Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde: Band 100, Heft 2/2 Gedenkschrift für Siegfried Morenz, Teil 2b [Reprint 2021 ed.]
 9783112487723, 9783112487716

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ZEITSCHRIFT FÜR

Ä G Y P T I S C H E SPRACHE UND

ALTERTUMSKUNDE H E R A U S G E G E B E N VON F R I T Z

HINTZE

H E F T 2 • 1974 • BAND 100

GEDENKSCHRIFT FÜR SIEGFRIED MORENZ TEIL Hb

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN

32,-M

ZEITSCHRIFT FÜR

ÄGYPTISCHE SPRACHE UND

ALTERTUMSKUNDE HERAUSGEGEBEN

VON F R I T Z

HINTZE

HEFT 2 • 1974 • BAND 100 Mit 11 Tafeln und 24 Abbildungen im Text

GEDENKSCHRIFT FÜR SIEGFRIED MORENZ TEIL II

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN

Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Prof. Dr. F. Hintze, Humboldt-Universität Berlin, Bereich Ägyptologie und Sudanarchäologie* Meroitistik. 104 Berlin, Reinhardtstraße 7. Verlag: Akademie-Verlag, DDR 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4, Fernsprecher: 22 04 41. Postscheckkonto: Berlin 35 021. Bestellnummer dieses Heftes: 1028/100/2. Die Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde erscheint zwanglos in Bänden zu je zwei Heften, Bezugspreis je Band: 64,—M. Satz und Druck: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz-, 445 Grafen« hainichen/DDR. Veröffentlicht unter der Lizenz-Nr. 1296 des Presseamtes beim Vorsitzenden des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik. Printed in the German Democratic Republic.

INHALT

Z ä b a , Zbynékf S c h o t t , Siegfried t B o n n e t , Hans f

:

A n t hes, R.: Harachti und R e in den Pyramiden texten D o n n e r , H. : Die Beschwörung des Großen Gottes E d e l , E. : Vorbericht über die Arbeiten in den Gräbern der Qubbet el Hawa bei Assuan F e c h t , G. : Ägyptische Zweifel am Sinn des Opfers F i s c h e r , H. G. : An Eleventh Dynasty Couple Holding the Sign of Life G r i f f i t h s , J . G. : Triune Conceptions of Deity in Ancient Egypt H a b a c h i , L.: Sethos I's Devotion to Seth and Avaris H e e r m a v a n V o s s , M.: Dodenboek 193 H e r r m a n n , W.: Neue Belege f ü r die K u t a r ä t H o r n u n g , E . : Die „Kammern" des Thot-Heiligtumes K ä k o s y , L.: Die weltanschauliche Krise des Neuen Reiches K r a u s e , M.: Die Koptologie im Gefüge der Wissenschaften K r e b s , W.: Nochmals die Kriegselefanten der Ptolemäer . : S e h e f o l d , K . : Das Diesseitige des griechischen Jenseitsglaubens S i m p s o n , W. K . : Ptolemaic-Roman Cartonnage Footcases with Prisoners Bound and Tied S t r o u h a l , E. and V y h n ä n e k , L.: Radiographic Examination of the Mummy of Qenamün the Seal-Bearer V e r n e r , M.: The Seal-Bearer Qenamün ; . . . W e s s e t z k y , V. : Die ägyptische Tempelbibliothek W e s t e n d o r f , W. : Zweiheit, Dreiheit und Einheit in der altägyptischen Theologie . . Z a n d e e , J . : Sargtexte, Spruch 76 - Sargtexte, Spruch 77 - Sargtexte, Spruch 78 - Sargtexte, Spruch 79

I-III V VI 77—82 82—95 1— 6 6—16 16—28 28— 32 . 95—102 103-104 104—108 33—35 35—41 108—125 41— 42 43— 49 5 0 - 54 125—129 130-136 54—59 136—141 60— 71 7 1 - 72 141-144 145-149

Miszellen: B l u m e n t h a l , E . : „Befehl des Königs" in den königlichen Rechtsurkunden des Alten Reiches B r u n n e r , H . : Dbt „Kasten" D e a k i n , G . B . : A Note on two New Instances of the Rare Proper Name (j(j Mrjw-Mrjw E d e l , E . : Nachtrag zur Felsinschrift des Mhw und Sibnj inTumàs, ZÄS97, 1971,53ff. K ä k o s y , L.: Nachtrag zum Aufsatz „Beiträge zum Totenkult der heiligen Tiere, ZÄS 96, 1970, 109ff

72-76 150 150 76 76

SIEGFRIED

SCHOTT

V

S I E G F R I E D SCHOTT 20. August 1897 - 29. Oktober 1971

Am 29. Oktober 1971 verstarb vierundsiebzigjährig Professor Dr. Siegfried Schott, em. Ordinarius f ü r Ägyptologie an der Universität Göttingen, an der er von 1952 bis 1966 gelehrt hatte. An dieser Stelle ist es kaum notwendig, sein wissenschaftliches Werk zu würdigen; zu gut ist es allen Ägyptologen bekannt. Möge sich doch jeder erinnern, wie oft er dieses oder jenes seiner Werke zur H a n d genommen, sich mit den Gedanken und Ergebnissen seiner Forschungen auseinandergesetzt hat. Solange es Wissenschaftler geben wird, die den Lebensäußerungen und dem Denken der alten Ägypter nachzuforschen sich getrieben fühlen, wird sein Name weiterleben. „Der Name eines Tätigen lebt in seinen Taten und er wird nie in diesem Lande vergehen". Doch das Gedenken an Siegfried Schott lebt auch weiter in den Erinnerungen derer, die eine Strecke seines Lebens neben ihm gegangen sind; in ihren Erzählungen werden sie sein Bild auch den kommenden Geschlechtern von Ägyptologen weitergeben. Dieses Bild mag nur noch mit wenigen Strichen, gezeichnet sein, aber es wird das Wesentliche seiner Persönlichkeit wiedergeben: Die Gestalt eines Wissenschaftlers aus Passion, der immer mit dem anstürmenden Material rang, der es ordnen, deuten und erklären wollte und immer bestrebt war, es einzufügen in die Darstellung der menschlichen Entwicklung. F ü r ihn war der altägyptische Mensch kein abstraktes Material, an das er unbeteiligt und „objektiv" herantrat, sondern ein Vorgänger und damit Teil seiner selbst, dem er mit voller Anteilnahme gegenüber t r a t . Mit ganzer K r a f t strebte Schott nach der Wahrheit, und wenn er letztlich zugab, daß alle seine Anstrengungen wohl nur ganz selten die Wirklichkeit ganz erreicht hätten, sondern alle Forschung immer nur einen Schritt auf die Wahrheit zu bedeuteten, so f ü h r t e ihn diese Erkenntnis nicht in die Resignation. In der K e t t e derjenigen zu stehen, die nur ihrem Gewissen verpflichtet das Bild des Menschen in seiner Geschichte aufzuhellen strebten, war ihm ein Leben wert. So blieb er bis zuletzt seinem Wesen treu: Mit aller K r a f t verteidigte er, was er f ü r richtig erkannt hatte — aber der „Gegner" war ihm in jedem Augenblick eng verbunden als einer, der wie er selbst ein Suchender war. Einem anderen Umwege zu ersparen, wo er den Weg zu kennen glaubte, war ihm Verpflichtung. Daher hat Schott allen, besonders auch den jüngeren Kollegen, immer wieder aus der Unmenge des von ihm gesammelten Materials geholfen und versucht, ihnen den Weg zu weisen. Aber man wird sich nicht nur an den Wissenschaftler Schott erinnern, sondern gerade auch an den Menschen, an seine Gastfreundschaft, an seine Erzählkunst, mit der er — Wahrheit und Dichtung vermischend — den Zuhörer f ü r Stunden aus seinem Alltag in eine zauberhafte Welt führen konnte, die die Wirklichkeit erträglicher machte. I m Kern seines Wesens war Schott ein Künstler, und so war ihm gegeben, auch in der Wissenschaft den rechten Weg intuitiv zu finden. I h m nicht mehr gegenübersitzen und mit ihm über die Fragen, die einen bedrängen, sprechen zu können, schmerzt. Doch als. Mensch wie als Wissenschaftler wird er allen, die ihn gekannt haben, eindringlich vor Augen bleiben. Solange aber die Auseinandersetzung mit seinen Gedanken weitergehen wird, lebt er. Wolfgang Helck

VI

HANS BONNET

[100. Band

H A N S BONNET 22. Februar 1887-27. Oktober 1972

Am 27. 10-, 1972 verstarb der emeritierte ordentliche Professor f ü r Ägyptologie Hans Bonnet im 86. Lebensjahr. Bonnet wurde am 22. Februar 1887 in Hirschberg in Schlesien geboren. E r studierte 1906 ein J a h r in Halle Klassische Philologie und ging dann nach Leipzig, wo er bei Steindorff das Studium der Archäologie und Ägyptologie betrieb. 1910 wurde er Assistent am Leipziger Ägyptologischen Institut. Der Universität in Bonn gehörte er seit 1928 an, nachdem er als Nachfolger des Ägyptologen Alfred Wiedemann nach Bonn berufen worden war. 1955 wurde er emeritiert. Bonnets Hauptinteressen galten der ägyptischen Archäologie und Religionsgeschichte. Seine ersten Arbeiten befaßten sich mit der ägyptischen Tracht („Die ägyptische Tracht bis zum Ende des Neuen Reiches" Leipzig 1917); ihr folgten später „Die Waffen der Völker im Alten Orient" (Leipzig 1926) und „Ein frühgeschichtliches Gräberfeld bei Abusir" (Leipzig 1928). Eine seiner letzten großen Arbeiten war das fast 900 Seiten starke Werk „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte" (Berlin, de Gruyter 1952), das seines großen Absatzes wegen vor einigen Jahren in einem unveränderten Neudruck herauskam und noch f ü r lange Zeit ein unentbehrliches Nachschlagewerk bleiben wird. An einer verbesserten Neuauflage hat Bonnet noch bis wenige Tage vor seinem Tode gearbeitet. Das Wesen Bonnets war geprägt durch eine tiefe Religiosität. Sie bestimmte einen großen Teil seines forschenden Interesses am Alten Ägypten, und sie bestimmte von vornherein auch seine Haltung gegenüber dem Dritten Reich. Dieser Charakterzug paarte sich bei ihm mit einer ausgesprochenen Neigung zur Zurückgezogenheit. E r war der liebenswürdigste Gastgeber in kleinem Kreise, voll von Anekdoten und Erzählungen, schreckte aber zurück vor Kongressen. Seine Liebe zur Stille ging so weit, daß nach seinem Tode nur ein kleiner Kreis namentlich genannter Personen von seiner Beerdigung benachrichtigt und keine Rede, auch nicht vom Geistlichen, gehalten werden durfte. So ist ein Nachruf sicherlich das Letzte, was sich Bonnet gewünscht hätte. Er wird es — hoffe ich - trotzdem verzeihen, wenn hier f ü r die Jüngeren und Fernerstehenden, die ihn nur von seinen Arbeiten her, aber nicht persönlich kennen, in aller Kürze wenigstens dieser kleine Einblick in seine Persönlichkeit gegeben wurde. Seine Arbeiten werden weiterwirken. Die ihn näher kannten, gedenken der Güte seines Herzens, der Aufrichtigkeit seines Wesens und der Lauterkeit seiner Gesinnung. Elmar Edel

