Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache im Bereich der Wortbildung (1470–1730): Von der Wortgruppe zur substantivischen Zusammensetzung [Reprint 2022 ed.] 9783112618240, 9783112618233


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German Pages 154 [159] Year 1984

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Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache im Bereich der Wortbildung (1470–1730): Von der Wortgruppe zur substantivischen Zusammensetzung [Reprint 2022 ed.]
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V. M. Pavlov

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache im Bereich der Wortgruppe (1470—1730)

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER DDR Zentralinstitut für Sprachwissenschaft

5 6/VI Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen Herausgegeben von Günter Feudel und Joachim Schildt Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache (1470—1730) • VI

V. M. Pavlov

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache im Bereich der Wortbildung (1470-1730) Von der Wortgruppe zur substantivischen Zusammensetzung

Akademie-Verlag • Berlin 1983

Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-1086 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1983 Lizenznummer: 202 • 100/158/83 Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 5820 Bad Langensalza Lektor: Ursula Schöwe Umschlaggestaltung: Helga Klein LSV: 0815 Bestellnummer: 754 141 0 (2054/56/VI) DDR 3 2 , - M

VORWORT

Die vorliegende Monographie ordnet sich in ein umfangreiches Forschungsvorhaben ein, dessen Ziel es ist, wichtige Prozesse bei der Herausbildung der Normen der deutschen Literatursprache der Gegenwart zu untersuchen. Das Projekt wird vom Institut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und vom Zentralinstitut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR getragen und auf der Grundlage eines koordinierten Arbeitsplans bearbeitet. Bisher liegen 5 Bände vor. Alle folgen weitgehend einheitlichen Prinzipien der Analyse und Beschreibung und stützen sich auf ein weitgehend einheitliches Textkorpus; dennoch ist jeder Band relativ eigenständig. Den Mitarbeitern des Zentralinstituts für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR, R. Bentzinger und R. Peilicke, möchte ich für die Mühe, die sie bei der abschließenden Ausformung des deutschen Textes aufwendeten, herzlichen Dank sagen. V. M. Pavlov

EINLEITUNG

Die Zusammensetzung (das Kompositum) im Deutschen ist ein umstrittenes grammatisches Gebilde. Das gilt sowohl für das Kompositum im allgemeinen als auch für die besonderen morphologischen Arten des Kompositums im einzelnen — das zusammengesetzte Substantiv, das zusammengesetzte Verb, das zusammengesetzte Adjektiv usw. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf das zusammengesetzte Substantiv mit substantivischem (oder auch substantivisch deutbarem) ersten Glied. Im Zusammenhang mit der Eigenart des zu untersuchenden Sprachmaterials im Zeitraum 1470—1730 und mit der speziellen Aufgabe dieser Arbeit werden nicht nur eindeutig als substantivische Zusammensetzungen bestimmbare Gebilde sondern auch die „zusammensetzungsartigen" Substantivgruppen in die Untersuchung einbezogen. Daß das deutsche Kompositum in den weitaus meisten Fällen ein „Morphemgefüge" darstellt, das bestimmte spezifische Merkmale des Wortes, und zwar gerade e i n e s Wortes hat, wird nicht in Frage gestellt. Ist aber „Wortbildung" — in unserem Fall Bildung von substantivischen Zusammensetzungen — identisch mit Lexembildung und somit vorzugsweise eine Angelegenheit des Wortschatzes der deutschen Sprache? Der Ausdruck „Wortschatz" wird nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch in der sprachwissenschaftlichen Fachliteratur gewöhnlich mit dem Gesamtbestand der Wörter als lexikalische Bezeichnungsmittel gleichgesetzt. In dieser Arbeit werden die Begriffe „ W o r t " und „Lexem" nicht synonym gebraucht (das ist eine Voraussetzung zur Klärung der komplizierten wechselseitigen Beziehungen beider Reihen von sprachlichen Erscheinungen). Es wird daher behauptet, daß bei der Opposition „Wortgruppe: Zusammensetzung" die morphologischen Unterscheidungsmerkmale im Vordergrund stehen. Diese Behauptung soll nicht bedeuten, daß dem morphologischen Unterschied von Wortgruppe und Zusammensetzung jegliche semantische und funktionale Relevanz abgesprochen wird. Die semantischen und funktionalen Charkteristiken beider morphologisch unterschiedenen Gefüge sind aber feldartiger Natur. Als Felder, von denen jedes einen besonderen, nur dem jeweiligen Feld eigenen Komplex von semantischen und funktionalen Eigenschaften darstellt, mit Abstufungen vom Zentrum zur Peripherie, können sie freilich auch im semantischen und funktionalen Aspekt als unverwechselbare Ganzheiten gefaßt und einander gegenübergestellt werden. Dieser Aspekt der Gegenüberstellung erreicht aber nicht den Grad der Eindeutigkeit und Konsequenz, der dem morphologischen Gegensatz eigen ist. Die betreffenden Felder überschneiden sich. Wenn man beide Arten von grammatischen Gebilden in semantischer und funktionaler Sicht miteinander vergleicht, so stellt man fest, daß sie in den für beide typischen Tendenzen auseinanderstreben, zugleich aber „am Rande", doch in einer nicht zu unterschätzenden Zahl an Einzelrealisierungen relativ gleichwertig sind. So ist die Wortgruppe nicht schlechthin dem syntaktischen und das Wort — vor allem das zusammengesetzte, oft genug aber auch das abgeleitete — dem lexikalischen Bereich zuzuordnen (neues Wort als neues Lexem, als ein eigenständiges

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Einleitung

Bezeichnungsmittel für einen neuen Begriff). Die Wortgruppe gilt für das Sprachsystem hauptsächlich als grammatisches Modell, in dessen Rahmen die sprachlich verfestigten, dem Sprechakt vorgegebenen lexematischen Bezeichnungseinheiten miteinander kombiniert werden, sie kann aber unter Umständen auch als individuelles Ganzes lexikalische Funktion haben (Mehrwortlexeme). Das Kompositum hingegen ist schon durch seine Einwortform dazu prädisponiert, die lexikalische Bezeichnungsfunktion auszuüben. Es eignet sich aber als grammatische Konstruktion mit einer besonderen morphologischen Fügungsform auch zur Vereinfachung des Aufbaus von syntaktischen Gruppen und wird im Deutschen vielfach allein auf Grund dieser Eigenschaft und Eignung da angesetzt, wo die Wortgruppenform praktisch den gleichen kommunikativen Effekt hätte. Beide Arten von morphologischen Gefügen überschneiden sich also auf Grund ihrer komplexen Eigenschaften teilweise in der funktionalen Ebene. (Funktion ist der Ausdruck für die Unterscheidung der Rolle eines Ausschnitts einer Aussage als lexematisches Bezeichnungsmittel und eines anderen Ausschnitts als Produkt der hic et nunc, hier und jetzt vollzogenen Verbindung von Lexemen.) Nicht weniger wichtig ist das Gemeinsame, das die Wortgruppe und das Kompositum in der semantischen Ebene aufzuweisen haben. Die Komposita sind in der entschieden überwiegenden Mehrzahl aller Fälle semantisch durchsichtig; das heißt, daß die Bestandteile solcher Komposita die Bedeutungen behalten, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Elemente des Lexikons zukommen. In dieser Hinsicht unterscheiden sich also die „durchsichtigen" Komposita nicht von der großen Masse gewöhnlicher Wortgruppen. Gemeinsam ist beiden auch, daß eines ihrer Glieder in der attributiven Beziehung zum anderen steht. Doch differieren diese Gebilde darin, wie die semantische Beziehung der Glieder zueinander ausgedrückt wird: Die Form der Zusammensetzung erfaßt sie vorwiegend ganz allgemein, während in der Wortgruppe neben dem Genitiv des substantivischen Attributs zahlreiche Präpositionen zur Verfügung stehen, die die semantische Beziehung des abhängigen Gliedes zum übergeordneten präzisieren. Dieser Unterschied darf nicht überschätzt werden, denn in der Wortgruppe spielen ebenfalls — vor allem in der genitivischen Fügung — die lexikalischen Bedeutungen der Glieder und durch ihre Vermittlung eigentlich das Wissen um die objektiven Beziehungen der Dinge an sich eine wichtige Rolle für die Klärung von konkreten Arten der attributiven Abhängigkeit. Es genügt schon die abstraktere Gemeinsamkeit der attributiven semantischen Struktur von Wortgruppe und Zusammensetzung, um sie als weitgehend synonyme Formen anzusehen. Dem praktischen Sprachgebrauch (abwechselnde Verwendung von Zusammensetzungen und Wortgruppen aus gleichen Gliedern) und der Sprachbeschreibung (Deutung von Zusammensetzungen durch Wortgruppen) ist diese Synonymie längst vertraut. Bei der Behandlung der Frage nach der Stellung der Zusammensetzung im deutschen Sprachbau neigt man von jeher in der Regel dazu, das Gegensätzliche und Unterschiedliche von Kompositum und Wortgruppe in den Vordergrund zu stellen und dies auf Kosten der ihnen ebenfalls eigenen gemeinsamen £üge zu verallgemeinern. Durch gewisse Einseitigkeiten in der Entwicklung der Vorstellungen vom Sprachsystem als einem System von Oppositionen wird diese Tendenz verstärkt. Im Rahmen des generativen und transformationellen „Approachs" hat sich hingegen die Tendenz abgezeichnet, Kompositum und Wortgruppe auf den gemeinsamen syntaktischen Nenner zu bringen. Eine objektive theoretische Abbildung der realen Verhältnisse auf diesem Gebiet ist nur zu erzielen, wenn man sich bewußt leiten läßt vom Prinzip der gesetzmäßigen Vereinigung und der Einheit von gegensätzlichen Eigenschaften innerhalb der zu untersuchenden Gegenstände. Folgt man diesem Prinzip, dann ist eine der wichtigsten Voraussetzungen,

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daß man in der Theorie über diese Untersuchungsobjekte sowohl ihre Gemeinsamkeiten als auch ihre Unterschiede und Gegensätze beachtet. Dieses Prinzip fällt bei der Sprachanalyse besonders ins Gewicht, wenn synonyme Formen behandelt werden. Einerseits lassen sich die substantivische Wortgruppe und die substantivische Zusammensetzung auf Grund der gemeinsamen Merkmale ihrer Gestalt und ihrer semantischen Struktur als attributive substantivische Komplexe zusammenfassen. Andererseits ist ihr semantischer Unterschied, der im Einklang steht mit den divergierenden Merkmalen des morphologischen Baus der beiden Gebilde von nicht geringer Relevanz. Hinsichtlich der feldartigen semantischen Struktur beider Gebilde unterscheidet sich die Zusammensetzung von der Wortgruppe dadurch, daß in der typischen substantivischen Zusammensetzung das Attribut zum Artattribut wird: das Kompositum reflektiert den bezeichneten Gegenstand als Exemplar s o l c h e r Gegenstände, der Gegenstände einer besonderen Art, die ihr Typisches hat. Dieses Typische anzudeuten, zu verallgemeinern und festzuhalten ist die eigentliche semantische Leistung des Kompositums. Dem Kompositum ist das Bezeichnete ein Begriff, während die Wortgruppe — wiederum aufs Ganze gesehen — dem bezeichneten Einzelding ein Merkmal attribuiert, das ihm im gegebenen Fall zukommt. Dabei tritt die eventuelle eigenbegriffliche Geltung des semantischen Gesamtinhalts der Wortgruppe zurück. Das Kompositum bewirkt also einen verallgemeinernden typisierenden semantischen Effekt. Diese Eigenschaft des Kompositums, die aus seinem morphologischen Bau ableitbar ist, vor allem daraus, daß dieser das attributive Glied aus dem System der Artikelformen samt ihren differenzierten und differenzierenden Bedeutungen ausschließt, erklärt die erwähnte Prädisposition des Kompositums für die lexikalische Funktion. Diese tritt auch unverzüglich in Kraft, sobald das soziale „Bedürfnis im Sprachgebrauch", nach J. Grimms treffendem Ausdruck, hinzukommt. Die gemeinsame Zugehörigkeit der substantivischen Wortgruppe und des substantivischen Kompositums zur Kategorie der attributiven Komplexe, ihre relative Synonymie bildet die Grundlage der geschichtlichen Übergänge von der Wortgruppe zur Zusammensetzung. Bei einem solchen Übergang stößt man auf eine sprachliche Entwicklungsstufe, für die Übergangserscheinungen in zweifacher Hinsicht in breitem Maße typisch sind: Ein derartiger Übergangszustand in einem wichtigen Teilbereich des grammatischen Systems muß dann ein breites Feld für die intensive Wirkung der Normierungsvorgänge bieten, wenn er mit der Periode der deutschen Sprachgeschichte zusammenfällt, in der die sozialen Verhältnisse auf die Ausbildung einer einheitlichen Literatursprache drängten. Auf den gesamten aspektreichen Inhalt des sprachtheoretischen Problems der Norm wird hier nicht eingegangen. Doch steht der Umgestaltungsprozeß „von der Wortgruppe zur Zusammensetzung" in einer unverkennbaren objektiven Beziehung zur Entstehung eines normgerechteren Zustands im betreffenden grammatischen Bereich. Die vorliegende Arbeit gehört zu einer Untersuchungsreihe, die sich mit der Ausbildung der Norm der deutschen nationalen Literatursprache befaßt. In Fortführung des Satzes von der Norm als Varaintenwahl sei betont, daß die Norm — in einer verbreiteten Sonderbedeutung — als Charakteristikum eines einheitlich geregelten Sprachzustandes angesehen wird und daß es bei dieser Regelung vor allem um eindeutige Zuordnungen von Bedeutung und Form geht — oder Form und Bedeutung, je nachdem, von welcher Seite aus die betreffenden Zuordnungen bei Sprachverwendung und -beschreibung betrachtet werden. Funktionslose und in der Bedeutung nicht bzw. schlecht differenzierte Reihen von Formvarianten gehen unter, indem sie im Sprachgebrauch auf eine Variante reduziert oder auf dem Weg über die Festsetzung von semantischen Unterschieden zu Synonymen umgewandelt werden.

