Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache ım Bereich des neuhochdeutschen Satzgefüges (1470–1730): Ein Beitrag zur Geschichte des Gestaltungssystems der deutschen Sprache [Reprint 2022 ed.] 9783112658741, 9783112658734


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German Pages 456 [368] Year 1980

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INHALTSVERZEICHNIS
I. Einleitung
1. Allgemeine Bemerkungen zum Problem der sprachlichen Norm. Norm und Usus
2. Die Typologie der Norm
3. Der Begriff der sprachlichen Varianten. Die Norm als Variantenwahl
4. Die normative Wahl unter den synonymen grammatischen Varianten
5. Die Norm als Grenze. Die präzisierende Norm
6. Die Norm im Bereich des Satzgefüges
7. Zielstellung, Material und Methodik der vorliegenden Arbeit
II. Die Zeit um 1500
1. Die frühen Urkunden
2. Urkunden um 1500
3. Gesetze und Verordnungen
4. Ländliches Gewohnheitsrecht (Weistümer)
III. Die Zelt um 1700
1. Ländliches Gewohnheitsrecht
2. Gesetze und Verordnungen
3. Außenpolitische Dokumente
4. Relationen
IV. Einige Ergebnisse der Untersuchung
1. Umfang und Ausbau des Satzgefüges
2. Die Komposition des Satzgefüges und ihre Präzisierung
3. Die Gestaltungsmittel des Elementarsatzes als Gliedsatz eines Satzgefüges
4. Die allgemeinen Tendenzen in der Entwicklung des Satzgefüges und seiner Norm
Anmerkungen
Quellenverzeichnis
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Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache ım Bereich des neuhochdeutschen Satzgefüges (1470–1730): Ein Beitrag zur Geschichte des Gestaltungssystems der deutschen Sprache [Reprint 2022 ed.]
 9783112658741, 9783112658734

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W. G. Admoni

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache im Bereich des neuhochdeutschen Satzgefüges (1470-1730) Ein Beitrag zur Geschichte des Gestaltungssystems der deutschen Sprache

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER DDR Zentralinstitut für Sprachwissenschaft

56/IV Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen Herausgegeben von Günter Feudel Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache (1470—1730) • IV

Wladimir G. Admoni

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache im Bereich des neuhochdeutschen Satzgefüges (1470-1730) Ein Beitrag zur Geschichte des Gestaltungssystems der deutschen Sprache

Akademie-Verlag • Berlin 1980

Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 Lektor: Ursula Schöwe © Akademie-Verlag Berlin 1980 Lizenznummer: 202 • 100/226/80 Umschlag: Helga Klein Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 582 Bad Langensalza Bestellnummer: 752967 3 (2054/56/IV) • LSV 0815 Printed in G D R D D R 48,— M

INHALTSVERZEICHNIS

I. Einleitung 1. 2. 3. 4.

Allgemeine Bemerkungen zum Problem der sprachlichen Norm. Norm und Usus Die Typologie der Norm

9 12

Der Begriff der sprachlichen Varianten. Die Norm als Variantenwahl Die normative Wahl unter den synonymen grammatischen Varianten

17 19

5.

Die Norm als Grenze. Die präzisierende Norm

23

6.

Die Norm im Bereich des Satzgefüges

30

7.

Zielstellung, Material und Methodik der vorliegenden Arbeit

.

.

33

n . Die Zeit um 1500 1.

Die frühen Urkunden

43

1.1.

Vorbemerkungen

43

1.2.

Das überlange Satzgefüge (RA I)

44

1.3.

Satzgefüge geringeren Umfangs

50

1.3.1.

Reichstagsakten (RA n)

50

1.3.2.

Der Vertrag zwischen den Erzbischöfen von Mainz und Köln (CdS) .

51

2.

Urkunden um 1500

60

2.1. 2.2.

60

2.3.

Eine Stiftung in der Ritter-Capelle zu Ansbach (USRCA) . . . . Protokollarische Aufzeichnung des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker über die Verhandlungen auf dem Reichstage zu Nürnberg (UPA) Karl V. an Kurfürst Friedrich von Sachsen (UKKF)

2.4.

Brief des Herzogs Johann an Herzog Georg von Sachsen (UJG) .

.

69

2.5.

Universität Wittenberg an den Kurfürsten Johann Friedrich (UW)

.

71

3.

Gesetze und Verordnungen

73

3.1.

Tübinger Stadtrecht (TSR)

73

3.2.

Leutenberger Stadtrecht (LSR)

84

63 65

6

Inhaltsverzeichnis

3.3.

Gerichtsordenunge und Gerichtsfelle zu Erfurt (GGE)

105

3.4.

Ordnung der freyen zins und freyen güttere der Stadt Erfurt (OfZG)

H4

4.

Ländliches Gewohnheitsrecht (Weistümer)

127

4.1.

Die älteren Weistümer

127

4.1.1.

Rechte des Klosters Madilberg (WRKM)

127

4.1.2.

Hofrecht zu Weggis (WHW)

128

4.1.3.

Die Gerichtsordnung und Rechte der Höfe Birmensdorf und Urdorf (WBU)

130

4.1.4.

Das Recht des Dorfs Eibelstadt (WE)

136

4.2.

Die Weistümer um 1500

140

4.2.1.

Weistum von Ermatingen (WvE)

140

4.2.2.

Gerichtsordnung zu Theilheim (WGT)

146

4.2.3.

Weistum von Ginolfs (WG)

148

4.2.4.

Weistum zu Spang (WS)

150

m . Die Zelt um 1700 1. 1.1.

Ländliches Gewohnheitsrecht Kleinere Weistümer

152 152

1.1.1. 1.1.2.

Weistum vom Dinghof zu Beblenheim (WDB) . Landrecht des Gerichts Raschenberg (WLGR)

152 154

1.1.3. 1.1.4.

Gerichtsordnung des Dorfs Muestert (WGDM) Hölting zu Harenberg (WHzH)

158 160

1.1.5.

Hoeringshausen (WH)

162

1.1.6. 1.2.

Weistum der Herrschaft Itter (WHI) Die längeren, in fürstlichen Kanzleien fixierten Weistümer

163 164

1.2.1.

Verordnungen, betreffend die in Österreich liegenden Herrschaften Hart, Schwertberg und Windegg (HSW)

166

1.2.2.

Verordnungen für die Herrschaft Oberwallsee (Obws)

177

2.

Gesetze und Verordnungen

184

2.1.

Compendium electoralis (CE)

184

. . .

2.2.

Verordnungen des Stadtrats von Leipzig (LO)

192

2.3.

Regierungsgesetze Württembergs (RG)

212

2.4.

Bergbauverordnungen Maximilians, des Herzogs von Bayern und der oberen Pfalz (MBV)

2.5.

Verordnungen für die Herzogtümer Bremen und Verden (VBV) .

2.6.

Des Leopold Verordnung zur Beseitigung in derKaisers Administration der Stadt Freistatt (LVF) der Mißbrauche

2.7.

Der Reichsabschied über das Verhalten der Handwerker (RAVH)

240 .

259 271

.

282

Inhaltsverzeichnis

7

3.

Außenpolitische Dokumente

296

3.1.

Vertrag zwischen Hessen-Kassel und Hanau (VHKH)

296

3.2.

Die Schriften der Regierung von Hessen-Darmstadt (SRHD).

4.

Relationen

308

4.1.

Vorbemerkungen

308

4.2.

Relation über die Belagerung der polnischen Festung Soroka(RBS)

.

309

4.3.

Ausführliche Relation von der letzten Aktion bey Puniz (ARP) .

.

312

4.4.

Relation über die Belagerung der Festung Friedrichshall (RBFF).

317

4.5.

Relation an den Kaiser über die Achterklärung Erfurts (RE)

.

320

4.6.

Actenmässige Relation, wie es Mit des gewesenen Müllers zu Fockendorff . . . Entleibung . . . ergangen (ARME)

.

.

.

300

323

IV. Einige Ergebnisse der Untersuchung 1.

Umfang und Ausbau des Satzgefüges

332

2.

Die Komposition des Satzgefüges und ihre Präzisierung . . . .

337

3.

Die Gestaltungsmittel des Elementarsatzes als Gliedsatz eines Satzgefüges Die allgemeinen Tendenzen in der Entwicklung des Satzgefüges und seiner Norm

4.

341 347

Anmerkungen

355

Quellenverzeichnis

361

I. EINLEITUNG

1. Allgemeine Bemerkungen zum Problem der sprachlichen Norm. Norm und Usus

In vorliegender Studie werden unter dem Gesichtswinkel der Normbildung einige Formeigenheiten des deutschen Satzgefüges in ihrer Entwicklung vom Ende des 15. bis zum Beginn des 18. J h s . untersucht. Die Grundlage der Untersuchung bildet die Darstellung historischer Tatsachen aus einem Spezialgebiet der Syntax, die in ihrem Zusammenhang mit der Entwicklung des deutschen grammatischen Systems im Ganzen betrachtet werden. Näheres über die unmittelbare grammatisch-historische Problematik und das untersuchte Textmaterial unter I. 7. Die gewählte Periode der deutschen Sprachgeschichte fällt im wesentlichen mit der zweiten Phase des Frühneuhochdeutschen zusammen. Sie bedarf m. E . hier keiner eigenen Charakteristik, da sie in mehreren Arbeiten (allerdings im Rahmen verschiedener Periodisierungen) ausführlich behandelt ist. Das betrifft vielleicht auch den Begriff der Norm, unter dessen Gesichtswinkel die konkrete Entwicklung des Satzgefüges hier betrachtet wird. Man hat ja diesem Begriff in der letzten Zeit sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet, und es gibt verdienstvolle Arbeiten, die ihn sowohl in allgemeiner Form, als auch in spezieller Anwendung auf die deutsche Sprache behandeln. Allerdings gibt es manche Meinungsverschiedenheiten und gewisse Erscheinungsformen der Norm sind noch nicht genügend geklärt und konkretisiert. Unter anderem wurde das Problem der sprachlichen Norm eingehend e r ö r tert im Rahmen eines gemeinsamen Vorhabens des Zentralinstituts für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR und des Instituts für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, zu dem auch die vorliegende A r beit gehört. Mit der dort vorgeschlagenen sehr weiten Auffassung der sprachlichen Norm'' bin ich voll einverstanden. Doch scheint es ratsam, hier einige weitere Seiten des Normbegriffs zu streifen, um seine Anwendbarkeit auf den Bereich des Satzgefüges zu prüfen. Dies kann aber nicht ohne Berücksichtigung einiger allgemeiner Züge der sprachlichen Norm geschehen. Vor allem ist es notwendig, die Beziehungen der sprachlichen Norm zu den Gesetzmäßigkeiten des sprachlichen Systems zu erfassen. Vom Standpunkt des konkreten Sprachgebrauchs im Kommunikationsprozeß erscheinen die sprachlichen Gesetzmäßig-

10

Einleitung

keiten als Regeln, die der Sprechende zu befolgen hat. So werden sie vor allem von Vertretern der generativen Grammatik betrachtet. Auch die sprachlichen Normen sind Regeln, aber bewußt formulierte und zur Forderung erhobene - im Gegensatz zu den gewöhnlichen Regeln des sprachlichen Systems. So hat man es also bei der E r f o r schung der Sprache mit unbewußten und bewußten Regeln zu tun. Doch vermag der Begriff der "Regel" den Begriff der "Gesetzmäßigkeiten des sprachlichen Systems" nicht vollständig zu ersetzen. Die Regel ist nur die kommunikative Erscheinungsform der Gesetzmäßigkeiten. Wenn man bei dem Begriff der Regel bleibt, läuft man Gefahr, das sprachliche System nur als eine Anzahl von Anweisungen zu bestenfalls zusammenhängenden Operationen aufzufassen, denen der Sprechende und der Hörende das sprachliche Material zu unterziehen haben. Aber das sprachliche System ist in Wirklichkeit ein System von mannigfaltigen Beziehungen zwischen den wesenhaften Einheiten dieses Systems, die als seine Gesetzmäßigkeiten auftreten. Dieses System, das am treffendsten mit einem von magnetischen Kraftlinien getragenen Plasma zu vergleichen wäre, befindet sich nicht nur im psychischen "Innenraum", d. h. (potentiell oder aktualisiert) im Bewußtsein aller die betreffende Sprache s p r e chenden Menschen, sondern auch in einem "Zwischenraum", der durch das Aufeinanderwirken aller dieser unzähligen individuellen sprachbeladenen "Innenräume" gebildet wird. Ein solcher "Zwischenraum" wird in allen nicht okkasionellen, bleibenden sprachlichen Hervorbringungen, mündlichen wie schriftlichen, auch äußerlich zeitlich festgehalten, sozusagen objektiviert. Dies bedeutet, daß in der menschlichen Psyche nicht nur ein Algorithmus existiert, der die Bildungen der menschlichen Rede erzeugt, sondern auch ein Thesaurus, der eine Menge von verschiedenen Einheiten umfaßt, die in mannigfaltigen Beziehungen zueinander stehen, die Gesetzmäßigkeiten des sprachlichen Systems. Erst wenn solche Gesetzmäßigkeiten bei der Generierung einzelner sprachlicher Äußerungen als (bewußte oder unbewußte) Grundlage für Generierungsanweisungen verwendet werden, darf man von Regeln statt von sprachlichen Gesetzmäßigkeiten sprechen. Und wenn diese Regeln bewußt und als direkte Forderungen angewendet werden, darf man von sprachlichen Normen sprechen. Die Unterscheidung sprachlicher Gesetzmäßigkeiten, Regeln und Normen scheint mir nicht nur terminologisch bedeutsam. Es handelt sich um Anerkennung oder NichtAnerkennung des sprachlichen Systems als System, das seine eigenen inneren Gesetzmäßigkeiten besitzt, trotz des interpsychischen Status der Sprache, der an und für sich zu der Auffassung führen könnte, daß die Sprache nur eine Funktion gewisser psychischer Prozesse ist, also kein selbständiges W e s e n

hat. Wenn wir die sprach-

lichen Gesetzmäßigkeiten anerkennen, erkennen wir auch an, daß sich die Sprache bei aller unlösbaren Verschlingung mit dem psychischen Leben des Menschen doch audh

Zum Problem der sprachlichen Norm

11

objektiviert. Eigentlich meinen das - mehr oder weniger bewußt - alle Forscher, die die Sprache - mehr oder weniger explizit - als ein System aufgefaßt haben, auch die modernen Forscher, die die Sprache als ein semiotisches System behandeln. Denn ein System, zumal ein semiotisches System, kann ohne eine besondere Wesenheit, die sich in den Beziehungen der grundlegenden Einheiten des Systems manifestiert, nicht bestehen. Allerdings bildet die Sprache ein überaus kompliziertes, multidimensionales und asymmetrisches semiotisches System, daß sich von einem gewöhnlichen semiotischen Kode grundsätzlich unterscheidet. Doch hebt die Scheidung der Begriffe Sprachliche Gesetzmäßigkeit - Regel Norm keineswegs alle Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Begriffes Norm auf. Auch in mancher anderen Beziehung bleibt dieser Begriff vage und unbestimmt. Vor allem zeigen sich Unklarheiten beim Vergleich der Norm mit dem Usus, d. h. dem vorherrschenden Sprachgebrauch. Am deutlichsten wird die sprachliche Normierung in solchen Fällen, wo es gewisse irgendwie fixierte Regeln gibt, deren Nichtbefolgung als Fehler angesehen wird und zu einer schlechten Note im Schulunterricht führt. Sprachliche Norm ist also da vorhanden, wo irgendwelche Abweichungen in der Bildung sprachlicher Formen als fehlerhaft empfunden und gerügt werden. Allerdings gibt es in der sprachlichen Kommunikation auch noch andere Reaktionen von Hörer oder Leser, .durch die die Überschreitung des sprachlichen Usus als einer Norm deutlich wird: 1. das Nicht-Verstehen, 2. die Äußerung als komisch empfinden, 3. die Äußerung als verletzend empfinden. Dementsprechend sind auch die Formen der Reaktion verschieden, die die Ablehnung solcher sprachlichen Formen zum Ausdruck bringen: wiederholtes Nachfragen, Lächeln, L a chen, entrüstetes Achselzucken usw. Davon ist m. E . das Lachen besonders wichtig, auch der Spott, der überhaupt zu den wichtigsten sozialen Regulativen gehört. Dies sind die Waffen des sprachlichen Usus, um sich in der Sprachwirklichkeit zu be haupten. Und insofern dem Usus Kampfmittel gegen die nicht-usuellen Sprachformen zur Verfügung stehen und er sie wirklich gebraucht, tritt er nicht nur als eine über wiegende, gewohnheitsmäßige Sprachpraxis auf, sondern eben als Norm, die sich den Abweichungen von der betreffenden Praxis militant entgegensetzt. Wenn man die Sache so betrachtet, kann man als die erste und wichtigste Unterscheidung festhalten: explizit kodifizierte Normen (in der Literatursprache) und Normen, die nicht explizit kodifiziert sind (im sprachlichen Usus). Um der Kürze willen werde ich sie einfach als kodifizierte und nicht kodifizierte Normen bezeichnen. Doch lassen sich auch die Beweggründe verstehen, die manchen Forscher veranlaßt haben, dem Sprachusus normativen Charakter überhaupt abzusprechen. Die Abwehrmittel des Usus werden nur sporadisch verwendet, und sie schützen in der Regel weder das gesamte Usussystem noch das System irgendeines seiner Ebenen, sondern

12

Einleitung

nur einzelne Formen einzelner Ebenen. Dagegen erstrecken sich die kodifizierten Normen in entwickelten Literatursprachen auf ganze Ebenen des Sprachbaus, wenigstens auf die meisten Erscheinungen dieser Ebenen, und behandeln sie systematisch. E s besteht hier die Tendenz, mehr oder weniger den Sprachbau in seiner Gesamtheit zu kodifizieren. Eben deswegen wird oft nur die kodifizierte Norm als sprachliche Norm anerkannt. Dies erfordert aber eine eingehendere Charakteristik der existierenden Nörmarten.

2. Die Typologie der Norm E s gibt zwei verschiedene Arten von kodifizierten Normen mit selbstverständlich manchen Übergangserscheinungen: 1. Strenge Normen, d. h. Regeln, die strikt zu befolgen sind. Sie werden in der Schule gelehrt und sind in Lehrbüchern und Nachschlagebüchern als solche verzeichnet. Sie beziehen sich in erster Linie auf Orthographie, Aussprache, äußerliche Gestaltung der grammatischen Formen und einige Fragen ihres Gebrauchs. 2. Ratschläge, ungefähre Normen, d. h. Empfehlungen, die man bei passender Gelegenheit befolgen kann aber nicht befolgen muß. Sie setzen eine gewisse Selbständigkeit in der Entscheidung sprachlicher Fragen von Seiten des Redenden oder Schreibenden voraus und beziehen sich vor allem auf stilistische Fragen, auch auf manche E r scheinungen im Gebrauch der grammatischen Formen. Den nicht kodifizierten Normen sind die strengen kodifizierten Normen scharf entgegengesetzt. Aber bei den ungefähren kodifizierten Normen sind einige gemeinsame Züge mit den nicht kodifizierten möglich. Erstens werden sie wie diese oft nicht als geschlossene Systeme verwendet, sondern als Empfehlungen zum Gebrauch einzelner grammatischer Erscheinungen. Zweitens weisen sie zuweilen eine Mischung von Objektivität und Subjektivität auf, die sich mit der Haltung eines Sprechers vergleichen läßt, der im Namen des Usus auftritt, indem er sich einerseits auf den Usus als eine objektive Norm beruft ("Aber so spricht man doch nicht . . . " ) , andererseits aber auf seine subjektive Empfindung ("Es klingt so komisch . . . " ) . Deswegen meine ich behaupten zu dürfen, daß kodifizierte und nicht kodifizierte Normen nicht durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt sind, vielmehr gewisse Berührungspunkte bestehen. Allerdings trifft dies nur in dem Fall zu, wenn man die ungefähren kodifizierten Normen auch zu den eigentlichen, "richtigen" Normen zählt und diesen Status nicht nur auf die strengen Normen beschränkt. Der Bereich der strengen Normen ist jedoch verhältnismäßig beschränkt. Erstehs

Typologie der Norm

13

zeitlich, da die Entwicklungsperioden vieler Sprachen, die explizit kodifizierte Normen aufweisen, nur eine kleine Spanne in der allgemeinen Geschichte dieser Sprachen ausmachen, zweitens funktionalstilistisch, da vor allem die Schriftsprache explizit kodifiziert wurde, drittens in Abhängigkeit von den verschiedenen Ebenen des sprachlichen Systems, da sich diese der expliziten Kodifizierung auf verschiedene Weise fügen. Für unsere Problematik ist die dritte Beschränkung besonders wichtig. In der Syntax lassen sich die Normen überhaupt nicht so streng kodifizieren wie in der Phonetik 2 und Morphologie, geschweige denn in der Orthographie. Das hängt damit zusammen, daß die syntaktischen Gebilde viel plastischer sind als alle anderen sprachlichen Ge3

bilde, mit Ausnahme der Lexik natürlich.

Die Variierungsmöglichkeiten in Bildung

und Gebrauch der syntaktischen Formen sind in allen entwickelteren Literatursprachen unvergleichlich größer als die der orthographischen Formen, die ihrem Wesen nach überhaupt einheitliche Kodifizierung anstreben, größer als die der morphologischen Formen, die in der Regel nur eine geringe Anzahl von Varianten aufweisen, und größer als die der phonetischen Formen, die zwar gewöhnlich mehrere lautliche Varianten bei der Bildung eines Phonems gestatten, was aber gerade die Notwendigkeit einer streng kodifizierten ideell einheitlichen Aussprache besonders aktuell macht. Doch unterscheiden sich die einzelnen syntaktischen Formen beträchtlich hinsichtlich ihrer Variabilität. Ziemlich arm an Varianten ist das umfangreiche Gebiet der obligatorischen lexikalisch-grammatischen Fügungspotenzen (Valenz) des Verbs und der Präpositionen. Freilich kommen auch hier Schwankungen vor. So variiert (ohne se4 mantische Gründe) die Kasusrektion bei der Präposition /wegen/ (Genitiv - Dativ) und bei einigen anderen Präpositionen, auch bei einigen Verben (z. B . Wechsel zwig

sehen Akkusativ + Akkusativ und Akkusativ + Dativ bei /lehren/).

Aber im großen

und ganzen sind die obligatorischen lexikalisch-grammatischen Fügungspotenzen des Verbs und der Präpositionen im deutschen Satz fest. Häufig sind dagegen Varianten im Bereich des Substantivs. Hier kommen verschiedene Formen des Attributs in Betracht: besonders Genitivattribut - Präpositionalattribut - Zusammensetzung (/die Bearbeitung der Metalle/ - /die Bearbeitung von Metallen/ - /die Metallbearbeitung/). Reich sind auch die Variierungsmöglichkeiten bei den fakultativen Gliedern der Verbgruppe, wo es oft zu einem Parallelismus von Präpositionalgruppen, Infinitivgruppen, PartiziQ pialkonstruktionen und Nebensätzen kommt. Aber solche Varianten, die mit Recht meist nicht als Varianten, sondern als synonyme Formen bezeichnet werden und gewöhnlich mit gewissen, wenn auch zuweilen kaum spürbaren Differenzierungen in ihrem verallgemeinerten Bedeutungsgehalt verbunden sind, befinden sich untereinander nicht nur in Konkurrenzkampf, sondern auch in Komplementärbeziehung, so daß hier von einer Zerrüttving der grammatischen Normen keine Rede sein kann.

14

Einleitung

Im syntaktischen Bereich treten die Varianten also in erster Linie als Synonyme auf und könnten somit in ihrem Variantenstatus angezweifelt werden. Aber ganz lassen sife sich vom Gesamtsystem der sprachlichen Varianten doch nicht trennen, da die Synonyme eben variiert werden. Anders verhält es sich in bezug auf die Variierungsmöglichkeiten in solchen Bereichen des syntaktischen Systems wie der Wortstellung und der Länge der syntaktischer. Gebilde. Hier gibt es außerordentlich viele Varianten, die in der Regel nicht synonym sind. Aber auch in diesen Bereichen bedeutet die Menge der Varianten keineswegs einnen vollständigen Mangel an Normen. Die Norm macht sich hier nur auf eine kompliziertere Weise geltend. Mit der Einteilung der Normen in kodifizierte und nicht kodifizierte und der kodifizierten in strenge und ungefähre ist das Normensystem noch keineswegs erschöpft. Die Normen unterscheiden sich außerdem in modaler Hinsicht. Akzeptierenden Normen, die positiv Vorschriften zur Gestaltung, zur Semantisierung und zum Gebrauch irgendwelcher grammatischer Formen enthalten, stehen negierende Normen gegenüber, die einzelnes der Art verbieten. Die akzeptierenden Normen regeln die Beziehungen der Varianten, die eben durch sie in ihrem Gebrauch bestimmt werden müssen,auf verschiedene Weise. Man kann unterscheiden: 1. eine ausschließliche Norm: Sie bestimmt, daß eine oder mehrere der Varianten vollständig vom Gebrauch ausgeschlossen werden müssen. So wird z . B . der attributive possessive Dativ (/dem Vater sein Haus/) als Variante zum Genitivattribut (/das Haus des Vaters/) grundsätzlich abgelehnt. 2. eine gleichberechtigte Norm: Sie bestimmt, daß eine oder mehrere der in Frage kommenden Varianten mit gleichem Recht gebraucht werden dürfen. Dies ist oft der Fall bei Genitiv- und Präpositionalattribut (/die Errichtung eines Denkmals/ - /die Errichtung von einem Denkmal/). 3. eine zulassende Norm: Sie bestimmt, daß eine oder mehrere der in Frage kommenden Varianten weniger passend sind als andere, aber doch nicht grundsätzlich abzulehnen sind. Dies ist im großen und ganzen heute der Fall mit der kodifizierten Norm Präp. /wegen/ + Dativ. Die meisten gegenwärtigen normativen Grammatiken, Stilistiken und Wörterbücher lassen diesen Gebrauch zu, obgleich sie Präp. /wegen/+ Genitiv für richtig erklären. 4. eine vorzuggebende Norm: Sie bestimmt, daß eine oder mehrere der in Frage kommenden Varianten besser am Platz sind als andere, ohne sie doch völlig auszuschalten. Diese Normart ist die Umkehrform der zulassenden Norm. Deshalb kann man hier das gleiche Beispiel anführen, nur unter entgegengesetztem Aspekt: als eigentlich richtiger Kasusgebrauch bei der Präp. /wegen/ wird von den gegenwärtigen normativen1

Typologie der Norm

15

Stilistiken und Wörterbüchern der Genitiv empfohlen, aber der Dativ wird als auch möglich angesehen. Ein anderer Standpunkt, von dem aus man Normarten unterscheiden kann, ist die Funktion der Varianten, ob durch sie in Sprache und Rede Unterschiede gesetzt werden oder nicht. E s stehen hier nämlich einander gegenüber: 1. die nicht differenzierende Norm: Sie besagt, daß die von ihr akzeptierten Varianten keine Differenzen in ihrer Semantik oder in ihrem Gebrauch aufweisen. 2. die differenzierende Norm: Sie besagt, daß die von ihr akzeptierten Varianten sich nicht nur formal, sondern auch durch gewisse Besonderheiten anderer Art unterscheiden, wonach man zwei Unterabteilungen im Bereich der grammatischen Formen aufstellen kann: a) die funktional differenzierende Norm, die Unterschiede in der grammatischen Funktion von Varianten festlegt - so haben z. B . einige Varianten der Stellung des finiten Verbs die Funktion der Unterscheidung von Satzarten (Hauptsatz oder selbständiger Satz - Nebensatz, Aussagesatz - Fragesatz oder Aufforderungssatz), b) die semantisch differenzierende Norm, die Unterschiede in der Semantik oder auch stilistischen Färbung grammatischer Varianten festlegt - so ist z. B . die von der Norm der Literatursprache zugelassene Pluralform /Lande/ ein Archaismus gegenüber der stilistisch neutralen Form /Länder/. Allerdings wäre es in solchen Fällen auch möglich, nicht von differenzierenden Normen zu sprechen, sondern einfach von verschiedenen Normen, die den Gebrauch, die grammatische Funktion und die Semantik verschiedener (wenn auch ähnlicher) grammatischer Formen bestimmen. Aber im Einklang mit dem allgemeinen Systemcharakter der Sprache sind die oben angeführten Formen aufeinander bezogen, können nicht als völlig unabhängig behandelt werden. Und das gilt für viele ähnliche Fälle, obgleich es nicht selten auch strittige Erscheinungen gibt. Aber auch wenn man die Existenz der differenzierenden Normen anerkennt, wie ich es tue, ist es doch angebracht, auch gewisse Beziehungen zwischen den anscheinend selbständigen Normen zu erklären, die eng miteinander verbundene grammatische E r scheinungen zu regeln haben. Von diesem Standpunkt aus kann man zwei Arten von B e ziehungen unterscheiden: 1. Die Beziehung der Gleichwertigkeit. Sie ist da vorhanden, wo die in Frage kommenden Normen voneinander unabhängig sind. Dies ist z. B . mit manchen Normen beim Substantiv der Fall, wo die , die die Wahl der Varianten des Attributs betreffen, von denen unabhängig sind, die die Stellung der Attribute angehen (und umgekehrt), trotz mancher Durchkreuzung. 2. Hierarchische Beziehungen. Sie machen sich dort geltend, wo irgendwelche Normen nur als Konkretisierungen und sozusagen "Berichtigungen" einer anderen Norm

16

Einleitung

erscheinen. Eine Norm kann ja die Grundlage des gesamten Normensystems in einem bestimmten Bereich des grammatischen Systems bilden und darf somit als die Grundnorm bezeichnet werden. Die die Grundnorm konkretisierenden Normen dienen dazu, den Geltungsbereich der Grundnorm zu beschränken und zu präzisieren und können als Hilfsnormen (oder Teilnormen) bezeichnet werden. Die Aufstellung der Grundnorm ist der Ausgangspunkt bei der normierenden Regelung jedes grammatischen Bereichs, in dem die Normen hierarchisch aufeinander bezogen sind. Allerdings ist die Grundnorm allein nicht fähig, den richtigen Gebrauch der betreffenden Formen zu sichern, wenn sie ohne Bezug auf die Hilfsnormen formuliert und angewendet wird. Die Hilfsnormen dagegen sind zuweilen imstande, ziemlich genau den Gebrauch der betreffenden Formen zu regeln. So ist z. B. die Grundnorm der Wortstellung im deutschen Satz, namentlich die Forderung, eine Satzklammer zu bilden, wenn die strukturellen Vorbedingungen dazu vorhanden sind, an und für sich wenig präzise, denn es gibt sehr viele Fälle, wo die Klammer nicht gebildet werden darf oder nicht gebildet zu werden braucht. Demgegenüber ist die Hilfs- oder Teilnorm, die besagt, daß die Infinitivkonstruktionen ausgeklammert werden müssen, viel eindeutiger. Sie kennt wenige Ausnahmen und kann als eine direktere Anleitung zum Sprachgebrauch betrachtet werden, obgleich auch sie gewiß nicht hundertprozentig gültig ist. Doch ist diese spezielle Ausklammerungsnorm nur auf der Basis einer allgemeineren Norm denkbar, die erfordert, daß im Satz eine Klammer zu bilden ist. Die Ausklammerungsnorm ist hier nur eine k o r r i gierende Zugabe zur Klammernorm, eben eine Hilfs- oder Teilnorm. Wir haben die Liste der Normarten noch nicht erschöpft. Unter I. 5. werden noch einige zusätzlich eingeführt. Die bereits behandelten sind mehr oder weniger für die Norm als Ergebnis einer Wahl zwischen zwei oder mehr Varianten charakteristisch. Deswegen wurde dabei so oft mit dem Begriff "Variante" operiert. Dieser Begriff ist für unser Problem so außerordentlich wichtig, daß ihm (unter dem Gesichtswinkel der Normbildung) der folgende Abschnitt gewidmet wird. Es sei noch darauf hingewiesen, daß die Norm in ihrer klassischen Form, d. h. als die kodifizierte strenge Norm, gewöhnlich dort erscheint, wo es zur Wahl zwischen heftig konkurrierenden sprachlichen Varianten kommt, z. B. bei der Entstehung einer Nationalsprache auf der Basis mehrerer Mundarten und einiger regionaler Literatursprachen. Auch im Schulunterricht wird die Aufstellung einer sprachlichen Norm dadurch aktualisiert, wenn die Kinder mit uneinheitlicher, variantenreicher Sprache in die Schule kommen.

Begriff der sprachlichen Varianten

17

3. Der Begriff der sprachlichen Varianten. Die Norm als Variantenwahl Zum Wesen der sprachlichen Variante im strengen Sinn des Terminus gehört, daß sie mit der sprachlichen Erscheinung, zu der sie als Variante gehört, den gleichen Umfang in der Dimension hat, die sie beide verbindet. Bei den lexikalischen und grammatischen Varianten tritt als eine solche Dimension gewöhnlich die Semantik auf, was damit zusammenhängt, daß die "klassischen" Varianten dieser Ebenen Verschiedenheit der Form bei gleichem (oder sehr ähnlichem) Bedeutungsgehalt aufweisen. So sind die lexikalischen Varianten /Metzger/-/Fleischer/ formal verschieden, aber semantisch gleich, sowohl qualitativ als auch quantitativ, d. h. im Umfang der von ihnen zum Ausdruck gebrachten Begriffe. Wenn sich die ausschließende Norm der Varianten bemächtigt und eine von ihnen zuzuläßt, die andere (oder die anderen) aber ausschließt, so ist dies eine Operation, die nicht nur innerhalb eines sprachlichen Bereichs verläuft, sondern es zugleich mit anderen ihrem Umfang nach gleichen sprachlichen Erscheinungen zu tun hat. Die normativ zugelassene Variante hat ja die anderen zu ersetzen. Die Fähigkeit des gegenseitigen Ersatzesist überhaupt eines der wichtigsten Charakteristika der Variante. Allerdings scheint die Hervorhebung der Dimensionsgleichheit der sprachlichen Varianten unserer Behauptung zu widersprechen, daß die synonymen Glieder syntaktischer Gebilde Varianten sind. Die grammatischen Synonyme decken sich ja semantisch nie vollständig. Die synonymen Formen des Attributs sind z . B . wirklich keine sprachlichen Varianten im Vollsinn des Wortes. Aber in der Semantik der grammatischen Synonyme gibt es doch auch gewisse zusammenfallende Segmente, gemeinsame "Sememe", die gegenseitigen Ersatz ermöglichen, die sie zu Synonymen machen. Das rechtfertigt die Behandlung der grammatischen Synonymie als einer besonderen, aber sehr wichtigen Abart der Varianten, die ihrerseits zwei Unterarten aufweist. Einige grammatische Varianten könnte man etwa als Dubletten bezeichnen. Sie werden mehr oder weniger zufällig gewählt. Dies ist z. B. der Fall bei /trotz/ mit Genitiv oder Dativ. Selbstverständlich ist die Existenz grammatischer Dubletten mit gewissen allgemeinen Entwicklungstendenzen des deutschen Sprachbaus verbunden. Diese geschichtlichen Prozesse können auch zur Verdrängung einer der Dubletten aus dem Sprachgebrauch führen oder zu ihrem Wandel in eine normativ abgelehnte Form. Aber solange beide (oder mehrere) Dubletten normativ zugelassen sind, ist ihre Wahl, wie gesagt, nicht von den wesentlichen Triebkräften abhängig, die zur Bildung des Satzes führen, 7

in dem die betreffende Dublette auftritt. Die Dubletten sind als die eigentlichen Varianten zu betrachten. Demgegenüber spricht man aber nicht selten auch von Varianten, die in ihrer Gebrauchswahl von der Einwirkung irgendwelcher Triebkräfte auf die Ge-

Einleitung

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staltung des betreffenden Satzes bestimmt werden, und die sich somit nicht nur formal sondern auch funktional voneinander unterscheiden. Es handelt sich dabei um sehr verschiedene funktionale Unterscheidungen, sowohl semantische als auch rhythmische. Die semantischen können z. B. stilistischer Art sein oder von der jeweiligen kommunikativen Einstellung des Sprechers abhängen. Wie gesagt, sind die dabei entstehenden parallelen Bildungen streng genommen keine Varianten mehr, sondern Typen, die in ihrer Gegenüber Stellung eigenartige Reihen (Paradigmen) bilden. So sind die Sätze mit verschiedener Wortstellung /Ich habe dem Kind die Blumen gegeben/ - /Ich habe die Blumen dem Kind gegeben/, wenn sie ohne intonationsmäßige Besonderheiten ausgesprochen werden, keineswegs identisch. Im Satz mit der Abfolge Dat. -Akk. ist das Akkusativobjekt normalerweise das wichtigere und neuere von den nominalen Satzgliedern, im Satz mit der Abfolge Akk.-Dat. das Dativobjekt. Dennoch sind die Möglichkeiten der Umstellung von Satzgliedern und einzelnen Wortformen im deutschen Satz so mannigfaltig, daß sie gewöhnlich als Varianten angesehen werden. Solche Varianten könnte man als funktionalbestimmte den Dubletten entgegensetzen. Daß die an sich fragwürdige Auffassung der funktionalbestimmten Varianten als Varianten zum Teil dennoch berechtigt ist, wird durch die Tatsache bekräftigt, daß auch die Dubletten zuweilen gewisse Funktionen im Text erfüllen. So werden Verbformen mit fakultativem / e / im Hilfsmorphem (z. B. /huscht/ - /huschet/) in Versen oft nicht nur aus rhythmischen Gründen (zur Bildung einer Zusatzsilbe) verwendet, sondern auch zur Schaffung gewisser stilistischer Effekte, z. B. zur Verstärkung der besonderen Atmosphäre in Storms Gedicht "Meeresstrand". Vgl. die zweite Strophe: Graues Geflügel huschet Neben dem Wasser her; Wie Träume liegen die Inseln Im Nebel auf dem Meer. An sich ist aber die Verwendung solcher Varianten mit Zusatz-/e/ nur in einem sehr beschränkten Maß funktional im grammatischen Sinn ausgerichtet. Die Grenze zwischen Dubletten und funktionalbestimmten Varianten ist hier also fließend. Aber es gibt im Bereich der Grammatik viele Varianten, die vor allem funktionalbestimmt sind. Allerdings berühren sich diese eng mit den Synonymen. Wenn man sie als Varianten auffaßt, lassen sie sich in zwei Untergruppen einteilen: 1. die synonymen Varianten mit sehr verschiedenartiger Synonymik 2. die topologischen Varianten mit verschiedenen Möglichkeiten der Wortstellung.

Normative Wahl unter grammatischen Varianten

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4. Die normative Wahl unter den synonymen grammatischen Varianten Vom normativen Standpunkt aus erfolgt die Wahl unter den synonymen grammatischen Varianten in verschiedenen Funktionalstilen gewöhnlich auf verschiedene Weise. In der modernen Literatursprache ist z. B. das zu den synonymen funktionalbestimmten Varianten gehörende possessive Dativattribut vom Typus /dem Vater sein Haus/ (= /das Haus des Vaters/) grundsätzlich verpönt. Auch in korrekterer Umgangssprache steht diese Form unter Verbot. Aber in lockerer, gröberer Umgangssprache ist sie zugelassen, und sie kommt auch in der schönen Literatur vor, allerdings gewöhnlich nur in der Sprache der handelnden Personen. Auch die starken Präteritalformen der schwachen Verben/fragen/, / j a g e n / ( / f r u g / , / j u g / s t a t t / f r a g t e / , /jagte/), die zu den Dubletten-Varianten gehören, sind in der heutigen Literatursprache nicht zugelassen, kommen aber vereinzelt in der Umgangssprache und in der schönen Literatur vor. Die angeführten Beispiele gehören zu einer Gruppe von Varianten, die in der Literatur Sprache als eindeutig unzulässig betrachtet werden. Viele synonyme Varianten werden in der Umgangssprache als unpassend empfunden, z. B. das attributive Gerundiv mit / z u / (/der zu lesende Brief/). Es wird dort durch einen relativen Nebensatz oder durch eine parataktische Konstruktion ersetzt (/der Brief, den ich lesen muß/ - /der Brief, den muß ich lesen/). Die Funktionalstile sind jedoch in der Regel keine streng geschlossenen Systeme. Auch die Varianten, die einem Funktionalstil im allgemeinen fremd sind, können in einigen Fällen doch gebraucht werden, wenn irgendwelche besonderen Faktoren wirksam sind. In moderner Sprache, im 20. Jahrhundert, sind ja die Funktionalstile viel offener geworden, so daß manche grammatischen Varianten in größerem Ausmaß in der gesamten deutschen Sprache verwendet werden, als es früher der Fall war. Dies scheint der Tatsache zu widersprechen, daß die Bildung der Nationalsprache durch Reduzierung der Varianten gekennzeichnet ist, die zuvor in großen Mengen die werdende deutsche Schriftsprache beherrschten. Man sieht gewöhnlich mit Recht in der Überwindung des Variantenübermaßes einen der wichtigsten Züge in der Herausbildung der Norm der deutschen Nationalsprache. Aber dieser Widerspruch ist nur scheinbar. Die Varianten, die bei der Regelung der Literatursprache - besonders im Laufe des 18. Jahrhunderts - verdrängt werden, sind in erster Linie Dubletten, u. a. auch grammatische Dubletten. Dagegen sind die Varianten, die in der neuesten Zeit zum Gemeingut auch solcher Funktionalstile werden, in denen sie früher nicht gebraucht wurden, nicht Dubletten, sondern funktionalbestimmte Varianten, vor allem synonyme Bildungen, die die Sprache bereichern und dem sprachlichen Ausdruck besondere g Schmiegsamkeit verleihen.

