Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache (1470–1730), III [Reprint 2021 ed.] 9783112595305, 9783112595299


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Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache (1470–1730), III [Reprint 2021 ed.]
 9783112595305, 9783112595299

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Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache

(1470-1730) III

AKADEMIE-VERLAG- BERLIN

AKADEMIE-VERLAG- BERLIN

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der lexikalischen Ebene (1470—1730) Untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen mit Anteilen slawischer Herkunft

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER D D R

Zentralinstitut für Sprachwissenschaft

56/III Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen Herausgegeben von Günter Feudel

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache (1470—1730) • III Leitung: Joachim

Schiidt

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der lexikalischen Ebene (1470—1730) Untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen mit Anteilen slawischer Herkunft unter Leitung von

Klaus Müller

AKADEMIE-VERLAG 1976

BERLIN

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3 - 4 © Akademie-Verlag Berlin 1976 Lizenznummer: 202 • 100/230/76 Gesamtherstellung: VEB Druckerei „ T h o m a s M ü n t z e r " , 582 Bad Langensalza Bestellnummer: 752 8742 (2054/56/111) • LSV 0815 Printed in G D R D D R 28. - M

INHALT

Einführung

7

Klaus Müller Konkurrentengruppe 'Grenze'

21

Maria Frenzel Konkurrentengruppe 'Kürschner'

59

Friedhelm Hinze Konkurrentengruppe 'Siegel'

79

Konkurrentengruppe 'Gastwirtschaft'

101

Konkurrentengruppe 'Gastwirt'

127

Klaus Müller Konkurrentengruppe 'Frondienst'

149

Maria Frenzel Konkurrentengruppe 'Wallach'

171

Konkurrentengruppe 'Vesperbrot'

183

Zur Spezifik des Sprachausgleichs in der Lexik (1470 - 1730)

197

Quellenverzeichnis

207

Verzeichnis der benutzten Spezialliteratur und der Nachschlagewerke

220

Abkürzungsverzeichnis

232

7

Einführung 1. Die lexikalischen Elemente slawischer Herkunft in der deutschen Sprache waren sowohl auf Grund des Umstandes, daß sie in allen Existenzformen der deutschen Sprache vertreten als auch hinsichtlich ihrer Integration in bezug auf Ort, Zeit sowie Modus sehr differenziert sind und sehr unterschiedliche postintegrative Typen repräsentieren, wiederholt Gegenstand der Forschung. In diesem Zusammenhang sind besonders die verdienstvollen Arbeiten Bielfeldts 1 zu erwähnen, der sich in zahlreichen Publikatioo nen mit dieser Problematik beschäftigte. In den Studien des vorliegenden Bandes indessen wird der Anteil von lexikalischen Elementen slawischer Herkunft an der Ausbildung der lexikalischen Norm der deutschen Literatursprache in ihrer schriftlichen Variante untersucht. Es wird angestrebt, insbesondere auf folgende drei Fragen zu antworten: - welche Rolle spielten Wörter slawischer Herkunft um 1500 und um 1700 bei Ausgleichsprozessen als Voraussetzung für die Herausbildung der nationalen Norm ? - welche Rolle spielten sprachgeographische Aspekte bei der Integration von Wörtern slawischer Herkunft? - welche Ursachen können für die Integration von Wörtern slawischer Herkunft wahrscheinlich gemacht werden? 2. Im Rahmen derartiger Untersuchungen ist es erforderlich, dem Anteil exogener lexikalischer Elemente, also solcher aus anderen Sprachen, auf Grund seiner spezifischen Stellung in der geschichtlichen Entwicklung des Wortschatzes einer Sprache besondere Aufmerksamkeit zu widmen und die Beteiligung wie das Verhalten von Lehnwörtern an dem Prozeß der Herausbildung der nationalen deutschen Literatursprache mit dem Verlauf dieser Entwicklung beim indigenen, also einheimischen Wortschatz, zu vergleichen. Der außerordentlich bedeutsame lexikalische Einfluß aus fremden Sprachen auf das Deutsche, vor allem aus den romanischen, der sich in seinem Umfang mit keinem aus anderen Sprachen vergleichen läßt, wurde in der Vergangenheit hinlänglich, wenn auch 3 zum Teil unter anderen Aspekten, erforscht. In dieser Untersuchung ist eine Gruppe 4

von lexikalischen Einheiten slawischer Herkunft Gegenstand der Forschung, die für die Geschichte der deutschen Sprache von großer Wichtigkeit ist. Das Germanische und später das Deutsche zeigen im Wortschatz seit alters enge 5 Wechselbeziehungen mit dem Slawischen. Slawische Wörter dringen bereits seit mehr

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als tausend Jahren bis zur Gegenwart aus fast allen slawischen Sprachen ins Deutsche ein. Auf Grund der geographischen Lage sind Einflüsse aus den westslawischen Sprac chen auf das Deutsche sehr früh und in besonders starkem Maße zu verzeichnen; hierbei hat das (west)slawische Substratgebiet östlich von Elbe und Saale, also die im Osten wie Südosten an das slawische Sprachgebiet angrenzenden Landschaften, wo die 7 ersten nachhaltigen lexikalischen Einflüsse stattfanden, besondere Bedeutung. 3. Die Kontakte zwischen Germanen bzw. Deutschen und Slawen sind seit der Mitte des 1. Jahrtausends u. Z. bis in die Gegenwart sehr differenziert und komplex zugleich. Seit dem 6. und 7. Jahrhundert wanderten slawische Stämme in die Gebiete westlich von Oder und Neiße ein, besiedelten die Gebiete westlich und südwestlich des Böhmerwaldes, drangen in das Gebiet um die Thaya ein, überschritten den Unterlauf der March und stießen im 6. Jahrhundert in den ostälpischen Raum vor. Die nach Westen und Nordwesten vordringenden Slawen besiedelten die der Ostsee küste vorgelagerten Inseln Usedom, Rügen, Hiddensee, Poel sowie Fehmarn, erreichten im Norden die Kieler Förde, überschritten die Unterelbe und siedelten in einem Gebiet westlich der Elbe bis zur Mündung der Saale, die weiter als Westgrenze gilt, zuweilen überschritten sie diese Linie sogar; vereinzelt drangen sie bis zur Unstrut, ins Werra- und Fuldagebiet, bis zu den Ausläufern des Unterharzes und in das nördliche Thüringerwaldvorland sowie in den Streifen zwischen Saale und Thüringer Wald vor. Südlich dieser Gebiete, südwestlich des Thüringer Schiefergebirges sowie westlich des Frankenwaldes gelangten Slawen bis zum Mainzufluß Itz sowie zum oberen Main, zur Regnitz und Rednitz, vereinzelt drangen sie bis zur Altmühl vor; sie werden jedoch den Bayerischen Wald kaum wesentlich überschritten haben. Im Süden stießen Slawen donauwärts bis zur Mündung der Traun, bis zum Atter - und Traunsee im Alpenrandgebiet sowie in die Radstätter Tauern vor; o in den Ostalpen erreichten sie die Hohen Tauern sowie den Oberlauf der Drau. Im allergrößten Teil der Gebiete westlich der beschriebenen Linie von der Odermündung bis in die Ostalpen werden jedoch bereits seit langem nicht mehr slawische Dialekg te gesprochen.

Der Prozeß der Unilingualisierung, der Aneignung des Deutschen als

Kommunikationsmittel durch die slawische Bevölkerung begann schon sehr früh und vollzog sich unter historisch sehr unterschiedlichen Bedingungen. Bereits im 8. J a h r hundert waren große Landschaften, die ursprünglich von Südslawen besiedelt waren, unter bayrische Hoheit geraten, und das ursprüngliche Gebiet der Alpenslawen, der gesamte Südostalpenraum also, wurde nach und nach Von deutschen Siedlern durchsetzt. Schon seit dem 8. und 9. Jahrhundert ging mit der Christianisierung der slawischen

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Gebiete im ostälpischen Raum - sie ging von den Bistümern Salzburg und Passau aus der Prozeß des Sprachwechsels Hand in Hand. Der Prozeß der Unilingualisierung, der bedeutende Teile der ostälpischen slawischen Bevölkerung umfaßte, war vor allem im 12. und 14. Jahrhundert stark; wann er jedoch abgeschlossen wurde, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. 1 0 Im Verlauf der feudalen deutschen Ostexpansion mächtiger weltlicher wie geistlicher Fürsten und entsprechender Institutionen wie des Deutschen Ordens, die zu Beginn des 12. Jahrhunderts in ihre zweite Etappe eintrat, wurden durch politische und militärische Aggression Gebiete zwischen Elbe und Oder erobert und die eigenständige ethnische, politische und soziale Entwicklung der westslawischen Stämme trotz hartnäckigen Widerstandes unterbrochen bzw. zerstört. Bei der ideologischen Vorbereitung der Eroberung der slawischen Gebiete sowie bei der Festigung der deutschen Feudalherrschaft in den eroberten Gebieten wurden in besonderem Maße kirchliche Institutionen, Klöster wie Orden wirksam. Der Erfolg der Expansion wurde auch dadurch gewährleistet, daß es der herrschenden Klasse gelang, vor allem bäuerliche Schichten für die Sicherung und ökonomische Nutzung ihrer Eroberungen einzusetzen. Die slawische Bevölkerung wurde durch die Expansion teils dezimiert, teils in weniger fruchtbare bzw. unerschlossene Gebiete verdrängt und in einem langandauernden Prozeß größtenteils assimiliert; dabei bestand in vielen Gebieten für lange Zeit ein Nebeneinander deutsch- und slawischsprachiger bäuerlicher Siedlungen. Bei dem von slawischen und deutschen Siedlern gemeinsam vorangetriebenen Landesausbau kam es in der Folgezeit zu einem friedlichen Zusammenleben deutscher und slawischer Bauern und zum gemeinsamen Widerstand gegen die herrschende Feudalklasse, zu der sich der slawische Adel - soweit er in der deutschen Expansion nicht ausgerottet worden war gesellte. Die gesellschaftspolitischen wie sozialökonomischen Konsequenzen der feudalen deutschen Ostexpansion führten dazu, daß das Elb- und Ostseeslawische westlich von Oder und Neiße - mit Ausnahme des Drawehnopolabischen auf der linken Seite der unteren Elbe im Gebiet von Lüneburg - bereits vor Abfassung eigener schriftlicher Denkmäler ausgestorben war. Einige elb- und ostseeslawische Idiome starben wahrscheinlich im 13. und 14. Jahrhundert aus, auf der Insel Rügen wohl spätestens im 15. Jahrhundert. In der Altmark dagegen soll stellenweise noch im 17. Jahrhundert slawisch gesprochen worden sein. Die Polaben des Lüneburger Wendlandes gaben ihre Sprache erst zwischen 1700 und 1750 auf. 1 1 Bis auf das Sorbische in der Nieder- und Oberlausitz, das auf einem sehr begrenzten Gebiet als Sprache einer nationalen Minderheit fortlebt, sind im altsorbischen Ge12 biet die ehemaligen slawischen Mundarten ebenfalls ausgestorben. Besonders die Gebiete westlich der Saale mit lose eingestreuten slawischen Siedlungen wurden mit Beginn der feudalen deutschen Ostexpansion sehr schnell eingedeutscht, und vom