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Zwei Vorgänge normativen Charakters treten im Zusammenhang mit der substantivischen Zusammensetzung und ihren Beziehungen zur substantivischen Wortgruppe im Frühneuhochdeutschen in den Vordergrund. An erster Stelle ist der Normierungsvorgang zu nennen, der sich auf (und im gewissen Sinn gegen) morphologische Zwittergestalten richtet. Diese Zwittergestalten sind für den Zeitraum des Ausbaus der Zusammensetzung typisch. Sie liegen hinsichtlich ihrer grammatischen Form und ihrer grammatischen Semantik zwischen der Zusammensetzung und der Wortgruppe. Sie sind semantisch insofern Zwittergestalten, als sie einmal die situationsbedingte Bestimmung eines Gegenstandsbegriffs mit Hilfe eines Attributs abgeben, das den Gesamtinhalt der Fügung nicht als ArtbegrifT hinstellt. Zum anderen können sie als Ausdruck typisierender Herausstellung einer Teilmenge von Dingen aus dem Umfang des Begriffs des Grundwortes gelten. Während z. B. für ein gewisses „Denotandum", wie die Belege zeigen, Bezeichnungen sowohl in der Form der Wortgruppe als auch in der Zusammensetzungsform stehen können, vgl .für das keiserlich, vnd des reichs regiment (1, 104)1 — in das Reichsregiment (19, 333), und unterschiedliche semantische Werte auf diese Formen verteilt erscheinen, waren im Frühneuhochdeutschen solche form-semantischen Korrelationen, die dem Bedürfnis im Sprachgebrauch und zugleich dem immanenten Trieb des Sprachsystems zu voll ausgebildeten Oppositionen Rechnung tragen, in ihrer Entfaltung noch vielfach behindert durch Formen wie bei den personen des reichs Regiments (19,331).2 Die Opposition „Wortgruppe:Zusammensetzung" existierte bereits. Sie hatte sich schon verhältnismäßig deutlich auf dem Hintergrund einer Reihe von sprachlichen Erscheinungen abgezeichnet, die in ihrer eigenen Entfaltung zu Bedingungen der sich immer mehr durchsetzenden Opposition „Wortgruppe: Zusammensetzung" in der Sprache im allgemeinen und in der Literatursprache im besonderen wurden. Diese Opposition bestimmte im Frühneuhochdeutschen die Richtung der Normierung im betreffenden Bereich des deutschen Sprachbaus; im Sprachgebrauch erlangte sie den Status der verbindlichen und tatsächlich alleinherrschenden Norm kaum früher als gegen Mitte des 18. Jahrhunderts. Für die vorliegende Untersuchung ergibt sich daraus vor allem die Aufgabe, den Verlauf dieses Prozesses an Materialsammlungen aus Texten von zwei Zeiträumen, einem Zeitraum um 1500 und einem Zeitraum um 1700, zu verfolgen und dabei nach Möglichkeit die Faktoren zu erschließen, deren Wechselwirkung ihn als gesetzmäßigen erscheinen läßt. An zweiter Stelle sei hier auf eine andere Erscheinung hingewiesen, die mit dem Ausbau der substantivischen Zusammensetzung und ihrer fortschreitenden Abgrenzung von der Wortgruppe immer mehr zur internen Angelegenheit der Zusammensetzung selbst wurde und die ebenfalls einen wesentlichen Ansatzpunkt für die Wirkungen der Normierung darstellte — und in gewissem Maße bis in die Gegenwartssprache hinein darstellt: Das sind die Formen des ersten substantivischen Gliedes des Kompositums, die, im Spannungsfeld widersprüchlicher Tendenzen stehend, von jeher zur (großenteils funktionslosen) Variabilität neigten. Mit der Zeit wurde die Variabilität der Fugenformen in der substantivischen Zusammensetzung (eigentlich der Formen des Bestimmungsgliedes) wesentlich eingeschränkt. Sicher waren die Vereinheitlichungsprozesse hauptsächlich durch grammatische Faktoren bedingt, d. h. sie gingen den Weg der gruppenweisen Typisierung von Korrelationen vor allem der morphologischen Merkmale der Substantive in ihrer selbständigen praradigmatischen Ausprägung und der Form der gleichen Substantive in der Stellung des Bestimmungswortes der Zusammensetzung. Daraus ergibt sich die zweite Aufgabe der Untersuchung, die Haupttendenzen, unter deren Einfluß die bunte Verteilung und der Widerstreit der Formen des ersten substantivischen Zusammensetzungs-

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gliedes standen, zu ermitteln und die im Rahmen des gesamten Untersuchungszeitraums von 250 Jahren auftretenden Veränderungen in diesem Teilbereich festzustellen. Aus der Periode zwischen 1470 und 1730 wurden je zwei Zeiträume über 60 Jahre ausgesondert, einer am Anfang und der andere am Ende der Periode. Die Verallgemeinerungen stützen sich auf den Vergleich der Untersuchungsergebnisse, unter anderem auch auf die quantitative Auswertung der Stichproben des Sprachstoffes aus beiden Zeiträumen. Daher bot es sich an, die Arbeit in zwei größere Abschnitte zu gliedern, von denen einer den Zeitraum 1470—1530 behandelt und der andere dem Zeitraum 1670—1730 gewidmet ist. Die zwei oben knapp begründeten Hauptlinien der Normierung des künftigen literatursprachlichen Entwicklungsstandes im Bereich der substantivischen Zusammensetzung werden in beiden Abschnitten verfolgt. Für den ersten Zeitraum steht die Behandlung der Beziehungen zwischen der Wortgruppe und der Zusammensetzung und der diese Beziehungen bestimmenden grammatischen Faktoren im Vordergrund, da der Zeitraum 1470—1530 einen wichtigen Ausschnitt aus dem eigentlichen Werdegang der grundlegenden Opposition der Wortgruppe und der Zusammensetzung darstellt, da diese Opposition zu jener Zeit noch schwach ausgeprägt ist. Im zweiten Abschnitt kann die in allem Wesentlichen bereits ausgereifte Opposition kürzer behandelt werden. Dafür bieten sich für diesen Zeitraum die innerkompositionellen Fugenformen unter günstigeren Bedingungen an, da die Ermittlung der in diesem Bereich waltenden Tendenzen und die Feststellung von Verschiebungen in der Verteilung einzelner Formen eine fortgeschrittenere Entwicklungsstufe als Grundlage erfordern. Außerdem besteht die Möglichkeit, diese Stufe mit einem für eine frühere Periode typischen Zustand zu vergleichen. Wenn man sich das Ziel setzt, Einsicht in das Wesen sprachlicher Vorgänge zu gewinnen, so ist dies allein mit der großen Masse des herangezogenen Materials und mit der Konzentration auf eng begrenzte Zeiträume in mehr oder weniger ausgedehnten Reihen von Einzeluntersuchungen noch nicht zu erreichen. Der Weg zur Ausweitung der Möglichkeiten, einen sprachlichen Vorgang nicht nur zu konstatieren und vor Augen zu führen, sondern ihn auch zu erklären, geht über die Bestimmung des jeweils besonderen konkreten — genauer: konkretgeschichtlichen — Hintergrundes der im Wandel begriffenen Erscheinung. Das heißt, daß parallel verlaufende Prozesse, andere Erscheinungen, die mit der zur Untersuchung gewählten in Wechselwirkung stehen, mit ins Blickfeld gezogen werden müssen. Das entspricht der methodologischen Forderung, die zu untersuchende Erscheinung in ihren Systemzusammenhängen zu betrachten, als Beeinflußtes und Beeinflussendes im Rahmen eines sprachlichen Teilsystems. Die in diesem Sinn systematisierende Betrachtung der Vorgänge bei der substantivischen Zusammensetzung in dem Zeitraum, der entscheidend den Komplex der Eigenschaften dieser grammatischen Erscheinung im Neuhochdeutschen bestimmt, kann solche Fragen wie die der fortschreitenden Entwicklung des Artikelgebrauchs, der Änderungen in bezug auf die normative Stellung des Genitivattributs in der substantivischen Wortgruppe, der Wandlungen im Bereich der pronominalen und der adjektivischen Flexion, der Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Substantiv und dem auf diesem aufbauenden „relativen" Adjektiv und einige andere mehr nicht außer acht lassen, wenn man einen kleinen Beitrag zur Deutung des Gesetzmäßigen an der Ausbildung der substantivischen Zusammensetzung leisten will. Es ist zu bedenken, daß beispielsweise der Artikel in der Dynamik der Ausbreitung seiner verbindlichen und differenzierenden Verwendung — aber ebenso auch die anderen genannten Erscheinungen — nicht nur sich selbst, sondern gerade auch die substantivische Zusammensetzung mit ausbilden und deshalb zum eigentlichen Thema der Untersuchung in enger

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Beziehung stehen. Leider sind diese Problemkreise für das Frühneuhochdeutsche bisher zu wenig erforscht. Auf die unserer Untersuchung zugrunde liegenden Textquellen wird im ersten Abschnitt der Arbeit eingegangen. Hier sei nur erwähnt, daß für die grammatischen Verhältnisse im Bereich der substantivischen Zusammensetzung die Verteilung der Belegquellen nach verschiedenen Sprachlandschaften sich als unwichtig erweist. Dagegen spielen Genrefragen eine Rolle, denn bestimmte Literaturgattungen mit mehr oder weniger spezifischen Themenkreisen weisen eine unterschiedliche Häufigkeit von lexikalischen Einheiten ungleicher Art auf, die in den betreffenden Texten Verbindungen in Zusammensetzungsform oder in der Form von „zusammensetzungsartigen" Wortgruppen eingehen können. Zum Beispiel wirken sich Unterschiede in der Verteilung der Häufigkeiten von konkreten und abstrakten Lexemen auf die quantitative Verteilung dieser Verbindungen und ihrer Sonderformen aus. Dieser Umstand ist zu berücksichtigen.