1974]

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R. A n t h e s : Harachti u n d R e

RUDOLF ANTHES

Harachti und Re in den Pyramidentexten I n einem Aufsatz, dessen Veröffentlichung in B a n d 102 dieser Zeitschrift vorgesehen ist, habe ich nachgewiesen, daß nach Aussage der Pyramidentexte Horus u n d mit ihm der verstorbene König N N als der Sirius erscheinen, u n d darauf hingewiesen, daß diese Erscheinung im Zuge der sonst in den P y r . nachweisbaren Vorstellungen liegt, wonach N N als Stern erscheint, Horus ein Stern ist, u n d N N u n d Horus als eine Einheit verstanden sind abgesehen von solchen Textstellen, an denen sie klärlich u n d mit gutem Grunde als verschiedene Individuen einander gegenübergestellt sind. Vor J a h r e n legte ich d a r d a ß es kein Zeugnis d a f ü r gibt, daß f ü r die Ägypter der Frühzeit und des A. R . Horus der Himmel bedeutete, d a ß aber neben seiner sicheren Indentifizierung als Stern auch die als Sonne und, wenn auch unwahrscheinlich, als Mond gültig gewesen sei. Dieser unrealistisch erscheinende Schluß, daß Horus Stern u n d Sonne u n d möglicherweise Mond sei, erschien dadurch annehmbar, daß die Vorstellung von Horus als dem Herrn des Himmels sicher nicht aus der Anschauung heraus, als die mythologische Deutung einer Himmelserscheinung entstanden ist, sondern als die rein spekulativ durchgeführte Übertragung des ägyptischen Königtums auf den Himmel, die bei der Begründung des Königtums und als dessen wesentlicher Bestandteil stattfand. Diese theologische Schöpfung begriff den Horus als eine Trinität von Namensträger, Himmelsherrscher und irdischem König 2 , ob er n u n als Stern oder als Sonne verstanden wurde. Mein damaliger Schluß, daß Horus ursprünglich außer dem Stern auch die Sonne gewesen sei, beruhte allein darauf, daß seit der f ü n f t e n Dynastie der N a m e Re-Harachti f ü r die Sonne vorkommt. Dieser Schluß war voreilig; ich habe ihn seit längerer Zeit aufgegeben und zugleich die Möglichkeit außer B e t r a c h t gelassen, d a ß Horus in der Frühzeit auch der Mond gewesen sei 3 . Das Ergebnis der K o r r e k t u r habe ich zuletzt in einer Darstellung des Weges vorgelegt, auf welchem nach meiner Ansicht der Himmelskönig Horus, der Stern, durch Re, die Sonne, als Himmelsherrscher abgelöst wurde'». Diese Darlegung soll im folgenden untermauert werden. Wir fragen uns also, ob Horus zusätzlich zum Stern auch die Sonne war, und in welchem Verhältnis er zur Sonne R e stand. Dabei gehen wir aus vom Harachti, „der horizontische Horus", wegen seiner unbezweifelten Bindung an Re. P y r . 1049 a nennt Re-Harachti als die Sonne. Sonst aber sind die N a m e n R e und Harachti wohl immer gesondert genannt. I n „(348c) sie sagen seinen N a m e n dem Re, sie melden seinen N a m e n dem H a r a c h t i : (349a) er ist zu dir gekommen" zeigt das pron. suff. 2. sing, vermutlich, wenn auch nicht zwingend 5 , daß mit beiden N a m e n der gleiche Gott, also R e gemeint ist 6 . I n 855—856 kann mit „Ausspruch des R e " u n d „Zaubersprüche des H a r a c h t i " und mit „anerkannt von R e " u n d „smr-Freund des H a r a c h t i " jeweils das gleiche gemeint sein, der Gott also das eine Mal Re, das andere Mal Harachti genannt 7 . Wenn in 1693b itrw JHr-Shty die Jahreszeiten bedeutet, muß m a n 1

„Egyptian Theology in the Third Millenium B . C." ( J N E S 18, 1959), A. a. O. 171; bestätigt in: „. . . in seinem N a m e n und i m Sonnenlicht 3 Eine andere Frage ist die, ob N N in den P y r a m i d e n t e x t e n als Mond hier Anm. 16 Ende. 4 „Was veranlaßte Chefren zum B a u des Tempels vor der Sphinx?" forschung 12, Festschrift für H . Ricke, 1971), 55f. 5 Vgl. dazu 1104a nach hier Anm. 12. 6 S e t h e sieht hier in Harachti eine Art „Doppelgänger" des Re, 7 S e t h e zu 8 5 5 b : Harachti hier identisch mit Re, 2

185-190. . . ." (ZÄS 90, 1963), 7ff. verstanden werden kann; s. dazu (Beiträge zur Ägyptischen Bau-

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R. A n t h e s : Harachti und Re

[100. Band

auch hier wahrscheinlich Harachti als die Sonne-verstehen. I n 1478 ist der Herr der Mesektet- und Mandjet-Barke, also unzweifelhaft Re, nicht mit seinem eigenen Namfen, sondern nur mit der Zusammenfassung von vier N a m e n : ffsmnw („morgentlicher'"?), Hr-iibty, B3-i3bty, ffr-3hty, genannt. I n 1087 d - e werden Re, ffr-iibty u n d ffr-Shty am Morgen(?) gepriesen u n d durch das pron. suff. 3. sing, in 1088a vielleicht als Einheit gekennzeichnet 8 . I n diesen Fällen können wir mit Wahrscheinlichkeit sagen 9 , daß die Sonne R e als Harachti bezeichnet wird. Zu der Aufteilung des Doppelnamens Re-Harachti seien als Parallelbeispiele genannt 346b: (NN erhält die Speisen) Hr is Shty is „als Horus, als Horizontischer"; Jir und Ssmty in 342a, c s t a t t Hr-ssmty; u n d etwa „Re in seinem N a m e n A t u m " in 1695 c. E s ist bemerkenswert, daß in den oben gegebenen Zitaten 1478 u n d 1087 d—e auch JHr-i$bty als N a m e des R e gebraucht wird, während Hr-iibty und R e in 1085e—f voneinander unterschieden sind. Die Gleichung mit R e und, wie wir auch f ü r Harachti gleich sehen werden, die Setzung gegen R e gelten also f ü r JHr-iibty wie f ü r JHr-3hty, und das Tertium Comparationis, Horus, s t e h t in 1103a P M N f ü r Harachti. Was wir hier behandeln, betrifft also Horus, nicht n u r seine Sonderform Harachti. Neben diesen akzeptierten, wenn auch nicht gesicherten Gleichungen von Harachti m i t R e stehen andere Textstellen, in denen diese beiden als verschiedene Wesen angesehen werden. Nicht unbedingt eindeutig ist 346b, wo Nhb-k3v) dem von R e gerufenen N N als dem H a r a c h t i 1 0 Speisen gibt. Entscheidend sind die Anfänge der Schilfbündeltexte 1 1 351 a - d , 3 5 8 a - h , 926-927 = 932-933, 1103a—b 12 . I n ihnen wird gesagt, d a ß R e zu Harachti, H a r a c h t i zu Re, N N zu Harachti u n d zu R e übergesetzt werden und zwar zum Horizont. D a wir n u n wissen, daß Horus ©in Stern u n d speziell der Sirius ist 1 3 , dürfen wir diese Aussagen nach ihrem eigenen W e r t e beurteilen, also annehmen, d a ß hier Harachti als Sirius im Gegensatz zur Sonne gemeint ist. Angesichts der Tatsache, daß Sirius bei seinem heliakischen F r ü h a u f g a n g unmittelbar vor dem Sonnenaufgang aufleuchtet, geben diese Texte vom gegenseitigen Besuch sehr guten Sinn. Auch die folgende Nebeneinanderstellung von R e u n d Harachti p a ß t dazu bemerkenswert g u t : „(1449a) du stehst aufsteigend nahe (i'ti) dem N N in deinem N a m e n R e u n d vertreibst die T r ü b u n g (hity) des Himmels, (b) so daß Harachti sich zeige u n d seinen R u h m u n d sein Lob höre (c) aus dem Munde der beiden Neunheiten". Dazu vergegenwärtigen wir uns die Situation am Tage des ersten Frühaufganges des Sirius 1 4 : Die Sonne steht dicht unter dem morgentlichen Horizont; im Dämmerungshimmel leuchtet der Sirius auf, u n d zwar wegen der Trübung der Horizontlinie erst wenn er schon etwa 2° über der Linie steht. Auch die beiden Versionen des Schilfbündeltextes, P y r . 926-938, seien hier vermerkt, in die die Mandjet- u n d Mesektet-Barke eingefügt ist. Diese legt als Tagesbarke die Schilfbündel f ü r R e zur Ü b e r f a h r t zu Harachti und f ü r N N zur Ü b e r f a h r t zu Re. Als Nachtbarke legt sie die Bündel f ü r Harachti zur Überfahrt zu R e u n d f ü r N N zur Ü b e r f a h r t zu Harachti. Das ist logisch einwandfrei überlegt, denn Harachti ist als Sirius n u r vor Sonnenaufgang, also in der N a c h t sichtbar u n d verschwindet mit Sonnenaufgang, während der Sonnenaufgang den Tagesanbruch bedeutet. 8

I m gleichen Spruch 504, Pyr. 1084—1085, sind Hr-ihty und Hr-iibty unterschieden von Re. S e t h e , Kommentar IV 353 hält auf Grund eines Kriteriums der Überlieferung 1087—1088 für jünger als 1084—1086. 9 S e t h e zu 337 sagt, daß in Pyr. 855—856, 1087c, 1478d „eigentlich an der Identität (seil, von R e und Harachti) nicht gezweifelt werden kann" und verweist auf seine Besprechung zu 275a. Weiter: „Re und Harachte wie 337b unterschieden z. B. 1449a—b". 10 Hr is ihty iS. Zum enklitischen is als Partikel der Gleichsetzung s. zuletzt „Die Nominalbildung" (MDAIK 24, 1969) 30 Anm. 1. Zusätzlich zu Pyr. 1687c mit 1688b sei hier CT I 47c genannt: twt Hr „du bist Horus" als Variante zu Hr iS „als Horus". 11 S. die vollständige Übersicht über diese Texte in S e t h e s Kommentar zu Spruch 263. Auf andere von ihnen kommen wir später zurück. 12 In 1104a, c wird scheinbar auf Harachti und Re gemeinsam das pron. suff. 3. sing, bezogen. S e t h e erklärt das hier als „Disjunktion". 13 In den eingangs erwähnten Nachweis der Identifizierung des Horus als Sirius habe ich den Harachti und andere zusammengesetze Horusnamen nicht einbezogen. 14 S. dazu B o r c h a r d t in OLZ 1927, 441£f., z. T. rekapituliert von mir in „Orion, F u ß und Zehe" (Festschrift für Siegfried Schott, 1967), 4.

