Schick und Mayer. Dienstrechtsreform, Bd. 5 S. 108, 221. 609; Bruns. Beamtenrechte. S. 100. 227 Eingehend Bruns, Beamtenrechte, S. 108ff. 228 Ule, Dienstrechtsreform. Gutachten Bd. 5 S. 529. 224

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C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

Herabsetzung durch Gesetz habe erfolgen können. An dieser Rechtslage habe sich nichts geändert. Heyland 229 und andere Autoren betonen, daß nicht alle wohlerworbenen

Rechte vom Grundgesetz garantiert seien, wohl aber die Fundamental-, Grundoder Urrechte, die fur das deutsche Berufsbeamtenturn in seiner geschichtlichen Ausprägung wesensbestimmend seien. Ob zu den historisch gewachsenen Fundamentalrechten auch das Recht auf Unterlassung substantieller Eingriffe in die gesetzlich zugesicherte Unterhaltsleistungen gehört, wurde nicht beantwortet. Maunz/Dürig 230 lehnen fur die ziffernmäßige Höhe der Besoldung das

"Meistbegünstigungsprinzip" ab, das keine Herabsetzung der Besoldung zulasse, begründen dies aber mit der Möglichkeit von Währungszusammenbrüchen, also mit besonderen Ausnahmelagen, die auch in der Vergangenheit schon ein besonderes Notrecht des Staates begründeten. Wenig Aufschluß gibt auch ihr ausdrücklicher Hinweis, daß entscheidend allein die effektive Kaufkraft der Einkünfte sei?31 Im übrigen gehen sie davon aus, daß die vom Beamten "erdienten" Voraussetzungen für den Besoldungsanspruch nicht beeinträchtigt werden dürfen, wie etwa das Dienstalter, die lebenslange Anstellung usw. Forsthoff;!32 verneint ebenfalls eine Garantie des jeweiligen Höchstbestandes der Beamtenrechte. Er hält die SchlechtersteIlung der Beamten mit dem Bundesverfassungsgericht "an sich" für zulässig, fordert aber sachgerechte Gründe, ohne diese näher zu erläutern. 2r

Summer/Rometsch ' halten Besoldungsverschlechterungen durch Gesetz fur zulässig, sofern sie nicht aus fiskalischen Gründen erfolgen, sondern auf einer Verschlechterung der nonnalen wirtschaftlichen Verhältnisse beruhen. Nach Giese 234 sichern die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns dem einzelnen Amtsträger die traditionellen persönlichen subjektiven Rechte. Dennewitz/Jess235 hält, seit es in Deutschland Beamte gibt, die von ihnen erworbenen Unterhaltsansprüche in ihrer Substanz - also nicht nur in ihrem Heyland, Zur Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG, DÖV 1951 S.462. MaunzJDürig, Kom. z. GG, 6. Aufl. Rdnr. 69 zu Art. 33. 231 Soll dies bedeuten. daß eine Herabsetzung der Bezüge nur zulässig ist. wenn keine Minderung ihrer Kaufkraft damit verbunden ist? 232 Forsthoff, Dienstrechtsreform. Gutachten, Bd. 5 S. 62. 233 Summer/Rometsch, Alimentationsprinzip gestern und heute, ZBR 1981 S. 19. 23. Giese. Das Berufsbeamtenturn als Grundpfeiler des demokratischen und sozialen Rechtsstaates. NDBZ 1956 S. 133. m DennewitzJJess. Kom. z. Bonnt:r GG. Art. 131 S. 9 u. 16. 229

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III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

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Kern - fiir unantastbar. Dies sei als hergebrachter Grundsatz von der Verfassung anerkannt und garantiert. Ebenso hält Fischbach 236 den Grundsatz von der Unverletzbarkeit der er-

worbenen Beamtenrechte uneingeschränkt auf die erworbenen Unterhaltsrechte fiir anwendbar. Der Grundsatz sei Ausfluß der allgemeinen Eigentumsgarantie. Eingriffe in Unterhaltsrechte seien nur zulässig, wenn sie Ausdruck und Folge einer allgemeinen, alle Bevölkerungskreise umfassenden Wirtschaftsdepression von wesentlichen Ausmaßen seien. Rein finanziellen Erwägungen, weil sich etwa die öffentlichen Haushalte "hart am Rande des Defizits" befänden und eine andere Verteilung der Mittel zweckmäßig erscheine, dürfe nicht stattgegeben werden. Der Grundsatz der Besitzstandswahrung in diesem Sinne sei ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtenturns. Lecheler237 äußert sich kritisch zu der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, der Gesetzgeber könne die Beamtenbezüge fur die Zukunft bis zur Gewährleistung eines Kernbestandes, einer untersten Grenze der Alimentation, herabsetzen. Er weist auf die Gefahr hin, daß damit aus dem normalen amtsangemessenen Unterhalt leicht ein "hinreichender" oder gar "dürftiger" Unterhalt werden könne. Nach Leisner238 ist es ein Wesenselement der Alimentation der Beamten, daß die gesamte Alimentation kraft Verfassung in vollem Umfang unabdingbar ist. 239

Zu der vom Bundesverfassungsgericht unterlassenen Prüfung der Frage, ob eine Kürzung der noch nicht fälligen Unterhaltsrechte gegen die Treuepflichten des Dienstherm verstößt, hat auch die rechtswissenschaftliche Literatur bisher noch nicht näher Stellung genommen. Fast einhellige Zustimmung fand zwar der mehrfache Hinweis des Gerichts,240 daß das beamtenrechtliche Treueverhältnis beiderseitig oder gegenseitig ist, also nicht nur einseitig den Beamten zur Treue gegenüber seinem Dienstherm verpflichtet, sondern umgekehrt auch korrespondierende Treuepflichten des Dienstherm gegenüber dem Beamten begründet. 241 Fischbach, Kom. z. BBG, 1964 S. 12, 14, 16, 79. Lecheier, AöR 1978 S. 371. m Leisner, Sozialversicherungspflicht für Ruhestandsbeamte, Verantwortung und Leistung, Heft 5 S. 8. 239 Diese Aussage könnte sich allerdings auch nur auf die Verpflichtung des Dienstherrn beziehen, den Versorgungsempfanger ebenso wie den Beamten amtsangemessen zu alimentieren. 240 BVerfGE 9 268/286; 43 1541165; u.a. W Für viele Fischbach, Kom. z. BBG, 1957 S. 80f.; Lecheier, AöR 1978, S. 372; Mayer. Dienstrechtsreform, Bd. 5 S. 700. 236 237

154

C. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im Rückblick

Während nun die Treuepflicht der Beamten, insbesondere ihre politische Treuepflicht, im Schrifttum eingehend erörtert wurde,242 fehlen vertiefende Untersuchungen über die Treuepflicht der Dienstherrn. Soweit diese überhaupt angesprochen werden, beschränken sich die Verfasser zumeist auf die Feststellung, daß die Dienstherrentreue in der Verpflichtung zur besonderen Fürsorge gegenüber dem Beamten bestehe, wie sie in § 79 BBeamtG ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden habe?43 Im Bereich der Unterhaltsrechte konkretisiere sie sich in den gesetzlich gewährten Dienst- und Versorgungsbezügen. Erschöpft sich die Dienstherrentreue hiernach grundsätzlich in der besonderen Fürsorgepflicht, so wird von einigen Autoren dem beamtenrechtIichen Treueverhältnis ein selbständiger Rechtsgehalt gänzlich abgesprochen. Hoffmann 244 meint, das Treueverhältnis nach Art. 33 Abs. 4 GG habe keinen echten Gehalt mehr. Es beschränke sich auf die gewissenhafte Beachtung der Verfassung. Beni45 hält das Treueverhältnis für "entbehrlich", "bedeutungslos" und "überflüssig", weil "entweder eine weitgehende Normierung der daraus entstehenden Pflichten stattgefunden" habe oder längst überholte Vorstellungen damit verbunden seien.

Eine besondere Treuepflicht aus dem Beamtenverhältnis - hier allerdings bezogen auf die Beamten - wird ferner verneint von Däubler246 und Ramm247 • Handelt es sich bei den genannten Aussagen wohl weniger um verfassungsrechtliche Interpretationen, als um verfassungspolitische "Reform"-Vorstellungen, so ist für einige Autoren die beiderseitige Treuebindung nach wie vor das eigentliche, wesensbestimmende Merkmal des deutschen Berufsbeamtenturns. So ist fur Leisner248 die Treue "Wesenselement des Berufsbeamtenturns" und für Fischbach249 ein "absolut wesentliches Kriterium". 242 Z.B. Lecheier, Die Treuepflicht des Beamten - Leerformel oder Zentrum der Beamtenpflichten? ZBR 1972 S. 228. 243 Für viele: MaunzlDüriglHerzog, Kom. z. GG, Art. 33 Rdnr. 68; vgl. Lecheier, Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, ZBR 1972 S. 129. 244 Hoffmann, Beamte und Streik, AöR 1966 S. 141, 190. 245 Benz, Beamtenverhältnis u. Arbeitsverhältnis, 1969 S. 29. 246 Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 1970 S. 118. 247 Ramm, Das Koalitions- u. Streikrecht d. Beamten, 1970 S. 46. 248 Leisner, Demokratie, Selbstzerstörung einer Staatsform? 1978 S. 128. In seiner 1971 erschienenen Schrift über die Grundlagen des Berufsbeamtenturns hielt Leisner allerdings die Treuepflicht der Beamten und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn für kaum noch geeignet, Wesensmerkmale des Berufsbeamtenturns politisch überzeugend zu bezeichnen, da sie zu allgemein, übermäßig beansprucht und bereits zu sehr vom Arbeitsrecht übernommen seien (S. 11).

III. Der Bestandsschutz in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre

155

Nach Mayer250 macht das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis das Wesen des Beamtenverhältnisses aus. Wenn Art. 33 Abs. 4 GG die Dienstund Treuepflicht ausdrücklich herausstelle, so könne es sich nur um ein besonders qualifiziertes Treueverhältnis, eine gesteigerte Treueverpflichtung handeln. Nach MaunzlDüriglHerzog 251 müßte eine Beseitigung der Treue- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn das Beamtenverhältnis selbst beseitigen. Isensee 252 hält die Treuepflicht für den Inbegriff aller Pflichten aus dem Beamten verhältnis. Über das Verhältnis der Vermögensrechte der Beamten aus Art. 33 GG zur Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG finden sich im Schrifttum nur wenige dogmatische Ausführungen. In der Regel wird lediglich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiedergegeben und übernommen, daß Art. 33 Abs. 5 GG als lex specialis der allgemeinen Eigentumsgarantie vorgehe, der Beamte in seinem verfassungsgeschützten Kernbestand des Unterhalts dadurch aber ebenso gesichert sei, wie durch Art. 14 GG. 253 Eine Überprüfung dieser Rechtsprechung fordert Lecheler254, weil sie den Beamten einen geringeren Schutz gewähre, als ihn Art. 14 GG bieten würde. Nach Fischbach255 gilt auch für die Vermögensrechte der Beamten die allgemeine Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. . der K"urzung der gesetz I'lC h zugeslc . herKraush aar256 un d G'lese 257 se hen In ten Beamtenbezüge eine Enteignung. Unabhängig von den geschilderten Lehrmeinungen fehlen im Schrifttum Untersuchungen über die Frage, ob eine Rechtsprechung, die in den ersten Nachkriegsjahren zur Bewältigung von Kriegsschäden und Kriegsfolgen unvorstellbaren Ausmaßes entwickelt worden ist, auch nach einem beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg zu einer führenden Industrie- und Wohlstandsgesellschaft, d.h. unter gänzlich veränderten gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen, einfach unverändert beibehalten werden kann. Fischbach, Verhandlungen des 39. Deutschen Juristentages, D. 41. Mayer, Dienstrechtsreform, Bd. 5 S. 593, 596. 251 MaunzlDürig/Herzog, Kom. z. GG, Art. 33 Rdnr. 68. 252 Isensee in Handbuch des Verfassungsrechts von Benda/MaihoferlVogel, S. 1 179. 253 Zur Rechtsprechung s. Abschn. C. III. 2.; hierzu z.B. LeibholzIRink, Kom. z. GG, Art. 33 Anm. 7; Bruns, Beamtenrechte, S. 100; Thieme u. Mayer, Dienstrechtsreform Bd. 5 S. 391 u. 610. 254 Lecheier, AöR 1978 S. 370; vgI. auch Leisner, Sozialversicherungspflicht für Ruhestandsbeamte? in Verantwortung und Leitung, Heft 5 S. 18ff. 255 Fischbach, Kom. z. BBG, S. 677 FN I. 256 Kraushaar, ZBR 1954 S. 331. 257 Giese, JR 1954 S. 403. 249 250

D. Der Schutz der Unterhalts rechte durch das Grundgesetz im einzelnen I. Der Bestandsschutz durch das besondere Treueverhältnis I. Das Treueverhältnis als Wesensmerkmale des Beamtenverhältnisses

Nach Art. 33 Abs. 4 GG ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Der Verfassungsgeber hat sich damit zu der Notwendigkeit bekannt, einen besonders wichtigen Teilbereich der staatlichen Aufgaben, die vollziehende Gewalt, grundsätzlich nur Personen anzuvertrauen, die in einem besonderen, durch eine ausdrückliche Treuebindung gekennzeichneten Dienstverhältnis stehen. Zur Begründung wurde im Parlamentarischen Rat auf die damaligen Verhältnisse im Osten Deutschlands verwiesen, wo die kommunistischen Machthaber das Berufsbeamtenturn abgeschafft hatten. Zugleich wurde betont, daß die Gesetzmäßigkeit und parteipolitische Neutralität der Verwaltung am besten von Berufsbeamten gewährleistet werde, die eine innere Sicherheit und Unabhängigkeit besäßen. I Wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und der in Art. 33 Abs. 5 GG vorgeschriebenen Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns ergibt, handelt es sich bei dem genannten Dienst- und Treueverhältnis nicht um eine grundlegend neu zu schaffende Rechtsform des öffentlichen Dienstes, sondern um das traditionelle Beamtenverhältnis, wie es sich in der Geschichte des deutschen Berufsbeamtenturns seit langem herausgebildet und bewährt hat. Das beamtenrechtliche Treueverhältnis reicht - wie im Abschnitt B) aufgezeigt - in seinen entwicklungsgeschichtlichen Wurzeln zurück bis in das mittelalterliche Lehnswesen 2 und das germanische Gefolgschaftswesen 3 • Es ist damit seit über 2000 Jahren die Grundlage für die älteste dem Gemeinwohl dienende Institution in der deutschen Geschichte, das Berufsbeamtenturn .

I

2

S. Abschn. C. I. S. Abschn. C. 11. S. Abschn. C. III.

1. Der Schutz durch das besondere Treueverhältnis

157

Wenn der Verfassungsgeber hieran anknüpfte und für die vollziehende Gewalt in der Bundesrepublik wieder eine ausdrückliche Treuebindung forderte, so übernahm er keine antiquierten und überflüssigen Moralbegriffe aus der Vergangenheit, die nicht mehr in unsere modeme demokratische Gesellschaftsordnung passen. 4 Es trifft zwar zu, daß die im Treueverhältnis geforderte Treue in ihrer rechtlichen Bedeutung im Laufe der Zeit gesellschaftlichen und soziologischen Veränderungen unterworfen ist. In ihrem Bedeutungskern als feste Haltung in einer eingegangenen Bindung, auf die der andere vertrauen kann, ist sie jedoch für das geordnete Zusammenleben von Menschen in einer Gemeinschaft ein allzeit gültiger moralischer und rechtlicher Fundamentalwert. Die Bedeutung der Treue im Treueverhältnis ist dabei umso größer, je enger die moralische oder rechtliche Bindung in der Gemeinschaft ist und je mehr sie die Lebensgrundlagen und Daseinsbedingungen der Mitglieder der Gemeinschaft berührt. Die staatspolitische Notwendigkeit zur Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses als besonderes Treueverhältnis ergibt sich aus der besonderen Aufgabenstellung der Beamten, die für den ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug verantwortlich sind, und den ihnen hierzu anvertrauten staatlichen Machtbefugnissen. 5 Das Treueverhältnis ist somit funktional durch die Staatsaufgaben und nicht verfassungspolitisch durch die Staatsform bedingt. Dies gilt für den überwundenen monarchischen Staat der Vergangenheit in gleicher Weise wie fur die modeme Parteiendemokratie der Gegenwart. Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht für die Bundesrepublik festgestellt, daß das Berufsbeamtenturn in Anknüpfung an die deutsche Verwaltungstradition eine Institution ist, die "gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfullung, eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staats leben gestaltenden politischen Kräften darstellen soll,,6. Angesichts des treurechtlich nicht gebundenen Ehrgeizes der Politiker und der politischen Parteien, die nach der politischen Macht streben und häufig auch aus eigennützigen Gründen von den Bürgern gewählt werden wollen, kommt der Treuepflicht der Beamten sogar eine erhöhte Bedeutung zu. Sie gewährleistet grundsätzlich eine uneigennützige und unparteiische Amtsführung, verhindert einen Mißbrauch der Machtbefugnisse, garantiert Rechtssicherheit, schafft Vertrauen in den Rechtsstaat und sichert durch den Verzicht auf 4 S. Abschn. C. III. 3. Auch Ule hatte urprünglich das Treueverhältnis als Reminiszenz an den Fürstendiener bezeichnet, später aber seine Meinung geändert und auf die Bedeutung der Treuepflicht für das Beamtenverhältnis hingewiesen, s. Ule, Dienstrechtsreform, Bd. 5 S. 476ff. 5 S. hierzu Leisner, Legitimation des Berufsbeamtentums aus der Aufgabenerfüllung, S. 28; Isensee, Beamtentum - Sonderstatus in der Gleichheitsgesellschaft, ZBR 1988 s. 141 ff. 6 BVerfGE 7, 155/162.

158

D. Der Schutz der Unterhalts rechte durch das Grundgesetz im einzelnen

Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Interessen mit Arbeitskampfmaßnahmen sein jederzeitiges Funktionieren. Eine optimale ErfUllung der staatlichen Aufgaben kann durch eine treurechtliche Absicherung in der Verfassung allein allerdings nicht erreicht werden. Erforderlich ist vielmehr eine Rückbesinnung unserer Gesellschaft auf die Bedeutung der Treue für das Zusammenleben von Menschen in einer Gemeinschaft. Die Treue mit ihren Komponenten der Zuverlässigkeit, der Wahrhaftigkeit, der Beständigkeit und der Rücksichtnahme ist nicht nur eine der wichtigsten Säulen unserer Rechtsordnung als unserer gemeinschaftlichen Lebensund Werteordnung. 7 Sie ist auch Ausdruck der geistigen Kultur unserer Gesellschaft und aufs engste verbunden mit dem Umgang der Menschen miteinander und der Achtung der Menschenwürde in der Gemeinschaft. Eine Geringschätzung der Treuebindungen, wie sie heute in unserer Gesellschaft vielfach anzutreffen ist8 , fUhrt zwar zu einem Mehran persönlicher Freiheit und Ungebundenheit, zugleich aber auch zu einem Weniger an Uneigennützigkeit, Hilfsbereitschaft, Geborgenheit und Vertrauen. Eine rechtliche, soziale und kulturelle Verarmung unserer Gesellschaft ist die zwangsläufige Folge. Notwendig ist daher eine Neubesinnung auf die unverzichtbaren Werte der Treue für das Zusammenleben von Menschen. Sie sollte umso eher möglich sein, als die Treue in der deutschen Geschichte jahrhundertelang als typisch deutsche Nationaltugend gegolten hat. 2. Der TreuebegrifT im Beamtenverhältnis

a) Die Treue im allgemeinen Sprachgebrauch Seiner Herkunft nach ist das Wort Treue und sein Adjektiv treu gemeingermanisch. Es stammt ab vom gotischen triggws und dem altnordischen tryggr, die treu, vertrauensvoll und wahr bedeuten, dem dänisch-norwegischen tryg, d.h. sicher, ruhig sowie dem westgermanischen treouwe und dem althochdeutschen triu in der Bedeutung von treu, vertrauenswürdig, zuverlässig. 9 Etymologisch steht das Wort im Zusammenhang mit der Eiche bzw. dem Baum (gotisch triu), was auf die Grundbedeutung von (baum)stark, fest und dauernd hinweist. Zugrunde liegt hierbei die indogermanische Wurzel deru oder dreu, die über das germanische traw und ~rau und das gotische trausti 7 3

Vgl. Coing, Rechtsphilosophie, S. 146ff.

l.B. in den nichtehelichen Lebensgemeinschaften oder bei Verfehlungen gegen

die eheliche Treue. 9 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Stichwort treu und Treue, Spalte 243f. und 282ff.