I. ENTWICKLUNGSSTAND DER GRAMMATISCHEN OPPOSITION „SUBSTANTIVISCHE WORTGRUPPE: SUBSTANTIVISCHE ZUSAMMENSETZUNG" IM ZEITRAUM 1470-1530

1. Die grammatischen Merkmale der Opposition „substantivische Wortgruppe: substantivische Zusammensetzung" Wenn man bei der Untersuchung einer in Veränderung begriffenen Erscheinung eine Entwicklungsstufe aus ihrer Vergangenheit herausgreift, ist es unter Umständen notwendig, dieser Entwicklungsstufe, die die Potenzen des späteren reiferen Zustandes der betreffenden Erscheinung in sich birgt, den Maßstab der Merkmale ihrer späteren Ausprägung anzulegen. Das hat mit der bekannten antihistorischen Modernisierung des Vergangenen in seiner theoretischen Widerspiegelung nichts zu tun, sondern dient dazu, die entscheidenden Entwicklungstendenzen der zu untersuchenden Erscheinung zu erkennen, die bereits in frühen Entwicklungsstufen angelegt sind. Dadurch kann das bunte Miteinander von sprachlichen Formen des Untersuchungsbereiches entwirrt und geordnet werden, vom Standpunkt der betreffenden Tendenzen ihr fortgeschrittener oder rückständiger Charakter erkannt und auf die diese Tendenzen begünstigenden und ihr entgegenwirkenden Faktoren geschlossen werden. Wir gehen also im folgenden von den Merkmalen der Opposition „substantivische Wortgruppe:substantivische Zusammensetzung" in der Gegenwartssprache aus. Es sei zugleich betont, daß die für die Gegenwartssprache charakteristischen Merkmale dieser Opposition bereits im Untersuchungszeitraum 1470—1530 einen Teil des Gesamtfeldes von Realisierungen der substantivischen Zusammensetzung in ihrem Gegensatz zur Wortgruppe bestimmten. Es bleibt aber zu ermitteln, inwieweit dieser Teil das allgemeine Bild der Verhältnisse im grammatischen Bereich, der zu untersuchen ist, beherrschte und wie es um seine Beziehungen zu andersgearteten Teilen dieses Bereichs stand, um Beziehungen, die letztlich als Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Form und Bedeutung der sprachlichen Gebilde aufzufassen sind und die diese Gebilde gleichzeitig zusammen- und auseinanderhalten und zu Systemen verbinden. In der Einleitung ist der Begriff des attributiven (substantivischen) Komplexes eingeführt worden. Er soll den Typ von grammatischen Gebilden bezeichnen, der auf Grund bestimmter Gemeinsamkeiten in Struktur und Bedeutung das substantivische Kompositum — eben als eine Art von attributiven Komplexen — mit einschließt. Die Einschränkung auf die substantivischen Komposita mit dem substantivischen ersten Glied bedingt die entsprechende Einschränkung in bezug auf die Arten der substantivischen Wortgruppe, die für die Untersuchung in Betracht kommen. Im Rahmen der grammatischen Synonymie korreliert das substantivische Kompositum am stärksten mit der Wortgruppe, zu deren minimalem Bestand ein Substantiv als Wortgruppenkern gehört und ein abhängiges Glied mit lexikalischer Gegenstandsbedeutung und einer grammatischen Form, die die Abhängigkeit und die in den Grenzen der Semantik liegende Art der Abhängigkeit des Attributs vom Kern der Wortgruppe bezeichnet.3 Das eigentliche Merkmal, das dem zu bestimmenden Gegenstand attributiert wird, gehört nicht zur lexikalischen Bedeutung, wie es bei einem qualitativen

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Opposition „substantivische Wortgruppe — substantivische Zusammensetzung" 1470—1530

Adjektiv (Eigenschaftswort) der Fall ist; vgl. z. B. eine rote Rose, sondern das attribuierte Merkmal wird als Beziehung zwischen zwei Gegenständen erschlossen. Die Windmühle hat kein Merkmal des Windes, das Warenlager kein Merkmal der Ware an sich. Allerdings hat diese Behauptung für die semantische Struktur des substantivischen Kompositums angesichts solcher Komposita wie z. B. Prachtausgabe und Glanzleder oder auch Bandwurm den Wert des Typischen, nicht des Allgemeinen im formallogischen Sinn. Das gilt allerdings für fast alle Behauptungen zur Semantik von Sprachformen, da man ständig feldmäßigen Streuungen von semantischen Potenzen mit „zentral" und „peripher" gelegenen Elementen begegnet. Es handelt sich also bei der substantivischen Zusammensetzung hauptsächlich um eine Sonderart von Attribut als ihrer Komponente, die auch einer Sonderbezeichnung bedarf. Dem Beispiel der Literatur zur russischen Sprache folgend, in der der Ausdruck „npe,aMeTHooTHocHTejibHi>iH npH3Haic" dafür verwendet wird, kann man diese grammatische Erscheinung im Deutschen „das gegenständlich-relative Attribut" bzw. in konventioneller Kurzform „das relative Attribut" nennen. Man kann dann aber auch von der Inhaltsseite her vom „gegenständlich-relativen" und wiederum vereinfachend vom „relativen Merkmal" des Gegenstandes sprechen, dem die betreffende Beziehung als sein „relatives Merkmal" gehört (bzw. attributiert wird). Der Ausdruck „das gegenständlich-relative Merkmal" weist also darauf hin, daß es sich um ein Merkmal handelt, welches eine Beziehung (lat. relatio) des Gegenstandes, den das Kernglied des attributiven Komplexes bezeichnet, zu einem anderen Gegenstand darstellt. W. Admoni bezeichnet in seinem Buch „Der deutsche Sprachbau" die A d j e k t i v e von der Art wie betrieblich (vgl. das betriebliche Eigentum) als „semantisch-relative Adjektive", sonst nennt man sie neuerdings in der deutschsprachigen Fachliteratur oft „Bezugsadjektive". Da es hier aber um eine semantische Funktion in der Syntax geht, die nicht an eine einzige morphologische Ausdrucksform gebunden ist (und überdies nicht einzelsprachlichen, sondern universellen Charakter hat), ist es geboten, den Akzent auf die inhaltliche Seite der morphologisch unterschiedlichen Formen des sprachlichen Ausdrucks verlegend, von „relativen Merkmalen" zu sprechen. Der im Ausdruck „das gegenständlichrelative Merkmal" enthaltene Hinweis auf die Beziehung zum Gegenstand als attributive Charakteristik eines anderen Gegenstandes dient dazu, diese Art von attributiven Beziehungen gegen die attributiven Beziehungen zu andersgearteten Begriffen abzugrenzen, vgl. die hiesigen Zeitungen, ein verzeihlicher Fehler. , Mit der grundsätzlichen wechselseitigen Asymmetrie von Form und Bedeutung ist die Möglichkeit gegeben, bei der Wahl der Blickrichtung nicht die grammatische Form, sondern eine semantische Erscheinung zum Ausgangspunkt der Betrachtung zu machen und so das Bild der feldmäßigen Gliederung der Bedeutungen einer Form durch die ebenfalls feldmäßig darzustellende Zuordnung einer Reihe von Formen der herausgehobenen semantischen Funktion zu ergänzen. Zu einer solchen Reihe von Formen, die bei allen Bedeutungsunterschieden, wie wesentlich sie rtiitunter auch sein mögen, sich um den Ausdruck des gegenständlich-relativen Merkmals eines Gegenstandes vereinigen, gehören außer dem substantivischen Kompositum die Wortgruppe mit Substantiv als Kern und Substantiv als Attribut sowie die substantivische Wortgruppe mit dem abhängigen „relativen" Adjektiv. Allerdings ist die semantische Struktur eines großen Teils der Adjektive substantivischer Ableitung an sich ein Problem, da in ihrem Inhalt die rein relativen Bedeutungen vielfach überlagert erscheinen von Bedeutungen qualitativer Art, vgl. das väterliche Erbe — die väterliche Strenge. Für solche Überlagerungen sind das Kompositum und die Wortgruppe ebenfalls empfanglich, vgl. die (edle, großmütige, tapfere usw.) Tat eines

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Ritters — die ritterliche Tat — eine Rittertat; die (selbstlose, allverzeihende usw.) Liebe einer Mutter — die mütterliche Liebe — die Mutterliebe u. ä., nur daß das Adjektiv substantivischer Ableitung in weit größerem Maße ins Qualitative hinüberspielt, da das Adjektiv als Wortart mit seiner besonderen paradigmatischen und syntagmatischen Formenwelt gerade die Eigenschaftsbedeutung als seine grammatische Wortartbedeutung verallgemeinert. Doch baut auch die qualitative Bedeutung eines Adjektivs substantivischer Ableitung auf der Beziehung zu einem Gegenstand auf. Diese wird von dem qualitativen „Überbau" in der Regel nicht beseitigt und nicht einmal so in den Hintergrund verdrängt, daß man sie nicht mehr registriert, denn die qualitativen Merkmale, die mit einem solchen Adjektiv zum Ausdruck gelangen, bleiben selbst konstant auf den im Adjektiv enthaltenen Gegenstandsbegriff bezogen. So weist das Adjektiv substantivischer Ableitung, mithin auch das „doppelschichtige" relativ-qualitative, eine breite semantische Basis für synonymische Wechselbeziehungen sowie für historische Wechselwirkungen mit den anderen Ausdrucksformen der gegenständlich-relativen Merkmale auf. Eine Beschreibung der Beziehungen zwischen zusammengehörenden sprachlichen Erscheinungen im Sinne der Feldstruktur hat vor anderen Systematisierungsmethoden den Vorzug, daß graduelle Unterschiede der mehr oder weniger kompletten und der mehr oder weniger reinen Vertretung der Merkmalsbündel, die für die .Zugehörigkeit der betreffenden Einzelerscheinungen zum besonderen Feld verantwortlich sind, dabei voll zur Geltung kommen. Die Hierarchie der sich um eine Gemeinsamkeit.in Form und/oder Bedeutung zu einem Feld zusammenschließenden Erscheinungen nach solchen graduellen Unterschieden und die Verteilung dieser Erscheinungen im Feld nach Ihren näheren, direkteren und ihren ferneren, mittelbareren Beziehungen zueinander gehören zu den immanenten Forderungen des Feldzugriffs. Selbstverständlich teilen sich Erscheinungen, die unter einem Gesichtspunkt auf Grund bestimmter Merkmale als einheitliche Klassen oder Typen aufzufassen sind, im Hinblick auf andere Merkmale in Unterklassen auf, die mit Unterklassen anderer Klassen engere Verbindungen eingehen können. Wenn es sich um eine grammatische Opposition handelt, treten die wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale, die zugleich die allgemeinsten sind, d. h. für den Gesamtbestand der gegensätzlichen Klassen von Erscheinungen gelten, an dem Punkt der Grenzlinie zwischen den beiden Gliedern der Opposition am deutlichsten auf, wo diese Erscheinungen das Minimum an Unterscheidungsmerkmalen aufweisen. Beim Vergleich der attributiven Komplexe miteinander findet man die größte Ähnlichkeit zwischen den Wortgruppen mit dem Genitivattribut (in Voranstellung) auf der einen und den sogenannten „uneigentlichen" Zusammensetzungen auf der anderen Seite. Diese Ähnlichkeit hat graduellen Charakter. Der Genitiv hat eine einzige Endung, die nur bei ihm auftritt, -(e)s; als Sonderform dieser Endung kann man die Endung -(e)ns betrachten, die den Genitiv ebenfalls eindeutig kennzeichnet. Ein beträchtlicher Teil der „uneigentlichen" Komposita hat das erste Glied in der gleichen Form. Die Übereinstimmung erreicht den höchsten Grad bei den Zusammensetzungen, in denen zu der genitivisch eindeutigen Analogie der Form die Analogie der semantischen Beziehung zwischen Attribut und Grundglied hinzukommt, in den Fällen also, bei denen diese Beziehung im Kompositum in den Grenzen der Bedeutungen des freien Genitivattributs liegt. Vgl. bischofs-stab, landes-herr, gerichts-tag, herzens-gruruf. Nach dieser Form der Zusammensetzungskonstruktion kommen für die Überschneidungen der Merkmale der substantivischen Wortgruppe mit dem Genitivattribut und der Zusammensetzung solche Komposita in Betracht, in denen die „uneigentliche" Form des ersten Gliedes unter anderem a u c h als die Form des Genitivs (Sg. oder PI. oder als beides)