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Einleitung Allerdings sind auch grammatische Dubletten nicht völlig aus der heutigen deut-

schen Sprache verschwunden, was besonders deutlich wird, wenn man alle nationalen Varianten der deutschen Literatursprache berücksichtigt. Bei der Charakteristik der Varianten im Deutschen haben wir bisher, wie üblich, nur solche Varianten im Auge gehabt, die in der Sprache als eine wiederkehrende E r scheinung auch fixiert sind, die in ihr einen bestimmten, wenn auch in einigen Fällen der literarischen Norm widersprechenden Status besitzen. Eine solche Aufassung der Varianten ist zweifellos die einzig richtige, wenn man ihre Rolle im sprachlichen System und in der Entwicklung der sprachlichen Norm feststellen will. Nun kommen aber im sprachlichen Verkehr, im mündlichen wie im schriftlichen, unzählige individuelle Abweichungen von den normativ vorgeschriebenen Sprachformen vor, auch den grammatischen. Sie werden gewöhnlich - und mit Recht - als Fehler angesehen. Doch sind diese Fehler gewissermaßen zugleich auch Varianten - Varianten der Formen, die durch die Existenz dieser recht sonderbaren Varianten entstellt werden. Man könnte sie im Gegensatz zu den fest eingewurzelten, habituellen Varianten als okkasionelle bezeichnen. Übrigens könnte man unter diesen okkasionellen Varianten noch gewisse öfters wiederkehrende Typen aussondern, was auch nicht selten geschieht, wenn man z. B. von typischen Fehlern in Schüler auf Sätzen spricht. Solche Fehler, d. h. okkasionelle sprachliche Varianten in unserem Sinne, sind oft sehr lehrreich als Mittel zur Bestimmung gewisser Widersprüche im orthographischen und phonetischen oder sogar im grammatischen System der Sprache. Alle derartigen okkasionellen Varianten sind natürlich Dubletten. In der Anfangsperiode der Herausbildung der deutschen Schriftsprache war die Zahl der okkasionellen Dubletten außerordentlich groß, und es wäre wahrscheinlich schwer, eine feste Grenze zwischen ihnen und den habituellen Dubletten zu ziehen. Die okkasionellen Varianten sind also im gegenwärtigen Deutsch einfach Fehler, die von der herrschenden Norm abgelehnt werden und überhaupt keinen bleibenden Ort im sprachlichen System haben. So ist z. B. die Zweitstellung des finiten Verbs im nichtabhängigen Aussagesatz im Deutschen so fest, daß Abweichungen davon (außer der Anfangsstellung des Verbs in lebendiger sorglos-umgangssprachlicher Erzählung und in wenigen anderen Fällen) als Fehler erscheinen, die nur durch Eile, Zerstreutheit o. ä. hervorgerufen werden. Und doch gibt es Fälle, in denen z. B. das Verbum finitum selbst bei den Klassikern in nicht-abhängigen Aussagesätzen an dritter Stelle erscheint. So findet man bei Goethe, in "Wilhelm Meisters Wander jähre", folgenden Satz /Lucidor des nächsten Abends (er hatte kaum die Türe angezogen, das Licht noch nicht niedergesetzt) rief aus

/ , in dem nach dem Subjekt eine adverbiale Bestimmung steht. Aller-

dings könnten hier gewisse Triebkräfte eine solche Verletzung der deutschen Wortstellungsnorm motivieren. Erstens ist die Episode, in der der betreffende Satz steht, im

Normative Wahl unter grammatischen Varianten

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Gegensatz zur emotionalen Grundhaltung des Romans sehr emphatisch, was zu ausgefallenen sprachlichen Formen führen kann. Zweitens steht nach der adverbialen Bestimmung /des nächsten Abends/ als ihre eigentliche Fortsetzung und Konkretisierung ein eingeschalteter Satz in Klammern /(er hatte kaum

)/, also eine Parenthese, die

auch die vorhergehende und mit ihr zusammenhängende Bestimmung sozusagen parenthetisch färbt - und Parenthesen werden ja nicht als regelrechte "Stellen" des deutschen Satzes gezählt. Drittens ist für Goethes Sprache in den "Wanderjahren" charakteristisch, nach dem satzeröffnenden Subjekt irgendein verselbständigtes (abgesondertes) Attribut einzufügen, z. B. attributive Partizipialkonstruktionen: /Der treffliche Mann, Kraft und Vermögen zusammenhaltend, sagte zu sich selbst: . . . / ; / E r , dadurch aufgeregt und ermutigt, sucht seine Zwecke heftig bis ins Ungehörige zu verfolgen . . . / . Und doch ist die Substantivgruppe /des nächsten Abends/, da sie durch kein Interpunktionszeichen vom Subjekt getrennt ist und semantisch nicht attributiv sondern adverbial ausgerichtet ist, weder eine Parenthese noch ein nachgestelltes Attribut, so daß in diesem Satz das finite Verb von seiner üblichen Stelle verdrängt ist und der Satz wortstellungsmäßig zu einer besonderen Variante der gewöhnlichen nicht-abhängigen Aussagesätze wird. Solche Fälle, wenn sie auch nur ausnahmsweise vorkommen, können durchaus als normativ zugelassene Varianten verstanden werden. Da sie aber nur sporadisch auftreten und eigentlich überhaupt völlig ausfallen könnten, wäre es angebracht, sie als potentielle Varianten zu betrachten. Die Aufstellung von potentiellen Varianten scheint zwar keinen praktischen Sinn zu haben, aber sie ist doch prinzipiell wichtig, weil es auf diese Weise möglich wird, jede sprachliche Regel, die durch die Gegenüberstellung irgendwelcher Varianten zustande kommt, als Norm zu verstehen, wenn auch diese anderen Varianten nur potentiell existieren. Allerdings nimmt in dieser Hinsicht die Norm als Grenze eine besondere Stelle ein, vgl. 1.5. Es wurde oben (besonders bei der Analyse des Wortstellungsbeispiels aus Goethes "Wanderjähren") bereits darauf hingewiesen, daß die sprachlichen Normen keine absolute Geltung haben. Unter Einwirkung mächtiger Triebkräfte können sie durchbrochen werden, vor allem in der Syntax, was mit dem plastischen Charakter syntaktischer E r scheinungen zusammenhängt. Deswegen findet man in der sprachlichen Praxis neben den syntaktischen Formen, die nach der herrschenden Norm gebildet sind, immer auch Formen, die dieser Norm widersprechen. Allerdings ist von großer Wichtigkeit, in welcher Beziehung die selten oder auch oft von der Norm abweichenden Varianten zu den nach der Norm gebildeten stehen. Einerseits gibt es solche, die prinzipiell die betreffende Norm aufheben. Dies ist z. B. der Fall, wenn in nördlicher Umgangssprache Dativ und Akkusativ verwechselt werden. Aber es gibt auch Abweichungen, die auf der Grundlage der betreffenden Norm verblei-

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Einleitung

ben und nur gewisse Abänderungen unter der Einwirkung von irgendwelchen zusätzlichen Faktoren zeigen. Dies ist gewöhnlich der Fall bei Abweichungen vom Satzrahmen. Die Ausklammerungen entstehen in der Regel durch den Einfluß gewisser Triebkräfte. Es sind hier also auch Normen im Spiel, aber sozusagen Normen zweiten Grades, Zusatznormen, die die Grundnorm vervollständigen. Die nach der Norm gebildeten Formen sind gewöhnlich viel häufiger als die von der Norm abweichenden. Aber es wäre falsch, das quantitative Merkmal als das einzige bei der Aufstellung von sprachlichen Normen zu betrachten. Besonders wenn die zu vergleichenden Varianten nicht einfach im Verhältnis richtig - falsch zueinander stehen, sondern an ihrer konkreten Stelle in ihrer konkreten Form und in Erfüllung ihrer konkreten Funktion passend sind, da sie durch mannigfache Triebkräfte hervorgerufenen Abwandlungen der Grundnorm entsprechen, reicht das quantitative Merkmal nicht aus, um das wahre Wesen der betreffenden Norm und die Beziehungen zwischen der Grundnorm und den Zusatznormen zu erkennen. Man sollte sich hier eines anderen Verfahrens bedienen. Die in Frage kommenden 9

Varianten sollten vom Standpunkt der syntaktischen Ruhelage aus analysiert werden, d. h. unter Ausschaltung aller Einwirkungen von Seiten des Kontexts und der Situation, auch aller zusätzlichen Komplikationen in der Struktur der grammatischen Form selbst. Solche Varianten, die sich in syntaktischer Ruhelage befinden, kann man als Grundvarianten bezeichnen. Sie entsprechen der im betreffenden Bereich des grammatischen Systems waltenden Grundnorm und bringen diese zum Ausdruck. Die anderen Varianten, die man als Zusatzvarianten bezeichnen kann, entsprechen den im betreffenden Bereich wirkenden Zusatznormen und bringen diese zum Ausdruck. Erst aus dem Zusammenwirken von Grundnorm und Zusatznorm(en), nicht aus der Grundnorm allein, ergibt sich das bunte Wechselspiel des Gebrauchs z . B . der zahlreichen Varianten der Wortstellung im nicht-abhängigen Aussagesatz im heutigen Deutsch. Aber die Grundnorm, die Forderung einen verbal-prädikativen Rahmen im Satz zu bilden, ist die Grundlage dieses ganzen Wechselspiels und darf mit den anderen in diesem Bereich wirkenden Normen hierarchisch nicht als gleichrangig betrachtet werden. Diese anderen Normen sind nur Zusatznormen, die auf der Basis der Grundnorm aufbauen. Sie dürfen keineswegs als konkurrierende "Gegennormen" gelten. Es ist bezeichnend, daß die Zusatznormen oft überhaupt nicht oder nur andeutungsweise kodifiziert sind. Was die wirklichen "Gegennormen", d. h. die oben erwähnten gleichberechtigten Normen betrifft, so treten sie, vgl. I. 2., in der heutigen deutschen Literatursprache selten auf. Als "Gegennormen" ließen sich vielleicht die bereits erwähnten Tendenzen zum Gebrauch der Präposition / t r o t z / mit dem Genitiv oder mit dem Dativ bezeichnen, da keine dieser Möglichkeiten als fehlerhaft kodifiziert wird, obwohl der Genitiv als üblicher vermerkt wird.*"

Norm als Grenze

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Überhaupt glaube ich nachdrücklich betonen zu müssen, daß die grammatische Norm oft nicht als eine absolute, hundertprozentig gültige auftritt, sondern eher als eine Tendenz, die nur durch sorgfältigen Vergleich mit manchen anderen Tendenzen, durch feines Unterscheiden von Grund- und Zusatznormen in ihrem wahren Wesen erkannt werden kann. Wenn man all dies berücksichtigt, so stellt sich heraus, daß die Norm in der Grammatik, besonders in der Syntax der gegenwärtigen deutschen Sprache ein sehr kompliziertes und bewegliches System bildet. Noch komplizierter, verwickelter und beweglicher gestaltete sich gewiß das System der syntaktischen Normen in früheren Etappen der Entwicklung der deutschen Sprache, als sich dieses System im schwierigen Prozeß der Wechselwirkung von landschaftlichen Literatursprachen erst bildete.

5. Die Norm als Grenze. Die präzisierende Norm Die wichtigste Erscheinungsform der sprachlichen Norm ist die Variantenwahl. Deswegen haben wir diese so ausführlich behandelt und an ihr die relevantesten Züge der sprachlichen Norm im allgemeinen zu entwickeln versucht. Doch gibt es noch eine andere, allerdings seltenere und fast ausschließlich auf das syntaktische System beschränkte Art der Normgestaltung, die Norm als Grenze. Unter diesem Begriff verstehe ich eine Norm, die Umfang oder Ausbau einer Struktur eingrenzt. Diese Beschränkung kann zweifacher Art sein. Dem Umfang oder dem Ausbau irgendeiner Struktur kann eine obere oder eine untere Grenze gesetzt werden, d. h. die betreffende Struktur darf nicht kleiner und ihrem Bau nach nicht einfacher sein, als es die Norm erfordert. Die beiden Grenzen (die obere und die untere) gestalten sich auf verschiedener Grundlage. Die obere ist quantitativer, die untere struktureller Art. Die obere Grenze ist schwankend und unbestimmt und wird gewöhnlich nur schwach oder überhaupt nicht kodifiziert. Die untere ist schärfer umrissen und kann genauer kodifiziert werden. Übrigens sind beide Grenzen nicht fest und können unter dem Druck verschiedener Triebkräfte verschoben werden, besonders leicht die obere. Eine obere (quantitative) Grenze bildet sich bei allen grammatischen Einheiten, die offen strukturiert sind, d. h. bei denen sich im Prinzip immer neue Glieder hinzufügen lassen. Das gilt für Wortgruppe und Satz - sowohl Elementarsatz wie zusammengesetzten Satz. Jede von diesen syntaktischen Einheiten ist an sich imstande, sich eine beliebige Anzahl von Komponenten einzuverleiben. So können z. B. einem Elementarsatz immer neue Satzglieder angehängt werden durch Nebenordnung oder Unterordnung.

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Einleitung

Einerseits können die Hauptglieder des Satzes selbst grenzenlos anschwellen, indem sie als endlose Ketten von gleichartigen Gliedern gebildet werden. Andererseits können in den Einfachsatz unendlich viele abhängige Glieder zweiten Grades eingeführt werden (Adverbialbestimmuigen, Attribute usw.), die ihrerseits wieder abhängige Glieder dritten Grades bei sich haben können usw., und auch die abhängigen Glieder können gleichartig gehäuft sein. Nicht nur der Einfachsatz, auch alle anderen Arten des Ganzsatzes, darunter das Satzgefüge, können durch eine beliebige Anzahl von Nebensätzen gestuften Grades erweitert werden. Bereits A. Meillet hat darauf hingewiesen, daß der Umfang des Satzes eigentlich unbeschränkt i s t . 1 1 Diese These gilt für alle Arten des Ganzsatzes. Außerhalb der Syntax sind es nur die zusammengesetzten Wörter, die - wenigstens in einigen Sprachen, so auch im Deutschen - im Prinzip schrankenlos erweiterungsfähig sind. Jedes zusammengesetzte Substantiv kann im Deutschen die Grundlage einer neuen Komposition bilden zu näherer Bestimmung und Konkretisierung. Daran zeigt sich, d^ß die Wortzusammensetzung manches mit der Bildung syntaktischer Einheiten gemeinsam hat.

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Denn die morphologischen Einheiten sind ja ihrem Wesen nach geschlossen. Die Anzahl der grammatischen Kategorien, an denen ein Grundmorphem teilnehmen kann, ist sehr beschränkt, dementsprechend auch die Anzahl der Hilfsmorpheme, die dem Grund13 morphem (dem Wortstamm) hinzugefügt werden können. Allerdings verhalten sich die verschiedenen Sprachen in dieser Hinsicht nicht gleich. Im Deutschen jedenfalls sind die Potenzen syntaktischer Einheiten und zusammengesetzter Wörter theoretisch grenzenlos.Diese Bildungen sind in bezug auf ihren Bestand offen. Praktisch aber werden solche Potenzen nur in bescheidenem Umfange realisiert. In allen Sprachen der Welt bewegt sich der Umfang der syntaktischen Einheiten und der Zusammensetzungen in gewissen Schranken. Das ist selbstverständlich, da zu lange Bildungen unübersichtlich werden und die sprachliche Kommunikation erschweren oder sogar unmöglich machen. Es sind also psychophysiologische Gründe, die hier Grenzen setzen. Doch bedeutet dies nicht, daß die obere Grenze von Umfang und Ausbau syntaktischer Einheiten und zusammengesetzter Wörter durch die Einwirkung psychophysiologischer Triebkräfte fest geregelt ist. Nicht nur in verschiedenen Sprachen, sondern auch auf einzelnen Entwicklungsetappen einer Sprache, sogar in verschiedenen Funktionalstilen einer Sprache innerhalb einer geschichtlichen Epoche variiert die obere Grenze bedeutend. Es gibt ja verschiedene Triebkräfte für die Bildung umfangreicherer und ihrem Ausbau nach komplizierterer syntaktischer Einheiten. Vor aUem die Form der sprachlichen Kommunikation (mündlich oder schriftlich), der Grad ihrer Unmittelbarkeit, das Überwiegen von Gefühl oder Abstraktion beim Kommunikationsakt, der verfügbare

Norm als Grenze

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Bestand an morphologischen Formen und synonymen Bildungen usw. Unter dem Druck dieser konvergierenden Triebkräfte kann sich die obere Grenze von Umfang und Ausbau der syntaktischen Einheit merklich verschieben. Diese Grenze ist eine geschieht 14

liehe Erscheinung, die in ihrer Veränderlichkeit zu behandeln ist. Selbstverständlich ist diese obere Grenze zu keinem historischen Zeitpunkt noch in irgendeinem Funktionsstil streng festgelegt. E s besteht hier keine strenge Norm. Wenn es zur Kodifizierung kommt, wird sie immer nur schwach kodifiziert. Der plastische Charakter syntaktischer Einheiten wird bei Betrachtung der Norm als Grenze besonders deutlich. Immer bleibt es möglich, daß in einer sprachlichen Äußerung z. B . ein Elementarsatz erscheint, der die für irgendeinen Funktionalstil einer bestimmten Sprache einer bestimmten Zeit angenommene obere Umfangsbegrenzung übersteigt. Besonders in der schönen Literatur muß man immer mit der Möglichkeit der Grenzdurchbrechung nach oben rechnen. Der Individualstil irgendeines Verfassers oder der Stil einer ganzen Richtung kann der allgemeinen Norm zuwiderlaufen. Aber dies alles bedeutet nicht, daß sich eine - allerdings nur schwache Norm - der oberen Grenze überhaupt nicht ermitteln ließe. Wenn man' statistische Daten zu Hilfe nimmt und die Fälle ausscheidet, in denen die Übertretung der oberen Grenze unter Einwirkung spezifischer Triebkräfte steht, gelangt man doch zur Bestimmung einer Annäherungsgröße mit e i nem gewissen Spielraum, zu einer "Gürtelnorm". Kodifiziert wird diese Norm, wie gesagt, nur schwach. E s gibt gewöhnlich nur allgemeine Hinweise, sozusagen Warnungen vor dem Gebrauch übertrieben langer und komplizierter Bildungen, ohne explizite Quantitätsangaben. Man findet sie vor allem in Anweisungen zu Stil und Sprachgebrauch. Man muß die Sprachpraxis selbst untersuchen. Aber auch hier kann man nur einen größeren oder geringeren Spielraum feststellen, der ohne Einwirkung besonderer Faktoren nicht überschritten wird. In vorliegender Studie wird der Versuch gemacht, den Spielraum einer solchen oberenGrenze von Umfang und Ausbau eines syntaktischen Gebildes, und zwar des Satzgefüges, für einige nah miteinander verbundene Funktionalstile der deutschen Schriftsprache in einer gewissenEntwicklungsperiode zu ermitteln. Das Anwachsen von Umfang und Ausbau syntaktischer Gebilde hat gewöhnlich zur Folge, daß sich kompositioneile Typen (Modelle) herausbilden, die besonders geeignet sind, diese umfangreichen und komplizierten Bildungen strukturell zusammenzuhalten und semantisch überschaubar zu machen. Bei verschiedenen syntaktischen Gebilden entwickeln sich diese kompositionellen Typen unterschiedlich, haben aber auch gemeinsame Züge. So ähneln sich in mancher Hinsicht Substantivgruppen und Satzgefüge. Sowohl vor als auch nach der herrschenden Komponente dieser Gebilde lassen sich ganze Komplexe von abhängigen Komponenten bilden. Allerdings verfügt das Satzgefüge zusätzlich über die Möglichkeit, mehrere abhängige Komponenten im Innern der herrschenden Komponente (des Hauptsatzes) unterzubringen, sogar mehrfach.

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Die Bildung gewisser "optimaler" Strukturen - vom Standpunkt des Gestaltungssy15 stems der Sprache - läßt die Tendenz aufkommen, diese im Vergleich zu anderen als normative zu fixieren. Natürlich betrifft die normative Wahl auch andere (d. h. weder umfangreiche noch komplizierte) Strukturen, aber im Bereich der umfangreichen und komplizierten Strukturen wird die Einführung von Normen besonders notwendig, um das unbehinderte Funktionierender sprachlichen Kommunikation zu ermöglichen. Die untere Grenze von Umfang und Ausbau der syntaktischen Gebilde ist der Quantität nach leicht zu bestimmen. Wenn man Null als Reduzierungsgrenze sinngemäß ausschließt, bleibt als Mindestmai?, auf das ein syntaktisches Gebilde gebracht werden kann, eine Komponente bestehen. So führt z. B. die Reduktion des Elementarsatzes letzten Endes so weit, daß von ihm nur ein Wort (eine Wortform) übrig bleibt. In der Schrift kann allerdings als letzter Rest eines Elementarsatzes auch ein Interpunktionszeichen gelten: so erscheint z. B. im Dialog zuweilen ein Fragezeichen statt einer Antwort. Im mündlichen Dialog dürfte man vielleicht dementsprechend eine Geste (z. B. Achselzucken) oder interjektionsartige Laute als letzten Rest, d. h. die untere Grenze von Umfang und Ausbau des Elementarsatzes betrachten. Interpunktionszeichen und Gesten sind ja keine Nullformen der Kommunikation. Normalerweise aber sind alle diese Ausdrucksmittel nicht Reduzierungen des betreffenden syntaktischen Gebildes, sondern besondere Zeichen, dieses zu ersetzen, wenn die kommunikative Situation dazu Gelegenheit bietet. Wenn man aber von Reduktion syntaktischer Gebilde als solcher spricht, darf man doch nur ein singulares Wort (eine singulare Wortform) als quantitätsmäßig untere Grenze des Elementarsatzes arierkennen. Bei anderen syntaktischen Gebilden ist diese Reduktion auf ein Element allerdings nicht so leicht vorzuführen. Als untere Grenze der Satzreihe erscheint z . B . eine Konstruktion aus zwei nebengeordneten Elementarsätzen, beim Satzgefüge eine Konstruktion aus einem Haupt- und einem Nebensatz, bei der Wortgruppe die Konstruktion aus zwei Wörtern (Wortformen) und beim zusammengesetzten Wort die Konstruktion aus zwei Wortstämmen. Aber im Kontext kann auch hier der Bestand auf eine einzige Komponente reduziert werden. Auf einen Fragesatz, der

durch

das Interrogativadverb /warum/ eingeleitet

ist, kann eine Antwort folgen, die nur aus einem Nebensatz besteht, der durch eine Kausalkonjunktion eingeleitet ist. Auch ein nebengeordneter Satz, durch /und/ eingeleitet, kann in ähnlicher kommunikativer Situation allein stehen und strukturell eine ganze Satzreihe vertreten, dessen erste Komponente (oder sogar mehrere Komponenten) semantisch aus dem vorhergehenden Kontext zu entnehmen ist. Ähnlich verhält es sich mit der Wortgruppe und sogar mit der Zusammensetzung. Die untere Grenze von Umfang und Ausbau syntaktischer Einheiten (und der Zusam-

Norm als Grenze

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mensetzung) läßt sich also rein quantitätsmäßig ziemlich leicht bestimmen. Die Norm, die dabei wirksam ist, ist verhältnismäßig einfach und zum Teil sogar selbstverständlich. Aber nicht immer darf man die Bestimmung der unteren Grenze rein quantitätsmäßig vornehmen. Es gibt in einigen Sprachen gewisse Einschränkungen grammatischer, struktureller Art, die sich allerdings vorwiegend auf den Elementarsatz beziehen, aber doch erwähnenswert sind. Sie hängen mit den allgemeinen Zügen des grammatischen Baus der betreffenden Sprache zusammen. Anscheinend ist dabei folgende Tendenz wirksam: je selbständiger und freier eine Wortform im Satz und in der Wortgruppe auftritt, und je mehr sie selbst über ihre grammatischen Bedeutungsgehalte und Funktionen Auskunft zu geben vermag, desto weniger Einschränkungen gibt es bei der Reduzierung (Kürzung) des Elementarsatzes. Die untere Grenze von Umfang und Ausbau des Elementarsatzes wird dabei in der Regel die niedrigst mögliche, d. h. ein Wort bzw. (eine Wortform) sein. Umgekehrt: je weniger eine Wortform selbst über ihre grammatischen Bedeutungsinhalte und Funktionen Auskunft zu geben vermag und je gebundener und unselbständiger sie im Satz und in der Wortgruppe auftritt, desto mehr Einschränkungen gibt es bei der Reduzierung (Kürzung) des Elementarsatzes, und die untere Grenze wird dann in gewissen Fällen durch zwei oder noch mehr Wörter bzw. 16 (Wortformen) gebildet. Im Deutschen, wo die Wortformen in Satz und Wortgruppe in mancher Hinsicht nicht selbständig sind, besteht eine der wichtigsten Einschränkungen bei der Reduzierung des Satzes darin, daß in Antwort- und Wiederaufnahmesätzen vorher bereits genannte Komponenten, namentlich das kopulative Verb und das Prädikativ wiederholt werden müssen, gewöhnlich durch schwaches pronominales / e s / , / ' s / : z. B. /Bistdugesund? Ichbin's/,nicht: /Ich bin/, obgleich semantisch/Ich bin/ völlig genügen würde. Übrigens wäre auch die Form des kopulativen Verbs allein semantisch imstande, die positive Antwort auf die Frage mit genügender Deutlichkeit zu geben. Aber die strukturellen Gesetzmäßigkeiten des deutschen grammatischen Systems verbieten (außer in einigen spezifischen kommunikativen Situationen), das finite Verb ohne Subjekt zu gebrauchen. So erscheint hier die untere Grenze als ein Gebilde aus drei Wortformen, die zugleich Satzkomponenten sind. Hier ist normalerweise eine Reduktion der notwendigenSatzkomponenten überhaupt nicht möglich. Allerdings ist im Fall einer E r gänzungsfrage als Antwort z. B. auf den Satz /Wer ist e s ? / die Reduzierung auf eine Wortform, das Subjekt, nicht nur möglich, sondern sogar erforderlich: /Wer ist e s ? Hans./ Die Reduzierungsbeschränkungen in Antwort- und Wiederaufnahmesätzen vom Typus: /Ich b i n ' s / ist das Ergebnis der Wirkung einer spezifischen strukturellen Norm des deutschen Satzbaus, die die untere Grenze von Umfang und Ausbau derartiger Sätze r e gelt. Im Hinblick auf Regeln dieser Art habe ich oben die Norm der unteren Grenze als

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Einleitung

strukturelle Norm bezeichnet. Diese Norm gründet sich auf die obligatorischen Fügungspotenzen einiger Wortformen, die diese aufweisen, wenn sie in einer bestimmten syntaktischen Funktion auftreten. Als feste obligatorische Funktion einer Fügungspotenz, die die Reduzierung des Satzes auf ein einziges Wort verhindert, erscheint vor allem die der Kopula, die die Einbeziehung eines Prädikativs in den Satz erfordert. Im großen Ganzen fest ist auch die obligatorische Fügungspotenz des finiten Verbs in bezug auf das Subjekt. Die strukturell begründete untere Grenze des deutschen Elementarsatzes wird, wie es allen syntaktischen Strukturen geht, nicht immer aufrechterhalten. Unter dem Druck mächtiger Triebkräfte kann sie durchbrochen werden. Aber diese Triebkräfte müssen wirklich sehr stark sein. Der Elementarsatz muß unter sehr großem Gefühlsanteil erzeugt werden, wobei einer der durch das finite Verb zum Ausdruck gebrachten Bedeutungsgehalte, vor allem die Temporalität oder die Modalität (Affirmativität) des Satzes besonders hervorgehoben werden soll, wenn die untere Grenze (z. B. in solchen Antwortsätzen wie /Ich bin' s/) weiter heruntersinken soll. Solche emphatisch motivierten Kürzungen kommen im Funktionalstil der Umgangssprache vor, vonwoaus sie auch in die schöne Literatur eindringen, in erster Linie in die Sprache der handelnden Personen. Eine solche Kürzung wird gewöhnlich nicht bis aufs Äußerste getrieben: meist fällt nur eine Komponente von dreien aus, entweder das Objektspronomen ( / e s / , / ' s / ) oder das Subjekt. Besonders begünstigt wird eine solche Kürzung durch die Anwesenheit von Negationen oder Modalwörtern und Modalpartikeln, die einerseits das Fehlen bestimmter Satzkomponenten quantitätsmäßig ausgleichen und auf diese Weise die untere Grenze von Umfang und Ausbau des Satzes doch nicht auf das tiefste Niveau sinken lassen, andererseits aber die Form des finiten Verbs topologisch "decken" können, indem sie die erste Stelle im Satz einnehmen. Nur sehr selten erscheint in einem Antwortsatz das finite Verb allein. Z . B . : /Warum rauchen Sie . . . Ihre Lunge ist nicht ganz gesund. - War

/ (Chr.

Wolf). Die Reduzierung auf den Minimalumfang und den Minimalbestand des Elementarsatzes ist hier durch die Einstellung des Sprechenden hervorgerufen, der die Tatsache betonen will, daß seine Krankheit der Vergangenheit angehört. Die verallgemeinerte grammatische Bedeutung der Vergangenheit, die dem Präteritum als solchem innewohnt, wird durch die isolierte Stellung der Wortform / w a r / besonders unterstrichen und emphatisch hervorgehoben. Aber derartige Abweichungen von der strukturell bedingten Mehrgliedrigkeit der unteren Grenze von Umfang und Ausbau des Elementarsatzes heben die Mehrgliedrigkeit als ausschlaggebende Gesetzmäßigkeit in diesem Bereich nicht auf. In syntaktischer Ruhelage, wenn die starken Einwirkungen von Seiten des Kontexts und der Situation

Norm als Grenze

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fehlen, bleiben die bis zur untersten Grenze reduzierten Satztypen mehrgliedrig, was diese Struktur als Grundlage der Konstruktion derartiger Sätze ausweist. Die Mehrgliedrigkeit ist hier Norm. Die Norm, die bei der Aufstellung der oberen und der unteren Grenze von Umfang und Ausbau des Satzes in Erscheinung tritt, habe ich als eine besondere Art der Norm, "Norm als Grenze" der Norm als Variantenwahl gegenübergestellt. Dies war notwendig, um das Spezifische der Norm als Grenze zu verdeutlichen. Letztlich hängt aber auch die Norm als Grenze mit der Norm als Variantenwahl zusammen. Denn auch die oben behandelten Fälle können als Varianten zu Konstruktionen aufgefaßt werden, die den gleichen semantischen Gehalt in einem umfangreichen Einfachsatz, in mehreren Einfachsätzen oder in einer Satzreihe ausdrücken. Der bis an die unterste Grenze r e duzierte Satz kann als eine Variante des vollständigen Satzes betrachtet werden usw. Aber in allen diesen Fällen dient die Norm nicht unmittelbar dazu, die Wahl zwischen den in Frage kommenden Varianten zu bestimmen und zu beeinflussen, sondern dazu, die tatsächlich existierenden Möglichkeiten der Ausweitung des Satzes wie seiner R e duzierung zu explizieren und den Sprechenden und Schreibenden als Gebrauchsanweisung vorzuführen. Das Ziel ist hier, die Tragfähigkeit des Satzes sowohl nach oben als auch nach unten hin zu ermitteln und vor Überschreitung der gesetzten Grenzen zu warnen. Deswegen scheint es angebracht, die Norm als Grenze von der Norm als Variantenwahl grundsätzlich zu scheiden. Wenn die Norm als Grenze sich von der Norm als Wahl durch manche Eigenheiten deutlich abhebt, so ist die präzisierende Norm nur eine Abart der Norm als Wahl. Sie unterscheidet sich von anderen Arten der Norm als Wahl dadurch, daß sie besonders kommunikativ-semantische Beziehungen zwischen den zur Wahl stehenden Varianten voraussetzt, wobei die eine semantisch präziser ist als die anderen. So ist im heutigen Deutsch bei der Konkurrenz zwischen der umgangssprachlichen Universal-Konjunktion /wo/ und dem Relativpronomen als Mittel zur Einleitung von Relativsätzen das Pronomen die präzisere Ausdrucksform. Denn erstens ist das Relativpronomen imstande, grammatische Kategorien des Bezugswortes wiederzugeben, wie Geschlecht und Zahl, was die Universal-Konjunktion /wo/ nicht kann. Zweitens kann /wo/ außer Relativsätzen auch andere Nebensätze einleiten. Deshalb ist die Norm der deutschen Literatursprache, die den Gebrauch der Konjunktion /wo/ in Relativsätzen verbietet, eine präzisierende Norm. Es ist nicht so, daß sich bei starken Unterschieden in der semantischen Präzision immer die präzisere Variante durchsetzt. Da sich das grammatische System unter der Einwirkung verschiedener Triebkräfte bildet und nicht nur ein Beziehungs- sondern auch ein Gestaltungssystem ist, so ist bei der normativen Variantenwahl nicht immei der Grad der semantischen Präzision entscheidend. Es wäre gewiß viel präziser,

30 Einleitung semantisch und syntaktisch zusammengehörende Komponenten syntaktischer Bildungen nebeneinander zu stellen, statt sie voneinander zu trennen. Aber aus dem Konkurrenzkampf von Varianten mit einerseits Kontaktstellung und andererseits Distanzstellung gehen in einigen Fällen die letzteren als Sieger hervor. Vor allem gilt das im Deutschen für die Komponenten der verbal-prädikativen Gruppe im unabhängigen Elementarsatz und für Subjekt und finite Verbform im Nebensatz. Der Satzrahmen wird ja gerade durch die Distanzierung eng zusammengehörender Komponenten gebildet. Er ist die Struktur, die im Deutschen von der Norm gefordert wird, obgleich daneben auch einschränkende Nebennormen gültig sind, die Ausklammerungen zulassen. Vom Standpunkt des Muttersprachlers erscheinen selbst die unpräzisen Varianten, sofern sie von der Norm akzeptiert sind, als durchaus natürlich und sogar selbstverständlich. Was ich hier als präzisere Variante bezeichne, wird durch allgemeine logische Beziehungen zwischen den Begriffen bestimmt, die in syntaktischen Gebilden zum Ausdruck gebracht werden. Es ist somit eine abstrakte, rein gedankliche Kategorie. Als eine allgemeine Tendenz wirkt sie sich im syntaktischen System einer konkreten Sprache nicht mechanisch aus, sondern nur dann, wenn keine starken entgegenwirkenden Faktoren im Spiele sind.

6. Die Norm im Bereich des Satzgefüges 17 Das Satzgefüge

kann in verschiedener Weise als Objekt grammatischer Normierung

betrachtet werden. In seinem Bereich gilt die Norm als Variantenwahl, die Norm als Grenze und die präzisierende Norm. Ich führe im folgenden formale Merkmale an, die dem Satzgefüge in flexivisch-analytischen Sprachen wie der deutschen eigen sind und einer Norm unterworfen sein können. In den Bereich der Norm als Variantenwahl gehören die folgenden Merkmale: 1. Es gibt Nebensätze, die mit Hilfe von besonderen morphologisch-lexikalischen Mitteln (Konjunktionen, Relativpronomina) eingeleitet (überhaupt mit dem herrschenden Satz verbunden) werden, und solche, die ohne solche Mittel mit dem regierenden Satz verbunden werden. Die eingeleiteten und nicht eingeleiteten Nebensätze sind im System einer Sprache entweder real existierende oder potentielle Varianten, und es muß eine Norm geben, die den Gebrauch dieser Varianten regelt. 2. In den eingeleiteten Nebensätzen können verschiedene morphologisch-lexikale Initialelemente gebraucht werden, die zum Teil einander systemhaft ergänzen, zum Teil konkurrieren. Als konkurrierend treten einerseits solche Initialelemente auf, die ungefähr den gleichen Bedeutungsumfang haben ( z . B . /ehe/ und /bevor/), anderer -

Norm im Satzgefüge

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seits solche, die sich semantisch nicht voll decken (z. B. in deutscher Umgangssprache das deklinierte Relativpronomen und das Relativadverb /wo/). Die Norm hat hier über den Gebrauch solcher konkurrierenden Varianten zu entscheiden. 3. In den regierenden Sätzen können spezielle Wortformen eingefügt werden, die auf den Nebensatz Bezug nehmen (Korrelate). Die Norm hat hier über den Gebrauch von regierenden Sätzen mit und ohne Korrelat und über die Wahl der Form des Korrelats zu bestimmen. 4. Der Nebensatz kann, wie es im Deutschen der Fall ist, eine andere Wortstellung aufweisen als der nicht abhängige Satz. Diese den Nebensatz charakterisierende Wortstellung kann aber in verschiedenen Typen der Nebensätze und in einzelnen Nebensätzen verschieden eingehalten werden. Auch hier hat die Norm manche Entscheidungen zu t r e f fen. 5. Auch die Wortstellung des regierenden Hauptsatzes kann infolge seiner Verbindung mit dem Nebensatz gewisse Veränderungen erleiden. (Im Deutschen hängt das zum Teil mit dem Gebrauch eines Korrelats zusammen). Hier sind manche Kombinationen möglich, über die die Norm zu entscheiden hat. 6. Es variiert auch die Stellung des Nebensatzes in bezug auf den regierenden Satz. Sie kann präpositiv, interpositiv oder postpositiv sein. Einige Typen der Nebensätze sind in dieser Hinsicht freier, andere gebundener. Dadurch entsteht ein weiter Spielraum für die Variantenwahl. Man muß auch der Tatsache besondere Aufmerksamkeit schenken, daß die Nebensätze nicht nur in ihrer Beziehung zum regierenden Elementarsatz, sondern auch in ihrer Beziehung zueinander verschiedenartige Typen bilden können. Es kommen namentlich folgende strukturelle (zum Teil semantisch-strukturelle) Typen des Satzgefüges in Betracht: a) Der regierende Elementarsatz kann entweder einen oder zwei (bzw. mehrere) Nebensätze bei sich haben; b) Wenn es mehrere Nebensätze sind, so können sie zu einem oder zu mehreren Komponenten des regierenden Satzes ("Unterordnungszentren" - im folgenden mit UZ bezeichnet) gehören; c) wenn zwei oder mehrere Nebensätze zum gleichen UZ gehören, können sie syn18 taktisch gleichartig oder ungleichartig sein. Da hier sehr verschiedenartige Häufungen von Nebensätzen möglich sind, gibt es einen weiten Spielraum für die Fixierung von Normen, unter anderem auch präzisierender Art. 7. Der Nebensatz kann in seinem formalen Bestand oder in der Form seiner Glieder im Vergleich zum Hauptsatz gewisse Besonderheiten aufweisen. Auch hier muß die Norm über die Gebrauchsmöglichkeiten Auskunft geben.

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Einleitung Diese Liste umfaßt nicht alle theoretisch möglichen formalen Merkmale des Satzge-

füges, die in ihrem Gebrauch irgendeine Norm als Variantenwahl erfordern. Es wurden hier nur dié wichtigsten Merkmale angeführt, die für die Entwicklung des Neuhochdeutschen von besonderem Interesse sind. Und nun zu der Frage, inwiefern im Bereich des Satzgefüges die Norm als Grenze auftreten kann. Was die obere Grenze von Umfang und Ausbau des Satzgefüges betrifft, so verweisen wir auf unsere Ausführungen zum Ganzsatz. Das Satzgefüge ist ja eine der wichtigsten Formen des Ganzsatzes, besonders des umfangreicheren Ganzsatzes. Deshalb ist die obere Grenze von Umfang und Ausbau des Satzgefüges praktisch immer mehr oder weniger umrissen, auch in solchen Funktionalstilen, die dem Gebrauch des Satzgefüges besonders günstig sind. Dabei ist die obere Grenze des Umfangs (in Wortformen, Druckzeichen oder irgenwie anders ausgedrückt) nicht speziell für das Satzgefüge kennzeichnend, da sie für alle Arten von Ganzsätzen gilt. Ausschlaggebend für das Satzgefüge (und für die Satzperiode) ist dagegen die obere Grenze seines Ausbaus. Namentlich die Maximalzahl der im Satzgefüge zugelassenen Nebensätze und der Höchstgrad der zugelassenen Gradabstufung der Nebensätze (d. h. Tiefenstaffelung mit Nebensätzen 2 . , 3., 4 . , 5., und höheren Grades) ist für das Satzgefüge (allerdings auch für die Satzperiode) spezifisch. Was die untere Grenze von Umfang und Ausbau des Satzgefüges betrifft, so ist auch hier an und für sich nicht der Umfang relevant, sondern der Ausbau und der Umfang in seiner Beziehung zum Ausbau. Die untere Grenze des Ausbaus scheint durch das Wesen des Satzgefüges vorgezeichnet. Da das Satzgefüge ein syntaktisches Gebilde ist, das aus zwei aufeinander bezogenen Elementarsätzen besteht, von denen einer syntaktisch regierend und der andere syntaktisch abhängig ist, so scheinen zum Minimalbestand des Satzgefüges zwei Sätze zu gehören: Hauptsatz und Nebensatz. Aber in Wirklichkeit kann dieser Bestand, vgl. I. 5., auf einen Satz reduziert werden: in erster Linie auf den Nebensatz, der, allein stehend, im Zusammenhang der Rede, besonders im Dialog, mit genügender Deutlichkeit die Beziehung zu dem im Kontext vorhandenen semantisch-grammatischen Analogon des Hauptsatzes erstehen läßt. In einfachster Form handelt es sich hier um Bildungen wie der Antworsatz im Dialog: /Warum willst du nach Hause? - Weil ich hungrig b i n . / Wenn man diesen Extremfall der Reduktion des Satzgefüges beiseite läßt, so unterscheidet sich die untere Grenze des Satzgefüges von der des Ganzsatzes vor allem dadurch, daß hier ein Minimum von jedem der im Satzgefüge verbundenen Elementar Sätzen erhalten bleiben muß, und daß der Nebensatz oft unbedingt eine einleitende Komponente erfordert. Ein einziges Wort ist hier fast unmöglich, und man darf als Mindestmaß des Satzgefüges wohl den Umfang von drei Wortformen annehmen. Ich muß rrich

Zielstellung, Material, Methodik

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hier leider mit sehr allgemeinen Hinweisen begnügen, da diese Frage, relevant für 19 den Dialog, besonders in der Umgangssprache, und für die schöne Literatur, in meiner Untersuchung fast keine Rolle spielen wird. Dagegen ist die obere Grenze des Ausbaus des Satzgefüges für meine Untersuchung eines der wichtigsten Probleme. Fassen wir unsere Bemerkungen über den Charakter der Norm im Bereich des Satzgefüges zusammen; In noch stärkerem Maße, als es bei manchen anderen syntaktischen Einheiten der Fall ist, ist hier die Norm beweglich, eine "Gürtelnorm". Besonders gilt dies für die obere Grenze des Ausbaus des Satzgefüges. Am festesten kann in unserem Bereich die Norm bei der Wahl einiger Varianten der Elementarsatz- und Wortstellungstypen oder der den Nebensatz einleitenden Lexeme sein. Was die präzisierende Norm im Bereich des Satzgefüges betrifft, s . besonders in den Kapitelnn.2.1.2., n . 2 . 1 . 3 . , n . 3 . 2 . , n . 3 . 3 . , n . 3 . 4 . , m . 1 . 2 . 2 . , m . 2 . 3 . , i n . 2 . 4 . , m . 2 . 7 . Allgemeine Schlüsse aus der Analyse meines Materials sind in IV.2. enthalten.

7. Zielstellung, Material und Methodik der vorliegenden Arbeit Im Einklang mit der allgemeinen Zielstellung bei der von Germanisten der DDR und der UdSSR gemeinsam unternommenen Erforschung der "Ausbildung der Norm der 20 deutschen Literatursprache (1470-1750)" wird hier die Entwicklung der Norm im Bereich des deutschen Satzgefüges hauptsächlich im Zeitabschnitt vom Ende des 14. bis zum Beginn des IB. Jhs. untersucht, also vor allem in der zweiten Phase des Frühneuhochdeutschen, aber unter Einbeziehung der letzten Etappe der ersten Phase des Frühneuhochdeutschen und der ersten Etappe des Neuneuhochdeutschen. Die Spezifik meines Stoffes führte aber zur Überschreitung dieses zeitlichen Rahmens und erforderte die Heranziehung besonderen Textmaterials. Die Liste der Denkmäler, die für das gemeinsame Vorhaben aufgestellt war, wurde somit in der vorliegenden Arbeit nicht benutzt. Wie am Schluß des vorigen Kapitels formuliert wurde, sind die Normen im Bereich des Satzgefüges meist bewegliche Normen, "Gürtelnormen" . Außerdem verändern sich diese Normen nach den einzelnen Funktionalstilen, sogar nach den einzelnen Textarten innerhalb der Funktionalstile. Hier ist aus den Funktionalstilen die Kanzleisprache (in heutigem Sprachgebrauch: die Verwaltungssprache) ausgewählt worden. Allerdings werden verschiedene Textsorten der Kanzleisprache verwertet, zum Teil auch solche, die sich mit der Kanzlei-

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Einleitung

Sprache im engeren Sinne nur berühren, selbst wenn man den Begriff sehr weit nimmt. Die Auswahl erfolgte aus nachstehenden Gründen. Die Entwicklung des Satzgefüges im Gesamtneuhochdeutschen (d. h. ungefähr vom Beginn des 14. bis zum 20. Jh.) ist, wenn man von der Entfaltung des Systems der unterordnenden Konjunktionen absieht, vor allem durch Veränderungen in Umfang und Ausbau gekennzeichnet. Ein Anwachsen des Umfangs und des Ausbaus des Satzgefüges ist vor allem in solchen Gattungen der Schriftsprache zu beobachten, die mit Verwaltung und Gesetzgebung zusammenhängen. Hier wurden die kompliziertesten und umfangreichsten Satzgefüge gebildet, die im Laufe der Entwicklung verschiedenen Veränderungen ausgesetzt waren. Für die Gesamtentwicklung des Satzgefüges im Deutschen ist deswegen dieser Bereich der deutschen Schriftsprache von besonderer Bedeutung. Die Grundlage der Kanzleisprache bildet in mancher Hinsicht die Sprache der Gesetze und Verordnungen, da in vielen anderen Schriftstücken der Kanzlei Gesetze und Verord21

nungen berücksichtigt werden. Es wurden dementsprechend als Material für die vorliegende Untersuchung folgende Textarten gewählt: 1. Gesetze und Verordnungen verschiedener Art. 2. Urkunden im22weitesten Sinne des Wortes, unter anderem auch außenpolitische Dokumente,

Verträge usw.

3. Weistümer, d. h. von Gemeinden oder Schöffenkollegien schriftlich fixierte E r klärungen über in ihrem Bereich bestehendes Gewohnheitsrecht. 4. Relationen, d. h. gedruckte Mitteilungen über wichtige Ereignisse, hauptsächlich militärischer und diplomatischer Art, die für ein breiteres Publikum bestimmt waren. Viele der von mir untersuchten Texte sind geringen Umfangs und konnten vollständig analysiert werden. Von den umfangreicheren wurden nur Auszüge untersucht. Im Textverzeichnis sind die betreffenden Stellen genau angegeben. Zum Vergleich wurden auch einige Texte herangezogen, die außerhalb des zu behandelnden Zeitabschnitts liegen, frühere wie spätere, allerdings nur in Ausnahmefällen. In größerem Ausmaß nur Texte aus dem 14. J h . , die außerordentlich wichtig sind, um den Ausgangspunkt in der Entwicklung des Satzbaus in den Urkunden und somit auch die allgemeinen Entwicklungstendenzen des Satzgefüges in der Kanzleisprache besser zu verstehen und zu veranschaulichen. Da die formalen Eigenheiten des Satzgefüges, die als Objekte der Norm auftreten können, sehr mannigfaltig sind, wie im vorigen Kapitel gezeigt wurde, konnte kein Versuch gemacht werden, alle diese Eigenheiten in ihrer Beziehung zur Norm zu untersuchen. Es mußte eine Auswahl getroffen werden. Es wurden Erscheinungen ausgewählt, deren Entwicklung von besonderer Relevanz ist sowohl für das Satzgefüge selbst als

Zielstellung, Material, Methodik

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auch für die Entwicklung des deutschen grammatischen Systems, die sich anhand des zur Verfügung stehenden Materials gut analysieren lassen und noch nicht eingehend e r forscht sind. Dementsprechend wurde folgende Problematik gewählt: 1. Die obere Grenze des Ausbaus des Satzgefüges. Auf die Wichtigkeit dieser E r scheinung für das Funktionieren des Satzgefüges in einigen Textarten wurde in allgemeiner Form bereits in den Kapiteln 1.5. u. 6. hingewiesen. Für die deutsche Schriftsprache. die von der zweiten Hälfte des 16. Jhs. an, aber besonders im 17. Jh. eine ausgesprochene Neigung an den Tag legte besonders umfangreiche und komplizierte Satzgefüge (und Perioden) zu bilden, und diese Neigung auch in den folgenden Jahrhunderten bewahrte, ist das Problem der oberen Grenze von Umfang und Ausbau des Satz23 gefüges außerordentlich wichtig. 2. Die Komposition des Satzgefüges. In allgemeiner Form wurde auch diese Erscheinung in den Kapiteln 1.5. u. 6. besprochen. Für die Kanzleisprache des 15.-16. Jhs. ist sie von größter Bedeutung, da in den meist vielgliedrigen Satzgefügen dieser Textart die Anknüpfung der Nebensätze an den Hauptsatz und ihre Verknüpfimg untereinander, vor allem die Bildung der Nebensatzkomplexe und der gleichgradigen, aber nicht gleichartigen Nebensätze auf verschiedene Weise erfolgen kann. Die kompositionellen Typen (Modelle) des Satzgefüges bilden im wesentlichen nur eine Abart der Typen (Modelle), die im Bereiche des Ganzsatzes überhaupt existieren. Man hat es hier mit folgenden Typen zu tun: 1. das g e s c h l o s s e n e

Satzgefüge,

in dem der Nebensatz bzw. die Nebensätze vor dem Hauptsatz stehen, 2. das

ab-

p e r l e n d e S a t z g e f ü g e , in dem der Nebensatz bzw. die Nebensätze nach dem Haupt satz stehen, 3. das z e n t r i e r t e S a t z g e f ü g e , in dem der Hauptsatz zwischen zwei (oder mehreren) Nebensätzen steht, 4. das g e s t r e c k t e S a t z g e f ü g e , in dem der Hauptsatz von den Nebensätzen (einmal oder mehrmals) unterbrochen wird. Mehr oder weniger gelten diese kompositionellen Typen auch in den Beziehungen der Nebensätze untereinander, wo aber außerdem die Beziehung der

Parallelität

eine

große Rolle spielt, die zur Bildung sowohl gleichartiger als auch ungleichartiger Nebensätze gleichen Grades führen kann. Ein besonderer (gesteigerter) Fall der gestreckten Komposition ist die S c ha c h t e l u n g , die eine Streckung von zwei oder mehr interpositiven Elementarsätzen bedeutet. Diese kompositionellen Typen des Satzgefüges treten oft (sogar gewöhnlich) in Verbindungen miteinander auf (z. B. geschlossen - g e * x 24 streckt usw.). Früher wurde die Komposition des Satzgefüges wie auch die meisten anderen E r scheinungen des grammatischen Gestaltungssystems nur sehr unsystematisch behandelt, obgleich in vielen zusammenfassenden Grammatiken und Einzeluntersuchungen

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Einleitung

manche interessanten Beobachtungen enthalten sind.* 3. Die Präzisierung der semantischen und strukturellen Beziehungen im Satzgefüge. Diese Erscheinung, die mit dem Problem der Komposition des Satzgefüges eng zusammenhängt, ist in ihrem Wesen bereits in Kapitel 1.5. erörtert worden. In vorliegender Studie wird sie nur vom Standpunkt der kompositioneilen Gestaltung des Satzgefüges untersucht. Die semantische Präzisierung im Bereich des Systems der Konjunktionen wird nicht erörtert, da dieses Problem bereits mehrmals untersucht wurde

und jetzt einer grundlegenden Behandlung unterzogen wird.