1. Der Schutz durch das besondere Treueverhältnis

159

(Vertrag, Bündnis) zum altfränkischen trust(is) (Treueverhältnis) und zum deutschen treu, trauen, vertrauen und Trost fiihrt. IO In Anlehnung an die Funktion im frühen Mittelalter erhielt das Wort im religiösen Bereich die Bedeutung von "Bund zwischen Gott und den Menschen" und wurde dort sogar als Synonym fiir Glaube (Glaubenstreue) und den Glauben an Gott gebraucht. 11 Im weltlichen Bereich ist die älteste überlieferte Anwendung die gegenseitige Mannestreue in der germanischen Gefolgschaft. 12 In vorliterarischer Zeit hatte das Wort Treue nach den sprachwissenschaftlichen Forschungen die Bedeutung "gegenseitige feste Abmachung" oder "Vertrag auf Grund eines Treueversprechens" bzw. "Bündnis". Im hohen und späten Mittelalter wurde das Wort als Charaktereigenschaft zum Kembegriff der ritterlichen Tugenden und zum ritterlich-höfischen Standesideal. 13 Durch die breite gesellschaftliche Anerkennung wurde die Treue in der Psychologie der Völker als "deutsche Treue" zur herausragenden Nationaleigenschaft der Deutschen. 14 In der Neuzeit verlor der Begriff mit der zunehmenden Profanisierung der Lebensverhältnisse einen Teil seiner gesellschaftlichen Wertschätzung und seines ethischen Gehalts. 15 In den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts wurde im Zuge der Propagierung der "sexuellen Aufklärung" der Bevölkerung und der neuen "Selbstverwirklichung" des einzelnen die Treue fiir wichtige Lebensbereiche wie die Ehe vielfach sogar als hinderlich und schädlich bezeichnet und als spießbürgerlich, lebensfremd, antiquiert usw. diskreditiert. In jüngster Zeit scheint allerdings die Erkenntnis wieder zu wachsen, daß ohne die bindende Kraft der Treue ein friedliches Zusammenleben von Menschen in einer Gemeinschaft auf Dauer nicht möglich ist und daß auch ein Gemeinwesen langfristig ohne sie nicht bestehen kann. In den neueren Nachschlagwerken wird das Wort Treue als "feste Haltung in einer eingegangenen Bindung, auf die der andere vertrauen kann,,16 oder als "Tugend der Beständigkeit im sittlichen Leben, der Zuverlässigkeit ... und als

Grimm, Deutsches Wörterbuch, Stichwort Treu, Sp. 244. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Stichwort Treue, Sp. 286. 12 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Stichwort Treue, Sp. 286. 13 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Stichwort Treue, Sp. 286. I~ Trübner, Deutsches Wörterbuch, Stichwort Treue, S. 114. Vgl. Hoffmann v. Fallersleben, Ges. Werke, Bd. 3 S. 233: "Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang". 15 Vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Stichwort Treue, Sp. 287. I" Brockhaus, Enzyklopädie, Stichwort Treue. 10 11

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D. Der Schutz der Unterhalts rechte durch das Grundgesetz im einzelnen

feste Haltung in einer eingegangenen (versprochenen) Bindung ... ,,17 erläutert oder als "beständige Gesinnung, die an einmal eingegangenen Verpflichtungen festhält,,18 beschrieben. Anstelle einer Person, der die Treue gilt, können im allgemeinen Sprachgebrauch auch bestimmte Begriffe oder Ideale treten, wie die Heimat, der Staat, das Gesetz oder die Pflicht. 19 Im weiteren Sinne wird das Wort auch auf das Verhalten oder die Eigenschaft von Tieren übertragen, wie von Hunden oder Pferden. 20 Die reichhaltigen Anwendungsformen des Treuebegriffs im deutschen Sprachraum 21 und seine ethische Tiefe machen es erforderlich, seine inhaltliche Tragweite im konkreten Anwendungsfall jeweils im einzelnen zu erschließen. Dies gilt insbesondere auch für die rechtliche Anwendung als Rechtsbegriff im Beamtenrecht. b) Die Treue im Beamtenverhältnis Mit der Einbeziehung der Treue in das "Dienst- und Treueverhältnis" als Rechtsverhältnis wurde der Treuebegriff zum Rechtsbegriff, mit der Aufnahme in die Verfassung auch zum Verfassungsbegriff. Als Rechts- und Verfassungsbegriff ist sie Bestandteil einer Rechts- und Verfassungsnorm, die normspezifische Rechte und Pflichten begründet. Als Verfassungsbegriff ist sie zugleich Regelungsauftrag und Grenze für den Gesetzgeber sowie Prüfungsrahmen und Maßstab für die Feststellung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Einzelakten des Dienstherrn. Die Treue ist dabei rechtsdogmatisch ein Wesensbegriff, der ein bestimmtes soziales Verhalten seinem Wesen nach umschreibt. 22 Sie ist zugleich ein Wertbegriff, dem ein ethischer Fundamentalwert im Zusammenleben von Menschen in einer Gemeinschaft zugrunde liegt. 23 Der ethische Wert besteht in einem bestimmten, durch sittliche Normen geprägten Verhalten, das von dem Treuepflichtigen im Treueverhältnis gefordert wird. Das treurechtlich geforderte Verhalten, d.h. der normative Gehalt des Treuebegriffs im BeamtenverMeyer, Enzykl. Lexikon, Stichwort Treue. Duden, Bedeutungswörterbuch, Stichwort Treue. 19 Trübner, Deutsches Wörterbuch, Stichwort Treue, S. 115. 20 Wie FN 19. 21 Das Deutsche Wörterbuch von Grimm enthält zum Stichwort treu mit seinen verschiedenen Anwendungsformen nicht weniger als 78 Seiten oder 156 Spalten. 22 Wesensbegriffe geben nach Coing, Rechtsphilosophie, S. 271, das Wesen des gemeinten Gegenstandes wieder; vgl. auch Abschn. D. 1. 23 Coing, wie FN 22; die Ethik ist nach dem großen Brockhaus, Stichwort Ethik, der Teil der Philosophie, der sich mit dem Gebiet des Sittlichen befaßt. 17

18

I. Der Schutz durch das besondere Treueverhältnis

161

hältnis, erschließt sich dabei in erster Linie aus seiner geschichtlichen Entstehung, Weiterentwicklung und Tradition. 24 Dies gilt jedenfalls für den Kernbestand der Treuepflichten, die in ihrer Ableitung aus ethischen Grundnormen auf einer zeitlosen Ordnung der Werte im menschlichen Zusammenleben beruhen. Anders als bloße Sitten oder Gewohnheiten unterliegen sie nicht dem sich verändernden Zeitgeist oder wechselnden Ideologien und Meinungen. Die Normen des Sittengesetzes "gelten unabhängig davon, ob diejenigen, an die sie sich mit dem Anspruch auf Befolgung wenden, sie wirklich befolgen und anerkennen oder nicht. Ihr Inhalt kann sich nicht deshalb ändern, weil die Anschauungen über das, was gilt, wechseln,,25. Diese Feststellung des Bundesgerichtshofs gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich sittliche Normen und Sollenssätze zu Rechtsnormen und Rechtspflichten verfestigt haben. Für die Konkretisierung der beamtenrechtlichen Treuepflichten gilt daher in ganz besonderem Maße die ausdrückliche Festlegung und KlarsteIlung des Verfassungsgebers, daß bei der Regelung des Beamtenrechts - und damit auch bei der Auslegung und Anwendung - die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns zu berücksichtigen sind (Art. 33 Abs. 5 GG).26 c) Die Gegenseitigkeit der Treuepflicht Das beamtenrechtliche Dienst- und Treueverhältnis ist ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis besonderer Art, durch das der Beamte zur Leistung besonderer Dienste für die Allgemeinheit, der Dienstherr zur Gewährung eines angemessenen Unterhalts auf Lebenszeit und Beamter und Dienstherr gemeinsam zur gegenseitigen Treue verpflichtet werden. "Die beamtenrechtliche Treuepflicht ist wechselseitig".27 Treue wird im Beamtenverhältnis nicht nur einseitig vom Beamten geschuldet, sondern nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit auch vom Dienstherm. Es gilt der althergebrachte Rechtsgrundsatz: Treue um Treue. Treue muß mit Treue vergolten werden. Die Diensthermtreue ist also eine Reflexwirkung der Mannes- bzw. Beamtentreue. Sie steht der vom Beamten geforderten Treue in der Rolle einer Bedingung geS. Abschn. B. I - 111. BGHStr. Bd. 6 S. 46ff. bei der Auslegung des .. eine Bewertung fordernden Begriffs der Unzucht". 26 Zur Rechtsprechung des BVerfG. das bei .,besonders wesentlichen" hergebrachten Grundsätzen nicht nur deren Berücksichtigung, sondern auch deren Beachtung !'ordert, siehe Lecheier. AöR 1978 S. 363. 27 BVerfGE 34, 154/165: BVerwGE 40. 212/218: h.M.: für viele Lecheier. AöR. 1978, S. 372, und Die Treuepflicht des Beamten, ZBR 1972, S. 229: Fischbach. Kom. z. BBG, S. 81. 682: Mangold/Klein, Kom. z. Banner GG. S. 816: Stern. Berufsbeamtenturn, in Festschrift f. Ule, S. 201. FN 59. 24

2;

11 Milller

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

genüber. 28 Erst die Gegenseitigkeit der Treueverpflichtung macht aus dem gegenseitigen Dienstverhältnis ein beamtenrechtliches Treueverhältnis?9 Das gegenseitige Treueverhältnis dürfte das Bundesverfassungsgericht auch gemeint haben, wenn es ausführt: "Das Eigentümliche des Beamtenverhältnisses liegt darin, daß es die Beteiligten je in umfassender Weise rechtlich in Anspruch nimmt... Die wechselseitigen Ansprüche unterscheiden sich ihrer Art nach vom Anspruch auf Leistung und Gegenleistung innerhalb des entgeltlichen Arbeits- und Angestelltenvertrages und stehen sich vor allem in anderer Weise gegenüber, als sich Leistung und Gegenleistung im entgeltlichen Arbeits- und Angestelltenvertrag gegenüberstehen.,,30 Die traditionelle Treuepflicht des Dienstherrn wurde auch nicht dadurch gemindert, daß die Dienstherrn-Stellung im Verlaufe der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung vom Monarchen als ursprünglich alleinigem Inhaber der Herrschaftsgewalt auf den Staat als selbständige Rechtspersönlichkeit, vertreten durch den Monarchen (als ersten Diener des Staates) überging und später in der konstitutionellen Monarchie zunächst teilweise und im republikanischen Staat dann vollständig auf andere Staatsorgane übertragen wurde. 3l

Die Entwicklung vom Fürstendiener zum Staatsdiener und vom monarchischen zum republikanischen Staat änderte lediglich das Bezugsobjekt der Dienstherrn-Treue, nicht aber den Inhalt der Treuepflicht. Die personalen Treuepflichten des Monarchen gingen also im gleichen Umfang auf den Staat und seine späteren Organe über, in dem sie bereits den Monarchen verpflichtet und seine Herrschaftsrechte beschränkt hatten. Dies gilt insbesondere auch für die Beschränkung und den Übergang seiner Herrschaftsrechte als Gesetzgeber auf das Parlament. 32

Von der Weimarer Reichsverfassung wurden die Treuepflichten des Dienstherrn jedenfalls anerkannt, als die "wohlerworbenen Rechte der Beamten" von ihr für unverletzlich erklärt wurden. 33 Die genannten Rechte durften somit auch vom Gesetzgeber nicht geschmälert werden. Und das Grundgesetz gewährleistet nicht nur das Beamtenverhältnis als "Dienst- und Treueverhältnis", sondern es verpflichtet den Gesetzgeber gleichzeitig, bei der Regelung des Beamtenrechts die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns - also auch der treurechtlichen - zu berücksichtigen. 34 Vgl. Mitteis. Lehnrecht, S. 81, 536: Ganshoff. Lehnswesen. S. 98. Vgl. Lecheier. AöR 1978 S. 382[" und Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn - Eigenständiges Rechtsinstitut oder Brücke zum Arbeitsrecht? ZAR 1972 S. 129ff. 30 BVerGE 44. 249/264. 31 S. Abschn. B. V. - VII. 32 Vgl. Abschn. B. V. - VII. .'-' Art. 129 Abs. I Satz 3 WRV. s. oben S. 78. 34 Art. 33 Abs. 4 und 5 GG. s. oben Abschn. C. I. 2S

29

I. Der Schutz durch das besondere Treueverhältnis

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d) Die Treuepflicht als Hauptpflicht Wie sich bereits aus den Ausführungen über den Schutz der Unterhaltsrechte in der Geschichte und über das Treueverhältnis als Wesensmerkmal des Beamtenverhältnisses in Verbindung mit der Gegenseitigkeit der Treue 35 ergibt, ist die Treuepflicht sowohl für den Beamten als auch für den Dienstherrn eine Grund- oder Hauptpflicht aus dem Beamtenverhältnis. Sie gehört als "hergebrachter Grundsatz" nicht nur zum Kembestand der Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums. 36 Sie ist vielmehr seit dessen Entstehung die Grundlage und das Zentrum aller Pflichten aus dem Beamtenverhältnis. 37 Sie ist auch heute noch - wie Mitteis es ausgedrückt hat - der Urgrund aller Einzelpflichten. 38 Von ihr werden alle Einzelpflichten überlagert, beherrscht und verstärkt. Die Treuepflicht als Hauptpflicht unterscheidet sich dabei erheblich von der Treuepflicht als Nebenpflicht, wie sie im Vertragsrecht bei der Erfüllung vertraglich vereinbarter Leistungen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gefordert wird. 39 Der Treu- und Glaubensgrundsatz regelt lediglich die Art und Weise der Ausübung von Rechten und der Erfüllung von Pflichten. Er bezieht sich aber nicht auf den Inhalt und Bestand des Anspruchs. Er ist eine Innenschranke des Rechts, hat aber keinen eigenständigen Rechtsgehalt. Dies gilt auch für die wechselseitigen arbeitsvertraglichen Treuepflichten. Sie ergeben sich ebenfalls als Nebenpflichten aus dem vertraglichen Erfüllungsanspruch, wie er nach § 242 BGB auszulegen ist. 40

S. oben Abschn. B. u. B. I. I. mit I. 2. c). BVerfGE 43, 134/165; 40, 212/218. 37 Vgl. Lecheier, Die Treuepflicht der Beamten - Leerformel oder Zentrum der Beamtenpflichten? ZBR 1972 S. 228ff. 3~ Mitteis, Lehnrecht, S. 59. 39 § 242 BGB. 40 So BAG, Urt. v. 5.3.68, A. P. Nr. 6, § 611 BGB: zitiert nach Lecheier. ZBR 1972 S. 233; dort auch ausführliche Behandlung der Abgrenzung der beamtenrechtlichen von der arbeitsrechtlichen Treuepflicht. 3;

36

11"

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

11. Der Schutz der Unterhaltsrechte als Treuepflicht des Dienstherrn 1. Unter1assungs- und Handlungsptlichten

Die sich aus der Treue ergebenden Verpflichtungen des Dienstherrn bestehen einmal in Unterlassungspflichten und zum anderen in Handlungspflichten. 41 Die Unterlassungspflichten sind negative Pflichten und fordern ein negatives Verhalten oder Nichttun. Die Handlungspflichten sind positiver Natur und verlangen ein aktives Handeln oder Tun. 42 2. Echte und unechte Unter1assungsptlichten

Die Unterlassungspflichten lassen sich einteilen in echte oder selbständige Unterlassungspflichten und in unechte oder unselbständige Unterlassungs· hten. 43 Pfl lC Die echten Unterlassungspflichten sind die eigentlichen, kraft der Treue geschuldeten Unterlassungspflichten. 44 Die Unterlassung oder das "etwas Nichttun,,45 ist bei ihnen der primäre Leistungsinhalt. 46 Sie verpflichten den Dienstherrn als Treugeber, alles zu unterlassen, was dem Beamten als Treunehmer schadet. 47 Sie sichern die sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Rechte des Beamten unmittelbar vor Verschlechterungen und Eingriffen durch den Dienstherrn. Sie gewährleisten das Minimum an rechtlich geschuldeter Treue und das Mindestmaß an rechtsstaatlich notwendigem Schutz. Sie schließen die Berufung des Dienstherrn auf seine Gesetzgebungsgewalt und sein Leistungsbestimmungsrecht aus. Die unechten Unterlassungspflichten verpflichten den Dienstherrn, alles zu unterlassen, was seine eigene Leistungsfiihigkeit im Hinblick auf seine treu41 Vgl. Engisch, Juristisches Denken, S. 17ff., Palandt, Kom. z. BGB, § 242 Rdnr. 23-25,27. 42 Nach Engisch, S. 21, sind Pflichten ein ,,sichverhaltensollen". 43 Vgl. Palandt, Kom. z. BGB, § 242 Rdnr. 23-25, 27, 35; Mitteis, Lehnrecht, S. 48.53.531. 44 Mitteis. Lehnrecht. S. 48. 4; Engisch, Juristisches Denken, S. 18. 40 Mitteis. Lehnsrecht. S. 48: vgl. Lecheier, Treuepflicht, S. 231 zum eigenständigen Inhalt der Treuepflicht. 47 Mitteis und Palandt. wie FN 43.

11. Der Schutz der Unterhaltsrechte als Treuepflicht des Dienstherrn

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rechtlichen Verpflichtungen aus dem Beamtenverhältnis beeinträchtigen oder gefährden könnte. 48 Der Dienstherr darf sich also z.B. nicht selbst in eine Lage versetzen, die seine Zahlungsfähigkeit bei seinen beamtenrechtlichen Unterhaltsverpflichtungen in Frage stellt. 49 Die unechten Unterlassungspflichten schützen die jeweiligen Rechte der Beamten daher nur mittelbar. Die Unterlassung ist bei ihnen nur sekundärer Leistungsinhalt. 50 Zu den echten Unterlassungspflichten verhalten sie sich "wie die Schale zum Kem,,51 oder wie die Hülle zum Inhalt. Es handelt sich hier um Verpflichtungen, deren Verletzung im Schuldrecht unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung erfaßt und abgehandelt wird. 52 In der historischen Entwicklung des Treueverhältnisses sind die Unterlassungspflichten der Keim und der Ausgangspunkt aller Treuepflichten. 53 Sie sind der älteste rechtliche Inhalt der Treuepflicht. Sie entstanden mit der Ausbildung des Lehnrechts und dienten ursprünglich dem Schutz des Treunehmers vor Angriffen des Treugebers gegen sein Leben, seine Freiheit, seine Ehre und sein Eigentum. Zum geschützten Eigentum gehörte auch das dingliche Nutzungsrecht des Vasallen am Lehngut. 54 Aus den lehnrechtlichen Unterlassungspflichten zum Schutz der Vasallenrechte erwuchsen die Anfänge rechtsstaatlicher Garantien. 55 Mit der zunehmenden Ausbildung des Rechtsstaates und der Gewährleistung der Persönlichkeits-, Freiheits- und Eigentumsrechte fur alle Bürger beschränkten sich die treurechtlichen Unterlassungspflichten auf die vertraglich und später gesetzlich zugesicherten Beamtenrechte aus dem Beamtenverhältnis. Ihren verfassungsrechtlichen Niederschlag fanden die Unterlassungspflichten des Dienstherm vor allem in der Gewährleistung der erworbenen Beamtenrechte im Reichsdeputationshauptschluß von 1803 und in der Bayerischen Hauptlandespragmatik von 1805 sowie in der Garantie der Unverletzlichkeit der wohlerworbenen Rechte in der Weimarer Reichsverfassung 56 . Die treurechtlichen Unterlassungspflichten des Dienstherm gelten bis heute unverändert fort. 57 Sie wurden insbesondere nicht dadurch aufgehoben, daß

4&

32ff. 49 50

51

52

;3 ;4 5; 56

57

Vgl. Mitteis, Lehnsrecht, S. 48 und Palandt, Kom. z. BGB, § 242 Rdnr. 24ff. u. Vgl. Clemens. ZBR 1985 S. 28; Mitteis, Lehnrecht, S. 48, 53f. Mitteis. Lehnsrecht, S. 48. Mitteis, Lehnsrecht, S. 48. Vgl. Mitteis, Lehnsrecht. S. 48 und Palandt. Kom. z. BGB, § 276 Anm. 6 und 7. Mitteis, Lehnrecht. S. 531. Mitteis, Lehnrecht. S. 115. Mitteis, Lehnrecht. S. 82, 159, 161. S. Abschn. B. V. - VII. Vgl. Fischbach, Kom. z. BGB. Anm. 111 zu § 79.