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Opposition „substantivische Wortgruppe — substantivische Zusammensetzung" 1470—1530

aufgefaßt werden kann. Ohne auf morphologische Einzelheiten einzugehen, kann man in diesem Zusammenhang Gebilde von der Art wie z. B. hasen-fell, narren-werk, frauengeschlecht, ritter-orden, gänse-geschrei nennen. Im Frühneuhochdeutschen schließen sich diesem Typ Komposita mit ehemals schwachen Feminina, die Unika bezeichnen, an, vgl. höllen-grund (hellen-grund), sonnen-hitze, erden-kreis. Die ausgewählten Beispiele zeigen, daß die angeführten Zusammensetzungen, wenn man sie zur Wortgruppe transformiert, ohne weiteres genitivisch deutbar sind, und so wird die Analogie der Form durch die Analogie der Bedeutung der gleichen Form in Wortgruppe und Kompositum unterstützt. Um ein Geringes entfernter und bedingter ist, diese Analogie bei den Zusammensetzungen, die im ersten Glied eine nur mit dem Gen. PI. übereinstimmende Form aufweisen, unter Umständen aber mit dem ersten Glied einen Einzelvertreter der betreffenden Gattung „meinen" können (öfter wird das durch den Kontext der Zusammensetzung angezeigt) wie z. B. beim Gebrauch des Kompositums ritter-ehre im Zusammenhang nicht mit den Rittern im allgemeinen, sondern mit einem Ritter; vgl. auch gänse-federn und gänse-feder (vom geschichtlichen Gen. Sg. gänse sehen wir hier natürlich ab). Dasselbe gilt eigentlich versa bice für die oben angeführten Beispiele wie bischofs-stab im Fall bischofs-stäbe u. ä. Es sei aber daran erinnert, daß Einschränkungen in bezug auf die Allgemeinheit der hier vorgeführten Übereinstimmungen grundsätzlich belanglos sind, weil es unter dem eingangs dargelegten Gesichtspunkt nur darum geht, Erscheinungen auf den beiden Seiten der Opposition „Wortgruppe: Zusammensetzung" festzustellen, die in Form und Bedeutung nur gering voneinander abweichen. Genitivische Deutbarkeit mit gleichzeitiger Übereinstimmung der Form des ersten Zusammensetzungsgliedes mit der Form des „freien" Genitivs erstreckt sich auch auf eine Gruppe von „eigentlichen" Zusammensetzungen mit dem Femininum als erstem Glied, vgl. burg-tor, stadt-mauer, tochter-mann, vesper-zeit, welt-lohn. Diese Formen werden in der entsprechenden Reihe zuletzt genannt, weil hier der Parallelisipus des Kompositums und der genitivischen Fügung vor allem auf der semantischen Beziehung der Glieder im Kompositum beruht, das erste Zusammensetzungsglied genitivisch deutbar ist, dabei aber kein positives Zeichen dieser Abhängigkeit an sich hat, sondern mit dem Nominativ des Substantivs (und damit zugleich mit seiner Stammform) zusammenfällt. Stelle man sich die angeführten Beispiele in getrennter graphischer Form vor, als bischofs stab, hasen feil, bürg tor usw. Vom Standpunkt der Verhältnisse in der Gegenwartssprache aus ergibt sich eine solche experimentale Darstellung der uns vorschwebenden attributiven Komplexe aus der künstlichen Eliminierung bestimmter grammatischer Faktoren. Die Antwort auf die Frage, was für Faktoren das sind, erhalten wir über einige „irreale Annahmen": Hätte es keinen Artikel gegeben und hätten für die substantivischen Wortgruppen mit abhängigem Genitiv nicht andere Stellungsregeln gegolten, dann wären wohl solche Ketten von Wortformen zu akzeptieren gewesen. Diese Faktoren sind aber aus dem tatsächlichen gegenwartsdeutschen grammatischen Hintergrund der attributiven Komplexe mit dem abhängigen Substantiv an der ersten Stelle nicht zu eliminieren. Sie bewirken es, daß dieses, wenn auch seine Form an sich der Art der Abhängigkeit des Genitivattributs von seinem substantivischen Regens nicht widerspricht, doch mindestens ein wesentliches Merkmal der Selbständigkeit eines Substantivs in der attributiven Stellung einbüßt, und zwar die Verbindung mit dem eigenen Artikel. Der selbständige Genitiv verlangt im Gegenwartsdeutschen einen Artikel für sich. Für den selbständigen Genitiv eines Appellativums bleibt in einer Reihe von zwei aufeinanderfolgenden substantivischen Wortformen die Nachstellung vorbehalten, da auch das andere Substantiv für den eigenen

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Artikel eine offene Stelle in seinem Vorfeld bereithalten soll, die regelmäßig ausgefüllt wird. Daraus läßt sich für das Gegenwartsdeutsche folgende Gesetzmäßigkeit ableiten: Der Artikel (oder das den Artikel ersetzende und seine Funktion mit übernehmende Pronomen) verknüpft sich mit dem e r s t e n ihm nachfolgenden Substantiv. Wenn zwei substantivische Lexeme unmittelbar aufeinander folgen, aber nur ein Artikel beiden vorangeht, gilt der Artikel für die ganze Lexemreihe als für sein erstes Substantiv. Der Artikel wird unmittelbar auf das zweite Glied einer solchen Lexemreihe bezogen (sonst fiele es aus dem syntaktischen Gefüge des gegenwartsdeutschen Satzes überhaupt heraus); das erste, das artikellos bleibende Vorderglied, wird in seinem morphologischen Rang zum Wortteil herabgesetzt; und so kommt in diesem Sonderfall die Beziehung des Artikels auf das erste ihm nachfolgende substantivische Wort — als morphologisch zweiteiliges, aber ganzheitliches Wort — zu ihrem Recht. Vom Standpunkt der Gegenwartssprache aus gehört also der Artikel vor den oben angeführten substantivischen Ketten wie bischofs stab, hasen feil, bürg tor (d. h. wenn sie die Formen der bischofs stab, das hasen feil, das bürg tor haben) — und nicht nur in diesen, sondern auch in allen anderen Kasus- und Zahlformen — über das zweite Glied diesen Verbindungen als wörtlichen Ganzheiten an. Diese Behauptung gilt, insofern die gegenwartsdeutschen Normalfalle allein betrachtet werden, auch für solche Gliederfolgen, in denen der Artikel, hätten die umrissenen grammatischen Verhältnisse nicht bestanden, auf das unmittelbar nachfolgende substantivische Lexem hätte bezogen werden können, vgl. den Gen. Sg. oder PI. wie des bischofs stabs, der hasen feile, der bürg tore (z. B. in der obere teil des bischofs stabs; die beschaffenheit der hasen feile; die festigkeit der bürg tore u. ä.). Die Voranstellung des substantivischen Lexems in diesen Lexemreihen zwischen dem Artikel und dem folgenden substantivischen Lexem, auf welches sich der Artikel unmittelbar bezieht, bringt es also mit sich, daß das erste Glied aus dem System der Artikelformen mit ihren differenzierten Bedeutungen ausgeschlossen wird. Darin liegt der Grund dafür, daß dem im Rahmen zwischen dem Artikel und dem substantivischen Kern des gesamten Gefüges stehenden Lexem nicht die volle morphologische Selbständigkeit eines Wortes zuerkannt werden kann. Daß die Herabsetzung dieser Selbständigkeit relativ ist, zeigt der Vergleich mit den genetisch und typologisch verwandten Formen des Englischen, der Sprache, in deren schriftlicher Kodifizierung die Gebilde wie a childs play, the cannon ball u. ä. meist als Wortfügungen behandelt und auch von der theoretischen Grammatik ziemlich allgemein als Verbindungen von zwei Wörtern angesehen werden. Für das Deutsche neigte mit der Zeit die Auffassung des artikellosen substantivischen Attributs in Gebilden analoger Art, wie die Entwicklung der orthographischen Praxis und der grammatischen Theorie dieser Auffassung reflektiert, zur Umwertung der selbständigen Wortform als Wortteil, als Teil des zusammengesetzten Wortes. Es kam dazu, daß die betreffenden Lexemreihen sich nun im Schriftbild dem Auge als ein Wort präsentieren und einprägen. Daß das nicht die Folge der äußerst problematischen allgemeinen lexikalischen Funktion der Zusammensetzungen ist, bestätigt gerade der Vergleich mit dem Englischen. Es bleibt also nur anzunehmen, daß die Zusammenschreibung der substantivischen Komposita, die nicht direkt durch lexikalisch-semantische und funktionale Faktoren bedingt wurde, ihren normativen Status im Gegenwartsdeutschen dem Wechselspiel grammatischer Faktoren verdankt. Unsere Aussagen über die Gesetzmäßigkeiten, die die Beziehungen der attributiven Komplexe aus zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden substantivischen Lexemen, des Artikels und der Stellung des darauf folgenden Genitivs zueinander regeln, erfassen diese Beziehungen aus der Sicht aufs Ganze, wobei Sonderfalle vorerst außer acht gelassen werden 2

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müssen. Das sind Ausnahmen, die die Geltung der Grundregeln zwar einschränken, sie zugleich aber bestätigen, da bei den Ausnahmen besondere, von den Gesetzmäßigkeiten in ihrer allgemeineren Form nicht berücksichtigte Momente mitwirken. Bei den Sonderfällen handelt es sich um Gefüge, an denen bestimmte lexikalisch-semantische Unterklassen von substantivischen Lexemen teilhaben, woraus sich auch mehr oder weniger spezifische semantische Beziehungen zwischen den Gliedern der Verbindung ergeben. Es seien zunächst Gebilde wie der lehrer Müller, ein stück brot, eine art wagen, der fall Schulze erwähnt, in denen der voranstehende Artikel nicht auf das zweite, sondern auf das erste Glied bezogen wird und nicht das erste, sondern das zweite Glied artikellos ist, ohne dabei seine morphologische Eigenschaft als selbständiges Wort einzubüßen. Daß hier besondere lexikalisch-semantische Gruppen von Wörtern die Verbindung eingehen, ist eindeutig, sowie auch die Tatsache, daß die semantischen Beziehungen zwischen den Gliedern solcher Wortgruppen gewisse Besonderheiten aufzuweisen haben; auf eine eingehende Analyse dieser Art von Wortgruppen wird hier verzichtet. Ein anderer Fall ist von größerem Interesse, da er in einer engeren Beziehung zur substantivischen Zusammensetzung steht. Normativ ist in der Gegenwartssprache die Voranstellung der persönlichen Eigennamen im Genitiv (die manchmal auf die den persönlichen Eigennamen unter Umständen sich nähernden Gattungsnamen übergreift). Die sogenannte Nullform des Artikels, von der die attributiven Komplexe aus zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden substantivischen Lexemen — neben den positiv „körperhaften" Artikelformen — begleitet werden können, kennzeichnet im allgemeinen ebenfalls das Kompositum, nicht die Wortgruppe, vgl. die bären feile = die bärenfeile ufld bären feile = bärenfeile, der helden mut = Heldenmut und helden mut = heldenmut. Beim Gebrauch des persönlichen Eigennamens in der Voranstellung werden beide Artikel aufgegeben. Bei dem Eigennamen in dieser Stellung richtet sich die Artikellosigkeit nach seiner sonstigen artikellosen Verwendung. Für den substantivischen Kern der Wortgruppe erübrigt sich der Artikel, weil in dieser Wortgruppenstruktur das zweite Glied in der Gegenwartssprache im Zeichen des bestimmten Artikels steht, der vorangestellte Eigenname im Genitiv also den bestimmten Artikel des Wortgruppenkerns mit ersetzt. Wenn die Bedeutung des Wortgruppenkerns es anders verlangt, greift man zur Nachstellung des Attributs: Lessings drama ist gleichbedeutend mit das drama Lessings (von Lessing), falls aber ein drama gemeint wird, soll es ein drama Lessings oder ein drama von Lessing heißen. Das formale Moment des fehlenden Artikels vor der Reihe von unmittelbar (ohne Artikel vor dem zweiten Glied) aufeinanderfolgenden substantivischen Lexemen mit der attributiven Beziehung des ersten zum zweiten führt in diesem Fall nicht zur Zusammensetzung. Diese attributive Beziehung kann aber trotz der lexikalisch-semantischen Sonderstellung der persönlichen Eigennamen auch die Grundlage für die Zusammensetzung abgeben, vgl. (das, ein) Lessingdrama:5 Die Deutlichkeit des Gegensatzes zwischen der Wortgruppenund der Zusammensetzungsform wird hier aufrechterhalten durch die unerläßliche Genitivflexion des Attributs als Wortgruppe auf der einen Seite (die sich als -s oder -ns auch bei den weiblichen Namen einstellt) und die flexionslose Form des Attributs im Kompositum auf der anderen Seite. Vom letztgenannten Merkmal weichen nur äußerst wenige Komposita ab, die im Lexikon isoliert stehen: Kainsmal, Kainszeichen, Adamsapfel. Die Übersicht der Verhältnisse im Teilbereich der attributiven Personeneigennamen zeigt, daß die Wortgruppen- und die Zusammensetzungsform der attributiven Komplexe in diesem Bereich zwar auf besondere Weise, doch scharf genug gegeneinander abgegrenzt sind. Die Opposition dieser Gebilde in der semantischen Ebene ist ein Problem für sich, da die typisierende