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13. Jahrhundert an wurde auch das relativ geschlossene slawische Sprachgebiet östlich der Saale zusehends kleiner. Die Slawen in den östlichen Gebieten Oberfrankens und in der'Oberpfalz gaben nach dem 11. Jahrhundert ihre eigene Sprache auf und verwandten seit dieser Zeit in zunehmendem Maße Deutsch als Kommunikationsmittel; der Prozeß der Unilingualisierung ist in diesem Gebiet wohl schom im 12. Jahrhundert abgeschlossen gewesen. Die Gründe für die kulturelle und sprachliche Assimilation der slawischen Bevölke rung sind im wesentlichen darin zu sehen, daß die autochthonen gesellschaftlichen Strukturen der slawischen Stämme und Völkerschaften während der Eroberung zerschlagen wurden und die Slawen in Lehnsabhängigkeit gerieten. Während die slawischen Bauern rechtlose Unterworfene waren, erhielten die deutschen Siedler gegenüber den Slawen sehr günstige Rechte. Die Deutschen besaßen ferner auf einigen Gebieten durch ein höheres Niveau der materiellen Produktion ein wirtschaftliches Übergewicht, und die städtischen Schichten, die vorwiegend aus Deutschen bestanden, hatten gegenüber den slawischen Bevölkerungsteilen weitaus größere Freiheiten und Rechte. Mit der Expansion hatte sich auch die Katholische Kirche über das ganze Land verbreitet, die durch ihre Organisation wie Ideologie die Eroberung der Feudalherren sanktionieren und sichern half . Da sie nach und nach über ihre Pfarrorganisation bis ins kleinste Dorf wirkte, muß auch die Tätigkeit der Kirche als Grund für die Assimilation genannt werden.^ Große Teile des deutschen Sprachgebietes waren also im Mittelalter von Slawen besiedelt. Das Neben- und Miteinander von deutschen und slawischen Bauern wie Feudalherren führte bei der materiellen Produktion zu einem engen Kontakt; zum Teil betrieben sowohl deutsche als auch slawische Bauern - wohl vor allem zwischen Elbe, Saale und Oder - gemeinsam in harter Arbeit den mittelalterlichen Ländesausbau. Das Zusammenleben der beiden Bevölkerungsteile fand seinen Niederschlag nicht nur im B e reich der materiellen Kultur und der Ideologie, sondern auch auf sprachlichem Gebiet. Der enge Kontakt von Menschen unterschiedlicher Idiome im Prozeß der Produktion führte zur gegenseitigen sprachlichen Beeinflussung, und sowohl der eine als auch der andere Teil übernahm Lexeme seines Partners. Der teilweise höhere Entwicklungsstand der Produktivkräfte auf der Seite der deutschen Bevölkerung förderte einen Prozeß, der schließlich dazu führte, daß der größte Teil der in den angegebenen Gebieten lebenden Slawen seine eigene Sprache aufgab und das Deutsche annahm. Dieser Unilingualisierungsprozeß ging differenziert vor sich, und die deutschen Mundarten der ehemals slawischen Gebiete enthalten slawische lexikalische Elemente, die auf unterschiedliche Art und Weise integriert sein können: Sie können von den Slawen beim Sprachwechsel beibehalten und schließlich weiter verbreitet worden sein, sie können aber auch bereits vor dem Sprachwechsel von den Deutschen übernommen und ins

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Deutsche integriert worden sein. Beide Arten des slawischen Substrats in den Koloni14 sationsmundarten werden als Relikt- oder Restwörter bezeichnet. Der Anteil der in der deutschen Sprache heute bezeugten Appellative aus dem slawischen Substrat ist bedeutend geringer als die Zahl der Namen slawischer Herkunft, die Zeugen der ehemaligen slawischen Besiedelung sind. Ein Grund dafür ist der Umstand, daß sich der appellativische Wortschatz einer Sprache bedeutend schneller verändert als der Namen bestand. Da seit dem Sprachwechsel vom Slawischen zum Deutschen viele Relikt- oder Restwörter aus dem Wortschatz der deutschen Mundarten verschwunden sind, kann man folglich mit Recht vermuten, daß die Zahl der slawischen Reliktwörter im 14. und 15, Jahrhundert bedeutend größer war als heute. Allerdings ist die Ermittlung der ältesten Relikt- oder Restwörter dadurch erschwert, daß wir auf Bezeugungen in alten Quellen angewiesen sind, die in nur beschränktem Maße vorliegen. Zusätzlich wird ihre Zuordnung zu dieser oder jener Sprache auf Grund linguistischer Argumente vielfach durch geringe typologische Unterschiede zwischen den westslawischen Sprachen, insbesondere in älterer Zeit, erschwert. Weiterhin gilt es bei einer Darstellung der slawischen Reliktwörter einerseits zu beachten, daß keineswegs in allen Fällen der Ort der Übernahme eindeutig bestimmt werden kann, da nicht mehr feststellbare Wanderungen stattgefunden haben. Durch Wanderungen der Reliktwörter innerhalb des deutschen Sprachgebietes nach der Entlehnung wurde das ursprüngliche Bild ihrer Verteilung verdeckt. Andererseits muß die Möglichkeit der mehrfachen Übernahme in Rechnung gestellt werden. Eine gesicherte Unterscheidung dieser beiden Elemente setzt detaillierte Untersuchungen voraus, die nur zum Teil vorliegen und im übrigen auf Grund der Lage15der Bezeugungen in vielen Fällen offensichtlich nicht mehr erbracht werden können. Neben den Reliktwörtern gelangten ebenfalls zahlreiche Wörter ins Deutsche, die über Sprachgrenzen hinweg entlehnt worden sind. Solche Wörter stammen sowohl aus den angrenzenden westslawischen Sprachen sowie aus dem Slowenischen als auch aus Sprachen, die keine gemeinsame Grenze mit dem Deutschen haben und folglich über Distanz, über andere dazwischenliegende Sprachräume hinweg ohne die Vermittlung an das Deutsche grenzender Sprachen entlehnt worden sind. So gibt es im Deutschen, insbesondere in den Mundarten, zahlreiche Entlehnungen 16 17 18 aus dem Polnischen wie Pomoranischen , dem Tschechischen sowie dem Slowe19 20 21 nischen einerseits und dem Russischen wie Serbokroatischen andererseits. Die Entlehnungen in unmittelbarer Nachbarschaft, also Siedlungsnachbarschaft oder gar Siedlungsgemeinschaft, wie die Übernahme aus dem Polnischen, Pomoranischen oder Tschechischen sowie Slowenischen werden als Grenzentlehnungen 22 angesprochen, die Übernahmen, die aus nichtangrenzenden Sprachräumen stammen, wie die aus dem Russischen und Serbokroatischen, werden als Fernentlehnungen 23 bezeichnet.

Einführung

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Dieser derart umfassende wie differenzierte Einfluß slawischer lexikalischer Elemente auf das Deutsche allein läßt eine gesonderte Untersuchung dieser Entlehnungen im Rahmen des Themas als gerechtfertigt erscheinen. 4.

Die Gesamtheit der aus slawischen Sprachen ins Deutsche übernommenen lexikalischen Elemente ist über alle Existenzformen des Deutschen verbreitet. Die Frequenz der lexikalischen Elemente aus slawischen Sprachen steht in einer gewissen Korrespondenz mit dem Gültigkeitsbereich der Existenzformen der deutschen Sprache; sie nimmt in dem Maße ab, je größer der Geltungsbereich einer Existenzform ist. So ist die Summe der mundartlich verbreiteten Lehnwörter slawischer Herkunft (das betrifft im wesentlichen jedoch nur die Mundarten in den durch die Ostexpansion eroberten Ge24

bieten) größer als die in regionalen Umgangssprachen und gar die in der deutschen Literatursprache. 25 Dieser Umstand erklärt sich u. a. dadurch, daß sich viele Lehnac Wörter auf Denotate mit lokaler Spezifik und somit lokaler Begrenztheit beziehen. Bei ihnen handelt es sich im wesentlichen um Reliktwörter; nur wenige von ihnen 27 haben eine Existenzform der deutschen Sprache mit großräumiger Gültigkeit erreicht Die an den Grenzen des deutschen Sprachgebietes entlehnten slawischen Wörter sind im allgemeinen ebenfalls nur auf kleinere, der Herkunftssprache benachbarte Räume beschränkt

28

. Dagegen gehört es zu den Charakteristika der Fernentlehnungen, daß sie

im allgemeinen primär in Existenzformen der deutschen Sprache eingedrungen sind, die einen weiteren Geltungsbereich haben; sie gehören vornehmlich der nationalen

Literatursprache an. 29

Bei den Entlehnungen ist außer der Problematik, daß sie sich oft auf Denotate mit einer lokalen Spezifik beziehen, damit zu rechnen, daß sie sich auch durch Historizi30

tät

auszeichnen. Auf Grund dieser Problematik gliedert sich die Gesamtheit der

lexikalischen Elemente slawischer Herkunft einerseits in solche, die - oft durch lokale Spezifik bedingt - regional begrenzt bleiben oder die - oft durch die Historizität des Denotats bedingt - nur begrenzte Zeit Bestandteil einer der Existenzformen der deutschen Sprache waren, und andererseits in solche, die noch heute zum Bestand der deutschen Literatursprache gehören. Unter den Bedingungen des Gesamtprojekts werden solche Lehnwörter untersucht, die sich auf auch heute noch zu bezeichnende Denotate, also Gegenstände oder Erscheinungen der objektiven Wirklichkeit, beziehen und spätestens im ersten für diese Untersuchung festgelegten Zeitraum in die deutsche Sprache integriert worden waren. Hiervon wurden nur solche exogenen lexikalischen Elemente berücksichtigt, die spätestens im ersten Untersuchungszeitraum zu indigenen in Konkurrenz traten.