In der vorliegenden

Untersuchung werden die Konjunktionen nur gelegentlich gestreift. Ausführlicher werden die den postpositiven Hauptsatz eröffnenden Korrelate besprochen, besonders in Kapitel m . 2 . 2 . Das Schwergewicht lege ich auf die Untersuchung, wie die Entwicklung zur präziseren kompositionellen Gestaltung des deutschen Satzgefüges vor sich geht, da diese Problematik in zusammenhängender Weise überhaupt noch nicht behandelt wurde. Selbstverständlich gelten bei der Präzisierung als semantische Erscheinung gewisse Vorbehalte, nämlich vom Standpunkt der im heutigen Sprachgebrauch herrschenden Formen, insoweit durch sie die betreffenden Sachverhalte zum Ausdruck gebracht werden. 4. Die Entwicklung der Satzklammer im Nebensatz und die Stellung der finiten Verbform im postpositiven Hauptsatz. Die erste dieser Erscheinungen wurde bereits mehrfach untersucht, aber ihre Wichtigkeit für die strukturelle Gestaltung des Satzgefüges als Mittel zur Markierung des syntaktisch abhängigen Elementarsatzes macht

*

O. Behaghel, Deutsche Syntax, Bd. 3, S. 504 f f . (besonders S. 547-554), Bd. 4, S. 259-293; H. Paul, Deutsche Grammatik, Bd. 3, S. 175-177, 312-330; H. H. Schmidt-Voigt, Satzlehre. In: Sachwörterbuch der Deutschkunde, Bd. 2, Lpz. B. 1930, S. 1048-1049; B . T. A Ä M O H H , HcTopHMecKüii cMHTaKCHC HeMeuicoro H3tnca; MOCKBa 1963, CTp. 104-105, 132-147. ders., Pa3BHTHe CTpyKTypH npeflJIOKeHBH B nepi'iostfiopuHpOBaHHHHeuemcoro H3HKa, JteHHHrpaa 1966; JI. H . naHMiiKHHa, CTpyKTypa MHoro3B6HHoro cJiosHonoaiHHeHHoro npeaJiosceHHH B HeueiiKOM H3biKe X I V - X V B B . (Ha UATEPNAJIE AEJIOBOM npo3u). ABTopegpepaT KaHflHflaTCKOü ÄMOcepTaiiHH, JteHMHrpas 1970; T . Ix. TojiKa^eB, MHoro3BeHHoe CJIOÄHO noflHMHQHHoro npeajio:iceHMfl (Ha MaTepnaJie HeMeuKoro H3I>iKa). ABTope$epaT KaHÄKflaTCKOfi flHCcepTauHH, MocKBa 1966. Sehr instruktiv ist die Monographie von E . B . ryjlhira, TeopHH CJKMCHOnosujHeHHOro npesJioKeHHH B COBPEMEHHOM HeMeuKOM H3biKe, MocKBa 1971, und die auf Material der englischen Sprachgeschichte aufgebaute Arbeit von JI, JI. Ho$HK, CJIOHHoe npeajioaceHüe B H0B0aHrjiHMcK0M H3bnte, JleHHHrpaa 1968. v g l . auch A . r . TYPOMKHHA, AHAJIH3 NOJIHNPEFLHKATHBHUX NPEMOAEHUM c pa3HouieHHHM npeÄJioaeHHeu B ÄPEBHEAHRAMMCKOK HSHKÖ. ABTope$epaT KaHflHflaTCHOß ÄHCCepTauHK, JleHHHrpaa 1974. Von den früheren deutschen A r beiten zu diesem Thema seien erwähnt: J. C. A . Heyse, Ausführliches Lehrbuch der deutschen Sprache, 5. Aufl., 2. Bd., Hannover 1844, S. 722-746; F r , Bauer, Grundzüge der nhd. Grammatik für höhere Bildungs-Anstalten, 10. Aufl, Nörd r lingen 1865, S. 148-153; J. Kehrein, Grammatik der dt. Sprache des 15. bis 17. Jh., Bd. 3, Lpz. 1856.

Zielstellung, Material, Methodik

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es notwendig, sie auch hier einzubeziehen. 5. Die afinite Konstruktion, d. h. die Ersparung der finiten Verbform (vor allem 27 der Hilfsverben /haben/ und /sein/ im Indikativ) im Nebensatz. Auch diese Konstruktion ist ein Mittel, den syntaktisch abhängigen Elementarsatz als solchen zu kennzeichnen und dem syntaktisch unabhängigen Elementarsatz gegenüberzustellen. Da alle diese Erscheinungen in ihrem Zusammenhang in bezug auf die deutsche Schriftsprache vom 15. - 18. Jh. noch nie systematisch untersucht worden sind, scheint es mir ratsam, sie eingehend auf der Grundlage der Analyse eines umfänglichen Textkorpus monographisch zu behandeln. Der Schwerpunkt der Analyse wird auf der Beschreibung des Gebrauchs dieser Erscheinungen in ihrer Wechselwirkung liegen. Demnach besteht die vorliegende Arbeit aus einer Reihe von Einzelstudien. Jede von ihnen hat die Aufgabe, ein erschöpfendes Bild der strukturellen Züge der im betreffenden Text vorkommenden Satzgefüge zu liefern, womöglich mit Aufdeckung der thematischen, kommunikativ-stilistischen und allgemeinen strukturellen Vorbedingungen. Es werden somit qualitativ bestimmte Gebrauchstypen des Satzgefüges in bestimmten Textarten zu bestimmter Zeit herausgestellt, was eine gute Grundlage für die weitere Erforschung der Entwicklung des Satzgefüges in der deutschen Schriftsprache bilden kann. Ein solches Verfahren gibt die Möglichkeit, den Gebrauch der mannigfaltigen Typen des Satzgefüges in einer gegebenen Zeit und in gewissen Textsorten zu fixieren. Dabei werden zum ersten Mal in der Germanistik - einige allgemeine Charakteristiken der Hypotaxe in verschiedenen Textsorten der deutschen Kanzleisprache herausgestellt, wenn auch noch nicht erschöpfend. Auf Grund solcher Einzelstudien werden zusammenfassend Schlüsse gezogen über die allgemeine Entwicklungsrichtung des Satzgefüges im betreffenden Funktionalstil - unter dem * Gesichtspunkt der Herausbildung der Norm in diesem Bereich des deutschen Satzbaus. Selbstverständlich dürfen die auf diese Weise gewonnenen Einsichten keineswegs Gültigkeit für die Entwicklung des Satzgefüges und seiner Normen in der gesamten

*

Die einzelnen Textstudien unterscheiden sich sehr durch ihren Umfang, die in ihnen aufgeworfenen Fragen und die Ausführlichkeit ihrer Behandlung. Es hängt vor allem vom Wesen der Texte ab, d. h. von ihrem Umfang und der Art ihrer syntaktischen Gestaltung. Zum Teil hängt es aber auch damit zusammen, daß einige Texte besonders ausführlich behandelt werden, da sie als Hauptvertreter einer ganzen Textgattung in einem gewissen Zeitabschnitt dienen, während andere Texte mehr oder weniger nur im Hinblick auf sie analysiert werden. Das gilt z. B. für LO, teilweise auch für RG, in Kapitel III.2. Aus denselben Gründen sind die Studien nicht nach einem einheitlichen Schema aufgebaut, obgleich zwischen den meisten von ihnen kompositioneile Ähnlichkeiten bestehen.

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Einleitung

deutscnen Literatursprache beanspruchen. In solchen Gattungen wie Traktaten, Reisebeschreibungen, Zeitschriften ist der Gebrauch des Satzgefüges keineswegs mit dem in der Kanzleisprache identisch. Aber da die Kanzleisprache einen besonders günstigen Boden für den Gebrauch des Satzgefüges bildete und ich sehr verschiedene Textarten innerhalb der Kanzleisprache heranziehe, hoffe ich doch, daß meine Untersuchungen auch für die Erforschung der Entwicklung des Satzgefüges in anderen Gattungen der Literatursprache von Nutzen sein werden. Nun einige Bemerkungen zur Methodik der Untersuchung. Ich befasse mich hier nur mit dem Satzgefüge. Parataktische Formen von Ganzsätzen kommen für mich nur in Betracht, wenn sie innerhalb des Satzgefüges stehen, d. h. wenn Nebensätze parataktisch miteinander verbunden sind. Da die Interpunktion (unter anderem auch der Gebrauch des Punkts) im Frühhochdeutschen und bis in das 18. Jh. hinein sehr inkonsequent war, sondere ich die Satzgefüge nach strukturell-syntaktischen Kriterien aus den Texten aus. Vor allem wird systematisch geprüft die Gestaltung des Satzgefüges in Abhängigkeit 1) von der Stellung der finiten Verbform, 2) von der Fügungspotenz des Verbs in unabhängigen HauptsatzElementar Sätzen, von denen Inhaltssätze abhängen, 3) vom Gebrauch des Konjunktivs, 4) vom Gebrauch der Konjunktionen. Allerdings kann es bei solchem Verfahren auch zu Streitfragen kommen, besonders bei Heranziehung der Konjunktionen, da sie in vielen Fällen polyfunktional sind. Aber wenn man alle obengenannten Kriterien berücksichtigt, kann man in der Regel die Satzgefüge aus dem Textzusammenhang mit genügender Sicherheit herauslösen. Zur Analyse der (oft mehrgliedrigen) Satzgefüge ist es notwendig, die zum Bestand des Satzgefüges gehörenden Elementarsätze mit Symbolen zu signieren. Der Hauptsatz erhält die römische Ziffer I. Kommen in einem Satgefüge aus irgendwelchen Gründen zwei oder mehrere Hauptsätze (oder andere unabhängige Elementarsätze) vor, so werden sie alle der Reihenfolge nach mit römischen Ziffern signiert: der erste Haupsatz - I, der zweite - n usw. Die Nebensätze werden je nach ihrem Abhängigkeitsgrad mit arabischen Ziffern signiert: Nebensätze 1. Grades - 1, Nebensätze 2. Grades - 2 usw. Wenn von einem UZ des syntaktisch regierenden Elementarsatzes zwei oder mehr e r e Nebensätze abhängen, wird der ihren Abhängigkeitsgrad bezeichnenden Nummer ein Großbuchstabe in alphabetischer Reihenfolge hinzugefügt. Der erste dieser gleichgradigen Nebensätze wird also mit 1A bezeichnet, der zweite mit 1B usw. Ein Einschubsatz (d. h. ein parenthetischer Elementarsatz) wird mit einer römischen Ziffer in runden Klammern signiert: (I). Wenn ein Elementarsatz beliebiger Art durch Interposition eines oder mehrerer anderer Elementarsätze in Fragmente abgeteilt wird, so werden diese Fragmente

Zielstellung, Material, Methodik

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durch Hinzufügen von Kleinbuchstaben zur Signatur der betreffenden Elementarsätze bezeichnet. Das erste Fragment eines Hauptsatzes bekommt dementsprechend die Sig28

natur Ia, sein zweites Fragment die Signatur Ib usw. Auf diese Weise sind die Symbole für Elementarsätze im Höchstfall dreistellig. Das erste Fragment eines Nebensatzes 1. Grade§ dem parallele Nebensätze gleichen Grades folgen, erhält im Text die Signatur lAa. Allerdings bleiben dabei einige grammatische Eigenschaften der Nebensätze unbezeichnet. Erstens kommt der Unterschied zwischen gleichartigen und ungleichartigen Nebensätzen (bei gleichgradigen Nebensätzen, die vom gleichen UZ abhängen) nicht zum Ausdruck. Zweitens bleibt die Stelle unbezeichnet, die der betreffende Nebensatz im Rahmen des Satzgefüges einnimmt, und es werden die Nebensätze gleichen Grades nicht voneinander differenziert, die von verschiedenen UZ eines oder sogar verschiedener Elementarsätze abhängen. Aber wenn man diese Parameter der Nebensätze in der gleichen Signatur auch noch ausdrücken wollte, würde es zu unübersichtlichen komplizierten Signaturen führen. Zur Orientierung des Lesers bei der Analyse eines Satzgefüges, das z. B. mehrere von verschiedenen UZ abhängende Nebensätze 1. Grades aufweist, genügt es anzugeben, ob man gegebenenfalls von einem präpositiven, postpositiven oder interpositiven Nebensatz 1. Grades spricht usw. Es wird auch, wenn dies bei der Analyse der Satzgefüge notwendig ist, darauf hingewiesen, daß die betreffenden gleichgradigen Nebensätze ungleichartig sind. Innerhalb jeder Einzelstudie, d. h. bei der Beschreibung jedes Textes, werden die angeführten Beispiele (in der Regel sind es Satzgefüge) numeriert. Die Textseite wird rechts unten angegeben. Jeder Text hat seinerseits auch ein Signum, eine Abbreviatur seines Titels. Auf diese Weise wird es möglich, an beliebiger Stelle der vorliegenden Abhandlung auf jedes angeführte Beispiel hinzuweisen und auf jeden Elementarsatz innerhalb dieses Beispiels. Das entsprechende Signum besteht dann aus der Textabbreviatur, der Nummer des Beispiels und der Bezeichnung des Nebensatzes. (Die Abkürzungen für die Texte werden am Ende der vorliegenden Abhandlung in alphabetischer Reihenfolge erschlossen). Zur Veranschaulichung führe ich hier ein verhältnismäßig kurzes Satzgefüge an, in dem alle Elementar sätze und ihre Fragmente auf die oben angeführte Weise signiert sind. Das Satzgefüge ist dem Text MBW entnommen: la) /Zumahlen bey fleißiger Treibung der Hammerwerk, / 2) /wie leicht zu gedenk e n , / lb) /ein grosse Anzahl Kohlen erfordert wird:/ I) /also solle Hüttenbereuter gute Nachforsch halten, / 1) /ob nicht etwann einige Kohlen ausser Lands verkauft w e r den, und zwar an solche Ort, / 2A) /welche in sein Hüttenbereuters-Instruction nicht begriffen, / 2B) /weilen Theils Benachbarten die Kohlenabfuhr ausser Lands auf gewisse Weis verwilliget worden, / 3) /damit auf sein Anzeig die benöthigte Abstellung gemacht,

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Einleitung

und die Uebertrettung unsers Verbotts unnachläßlich ihres Ueberfahren Willens, gestraft werden mögen./ (541) In kompositioneller Hinsicht ist dies ein zentriertes Satzgefüge. Der Hauptsatz ist von zwei Nebensatzkomplexen umgeben, einem präpositiven und einem postpositiven. Um die Struktur des Satzgefüges kurz zu veranschaulichen, was besonders bei komplizierten und umfangreichen Gebilden erwünscht ist, bringe ich zuweilen Schemata, die aus den Symbolen der Elementarsätze in linearer Abfolge bestehen. Das Schema des eben angeführten Satzgefüges sieht so aus: l a - 2 - l b - I - 1 - 2A - 2B - 3. Der Elementarsatz (als Teil eines Satzgefüges) wird einfach durch sein Signum angeführt (ohne Klammer): 2B, 2A oder 3. Wenn ein gestreckter (in Fragmente aufgeteilter) Elementarsatz als Ganzes bezeichnet werden soll, geschieht dies durch Angabe der in Frage kommenden Fragmente. Der präpositive Nebensatz 1. Grades erhielte als Ganzes das Signum l a - b . Bei der Gliederung des Satzgefüges (namentlich der Nebensatzkomplexe) kommt es zuweilen zu gewissen Schwierigkeiten in bezug auf die Unterscheidung zwischen syntaktisch parallelen gleichgradigen Nebensätzen und den parallelen Komponenten eines mit gleichartigen Gliedern ausgestatteten Elementarsatzes. Es schien mir unter anderem sehr fragwürdig, solche Gebilde als Elementar sätze mit gleichartigen Gliedern zu betrachten, die nur die unterordnende Konjunktion als gemeinsame Komponente aufweisen. In solchen Fällen, wenn jedes der betreffenden Gebilde ein eigenes Subjekt und Prädikat aufweist, fasse ich sie als Elementar sätze auf. Allerdings kann eine solche Entscheidung bestritten werden und vom rein formalen Standpunkt aus ist sie auch wirklich schwer zu rechtfertigen. Aber wenn man die umfangreichen komplizierten und oft ungefügen Häufungen von Subjekt-Prädikat-Linien in den von mir untersuchten Texten bedenkt, erscheint eine solche Entscheidung verzeihlich. Hierzu ein Beispiel (auch aus MBV): 1A) /Wo aber ein Hammermeister einen Schmiedmenschen dinget, / 1B) /über das derselbe Hammermeister wohl gewußt, / 2) /sich der Schmiedmensch zuvor zu einem andern Hammermeister gedingt hätte:/ IC) /welcher nun darüber angelangt, oder beklagt wurde, / 1D) /und er sich mit seinen Rechten davon nicht genemmen möchte;/ I) /der solle als oft zur Poen unnachläßig verfallen seyn 18. f l . / ( 547 ) Meiner Meinung nach sind die von mir mit den Signaturen 1A, 1B, IC und 1D bezeichneten präpositiven Nebensätze Bedingungssätze, die eine Reihe von Sachverhalten zum Ausdruck bringen, deren Zusammentreffen die im postpositiven Hauptsatz dargelegte Strafhandlung auslöst. Aber diese 4 Bedingungssätze sind keineswegs als völlig parallele Gebilde konstruiert. Allerdings bezeichnet das Subjekt in allen 4 Nebensätzen

Zielstellung, Material, Methodik

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konnotativ einunddieselbe Person. Aber sie wird jedesmal auf eine andere Weise lexikal zum Ausdruck gebracht und steht jedesmal in Beziehung zu anderen Prädikaten. Wichtig ist auch, daß die in den Bedingungssätzen enthaltenen Sachverhalte in ziemlich komplizierten Verhältnissen zueinander stehen, indem z. B. der Nebensatz 1B eine Präzisierung der im Nebensatz 1A enthaltenen Bedingung darstellt, der Nebensatz IC eine Handlung ausdrückt, welche geschehen kann, wenn die durch die Nebensätze 1A und 1B bezeichneten Bedingungen erfüllt würden usw. Dies alles verleiht den Nebensätzen 1A, 1B, IC, 1D sowohl semantisch als strukturell den Charakter von richtigen Elementar Sätzen und nicht von gleichartigen Gliedern eines zusammengezogenen Elementarsatzes, obgleich die den Nebensatz 1A einleitende Konjunktion /wo/ 'wenn' für alle diese Nebensätze gültig ist, d. h. ihr gemeinsames Glied bildet. Auf solchen Konstruktionen fußend, habe ich alle Nebensätze, die nur eine Konjunktion als gemeinsame Komponente aufweisen, immer als gleichartige Nebensätze aufgefaßt und nicht als einen Nebensatz mit gleichartigen Gliedern. Vgl. auch die Analyse des Satzgefüges VBV4 in III.2.5. Aber ich gebe zu, daß diese Frage auch anders gelöst werden könnte. Überhaupt kommen in meinem Material häufig Konstruktionen vor, deren Struktur verschieden aufgefaßt werden kann. Ich will keineswegs behaupten, daß die von mir vorgeschlagenen Deutungen immer die richtigen sind. Ich habe angestrebt, die komplizierteren Bildungen jeweils anzuführen, damit der Leser selbst über ihre Strukturierung entscheiden kann. Übrigens sehe ich als eines der Ziele meiner vorliegenden Studie an, ein reichhaltiges Material vorzulegen, das dem Leser eine konkrete Vorstellung der verschiedenen kompositionellen Arten des Satzgefüges in den entsprechenden Textarten und Zeitabschnitten vermitteln kann. Die hier angestrebte eingehende Behandlung des Umfangs, des Ausbaus und der Komposition des Satzgefüges in Gesetzen, Verordnungen usw. wird dadurch gerechtfertigt, daß dieses Problem in linguistischer Sicht in bezug auf das Frühneuhochdeutsche bisher fast vollständig übergangen wurde, wohingegen die Entwicklung einiger semantisch-funktionaler Arten von Nebensätzen und besonders von unterordnenden 29 Konjunktionen in diachronischer Sicht ziemlich sorgfältig verfolgt wurde, was auch für einige semantisch-funktionale Arten der Nebensätze im Frühneuhochdeutschen gilt. Die vorliegende Arbeit möchte deswegen das notwendige Material zusammenstellen, um einen ersten groben Umriß der betreffenden Erscheinung zu liefern. Hoffentlich regt er zu neuen Arbeiten an, die sowohl die aufgeworfenen Probleme noch gründlicher behandeln, als auch das sprachliche Material vor allem um andere Funktionalstile erweitern. Es scheint mir aber festzustehen, daß ohne Hinwendung zu der hier aufgeworfenen Problematik die Geschichte und der heutige Stand des Satzgefüges im Deut-

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Einleitung

sehen und somit die Geschichte und der heutige Stand des deutschen Satzbaus überhaupt nicht hinreichend erschlossen werden können. Der Umfang der Elementarsätze und des Satzgefüges wird durch die Zahl der in ihnen enthaltenen Wörter (genauer: Wortformen) ausgedrückt. Als Wortform wird jede Buchstabenreihe angesehen, die in der Schrift durch leere Stellen oder Interpunktionszeichen rechts und links von anderen Buchstabenreihen abgesondert ist. Dementsprechend werden Zusammensetzungen als ein Wort betrachtet. Wenn aber die Zusammensetzungen graphisch gegliedert sind, d. h. wenn das zweite, dritte oder weitere Kompositionsglied durch Bindestrich abgetrennt oder bzw. und mit einem Großbuchstaben geschrieben ist, werden diese Glieder als besondere Wortformenart gezählt und in Klammern mit einem Pluszeichen an die Summe der Wortformen angeschlossen. Die mit Ziffern bezeichneten Zahlen (auch Daten) werden als eine Wortform aufgefaßt. Das Hauptanliegen meiner Untersuchung ist jedoch ein qualitatives. Ich setze mir das Ziel, den konkreten Gebrauch verschiedener Satzgefügearten in einer - allerdings ziemlich beschränkten - Gruppe von Texten aus zwei wichtigen Abschnitten in der Entwicklung der deutschen Literatursprache vorzuführen. Für tätige Unterstützung bei Ausführung der vorliegenden Arbeit möchte ich hier dem Zentralinstitut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR meinen herzlichen Dank aussprechen, vor allem dem Leiter des Vorhabens "Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache", Herrn Prof. Dr. J. Schildt.

II. DIE ZEIT UM 1500 1. Die frühen Urkunden

1.1. Vorbemerkungen Wenn man die Sprache der Urkunden um 1500 analysieren will, ist es notwendig, auch die vorhergehende Epoche zu berücksichtigen. Denn bereits im 14. und 15. Jh. hat sich die deutsche Verwaltungssprache zu einem ziemlich festen System entwickelt. Allerdings war diese Entwicklung keineswegs ganz bodenständig, d. h. sie verlief flicht als rein innerer Prozeß der selbständigen Ausbildung gewisser grammatischer Konstruktionen der deutschen Sprache zur Wiedergabe spezifisch kanzleimäßiger und rechtlicher Inhalte. Das grammatische System zur Wiedergabe solcher Inhalte hat die deutsche Sprache bekanntlich in den lateinischen Urkunden, Gesetzen und Verträgen vorgefunden, die erst von der Mitte des 13. Jhs. an allmählich durch deutsche verdrängt wurden. So ist es nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher, daß die lateinischen g r a m matischen Konstruktionen, unter anderem auch im Bereich des Satzgefüges auf die deutschen Konstruktionen einen gewaltigen Einfluß ausgeübt haben. Um eine tragfähige Geschichte der deutschen Urkundensyntax zu schreiben, wäre es unumgänglich, die Syntax der deutschen Urkunden mit der der lateinischen systematisch zu vergleichen, wozu eine gesonderte Untersuchung des syntaktischen Baus der lateinischen Urkunden notwendig wäre. Von größter Wichtigkeit wäre auch ein Vergleich des syntaktischen Baus der lateinischen Urkunden in verschiedenen Ländern Europas, um die Frage der Identität trotz der Verschiedenheiten der Volkssprachen in den betreffenden Ländern zu entscheiden. E r s t dann könnte man wirklich mit der Ausarbeitung einer Geschichte des Satzbaus in den deutschen Urkunden beginnen. Leider habe ich keine Möglichkeit der Realisierung dieses Maximalprogramms. Aber es scheint mir doch unangebracht, meine Analyse erst mit den Denkmälern zu beginnen, die um 1500 entstanden sind, zu einer Zeit, die sich von den Anfängen einer deutschen Verwaltungssprache schon weit entfernt hat. Deswegen beginne ich mit einigen Texten aus dem Beginn des 15. J h s . , als sich die deutsche Sprache als Verwaltungssprache gerade voll durchgesetzt hatte und bereits über eine Reihe sehr verschiedenartiger und komplizierter Konstruktionen verfügte. Diesen Zeitpunkt, der allerdings auch noch etwas weiter zurückverlegt werden könnte, vielleicht sogar bis in die Mitte des 14. J h s . , betrachte ich als Ausgangspunkt für die gesamte weitere Entwicklung. Doch gebrauche ich hier den Begriff Ausgangspunkt nicht in dem Sinne, daß es die e r -

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sten Versuche der syntaktischen Gestaltung von Urkunden sind, sondern in dem Sinne, daß es die erste Etappe war, in der der Satzbau der Urkunden bereits zur vollen Entfaltung gelangt war und gewisse, wenn auch von unserem heutigen Standpunkt aus zum Teil recht merkwürdige Konstruktionen entwickelt hat, die den spezifischen semantischen Gehalt der Urkunden wiederzugeben imstande waren. Selbstverständlich werden dabei nur einige syntaktische Erscheinungen berücksichtigt, die aber für die Verwaltungssprache der betreffenden Epoche besonders kennzeichnend sind. Auch habe ich nur wenige, aber typische Texte analysiert. Es werden hier vorwiegend Texte aus dem 7. Bd. der Reihe "Deutsche Reichstagsakten" (RA) untersucht (München 1878), nämlich einige Briefe, die mit der Wahl des ungarischen Königs Sigmund zum römischen König im Jahr 1411 in Zusammenhang * v 30 stehen.

1.2. Das überlange Satzgefüge (RA I) Besonders wichtig ist hier ein kolossales Satzgefüge, das einem Schreiben des Trierer Erzbischofs Werner und des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz an die Stadt Frankfurt entnommen ist. Darin wird behauptet, daß die vor kurzem erfolgten Wahlen des Königs Sigmund von Ungarn zum römischen König rechtmäßig verlaufen seien, und die Stadt Frankfurt wird aufgefordert, sich an beabsichtigten ungesetzlichen Neuwahlen eines römischen Königs nicht zu beteiligen und diesem Unternehmen keine Hilfe zu gewähren. Als Datum der Abfassung des Schreibens wird der 11. März 1411 angegeben. Das Satzgefüge schließt sich unmittelbar an die Begrüßungsformel an. Damit der Gedankengehalt des Großganzsatzes dem Leser zugänglicher wird, was für die Erfassung der grammatischen Struktur von Wichtigkeit ist, wird hier dem Text eine kurze Inhaltsübersicht vorausgeschickt. Die Hauptthemen sind zu besserer Übersicht numeriert. Der Großganzsatz enthält die Aufzählung einer Reihe historischer Tatsachen, die dem Tode des römischen Königs Ruprecht folgten. Zuerst wird Ruprechts Tod selbst erwähnt. Dann kommen zur Sprache: 1. die Ungültigkeit der Versuche des Erzbischofs Johann von Mainz, eine Wahlversammlung einzuberufen, 2. die Organisierung und Durchführung der Wahlen des Königs Sigmund von Ungarn zum römischen König durch die Verfasser des Schreibens mit eifriger Beteiligung des Burggrafen Friedrich zu Nürnberg trotz aller Hindernisse von seiten der Erzbischöfe von Köln und Mainz, wobei die völlige Gesetzlichkeit dieser Wahl besonders betont wird, 3. die Annahme der Wahl durch den Bevollmächtigten Sigmunds, den Burggrafen von Nürnberg, 4. die spätere Annahme dieser Wahl durch Sigmund selbst, 5. die unrechtmäßige Nicht-Anerken-

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nung dieser Wahl von Seiten der Erzbischöfe von Köln und Mainz, 6. die von diesen Kurfürsten durchgeführte widerrechtliche Wahl des darauf bald gestorbenen Markgrafen Jost von Mähren zum römischen König, 7. das Entstehen einer Zwietracht im Römischen Reiche und die Möglichkeit der Abwendung dieser Zwietracht durch den Verzicht auf alle Auftritte gegen Sigmund. Und nun das Satzgebilde selbst: 1. Aa) / a l s seiger

gedechtnisse unser lieber herre und vatter der Romische konig

Ruprecht, / 2) /dem got gnade, / lAb) /von dieser weite gescheiden was, / 1B) /und der erwirdige her Johann erzbischof zu Mencze uns und andere Kurfürsten gein Franckfurd in des heiligen richs stad bi uch uf sant Gylgen dag nehstvirgangen mit sinen offen briefen beruffen hatte eine wale eins Romischen kunigs zu tunde/ IC) /dieselben briefe unglich und auch nit begriffen ußgesant noch lutende warent/ 2A) / a l s die gülden bulle e © darüber innehaltet/ 2Ba) /(darumb derselbe erzbischof Johann sine stimme kure und wale zu dem male verloren hatte, / 3) / d a s wir umb frieden und eindrechtikeit willen G 6 6 zu der zit nit melden wolten), / 2Bb) /und doch daruf nit virziegen sunder bi uch gein Frankfurd,/ 3a) / a l s wir von rechte, / 4) /ob er uns joch nit beruffen hette, / 3b) /tun soltent, / 2Bc) /und auch die erwirdigen her Friederich zu Colle und der vorgnant her e e Johann zu Mencze erzbischöfe uf den vorgnanten tag, und über kurze darnach der hoch6 6 6 geborn furste her Friderich burggraff zu Nurenberg von des allerdurchluchtigsten 6

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fursten und herren wegin hern Sygmunds zu den ziten kunigs zu Ungern und marggraven e e e zu Brandenburg und nu von gots gnaden Römischen kunigs unsers gnedigen herren als von eins marggraven zu Brandenburg wegen darkament),/2Ca) /und nach mancherlei e e e e handelunge tedinge und ersuchunge,/ 3) /die sich zusehen uns und den vorgnanten k u r e e e e fursten durch uns selbs und unsere frunde zu dickmale wol uf zwenzig tage nach einander verliefen/ 4) / darunder wir allezit gerne gesehen hettent und an uns kein brüst waz/ 5) /das ein zierliche redeliche wale eins Romischen kungs gescheen were nach ordenunge und gesetzde der gülden bullen, / 6) /des uns doch die erzbischöfe von Mencze und von Colle nit folgen sunder die Sachen unredelich verziehen und zu andern tagen bringen woltent und uns auch irrunge und hindernisse darin leitent/ 7) / a l s verre sie e e e e e mochtent),/ 2Cb) /wir zuleste nach redelichen ersuchungen und verkundungen mit zufalle des vorgnanten burggraff Friderichs als mechtiges botten des vorgnanten unsers e e e e herren nu Romischen kuniges und kuniges zu Ungern als eins marggraven zu Brandenbürg stimme und willen, und also mit merern teile der kuren und stimmen/ 3) /die uf Q

die zit zu Franckfurt warent, / 2Cc) /denselben unsern herren den kunig recht und redee lieh in dem namen gots zug Romischen kunige erkorn und gewelet hant/ 3) /(dieselbe e e kure und wale nach ußwisunge der gülden bullen von rechte kraft und macht haben sal, / 4) /gliche als ob sie von allen kurfursten einhelliclich gescheen were, /5Aa) /sunderlich wann die kfire und wale eins Romischen kfinigs uf uns und den vorgnanten bfirggraff

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Die Zeit um 1500 p Friederich von des vorgnanten unsers herren deslcunigs als eins marggraven zu e e Brandenburg wegen, nach virhandelunge sumniß irrunge und verziehungen der andern e e e e kurfursten und unser ersuchunge und forderunge/ 6) /die wir an sie getan hatten,/ 5Ab) /zu der zit kommen waz),/ 5Ba) /und derselbe burggraff Friderich an stad und namen desselben unsers herren des koniges und von sinen wegin sines annemens des Romisehen richs von sunderlicher machte/ 6) /die er darüber hatte/ 5Bb) /folliclich zusagte/ 6a) /(als wir offinlich herren rittern knechten uwern und andern burgern und e e dem folke gemeinlich zu Franckfurd solich wale und ergangen sachen mit urkunden und e e briefen/ 7) /die darzu gehortent/ 6b) /clarer und eigentlicher furbringen und erzelen liessent;/ 7) /damide auch das heilige Romische riche mit eime togenlichen heubte redelichen und vollekomenlichen versehen waz und von gots gnaden noch ist), / 8) /sunderliehe wann derselbe unser herre der Romische kunig solicher kure und wale und des Romschen richs sich selbs angenommen und des vorgnanten burggraff Friderichs zusagen ufgenommenundbestetigethat,/ 9) / a l s er mit sinen königlichen worten briefen und botscheften das und andere sine lobeliche meinunge und fursaeze vilen f u r sten herren uch und andern stetden verschrieben und verkündet hat/ 10a) /(darumb after der vorgeschrieben wale sich von rechte nit geboret hat noch nit geboret und auch, / 11) /ob got w i l , / 10b) /lange zit nit geboren sal ein ander wale eins Romischen kunigszutunde,)/lla) /herüber doch die vorgeschrieben von Mencze und von Colle erzbischofe, zunemende unachtber lute und sich vermessende/ 12) /das die etlicher anderer kurfursten macht haben soltent/ 13) /(das sich doch nit funden hat noch furbracht ist), / IIb) /nach etlichen tagen der vorgeschrieben unserr wale marggraff Josten seligen von Merhern, / 12) /der kurzlich virfaren ist, / 11c) /zu Romischem konige ufzuwerfende understundent,/ 12a) /des sie noch alle kurfursten, / 13) /ob sie eindrechteclich zusammenkommen werent,/ 12b) /keine machte hettent von rechtes wegin, / 13) / d e r obgnant unser herre der Romische kunig hette dann of das riche genzlichen und e e offinlichen virziegen,/ 14A) / a l s das uß der gülden bullen eigentlich zu merkende ist, / 14B) /darzu auch vil Sachen uf derselben kurfursten siten ußgebin s i n t , / 15) /die sich in der geschieht nit findent und auch in dem rechten nit besten mogent./ Ia) /und also hettent dieselben kurfursten, / 1) /als verre das an in waz, 6 / Ib) /das Romische 6 riche gerne wider rechte in zweitracht bracht. / 1) /das sich nu anders gefuget hat, / 2) /wann von den gnaden gots sich wider unsern herren den Romischen konig des heiigen Romischen richs nimand annimpt zu disen ziten,/ 3) / a l s sich des auch nimand annemen sal noch mag von rechts wegin): ( 134 - 136 ) Schema des Satzgefüges 1: lAa - 2 - lAb - 1B - IC - 2A - 2Ba - 3 - 2Bb - 3a - 4 - 3b 2Bc - 2Ca - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 2Cb - 3 - 2Cc - 3 - 4 - 5Aa - 6 - 5Ab - 5Ba - 6 - 5Bb 6a - 7 - 6b - 7 - 8 - 9 - 10a - 11 - 10b - I I a - 12 - 13 - I I b - 12 - 11c - 12a - 13 - '

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12b - 13 - 14A - 14B - 15 - la - 1 - Ib - 1 - 2 - 3 Das Satzgefüge besteht aus 44 Elementar Sätzen und 790 Wortformen. Bei den Nebensätzen gestuften Grades ist der Maximalgrad fünfzehn erreicht. Allerdings könnte man einwenden, daß hier nicht ein, sondern zwei Großganzsätze vorliegen, da nach dem Elementarsatzfragment 10b (nach 11), also vor dem Elementarsatzfragment I I a ein Punkt steht. Aber bekanntlich ist die Interpunktion in den Handschriften dieser Zeit oft willkürlich und darf nicht ohne weiteres als einziges Kriterium für die Bestimmung der Beziehungen zwischen den Sätzen dienen. Der Punkt gibt nicht immer den Schluß des Ganzsatzes an, und das ist auch in unserem Fall so. Vor dem Satzfragment I I a steht nämlichkein einziger Elementarsatz in der Form eines Hauptsatzes, so daß die vielen Nebensätze vor Satz I I a ohne strukturelle Stütze in der Luft hingen, wenn das Satzfragment 10b wirklich den Schluß eines Ganzsatzes bildete. Es ist freilich leicht zu v e r stehen, weshalb der Schreiber gerade an dieser Stelle einen Punkt gemacht hat. Gerade hier setzt nämlich ein neues Thema ein, sowohl chronologisch als politisch: Nach dem Bericht über die rechtmäßige Wahl Sigmunds und das Fehlen jedweder Rechtsgründe zur Durchführung einer neuen Wahl beginnt hier der Bericht über die Versuche der Erzbischöfe von Köln und Mainz, trotzdem eine neue Wahl vorzunehmen usw., also über eine ganz neue Wendung der Ereignisse. Der Punkt mag thematisch berechtigt sein, grammatisch ist er es nicht. Der thematische Einschnitt war hier doch nicht stark genug, um die syntaktischen Verbindungen mit dem nachfolgenden Bericht zu z e r reißen und die 28 Elementarsätze vom Anfang bis 10b zu einer selbständigen grammatischen Einheit zu machen. Vom grammatischen Standpunkt aus bilden die insgesamt 44 Elementarsätze einen einheitlichen Großganzsatz. Das wichtigste Mittel, sie zu einer syntaktischen Einheit zusammenzuschließen, ist die Verwendung der formalen Merkmale des Nebensatzes. Die Nebensatzform erweist ihre syntaktische Unselbständigkeit, ihre nicht nur semantische, sondern auch formale Zugehörigkeit zu einem anderen Elementarsatz, so daß sie grammatisch nur als Glieder einer umfassenderen Konstruktion existieren können. Es gibt hier Nebensätze verschiedenen Grades, aber letzten Endes beziehen sie sich alle, mittelbar oder unmittelbar, strukturell auf einen Elementarsatz, den Hauptsatz. Als formale Merkmale des Nebensatzes erscheinen hier Konjunktionen (auch Relativpronomina), Wortstellung und Konjunktiv. Besonders wichtig ist die Wortstellung, da die Konjunktionen im Frühneuhochdeutschen oft grammatisch doppeldeutig sind, d. h. sowohl unterordnend als auch nebenordnend gebraucht werden.. Noch unzuverlässiger sind in dieser Hinsicht die Relativpronomina. Sie fallen ja formal mit den Demonstrativa zusammen,. so daß sie an und für sich die Unterordnung nicht eindeutig zum Ausdruck bringen können. Dagegen drückt die Verschiebung des Verbum finitum von der zweiten Stelle im Elementarsatz auf eine "entlegenere" Stelle ganz klar aus, daß diéser

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Satz untergeordnet ist. Besonders kraß kommt dies zum Ausdruck, wenn das Verbum finitum die Endstellung einnimmt, aber es genügt bereits die Versetzung auf die dritte 31 Stelle im Satz, wie schon in den altgermanischen Sprachen. In unserem Beispielsatz stehen vor dem Hauptsatz 39 Elementarsätze. Davon nimmt in 32 Elementarsätzen das Verbum finitum die Schlußstellung ein. 4 Elementarsätze weisen einen unvollständigen Rahmen auf: in denSätzen 1B und 10a-b ist dem Verbum finitum je eine Infinitivgruppe nachgestellt, in den Sätzen 5 und 12 je eine Präpositionalgruppe. Aber das Verbum finitum steht auch in diesen Sätzen nicht an zweiter Stelle, sondern entfernter. Es bleiben also nur 3 Elementarsätze, die durch die Stellung des Verbum finitum nicht eindeutig als untergeordnet bestimmt werden. Davon bestehen zwei (7 und 11) aus je einer Konjunktion und nur zwei Vollwörtern, sind also vom Standpunkt der Rahmenkonstruktion aus neutral; dennoch sind auch sie ausgesprochene Nebensätze, da die einleitenden Konjunktionen ( / a l s v e r r e / , / o b / ) in der Regel unterordnend gebraucht werden. Der Elementarsatz 13 ist eine Art Mittelding zwischen Bedingungssatz und Einschränkungssatz, dem im heutigen Deutsch am ehesten / E s sei denn . . . / entspricht, und hat regelgerecht die Wortstellung des unabhängigen Aussagesatzes. Daß es sich aber trotzdem um einen Nebensatz mit restriktiv-konzessiver Bedeutung handelt, wird durch den Gebrauch des Konjunktivs und durch die Partikel /dann/ ' denn' zum Ausdruck gebracht. Es ergibt sich also, daß alle 39 vor dem Hauptsatz stehenden Elementar sätze f o r mal einwandfreie Nebensätze sind, d. h. Gebilde, die durch ihre grammatische Form keine geschlossene kommunikative Einheit bilden und den Leser auffordern, an ihrem Ende keinen Halt zu machen, sondern weiter zu lesen. Auf diese Weise entsteht eine grammatische Spannung, die es ermöglicht, daß selbst diese ungeheure Masse von Elementarsätzen nicht zerbröckelt, sondern sich zu einem, wenn auch Uberaus schwerfälligen und wenig übersichtlichen Ganzen zusammenfügt. Von den 4 Elementarsätzen, die nicht vor dem Hauptsatz stehen, i^t einer ein Innensatz, so daß seine Zugehörigkeit zum Großganzsatz selbstverständlich ist, und die postpositiven Sätze (1, 2, 3) weisen regelgerechte Rahmen auf. Im Nebensatz 1 ist der Rahmen vollständig, in den Nebensätzen 2 und 3 steht hinter dem Verbum finitum je eine Präpositionalgruppe, das Verbum finitum selbst ist aber von der zweiten Stelle im Satz fort verschoben. Somit ist auch ihre grammatisch-kommunikative Unselbständigkeit eindeutig bewiesen. Im ganzen sind es also 40 Fälle (von 43), in denen die Wortstellung allein imstande war, den untergeordneten Charakter der entsprechenden Elementarsätze zu bezeichnen. Dies beweist, daß die Wortstellung - wenigstens in Texten dieser Art - das wichtigste Mittel ist, die Nebensätze von den unabhängigen Sätzen formal zu scheiden. Aber auch die Konjunktionen sind in dieser Hinsicht nicht ganz belanglos. Wie dife

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Analyse unseres Beispiels zeigt, gibt es Fälle, wo gerade die Konjunktion bei der f o r malen Charakteristik der Unterordnung ausschlaggebend ist. Allerdings trifft das nur auf zwei Elementarsätze zu, wobei die Konjunktion zum Teil in Wechselwirkung mit der Wortstellung tritt. Wenn man nämlich / a l s v e r r e / im Satz 17 nicht als unterordnende Konjunktion betrachtet, sondern als Satzglied mit Vergleichssemantik, so wird der Satz (/als verre sie mochtent/) dreigliedrig, das Verbum finitum ist dann von der zweitensteile verschoben, so daß der untergeordnete Charakter dieses Satzes wiederum eindeutig ist, aber nun allein durch die Wortstellung zum Ausdruck kommt. Die Fähigkeit der- Konjunktion, den untergeordneten Charakter des Elementarsatzes ohne Hilfe anderer formaler Mittel eindeutig zu bezeichnen, beruht darauf, daß einige Konjunktionen in dieser Epoche in bestimmten Stellungen und Verbindungen vorwiegend unterordnend sind. Vor allem gilt das für / a l s / . In den Urkunden der betreffenden P e riode spielt diese Konjunktion eine besonders große Rolle, da sie die Bedeutung der allgemeinen Beziehung zum Ausdruck bringt. Gerade diese Bedeutung war für die U r kunden. die den Zusammenhang der verschiedenartigsten Erscheinungen mit dem im Hauptsatz ausgedrückten Sachverhalt syntaktisch zu gestalten suchen, besonders wichtig. Dabei wird nicht auf die präzise Benennung und genaue begriffliche Bestimmung dieser Zusammenhänge Wert gelegt, sondern nur auf die Fixierung eines Zusammenhangs überhaupt. Nicht die Art der Beziehung, sondern die Tatsache, daß hier überhaupt eine Beziehung besteht, soll mit der Konjunktion / a l s / ausgedrückt werden und wird dank ihrer spezifischen Semantik auch ausgedrückt. In unserem Beispielsatz wird diese Konjunktion 9mal gebraucht, gewöhnlich in der Bedeutung des allgemeinen Bezugs. Dieselbe Bedeutung kann auch durch die Konjunktionen / d e s / , / w a n / , / d a r z u / u. a. wiedergegeben werden, aber / a l s / spielt in der Urkundensprache eine besondere Rolle. Sehr oft wird auch / d a ß / als unterordnende Konjunktion gebraucht (in der Schreibung mit dem Demonstrativ- und Relativpronomen zusammenfallend); ihre unterordnende Funktion wird durch die Wortstellung aktiviert, und aus der Semantik der einzelnen Sätze und aus ihrem Kontext ist die Bedeutung zu erschließen, die diese Konjunktion im gegebenen Fall hat. Besonders wichtig ist die Konjunktion / d a ß / zur formalen Charakterisierung von Nebensätzen, wenn sie an Pronominaladverbien, Präpositionen usw. als Merkmal der Unterordnung angehängt wird. Dieses schon im Mittelhochdeutschen verbreitete Verfahren kommt auch in der Urkundensprache vor, wenn auch nicht so häufig. Interessant sind Fügungen wie z. B. /und uff das daz diß alles euch und ewer iglichem offenbar und kundig werde und daz ir das ewern undertanen zu halten gebieten moget, dorumb senden wir disen botten mit disem unserm brief zu euch allen . . . / . Auch der Konjunktiv allein kann, wie im Elementarsatz 13, die Hauptrolle bei de'r

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formalen Gestaltung des Nebensatzes spielen. Häufiger aber tritt der Konjunktiv nur als ein grammatisches Nebenmittel auf.