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Tendenz der Zusammensetzungskonstruktion die verallgemeinernde, die begriffliche Semantik des attributiven Gliedes voraussetzt, den Eigennamen dagegen meist nur die sogenannte nominative Funktion ohne begriffliche Bedeutung zuerkannt wird. Hier wird aber die grundlegende semantische Opposition der substantivischen Wortgruppe und der Zusammensetzung nur in ganz allgemeiner Weise abgehandelt; auf eine eingehende Analyse der betreffenden semantischen Sondererscheinung muß verzichtet werden,6 zumal die Einbeziehung der Eigennamen in die Zusammensetzung in breiterem Maße erst in das spätere Neuhochdeutsche fällt, für den Untersuchungszeitraum 1470—1730 praktisch also von nebensächlicher Bedeutung ist. Im Vorhergehenden wurde der Wert der Gliederstellung in den attributiven Komplexen aus zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden substantivischen Lexemen für die Differenzierung der Wortgruppe und der Zusammensetzung betont. Damit hängt die Stellung des Artikels in bezug auf die anderen Glieder des attributiven Komplexes zusammen. Der Artikel leistet einen wesentlichen Beitrag zu dieser Differenzierung. Die unterschiedliche Stellung des Attributs gegenüber dem Kernlexem in der Wortgruppe und in der Zusammensetzung erweist sich als Mittel zur deutlichen Kennzeichnung der Beziehungen beider Glieder der opponierenden Arten von attributiven Komplexen zum Artikel. Die Nachstellung des Attributs in der morphologisch selbständigen Form des Genitivs gewährleistet ihm freien Zugang zur Artikelverwendung.7 Die Voranstellung des substantivischen Attributs verschließt dieses der Artikelverwendung, wovon auch seine Formen, die mit denen des „freien" Genitivs übereinstimmen, keine Ausnahme bilden. Die absolute Artikellosigkeit des vorangestellten substantivischen Attributs (die eben infolge ihres absoluten Charakters mit der Nullform des Artikels nicht gleichzusetzen ist) bedeutet eine relative Herabsetzung seiner morphologischen Selbständigkeit als Wort. Im Zusammenhang mit dem oben Ausgeführten ist die Frage der Getrennt- und der Zusammenschreibung der substantivischen Zusammensetzungen zu erörtern, die Frage der graphischen Darstellung dieser Gebilde in der Form, die mit der der Wortgruppe zusammenfällt, oder in der Einwortform. An sich bedingt die Artikellosigkeit des vorangestellten substantivischen Attributs, wie das von den dem Deutschen verwandtschaftlich und typologisch nahestehenden Sprachen das Beispiel des Englischen demonstriert, nicht eine so entschiedene Herabsetzung der Selbständigkeit des substantivischen Lexems in dieser Stellung als Wort, daß daraus mit absoluter Notwendigkeit seine Umwandlung in den Wortteil resultieren sollte. Der vor der zweigliedrigen substantivischen Lexemkette stehende Artikel kann zwar mitunter, wie schon gezeigt, formal mit dem ersten Glied in Geschlecht, Zahl und Kasus kongruieren, doch im Rahmen der im Vorhergehenden festgestellten Gesetzmäßigkeiten bezieht sich der Artikel sogar in den Fällen, in denen zwischen ihm und dem vorangestellten Glied der Kette formgrammatische Anziehungskräfte wirksam werden können, auf das zweite Glied und über diese Beziehung auf das Gefüge im Ganzen, wobei das erste Glied als artikelloses Element der Verbindung und in der betreffenden Stelluftg eben als Wortteil auftritt. Solange die umrissenen Gesetzmäßigkeiten nur an sich, unter Nichtbeachtung anderer Faktoren des grammatischen Hintergrundes, der Systembeziehungen der Lexemketten, betrachtet werden, wäre es für den grammatischen Status dieser Lexemketten grundsätzlich gleichgültig, ob sie sich uns schriftlich in der getrennten Wortgruppenform oder in der synthetischen Form der Komposita darstellten. Die Zusammenschreibung der Komposita wäre unter den bisher besprochenen Bedingungen nur als zusätzliches (wenn auch der Vereinheitlichung der literatursprachlichen Norm in diesem Bereich auf rein grammatischer 2'

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Grundlage dienliches) Mittel zur Unterscheidung von zwei besonderen Arten der attributiven substantivischen Komplexe zu bewerten, ein Mittel, das dieser Unterscheidung halber die gemeinsamen Merkmale beider wegen seiner rigeros alternativen Natur stark überschattet. Es lassen sich Beispiele des schriftlichen Sprachgebrauchs anführen, die, wie es scheint, von mangelnder Begründung der Zusammenschreibung der Komposita sozusagen aus sich selbst heraus zeugen und aus dem wirklichen Bedürfnis, sie überall mit Hilfe des synthetischen Schriftbildes gegen die Wortgruppenform abzuheben. So finden sich in den Briefen des jungen Goethe oft getrennt geschriebene Komposita, z. B. deine Einbildungs Kraft, Mädgen Herzen, ihr Bienen Korb, vom Adel und Bürger Stand8, vgl. auch die bei Georg Weerth — in der Mitte des 19. Jahrhunderts! — geläufigen Schriftbilder wie einige Kohlen Arbeiter, die Entwicklung der Maschinen Industrie, in Papier Geld, der Ackerbau Arbeiter9. Dafür, daß der schwankenden Stellung der Attribute zwischen „Halbwort" und Wort in solchen attributiven Komplexen und dieser attributiven Komplexe selbst zwischen dem Schriftbild der Wortgruppe und dem des Kompositums durch die literatursprachliche Norm ein Ende gesetzt wurde und sie in der Gegenwartssprache in der Einwortform auftreten, sind offensichtlich gewisse Bedingungen verantwortlich, die über die bereits ins Blickfeld gezogenen hinausgehen. Es mögen die systemhaften Zusammensetzungsvorgänge bei anderen morphologischen Wortklassen, vor allem bei adverbial-verbalen und adverbialadjektivischen Fügungen, mitgewirkt haben, da in diesem Bereich die Zusammensetzung eines vorangestellten morphologisch unveränderlichen Wortes in Kontaktstellung mit einem anderen Wort in der Literatursprache n u r durch das ganzheitliche Schriftbild sichtbar gemacht werden kann, vgl. zusammen arbeiten und zusammenarbeiten (etw.) schön machen und (etw., j-n) schönmachen, sitzen bleiben und sitzenbleiben u. ä. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat außerdem die Divergenz der Formen des substantivischen Attributs im Kompositum und der Formen, die das gleiche Substantiv sonst in seinen frei verwendeten Kasus hat, Einfluß auf die Tendenz zum ganzheitlichen Schriftbild der Zusammensetzung. Formen wie hahnen oder schwanen, frauens oder menschens, wohnungs oder reformations kommen nicht vor, nur wenn sie in einer besonderen Art von grammatischen Gebilden auftauchen, nämlich in Komposita wie hahnen-schrei, schwanen-hals, frauens-leute, menschens-kind, wohnungs-not, reformations-bewegung u. ä. Die Zusammenschreibung der Komposita stellt alle diese von den Deklinationsparadigmen abweichenden Formen als innerkompositionelle Formvarianten der betreffenden Wörter dar, was sie in Wirklichkeit auch sind, und läßt das Bild eines nur mangelhaft geregelten substantivischen Paradigmas nicht aufkommen. Die Form des attributiven Gliedes der Zusammensetzung ist ja auch kein Kasus neben den anderen vier Kasus, sie liegt morphologisch abseits von diesen, in einer anderen Ebene. Es kommt noch ein dritter Faktor hinzu, der offenbar die Zusammenschreibung der Komposita in entscheidender Weise bedingt. Als das gegenseitige Verhältnis der Positionsformen besprochen wurde, die die attributiven Komplexe mit dem genitivischen bzw. mit dem genitivartigen abhängigen Glied haben können, wurde die Analyse dieser Formen unabhängig von der Existenz der Stilschichten und von besonderen zu dieser Ebene gehörenden Korrelationen der Spracherscheinungen durchgeführt. Der Begriff des Normativen, der bei dieser Analyse eine wesentliche Rolle spielt, soll nun ausdrücklich in Beziehung gesetzt werden zum stilistisch neutralen Typ der grammatischen Formen, denen grammatische Formen gegenüberstehen, die sich nur für den gehobenen, feierlichen, poetischen §til eignen, dieser Stilschicht angehören und selbst entsprechende stilistische Werte

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haben (andere stilistische Oppostionen und Werte kann man hier außer acht lassen). Zwar gelten für verschiedene Stilschichten verschiedene Normen, aber in gewisser Hinsicht erweisen sich die Behauptungen, daß das Genitivattribut mit seinem Artikel nur in die Nachstellung gehört und daß folglich der Artikel, der einem attributiven Komplex vorangeht, nur — über das zweite Glied — auf diesen Komplex als Ganzes bezogen werden kann, in ihrer Allgemeinheit als anfechtbar, sogar als falsch. Mit der notwendigen Einschränkung auf die neutrale Stilschicht, da in der gehobenen auch Fügungen wie der weit lohn als der Welt Lohn oder des bischofs stab als des Bischofs Stab gebräuchlich sind 10 , wird zugleich die Behauptung widerlegt, es sei für die grammatische Auffassung der substantivischen Komplexe wie der weit lohn, des bischofs stabs u. ä. als Komposita belanglos, ob sie in der Getrennt- oder in der Zusammenschreibung dargestellt würden. Die Voranstellung des attributiven Genitivs der Gattungsnamen ist ein grammatischer Archaismus, der seinem gehobenen Stilwert zugrunde liegt. Die entsprechende Stilschicht ist eine der Stilschichten der Literatursprache und somit auch ihrer geschriebenen Variante. Es sind also innerhalb einer Existenzform der Literatursprache zwei verschiedene grammatische Erscheinungen auseinanderzuhalten und, um Mißverständnisse zu verhüten, die Vermengung zweier Stilschichten zu vermeiden. Die durchgängige grammatisch-stilistische Differenzierung von Komposita mit dem genitivartigen ersten Glied (insbesondere solcher Komposita in Begleitung des Artikels, der mit dem unmittelbar nachfolgenden Glied zu kohärieren droht) und der (stilistisch „markierten") Wortgruppe mit dem vorangestellten appellativischen Genitiv, der einen eigenen Artikel hat (häufig mit doppeldeutigen „Kohäsionspotenzen") kann nur durch die systematische Zusammenschreibung der Komposita erreicht werden. 11 Gehört aber zum Feld der Realisierung der Zusammensetzungskonstruktion ein Teilbereich, für den die Zusammenschreibung zur Notwendigkeit wird, so ist zu erwarten, daß die vereinheitlichende Norm diesen Teilbereich zum Muster für die allgemeine Vereinheitlichung des Schriftbildes der Zusammensetzungskonstruktion macht, da auch die sonstigen Realisierungen dieser Konstruktion sich leicht diesem Muster fügen. Die schriftliche Form der Zeichenverbindung im Bereich der attributiven substantivischen Komplexe kommt somit in den Stand grammatischer Unterscheidungsmerkmale. Der Schreibende hat zwischen den Formen der Weltlauf und der Welt Lauf, der Heldenmut und der Helden Mut zu wählen, unterschiedliche semantische Schattierungen und stilistische Werte gegeneinander abzuwägen. Der Lesende erkennt am Schriftbild die Absicht des Autors. Es ist noch hinzuzufügen, daß in solchen Fällen wie z. B. die Veröffentlichung der Leserbriefe — vgl. die Veröffentlichung der Leser Briefe — heute objektiv unmißverständliche Komposita vorliegen; die Zusammenschreibung läßt hier die Spuren eines älteren Sprachzustandes nicht aufkommen, bei dem der Genitiv sich ohne Artikel an sein Regens anschließen konnte. Die Zusammenschreibung der Komposita ist im Deutschen weitgehend g r a m m a t i s c h motiviert. Die oben erörterte Frage gehört offensichtlich zu dem Fragenkreis, bei dem es sich um die wechselseitigen Beziehungen der akustisch-motorischen und der visuell-motorischen Realisierungen der Spracherscheinungen handelt. Der sekundäre Charakter der letzteren ist unbestreitbar. Einwandfrei vereinbar ist aber damit die Idee der relativ autonomen, relativ eigenständigen Schriftform der Sprache als einer besonderen sprachlichen Existenzform, die — bereits jahrhundertelang existent — zum Teil auch spezifische Charakteristiken und Widersprüche hat und spezifische Mittel und Wege ihrer Aufhebung findet. Die relative Eigenständigkeit der geschriebenen Form der Literatursprache wird durch Rückwirkungen

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erwiesen, die sie auf die gesprochene Sprache ausüben kann. Daß die gesprochene Sprache der immer breiter werdenden Schicht der Gebildeten — an der Literatursprache Gebildeten — von den kodifizierten geschriebenen literatursprachlichen Formen beeinflußt wird, ist allgemein bekannt. Einer Sonderrichtung solcher Rückwirkungen, der Beeinflussung der Aussprache durch die Schrift, ist in der Fachliteratur große Aufmerksamkeit zuteil geworden. 12 Wenn die Literatursprache mit ihrem Mittel der Zusammen- und der Getrenntschreibung wesentliche Beziehungen in einem grammatischen Bereich, dem der attributiven substantivischen Komplexe, ordnet, so verdankt dieser die Systematisierung der für ihn maßgebenden Oppositionen und die Normierung des betreffenden Systems in der deutschen Sprache in einem bedeutenden Maße der geschriebenen literatursprachlichen Existenzform.