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Somit bleiben solche Lehnwörter unberücksichtigt, die zusammen mit dem Denotat oder dessen Kenntnis übernommen worden sind und neben denen keine indigenen deut31 sehen Bezeichnungen vorhanden sind. Weiterhin bleiben solche exogenen lexikalischen Elemente von der Untersuchung ausgeschlossen, die wohl die dargelegten Anforderungen erfüllen, für die aber auf Grund ihrer Denotatspezifik in den Quellen für die beiden Untersuchungszeiträume keine Bezeugungen zu finden sind. So konnten beispielsweise sich auf triviale Denotate beziehende, wenn auch heute weithin verbreitete Wörter wie /Graupe, Jauche, Gurke, Peitsche, Quark/ und /Reizker/ wegen einer zu geringen Bezeugungsfrequenz und Bezeichnungen für Tiere, die in der Gegenwartssprache nahezu ausschließlich Geltung erlangt haben wie /Bilch, Krinitz, Nerz, Plötze, Schlammbeißer, Stieglitz, Ukelei, Zander/ nicht aufgenommen werden, weil sich für ihre möglichen deutschen Konkurrenten vielfach 32 die Bedeutungen nicht eindeutig ermitteln lassen. 33 Somit ergab sich, nachdem zunächst 50 durch Bezeichnungen slawischer Herkunft motivierte Begriffe ausgewählt worden waren und entsprechende Konkurrenten in Texten ermittelt werden sollten, eine Beschränkung auf die dieser Untersuchung zugrundeliegende Auswahl von /Grenze, Kürschner, Petschaft, Kretscham, Kretschmer, Robot, Wallach/ und schließlich / j a u s e / . 5. Die Arbeiten des vorliegenden Bandes sollen Ausgleichsprozesse im Wortschatz um 1500 sowie um 1700 unter besonderer Berücksichtigung des Anteils und der Rolle lexikalischer Elemente slawischer Herkunft erforschen helfen. Für sie gelten im wesentlichen dieselben methodischen Voraussetzungen wie für die des vorangehenden Bandes n (s. Einführung). Die wichtigsten seien noch einmal genannt. 5.1. Bei den Untersuchungen wird davon ausgegangen, daß in einer frühen Phase der Herausbildung der einheitlichen deutschen Literatursprache die Möglichkeit der Verwendung von konkurrierenden Bezeichnungen besonders groß war und erst später mit dem Vorherrschen von Vereinheitlichungstendenzen zu rechnen ist. Als erster Untersuchungszeitraum wurde die Zeit um 1500 gewählt, als zweiter die um 1700. 5.2. Es werden Gruppen von Bezeichnungen untersucht, die Ausdruck jeweils e i n e s Begriffs (Denotats) sind. Zwischen den einzelnen Gliedern einer Gruppe besteht in der Regel keine absolute semantische Gleichheit (Identität). Die Bezeichnungen werden vielmehr durch Sinnverwandtschaft, durch Bedeutungsähnlichkeit zu einer Gruppe

Einführung

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verbunden. Sie sind im Verlaufe der nachfolgenden Untersuchungen Synonyme, deren semische Invarianz jeweils eine vorangestellte Begriffsdefinition (Sachbeschreibung) zu erfassen sucht, deren semische oder stilistische Varianz hingegen unberücksichtigt bleibt. Das - aus der Sicht der Gegenwartssprache - treffendste Wort der Synonym reihe, das zugleich eine gewisse stilistische Neutralität besitzt, wird sowohl als 34 Grundsynonym oder Leitwort wie auch als Repräsentant des Begriffs (der Sache) den einzelnen Untersuchungen in der Überschrift vorangestellt. "Die Synonyme einer Reihe müssen nicht untereinander synonym sein, wohl aber in Beziehung zu ihrem Leitwort." In diachronischer Sicht sind die Einheiten einer Gruppe nicht nur durch ihre Synonymie, sondern auch durch ihre potentielle Konkurrenzfähigkeit hinsichtlich der Entwicklung eines einheitlichen Sprachgebrauchs miteinander verbunden. Konkurrierende Synonyme können dabei geographisch wie soziologisch bedingt sein. Eine solche Menge von Bezeichnungen zum Ausdruck eines Begriffs wird daher - trotz differenzierter semantischer, geographischer oder soziologischer Spezifika - auch Konkurrentengruppe genannt. 5.3. Die Herausbildung eines relativ einheitlichen Sprachgebrauchs in der Literatursprache war - wie bereits angedeutet - u. a. ein Ausgleichsprozeß zwischen regional gebundenen Bezeichnungen; um ihn beschreiben zu können, wurde das gesamte Sprachgebiet in Großlandschaften eingeteilt, die hinsichtlich ihres lexikalischen Befundes miteinander verglichen werden. Für die vorliegenden Untersuchungen wurde das deutsche Sprachgebiet in folgende sieben Großlandschaften gegliedert: ostmitteldeutsch (thüringisch, obersächsisch, schlesisch; Ordensgebiet), ostoberdeutsch (bairisch-österreichisch), oberfränkisch (ost- und südfränkisch), ostniederdeutsch, westmitteldeutsch, westoberdeutsch (schwäbisch, hoch- und niederalemannisch), westniederdeutsch. In dieser Reihenfolge mit den östlichen Landschaften - den Übernahmegebieten slawischer Wör ter - an erster Stelle werden auch die Belege zitiert. Wenn ein Konkurrent aus allen sieben deutschen Großlandschaften bezeugt ist, werden lediglich Bezeugungen aus drei von ihnen angeführt. Die Gliederung gilt für beide Untersuchungszeiträume in gleicher Weise. Dabei wurde zum Beispiel die Verschiebung der Grenze zwischen dem Mittelund Niederdeutschen vernachlässigt. Die Quellen werden somit durch ihre landschaftliche Zugehörigkeit gekennzeichnet, und ein als ostniederdeutsch charakterisierter Beleg muß folglich nicht unbedingt in niederdeutscher Sprachform abgefaßt sein. Im allgemeinen sind die niederdeutschen Quellen des ersten Untersuchungszeitraumes niederdeutsch und die des zweiten hochdeutsch abgefaßt.

Einführung

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5.4.

Der Sprachgebrauch zu den einzelnen Zeiten drückt sich in der relativen Häufigkeit der Verwendung der konkurrierenden Bezeichnungen aus; Mengenangaben in Prozenten geben an, wie häufig die jeweilige Bezeichnung im Verhältnis zu ihren Konkurrenten gebraucht wird. - Prozentangaben, denen geringe Bezeugungsfrequenzen zugrunde liegen, werden in () gesetzt. 6.

Unterschiede zwischen den Untersuchungen indigener lexikalischer Elemente und denen lexikalischer Elemente slawischer Provenienz: 6.1.

Im Vergleich zu den Konkurrentengruppen des Bandes II dieser Untersuchungen, die nach Denotationsbereichen ausgewählt wurden, wird hier die Auswahl des die Konkurrentengruppen bestimmenden Begriffs durch die Lehnwörter motiviert. 6.2.

Ein weiterer Unterschied betrifft die Materialgrundlage. Die sprachlichen Bezeichnungen für die entsprechenden Denotate werden aus zusammenhängenden Textkorpora, bezogen auf eine bestimmte Anzahl an Denotatsbezeugungen, gewonnen. Die Summe der Denotatsbezeugungen ist zugleich die Menge, die der Angabe der Mengenverhältnisse zugrunde liegt. Es mußten solche Texte bevorzugt werden, die erwarten ließen, daß sie das Denotat, für das konkurrierende Bezeichnungen gesucht werden, enthalten. Deshalb wurden bisweilen nur Teile von Urkundensammlungen exzerpiert; es wurden z . B . zur Ermittlung von /Grenze/ -Konkurrenten Urkunden ausgewählt, die Grenzbeschreibungen enthalten und somit die entsprechenden Bezeichnungen erwarten ließen. In solchen ausgewählten, in sich abgeschlossenen Textstücken wurden dazu allerdings in den meisten Fällen - soweit vorhanden - auch Konkurrenten für die übrigen Gruppen erfaßt. Die Denotatsspezifik einiger Konkurrentengruppen bringt es mit sich, daß sich eine für die Angabe von Mengenverhältnissen vorauszusetzende Mindestfrequenz nicht aufbringen läßt. In diesen Fällen werden neben Belege aus Texten solche aus zeitgenössischen Wörterbüchern und Glossaren gestellt. So treten neben die Konkurrentengrupp e n ' G r e n z e ' , 'Kürschner', 'Siegel', 'Gastwirtschaft', 'Gastwirt', 'Frondienst' zwei weitere ohne Auswertung von Mengenverhältnissen als Anhang zu diesen, nämlich 'Wallach' und ' Vesperbrot; -Um den Wert von Wörterbuchbelegen richtig einschätzen zu können, muß kurz auf den besonderen Charakter der zeitgenössischen Wörterbücher

16

Einführung

und Glossare eingegangen werden. Wörterbücher und Glossare stehen in einer gewissen lexikographischen Tradition und reflektieren oftmals nicht so zuverlässig wie Belege aus den Textkorpora die wirklichen Verhältnisse. So stehen neben solchen Werken, denen relativ große Selbständigkeit zugesprochen werden kann, solche, deren Autoren mehr oder weniger Vorgänger kopierten und somit ihrer Wortschatzdarstellung in gewissem Maße den Charakter einer Kompilation verliehen. Die Wörterbücher, deren Entstehung in den Zeitraum von 1470 - 1530 fällt, zeigen gegenüber denen des Zeitraumes von 1670 - 1730 jedoch weniger kompilatorischen Charakter. Im allgemeinen reflektieren diese Wörterbücher (wie z. B. die Gruppe der Gemmen) den Wortschatz der Landschaft, aus der ihr Verfasser oder Drucker stammt. Die Wörterbücher, die in der Zeit von 1670 - 1730 entstanden sind, unterscheiden sich von denen des ersten Untersuchungszeitraumes durch den höheren Grad der Kompilation. Die Autoren dieser Werke waren geradezu darum bemüht, aus möglichst vielen bereits vorliegenden lexikographischen Darstellungen Material zusammenzutragen und in ihrem Werk zu vereinen. Im Gegensatz zu den Wörterbuchautoren aus der zweiten Hälfte des 15. und der ersten des 16. Jahrhunderts, die ihre Informationen über lexikalische Verhältnisse in anderen Sprachlandschaften nur in sehr geringem Maße aus gedruckten Werken be ziehen konnten und eigentlich auf die sehr viel weniger zahlreichen handschriftlichen Glossare angewiesen waren, stand zweihundert Jahre später den Wörterbuchverfassern sowohl eine lange und breite Tradition auf dem Gebiet der Wortschatzdarstellungen zur Verfügung als auch eine Menge an gedruckten Texten, die ihnen als Grundlage zur Exzerption für ihre Wörterbücher dienen konnten. Dieser Umstand und das überregionale Interesse der Autoren lassen sie Wörterbücher verfassen, die mehrere lexikalische Einheiten nebeneinander bieten, ohne daß sie in den meisten Fällen näher charakterisiert werden. Auf diese Weise stehen neben lexikalischen Einheiten, die in der Literatursprache dominieren, landschaftliche Bezeichnungen und bereits ausgestorbene Formen. Die Wörterbücher enthalten in hohem Maße für ihre Verfasser passiven Wortschatz mit nur landschaftlicher Geltung. Dennoch sind Wörterbücher eine wichtige Quelle, da sie Bezeichnungen enthalten und über ihre Verwendungsweise Auskunft geben, die sich auf Grund ihrer Denotatsspezifik in Texten oft gar nicht finden 36 bzw. nur äußerst selten begegnen. Die Ergebnisse der Darstellungen der Konkurrentengruppen 'Wallach' und 'Vesperbrot' haben, da sie sich vorwiegend auf Wörterbuchbelege stützen, aus den dargelegten Gründen im Rahmen dieser Untersuchung nur begrenzten Aussagewert; sie können aber die anderen Untersuchungsergebnisse stützen.