1.3. Satzgefüge geringeren Umfangs 1.3.1. Reichstagsakten (RA II) Nicht alle Großganzsätze in RA werden so gestaltet wie das oben angeführte riesige Satzgefüge. Die Verschiebung des Hauptsatzes an eine sehr späte Stelle im Ganzsatz, wodurch dessen strukturelle Einheit auch äußerlich bezeichnet und betont und ihm eine "gedeckte" Form verliehen wird, d. h. die geschlossene Struktur, darf keineswegs als Regel gelten. Sehr verbreitet sind in RA z. B. solche Konstruktionen, in denen der Hauptsatz durch die Einleitungsformel der Bekanntmachung /Zu wissen sei . . . / , /wir tun kund . . . oder Ähnliches gebildet wird. Diese Formel steht selbstverständlich am Anfang des Satzgefüges oder nicht weit davon, da sie die eigentliche Mitteilung einführt. Zuweilen enthält sogar erst die Kette der diesem Einführungssatz untergeordneten Elementarsätze, die allerdings oft in Parataxe übergehen, den eigentlichen Inhalt der Urkunde, so daß diese nur aus einer Begrüßungsformel und diesem Satzgefüge besteht. Doch auch solchen Einführungsformeln wie /Wir tun kund . . . / folgt oft eine Konstruktion, die die Bildung eines geschlossenen Satzgefüges erlaubt. Nach /tun kund/ wird dann ein syntaktischer Einschnitt gemacht, der ungefähr einem Kolon entspricht, und weiter beginnt sich zu entrollen, was kund getan wird, ohne formal vom vorhergehenden Satz beeinflußt zu sein, also nicht als ein vom Verbum dicendi abhängiger Objektsatz. Eröffnet wird daher ein solcher Satz nicht mit /daß/, sondern irgendwie anders. Da die inhaltlichen Darlegungen dabei- sehr oft mit der Schilderung von Vorbedingungen und Ursachen des eigentlichen Sachverhalts beginnen, steht vielfach am Anfang dieser Gebilde ein mit / a l s / eingeleiteter Nebensatz. Und ihm folgen oft weiter e Nebensätze mit ähnlicher Semantik. Auf diese Weise wird die syntaktische Konstruktion als Ganzes zu einer teilweise geschlossenen Konstruktion. Oft werden aber alle diese Gestaltungsmöglichkeiten variiert. Als Beispiel dafür der erste Teil aus der Erklärung des Königs Sigmund vom 5. August 1410: 2. I) /Wir Sigmund von gotes gnaden czu Ungern Dalmacien Croacien Ramen Servien Gallicien Lodomerien Comanien und Bulgarien kunig marggrave zu Brandemburg und des heiligen Romischen reichs erczcamerer des kunigreichs zu Behmen und czu Lucemburg erbe bekennen offenlich mit disem brife: /la) / a l s von der clegelichen zweitracht wegen, / 2) /die in der heiligen kirchen als von des babstums und des stules zu RonAe

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wegen leyder langczeit gewesen und noch ist, / 3) /dorunder dy cristenheit jemerlich zurtrennet ist, / 4A) das etliche prelaten fursten herren stette gemeinde und einczlige persone geistliche und werntliche mit yren undertanen landen und lauten herren Gregoe rium den czwelften für eynen rechten waren babst erkennen halten und ym also geharsam s i n t , / 5) /nachdem das von iren vorfadern und alten an sye komen ist und sie yre gewissen dorczu weyset,/ 4B) /und doch etlich ander prelaten fursten herren stette und einzlige persone ander geharsam und meynunge dorinne habent und haltent,/ II) / d e s ist unser ganczer wille fursacze und meynunge, / la) / d a s wir noch allem unserm vermögen, / 2A) /das wir nu haben oder hernach uberkomen, / 2B) /ob wir yoch czu Romischem kunige ader keyser furgewant ader uffgeworffen weren ader hernoch worden, / lb) /dorczu fleißiglichen arbeitten und ernstlich thun wollen mit gotlichen r e d lichen wegen, / 2) /daz ein luter gancze eintrechtikeit und ein einmutiger babst werde in der heiligen kirchen und ein geharsame in allem cristenlichem volcke./ (24) Schema des Satzgefüges 2: I - l a - 2 - 3 - 4A - 5 - 4B - II - l a - 2A - 2B - l b - 2 In diesem Satzgefüge wird das nach der Kundgebungsformel stehende, mit / a l s / eingeleitete und somit als Nebensatz auftretende Elementarsatzfragment 1 durch den postpositiven ElementarsatzIIwiederaufgenommen, das die Form eines nicht abhängigen Satzes hat, also als Hauptsatz der ganzen Konstruktion auftritt. Aber auch davon abgesehen, organisiert dieser Satz die gesamte Masse der vorhergehenden Elementarsätze, da sie strukturell mittelbar oder unmittelbar von ihm abhängen. Die nachfolgenden Nebensätze sind hier strukturell notwendig, da die ihnen Ubergeordneten Sätze ohne sie semantisch und strukturell nicht abgeschlossen wären. 1.3.2. Der Vertrag zwischen den Erzbischöfen von Mainz und Köln, dem Bischof von Würzburg, dem Herzog von Braunschweig, dem Landgraf von Thüringen und dem Landgraf von Hessen (CdS) Dieser im Jahr 1427 abgeschlossene Vertrag ist im Sammelband Codex diplomaticus Saxoniae (Leipzig 1941, S. 392-399) abgedruckt, im folgenden abgekürzt (CdS). Der Vertrag besteht aus einer Eingangsformel (mit dem Verb /bekennen/), einer kurzen Präambel, die aus einem Satzgefüge (mit 4 Elementarsätzen) besteht, und aus dem eigentlichen Text, der 7 Seiten einnimmt. Aber in ihm finden sich keine außerordentlich langen Satzgefüge. Die Nebensätze erreichen nur den dritten Abhängigkeitsgrad, der Maximalbestand des Satzgefüges beträgt 11 Elementarsätze. Ich führe dieses Satzgefüge an: 1. 1) /Wer es auch, / 2Aa) /das ymands,/ 3A) /wer der w e r e , / 3B /(der uf dheins unsers obgnanten hern landen oder strassin angriffe und beschedigt)/ 2Ab) /und der raup und name in des andern lande, slosse, stete und gebiet kerne/ 2B) /und das man

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demselben raube und name an frischer tat nachfolget oder in vir tagen dornach/ 2C) /und diselben nachfolgere unser amptlut, manne, stete, oder undersessen heischten und vorderten,/ Ia) /dorczu sollen und wollen wir an einander und unsers iglichs amptlut, dinere und undertane,/ 1) /welch danne darumb ermant und angerufft werden, / Ib) /zu stund an zuzihen und das getrulich helffin weren und dorczu tun glicherwis, und in aller maß, / 1) / a l s ob das unser iglichen selbs anginge und sin eigen sache were/ Ic) /und zu denselben beschedigern des rechten helffin, / 1A) /das die name on Widerrede gekart und widergegeben werde/ lb) /und nach recht oder gnaden wandeln dorumb ergehe, . . . / ( 396 - 397 ) Schema dieses Satzgefüges: 1 - 2Aa - 3A - 3B - 2Ab - 2 B - 2 C - I a - 1 - I b - 1 Ic - 1A - lb Obgleich der Text nicht in Absätze eingeteilt ist, spürt man deutlich die inneren thematischen Einschnitte, die den einzelnen Vertragspunkten gewidmet sind und den Paragraphen moderner Verträge entsprechen. Als Vorläufer einer solchen Paragraphierung darf das ordnende Zahladverb / e r s t e n s / am Angang des ersten Satzes im eigentlichen Vertragstext gelten. Auch die mehrfache Wiederholung gleicher Anfänge trägt zur syntaktisch-semantischen Abgrenzung einzelner Textabschnitte bei. Vor allem gilt dies für Wiederholungen von präpositiven uneingeleiteten Konditionalsätzen (/Und wer es, das . . . / 'Und wäre es, daß . . . ' ) , was eine äußerliche sprachliche Stütze für eine solche Einteilung des Textes darstellt. (Es gibt - mit geringen Variierungen 6 solche Konstruktionen, die jeweils neue Gedankengänge einleiten). Viermal stehen (mit geringen Variierungen) am Anfang der thematisch etwas Neues bringenden Ganzsätze uneingeleitete Konditionalsätze vom Muster /Auch gewonnen wir . . . / . Zweimal stehen in dieser Position mit /ob/ 'wenn' eingeleitete Konditionalsätze. Es sind somit im Ganzen 12 Satzgefüge mit präpositivem Konditionalsatz, die jeweils den Übergang zu einem verhältnismäßig neuen Vertragsthema kennzeichnen. Ein solcher Parallelismus hilft den Text in einzelne thematische Abschnitte zu gliedern. Diese einzelnen Abschnitte sind nicht sehr umfangreich und weisen eine verhältnismäßig einfache Struktur auf. Sie bestehen aus einem oder - häufiger - aus 2-4 Ganzsätzen. Der erste (oder der einzige) Ganzsatz in diesen Abschnitten ist gewöhnlich ein Satzgefüge mit einem präpositiven Konditionalsatz oder ein unabhängiger Satz, der das Verhalten der den Vertrag schließenden Parteien durch das Verb /sollen/ in finiter Form bestimmt. Zuerst drei Beispiele von Abschnitten, die mit einem präpositiven Konditionalsatz beginnen: 2. 1) /Und wer es, / 2) /das dieselben unser beider czweier partiien gekorn schidlute und frunde des rechten also nicht einig werden mochten, sundern ein zwispeltig recht sprechen und nicht einen merer teil under in mechten,/ I) /so sollen dieselben

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unser beider partii geschickt frunde nicht von dannen scheiden, / 1) /sie enhetten danne zuvor einen gemeynen und oberman doselbst zuvor von unser beider herren wegen gekoren und benant,/ 2Aa) /den sie auch uf ir eide,/ 3) /domit sie von uns - zu beiden siiten beladen sollen werden, / 2Ab) /kisen, bennennen und eins werden sollen, / 2B) /den sie meynen,/ 3) /der uns beiden herren glich gewegen sey./ ( 393 ) Schema dieses Satzgefüges: 1 - 2 - 1 - 1 - 2Aa - 3 - 2Ab - 2B - 3 3. la) /Und deßglichen gewonnen wir landgraf Ludwig oder unser erben eniche spenne, zweitracht oder irrunge gein - erczbischof Connrat oder erczbischove Ditrich oder aber iren nachkomen, / 2) /welcher das were,/ lb) bynnen der obgnanten iarzale,/ Ia) /so sollen und wollen wir denselben, / 1) /zu den wir solche myßhellungen und spenne gewonnen, / Ib) /beschriben, siner schidlichen frunde drii oder vyre gein den unsern gein Gudesperg zu schicken, / la) /sulch ir beider frunde - unser herren und oheimen oder ire nachkomen, / 2) /mit den wir also zu mißhellen komen, / lb) /schicken sollen./ ( 394 ) Schema dieses Satzgefüges: l a - 2 - lb - Ia - 1 - Ib - l a - 2 - lb 4. 1) /Deßglichen ob wir erczbischof Connrat oder erczbischof Ditrich, unser nachkomen oder stifft, manne oder diner eincher mit - herczog Wilhelmen obgnant, sinen erben, mannen oder dinern oder aber er, sin erben, manne oder dinere mit uns, unsern nachkomen und stiffte, manne oder dinere enichem oder auch sein oder unser eins manne oder dinere gein einander ichte zu sprechen gewonnen bynnen der obgnanten iarczale,/ I) /des sollten und wolten wir alle zu allen siiten zu ußtrage kommen in aller mas,/ 1) /als danne wir erczbischof Connrat, erczbischof Ditrich und herczog Wilhelm egnant zuvor in eynunge siezen und diselben unser eynunge ußwisen, on geverde./ ( 394 ) Nun zwei Abschnitte mit /soll/: 5. I) /Wir sollen und wollen auch unser einer dem andern nicht steen nach sinem eygentum, erbe, slossen und steten, landen und luten noch die innemen in keynerlei wise und auch unser keiner den andern mit keinen neuen und geverliehen beuen uberbauen an slossen, dorffern, kirchoven noch andern vestenungen./1) /Gescheen auch eincherlei zugriff oder beschedigung uß unser eins lande von den unsern in des andern hern lande, / Ha) /so sol unser iglicher dem andern getrulich bistendig und beholffin sin, den oder die, / 1) /die solch zugriff oder schaden getan hetten,/ üb) /ernstlich dorezu zu bringene./ 1) /das solcher schade mit eiden oder mit widertat gekart werde in vir wochen,/ 2) /nachdem wir des ermant werden, on Widerrede und on geverde./ ( 396 )

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Die Zeit um 1500 Schema dieses Abschnitts: 1 - 1 - ü a - 1 - ü b - 1 - 2

6. I) / E s sol auch keiner unter uns des andern offin fynde oder reuber und beschediger in sinen slossen, steten, landen und gebieten uf des andern schaden wißentlich und mit vorsacz nicht husen, hofen, halden, eßen noch trencken noch geleit darinne geben noch den dheynerlei zulegunge, hilfe, furderunge, rate oder bistand tun, noch durch sin gezwenge und lantwer nicht komen laßen heimlich noch offinlich in dhein wis onge v e r d e . / ( 397 ) Der nicht sehr hohe Abhängigkeitsgrad der Nebensätze und die ziemlich beschränkte Anzahl von Elementar Sätzen in einem Satzgefüge bedeuten jedoch nicht, daß diese Satzgefüge überhaupt kurz sind. Es gibt in CdS auch sehr umfangreiche Ganzsätze. Denn die einzelnen Elementarsätze können sehr lang sein, was eine Folge des Bestrebens ist, alle Personen und Institutionen, die an einem Sachverhalt beteiligt sind, genau zu bezeichnen. Dies führt zum ausgiebigen Gebrauch von gleichartigen Satzgliedern verschiedener Art. So enthält der präpositive Konditionalsatz im Beispiel 4) 62 Wortformen, was durch Aufzählungen verursacht wird wie /wir erczbischof Connrat oder erczbischof Ditrich, unser nachkommen oder stifft, manne oder diner eincher./ Von den Mitteln, die der strukturellen Festigung des Satzgefüges dienen und den Nebensatz als solchen kennzeichnen, sind Konjunktionen, Relativpronomen und Relativadverbien zu nennen. Die Zahl der Konjunktionen und die Frequenz ihres Gebrauchs ist in CdS ziemlich niedrig; das hängt mit dem geringen Umfang des Textes und seiner verhältnismäßig gleichförmigen Gestaltung zusammen, es ist aber auch bedingt durch die Neigung, präpositive Konditionalsätze ohne Konjunktion zu gebrauchen. Von den vorhandenen Konjunktionen spielen einige eine größere Rolle; das sind / a l s / , /ob/ in der Bedeutung 'wenn', / d a s / in der Funktion von 'daß'. Aber irr Gegensatz zu RA wird in CdS das Wort / a l s / verhältnismäßig selten als alleinstehende Konjunktion gebraucht; es ist dann Träger der Semantik der Entsprechung oder des Vergleichs (Vgl. z . B . / . . . als abgeschriben ist/ . . . 'wie oben geschrieben ist' 398, 20). Kennzeichnend für CdS ist ein Gebrauch, bei dem die Konjunktion / a l s / mit anderen Konjunktionen, Adverbien oder Partikeln verbunden wird. So kommt einige Male die Verbindung / als dann(e) / vor; sie trägt die Semantik des Vergleichs oder der Entsprechung; vgl. dazu z . B . / . . . so soll man dem furter nachgeen, nit rechte zwischen uns bie beiden zu sprechen und uns zu entscheiden in allerwise und forme, als dann hievor von unsern bruder von Meinez geschriben stet, an geverde./ (394, 2-3). Daß die Fügung / a l s dann/

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hier der Fügung /wie dann/ entspricht, ist daraus zu entnehmen, daß in genau derselben Konstruktion, die überhaupt wie eine juristische Formel gebraucht wird, auf derselben Seite in CdS auch einmal /wie dann/ steht: 7. 1) /Und ob sie des nit tun mochten, / I) / s o solt man dem aber nachgeen mit rechte, zwischen uns beiden zweienden partien zu sprechen und zu entscheiden in aller maß und forme, / 1) /wie danne vor von unsern obgnanten herren und oheimen von Meincz und von Collen geschriben stet, an geverde./ ( 394 ) Allerdings wäre vom rein semantischen Standpunkt aus die Verwendung der Konjunktionen / a l s / und /wie/ in solchen Konstruktionen auch ohne das polyfunktionale /dann(e)/ möglich, so daß man dieses /dann(e)/ an und für sich nicht als einen Teil einer zusammengesetzten Konjunktion betrachten muß, sondern als eine Partikel, die die Semantik des ganzen Nebensatzes modifiziert und sich nur syntagmatisch an die Konjunktion anlehnt. Aber ausschlaggebend ist hier die. Tatsache, daß in CdS in den betreffenden Konstruktionen / a l s / und /wie/ häufiger in Verbindung mit /dann(e)/ auftreten und daß auch in anderen Konstruktionen / a l s / in der Funktion der unterordnenden Konjunktion in Begleitung anderer Wörter erscheint. Sokommt/als/in der auch heute existierenden Verbindung /als ob/ vor, mit der Bedeutung des irrealen Vergleichs, die freilich noch durch die adverbial-konjunktionale Wortform /glicherwis/ unterstützt wird: 8. I) /Zum ersten, / 1) /das wir, unser nachkomen und erben die obgnante iarczal uß an einander getrulich meynen und fruntlich eren, furderen und halten und unser einer des andern fromen und bests getrulich werben und furnemen mit worten und wercken heimlich unf offinlich sollen und wollen, / 2) /glicherwis als ob es unser iglichen selbs anginge und leiplich antreffe./ ( 392 ) /Als/ tritt - sogar zweimal! - auch in der Verbindung /alsferre als/ ' insofern' auf: 9. 1) /So nemen wir Ludwig landgrave in dise puntnuß und eynunge den hochgeboren fursten herczogen Bernhard zu Brunßwig und Lüneburg, herczoge Otten und herczogen Fridrich sin sone unser liben oheymen, ir lande und lute,/ 1) /alsverre als sie dorinne sin wollen, . . . / ( 398 ) Sehr verbreitet ist die Konjunktion /ob/ 'wenn'. Auch /wie/ wird einmal mit solcher Semantik gebraucht: / . . . wie das danne kome/ 'wenn das doch käme' (394, 34), allerdings mit Hilfe eines distanzierten /danne/. Dagegen kommt /wanne/ als einleitende Konjunktion der Konditionalsätze in CdS nicht vor. In dem einzigen Falle, wo /wanne/ überhaupt in CdS erscheint (392, 4), hat es die kausal-temporale Bedeutung 'da, nachdem'. Mit finaler Bedeutung tritt /domit/ auf (392, 38).

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Einmal kommt in CdS die präpositionale Fügung /in Malten/ als unterordnende Konjunktion vor; sie trägt die Semantik der Entsprechung und des Vergleichs, die ganz generell für die Sprache der Verwaltung von sehr großer Wichtigkeit ist. Vgl. dazu die Wendung / . . . in maßen/ 'wie' /vorgeschrieben und unterscheiden ist. / (393, 22). Vgl. HI. 2.2 Obgleich die Konjunktionen und Relativadverbien für die Bezeichnung von Nebensätzen von relativ großer Wichtigkeit sind, erweisen sie sich jedoch keineswegs als geeignet, den Typ des Nebensatzes eindeutig von Nicht-Nebensätzen zu scheiden. Das ist dadurch bedingt, daß die meisten dieser Konjunktionen polyfunktional sind. In noch höherem Maße gilt dies für Relativpronomen und Relativadverbien. Damit gewinnen die anderen Mittel zur Charakterisierung von Nebensätzen erheblich an Bedeutung. Die Wortbildung ist ein weiteres Mittel zur eindeutigen Kennzeichnung von Nebensätzen. Die Stellung des finiten Verbs im Nebensatz im CdS ist unterschiedlich. Einigermaßen sichere Hinweise auf das Vorliegen von Nebensätzen sind nur dort gegeben, wo Schemata von Sätzen mit einer Schlußstellung oder wenigstens einer Späterstellung von Formen des finiten Verbs verwendet werden. Die übrigen Typen der Verbalstellung drücken den Nebensatzcharakter des entsprechenden Elementarsatzes keineswegs eindeutig aus, selbst wenn sie im semantischen Kontext zu seiner Bezeichnung beitragen. Die Schlußstellung der finiten Verbform ist sehr vielen Nebensätzen im CdS eigen. Allerdings ist sie in manchen Fällen nicht vollständig, sondern nur teilweise realisiert. Es gibt also viele Ausklammerungen, übrigens genau derselben Art wie in den NichtNebensätzen. Ausgeklammert werden vor allem präpositionale Adverbialbestimmungen, in erster Linie formelhafte Kanzleiwendungen wie z. B. /on geverde/ (395, 25). Aber auch andere Präpositionalkonstruktionen, Infinitivkonstruktionen, Partizipialkonstruktionen und Relativsätze werden ausgeklammert. Das nachfolgende Beispiel enthält Ausklammerungen verschiedener Art. 10. 1A /Und ob wir, unser nachkomen oder erben aUe oder unser zwene herren under einander hinfur bynnen der obgnanten zit icht irrunge, zweitracht oder mißhellunge gewonnen uns herren selbs, unser furstentum, herrschafft oder lande antreffin/ 1B) /und wer die vorderunge und ansprache unser erczbischof Conrats oder unser nachkomen gein - hern Ludwigen lantgraven zu Hessen oder sinen erben, / I) / s o sollen und wollen wir oder unser nachkomen im oder sinen erben dorumb schriben und vermanen, drii oder vyre sin schidlich frunde gein den unseren zu schicken gein F r i c z l a r , / 1A) /dohin derselbe - oder sin erben solche sin schidlich frunde bynnen einem monet nechst nach solcher beschribung und vermanung schicken sol gein den unsern, / lBa) /dieselben unser beyder geschickten frunde alsdanne doselbst zu Friczlar unser oder unser nachkomen gebrechen und ansprach und - unsers oheims oder siner erben widersage und entwert unser beider urkunde, zucknuß und brive/ 2) /und was yede partii für sich

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seczen wil, / lBb) /verhören und innemen und dornach mit allem ernste understen und versuchen sollen, uns beide partii umb solch unser gebrechen gutlich zu seczen und fruntlich zu scheiden./ ( 392 ) Schema dieses Satzgefüges: 1A - lB - I - 1A - lBa - 2 - lBb In dem präpositiven Satz 1A ist eine Partizipialkonstruktion ausgeklammert (/antreffin/ ist hier Partizip I, in zwei anderen Handschriften entspricht /antreffend/). In dem postpositiven Nebensatz 1A wird eine präpositionale Adverbialbestimmung ausgeklammert (/gein den unsern/) - eine ähnliche Gruppe (/gein Friczlar/) im Hauptsatz I, im postpositiven Nebensatz lBb eine Infinitivkonstruktion. Trotz der Ausklammerung steht in allen diesen Nebensätzen die finite Verbform nicht an zweiter Stelle im Satz sondern später, so daß der abhängige Charakter dieser Sätze eindeutig ist. Auch die Anfangsstellung der finiten Verbform in uneingeleiteten präpositiven Konditionalsätzen charakterisiert im Kontext des Vertrags die betreffenden Elementarsätze als Nebensätze. Die Anfangsstellung, der finiten Verbalform im Hauptsatz oder selbständigen Aussagesatz, die die enge Verbindung mit dem vorhergehenden Satz zum Ausdruck bringt und die immer durch Anwesenheit der Konjunktion / u n d / vor dem Verb gekennzeichnet ist, kann mit der Spitzenstellung der Verbform im Nebensatz nicht verwechselt werden - zum Teil wegen /und/, zum Teil wegen des Indikativs, wogegen in Nebensätzen mit ähnlicher Wortstellung der Konjunktiv gebraucht wird. Sehr verbreitet sind in CdS präpositive uneingeleitete Konditionalsätze mit /Wer e s / 'Wäre e s ' , das fast zur Formel geworden ist. Es erfordert selbstverständlich einen Nebensatz (zweiten Grades),einen Inhaltsatz, der mit der Konjunktion / d a s / 'daß' eingeleitet wird und gewöhnlich einen komplizierten Gehalt und komplizierte Struktur aufweist und umfangreich ist, oft Nebensätze dritten Grades (auch höheren Grades) bei sich hat, so daß umfängliche präpositive Nebensatzkomplexe entstehen. Als Beispiel sei hier folgendes Fragment eines Satzgefüges angeführt: 11. 1) /Und wer es danne,/ 2) /das derselbe unser beider gekorner gemeyner sich des rechten anzunemen und zu sprechen verrett

oder verlobt hette oder sunst des nit

tun wolte,/ 3) /das wir beide herren doch an in getrulichen ersuchen und mit unsern Schriften flißiglichen erbitten solten und wolten, / I) / s o solten wir . . . / ( 393 ) Da der Nebensatz 1 mit der Konjunktion /Und/ einsetzt, wird hier sein Nebensatzstatus im Gegensatz zu den nicht-abhängigen Sätzen mit der Spitzenstellung der finiten Verbalform formal nur durch den Konjunktiv des Verbs zum Ausdruck gebracht. In den inter- oder postpositiven konzessiven Nebensätzen mit der Zweitstellung der finiten Verbform, ist es auch vor allem der Konjunktiv, der sie von den nicht-abhängigen

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Elementarsätzen scheidet; vgl. z.B. 12. I) / s o sollen dieselben unser beider partii geschickt frunde nicht von dannen scheiden, / 1) /sie enhetten danne zuvor einen gemeynen und oberman doselbst zuvor von unser beider herren wegen gekoren und benant, . . . / (393, 8-11) Es wurde bereits auf die wichtige Rolle hingewiesen, die der Konjunktiv bei der Kennzeichnung des Nebensatzstatus der nicht eingeleiteten Konditional- und Konzessivsätze einnimmt (Vgl. die Beispiele unter 11 und 12). Allerdings ist anzumerken, daß in solchen Konstruktionen der Konjunktiv nicht immer eindeutig gekennzeichnet ist, da in CdS die Charakterisierung des Umlauts von / o / und / u / nicht vorgenommen worden ist. Die Zweitstellung der finiten Form des Verbs ist das wichtigste Mittel, sowohl den Hauptsatz als auch den nicht-abhängigen Aussagesatz überhaupt als solchen zu kennzeichnen. Über die Mittel, die den Nebensatz mit der Zweitstellung der finiten Form des Verbs vom Hauptsatz unterscheiden, wurde oben ausführlich berichtet (vgl. das Beispiel unter 12). In Hauptsätzen und unabhängigen Elementarsätzen, die als Ausdruck ihrer engen Verbindung mit dem vorangehenden Text eine Anfangsstellung der Form des finiten Verbs aufweisen, kann als Kennzeichnung ihres Status als eines Elementarsatzes, der unabhängig ist, die Konjunktion /und/ gelten, die solche Sätze eröffnet. Vgl. z.B. 13. / . . . und sollen auch die nachfolger von unsern mannen, dineren und steten in allen unsern slossen, steten und gebieten, so offt des not gechicht, ingelaßen, gutlich gehandelt, hülfe und rat getan, fride und geleit gegeben werden on alles geverde./ (397, 4-7) Ein auf den präpositiven Nebensatz (oder Nebensatzkomplex) bezogenes Korrelat in einem postpositiven Hauptsatz kann als Mittel dienen, mit dessen Hilfe sein Hauptsatzcharakter deutlich gemacht wird. Oft steht im postpositiven Hauptsatz an erster Stelle, d.h. unmittelbar nach dem präpositiven Nebensatz (oder dem Nebensatzkomplex) und vor der finiten Form des Verbs, ein Glied des Satzes, das in irgendeiner Form einen Bezug auf den präpositiven Nebensatz (oder den Nebensatzkomplex) nimmt. /So/ kann als ein solches Korrelat des Nebensatzes gelten, aber in Hauptsätzen, die nach Konditionalsätzen stehen, auch als eine Art Konjunktion, die die Bedeutung der Schlußfolgerung trägt.

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/So/ kann am Anfang eines postpositiven Hauptsatzes auch dann stehen, wenn der präpositive Konditionalsatz nicht eingeleitet ist. Vgl. z . B . : 1) /Wolt aber der oder diselben solch zugrif nicht widerkeren oder verbüßen, / I) / s o sollen und wollen wir . . . / (397, 17-18). Es können auch solche Satzkomponenten vor der finiten Verbform des postpositiven Hauptsatzes erscheinen, die den Gehalt des präpositiven Nebensatzes wiederaufnehmen, wobei eine Beziehung hergestellt wird. Dies wird vom Pronominaladverb /dobii/ ' dabei' in folgendem Satzgefüge geleistet: 14. 1) /Und was dieselben unser beider partii gekorn frunde oder das merer teil under in alsdanne zwisschen uns beiden teilen also mit recht ussprechen und entscheiden werden, / I) /dobii sol es bliben und von uns obgnanten zweien partien beiden ufgenomen, gehalden, volnzogen und volfurt werden on allein intrag, verzuk, Widerrede und geverde./ ( 393 ) Allerdings kann die Frage gestellt werden, inwiefern das Vorhandensein einer Satzkomponente vor der finiten Verbalform, die auf den präpositiven Nebensatz Bezug nimmt, den Hauptsatzstatus des betreffenden Elementarsatzes kennzeichnet. Bereits die Voranstellung des Nebensatzes bringt ja die finite Verbform im postpositiven Hauptsatz in Zweitstellung. Die Setzung einer weiteren Satzkomponente unmittelbar vor die finite Verbform des Hauptsatzes unterstreicht jedoch diese Zweitstellung, so daß der Status des betreffenden Elementar satzes als eines nicht-abhängigen Satzes noch deutlicher wird. Außerdem werden dabei die semantischen Beziehungen zwischen dem Neben- und Hauptsatz expliziert, was zuweilen von größter Wichtigkeit ist wegen des beträchtlichen Umfangs und der Kompliziertheit des präpositiven Nebensatzkomplexes. Dies war aller Wahrscheinlichkeit nach die Ursache der Bildung und des m a s senhaften Gebrauchs solcher Konstruktionen. Aber solche Konstruktionen helfen auch zur strukturellen Unterscheidung des Hauptsatzes von den Nebensätzen. Nun existiert eine Reihe von Mitteln, die in besonderem Maße der strukturellen Zementierung des Satzgefüges dienen. Besonders eng werden die zu einem Satzgefüge gehörenden Elementarsätze miteinander verbunden, wenn die Nebensätze interpositiv in bezug auf den Hauptsatz bzw. auf weitere Nebensätze niederen Grades plaziert sind, d.h. wenn das Satzgefüge zu einer unlösbaren Einheit v e r flochten ist. Auch die Voranstellung aller Nebensätze, die zu einer geschlossenen Struktur des Satzgefüges führt, festigt das Satzgefüge. In CdS sind die gestreckten

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Strukturen keine Seltenheit, aber die geschlossenen fehlen fast vollständig. Ein Beispiel für einen gestreckten Hauptsatz: 15. 1) /Und welcher amptmann abginge oder entseczt wurde,/ Ia) / s o sollen der oder die andern,/ 1) /die an ir stat und ampt gesazt wurden,/ Ib) /des andern herren amptmann nechst dobii, / 1) / s o dick des von allen teilen not geschieht, / Ic) /globen und sweren,/ 1) als die andern vordem amptlut getan haben,/ Id) /in den nechsten vir wochen dornach, / 1) / s o man das vordert und begert, on alles geverde./ ( 397 ) Schema dieses Satzgefüges: 1 - I a - 1 - I b - 1 - I c - 1 - I d - 1 Ein Beispiel für einen gestreckten präpositiven Nebensatz: 16. la) /Auch gewonnen wir erezbisphof Connrat oder erczbischof Ditrich obgnant, unser nachkomen oder stiffte e i n e r , / 2) /welcher under uns das w e r e , / lb) /unser manne oder dinere zu schicken mit - landgraf Fridrich egnant, sinen erben, mannen, oder dineren . . . gein dieselben - herren - von Meincz oder von Collen, ire nachkomen oder stiffte e i n s , / 2) /welcher das w e r e , / lc) / i r manne oder dinere . . . bynnen der obgnanten iareziit ichte zu schicken,/ 2) /wie das danne kerne,/ I) /des solten und wolten wir zu ußtrage komen, . . . / ( 394 ) Sehr verbreitet sind in CdS gemischte Strukturen, z. B.. zentriert-gestreckte oder abperlend-gestreckte. Die Zahl der unpräzisen Konstruktionen des Satzgefüges ist in CdS klein, was wohl mit der verhältnismäßig geringen Anzahl von Elementarsätzen im Satzgefüge zusammenhängt. Doch gibt es Textabschnitte, die einerseits ihrer Semantik, ihrer Wortstellung und ihrem prädikativen Bau nach als Nebensätze auftreten, jedoch keine unterordnenden Konjunktionen oder Relativpronomina aufweisen, überhaupt strukturell als Fortsetzungen eines anderen Elementarsatzes zu betrachten sind. Vgl. z. B. den postpositiven Nebensatz l a - b im Satzgefüge 3), zum Teil auch das Satzfragment Ic im Satzgefüge 1).

2. Urkunden um 1500

2.1.

Eine Stiftung in der Ritter-Capelle zu Ansbach (USRCA)

Diese Stiftung wurde von Ludwig von Eyb zu Eglburg und Georg von Zedwig im Jahre 1498 gemacht und rechtlich als eine Urkunde gestaltet, die der Markgraf von Branden-

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bürg veröffentlicht hat. Die Urkunde besteht aus einer kurzen Verkündigungsformel, einer Präambel, dem eigentlichen Text, der 8 Hauptpunkte (nicht mit Ziffern ausgesondert) und ausführliche Zusatzbemerkungen enthält, und der Zustimmung / d e s Dechants und des Capitels gemeiniglich Sand Gumprechts Stifft zu Onoitzbach/, die Stiftung zu übernehmen. E s gibt in der Urkunde, obgleich sie drei Seiten in Quarto einnimmt, keine Einteilung in Absätze. Die Präambel besteht aus einem sehr umfangreichen Nebensatz (106 Wortformen), der mit der Konjunktion / a l s / einsetzt, die aber hier keine temporale Bedeutung hat, sondern eher die Bedeutung der allgemeinen Bezogenheit (' in Zusammenhang damit, daß . . . ' ) . Dieser Nebensatz soll eigentlich als präpositiver Nebensatz (begründender Art) zu allen nachfolgenden 8 Punkten der Urkunde dienen. Und der erste Punkt, der mit der Abkürzung / E r s t . / (= /Erstlich, Erstliche/) beginnt, ist auch dementsprechend gestaltet. Aber dieser Punkt ist nicht als ein einheitliches Satzgefüge aufgebaut, sondern als eine Reihe von Satzgefügen. Der zweite Punkt scheint deswegen strukturellsyntaktisch mit der Präambel in keiner Beziehung zu stehen. Dasselbe gilt für alle folgenden Punkte. Die Zahl der Nebensätze in den Satzgefügen in USRCA ist unbeträchtlich (maximal 5) und die Abhängigkeit der Nebensätze reicht bis zum dritten Grad. Es gibt nur zwei Satzgefüge, die diesen Abhängigkeitsgrad aufweisen. 1. Ia) / Z u dem Dritten sein vier gülden nutz u. geltszueinem ewigen Jahrtag geordn e t , / la) /also das uf den T a g , / 2) / s o Her Conrad Lang seliger verschieden i s t . / 3) /etwo do er lebt/ lb) /ein Vicarier im Stifft iij. gülden, I. ort zu presenz u. iij. ort den priestern/ 2) /die denselben Tag mess lesen/ lc) /ausgetailt werden,/ Ib) / u . soll seiner seien des abends mit einer Vigilien mit IX. lezten u. placebo u. deß morgens mit einer gesungen Seelmeeß in derselben Ritter-Capellen besungen und mit der gesellschafft Beleuchtung gezieret werden./ (441) Schema dieses Satzgefüges: Ia - l a - 2 - 3 - l b - 2 - l c - Ib 2. 1) / u . ob sich begeb,/ 2a) /das die güther und nutzung durch Krieg oder anders oder die Weingült oder andere Zinß/ 3) /die abzukaufen i s t , / 2b) /abnehmen, / I) / d i e selbig minderung soll an der vorgeschrieben Stifftung abgeen, und Dechant u. Capitel auch gemainer Stifft an andern ihren güthern u. Nutzung unverpfend u. schedlich s e y n , / 1) / s o lang biß gemelte abgekaufte gült wieder angelegt würd durch die Verweser oder ir nachkommen mit samt einem Capitel./ ( 443 ) Schema dieses Satzgefüges: 1 - 2 a - 3 - 2b - I - 1 Wie bereits die obigen Beispiele zeigen, sind in USRCA sowohl gestreckte als auch

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zentrierte Kompositionen des Satzgefüges vertreten. In komplizierteren Satzgefügen begegnet besonders die gestreckte Struktur, z. B.: 3. I) /Darum soll er kauften schon Brod/ II) /die tun xxvj. pfening wert mit der eingab, / Iüa) /davon soll er ausgeben sieben pfening wert dem Vicarier der Capellen,/ 1) /der die Meß singt,/ mb) / v i . schulern, / 1) /die, die Meß singen helffen,/ mc) /ein pfenbert dem Knaben,/ 1) /der zu altar dient,/ md) / d r e i pfenbert den Sundersichen,/ IV) / i i j . pfenbert soll im der Meßner selbst für seine Mühe behalten./ ( 441 ) Wenn man die Elementarsätze I, n und IV beiseite läßt, sieht das Schema des Satzgefüges folgendermaßen aus: Illa - 1 - mb - 1 - EUc - 1 - md Die Satzgefüge, die aus zwei oder drei Elementar Sätzen bestehen, sind oft geschlossen oder abperlend. Es kommen auch vereinzelte Schachtelungen vor, aber nur in schwacher Form. Ausklammerungen sind selten, da die meisten Nebensätze sehr kurz sind. Die afinite Konstruktion fehlt in USRCA vollständig. Als unterordnende Konjunktionen werden in USRCA verwendet: / a l s / (mit der Semantik der allgemeinen Bezogenheit), / a l s / ' w i e ' , / a l s o daß/ ' so daß', /angesehen das/, /daß/, / d o / (lokal), /domit/ (final), / o b / 'wenn', / s o / 'wenn', / s o lang biß/, / s o nu/ 'sobald', /wenn/, /wie/, /wo/ (lokal). Der präpositive Nebensatz /ob sich begeb/ (443) kann als erweiterte und präzisierte Entsprechung einer unterordnenden konditionalen Konjunktion gelten. Die unpräzise Konstruktion des Satzgefüges verbindet sich in USRCA mit allgemeiner Unübersichtlichkeit des Texts. Die Beziehung der Präambel zu den 8 Hauptpunkten des Texts ist sowohl dadurch erschwert, daß die Punkte selbst oft lange Satzreihen bilden, andererseits dadurch, daß die Punkte graphisch nicht scharf voneinander getrennt sind. Die Nebensätze sind in der Regel klar gekennzeichnet. Aber es gibt einzelne Abweichungen in der Wortstellung, die die allgemeine strukturell-syntaktische Charakteristik der Elementarsätze erschweren. Dies gilt z. B. für den folgenden Textabschnitt: 4. la) /Und das ein jeder presenzer/ 2) /oder wem das bevohlen wirdet/ lb) /soll ein jedes Jahr mit einnehmen u. ausgeben dieser Stifftung zu sand Walburgen Tag und mit den vier Jahrtagen der vier quattember anfahen in der quattember Lucie zu halten den ersten jahrtage,/ I) / u . zu solcher obgemelten Stifftung sind geben die nachgeschrieben gült nemlich . . . / ( 443 )

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2.2.

Protokollarische Aufzeichnung des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker über die Verhandlungen auf dem Reichstage zu Nürnberg (UPA) Die Aufzeichnung ist in G. Kettmanns "Frühneuhochdeutschen Texten" ohne Anredeund Schlußformeln abgedruckt. Sie stammt aus dem Jahr 1524, als der Reichstag zu Nürnberg stattfand. Sie ist relativ kurz, enthält zwei ziemlich komplizierte und umfangreiche Satzgefüge, drei kurze und aus wenigen Elementar Sätzen bestehende Satzgefüge und einen kurzen Einfachsatz, der den Text beschließt. Eines der großen Satzgefüge: 1. Ia) /Erstlich hat sich sein F . D. bedankt des gehorsamen erscheinens auch entschuldig thun l a s s e n . / 1) /warumb sie den reichstag anzufallen sich bißanher verzogen/ Ib) /Vnd folgend mit etwan vhil reden, zu des Reichs Stenden gefallen, vnd e r messen gestelt./ lAa) /ob der Reichstag ytzo alsbalt anzufallen, oder a b e r / 2) /(dieweil sein f. d. gewisse kuntschaft habe,/ 3A) /das Trier vff der wege. vnd Coln auch entlich entslossen sey alher zukommen. Dergleichen die herzogen von Beyern auch auff der wege/ 3Ba) /zu dem man der keyserliehen botschafft/ 4) /So vor guther zeit in Niderlandt ankommen./ 3Bb) /allen tag warten sey)/ lAb) /biß auff ankunfft derselben. mit anfang des reichstags zuuerziehen s y . / 2) /vnd wes Churfursten fursten vnd Stenden. In solichem für gut ansehen./ 1B) / d a s woll Ime der stathelter auch gefallen lassen. / (63) Schema dieses Satzgefüges: Ia - 1 - Ib - lAa - 2 - 3A - 3Ba - 4 - 3Bb - lAb - 2 - 1B Der Hauptsatz I a-b enthält 28, der interpositive Nebensatz 8 Wortformen. Der postpositive Nebensatzkomplex, der aus 5 Nebensätzen besteht, enthält 83 Wortformen. Insgesamt besteht also dieses Satzgefüge aus 8 Elementarsätzen und 119 Wortformen. Ein Teil des Satzgefüges (die Nebensätze und Nebensatzfragmente 2 - 3A - 3Ba - 4 - 3Bb) ist als Parenthese ausgesondert. Einige Elementarsätze oder Elementarsatzfragmente (Ib, 4) und sogar einige syntaktische Gruppen innerhalb der Elementarsätze (in den Nebensätzen 3A und 2) beginnen mit Großbuchstaben. Doch machen solche Mittel der strukturellen Gestaltung wie die Wortstellung und die Konjunktionen ganz deutlich, daß diese graphische Erscheinung nur eine zusätzliche semantische Charakteristik der Gliederung des Satzgefüges bedeutet, die die in unserem Schema fixierte eigentliche strukturell-syntaktische Gliederung überlagert. Übrigens können graphische Erscheinungen wie die Großschreibung im Frühneuhochdeutschen zum Teil auch zufälliger Natur sein. Möglich sind Bedenken gegen den Elementarsatzstatus von IB, der das Satzgefüge abschließt. Man könnte ihn als postpositiven Hauptsatz auffassen, zu dem der präpositive Nebensatz 2 gehört, also 1 - I. Aber sowohl semantisch als auch infolge der Kon-

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junktivform des Verbs (/woll/) erscheint der betreffende Elementarsatz als ein Inhaltsatz (mit dem Wortstellungsschema des unabhängigen Elementarsatzes), der syntaktisch auf einen Hauptsatz mit der Semantik des Sagens ausgerichtet ist. Als ein solcher kann hier I a-b gelten, in dessen zweitem Fragment solche Verben enthalten sind, 32 die Inhaltsätze einleiten können. Kompliziert ist der Bestand des Nebensatzes 3A. Hier stoßen zwei Konstruktionen aufeinander: Eine mit der prädikativen Adverbialgruppe /vff der wege/, die zweite mit dem verbalen Prädikat /sey . . . zukommen/. Dabei ist die zweite Konstruktion von der ersten, die zweimal vorkommt, umklammert. Es ist fraglich, ob sich die erste Konstruktion an / s e y / der zweiten anlehnt, oder ob sie eine eigene' afinite Konstruktion darstellt. Man dürfte hier also vielleicht drei parallele Nebensätze postulieren. Ganz anders als das Satzgefüge 1 ist das zweite umfangreiche gestaltet: 2. Ia) /Vff mitwochen nach Erhardi Anno 1524 hat Ertzherzog ferdinand keyserlicher Maiestet Stathelter Im Romischen Reich, die Churfursten. Nemlich pfaltzgraf Ludwigen vnd hertzog friederichen von Sachssen./ 1) /die eigner person entgegen gew e s t . / Ib) /vnd doctor Caspar Westhausen. Meintzischer Canzler. als meinzischen geschickten vnd doctor Wolffgang ketwig als des Churfursten. von Brandenburg botschaft. Dar zu fursten. den hoemeister in Breussen den Bischoff zu Wirtzpurg hertzog friederich von Beyern vnd Marggraf Casimiren/ 1) /die auch in eigner person zu Nur Biberg gewest./ Ic) /vnd sunst andere fursten vnd stende des Reichs botschaft/ 1) / s o vhil der alhie gewest./ Id) /auff das rathauß versameln vnd Inen wie folgt furtragen lassen./ (63) Es ist ein gestrecktes Satzgefüge in seiner klassischen Form: I a - 1 - I b - 1 - I c - 1 - Id Die Fragmente des Hauptsatzes sind zum Teil sehr lang (25 + 36 + 9 + 10), wogegen alle interpositiven Nebensätze sehr kurz sind (4 + 8 + 5 ) . Insgesamt enthält das Satzgefüge 2 5 Elementarsätze und 97 Wortformen. Auch in diesem Satzgefüge finden sich manche Widersprüche zwischen der graphischen und strukturell-syntaktischen Gestaltung des Satzgefüges. Die Satzklammer bildet in den Nebensätzen die Regel. Ausgeklammert wird nur einmal eine Infinitivgruppe. Es herrscht auch die afinite Konstruktion. Allerdings gibt es Nebensätze, in denen indikativische Formen der Hilfsverben vorkommen könnten, nur in einer (fast formelhaften) Wendung (/die gewest/ 'die zugegen waren'). An unterordnenden Konjunktionen treten auf: / s o / ' d e r ' ; /dieweil/(Kausal); / o b / , / s o vhil/, /wo/ ' wenn'. Unpräzise Konstruktionen begegnen in Satzgefüge 1 . Sie wurden bereits oben be-

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sprochen. Wenn meine Auffassung von Aufbau und Gestaltung dieses Satzgefüges richtig ist, dann enthält es am Ende die Voranstellung eines abhängigen Nebensatzes höheren Grades (2-lB). 2.3.