166

D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

der Parlamentarische Rat den Schutz der wohlerworbenen Beamtenrechte nicht mehr in das Grundgesetz aufgenommen hat. Wie bereits in den Abschnitten über die Nachkriegsentwicklung und die Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 4 und 5 GG ausgeführt, entstand das Grundgesetz in einer Zeit, die durch die vollständige Zerschlagung des Reiches und der staatlichen Ordnung, durch Besatzungsmächte, Besatzungszonen und Besatzungsrecht, durch unermeßliche Kriegszerstörungen und Kriegsschäden, durch den Verlust großer deutscher Gebiete im Osten, durch umfangreiche Reparationen und Demontagen, durch den totalen Zusammenruch der Wirtschaft, durch millionenfaches Flüchtlingselend und die existentielle Not weiter Bevölkerungskreise sowie durch viele weitere Merkmale einer Zusammenbruchgesellschaft gekennzeichnet war. 58 Die politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Folgen und Auswirkungen für die neu aufzubauende Bundesrepublik waren noch unübersehbar. Daß bei dieser Ausgangslage, die in der Geschichte ohne Beispiel ist, der Verfassungsgeber die wohlerworbenen Rechte der Beamten nicht für unantastbar erklären konnte, liegt auf der Hand. Die Verfassung konnte die einmal erworbenen Beamtenrechte umso weniger in ihrem rechtlichen Bestand gewährleisten, als viele Beamte durch die Nachkriegsereignisse ihren Dienstherrn und ihr Amt verloren hatten. Hinzu kam, daß sich auch bei den damals noch bestehenden Dienstverhältnissen die ursprüngliche "Geschäftsgrundlage" durch den geschilderten Zusammenbruch des staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungsgefüges wesentlich verändert hatte. Die bis dahin erworbenen Beamtenrechte unterlagen daher jedenfalls nicht mehr dem vollen treurechtlichen Schutz der bisherigen Beamtenverhältnisse. Die Einschränkung des Schutzes, die in der Beschränkung auf die institutionelle Garantie des Berufsbeamtenturns zum Ausdruck kam, galt nach ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinngehalt allerdings nur für Beamtenrechte, die bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes erworben wurden und die der Gesetzgeber in der Bundesrepublik nicht anerkannt und übernommen hat. Nur für sie galt, daß bei ihrer Begründung sowohl die Kriegsfolgelasten als auch die finanziellen Verpflichtungen und Möglichkeiten der neuen Bundesrepublik noch nicht berücksichtigt werden konnten. Nur für die Inhaber derartiger Rechte war ein Artikel 131 im Grundgesetz mit dem Auftrag an den Gesetzgeber erforderlich, die Rechtsverhältnisse der Beamten zu regeln, die beim Zusammenbruch des Reiches im öffentlichen Dienst standen und aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen ausgeschieden sind. Nur aus ihrem Personenkreis konnten nach Artikel 132 GG Beamte binnen sechs Monaten nach dem ersten Zusammentritt des Bundestages in den Ruhestand oder Wartestand oder in ein 'x

S. oben Abschnitt B. IX. u. C. I.

H. Der Schutz der Unterhaltsrechte als Treuepflicht des Dienstherrn

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niedriger besoldetes Amt versetzt werden, wenn ihnen die persönliche oder fachliche Eignung für ihr Amt fehlte. Für die Beamtenverhältnisse in der Bundesrepublik hat das Grundgesetz sich ausdrücklich wieder zur Notwendigkeit der Treuebindung bekannt. Die Festlegung als Treueverhältnis ist nicht nur eine Anweisung an den Gesetzgeber, sondern unmittelbar geltendes Recht. 59 Die Treuebindung bedeutet für den Dienstherm, daß die in der Bundesrepublik erworbenen Beamtenrechte wieder uneingeschränkt seiner treurechtlichen Unterlassungspflicht unterliegen. Als negative Komponente der Treue ist die Unterlassungspflicht nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil und ein unverzichtbares Element der Treuepflicht. Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, daß es "wohlerworbene Rechte", die dem Gesetzgeber gegenüber verbindlich wären, "nur auf Grund einer positiven verfassungsrechtlichen Bestimmung geben" könne60, trifft nicht zu. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man, wie das Gericht, unter einer positiven Bestimmung eine ausdrückliche Regelung versteht, wie sie in Art. 129 Abs. 1 S. 3 WRV enthalten war. Das Gericht verkennt hierbei einmal, daß auch diese Regelung - wie die historische Entwicklung zeigt - , nicht rechts begründend wirkte, sondern lediglich klarstellende Bedeutung hatte. Und es verkennt ferner, daß die vermißte positive Regelung in der verfassungsrechtlichen Verankerung des Beamtenverhältnisses als Treueverhältnis liegt. Damit ist aber auch die weitere Auffassung des Gerichts nicht mehr haltbar, der Gesetzgeber könne "für die Zukunft aus sachgerechten Gründen und unter Beachtung des Grundsatzes der Alimentationspflicht .... die Bezüge der Beamten herabsetzen.,,61 Das Gericht trifft seine Feststellung als Ergebnis einer Prüfung der Frage, ob ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtenturns im Sinne des Artikels 33 Abs. 5 GG die Unterhaltsansprüche der Beamten vor Eingriffen des Gesetzgebers schützt. Es stützt seine Auffassung dabei auf die Gesetzgebung und Rechtsprechung in der Weimarer Republik und hält es für allein entscheidend, "daß ein Grundsatz, der Gesetzgeber habe ein Recht des Beamten auf eine summenmäßig bestimmte Gehaltsforderung zu beachten, weder befolgt wurde, noch daß seine Beachtung vom Gesetzgeber beabsichtigt war.,,62 Das Gericht übersieht hierbei, daß es sich bei der fraglichen Gesetzgebung und Rechtsprechung ausschließlich um eine Notgesetzgebung und NotrechtspreVgl. BVerfGE 9. 268. für Art. 33 Abs. 5 GG. BVerfGE 3, 288/320. 61 BVerfGE 18. 159/167: st. Rspr.: s. Abschn. A. III. u. C. III. 2. 62 BVerfGE 8. 1/13. Das RG hatte im übrigen ausdrücklich entschieden. daß der Beamte einen Anspruch auf Fortgewährung der Bezüge in der einmal auf Grund der Besoldungsgesetzgebung erworbenen Höhe hat (besonders RGZ 134. 1/12 und 143. 77/80). 59 60

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

chung gehandelt hat, die durch die damalige Weltwirtschaftskrise bedingt war und wirtschafts- und sozialpolitische Extremverhältnisse widerspiegelte. 63 Allein schon die Anormalität dieser Verhältnisse hätte das Gericht davon abhalten müssen, sie zum Maßstab flir die Bejahung oder Verneinung eines hergebrachten Grundsatzes auf dem Gebiet des Unterhaltsrechts zu machen. Die statt dessen hier maßgebende Frage nach dem Inhalt der Treuepflicht des Dienstherm und ihren Auswirkungen auf den Gesetzgeber wurde vom Bundesverfassungsgericht bisher nicht näher untersucht. 3. Konkretisierung der Unterlassungspflichten

a) Schutz nur flir Rechte aus dem Beamtenverhältnis Verpflichtet der treurechtliche Unterlassungsgrundsatz den Dienstherm dazu, alles zu unterlassen, was dem Beamten schadet, so bedarf der allgemeine Grundsatz im Hinblick auf die Unterhaltsrechte des Beamten der Konkretisierung. Die Unterlassungspflicht bezieht sich nur auf Unterhaltsrechte, die ihre Grundlage im Beamtenverhältnis haben. 64 Treurechtlich nicht geschützt sind finanzielle Leistungen des Staates, die dem Beamten nicht in seiner Eigenschaft als Beamter und als Gegenleistung flir seine Dienste zustehen, sondern die alle Bürger im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge erhalten können, wenn sie die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen erflillen. Hierzu gehören z.B. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung,65 Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgeseti6 oder Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz. Die Unterlassungspflicht schützt nur Rechte und Rechtspositionen aus dem Beamtenverhältnis. Sie schützt nicht bloße Möglichkeiten, Hoffnungen, Erwartungen oder Aussichten, wie die Möglichkeit der Ernennung zum Beamten, die Hoffnung auf eine allgemeine Gehaltserhöhung, die Erwartung einer Höherbewertung des Amtes oder die Aussicht auf eine Beförderung. 67 Unter den Schutz der Unterlassungspflicht fallen die aus dem Beamtenverhältnis erworbenen Unterhaltsrechte. 68 Erworbene Unterhaltsrechte sind die subjektiven Rechte und Ansprüche auf Unterhalt, die durch die Ernennung und Siehe Abschnitt B. VII. Vgl. Bruns. Beamtenrechte, S. 32. 65 S. Abschn. C. 11 I. I. u. 2. 66 S. Abschn. C. 111. I. u. 2. 67 Vgl. Bruns. Beamtenrechtc. S. 31 und Palandt. Kom. z. BGB. Überbl. vor § 903 Rdnr.9. 6X Vgl. die .. wohlerworbencn RCl:htc·· in Art. 129 Abs. 1 S. 3 WRV. 63

M

II. Der Schutz der Unterhaltsrechte als Treuepflicht des Dienstherm

169

seit der Ernennung zum Beamten erworben wurden. Es sind dies vor allem die in den Besoldungs- und Versorgungs gesetzen des Bundes und der Länder geregelten Unterhaltsansprüche. Die Ansprüche können dabei bereits in der Vergangenheit fällig geworden sein oder erst in der Zukunft fällig werden. b) Schutz für fällige Unterhaltsansprüche Fällige Unterhaltsansprüche werden im öffentlichen Dienst regelmäßig unmittelbar vor Eintritt der Fälligkeit erflillt. 69 Bereits erfüllte Besoldungs- und Versorgungsansprüche sind mit der Erfüllung im Wege der Auszahlung oder Überweisung der Bezüge in das Eigentum und Vermögens des Beamten übergegangen. Eine rückwirkende Kürzung bereits gezahlter Bezüge hat daher den Charakter einer Enteignung im Sinne des Art. 14 GG. Daß sie nach Auffassung des Gesetzgebers gleichwohl möglich ist, zeigt § 12 BBesG. Die Vorschrift geht in ihrem Abs. I davon aus, daß der Beamte durch eine gesetzliche Änderung seiner Bezüge "mit rückwirkender Kraft schlechter gestellt" werden kann. Ist dies geschehen, dann braucht er die bereits erhaltenen Bezüge nicht mehr zurückzuzahlen. Es handelt sich hier also um eine vorsorgliche Besitzstandsklausel besonderer Art. Die Besitzstandsregelung geht von der Prämisse aus, daß der Gesetzgeber auch mit Wirkung für die Vergangenheit in bereits abgewickelte Ansprüche eingreifen kann. Die Prämisse verkennt jedoch die Bedeutung der beamtenrechtlichen Treuepflicht. Sie verstößt eindeutig gegen die treurechtliche Unterlassungspflicht des Dienstherrn und Gesetzgebers. Als "echte Rückwirkung" oder "Rückwirkung von Rechtsfolgen" verstößt sie darüber hinaus nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Verbot der Rückwirkung belastender Gesetze. 70 Die Regelung des § 12 BBesG stammt im übrigen noch aus der Inflationsund Notgesetzgebung in der Weimarer Republik. 71 Sie hat für die in der Bundesrepublik erworbenen Besoldungs- und Versorgungs bezüge keine praktische Bedeutung mehr erlangt. 72

Rundschreiben d. BMI 17.10.1980 (GMBI. S. 634). BVerfGE 21, 117/131f.; 72, 200/241 usw.; ausführlich hierzu Lecheier, Vertrauensschutz, ZBR 1990 S. I mit weiteren Nachweisen; ferner Bruns, Beamtenrechte, S.108. 71 Vgl. § 34 RBesG v. 30.4.1920, s. Abschn. B. VII. 3. 72 Wichtig war die Befugnis zu rückwirkenden Eingriffen in Beamtenrechte bei der Regelung der Rechtsverhältnisse der in Art. 131 GG erfaßten Personen. 69

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

c) Schutz rur noch nicht fallige Unterhaltsansprüche Von erheblicher Bedeutung ist jedoch der Schutz der erworbenen Unterhaltsrechte "für die Zukunft".73 Er ist der eigentliche Inhalt und das wichtigste Schutzobjekt der Treuepflicht des Dienstherrn. Als Grundlage des treurechtlichen Bestandsschutzes gehört er seit Jahrhunderten zum gesicherten Bestand des deutschen Verfassungs- und Beamtenrechts. 74 Wie tief das Bewußtsein von der Notwendigkeit dieses Schutzes auch heute noch im Rechtsempfinden des Gesetzgebers verankert ist, zeigt die ständige Gesetzgebungspraxis in der Bundesrepublik. Werden Unterhaltsrechte aus besoldungspolitischen Gründen strukturell geändert, so wird im Gesetzgebungsverfahren mit großer Sorgfalt darauf geachtet, daß erworbene Besitzstände nicht verletzt werden. 75 Sind mit einer Gesetzesänderung unvermeidliche Eingriffe in Unterhaltsrechte verbunden, so werden sie stets durch "BesitzstandsklauseIn" ausgeglichen. 76 Ausgeglichen wird in der Regel allerdings nicht der volle Schaden, der mit der Verschlechterung der Unterhaltsrechte verbunden ist, sondern nur der Schaden, der durch die Herabsetzung der zuletzt nach altem Recht gewährten Bezüge entsteht. Nicht ersetzt wird dagegen - von Ausnahmen abgesehen - der Schaden, der sich aus der Verschlechterung der nach bisherigem Recht zustehenden weiteren Entwicklung oder Steigerung der Unterhaltsleistungen ergibt. Durch die Staatspraxis voll geschützt wird also grundsätzlich nur der erreichte Besitzstand im Sinne der bereits erreichten Einkommenshöhe (Besitzstand im engeren Sinne), nicht aber der erworbene Rechtsstand im Sinne der gesetzlich garantierten Weiterentwicklung des Einkommens (Besitzstand im weiteren Sinne). 77 WeIche Erwägungen den Gesetzgeber veranlaßt haben, sich in der Regel nur noch rur die Besitzstandswahrung (im engeren Sinne) zu entscheiden und dabei auch die Verletzung erworbener Vermögensrechte in Kauf zu nehmen, ist weder aus den amtlichen Begründungen noch aus den sonstigen Gesetzesmaterialien ersichtlich. Es kann aber auf Grund der ständigen Gesetzgebungspraxis davon ausgegangen werden, daß er die Weitergewährung der zuletzt gezahlten Bezüge aus rechtsstaatlichen und Fürsorgegründen rur unbeVgl. BVerfGE 8, 1/22f.; 18, 159/167; 70, 69170. S. Abschn. B. 75 Von den für das Beamtenrecht zuständigen Ministerialbeamten wird der Grundsatz der Besitzstandswahrung scherzhaft als "Artikel o des Grundgesetzes" bezeichnet. 76 S. oben Abschn. C III. 1. 77 Zu den Begriffen Besitzstand und Rechtsstand vgl. Schwegmann/Summer, Kom. z. BBesG, § 13 Rdnr. 1; ferner Mayer, Besitzstandsschutz im öffentlichen Dienst, DÖV 77 S. 347. 73

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11. Der Schutz der Unterhaltsrechte als Treuepflicht des Dienstherrn

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dingt notwendig hält, den weitergehenden Schutz des Rechtsstandes dagegen fur weniger dringlich und in seinem Ermessen stehend. Der Gesetzgeber verkennt hierbei die historische Entwicklung, die rechtliche Grundlage und die Tragweite des beamtenrechtlichen Bestandsschutzes. Die volle Rechtsstandswahrung durch den Dienstherrn war jahrhundertelang ein Wesensmerkmal des Beamtenverhältnisses. 78 Rechtliche Grundlage des Rechts- und Besitzstandsschutzes ist - wie oben ausgefuhrt - die treurechtliche Verpflichtung des Dienstherrn, Eingriffe in Unterhaltsrechte zu unterlassen, die der Beamte erworben hat oder die ihm "gesetzlich zustehen". 79 Gesetzlich stehen ihm aber nicht nur die Ansprüche zu, die bereits fallig geworden sind, sondern ebenfalls diejenigen, die noch nicht fallig sind, weil der fur die Fälligkeit erforderliche Zeitablauf noch nicht eingetreten ist, oder die noch nicht vollwirksam sind, weil die fur die Geltendmachung geforderten Voraussetzungen (z.B. die Geburt eines Kindes fur den Kindergeldanspruch) noch nicht voll erfullt sind. Zu den geschützten Bezügen gehören also sowohl die dem Beamten zuletzt gezahlten Bezüge, die in der bisherigen Höhe fortgezahlt werden müssen (Besitzstandswahrung im engeren Sinne), als auch die Weiterentwicklung bzw. die Erhöhung dieser Bezüge auf der Grundlage und nach Maßgabe des bisher geltenden Rechts (Rechtsstandswahrung oder Besitzstandswahrung im weiteren Sinne). 80 Rechtsdogmatisch handelt es sich um in der Vergangenheit begründete und in der Gegenwart bestehende Unterhaltsrechte, die erst in der Zukunft nach Hinzutreten eines bestimmten (Zeitablaut) oder unbestimmten (Bedingung) Ereignisses vollwirksam werden. 81 Gesetzgeberische Eingriffe würden bestehende Rechtsbeziehungen fur die Zukunft zum Nachteil des Beamten verändern. Sie würden im Rahmen einer "unechten Rückwirkung" oder einer "tatbestandlichen Rückanknüpfung" bereits erworbene, wenn auch noch nicht vollwirksame Rechte verschlechtern. 82 Die Verschlechterung kann in einer S. Abschn. B. S. Abschn. D. 11. I. 80 Beispiel hierflir: Erhöhung der Besoldung durch Aufsteigen im Gehalt nach Erreichung einer höheren Dienstaltersstufe bei Beamten in der Besoldungsordnung A. 81 Derartige Rechte werden häufig als Anwartschaftsrechte bezeichnet; vgl. Palandt, Kom. z. BGB, Einf. v. § 158, Anm. 3. 82 Eine "echte Rückwirkung" in Form einer "Rückwirkung von Rechtsfolgen" liegt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann vor, wenn der Gesetzgeber nachträglich ändernd in schon abgewickelte, in der Vergangenheit liegende Tatbestände eingreift. Sie ist in der Regel verfassungswidrig. Als "unechte Rückwirkung"' oder "tatbestandliche Rückanknüpfung" gilt demgegenüber die nachträgliche Einwirkung des Gesetzgebers in gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen mit Wirkung flir die Zukunft (BVerfGE 21, 117/13Iff.; 72, 200/241). AusflihrIich 78

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

Kürzung der Einkommenshöhe oder in einer Minderung der Rechtsqualität der dem Einkommen zugrunde liegenden Unterhaltsansprüche bestehen. d) Schutz des summenmäßigen Bestandes Ob eine Kürzung der Einkommenshöhe vorliegt, bemißt sich nach der summenmäßigen Höhe des gesamten Einkommens, nicht nach der Höhe der einzelnen Bezügeteile, aus denen es sich zusammensetzt. Wird z.B. der Ortszuschlag gekürzt, gleichzeitig das Grundgehalt aber entsprechend erhöht, so liegt zwar eine Verschlechterung eines Bestandteils der Bezüge vor, nicht aber eine Verschlechterung der Gesamtbezüge. Für den Beamten ist rechtlich und wirtschaftlich aber lediglich die Höhe seines Gesamteinkommens von Bedeutung. Nach ihm bemißt sich seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, seine private Lebensqualität und sein persönlicher Lebensstandard. Treurechtlich geschützt im Rahmen der Rechtsstandswahrung ist daher nur "die absolute Höhe des durch Gesetz ein für allemal zugebilligten Unterhalts,,83. Das gleiche gilt für Eingriffe in einzelne Bezügeteile, die nicht durch die entsprechende Erhöhung eines anderen regulären Bezügeteils, sondern durch eine eigenständige Sonderregelung zur Rechtsstandswahrung, insbesondere durch eine entsprechende Zulage, ausgeglichen werden. Wird der durch den Eingriff entstehende Verlust in seiner betragsmäßigen Höhe voll ersetzt, so erwächst dem Beamten aus dem Eingriff kein schützenswerter, seine rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigender Nachteil. Unabdingbare Voraussetzung für die treurechtliche Zu lässigkeit derartiger Eingriffe ist jedoch, daß sich der Ausgleich nicht nur auf die Fortzahlung der im Zeitpunkt der Rechtsänderung zustehenden Bezüge beschränkt, sondern auch die nach altem Recht gesetzlich bereits zugesicherte Weiterentwicklung einbezieht.

z. Rspr. d. BVerfG Lecheier, Vertrauensschutz, ZBR 1990 S. 1ff. Zur Rückwirkungsproblematik im Hinblick auf den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Vertrauensschutz der Bürger in die Geltung und den Fortbestand von Gesetzen grundlegend Leisner, Das Gesetzesvertrauen des Bürgers, Festschrift flir Berber, S. 273ff.; s. hierzu Abschn. D. V. 1. 83 Triepel, Gutachten und Urteile, S. 12/13.