17

Anmerkungen 1 Vgl. Slawisch-deutsche Wechselbeziehungen (1969) X-XIX. 2 Besondere Aufmerksamkeit für diese Monographie verdient seine durch die Darstellung der slawischen Lehnwörter in der 19. Auflage des Etymologischen Wörterbuches der deutschen Sprache von Kluge/Mitzka angeregte, speziell etymologischen, aber auch wortgeographischen Bezügen gewidmete Behandlung der Entlehnungen in der deutschen Literatursprache (vgl. auch Steger in: Jahrb. des Ver. f. niederdt. Sprachforsch. 89 (1966) 194-196, Eichler in: DLZ 88 (1967) 423-426, Schönfeld in: ZfMdaf 34 (1967) 182-186). - Weiterhin müssen in diesem Zusammenhang die F o r schungen Bellmanns, insbesondere Slavoteutonica (1971) genannt werden; seine Informationen über Integrationsprozesse bei lexikalischen Elementen fremder Herkunft im ehemaligen Schlesien sowie deren Distribution sind für diese Monographie ebenfalls von großem Belang (vgl. auchK. Müller in: DLZ 93 (1972) 315-318 sowie B . Müller in: ZfSl 18 (1973) 609-613). Eichler schließlich bietet in seinem Etym. Wb. (1965) eine übersichtliche Darstellung des bis zu dieser Zeit im wesentlichen erreichten Standes der Erforschung dieser lexikalischen Elemente (vgl. auch Hinze in: Jahrb. des Ver. f. niederdt. Sprachforsch. 89 (1966) 196-198, Bielfeldt in: Indogerm. Forsch. 72 (1967) 348-358, Hengst in: ZfSl 12 (1967) 141-145, K. Müller in: DLZ 88 (1967) 718-721).-Die für diese Arbeit spezifische Fragestellung wurde bisher von keinem Forscher angesprochen. 3 Vgl. in diesem Zusammenhang besonders Frings, Germania Romana 1 (1966), Müller/Frings, Germania Romana 2 (1968) sowie z . B . Oehmann, Lehnprägungen (1951), Rosenqvist, Einfluß (1932), Suolahti, Einfluß (1929/1933), vgl. ferner Bibliographie zur 'Germania Romana' 1932-1965 in: Germania Romana 2 (1968) 553 ff. 4 Vereinzelt erscheinen auch im Band n dieser Untersuchungen exogene lexikalische Elemente, vor allem lateinischer Herkunft (z. B . Advokat). Zugleich treten auch in den Konkurrentengruppen dieses dritten Teils, also in denen mit Wörtern slawischer Herkunft, Entlehnungen aus romanischen Sprachen als Konkurrenten auf (vgl. bei 'Grenze' /Frontier, Term/ u. a . ) . 5 Zu den ältesten Entlehnungen aus slawischen Sprachen gehören solche in der Zeit vom 8. - 10. Jahrhundert wie ahd. /bilih/ ' B i l c h ' , ahd. /sisimüs/ ' Ziesel(maus)', ahd. /hamustro/ 'Hamster', ahd. /cursina/ 'Pelzrock'; vgl. Bielfeldt, Wörter, in: Forschen und Wirken (1960) 287, ferner Steinhauser, Tiernamen, in: Slaw. -dt. Wechselbez. (1969) 220 ff. Älter sind Übernahmen aus germanischen Sprachen ins Urslawische, die bereits in die Zeit um oder nach 400 u. Z. fallen: urslaw. +/buki>/ + /buky/ 'Buche'; vgl. Bräuer, Sprachwissenschaft (1961) 35 f. 6 Zu den ältesten Entlehnungen aus dem Westslawischen ins Deutsche gehört /Kren/ ' Meerrettich', das in spätalthochdeutscher Zeit aus dem Altsorbischen in das angrenzende deutsche Altland übernommen wurde, von wo aus es sich weiter ins mittelalterliche Deutsch verbreitete; vgl. Steinhauser, Slawisches (1962) 36, Bielfeldt, Tschech. Lehnw., in: Slavica Pragensia 8 (1966) 131, Bellmann, Slavoteutonica (1971) 94 f. 7 Vgl. u. a. Bielfeldt, Reliktwörter, in: ZfSl 8 (1963) 155-172, ders., Wörter Niederlausitz, in: ZfSl 7 (1962) 327-360, Eichler, Etym. Wb. (1965), Teuchert, Lehnwörter, in: ZfMdaf 26 (1958) 13-31, Schönfeld, Wörter (1963), Bischoff, Sprache (1967) 55 ff. ("Slawische Reste"). 8 Vgl. Die Slawen in Deutschland (1970) 7 ff.; u. a. Bräuei; Sprachwissenschaft (1961) 54 ff., Trautmann, Völker (1948) 96 f f . , Pirchegger, Ortsnamen (1927) XIX ff.

18

E inf ührung

9 Die slawischen Siedler dieses Gebietes sprachen keineswegs ein und dasselbe Idiom; allerdings war die sprachliche Gliederung und Differenzierung der Mundarten dieses Gebietes zunächst noch gering, sie verstärkte sich erst im Laufe der Jahrhunderte, und für das 12. Jahrhundert läßt sich eine Differenzierung innerhalb dieses Mundartkomplexes voraussetzen, die die wesentlichen differenzierenden Merkmale der einzelnen Dialektgruppen voll ausgeprägt zeigt. Westlich vom Unterlauf der Oder siedelten bis zu einer mehr oder weniger breiten Übergangszone nördlich der Linie Saale- und Neißemündung bis zur angegebenen Westgrenze eine Reihe von slawischen Stämmen, deren sprachliche Verwandtschaft - gegenüber denen südlich von ihnen -, besonders eng war: Die Sprache der Stämme dieses nördlichen Gebietes wird heute von der Sprachwissenschaft unter der Bezeichnung Elb- und Ostseeslawisch zusammengefaßt. Südlich des beschriebenen Grenzgürtels von der Saale - zur Neißemündung bis in die Ostgebiete Oberfrankens und in die Oberpfalz wurden Dialekte gesprochen, die sich von den sich im Norden anschließenden durch wesentliche sprachliche Merkmale unterscheiden: Die Gesamtheit dieser Mundarten wird Altsorbisch genannt, da sich ihre sprachlichen Charakteristika in dem viel später aufgezeichneten Sorbischen (eigentl. Ober - wie eigentl. Nieder sorbisch und Übergangsdialekte) wiederfinden. Die altsorbischen Dialekte lassen sich jedoch nur - zumeist auf Grund von Namen - rekonstruieren. Als altsorbisches Sprachgebiet gilt ein Raum, der im Westen durch die beschriebene Westgrenze der Slawen überhaupt bestimmt ist und im Süden an das alttschechische Sprachgebiet grenzt; diese Grenze ist allerdings nicht eindeutig zu beschreiben. In dem relativ kleinen Gebiet um die Thaya und westlich der March, an das im Westen bei der Ennsmündung südslawische, dem Slowenischen verwandte Dialekte grenzten, wurden im 9. Jahrhundert mit großer Wahrscheinlichkeit mährische Dialekte gesprochen; sie spielen allerdings für die Darstellung des Reliktwortschatzes kaum eine Rolle. Im Süden in den Ostalpen und den ihnen vorgelagerten Gebieten wurden Mundarten gesprochen, deren Zuordnung zum heutigen dialektal reich gegliederten Slowenischen außer Zweifel steht (vgl. u. a. Bräuer, Sprachwissenschaft (1961) 47 ff.). 10 Heute verläuft die Grenze, die das Slowenische vom Deutschen trennt, von der Raab südwestwärts nach Radkersburg an der Mur und folgt dann diesem Fluß nach Spielfeld, läuft entlang der Drau, über Griffen bis zum Wörther See bei Klagenfurt, dann verläuft sie weiter westwärts in Richtung auf den Ossiacher See, schließlich nach Süden über Villach und folgt dem Flusse Gail nach Moderndorf südlich Hermagor, vgl. u. a. Bräuer, Sprachwissenschaft (1961) 47 f. und Svane, Grammatik (1958) 13 ff. 11 Vgl. Olesch, Finis linguae Dravaenopolabicae (1968) 623-637. 12 Im Kurmärkisch-wendischen Distrikt beispielsweise, also in den Gebieten Bärwalde, Beeskow, Storkow, Teupitz und Zossen erlosch die lebendige Volkssprache in den ersten vier Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts selbst dort, wo sie sich am zähesten behauptet hatte, vgl. Metsk, Distrikt (1965) 202 ff. 13 Vgl. Die Slawen in Deutschland (1970) 263 ff. 14 Vgl. Müller, Integrationstypen, in: ZfSl 17 (1972) 730-741. 15 Vgl. Bielfeldt, Verbreitung, in: Muttersprache 77 (1967) 80-95. 16 Vgl. Bellmann, Slavoteutonica (1971), Olesch, Slav. Anm., in: Zs. f. Dialektol. u. Ling. 37 (1970) 190 f f . , Bielfeldt, Entlehnungen (1965) 28 ff. 17 Bielfeldt, Pomor. Wörter, in: Prace Filologiczne 18, 2 (1964) 171-184, Hinze, Reliktwörter, in: ZfSl 15 (1970) 35-37. 18 Vgl. u. a. Bielfeldt, Tschech. Lehnw., in: Slavica Pragensia 8 (1966) 123-133, Steinhauser, Slawisches (1962), Eichler, Elemente, in: ZfSl 12 (1967) 657-663, Schwarz, Wortgeographie (1932/33) 221-237, 327-343.

Einführung

19

19 Vgl. Bielfeldt, Entlehnungen (1965) 21 f . , B. Müller, Typisierung (1971). 20 Vgl. Bielfeldt, Predposylki, in: Problemy sovrememoj filologii_(1965) 30-36, d e r s . , Russ. Lehnw., in: ZfSl 12 (1967) 627-638, Opel'baum, Elementy (1971). 21 Vgl. Bielfeldt, Entlehnungen (1965) 20 f . , Bielfeldt, Wortgeschichte, in: Serta-Slavica (1971) 42-47, Barth in: ZfMadf 34 (1967) 293-295. 22 Vgl. Müller, Wörter, in: ZfSl 11 (1966) 657-680, Bielfeldt, Gliederung (1963) 6, Bellmann, Slavoteutonica (1971) 52. 23 Vgl. Bielfeldt, Gliederung (1963) 5, Bellmann, Slavoteutonica (1971) 53. 24 Vgl. Eichler, Etym. Wb. (1965). 25 Vgl. Bielfeldt, Entlehnungen (1965). 26 Das bezieht sich besonders auf Erscheinungen der Flora und Fauna; vgl. Eichler, Etym. Wb. (1965) 153 und auch auf Gegenstände, die an bestimmte geographische Gegebenheiten gebunden sind wie Fischfanggeräte, für die Bezeichnungen slawischer Herkunft im wesentlichen aus dem Elb- und ostseeslawischen Reliktgebiet bekannt sind, vgl. u. a. Bielfeldt, Reliktwörter, in: Slavjanska filologija 3 (1963) 159, Hinze, Reliktwörter, in ZfSl 14 (1969) 577-581; vgl. auch Kettmann, Sprache (1959), wo sich aus dem Bereich der Flußschiffahrt, hier speziell der auf der Elbe, eine Reihe von Slavica findet, die zugleich Bestandteil des Fachwortschatzes der Elbschiffer ist. 27 Zu ihnen gehören Bezeichnungen für Fische wie /Peisker (Peitzker, Schlammbeitzker, Schlammbeißer), Plötze, Ukelei/; a u c h / Q u a r k / u . a . 28 Vgl. Bielfeldt, Tschech. Lehnw., in: Slavica Pragensia 8 (1966), Müller, Grenzentlehnung, in: ZfSl 11 (1966) 223-230, Bellmann, Slavoteutonica (1971), Olesch, Slav. Anm., in: Zs, f. Dialektol. u. Ling. 37 (1970). 29 Vgl. Opel'baum, Elementy (1971), Bielfeldt, Wortentlehnungen, in: Jahrb. d. Ver. f. niederdt. Sprachf. 86 (1963) 17-27, ferner Bielfeldt, Entlehnungen (1965) 11-20 sowie 20 f. u. ders.,Russ. Lehnw., in ZfSl 12 (1967) 629 ff. 30 Vgl. u. a. Müller, Integrationstypen, in: ZfSl 17 (1972) 730-741, ferner Opel'baum, Elementy (1971) 230. 31 So sind die meisten bei Opel'baum, Elementy (1971) aufgeführten Lehnwörter solche, die zugleich mit dem Import der sie bezeichnenden Denotate oder durch Berichte über diese ins Deutsche gelangten. 32 So reichen beispielsweise Angaben wie bei Dentzler, Clav. (1686) 2, 232 / r o t l u g lein - ein fisch, erythrophthalmus/ oder /weiß-fisch - alburnus, levciscus/bei Weismann, Lex. bipart. (1698) 2, 442 zur eindeutigen Bestimmung der Bedeutung dieser Fische nicht aus. 33 Bielfeldt, Entlehnungen (1965) behandelt 179 Lehnwörter slawischer Herkunft, von denen etwa die Hälfte erst nach dem ersten für diese Untersuchung gewählten Zeitraum bezeugt ist. 34 Vgl. Kempcke in: Wiss. Zs. der K'.-M.-Univ., GSR 17 (1968) 230. 35 Kempcke,ebd. 232. 36 Vgl. hierzu de Smet in: Wortgeographie und Gesellschaft (1968) 49-79.