Karl V. an Kurfürst Friedrich von Sachsen (UKKF)

Der Brief des Kaisers vom 15. Juli 1524 hat zum Thema die Unterstützung, die der sächsische Kurfürst der Reformationsbewegung erweist, und protestiert aufs heftigste gegen den Versuch des Kurfürsten, /ein general vnd gemain Teutscher Nation versamlung zu halten/. Der lange Brief besteht (außer Anrede- und Schlußformeln und einem kurzen Ein33 fachsatz vor der Schlußformel ) aus 6 Satzgefügen, die sich in Aufbau und Umfang ihrer Elementarsätze stark unterscheiden. Das kürzeste und unkomplizierteste Satzgefüge steht am Anfang: 1. Ia) /Wir haben verschinner tag den abschid vnd alles das genig/ 1) /so auf dem

negst gehalten Reichstag in vnser vnd des Reichs stat Nurmberg durch dein lieb vnd gemein stendt des hailigen Reichs furgetragen gehandelt vnd beslossen worden vnd in Sonderheit/ 2) /was du mit sampt den andern Stenden, der Lutherischen Secten vnd Irsal halben für Ordnung vnd einsehung gemacht vnd furgenomen,/ Ib) /vernomen./

( 28) Das Schema dieses gestreckt-abperlenden Satzgefüges: Ia- 1 - 2 - Ib Das komplizierteste und umfangreichste Satzgefüge steht am Ende des Briefes: 2. IA) /das aber dein lieb Sampt den Stenden mitler Zeit als für sich selbs furgenomen vnd entslossen auf den negst künftigen Sant Martins tag in vnser vnd des Reichs Stat Speyer, ein General vnd gemain Teutscher Nation versamlung zu halten vnd darauf weg mittel vnd Ordnung betrachten vnd furnemen/ 2) /wie vnd welher maß vnd gestalt es mit dem gotsdienst vnd andern gaistlichen Emptern Ordnungen gesetzen vnd gebreuchen gelebt vnd gehalten werden sol, biß auf das vorbestimpt gemain vnd general Concilium,/ lBa) /vnd das dieweyl hochgelert der hailigen Schrift vnd ander verstendig personen, alles/ 2) /das dem glauben nit gemeß vnd wyder geacht wird/ lBb) /in geschrifft verfassen die Zweyfel und anders nach vermögen derselben Entschaiden,/ Ia) /solhs kunen noch wollen wir keins wegs nit zugeben noch gestatten sonder/ 1) /wie vns als ainem beschirmer vnd beschutzer des Bebstlichen Stuels am vorderisten zusteet vnd geburt/ Ib) /am höchsten verhueten, auf das wir got des almechtigen auch Bebstlicher hailigkait, Zorn vnd vnwillen dardurch nicht auf vns laden,/ 2) /Dan was grosser Iniuri smahe vnd vnEre der hailigen gotlichen vnd Cristlichen kirchen mocht zugefuegt werden,/ 3A) /als wo die Cristlich gotzforcht vnd gehorsam dermassen verletzt vnd gemyndert,/ 3Ba) /vnd das die Teutsch Nation allein,/ 4A) /die bisher alweg für die gotzforchtig ist geacht worden/ 4B) /welche auch der cristlichen kirchen gebot und

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vnd Satzung gehorsamlich alzeit gehalten. / 3Bb) /sich aines solhen annemen vnd vndersteen wurd,/ 4a) /das doch al ander Cristlich fürs ten sampt dem Bapst nicht anfahen noch furneme'n dörften die gotlichen vnd loblichen Cristliche Ordnung gewonheit gesetz vnd gebreuch/ 5) /die so lang Jar vnd Zeither in der gantzen Cristenhait zutrost allen Cristglaubigen Seelen vnd menschen volkomenlich vnd vnangefochten gehalten worden/ 4b) /zuuerwerffen vnd abzuthun,/ 5) /dauon keiner ye abgewichen ist, / 6) /den das gerecht gotlich vrthl vnd gericht, nit darumb Swerlich gestraft het,/ 7) /wiewol der vnmenschlich vnd vncristlich Luther vermaint solhem allain zuentgeen, vnd mit seinem vnseligem Suessen gift souil Im möglich menigklich zuuergiften vnd an Seel vnd laib zuuerderben vnd sich durch solhe sein arglistige boshait vor den Menschen groß vnd ansehenlich zu machen,

/ (29)

Das Schema dieses zentrierten Satzgefüges: 1A - 2 - IBa - 2 - lBb - I a - 1 - Ib - 2 - 3A - 3Ba - 4A - 4B - 3Bb - 4 a - 5 - 4 b - 5 6-7 Das Satzgefüge 2 besteht somit aus 16 Elementarsätzen. Unter den Nebensätzen ist einer 7. Grades, der Maximalgrad der Abhängigkeit von Nebensätzen in UKKFüberhaupt. Satzgefüge 2 enthält 324 Wortformen, wovon 111 (4 Nebensätze) auf den präpositiven Nebensatzkomplex entfallen und 183 (11 Nebensätze) auf den postpositiven Nebensatzkomplex. Sowohl der Hauptsatz als der interpositive Nebensatz 1 enthalten je 15 Wortformen. Allerdings darf die hier vorgenommene Gliederung des Satzgefüges 2 keineswegs als völlig gesichert gelten. Man kann nämlich den Status des postpositiven Elementar satzes 2 bezweifeln. Er könnte ja auch als ein emphatischer unabhängiger Satz gedeutet werden: die satz er öffnende Wortform /dan/ist groß geschrieben undkann sowohl unterordnend als auch beiordnend auftreten, und in der Verbgruppe ist die finite Verbform der infiniten vorangestellt. Wenn dem so wäre, würde sich die gestaffelte Abhängigkeit im folgenden Nebensatzkomplex um zwei Grade senken. Dann würden sich auch Aufbau und Umfang des Satzgefüges 2 in zwei teilen lassen. Das erste der Satzgefüge würde 7 Elementarsätze und 158 Wortforformen enthalten, das zweite 10 Elementarsätze und 166 Wortformen. Aber auch die Auffassung des postpositiven Elementarsatzes 2 als Nebensatz kann aufrechterhalten bleiben. Dafür spricht, daß vor der Verbgruppe zwei Satzglieder stehen: das Subjekt (/was grosser Iniuri smahe vnd unEre/) und das Dativobjekt (/der hailigen gotlichen vnd Christlichen Kirchen/). Die Voranstellung der finiten Verbform innerhalb des Verbkomplexes am Ende des Nebensatzes ist ja in Nebensätzen ziemlich verbreitet (Umkehrstellung). Als einziger Hinweis auf unabhängigen Status bliebe die Großschreibung der Konjunktion /dan/. Dies kann aber so gedeutet werden, daß hier ein Einschnitt in dem umfänglichen Satzgefüge 2 gemacht werden sollte, da hier auch

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thematisch ein neuer Abschnitt beginnt. Strukturell-syntaktisch aber bleibt das Satzgefüge 2 bestehen. Es kommt also zu einem Widerspruch in der Gestaltung des Satzgefüges, zu 6iner besonderen Abart unpräziser Konstruktionen. Kompliziert und umfangreich ist auch das dritte Satzgefüge: 3. 1A) /vnd als vil wir got des almechtigen Bebstlicher Hailigkeit auch vnser selbst glor j Ere vnd wirden zuthun schuldig sein, nit ain ciain beswerd vnd misfaln tragen, / 2) /das dein lieb vnd gemeine Stend sich souer eingelassen in dem/ 3) /so doch nit allein gedachter Bebstlicher hailigkait sonder auch vnser selbs gemuet oberkeit Mandaten vnd decreten gantz widerwertig ist/ lBa) /vnd dieweil wir auf dem negst gehalten Reichstag zu Wormbs in Churfursten fursten vnd ander Stend des hailigen Romischen Reichs gemeiner versamlung einhelligen Rat, wissen vnd verwilligung dieselben Lutherischen leer vnd Irsal als ketzerisch boshaftig vnd vergift bey grossen Swern Straffen vnd penen offenlich verkünden vnd verpieten Auch darzu all des Luthers geschrift vnd bucher/ 2) /nach dem sy von Bebstlicher hailigkait Rechtmessigklich vnd Cristlich dermassen verworffen vnd verdampt worden/ lBb) /vertilgen vnd verbrennen lassen, auf obbestimpten jungst gehalten Reichstag zu Nurmberg allain des Luthers Smach vnd schent buchlein, auch der vnzimlichen druck vnd gemel halben Ordnung für genomenvnd gegeben haben, vnd solhs ainem yeden souil Im möglich sey zuhalten aufgelegt,/ 2A) /gleich ob wir in den vorigen vnsern Mandaten vnd verpotten was Newes beswerlichs oder vnmoglichs furgenomen vnd aufgesezt hetten/ 2B) /vnd nit geringer vnd billicher wer in den vorigen alten loblichen vnd cristlichen gebreuchen vnd Ordnungen zubleiben, als so frembt vnd vngehort misbreuch anzunemen vnd zuhalten, / I) /So befrembdt vnd bewegt vns auch darneben nit weniger, dieselben gemein Stendt mit einander vergleicht/ n) /vnd willens sein, ein general oder gemein Concilium in Teutscher Nation daruor zuuerkunden vnd zuhalten/ 1) /vnd deshalben Bebstlicher hailigkait Legaten ersucht haben, mit Irer hailigkait daruon zu handien, / 2A) /als ob solchs mer Inen dan vnserm hailigen Vatter dem Babst oder vns als Romischen kayser Irem rechten Hern zuthun zustuende vnd geburet/ 2B) /vnd nicht billicher gewesen wer/ 4) /wo sy ye vermaint Inen vnd gemeiner Teutschen Nation so trefflich vnd groslich daran gelegen sein, / 3) /sy hetten vns zuuor darumb begrüsset,/ 4) /damit wir solhs bey Bebstlicher hailigkait Erlangt vnd außgericht . . . / ( 28 - 29 ) Schema dieses Satzgefüges: 1A - 2 - 3 - lBa - 2 - lBb - 2A - 2B - I - n - 1 - 2A - 2B - 4 - 3 - 4 Der umfangreiche präpositive Nebensatzkomplex umfaßt 7 Nebensätze. Er enthält 210 Wortformen, wovon allerdings 95 auf den gestreckten Nebensatz lBa - b entfallen. Der postpositive Nebensatzkomplex aus 6 Nebensätzen enthält nur 72 Wortformen. Beide Hauptsätze enthalten je 15 Wortformen. Insgesamt besteht also das Satzgefüge 3 aus

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15 Elementarsätzen und 312 Wortformen. Eine erste Frage wäre, inwieweit es zulässig ist, hier zwei Hauptsätze (I und n) zu postulieren ünd dennoch ein Satzgefüge anzunehmen und nicht eine Vereinigung von zwei Satzgefügen. Die beiden Hauptsätze stehen nebeneinander, und zu jedem von ihnen gehört unmittelbar ein Teil der Nebensätze: zum Hauptsatz IA der präpositive Nebensatzkomplex, zum Hauptsatz IB der postpositive Nebensatzkomplex. Dementsprechend könnte man hier zwei Satzgefüge (ein geschlossenes und ein abperlendes) annehmen. Aber die beiden Hauptsätze sind nur mit Vorbehalt als solche aufzufassen. Der Hauptsatz II hat ja kein Subjekt. Es muß semantisch aus dem Hauptsatz I entnommen werden, wo es in der Form / v n s / , also im obliquen Kasus, erscheint. Deswegen sind diese Hauptsätze nicht voneinander zu trennen, ebenso die von ihnen abhängigen Nebensatzkomplexe. Andererseits kann man diese Hauptsätze auch nicht als einen einzigen Satz mit gleichartigen Gliedern betrachten, da verschiedene Subjekt-Prädikat-Beziehungen ihr strukturelles Gerüst bilden. Dies alles führt zu dem Schluß, daß man es auch hier mit einem strukturellen Widerspruch zu tun hat, mit einer besonderen Art der unpräzisen Gestaltung des Satzgefüges. Auch die Struktur des ersten postpositiven Nebensatzes 1 ist unpräzise. Einerseits weist er die Wortstellung des eingeleiteten Nebensatzes auf (Schlußstellung der finiten Verbform mit Ausklammerung einer Infinitivgruppe). Andererseits aber ist er durch die beiordnende Konjunktion /vnd/ mit dem vorangehenden Hauptsatz verbunden, und /deshalben/ kann sowohl der semantischen Verbindung unabhängiger oder beigeordneter Elementarsätze dienen als auch unterordnende Konjunktion sein. Als eine Abart der unpräzisen Konstruktion darf man wohl auch die Nachstellung des Nebensatzes 3 in bezug auf den von ihm abhängigen Nebensatz 4 (im postpositiven Nebensatzkomplex) bezeichnen. Denn von dem Nebensatz 2B (/und nicht billicher gewesen wer/) hängt ja unmittelbar der Nebensatz 3 ab (/sy hetten vns zuuor darumb begrüsset/). Aber zwischen diese Elementarsätze drängt sich der Nebensatz 4 (/wo sy ye vermaint . . . / ) . Innerhalb des präpositiven Nebensatzes 1A ist semantisch wie strukturell die Beziehung zwischen seinen beiden prädikativen Teilen (/ . . . schuldig sein/ - / . . . tragen/) nicht ganz klar. Es scheint ein Ansatz zur Bildung von zwei Elementarsätzen, wobei der erste als Konditionalsatz zum zweiten als einem Konsekutivsatz treten sollte. Aber in der vorliegenden Form darf die Konstruktion strukturell nur als ein Elementarsatz bestimmt werden. DerSatzrahmenbildetinUKKF die Grundlage der Nebensatzwortstellung, aber es werden oft Infinitivkonstruktionen ausgeklammert, auch eine präpositionale Adverbialbestimmung. Die afinitive Konstruktion kommt häufig vor. In UKKF treten viele unterordnende Konjunktionen auf und WortverbindungenMn

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gleicher Funktion. Als universale Konjunktionen werden gebraucht: / a l s / , / d a s / , / s o / ; / a l s / kommt in verschiedenen Verbindungen vor: / a l s ob/, / a l s vil/ 'weil, insoweit', / a l s wo/ 'wenn', in einigen von ihnen (besonders in / a l s wo/) schimmert die alte Semantik des allgemeinen Bezugs durch. Alleinstehend hat / a l s / die Semantik von /wie/ (oder: /auf diese Weise, daß/). Kausal sind /dieweil/, /dan/, /wo/; konzessiv /gleich ob/, / s o w e r / , /souil/, /wiewol/; final/auf das/, /damit/; konsekutiv /deshalben/. Vergleichsemantik und die der Art und Weise haben die Konjunktion /wie/ und die Fügung /wie und welcher maß und gestalt/; temporal ist /nach dem/. 2.4.

Brief des Herzogs Johann an Herzog Georg von Sachsen (UJG)

Diese Urkunde aus dem Jahre 1525 ist kurz. Wenn man Eingangs- und Schlußformeln beiseite läßt, besteht sie aus 4 Satzgefügen und einem kurzen Einfachsatz. Von den Satzgefügen ist das erste besonders kompliziert und umfangreich. E s ist ein zentriertes Satzgefüge: 1. la) /Als wir Eur lieb nechst geschriben vnd neben zuschickung ayner Copey, der muntzordnung/ 2) / s o zu Eslingen beschlossen/ lb) /Eur lieb vnnser gut dungken/ 2) /nemlich das vnnser Bruder Eur lieb vnd wir die Rethe derwegen zusamen geschickt heten,/lc)/angezaigt,/I) /So ist vnns von eur lieb darauf andwort. zu komen,/ 1) / d a raus wir vormergkn, / 2) /das ir dieselb berurte zusamenschickung der rethe auch gefallen lassen, mit dem anhange, / 3) /das Eur lieb achtens nit vnschigklich sein sult/ 4) /diweil sich e. L. vorseghen./ 5a) /wir wurden doch/ 6) /ahne das etzliche vnnsere Rethe itzt zu Leiptzigk Im marckte haben, / 5b) / d a s wir denselbigen von vnnsers lieben brudern vnd vnserntwegen darumb beuolhen heten, / 6) /wiewol wir nhun auch nit vor vnbeqwem geacht,/ b) /wo wir ahne das vnnsere Rethe gegen Leiptzigk zuschigken genaigt gewest./ 7) /das denselben angezeigter sachen halben beuolhen were worden./ ( 77) Schema dieses Satzgefüges:

la-2-lb-2-lc-I-l-2-3-4-5a-6-5b-6-

8-7 Die meisten Elementarsätze sind hier kurz. So enthält das Satzgefüge 1 nur 129 Wortformen, obgleich es 13 Elementarsätze umfaßt. Besonders mehrgliedrig ist der abperlende postpositive Nebensatzkomplex, der 9 Nebensätze und 82 Wortformen enthält. Der präpositive Nebensatzkomplex besteht nur aus 3 Nebensätzen, darunter einem gestreckten, enthält aber 37 Wortformen. Der Hauptsatz hat 10 Wortformen. Gewisse Schwierigkeiten bereiten die Beziehungen zwischen den Nebensätzen 3 - 4 5a - 6 - 5b. Das Elementarsatzfragment 5a hat die Wortstellung eines unabhängigen Elementar satzes, aber da es im Kontext entweder zu Nebensatz 3 oder 4 einen Inhaltssatz abgeben soll und /wurd/ wahrscheinlich Konjunktiv ist, fassen wir dieses Frag-

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ment als Ansatz zu einem Nebensatz (Inhaltssatz) auf. Dieser Ansatz wird im Fragment 5 b wiederaufgenommen, allerdings mit Überführung in die Form eines mit / d a s / eingeleiteten Nebensatzes und mit Wiederholung von / w i r / . Wir haben es hier mit der Katachrese als einer Abart der unpräzisen Gestaltung des Satzgefüges zu tun - allerdings innerhalb eines Elementarsatzes. Die Frage, ob Nebensatz 5 a-b von Nebensatz 3 oder 4 abhängt, soll hier unentschieden bleiben, obgleich der Abhängigkeitsgrad der Nebensätze davon abhängt. Als eine Abart der unpräzisen Konstruktion des Satzgefüges ist auch die Voranstellung des Nebensatzes 8 vor 7 zu bewerten. Die Konjunktion / a l s / , die das Satzgefüge und somit den eigentlichen Text der Urkunde eröffnet, kann temporal als /nachdem/ genommen werden. Aber es erinnert doch an die alte Tendenz, diese Konjunktion mit der Semantik der allgemeinen Bezogenheit zur Eröffnung von komplizierten Satzgefügen zu gebrauchen. Einen nicht eingeleiteten Inhaltssatz mit der Wortstellung eines unabhängigen Elementarsatzes und mit dem Konjunktiv des finiten Verbs finden wir in Nebensatz 1 im folgenden abperlenden Satzgefüge: 2. I) /So ist an e. L. vnser fruntlich b i t , / 1) /die wolle eczliche Ire Rethe auf montag nach p. Marie schirstkunfftig zur nawmburg haben,/ 2) /also das sie des abends zuuor doselbst einkomen./ 3a) /Aldo vnnsers brudern vnd vnnsere Rethe wils got alsdan auch sein sollen, Von berurter muntzordnung/ 4) /vnnd was derwegen zuthun sein s a l i . / 3b) /sich miteinander zuvnterreden vnd die ding zuberatschlagen./ ( 77) Der Inhaltssatz hängt hier vom Substantiv / b i t / ab, das allerdings im Hauptsatz entweder die Rolle des Subjekts oder die des Prädikativs spielen kann. Der Nebensatz 1 kann deswegen als Attributsatz oder als Subjektsatz aufgefaßt werden. Ausklammerungen sind nicht gerade selten. Es werden Infinitivkonstruktionen und präpositionale Gruppen ausgeklammert. Andererseits ist im Satzgefüge 1 ein ganzer Inhaltssatz eingeklammert (Nebensatz 2 zwischen den Nebensatzfragmenten lb und l c im präpositiven Nebensatzkomplex). Es gibt auch Umkehrungen in der Verbgruppe des Nebensatzes. Eine komplizierte Bildung erscheint im folgenden Nebensatz (einem Nebensatz 1. Grades in einem abperlenden Satzgefüge): /

zuuorfugen nit haben zuer-

kennen geben mugen/ (77). Afinite Konstruktionen überwiegen. Aber es kommen auch Konstruktionen mit indikativischen Hilfsverben vor. Als unterordnende Konjunktionen erscheinen in UJG: / a l s / ; /also das/; /darumb/; /daraus/; /dieweil/ (kausal); / s o / ' d e r ' ; /wiewol/; /wo/ 'wenn'.

Urkunden um 1500 2.5.

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Universität Wittenberg an den Kurfürsten Johann Friedrich (UW)

Die Urkunde von 1536 schildert die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Universität. Sie besteht - außer einer kurzen Anredeformel und einer kurzen Schlußformel - aus zwei Satzgefügen und einem Einfachsatz mittleren Umfangs. Von den Satzgefügen ist das erste besonders kompliziert und umfangreich: 1. I) /Gnedigister Churfurst vnd herr E . cf. g. bitten wir vndertheniglich zu wiss e n , / la) /das der Probst im Collegio alhie vns angezeigt h a t , / 2a) /wie das es yhm schwer sey, also viel k o r n s , / 3) / a l s er wochlich haben m ü s s e , / 2b) /auff dem marckt vmb ainen gleichen pfennig zu bekhomen, / 3A) /nach dem wenig dessen zum marckt gebracht,/ 3B) /vnd yhr fast viel/ 4A) /die sich darumb dringen,/ 4B) /also das es auch etwas am kauff kurtzlichen aufgeschlagen, vnd zu besorgen/ 5) / e s werde hoher steigen,/ 6a) /dan das er die armen Studenten,/ 7Aa) /deren er ein merckliche anzal als nemlich zwelff t i s c h , / 7B) /Auch in Sonderheit dieweil sich der hauff teglich mehr e t , / 7C) /vnd auff den zukhunfftigen marckt noch etlich tisch müsse zulegen, / 7Ab) /teglich zu speisen,/ 6b) /weiter vmb ein solch gering g e l t , / 7) / a l s er bißher von yhnen genohmen,/ 6c) /vermug am tisch zu halten,/ 7) /wo nicht dauor getracht/ 8) /das er mit einem vorradt korns also vorsehen w e r d e , / 9) / d a s er sich der nottorfft am marckte allein nicht erholen durfte oder m ü s s e , / lb) /vnd hat vns darneben, weiter darauff zutrachten bericht,/ 2) /das yhm sey von glaubwirdigen angezeigt,/ 3) /wie e. cf. g. schosser zu Seida ein guther vorradt an korn hette,/ lc) /mit fleissiger bitt yhnen gegen E. cf. g. zuuerschreiben, / 2) /domit er tausent scheffel vmb ein zimlichs von yhm bekhomen mochte./ (125) Schema dieses Satzgefüges: I - l a - 2a - 3 - 2b - 3A - 3B - 4A - 4B - 5 - 6a - 7Aa7B - 7C - 7Ab - 6b - 7 - 6c - 7 - 8 - 9 - l b - 2 - 3 - l c - 2 Das Satzgefüge ist abperlend, enthält aber auch Streckungen. So umfaßt der in drei Fragmente geteilte Nebensatz 1 fast den ganzen Nebensatzkomplex. Auch innerhalb dieses Nebensatzkomplexes kommen gestreckte Strukturen vor: 2 a-b, 6 a - b - c . Die Abhängigkeit der Nebensätze erreicht den Maximalgrad 9. Die Gesamtzahl der Elementarsätze beträgt 18, der Wortformen 204. Trotz der Menge der in Satzgefüge 1 enthaltenen Nebensätze ist die Zahl der schwankenden und unpräzisen Strukturen verhältnismäßig gering. Am fragwürdigsten scheint Satz 3 B /vnd yhr fast viel/. Er weist ja keine Verbform auf. Man könnte ihn vielleicht als Prolepse zu Nebensatz 4 A betrachten, die entweder das den Nebensatz 4 A eröffnende Relativum / d i e / konkretisiert oder umgekehrt von diesem Relativum wiederaufgenommen wird. Aber die massenhafte Verwendung der afiniten Konstruktion läßt auch nicht als ganz unmöglich erscheinen, daß in 3 B die Kopula ausgelassen ist. Aus diesem Grunde habe ich den Abschnitt als Elementarsatz aufgefaßt. Es sei noch

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darauf hingewiesen, daß die Konjunktion /nachdem/ das Auftreten der afiniten Konstruktion besonders begünstigt. Recht paradox sind die von mir als gleichgradig bezeichneten Nebensätze 7 A a-b, 7 B und 7 C gestaltet. Sie gehören alle zum gestreckten Nebensatz 6 a-b-c und sind von seinen zwei Fragmenten (6 a-b) umklammert. Aber 7 A a-b ist ein Relativsatz, der zur Substantivgruppe /die armen Studenten/ gehört. Der Nebensatz 7 B bezieht sich dagegen auf die gesamte prädikative Linie des Nebensatzes 6 a-b-c, indem 7 B den Grund für die Unmöglichkeit anführt, /die armen Studenten/ weiter zu versorgen, was den Hauptinhalt des Nebensatzes 6 a-b ausmacht. Auch der Nebensatz 7 C bezieht sich auf diesen Hauptinhalt des Nebensatzes 6 a-b und ist als Fortsetzung des Nebensatzes 7 B gestaltet, indem er durch dieselbe Konjunktion /dieweil/ eingeleitet ist. Aber diese beiden Nebensätze (7 B und 7 C) stehen innerhalb des Nebensatzes 7 A a-b und treten in keine unmittelbare Berührung mit Nebensatz 6 a-b, obwohl sie von ihm 34 und nicht von Nebensatz 7 a-b abhängen. Das zweite Satzgefüge ist zentriert: 2. 1) /Dieweil dan wir befunden,/ 2a) /das solchs sein begern zur sonderlichen furderung der armen Studenten,/ 3) /die er speiset,/ 2b) /gelanget, auch zur verhuttung mutwilliger teurung,/ 3) /die vns der bauersman machet,/ 4) /wan sich die vnsern mit der burgerschafft vmb sie dringen, / 2c) /dienet, / I) / s o haben wir yhm solche vorbitt an e. cf. g. nicht wissen abzuschlagen vnd bitten vndertheniglich / la) / E . cf. g. wollen gnediglichen bedencken, die notturfft der armen Studenten, vnd zu furderlicher vnderhaltung derselbigen,/ 2) /wo e. cf. g. bedacht etwas von gemeltem vorradt korns zuuerlassen, / lb) /gnediglich yhrer cf. g. schosser zu Sida befhelen, / 2) /das er den,probst des collegy alhie vor einem andern zu mit zimlicher bezalung, lasse khomen./ (125) Das Schema dieses Satzgefüges: 1 - 2 a - 3 - 2 b - 3 - 4 - 2 c - I - l a - 2 - l b - 2 Obgleich der Umfang des postpositiven Nebensatzkomplexes sogar etwas größer ist als der des präpositiven (51-39 Wortformen), weist doch der präpositive Nebensatzkomplex eine viel kompliziertere Struktur auf. Der Nebensatz 2 wird hier zweimal durch Nebensätze höheren Grades unterbrochen, wobei einmal ein eingeschalteter Nebensatz 3. Grades noch einen von ihm abhängenden Nebensatz 4. Grades neben sich hat. Das letzte Fragment des Nebensatzes 2a-b-c, das unmittelbar vor dem Hauptsatz steht, enthält nur eine einzige Wortform: die rahmenbildende finite Verbform, die mit der am Ende des vorangehenden Nebensatzes stehenden und der den Hauptsatz eröffnenden finiten Verbform eine Anhäufung von finiten Verbformen bilden würde, falls der finiten Verbform des Hauptsatzes nicht ein korrelatives / s o / vorangestellt wäre. Die Schlußstellung der rahmenbildenden finiten Verbform als einer topologisch so-

Gesetze und Verordnungen

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zusagen isolierten Wortform, die ein ganzes Nebensatzfragment ausmacht, zeugt von der großen Rolle, die der Satzrahmen in den Nebensätzen von UW spielt. Ausgeklammert werden häufig Infinitivkonstruktionen. Nur in einem Fall (in dem nach dem Nebensatzfragment l b stehenden Nebensatz 2 (im Satzgefüge 1) geht die Wortstellung des Nebensatzes in die des Hauptsatzes über. Die finite Verbform / s e y / rückt an die zweite Stelle im Satz, wenn man die unterordnende Konjunktion / d a s / , wie es auch richtig ist, nicht als Satzkomponente betrachtet. Aber auch hier bleibt der Satzrahmen erhalten allerdings nach der Art des Hauptsatzes - mit Schlußstellung einer infiniten Verbform. Die afiniten Konstruktionen sind reichlich vertreten. Eine Abweichung davon (mit der Form /hat/) steht am Anfang des Satzgefüges 1, im Nebensatzfragment la des p r ä positiven Nebensatzkomplexes.

3. Gesetze und Verordnungen

3.1. Tübinger Stadtrecht (TSR) Das Tübinger Stadtrecht bilden die /artickel, Ordnungen vnnd satzunngen/, die Eberhard der Ältere, Graf zu Württemberg, im Jahre 1493 der Gemeinde der Stadt Tübingen vorgeschrieben hat. Das TSR besteht aus einer kurzen Präambel, 124 Paragraphen (Punkten) verschiedenen Umfangs und einer kurzen Zusammenfassung. Einige von den Punkten sind in Absätze eingeteilt, aber die meisten bestehen nur aus einem Absatz. Ein Teil der Punkte trägt Titel, entweder Substantivgruppen mit der Präposition /von/, z. B. /Von fürgebott der zügen/ (26) oder - seltener - Nebensätze, z. B. /So die zugelassen vnd mit vrtail zuverhören erkennt werdennt/ (27); /Wölliche personen zügknuss geben mögen/ (28). Es wurden 90 Punkte (S. 18-43) eingehend untersucht. Die Punkte sind durch eine Rechtsetzungsformel eingeleitet, eine Parallele zu den Verkündungsformeln in den Urkunden. E s ist der postpositive Hauptsatz (genauer: der postpositive Teil eines gestreckten Hauptsatzes, in den 3 Nebensätze eingeschaltet sind) folgenden Wortlauts: /So schaffen wir dise nachfolgennd ordnunngen zepruchenn/ (19). Man sollte annehmen, daß nach einer solchen Eingangsformel die einzelnen Punkte als Nebensätze (Inhaltssätze) gestaltet werden. Aber dies trifft nur für den 1. Punkt zu. Er beginnt allerdings mit der verbal expliziten Numerierung (/Zum ersten/), aber gleich danach steht die Konjunktion / d a s / , die einen Inhaltssatz, eigentlich einen ganzen

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74 Inhaltsnebensatzkomplex einleitet:

1. la) /Zum ersten das der gerichtzzwannge vnnd die sachen,/ 2) /darumb rechtlich erkantnuss gescheen soll,/ lb) /getailt werden sollen,/ 2) /Also das vor ainem vogt vnd gantzem gericht söllent berechtet werden alle pinlich sträfflich vnd freuenlich henndele, vnd darzu all bürgerlich sachen erbe, aigen, köuff vnd annders über zehen pfund hiller berürend. / (19) Aber bereits im 1. Punkt tritt gleich nach dem eben angeführten Nebensatzkomplex ein neues Satzgefüge auf, das von der Rechtsetzungsformel syntaktisch nicht abhängt. Und die nachfolgenden Punkte sind auch alle als Satzgefüge gebaut, die strukturell-syntaktisch nicht auf die Eingangsformel bezogen sind, z. B . : 2. I) /des glych söllent vor inen den püttein gerechtuertiget werden alle hendele/ 1) /die sich begebent zwischent lychtfertigen personen, als huren vnd bubenn./ (19) Sowohl die Satzgefüge als auch die Elementarsätze sind in TSR gewöhnlich von r e lativ bescheidenem Umfang und Ausbau. Was den Umfang betrifft, so gehört zu den umfangreicheren das Satzgefüge, das in der Präambel auf die Begrüßungsformel folgt: 3. 1) /Nach dem wir vil vnd mengerlay mangels vnd gebrechenns inn vnnser stat Tüwingen vor handen sein durch teglich erögen erfarennt, / Ia) /haben wir inn willen vnd mainunng, die in ettwas wege fürzekomen, etlich Ordnungen, Satzungen vnd artickel begryffen lassen,/ la) /die wir dir hiemit zuschickent, mit beuelch, die gmaind mit der glogken vnnd sunnst zuuersameln, vnd inen söllich artickel, ordnunngen vnnd Satzunngen,/ 2a) /die,/ 3) /als wir hoffennt,/ 2b) /vnns, vnnsern erben vnd nachkomen, gemainer stat Tüwingen vnd aller erberkait vnd ynwonern. daselbs künfftiglich zu guttem nutze vnd fromen er schiessen werdent,/ lb) /zeverkünnden, vnd gebietten zehal3.

ten. Ouch dar ob vnd daran zesinde,/ 2) /damit die strennglich gehalten vnd niemanden nichtzit dar inn nachgelassen noch übersehen werde./ ( 18 - 19 ) Das Gefüge besteht aus 107 Wortformen und 6 Elementarsätzen. Somit beträgt die Durchschnittslänge der Elementar sätze 1 7 , 8 Wortformen. Am längsten ist der gestreckte postpositive Nebensatz 1 (31 Wortformen), am kürzesten der eingeschachtelte Nebensatz 3 (3 Wortformen). Der Hauptsatz besteht aus 19 Wortformen. Das Satzgefüge ist zentriert, aber das Schwergewicht liegt auf dem postpositiven Nebensatzkomplex, der 4 Elementarsätze und 68 Wortformen umfaßt, wobei die Nebensätze ein eingeschachteltes System bilden ( l a - 2a - 3 - 2b - l b ) . Einen sehr umfangreichen Hauptsatz weist folgendes Satzgefüge auf, das aber s e i nem Ausbau nach zu den einfachsten gehört (Nebensatz - Hauptsatz):

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4. 1) /Wöllicher annderswa vsserhalb ains gerichtz zwanng von andern Innden ainen gewalte fürbringt, vnnd als anwalt zuclagen oder zuanntwurten vermaint, / I) /der soll vnnder ains fürsten oder herren gaistlichs oder weltlichs stannds oder mit ainer stat innsigel oder sunst zum minsten mit zwayer kündiger erbar lüt insigele oder ainedelman vnnder sim sigel besigelt sein, oder durch gloubwirdigen instrumenten vergriffen, mit bestymung der sachen parthyen vnd des richters ouch mitt dem u e r spruch by truw an ayds statt. / (24) Der Hauptsatz besteht hier aus 56 Worformen, von denen die meisten Reihen von gleichartigen Satzkomponenten bilden. Einige dieser Satzkomponenten sind ausgeklammert. Satzgefüge mit 10 und mehr Elementarsätzen kommen in TSR ganz vereinzelt vor. Oft sind dabei die Elementarsätze recht kurz. So sind im folgenden Satzgefüge 12 (!) Elementarsätze enthalten, die größtenteils vor dem Hauptsatz stehen und zwei Reihen von Nebensätzen bilden, die sich auf die gleichgradigen Nebensätze 1A und 1B stützen. Ein Nebensatz steht innerhalb des Hauptsatzes, drei Elementar sätze nach ihm. Auch ein postpositiver parenthetischer Elementarsatz (I) gehört dazu, der das Fremdwort /inventari/ erklärt: 5. 1A) /ob ainer ain erbschafft verdacht hette der schüld halben, / 2) / a l s o das er ^ a besorgte/ 3) / i r möchte mer sein/ 4) /dann das erb wert w e r e , / 1B) /will er dann sicher s e i n , / 2) /das er nit mer bezalen bedörff/ 3) /dann das erb e r t r a g t , / Ia) / s o soll e r , / 1) /ee vnd dann er sich des erbes vnnderzücht,/ Ib) /ain inventari machen/ (I) / d a s i s t g e s c h r i f f t , / 1) /die da innhallt alles/ 2) /des so in der erbschafft i s t . / (41) Das Satzgefüge enthält Nebensätze bis zum vierten Grad und 64 Wortformen. Der durchschnittliche Umfang des Elementarsatzes sinkt hier auf 5,3 Wortformen. Die längsten der Elementarsätze (8 Wortformen) sind der präpositive Nebensatz 1A und der interpositive Nebensatz 1. Der kürzeste Elementarsatz (3 Wortformen) ist der Einschubsatz (I). Das Satzgefüge ist vor allem zentriert. Im Übergewicht ist der präpositive Nebensatzkomplex, der sich in zwei Teile spaltet. Aber dem Satzgefüge 5 sind auch Züge des gestreckten Satzgefüges eigen, da sich innerhalb des Hauptsatzes ein interpositiver Nebensatz befindet. Viel umfangreicher sind die Elementar sätze in dem nachfolgenden geschlossenen Satzgefüge, das aus 8 Elementarsätzen (darunter ein Einschubsatz) besteht: 6. 1A) /Item wöllicher innhaut oder zu seinen handen bringt ains andern gut on redlich vrsach oder t i t t e l , / 2) /dardurch man dann aigenschafft frembder gütter überkomen mag:/ (I) /villicht es ist im gelihen oder ist im vergundt ain zytt zubruchen oder in trüws handen hinder ine gelegt oder der gelychen;/ 1B) /laut er sich dann beclagen/

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IC) /vnd erfindt sich/ 2) /das er wissentlich söllich gute disem vorgehalten haut,/ ID) / i s t ouch ain klain zytt seins innhabens, / I) / s o soll er zu pen seins vribillichen spörrens an vnser strauff erkennt werden, vnd disem costen vnd schaden ablegen mitsambt der houptsach, alles nach erkanntnuss ains gerichtz vnd gelegenhait der personen vnd ainer jeden sach vngefärlich./ (25) Dieses geschlossene Satzgefüge hat in seinem Nebensatzkomplex vier parallele Nebensätze (1. Grades), die alle verschiedene Bedingungen der im Hauptsatz dargelegten Bestimmung zum Ausdruck bringen, also Konditionalsätze, die allerdings nicht einheitlich gestaltet sind: der Nebensatz 1A ist ein (wenigstens potentieller) Subjektsatz, durch das Relativpronomen /wöllicher/ eingeleitet, die Nebensätze 1B, IC und 1D sind richtige Konditionalsätze mit Spitzenstellung der finiten Verbform. Der postpositive Hauptsatz ist semantisch-syntaktisch ein richtiger Konsekutivsatz, mit einem summierend-konsekutiven / s o / vor der finiten Verbform. Insgesamt besteht das Satzgefüge 6 aus 106 Wortformen, wovon aber 36 Wortformen auf den postpositiven Hauptsatz entfallen und 22 auf den parenthetischen Einschubsatz. Der durchschnittliche Umfang des Elementarsatzes beträgt 13,2 Wortformen. Der kürzeste Elementarsatz ist Nebensatz IC (3 Wortformen). Es gibt in TSR zwei sozusagen normale Satzgefüge mit 11 Elementarsätzen sehr verschiedener Länge. 10,4 Wortformen beträgt die durchschnittliche Länge der Elementarsätze im folgenden zentrierten Satzgefüge: 21 U 7. 1A) /Item ob es ouch ain söllich gestalt hette,/ 2A) /daz sich die beliben person von den nützen der verfangnen gütern nit betragen vnd ernören möchte,/ 2B) /vnd ouch der varenden habe nützt vorhanden ist;/ 2C) /vnd ob wol farende hab da gewesen, / 3) /das die nit zu vnnutz verthon worden were/ 4) /wyle dann die selb beliben person in witwen stät ist;/ 1B) /wann sie dann vor gericht eehafft nott erschaynt,/ I) / s o günndt man ir von den verfangnen güttern ains anzugryffen, nach ains gerichtz erkennen./ 1) /Also das die begerend person zuuor soll schweren ain aide lypplich z8 Gott vnd sein hailligen, / 2A) /daz ir söllich angryffen brotz nodt thüe/ 2B) /vnd das sie söllich nodt mit varender habe nit mer zuverkomen hab e t c . / (34) Schema dieses Satzgefüges: 1A - 2A - 2B - 2C - 3 - 4 - IB - I - 1 - 2A - 2B Nur 7, 6 Wortformen beträgt dagegen der durchschnittliche Umfang der Elementarsätze folgenden Satzgefüges mit gleichfalls 11 Elementar Sätzen: 8. 1) /Weren worden/ 2) / e e es zu ainer gebrochen 2L ouch ligende güter verkoufft O hand komen w e r e , / 3) /die dannocht zu der zytte der gebrochen hand alss noch nit bezalt w e r e n , / 4) /was dann näch söllicher gebrochen hande dannocht vsstünde,/ I) /das selb ist varende hab vnd ouch nit verfangen./ 1) / E s w&re dann,/ 2A) / s o söllich ver-

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koffen beschehe,/ 2B) / d a s dagegen andre güter kouft vnd also angesehen wurde,/ 3) /das ain schuld die andern bezalen sölte,/ 3B) /ouch ain schuldnere an den andern verU ä stossen wurde,/ 3C) /vnd sünst nemands anndern derselben schulden halp verbunden a / weren./ ( 33 - 34 ) In beiden Satzgefügen gibt es je einen Nebensatz 4. Grades. Ein derartiger Nebensatz (präzisierend-konzessiver Semantik und mit Spitzenstellung der finiten Verbform) findet sich auch im folgenden abperlenden Satzgefüge: 9. I) /Dessglychen ist ouch zuverständ von allem d e m , / 1) /das ainem zu seinen handen kompt durch sollich tittel oder vrsach, / 2) /daxdurch man nit pfligt aigenschafft zu vberkomen:/ 3A) /Als da ainer dem andern allain ain zytt zubruchen oder zumessen gewalt gytt,/ 4) / e s sy huss, hof oder ander gut/ 3B) /oder da ainer ainem söllichs sein leben lanng vnd nit wytter vergünndt zugebruwchen./ (32) Der Nebensatz 4. Grades steht hier zwischen zwei gleichgradigen und gleichartigen Nebensätzen 3A und 3B und gehört seiner Stellung und allgemeinen semantischen Ausrichtung nach zum Nebensatz 3A, obgleich im letzten Nebensatz eigentlich kein Bezugswort erscheint, auf das der Nebensatz 4 unmittelbar bezogen werden könnte. Es kommt ja in Nebensatz 3A kein Substantiv (auch kein Pronomen) mit der Semantik "Gut", "Lehen", "Pfand" usw. vor, das durch den Hinweis / e s sy huss, hof oder ander gut/ präzisiert werden könnte. Am ehesten ließe sich an eine semantische Ergänzung zu /allem dem/ im präpositiven Hauptsatz I denken. In diesem Falle wäre der in Satzgefüge 9 als Nebensatz 4 bezeichnete Elementarsatz ein Nebensatz 1: Grades, der sich trotz seiner distanzierten Stellung unmittelbar auf den Hauptsatz I bezöge und eine Parallele zum Nebensatz 1 bildete, so daß man ihn als Nebensatz 1B und den Nebensatz 1 als Nebensatz 1A bezeichnen sollte. An sich wäre eine solche Strukturierung des postpositiven Nebensatzkomplexes möglich. Aber es scheint doch, daß die in Nebensatz 3A befindlichen Infinitive /zubruchen oder zumessen/ so sehr auf ein Objekt mit der allgemeinen Semantik "Gut", "Lehen" ausgerichtet sind, daß der präzisierend konzessive Nebensatz / e s sy/ am besten als zu diesen Infinitiven gehörend aufzufassen ist. In dem von mir untersuchten Teil des TSR erreicht die Abhängigkeit der Nebensätze den fünften Grad. Dieser Abhängigkeitsgrad kommt nur zweimal vor: 10. 1) /So ain parthy ir furbringen uff ia oder beschechne ding vnd die annder uff nain oder nitt uff beschechne ding setzett vnd ietliche parthy uermaintt das sin zu bewysen e t c . / I) /Ordnen wir/ la) /das man der parthy,/ 2) / s o ir fürbringen uff ia vnd geschechne ding s e t z t , / lb) /bewysung ertailn soll vnd nitt der anndern parthy/ 2A) / s o sich mitt dem nain oder leugnen behelffen will./ 2B) / E s were dann sach/ 3) /das

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sollich leugnen oder nain besonndern bystannd oder vmbstennd hette,/ 4) /daruss man © © o ia oder beschechne ding wol uerston mochtt;/ 5) /das och zu der richtter erkannttnuss ston sol/ ( 30) Schema dieses Satzgefüges:

l-I-la-2-lb-2A-2B-3-4-5

Obgleich das Satzgefüge 10 formal ein zentriertes ist, liegt doch sein Schwergewicht entschieden auf dem postpositiven Nebensatzkomplex, der im allgemeinen abperlend gestaltet ist: nur Nebensatz 1 ist gestreckt und die Nebensätze 2A und 2B sind gleichgradig, obgleich nicht gleichartig. 11. I) /Item es söllen in recht zügen oder kuntschaffter nit zugelassen noch vfgenomen werden/ 1) /vor vnd ee die zestellent mit recht erkennt werden,/ 2) / e s were dann sach/ 3A) / d a s yemands die stellen wöllte z8 ewiger gedechtnuss./ 3B) /Als dann, so die selb parthy in sorgen vnd geferlichkait stünde,/ 4) / d a s söllich personen souerre vssr lannd faren oder ziehen wölten oder mit söllicher kranckhait oder allter beladen weren, / 5) /das die selb parthy söllicher kuntschafft vor irer Stellung vnd fürung möchte beräpt werden./ ( 29) Beschränkt ist in TSR die Anzahl der Nebensätze 3. Grades. Häufig begegnen Nebensätze 2. Grades und selbstverständlich vor allem die 1. Grades. Oft kommen in TSR gemischte kompositionelle Typen der Satzgefüge vor. Aber man kann auch manche reine Typen aussondern. Keine Seltenheit sind zentrierte Satzgefüge mit ungefähr gleichem Umfang der präund postpositiven Nebensatzkomplexe. Allerdings ist es dabei nicht immer leicht, die Kriterien zu bestimmen, die als Richtschnur zur Bestimmung der Gleichheit (oder Ungleichheit) dienen. Im nachfolgenden Satzgefüge s i n d z . B. diese Komplexe einander fast gleich, wenn man ihren Umfang nach der Zahl der Wortformen bemißt (21-18), aber sie unterscheiden sich in der Zahl der Elementarsätze: Der präpositive Nebensatz enthält nur 2 Nebensätze, darunter allerdings einen gestreckten, und der postpositive 3: 12. la) /Wer sein zinss oder gülte/ 2) /die er haut/ lb) /in zwaintzig iären nit ynbringt oder zu dem aller minsten nit rechtlich eruordert ain mifre in den zehen iären, / 1) / d e r hat sich verschwigen,/ 1) /also das inn darnach weder brieff noch sigel hilfft. / 2) / E s were dann/ 3) /das er nit anhaimsch gewest w e r e . / (31 ) Je einen Nebensatz sowohl in präpositiver als in postpositiver Stellung hat folgendes Satzgefüge: 13. 1) So yemands persönlich wysung zefüren inrecht zü-gelässen wirdt,/ I) / s o soll ye zfl zytten der oder die selben söllich kundtschlffter mit ainem ainigen fürbott

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durch ain fronbotten erfordern, mit bestimung baider parthyen vnd fürhaltunge, 1) /das sie ir persönlich kuntschafft zesagen gefordert werden. / (26) In großer Zahl kommen kleinere (aus zwei Elementarsätzen bestehende) abperlende Satzgefüge vor, z. B . : 14. I) /Item wir wollen ouch,/ 1) /das kain frow clagen oder anntwurten möge nach der stat recht one irs eemanns wissen und willen./ (23) Auch geschlossene Satzgefüge sind in dieser einfachsten Form nicht selten, vgl. z. B . die Reihe aus 3 geschlossenen Satzgefügen einfachster Art im folgenden Textabschnitt: 15. 1) /Wa aber der sicher sich geuarlich von dannen thitte vnd kainen gewalte O

2L

hinder im l i e s s e , / I) /so mag söllich fürbotte zu seiner gewonlichen herberg vnnd wonunge gescheen./ 1) /Wa man aber derselben wonung vnd herberg kain aigentlich wissen hette,/ I) /so soll alssdann das fürbott an das räthuss geschlagen werden vnd damit kreftig sein./ 1) /Doch so ainer sprüch zu aim gerichtzman hette,/ I) / s o soll nach der stat recht demselben richtere durch den amptman oder ainem andern richtere fürgebotten werden./ (22) Die gestreckten Satzgefüge kommen gewöhnlich nur in Verbindung mit anderen kompositionellen Typen des Satzgefüges vor, z. B . : 16. la) /Wöllicher partii a b e r , / 2) / e r syekleger oder anntwurter,/ lb) /zusteet etwas redlicher vrsachen, / 2a) /darvmb er vor gericht/ 3) /wie ob s t e e t , / 2b) /nit erschinen mag,/ I) /der soll die vrsachen erschain vor vogt vnd gerichte./ ( 21 ) In diesem geschlossenen Satzgefüge weist der präpositive Nebensatzkomplex zwei eingeschaltete Nebensätze 2. Grades auf. Schema dieses Satzgefüges: l a - 2 - l b - 2a - 3 - 2b - I Aber die Mischformen sind überhaupt für TSR kennzeichnend, obgleich zuweilen auch größere Satzgefüge zentrierter, abperlender und geschlossener Art vorkommen. Vgl. z. B . 3, 11, 6. Eine besondere, aber seltene Art der Komposition des Satzgefüges ist die Paragraphierung innerhalb der einzelnen Punkte zur Bezeichnung paralleler Nebensätze. So finden wir in nachfolgendem umfangreichem Satzgefüge, das die Ursachen für die Enterbung von Kindern angibt, 11 postpositive Konditionalsätze, die paragraphiert sind.(Die Elementarsätze, die innerhalb einzelner Paragraphen in der Form nicht abhängiger Sätze auftreten, sind wohl als Einschubsätze zu bewerten). 17. , Vnd sind diss die vrsachen. /

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Die Zeit um 1500 / l . So künder mit freueler gewaltsami ire eitern schlahen./ / 2 . So die künder

schwer und vnersamen vnrecht oder freuel an ire eitern legen oder gen in fürnemend./ / 3 . / l ) / S o die kündere ire eitern vor gericht beschuldigent oder ansprechent vmb penlich Sachen oder vmb sachen lyb oder leben anrürende./ 2) / E s wire dann/ 3A) /das die selb vntätt ain schwer Verhandlung wider den Römischen künig oder wider den gemainen stät vnd wesen der herrschafft wer worden/ 3B) /oder die da ketzery antreffe./ / 4 . So die künder mit gifft oder in ander wysse sich vnderstünden das leben irer eitern abzestelen./ / 5 . So die künder sich vnderstanden hetten zu vermischen oder zubeschlauffen ir stieffmütter irs lypplichen vatters eelich hüsfrowen./ / 6 . / 1 ) /So die söne sich nit wollen verpflichten noch bürge werden für ir elltern, / 2) /so die in vnzimlichen sorglichen gefengknussen begriffen sind./ I) /Vnd diser vale berürt nit die töchtern,/ 1) /nach dem vnd die tochtern nit söllen bürg werdenn./ / 7 . / 1) /So die künder verbiettend iren elitern gepürlich testament oder geschefft zuthun, / 2) /so doch söllich geschefft oder testament geschieht vss vernünfftigen vrsachen von aim gericht darfür geachtet vnd erkennt. / / 8 . Ob der son ain offner zoberer oder lotter wer oder mit vergifftnuss vmbgiennge./ / 9 . / 1) /Wann die tochter ain vnkünsch leben vnd «L O wesen vsserwelt,/ 2) /so doch der vatter die nach sim vermügen wolt/ 3) /zu der ee bestattet hän

vor den fünff vnd zwaintzig iären./ / 1 0 . / 1A) /Ob der vatter sinnloss

wurd/ lBa) /vnd im dann die künde/ 2) /so sie ioch rechtlich ersucht werden,/ IBb) /narung oder notturftig artzny verzyhent zu raichen;/ I) /als dann erbent die nechsten fründe,/ 1) /die sich söllicher «L pfleg vnnderwindennt./ / I I . / 1A) /So der vatter ain Cr ist ist/ 1B /vnd die künd ketzer sinnd./ ( 40 - 41 ) Der Satzrahmen in Nebensätzen ist in TSR nur locker gehandhabt. Oft werden sogar zwei (und mehr Satzglieder ausgeklammert. So sind 2 Präpositionalgruppen im präpositiven Nebensatz ausgeklammert in folgendem O Satzgefüge: 21 18. 1) /Vnd so aber der banckhart kain mutter sonder lypplich geschwistergitt hette von ainer mutter vf die zytt sins abgangs,/ I) /so erbent die selben geschwistergit vor anndern fründen der mutter halben./ (40) Sehr umfangreiche und mehrgliedrige Teile des Nebensatzes, darunter auch Akkusativobjekte finden sich in großer Menge in den Punkten des TSR, die das Erbrecht (besonders seine komplizierteren Fälle) betreffen. Der beträchtliche Umfang der betreffenden Satzkomponenten und ihre verwickelten Zusammenhänge scheinen hier die Ausklammerung zu bewirken. Ich führe drei Beispiele an. 19. 1) /wa yemand verläst des nächsten ain bruder oder schwester ainhalb, vnnd geschwistergit künd von vatter vnd mutter, / I) /so sollend die geschwistergit künd das erb nemen vor dem bruder oder schwester ainthalb./

( 38 )

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20. 1) /So ains verläst seinen lypplichen brüder oder geschwistergit von dem vatter allain oder von der mutter allain, vnd dar zu sins vatters oder muttere lypplich geschwistergit von vatter vnd von mutter, / I) / so erbent die lypplichen geschwistergit ainthalb,/ 1) / e s sye von dem vatter oder von der mutter, vor vettern, bassen, mumen oder oheim./ ( 39) 21. 1) /So vor handen ist iemandt vss vffstigender linien, als vetterlieh oder mütterlich anherren oder anfrowen, vnd des abgegangen vngeschifft vatters oder der mutter bruder oder schwester,/ I) / s o erbend die anherren oder anfrowen vor den yetzgemelten fründen vff der svdten./ (39) Oft komrtit es zu radikalen Ausklammerungen in zweiten Teilen zusammengezogener Nebensätze, während im ersten Teil der Satzrahmen aufrechterhalten bleibt. Allerdings dürfte hier der Übergang von der Nebensatzkonstruktion zur Konstruktion des unabhängigen Satzes mit im Spiele sein. Vgl.: 22.