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R. A n t h e s : Harachti und Re

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I n den gleichen Versionen heißt es weiterhin, d a ß N N geboren wird als Harachti (928b u n d 934b), während die Variante 362b sagt, daß er geboren wird als Jlr-Hty u n d ein Stern ist 15 . Diese Sätze stehen unmittelbar vor der Aussage, die fast allen Schilfbündeltexten gemeinsam ist als ihr Ausklang, d a ß nämlich seine, d. i. des NN, Schwester die Sothis ist, u n d sein wisiw-Verwandter der n¡r dw3w, der Morgenstern. Alle diese Aussagen zusammengefaßt deute ich mit gutem Grunde 1 6 so, d a ß N N nach der Überfahrt und den sie begleitenden Ereignissen ffr-3hly u n d ffr-dity u n d der Sirius u n d der Morgenstern ist, die alle mit ihm zusammen „der Stern" (362b, 347 a) sind. Die Sarginschriften, P y r . 1—5, sind ganz eingestellt auf die beiden hervorragendsten Erscheinungsformen des verstorbenen Königs, also auf Osiris u n d den himmlischen Horus. I n P y r . 4 b T sagt N u t „ich habe ihm den Horizont gegeben, daß er in ihnen (sie) mächtig sei als Harachti (JHr-3hty is)", parallel dazu in 5 b T : „ich habe ihm die D a t gegeben, daß er ihr vorstehe als Horus, Vorsteher der D a t ( f l r is hnty dit)". D a der letztere, sonst JHr-d3ty genannte Horus zwar auch im Verdacht stand, ein Sonnengott zu sein, aber nach 362b ein Stern ist, dürfen wir den Charakter als Stern hier auch f ü r Hr-Bhty erschließen. In 7bM steht der zweite Ringname in Titulaturen, die den N N dreimal zuerst als Osiris, dann als himmlischen Horus nennen. Als Horus heißt er hier „der Große Gott, H e r r des Himmels NN, der ewig lebt", „Harachti, H e r r des Himmels N N , der lebt wie R e " u n d „der Große Gott, Herr des Horizontes NN, der lebt wie R e " . D a ist also H a r a c h t i ausdrücklich von R e unterschieden ebenso wie in 7 b N Osiris als „der E r b e des Geb, der lebt wie R e ewiglich". Auch hier müssen wir H a r a c h t i als Stern verstehen u n d zwar als den Stern, der der Große Gott, der Herr des Himmels u n d des Horizontes ist, u n d neben dem, wie wir daraus schließen müssen, kein Platz sein k a n n f ü r einen König Re, der aber ewig dauern soll wie die Sonne. Dies waren soviel ich sehe vollzählig diejenigen Stellen der Pyramidentexte, in denen Harachti allein oder in bloßer Verbindung mit R e vorkommt. Das Ergebnis ist, daß im Verfolg des Begriffes des Re-Harachti aus der vierten oder f ü n f t e n Dynastie auch der bloße N a m e H a r a c h t i mehr oder weniger gesichert f ü r die Sonne verwendet werden konnte, d a ß aber daneben, viel besser gesichert u n d anscheinend früher der Charakter des H a r a c h t i als Stern bezeugt ist. Der Schluß, daß H a rachti ursprünglich n u r der Stern u n d Sirius war, ist erlaubt u n d durch folgendes bestätigt. Nach H e r m a n n J u n k e r s bewährter Regel 1 7 zeigt der Doppelname Re-Harachti, daß R e als der geringere G o t t dem größeren Harachti angeglichen worden ist. Diese Angleichung bezog sich nicht auf die Erscheinungsform des Harachti als Stern — im Gegenteil konnte Harachti n u n als die Sonne verstanden werden —, sondern, wie der geschichtliche Weitergang zeigt, auf seine theologische Bedeutung, u n d diese war nach P y r . 7 b „der Große G o t t " u n d „Herr des Himmels", also der Himmelskönig 1 8 . 16

Eine andere Version hat an der entsprechenden Textstelle „er steht auf als der Stern" (347a). Bei der hier schon zweimal erwähnten, noch unveröffentlichten Untersuchung zu Horus und Sirius, und zwar zu der Frage nach „(ny-)'nh, Sohn der Sothis" drängte sich mir als mögliche Antwort die auf, daß „der Sohn der Sothis" das gleiche bedeutet, wie wenn Sothis als die Schwester des N N bezeichnet wird, nämlich daß hier „Sohn" und „Bruder" den männlichen Aspekt der Sothis bezeichnen, der Horus ist. Diese Möglichkeit, einmal ausgesprochen, ist mir fast zur Gewißheit geworden. In „Das Sonnenauge" (ZÄS 86, 1961) 16 habe ich Pyr. 514e „ N N ist'ein dritter bei seinem Erscheinen" aus der Bearbeitung des ganzen Spruches 319 so verstehen müssen, daß N N „der dritte neben dem himmlischen Horus . . . und dem Sirius . . . ist, wenn er als Stern und damit als König erscheint". D a hatte ich schon unerkannt die Gleichsetzung von N N , Horus und Sirius in den Händen. Ich denke, wir dürfen im gleichen Sinne auch das Nebeneinander von N N , Bruder der Sothis und m#u>-Verwandter des Morgensterns am Ende der Schilfbündeltexte als eine Einheit von N N , Sirius und Morgenstern verstehen. Eine merkwürdige Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist, daß N N nach Pyr 1001b anscheinend auch der Mond ist; vgl. dazu noch die Parallelstelle 1104a. Ich muß das hier auf sich beruhen lassen. 17 Hermann J u n k e r , Die Götterlehre von Memphis, Berlin 1940, 18. 18 Für „Herr des Himmels", das in den Pyramidentexten für Re nicht vorzukommen scheint, und „der Große Gott" s. die in Anm. 1 zitierte Arbeit, S. 191 f. Das himmlische Königtum ist vielleicht nicht expressis verbis in den Pyramidentexten angezeigt. Aber es zeigt sich für Horus z. B. in der Akklamation für N N als den himmlischen Horuskönig nach „The Original Meaning of mi'-hrw" (JNES 13, 1954), und für Re durch das 16

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R. A n t h e s : Harachti u n d R e

[100. B a n d

Damit ist die Frage nach dem Verhältnis von Harachti zu R e wohl eindeutig beantwortet, aber die d a f ü r entscheidende Evidenz der Schilfbündeltexte muß besser geklärt werden als mit den oben genannten Zitaten Pyr. 351, 358, 926-927 = 932-933, 1103. Diese sind nur in PMN überliefert. Die älteste Version, 337a-dW besagt wörtlich, hier verkürzt wiedergegeben, daß „die Bündel gelegt werden (a) f ü r Re, damit er darauf übersetzt zum Horizont, (b) f ü r Harachti, damit Harachti darauf übersetzt zu Re, (c) f ü r NN, damit er darauf übersetzt zum Horizont zu R e (d) und zu Harachti und zu Re". Da W öfters dem Ursprung näher zu stehen scheint als die späteren Versionen 19 , muß er ausdrücklich beachtet werden. Sethe vermutet, daß der Hinweis auf Harachti sekundär hier eingeschoben worden sei. Falls ursprünglich also nur R e und N N hier genannt wären, würde man dieser Fassung Pyr. 1206 20 anschließen können, wo R e auf den Bündeln „weggeht zu seinem (sie) Horizont", und N t ZI. 826-830 (Pyr. 2126-27), wo die Bündel gelegt werden f ü r Re, „damit er im Osten hochsteigt zum Westen", beides ohne Erwähnung des Harachti, und vielleicht beide bezogen nur auf den weiteren Tageslauf der Sonne. Aber Sethes Einwand überzeugt nicht: Die Tatsache, daß in 337a.c Harachti nicht genannt ist, erscheint bedeutungslos, wofern nämlich, nach unserem Verständnis des Vorgangs, die Anwesenheit des Harachti als Sirius am Neujahrsmorgen als selbstverständlich vorausgesetzt ist, und Sethes Argument, daß in 337 a wie sonst das Suffix, in 337 b aber das Nomen gebraucht wird, erscheint gegenstandslos in Anbetracht des Suffixes in 337 d und im Vergleich mit 358 d gegen b, f und h. Wir halten Sethes Vermutung offen, verstehen aber zunächst 337 W als eine reguläre Variante der oben genannten PMN-Versionen. Anders steht es mit 342T: (a) Horus, (b) NN, (c) Ssmty, (d) N N setzen über zum Horizont, jedesmal ausschließlich zu Harachti. Die Textfassung erscheint einwandfrei. Hier ist also dem Harachti der Hr-ssmty entgegen gestellt, und R e ist nicht genannt. Es ist wohl sicher, daß diese Version T auf eine Vorform zurückzuführen ist, und diese muß älter sein als die Niederschrift von 337 W ; ebenso sicher hat sie den Horus genannt. Wofern wir annehmen dürfen, daß 337 W und 342 T auf einer gemeinsamen Urvorstellung vom Übersetzen am Horizont beruhen, müssen wir schließen, daß in ihr Horus einen f ü r uns besser gesicherten Platz hatte als Re, denn 337 könnte durch die Einbeziehung des Re eine Erweiterung der in 342 durchscheinenden Vorstellung sein, dagegen kann 342 angesichts der späteren PMN-Versionen schwerlich als eine Verengung der Vorform von 337 auf Horus angenommen werden. Jedenfalls zeigen 337 W und 342 T zusammengenommen bereits Horus und Re als Partner im Schilfbündeltext. Das kann wohl nur so verstanden werden wie PMN es überwiegend darstellen, und unsere oben gegebene Deutung ist dann durch die älteren Versionen bestätigt. Die Gegenüberstellung von JSr-ssmty und Hr-Bhty in 342 ist sehr ungewohnt entgegen ihrer sonst üblichen Gleichstellung. Wir können das nicht erklären, müssen sie wohl als zwei Erscheinungsformen des im Sirius verkörperten Horus hinnehmen. Das richtet unser Augenmerk auf das sonstige Vorkommen der Horusbezeichnungen ffr-3hty, ffr-ssmty u. s. w. in den Pyr.; dabei müssen wir hier und heute bei den Schilfbündeltexten bleiben. I n 999—1000 werden die Bündel gelegt, (999b) damit N N übersetzt zu Re zum Horizont, (c) f ü r Re, damit er (P irrig: NN) übersetzt zu Hr-ntrw21 zum Horizont, (lOOOa-b: wieder) f ü r NN, damit er übersetzt zu R e zum HoriH o f a m t , das N N bei Re bekleidet; s. S e t h e , K o m m e n t a r zu 5 1 7 b , stp.j si r R' m pt. — niwt ntrw (814c P , 1458e) bezeichnet den Horus w o h l zunächst in seiner Eigenschaft als irdischer K ö n i g ; vgl. auch 8 9 5 d „Horus, der Herr der p'i-Menschen u n d der Götter". N N ist nawt bity anscheinend nur als Osiris (776a, 1626, 1795b, 1833b), sonst nswt (1138b 1374a, 1638b). Vgl. für niwt auch 6 4 0 b N, 1343b, 2169b. D a s Wort ity „König" führt mich nicht weiter. 19 Als Beispiel bieten sich an 4 5 8 a W u n d 330a—bW für die Frage nach Horus u n d Sirius, die in Z Ä S 102 besprochen wird, und die hier u n t e n in A n m . 23 erwähnten Reinigungstexte. 20 1201—12 wird a m E n d e dieses Aufsatzes besprochen. 21 Sethe zu Pyr. 5 2 5 b u n d 1086a hält die Lesung Hr-ntrwy, also mit Nisbe-Adjektiv für wahrscheinlich. I n E d e l s Grammatik finde ich dieso Möglichkeit nicht erwähnt. Zufällig jetzt habe ich den scheinbaren D u a l iihwy in Pyr. 5 1 3 a als Nisbe-Adjektiv zum Singular V;hw verstehen müssen: „Horus u n d Sirius" A n m . 21 in ZÄS 102.