KONKURRE NTE NGRUPPE 'GRENZE'

Klaus Müller

Konkurrentengruppe 'Grenze'

23

1. Begriffsbestimmung Es werden Konkurrenten für 'Grenze' ('fines, terminus') in folgender Begriffsdefinition untersucht: 'Linie, die das Gebiet einer politischen Einheit von dem einer anderen scheidet, also politisch-administrative Trennungslinie' (sie realisiert sich im einzelnen unter verschiedenen historischen wie territorialspezifischen Bedingungen, u. a. als 'Landesgrenze, Grenze eines Gebiets, Reichs, Fürstentums, Erzherzogtums, Gerichts, Landgerichts, Pflegegerichts, Amts, Bistums, Erzstifts, einer Herrschaft, Grafschaft, Landvogtei'); 1 dabei ist ursprünglich die Vorstellung eines Raumes beider2 seits der Trennungslinie für die Begriffsdefinition verbindlich. Erweiterungen des Begriffs über die ausschließliche lokale Komponente hinaus, wie sie sich heute finden, 3 bleiben ausgeschlossen. Daneben steht Grenze seit früher Zeit auch für 'Linie, die kleinräumige Areale nicht politischen Charakters, also privaten Besitz (Eigentum) 4 5 voneinander scheidet' sowie für 'Grenzgebiet und Gebiet schlechthin' ; auch diese Wortbedeutungen werden durch die für die Untersuchungszeiträume wie die deutsche c Gegenwartssprache unabdingbare Identität des Begriffs ausgeschlossen. Dem oben dargestellten Begriff entsprechen folgende Bezeichnungen: /Anstoß, Anwand, Anwende, Anwendung, Bimark, Burgfrieden, Ende, Frontier, Gemerk, Gescheid, Grenze, Grenzscheide, Grenzscheidung, Grenzung, Konfin, Kreis, Landesgrenze, Landmark, Limit, Mark, Markscheidung, Markung, Rain, 7 Scheide, Scheidung, Schnat, Term, Terminus, Wendung, Zaun, Ziel, Zink, Zirkel. 2. Herkunft und Geschichte des slawischen Konkurrenten Bezeichnungen, die den für das Rechts- und Verwaltungswesen außerordentlich wichtigen Begriff ' Grenze' ausdrücken, sind relativ früh bezeugt und finden sich als Einschübe bereits in lateinischen Urkunden. Die Aufnahme muttersprachlicher volkstümlicher Rechtstermini in lateinische Texte sollte eine unmißverständliche Festlegung rechtlicher Tatbestände gewährleisten. Das Bedürfnis nach einem solchen Verfahren mußte sich erst recht unter den durch die Ostexpansion bedingten spezifischen Umständen des Zusammentreffens unterschiedlicher Rechtssysteme wie Angehöriger unterg schiedlicher Sprachen einstellen. So finden sich bereits im 12. und weiter im 13. Jahrhundert in lateinischen Urkunden Belege für das aus dem Slawischen übernommene /Grenze/, die seine Herkunft und Geschichte im Deutschen gut verfolgen lassen. Auch in anderen Gebieten sprachlichen Kontakts sind Bezeichnungen für ' Grenze' bevorzugt entlehnt worden. 2. Grenzlinie'

10

/Grenze/ wurde aus westslaw. /granica/ ' 1. Grenzzeichen, entlehnt, und zwar aus poln. / g r a n i c a / ' d a s s . ' offensichtlich auf der

gesamten Länge der polnisch-deutschen Kontaktzone im Grenzgebiet, denn sowohl für (a) das Ordensland Preußen im Norden als auch für (b) Schlesien 11 im Süden wurden

Klaus Müller

24

sehr frühe Belege für /Grenze/ notiert: (a) 1238: /et nos deceptatio (!) fuerit super metis terrarum eorum ac nostre, que vulgariter graniza dicuntur, penes eandem granizam in loco, qui competens fuerit/

12

; 1258: /Conferimus autem ipsabona

13 Pogotechow cum omnibus suis terminis, limitibus ac graniciis cum terris cultis/ ; 14 (b) 1213: /quod est et fuit ab antiquo in suis metis et greniciis/ ; 1258: /cum area 15 Molendini super fluvio Ruda in finibus et graniciebus/ ; 1291: /ab ipsa civitate 16 Olavia metae, quae Polonice Graenizen dicuntur/ ; sowohl der /i/-Umlaut als auch das deutsche Pluralmorphem weisen diese merkwürdigerweise als polnisches Wort 17 angesprochene Form als ins Deutsche integriert aus. Neben diesen Zeugnissen stehen weitere frühe Belege aus den Bereichen des sprachlichen Kontakts zwischen dem Deutschen und (c) dem Sorbischen wie (d) dem Elb- und Ostseeslawischen im Substratgebiet, die allein auf Grund ihrer geographischen Distribution - sprachtypologische Argumente können nicht geltend gemacht werden - unabhängig von denen aus dem Polnischen sind; (c) 1285: /transumtum super priuilegio exprimentre metas, & 18 grencias ciuitatis Forstenwaldensie/ sowie (d) 1317: /usque ad quer cum, ubi sunt antique greniz, id est distinctiones antique terminorum/. 19 In diesen wie auch weiteren hier nicht angeführten Belegen erscheint /Grenze/ in der oben dargestellten Bedeutung 20

der Trennungslinie für politische Einheiten.

- Durch frühe Ubersetzungen lateinischer

Urkunden wurden deutsche Bezeichnungen bekannt, die vor der Übernahme des westslawischen Wortes ins Deutsche für /Grenze/ standen. In einer Übersetzung der e r 21 neuerten Culmischen Handveste wird 'terminus' durch 'gemerk' wiedergegeben, und die Übersetzung einer anderen lateinischen Urkunde ins Deutsche gibt 'terminus' 22

mit 'termpt'

wieder, das als deutsches Integrat offensichtlich mit dem genannten

lateinischen Wort identisch ist. Zunächst erscheint das Lehnwort aus dem Westslawischen - abgesehen von wenigen Ausnahmen innerhalb deutschen Kontextes 23 - als Kanzleiterminus häufig in lateinischen 24 25 Texten aus dem preußischen Ordensland und Schlesien . Doch bereits im 14. und 15. Jahrhundert dringt das Wort, nachdem es im Osten des deutschen Sprachgebietes 26 27 weite Verbreitung gefunden hat , sowohl in den niederdeutschen wie hochdeutschen Sprachraum nach Westen

28

vor. Weiterhin ist /Grenze/ schließlich aus dem Deutschen

ins Neuniederländische als /grens/ (seit 1573), ins Dänische als /groense/ sowie ins 29 Schwedische als /gräns/ eingedrungen. Für die Verbreitung und Durchsetzung von /Grenze/ schließlich ist jedenfalls die kanzleisprachliche Geltung des Wortes von B e j * 30 deutung gewesen. Eine von diesem Komplex unabhängige Entlehnung liegt vor in einem Beleg aus dem Deutsch Broder Stadtbuch für das Jahr 1380 /vnd ander Reniczen/, was im böhmisch3T mährischen Raum aus tschech. /hranice/ übernommen wurde.

25

Konkurrentengruppe ' Grenze' 3. Zeitraum 1470 - 1530

Es finden sich in den deutschen Großlandschaften zur Benennung der ' Grenze' folgende Bezeichnungen: /Anstoß, Anwand, Anwende, Anwendung, Bimark, Burgfrieden, Ende, Frontier, Gemerk, Gescheid, Grenze, Grenzung, Kreis, Landesgrenze, Mark, Markscheidung, Markung, Rain, Scheide, Scheidung, Schnat, Term, Terminus, Wendung, Zaun, Ziel, Zirk, Zirkel/. 32 Von ihnen ist /Grenze/ in allen Großlandschaften mit Ausnahme des Westmittel deutschen 33 bekannt. omd.

/wir geruchten gemelte herrschaft wie die in iren greniczen umgrieffen 34 . ..czu verleyhen/ (1524) Lehnsurk. Schlesiens 1, 298 G./M.

oobd.

/bekenen . . das unser lieb getreue der rath und gemainiglich unser burger unsers markts Spitz uns die herrligkeit oberkait gemerk und grenitz die unser lantgericht unser herrschaft Spitz von alter hat... zu erkennen geben/ (1480, Abschr. 17. Jh.) Ost. Weist. 8, 997 (Anm.)

Die in diesem Beleg vorliegenden und in weiteren Belegen anzutreffenden Doppelformen sind mit Wolf (Mathesius [1969] 81 f . ) als Ausdruck einer Vorliebe für stilistische Doppelung und Mehrgliedrigkeit anzusehen; Bellmann versteht diese Formen als tauto36 nymische stilistische Amplifikationen. obfrk.

/Die unterschaid desselben mag auch genomen werden bei der greniz der Vi

furstenthumb/ (1502) Qu. Gesch. Fürstenthum Bayreuth 1, 97 M. ond.

/vnd gehet also die Grenitz furder vber die Ader auff Zulchdorff vnd qo Krebsgoich/ (1528) Zimmermann, Mark. Städteverf. 2 (1838) 149

wobd.

/vnd das sftlliche güter vnd dorfer in den grenitzen der gr äff schafft zum qq

wnd.

/Wenn dann das obgemelte wasser, die grosse Tschirnow,... zwusschenn

Hailgenberg ligen söllen/ (1483) Fürstenb. Urkb. 7, 162 dem Gorlitzschenn weichbilde vnnd Caspar Rechinbergs guteren, die grenitze unnd margkscheidunge wehre/ (1511) Magdeb. Weist. 194 N, 40 Die folgenden Bezeichnungen sind aus den Landschaften bekannt, für die Belege zitiert werden. /Ende/ omd.