H. Der Schutz der Unterhaltsrechte als Treuepflicht des Dienstherrn

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e) Schutz der besonderen Rechtsqualität Die Unterlassungspflicht schützt aber nicht nur die summenmäßige Höhe der erworbenen Unterhaltsrechte, sie schützt in gleicher Weise auch deren Rechtsqualität. Die Rechtsqualität der Unterhaltsrechte ergibt sich aus ihrer verfassungsrechtlichen Stellung, insbesondere aus ihrem treurechtlichen Schutz. Sie wird geprägt durch die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums als Ausdruck seiner Bedeutung für den Staat und die Gesellschaft, vor allem für den Aufbau, die Organisation und die Funktionsfahigkeit des demokratischen Rechtsstaats;84 die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis; die Zweckbestimmung des Unterhaltsanspruchs als Gegenleistung und Äquivalent für die Leistung von wichtigen Diensten für die Allgemeinheit; den grundrechtsähnlichen Individualanspruch auf amtsangemessene Besoldung und Versorgung auf Lebenszeit;85 den besonderen Schutz der erworbenen Unterhaltsrechte durch die treurechtliche Unterlassungspflicht des Dienstherrn und Gesetzgebers. Konkurrieren von der Verfassung garantierte Unterhaltsrechte mit gesetzlich zugesicherten Unterhaltsrechten, so gilt der Grundsatz des Vorrangs der Verfassung vor dem Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG).86 Die von der Verfassung gewährleisteten Rechte haben im Umfang der Gewährleistung Vorrang vor den durch einfaches Gesetz gewährten Rechten. Der Grundsatz verbietet dem Gesetzgeber gleichzeitig, die von der Verfassung garantierten Rechte dadurch zu entwerten und in ihrer Rechtsqualität zu mindern, daß sie durch Rechte ersetzt werden, die nicht mehr unter Verfassungsschutz stehen und die von ihm dann jederzeit durch einfaches Gesetz wieder aufgehoben oder verschlechtert werden können. Für die Unterhaltsrechte der Beamten bedeutet dies, daß sie nicht nur in ihrer in den Besoldungsund Versorgungsgesetzen festgelegten summenmäßigen Höhe von der Verfassung garantiert sind, sondern daß sie bis zu dieser Höhe auch nicht durch Unterhaltsrechte abgelöst werden dürfen, die nicht unter dem besonderen treurechtlichen Schutz der Verfassung stehen. ft4 Vgl. BVerfGE 39, 334/358 und Leisner, Grundlagen des Berufsbeamtenturns, S.13ff. ft5 BVerfGE 8, 1/17. 86 Vgl. MaunzlDüriglHerzog, Kom. z. GG., Art. 20 Ziff. 5 Rdnr. 2ff.

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

Hiergegen hat der Gesetzgeber verstoßen, als er im Siebten Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 20.12.1974 den bisherigen beamtenrechtlichen Kinderzuschlag abschaffte und durch das sozialrechtliche Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz ersetzte. 87 Mit der Streichung des Beamtenkinderzuschlags als Bestandteil der erworbenen Unterhaltsrechte und der Einbeziehung der Beamten in den allgemeinen Familienlastenausgleich als einfachrechtliche sozialpolitische Leistung entzog der Gesetzgeber den Kinderzuschlag der Gewährleistungs- und Bestandsgarantie des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses. Er verstieß damit gegen das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Kindergeldentscheidung vom 30.3 .1977 zu Recht betont, daß die Besoldung und Versorgung der Beamten auch hinsichtlich einzelner ihrer Bestandteile nicht dem Gewährleistungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG 88 entzogen werden darf, und daß allen Bürgern zufließende Sozialleistungen nicht an die Stelle eines Teiles der Beamtenbesoldung und Versorgung treten können. Es hat den Gewährleistungsbereich jedoch zu Unrecht auf die "untere Grenze des amtsangemessenen Unterhalts" beschränkt. 89 Es hat hierbei die darüber hinausgehende, sich aus dem besonderen Treueverhältnis ergebende Bindung des Dienstherrn an den einmal gesetzlich zugesicherten Rechtsstand verkannt. Ähnliches gilt beim Zusammentreffen von Versorgungsbezügen aus dem Beamtenverhältnis mit Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. 9o Konkurrieren Versorgungsansprüche aus dem beamtenrechtlichen Treueverhältnis und Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung miteinander, so hat der treurechtlich geschützte Anspruch aus dem Beamtenverhältnis Vorrang vor dem treurechtlich nicht geschützten Anspruch aus der Rentenversicherung. Die Rentenansprüche stehen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar grundsätzlich unter dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. 91 Der Gesetzgeber ist jedoch befugt, das sozialpflichtige S. Abschn. C. III. 1. Dies gilt erst recht für die sich aus dem Treueverhältnis aus Art. 33 Abs. 4 GG ergebende Bestandsgarantie. 89 BVerfGE 44, 249/263ff.; s. Abschn. C. III.2. 90 S. Abschn. A. V. 3. u. C. III. 1 u. 2. 91 Grundlegend BVerfGE 53, 257/272f. u. 70, 101/110ff.; aus der Literatur: A. v. Brünneck, Eigentumsschutz der Rente, 1Z 1990 S. 992. Voraussetzung flir den Eigentumsschutz einer sozialversicherungsrechtlichen Position ist nach BVerfGE 69, 272/300ff. allerdings, daß sie der Sicherung der Existenz dient. Dies dürfte bei einem Rentenanspruch, der gleichzeitig neben einem Versorgungsanspruch aus dem Beamtenverhältnis besteht, kaum der Fall sein. 87 88

11. Der Schutz der Unterhaltsrechte als Treuepflicht des Dienstherrn

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Eigentum - und dies gilt in besonderem Maße für die sozialrechtlichen Renten - im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. I S. 2 GG zu beschränken und Rentenanspruche und -anwartschaften zu kürzen. 92 Im Interessenwiderstreit der UnterhaltsansprUche ist der nicht mehr der Eingriffsbefugnis des Gesetzgebers unterliegende Anspruch aus dem Treueverhältnis in der Rangordnung der verfassungsrechtlichen Wertigkeiten der gegenüber dem Rentenanspruch stärker geschützte und höherwertige Anspruch. Die Kürzung des beamtenrechtlichen Versorgungsanspruchs in § 55 BeamtVG zugunsten der Aufrechterhaltung des Rentenanspruchs ist daher wegen Verstoßes gegen die Treuepflicht des Dienstherrn verfassungswidrig. Hierbei ist es ohne Bedeutung, daß die Kürzung durch die ungekürzte Rente finanziell ausgeglichen wird und beide Unterhaltsleistungen zusammen in ihrer Gesamthöhe über dem beamtenrechtlichen Anspruch liegen. 93 4. Handlungspßichten

Verlangt die Unterlassungspflicht vom Dienstherrn, alles zu unterlassen, was dem Beamten in seiner erworbenen Rechtsstellung schadet, so fordert die Handlungspflicht von ihm eine dauernde Hilfs- und Leistungsbereitschaft im Rahmen und im Geiste des beiderseitigen Dienst- und Treueverhältnisses, ein aktives und positives Zum-Beamten-stehen, ein ständiges und wohlwollendes Eintreten für seine berechtigten Interessen. Enthalten die Unterlassungspflichten das absolute Minimum jeder rechtlich geschuldeten Treue, so bringen die Handlungspflichten die Treuepflicht erst voll zur Geltung und Entfaltung. Genügt für die Unterlassungspflichten ein persönlich zurUckhaltendes oder distanziertes Verhalten gegenüber dem Treunehmer, so verlangen die Handlungspflichten eine partnerschaftliche Anteilnahme und Wärme, eine innere Haltung und Einstellung, die vom Bewußtsein der besonderen Treuebindung und Treueverpflichtung geprägt ist. Treue im Handeln setzt Treue im Denken voraus. Die treurechtliche Handlungspflicht beschränkt sich nicht auf bestimmte Einzelpflichten. Sie beschränkt sich insbesondere nicht auf die Fürsorgepflicht. 94 Sie fordert vielmehr ein Gesamtverhalten, das sowohl das gesamte ~2 S. Abschn. D. IV.

~3 Die Kürzung wird auch durch eine Übergangsvorschrift abgemildert, Art. 2 des

2. HStrukG v. 22.12.1981, zuletzt geändert durch 1. ÄndG v. 30.11.1989, BGBI. 1 S.2094. ~~ Nach Auffassung des BVerfG ist die Fürsorgepflicht des Dienstherrn das Korrelat zur Treuepflicht des Beamten, BVerfGE 43, 154/165. Dies entspricht auch der h.L.; s. Abschn. C. 111. 3. Tatsächlich und rechtlich ist jedoch Korrelat zur Treuepflicht des Beamten die Treuepflicht des Dienstherrn.

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

Innenverhältnis des Dienstherrn zum Beamten als auch das Außenverhältnis des Beamten zum Bürger und zur Öffentlichkeit um faßt. 95 Die Treue als Grundlage der Handlungspflicht ist ein ethischer Fundamentalwert. Sie ist als Wesens- und Wertbegriff6 ausflillungsbedürftig. Eine genaue Umschreibung des Ptlichtenkreises, der sich aus der Handlungstreue ergibt, ist hierbei ebensowenig möglich wie eine abschließende Aufzählung der konkreten Einzelpflichten. Die Handlungstreue ist so umfassend und vielgestaltig, daß der Dienstherr bei ihrer Ausflillung einen weiten Gestaltungspielraum hat. Er muß bei all seinen Regelungen und Entscheidungen jedoch stets seine besondere Treuepflicht beachten und sein Handeln danach ausrichten. Er muß dabei auch berücksichtigen, daß die Treuepflichten im Beamtenrecht historisch gewachsen sind und ihre traditionelle Ausprägung in den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gefunden haben. Die wichtigste und älteste positive Treuepflicht des Dienstherrn ist die Verpflichtung, den Beamten und seine Familie amtsangemessen (früher: standesgemäß) zu unterhalten. 97 Sie ist eine Handlungspflicht, die im modemen Gesetzgebungsstaat durch die jeweiligen Besoldungs- und Versorgungsgesetze erflillt wird. 98 Bei der Erflillung hat der Gesetzgeber folgende Grundsätze zu beachten: Der Unterhalt muß sich nach dem Amt richten, das dem Beamten übertragen wurde, insbesondere nach seiner Bedeutung fiir die Allgemeinheit und seinem Schwierigkeits- und Verantwortungsgrad fiir den Beamten, er muß also amts- und leistungsbezogen sein. Der Unterhalt muß ferner die persönlichen und familiären Verhältnisse des Beamten berücksichtigen, er muß also personen- und familienbezogen sein. Der Unterhalt muß schließlich an den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Zeitverhältnissen gemessen werden und dem Beamten eine der Bedeutung und dem Schwierigkeitsgrad seines Amtes entsprechende Lebensfiihrung ermöglichen, er muß also wirtschafts- und gesellschaftsbezogen sein. Der Begriff des "amtsangemessenen Unterhalts" ist somit ein Maßstabsbegriff, der sich an den jeweiligen wirtschaftlichen und finanziellen Zeitverhält-

Vgl. §§ 48 BRRG, 79 BBG und die entsprechenden Ländergesetze. S. Abschn. D. I. 2. b). 97 BVerfGE 8, 1/16; st. Rspr. u. h. M.; hierzu ausführlich Summer/Rometsch, Alimentationsprinzip, ZBR 1981 S. I ff. 9K S. Abschn. C. 111.1. 95

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11. Der Schutz der Unterhaltsrechte als Treuepflicht des Dienstherrn

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nissen orientieren muß und der der Entwicklung des allgemeinen Lebensstandards in der Gesellschaft Rechnung tragen muß. 99 Der vom Dienstherrn treurechtlich geschuldete Unterhalt besteht dabei nicht in einem von vornherein feststehenden oder exakt bestimmbaren Geldbetrag. Verfassungsrechtlich geschuldet wird vielmehr ein Lebensunterhalt, der im Zeitpunkt der Unterhaltszahlung nach den genannten Grundsätzen bemessen ist. Die Grundsätze stellen einerseits eine verfassungsrechtliche Konkretisierung der Unterhaltspflicht dar, an die der Gesetzgeber gebunden ist. Sie bedürfen andererseits aber selbst noch einer weitergehenden Konkretisierung durch den Gesetzgeber, um angewandt werden zu können. Die Notwendigkeit einer weitergehenden Konkretisierung ergibt sich einmal aus der Rechtsnatur der Grundsätze, die keine Vollregelung darstellen, sondern nur die Grundzüge oder den Rahmen des jeweiligen Rechts festlegen. Sie ergibt sich zum anderen aus dem materiellen Inhalt der vorliegenden Grundsätze, die eine Bewertung des wahrgenommenen Amtes, der persönlichen Lage und der wirtschaftlichen Verhältnisse durch den Gesetzgeber fordern. Der sich hieraus ergebende Gestaltungsspielraum um faßt einmal den strukturellen Aufbau des Unterhalts im einzelnen mit seinen auf das Amt oder die Person des Beamten bezogenen Bestandteilen (Grundgehalt, Ortszuschlag, Familienbestandteile, Zulagen usw.). Er umfaßt ferner die Bewertung der Bestandteile und die finanzielle Bemessung des Unterhalts insgesamt an den wirtschaftlichen Gegebenheiten und den hierzu auszuwählenden Kriterien (z.B. Entwicklung der Kaufkraft der DM, der Preise für Waren und Dienstleistungen, der Nominal- oder Reallöhne, der Lebenshaltungskosten, der Einkommen der unselbständig Beschäftigten, der Einkommen aller Erwerbstätigen, des Bruttosozialprodukts usw.). Bei der Bemessung des Unterhalts an den wirtschaftlichen Verhältnissen ist der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, jeder geringfügigen Veränderung der Verhältnisse Rechnung zu tragen und den Unterhalt ständig auf dem neuesten Stand der Entwicklung zu halten. Er kann vielmehr den Unterhalt auch zeitlich und örtlich pauschalieren, solange die Verhältnisse sich nicht wesentlich geändert haben. Der Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber bei der Ausfüllung der genannten Grundsätze zur Verfügung steht, ist in allen Fällen begrenzt durch die besondere Treue- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Anders als bei sonstigen Ermessensentscheidungen darf sich der Gesetzgeber hier nicht darauf be99 Vgl. §§ 14, 18 u. 19 BBGesG; ferner BVerfGE 4, 115/125; 8. 1/4ff. u.a.: AnzJFaber/Renk/Dietrich. Das Besoldungsrecht des Bundes. S. 4. 12f. LecheIer. AöR 1978 S. 349, 368ff.

12 Müller

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

schränken, willkürliche Entscheidungen zu unterlassen oder Regelungen zu treffen, die sich gerade noch im Rahmen des Nicht-Willkürlichen halten, weil sich noch ein sachlich vertretbarer Grund für sie finden läßt. 100 Der Beamtenrechtsgesetzgeber darf vielmehr stets nur Entscheidungen treffen, die in jeder Hinsicht systemgerecht und sachgerecht sind und die seine besonderen treurechtlichen Bindungen und Verpflichtungen berücksichtigen. Er darf insbesondere nicht in erworbene Unterhaltsrechte eingreifen, soweit diese in ihrer summenmäßigen Höhe und ihrer besonderen Rechtsqualität geschützt sind.

111. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns Nach Art. 33 Abs. 5 GG ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln. Die Vorschrift steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem vorausgehenden Absatz 4, der für die Ausübung hoheitlicher Befugnisse in der Regel ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis fordert. Sowohl die parlamentarische Entstehungsgeschichte der beiden Absätze als auch ihre Reihenfolge und ihr Wortlaut machen deutlich, daß die verfassungspolitische und -rechtliche Grundentscheidung über die Beibehaltung des Berufsbeamtentums nicht erst im Absatz 5, sondern bereits im Absatz 4 getroffen wurde. 101 Wenn dieser Absatz für bestimmte Verwaltungsfunktionen ein "öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis" vorschreibt, so übernimmt er die in der Weimarer Republik erarbeitete Legaldefinition des Beamtenverhältnisses in das Grundgesetz. 102 Das Grundgesetz übernimmt und gewährleistet damit - anders als die Weimarer Reichsverfassung bei den wohIerworbenen Beamtenrechten - das hergebrachte Beamtenverhältnis als Einrich100 Vgl. Hesse, Verfassungsrecht, § 12 Rdnr. 439. Zu unsachlichen Differenzierungen des Gesetzgebers bei Besoldungsanpassungen eingehend Merten, Zur Problematik der Gewährung einheitlicher Festbeträge bei Besoldungsanpassungen. in: Festschrift flir Ule, 1977, sowie gekappte Besoldungungsanpassung als verkappte Besoldungsnivellerierung, in: Verantwortung und Leistung. Juni 1983. 101 Vgl. Abschn. C. I. u. D. I. 102 § 1 S. I des Reichsbeamtengesetzes v. 31.3.1873 i.d.F. v. 30.6.1933 (RGBI. I S. 434) lautet: .. Reichsbeamte im Sinne dieses Gesetzes sind Personen. die zum Reich in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis (Beamtenverhältnis) stehen." Die Definition wurde noch in der Weimarer Republik erarbeitet (s. RT-Drucks. VII/278); sie wurde im Deutschen Beamtengesetz von 1937 dahingehend erweitert. daß der Beamte .. zum Führer und Reich" in einem Dienst- und Treueverhältnis steht (§ I Abs. I DBG. RGBI. I S. 39). Vgl. auch die Legaldetinition in § 2 Abs. I BRRG. § 2 Abs. I BBG. Art. 2 BayBG llSW.

III. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch die hergebrachten Grundsätze

179

tung. 103 Gleichzeitig legt es mit der Legaldefinition seine wichtigsten und absolut unverzichtbaren Kriterien fest. Nach dem Wesen und der Zweckbestimmung verfassungsrechtlicher Einrichtungsgarantien werden bestimmte vom Recht zur Ordnung unseres Gemeinwesens geschaffene Einrichtungen, die sich für den Staat und die Gesellschaft besonders wertvoll erwiesen haben, unter den Schutz der Verfassung gestellt. I04 Sie sollen vom Gesetzgeber mit seinen mehr oder weniger zufälligen parlamentarischen Mehrheiten nicht im Wege der einfachen Gesetzgebung beseitigt oder in ihrem Wesen verändert werden können. Geschützt sind die Einrichtungen somit nicht in ihrer einfachrechtlichen Ausgestaltung im einzelnen, d.h. nicht in dem rechtlichen Zustand oder Bestand, den sie bei Erlaß der Verfassung gerade hatten. Geschützt sind sie vielmehr nur in ihren typischen Grundzügen oder ihren wesensbestimmenden Merkmalen. Mitgeschützt sind dabei subjektive Rechte einzelner, die sich hieraus zwingend ergeben oder die als deren rechtliche "Bestandteile" unmittelbar mit ihnen verbunden sind. 105 Bezogen auf das Beamtenverhältnis geWährleistet die Einrichtungsgarantie des Art. 33 Abs. 4 GG nicht das gesamte hergebrachte Beamtenrecht in seiner gesetzlichen Ausformung und seinen vielfachen Rechten und Pflichten im einzelnen. Die Garantie beschränkt sich vielmehr auf die in der Legaldefinition genannten Kriterien und die aus ihr abgeleiteten und sie ergänzenden und tragenden hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. 106 Sie sind gleichbedeutend mit den "hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtenturns" im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG. Deren Garantiegehalt deckt sich mit der Einrichtungsgarantie in Abs. 4. 107 Der Abs. 5 hat keinen eigenständigen Rechtsge-

103 Ebenso Bonner Kom., Art. 33 Nr. 11. 5 u. 6; MaunzJDürig. Kom. z. GG. 6. Autl. Art. 33, V. I. b) FN 2; BVerfGE 3, 344; 16, 110 u.a. 104 Zu der von Schmidt entwickelten Lehre von der "institutionellen Garantie", der sich auch das BVerfG angeschlossen hat, s. oben Abschn. B. VII. 5. lOS Ausführlich Schröder, Die verfassungsmäßige Garantie der Institution des Berufsbeamtenturns, Diss. 1932 S. IOlff.; zur begrifflichen Unterscheidung zwischen "Institutsgarantie" und .,institutioneller Garantie" siehe o. Bachhof. 39. Deutscher Juristentag S. D. 104f. 106 Das BVerfG fordert für die hergebrachten Grundsätze in Art. 33 Abs. 5 GG einen "überlieferten Kernbestand von Strukturprinzipien"; ausführlich hierzu Lecheier. AöR 1978 S. 349. 353f. 101 Der Abs. 4 enthält darüber hinaus noch einen Funktionsvorbehalt. der die Einrichtungsgarantie davor schützt, daß von ihr nicht oder nur in unbedeutendem Umfang Gebrauch gemacht wird; vgl. Lecheier. Die Verfassungsptlicht des Dienstherrn zum Einsatz von Beamten bei der Erfüllung staatlicher Daueraufgaben. Vaantwortung LI. Leistung. Heft 20. Sept. 1989.