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R. A n t h e s : Harachti und Re

81

zont. Die Textvorlage ist hier gewiß leichtfertig v e r k ü r z t ; Jir-rdrw kann dabei f ü r Harachti wie in 1103 oder f ü r NN" wie in 1206 gestanden haben. — I n 1 0 8 4 c - 8 6 b werden die Bündel gelegt f ü r eine Vierzahl von Horus zur Überfahrt zu R e , nämlich f ü r Horns, 3hty, JSr-ssmty, Hr-iSbly u n d (1086a) „NN, der JHr-ntrw ist". Also haben wir in 999-1000 u n d 1084-86 zwar abweichend von 342 T auch den Re, aber ebenso wie in 342 eine oder mehrere „Erscheinungsformen" des Horus zusammen mit Harachti oder, in 999, vielleicht s t a t t seiner. Eine direkte Verbindung zwischen 999 f. u n d 1084 ff. vermittels des Jir-ntrw erscheint möglich, aber eine direkte Beziehung von ihnen zu 342 ist nicht erkennbar. Was die vier Variationen des Horus in 1084ff. betrifft, so könnte ihr Eindringen in den Schilfbündeltext von außen her kommen, vielleicht in Anpassung an andere Vierheiten, die in diesen Texten vorkommen 2 2 , oder n u r durch die Übernahme der „vier Horusse" a u s den gleichzeitigen Reinigungstexten 2 3 . Spr. 519 = Pyr. 1201-20 beginnt mit Anrufen an den F ä h r m a n n zur Ü b e r f a h r t des N N (1201 - 0 3 c) u n d an die beiden Götterneunheiten, ihn als einen „Ehrwürdigen" in die göttliche Welt einzuführen (1203d—05a); später, in 1213, wird das Herabsteigen auf das w3d-wr-Me&t genannt. Mit 1205b beginnt, was Sethe im K o m m e n t a r nennt „eine Umgestaltung eines Passus der alten Sprüche von den beiden Schilfbündeln des Himmels, von denen gleich nachher die Rede ist; s. K o m m e n t a r zu 3 4 3 a - b " : die Überschwemmung (1205b-d), d a n n das Binden der Schilfbündel durch die vier Jünglinge f ü r das „Weggehen" des R e „zu seinem Horizont" u n d f ü r N N zum Horizont, zu R e (1206). H a r a c h t i oder Horus, der Sirius, ist also, wie schon oben gesagt, in diese Schilfbündelfahrt nicht eingeschlossen, doch scheint mir, d a ß der folgende Anruf ihm gilt u n d so das Vorhergehende ergänzt: „(1207a) Morgenstern, ffr-dity, göttlicher &i&-Falke, w3d3d-VogeJ, (b) ihr Himmelgeborenen, sei du (sie) gegrüßt in diesen deinen vier Gesichtern, die befriedet sind, (c) die sehen, was im Kenset-Land ist, (d) die den S t u i m vertreiben zu Gunsten des Friedens. (1208a) Reiche dem N N diese deine beiden Finger, (b) die du der Nofret gereicht hast, der Tochter des Großen Gottes, (c) als der Himmel von der E r d e getrennt wurde u n d (dabei) die Götter zum Himmel aufstiegen. (1209a) D u bist machtvoll (bSti) u n d (als Gestirn, als König) erschienen (h'ti) vorn in deinem smh-Schiff von 770 Ellen (Länge), (b) das die Götter von B u t o dir gebunden u n d die östlichen Götter dir zurechtgebogen haben, (c) Nimm dir den N N an dich in die K a j ü t e deines smA-Schiffes. (1210a) Der Sohn des Chepri ist N N u. s. w." 2 4 . Die Stern- u n d Vogelbezeichnungen des Gottes zeigen wohl sicher, daß Horus gemeint ist. E r ist hier ein Individuum mit vier Gesichtern. E r wird als Friedenbringer verstanden u n d ist urzeitlich. BSti u n d h'ti können auf ein Gestirn ebenso wie auf den König sich beziehen. Das von Göttern hergestellt© Schiff von 770 Ellen Länge ist als Königsboot ebenso verständlich wie als Sternenboot vergleichbar dem Horusboot auf dem K a m m des Königs Schlange; es h a t mit dem Mesektet-Mandjet-Boot direkt sicher nichts zu t u n . N N wird auf dieses Boot übernommen, so wie er in den Schilfbündeltexten zu Harachti übersetzt; dae k n ü p f t diesen Anruf an 1206 wie oben vorgeschlagen. Die vier N a m e n 22 In 464—465 binden die Götter der vier Himmelsrichtungen die Bündel, in 1206 sind es die vier Jugendlichen, und diese kommen in anderem Zusammenhang im weiteren Verlauf der Schilf bündeltexte regelmäßig vor, z. B. 339, 348 u. a. wie aufgezählt in Absatz D des Cross Index des mi'-hrw-Aufsatzes, JNES 13, 1954, 32. 23 S. das Verzeichnis dieser Texte in Sethes Kommentar I 290ff. Texte 5—9 nach Sethes Zählung nennen die Bezeichnungen des Horus als samty, ntrw(y), ihty, hSty, dity in wechselnden Vierer- aber auch Dreiergruppen, als ältester Pyr. 525—533TP. 24 Die hier anschließenden weiteren mythologischen Herkunfstangaben des Chepri-Sohnes und des N N ergeben nichts für uns, liegen offenbar nicht auf der kosmischen Ebene. Da aber die bisherige Anrede in 1212a—b weitergeführt wird, ist Sethes Annahme auch für uns gut begründet, daß der Hinweis auf N N als Sohn des Chepri eine Verstärkung bildet für die in 1209c ausgesprochene Forderung an Horus, den N N auf sein Schiff zu nehmen. Aber gleichzeitig macht Sethe die von mir eben genannte Begründung für die Zusammengehörigkeit von 1209 und 1210 illusorisch dadurch, daß er 1212 vertauschen will mit 1209c—11 zu einer Textfolge 1209a-b, 1212, 1 2 0 9 c - l l . Bei solcher Umstellung aber muß m. E. 1210-11 als ein selbständiger Spruchteil angesehen werden, in dem nach dem Fährmann (1201—05a), den Schilfbündcln (1205b—06) und dem swTi-Schiff des Horus (1207—09b, 1212, 1209c) die Nennung des Chepri eine vierte Weise der Himmelsbefahrung andeutet, der das Hinabsteigen in das Meer (1213) folgt.

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[100. Band

H . D o n n e r : Die Beschwörung des Großen Gottes

des Horas liegen in der Linie des oben genannten vierfachein Horus, und wenn wir seine vier Gesichter mit den vier Namen als vier Aspekte des Gottes deuten, so haben wir ein Wort gefunden, nicht aber den Sinn dieser Vierheit25. Dieser ist jedenfalls mir noch verborgen.

HEBBERT DONNER

Die Beschwörung des Großen Gottes

o&ev ägtara Xéyerai nagà roiç cptXoaôtpotç rò /LI) fiavêavovraç

ÔQ&WÇ ixoveiv

rov

ôvo/iâraiv xax&Ç

XQrjaêai xal roïç TiQÓy/iaaiv

Plutarch, de Is. et Osir. 71

Das faszinierende Phänomen der „Begegnung Europas mit Ägypten", d. h. die Wirkungsgeschichte der ägyptischen Kultur in den antiken und nachantiken Kulturgestalten des Abendlandes, ist das Leitmotiv der ägyptologischen und religionswissenschaftlichen Arbeit von Siegfried Morenz gewesen: seit den Tagen seiner ungedruckten Leipziger Habilitationsschrift „Ägyptens Beitrag zum werdenden Christentum" über die „Zauberflöte" 1 bis in die letzten Jahre, in denen er die Kühnheit und die Tugend hatte, das Leitmotiv zum Thema zu machen2. Dabei richtete er seine Aufmerksamkeit mehrfach auf ein unverächtliches, gleichwohl viel verachtetes Ferment der Begegnung: den Zauber, auch den sog. graeco-ägyptischen Zauber, der um die Wende der Zeiten und bis mindestens ins 6. Jahrhundert n. Chr. in weiten Bereichen des Mittelmeerraumes blühte 3. Morenz war dank ausgezeichneter Vorarbeiten längst nicht mehr in der prekären Lage, die K. P r e i sendanz in der Vorrede zur Ausgabe der Papyri Graecae Magicae [PGM] so beschrieb: „Denn es empfahl sich damals (1905) noch nicht für den zünftigen Philologen, sich öffentlich zur Beschäftigung mit so tiefstehenden Erzeugnissen ungebildeter Volksschichten zu bekennen, Erzeugnissen krassen Aberglaubens, denen der Name 'Literatur' nicht zukam. Im einzelnen Ausnahmefall, der ein Verwerten der Zauberpapyri und Fluch-Bleitafeln in größerem Zusammenhang für höhere Zwecke entschuldigte, mochte der Verkehr mit Abraxas und Genossen noch hingenommen werden, wenn auch nicht ganz ohne Stirnrunzeln jener klassisch Gerichteten, die mit François Lenormant in allen magischen Dokumenten der nachchristlichen Zeit nur den 'fromage gnostique' rochen"4. Die Denkart jener „klassisch Gerichteten" ist keineswegs erloschen. Morenz hatte nicht daran teil. Sein Interesse am Zauber war vielfältig begründet : Zunächst einmal betrachtete er, wie jeder zünftige Ägyptologe, den Zauber „als legitimes Kind der ägyptischen Ritualreligion" 5. Sodann 25 S e t h e spricht von den „Beinamen des als Horus angeredeten Sonnengottes" (zu 450b—c, ähnlich 1478), „den vier morgentlichen Sonnengöttern namens Horus" (zu 1132a), „den vier morgentlichen Horusgöttern" (zu 1086a, ähnlich 1408c). Kommentar V 98 zu 1207 heißt es „vier morgentliche Götter, die als Erscheinungen eines universalen Gottes aufgefaßt sind", und zu 1207 a „dieser universale Gott muß natürlich die Sonne sein". 1 Die Zauberflöte. Eine Studie zum Lebenszusammenhang Ägypten—Antike—Abendland. Münsterische Forschungen 5, 1952. 2 Die Begegnung Europas mit Ägypten. Mit einem Beitrag von M. K a i s e r , Herodots Begegnung mit Ägypten. S B S A W , Phil.-hist. K l . 113, 5, 1968. 3 V g l . J. L e i p o l d t und S. M o r e n z , Heilige Schriften, 1953, S. 178ff.; S. M o r e n z , Ägyptische Religion. Die Religionen der Menschheit 8, 1960, S. 27f., 228£f., 241 ff. ; Untersuchungen zur Rolle des Schicksals in der ägyptischen Religion. A S A W , Phil.-hist. K l . 52, 1, 1960, S. 26.30ff. ; Die Heraufkunft des transzendenten Gottes in Ägypten. S B S A W , Phil.-hist. K l . 109, 2, 1964, S. 49f.; Gott und Mensch im Alten Ägypten, 1964, S. 19ff. 140ff.; Begegnung, S. 102f. « P G M Bd. 1, 1928, S. V . 5 Begegnung S. 102.