1A) /Ob aber ettwar von tod abgät vnd hat nemand in abstigender linien, ouch

weder vatter noch mutter, / 1B) /aber er hat anherr oder anfrowen, dar zu geschwistergitt von vatter vnd mutter/ I) / s o erbend die glych, als vil mund als menig pfund./ (38) Im Hauptsatz ist Zweitstellung des finiten Verbs ziemlich streng durchgeführt. Nur selten kommt Spitzenstellung nach /und/ vor, um den Zusammenhang mit dem vorangehenden Kontext zu unterstreichen. Im postpositiven Hauptsatz erscheint als Korrelat gelegentlich das summierend-konsekutive / s o / (auch / a l s o / ) . Bei Voranstellung der Subjektsätze (gewöhnlich mit konditionaler Färbung) beginnt der Hauptsatz gewöhnlich mit einem korrelativen Demonstrativpronomen. Konditionale Nebensätze mit Spitzenstellung des finiten Verbs kommen (in präpositiver Stellung) nicht selten vor, stehen aber quantitativ den konjunktionalen Konditionalsätzen und den Subjektsätzen mit konditionaler Semantik entschieden nach. Doch führe ich hier ein Satzgefüge an mit zwei Konditionalsätzen (1A, 1B), die durch Spitzenstellung des finiten Verbs gekennzeichnet sind: 23.1A) /Item sind schulden da/ 2) /die vor der gebrochen hande von den eegemechiten gemacht weren,/ 1B) / i s t dann nit mer varend hab da, / 2) /dann ain gericht der beliben persone nach ir gelegenhait zulausst,/ IC) /souerr anders die selb persone nit erben wölt:/ I) / s o sollen dieselben schulden von den verfangnen güttern bezalt werden./ (34) Oft begegnen auch Umkehrungen in der Stellung der verbal-prädikativen Glieder vom Typ /wollte zugelassen werden/ (23). Zweitstellung des finiten Verbs im Nebensatz kommt - außer in verschiedenen

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Fällen der Ausklammerung (s. oben) - nicht selten in verallgemeinernden Konzessivsätzen vor (Typ / s i e seien jung oder alt/). Z. B. 24. Ia) /Item alle gült vnd z i n s s , / 1) / s i e syen öwig oder ablösig, / Ib) /werden nit für varend habe getzelt, sind ouch verfangen gute./ ( 34) 25. Ia) /Item ain y e d e r , / 1) / e r sye cllger oder anntwurter,/ Ib) /mag im selbs zurecht reden oder ain für sprechen mit im bringen/ 1) /wien er will./ (22) Wie aus den angeführten Beispielen ersichtlich ist, stehen die verallgemeinernden Konzessivsätze in interpositiver Stellung. Richtige konzessive Nebensätze kommen auch vor, stehen aber nach irgendeinem Elementarsatz (gewöhnlich Hauptsatz). Auf diese Weise ist z. B. der postpositive Nebensatz 1 im Satzgefüge 8 gestaltet (/Es were dann, . . . / ) . Denselben Wortlaut hat der postpositive Nebensatz 2 im § 3 des umfangreichen paragraphierten Beispiels 17. Es ist bemerkenswert, daß die Konstruktion / E s wäre denn/ immer nach einem Punkt steht, so daß sie vom Verfasser aller Wahrscheinlichkeit nach als Beginn eines neuen Ganzsatzes betrachtet wurde. Da es aber unmöglich ist, sich in der Beurteilung der Ganzsatzgrenzen nach der Zeichensetzung der vorliegenden Denkmäler (besonders aus der Zeit um 1500) zu richten, betrachte ich aus semantisch-syntaktischen Gründen die betreffende Konstruktion doch als einen Nebensatz. Unter den unterordnenden Konjunktionen sind auch die drei universalen / a l s / , / d a z / , / s o / vertreten; / d a z / kommt auch als / d z / vor. Allerdings ist / a l s / selten und wird gewöhnlich nicht mit der Semantik der allgemeinen Bezogenheit sondern temporal und vergleichend verwandt. Da / s o / außer der mannigfaltigen Verwendung als unterordnende Konjunktion auch als Korrelat im Hauptsatz auftritt, gibt es Satzgefüge, die es in jedem Elementarsatz aufweisen. Vgl. folgendes Satzgefüge: 26. 1) /So aber irrung fürfielen manicherlay machlöne vnd arbait halben, allerlay hanndtwerck berürend vnd antreffennde,/ Ia) / s o söllent allwegen die geschwornen maistere ains yeden hanndtwercks vmb das, / 1) / s o ir handtwerck berürt vnd antrifft,/ Ib)/Verhört werden/. ( 30) Von den übrigen unterordnenden Konjunktionen, werden im TSR verständlicherweise besonders ausgiebig die konditionalen /wann/, / o b / , /wa (wo)/ mit der Semantik 'wenn' gebraucht. Am häufigsten kommt in dieser Bedeutung jedoch / s o / vor. Acht von den elf paragraphierten konditionalen Nebensätzen im Beleg 17 beginnen mit der Konjunktion / s o / , zwei mit / o b / und nur ein Nebensatz mit /wann/. Es gibt auch umfangreiche Bildungen, die insgesamt als unterordnende Konjunktion zu gelten haben. Sie werden mit Hilfe der universalen Konjunktion /das (daz)/ gebildet,

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z. B . /vmb des willen das/ (19), / s o (lanng) bis daz/, /der mässen das/ (21). über die letzte Form vgl. m. 2.2. Nur in einem Fall wird die konditionale Beziehung des Nebensatzes zum übergeordneten Satz weder durch Konjunktion noch durch Spitzenstellung des finiten Verbs ausgedrückt, sondern durch einen ganzen Elementarsatz (/Vnd ob das were/): 27. 1) /Vnnd ob das were/ 2) /dz das abgestorben hinder im verliess sins vatters geschwistergit ainthalb gesipt, vnd siner mutter geschwistergit oüch ainthalb gesipt,/ I) /so erbent die gelych mitainander nach anzale der personen alle verlässne hab./ ( 39) Die unpräzisen Konstruktionen des Satzgefüges sind im TSR nur sehr spärlich vertreten. Eine Änderung der Konstruktion des gestreckten Hauptsatzes findet im folgenden Satzgefüge statt: 28. Ia) /Und söllich ingelegt gelt, och anders dem gericht zugehörig, / 1) / e s syen bussen, vnrecht sigel gelte, vrtail gelte, von vnndern gerichten, von appellacionen, / Ib) / i s t vnnser mainung vnd beuelch, / 1) /das es von aim richter, dar zu verordnet, aigentlich yngesamelt vnd in ain büchsen gelegt, vnd alle iäre vnnder richter getailt vnnd verrechnet werde./ (22) Die meisten Schwierigkeiten bei der Analyse der Satzgefüge im TSR liegen aber innerhalb der einzelnen Elementarsätze und sind vor allem mit dem Gebrauch der Partizipialkonstruktionen verbunden. Diese heben sich zuweilen nicht mit genügender Schärfe innerhalb des Texts von Elementarsätzen ab, zumal die Endungen des Partizips I und der 3. Person Plural des finiten Verbs manchmal zusammenfallen. So kommt es zu undurchsichtigen Satzgefügen, wie sie am häufigsten in den ersten Punkten des TSR stehen. Z. B . : 29. 1) /Wann der cllger rechtzbegerend fürbietten lässen haut, vff dem husse nit erschynnt,/ 2A) /so der vogt vnd richtere versamelt nidersitzen, / 2B) /vnd der anntwurO ä ter als der gehorsam gegenwirttig ist, / I) / s o soll der selb clegere zu pene geben acht Pfenning./

( 20) Ohne die Gefahr der Verwechslung von Partizip I und 3. Person Plural kommt es im folgenden Satzgefüge zu einer ziemlich komplizierten Konstruktion: g 30. 1) /was aber zehen pfunnd haller berürt vnd darunnder bis vff zehen Schilling haller, die selben vssgeschlossen, / Ia) /das soll von aim vogt und vier richtern, von im dem vogt vnd aim gerichte darzu erwölt, verhört und/ 1) /wie sich gepürt/ Ib) /entschaiden werden./

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3.2. Leutenberger Stadtrecht (LSR) Das Leutenberger Stadtrecht vom Jahre 1496 besteht aus 169 numerierten Paragraphen (Punkten), die alle betitelt sind. Die Anzahl der Satzgefüge ist sehr groß. Einfachsätze - wenn man von den Überschriften der Paragraphen absieht, die in ihrer Mehrheit Satzstücke oder Einfachsätze sind - kommen nur selten vor. Die meisten Paragraphen sind als konditional-konsekutive Gebilde gestaltet: zuerst kommt ein konditionaler Nebensatz, der den Fall bezeichnet, daß irgendein Vergehen begangen wird oder irgeneine Situation eintritt, und dann der Hauptsatz, der die Folge davon bezeichnet. Aber die Satzgefüge haben gewöhnlich nur wenige Nebensätze und der Abhängigkeitsgrad der Nebensätze bleibt in der Regel sehr niedrig. Nur in einigen Fällen begegnen Nebensätze bis zum 3. Grad, in einem Fall bis zum 4. Grad. Sonst hat man nur mit Nebensätzen 2. und vor allem 1. Grades zu tun. Wenn man noch berücksichtigt, daß die Elementarsätze im LSR vorwiegend kurz sind, wird klar, daß der Umfang der Satzgefüge gering bleibt. Länger sind gewöhnlich die, die eine größere Anzahl von präpositiven Nebensätzen 1. Grades enthalten. Satzgefüge mit stärkerer Abhängigkeitsabstufung der Nebensätze sind in der Regel nicht länger, manchmal sogar kürzer als die Satzgefüge mit Nebensätzen geringerer Abhängigkeitsabstufung . Ich bringe zuerst alle Satzgefüge mit Nebensätzen 3. Grades, auch das mit dem Nebensatz 4. Grades: 1. 1A) /Wer e s / 2) /das zwen landmann sich mit eynander beworren,/ 3) /also das eyner den andern wundet ader todschlüg/ 1B) /vnd Sprech vnser eyner für den andern noch der stat recht/ IC) /vnd berichten sich die cleger mit eynander vnd mit dem r i c h t e r , / I) /der bürger were dem rat nit verfallen./ ( 436 ) 2. la) /Keufet eyn fraw ichtes,/ 2) / e s sey/ 3) /was es s e y , / lb) /zu ymant an ires wyrtes willen, / 2a) / also das ir man/ 3) /das es im nit wissentlich sey/ 2b) /zu den heyligen erhalden t a r , / I) / s o ist der wirt nit mer verfallen dann sechs pfennig./ ( 443 ) 3. 1) /Wer an dem rat ist ader doran gewesen, / 2A) / s o er doruon kumpt/ 2B)/vnd in was sachen er angesprochen wirdet/ 3) /die dy stat betreffen, / I) /dorin sol in der sitzend rat vntersten zuuerteydigen zu seynem rechten./ (432 ) 4. 1A) /Ist es sach/ 2) /das sich leut mit eynander zcweien,/ 3) / e s sey/ 4) /welcher hande es s e y , / 1B) /mugen das ire freund nicht vertragen, / I) / s o sollen sie vor den rat geen vnd hören lassen/ 1) an wem die süne gebrech,/

,

429\

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Verhältnismäßig umfangreich sind die Satzgefüge 1 und 2. Das Satzgefüge 1 besteht aus 6 Elementarsätzen und 46 Wortformen. Der Durchschnittsumfang des Elementarsatzes in diesem Satzgefüge beträgt 7,7 Wortformen, der niedrigste, der in Urkunden aller Epochen vorkommt. Dabei ergibt die Nebensatzkette, die den Nebensatz 3. Grades ins Satzgefüge einführt und an seinem Anfang steht, noch geringere Durchschnittswerte der Elementarsätze, nämlich 5,7 Wortformen. Das Satzgefüge 2 besteht auch aus 6 Elementar sätzen, unter denen zwei Nebensätze 3. Grades sind. Die Anzahl der Wortformen beträgt nur 40, so daß die Durchschnittslänge der Elementarsätze nur 6,7 Wortformen ausmacht. Die beiden Nebensätze 3. Grades sind kurz, besonders der erste, der zwischen den Elementarsätzen 2 und l b steht. Er besteht aus drei und der ihm übergeordnete Nebensatz 2. Grades sogar nur aus zwei Wortformen. Der zweite Nebensatz 3. Grades, der interpositiv zwischen Elementarsatzteilen 2a und 2b steht, besteht allerdings aus 6 Wortformen. Das Satzgefüge 3 enthält 5 Elementar sätze, die freilich im Durchschnitt etwas länger sind als die in den Satzgefügen 1 und 2. Sie betragen nämlich durchschnittlich fast 7 Wortformen. (Die Gesamtzahl der Wortformen beträgt hier 34). Der kürzeste aller Elementar sätze dieses Satzgefüges ist der Nebensatz 3. Grades mit nur 4 Wortformen. Das Satzgefüge 4, in dem ein Nebensatz 4. Grades vorkommt, besteht aus 7 Elementarsätzen, beträgt aber im ganzen fast so viele Wortformen wie das Satzgefüge 3, nämlich 36. Deswegen sinkt der Durchschnittsumfang des Elementarsatzes in diesem Satzgefüge auf 5. Sehr kurz sind auch die Elementarsätze in einigen Satzgefügen, die nur Nebensätze 1. und 2. Grades enthalten. Z . B . : 5. 1) /Wer den andern kempffet,/ 2A) / e r sey ritter ader knecht, schüler ader ley,/ 2B) /der an gericht gehöret, / I) /der sol die puss tragen vber alle gebot./ ( 427 ) Der durchschnittliche Wortformenbestand der Elementarsätze im Satzgefüge 5 beträgt 6 Wortformen. Demgegenüber zeichnen sich einige Satzgefüge, die nur Nebensätze 1. und 2. Grades enthalten, durch beträchtlichen Gesamtumfang aus und bedeutendere Länge der Elementar sätze. Dies gilt vor allem für folgendes Satzgefüge: 6. 1A) /Hat ein man ein frawen vnd mit ir kynd,/ 1B) /stirbt die f r a w / IC) /vnd nympt der man eyn andere vnd zeeuget mit der auch kind, / 1D) /get alsdan der man ab, / IE) /vnd teylen sich die ersten kind mit irer stiffmuter,/ 1F) /vnd storb dornach eyns derselben ersten kind, / I) /sein verlassene hab gefil auf die anderen seyne geschwistere/ 1) / s o ym zugeteilt weren./ ( 445 )

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In diesem Satzgefüge gibt es nur Nebensätze 1. Grades, aber sieben, die in der Mehrzahl (6 Nebensätze) vor dem Hauptsatz stehen und vom rein strukturellen Standpunkt aus parallel sind. E s sind uneingeleitete Konditionalsätze mit dem finiten Verb an erster Stelle, die in ihrer Gesamtheit die Bedingung ausmachen, die das Inkrafttreten der im Hauptsatz ausgedrückten Bestimmung erwirken. Da aber die Erfüllung dieser Bestimmung eine Reihe von aufeinanderfolgenden Handlungen (Situationen) voraussetzt, erweisen sich die präpositiven Nebensätze inhaltlich als eine Abfolge von zeitlich aufeinanderfolgenden Ereignissen im Leben einer Familie. Es vollzieht sich beim Abrollen dieser Nebensätze eine Art verallgemeinerter Familiengeschichte. Die einzelnen Nebensätze stehen im Verhältnis der Nachzeitigkeit eines jeden folgenden Neben satzes (in Beziehung zum vorangehenden), was aber durch grammatische oder lexikalische Mittel nicht speziell zum Ausdruck gebracht wird. Das entspricht genau der Gestaltung der von Zeitstufe zu Zeitstufe sich entwickelnden Reihe von Ereignissen durch unabhängige Elementarsätze. Die Reihenfolge selbst bestimmt hier unzweideutig die temporale Perspektive. Nur im letzten der präpositiven Nebensätze, namentlich in 1F, steht ein temporales Pronominaladverb (/dornach/), das pleonastisch die Tatsache bekräftigen soll, daß die im Hauptsatz dargelegte Bestimmung zu gelten hat, auch wenn das betreffende Kind nach der Aufteilung der Kinder aus erster Ehe stirbt. Das Satzgefüge 6 besteht somit aus 8 Elementarsätzen. Da sein Umfang im ganzen 58 Wortformen umfaßt, beträgt die Durchschnittslänge des Elementarsatzes 7,3 Wortformen. Vier präpositive Nebensätze 1. Grades hat folgendes Satzgefüge, das im ganzen 45 Wortformen aufweist. 7. 1A) /Hatein man lehengut, dorzu weib vndkynt,/ 1B) /versetzt er das lehengut ader nympt etwas dorauf ader verkauft dorauf zcins auf widerkauf,/ IC) /styrbt der man/ 1D) /und wurden die güter teylhaftig,/ Ia) /die sun musten das gut wider lösen/ 1) /was das stund, / Ib) /vnd die muter vnd tochter nicht./ ( 442 ) Beträchtlicher ist der Gesamtumfang folgenden Satzgefüges, das Nebensätze 1. und 2. Grades aufweist: b. 1A) /Zweyten sich leut vmb acker/ 2) /der do vnuermarcket were/ lB) /vnd zcühen sich bede auf kuntschaft,/ IC) / i s t aber da eyn recht marck/ 1D) /vnd wil sich einer zeihen auf die marck vnd der ander an kuntschaft,/ IE) /der sich an dy marck zeeuhet/ I) /der get vor vnd sol beweysen selbdritt zu den heiligen mit guten leuten/ 1) /den wissentlich ist/ 2) /das das ein rechte marck s e y . / ( 445 ) Dieses Satzgefüge besteht aus 9 Elementarsätzen und 62 Wortformen. Die Durchschnittslänge des Elementarsatzes beträgt somit fast 7, 0 Wortformen.

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Auch in diesem Satzgefüge findet man eine Reihe von gleichgradigen präpositiven Konditionalsätzen, nämlich 5. Die beiden ersten (1A, 1B), die angenommene Handlungen verschiedener Art bezeichnen, stehen in Beziehung der Nachzeitigkeit zueinander. Der dritte präpositive Nebensatz 1. Grades (IC) hat dagegen einen anderen Charakter; er stellt die Frage nach der Existenz eines Marksteins am betreffenden Acker, d. h. er bezeichnet einen zeitlich unbeschränkten, dauernden Zustand. Dann kommt der Nebensatz 1D, der wieder eine Handlung zum Ausdruck bringt, allerdings unter verstärkt modalem oder futurischem Gesichtspunkt (/wil sich / ) . Und nun bringt der letzte präpositive Nebensatz 1. Grades (IE) eine ganz konkrete, wenn auch als Bedingung dargestellte Handlung. Das Subjekt dieses Satzes verschiebt sich aber auf bedeutsame Weise. Wenn in den vorangehenden Sätzen (außer dem Satz IC) immer zwei (oder einige) Personen als Subjekt auftreten (/leut/, /bede/, /eyner . . . vnd der ander/), so ist von diesen zweien nur einer, der zum Subjekt des Nebensatzes IE wird. Und was von größter Wichtigkeit ist, der postpositive Hauptsatz, der eigentlich semantisch als Ergebnis des gesamten präpositiven Nebensatzkomplexes erscheinen sollte, bezieht sich unmittelbar nur auf diesen letzten präpositiven Nebensatz: das Subjekt des Hauptsatzes (/der/) korreliert in jeder Hinsicht mit dem Subjekt des Nebensatzes IE (auch: / d e r / ) . Dies gehört zu den verbreiteten Fällen unpräziser Konstruktionen des Satzgefüges im LSR, was weiter unten noch ausführlicher behandelt wird. Längere Elementarsätze in den Satzgefügen sind in erster Linie solche, die eine Reihe von gleichartigen Satzkomponenten aufweisen, z. B.: 9. 1) /Begreiffen sich lewth mit Worten vnd reden vor gerichte gegen eynander vnd wollen nit schweygen,/ I) /der richtere sal yn gepiten zu eynem, zum anderen vnd dritten m a l . / ( 448 ) Im ganzen besteht dieses einfache Satzgefüge aus 27 Wortformen, so daß die Durchschnittslänge jedes Elementarsatzes 13, 5 Wortformen beträgt. Das ist eine Folge davon, daß im Nebensatz drei gleichartige finite Verbformen und im Hauptsatz drei gleichartige Attribute (Ordnungszahlwörter) vorkommen. Nur in Ausnahmefällen führt die Verwendung mehrerer Satzglieder verschiedener Art in einem Elementarsatz in dieselbe Richtung, worunter - allerdings nur in einem Fall - die größte Rolle die Titelgruppe spielt. Im großen ganzen aber überwiegt im LSR das aus wenigen kurzen Elementarsätzen bestehende Satzgefüge. Daß die Hypotaxe zur Bezeichnung gewisser semantischer Beziehungen hier den Vor rang hat und die Parataxe und die innerhalb des Elementarsatzes befindlichen lexikalisch-grammatischen Mittel in mancher Hinsicht überflügelt, wird auch daraus ersichtlich, daß die unterordnenden Konjunktionen in einigen Fällen durch Nebensätze mit spezialisierter Semantik ersetzt werden. Es handelt sich vor allem um unterordnende

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Konjunktionen mit konditionaler Semantik. Obgleich eine ganze Reihe solcher Konjunktionen im LSR auftritt (/wenne/, /do/, /als (ob)/, / s o / , /wo/, /zum teil als oft/), gibt es auch manche Satzgefüge, die diese Semantik durch kurze (immer das Satzgefüge eröffnende) Nebensätze mit dem Verb / s e i n / ausdrücken. Z . B . /Ist es sach das sich leut mit eynander zcweien . . . / (429); /Ist es das man eynem thut drey gebot

/ (435);

/Wer es das zwen landmann sich mit eynander beworren . . . / (436); /Ist das ein bürger ader bürgers sun messer ader Schwert vber eynen bürger ader bürgers sun rücken . . . / (438); /Ist das sich die leut zcweyen mit eynander in der stat in bürgers hewsern . . . / (438); / . . . ist es das er die rewffet, schlecht vnd sunst zuchtiget an wunden/ (444); /Were auch, das eyn lantman salt eynen bürger vberzeugen,

/ (448). Es gibt hier

also verschiedene Konstruktionen: sowohl solche,- die die Form eines vollständigen Elementarsatzes mit Subjekt, kopulativem Verb und Prädikativ haben (nach dem logisch-grammatischen Satztyp, der die Einbeziehung des Einzelnen ins Allgemeine und die Identifizierung des Subjektgehalts mit dem Prädikativgehalt ausdrückt: /Ist das Sach

/ ) , als auch solche, die nur das kopulative Verb und das pronominal-korrela-

tive / e s / enthalten (/Ist es/) und solche, die überhaupt nur aus der Kopula bestehen (/ist/). Der nachfolgende Nebensatz 2. Grades hat somit auch einen anderen syntaktischen Status: der von der Konstruktion /Ist das sach/ abhängende Nebensatz hat als ein Inhaltssatz zu gelten, der zu dem semantisch sehr allgemeinen und "leeren" Substantiv / s a c h / gehört und ihn konkretisiert. In den übrigen Konstruktionen scheinen die abhängigen Nebensätze 2. Grades Subjektsätze zu sein, wobei das / e s / in den Nebensätzen wahrscheinlich als Korrelat zu bezeichnen wäre. Die Tatsache, daß dieses / e s / 35 fehlen kann, macht eine solche Auffassung besonders glaubwürdig. Selbstverständlich machen die angeführten Sätze nur einen winzigen Teil der Masse von präpositiven Konditionalsätzen im LSR aus. Sie sind aber insofern wichtig, als sie eine gewisse Tendenz zum Ersatz der unterordnenden Konjunktionen, also eines lexikalisch-morphologischen Bestandteils eines Elementarsatzes, durch einen ganzen E l e mentarsatz (vor allem einen Nebensatz) manifestieren. Die Tendenz, den Ausdruck grammatischer Bedeutungen komplizierterer Art nicht durch morphologisch-lexikalische Mittel zu sichern, sondern durch Mittel, die sich auf die Form des Satzes selbst stützen, kommt auch in der massenhaften Verwendung der Spitzenstellung des finiten Verbs zur Bezeichnung der konditionalen Semantik des präpositiven Nebensatzes zum Ausdruck. Die topologisch-verbale Fixierung des Konditionalgehalts (und des abhängigen Status) des Elementar satzes an der Spitze des Satzgefüges überwiegt die konjunktionale bei weitem. Durch symptomatische Zählungen habe ich das quantitative Verhältnis der konkurrierenden topologisch-verbalen und konjunktionalen Ausdrucksformen des präpositiven Konditionalsatzes zu bestimmen versucht. Dabei habe ich auch die spezialisierten Konditionalsätze (/were e s / usw.) berücksichtigt, auch die präpositiven Sub-

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jektsätze, deren Semantik sich oft mit der der Konditionalsätze kreuzt, und in einer besonderen Spalte alle okkasionellen Formen des präpositiven Nebensatzes mit Konditionalsemantik ( z . B . die in einer Kette von gleichartigen präpositiven Konditionalsätzen stehenden Nebensätze mit Schlußstellung des finiten Verbs). Von den Überschriften wurden nur die berücksichtigt, die vollständige Satzgefüge bilden. E s wurden vier Auszüge untersucht, drei davon bestehen aus je 20 Paragraphen,einer aus 30 Paragraphen. Das Ergebnis sieht folgendermaßen aus: Die Bezeichnung der konditionalen Semantik des präpositiven Nebensatzes

SS 1-20 41 -

Konditionalsätze mit verbaier Spitzenstellung

425-428

30

Spezialisierte Konditionalsätze

Konditionalsätze mit Konjunktionen

SubjektSätze

Okkasionelle Satzformen

9

60

430-433

23

8

81 - 100

436-438

25

13

131 -160

442-448

67

14

Insgesamt

145

12

44

Es scheint also festzustehen, daß die Hauptform des präpositiven Konditionalsatzes im LSR die topologisch-verbale ist. Allerdings bedeutet die topologisch-verbale Konstruktion eine Ersparung, die Konjunktion fällt aus. Vgl. auch im heutigen Deutsch: /Kommt er, so kommt, so

/ = /Wenn er

/. Das macht auch in der gegenwärtigen Sprache die konjunktionslose

Form sehr beliebt. Ferner muß man gewisse Schwierigkeiten bei der Bezeichnung der konditionalen Semantik durch Konjunktionen in Rechnung stellen. Bei den meisten von ihnen war ja die konditionale Semantik nur eine zusätzliche, die die Grundsemantik der betreffenden Konjunktion überlagerte. Nur bei /wenn/ scheint die konditionale Semantik schon zur Grundsemantik geworden zu sein, wahrscheinlich aber noch ohne sich 36 ganz von der temporalen Semantik entfernt zu haben. Dies alles erklärt zur Genüge die Vorherrschaft der topologisch-verbalen Konstruktion im präpositiven Konditionalsatz. Diese weist zugleich darauf hin, daß die Hypotaxe - wenigstens in der Rechtssprache - bereits als eine der natürlichen Hauptformen der syntaktisch-semantischen Gestaltung der Redeeinheiten auftritt, die sogar manche Vorzüge sowohl struktureller als auch semantischer Art aufweist. Bis heute hat sich noch eine andere konjunktionslose Form der Nebensätze erhalten. Es sind Nebensätze, die den Gültigkeitsbereich irgendwelcher Sachverhalte und Bestim-

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mungen präzisieren, d. h. einschränkende (konzessive) und verallgemeinernde Nebensätze, die topologisch der Struktur der nicht abhängigen Elementarsätze entsprechen (die finite Verbform steht an zweiter Stelle) und deren abhängiger Status durch den Konjunktiv bezeichnet wird. Sie sind in der Regel ihrer Semantik entsprechend postpositiv oder interpositiv. Z. B.: 10. 1) /Weichsbürgers sun eygen gut hat, / I) /der sol es verschossen/ 1) / a b er bürger recht wil haben,/ 2) / e r hab es hie ader anders w o . / ( 439 ) Der postpositive Nebensatz 2 bringt eine lokale Präzisierung des Gültigkeitsbereichs gewisser Sachverhalte, die im vorangehenden Kontext dargelegt waren, wobei der Gültigkeitsbereich als unbeschränkt bestimmt wird. Eine solche Präzisierung kann auch in der Form eines Satzgefüges erfolgen, indem die Semantik der verallgemeinernden Restriktion in einem übergeordneten Elementarsatz vom Typ / e s sei . . . / zum Ausdruck gebracht wird und die des konkreten Gehalts dieser Verallgemeinerung in einem ihm untergeordneten Elementarsatz. Es ist dann immer eine abhängige Konstruktion mit in der Regel postpositiver oder interpositiver Stellung in dem Satzgefüge, zu dem es gehört. Z. B.: 11. 1A) /Welchem man die bürger seyn geschos nit angewynnen können, vnd ir gebot nit halden wil/ 2A) / s o ym gepoten i s t , / 2B) / e s sey/ 3) /worumb es s e y , / 1B) /heldet er des n i t , / I) /den sol der rat von den tafeln thun vnd ym seyn bürger recht aufsagen./ (441 ) Die Gestaltung der restriktiven Semantik des Nebensatzes in einem spezialisierten präpositiven Nebensatztypus (/Es sei, . . . / ) hat gewisse Ähnlichkeit mit der Gestaltung des spezialisierten präpositiven Konditionalsatzes und zeugt von der Neigung zum hypotaktischen Ausdruck gewisser semantischer Bedeutungsgehalte. Die rein konjunktivische Gestaltung eines den Gültigkeitsbereich präzisierenden Nebensatzes kann auch dazu dienen,die Einschränkung eines Sachverhalts oder einer Bestimmung zu bezeichnen. Dies ist der Fall z. B. im postpositiven Nebensatz 1 des Satzgefüges 12, das im präpositiven Nebensatz 2 außerdem noch eine verallgemeinernde präzisierende Konstruktion aufweist und nach folgendem Schema gebaut ist: 1A - 2 1B - IC - 1D - I - 1 - 2: 12. 1A) /Wer den andern beclagt vmb rawb ader vmb dyberey,/ 2) / e s sey clein ader gros, / 1B) /vnd jhener seyn vnschult pewtet,/ IC) /gibet der richter sein poten dorzcu,/ 1D) /kumpt er nit an dem tag, / I) / e r ist der tat schuldig, / 1) / e r breiige dann red/ 2) /die in helffen./ (426 - 427) Der präzisierende postpositive konjunktivische Nebensatz 1 / e r brenge dann röd/

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bezeichnet die einzige Bedingung, die die Gültigkeit der im Hauptsatz I formulierten Bestimmung (/er ist der tat schuldig/) aufhebt. Dagegen bedeutet der im präpositiven Nebensatzkomplex stehende präzisierende konjunktivische Nebensatz 2 eine Verallgemeinerung des im vorangehenden Nebensatz 1A dargelegten Sachverhalts. Durch diesen Nebensatz 2 wird ausdrücklich expliziert, daß hier von allen Arten Raub und Diebstahl die Rede ist. Nur in einem Fall steht die konjunktivische präzisierende (verallgemeinernde) Konstruktion präpositiv: 13. 1) / I r sey vil ader wenig, / I) /so sollen sie eyne geben an sant Burckhartz abend vnd eine an sant Merteins abends, / ü) /das sol stete s e i n . / Die verallgemeinernde Präzisierung kann allerdings auch auf andere Weise geschehen, namentlich durch eingeleitete Nebensätze. Dann übernehmen Interrogativadverbien die Rolle der Konjunktion, z . B . : 14. 1A) /Welcherley sach geschieht /1B)/ vnd wo sie geschieht, / 2) /dorüber die bürger zu richten haben, / I) /sollen sie richten in virzeehen tagen von stund/ 1) /nach dem sie es erfahren./ ( 439 ) Im Gegensatz zum heutigen Gebrauch wird die verallgemeinernd-konjunktionale Semantik der entsprechenden Interrogativa nicht durch die Partikel /auch/ unterstützt und grammatikalisiert. Vgl. noch: 15. 1A) /Erhüb sich eyn gezcenck/ 2) /wo das were,/ 1B) /komen ir zwen von dem rat dorzu,/ I) /die sollen in frid gebiten bey eyner buss,/ Ha)/das sol als creftig sein 1) als ob es der gantz rat geboten/ IIb) /vnd bey derselben puss gehalten werden./ ( 438 ) Doch sind solche Bildungen selten. Auch Inhaltssätze kommen ohne Konjunktion vor. Der Nebensatzcharakter wird dann durch den Konjunktiv erreicht: 16. 1) /Beschuldiget eynen der ander, / 2) / e r hab diberey eingenumen ader die behalten,/ I) /das kan keyn man auf den andern bringen, / 1) / e r begreift in dan mit hanthafftiger t a t . / ( 439 ) Es überwiegen aber - beim gleichen Verb /beschuldigen/ - kunjunktionale Bildungen. Z. B . : 17. 1A) /Thut eyn man vnrecht ader wirdet beschuldiget, / 2) /das er vnrecht gethan hat . . . /

( 425 )

Überhaupt spielen Konjunktionen eine große Rolle im LSR. E s kommen unter anderem vor: / a l s / , /das/, / s o / , / a b / (ob 'wenn'),/als ob/, /also das/, / a l s oft/, /bis das/, /bis solang/, /do/ 'wenn»

;

/vf das/ ' damit' ; /wenne/ 'wann', /wo/ 'wenn'.

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Aber außerordentlich wichtig sind im LSR auch andere grammatische Mittel zur Bezeichnung des funktionalen und semantischen Status der Nebensätze. Eines der wichtigsten Mittel zur Gestaltung und Explizierung sowohl des Nebensatzes als auch des Hauptsatzes wird im LSR allerdings nicht folgerichtig angewendet, die Wortstellung. Im eingeleiteten Nebensatz werden einige Glieder oft ausgeklammert. Es sind darunter Satzkomponenten, die auch im heutigen Deutsch ausgeklammert werden: Präpositionalkonstruktionen, gleichartige Satzglieder, Infinitivkonstruktionen, Relativsätze. Hier einige Beispiele, die den Überschriften der Paragraphen entnommen sind: /18. Wenn eyner den andern beclagt für dem richter/ (439) /19. Wer den andern schildet vor gerichte/ (439) /20. Wie man weyn vnd pir verkeuffen sol vnd kauffen./ (444) /21. Wer an den froneboten vnterstet zu pfenden./ (433) /22. Wer zu dem eid gesatzt wird, so ymant schweren sol. / (437) Es können auch zwei Satzglieder der oben erwähnten Art ausgeklammert werden: /23. Wer begriffen wirdet mit eyner clag vor gericht./ (431) Vgl. auch das Satzgefüge 25. Im zusammengezogenen Nebensatz, d. h. bei gleichartigen finiten Verbformen, kann die zweite finite Verbform mit der von ihr abhängenden syntaktischen Gruppe als Hauptsatz behandelt werden. Hier kann Übergang zur syntaktischen Ruhelage vorliegen, d. h. Hinübergleiten vom Status des Nebensatzes zu dem des Hauptsatzes. Aber das ist keineswegs zwingend. Derartige Ausklammerungen könnten ja auch in einem nicht zusammengezogenen Nebensatz auftreten: /24. So ein man vnrecht gethan hat vnd flewhet in eyns bürgers haws./ (425) Auch das Vorrücken der finiten Verbform auf die zweite Stelle eines eingeleiteten Nebensatzes (unter Beibehaltung der infiniten Verbform an der letzten Stelle) kommt im LSR in Paragraphüberschriften vor: /25. Wer von den reten sal zu der sach t r e t e n . / (445) Es werden aber noch andere Satzkomponenten ausgeklammert. In den Paragraphüberschriften findet sich zweimal ein ausgeklammertes Akkusativobjekt: /26. Ab ein Knecht verspilt seins hern hab./ (427) /27. Wer do kauftet raub ader gestolen gut./ (436) Ein von einem Modalverb abhängiger Infinitiv wird in folgender Überschrift ausgeklammert: /28. Welches kind erbteil sal nemen./ (436) Abgesehen von den Paragraphenüberschriften findet sich in den Nebensätzen des LSR noch Ausklammerung des Genitivobjekts: 29. 1) /Wer den andern beschuldiget eyner wunden ader wirdet beschuldiget,/

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2) /dy da is geschehen mit eynem waffn,/ I) /der sal dauor gerechten selb sibend./ ( 428 ) In diesem Satzgefüge kommen noch zwei Ausklammerungen der bereits geschilderten Art vor. Der Nebensatz 2, ein Relativsatz, ist vom Substantiv /wunden/ distanziert, von dem er abhängt, und in ihm selbst'ist eine adverbiale Bestimmung ausgeklammert. Übrigens ist das Relativpronomen in diesem Nebensatz durch / d a / verstärkt, was besonders in der Literatur religiösen Inhalts stark verbreitet ist. Eine Ausklammerung kommt auch vor in einem Konditionalsatz mit Spitzenstellung des finiten Verbs: /30. Sties eyn bürger auf mitseynem knecht./ (439) Das hier angeführte Material könnte den Anschein erwecken, daß Ausklammerungen im LSR die Wortstellung im Nebensatz kennzeichnen. Aber das ist nicht der Fall. Im Gegenteil überwiegen ganz entschieden die Fälle mit Satzrahmen. Als Symptom dafür kann das Verhältnis der Konstruktionen mit vollständigem Satzrahmen zu denen mit Ausklammerungen in den Paragraphüberschriften dienen. (Es wurden alle Konstruktionen gezählt, die die reale Möglichkeit für eine Klammerbildung bieten). 45 Konstruktionen mit vollständigem Rahmen stehen nur 15 Konstruktionen mit Ausklammerung gegenüber ! Also 75 % aller in Frage kommenden Konstruktionen weisen den vollständigen Rahmen auf,und dies Verhältnis scheint für den ganzen Text zu gelten. Wichtig ist auch, daß im LSR einige afinite Konstruktionen vorkommen. Die Hilfsverben /haben/ und / s e i n / werden im Indikativ der zusammengesetzten Zeitformen und im Zustandspassiv von Nebensätzen in 4 Fällen ausgelassen. Ein Beispiel dafür im Satzgefüge 31 (postpositiver Nebensatz). Die übrigen Belege: 31. 1A) /Erhüb sich eyn gezcenck/ 2) /wo das w e r e , / 1B) /komen ir zwen von dem rat dorzu,/ I) /die sollen in frid gebiten bey eyner b u s s , / IIa) /das sol als creftig sein/ 1) / a l s ob es der gantz rat geboten/ üb) /vnd bey derselben puss gehalten werden./ ( 438 ) 32. 1A) /Was die bürger von Leutenberg gesetz haben,/ 1B) /wer dem widersetzig wirdet, vnd sunderlich in rewmung der s t a t , / 2) / a l s vorangezeigt,/ Ia) /den sol man mit hilf der herschaft,/ 1) / s o lang er die stat hat rewmen sollen, / Ib) / i n eynen t ü r me legen./ ( 428) 33. I) /Von pfänden/ 1) /dorzu eynem durch den richter geholfen./ ( 430) Seltener fällt die Kopula im Nebensatz aus, z. B.: 34. 1) /Gibet er im schult/ 2) / e r hab es im gestolen,/ I) / e r sol da vor gericht e n , / 1) / a b er eyn vnuerlewmet m a n . /

( 426 )