12'

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

halt. I08 Er hat keine rechtsbegründende Wirkung, sondern nur klarstellende Bedeutung. Er verdeutlicht lediglich die verfassungsrechtliche Reichweite und den vom Grundgesetz geschützten Umfang des "öffentlich-rechtlichen Dienstund Treueverhältnisses" als Einrichtung. Bei der Auslegung und Konkretisierung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns im Sinne der Absätze 4 und 5 ist davon auszugehen, daß der älteste und zugleich der wichtigste der hergebrachten Grundsätze der Grundsatz der beiderseitigen Treuepflicht ist. Er ist die Grundlage und der Ausgangspunkt aller weiteren hergebrachten Grundsätze und damit auch die Wurzel und der Urgrund aller sich hieraus ergebenden Einzelpflichten. lo9 Voraussetzung rur die Anerkennung eines hergebrachten Grundsatzes ist daher stets seine Vereinbarkeit mit den beiderseitigen Treuepflichten. Ein Grundsatz, der mit den Treuepflichten nicht vereinbar ist, kann auch dann nicht unter den Schutzbereich der Verfassung fallen, wenn er schon einmal über einen längeren Zeitraum angewandt worden wäre. Für den in dieser Arbeit untersuchten Bestandsschutz der Unterhaltsrechte der Beamten im Grundgesetz bleibt festzuhalten, daß der Schutz durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns in Art. 33 Abs. 5 GG gleichbedeutend ist mit dem Schutz durch das Treueverhältnis und die treurechtlichen Unterlassungs- und Handlungspflichten des Dienstherm nach Art. 33 Abs. 4 GG. 110 Art. 33 Abs. 4 GG ist die Grundsatznorm, Art. 33 Abs. 5 die Auslegungsregel.

10' Vg!. Mangold/Klein. Das Bonner Grundgesetz, 1964, Er!. 11. 1. c) u. 2ff. zu Art. 33: MaunzlDürig. 6. Aufl .. Art. 33 Nr. 32 FN 2. I"" S. Abschn. D. I. 2. b) - d). 110 S. Abschn. D. I. u. 11.

IV. Der Schutz durch die Eigentumsgarantie

181

IV. Der Schutz der Unterhalts rechte durch die Eigentumsgarantie Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes 111 gewährleistet das Eigentum sowohl als Rechtseinrichtung als auch als individuelles Grundrecht. ll2 Sie sichert dem Bürger in Ergänzung der allgemeinen Freiheitsgarantie l13 auch einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich. Begrifflich versteht man unter Eigentum im Sinne der Eigentumsgarantie die Zuordnung eines Rechtsgutes zu einem Rechtsträger durch die Rechtsordnung unter dem Gesichtspunkt der Privatnützigkeit und der Verfligbarkeit. 114 Die Einrichtungsgarantie schützt - ähnlich wie die des Berufsbeamtenturns nicht das Eigentum in seiner jeweiligen rechtlichen Ausformung im einzelnen. Sie schützt es vielmehr nur in seinen wesensbestimmenden Merkmalen, wie sie sich aus der Begriffsbestimmung ergeben. Mit der Gewährleistung des Eigentums als objektive Rechtseinrichtung eng verbunden ist die Gewährleistung des Eigentums als subjektives Grundrecht. Als Grundrecht schützt es den konkreten Bestand des Eigentums in der Hand des einzelnen Eigentümers vor ungerechtfertigten Eingriffen der Staatsgewalt. 115 Die Reichweite des Schutzes ergibt sich aus der abstrakten und generellen Festlegung des Inhalts und der Schranken des Eigentums durch den Gesetzgeber. 116 Der Gesetzgeber ist bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung

111 Art. 14 GG hat folgenden Wortlaut: (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfall der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. 112 BVerfGE 20, 351/355 st. Rspr.; hierzu u. z. Folgenden: MaunzJDürig/Herzog. Kom. z. GG, Art. 14 RdNr. 11-17; Hesse, Verfassungsrecht, 13. Aufl .. Rdnr. 441ff.: Böhmer, Grundfragen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums in der Rchtsprechung des BVerfG, NJW 1988 S. 2561 ff.: Leisner. Sozialbindung des Eigentums, DVBI. 1972 S. 193ff. und Eigentumswende. DVBI 1983 S. 61 ff.: Palandt. Kom. z. BGB, Überbl. v. § 903 Rdnr. 3. 113 Art. 2 Abs. 1 GG. 114 BVerfGE 37, 132/140; 58. 300/355, st. Rspr. 115 BVerfG NJW 1975 S. 37. 116 Art. 14 Abs. 1 S. 2; hierzu BVerfGE 52.1/27.

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

jedoch nicht frei. Er ist bei deren Festlegung an die höherrangigen Nonnen und die Wertentscheidungen der Verfassung gebunden. 117 Schutzgegenstand der Eigentumsgarantie sind neben dem Sacheigentum im Sinne des § 90 BGB alle privatrechtlichen Vennögensgüter und Forderungsrechte, die vom Zweck und von der Funktion der Eigentumsgarantie erfaßt werden. 118 Öffentlich-rechtliche Forderungen und Rechtspositionen fallen ebenfalls unter den Schutz der Eigentumsgarantie, wenn sie dem privaten Nutzen dienen, der privaten Verfügungs befugnis unterliegen und durch eigene Leistung erworben wurden. 119 Dies trifft insbesondere für die Besoldungs- und Versorgungsansprüche der Beamten und Soldaten zu, die ihrem Lebensunterhalt dienen und die sie als Gegenleistung und Äquivalent für ihre Amtsausübung und ihre Dienstleistungspflichten erhalten. 120 Das Bundesverfassungsgericht hat für die Unterhaltsansprüche der Berufssoldaten den Schutz der Eigentumsgarantie ausdrücklich anerkannt, 121 für die Unterhaltsansprüche der Beamten die Anwendbarkeit des Art. 14 GG jedoch verneint. 122 Nach Auffassung des Gerichts haben die Unterhaltsansprüche der Beamten und Versorgungsempfanger in Art. 33 Abs. 5 GG eine Sonderregelung erfahren, die dem Art. 14 GG vorgeht. 123 Zur Begründung hatte das Gericht zunächst (1958) ausgeführt, daß eine Eigentumsgarantie dem Wesen öffentlich-rechtlicher Geldforderungen, die auf einer Fürsorgepflicht des Gemeinwesens beruhen, nicht gerecht werde. 124 Diese schon im Ansatz verfehlte Begründung verwechselt die als Gegenleistung im Rahmen eines Dienst- und Treueverhältnisses gewährte Unterhaltsleistung mit der einseitig im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge gewährten Fürsorgeleistung für bedürftige Bürger. Die Begründung wurde später nicht mehr wiederholt und aufgegeben. 125 Das Gericht hat ferner den ursprünglich von ihm auf privatrechtliche Vennögensrechte beschränkten Schutz des Art. 14 GG auf öffentlich-rechtliche Forderungen ausgedehnt. Zur Begründung wurde nunmehr angeführt, die Beamten seien durch Art. 33 Abs. 5 GG ebenso gesichert wie durch 117 BVerfGE 21, 73/79; für viele Böhmer, NJW 1988 S. 2573. Leisner, Eigentumswende, DVBI. 1983 S. 61/64. IIR BVerfGE 51, 193/217f. 119 BVerfGE 18,392/397. 120 Fischbach, Kom. z. BGB, S. 885; vgl. BGHZ 9,359. 121 BVerfGE 16, 941112ff., das Gleiche muß für die vennögensrechtlichen Ansprüche der Zeitsoldaten gelten. Im übrigen hätte es schon im Hinblick auf die historische Entwicklung nahe gelegen. die Vennögensrechte der Soldaten ebenfalls in den Schutzbereich des Art. 33 Abs. 4 u. 5 GG einzubeziehen. 122 BVerfGE 8. 332/360. s. Abschn. A. 111. u. IV. u. C. 111. 2. u. 3. 12) BVerfGE 3. 581153. sI. Rspr. 12~ BVerfGE 8. 1/22f. 12; ßVerfGE 16.94/116 und 44, 249/264f.

IV. Der Schutz durch die Eigentumsgarantie

183

Art 14 GG, da Art. 33 Abs. 5 GG nur den "Kernbestand" des Unterhalts gewährleiste und auch Art. 14 GG keinen weitergehenden Schutz gewähre. 126 Beide Prämissen treffen nicht zu. Zwar gewährleistet die Einrichtungsgarantie des Art. 33 Abs. 4 und 5 GG beim Erwerb von Unterhaltsrechten nur den Kernbestand des amtsangemessenen Unterhalts, und der Gesetzgeber hat hierbei einen weiten Gestaltungsspielraum. 127 Bei bereits erworbenen Unterhaltsrechten verpflichtet das beamtenrechtliche Treueverhältnis den Dienstherrn und Gesetzgeber jedoch, Eingriffe in den summenmäßigen Bestand und in die besondere Rechtsqualität dieser Rechte zu unterlassen sowie den Unterhalt an die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung der allgemeinen Lebensverhältnisse anzupassen. 128 Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG schützt als wichtiges Grundrecht die persönliche Rechtsstellung der Beamten im vermögensrechtlichen Bereich. Schutzgegenstand sind die Unterhaltsrechte in der auf Grund der Besoldungsund Versorgungsgesetzgebung erworbenen Ausgestaltung und Höhe. Geschützt ist also nicht ein inhaltlich unbestimmter "amtsangemessener Unterhalt" oder dessen eingeschränkter "Kernbe stand" . Derartige Begriffe sind in den Besoldungs- und Versorgungsgesetzen nicht enthalten. Sie können daher auch nicht persönliche Vermögensrechte im Sinne der Eigentumsgarantie begründet haben. Die Eigentumsgarantie schützt vielmehr den konkreten Bestand der gesetzlich zugesicherten Unterhaltsrechte in der Person des jeweiligen Beamten. 129 Da der Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG den Inhalt und die Schranken des Eigentums bestimmt, ist er grundsätzlich berechtigt, auch bereits erworbene Unterhaltsrechte wieder zu ändern und ihnen einen neuen Inhalt zu geben. Seine Bindung an das höherrangige Verfassungsrecht verpflichtet ihn jedoch, die sich aus Art. 33 Abs. 4 und 5 GG ergebenden Treuepflichten des Dienstherrn zu beachten. Es sind dies insbesondere die treurechtlichen Unterlassungspflichten, die ihm - wie bereits ausgeftihrt - Eingriffe in die erworbenen Unterhaltsrechte zum Nachteil der betroffenen Beamten verbieten. Eine Modifizierung oder Neuordnung des Anspruchsinhalts im übrigen ist ihm dagegen jederzeit möglich. Die Bindung des Gesetzgebers an die von den Beamten erworbenen Unterhaltsrechte hat zur Folge, daß eine Verschlechterung dieser Rechte, insbesondere eine Kürzung der Beamtenbezüge ftir die Zukunft, weder eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG noch eine 126 127 128 129

BVerfGE 21, 329/344f. und 53, 257/307. S. Abschn. A. IV. u. C. III. 2. S. Abschn. D. II. 4. S. Abschn. D. II. Vgl. BVerfGE 72, 175/195.

184

D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

rechtmäßige Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG darstellt. Ein Gesetz, das eine derartige Kürzung vornimmt, ist vielmehr verfassungswidrig und nichtig. 130 Was das "Konkurrenzverhältnis" der allgemeinen Eigentumsgarantie zum beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis anbelangt, so ist davon auszugehen, daß Art. 33 Abs. 4 und 5 GG eine statusrechtliche Sonderregelung für Beamte enthält, die von den allgemeinen statusrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes für alle Bürger abweicht. Das in der Sonderregelung geforderte öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis begründet besonders enge Beziehungen des Beamten zum Staat mit besonderen Rechten und Pflichen, die über die allgemeinen Rechte und Pflichten der Staatsbürger hinausgehen. Die Sonderregelung trägt dem Umstand Rechnung, daß der Beamte hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen hat und daß er im Intresse der Rechtssicherheit und der Rechtsstaatlichkeit in die Lage versetzt werden muß, sein Amt uneigennützig und unabhängig von Partei-, Verbands- und anderen Interessen sowie ausreichend geschützt vor der überlegenen Rechtsmacht des Dienstherrn und wechselnden Parlamentsmehrheiten und Meinungen auszuüben. Die verfassungsrechtliche Sonderregelung für Beamte kann zu einer Einschränkung von allgemeinen Grundrechten, die als wichtigster Bestandteil der Verfassung für alle Bürger gelten, nur dann führen, wenn dies in der Verfassung selbst ausdrücklich bestimmt ist oder von ihr unzweifelhaft vorausgesetzt wird. 131 Beides ist hinsichtlich der Eigentumsgarantie nicht der Fall. Art. 33 GG enthält weder eine entsprechende Konkurrenzregelung, noch erfordert die besondere Zweckbestimmung des Beamtenverhältnisses eine Einschränkung der grundrechtlichen Eigentumsverbürgung. Die Rechte und Pflichten aus der allgemeinen Eigentumsgarantie stehen selbständig neben den Rechten und Pflichten aus dem beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. 132

Böhmer, NJW 1988. S. 2574. Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte die Gesetzgebung. vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Vgl. Hesse. Verfassungsrecht, Rdnr. 325. 132 Nach MaunzJDürig/Herzog/Scholz. Kom. z. GG. Art. 14 1 18 b sind die vermögensrechtlichen Ansprüche der Reamten .. sowohl unter dem Gesichtspunkt des Art. 33 Abs. 5 als auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 zu würdigen". 130 131

V. Der Schutz durch das Rechtsstaatsprinzip und andere Grundsätze

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V. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Rechtsstaatsprinzip und andere Verfassungsgrundsätze 1. Das Rechtsstaatsprinzip

Die Unterhaltsrechte der Beamten werden nicht nur durch das beamtenrechtliche Dienst- und Treueverhältnis und durch die Eigentumsgarantie, sondern auch durch das Rechtsstaatsprinzip vor Eingriffen durch den Gesetzgeber geschützt. Das Rechtsstaatsprinzip ist das Leitprinzip der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes. 133 Es fordert vom Rechtsstaat vor allem Gerechtigkeit und Rechtssicherheit für seine Bürger. 134 Die Gerechtigkeit ist der höchste sittliche Wert im Recht. 135 Sie steht daher seit alters her im Mittelpunkt der Rechtsidee. Schon Aristoteles unterschied dabei zwei Arten der Gerechtigkeit, die ausgleichende Gerechtigkeit und die zuteilende Gerechtigkeit. Sie wurden als justitia commutativa und justitia distributiva in das römische Rechtsdenken übernommen und später ergänzt durch die justitia protectiva, mit der die schützende und sichernde Wirkung der Gerechtigkeit zum Ausdruck gebracht wird. 136 Die älteste Form der Gerechtigkeit und die Grundlage des Rechts überhaupt ist die ausgleichende Gerechtigkeit. 137 Sie beruht auf der Anerkennung der Personen würde des Mitmenschen und seiner sich aus ihr ergebenden Menschen- und Individualrechte. Ihre Grundlage ist die Gleichheit aller Menschen, ihre Grundregel die gegenseitige Achtung der bestehenden Rechte des anderen, verbunden mit der Verpflichtung, alles zu unterlassen, was dem anderen in seinen persönlichen Rechten schadet. Die Ve:rflichtung ist die Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes: neminem lädere. 13 Den Kern der geschützten Rechte bilden die allgemeinen Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und auf Freiheit. Wer diese Rechte anderer verletzt, muß die Rechtsverletzung wieder

lJ3 Art. 20, 28 GG; vgl. Schmidt/BleibtreulKlein, Kom. z. GG, 5. Aufl. Art. 20 S. 396; Leisner, Rechtsstaat - ein Widerspruch in sich? JZ 1977 S. 597ff., ferner: Das Gesetzesvertrauen des Bürgers, Festschrift flir Berber, S. 273ff.; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip. 134 BVerfGE 7, 89/92; 21, 3781388; 52, 131/144; MaunzlDürig, Kom. z. GG, Art. 20 Rdnr. 59. 13; Coing, Rechtsphilosophie, S. 111. 136 Coing, Rechtsphilosophie, S. 180/211. 137 Coing, Rechtsphilosophie, S. 179/181. 13~ Coing, Rechtsphilosophie, S. 179, 181.

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

ausgleichen. Der Ausgleich kann dabei durch Sühne (Strafe) oder Schadens1'9 ersatz erfolgen. 0

Zu den geschützten Rechten gehören aber ebenso die subjektiven Rechte, die der einzelne durch freies, selbstverantwortliches Handeln im Schutz der Rechtsordnung erworben hat. Der wichtigste Anwendungsbereich der ausgleichenden Gerechtigkeit ist hier der Leistungsaustausch. Wir finden ihn vor allem beim Austausch wirtschaftlicher Leistungen. Für einen gerechten Austausch gilt das Prinzip des Wertausgleichs oder der Äquivalenz. Leistung und Gegenleistung sollen einander entsprechen. 140 Soweit der Austausch nicht Zug um Zug vorgenommen wird, sondern auch erst künftig zu erbringende Leistungen umfaßt, steht er unter den besonderen Anforderungen der Zuverlässigkeit und des Vertrauensschutzes. 141 Dies gilt unabhängig davon, ob er auf der Grundlage des Privatrechts erfolgt, wie beim Arbeitsverhältnis,142 oder auf der Grundlage des öffentlichen Rechts, wie beim Beamtenverhältnis. Ist der Arbeitsvertrag abgeschlossen oder das Beamtenverhältnis begründet, so gibt es hinsichtlich der hieraus erworbenen subjektiven Rechte und der hierzu eingegangenen Verpflichtungen grundsätzlich kein zurück mehr. Dies gilt rur den Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Weise wie für den Dienstherm und Beamten. Der Selbstbindung der Vertragsparteien entspricht die Selbstbindung im Beamtenverhältnis. In beiden Fällen müssen die Beteiligten aus Gründen der ausgleichenden Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes 143 sicher und endgültig wissen, was sie zu leisten haben und was sie dafür bekommen. In bei den Fällen gilt der althergebrachte Rechtsgrundsatz: pacta sunt servanda! In beiden Fällen sind die erworbenen Ausgleichsrechte "wohlerworbene Rechte", die für den Arbeitgeber und den Dienstherm "unverletzlich,,144 sind und weder eine rückwirkende noch eine künftige Verschlechterung zulassen. Bereits erworbene Ausgleichsrechte können auch vom Gesetzgeber nicht mehr ohne vollen Wertausgleich abgeschaffi oder abgeändert werden. So belehrte earl Gottlieb Svarez, der Hauptverfasser des Preußi-

Wie FN 138. Wie FN 397 S. 182; hier stellt sich die schon in der Bibel (Neues Testament, Matthäus 20 Vers Iff.) im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg aufgeworfene Frage nach dem gerechten Lohn oder Preis. 141 Coing, wie FN 397 S. 146/183; vgl. Leisner, Das Gesetzesvertrauen des Bürgers, Festschrift für Berber, S. 273ff. 142 Vgl. §§ 214ff., 611ff. BGB. 143 Vgl. Lecheier, Vertrauensschutz bei der Beamtenbesoldung und Beamtenversorgung, ZBR 1990 S. I ff. 144 Art. 129 Abs. I S. 3 WRV; vgl. Abschn. B. 139 140

V. Der Schutz durch das Rechtsstaatsprinzip und andere Grundsätze

187

schen Allgemeinen Landrechts, schon 1791 den Kronprinzen Friedrich Wilhelm: 145 ,,9. Wenn der Staat alte Gesetze abschafft, so darf er dennoch jura iam quaesita (= schon erworbene Rechte) nicht aufheben. 10. Er darf also auch neue Gesetze auf vorhergegangene Fälle nicht ausdehnen. 12. Wenn ... Privilegia einmal vorhanden sind, so müssen sie ebenso wie die Gesetze selbst respektiert, zu deren Aufhebung nicht ohne die überwiegensten Gründe geschritten und der Privilegierte für den durch die Aufhebung erleidenden Verlust vollständig entschädigt werden." Demgemäß bestimmte die Einleitung zum Allgemeinen Landrecht in § 14: "Neue Gesetze können auf schon vorhin vorgefallene Handlungen und Begebenheiten nicht angewendet werden." Im neueren Schrifttum hat vor allem Leisner auf die zentrale Bedeutung des Gesetzesvertrauens der Bürger für den Rechtsstaat und die Rechtssicherheit hingewiesen. 146 Das Gesetzesvertrauen, das neben dem Geltungsvertrauen auch das Kontinuitätsvertrauen umfaßt,147 begrenzt die grundsätzliche Befugnis des Gesetzgebers, gesetzlich geregelte subjektive Rechte und Rechtspositionen nachträglich für die Zukunft wieder zu verschlechtern. Gewährt das Gesetz Rechte, bei denen der Berechtigte nach Art und Zweckbestimmung des Rechtes auf den unveränderten Fortbestand in der Zukunft vertrauen konnte und bei denen er die wichtigsten Anspruchsvoraussetzungen bereits erfüllt hat, so kann der Gesetzgeber die einmal zugestandenen Rechtspositionen nicht nur für die Vergangenheit (sog. echte Rückwirkung), sondern auch für die Zukunft nicht mehr verschlechtern (sog. unechte Rückwirkung). Der von Leisner aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gesetzesvertrauen entwickelte Schutz subjektiver Rechte verleiht diesen Rechten den Charakter von "wohlerworbenen Rechten", von "Ausgleichsrechten" oder von "grundrechtsähnlichen Rechten" bzw. von "Abwehrrechten gegenüber dem Staat" .148 Die hier behandelten Unterhaltsrechte, die als Gegenleistung für Dienstleistungen erworben wurden, erfüllen die von Leisner herausgearbeiteten Kriterien für den verfassungsrechtlichen Schutz des Kontinuitätsvertrauens.