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des Horas liegen in der Linie des oben genannten vierfachein Horus, und wenn wir seine vier Gesichter mit den vier Namen als vier Aspekte des Gottes deuten, so haben wir ein Wort gefunden, nicht aber den Sinn dieser Vierheit25. Dieser ist jedenfalls mir noch verborgen.

HEBBERT DONNER

Die Beschwörung des Großen Gottes

o&ev ägtara Xéyerai nagà roiç cptXoaôtpotç rò /LI) fiavêavovraç

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XQrjaêai xal roïç TiQÓy/iaaiv

Plutarch, de Is. et Osir. 71

Das faszinierende Phänomen der „Begegnung Europas mit Ägypten", d. h. die Wirkungsgeschichte der ägyptischen Kultur in den antiken und nachantiken Kulturgestalten des Abendlandes, ist das Leitmotiv der ägyptologischen und religionswissenschaftlichen Arbeit von Siegfried Morenz gewesen: seit den Tagen seiner ungedruckten Leipziger Habilitationsschrift „Ägyptens Beitrag zum werdenden Christentum" über die „Zauberflöte" 1 bis in die letzten Jahre, in denen er die Kühnheit und die Tugend hatte, das Leitmotiv zum Thema zu machen2. Dabei richtete er seine Aufmerksamkeit mehrfach auf ein unverächtliches, gleichwohl viel verachtetes Ferment der Begegnung: den Zauber, auch den sog. graeco-ägyptischen Zauber, der um die Wende der Zeiten und bis mindestens ins 6. Jahrhundert n. Chr. in weiten Bereichen des Mittelmeerraumes blühte 3. Morenz war dank ausgezeichneter Vorarbeiten längst nicht mehr in der prekären Lage, die K. P r e i sendanz in der Vorrede zur Ausgabe der Papyri Graecae Magicae [PGM] so beschrieb: „Denn es empfahl sich damals (1905) noch nicht für den zünftigen Philologen, sich öffentlich zur Beschäftigung mit so tiefstehenden Erzeugnissen ungebildeter Volksschichten zu bekennen, Erzeugnissen krassen Aberglaubens, denen der Name 'Literatur' nicht zukam. Im einzelnen Ausnahmefall, der ein Verwerten der Zauberpapyri und Fluch-Bleitafeln in größerem Zusammenhang für höhere Zwecke entschuldigte, mochte der Verkehr mit Abraxas und Genossen noch hingenommen werden, wenn auch nicht ganz ohne Stirnrunzeln jener klassisch Gerichteten, die mit François Lenormant in allen magischen Dokumenten der nachchristlichen Zeit nur den 'fromage gnostique' rochen"4. Die Denkart jener „klassisch Gerichteten" ist keineswegs erloschen. Morenz hatte nicht daran teil. Sein Interesse am Zauber war vielfältig begründet : Zunächst einmal betrachtete er, wie jeder zünftige Ägyptologe, den Zauber „als legitimes Kind der ägyptischen Ritualreligion" 5. Sodann 25 S e t h e spricht von den „Beinamen des als Horus angeredeten Sonnengottes" (zu 450b—c, ähnlich 1478), „den vier morgentlichen Sonnengöttern namens Horus" (zu 1132a), „den vier morgentlichen Horusgöttern" (zu 1086a, ähnlich 1408c). Kommentar V 98 zu 1207 heißt es „vier morgentliche Götter, die als Erscheinungen eines universalen Gottes aufgefaßt sind", und zu 1207 a „dieser universale Gott muß natürlich die Sonne sein". 1 Die Zauberflöte. Eine Studie zum Lebenszusammenhang Ägypten—Antike—Abendland. Münsterische Forschungen 5, 1952. 2 Die Begegnung Europas mit Ägypten. Mit einem Beitrag von M. K a i s e r , Herodots Begegnung mit Ägypten. S B S A W , Phil.-hist. K l . 113, 5, 1968. 3 V g l . J. L e i p o l d t und S. M o r e n z , Heilige Schriften, 1953, S. 178ff.; S. M o r e n z , Ägyptische Religion. Die Religionen der Menschheit 8, 1960, S. 27f., 228£f., 241 ff. ; Untersuchungen zur Rolle des Schicksals in der ägyptischen Religion. A S A W , Phil.-hist. K l . 52, 1, 1960, S. 26.30ff. ; Die Heraufkunft des transzendenten Gottes in Ägypten. S B S A W , Phil.-hist. K l . 109, 2, 1964, S. 49f.; Gott und Mensch im Alten Ägypten, 1964, S. 19ff. 140ff.; Begegnung, S. 102f. « P G M Bd. 1, 1928, S. V . 5 Begegnung S. 102.

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H. D o n n e r : Die Beschwörung des Großen Gottes

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sah er die Chance, auf dem Wege über dieses nur scheinbar abseitige Phänomen zum Verständnis bisher wenig beachteter religions- und kulturgeschichtlicher Tatbestände vorzudringen: die Einsicht in Wesen und Unterschied von Kult- und Buchreligion 6 , die Anschauung der Götter nicht als „transzendente Herren, sondern als immanente Glieder einer Welt, deren Wirkungskräfte dem Menschen offenstehen"7, schließlich und vor allem die Wirkungen des Zaubers durch das „Einfallstor Altägyptens" 8 auf das Abendland. Diesen Hauptgesichtspunkten ließen sich weitere hinzufügen. Sie haben alle nähere oder fernere Beziehung zum Generalthema der „Begegnung" — wie denn Begegnung im weitesten Sinne des Wortes das von Siegfried Morenz geleitete Leipziger Ägyptologische Institut bestimmte, das keiner seiner Schüler ohne Schmerzen verlassen hat. Dem Gedächtnis des geliebten und verehrten Meisters, der auch Geringes nicht verachtete, sind die folgenden Erwägungen dargebracht. I A. D e l a t t e und Ph. D e r c h a i n haben in ihr Sammelwerk „Les intailles magiques greco-6gyptiennes" (1964) [IM] unter Nr. 460 eine magische Gemme aus der Sammlung Froehner aufgenommen, deren griechischen Inschrifttext sie mit Recht als „douteux en plusieurs endroits" bezeichnen 9 . Die Gemme ist ohne Bilddarstellung. Ich gebe den Text nach der Photographie; für den nicht abgebildeten Gemmenrand bin ich auf Derchains Abschrift angewiesen10: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (H) (12) (13) (14) (15)

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XaQaxrfjQsç ESOPKIZ QGE6E0NT0N METANBAPBA0 IHAÜ 0 TO NCABAQ 00EONTONKA0H MENO NEU A NQ TOYOPOYCIIAA AMNAIOY0EON TONKA0HME NONEIJANÜ TOYBATOY 0EÖN

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(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) [(12)

TONK AOHMEN ONEÜANQ TOYXEPOY BIAYTOGEG TinANTOKP A TQPAETE ICOIIIANCA EÀNKÀICY NTHMAM APMAPAY[Q0IH] AQ©]

Vs.

'E^OQM^O) cfe ßeov rov fieyav BaQßa&crjaxad rov Saßaor&, &edv rov tca&rifievov enäva> rov ÖQOVQ naXa/jbvaiov, ßeov rov xai'hj/iEvov endvo) rov ßdrov, &eov Rs. rov y.adrjUEvov endvoj rov1 %eQovßi. avrÖQ ¿an TiavroxgarojQ. Xeyei aoi ndwa8lcl, eäv xal avvxrjfMjt^'' MaQ[iaQavoy& Irjawd'. Rand *Otmusjioq 0wv&, fifj naqaxovarjg ro ovvofta*Kl rov &eov.

Übersetzung: Ich beschwöre dich, den Großen Gott Barbathieaoth, den Sabaoth, den Gott, der auf dem Berge des Mörders (Rächers?) sitzt, den Gott, der auf dem Dornbusch sitzt, den Gott, der auf den Cheruben sitzt! Er ist der Allherr. Er sagt dir alles, sogar das Zeichen (?) Marmarauoth 6 Bes. Heilige Schriften S. 178ff.; grundsätzlich auch S. M o r e n z , Entstehung und Wesen der Buchreligion. ThLZ 75, 1950, Sp. 709ff.; Gott und Mensch, S. 19ff. 7 Gott und Mensch, S. 150. 9 S. 316f. 8 Begegnung, S. 103. 1 0 Auf der Photographie kaum sichtbare Zeichen sind durch infralineare Punkte kenntlich gemacht, nicht sichtbare nach der Lesung der Herausgeber in eckigen Klammern ergänzt.

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S . D o n n e r : Die Beschwörung des Großen Gottes

ti00. Band

Jeaoth. Diese Beschwörung ist die'des Sabaoth Adonai, nicht nahezukommen; denn sie ist des Herrn, des Gottes Israels, Akrammachamarei, Brasau, Abrablain. Ich beschwöre den Gott Enathiao, Phabathallon, Bablaiaiao, Thalacherurosarbos, Thot: Laß den Namen des Gottes nicht ungehört!