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Vgl. auch das Satzgefüge 64. Allerdings sind in vielen Fällen die Indikativformen von /haben/ und / s e i n / in Nebensätzen vorhanden. Was den Hauptsatz betrifft, so besteht die Abweichung von der ihn kennzeichnenden Struktur darin, daß er in postpositiver Stellung oft weder durch eine korrelative noch durch eine summierende Wortform (oder syntaktische Gruppe) eröffnet wird. Das bringt den Hauptsatz dem Einfachsatz nahe. Z. B.: 35. 1A) /Bewundet ein man den andern,/ 1B) /will der richter die puss zuhert machen,/ I) /die zwelf sollen des macht haben zu werdern/ 1) /was im gepür von rechtes wegen,/ 2) /vf das der beschuldigt nit dodurch verderbt w e r d . / ( 429 ) Der Hauptsatz I beginnt mit dem substantivierten Zahlwort /die zwelf/, das hier den Stadtrat meint. Dieses Zahlwort, Subjekt im Hauptsatz, steht in keinem unmittelbaren semantischen Zusammenhang mit dem präpositiven Nebensatzkomplex, ist sozusagen ganz neu im thematischen Umkreis des Satzgefüges und nimmt deswegen eine eigene Stelle in der Struktur des Hauptsatzes ein. Da aber der präpositive Nebensatzkomplex sich unmittelbar auf den Hauptsatz bezieht und semantisch-strukturell auf ihn ausgerichtet ist wie eine konditionale Adverbialbestimmung auf den logisch-grammatischen Kern des nachfolgenden Elementarsatzes (d. h. des Hauptsatzes), so nimmt auch dieser präpositive Nebensatzkomplex eine eigene Stelle im Hauptsatz ein. Das bedeutet aber, daß das finite Verb im Hauptsatz (/sollen/) an die dritte Stelle zu stehen kommt. Da aber die Zweitstellung des finiten Verbs im Frühneuhochdeutschen im nicht abhängigen Elementarsatz (besonders im alleinstehenden Einfachsatz) eine wichtige 37 strukturelle Gesetzmäßigkeit ist, entsteht eine gewisse "Entfremdung" zwischen dem präpositiven Nebensatzkomplex und dem Hauptsatz. Sie stoßen sich gewissermaßen ab, so daß der Hauptsatz auch als ein Einfachsatz empfunden werden kann oder als ein Hauptsatz, der nur mit postpositiven (bzw. auch interpositiven) Nebensätzen versehen ist. Allerdings gibt es in Hauptsatz I unseres Satzgefüges ein Demonstrativpronomen 38 im Genitiv als Adverbialbestimmung mit der Semantik der allgemeinen Beziehung, das auf den semantischen Gehalt des präpositiven Nebensatzkomplexes bezogen ist und ihn sozusagen aufnimmt. Aber das ist eine Art der Wiederaufnahme, wie sie für die Herstellung semantischer Beziehungen zwischen selbständigen synsemantischen Sätzen 39 kennzeichnend ist. Natürlich will ich damit nicht die syntaktische Unterordnung zwischen Hauptsatz I und dem präpositiven Nebensatzkomplex im Satzgefüge 35 in Frage stellen. Sie besteht zweifellos. Bekanntlich sind ja solche oder ähnliche Strukturen auch in» heutigen Deutsch möglich. Aber die strukturelle Gestaltung wird hier in einem wichtigen Punkt fallen ge-

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lassen. Der Nebensatz (ih diesem Fall der Nebensatzkomplex) spielt in Hauptsatz I topologisch nicht mehr die Rolle eines Satzgliedes. Eine solche Aufhebung der topologischen Verbundenheit kommt im LSR in mehreren Satzgefügen vor, allerdings nicht in so krasser Form wie im Satzgefüge 35. E s bestehen gewöhnlich gewisse semantische Verbindungen zwischen dem Satzglied, das an der ersten Stelle im Hauptsatz steht, und dem präpositiven Nebensatz (Nebensatzkomplex). Z. B . : 36. 1) /Wirt eyn man erhangen, enthewpt ader/ 2) /wie er sein leben verlewst,/ I) /sein gut sal werden seynen erben, / ( 427 ) Das Possessivpronomen / s e i n / , das als Attribut zum Subjekt-Substantiv /gut/ gehört, verbindet semantisch das vor dem finiten Verb im Hauptsatz I stehende Satzglied (/sein gut/) mit dem präpositiven Nebensatzkomplex. Besonders eng sind seine Verbindungen mit dem Nebensatz 2, in dem die Substantivgruppe /sein leben/ a l s Objekt figuriert, deren auf das Substantiv /man/ des Nebensatzes bezogene Possessivpronomen unmittelbar das Possessivpronomen des ersten Gliedes im Hauptsatz vorwegnimmt. E s kommt in diesem Satzglied somit zu einer direkten Wiederholung einer Wortform aus dem präpositiven Nebensatzkomplex, was ermöglicht, das betreffende Satzglied als eine Wiederaufnahme des semantischen Gehalts des präpositiven Nebensatzkomplexes aufzufassen. Vgl. auch folgendes Satzgefüge: 37. 1A) Wirdet aber ymand von des fronboten knecht ader seyner meid fürgeboten/ 1B) /vnd leuckent er d e s , / I) /mit seyner eygen hant

sal er dofür gerechten./ (431 )

Ein Wort aus dem präpositiven Nebensatzkomplex, im ersten Satzglied des postpositiven Hauptsatzes aufgenommen, kann dieses Satzglied sogar erst bilden (/eins Pfandes/ > /das pfant/), so: 38. 1A) /Welch man dem andern fürgebewt/ 2) / a l s recht i s t , / 1B) /kumpt der man nit für vnd hilfet im der richter eins pfandes,/ IJ/daspfant sal

er aufbiten drey v i r -

zcehentag./ ( 430 ) Zu einer anderen Art der Wiederaufnahme von lexikal-semantischem Inhalt des p r ä positiven Nebensatzkomplexes vgl. 39. 1A) / I s t ein gast eynem bürger schuldig/ 1B) /vnd der bürger rechts nit gehaben mag, / I) /der fronbot sal im helfen vnd also lang halten/ 1) / b i s das er für den richter willigt. / (431) Im ersten Satzglied des Hauptsatzes sind keine direkten lexikalen Wiederholungen zu verzeichnen. Aber es gibt doch eine direkte Verbindung zwischen diesem Satzglied

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und dem präpositiven Nebensatzkomplex. Das Substantiv /der fronbot/, das als Subjekt den Hauptsatz eröffnet, ist dem Substantiv /der bürger/ unmittelbar gegenübergestellt, das als Subjekt des präpositiven Nebensatzes 1B auftritt. Der semantische Gehalt des Hauptsatzes ist ja überhaupt dem des Nebensatzes 1B unmittelbar und folgerichtig gegenüberstellt. Es handelt sich ja hier um folgendes. Wenn der Bürger selbst nicht imstande ist, sein Recht zu behaupten, so ist es der Fronbote, der dies tun soll. Auf diese Weise wird die Beziehung zwischen dem ersten Glied des Hauptsatzes und dem präpositiven Nebensatz sehr eng, so daß auch hier von einer gewissen Wiederaufnahme die Rede sein kann. Doch kommen solche Hauptsatztypen nur vereinzelt vor. Die große Masse der postpositiven Hauptsätze mit irgendwelchen Komponenten vor dem finiten Verb enthalten an erster Stelle Korrelate (allerdings sehr verschiedener Art). (Übrigens stehen auch die ersten Glieder der Hauptsätze in den Satzgefügen 34, 37, 38, 39 den Korrelaten ziemlich nahe). Es gibt zwei Hauptarten von Korrelaten: Einerseits solche, die den gesamten semantischen Gehalt des präpositiven Nebensatzkomplexes (oder unmittelbar nur eines Teils dieses Komplexes, worüber ausführlich weiter unten) aufnehmen und dabei auf die Semantik der Beziehung des Hauptsatzes zum präpositiven Nebensatzkomplex hinweisen. Ein solches Korrelat ist im LSR das Pronominaladverb / s o / . Es enthält sowohl einen Hinweis auf den semantischen Gehalt des vorangehenden Nebensatzkomplexes als auf die Semantik des nachfolgenden Hauptsatzes. Es bezeichnet diesen als einen Satz, der eine Folge der Handlung oder der Situation ausdrücken wird, die im präpositiven Nebensatzkomplex dargestellt wurde. Dem Pronominaladverb / s o / ist in dieser Funktion also eine zweifache Projektion eigen: sowohl in Richtung auf den vorangehenden als auch auf den folgenden Kontext. Es bestimmt dessen grammatische Semantik, was dieses Pronominaladverb einer Konjunktion sehr nahe bringt und seine Anwendung als unterordnende Universalkonjunktion e r klärlich macht. Man könnte a l s o / s o / a l s konjunktionales oder grammatisches Korrelat bezeichnen, / s o / als Auftakt zum postpositiven Hauptsatz (mit konsekutiver Semantik) wird im LSR oft gebraucht. Vgl. z . B . folgende Reihe von Satzgefügen: 40. 1) /Wil er sich dann verantworten,/ I) / s o ist sein pfant los vor der antwort./ 1) /Verantwortet er sich aber n i t , / n) / s o sol jener sein clag verlauten für gericht,/ m a ) / s o mag der/1) /den man schuldigt/mb)/nym er zu seyner antwort kumen/IV) /vnd der cleger sol die pfant aufbiten noch der stat r e c h t . / ( 435) Andererseits gibt es aber auch Korrelate, die den semantischen Gehalt irgendeiner Komponente des präpositiven Nebensatzkomplexes oder des gesamten präpositiven Nebensatzkomplexes aufnehmen, aber keine Projektion auf den semantischen Charakter des Hauptsatzes enthalte^ sondern einfach die Rolle eines seiner Glieder spielen. D. h.

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diese Korrelate sind kein Auftakt zum Hauptsatz mit konsekutiver Semantik - konsekutiv in Beziehung zum präpositiven Nebensatzkomplex. Was sie zu Korrelaten macht, ist das Faktum, daß sie genaue Entsprechungen im präpositiven Nebensatzkomplex haben. Man könnte sie sachliche Korrelate nennen. Besonders zahlreich sind die sachlichen korrelierenden Paare, die durch pronominale Formen gebildet sind, die in Geschlecht, Genus und Numerus kongruieren, z. B . /wer . . . der/, /welcher . . . der/, /eyner . . . der/, /ymand . . . der/ usw., wobei statt /der/ auch /er (her)/ und /derselb/ stehen können. Nicht selten gibt es auch nominal-pronominale Entsprechungen, z. B . /ein man . . . er (der, derselb)/. Dafür einige Beispiele: 41. 1) /Wer den andern blutrünstig machet an wafen, / I) /der sal der stat fünf Schilling geben vnd ein monden rewmen ader geb dem richter sein wette vnd dem cleger sein puss./ 1) /Sagt aber eyner/ 2) /er woll eynen schlahen vnd anderswo als libsam als hie sein,/ II) /der sal dem richter fünf Schilling geben vnd die stat ein monden rewmen./ ( 428 ) 42. la) /Welcher ein erb hat in der stat, / 2) /es sey ein hof ader ander erb, / lb) /vnd das jar vnd tag innen hat vnangesprochen von den/ 2) /die bey im in dem land sint,/ I) /der mag es dornach weren eynen itzlichen man./ ( 429 ) 43. 1) /Wyllekort eyner vor gericht zu antworten vnd bleybt aussen, / I) /her wettet XXVm heller dem richter./ ( 430) In allen diesen Belegen stimmen die korrelierenden Wortformen auch im Kasus überein (Nominativ). Aber notwendig ist das nicht. So wird im folgenden Satzgefüge in Hauptsatz I das pronominale Nominativsubjekt der beiden gleichgradigen postpositiven Nebensätze (/wer/, /er/) durch die von /vmb/ regierte Akkusativform des Demonstrativpronomens (/den/) aufgenommen: 44. 1A) /Wer eynen halben virdung zcugeschos nit gebe, / 1B) /wurd er zuraufet,/ I) /vmb den dorft die stat nymands rewmen, / n) /sunder vor dem richter mag er sein recht fordern./ ( 433 ) Es kommen zweilen auch andere Arten sachlicher Korrelate vor, z. B . Pronominaladverbien. So steht im Hauptsatz des Satzgefüges 3 an der ersten Stelle /darin/, das auch keinen Hinweis auf die konsekutive grammatische Semantik des Hauptsatzes enthält. An dieser Stelle muß auf einige semantische Probleme in der Beziehung zwischen Haupt- und Nebensatz eingegangen werden, um die Struktur gewisser Arten des Satzgefüges zu klären. Ich sprach bisher immer von der Konditionalsemantik des präpositiven Nebensatz-

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komplexes und dementsprechend von der Konsekutivsemantik des Hauptsatzes. Eine solche semantische Gliederung ist in Gesetzformulierungen natürlich, wenn auch nicht die einzig mögliche. Der Gesetzgeber nennt irgendeine Handlung oder Situation als den Grund, der zu gewissen Konsequenzen rechtlicher Art führt. Die entsprechende Handlung oder Situation kann dabei zwanglos als eine Bedingung in einem präpositiven Nebensatz (oder Nebensatzkomplex) dargestellt werden, und die sich aus dieser Handlung oder Situation ergebende Konsequenz als eine dadurch bedingte Handlung oder Situation in einem postpositiven Hauptsatz. Aber es gibt mannigfaltige Arten der semantischen Beziehung zwischen solchen Bedingungen und Folgen. Die Bedingung kann das Zustandekommen irgendeiner Handlung/Situation in ihrer Gesamtheit sein und ihre Folge das Aufkommen irgendeiner neuen rechtlichen Handlung/Situation . Es stehen sich also zwei Handlungen/Situationen gegenüber, die semantisch und syntaktisch eigens gegliedert sind, aber doch in ihrer Gesamtheit aufeinander bezogen sind. Diese Beziehungen dürfen als rein konditionale betrachtet werden. Strukturell werden sie als "klassische" konditionale Satzgefüge gestaltet: der präpositive Nebensatz wird entweder durch eine Konjunktion mit konditionaler Semantik ('wenn') eingeleitet oder weist Spitzenstellung des finiten Verbs auf, der postpositive Hauptsatz beginnt mit dem finiten Verb oder enthält davor ein Korrelat ( / s o / o. ä . ) . Z. B: 45. 1) /Vnd so die kind zu iren jaren komen, / I) /mugen sie andere formund kysen ader die gekoren behalden./ ( 447 ) 46. 1A) /Kumen leut für eynen rat, / 2) /die man scheiden sol vmb ein s a c h , / 1B) /vnd biten ymants zu in herfür zcutreten vnder den reten, / I) / s o sal nymant herfür zu in treten in ir gesprech./ ( 445 ) Aber es kann in der als Bedingung fungierenden Handlung/Situation auch eine semantische Komponente geben, die besonders wichtig ist, auf die der gesamte übrige Bedeutungsgehalt des betreffenden Satzgefüges auf irgendeine Weise bezogen wird, im LSR und in vielen anderen Strafrechtbüchern ist dies oft die Person, die durch irgendwelche Handlungen einer gesetzlichen Strafe verfällt. Die konditional-konsekutive Verbindung von Neben- und Hauptsatz läßt sich dabei syntaktisch zwanglos als Verbindung eines präpositiven Subjektsatzes mit einem durch ein korrelatives Pronomen eingeleiteten Hauptsatz gestalten. Z. B. 47. 1) /Werdomit spissen ader ander wer zugezenckzulauffet vndnit durchbescheidenheit,/ I) /der sal dem richter vnd der stat ein marck geben vnd ein monat dorauss s e i n . / ( 428 ) Das an der Spitze des Hauptsatzes stehende korrelative Demonstrativ- oder Personalpronomen, das in der Regel als Subjekt auftritt und somit den präpositiven Neben-

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satz in seiner Funktion als Subjektsatz voll und ganz aufnimmt, bildet mit dem den Nebensatz eröffnenden Relativpronomen eine symmetrische Figur, was zur kompositioneilen Zementierung des Satzgefüges beiträgt. Allerdings läßt der regelmäßige Gebrauch des korrelativen Pronomens, das zugleich Subjektsfunktion im Hauptsatz ausübt, die Vermutung aufkommen, daß es kein Korrelat sondern Subjekt ist und somit der präpositive Relativsatz kein Subjektsatz sondern ein sozusagen vorweggenommener Attributsatz, der sich auf das nachfolgende Pronomen bezieht. Eine solche Auffassung wird noch dadurch bekräftigt, daß in einigen (freilich sehr seltenen) Satzgefügen mit dem präpositiven Relativsatz, das den Hauptsatz eröffnende und mit dem Relativpronomen des Nebensatzes korrespondierende Pronomen in einem obliquen Kasus steht, während sich das Nominativsubjekt des Hauptsatzes an einer entlegeneren Stelle befindet. So wird das Satzgefüge 32 durch die Akkusativform des Personalpronomens /den/ eröffnet, direktes Objekt in diesem Elementarsatz, während das Subjekt das indefinite Pronomen /man/ ist. Somit darf in diesem Satzgefüge der präpositive Nebensatz 1B, der durch das mit dem Personalpronomen /den/ des Hauptsatzes korrespondierende Relativpronomen /wer/ eingeleitet ist, keineswegs als Subjektsatz gelten. Schwerlich ist auch in folgendem Satzgefüge der präpositive Relativsatz 1 als Subjektsatz aufzufassen. Subjekt des Hauptsatzes ist das an dritter Stelle stehende Personalpronomen / e r / , was den korrelativen Charakter dieses Pronomens abschwächt: 48. 1) /Welcher man kauftet ackersat vnd bringet die frucht auf eyn ander gut vnangesprochen,/ I) /dauor antwerte er vnd verste es mit rechte./ ( 442 ) Abgeschwächt wird der Subjektcharakter des präpositiven Nebensatzes^ wenn ein R e lativpronomen im obliquen Kasus steht. Z . B . : 49. 1) /Wem die bürg er vmb eynige vnzucht für dy stat gepiten ader auf ein t h o r , / I) /der sol die zcucht halden an reyen, tantzen, paucken, fydeln, an wisch, an licht vnd allerley schmeh./ ( 449 ) 50. 1)/Wen man hiewider thuend begreift, / I) /der sol geben der stat die hohesten puss./ ( 449 ) Vollständig aufgehoben wird der Subjektcharakter des relativen präpositiven Nebensatzes, wenn der Hauptsatz überhaupt keinen pronominal-korrelativen Hinweis auf den Nebensatz enthält: 51. 1) /Wer das wegerte,/ I) /die puss ist fünf Schilling./ ( 444 ) 52. 1) /Welcher das versewmpt, / I) /die pus ist zwen Schilling, dem richter eynen vnd den bürgern der ander. / ( 447 )

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Aber solche Fälle kommen im LSR äußerst selten vor. Es überwiegen Konstruktionen mit genauer symmetrischer Entsprechung: /wer - der/ u. ä . , die den präpositiven Nebensatz als Subjektsatz auftreten lassen. Hier dient die Verbindung des präpositiven Subjektsatzes mit dem postpositiven Hauptsatz der Wiedergabe einer konditional-konsekutiven Beziehung zwischen Neben- und Hauptsatz, d. h. die verallgemeinerte Semantik des Satzgefüges, das solche Beziehungen ausdrückt, überlagert hier die verallgemeinerte Semantik der konditional-konsekutiven Beziehung, die wohl als grundlegend für derartige Satzgefüge in strafrechtlichen Gesetzbüchern angenommen werden muß. Das eigentliche Ziel des Gesetzgebers ist eben, gesetzliche Folgen irgendwelcher sträflicher Handlungen zu bestimmen. Aber dies geschieht so, daß die betreffende Handlung einer Person als eine panchronische, d. h. als eine zu beliebigem Zeitpunkt potentiell zu aktualisierende aufgefaßt wird, was auch der panchronischen Geltung der gesetzlichen Folge dieser Handlung entspricht. Eine solche panchronische Auffassung der in Frage kommenden Handlung des Nebensatzes in ihrer Beziehung zu der des Hauptsatzes erlaubt es, auch ohne spezielle grammatische Bezeichnung der konditionalen Semantik des Nebensatzes auszukommen. Dabei wird trotz der äußerlich-grammatischen Idendtität des Subjekts im Neben- und Hauptsatz der Unterschied in der verallgemeinerten Bedeutung zwischen dem konditionalen Gehalt des präpositiven Nebensatzes und dem konsekutiven Gehalt des postpositiven Hauptsatzes gewöhnlich durch den Charakter des Prädikats in diesen Elementarsätzen expliziert. Im präpositiven Nebensatz hat das Prädikat sehr oft aktive Bedeutung und wird durch entsprechende Verben gebildet, im postpositiven Hauptsatz dagegen sehr oft passive Bedeutung und wird hauptsächlich durch Konstruktionen mit dem modalen Verb /sollen/ gebildet, das eben den passiven, d. h. nicht freiwilligen, vorgeschriebenen Charakter der Handlungen des Nebensatzsubjekts bekundet, selbst wenn diese Handlungen als solche aktiv sind. Z . B . : 53. 1) /Wer den andern wundet mit eyner zuckbar wunden, / 2) /dy mit poten besetzet wirdet,/ I) /der sol die stat zwen monden rewmen./ ( 428 ) Die beiden formalen Möglichkeiten, die konditional-konsekutive Beziehung zwischen dem präpositiven Nebensatz und dem postpositiven Hauptsatz zu gestalten, können miteinander in Berührung treten. Es entstehen Mischformen wie z. B. in den Satzgefügen 51, 52. Die präpositiven Relativsätze finden hier überhaupt keinen Anhaltspunkt im Hauptsatz, bleiben sozusagen strukturell in der Luft hängen. Das Satzgefüge beginnt in diesen Beispielen als eine Subjektsatz-Konstruktion, wird aber fortgesetzt als eine Konstruktion, die einen Konditionalsatz als präpositiven Nebensatz haben sollte, obgleich streng genommen auch diese Konstruktion, was den Hauptsatz betrifft, nicht in ihrer vollständigen klassischen Form erscheinen würde, da das Korrelat / s o / fehlt. Also eine widerspruchsvolle, strukturell-semantisch unpräzise Form. Allerdings ist dies nicht die einzige Art unpräzise gestalteter Satzgefüge im LSR.

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Besonders häufig kommen Konstruktionen vor, die sich auf den präpositiven Nebensatzkomplex und seine Beziehungen zum postpositiven Hauptsatz erstrecken. Es werden oft zwei oder mehr präpositive Nebensätze als strukturell-syntaktisch parallele, namentlich als auf den postpositiven Hauptsatz unmittelbar bezogene, nebeneinander gestellt, so daß sie alle als Nebensätze 1. Grades erscheinen. Sie sind aber oft semantischsyntaktisch ganz ungleichartig, stehen in sehr verschiedenen semantisch-syntaktischen Beziehungen zum postpositiven Hauptsatz, aber diese oft äußerst komplizierten oder schwer faßbaren Beziehungen erhalten keinen formalen Ausdruck. Sie werden einfach nacheinandergestellt, und der Leser selbst hat diese Beziehungen aus dem Kontext zu deuten. Da einige solcher präpositiver Nebensätze 1. Grades bei sich noch Nebensätze 2. Grades (und zuweilen sogar 3. Grades) haben, wird die semantische Struktur des präpositiven Nebensatzkomplexes noch undurchschaubarer. Gewöhnlich steht nur der Nebensatz 1. Grades, der unmittelbar vor dem Hauptsatz steht, in unmittelbarer und klar ausgeprägter semantisch-syntaktischer Beziehung zum postpositiven Hauptsatz. Wir nennen ihn den eigentlichen präpositiven Nebensatz 1. Grades. Dagegen haben die weiteren vor anstehenden Nebensätze oft keinen unmittelbaren semantisch-syntaktischen Zusammenhang mit dem Hauptsatz und nur einen semantischen Zusammenhang mit dem eigentlichen präpositiven Nebensatz 1. Grades. Dies ist in vielen der bereits oben angeführten Satzgefügen der Fall, z. B. 4, 8, 31 u. a. Es sei hier noch ein derartiges Satzgefüge einfachster Art angeführt, um die in Frage stehenden unpräzisen syntaktischen Beziehungen eingehend zu analysieren: 54. 1A) /Hat ein man sun vnd tochter vnd lehengut ader erb vnd versetzet zcins dor a u f , / 1B) /were nach seynem tod recht wolt haben zcu dem lehengut, / I) / d e r gulde es auch pillich alleyne. / ( 446 ) Es gibt hier nur zwei präpositive Nebensätze 1. Grades. Der zweite (1B) steht in nicht nur strukturell-syntaktischer sondern auch regelrechter semantisch-syntaktischer Beziehung zum postpositiven Hauptsatz. Der Nebensatz 1B ist ein Subjektsatz oben e r wähnter Art, der semantisch in konditional-konsekutiver Beziehung zum Hauptsatz steht. Mit dem Relativpronomen des Nebensatzes / w e r e / ' w e r ' korrespondiert das Personalpronomen / d e r / , das den Hauptsatz eröffnet und als Korrelat des Nebensatzes fungiert. Nebensatz 1A dagegen ist ein Konditionalsatz, dessen semantischer Gehalt mit dem s e mantischen Gehalt des Hauptsatzes in keine unmittelbare Verbindung gebracht werden kann. Vom rein semantischen Standpunkt aus ist er mit dem Nebensatz 1B verbunden, indem er die Situation umreißt, die eine Vorbedingung zum Zustandekommen der im Nebensatz 1B fixierten Handlung bildet. Aber an der Form des Nebensatzes 1B ist keine Spur irgendwelcher konsekutiver Verbindung mit dem Nebensatz 1A zu entdecken. Allerdings nimmt der Nebensatz 1B lexikalisch-semantisch - durch das attributive Posses-

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sivpronomen / s e i n / (/nach seynem tod/) - das Subjekt des Nebensatzes 1A (/ein man/) auf. Aber eine konditional-konsekutive Beziehung läßt sich dabei formal nicht feststellen, und es gibt keine formalen Anhaltspunkte, um den Nebensatz 1B als einen von 1A abhängigen aufzufassen, d. h. als Nebensatz 2. Grades, der vor dem ihn regierenden 1. Grades steht. Vielmehr sind beide Nebensätze ihrer Form nach parallel. Semantisch stehen sie im Verhältnis der Nachzeitigkeit, da beim Fehlen von Hinweisen auf andere semantische Beziehungen und temporale Relationen die Situationen (Handlungen) der topologisch aufeinanderfolgenden Sätze sich normalerweise auch als zeitlich aufeinanderfolgende beurteilen lassen. Aber einem solchen semantisch-syntaktischen Parallelismus wirkt die Verschiedenheit der syntaktischen Gestaltung der Nebensätze 1A und 1B entgegen: 1A ist ein Konditionalsatz und beginnt mit dem finiten Verb - 1B ist ein Subjektsatz und beginnt mit dem Relativpronomen / w e r e / ' w e r ' , 1A hat als Subjekt das Substantiv /ein man/ - 1B das Relativpronomen / w e r e / ' w e r ' , das auf das Subjekt des Nebensatzes 1A nicht bezogen werden darf. Deswegen läßt sich die Aufeinanderfolge der Nebensätze hier nicht so leicht und natürlich als Wiedergabe einer Reihe von semantisch zusammenhängenden aufeinanderfolgenden Handlungen/Situationen auffassen, wie es z. B. der Fall ist in dem oben analysierten Satzgefüge 6, obgleich in ihm vor dem Hauptsatz sechs (!) parallele Nebensätze 1. Grades stehen. Im Satzgefüge 54 fehlen die kompositionellen Züge, die den Parallelismus der präpositiven Nebensätze 1. Grades sozusagen verstärken und festigen und auf diese Weise die Auffassung ihrer topologischen Gestaltung als eines natürlichen Ausdrucks ihrer temporalen Gestaltung begünstigen. Darum steigert sich hier das semantisch-syntaktisch Unpräzise solcher Konstruktionen. Das Satzgefüge 54 ist ein krasses Beispiel für unpräzise Gestaltungen des Satzgefüges im Bereich seines präpositiven Nebensatzkomplexes. Es können auch noch andere Formen der unpräzisen Konstruktion des präpositiven Nebensatzkomplexes vorkommen. So steht im folgenden Satzgefüge der vorletzte p r ä positive Nebensatz 1B mit dem von ihm abhängigen letzten präpositiven Nebensatz in unmittelbarer semantisch-syntaktischer Beziehung zum postpositiven Hauptsatz I, während der erste von den präpositiven Nebensätzen (1A) nur eine allgemeine Vorbedingung für das Zustandekommen der semantischen Beziehung zwischen 1B und I schafft: 55. 1A) /Was ein rat bey dem eyde gepeutet zu helen,/ 1B) /wer das meldet,/ 2) /kumpt mans hinder in, / I) /der sal nymermehr an den r a t . / ( 446 ) Dabei kann der präpositive Nebensatz 2, den ich als einen vom Nebensatz lB abhängigen Konditionalsatz bezeichnet habe, auch als ein Nebensatz 1. Grades aufgefaßt werden, der eine strukturell-syntaktische Reihe mit den Nebensätzen 1A und 1B bildet, ohne mit irgendeinem von ihnen gleichartig zu sein.

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In all solchen Fällen besteht das Unpräzise der Konstruktion des Nebensatzkomplexes darin, daß durch die Stellung der betreffenden Nebensätze und ihre eindeutige Nebensatzform ihre allgemeine strukturell-syntaktische und semantische Beziehung zu dem betreffenden Satzgefüge kraß markiert ist, ohne daß die konkrete Art dieser Beziehung expliziert wird. Auf diese Weise bekommt die Form der unpräzisen Gestaltung des Satzgefüges eine gewisse Ähnlichkeit mit der im Großganzsatz RA I, die im Ausdruck der allgemeinen, nicht näher definierten Bezogenheit vieler Nebensätze auf den Hauptsatz und auf andere Nebensätze bestand, was vor allem im massenhaften Gebrauch der universalen Konjunktion /als/ zum Ausdruck kam.Im LSR ist die Zahl der Nebensätze, die unter dem Gesichtswinkel der allgemeinen Bezogenheit in das Satzgefüge eingeführt werden, unvergleichlich geringer. Sie sind in der Regel nur im präpositiven Nebensatzkomplex enthalten und ihre semantisch-syntaktische Natur ist in der Regel viel leichter zu durchschauen. Die universale Konjunktion /als/ wird dabei nicht gebraucht. Die unpräzise Konstruktion des Satzgefüges ist also im LSR insgesamt doch viel schwächer vertreten als in RA I. Es ist auch zu betonen, daß es im LSR mehrere Satzgefüge gibt, in denen alle präpositiven Nebensätze mit dem postpositiven Hauptsatz irgendwie semantisch-syntaktisch zusammenhängen, so daß in ihnen von einer unpräzisen Konstruktion des präpositiven Nebensatzkomplexes nicht die Rede sein kann. Von anderen Arten der unpräzisen Konstruktion des Satzgefüges sei noch erwähnt, daß in einem Fall der Hauptsatz im Satzgefüge fehlt. 56. 1A) /Were eyn man erfordert für gericht/ 1B) /vnd lest ym gepiten der richter/ 2) /das er kumen solle sich berichten mit dem cleger./ ( 440) Allerdings sollte hier wahrscheinlich der Nebensatz 1B eigentlich als Hauptsatz aufgefaßt werden. Die Spitzenstellung des finiten Verbs könnte hier durch die bereits e r wähnte Tendenz erklärt werden, in den nicht abhängigen Elementarsätzen, die die Fortsetzung einer Erzählung, eines Berichts usw. bilden, die finite Verbalform nach /und/ an die erste Stelle zu rücken, zum Ausdruck der Verbundenheit dieses Elementarsatzes mit dem vorangehenden Kontext. Aber im angeführten Fall ist der strukturelle Parallelismus - die Spitzenstellung des finiten Verbs - zwischen 1A und 1B so groß, daß das /vnd/ sich hier in erster Linie als ein Verbindungsmittel zwischen zwei gleichgradigen Nebensätzen auffassen läßt. Eine andere Art unpräziser Konstruktion läßt sich am Satzgefüge folgender Paragraphenüberschrift beobachten: 57. Ia) /Einratismanso das jar/ 1) /er am rat sitzet/ Ib) /nymandes fürsprech seyn/. ( 449 ) Es fehlt hier ein Relativpronomen oder relatives Pronominaladverb, das den relativen

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104 Nebensatz 1 einleiten sollte, also eine Art Apokoinu-Konstruktion.

Auf eine andere Weise wird die Konstruktion des Satzes unpräzis im folgenden Satzgefüge, in dem das Durcheinander der Personalpronomina in ihrer Beziehung zu Substantiven im präpositiven Nebensatzkomplex die Bezogenheit des Subjekts im Nebensatz 2 auf die Substantive des Nebensatzes 1A unklar macht. Sie läßt sich nur aus dem gesamten semantischen Gehalt dieser Elementarsätze feststellen: 58. 1A) /Weichs bürgers sun seynen vater wundet,/ 2) / s o er zu jaren kumen w e r e , / 1B) /claget das der bürger dem rat vber yn, / I) / e r verleust seynen erbteil gegen den anderen geschwisteren, / 1) / a b er des vaters hulde nit erwerb/ 2) /die weil er lebet./ ( 446 ) Selbstverständlich gibt es auch Fälle, wo nicht die Konstruktion des Satzgefüges als solche unpräzise ist, sondern die Konstruktion einzelner Elementarsätze innerhalb des Satzgefüges. So z. B . im Satzgefüge 11, wo im ersten Teil des zusammengezogenen pr äpositiven Nebensatzes 1 Adas Subjekt/die b ü r g e r / i s t ( . . . /die bürger . . . nit angewynnen können/), wogegen im zweiten Teil als Subjekt das Substantiv gelten soll, das im ersten Teil Dativobjekt ist (/welchem man/). Diese Subjektverschiebung läßt sich freilich leicht erklären: Das Dativobjekt im ersten Teil des Nebensatzes 1A drückt das eigentliche Thema nicht nur des betreffenden Nebensatzes sondern des ganzen Satzgefüges aus. Aber es kommt hier zu einer strukturell-syntaktischen Entgleisung, also e i ner unpräzisen Konstruktion. Doch sie berührt die Gestaltung des Satzgefüges nicht unmittelbar. Die unpräzisen Konstruktionen im LSR bestehen hauptsächlich in der Bildung von Reihen präpositiver gleichgradiger Nebensätze, die semantisch-syntaktisch keineswegs parallel sind und deshalb mit Nebensätzen, die alle zusammen eine einzige Stelle im Hauptsatz einnehmen, unvereinbar sind. Dagegen können sogar mehrgliedrige Reihen von präpositiven gleichgradigen Nebensätzen als präzise Konstruktionen gelten, wenn sie semantisch-syntaktisch parallel sind und man sie auch als zusammengezogene Sätze formen könnte. Z . B . : 59. 1A) /Ab eynem kaufman ein auszwendig man schuldig ist, / 1B) /sehet er in in der s t a t , / IC) /mag er des richters nit gehaben, / 1D) /vnd heldet er in auf, / Ia) /doran hat er nit freuel begangen, / 1) /wenne dem richter sal er wetten fünf Schilling auf sein gnad, / Ib) /vnd sal in für den richter brengen./ ( 426 ) Oft kommen auch unpräzise Konstruktionen vor,die durch eine Entgleisung in der s e mantisch-syntaktischen Beziehung zwischen dem präpositiven Nebensatz/Nebensatzkomplex und dem postpositiven Hauptsatz Zustandekommen. Zuletzt seien noch die kompositioneilen Typen des Satzgefüges im LSR umrissen. Sehr verbreitet sind die zentrierten, z. B . :

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60. 1) /Wil er wider in die s t a t , / I) / s o sal er geben zcehen pfunt,/ 1) /dauon ein drittel dem richter, ein dritteil der stat vnd ein dritteil dem cleger gepüren./ ( 428 ) Oft werden auch geschlossene Satzgefüge verwendet, zuweilen mit mehreren präpositiven Nebensätzen, z. B.: 61. 1A) /Hat eyn man eyn weyb vnd mit der elich kinder,/ 1B) /storb die f r a w / IC) /vnd neme er eyn andere zu der ehe vnd gewönne mit derselben auch kynder,/ ID) /vnd sprechen die ersten kint in vmb erbteyl an, / I) /der sal in mitteylen erbeygen vnd farende hab./ ( 436 ) Nicht selten kommen abperlende Satzgefüge vor, die allerdings gewöhnlich nur sehr wenige postpositive Nebensätze aufweisen, vorwiegend nur einen: 62. I) /Nymant mag sein farende hab vergeben an der nechsten willen vnd w o r t , / 1) / e r äussere sich dan von stat a n . / ( 430) Die gestreckten Satzgefüge kommen ziemlich selten vor und immer in Verbindung mit anderen kompsitionellen Typen. So kann in einem geschlossenen Satzgefüge der postpositive Hauptsatz einen interpositiven Nebensatz enthalten: 63. 1)/Wer den rat bricht vnd den f r i d / 2) /den der rat machet,/ Ia) /der sol geben dem rat fünf m a r g , / 1) /der es vermag, / Ib) /vnd rewm dornach die stat ein halb j a r . / (437 ) In einem umfangreichen zentrierten Satzgefüge befindet sich ein interpositiver Nebensatz 2. Grades innerhalb eines postpositiven Nebensatzes 1. Grades: 64. 1A) /Kriget eyn vater mit seynem kind ader eyn muter, dessgleichen geschwistere mit eynander,/ 1B) /vnd kompt yr eyns für den rat vnd clagt/ 2) /das ym vnrecht beschehe,/ I) / s o sol der rat senden nach den anderen vnd ir red pederseit verhören vnd in alsdan eyn schid dorin geben, / la) /dorbey sie es bederseit bleyben lassen sollen, ader / 2) /ob es in vngefellig,/ lb) /solchs für gericht f o r d e r e n . / ( 443 )

3.3. Gerichtsordenunge vnd Gerichtsfelle zu Erfurt (GGE) Die aus dem Jahr 1483 stammende Gerichtsordnung des erzbischöflichen weltlichen Gerichts zu Erfurt besteht aus 81 Paragraphen (Punkten), die in der Regel sehr knapp f o r muliert sind. Es überwiegen Einfachsätze. Sehr verbreitet sind sogar Satzstücke (Satz40 fragmente). Sie sind als Kontextsätze verschiedener Art zu verstehen. Sie können nur fungieren, indem sie sich in der Redekette an vollwertige Elementarsätze anlehnen.

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Allerdings stand mir weder die Handschrift noch ein zeitgenössischer Druck zur Verfügung, sondern nur der Abdruck der Gerichtsordnung in dem von A. L. J . Michelsen im Jahre 1863 herausgegebenen Sammelband "Rechtsdenkmale aus Thüringen" . Doch scheint der Herausgeber die Zeichensetzung des Originals richtig wiederzugeben. Beim Problem der graphischen Aussonderung der Satzstücke scheint dies dadurch bestätigt zu werden, daß manche Satzstücke (mindestens aus zwei Satzgliedern bestehend) als selbständige Paragraphen (Punkte) erscheinen. Z . B . : 1. /47. / I) /Item. Dem freibotten geburt an denselben enden zweyfach geldt/ l) /was der selbig oberknechte an seinen enden nympt einfach./ /48. Item. An Trostgerichte acht pfennig von einem geboth./ /49. Item. Dem freibotten zwyfach./ / 5 0 . / I) /Item. An Molhusen gerichte vier pfennig;/ ü) /geburen dem vhoit halb./ ( 352 ) 2. / 6 4 . / I) /Item. Die hütter geben die fyltze den schustern zu einem par both schuen./ n) /So machen die schuster das leder darüber vnd geben dem schulthessen die botschwe./ /65. Item. Von den heringen in der fasten zwe schock heringe vnd zwelff./ /66. Item. Von den olern funff phundt o l e s . / ( 353 ) Die einzelnen als besondere Paragraphen (Punkte) und somit als Elementarsätze fungierenden Textabschnitte bestehen aus Adverbialbestimmung + Subjekt ( § 48), aus Adverbialbestimmung + Objekt ( § 66), aus zwei Adverbialbestimmungen + Objekt ( § 65). Sie alle sind somit unvollständige Elementarsätze. Es fehlt ihnen das Verb, dessen Projektion aus dem (unmittelbar oder distanziert) vorhergehenden Elementarsatz die Unvollständigkeit aufhebt. Dagegen bestehen die Satzstücke, die innerhalb der Paragraphen (Punkte) vorkommen, vor allem ganz am Anfang der Gerichtsordnung, vorwiegend aus einem Satzglied. Z. B.: 3. / I . I t e m . / I) / E s sein in den ampten an dem gericht vier person: der vitzthumb, der Schultheis, vhoyt vnd freybothe./ II) /Darnoch vier schepffen vnd ein gericht schreiber./ HI) /Dartzu gehören funff gerichtsknechte./ IV) /Summa virzehen person./ V) /Dem vitzthumb geburt rathe zu geben in allen mergklichen grossen Sachen, vnd ist nicht verbunden am gericht zusitzen./ VI) /Ime geburt der Vierde pfennige von etzlichen vnsers gnedigen hern von Meintz gefeilen des gerichts, nemlich von helffgelde, von vffgebotten pfänden, freuel, wundenbussen,/ VII) /Von achte, gewhere vnd an dem schreibgeld geburt imme nichts./ VEH) /Auch von burgergelde nichts./ ( 345 ) Von den acht Ganzsätzen, die hier durch römische Ziffern bezeichnet sind, sind drei

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(ü, IV, Vm) Satzstücke. Die Ganzsätze II und IV bestehen aus nur je einem Satzglied, da /darnoch/ in n und /Summa/ in IV eigentlich als anknüpfende (/darnoch/) und zusammenfassende (/Summa/) Partikeln aufzufassen sind, die zu den entsprechenden 41 Substantivgruppen als nicht-bereichernde Komponenten gehören. Kompliziert ist die Struktur des Satzstücks VHI. Man könnte geneigt sein, die Präpositionalgruppe /von burgergelde/ und die substantivische Negation /nichts/ als zwei Satzglieder aufzufassen, da sie zu verschiedenen syntaktischen Gruppen gehören. Aber in Wirklichkeit hängen doch die Präpositionalformen (in VIH /von burgergelde/, in VII /Von achte , gewhere vnd an dem schreibgeld/) als partitive Attribute von /nichts/ ab, nur daß sie, wie es mit den partitiven Attributen unter Einwirkung der Erkenntniseinstellung des Redenden (Schreibenden) oft geschieht, im Ganzsatz VH an den Satzanfang rücken und von dem am Ende des Satzes stehenden /nichts/ distanziert werden und im Satzstück VIEL dem gleichfalls am Ende stehenden /nichts/ vorangestellt werden. Übrigens wird im Satzstück, in dem das finite Verb ausgefallen ist, die Kontaktstellung des Präpositionalattributs und des substantivischen /nichts/ wiederhergestellt. Ich habe so lange bei der Analyse der in GGE vorkommenden Satzstückarten verweilt, da die dabei zutagetretende Tendenz, selbst die Satzfragmente als Ganzsätze fungieren zu lassen, auf die allgemeine Vorliebe zur knappen, einzelne Elementarsätze isolierenden Einstellung weist, die für GGE kennzeichnend ist. Deswegen bestehen hier keine günstigen Vorbedingungen für den Gebrauch des Satzgefüges. Und wirklich kommen diese in GGE verhältnismäßig selten vor und weisen dann verhältnismäßig wenig Nebensätze au£ und ihr Abhängigkeitsgrad bleibt niedrig. Die Elementarsätze sind in der Regel kurz. Der Umfang des Ganzsatzes ist in der Regel unbeträchtlich, selbst wenn der Ganzsatz als ein Satzgefüge auftritt. Zu den längsten Elementarsätzen in GGE gehört der Hauptsatz im folgenden Satzgefüge: 4. I) /Die theter der wunden sal jglicher knecht in seinem virteil lassen heischen vor das gerichte vnd die von vnsers gnedigen hern von Meintz wegen verclagen, der wunden halben vnserm gnedigen hern zuuerbussen, vnd derselben keinen zur antworth komen l a s s e n , / 1) / e r hab dan die wher oder waffen vore ins gerichte gelegt oder dauuor willen gemacht,/ 2) /ehr er zu der antwort kumpt./ ( 347 ) Der Hauptsatz besteht aus 39 Wortformen. Aber da von ihm nur zwei Nebensätze abhängen (einer 1. Grades, der andere 2. Grades) und diese ziemlich kurz sind (15 und 6 Wortformen), enthält der aus drei Elementar Sätzen bestehende Ganzsatz nur 60 Wortxormen, was im Durchschnitt 20 Wortformen pro Elementarsatz ausmacht. Das Satzgefüge ist abperlend. Dieselbe Länge (39 Wortformen) findet sich auch bei einem Nebensatz in folgendem

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Satzgefüge: 5. I) /darumb ist noth/ la) /das die schepffen/ 2) /die vrteil borgen,/ lb) /darnoch zusamen komen in des schulthessen hawss, / 2) /do dan mit vernunfft auss den vrteilen von beiden partheien inebracht, die vberlesen vnd wol bedrachten, dar auss dan denselben vrteilen noch, auch auss gründe schult vnd antwort eine besserunge dem rechten gemessen noch allem irem bestem verstenthniss zuteilen eintrechtig./ ( 345 - 346 ) Es ist der das Satzgefüge beschließende Nebensatz 2. Grades, der so lang ist. Der Hauptsatz, der nur die Notwendigkeit des in den nachfolgenden Nebensätzen enthaltenen Inhalts fixiert,besteht aus nur 3 Wortformen, der von ihm unmittelbar abhängige Inhaltssatz 1. Grades aus 10 und der in diesen Nebensatz eingeschachtelte Nebensatz 2. Grades aus 3 Wortformen. So beträgt die Durchschnittslänge des Elementarsatzes im Satzgefüge 5 nur 13,8 Wortformen. Allerdings ist der Bau des Satzgefüges unpräzise; im postpositiven Nebensatz 2. Grades fehlt das (pronominale) Subjekt, da das nach dem ersten Komma stehende / d i e / zweifellos als Akkusativplural zu versteiften ist, der das Substantiv /vrteilen/ wiederaufnimmt und von den nachfolgenden finiten Verbformen (/vberlesen vnd

bedrachten/) abhängt. Deswegen könnte man die Wortform / d o / ,

die den Nebensatz eröffnet, und die ich als unterordnende Konjunktion mit lokaler Semantik 'wo' aufgefaßt habe, vielleicht eher als eine adverbiale Form verstehen, die in Verbindung mit dem nachfolgenden Pronominaladverb /dan/ den Nebensatz 1 einfach weiterführt. Bei einer solchen Deutung bestände der gestreckte Nebensatz 1 aus 49 Wortformen und der Durchschnittsumfang der Elementarsätze im Satzgefüge erhöhte sich auf 18,1 Wortformen. Andererseits ist aber die Versuchung, die Form / d o / als unterordnende Konjunktion aufzufassen, ziemlich stark, denn sie wird in dieser Funktion mit lokaler Bedeutung in frühneuhochdeutschen Denkmälern (allerdings nicht in GGE) unzählige Male verwendet und folgt im Text unmittelbar auf die lokale adverbiale Bestimmung (/in des schulthessen hawss/). Auch ist das davor stehende Komma, das wahrscheinlich eine Virgel des Originals widergibt, ein (freilich sehr schwacher) Hinweis auf den Konjunktionsstatus der Form / d o / . Was aber viel wichtiger erscheint, ist der Schluß, daß bei beiden Deutungen des grammatischen Status der Form / d o / gewisse Widersprüche in der Gestaltung des Textabschnitts verbleiben. Das Satzgefüge ist also unpräzise gebaut, was überhaupt für GGE kennzeichnend ist und weiter unten noch zur Sprache kommt. Die Maximalzahl an Nebensätzen in einem Satzgefüge ist sechs (dementsprechend beträgt die Maximalzahl der Elementarsätze sieben). Dies kommt nur in einem Falle vor: 6. 1) /Wan er die wunden besehen h a t , / I) / s a l er alles in ein buch schreiben,/ 1A) /wer die sein/ 2) /die solliche wunden entpfangen haben,/ 1B) /vnd wer die gethan,/ 2) /vff das vnsern gnedigen hern von Meintz die busse sich dauon eigent gegeben/werde,