14; Svarez, Vorträge über Recht und Staat, hrsg. v. Conrad u. Kleinheyer, 1960 S. 15f. 146 Leisner, Das Gesetzesvertrauen des Bürgers, Festschrift für Berber, S. 273ff. 147 Als Gesetzesvertrauen bezeichnet Leisner das Vertrauen in die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, als Kontinuitätsvertrauen das Vertrauen in den Fortbestand in der Zukunft. 148 Eigene Wertung des Verfassers.

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D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

Der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Schutz der Unterhaltsrechte steht gleichrangig neben dem Schutz aus dem beamtenrechtlichen Dienstund Treueverhältnis nach Art. 33 Abs. 4 und 5 GG und dem Schutz aus der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG. 2. Der Gleichheitssatz

a) Allgemeiner Schutz der Unterhaltsrechte Verpflichten die Grundsätze der ausgleichenden Gerechtigkeit alle am Rechtsleben Beteiligten einschließlich der Träger der Staatsgewalt, die erworbenen Unterhaltsrechte der Beamten als Persönlichkeits- und Individualrechte zu respektieren und Schädigungen zu unterlassen, so ergibt sich die gleiche Verpflichtung für den Gesetzgeber auch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1). Als Gebot der Rechtsetzungsgleichheit fordert dieser von ihm, im wesentlichen Gleiches gleich und im wesentlichen Ungleiches seiner Eigenart entsprechend ungleich zu behandeln. 149 Der Gleichheitssatz verbietet eine rechtliche Ungleichbehandlung im wesentlichen gleicher Sachverhalte, wenn für die gefundene Regelung nicht ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie einleuchtender Grund I · 150 vorlegt. Bei Prüfung der Frage, ob der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Eingriffe in bestehende Unterhaltsrechte der Beamten vornehmen kann, ist davon auszugehen, daß es sich hierbei um persönliche Rechte handelt, die als Gegenleistung für öffentliche Dienstleistungen erworben wurden. Gegenleistung für öffentliche Dienstleistungen sind - unbeschadet der unterschiedlichen Rechtsgrundlage und der rechtlichen Ausgestaltung im einzelnen - auch die von den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst erworbenen subjektiven Rechte. In beiden Fällen handelt es sich um subjektive Rechte, die als Gegenleistung für öffentliche Dienstleistungen erworben wurden. Beide Tatbestände stimmen in ihren rechtlich relevanten Merkmalen überein. Beide Sachverhalte sind im Sinne des Gleichheitssatzes im wesentlichen gleich. Bei den subjektiven Rechten der Arbeitnehmer hat der Gesetzgeber insbesondere bei gesetzlichen Sparmaßnahmen stets mit großer Sorgfalt darauf geachtet, daß die erworbenen Rechte durch die Spargesetze nicht beeinträchtigt wurden. Die von ihm als Arbeitgeber zugesicherten Rechte wurden und werden von ihm auch in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber nicht angetastet.

149

1;0

BVerfGE I, 14/52, st. Rspr. BVerfGE 35, 263/272.

V. Der Schutz durch das Rechtsstaatsprinzip und andere Grundsätze

189

Unter läßt der Gesetzgeber aber in ständiger Staatspraxis Eingriffe in die subjektiven Rechte der Arbeitnehmer, so verpflichtet ihn das Gebot der Gleichbehandlung und der Rechtsetzungsgleichheit, auch Eingriffe in die subjektiven Rechte der Beamten zu unterlassen. Sachliche oder rechtliche Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die unterschiedliche Rechtsgrundlage und Ausgestaltung reicht hierzu nicht aus. Sie ist hier nur für die Entstehung und den Erwerb der Rechte, nicht aber für die entstandenen und erworbenen Rechte von Bedeutu ng. 151 b) Der Schutz vor strukturellen Verschlechterungen Eingriffe in erworbene Unterhaltsrechte können auch mit einer Neuregelung des Besoldungssystems oder mit einzelnen Änderungen im Besoldungsgefüge verbunden sein. Die Notwendigkeit für derartige Neuregelungen oder Änderungen kann sich Z.B. aus einer Änderung im bisherigen Staatsaufbau oder in der Behördenorganisation in Bund, Ländern und Gemeinden ergeben. Sie kann ferner die Folge einer Neuordnung des Status- und Laufbahnrechts der Beamten sein. Führen derartige Änderungen zu veränderten Aufgabenund Verantwortungsbereichen in der Ämterstruktur, so muß sich das Besoldungsrecht als Folgerecht dem anpassen. Die Anpassung kann u.a. dazu führen, daß bestimmte Ämter wegfallen oder geringer bewertet weden oder Eingangsämter abgesenkt werden oder Dienstaltersstufen neu geregelt werden. Wird hierbei in subjektive Rechte von Beamten eingegriffen, so kann der Eingriff gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen. Dies ist Z.B. dann der Fall, wenn ein Beförderungsamt abgeschafft wird, die durch die Beförderung in das bisherige Amt erlangte persönliche Rechtsstellung aber nicht hinreichend gewahrt wird. So hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht bei der Zurückstufung herausgehobener Ämter für die bisherigen Amtsinhaber eine besoldungsrechtlich bleibende Heraushebung gefordert. 152 Das Gebot der Gesetzgebungsgleichheit hat hier die Funktion, die Gleichbehandlung der beamtenrechtlich einmal erreichten Rechtsstellung durch den Gesetzgeber sicher

151 Hesse, Verfassungsrecht, 13. Aufl., S. 169, weist daraufhin, daß der Gesetzgeber eine weitere Gestaltungsfreiheit hat, wenn es sich um eine gewährende Gesetzgebung handelt, aber eine engere bei Eingriffen in subjektive Rechte. 152 BVerfGE 56, 146 u. E 56,157; danach war die Neuregelung der Richterbesoldung in Art. IX § 4 Abs. 1 u. 2, § 8 Abs. 1 u. 2 sowie § 11 des 2. BesVNG v. 23.5.1975 (BGB\. I S. 1173) mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar; s. Abschn. C. I. 2.

190

D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

zustellen. Es hat hierbei die Wirkung eines Abwehrrechts gegen gesetzgeberische Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen.1 53 3. Das Sozialstaatsgebot Das Sozialstaatsgebot ist in der in Artikel 20 Abs. I GG enthaltenen Festlegung der Bundesrepublik als sozialer Bundesstaat verankert. 154 Es ergänzt das Rechtsstaatsgebot und ist eine der tragenden Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes. Als Wertentscheidung der Verfassung und Verfassungsgebot ist das Sozialstaatsgebot nicht nur ein unverbindlicher Programmsatz, sondern eine bindende Staatszielbestimmung und eine vom Staat zu erfiillende Aufgabe. 155 Sie läßt sich allgemein dahin umschreiben, daß der Staat zur Herstellung und Erhaltung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Si. fl' h . 156 Cherh elt verp IC tet 1St. Bei der begrifflichen Unbestimmtheit und inhaltlichen Weite der Aufgabe können aus der objektivrechtlichen Wertentscheidung der Verfassung subjektive Individualrechte in aller Regel nicht abgeleitet werden. Erforderlich ist vielmehr in erster Linie eine Inhaltsbestimmung durch den Gesetzgeber. Dieser hat hierbei einen besonders weiten Gestaltungsspielraum. Der Spielraum wird grundsätzlich auch nicht durch eine Bestandsgarantie rur einmal erworbent: soziale Besitzstände eingeschränkt. Dies gilt jedenfalls rur soziale Leistungen, die auf der allgemeinen Fürsorgepflicht des Staates für alle Bürger beruhen und nach den Grundsätzen der austeilenden Gerechtigkeit gewährt werden. Für den Staat als Dienstherrn und Gesetzgeber ergeben sich aus dem Sozialstaatsgebot verfassungsrechtliche Verpflichtungen dadurch, daß das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis der Beamten in seiner rechtlichen Ausgestaltung sozialen Mindestanforderungen entsprechen muß. 157 Bei den 153 Vgl. Sachs, Zur dogmatischen Struktur der Gleichheitsrechte als Abwehrrechte, DÖV 1984 S. 411. 154 Art. 28 Abs. I GG fordert darüber hinaus für die Länder, daß sie den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen. 155 BVerfGE I, 105, st. Rspr. u. h.M., vgl. v. Münch, Grundgesetzkommentar, 2. Aufl., Art. 20 RdNr. 16 m. weiteren Nachweisen. 156 S. Dittrich, Verfassungsgrundsätze nach Art. 20 GG, RiA 1989 S. 317/325. 157 Das BVerfG hat in BVerfGE 44, 249 u. 49, 260/273 das Sozialstaatsgebot zur Interpretation des Alimentationsprinzips herangezogen; vgl. ferner Summer/Rometsch, Alimentationsprinzip gestern und heute, ZBR 1981 S. 1112; Ule, Beamtenrecht im Wandel der deutschen Staatlichkeit, DVBI. 1963 S. I; Mayer, Studienkommission Dienstrechtsreform, Bd. 5 S. 628.

VI. Die Grenzen des Bestandsschutzes in Notzeiten des Staates

191

Unterhaltsrechten bestehen die Mindestanforderungen in der Gewährleistungder "unteren Grenze einer amtsangemessenen Alimentierung".158 Diese Grenze wurde vom Bundesverfassungsgericht als unterste Grenze für eine nach Beamtenverfassungsrecht zu gewährende Mindestbesoldung und -versorgung und gleichzeitig für nachträgliche Eingriffe des Gesetzgebers in bereits erworbene Unterhaltsrechte festgelegt. Bei den bereits erworbenen Unterhaltsrechten hat das Gericht - wie bereits ausgeführt l59 - verkannt, daß vor allem das beamtenrechtliche Treueverhältnis eine nachträgliche Verschlechterung von gesetzlich einmal zugesicherten Besoldungs- und Versorgungsrechten verbietet. Nun fordert das Sozialstaatsgebot nicht, die besondere Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses als Treuverhältnis zu berücksichtigen. Dem Sozialgesetzgeber ist es daher auch nicht verwehrt, bereits erworbene Unterhaltsrechte für die Zukunft wieder zu verschlechtern. Der Sozialgesetzgeber muß jedoch die besondere Zweckbestimmung der Unterhaltsrechte als Gegenleistung für geleistete Dienste beachten. Hieraus ergibt sich für ihn die Verpflichtung, die Gegenleistung nicht unter die unterste Grenze der Angemessenheit abzusenken. Die beamtenrechtlich gebotene Mindestbesoldung und -versorgung ist damit zugleich der nach dem Sozialstaatsgebot erforderliche Mindestunterhalt.

VI. Die Grenzen des Bestandsschutzes in Notzeiten des Staates I. Bestandsschutz auch in Krisen- und Notzeiten

Wie die Ausführungen gezeigt haben, werden die von den Beamten erworbenen Unterhaltsrechte durch mehrere verfassungsrechtliche Garantien, insbesondere aber durch das beamtenrechtliche Treueverhältnis, vor nachträglichen Verschlechterungen durch den Gesetzgeber geschützt. Der Schutz gilt nicht nur in normalen und ruhigen Zeiten, sondern grundsätzlich auch in Krisenund Notzeiten. 16o Die dem Treueverhältnis zugrunde liegenden beiderseitigen Treuebindungen und -verpflichtungen müssen sich gerade in schwieriger. Zeiten bewähren. Die Treue als sittliche Grundhaltung und rechtlicher Grundwert ist am stärksten gefordert in Zeiten der Not und Gefahr. Die treurechtlich garantierten Rechte der Beamten und die mit ihnen korrespondierenden Pflichten des Dienstherm gelten jedoch nicht unbegrenzt.

15M 150

IM)

BVerfGE 44, S. 248; hierzu Lecheier, AöR 1978 S. 369. S. Abschn. D. 111. Vgl. Hesse in Staatslexikon, 1960, Stichwort Staatsnotstand und Staatsnotrecht.

192

D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen 2. Die Grenzen des Bestandsschutzes in der Vergangenheit

Wie die Darstellung des Bestandsschutzes der Unterhaltsrechte in der Geschichte des Beamtenturns zeigt, erfolgten hoheitliche Eingriffe in die vom Dienstherrn vertraglich oder gesetzlich zugesicherten Rechte grundsätzlich nur in Zeiten großer wirtschaftlicher und finanzieller Not des Staates. 161 Keinerlei Eingriffe - also auch nicht in Notzeiten - wurden vom Lehnsherrn im Lehnsstaat des Mittelalters vorgenommen. Das Lehen, das der Lehnsmann fur seine staatlichen Dienstleistungen erhielt und das seinen Lebensunterhalt sicherte, bestand vor allem in einem unwiderruflichen Besitz- und Nutzungsrecht an Grundstücken. Eine auch nur teilweise Entziehung hatte Strafcharakter und war nur bei einer schweren Verletzung der Treuepflichten des Lehnsmannes und nur durch Urteil des Lehngerichts zulässig. 162 Im mittelalterlichen Ämterwesen wurden die Unterhaltsrechte der Beamten vertraglich geregelt und in den Anstellungs- und Bestallungsurkunden festgelegt. Sie waren durch furstliche Urkunden verbriefte, besiegelte und garantierte Rechte und konnten vom Landesherrn nicht einseitig geändert werden. Nur eine existentielle Notlage des Landes berechtigte ihn zur einseitigen "Reduktion" der vereinbarten Gehaltsansprüche. 163 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der Zeit des Übergangs vom aufgeklärten Absolutismus zur konstitutionellen Monarchie, reichte selbst die Auflösung von Ländern und Landeshoheiten nicht aus, um einmal erworbene Unterhaltsrechte einzuschränken. Das letzte Verfassungsgesetz des 1. Deutschen Reiches, der Reichsdeputationshauptschluß von 1803, verpflichtete die neuen Landesherrn, den betroffenen Beamten ihre bisherigen Unterhaltsansprüche uneingeschränkt lebenslang fortzugewähren. Die von der Verfassung garantierten Unterhaltsrechte hatten dabei höchste Priorität und Vorrang vor allen anderen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verpflichtungen der neuen Dienstherrn. 164 Abzüge vom zugesicherten Diensteinkommen waren auch im 19. Jahrhundert nur in Zeiten großer wirtschaftlicher Not zulässig. Die Verlagerung der Gesetzgebungszuständigkeit vom Monarchen auf den parlamentarischen Gesetzgeber änderte hieran nichts. Sie erfolgte flir das Gebiet des Beamtenrechts nicht in der Absicht, die treurechtliche Bindung des Gesetzgebers an die gesetzlich zugesicherten Unterhaltsrechte zu schmälern oder gar zu beseitigen.

161 162 163

164

Abschn. Abschn. Abschn. Abschn.

B. B. III. B. IV. B. V.

VI. Die Grenzen des Bestandssehutzes in Notzeiten des Staates

193

Die Übernahme sollte vielmehr umgekehrt die Rechtsstellung des Beamten gegenüber dem Monarchen noch weiter stärken und seine ihm gegenüber bestehende tatsächliche und rechtliche Abhängigkeit mindern. 165 In der Weimarer Republik erfolgten Eingriffe in die "wohlerworbenen Rechte der Beamten" ebenfalls nur "zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände" des Reiches. Ausgelöst wurden die Notstände durch die Ende 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise und den Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft. Gestützt wurden die "Brüning'schen Notverordnungen" auf das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten nach Art. 48 Abs. 2 WRV. 166 Eine wirtschaftliche, politische und soziale Katastrophe unvergleichlichen Ausmaßes war schließlich die Ursache fur tiefgreifende Einschnitte in die erworbenen Beamtenrechte nach Beendigung des 2. Weltkrieges im Mai 1945. Das Ergebnis des von Hitler gefuhrten "totalen Krieges" war die vollständige Zerschlagung des nationalsozialistischen Staates, der Verlust weiter Gebietsteile des ehemaligen Deutschen Reiches, die weitgehende Zerstörung der Wirtschaft, die Verwüstung ganzer Städte, die völlige Zerrüttung der Währung, der Zustrom zahlloser Flüchtlinge und Vertriebener USW. 167 Allen geschilderten Eingriffen ist gemeinsam, daß sie nur in Zeiten großer finanzieller Not des Dienstherrn und Staates vorgenommen wurden. Den Eingriffen ist ferner gemeinsam, daß sie nicht weiter gingen, als es zur Bewältigung der Not und zur Wiederherstellung normaler wirtschaftlicher und finanzieller Verhältnisse unbedingt erforderlich war. 3. Keine ausdrückliche Regelung im Grundgesetz

Das Grundgesetz kennt Eingriffe in erworbene Beamtenrechte nur bei dem in den Artikeln 131 und 132 erfaßten Personenkreis. Darüber hinaus enthält es keine ausdrückliche Notstandsregelung oder Eingriffsermächtigung flir den Gesetzgeber. Dies gilt insbesondere auch flir seine umfangreiche Notstandsverfassung. 168 Letztere beschränkt sich im wesentlichen auf besondere Verfahrens- und Zuständigkeitsregelungen flir den Spannungsfall, den Verteidigungsfall und den Bündnisklauselfall als Fälle eines äußeren Notstandes l69 und auf Regelungen fur Hilfen bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Un-

165 166 167 168 169

Summer, Der besondere Gesetzesvorbehalt u. -vorrang. ZBR 1984 S. 253. S. Absehn. B. VII. 4. S. Absehn. B. IX. u. C. I. S. hierzu ausflihrlieh Hesse, Verfassungsreeht, § 23. Art. 115a ff. GG.

13 Müller

194

D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

glücksfällen sowie zur Abwehr drohender Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung als Fälle eines inneren Notstandes. 170 Ein derartiges Eingriffs- oder Notrecht läßt sich auch nicht aus der verfassungsrechtlichen Regelung über die "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" ableiten. Die hergebrachten Grundsätze im Sinne des Artikels 33 Abs. 5 GG haben nur klarstellende Bedeutung. Sie haben gegenüber der Institutionsgarantie des Artikels 33 Abs. 4 GG keinen eigenständigen Rechtsgehalt. Sie können als Rechtsgrundlage für ein Eingriffs- oder Notrecht des Gesetzgebers daher nicht 171 herangezogen werden. 4. Notrecht aus dem Beamtenverhältnis

Verfassungsrechtliche Grundlage für ein derartiges Notrecht ist jedoch die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums in seiner traditionellen Ausgestaltung als besonderes Dienst- und Treueverhältnis nach Artikel 33 Abs. 4 GG. Mit der traditionellen Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses untrennbar verbunden ist nicht nur die grundsätzlich unwiderrufliche Bindung des Dienstherrn an die dem Beamten ursprünglich vertraglich und später gesetzlich zugesicherten Unterhaltsrechte. Der traditionellen Ausgestaltung immanent ist auch das Recht des Dienstherrn, die von dem Beamten erworbenen Unterhaltsrechte wieder einzuschränken, wenn dies wegen einer finanziellen Notlage des Dienstherrn unbedingt erforderlich ist. Dem Notrecht des Dienstherrn liegt - wie dem Notrecht allgemein - der Gedanke der Güterabwägung zugrunde. Die Rechtsordnung regelt das Zusammenleben von Menschen in einer Gemeinschaft. Sie ist eine Gemeinschaftsordnung auf der Grundlage einer Werteordnung. Die Werteordnung beruht auf einer Güterabwägung. Das von der Gemeinschaft als höherwertig anerkannte Rechtsgut hat im Konfliktsfall Vorrang vor dem weniger schutzwürdigen Gut. 172 Die Treue im Beamtenverhältnis steht im Dienste des Staatsgedankens. Sie ist ein tragendes Element im Aufbau und bei der Aufgabenerfüllung des Staates. Sie setzt einen lebens- und handlungsfähigen Staat voraus. Lebens- und handlungsfähig ist der Staat nur dann, wenn seine tragenden Organisationsstrukturen erhalten bleiben und wenn er in der Lage ist, seine existentiell 110 111

112

Art. 35a, 87a und 91ff. GG.