II Erläuterungen Die Herausgeber haben diesen Text als Exorzismus aufgefaßt 1 1 , entsprechend übersetzt und zum Vergleich auf PGM IV,3008ff. 12 verwiesen. Die Gattungsbestimmung ist nur dann zutreffend, wenn man unter „Exorzismus" nicht im geläufigen technischen Sinn die Dämonenaustreibung, sondern allgemein die Beschwörung versteht. Denn von einem Dämon, der strictu senso „ausgetrieben" werden müßte, ist nirgendwo die Rede. I m Gegenteil: Die Formel TOV /XR] eyyiaai läßt eher an einen Schutzzauber und mithin an die Funktion der Gemme als Noli me tangere — Amulett 1 3 denken. Daß die Textgattung damit noch keineswegs zureichend beschrieben ist, wird später zu erörtern sein. Hinzukommt ein sprachliches Argument: Es ist zwar richtig, daß (¿^)ogxtCeiv mit doppeltem Akkusativ in der Zauberliteratur häufig „jemanden bei einem Dritten (d. h. unter Anrufung eines Dritten) beschwören" bedeutet 1 4 . Die Konstruktion ist auch mit Genitiv 1 5 oder Dativ 1 6 belegt. Weitaus öfter aber sind die Gottheiten, „bei" denen beschworen wird, durch die Präposition xard ( + Genetiv) dem pronominalen Akkusativobjekt angefügt 1 7 . Diese Beobachtung, die für sich allein genommen nichts besagen würde, leitet in Verbindung mit der Abwesenheit aller Anzeichen eines echten Exorzismus zu der Annahme, daß die Akkusativreihe nach S$OQXifto ae appositionell zum Pronomen steht, der „Große G o t t " also selber beschworen wird 18 . Die Annahme wird durch die Formeln ogxiajuog OVTOQ ear(i) Eaßaw& Admvai und egoQxiCco &edv Evaftiao) bestätigt. Wer ist der „Große Gott"? Auf eine derart einfache Frage von Zaubertexten eine klare Antwort erwarten heißt falsch, unmethodisch, unmagisch denken. Denn der Gott der Magier ist in aller Regel das Ergebnis vielfältiger und komplizierter Synkretismen 1 0 , die — wäre die Sache nicht ohnehin klar — geradezu als Vaterschaftsnachweis der ägyptischen Religion am Zauber betrachtet werden könnten 2 0 . Eindeutigkeit ist jedenfalls kein Merkmal des „Großen Gottes". Sein Wesen und seine Wirksamkeit bestehen in und erneuern sich aus der Komposition. Die Elemente der Komposition sind in der Hauptsache ägyptischen, griechischen und jüdischen Ur11

S. 315. 317. Ilgdg öaipoviaCoiievovq Ihßrixea>i döxifiov „Erprobtes Rezept des Pibeches für Besessene" aus dem sog. Großen Pariser Zauberpapyrus. t 13 Griech. tf.vi.axz/jrHuv. Auch in PGM IV, 3008ff. wird die Anfertigung eines (fvlaxTt)Qiov verordnet; die Beschwörung selbst aber ist im strengen Sinne exorzistisch. " Formel: (e|)dex£co oejöuäg + Akkusativ. Eine Auswahl an Belegen: PGM III, 77f.; IV, 3029ff.; 3034ff.; VII, 269f.; X I I , 137f.; XIII, 303ff.; P 10 passim. Vgl. auch die große Bleitafel aus der Nekropole von Hadrumetum bei A. D e i s s m a n n , Bibelstudien, 1895, passim und R. W ü n s c h , Antike Fluchtafeln. Kl. Texte f. Vorlesungen u. Übungen 20, 1912, Nr. 4, lff. « PGM X X X I X , 19f. »o PGM VII, 893f.; A. D e i s s m a n n , a. a. O. S. 28 (Z. lff.). " Formel: (¿^ÖQxi'Qiü aelv/iäQ xard NN. Belege: PGM III, 12; 119f.; 230; IV, 1045; 1239ff.; 1484ff.; 1533ff.; 1547ff.; 1910ff.; 1916ff.; 2031ff.; 2060ff.; 2182f.; 3019f.; V, 76f.; VII, 260f.; 301f.; 377ff.; 443ff.; 461f.; 481 f.; 836 f.; 1006f.; I X , 9f.; XII, 84f.; 478; X l V a , 7f.; XVI passim; X V I I I b , lff.; X l X b , 6; X X X V , 14; 33ff. ; X X X V I , 260f.; 341 ff.; 365ff. « Belege für diese Konstruktion: PGM III, 49f.; 72; IV, 3205f.; X , 10; unsicher in PGM I, 226f.; III, 227; X X X V I , 189ff. 19 Für den Gebrauch dieses unsachgemäßen Begriffes muß man sich nachgerade entschuldigen. Nur weil er religionswissenschaftlich eingebürgert und kaum ausrottbar ist, mag er beibehalten werden. 2 Vgl. H. B o n n e t , Zum Verständnis des Synkretismus. ZÄS 75, 1939, S. 40ff.; S. M o r e n z , Religion, S. 146ff. 12

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H . D o n n e r : Die B e s c h w ö r u n g des G r o ß e n G o t t e s

sprungs 21 , wobei die hellenistische Metropole Alexandria als Schmelztiegel der verschiedenen Einflüsse selbstversändlich eine gewichtige Rolle gespielt hat 22 . Das ist hier weiter nicht zu verfolgen ; es geht ausschließlich um die Interpretation der magischen Gemme IM 460. In ihrem Text überwiegt nun ganz eindeutig die jüdische Komponente, nicht nur in den voces mysticae des Großen Gottes 23 , sondern auch und vor allem in seinen Prädikationen. Er heißt Kvfjiog §eög IaoarjX, was nichts anderes ist als die geläufige Septuagintawiedergabe der alttestamentlichen Gottes, bezeichnung nVK mrP24. Er ist navroxQarcoQ, so oft in Septuaginta, besonders für "HB? V« 25. Darüber hinaus kennzeichnen ihn drei hymnische Prädikate, die der Erklärung bedürfen. 1. &eog o xa&tffievog inävo) rov xegovßi „der Gott, der auf den Cheruben sitzt". Das ist von Hause aus Epitheton Jahwes als des „Cherubenthroners" (D^aron ÜS^) im Adyton des salomonischen Tempels zu Jerusalem 20 . Allerdings ist die Ursprungsbedeutung längst nicht mehr gegenwärtig. Denn die Cheruben sind in den Komplex von Engel- und Geistervorstellungen eingegangen, der im Spätjudentum, im frühen Christentum und in der Gnosis zu hoher Blüte gelangte 27 und als breiter Überlieferungsstrom in den graeco-ägyptischen Zauber einfloß 28 . Dabei sind alttestamentliche Reminiszenzen zwar bewahrt, aber wohl nicht mehr genau verstanden worden. Ich gebe eine Auswahl an Belegen29.

P G M I V , 3 0 6 1 ov vfivovoi

rä TireQvytofiara

rov'

%eqovßiv

(Sabaoth); V I I , 259

eni

xa&r'jfievov (der namenlose Gott); VII,634 eni rä %e(>o[v]ßiv xadrj/uevog (MevaxpQi ); XIII, 254f. 334 eyco elfii ö eni rcöv ÖVO %eqovßeiv (Helios); X X I I b , 5 [ avv^vxrjaag VJTO rd leodv oQog xai edcoQtfaco xrjv TOV fieyiaxov ov(o/uaxog)

aov yvwaiv,

fjv xal rr^r/aa)

äyvwg /irjdevi juexadiSovg,

ei ¡ir] xolg aolg avv/ivaxaig

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ieoäg Telex dg „Ich bin es, dem du unter dem heiligen Berge begegnet bist und die Kenntnis deines größten Namens geschenkt hast, die ich auch rein bewahren werde, sie niemandem mitteilend, außer deinen Miteingeweihten für deine heiligen Weihen" 4 5 . Wenn hier die Namenoffenbarung an Mose nach Ex. 3 im Hintergrund stehen sollte, dann wäre das ein weiterer Beleg für die Vorstellung von Jahwe als Berggott in der Zauberliteratur 4 6 . Ist das die Lösung des Rätsels ? Leider muß dabei Tiaka/ivalog unerklärt bleiben. Denn so gewiß Jahwe in der alttestamentlichen und jüdischen Überlieferung als „Rächer" apostrophiert wird 4 7 , so deutlich ist doch auch, daß dies nie in Verbindung mit seiner Eigenschaft als Gott auf dem Sinai geschieht — ganz abgesehen davon, daß das Wort naXajivalog dem Sprachgebrauch der Septuaginta fremd ist. Die Auskunft, die Kombination „Berggott — Rächer" sei in IM 460 gewissermaßen spontan vollzogen 48 , befriedigt ebensowenig wie der allgemeine Hinweis auf den „gewalttätigen und zornmütigen Charakter des alttestamentlichen Gottes, der sich in unversöhnlicher Verfolgung aller jener äußert, die sich den Groll des 'eifernden Gottes' zuzogen" 4 9 . Denn das Wort naXa/xvalog muß angesichts seiner Einmaligkeit in der doch immerhin höchst umfangreichen Zauberliteratur konkreten Inhalt haben. Also wird m a n auf den Weg des Synkretismus zurückgelenkt, der sich bereits in mehrfacher Hinsicht als ungangbar erwiesen hatte. Die Sache scheint aussichtslos zu sein — es sei denn, m a n erwöge eine abenteuerliche Kombination und nähme den Mut zur Hypothese aus dem Umstand, daß Motivverbindungen im Zauber oftmals auf den ersten Blick abenteuerlich erscheinen. Es geht um die Entmischung des zugrunde liegenden Vorstellungsmateriales; sie soll wenigstens versucht werden. Dabei ist man gut beraten, sich zunächst von ganz einfachen Fragen und Assoziationen leiten zu lassen. An welcher Stelle im Kontext ägyptischer Mythologie können die Vorstellungsinhalte des griechischen Wortes naXaynalog „Mörder, Rächer" lokalisiert werden? Die Antwort gehört zum Elementarpensum: im Mythenkreis um Osiris und Isis, der aus ägyptischen Totentexten u n d Hymnen rekonstruiert werden kann 5 0 , und den Plutarch in seinem Alterswerk Tlegt "laidog xai 'OatQtdog erstmalig zusammenhängend erzählt (Kap. 13—19) und für Gebildete griechischer Zunge gedeutet hat 5 1 . Hier ist Seth der Mörder seines Bruders und Horus der Rächer seines Vaters, der Letztere als Harendotes 5 2 zu einer quasi-selbständigen Horusgestalt geworden. Die komplizierte 43 W B V, 543; kopt. TBJJTCDY. SO auch PGM IV, 18f. « Th. H o p f n e r , AiOr 129. 43

Zu den Implikationen des Namens der Gottheit, seiner Geheimhaltung usw. vgl. Th. H o p f n e r , OZ J §§ 687ff. 46 Der Zion ist zwar oft genannt, hauptsächlich unter den voces mysticae, kommt aber als „Berg" und Sitz Jahwes in der Zauberliteratur nicht vor. 47 Der Gedanke ist so oft ausgesprochen, daß sich Beiego erübrigen. 48 Vielleicht auf dem Hintergrund der Strafandrohungen, die Jahwe mit den Gesetzen v o m Sinai verbunden h a t ; vgl. z. B. E x . 20, 5; 23, 32f.; 32, 9ff. 49 Th. H o p f n e r , ArOr 342. 60 Vgl. H. K e e s , Totenglauben und Jenseitsvorstellungen der alten Ägypter, 1956 2 , S. 132ff. 51 Ed. G. P a r t h e y , 1850; Kommentar bei Th. H o p f n e r , Plutarch II. 52