2. Zusammen- und Getrenntschreibung der zusammensetzungsförmigen attributiven Komplexe. Quantitative Ermittlungen Die Opposition der substantivischen Wortgruppe und der substantivischen Zusammensetzung beruht, wie oben dargelegt, in ihrem grammatischen Aspekt auf drei formalen Merkmalen: (a) auf der unterschiedlichen Stellung des abhängigen attributiven Gliedes gegenüber dem zu bestimmenden Glied, (b) auf der unterschiedlichen Verteilung der Artikel bzw. des Merkmals der Artikellosigkeit zwischen den Gliedern der substantivischen Lexemreihe und (c) auf der Zusammenschreibung des Kompositums im Gegensatz zur Getrenntschreibung der Wortgruppe. Die Konzentration auf Gebilde, die auf den beiden Seiten der Opposition die größtmögliche Formähnlichkeit zeigen, hilft, das genannte Merkmalsbündel als die minimale Grundlage der entsprechenden Divergenz zu erkennen, und berechtigt zugleich dazu, diesem Merkmalsbündel im betreffenden Bereich die höchstmögliche Allgemeinheit zuzuschreiben. Die Impulse für die Norm der geschriebenen Variante der Literatusprache, die Zusammenschreibung der Komposita auf das ganze Feld von Realisierungen der substantivischen Zusammensetzungskonstruktion auszudehnen, sind oben behandelt worden. Es sei besonders hervorgehoben, daß die drei genannten Merkmale nicht isoliert zu betrachten sind: Ihre Wechselwirkung ist entscheidend für die gegenseitige Abgrenzung von Zusammensetzung und Wortgruppe. Wenn erwiesen ist, daß die Erscheinungen, von denen die Unterscheidung von Zusammensetzung und Wortgruppe abhängt, im betreffenden Bereich der deutschen Gegenwartssprache in engeren Systembeziehungen zueinander stehen, so darf man annehmen, daß diese Systembeziehungen auch im geschichtlichen Verlauf der gegenseitigen Differenzierung von Wortgruppe und Zusammensetzung bestanden. Der heutige Entwicklungsstand der substantivischen Zusammensetzungskonstruktion ist zu erklären aus den historischen Umgestaltungen eines Systems von Ausdrucks- und Differenzierungsmitteln, die sich an der Wiedergabe des gegenständlich-relativen Merkmals eines Gegenstandes in der Wortgruppenform und in der Zusammensetzungsform beteiligen. Von diesen Mitteln ist an erster Stelle der Artikel zu nennen, denn die beiden anderen Faktoren lassen sich auf die Auswirkungen der Ausbreitung und Stabilisierung der Artikelfunktion zurückführen, nicht aber umgekehrt. 13 Das soll nicht besagen, daß sie nicht ihrerseits auf die Stabilisierung

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erwiesen, die sie auf die gesprochene Sprache ausüben kann. Daß die gesprochene Sprache der immer breiter werdenden Schicht der Gebildeten — an der Literatursprache Gebildeten — von den kodifizierten geschriebenen literatursprachlichen Formen beeinflußt wird, ist allgemein bekannt. Einer Sonderrichtung solcher Rückwirkungen, der Beeinflussung der Aussprache durch die Schrift, ist in der Fachliteratur große Aufmerksamkeit zuteil geworden. 12 Wenn die Literatursprache mit ihrem Mittel der Zusammen- und der Getrenntschreibung wesentliche Beziehungen in einem grammatischen Bereich, dem der attributiven substantivischen Komplexe, ordnet, so verdankt dieser die Systematisierung der für ihn maßgebenden Oppositionen und die Normierung des betreffenden Systems in der deutschen Sprache in einem bedeutenden Maße der geschriebenen literatursprachlichen Existenzform.

2. Zusammen- und Getrenntschreibung der zusammensetzungsförmigen attributiven Komplexe. Quantitative Ermittlungen Die Opposition der substantivischen Wortgruppe und der substantivischen Zusammensetzung beruht, wie oben dargelegt, in ihrem grammatischen Aspekt auf drei formalen Merkmalen: (a) auf der unterschiedlichen Stellung des abhängigen attributiven Gliedes gegenüber dem zu bestimmenden Glied, (b) auf der unterschiedlichen Verteilung der Artikel bzw. des Merkmals der Artikellosigkeit zwischen den Gliedern der substantivischen Lexemreihe und (c) auf der Zusammenschreibung des Kompositums im Gegensatz zur Getrenntschreibung der Wortgruppe. Die Konzentration auf Gebilde, die auf den beiden Seiten der Opposition die größtmögliche Formähnlichkeit zeigen, hilft, das genannte Merkmalsbündel als die minimale Grundlage der entsprechenden Divergenz zu erkennen, und berechtigt zugleich dazu, diesem Merkmalsbündel im betreffenden Bereich die höchstmögliche Allgemeinheit zuzuschreiben. Die Impulse für die Norm der geschriebenen Variante der Literatusprache, die Zusammenschreibung der Komposita auf das ganze Feld von Realisierungen der substantivischen Zusammensetzungskonstruktion auszudehnen, sind oben behandelt worden. Es sei besonders hervorgehoben, daß die drei genannten Merkmale nicht isoliert zu betrachten sind: Ihre Wechselwirkung ist entscheidend für die gegenseitige Abgrenzung von Zusammensetzung und Wortgruppe. Wenn erwiesen ist, daß die Erscheinungen, von denen die Unterscheidung von Zusammensetzung und Wortgruppe abhängt, im betreffenden Bereich der deutschen Gegenwartssprache in engeren Systembeziehungen zueinander stehen, so darf man annehmen, daß diese Systembeziehungen auch im geschichtlichen Verlauf der gegenseitigen Differenzierung von Wortgruppe und Zusammensetzung bestanden. Der heutige Entwicklungsstand der substantivischen Zusammensetzungskonstruktion ist zu erklären aus den historischen Umgestaltungen eines Systems von Ausdrucks- und Differenzierungsmitteln, die sich an der Wiedergabe des gegenständlich-relativen Merkmals eines Gegenstandes in der Wortgruppenform und in der Zusammensetzungsform beteiligen. Von diesen Mitteln ist an erster Stelle der Artikel zu nennen, denn die beiden anderen Faktoren lassen sich auf die Auswirkungen der Ausbreitung und Stabilisierung der Artikelfunktion zurückführen, nicht aber umgekehrt. 13 Das soll nicht besagen, daß sie nicht ihrerseits auf die Stabilisierung

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der Artikelfunktion im Bereich der attributiven substantivischen Komplexe zurückwirken. Daß die Verhältnisse bei dem maßgebenden Komplex von Merkmalen, auf den wir hier die Aufmerksamkeit lenken, im Zeitraum 1470—1530 anders als in der Gegenwartssprache lagen, ist zu erwarten und wird bereits durch eine flüchtige Beschäftigung mit Texten aus diesem Zeitraum bestätigt. Obwohl die im Hinblick auf eine spätere Zeit mangelnde Reife der Artikelfunktion einerseits und die recht oft vorkommende Voranstellung des substantivischen Attributs in genitivisch deutbarer Form bei gleichzeitiger Getrenntschreibung andererseits einander voraussetzen und bedingen, ist es angezeigt, den Entwicklungsstand der Opposition „substantivische Wortgruppe:substantivische Zusammensetzung" im Zeitraum 1470—1530 von der graphischen Form der „zusammensetzungsförmigen" Komplexe her anzugehen. Die quantitative Verteilung der Zusammen- und der Getrenntschreibung (eines Merkmals, das ins Sekundär-Äußerliche an der Spracherscheinung übergeht, aber auch in die Wechselwirkung anderer, die substantivische Zusammensetzung entscheidend beeinflussender Faktoren eingreift) läßt auf den allgemeinen Reifestand der für das Untersuchungsobjekt grundlegenden Opposition im Zeitraum um 1500 schließen. Das Bild der keineswegs geringen Verbreitung der „zusammensetzungsähnlichen" Komplexe in getrennter graphischer Form, die sie den Wortgruppenformen näherbringt, schafft auch die richtige Grundlage für Beobachtungen der Stellungen der Glieder innerhalb der damaligen Positionsformen von attributiven Komplexen und der sich daraus ergebenden semantischen Effekte. Die hier verwertete Belegsammlung beruht auf 62 Quellen. Den Texten sind in zufalliger Reihenfolge die Nummern von 1 bis 62 beigegeben worden. 29 Quellentexte entfallen auf den Untersuchungszeitraum 1470—1530, 33 auf den Zeitraum 1670—1730. In beiden Fällen wurde eine unter den äußeren Bedingungen höchstmögliche Annäherung an die Zufallsauswahl angestrebt. Die ersten 28 Belegquellen, wie sie im Quellen Verzeichnis auftreten, sind einzelne Bücher, die im Zeitraum zwischen 1470 und 1530 gedruckt wurden 14 , oder es sind im 19. und 20. Jahrhundert veröffentlichte Neudrucke und in Einzelfällen erstmalig vorgenommene Ausgaben von Handschriften aus der Zeit 1470—1530 (einige davon sind als thematische Sammlungen angelegt). Die Nummer 29 trägt eine vom Verfasser zusammengetragene Sammlung von Beispielen aus vier kleineren Schriften in verschiedenen Ausgaben und aus den Texten, die A. Götze in seinem „Frühneuhochdeutschen Lesebuch" vereinigt hat. 15 Bei der Auswahl der Quellentexte wurde vor allem auf eine verhältnismäßig typische Verteilung der Textsorten dieses Untersuchungszeitraumes geachtet. Das verbessert die Bedingungen für die Zufallsauswahl und ist unerläßlich, wenn die Stichprobenauswahl repräsentativ sein will in bezug auf den objektiven Sprachzustand, den sie auch mehr oder weniger objektiv reflektiert. Die Liste der Belegquellen umfaßt Chroniken verschiedener Art — eine Klosterchronik (4) und ein klösterliches Amtsbuch chronikalen und geschäftlichen Charakters (22), eine Stadtchronik (17), eine regionale Chronik, die mit legendären Ereignissen „von dem Jahr nach Christi geburt" an beginnt (7), eine regionalstädtische Chronik größeren Umfangs mit detaillierter Beschreibung von geschichtlichen Begebenheiten einschließlich des Bauernkrieges im Schwarzwald (23) und eine Art umständlicher „Weltchronik" (21); es kommen ferner zwei „Volksbücher" (12, 14) und die prosaische Nacherzählung eines mittelalterlichen Ritterromans (2) hinzu, eine Sammlung von Schwänken in Prosa (15), ein Reisetagebuch, Briefe und Traktate über Fragen der Technik, der Baukunst und der Malerei (3), zwei Reisebeschreibungen ins „gelobte Land" (20, 24), ein religiös-ethisches Traktat (18); die polemische Publizistik der