S. Abschn. D. 111. Vgl. Coing. Rechtsphilosophie. S. 106fT.: Dahm. Deutsches Recht. S. 180.

VI. Die Grenzen des 8estandsschutzes in Notzeiten des Staates

195

notwendigen Aufgaben zu erfullen. Zu seinen lebensnotwendigen Aufgaben gehören dabei nach heutigem Staatsverständnis nicht nur seine traditionell ordnenden und schützenden Funktionen, sondern im Rahmen der "Daseinsvorsorge" fur alle Bürger auch solche der Planung, Lenkung und Gestaltung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in der Gemeinschaft,173 insbesondere die Gewährleistung des lebensnotwendigen Bedarfs fur hilfsbedürftige Bürger. Die Aufrechterhaltung der Lebens- und HandlungsHihigkeit des Staates ist daher gegenüber den treurechtlich gesicherten Bindungen und Verpflichtungen des Dienstherrn das höherwertige Rechtsgut. 5. Voraussetzungen für das Notrecht

a) Finanzielle Notlage des Staates Voraussetzung fur die Entstehung des Notrechts ist eine finanzielle Notlage des Staates. Unter einer Notlage versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch eine schwierige Lage, die durch einen Mangel an lebenswichtigen Gütern gekennzeichnet iSt. 174 Nach seiner etymologischen Herkunft bedeutete das Wort Not ursprünglich "Zwang, Bedrängnis".175 In der Rechtsordnung wird das Wort in verschiedenen Wortverbindungen gebraucht, wie Notwehr, Notstand USW. 176 Allen Wortverbindungen ist gemeinsam das Vorliegen einer dringenden Gefahr fur menschliche Lebensinteressen. 177 Das Grundgesetz verwendet den Begriff - wie schon erwähnt - im Rahmen seiner Notstandsverfassung und verbindet mit ihm besondere Fälle außerordentlicher Gefährdungen für den Bestand des Staates oder für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. 178 Bei einer finanziellen Notlage des Staates besteht die Gefahr für seine Lebensinteressen im Fehlen oder im Mangel der für die Wahrnehmung dieser Interessen erforderlichen Geld- oder Haushaltsmittel. Zur Finanzierung der zahlreichen Aufgaben, die der modeme Sozialstaat in unserer Industriegesellschaft übernommen hat, sind ungeheure finanzielle Mittel erforderlich. Entsprechend dem bereits von Adolph Wagner (1835 1917) formulierten "Gesetz der wachsenden Ausdehnung der Staatstätigkeit" Vgl. Hesse, Verfassungsrecht, S. 7. Duden, 8edeutungswörterbuch. Stichwort Not und Notlage. 175 Duden, Herkunftswörterbuch. Stichwort Not. 176 Z.8. §§ 227, 228 u. 9048GB, §§ 32 bis 35 StGB. 177 Nawiasky. Staatslexikon. herausgegeben v. H. Sacher. Stichwort Notrecht. 178 Hesse, Staatslexikon. herausgegeben v.d. GÖrres-Gesellsch .. Stichwort Staatsnotstand und Staatsnotrecht. J73

174

13*

196

D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

im Sozialstaat sind die Ausgaben der öffentlichen Haushalte von 1951 bis 1990 von 37,4 Mrd. auf 748 Mrd. DM gestiegen. Je Einwohner betrugen sie 1951 754 DM und 1990 11829 DM. 179 Die zur Aufgabenfinanzierung erforderlichen Mittel werden vom Staat im wesentlichen durch die Erhebung von Steuern und Aufnahme von Krediten aufgebracht. 180 Die Mitfinanzierung der Staatsausgaben durch die Aufnahme von Krediten hat zu einer erheblichen und wachsenden Verschuldung der öffentlichen Haushalte geführt. So haben sich die öffentlichen Schulden von 17,9 Mrd. DM im Jahre 1950 bis auf 1039,8 Mrd. DM im Jahre 1990 erhöht. 181 Aussagekräftiger als die absolute Höhe der Staatsverschuldung ist allerdings ihre Relation zur wirtschaftlichen Gesamtleistung der Bundesrepublik, d.h. zum Bruttosozialprodukt. Diese sog. Staatsquote betrug 1965 30,7 v.H., erreichte 1975 mit 34,5 v.H. einen Höhepunkt und verminderte sich bis 1990 wieder auf 30,6 V.H. 182 In absoluten Zahlen ist das Bruttosözialprodukt von 1960 bis 1990 von 303 Mrd. DM auf 2425,5 Mrd. DM gestiegen. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich das Volkseinkommen, d.h. die Summe aller Erwerbs- und Vermögenseinkommen (Löhne, Gehälter, Mieten, Zinsen, Gewinne usw.), von 240,1 Mrd. DM auf 1871,5 Mrd. DM und das Volkseinkommen je Erwerbstätigen von 9148 DM auf 65713 DM. 183 Mit einer hohen Staatsverschuldung sind volkswirtschaftliche und fiskalische Risiken verbunden. Die volkswirtschaftlichen Risiken bestehen in der Lastenverschiebung in die Zukunft auf Kosten der künftigen Steuerzahler und in der begrenzten Kalkulierbarkeit der späteren Folgewirkungen, die fiskalischen Risiken in der hohen Zinslast und in der Einengung der haushaltspolitischen Spielräume. Eine verantwortungsbewußte Finanz- und Haushaltspolitik muß daher nicht nur ein weiteres Anwachsen der öffentlichen Schulden möglichst verhindern, sondern auch einen Abbau anstreben, insbesondere über eine Verminderung der Ausgaben durch Sparmaßnahmen. Angesichts des privaten Wohlstandes der Bürger in der Bundesrepublik kann jedoch von einer echten Gefahr für die Zahlungsfähigkeit der öffentliQuelle: Datenreport 1992 S. 248. Die Aufnahme von Krediten erfolgt vor allem durch die Ausgabe von Wertpapieren (Anleihen, Schatzbriefen usw.) auf dem Kreditmarkt und durch die Aufnahme von Darlehen bei den Banken, Versicherungen usw. IXI Das Grundgesetz setzt der Aufnahme von Krediten insoweit Grenzen, als dieEinnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen nicht überschreiten darf. Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 115 GG). I', Datenreport 1992 S. 274f. I'; Datenreport 1992 S. 274ff. 119 IKO

VI. Die Grenzen des Bestandsschutzes in Notzeiten des Staates

197

chen Hände keine Rede sein. Das hohe Bruttosozialprodukt und das entsprechend hohe Volkseinkommen machen die Bundesrepublik vielmehr zu einem der reichsten Länder der Erde. Eine finanzielle Notlage des Staates im Sinne des Notrechts des Dienstherrn ist unter diesen Umständen kaum mehr vorstellbar. Auch eine Weltwirtschaftskrise, wie sie 1931 zu einem finanziellen Zusammenbruch der Weimarer Republik und zu den Notverordnungen des Reichspräsidenten geführt hatte, ist bei den heutigen nationalen und internationalen finanz- und wirtschaftspolitischen Steuerungsmöglichkeiten nur noch als theoretische Möglichkeit denkbar. Ähnliches gilt für schwere kriegerische Auseinandersetzungen und ihre Folgewirkungen, die in der Vergangenheit das Notrecht des Dienstherrn zumeist ausgelöst haben. Auch derartige Kriege dürften nach Beendigung des kalten Krieges zwischen Ost und West und nach dem Zusammenbruch der kommmunistischen Herrschaftssysteme für die Bundesrepublik keine ernsthafte Möglichkeit mehr darstellen. Gänzlich auszuschließen sind sie für die Zukunft allerdings nicht. b) Eingriff als letztes Mittel Neben einer finanziellen Notlage des Staates setzt das Notrecht des Dienstherrn voraus, daß der Eingriff in die Unterhaltsrechte der Beamten notwendig ist, um die Notlage zu bewältigen. Notwendig im Sinne des Notrechts ist der Eingriff nur dann, wenn der Dienstherr ohne den Eingriff nicht in der Lage ist, seine existentiell notwendigen Aufgaben zu erfüllen. Existentiell notwendig sind hierbei - wie bereits ausgeführt _184 die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der lebensnotwendigen Bedürfnisse seiner Bürger, wenn und soweit diese auf die Hilfe der staatlichen Gemeinschaft angewiesen sind. Es reicht also nicht aus, wenn der Staat bestimmte Aufgabenfelder nicht mehr finanzieren kann, die im strengen Sinne nicht unabweisbar notwendig sind, um den modemen Rechts- und Sozialstaat zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für vom Staat gewährte Sozial- und Transferleistungen, die nicht nur eine ausreichende Grundversorgung für wirklich Bedürftige sicherstellen, sondern die darüber hinaus durch eine außerordentliche Ausweitung dieser Leistungen im Ringen der Parteien um die Wählergunst eine weitgehende

IX.!

S. Abschn. D. VI. 4.

198

D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

Teilhabe der Bürger am hohen Lebensstandard einer Wohlstandsgesellschaft anstreben. 185 Die Ausübung des Notrechts setzt also voraus, daß der Eingriff in die Unterhaltsrechte das letzte Mittel und die letzte Möglichkeit, die ultima ratio darstellt, um die lebens- und überlebensnotwendigen Aufgaben zu finanzieren. Der Dienstherr muß vor dem Eingriff alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Erzielung von Einnahmen und zur Einsparung von Ausgaben voll ausgeschöpft haben. c) Keine grundlegende Systemänderung Was den Eingriff selbst anbelangt, so darf er das bestehende System der Unterhaltsrechte und ihren Aufbau nach Laufbahn- und Besoldungsgruppen nicht wesentlich verändern. Eine grundlegende strukturelle Veränderung mit einer Neubewertung von Ämtern aus Anlaß einer Notkürzung widerspricht dem Wesen und dem vorübergehenden Charakter eines Notrechts. 186 Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung ist die Kürzung durch eine lineare Herabsetzung der Bezüge vorzunehmen. Hierbei können die höheren Besoldungsgruppen prozentual stärker gekürzt und die unteren Besoldungsgruppen von der Kürzung ganz ausgenommen werden. 187 Die Kürzung darf die unterste Grenze des amtsangemessenen Unterhalts nicht unterschreiten. Maßstab für die Amtsangemessenheit sind dabei nicht mehr die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse in der Bundesrepublik zur Zeit der ursprünglichen Festsetzung der Bezüge. 188 Maßstab sind vielmehr die veränderten Verhältnisse im Zeitpunkt des Eingriffs. Unter Widerrufsvorbehalt gewährte Besoldungsbestandteile können grundsätzlich widerrufen werden. d) Begrenzung aufNotzeit Da die Kürzung eine Notmaßnahme darstellt, muß sie auf die Notzeit beschränkt bleiben. Sie muß daher entweder von Anfang an befristet sein oder, IX' Vgl. Andersen/Woyke. Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. S. 55ff. I," Vgl. Jellinek, Wohlerworbene Besoldungsrechte der Beamten in Zeiten der Not, RuPrVwBI. 1932 S. 41. 44. 1X7 Vgl. Schwalb. Finanznot u. wohlerw. Beamtenrechte, DJZ 1932 S. 1024, \030. IX~ Vgl. Lecheier. AöR 1978 S. 349. 369.

VII. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

199

wenn die voraussichtliche Dauer der Notzeit noch nicht eingeschätzt werden kann, nach deren Beendigung wieder aufgehoben werden. Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besoldung 189 kann die Kürzung nur vom Gesetzgeber vorgenommen werden.

VII. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen (I)

Das traditionell wesens bestimmende Merkmal des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis nach Art. 33 Abs. 4 GG ist das besondere Treueverhältnis.

(2)

Die staatspolitische Notwendigkeit zur Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses als Treueverhältnis ergibt sich aus den besonderen Funktionen der Beamten und den ihnen hierzu anvertrauten staatlichen Machtbefugnissen. Das Treueverhältnis gewährleistet nicht zuletzt durch den Verzicht der Beamten auf Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Interessen durch Arbeitskampfmaßnahmen eine optimale Aufgabenerfullung. Dem beamtenrechtlichen Treueverhältnis kommt in einer Parteiendemokratie als Gegengewicht gegen die um die politische Macht und Wählergunst ringenden Politiker besondere Bedeutung zu.

(3)

Die beamtenrechtliche Treuepflicht ist gegenseitig. Die Dienstherrntreue ist eine Bedingung und Reflexwirkung der Beamtentreue.

(4)

Die beiderseitige Treuepflicht ist eine Grund- oder Hauptpflicht aus dem Beamtenverhältnis. Sie überlagert, beherrscht und verstärkt alle Einzelpflichten.

(5)

Die Treuepflicht hat einen eigenständigen Rechtsgehalt. Er besteht aus Unterlassungspflichten und Handlungspflichten.

(6)

Für den Bestandsschutz der Unterhaltsrechte der Beamten sind vor allem die Unterlassungspflichten von Bedeutung. Sie verpflichten den Dienstherrn, alles zu unterlassen, was dem Beamten schadet. Sie sichern seine Unterhaltsrechte vor Verschlechterungen durch den Dienstherrn und Gesetzgeber. Sie bilden das Minimum an rechtlich geschuldeter Treue. Sie schließen jede Berufung des Dienstherrn auf seine Gesetzgebungsgewalt und sein Leistungsbestimmungsrecht aus.

(7)

Die Unterlassungspflicht gewährleistet die erworbenen Unterhaltsrechte in ihrem summenmäßigen Bestand. Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, das Grundgesetz schütze nicht mehr die "wohlerworbenen Rechte" der Beamten, trifft nur zu für die Notzeit nach dem 189

BVerfGE 8, 28/35.

200

D. Der Schutz der Unterhaltsrechte durch das Grundgesetz im einzelnen

zweiten Weltkrieg und nur für die Beamtenrechte, die bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes erworben wurden. (8)

Zu den geschützten Bezügen gehören nicht nur die bereits fälligen Besoldungs- und Versorgungsansprüche, sondern ebenso diejenigen, die erst in Zukunft fällig werden. Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, der Gesetzgeber könne unter Beachtung des Grundsatzes der Alimentationspflicht die Unterhaltsrechte der Beamten jederzeit herabsetzen, verkennt das Wesen und den Inhalt der Treuepflicht des Dienstherrn.

(9)

Nicht geschützt sind die erworbenen Unterhaltsrechte in ihrer strukturellen Zusammensetzung.

(10)

Durch das Treueverhältnis geschützt ist jedoch die besondere Rechtsqualität der Unterhaltsrechte. Sie dürfen nicht durch treurechtlich nicht gesicherte Unterhaltsrechte anderer Art abgelöst oder ersetzt werden. Hiergegen hat der Gesetzgeber verstoßen, als er - den beamtenrechtlichen Kinderzuschlag ablöste und durch den sozialrechtlichen Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz ersetzte, - den Versorgungsanspruch aus dem Beamtenverhältnis, der mit einemRentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung konkurriert, zugunsten des Rentenanspruchs kürzte.

(11)

Die wichtigste Handlungspflicht oder positive Treuepflicht des Dienstherrn ist seine Verpflichtung, dem Beamten und seiner Familie einen dem Amt des Beamten angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Der Begriff des amtsangemessenen Unterhalts ist ein Maßstabsbegriff. Er muß sich an den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen orientieren und der Entwicklung des allgemeinen Lebensstandards Rechnung tragen. Die einmal erworbenen Unterhaltsrechte dürfen jedoch nicht mehr verschlechtert werden.

(12)

Die "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" im Sinne des Artikels 33 Abs. 5 GG haben keine rechtsbegründende Wirkung und keinen eigenständigen Rechtsgehalt. Sie haben nur klarstellende Bedeutung.

(13)

Als Äquivalent für eigene Leistungen und vermögenswerte Ansprüche fallen die Unterhaltsrechte der Beamten auch unter den Schutz der Eigentumsgarantie des Artikels 14 GG. Der Schutz erfaßt nicht nur den "Kernbestand" des Unterhalts, sondern die nach den Besoldungs- und Versorgungsgesetzen zustehenden Ansprüche in ihrer summenmäßigen Höhe und ihrer besonderen Rechtsqualität. Die Eigentumsgarantie steht selbständig neben der beamtenrechtlichen Unterhaltsgarantie.

VII. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

201

(14)

Die erworbenen Unterhaltsrechte werden ferner durch die Rechtsstaatsgarantie in ihrem Bestand geschützt. Rechte, die im Rahmen eines Leistungsaustausches erworben wurden, stehen unter dem Schutz der vom Rechtsstaat gewährleisteten ausgleichenden Gerechtigkeit und Rechtssicherheit.

(15)

Allgemeine Eingriffe des Gesetzgebers in erworbene Unterhaltsrechte der Beamten verstoßen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 GG, wenn der Gesetzgeber entsprechende Eingriffe in die Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer unterläßt. Bei strukturellen Verschlechterungen von Unterhaltsrechten kann das Gleichbehandlungsgebot verletzt werden, wenn die bisher erreichte Rechtsstellung des Beamten nicht hinreichend gewahrt wird.

(16)

Das Sozialstaatsgebot verpflichtet den Dienstherrn und Gesetzgeber, den Mindestunterhalt nicht zu unterschreiten, der als Gegenleistung für die dem Staat geleisteten Dienste unbedingt erforderlich ist.

(17)

In der Geschichte des Beamtenturns erfolgten Eingriffe in die Unterhaltsrechte der Beamten nur in Zeiten großer wirtschaftlicher und finanzieller Not des Staates. Das Grundgesetz sieht für Eingriffe in die treurechtlich geschützten Unterhaltsrechte keine ausdrückliche Regelung vor. Verfassungsrechtliche Grundlage für eventuelle Eingriffe kann daher nur das beamtenrechtliche Treueverhältnis in seiner historischen Ausprägung sein. Mit dem Treueverhältnis verbunden ist das traditionelle Recht des Dienstherrn, die Unterhaltsrechte zu kürzen, wenn dies wegen einer schweren finanziellen Notlage des Staates unbedingt erforderlich ist, um die für den Rechts- und Sozialstaat existentiell notwendigen Aufgaben erfüllen zu können.