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vnd dem schulthessen die waffen/ 3) /damit die wunden gemacht sein./ ( 347 ) Die gleiche Anzahl an Nebensätzen weist ein Satzgefüge auf, das wir weiter unten anführen werden. S . Beispiel 14. Mit fünf Nebensätzen (also 6 Elementarsätzen) ist folgendes geschlossenes Satzgefüge ausgestattet: 7. 1A) /Wan ein kummer bey einem geschiet,/ l B a ) /vnd der/ 2) /bey dem der kummer gescheen ist/ IBb) /spricht,/ 2) /er hab des mannes gut keins innen von des wegen/ 3) /der kummer gescheen ist, / I) /sal er alsbald das recht von ime nhemen, vnd ine den eydt alsbald thun lassen./ ( 349 ) E s kommen auch Satzgefüge mit 4 Nebensätzen (also aus fünf Elementarsätzen b e stehend) vor und ziemlich viele Satzgefüge mit 3 Nebensätzen (vier Elementarsätzen). Aus vier Elementarsätzen besteht: 8. Ia) /Vff den sonnabent so schliessen zwene schepffen,/ 1A)/der eine den schlussel zu der laden hait,/ 1B)/der ander den schlussel zu der buchssen/ 2) /die in der laden stehet, / 3) /darin das schreibegelt die wochen eingesamelt worden ist, / Ib) /vff und zeelen das vnd antworten das dem schultheissen in seine innhame zuberechen./ ( 348 ) Dieses gestreckte Satzgefüge wird noch weiter unten vom Standpunkt seiner unpräzisen Gestaltung aus untersucht. Von den Satzgefügen mit 3 Nebensätzen sei nur ein ziemlich umfangreiches angeführt: 9. la) /Who die schepffen eine beschwerung hetten, sich beduncken Hessen,/ 2) /die sach were etwas tapffer, mergklich vnd schwere./ lb) /vnd vertraweten darnoch sich selbem alleine nicht wol eine besserung zu finden/ 2) /dem rechten gemesse were, / I) /mögen sie an einen vitzthumb vnd schulthessen ire holung haben mit zurathen b e stendig besserung deme rechte noche zu theilen./ ( 346 ) Dies ist eine geschlossene Konstruktion, in der der präpositive Nebensatz 1. Grades von einem Nebensatz 2. Grades unterbrochen wird und einen Nebensatz 2. Grades nach sich hat. Obgleich kein Elementarsatz übermäßig lang ist (der Nebensatz 1. Grades b e steht aus 21 Wortformen, der Hauptsatz aus 19 Wortformen), beträgt doch der Gesamtumfang des Satzgefüges 52 Wortformen, Durchschnittslänge der Elementarsätze 13 Wortformen. Das Satzgefüge 7 weist dagegen im Ganzen 44 Wortformen auf, Durchschnittumfang der 6 Elementarsätze nur 7 , 3 Wortformen. 6 , 5 Wortformen machen den Durchschnittsumfang der Elementarsätze im folgenden Satzgefüge aus: 10. I) /Die knechte daran halt achtung zu haben,/ 1A) /das allen kommern volge g e -

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Schee,/ 1B) /das vnserm gnedigen hern von Meintz das helffgeld werde/ IC) /vnd daran nicht abbruch geschee./ ( 348 ) So kurze Elementarsätze sind in GGE keine Seltenheit auch in Satzgefügen, die nur aus wenigen Elementarsätzen bestehen, und zum Teil sogar in Einfachsätzen (besonders in Satzstücken). Auch der Maximalgrad der Abhängigkeit der Nebensätze bleibt in GGE niedrig. Es wird nur der dritte Grad erreicht, allerdings nicht selten. Besonders verbreitet sind jedoch die Nebensätze 2. und vor allem 1. Grades. In GGE kommen verschiedene kompositioneile Typen des Satzgefüges vor: sowohl abperlende, z. B. 5, als auch geschlossene, z. B. 9, gestreckte, z. B. 8, und zentrierte, z. B. 6. Ein zentriertes Satzgefüge geringeren Umfangs: 11. 1) /So man nhue alle dinge in gerichte schreibet,/ 2) /die furmals mundtlichen erzelt worden s e i n , / I) / s o hat man in gerichte nicht so vile z e i t , / 1) /das man die vrteil kan geteylen, / ( 345 ) In vielen Satzgefügen kreuzen sich verschiedene kompositioneile Typen. Die gestreckte Struktur läßt sich gut mit andern Strukturen vereinigen, z. B. mit der geschlossenen: 12. 1) /Was der cleger mit geistlichen gerichten doruff wendt,/ Ia) / s a l ime der antworter/ 1) /der erfordert i s t / Ib) /alles mit sampt den Scheden,/ 1) /die am wertlichen doruff gewendt s e i n , / Ic) /widderkeren./ ( 354 ) Die Mittel, die der strukturellen Organisierung des Satzgefüges dienen, werden nicht sehr streng angewandt. Das gilt auch für die Rahmenkonstruktion im Nebensatz. Allerdings überwiegen die Strukturen mit Rahmen, und die Zahl der Ausklammerungen ist in Nebensätzen viel geringer als in den nicht abhängigen Sätzen. Als ein Beispiel der Verbindung von Nebensätzen mit und ohne Ausklammer.ungen sei folgendes Satzgefüge angeführt: 42 13. Ia) /Die sollen auch erst einen etzlich menner von Byntersleuben vnd Eluersgehofen,/ 1) /die besytzer sein der huffen/ 2) /die doselbst ligen vnd vnserm gnedigen hern von Meintz zustehen,/ Ib) /darzu auch mit andern mennern vss denbestympten dorffern mit sollen vrteil zuteilen./ ( 355 ) In Nebensatz 1 ist das zum Prädikativ gehörende Genitivattribut mit dem von ihm abhängenden Relativsatz ausgeklammert. Aber dieser Relativsatz weist in seinen beiden klammerfähigen (weil mit gleichartigen finiten Verbformen versehenen) Teilen

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die normale Rahmenkonstruktion auf. Ein Relativsatz (ohne das Substantiv, zu dem er gehört) ist in folgendem Textabschnitt aus dem Nebensatz 2 ausgeklammert: 14. 1) /So der ancleger den antworter des eydts verhebet, / I) / s o muss der antworter acht pfennige geben,/na) /der seint zwene des knechts/ 1) /der ime den eydt stab e t , / IIb) /oder des/ 1) /in des virteil der ist/ 2) /der den eydt solt gethan haben,/ ( 350) Eine präpositionale Adverbialbestimmung beträchtlichen Umfangs und komplizierter Struktur ist im Nebensatz 1A des folgenden Satzgefüges ausgeklammert: 15. 1A) /Wer vrteil strafft an vnsers gnedigen hern von Meintz gerichte vor einen Rath, / lßa) /enphellet ime die straffe in der zeit/ 2) /die partheien nit gericht werden, / lBb) /inwendig acht wochen noch der zeit/ 3) /die straff ime gerichte gescheen i s t , / Ia) / s o sal der/ 1) /dem die straiffe nicht gedeien i s t , / Ib) /fünf Schilling zu busse geben./ ( 350) Allerdings weisen alle anderen klammerfähigen Nebensätze dieses Satzgefüges normale Rahmenkonstruktionen auf. Andererseits kommen auch Satzgefüge vor, in denen sowohl der Nebensatz (Nebensätze) als auch der Hauptsatz, selbst bei größerem Umfang, vollständigen Rahmen aufweisen. Z . B . : 16. Ia) / E s sollen die funff gerichtsknechte allen sonnabent noch myttage in des schulthessen hawss komen vnd ein jglicher do bey seinem eyde dem schulthessen geben vnd vberantworten, / 1) /was er die wochen von helffgelde, eydtgelde oder ander gefeile zum gerichte gehörende ingenomen hab,/ Ib) /in beywesen vhoits, freibotten vnd der schepffen do zelen vnd geben./ ( 348 ) Im folgenden Satzgefüge bleibt in beiden Nebensätzen die Satzklammer aufrechterhalten, wenn auch die Infinitivgruppe im Hauptsatz ausgeklammert ist: 17. 1) /So die forderung wertlichs gerichts veracht wurde,/ I) /sal durch den freibotten bestalt werden, durch geistlichs gerichte dieselben theter mit briefflein zu dringen,/ 1) /das sie sich mit dem schulthessen von vnsers gnedigen hern von Meintze wegen der wunden, freuels vnd where oder waffen halben sich vertragen./ ( 347 ) Der Hauptsatz und der Einfachsatz ermangeln zuweilen eines strukturellen Zuges, der für den nicht abhängigen Elementarsatz grundlegend ist. Das finite Verb steht nämlich in einigen Fällen nicht an zweiter Stelle des Hauptsatzes sondern an irgendeiner anderen Stelle. In einem Fall (in Satz Iü im Satzgefüge 18) rückt die finite Verbform im Einfachsatz an die erste Stelle, was aber in frühneuhochdeutschen Texten und sogar noch

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später oft vorkommt als Mittenden entsprechenden Satz an den vorangehenden Kontext 43 anzuschließen: 18. I) /Der probst zum Neuenwerck gibt frue ein essen den person allen, / n) /do gibt der Schultheis ein Schillinge in die küchen, vnd die zwene man auch einen noch dem vmbgehen./ m) /Essen die person alle mit den mollern vff der Kersslachen./ ( 350 - 351 ) In einem anderen Fall steht das finite Verb in einem Einfachsatz nach einer Reihe von präpositionalen Adverbialbestimmungen, die miteinander verbunden sind und als syntaktische Einheit (temporale Adverbialbestimmung mit erläuternder Apposition) empfunden werden können, aber diese Einheit wird weder durch eine Konjunktion noch graphische Mittel expliziert. So könnten auch zwei Adverbialbestimmungen vorliegen: 19. /Vff Sanct Marcus tag vff den freitag noch pfingsten vff die zwo process wirt dem schulthessen vom rathe zu jglicher process zwe stobichen weins vnd ein par hentzschen./ ( 353 ) Wichtiger sind die zahlreichen Fälle, in denen das Satzgefüge irgendwie unpräzise gestaltet ist. Verbreitet ist die sogenannte Apokoinu -Konstruktion, die allerdings nur bedingt als eine Erscheinung der unpräzisen Satzgefügegestaltung zu nehmen ist. Man könnte sie auch als eine Art der unpräzisen Gestaltung der parataktischen Elementar Satzverbindung auffassen. Die einfachsten Apokoinu-Konstruktionen, d. h. die Bildungen, in denen ein Glied (eine Wortform oder eine Wortgruppe) gleichzeitig zu zwei in Kontakt stehenden Elementarsätzen gehört und an deren Kontaktstelle steht, sind die bereits im Mittelhochdeutschen verbreiteten /heißen/-Konstruktionen. z . B . : /Das ist ein gericht vff der Lowerbrucken, heisset Trostgerichte./ Nach diesem Muster ist z. B . auch folgende Konstruktion gestaltet: 20. /Des behort vnserm gnedigen hern von Meintz zwenzig aide gr. dem schulthessen zuberechen vnd die andern zwenzig gr. dem gericht, teilet das vnder sich./ ( 349 ) Noch kennzeichnender für GGE sind kompliziertere Apokoinu-Formen. Als Beispiel sei folgender Textabschnitt angeführt: 21. 1) /Lest der ancleger den antworter den eydt thun, / Ia) / s o gibt/ 1) /der den eydt thut,/ Ib) /zwe pfennig/ n) /gebüren dem knechte/ 1) /in des virtel der i s t . / ( 350 ) Das Textstück weist zwei Apokoinu-Konstruktionen auf. Die erste befindet sich an der Kontaktstelle zwischen dem ersten Teil des ersten Hauptsatzes (Ia) und dem interpositiven Nebensatz 1: die Form /der/ ist gleichzeitig Subjekt im Hauptsatz (/so gibt

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der . . . / ) und Subjekt im Nebensatz (/der den eydt thut/). Die zweite Konstruktion befindet sich an der Kontaktstelle zwischen dem zweiten Teil des ersten Hauptsatzes (Ib) und dem zweiten Hauptsatz (n): die Form /zwe pfenig/ ist gleichzeitig Akkusativobjekt in Hauptsatz I (/so gibt der . . . zwe pfennig/) und Nominativobjekt in Hauptsatz II (/zwe Pfennig gebüren dem Knechte/). Allerdings ist nicht ganz sicher, ob der Elementarsatz n wirklich als ein beigeordneter Elementarsatz zu betrachten ist. Man könnte die Apokoinu-Konstruktion auch als eine spezielle Unterordnungsart betrachten und deswegen Satz I trotz seiner Wortstellung als postpositiven Nebensatz ersten Grades auffassen. Auf alle Fälle liegt unpräzise Konstruktion vor. Auch im folgenden Satzgefüge findet sich an der Kontaktstelle zwischen den Elementarsätzen I und 1 ein gemeinsames Satzglied: 22. Ia) /Der gerichte mag er warten, vnd die luthe/ 1) /dahin gehören, / Ib) /vff dinstag, donnerstag vnd sonabent dahien weisen noch seinem gefallen./ ( 347 ) Das mit dem Artikel /die / versehene Substantiv /luthe/ ist hier einerseits das Akkusativobjekt, das vom Hauptsatzverb /weisen/ (in Infinitivform) abhängt. Aber zugleich ist es Nominativsubjekt des kleinen Nebensatzes 1 (/die luthe dahin gehören/), in dem das Relativpronomen fehlt, dessen Wortstellung aber unzweideutig seinen abhängigen Status fixiert. Vgl. auch die Kontaktstelle zwischen den Elementar Sätzen l b und 2 im Satzgefüge 9. Es gibt in GGE noch eine Reihe anderer unpräziser Konstruktionen des Satzgefüges. Ein Verbindungszeichen zwischen Nebensatz und übergeordnetem Elementarsatz kann völlig fehlen, wie im folgenden Satzgefüge: 23. 1) /Who die anweiser erkennen, / 2) /pfandbar ist, / I) / s a l man pfenden./ ( 350 ) (/pfandbar ist/) ist zweifellos ein Nebensatz und Inhaltssatz, aber es fehlen syntaktischstrukturelle Merkmale, die ihn als solchen ausweisen könnten und seine Wortstellung widerspricht der üblichen in einem uneingeleiteten Inhaltssatz. Im Satzgefüge kann der Hauptsatz fehlen. Zweifellos ist dies der Fall in Paragraph (Punkt) 33: 24. 1) /wer sich zu eiden erbeuth,/ 2) /wie man einem lenger frist gibt dan dem andern noch gestalten sachen, / 3) / a l s hernoch volget./ ( 349 ) Das diesem Textabschnitt vorangehende Satzfragment /33. Item . Von eyden zu schweren/ ist allem Anschein nach als Überschrift aufzufassen, nicht als ein Satzstück, das anstelle des Hauptsatzes im Satzgefüge 23 stehen sollte. Ohne Hauptsatz bleibt auch folgendes Satzgefüge, wenn wir den mit /haben/ einsetzenden Elementarsatz als konjuntionslosen Konditionalsatz mit Spitzenstellung des finiten

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Verbs auffassen, was mir semantisch durchaus berechtigt erscheint: 25. 1) /Was schreibgeldes in gastgerichten gefeilet, / 2) /haben vytzthumb vnd Schultheis dem Schreiber zugesaget/ I) /ime zustehen solle./ ( 348 ) Die semantische Beziehung zwischen Nebensatz und übergeordnetem Elementarsatz kann unklar zum Ausdruck gebracht werden. In Satzgefüge 26 findet die Konditionalbe Ziehung zwischem präpositivem Nebensatz und nachfolgendem Hauptsatz keinen formellen Ausdruck (weder durch die Konjunktion noch durch die Wortstellung), sondern wird durch die relativ-partitive Beziehung überlagert, die vor allem im interrogativ-relativen Pronomen des Nebensatzes ausgedrückt ist: 26. / 1) /Was kuntschafften auss dem gericht gegeben werden, pergamenen brieff mit anhangenden sigil,/ I) /geburt dem schulthessen daran vom sigil einen gülden./ ( 353 ) Allerdings nimmt im Hauptsatz das Pronominaladverb /daran/ die relativ-partitive Semantik des Nebensatzes auf. Aber es steht nicht an erster Stelle, wo es den semantischen Gehalt des präpositiven Nebensatzes eindeutig aufnehmen würde, so daß die Hauptintention beim Übergang vom Nebensatz zum Hauptsatz in semantischer Hinsicht doch wohl die konditional-konsekutive ist, was dem formalen Charakter des Nebensatzes zuwiderläuft. Es sei in diesem Zusammenhang allerdings nochmals betont, daß der Begriff der unpräzisen Konstruktion in vorliegender Studie relativ ist und sich aus dem Vergleich mit der heutigen Norm (oder Normtendenz) ergibt. An unterordnenden Konjunktionen kommen in GGE vor die universalen / a l s / 'alswenn, wie', / d a s / , / s o / ' s o , indem, nachdem, wenn, wie' und die Konditionalsätze einleitenden / a b / 'wenn', /wan/ 'wenn', /wann/ 'wenn', /wenn/, /wo/ 'wenn', /who/ 'wenn'. Obgleich in GGE viele Konjuntionen mit konditionaler Semantik vorhanden sind und die präpositiven Konditionalsätze sich als solche auch durch die Spitzenstellung des f i niten Verbs ausweisen, fungiert in diesem Text auch eine spezielle Nebensatzkonstruktion in Spitzenstellung, die nur die Aufgabe hat, den konditionalen Status des nachfolgenden Nebensatzes 2. Grades zu bezeichnen: /Ist es sach, . . . / , vgl. Satzgefüge 14.

3.4.

Ordnung der freyen zinss und freyen güttere der Stadt Erfurt (OfZG)

Die im Jahre 1495 entstandene Ordnung reglementiert die Prägung neuer Münzen und die Pfändung von Liegenschaften, deren Besitzer Abgaben nicht rechtzeitig entrichtet haben. Die Reglementierung ist sehr detailliert und schreibt nicht nur die Äußerungsformen bei gegebenen Umständen vor, sondern auch gewisse symbolische Handlungen. Es werden auch Formulare angeführt, die bei Rechtsakten ausgefüllt werden müssen.

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Als ausführliches .Prozessgesetz ist die OfZG überreich an Wiederholungen, oft sogar wörtlichen. Sie beruft sich ständig auf die hergebrachten Formen sowohl der Münzprägung als auch der Erhebung von Gebühren, auf das /alte löbliche Herkommen/. Die sprachliche Form der OfZG ist keineswegs erst im Jahre 1495 konzipiert. In mancher Hinsicht ist sie nur die Fixierung eines älteren Sprachgebrauchs, was sie der Sprache der Weistümer annähert. Doch ist es von Bedeutung, daß im Jahre 1495 solche älteren Sprachformen in einer neuen Kodifizierung verwertet wurden. Das macht sie trotzdem zu vollwertigen Zeugnissen des Sprachgebrauchs der Zeit, in der die OfZG fixiert wurde. Das Satzgefüge ist die vorherrschende Form des Ganzsatzes in OfZG. Aber es ist in der Regel kurz und besteht nur aus wenigen Elementarsätzen. Besonders umfangreiche und mehrgliedrige Satzgefüge begegnen in hergebrachten Formeln. Einzelne ihrer Elementarsätze sind durch Anhäufung von gleichartigen Satzgliedern, unter anderem Titel- und Namengruppen, außerordentlich lang. Im folgenden ein solches Satzgefüge, dessen innere Beziehungen zum Teil nicht durchsichtig sind: 1. Ia) /Wir des hochwirdigsten fürsten und hern, hern N. erzbischoffen zu Maintz etc. und churfürsten unsers gnedigsten hern in seiner f. g. staidt Erffurdt wertliche richtere: N. schulthess, N. vhoigt, N. freyboth, N. N. N. und N. geschworne gerichtsschepffen bekennen eintrechtiglichen und thun kunth allen den/ 1A) /die diesse unsere gerichtliche zuerkannte kundtschafft sehen hören oder lesen, / lBa) /das ime der wirdige herN. itzo s. f. g. erzbischofflichen hoffs küchenmeister daselbst, anstadt und von wegen obgemelts unsers gnedigsten herren N. acker N. virtel acker oder weingarten zu oder bey N. oder ein hawss N. obgenant in N. pfar bei N. hawss gelegenn etwan N. sampt dem gronde und boden mit den wachssenden früchten umb und von N. verhalten freyzinss, und N. erschienen buess rechtlich fronen, uffronen und gewheren l a i s s e n , / 2) /wie hie zu Erffurdt gerichtslauff gewonheit und recht ist, / lBb) /von einem gericht zum andern, vom andern zum dritten in gewhere genomen, N. also erben und besitzern derselben N. acker weingarten oder hewszer etc. / Ib) /Dar zu gebieten und verkundigen laissen/ 2A) /ob er oder sie wider die gewhere und daruff gethane clage zu sagen oder inrede für zubringen hetten zu thun. / 2B) /So aber sollichs gewhere in recht nit verlegt seint/ 3a) /die in ire er äfft gangen und dem anwalte obgenannt die N. acker oder hewszer etc. durch urteil und recht den erlangten gewheren noch von dem gericht/ 4) /wie leufftig und recht ist, / 3b) /geantwort,/ Ic) /volkomen macht und gewalt geben, / 1) /das er die von obgemelten zynsse und buess, dartzu mögliche Scheden und nach luthe der vertrege und herbrachter übunge vor obgemeltem unserm gnedigsten hern behalten, oder die mit wissen und willen seiner f. g. verkauffen möge./ ( 316 - 317 ) Nachstehend die - freilich zweifelhafte - schematische Gliederung des Satzgefüges:

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la - 1A - lBa - 2 - lBb - Ib - 2A - 2B - 3a - 4 - 3b - Ic - 1 Wenn meine Interpretation des Texts richtig ist, ist hier der Hauptsatz gestreckt. Sein zweites Fragment setzt an der Stelle (nach / e t c . / ) ein, die mit einem großen Buchstaben beginnt. Man könnte allerdings diesen Teil des Hauptsatzes als einen besonderen - allerdings elliptischen - Elementarsatz auffassen, als einen Hauptsatz, denn die unabhängigen Elementarsätze weisen in der OfZG oft die Spitzenstellung des finiten Verbs auf. Aber auch bei einer solchen Gliederung des Texts und Beschränkung unserer Untersuchung auf den ersten Teil des Satzgefüges bleibt das Bild der angeführten Konstruktion höchst interessant. Der Hauptsatz Ia enthält 45 Wortformen, wobei allerdings die für Formulare typische Bezeichnung einer Person, einer Gegend usw durch / N . / als je eine Wortform gezählt wird. Die Nebensätze 1A und 1B a-b, die gleichgradig aber nicht gleichartig sind, da der Nebensatz 1A ein Relativsatz und der Nebensatz 1B ein Inhaltssatz ist (zu der F o r mel / bekennen und thun kunth /), unterscheiden sich quantitativ stark. Der Nebensatz 1A besteht aus nur 10 Wortformen, der Nebensatz 1B a-b aus 96 Wortformen. Besonders lang ist das erste Fragment dieses Nebensatzes (lBa) mit 72 Wortformen. Sowohl im ersten als auch im zweiten Teil des Textes sind gestreckte Elementarsätze vorhanden. Allerdings bleibt fraglich, wie einige der Elementarsatzfragmente aufzufassen sind. Vor allem gilt das für Elementarsatzfragment 2A, das keinen echten semantischen Zusammenhang mit Fragment Ib aufweist. Nach der Verkündigungsformel stehen in der Regel abhängige Sätze (Inhaltssätze), die freilich auch in der Form unabhängiger Sätze auftreten können. Hier aber E n g e l > Studie zur Geschichte des Satzrahmens und seiner Durchbrechung. In: Studien zur Syntax des heutigen Deutsch (Sprache der Gegenwart, Bd. 6), Düsseldorf 1970; J. Schildt, Die Satz klammer und ihre Ausbildung in hoch- und niederdeutschen Bibeltexten des 14. bis 16. Jahrhunderts. In: Studien zur Geschichte der deutschen Sprache, Berlin 1972. Über die Satzklammer (auch im Nebensatz) im heutigen Deutsch vgl. u. a. : W. G. Admoni, Der deutsche Sprachbau, S. 294-300; W. Flämig, Grundformen der Gliedfolge im deutschen Satz und ihre sprachlichen Funktionen. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Bd. 86, Halle 1964; E. Benes, Die Ausklammerung im Deutschen als grammatische Norm und als stilistischer Effekt. In: Muttersprache, 1968, S. 289 ff. ; U. Engel, Regeln zur Wortstellung. In: Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache, H. 5, Mannheim 1970. 32 Als einen Inhaltssatz sehe ich auch den Elementarsatz 1B an, dem der von ihm abhängige Nebensatz 2. Grades vorangestellt ist. Über die Voranstellung der Nebensätze höheren Grades s. weiter unten OfZG 5, WvE 9 u. a. S. auch O. Behaghel, Deutsche Syntax, Bd. 4, Heidelberg 1932, S. 281-284.

358

Anmerkungen

33 In der Ausgabe der Urkunde, die ich benutzt habe (G. Kettmanns "Frühneuhochdeutsche Texte", S. 28-29), sind an zwei Stellen Auslassungen angegeben, die sich aber auf den Schluß der Urkunde beziehen. 34

V g l . H. M. IMJIHH, CHHOHHMHKA B CUHTAKCHCE COBPEMEHHORO HEMEAKORO

35

Zum Problem der Unterscheidung verschiedener syntaktischer Funktionen von /es/in Elementar Sätzen der Art vgl. B . T . A Ä M O H M , B B E J E H K E B C H H T 3 K C H C coBpeueHHoro HeMeuKoro H3HKa, MocKBa 1955, CTp. 109-113; J. Erben, Deutsche Grammatik. Ein Abriß, 11. Auflage, München 1972, S. 84.

36

Zur Semantik der Konjunktion /wenn/ vgl. D. Sanders, Wörterbuch der deutschen Sprache. 2. Bd., 2. Hälfte, Leipzig 1876, S. 1564; W. Seibicke, Wenn-Sätze. In: Muttersprache, 1964,» S. 260 ff.

H3biKa, KpacHOflap 1974, CTp. 172 - 174

37 Vgl. J. Schildt, Die Satzklammer und ihre Ausbildung in hoch-und niederdeutschen Bibeltexten des 14. bis 16. Jahrhunderts. In: Studien zur Geschichte der deutschen Sprache, Berlin 1972, S. 232.

r.

A Ä M O H H , HCTOPHIECKHM CHHTaKCMC HeiieiJKOrO H3HKa, MocKBa 1963, C T p . 8 0 - 8 1 , 84 - 8 6 , 1 7 8 .

38

Vgl. B .

39

Vgl. Tamara Sil' man, Probleme der Textlinguistik. Uni-Taschenbücher 326, Heidelberg 1974, S. 69 ff.

40

Über den Begriff des Kontextsatzes bzw. Kontextbenennungssatzes vgl. W. G. Admoni, Der deutsche Sprachbau, S. 114.

41

Vgl. W. G. Admoni, Der deutsche Sprachbau, S. 207-208, 260-261.

42

Das Verb /einen/, das im Elementarsatz I in Infinitivform steht, bedeutet hier ' vereinigen, versammeln'. Vgl. A. L. J. Michelsen, Rechtsdenkmale aus Thüringen, Jena 1863, S. 3 Anm. 3.

43

Vgl. H. Paul, Deutsche Grammatik, Bd. 3, Halle/Saale 1954, S. 78-79; O. Behaghel, Deutsche Syntax, Bd. 4, Heidelberg 1932, S. 29-36.

44

Vgl. H. Paul, Deutsche Grammatik, Bd. 3, Halle/Saale 1954, S. 78-80.

45

Vgl. W. G. Admoni, Der deutsche Sprachbau, S. 252.

46

Vgl. W. G. Admoni, Der deutsche Sprachbau, S. 82-88.

47

Vgl. Anmerkung 17 auf S. 715.

48

Vgl. G. Bech, Studien Uber das deutsche Verbum infinitum, Bd. 1, K^benhavn 1955, S. 65-69; Bd. 2 , K^benhavn 1957, S. 8-9, 66, 91; B . I*. A Ä M O H H , CHHTaKCMC coBpeMeHHoro HeMeiycoro H3tuca. JfeHHHrpaa 1973, CTp. 166 - 167.

49

Vgl. H. Paul. Deutsche Grammatik, Bd. 4, S. 269; D. Sanders, Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Bd., 2. Hälfte, Leipzig 1876, S. 168.

50 Vgl. H. Paul, Deutsche Grammatik, Bd. 4, S. 268-269; D. Sanders, Wörterbuch der Deutschen Sprache, 2. Bd., 1 Hälfte, Leipzig 1876, S. 250. 51 In dieser Hinsicht bildet der Hauptsatz selbstverständlich nur eine Abart aller syntaktisch nicht abhängigen Aussagesätze, aber für uns sind diese Sätze nur in ihrer Gegenüberstellung zu den Nebensätzen im Satzgefüge wichtig, also als Hauptsätze. 52 Vgl. W. G. Admoni, Der deutsche Sprachbau, S. 225. 53

Über die Relativität der Wortformen d. h. über ihre obligatorischen Fügungspotenzen vgl. O. Behaghel, Deutsche Syntax, Bd. 1, Heidelberg 1923, S. 22; W. G. Admoni, Der deutsche Sprachbau, S. 82-98.

Anmerkungen

359

54

Schachtelungen verschiedener Art sind auch in den Beispielen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 enthalten, so daß diese Kompositionsart für RG überhaupt kennzeichnend ist.

55

Der syntaktisch-kompositionelle Status solcher Partizipialkonstruktionen ist dem der präpositiven Nebensätze so ähnlich, daß man sie eigentlich auch als Nebensätze auffassen und die Elementarsätze des Satzgefüges dementsprechend signieren dürfte. Jedoch betrachte ich sie als verselbständigte Teile der Hauptsätze, denn es fehlen ihnen nicht nur die finiten Formen der Hilfsverben, wie es für die afiniten Konstruktionen des Nebensatzes kennzeichnend ist, sondern auch das Nominativsubjekt. Dieser strukturelle Unterschied macht es unmöglich, die /belangend/Konstruktionen mit den Nebensätzen zu identifizieren.

56

Vgl. W. G. Admoni, Der deutsche Sprachbau, S. 271-272.

57 Allerdings ist in Hauptsatz n, der das zweite Satzgefüge eröffnet, das Subjekt / w i r / enthalten, das sozusagen über der ganzen Verordnung "schwebt". Aber ein unmittelbares Subjekt fehlt im ersten Satzgefüge vollständig. Es ist auch nicht aus dem vorangehenden Absatz zu entnehmen. 58 Allerdings bleibt die das Satzgefüge eröffnende Konjunktion /daß/, die als der erste Abschnitt eines gestreckten Nebensatzes aufzutreten scheint, in Wirklichkeit in der Luft hängen. Man findet im weiteren keinen Elementar satzabschnitt, der auf diese Konjunktion bezogen werden könnte. 59

H. Paul, Deutsche Grammatik, Bd. 4, 2. Aufl., Halle/Saale 1955, S. 315.

60

Zum Begriff des rahmenmäßig neutralen Satzes vgl. W. G. Admoni, Der Umfang und die Gestaltungsmittel des Satzes in der deutschen Literatursprache bis zum Ende des 18. J h . , S. 184.

61

Über die Gestaltung der Absätze in dem für die deutsche Literatursprache des 18. Jh. bedeutsamen Bereich wissenschaftlich-ästhetischer Texte und über allgemeine Probleme der Absatzgestaltung vgl. Tamara Sil'man, Probleme der Textlinguistik, Heidelberg 1974, S. 102-137.

62

W. Paul, R. M. Rilkes "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" und die Schlacht von Mogersdorf. In: Insel Almanach auf das Jahr 1967. Rainer Maria Rilke, Frankfurt am Main 1966, S. 57.

63 Vgl. B. T. Aämohh, T. H. CHJüMaH, OopMH h rpaaamw oxBaTa selicTBHT6JIBH0CTH CTpyKTypOÜ npeflJI0Ä6HHH KSK npOÖJieua CTMJIH. In:

IlpOÖJieMH

cpaBHUTeJiiHOü $HJioJiornH, MocKBa-JIeHHHrpaa 1964, CTp. 59 - 62. 64

Vgl. darüber (in Zusammenhang mit der Behandlung des Gesamtproblems der Rahmenkonstruktion im Deutschen) z. B . O. Behaghel, Deutsche Syntax, Bd. 4, Heidelberg 1932, S. 44-45, 76-86, 125-135, 144; M. Pfütze, Satzbau, Stil und Klasse - Kritische Bemerkungen zur sozialen Grundlage einiger Anschauungen Uber Normen in der deutschen Satzstruktur. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Potsdam, Gesellsch.-Sprachwiss. Reihe 2 (1966), S. 203-210; W. G. Admoni, Die umstrittenen Gebilde des deutschen Satzbaus von heute. In: Muttersprache, 1962, H. 6.

65

Die Zweitstellung ist auch für solche Typen der uneingeleiteten Nebensätze kennzeichnend wie Inhaltssatz und Konzessivsatz. Aber ihr Nebensatzstatus läßt sich gewöhnlich einwandfrei feststellen aufgrund des in ihnen als Regel verwendeten Konjunktivs, auch des Kontexts (besonders in bezug auf Inhaltssätze). Das läßt die Zweitstellung des finiten Verbs doch als vollwertiges Mittel zur Diagnostik des unabhängigen Elementarsatzes erscheinen.

66 Vgl. B. r . Aämohh, PasBHTiie CTpyKTypn npeaji (Hernia b nepnoa $opMnpoBaHua Heiieiycoro JMTepaTypHoro Hataca, JfeHUHrpaa 1966, CTp. 125 - 132; W. G. Admoni, Der Umfang und die Gestaltungsmittel des Satzes in der deutschen

360

Anmerkungen Literatursprache bis zum Ende des 18. Jh. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Bd. 89, Halle/Saale 1967, S. 190-192.

67 Vgl. W. G. Admoni, Zu Problemen der Syntax. Entwicklungstendenzen des deutschen Satzbaus von heute. In: Deutsch als Fremdsprache, 1970, H. 1-2, S. 9. 68 Vgl. N. N. Semenjuk, Zustand und Evolution der grammatischen Normen des Deutschen in der 1. Hälfte des 18. Jh. In: Studien zur Geschichte der deutschen Sprache, Berlin 1972, S. 128-133. 69

Vgl. Tamara Sil* man, Probleme der Textlinguistik, Heidelberg 1974; M. Pfütze, Grammatik und Textlinguistik. In: Wiss. Zeit sehr. d. Päd. Hochschule Dresden, 4/1969; Textlinguistik 1, Dresden 1970; R. Harweg, Pronomina und Textkonstitution, München 1968; H. F . Plett, Textwissenschaft und Textanalyse, Heidelberg 1974.

QUE LLENVER ZEICHNIS

Nach der Abbreviatur steht in Klammern das Entstehungs- bzw. Fixierungsdatum des Textes. Es folgt der Titel, die Angabe der Publikation und der untersuchten Seiten (sofern nicht der ganze Text bzw. ganze deutschsprachige Text herangezogen wurde). Am Schluß steht in Klammern das Kapitel (gegebenenfalls der Punkt des betreffenden Kapitels), in dem der Text analysiert wird. Die Quellen sind alphabetisch nach den Abbreviaturen geordnet. ARME

(1689) Acten-mässige Relation, Wie es mit des gewesenen Müllers zu Fockend o r f Thoma Langens Entleibung / Auch desselben gewesenen Eheweibs Marien / Und Des MUhlknechts Martin Müllers / Erfolgten Inqvisition/ und nach ihren beyderseits Geständniß / daß sie ihn mit dem Stricke im Bette e r würget / erlangten Urthel und Recht / wie auch / was sonsten darbey vor Umstände vorkommen / allenthalben ergangen und rechtlich e r ö r t e r t worden. Der Wahrheit zu Steuer / und männiglich zur guten Nachricht ausgefertiget. Altenburg. gedruckt bey Gottfried Richtern / F . S. Hoffbuchdr. O. J . (Kapitel m . 4.6.)

ARP

(1704) - Ausführliche Relation von der letzten bey Puniz am 7. Nov. 1704 zwischen denen Sachsen und Schweden vorgefallenen Action . . . Leipzig zufinden bey C h r . Heydlern. O. J . (Kapitel m . 4. 3 . ) .

CdS

(1427) - Der Vertrag zwischen Erzbischöfen von Mainz und Köln, Bischof von Würzburg, Herzog von Braunschweig, Landgraf von Thüringen und Landgraf von Hessen. In: Codex diplomaticus Saxoniae, Leipzig 1941, S. 302-399 (Kapitel n . 1 . 3 . 2 . ) .

CE

(1716) - S . Khraysser, Compendium electoralis juris bavarici, Aug spur g 1716, S. 22-28, 42-48, 78-84. (Kapitel m . 2 . 1 . ) .

GGE

(1483) - Gerichtsordenunge und Gerichtsfelle zu E r f u r t . In: A. L. J . Michelsen, Rechtsdenkmale aus Thüringen, Jena 1863, S. 341-355. (Kapiteln. 3. 3 . ) .

HSW

(1682) - Verordnungen, betreffend die in Österreich liegenden Herrschaften Hart, Schwertberg und Windegg. In: Österreichische Weistümer, Bd. XII, S. 705-720. (Kapitel m . 1 . 2 . 1 . ) .

LO

(1680-1700) - Verordnungen des Stadtrats von Leipzig. In: Der Stadt Leipzig Ordnungen Wie auch Privilegia und Statuta, Leipzig 1701, S. 435-485. (Kapitel HI. 2 . 2 . ) .

LSR

(1496) - Leutenberger Stadtrecht im fünfzehnten Jahrhundert. In: A. L. J . Michelsen, Rechtsdenkmale aus Thüringen, Jena 1863, S. 425-449. (Kapiteln. 3.2.).

LVF

(1690) - Des Kaisers Leopold Verordnung zur Beseitigung der Mißbräuche in der Administration der Stadt Freistatt. In: Österreichische Weistümer, Bd. x n , S. 469-481. (Kapitel m . 2 . 6 . ) .

362

Quellenverzeichnis

MBV

(1693) - Bergbauverordnungen Maximilians, des Herzogs von Bayern und der oberen Pfalz. In: Sammlung des Baierischen Bergrechts, München 1764, S. 532-539. (Kapitel m . 2 . 4 . ) .

Obws

(1714) - Verordnungen für die Herrschaft Oberwallsee. In: Österreichische Weistümer, Bd. Xü, S. 268-277. (Kapitel m . 1 . 2 . 2 . ) .

OfZG

(1495) - Ordenung der freyen zinns und freyen güttere der Stadt E r f u r t . In: A. L. J . Michelsen, Rechtsderikmale aus Thüringen 1863, S. 307-322. (Kapitel n . 3 . 4 . ) . (1411) - Deutsche Reichstagsakten, 7. Bd., München 1878, S. 134-136 (Kapiteln. 1.2.).

RAI RAH

(1410) - Deutsche Reichstagsakten, 7. B d . , München 1878, S. 24 (Kapiteln. I.3.1.).

RAVH

(1731) - Der Reichsabschied über das Verhalten der Handwerker. In: R . Wissel, Des alten Handwerks Recht, Bd. 1, Berlin 1929, S. 554-568. (Kapitel m . 2.7.).

RBFF

(1718) - Ausführliche Relation, Welche der Commendant in der Vestung F r i e drichsteen bey Friedrichshall allerunterthänigst / An Se. Kön. Maj. von Dännemarck Norwegen überschrieben / Betreffend die Belagerung Friedrichshall / und den Tod S r . Maj. des Königs von Schweden, Ingleichen Die Retirade der Schwedischen Armee, auch was an ArtUlerie, Bleßirten, Krancken und Bagege von ihnen im Stiche gelassen worden. Nach dem Altonaischen Exemplar den I I . Januarii 1719. (Kapitel m . 4 . 4 . ) .

RBS

(1692) - Relation von Belagerung der Polnischen Vestung Soroka / welche die Türcken den 27. September dieses 1692. J a h r s zu belagern angefangen / den 10. Octobr. aber unverrichteter Sachen wieder abgezogen. (Kapitel m . 4 . 2 . ) .

RE

(1663) - Gehorsambste Relation An Ihre Kayserl. wie auch Ungarische und Böhmische Königl. Mayst. Wie nemblich die Publication der Achts-Erklärung ist abgangen zu E r f f u r t / So durch mich Jacobum Lidl von Schwanaw / als Kayserl. Reichs-Herolden verrichtet / geschehen den 8. Octobr. Anno 1663. Darinnen ordentlich beschrieben / wie sie mich empfangen / tractirt / auch wiederumb abgedanckt haben. Beynebenst noch etlichen Send-Schreiben m e h r / so an obgemelte Statt abgangen. Gedruckt zu Würtzburg / bey Hiob Hertzen / Buchhändlern auff der Brücken / Anno 1663. (Kapitel m . 4 . 5 . ) .

RG

(1685-1689) - Regierungsgesetze Württembergs. In: Vollständige, historisch und kritisch bearbeitete Sammlung der Württembergischen Gesetze, hrsg. v. A. L. Reyscher, 13.Bd., Tübingen 1842, S. 610-672. (Kapitel i n . 2 . 3 . ) .

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TSR

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Quellenverzeichnis UPA

363

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(1714) - Vertrag zwischen Hessen-Kassel und Hanau. In: Instrumentum apprehensae . . . (Vgl. den vollständigen Titel unter SRHD). S. 53-55. (Kapitel m.3.1.).

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(Mitte des 17. Jh.) - Weistum vom Dinghof zu Beblenheim. In: J . Grimm, Weisthümer. T. 4, Göttingen 1863, S. 235-236. (Kapitel m . 1.1.1.). (1396) - Das Recht des Dorfs Eibelstadt. In: J . Grimm, Weisthümer, T. 6, Göttingen 1869, S. 81-82. (Kapitel n . 4 . 1 . 4 . ) .

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(1508) - Weistum von Ginolfs. In: J . Grimm, Weisthümer, T. 6, Göttingen 1869, S. 42-44. (Kapitel I I . 4 . 2 . 3 . ) .

WGDM (1672-1682) - Gerichtsordnung des Dorfs Muestert. In: J . Grimm, Weisthümer, T. 6, Göttingen 1869 S. 529-535. (Kapitel HL 1 . 1 . 3 . ) . WGT

(1473) - Gerichtsordnung zu Theilheim. In: J . Grimm, Weisthümer, T. 6, Göttingen 1869, S. 84-85. (Kapitel n . 4 . 2 . 2 . ) .

WH

(1765) - Weistum von Hoeringshausen. In: J . Grimm, Weisthümer, T. 6, Göttingen 1869, S. 732. (Kapitel m . l . 1 . 5 . ) .

WHI

(1765) - Weistum der Herrschaft Itter. In: J . Grimm, Weisthümer, T. 6, Göttingen 1869, S. 730-731. (Kapitel m . l . 1 . 6 . ) .

WHW

(Anfang des 14. Jh.) - Hof recht zuWeggis. In: J . Grimm, Weisthümer, T. 1., Göttingen 1640, S. 161-162. (Kapitel n . 4 . 1 . 2 . ) . (1720) - Halting zum Harenberg. In: J . Grimm, Weisthümer, T. 3, Göttingen 1842, S. 284-285. (Kapitel n i . l . 1 . 4 . ) .

WHzH WLGR

(1671) - Landrecht des Gerichts Raschenberg. In: J . Grimm,Weisthümer, T. 6, Göttingen 1869, S. 151-162. (Kapitel m . l . 1 . 2 . ) .

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WS

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Bisher erschienen in dieser R e i h e M. M. Guchmann:

D e r W e g zur deutschen N a t i o n a l s p r a c h e Teil I.

Berlin 1964. (Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen hg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für deutsche Sprache und Literatur. Band I)

Gerhard Kettmann: D i e kursächsische Kanzleisprache zwischen 1486 und 1546. Studien z u m A u f b a u u n d zur Entwicklung. Berlin 1967. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 34) Emil Skala:

D i e Entwicklung der Kanzleisprache in Eger 1310 bis 1660.

Berlin 1967. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 35)

Peter Suchsland: D i e Sprache der Jenaer Ratsurkunden. Entwicklung v o n Lauten und F o r m e n v o n 1317 bis 1525. Berlin 1968. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 36) Wolfgang Fleischer: Untersuchungen zur Geschäftssprache des 16. Jahrhunderts in Dresden. Berlin 1970. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 37) M. M. Guchmann:

D e r W e g zur deutschen N a t i o n a l s p r a c h e Teil II.

Berlin 1969. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 40)

Joachim Schildt: D i e Ausbildung einer ostmitteldeutschen N o r m im G e b r a u c h lokaler Präpositionen. 1200 bis 1550. Berlin 1970. (ZISW, Bausteine zur Geschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 44)

Ernst Otto: D i e Sprache der Zeitzer Kanzleien im 16. Jh. Untersuchungen z u m V o k a l i s m u s und K o n s o n a n t i s m u s . Berlin 1970. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 45)

Studien zur Geschichte der deutschen Sprache. Berlin 1972. (ZISW, Bausteine zur Geschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 49)

Rudolf Bentzinger: Studien zur Erfurter Literatursprache des 15. Jh. an H a n d der Erfurter Historienbibel v o m Jahre 1428. Berlin 1973. (ZISW, Bausteine zur Geschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 50)

Jutta Dresel: Das Funktionsfeld der temporalen Präpositionen im frühen Ostmitteldeutschen. 1200 bis 1550. Zwei Entwicklungsstufen der deutschen Sprache auf ihrem Weg zur Nationalsprache. Berlin 1972. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 51)

M. M. Guchmann: Die Sprache der deutschen politischen Literatur in der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges. Berlin 1974. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 54)

Hannelore Winkler: Der Wortbestand von Flugschriften aus den Jahren der Reformation und des Bauernkrieges. Berlin 1975. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 55)

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der syntaktischen Ebene (1470 bis 1730). Der Einfachsatz. Unter Leitung von G. Kettmann und J. Schildt. Berlin 1976. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 56/1)

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literaturansprache auf der lexikalischen Ebene (1470 bis 1730). Untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen. Unter Leitung von Joachim Dückert. Berlin 1976. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhöchdeutschen, Nr. 56/II)

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der lexikalischen Ebene (1470 bis 1730). Untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen mit Anteilen slawischer Herkunft. Unter Leitung von Klaus Müller. Berlin 1976. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 56/111)

Existenzformen germanischer Sprachen — soziale Basis und typologische Kennzeichen. Für die deutschsprachige Ausgabe ausgewählt und eingeleitet von J. Schildt. Berlin 1977. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 57)

Zur Literatursprache im Zeitalter der frühbürgerlichen Revolution. Untersuchungen zu ihrer Verwendung in der Agitationsliteratur. Unter Leitung von Gerhard Kettmann und Joachim Schildt. Berlin 1978. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 58)

Zum Einfluß von Marx und Engels auf die deutsche Literatursprache. Studien zum Wortschatz der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert. Unter Leitung von Joachim Schildt. Berlin 1978. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 59)