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Reformationszeit und der Bauernkriegsbewegung ist durch Schriften vertreten, die den Ideologen der einander bekämpfenden Klassen und politisch-religiösen Parteien, auch einem gegen das ihm widerfahrene Unrecht protestierenden Adeligen gehören (1, 9, 10, 11, 16, 19, 26); als Belegquellen wurden auch Gedichte von Vertretern verschiedener sozialer Schichten und Klassen ausgewertet (5, 6, 8, 13, 25, 27). Etwas abseits steht der Text 28, der ein Beispiel der humanistischen literarischen Tätigkeit darstellt. Unter den Texten der „Sammelquelle" 29 gibt es eine Abhandlung über die deutsche Sprache, die übrigen fallen meist in die Rubrik der Publizistik. Etwas mehr als die Hälfte der Quellentexte ist vollständig exzerpiert worden, wobei jede Textstelle, an der ein vorher bereits vermerktes Kompositum (oder auch als Kompositum bedingt deutbares Gebilde) neu vorkam, wiederholt registriert wurde. Hierher gehören die Nummern 1, 5, 6, 7, 8, 9, 12, 13, 14, 15, 16, 20, 23, 24, 26, 28. In zwei Fällen sind größere Teile der im Verzeichnis angeführten Bücher (21,27) in derselben Weise vollständig exzerpiert worden. In zehn Quellentexten wurde nur jede erste Verwendung aller vers c h i e d e n e n Komposita und zusammensetzungsähnlichen Gebilde (verschieden in bezug auf lexikalische Füllung der grammatischen Konstruktion) registriert. Hierher gehören die Nummern 2, 3, 4, 10, 11, 17, 18, 19, 22, 25. Bei der nur einmaligen Exzerpierung der lexikalisch unterschiedlichen Komposita wurden natürlich die später im Text anzutreffenden Formvarianten des attributiven Gliedes und der Schreibweise in der Belegsammlung übergangen. Bei einigen Textausgaben des 19. Jahrhunderts sind die Herausgeber entschieden modernisierend vorgegangen, indem sie die „zusammensetzungsähnlichen" Gefüge nach eigenem Ermessen in Wortgruppen und Zusammensetzungen teilten und die letzteren konsequent in synthetischem Schriftbild erscheinen ließen. Das sind vor allem die Quellen 3 und 23. Unzuverlässig in derselben Beziehung sind größtenteils auch die Ausgaben der Texte 4 und 17. Bei der Bearbeitung der Texte Nummer 29 wurden nur Belege vermerkt, die in dieser oder jener Hinsicht von Interesse waren. Diese Unterschiede werden bei der Benutzung von Teilen des gesamten Belegmaterials im Zusammenhang mit verschiedenen Fragestellungen und den sich daraus ergebenden Bedingungen für die stichhaltige Verwendung des Belegmaterials, besonders bei den quantitativen Ermittlungen, berücksichtigt. Die Zahl der lexikalisch verschiedenen Komposita in unserer Belegsammlung (einschließlich der grammatisch als Komposita deutbaren „zusammensetzungsähnlichen" Gebilde) beträgt 3634. Der repräsentative Wert der Belegsammlung für den frühneuhochdeutschen Sprachzustand hängt nicht nur von der relativ proportionierten Verteilung der Quellen auf verschiedene Textsorten ab. Der repräsentative Charakter einer Stichprobenauswahl ist •immer auch quantitativ bedingt. Dem Beispiel W. Admonis folgend, erachten wir die simplifizierte symptomatische Statistik in Fragen der Sprachentwicklung, bei denen es um Tendenzen geht, für ausreichend genau. Immerhin ist es zweckmäßig, die quantitativen Ermittlungen so anzulegen, daß sie auch der kritischen Überprüfung mit mathematischen Methoden der Statistik, insbesondere der Überprüfung des Grades der statistischen Relevanz der sich aus den durchgeführten Berechnungen ergebenden Unterschiede, standhalten könnten. Die hier angewandten Prozeduren, die es gestatten, auf ein relativ befriedigendes Zufälligkeitsmoment bpi der Stichprobenauswahl zu rechnen, sind oben in ihren Hauptrichtlinien dargelegt worden. Inwiefern aber genügt die Zahl von ungefähr dreieinhalbtausend verschiedenen Komposita der Forderung, ihre Gesamtmasse in der Sprache statistisch relevant zu vertreten? Die Antwort auf diese Frage kann nicht für alle Aufgaben, die bei der Untersuchung der substantivischen Zusammensetzung im Deutschen gestellt

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werden können, die gleiche sein. Je geringer die Häufigkeit von besonderen Erscheinungsformen des Untersuchungsobjekts anzunehmen ist, desto größer soll der Umfang der Zufallsauswahl sein, die diese Formen zu belegen und darüber hinaus die quantitativen Voraussetzungen zu schaffen vermag, um auf die Relevanz der dabei ermittelten Häufigkeitsunterschiede Anspruch erheben zu können. In dieser Arbeit werden in gewisser Reihenfolge verschiedene Einzelerscheinungen zur Beobachtung und zum Teil zu quantitativen Zusammenstellungen herangezogen, darunter auch solche Erscheinungen, die relativ selten vorkommen wie z. B. die sogenannten „Dekomposita" oder einige weniger verbreitete Formen des ersten Zusammensetzungsgliedes. Dem Großteil der quantitativen Vergleiche verschiedener Art, die im weiteren vorgenommen werden, liegt eine Generalstichprobenauswahl zugrunde. Für die Untersuchung ist es nicht unwesentlich, daß die Annahmen expliziert werden, mit denen man wenigstens den pauschal repräsentativen Charakter dieser Basiszufallsauswahl begründen kann. Die erste Annahme besteht darin, daß ein Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, das etwa 100000 Stichwörter enthält, die Hauptmasse des lexikalischen Bestandes, mithin die zu dieser Hauptmasse gehörenden Komposita, in ausreichendem Maße, mit der Vollständigkeit erfaßt, die in großen Zügen dem wirklichen Gebrauch der lexikalischen Ausdrucksmittel im Massen verkehr entspricht. Einen solchen Umfang hat G. Wahrigs einbändiges „Deutsches Wörterbuch". 16 Die an diesem Wörterbuch vorgenommene Zählung ergab, daß die substantivischen Zusammensetzungen — mit allen Arten von Bestimmungsgliedern, die substantivischen Zusammensetzungen im weiten Sinn dieses Terminus also — ungefähr ein Drittel der Stichwortliste ausmachen, etwa 30000 bis 35000 (die zeitraubende Zählung wurde anhand des ersten Drittels der Stichwortliste ausgeführt; genauere Ermittlungen scheinen in einem solchen Fall nicht notwendig). Die Zahl der verschiedenen Komposita in unserer Stichprobenauswahl würde also zu ihrer bedingt angenommenen Gesamtzahl im Verhältnis von etwas mehr als 1 zu 10 stehen, wäre für den Zeitraum um 1500 derselbe Wortschatzumfang wie in der Gegenwartssprache, derselbe repräsentative Charakter eines Wörterbuches mit 100000 Stichwörtern in bezug auf den Gesamtwortschatz der „Gemeinsprache" und derselbe Anteil der substantivischen Zusammensetzungen an dem Gesamtwortschatz dieser Epoche anzunehmen. Unsere zweite Annahme besteht gerade darin, daß man für den Zeitraum um 1500 alle diese Zahlen nieddriger anzusetzen hat als für die Gegenwart. Den damaligen Wortschatzumfang kennen wir allerdings nicht, denn das Frühneuhochdeutsche wartet noch auf eine breitangelegte lexikographische Erfassung. Für unsere Ziele genügt aber die Feststellung, daß die Stichprobenauswahl von etwa dreieinhalbtausend Komposita wenigstens in einem nicht minder hohen statistischen Repräsentationsverhältnis zum Gesamtbestand an Zusammensetzungen dieser Zeit steht, als es für die Gegenwartssprache angenommen werden sollte. Für die Zählungen, die in diesem Kapitel vorzunehmen sind, wird ein gewisser Teil der generellen Stichprobenauswahl verwertet. Von den 3634 Zusammensetzungen werden zunächst 137 Komposita (3,8%) wegen verschiedener grammatischer und semantischer Unregelmäßigkeiten, die teilweise bis zur semantischen Undurchsichtigkeit reichen, aus der weiteren A n a l y s e ausgeschlossen, z. B. kindt betherin 1, windtmoller 10, hohenschuler 11, tzwitracht 10, diebstal 15, aderlaß 6, blotzbrieder 13, lürlis thandt 13, schulthaiß 11, prütgum 28, helffen pain 2, schorsten 4, gutzgauch 15. 17 Z u diesen u n d ä h n l i c h e n k o m m e n

noch Metaphern, zum Teil auch sprachübliche, die sich der semantischen Modellierung entziehen, vgl. fläch sunnen 13, hafen zol 13, winds brüte 28, v e r s t ä r k e n d e Z u s a m m e n setzungen wie gotzbesewicht 23, todstocknarn 26, lumpen prediger 29 L . u . ä., „Volks-

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Opposition „substantivische Wortgruppe — substantivische Zusammensetzung" 1470—1530

etymologien" wie sundfluß 1, Endt Christ 10, Armbrüste 8, auch die Namen der Wochentage und mehrere zusammengesetzte Titel, bei denen die semantische Schärfe der inneren Teilung in Glieder bedeutend abgeschwächt ist und die in ihrer unvollkommenen Eigenschaft als Komposita für die grammatische Untersuchung in diesem Bereich von geringem Interesse sind, vgl. juncker 1, freyherren 14, Pfaltzgraff 11. Im gesamten ersten Abschnitt wird noch eine Gruppe von Zusammensetzungen außer acht gelassen, die sogenannten Zusammenbildungen wie lugen sager 13, land schweiffer 15, papyr schluder 29 L., plütvergüssen 9, vogelschawung 21 u. ä. Diese Gruppe zählt 308 Komposita; mit 9 Zusammensetzungen des Typs harbreyt 1, hantuol 6 macht das 317, die fürs erste ebenfalls von der Zahl 3634 abgezogen werden müssen. Ferner entfallen 380 Komposita mit nichtsubstantivischen attributiven Gliedern. In Zweifelsfallen, in denen Zugehörigkeit des attributiven Gliedes zu verbalen und substantivischen Stämmen angenommen werden kann, wird ohne weiteres für das substantivische Kompositum entschieden.18 Die Zusammensetzungen mit den nichtsubstantivischen ersten Gliedern sind, wie aus dem vorhin Dargelegten folgt, in die generelle Stichprobenauswahl mit aufgenommen worden. Dafür sprechen mindestens drei Gründe: Zum ersten ist das sprachliche Massiv der reinen substantivischen Komposita von einer Übergangszone grammatischer Gebilde nicht eindeutiger Natur umgeben. Diese Zone ist mit ins Blickfeld zu rücken, will man die Grenzen, die man bei der qualitativen Analyse erörtert, für die quantitative Analyse aber auch möglichst genau einzuzeichnen hat, der Überprüfung zugänglich machen. Zum zweiten ist zu versuchen, die allgemein anerkannte Dominanz der rein substantivischen Zusammensetzung in ihrem breiteren Feld genauer zu ermessen, denn es ist zu erwarten, daß diese Dominanz geschichtlich bedingt ist und sich mit der Zeit ändert. Zum dritten sei darauf hingewiesen, daß in Teilfeldern der Zusammensetzung anderweitige engere Beziehungen zwischen den Zusammensetzungen mit den substantivischen und den nichtsubstantivischen ersten Gliedern bestehen. So beruht vor allem die Zusammenbildung verbaler Wortgruppen im Zuge ihrer Nominalisierung auf grundsätzlich analogen Gesetzmäßigkeiten bei verbalen Wortgruppen mit dem abhängigen substantivischen und mit dem abhängigen adjektivisch-adverbialen Glied. Es bleiben also vorerst 2800 Komposita in der Stichprobenauswahl, die hier als substantivische Komposita angesprochen werden (3634 minus 834, die in Gruppen von 137, 317 und 380 zerfallen). Wie bereits erwähnt, wurden nur 18 Texte so exzerpiert, daß dabei auch jede Wiederholung eines einmal angetroffenen Kompositums registriert wurde. Von diesen 18 Texten ist aber in einem Fall die Verwertung des Belegmaterials für die quantitativen Ermittlungen zur Zusammen- und Getrenntschreibung unmöglich, da der Herausgeber der Handschrift die Schreibweise in dieser Hinsicht modernisiert und fast völlig vereinheitlicht hat (Text 23). Von den 2800 verschiedenen Zusammensetzungen mit substantivischem (und substantivisch deutbarem) attributivem Glied entfallen 1490 auf die übrigen 17 Quellentexte. Die folgenden 5 uneigentlichen Zusammensetzungen mit got(e)s- : gotzhauß 6, gottesdinst 6, gotzrecht 14, gotzgab 14, gotzacker 20 müssen ferner abgezogen werden: Die regelmäßige Artikellosigkeit des Substantivs gott (wie auch des Substantivs teufel und einiger anderer aus dem gleichen thematischen Kreis) läßt bei der Getrenntschreibung den grammatischen Unterschied zwischen Wortgruppe und Zusammensetzung weitgehend unerkennbar (vgl. vor Gotes gericht 8; Wa blybt dann gots gerechtigkeit? 13; mit goetz hulff 24). So ist die Anzahl der getrenntgeschriebenen Zusammensetzungen (zusammensetzungsähnlichen attributiven Komplexe) mit gott-, gott(e)s- nicht zu bestimmen. Eine bestimmbare Zahl ist aber notwendig, um ihr die Zahl der durch Zusammen-