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214

Sachwortregister

- Wesensmerkmale, Strukturprinzipien 15, 84, 143, 148, 154, 157, 163,171 Besatzungsmächte 102ff., 108f., 111, 113f., 118, 120, 166 Besatzungsrecht 108, 111, 166 Besatzungszonen 102ff., 111, 113, 166 Besitzstand 57f., 62, 65, 94, 101, 128, 132, 135, 148f. - im engeren Sinne 140, 170f. - im weiteren Sinne 170f. s. auch Rechtsstand und Bestandsschutz Besitzstandsgarantie 69, 135 Besitzstandsklausel 78, 128, I 69f. Besitzstandsregelung 56f., 94, 125, 128, 135, 139, 141, 169 Besitzstandsschutz 58, 126, 129, 132, 134, 139, 171 Besitzstandswahrung 101, I 23ff., 133, 136,140,148,153,171 Besoldung 17,21, 23f., 33, 35, 39, 56, 59, 62f., 76, 78ff., 109f., 123ff., 128,191,198f. - amtsangemessene, angemessene 17f.,32f.,50f., 130, 198 - als Gegenleistung 19f., 28, 147 - Kembestand, Kembereich 17, 19, 23,33 s. auch Dienstbezüge, Gehälter, Unterhalt Besoldungsanpassung 21 ff., 76ff., 80f., 83, 124, 129f., 134, 138f., 148 Besoldungserhöhung, Besoldungsverbesserung 76f., 127, 130, 132, 134, 140, 148 Besoldungsgesetze 17, 68, 70, 76ff., 80ff., 85, 90f., 93, 100f., 105, 109, 123f., 129, 131, 133, 140, 142, 145, 167 Besoldungsmoratorium 135 Bestallungsurkunde 50, 67, 192 Bestand 27, 32,46, 65, 77, 81, 83, 99, 133, 146, 163, 166, 170, 172, 179, 181, 183, 195, 199, 201, s. auch Besitzstand u. Rechtsstand

Bestandsschutz in der Bundesrepublik 19,125,129, 13 Off. , 135f., 171, 190 - durch die Eigentumsgarantie 181 ff. - in der Gesetzgebung 123ff. - durch die hergebrachten Grundsätze 178ff. - in Notzeiten 191ff. - in der Rechtslehre 151 ff. - in der Rechtsprechung I 42ff. - durch das Rechtsstaatsprinzip I 85ff. - durch das Sozialstaatsgebot 190 - durch das Treueverhältnis I 57ff. Bestandsschutz in der Geschichte - im aufgeklärten Fürstenstaat 54ff. - im Deutschen Kaiserreich 66ff. - im Dritten Reich 94ff - nach dem Dritten Reich bis zur Gründung der Bundesrepublik 102ff. - in der germanischen Gefolgschaft 41ff. - im Lehenswesen 44 - im mittelalterlichen Ärnterwesen 48ff. - in der Weimarer Republik 72ff. Betriebsrente 28 Beurteilungsspielraum s. Gestaltungsfreiheit Bevölkerungsentwicklung 26, 29 Bezahlung, s. Besoldung, Ruhegehalt, Unterhalt, Versorgung Bundesbeamtengesetz 89, 125, 133, 140 Bundesbesoldungsgesetz 17, 124f., 131, 133, 142 Bundesgerichtshof lo9ff., 142f., 161 Bundestag 24,34, 135, 166 Bundesverfassungsgericht 17ff., 23f., 32,36, 105, 128, 139, 144f., 15Iff., 162, 167f., 174, 182, 189, 199f. Daseinsvorsorge 168, 182, 195 Deflationsklausel 79, 82 demographische Entwicklung, s. Bevölkerungsentwicklung Deutscher Beamtenbund 73, 114, 117,

Sachwortregister 119 Deutsches Beamtengesetz 105 Deutsches Reich 66ff. Dienstbezüge 68, 79, 81, 83f., 88, 98, 100, 107, 120, 123f., 130, 132ff., 137, 140, 142 Dienstherr 15, 18, 28f., 33, 35f., 39, 43, 48ff., 52f., 55f., 58, 60, 63f., 66, 69, 72, 98, 10 1ff., 109f., 115f., 120, 125, 128, 131, 133, 147f., 150f., 154f., 160ff., 172ff., 180, 183f., 186, 190ff.. 199ff. Dienstherrntreue, s. Treuepflicht des Dienstherrn s. Dienstund Treueverhältnis Treueverhältnis Eigentum 18,36,39, 44ff., 54, 90, 165, 169 Eigentumsgarantie, Eigentumsschutz 18f., 36. 44, 58, 74f., 90, 93, 143ff., 153, 155, 165, 169, 174f., 181 ff., 200 Eingriffe in Unterhaltsrechte 17ff., 21 ff., 27f., 30ff., 66, 82ff., 90ff., 97ff., 101, 104ff., 110ff., 114, 120ff., 123ff., 148, 153, 172f., s. auch Kürzung, Verschlechterung Einkommen, s. Besoldung, Gehalt, Ruhegehalt, Unterhalt, Versorgung Einkommensentwicklung 126, 134 Einrichtungsgarantie s. Institutionsgarantie Emolumente 56 Entnazifizierungsgesetz 104f., 111 Ermächtigungsgesetz 93, 97f. Ermessensspielraum, s. Gestaltungsfreiheit Familienlastenausgleich 131, 150, 174 Flüchtlinge, Vertriebene 103, 113, 121, 193 Fürsorgeleistungen 146, 182 Fürsorgepflicht 146f., 154f., 175, 177, 182, 190 Fürst 41 ff., 48ff., 53ff. Fürstendiener 52, 157, 162

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Fürstendienst 49 Fürstenstaat 54ff. Gebühren als Unterhaltsleistung 51 Gefolgsmann 41 ff. Gefolgschaft, germanische 41 ff., 156, 159 Gefolgschaftsverhältnis 41 ff. - als Treueverhältnis 41 f. Gehälter 22, 24f., 54, 77ff., 87, 124. 128f., 133, 196, s. auch Besoldung, Dienstbezüge, Ruhegehalt, Unterhalt Gehaltsansprüche 68, 70, 77, 83f., 109. 144,192 Gehaltskürzungsverordnungen 86ff., 99, 123, s. auch Notgesetzgebung Gemeinwohl 17, 30, 92, 151, 156 Generationenvertrag 28 Gerechtigkeit 26,28,33,37,63, 190 - als Rechtsstaatsprinzip 185ff. - ausgleichende 185f., 188,201 - zuteilende, austeilende 185, 190 Gesetz - Rückwirkung 39, 99, 110, 151 169, 186 - Vorbehalt der Inhaltsbestimmung 75f., s. auch Widerrufsvorbehalt Gesetzesvertrauen 66, 150, 171 f., 186ff. Gestaltungsfreiheit, Gestaltungsspielraum, Beurteilungsspielraum, Ermessensspielraum 17f., 20f., 36f., 50,53,177,183,190 Gesundheitsreform 30ff. Gewerkschaften 22, 24, 106, 113 Gewohnheitsrecht 49f., 53f., 57, 63, 74, 92f., s. auch hergebrachte Grundsätze, Herkommen, Tradition Gleichbehandlung 22, 28, 99, 130f., 188f., 198, 201 Gleichheitssatz, Gleichheitsgebot 28, 130, 148, 185, 188ff. Grundgehalt 78, 81, 98, 125ff., 129, 132f., 136, 141f. Grundgesetz - Art. 2 181

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Sachwortregister

- Art. 3 28, 148, 181f., 188f., 201 - Art. 14 18f., 36, 143f., 145, 148, 155, 169, 174f.18Iff., 188, 200, s. auch Eigentumsgarantie - Art. 20 19, 173, 185, s. auch Sozialstaatsgebot - Art. 28 36 - Art. 33 Abs. 4 If., 113, 146, 155, 162, 166, 174, 179f., 183f., 188, s. auch Treueverhältnis - Art. 33 Abs. 5 15, 17ff., 23, 113, 143f., 146, 148, 156, 161f, 166f., 174, 178ff., 182ff., 188, s. auch hergebrachte Grundsätze - Art.35a 194 - Art. 72 124 - Art.74a 129 - Art. 75 124 - Art. 87a 194 - Art. 91 ff. 194 - Art. 115aff. 193 - Art. 131 12Of., 146 - Art. 132 120, 122 Grundgesetz, Schutz der Unterhaltsrechte durch das besondere Treueverhältnis 157ff. - die Eigentumsgarantie 181 ff. - den Gleichheitssatz 188ff. - die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums 178ff. - das Rechtsstaatsprinzip 185ff. - das Sozialstaatsgebot 190f. Grundrechtsähnliche Rechte 17ff., 145, 173,187 Grundversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung 28 Güterabwägung 53, 194 Handlungspflichten des Dienst-herrn 47, 52, 55, 164, 175ff., 199f., s. auch Treuepflicht Harmonisierung der Alterssicherungssysteme 26 Harmonisierungszulage 136, 139 Heerfahrt 44f. Heerschildordnung 45, 49

hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums 15, 18, 116ff., 122, 143ff., 15Iff., 157, 16Iff., 167, 176, 178ff., 194, 200 Herkommen 49, 53, 57, 63f., 74, 96, 125, s. auch Gewohnheitsrecht und Tradition Herrenchiemsee-Entwurf 114 Herrentreue s. Treuepflicht des Dienstherrn Herrschaftsgewalt 54, 61, 66, 96, 102, 111, 162, s. Hoffahrt 44f. hoheitsrechtliche Befugnisse, hoheitliche Aufgaben 50, 55, 63, 156, 184 s. auch Herrschaftsgewalt homagium 45 Individualrechte 64, 91, 114, 185, 188, 190, s. auch wohlerworbene Rechte Investitur 45 Institution des Berufsbeamtentums 53, 71, 90ff., 106, 114, 116, 122, 143 Institutionsgarantie, institutionelle Garantie, Einrichtungsgarantie 61, 67, 71, 84, 90ff., 114, 116ff., 122, 143f., 157, 166, 173, 179, 183, 194 Jährliche Sonderzuwendung, Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt 23f., 147 jura quaesita 50, 53 jus eminens 53, 92 Kaiser 66, 72 Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz 38, 131, 150, 168, 174 Kinderzuschlag für Beamte 81, 87, 124, 127, 131, 136, 147, 171, 174, 200 König 45, 49f., 54, 61, 64ff. Kommendation 44f. Konkurrenzen 173, 175, 178fT., 184, 200 Konsolidierung der öffentlichen Haus-

Sachwortregister halte 22,89, 138, 140 Kontinuitätsvertrauen 187, s. auch Vertrauen, Vertrauensschutz Kosten - der Beihilferegelung für Beamte 33ff. - der gesetzlichen Krankenversicherung 30f., 35 - der Lebenshaltung 80, 107, 177 Krankenversicherung, gesetzliche 30ff., 34f. - Kostenexplosion 30 - Systemunterschiede zur beamtenrechtlichen Beihilfe 33f. Kürzungen des Unterhalts 19, 21 ff., 84, 86ff., 94, 99f., 105, 107f., 123, 134, 136f., 143ff., 15Of., 154, 156, 169, 172, 175, 183f., 198f., s. auch Eingriffe u. Verschlechterungen Kürzungsbestrebungen des Bundes 21ff. Kürzungsinitiativen der Länder 23f. Landsgemeinde 41 Landeshoheit 48, 192 Landesherr 48f., 52f., 56f., 61, 65, 192 Landesherrschaft 48 Laufbahn, Laufbahnrecht 98, 125, 127, 139f., 189, 198 Lebensunterhalt 17f., 28, 32f., 50, 57, 59, 63, 85, 103, 105, 109, 113, 120, 143, 145, 148, 150, 177, 182, 192, 200, s. auch Unterhalt Lehen 44ff., 192 Lehngut 45 Lehnrecht 44ff. Lehnsentziehung 46 Lehnsgewere 45 Lehnsgericht 46 Lehnshierarchie 45 Lehnsmann 44ff., 192 Lehnsverhältnis 44, 46, 48, 51 Lehnswesen 44ff. Leistung - leistungsgerechte Bezahlung 39, 51, 150f., 186,200, s. auch Unterhalt - Verhältnis von Leistung und Gegenleistung 19f., 22, 28f., 33, 39,

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131, 147, 162, 173f., 176f., 182, 186ff., 191,201 Machtergreifung 93, 95 Mannschaft 45 Mediatisierung 56 Medien 16 Menschenrechte 185 Militärregierungen 104, 107, 114, 120 Mittelalter 44, 48ff., 52, 54, 156, 159, 192 Monarch 62, 69, 72, 96, 162, 192f. Monarchie 58, 69, 93, 96, 157, 162, 192 Munt 41 Nationalsozialismus 105, 109, 111 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 95 Naturalleistungen 51 Not, Notlage, Notstand 20, 53, 66, 83, 85, 92ff., 98, 103f., 109, 145f., 192ff., 197,201 Notrecht 53f., 64ff., 85ff., 89f., 92ff., 99, IOlf., 123, 146, 152, 167, 169, 193ff., 197 Notstandsverfassung 193, 195 Notzeit 83f., 89, 144, 146, 191ff. öffentlicher Dienst s. Berufsbeamtenturn öffentliches Interesse 38, 99, 151 öffentlich-rechtliches Dienst- u. Treueverhältnis, s. Treueverhältnis Parlament 22, 32, 69, 72, 74, 86, 92, 97, s. auch Bundestag Parlamentarischer Rat 113f., 157, 166 Pensionskürzungsverordnung 86ff., 90, 94 Pflichten des Beamten oder Dienstherrn, s. Fürsorgepflicht und Treuepflicht Preußisches Allgemeines Landrecht 55 Privilegien 30, 50, 131, 187 Rahmenkompetenz 124 Rahmenvorschriften 124, 127

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Sachwortregister

Rechtsordnung als Werteordnung 38f., 158 Rechtsqualität der Unterhaltsrechte 81, 93, 101, 172, 173f., 183, 200, s. auch Unterhaltsrechte Rechtssicherheit 19, 43, 157, I 64f., I 86f., 201 Rechtsstaat 16f., 19, 36, 61, 74, 93, 105, 110, 114f., 130, 153, 157, I 64f., 170, 173, 184, I 86f., 190, 201 Rechtsstaatsprinzip 19, 36ff., 169, I 85ff. Rechtsstand 67f., 81, 83, 110, 125, 130, 137, 148, 170f., 174, s. auch Besitzstand Rechtsstandsregelung, Rechtsstandsklausel, Rechtsstandsschutz, Rechtsstandswahrung 67ff., 72, 78, 94, 130, 132ff., 140, 142, 171f. s. auch Besitzstandsregelung und Bestandsschutz Reichsbeamtengesetz 67f., 70f., 81f. Reichsbesoldungsgesetz 1920 76, 78f., 8If. Reichsbesoldungsgesetz 1927 76, 80, 82,88, 101, 105, 123ff., 143 Reichsdeputationshauptschluß 55ff., 65, 74, 165, 192 Reichsgericht 77, 83f., 91f., 94, 99, 1I0f. Reichsgrundgesetz 1803 55, 65, 165, 192 Reichsverfassung 1871 66, 71, 74, 76, 125 Rentenanrechnung auf Beamtenversorgung 26f., 149f., 174,200 Rentenfonnel, dynamische 25 Rentenversicherung, gesetzliche 25ff., 137f., 149, 168, 174,200 Repräsentation, amtliche 51, 59 Rückwirkung von Gesetzen - echte 169, 187 - unechte 171, 187 Ruhegehalt 27f., 59, 69, 74, 81, 88f., 98, 100, 107, 111, 140, s. auch Unterhalt und Versorgungsbezüge

- Anpassungszuschlag 138f. - Anrechnung von Renten 26[" 137, 149f., 174, s. auch Unterhalt und Versorgungsbezüge Sachgerechtigkeit 17, 36ff. Säkularisierung 56 Selbstbindung des Gesetzgebers 186 Sippe 41 Sonderzuwendung, jährliche, Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt 23f., 147 Sozialdemokratische Partei 72, 106 Sozialgesetzgebung, Sozialrecht 22, 25f., 28, 34f., 37, 149ff., 174f., 191 Sozialleistung 20, 22, 131, 150f., 174 - Unterschied zur Besoldung und Versorgung 22, 25f., 28f., 131, 149f., 173f., 190f. Sozialpolitik 25f., 29, 133 Sozialrecht 37, 149ff., I 74f. Sozialstaatsgebot 148, 190f., 20 I, s. auch Grundgesetz Art. 20 Spannaßnahmen, Sparprogramm 21 f., 133,136,138,141,188,196, Staatsdiener 58,63, 72, 162 Staatsdiener-Edikte 60f. Staatsdienst 55, 62ff. Staatsnotrecht s. Notrecht Staatsverschuldung 136, 196 Stellenzulage 124f., 127, 132, 142, Stillhalteabkommen 135 Stipendium 41 Streikverbot 117 Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums s. Berufsbeamtentum Systemfehler - in der gesetzlichen Krankenversicherung 34 - in der gesetzlichen Rentenversicherung 25f. Tarifbereich 22, 24, 134 Tradition 15, 49, 73, 76, 81 f., 94, 96, 104, 106, 108, 118, 121, 133, 153, 156f., 161f., 176, 194f., 199,201, s. auch Herkommen und hergebrachte

Sachwortregister Grundsätze Treue - im allgemeinen Sprachgebrauch I 58ff. - im Beamtenverhältnis 115f., 157ff. - in der germanischen Gefolgschaft 4Iff., 159 - im Lehnsverhältnis 44, 46ff. - im mittelalterlichen Ämterwesen 51ff. - als sittliche Grundhaltung 46, 51, 157,161,176,191 Treueid 43, 47, 50, 52f., 96 Treuepflicht - des Beamten 15, 46, 50, 64, 106, 117, 129, 144, 154f., 157, 160f., 194, 199 - des Dienstherrn 15, 46f., 55, 64, 72, 131, 146, 151, I 54f., l64ff., 168, 171, 194, 199f. - Gegenseitigkeit 38, 41, 46, 49, 51, 55,64, 146, 150, 153, 16Iff., 199 - als Handlungspflicht 47, 52, 55, 164, 175ff., 199f. - als Hauptpflicht 117, 163ff., 199 - als politische Pflicht 154, 199 - als Unterlassungspflicht 47, 52, 55, 164ff., 168ff., 175, 199f. Treueverhältnis, Beamtenverhältnis als - 15, 18, 28, 38f., 44, 46f., 49, 51 ff., 55,64,67, 76, 92f., 98, 106, 1\5ff., 129, 146, 149ff., 153ff., 157ff., 161, 199 Treu und Glauben 19, 163 Übergangsregelung 119, 120ff., 137, 142, 150f. Überleitungszulage 126, 132, 148f. Überversorgung 25,34,89, 137 Unabhängigkeit, wirtschaftliche 17, 61, 115, 145, 149 Unterhalt 15, 28, 33, 44f., 51, 59, 63, 84,90, 109, 120, 146, 177, 183,200 - angemessener, amtsangemessener 17,36,83,145, 151f., 174, 176,200 - Anspruch auf - 17, 19, 21 f, 36, 39, 43, 53, 56f, 67, 72, 74ff., 81, 83,

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85,90,93,147,149,151,153,167, 175,182,192 fälliger - 110, 144, 148, 169ff., 200 - nicht fälliger - 144, 153, 170ff., 200 - Kernbereich, Kernbestand des Unterhalts 17ff., 27, 57, 145, 147, 153, 155, 183, 200, s. auch Besoldung, Gehälter, Ruhegehalt, Versorgung Unterhaltsrechte der Beamten 15ff., 39, 57, 191 - Bedeutung für die Allgemeinheit 16, 19,24 - Bedeutung für die Beamten 15f., 20, 33,60, 171, 173f., 176 - Eingriffe des Dienstherrn 20, 24ff., 33, 60, 107, 122, 171, 173f., 176, 200 - Gegenleistung für Dienstleistungen 33,38, 131, 191,201 - keine Sozialleistungen 20, 150 - politische Behandlung 21 ff. - Rechtsqualität 81, 93, 101, l72ff, 183,200, Unterlassungspflichten, treurecht-liche 47,52,55, l64ff., 168ff., 199 Unterwerfungsverhältnis 44 Unverletzlichkeit der Unterhaltsrechte 58f., 68, 70ff., 74, 91, 100, 108, 143, 151, 165 Urlaubsgeld 147 Vasall 44ff., 50, 52, 165 Verfassung - der Bundesrepublik Deutschland s. Grundgesetz - der Weimarer Republik s. Weimarer Reichsverfassung - des Deutschen Kaiserreiches s. Reichsverfassung 1871 - des I. Deutschen Reiches s, Reichsgrundgesetz 1803 Vermögensrechte 20, 38, 50f., 53f., 70, 74f., 109, 111, 117, 134, 143ff., 147,149, 155f., 170, 181ff Versicherungsprinzip 28, 34 Versorgung, Versorgungsbezüge 22f.,

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Sachwortregister

27,33, 72, 78, 87ff., 110, 122, 128, 130, 138, 149f., 154, 169, 174, s. auch Ruhegehalt, Unterhalt Versorgungsrecht 17, 24ff., 29, 58, 107,141,149,191 Vertrauen, Vertrauensschutz 19f., 42, 46, 51, 15Of., 157ff., 186f. Vertreibung 35, 103, 111, 113, 120 Vertriebene 103, 113, 12Of., 193, s. auch Flüchtlinge Vorbehaltsklausel, Änderungsklausel, Änderungsvorbehalt, Widerrufsvorbehalt 76, 78ff., 82ff., 90f., 94, 99, 109f., 142, 198 - als Deflationsklausel 79, 82 Währungsreform 106f., 111 Weimarer Reichsverfassung, Weimarer Verfassung 58, 73ff., 77, 82, 89,91,93 Wertausgleich 186, s. auch Äquivalenz Werteordnung, Rechtsordnung als - 63, 75, 157, 194 Widerrufsvorbehalt s. Vorbehalts-

klausel Wiedervereinigung 119 Wohl erworbene Rechte 62, 64, 70ff., 74ff., 99, 109f., 114, 116, 122, 143ff., 151ff., 162, 165ff., 178, 186f., 193, s. auch Besitzstand, Bestandsschutz, Rechtsstand Zulagen - Amtszulagen 127, 139 - Ausgleichszulagen 100f., 124ff., 130, 128ff., 139, 142 - Harmonisierungszulagen 136, 139 - nichtruhegehaltsfähige - 123, 132 - ruhegehaltsfähige - 129, 132, 135, 141ff. - Stellenzulagen 124f., 127, 132, 141f. - Überleitungszulagen 126, 132, 148f. - unwiderrufliche - 45, 48, 125 - widerrufliche - 84, 98 Zusatzversorgung fur Arbeitnehmer 25, 137 Zuverlässigkeit 46, 158f., 186