Aus ägypt. ^Us^ ^

^

^

Reallexikon s. v. Harendotes. 7 Zeitschr. f ü r Agypt. Sprache, 100. Band

nd.tj it.f „Beistand, Schützer seines Vaters"; vgl. H. B o n n e t ,

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[100. Band

Entstehungs- u n d innerägyptische Wirkungsgeschichte des Mythos ist hier nicht zu erörtern 5 3 . Die H a u p t m o t i v e seiner „Letztgestalt" sind jedenfalls in den graeco-ägyptischen Zauber eingegangen, und zwar mit starkem Übergewicht des Gottes Seth-Typhon 5 4 , der z. B. in P G M X X X V I , 4 f . wie folgt angerufen wird: eMe, Tvtpmv, o enl rf/v vmiav nv?.rjv xa&ij/ievog, 'Id> 'Eqßrfö, o TOV idiov uÖehpov ocpagag55. Demgegenüber t r i t t Horus in seiner F u n k t i o n als Bezwinger des Seth und Rächer des Osiris auffallend zurück 5 6 . N u n werden freilich weder Seth noch Horus in der Zauberliteratur naka/ivaTog g e n a n n t ; auch Plutarch k e n n t den Ausdruck im Zusammenhange des Osirismythos nicht. Überdies fehlt jede Anspielung auf einen Berg. Vielleicht ist aber gerade auf dem Wege über die Topographie weiterzukommen. Bedeutende Zentren des Seth-Kultes lagen seit der Hyksoszeit in U n t e r ä g y p t e n 5 7 , dort wiederum hauptsächlich im Ostdelta, einer exemplarisch „typhonischen" Gegend 5 8 : Tanis, Awaris, Pelusium und der Sirbonische See, von dem Herodot berichtet, daß ,,in ihm der Typho verborgen sein soll" 5 9 . Pelusium (Teil el-Faramä) ist noch in der Zauberliteratur Erscheinungsort des Seth. P G M XXXVI,105—114 xtö&i ¡wi, o xritwv xal ¿Qfifiüiv, aal ysvdfisvog ia%VQo (Ex. 14, 15f. LXX). Gemeint ist nicht Mose, sondern Jahwe als fieyag &eog! Zur Stelle vgl. A. D e i s s m a n n , Bibelstudien, 1895, S. 38f. 03 Bei Josephus, contra Apionem I, 32. n4 Beides sethhaltige Namen; denn statt Peteseph ist zu lesen: Pctoseth = pS-dj-Sts „der, den Seth gegeben hat"; vgl. Th. H o p f n e r , Plutarch 145. 65 Hist. V, 4.

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Esel gedeutet worden ist, bedarf keines Beweises mehr 0 0 . Plutarch entfaltet den Gedanken ausführlich und mehrfach, vor allem de Is. et Osir. 30/31, deren Schlußsatz lautet: oi de leyovreg ex rfjg [uiyrfi enl dvov TOJ Tvfwvi TTJV tpvyfjv emä rjfieqag yevea&ai, xal aco&evra yevvrjaai naldag'IeQoaoXv/uov xal 'IovöaTov, avxo&ev elai xardörj/.oi, rä 'Iovdaixä naQekxovxeg elg rov fiv&ov „ D i e j e n i g e n , d i e s a g e n ,

Typhon sei aus der Schlacht auf einem Esel sieben Tage lang geflohen und habe, als er gerettet war, die Söhne Hierosolymos und Judaios gezeugt, tragen offenbar Jüdisches an den Mythos heran." Genau das ist in der Judenpolemik geschehen und hat sich in der volkstümlichen Überlieferung, wie sie im Zauber aufgenommen und gestaltet ist, fortgesetzt. I n diesen Sachzusammenhang gehört unzweifelhaft auch die magische Gleichsetzung des Seth mit Jao/Jahwe, für die Th. Hopfner alle erreichbaren Belege gesammelt hat 6 7 . Das Material ist breit gestreut; es muß nach Hopfner nicht reproduziert und braucht nach ihm nicht ergänzt zu werden 6 8 . Die Gründe für die Gleichung verdienen eine gesonderte Untersuchung; denn daß der Hinweis auf den „Charakter" der beiden Götter und der Lautanklang der Epiklesen Seths als 'Ia> — 'Eqßiq& 69 und Jahwes als 'law — 'Agßa&iaco genügen sollten 70, ist wenig wahrscheinlich, so gewiß beides eine Rolle gespielt hat. Nach alledem wird in folgenden Punkten Übereinstimmung zu erzielen sein: Seth ist der verfemte Osirismörder und als solcher zugleich einer der prominentesten Götter der Magie; die Überlieferung lebt hauptsächlich im Ostdelta (Pelusium!); Jüdisches ist — um mit Plutarch zu reden — dem Mythos vielfältig beigemischt. Aber noch immer ist der „Berg" nicht untergebracht, ganz zu schweigen von der zu fordernden Konkretion des Begriffes jiaXafivalog. Der Interpret muß, wenn festes Terrain nicht sichtbar ist, den schwankenden Boden der Hypothese betreten. Ca. 15 km östlich von Pelusium beginnt eine von den Reisenden seit alters gefürchtete Mittelmeerlagune, der lacus Sirbonicus (Sebhat el-Berdawil), an deren Westende sich ein Kdaiov oqog befand, genauer: ein auf einem mäßig hohen Sandhügel errichtetes Heiligtum des Zevg Kaaiog, des Schutzgottes der Seefahrenden und Reisenden (an der Stelle der heute verschwundenen Ortschaft Mahammadiye). Über den Ursprung, die Geschichte und die alttestamentliche Bedeutung dieses Heiligtums hat 0 . Eißfeldt das Nötige gesagt 7 1 : Zevg Kaaiog ist nichts anderes als die interpretatio graeca des Baal Zaphon, des Herrn vom Götterberge im Norden, an dessen sirbonischem Heiligtum ein Teil der alttestamentlichen Tradition 7 2 das Schilfmeerwunder lokalisiert und der 130 n. Chr. durch Hadrian im nahen Pelusium einen Stadttempel erhielt 73 . Es handelt sich um einen klassischen Fall von Erbfolge der Kultstätten und Nachfolge der an ihnen verehrten Götter — Erbfolge und Nachfolge hier einmal nicht im Sinne eines zeitlichen Nacheinander, sondern synkretistisch verstanden. Der Gott vom mons Casius am Sirbonischen See war für die Phöniker und Syrer der Baal Zaphon, den 66 Vgl. H. K e e s , Götterglaube, S. 22ff. 72; für den Zauber Th. H o p f n e r , Plutarch, 138f. und OZ I, § 450 ff. 67 ArOr 342ff. Die S. 344 gegebene Interpretation von PGM V, 96ff. ist freilich zu modifizieren: Der Text ist nicht typhonisch, der angerufene axegjakog jedenfalls hier nicht Seth (vgl. Z. 101f. rtv el 'OaonovviofpQiq, ov ovöeig elde nAnorsY). Wenn es Z. 114ff. heißt rovro eanv oov r6 ovofia rd dXrpiivöv ro nagadidiftevov roh; TiQorfr/raig '/öroafjA, so kann man nicht ohne weiteres sagen, „der wahre Name des Seth als äxecpaXog sei den Propheten Israels überliefert worden." 68 Eine von Hopfner nicht verwertete Kleinigkeit, die die Beziehung bis in Nuancen verdeutlicht: PGM IV, 3068 ist Jahwe dödfiaarog „unbezwinglieh, unbezwungen"; PGM VII, 963 wird ein eindeutig „typhonischer" Dämon dxara/zdxrjrog „unbesiegt, unbesiegbar" genannt. t>9 'Im = ägypt. 'i„Esel", kopt. 6IU), e a > , ICD; 'EQßrjd = ägypt. irj bt3" Übeltäter, Verbrecher", kopt. e p B H T . Vgl. Th. H o p f n e r , OZ I, § 744. ™ Th. H o p f n e r , ArOr 342f. 71 O. E i ß f e l d t , Baal Zaphon, Zeus Kasios und der Durchzug der Israeliten durchs Meer. Beiträge zur Religionsgeschichte des Altertums 1, 1932. 72 Der priesterschriftliche Bestand von Ex. 13/14. 73 Vgl. J. C l e d a t , ASAE 13, 1914, S. 79ff. und O. E i ß f e l d t , a . a . O . S. 40ff. Die literarischen, epigraphischen und archäologischen Zeugnisse für den Zeuskult auf dem mons Casius und in Pelusium sind mustergültig gesammelt und bearbeitet von A. B. C o o k , Zeus. A Study in Aneient Religion. Vol. II, Part II, 1925, Nachdruck 1965, 984-987. Vgl. auch A. S a l a ö , Zeus Kasios en figypte. Bull. Corr. Hell. 46, 1922, 166-176. 7*

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Israeliten zumindest nachexilischer Zeit war er Jahwe, den Griechen und Römern erschien er in Zeusgestalt und „für die Ägypter stellte er sich natürlich als ein Seth dar" "''&, Aôcuvat, MaQtuagavcufi87, AxQa/tf/,axaf/,agei8S, Oorud89, auch It]aayfr9a und Bagßa&irjaoid 91) oder n e u u n d unverständlich (Bgaaaov, AßgaßAaiv, @aßa&a?.hov, BaßXaiaiam, 0akaxsgovgojaagßo)q). Beacht u n g verdient allenfalls der N a m e Evadiaco, der m. W. sonst nirgendwo belegt ist. D e n n es ist nicht auszuschließen, freilich auch nicht zu beweisen, daß es sich dabei u m einen späten Nachklang des in den Elephantinepapyri 9 2 bezeugten nomen divinum lîPJUS handelt, was immer dessen ursprüngliche Bedeutung gewesen sein m a g : die „ A n a t des J a h w e " als Paredxos des von den jüdischen Militärkolonen verehrten Gottes oder die Hypostase einer seiner Eigenschaften 9 3 . — Problematisch ist ferner die Formel Xéyei aoi nâvaas":> êàv xal avvrrj/m Mao/j,aoavoj& Irjatm'h Die Herausgeber haben, gewiß zu Recht, für navaa u n d avvrri/ua Schreibfehler angenommen : navra und avv&rjfia 80