/Dem freibotten geburt an denselben enden zweyfach geldt was der selbig oberknechte an seinen enden nympt einfach/ (1488) Rechtsdenkm. Thür. 41 352 M.

oobd.

/und mit solher handlung der burgrecht halben soll es an einem jeden ende der herschaft sand Lamprecht. ..gehalten werden/ (1494) Öst. Weist. 6, 227 4 2

26

Klaus Müller

obfrk.

/Nemlich so soll solicher burgfrid sin und gehalten werden in den egenanten sloß und statt Boxsperg .. .und dan auch furter gen an die ende und grenitz, als die hernach angezeigt/ (1470) Obrhein. Stadtrechte I 78143

ond.

/de suluen molen, so se licht, in alle eren enden vnnd scheiden/ (1476) 44

Cod. dipl. Brand. I I , 261 R. wmd,

/daselbes derselbe die sali thun annemen und vort laissen füren an die ende sines furstenthumbes/ (1489) Urkb. Gesch. Ndrhein. 4, 551 L .

wobd.

/das sich die graffschafft zum Hailigenberg mit ir ennden vnnd grenitzen 45 strecke vnnd zieche gen Rietthusen/ (1488) Fürstenb. Urkb. 7, 170

/Mark/46 oobd.

/das alle die leut im Donnerspach . ..gar aigenleich merken und vernemen Süllen all term, gemerken und marichen der herrschaft und ires gozhaus/ (15./16. Jh.) Öst. Weist. 10, 97^

wmd.

/Auch so hant die scheffen gewisetten, dz . ..die voigt mit den scheffen dz hogericht zu W. beleiden und hegon sullen binnent der marcken, wo dz hogericht weint und kerret/ (1494) Luxemb. Weist. 745

wobd.

48 /die marcken vnd grenitzen ains bistumbs/ (1483) Fürstenb. Urkb. 7, 163

wnd.

/welchs wassir Tschirnow ann etlichenn orteren, vnnd szunderlichenn zczwuschen dem Gorlitzschenn weichbilde gelegen die grenitze vnd margke 4Q ist/ (1511) Magdeb. Weist. 194 N.

/Anstoß/ oobd.

/es ist durch die vordem herren bischofen zu Brixsen löblicher gedächtnuß angesehen nach dem, und die stat an einem ort ligt und vil anstöß hat/ (E15. Jh.) Öst. Weist. 5, 47350

wobd.

/als sich der krieg träffenlich erhept und man die anstöss der Eidgenosschaft allenthalben nach noturft mit lüt vermeint versechen haben/(1499) Qu. Schweiz. Gesch. 20, und 582geschütz 51

/Ziel/ oobd.

/Von den vorgenanten zilen baidenthalben untzt auf die perg und der waßersaig und die regentropfensat, da sol kain landrichter mit kaine ertzman nicht zu schaffen haben/ (1498) Steir. Gerichtsbeschr. 122 M./P.

wobd.

/vnd sind das die zil der nidern gericht: des ersten zu Effritzwyler by dem furt dasselbs vachet es an vnd gaut vff der landtstroß hinuff/ (1497) Fürstenb. Urkb. 7, 136

52

27

Konkurrentengruppe ' Grenze' /Markscheidung/ ond.

/nach vleissiger besichtigung derselbenn Marckscheidung oder grentzung/ (1499) Cod. dipl. Brands. I 2, 97 R.

wnd.

/Wenn dann das obgemelte wasser, die grosse Tschirnow, . ..zwusschenn dem Gorlitzschenn weichbilde vnnd Caspar Rechinbergs guteren, die

55

grenitze und margkscheidunge wehre/ (1511) Magdeb. Weist. 194 N. /Scheidung/ ond.

/dat holt roddane mit water, weyde, grase vnd mit aller frucht thugehorunge vnd gerechtickeit, als von older dar thu gehöret heft vnd in sinen scheidingen vnd grenitzen gelegen ist/ (1472) Cod. dipl. Brand. I 3, 471 R . 5 6

wnd.

/dat van den Bolenbarge geyt de rechte schedinge yn de rode Ee doer dat mor/ (1492) Ostfries. Urkb. 2, 352 F . 5 7

/Rain/ omd.

/ a l s dasselbe dorff von alders leyt in seinen reynen und grenitzen/ (1499) Rq Urkb. Kamenz u. Löbau 285 K.

oobd.

/Das sind die gemerk und die rain zu dem Donerspach der vreiung und des

gerichts daselbs/ (15. Jh.) Öst. Weist. 10, 93 6 0 /Scheide/ oobd.

/Item auch so ist an dem wasser Goruscha genant pei Lofritschan das fil gemerk, da ist Ungerlandt schait/(1493) Öst. Weist. 10, 263

ond.

/So wißt vnde verne Idt In allen sinen vier enden vnd Scheiden belegen,/ (1519) Cod. dipl. Brand. 13, 120 R . 6 2

Folgende Grenzbezeichnungen sind nur jeweils in einer der sieben deutschen Großlandschaften bezeugt. /Anwendung/ omd.

/unnd zwuschen den gemelten grentzen und anwendungen für fol in vorstetten, auff strassen, felden, holzern, eckern, wiesen, (1480) Urkb. Jena 2, 281 D . 6 3

weingarten/

/Anwende/ wmd.

/An dissen ytzot (!) genanten steden und anewenden sulle die graveschaff und lantschaff van Nassauwe wenden/ (1482) Siegener Urkb. 2, 336 Ph. 64

Klaus Müller

28

Ausschließlich im Ostoberdeutschen sind belegt: /Bimark/ /Nu ist vermerkt die pimärk unsers landgerichts im Muerztal/ (1505) fis Ost. Weist. 10, 119 /Burgfrieden/ /Nu ist vermerkt die pimärk unsers landgerichts im Muerztal, auch die purkfrid der märkt, als ir hernach wert hern/ (1505) Öst. Weist. 10, 119 6 6 /Gemerk/67 /Das sind die gemerk und die rain zu dem Donerspach der vreiung und des gerichts daselbs/ (15. J h . ) Öst. Weist. 10, 93 6 8 /Ge scheid/ /vermerkt alle und jedliche pigmerk und geschaid unseres ambts zu fiQ Scherstorff (15. J h . ) Ost. Weist. 6, 306 /Term/ 70 /das alle die leut im Donnerspach

gar aigenleich merken und vernemen

süllen all term, gemerken und marichen der herrschaft und ires gozhaus/ (15./16. J h . ) Öst. Weist. 10, 97 7 1 Ausschließlich oberfränkisch sind /Anwand, Markung, Zaun/ bezeugt: /Anwand/ /unser gemaines fischwasser, . ..das da lygt an der landt werr undstost 72 uff Sulmer anwand/ (1503) Württ. Gesch.qu. 19, 45 /Markung/ /wievil an wismaten, eckern, behultzungen und anderm zu jedem guet gehört, wieweit und ferren von einem jeden ort die markung und grenitz zu dem andern raichen/ (1502) Qu. Gesch. Fürstenthum Bayreuth 1, /Zaun/

49 M . 7 3 /nun ligen wir ganz am zen oder end des bistumbs/ (1502) Württ. Gesch.qu. 19, 35

74

29

Konkurrentengruppe ' Grenze' Ausschließlich im Westoberdeutschen gelten: 75 /Frontier/ /so vil er verstan mag, wüss er nit, das üch noch uns von derselben frontier dhein schad noch überlouf bescheh/ (1499) Qu. Schweiz. Gesch. 20, 54 7 6 /Kreis/ /Hienach volget der ätter vnd das burgkrecht mit seinem kraiß vnd b e g r i f f , zu vnser statt Engen gehörig, vnd vahet an:/ (1503) Fürstenb. Urkb. 7, 371 77 /Zirkel/ /das die gemelten güter in den grenitzen vnd cir ekeln der Lantougty 79 syen gelegen/ (1483) Fürstenb. Urkb. 7, 162

Ausschließlich westniederdeutsch sind /Schnat, Terminus/ sowie /Zirk/ bezeugt: /Schnat/ /Item eth hebben etlich bekandt, dat de snaeth scolle gaen twischen dem ampt Cloppenborch und Oszenbrugge/ (1527) Oldenb. Urkb. 5, 392 F .

80

/Terminus/ 8 1 , / Z i r k / 8 2 /Dan dit ist die rechte terminus der graveschaft, wij ich datselve in alden brieven gevunden, oek lange nach dissen brieven ein instrument darvan upgericht bekommen, wilch van worden to worden den cirk der graffschaft QO wie nachvolgt v e r m e l d e d e / (ul490) ( D o r t m . ) Chr. dt. Städte 20, 354

Ausschließlich ostmitteldeutsch begegnen: /Landesgrenze/ in aller moss f o r m und weysz wie dasselb fürstenthum und weichbilder in 84 iren landsgreniezen gelegen/ (1517) Lehnsurk. Schlesiens 1, 290 G . / M . /Wendung/ /zwischen und binnen den obgemelten und angeezeigten grentzen und Wendungen/ (1480) Urkb. Jena 2, 282 D . 8 5 Ausschließlich ostniederdeutsch ist /Grenzung/ belegt: /Habenn wir Jaspar ganns herr zu Potlitz vnnd Viecke vonn Aluensslebenn nach Vieissiger besichtigung derselbenn Marckscheidung oder grentzung... bewilligopg geschehenn/ (1499) Cod. dipl. Brand. 12, 97 R .

30

Klaus Müller

Tabelle 1 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und dem Gesamtgebiet für den 1. Untersuchungszeitraum (1470 - 1530) (in Prozenten) omd. Anstoß Anwand Anwende Anwendung

obfrk. ond.

wnd.

(1,1)

wrad,

wnd.

21,8 26,5

1,5 0,2

(2,3) 45,3 3,5 11,6

2,5

Gesgbt. 4,1 0,2

(4,5)

Bimark Burgfrieden Ende

oobd.

10,4 0,8 9,3

1,7

42,4

Frontier

3,4

6,3

(1,8)

0,2

Gemerk

13,9

3,4

Gescheid Grenze Grenzung

8,1 (1,1)

1,9 44,5 0,8

Kreis Landesgrenze Mark Markscheidung

58,2

68,4 2,6

49,8

4,7 8,1

31,1

12,9

21,3 20,9

11,7

5,4

(1,1)

Term

1,7 4,3

0,8 1,6

(8,3)

0,2 0,2

(8,3)

0,2 0,2 0,2

(8,3)

0,2

(2,3) (4,5) (1,8)

Zirk Zirkel

(8,3)

(1,1)

2,5

0,2 0,5 6,5 7,4 0,2

Schnat

Ziel

(8,3) (8,3)

(4,5)

Scheide Scheidung

Terminus Wendung Zaun

50,2

(1,8)

Markung Rain

77,2

6,7

0,8 1,1

Konkurrentengruppe ' Grenze' Tabelle 2 Übersicht zum Anteil der einzelnen Großlandschaften für den 1. Untersuchungszeit räum (in Prozenten)

Grenze Ende Mark Rain Anstoß

omd.

oobd.