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Schreibung eindeutig als Komposita erwiesenen Komplexe gegenüberzustellen. Es bleiben am Ende also 1486 Komposita aus den Quellentexten 1, 5, 6, 7, 8, 9, 12, 13, 14, 15, 16, 20, 21, 24, 26, 27, 28, die für die geplante quantitative Zusammenstellung der zusammen- und der getrenntgeschriebenen Realisierungen der substantivischen Zusammensetzungskonstruktion (bzw. der Form der „Halbkomposita") vorerst in Betracht kommen. In den für die Zeit um 1500 typischen Schwankungen zwischen Zusammen- und Getrenntschreibung von Gebilden, die wir heute fast durchweg, auch die getrenntgeschriebenen, für Komposita zu halten geneigt sind, da die sonstigen formalen Merkmale der getrenntgeschriebenen vom Standpunkt der Gegenwartssprache ihre Auffassung als Wortgruppen sehr oft nicht zulassen, äußert sich ein anderes, den grammatischen Verhältnissen des Frühneuhochdeutschen zeitgemäßes Sprachgefühl. Daß das Sprachgefühl oder Sprachbewußtsein eine psychische Erscheinung ist, kann nicht als Argument gegen die linguistische Relevanz dieser Erscheinung ins Feld geführt werden. Im Sprachgefühl der Sprachgemeinschaft spiegelt sich die objektive Sprachwirklichkeit wider. Zweifellos greift in den Prozeß der Vereinheitlichung, Normierung und Kodifizierung der Sprache in Rede und Schrift die Gesellschaft auf vielen Wegen und in vielen Formen, bis zu gesetzlichen Verordnungen, ein. Das Sprachgefühl des einzelnen wird durch die Schulbildung der geltenden sozialen Sprachnorm angepaßt. Die Festlegung bestimmter normativer Regeln ist aber das Produkt nicht nur der Entwicklung der Gesellschaft, der die Normierung ihrer Sprache dringendes Bedürfnis wird und die dafür die notwendigen ökonomischen, sozial-politischen und kulturellen Voraussetzungen schafft, sondern sie baut vor allem auf der objektiven spontanen Entwicklung der Sprache selbst auf. Jedenfalls sind willkürlichen Entscheidungen bei der Gestaltung einer normierten Sprachform sehr enge Schranken gesetzt. Daß mangelnde Einheitlichkeit im Schriftbild der substantivischen Zusammensetzungen in den frühneuhochdeutschen Texten objektive sprachliche Ursachen hat, folglich nicht durch mangelnde Schulbildung der Schreiber und Drucker zu erklären ist, wurde oben als Annahme begründet. Es wurde damit argumentiert, daß im Bereich der attributiven substantivischen Komplexe die graphische Synthese bzw. Teilung der Zusammensetzungen und andere, rein grammatische Faktoren, denen vorbehaltlos objektive Natur zugesprochen werden muß, in wechselseitigem Bedingungsverhältnis zueinander stehen. Für die intuitive Untersuchung, die die mangelnde Schärfe des formal-grammatischen Unterschiedes zwischen Zusammensetzung und Wortgruppe im Spiegel breit genug zu beobachtender Getrenntschreibung von zusammensetzungsähnlichen Gebilden reflektieren muß, müssen allerdings das Alter und — mit unterschiedlichem Alter zusammenhängende — formale Arten dieser attributiven Komplexe von Bedeutung sein. Schon eine Oberfläche Betrachtung von Texten aus der Zeit um 1500 erweckt den Eindruck, die attributiven Komplexe mit der Stammform des ersten Gliedes (die eigentlichen Zusammensetzungen J. Grimms) treten öfter in Zusammenschreibung auf als solche, deren erstes Glied eine Form zeigt, die als der Gen. Sg. oder PI. aufgefaßt werden kann (und die meist auch zugleich in der genitivisch faßbaren semantischen Beziehung eine Art Begründung findet). Der zeitlich jüngere letztgenannte Typ von attributiven Komplexen, der sich infolge von Verschiebungen im Bereich der Artikelfunktion und der Wortfolge allmählich von der Syntax freier Wortformen isoliert, spielt für die Entwicklung im Schriftbild der zusammensetzungsförmigen Komplexe insofern eine Rolle, als er der Syntax auch in der funktionalen Hinsicht nähersteht (was nicht zuletzt mit der Häufigkeit des Auftretens zusammenhängt). Es erscheint also zweckmäßig, die Zusammensetzungen

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und die zusammensetzungsähnlichen Gebilde bei den Zählungen nach unterschiedlichen Merkmalen der Form des ersten Gliedes in einige Gruppen einzuteilen. Das attributive Glied ist in diesen Gruppen 1) ein flexionsloses Substantiv, z. B. könig-reich;19 2) der gemeinsame Stamm eines Substantivs und eines Verbs, z. B. erb-teil; 3) ein Substantiv der starken Deklination mit der Endung -s, z. B. reichs-tag (hier werden die Endungen -s, -es, -ns, -ens vereinigt; die Formen glaubens-, herzens auch ein Fall mit dem ersten Glied löwens werden in dieser Gruppe untergebracht); 4) ein Substantiv, dessen Stamm auch ein verbaler Stamm ist, das in der Zusammensetzung mit der Endung -s auftritt, z. B. geleits-brief; 5) ein Substantiv auf -er, das ein Lebewesen bezeichnet (zwischen dem alten stammbildenden -r, dem Ableitungssuffix -er und dem Pluralsuffix -er wird nicht unterschieden), z. B. mutter-sprache, schäfer-hund, kinder-köpfe, kälber-arzt\ von den Sachnamen werden zu dieser Gruppe Substantiv mit dem Pluralsuffix -er gerechnet, z. B. eier-klar; 6) ein Substantiv der schwachen Deklination mit der Endung -n, -en, z. B. juristen-bücher, hasen-fell; ein Femininum mit der Endung -n, -en, z. B. sonnen-schein, küchen-bank-, ein Neutrum mit dem Pluralsuffix -en, -n, z. B. augen-weh, ohren-beichte; 7) eines der Substantive mit der Endung (bzw. dem Suffix) -(e)n, die sich im Frühneuhochdeutschen morphologisch noch mit der Klasse der „relativen" Adjektive überschneiden (s. I. 5.), christen-stadt, christen-kaufleute, menschen-satzungen; leinen-tuch, seiden-hemd; eichen-rinde; 8) das Substantiv haupt, z. B. haupt-sache, haupt-artikel (diese quantitativ ziemlich starke Gruppe nimmt eine Sonderstellung ein, da sich das attributive Glied semantisch vom selbständigen Substantiv zu isolieren beginnt und in seiner Bedeutung den Charakter des qualitativen Adjektivs annimmt); 9) ein Femininum mit der unorganischen Endung -s, z. B. arbeits-leute, fehds-brief, (in) warnungs-weise. Die Ergebnisse der Zählungen, die nach den dargelegten Richtlinien ausgeführt wurden, sind in der Tabelle S. 30 f. vorgestellt.20 Der Anteil der getrenntgeschriebenen zusammensetzungsförmigen attributiven substantivischen Komplexe beträgt 32,7%. Inwieweit ist diese Zahl als ein zuverlässiges Indiz für ihre objektive Verbreitung zu bewerten? Die bei der vorgeführten quantitativen Messung befolgten Regeln bringen ein Ergebnis, das u. E. unter dem objektiven Stand der massenhaften Auffassung als Wortgruppe und Behandlung der zusammensetzungsförmigen Komplexe in der Schrift liegt. Es ist bereits betont worden, daß der objektive Charakter der Widerspiegelung einer wirklichen statistischen Verteilung der Untersuchungsobjekte mit verschiedenen Eigenschaften von der Auswahlprozedur abhängt, die einen rein zufalligen Ablauf der allmählichen Akkumulierung statistisch zu verwertender Stichproben sichern soll. Es ist selbstverständlich nur eine mehr oder weniger vertretbare Höhe des Zufälligkeitsmoments erreichbar, wenn man sich in individueller Arbeit auf eine bescheidene Anzahl von Quellentexten beschränken muß. Das schränkt die Zahl der Autoren ein, von denen jeder bei der Behandlung des einen oder des anderen morphologischen Typs der Zusammensetzungen in seiner subjektiven feinstellung zur einigermaßen konsequenten Zusammen- oder Getrenntschreibung geneigt sein konnte. Vieles hängt ferner in dieser

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Hinsicht von der Häufigkeit der im Text vorkommenden einzelnen Komposita, von ihrer quantitativen Verteilung ab, denn bestimmte konkrete Zusammensetzungen werden von einem Autor manchmal mehr oder weniger stabil entweder zusammen- oder getrenntgeschrieben.21 Die Häufigkeit einzelner Komposita, die — wenigstens zum Teil — durch rein lexikalische Gesetzmäßigkeiten bedingt ist, hängt ihrerseits mit dem Themenkreis des Textes zusammen. Hier muß man aber betonen, daß für die Störung des ideellen Gleichgewichts der Wahrscheinlichkeitsgrade, mit denen bei der Ausführung einer Stichprobe unter den hier skizzierten Bedingungen zusammengeschriebene und getrenntgeschriebene Komposita (zusammensetzungsförmige Gebilde) in die Stichprobenauswahl geraten, die Zusammenschreibung eher als die Getrenntschreibung in Frage kommt, denn die ältere Schicht der Komposita, bei der im allgemeinen auch ein höherer Grad der Lexikalisierung zu erwarten ist, besteht vorwiegend aus den sogenannten eigentlichen Zusammensetzungen (unsere morphologischen Typen 1 und 2). Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß diese mit einem merklichen Übergewicht an Zusammenschreibung das Gesamtbild mitprägen. Hier sind einige Beispiele dafür: In der Beschreibung seiner Reise nach Jerusalem (Text 20) gebraucht Hans Tucher 31 x das Kompositum geleytzman, 23 x das Kompositum kunigreich, 10 x das Kompositum schiffman, alle nur in der zusammengeschriebenen Form, das Kompositum tagreise 26 x zusammengeschrieben bei einem getrenntgeschriebenen Fall, die Komposita olperg 15 x , kaufleute 13 x — ebenfalls in Zusammenschreibung. In den 337 Zusammensetzungskonstruktionen mit Zusammenschreibung treten 96 verschiedene Komposita auf. Dabei entfallt auf 6, d. h. auf den sechzehnten Teil, etwa ein Drittel der Gesamtmenge der Zusammenschreibungen. Offensichtlich zeigt sich in der konstant zusammengeschriebenen Form dieser konkreten Komposita im Text von Tucher, was die betreffenden Einzelfalle angeht, die Dominanz des lexematischen Moments der doppelseitigen semantisch-funktionalen Natur der substantivischen Zusammensetzungskonstruktion im Sprachbewußtsein des Texterzeugers. Was aber die Häufigkeitsquoten der Komposita geleytzman und anderer, die oben angeführt wurden, anbetrifft, so sind sie wesentlich bedingt vom Thema der Erzählung, von den Realien, mit denen sich der Autor im Verlauf dieser Erzählung mit zunehmender Häufgkeit beschäftigt. In dem für die Stichprobenauswahl benutzten Teil des historischen Werkes von Hedio beträgt der Anteil zweier Komposita (1 W Belege) — künigreich (77 Verwendungen) und kriegsuolck (43 Verwendungen) — 36,5% der Gesamtzahl der 329 Fälle, während die anderen 87 zusammengeschriebenen Komposita 2,3% der Gesamtmenge ausmachen. Diese Beispiele sind typisch für merkliche Abweichungen von der objektiv-sprachlich zu erwartenden Verteilung der zusammen- und der getrenntgeschriebenen Zusammensetzungsformen im Text, Abweichungen, die bei voller Exzerpierung des Textes im Hinblick auf diese Formen nicht zu vermeiden sind. Ursache dafür ist der Aspektreichtum der zusammensetzungsförmigen Gebilde. Für den frühneuhochdeutschen Sprachbau, für den grammatischen Aspekt des damaligen Sprachsystems und die Normbeziehung zwischen Sprecher und Sprache ist hier das Sprachgefühl, das die Verteilung der Zusammen- und Getrenntschreibung von zusammensetzungsförmigen attributiven Komplexen regelt, insofern von Bedeutung, als es von den grammatischen Merkmalen dieser Komplexe bestimmt wird. Eine saubere Absonderung des formalgrammatischen Aspekts wäre aber bei einer quantitativen Zusammenstellung der zusammen- und der getrenntgeschriebenen zusammensetzungsförmigen Gebilde nur dann möglich, wenn man den störenden Einfluß eines anderen Aspekts der Zusammensetzung, in dem ihre ganzheitliche lexikalische Funktion und ihre syntaktische Funktion der Aufeinanderbeziehung von Lexemen den Merkmalsgegensatz

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