15,5 23,9

0,6 9,5

47,3

31,8 52,7

obfrk. ond. 10,6 9,5

49,7 9,5

6,6

Markscheidung Scheide Scheidung

33,4

Ziel

66,4

wmd.

wobd. wnd. 3,8

38,1

19,8 9,5

27,3

36,4

4,5

93,4 96,1

3,9

66,6 83,3

16,7 33,4

32

Klaus Müller

Tabelle 3 Übersicht zu den Anteilen der einzelnen Konkurrenten im gesamten Sprachgebiet für den 1. Untersuchungszeitraum nach der Frequenz geordnet (in Prozenten) Grenze

44,5

Bimark

10,4

Markscheidung

7,4

Mark

6,5

Ende

6,1 5,4

Rain Anstoß Gemerk Gescheid

4,1 3,4

Scheidung

1,9 1,6

Anwende

1,5

Zirkel Burgfrieden

1,1 0,8

Grenzung

0,8

Scheide

0,8

Ziel

0,8

Landesgrenze

0,5

Anwand

0,2

Anwendung

0,2

Frontier

0,2

Kreis

0,2

Markung

0,2

Schnat

0,2

Term

0,2

Terminus

0,2

Wendung

0,2

Zaun

0,2

Zirk

0,2

33

Konkurrentengruppe ' Grenze' 4. Zeitraum 1670 - 1730

Es finden sich in den Großlandschaften zur Benennung der 'Grenze' in oben dargelegter Bedeutung folgende Bezeichnungen: /Anstoß, Bimark, Burgfrieden, Ende, Frontier, Gemerk, Grenze, Grenzscheide, Grenzscheidung, Konfin, Landesgrenze, Landmark, Limit, Markscheidung, Markung, Rain, Scheide/ und /Scheidung/. Von ihnen ist /Grenze/ aus allen Großlandschaften bekannt. omd.

/In dem grossen Germanien werden die Grlntzen der Volcker, die zwischen dem Rhein, der Donau und der Elbe gewohnet, zum wenigsten . a 86 ueberhaupt bekannt/ (1726) Mascov, Gesch., Vorrede 4

wobd.

/Die gränzen und markstein sollen jährlichen durch den Untergang um daß ganze territorium visitiert werden/ (1708) Württ. ländl. Rechtsqu. 3, 206 G . 8 7

wnd.

/ E s soll Niemand seine Landtwehren nacher Lipperode oder an anderen Gräntzen an Frembde außer der Stadt verkaufen/ (1671) Westf. Stadtrechte I 1, 9 8 8 8

Die folgenden Bezeichnungen sind in den Landschaften bezeugt, aus denen Belege zitiert werden. /Lande sgrenze/ oobd.

/Andere Öffnung der landtgränitz in Langkampfer schranen zwischen der herrschaft Kuefstain und dem gericht Aurburg/ (17. J h . ) Öst. Weist. 2, 3589

ond.

/Landes Fürstliche Jura, Regalia und Hoheiten, gemeine Landes=Grentzen

wmd.

und Statuten Provinciae/ (1683) Hof-Gerichts=Ordn. 82 e e /Wurde nun befunden, daß der Bettler mit gnugsamen Zeugnuß seines Q

Herkommens nicht versehen wäre , solle derselbe . ..bis ueber die LandsGrlntze gebracht/ (1723) Hzgts. Westphalen Policey-Ordn. (1723) 55 /Grenzscheidung/ omd.

/der Rhein sey die Gräntzscheidung zwischen ihrem Gebiet und dem römischen Reiche/ (1689) Lohenstein, Arminius 1, 18 a

oobd.

/Von den Marck= und Grlntz = Scheidungen/(1682) Hohberg, Georgica (1687) 1, 6

ond.

90

91

/Dann Anno 1374 in der Grlntzscheidung zwischen dem Ermelllndischen 92 Bistthum und des Ordens Gebieth/ (1684) Hartknoch, Preussen 1, 447

34

Klaus Müller /Grenzscheide/

omd.

/ E r [Germanicus] . . . schlug, an dieser Grtntz=Scheide, sein Lager auf/ (1726) Mascov, Gesch. 85 °

obfrk.

/An der Grtnzscheid von Steyr, Hungarn und Croatien ligt die Vestung 94 Canisia/ (1684) Birken, Donaustrand 74

/Scheide/ ond.

/wo ockBrand. in alle Iseinen und enden belegen i s s / (AI8. Jh.) Cod. dat dipl. 1, 318Scheiden R.95

wnd.

/ob daßjenige, was zuvor solcher Grentz und Scheide halben gesprochen 96 und beschworen/(1701) Schleßw.-Holst. Landgerichts-Ordn. 78-79

/Ende/ oobd. ond.

/sonder den oder die dem landrichter zeantworten iner dreien tagen auß dem purgfrid als von alter herkommen ist an die enden/ (1673) Öst. Weist. 1, 238 Q7 /wo dat ock in alle seinen Scheiden und enden belegen i s s / (A18. Jh.) QR Cod. dipl. Brand. I I , 318 R.

Weitere Konkurrenten sind nur vereinzelt belegt, und zwar jeweils nur in einer Großlandschaft: Ausschließlich ostoberdeutsch sind bezeugt: /Anstoß/ /ain stuck wis in Puntelliä, ob Spyney gelegen, desselben coherenzen, anstSß, gemerk und umblagen vorbehalten und ganz unvergriffen/ (1716) 99 Ost. Weist. 4, 43 /Bimark/ /item wo die pümarch des landgerichtes gegen dem purgfridt zu Tambsweeg ab- oder angehet?/ (1673) Öst. Weist. 1, 234 1 0 0 /Burgfrieden/ /Alsdann gehet der burkfrid auf des. ..O. K. huebgrund...alda sich der burkfrid angefangen und widerumben endet/ (17. Jh.) Steir. Gerichtsbeschr. 239 M . / P . /Frontier/ /was an den frontiren gegen fremde angrlntzende Provincien ligt/ (1682) Hohberg, Georgica (1687) 1, 4 7 1 0 1

Konkurrentengruppe ' Grenze'

35

/Gemerk/ /Dann vonwegen Kuefstain gegen Marquartstain und Aschau sein die hernach gesetzte gemerk und grainitzen allerseits bewilligt und angenommen 109 worden/ (17. Jh.) Ost. Weist. 2, 34 /Konfin/ /Wo nun dise confinen an vorhero gedachten Mütterrigl mit SpUttall sich endet, fangf das Admontische landgericht mit dem Wolckhenstainischen 103 widerumb an anzurainen/(ul680) Steir. Gerichtsbeschr. 31 M . / P . /Landmark/ /welche dann der herrschaft Kuefstain, Marquartstain und Aschau bestendig lantmarch, gränitzen und Öffnungen104 anjetzo und hinfüro sein und bleiben sollen/ (17. Jh.) Ost. Weist. 2, 35 ^ /Markscheidung/ /Von Marck= und Grlntz=Scheidungen/ (1982) Hohberg, Georgica (1687) /Rain/ /und seint die rain gemörkt und die burkfridsdistrict volgendermaßen ausgemerkt worden/ (1672) Steir. Gerichtsbeschr. 61 M . / P . /Scheidung/ ond.

/in allen seinen Gräntzen und Scheidungen/ (A18. Jh.) Cod. dipl. Brand. I 1, 252 R . 1 0 6

/Limit/ wmd.

/Visitatio und Besichtigung der Limiten dieser Herligkeit Creyvelt/ (1706) Urkb. Krefeld 5, 230 K . 1 0 7

/Markung/ wobd.

/ E s soll auch keiner seinem nachbahren zu dorf oder veld über die gesetzte stein und markung überzäunen/ (1712) Württ. ländl. Rechtsqu. 1, 89 W . 1 0 8

36

Klaus Müller

Tabelle 4 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und dem Gesamtgebiet für den 2. Untersuchungszeitraum (1670 - 1730) (in Prozenten) omd.

oobd.

Anstoß

(1,3)

Bimark

34,6

Burgfrieden

(1,3)

Frontier

(1,3)

Gemerk

8,7 97,2

Grenzscheide

(1,4)

Grenzscheidung

(1,4)

Konfin Landesgrenze Landmark

20,5

o, 3 2, 5 95,5

83,1

37, 5

55,5

96,9

(4,5) 2,6

6,5 1,3

25, 0

3, 6 2, 4

37, 5

o, 3 0, 9

(1,3) 2,6

o, 6 1, 3

44,5 2,6

Scheide

6,5

Scheidung

1,3

70, 2 0, 6 2, 4

12,8 3,9

Gesgbt.

1,, 9 o, 6

1,3

Markung Rain

wobd. wnd.

o,,3 9, 2

Limit Markscheidung

wmd.

6,5

Ende

Grenze

obfrk. ond.

3,1

o, 6 1, 8 o, 3

Konkurrentengruppe 'Grenze'

37

Tabelle 5 Übersicht zum Anteil der einzelnen Großlandschaften für den 2. Untersuchungszeitraum (in Prozenten) omd.

oobd.

Grenze

37, 7

50,0 8,2

Grenzscheide Grenzscheidung

50, 0

Ende

14, 3

Landesgrenze Scheide

50,0 28,6 50,0

obfrk. ond.

wmd.

wobd. wnd.

50,0 7,1

26,6

1,6

2,6

16,2

57,1 16,5 75,0

33,5 25,0

Tabelle 6 Übersieh zu den Anteilen der einzelnen Konkurrenten im gesamten Sprachgebiet für den 2. Untersuchungszeitraum nach der Frequenz geordnet (in Prozenten) Grenze

70,2

Bimark Konfin

9,2 3,6

Gemerk Grenzscheidung

2,5 2,4

Landesgrenze

2,4

Burgfrieden Scheide

1,9 1,8

Markung

1,3

Limit Ende

0,9 0,6

Grenzscheide

0,6

Markscheidung Rain

0,6 0,6

Anstoß Frontier

0,3 0,3

Landmark Scheidung

0,3 0,3

38

Klaus Müller 5. Vergleich der untersuchten Zeiträume

5.1. Das Untersuchungsergebnis für den Zeitraum von 1470 - 1530 resümierend, kann man folgendes feststellen: Zum Ausdruck des Begriffs 'Grenze' in der dargestellten Begriffsdefinition wurden 28 konkurrierende Bezeichnungen in den Großlandschaften e r mittelt, davon sind außer /Grenze/ auch /Frontier, Term, Terminus/ und / Z i r k / wie /Zirkel/ als Wörter fremder Herkunft anzusprechen. Von allen konkurrierenden Bezeichnungen zeigt /Grenze/ die weiteste Verbreitung im deutschen Sprachgebiet, denn es findet sich mit Ausnahme des Westmitteldeutschen, in dem es kurz nach diesem Zeitraum erscheint, in allen übrigen Großlandschaften, und /Grenze/ entspricht als sprachliche Bezeichnung von allen Konkurrenten am häufigsten dem dargestellten Begriff. Alle übrigen Konkurrenten bleiben in bezug auf ihre Frequenz im untersuchten Textkorpus weit hinter /Grenze/ zurück. /Ende/ und /Mark/ folgen /Grenze/ sowohl in bezug auf ihre Frequenz in den Texten als auch in bezug auf ihre Distribution in den Sprachlandschaften: /Ende/ ist mit Ausnahme des Westniederdeutschen ebenfalls in allen Großlandschaften bezeugt. /Mark/ gilt nur im Oberdeutschen sowie im Westmittel- und Westniederdeutschen für 'Grenze' und zeigt denselben Anteil wie /Ende/. Die übrigen konkurrierenden Bezeichnungen sind entweder nur in zwei der sieben Großlandschaften verbreitet oder finden sich nur in einer von ihnen. Die größte Vielfalt der Bezeichnungen zeigen die beiden oberdeutschen Großlandschaften. Es folgen das Ostmitteldeutsche und das Westniederdeutsche. Für die übrigen Großlandschaften konnte jeweils nur ein Konkurrent ermittelt werden, der ausschließlich in diesem Gebiet gilt. Der prozentuale Anteil für die ca. 90 % der nur in zwei oder einer Großlandschaft geltenden Bezeichnungen beläuft sich, von einigen noch zu erklärenden Ausnahmen abgesehen, auf Werte unter 2 % bzw. in der Mehrzahl der Fälle unter 1 %. Eine sehr starke Bezeugung ließ sich für das ausschließlich auf Österreich beschränkte /Bimark/ feststellen, das sich auf Grund regionaler Spezifik sehr häufig in den Österreichischen Weistümern findet. Der hohe prozentuale Anteil für /Markscheidung/ ist durch den in Anm. 54 dargelegten Umstand zu erklären. Dasselbe gilt auch für /Anstoß/. Außerdem weichen /Gemerk/ und /Rain/ von der oben gegebenen prozentualen Häufigkeit ab, ohne daß sich - wie für die letzten beiden - besondere Gründe anführen ließen. So läßt sich feststellen, daß /Grenze/ mit allen erwähnten Bezeichnungen in den einzelnen Landschaften, lediglich mit Ausnahme von /Anwende/, das ausschließlich im Westmitteldeutschen bezeugt ist, synonymisch konkurriert. Wenn man die Anteile der einzelnen Großlandschaften für die Gesamtdistribution der über mehr als eine Großlandschaft verteilten Konkurrenten - bezogen auf die drei Hauptkonkurrenten - besonders ins Auge faßt, so läßt sich feststellen, daß sich

Konkurrentengruppe ' Grenze'

39

/Grenze/ auf die Großlandschaften konzentriert, die als die Gebiete der Übernahme dieses Wortes ins Deutsche gelten, nämlich auf das Ostniederdeutsche und das Ostmitteldeutsche sowie weiterhin auf das sich südwestlich anschließende Ostfränkische, das zu großen Teilen ebenfalls zum slawischen Reliktgebiet gehört. Die Bezeugungen aus dem Westoberdeutschen sind unter Beachtung der oben (Anm. 39) hervorgehobenen Besonderheiten zu werten. Die übrigen Großlandschaften, die im wesentlichen - mit Ausnahme des östlichen Österreich - als das deutsche Altsiedelland anzusprechen sind, zeigen einen beachtlichen geringeren Anteil an der Gesamtverteilung der Bezeugungen für /Grenze/, und für das Westmitteldeutsche schließlich ließ sich gar kein Beleg für diesen Untersuchungszeitraum beibringen. /Ende/ erweist sich als eine ausgesprochen mitteldeutsche Bezeichnung für ' Grenze', die ihren Schwerpunkt im Westen des Mitteldeutschen hat. /Mark/ schließlich dominiert im Südwesten des deutschen Sprachgebietes. So erseheint das Ostmitteldeutsche als die Großlandschaft, in der zwei der drei Hauptkonkurrenten mit starker Bezeugungsfrequenz aufeinandertreffen und gegen das in diesem Gebiet stark bezeugte /Rain/ stehen. Zugleich dominiert /Grenze/ gegenüber den anderen Konkurrenten im zusammenhängenden Areal des Ostnieder deutschen und Westniederdeutschen sowie im Oberfränkischen. Eine solche eindeutige, über 50 % der Anteile liegende, also absolute Dominanz eines Konkurrenten wie für das angegebene Areal ließ sich für andere Großlandschaften nicht ermitteln. Das Extrem zum Oberfränkischen, wo /Grenze/ mit fast 80 % aller Belege dominiert, bildet das Westmitteldeutsche, wo sich drei Konkurrenten in die Belege zu fast gleicher Stärke teilen. Das West- und das Ostoberdeutsche sind durch die Konkurrenz einer Vielzahl an Bezeichnungen charakterisiert - in diesen beiden Arealen sind etwa 61 % aller konkurrierenden Bezeichnungen vertreten, wobei sich im Ostoberdeutschen für die für Österreich spezifische Bezeichnung /Bimark/ eine unter 50 % liegende Beleg zahl und für das Westoberdeutsche für /Grenze/ ebenfalls eine unter der Hälfte der Anteile liegende relative Dominanz ergab. Somit läßt sich für /Grenze/ in 5 von 7 Großlandschaften eine alle übrigen Konkurrenten überflügelnde Bezeugung erweisen. Andererseits steht der absoluten Dominanz von /Grenze/ im zusammenhängenden Gebiet des Niederdeutschen, Ostmitteldeutschen wie Oberfränkischen und der relativ geringen Zahl von Konkurrenten in diesem Areal die verhältnismäßig große Anzahl an Konkurrenten im Südwesten des Sprachgebietes in Verbindung mit einer geringen Frequenz von /Grenze/ in diesem Gebiet gegenüber. In die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts fallen die 13 im Text z . T . abweichenden Drucke der erstmals ul466 in Straßburg nach einer wesentlich älteren Vorlage veröffentlichten Übersetzung der Bibel ins Deutsche. Dieser "Mentel-Bibel" folgten sehr bald weitere, mehr oder weniger selbständige Übersetzungen. Es sei daher gestattet, an dieser fiir die Sprache der Zeit wichtigen Quellengruppe die Distribution der

40

Klaus Müller

Konkurrenten in den Bibeln mit den für den ersten Untersuchungszeitraum ermittelten Ergebnissen zu vergleichen. Im Alten Testament begegnet 'Grenze' in der hier untersuchten Bedeutung vielfach, und es wurden davon ca. 70 Stellen, die den beschriebenen 109 Begriff meinen, ausgewählt; für sie wurden die deutschen Bezeichnungen aus insgesamt 22 Bibeln ermittelt.

Die wortgeographische Verbreitung der einzelnen Kon-

kurrenten stellt sich wie folgt dar: Luther bevorzugt in seiner Übersetzung durchgehend / g r e n t z ( e ) / . * ^ Die nach der Übersetzung der Bibel durch Luther entstandene westniederdeutsche Lübecker Bibel von 1533 übernimmt offensichtlich mit Ausnahme eines einzigen Falles stets von Luther /grentze/, das meistens als /grenße/, seltener als /grentze/ oder /grense/ erscheint. 112 Die vorlutherischen niederdeutschen Bibelfrühdrucke dagegen enthalten /Grenze/ nicht ein einziges Mal. Sie zeigen an den entsprechenden hier untersuchten Stellen /Ende, Endung, Landscheidung/. 113 Die Bibel Johannes Dietenbergers vom Jahre 1534 zeigt vornehmlich /Landmark/ und /Mark/, seltener begegnen /Ende, Ziel, 114 Ecke/ und /Schloßmark/. Die nach Luther entstandene ostoberdeutsche Bibel des Johann Eck von 1537 zeigt sehr häufig /Grenze/, daneben /Landmark, Ende, Mark, 115 Gegend, Gemärke/ sowie /Mark/ und vereinzelt / Z i e l / . Die westoberdeutsche Züricher Bibel, die in den Jahren 1527 - 1529 entstanden ist, bevorzugt /Landmark/ 116

und /Mark/ und kennt nur in einem Falle /Gegend/. Die erste Übersetzung der Bibel ins Deutsche, ul466 von Mentel veröffentlicht, die wohl dem Ostoberdeutschen zuzurechnen ist, kennt /Ziel, Ende, Kreis/ und /Seite/ für die untersuchten Passagen. Die westoberdeutsche Redaktion dieser Übersetzung durch Günther Zainer vom Jahre 1475 sowie sämtliche nachfolgenden Ausgaben ersetzen 117 /Ziel/ und /Kreis/ in zahlreichen Fällen durch /Ende/ und /Seite/ durch /Gegend/. Der Vergleich der für die Großlandschaften ermittelten Bezeichnungen zum Ausdruck 118

des Begriffs Grenze mit denen aus den hier untersuchten Bibelübersetzungen

ergibt,

daß von den aus dem Textkorpus ermittelten 28 Bezeichnungen lediglich 6 in den Bibelübersetzungen begegnen: /Grenze, Ende, Gemerk, Kreis, Mark/ und /Ziel/; darüberhinaus wurden in den Bibeln/Ecke, Endung, Gegend, Landmark, Landscheidung, Schloßmark/ und /Seite/ angetroffen. Von den für die Großlandschaften ermittelten abweichenden Bezeichnungen ist lediglich /Landmark/ für den Südwesten des Sprachgebietes Dezeugt und zeigt hier, besonders im Westmittel- und Westoberdeutschen starke, über 50 % hinausgehende Anteile. Die übrigen ausschließlich in den Bibeln begegnenden Bezeichnungen werden nur durch geringe prozentuale Anteile repräsentiert; sie sollen deshalb in diesem Vergleich vernachlässigt werden. Der Vergleich für die korrespondierenden Bezeichnungen ergibt, daß die vorlutherischen Bibelübersetzungen im großen und ganzen das Bild aus den Großlandschaften bestätigen: Im Ostmitteldeutschen sowohl in den für die Landschaften untersuchten Texten

Konkurrentengruppe ' Grenze'

41

als auch in der Luther-Bibel - und hier steht es ausschließlich - dominiert /Grenze/. Die übrigen Bibeln zeigen eine ähnliche Differenzierung bei den Bezeichnungen für ' Grenze', wie sie in den Denkmälern der Großlandschaften zu finden ist, wenn auch 119 die Frequenz der einzelnen Konkurrenten abweicht. Die ostoberdeutsche Bibel von ul466, die Mentelbibel, zeigt dasselbe Verhältnis zwischen den Anteilen von /Ende/ und /Ziel/ wie die Texte für dieses Gebiet. Die westmitteldeutsche Bibel Dietenbergers kennt - wie die untersuchten Texte - /Grenze/ nicht, dafür finden sich wie im Textkorpus /Ende/ und /Mark/, wenn auch in diametraler Frequenz. /Ende, Kreis/ und /Ziel/ finden sich sowohl in den westoberdeutschen Bibelübersetzungen wie im entsprechenden Textkorpus. Somit wird die Vorrangstellung von /Grenze/ im Ostmitteldeutschen und die Spezifik von /Mark/ für das Westmitteldeutsche sowie die von /Ziel/ für das Oberdeutsche durch die Bibeln bestätigt. Die vorlutherischen Bibeln zeigen übereinstimmend, dem Ergebnis der Untersuchung des Textkorpus allerdings widersprechend, vornehmlich /Ende/. Die nachlutherischen Bibelausgaben stehen offensichtlich unter dem Einfluß der Luthers, das trifft insbesondere für die Lübecker Bibel zu.

42

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