Zum Andromeda-Motiv vgl. S. M o r e n z , Begegnung, 47. H. B o n n e t , Reallexikon s. v. Harpokrates. 82 So auch in der Zauberliteratur; vgl. Th. H o p f n e r , ArOr 127f. Es verdient Beachtung, daß auch Seth im Zauber als Sonnengott figurieren kann ( H o p f n e r , Plutarch 184f. mit Belegen) — ebenso Jao/Jahwe! ( H o p f n e r , ArOr 340f.). 83 So auch H. B o n n e t , Reallexikon s. v. Kasion. 84 In PGM I, 300 f. ist Jahwe im Zusammenhang einer „apollinischen Anrufung" unmittelbar mit Zeus identifiziert; vgl. O. E i ß f e l d t , Jahwe-Name und Zauberwesen, 161. 85 Für den Zauber s. o. zu PGM X X X V I , 105—114. Daß Zaubertexte auch die Lokalisation des Wunders 81

am Roten Meere kennen, beweist PGM IV, 3052—3056 : ÔQXÎt,m ce fiéyavfteovZaßad>&, bi 8v ö 'loQÔdvrjç noTa/iàç dveXvMyexe fxoi r [ r ] X a v y ä > g navra „Ich beschwöre euch, ihr Herren Götter . . . überhört mich nicht, sagt mir deutlich auf alles!" PGM IV,3106f.: eXM, deanora, &ss, xai Mys /uoi ev äväyxrj TISQI TOV öelvog nQayfjLmog „Komm, Herrscher, Gott, und sage mir zwangsweise über die betreffende Sache!" Häufiger als Xeyeiv sind andere Verben, die aber faktisch dasselbe besagen und bewirken sollen. PGM 1,296: xQrjpmioov ¡ioi\ 1,319: ygaadreo fioi (so auch IV,1971); IV,231f.: dmotcQi'&'jasrai aoi xai EQET aoi Tieot Tiavrmv; IV,249f.: ÄNOXQIDRJASTAI JIEQI OJV enegeoräg ndvrcov, VII,414f.: navra aoi e£ofioÄoytjaei; X I a,24f.: [avri) y\äo nävxa soel aoi xai ovdsnors ae xaxakeifei. In allen diesen Fällen handelt es sich, imperativisch oder indikativisch formuliert, um Offenbarungszauber: d. h. um jeweils eine der von Th. Hopfner unterschiedenen Arten theurgischer, magischer, goetischer und dämonischer Divination oder um eine Kombination aus mehreren 9 7 . Hier hat die Formel M-yei aoi jiavaa1 ihren Ort: Der beschworene „Große G o t t " garantiert dem Träger des Amuletts nach dessen Bedarf die Lüftung des Schleiers, der für Sterbliche über der dunklen und bedrohlichen Zukunft liegt. E r leistet aber noch mehr. Denn nötiger vielleicht als die Kenntnis der Zukunft ist die Fähigkeit zu magischer Einwirkung auf die Zukunft. Dieses Bedürfiiis befriedigt das avvxrjfia (= avvdrj^a) MaQfiaQavmd' Irja(o& „das Zeichen des Marmarauoth Jeaoth", das der „Große G o t t " offenbaren wird. Da nun aber Mag>f,iaQavco& und Ir/acod voces mysticae des „Großen Gottes" sind, offenbart er sein eigenes „Zeichen", was immer man darunter verstehen will: einen zauberkräftigen Gegenstand, ein Zauberwort, einen Namen — nach der hier vertretenen Deutung freilich nicht die Namenkombination MaQfiaQavco'9 Irjau>,&, die ja bereits auf der Gemme steht. Denkbar, wenn auch weniger wahrscheinlich, wäre ein Vorgang goetischer Divination: ,,. . . der Gott fährt in ein unbelebtes Medium, eine Zauberfigur, ein Sieb, einen Ring, der frei schwebt usw. und 'belebt' es d. h. veranlaßt es, bestimmte Bewegungen auszuführen und so den Willen der inspirierenden Gottheit zum Ausdruck zu bringen" 9 8 . Wie dem auch sei: Grammatisch wird man eäv xal am besten als Verbindung konjunktionaler Partikeln im Sinne von „sei es auch = sogar" aufzufassen haben. — Zur Formel [ i f j Tiaoaxovarjt; ro ovvojua' (— ovofia) TOV &sov läßt sich PGM V,469—475 vergleichen: emxaXovfxai

ae,

TOV dvvdarrjv

TWV •fiecöv, vipißgefiera

Zev,

Zev

rvQavve,

'Adwvai,

XVQIS 'law

ovr/e'

syw

slfii

„Ich rufe dich an, den Herrscher der Götter, hochdonnernder Zeus, Tyrann Zeus, Adonai, Herr Jao, vox mystica! Ich bin es, der dich auf Syrisch anruft, als den Großen Gott, vox mystica. Und du, laß die Stimme nicht ungehört" 99 ! Der Text ist stark von der jüdischen Komponente des Zauberwesens bestimmt 10°. Er bezeugt nicht nur die magische Gleichsetzung des Jao/Jahwe mit Zeus 101 , sondern unterstützt für naqaxovEiv die Interpretation „an etwas vorbeihören, etwas überhören, ungehört lassen" 1 0 2 . Während in PGM V,469ff. der „Große Gott" angerufen wird, die Stimme des Zaubernden nicht zu o emxalovjjtEvöz

ae HVQIOTI

df.ov

jueyav

t,aa\ai]Qup(pov.

xai

av fit) napatcovor/g

r f j g (pojvfjg

94

D i e s e s W o r t ist i n der Zauberliteratur sonst n i c h t belegt. I m u n v o l l s t ä n d i g e r h a l t e n e n sog. E x o r c i s m u s S a l o m o n i s d e s G i e ß e n e r P a p y r u s J a n d a 14 ( P G M P 17, 17) k o m m t nvvnvTram „ B e g e g n u n g , W i d e r f a h r n i s " v o r ; das ergibt j e d o c h hier m . E . k e i n e n Sinn. »5 I M , S. 3 1 6 f a l s c h a k z e n t u i e r t : edv s t a t t eäv. V g l . z u m G r u n d s ä t z l i c h e n T h . H o p f n e r , OZ I , §§ 1 - 4 , I I , §§ 4 1 ff. 97 T h . H o p f n e r , OZ I I , § 4 6 . 98 g . A n m . 97. K . P r e i s e n d a n z , P G M B d . 1, S. 197 ü b e r s e t z t ist aber w o h l g e m e i n t . 100 A . D e i s s m a n n , B i b e l s t u d i e n , 1 8 9 5 , S. 10. 101 S. o . S. 9 1 , A n m . 8 4 . So a u c h P G M I I I , 171ff. 99

„meine

Stimme".

D a s steht zwar nicht im

Text,

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überhören, ist es in IM 460 so, daß er seinen eigenen, des „Großen Gottes" Namen nicht ungehört lassen, d. h. bekanntgeben soll. Wer den Namen kennt und hat, der ist „des Gottes voll" und verfügt über besondere, eigentlich durch nichts mehr überbietbare Zauberkraft 1 0 3 . Der Namenzauber ordnet sich damit der crvvTrjfia — Formel des Offenbarungszaubers ergänzend zu, unter der Voraussetzung natürlich, daß diese Formel oben richtig gedeutet wurde. — Nach alledem kann der Text auf der Gemme IM 460 hinsichtlich seiner Gattung als mixtum compositum bestimmt werden: Beschwörung des „Großen Gottes" zum Zwecke des Schutzzaubers, des Offenbarungszaubers und des Namenzaubers.

III Wer Zaubertexte interpretiert, sich aber grundsätzlichen Überlegungen zur Funktion und zum Stellenwert des Zaubers in der Religion verschließt, handelt nicht im Sinne von S. M o r e n z , der vor allem in seiner Monographie „Gott und Mensch im alten Ägypten" (1964) den Zauber religionswissenschaftlich ernstgenommen und ihn „einen weiten Bereich der Partnerschaft zwischen Mensch und Gott" genannt hat 1 0 4 . Das Thema kann und soll im Rahmen dieses Aufsatzes nicht erschöpfend behandelt werden. Mehr als einige fragmentarische Erwägungen zur Ergänzung des von Morenz Dargelegten und als kritische Anfrage ist nicht beabsichtigt. Bei Lichte besehen, setzt das Phänomen des Zaubers den Religionswissenschaftler in Verlegenheit. E r konstatiert auf der einen Seite die außerordentliche Verbreitung und Bedeutung des Zaubers in den alten mediterranen Religionen, deren Nachgeschichte das Abendland bestimmt hat. Er kann nicht umhin, diese Verbreitung und Bedeutung als religiöse Erscheinungen zu würdigen. Als was sollten sie sonst betrachtet werden ? Auf der anderen Seite begegnet er der Verachtung des Zaubers, und zwar innerhalb derselben Religionen, in denen der Zauber zur Blüte gelangte; nicht einmal die ägyptische Religion als eine sonst eigentümlich gestaltete und von anderen unterschiedene Größe kann hier gänzlich ausgenommen werden. Die Ambivalenz von Hochschätzung und Verfemung muß verwirrend wirken, und ein Ausweg bietet sich anscheinend nur dem, der sich entschlossen in die Traditionskette der Verächter des Zaubers einreiht. Das bereitet keine nennenswerten Schwierigkeiten; denn die Kette ist lang, ihre Glieder sind fest und edel, und überdies gibt es keine überzeugende Alternative. Es ist für Gebildete leicht, den Zauber in den größeren Zusammenhang des Aberglaubens zu stellen und über den Aberglauben zu urteilen wie beispielsweise Plutarch, de Is. et Osir. 11: OVTCO 8rj rä NEOL dewv axovaaaa xal DE^ofievr] naoa xwv ¿¡¡rjyovfxevmv tov /uv'dov öaiojg xal tpiAoaotpcog, xal öotöaa [j,sv äel xal diaipvXdrrovaa x&v ieotov rä vsvouiafiEva, rov d'äXt]&rj do^av e/eiv JZEQI Se&V FJ,rjdev olo/ievrj fiäkkov URßF: d-vaew /MJRE noitfaeiv avrolg xe%a.Qi0[ievov, ovdev eAarrov

anocpev^oio xaxov äfteovrjTog deiaiÖm/ioviav. „Wenn du die Götterlehre auf diese Weise hörst und sie von den frommen und gelehrten Mythenerklärern annimmst, wenn du zwar immer genau den heiligen Vorschriften folgst, aber dafür hältst, daß man den Göttern weder durch Opfer noch durch (andere) Handlung etwas Angenehmeres erweisen könne, als wenn man die richtige Erkenntnis ihres Wesens erlangt, dann wirst du dem Aberglauben entfliehen, der kein geringeres Übel ist als die Gottlosigkeit". So leitet Plutarch seine in Kap. 12 beginnende Erzählung des Osirismythos ein, und so wird es gemacht, muß es gemacht werden: nicht nur mit dem Mythos, auch mit dem Zauber, der ihm verwandt ist und aus ihm lebt. Dafür gibt es zahllose Beispiele aus allen Epochen der Geistesgeschichte des Morgen- und Abendlandes, der Antike und der Moderne. Ich greife willkürlich Äußerungen keines Geringeren als 0 . Eißfeldt heraus, der die Verwendung des Namens Jao/Jahwe im Zauber untersucht hat 1 0 5 : „Es ist ein gewaltiger Abstand zwischen der ehrfürchtigen Zurückhaltung, mit der das AT dem Jahwe-Namen gegenübersteht, und seiner Verwendung zu niedersten Zauberpraktiken, wie wir sie auf Gemmen, Fluchtafeln und Zauberpapyri finden106; . . . Beispiel. . . für das Heruntersinken eines Wertes der Religion in die Sphäre «3 Vgl. Th. H o p f n e r , OZ I, §§ 687-694. ">« S. M o r e n z , Gott u n d Mcnsch, S. 141. «5 O. E i ß f e l d t , J a h w e - N a m e u n d Zauberwesen 1927 = Kl. Schriften 1, 1962, S. 150ff. wo A. a. O. S. 162.

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I i . D o n n e r : Die Beschwörung des Großen Gottes

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der Magie 107 ; So wurde er (seil, der Name) zu einer frei schwebenden überweltlichen Macht und fand freudige Aufnahme in den religiös entwurzelten, aber für alles Superstitiöse aufgeschlossenen Massen jener Tage. Die kannten nicht die Haltung dem Jahwe-Namen gegenüber, die Luther . . . als 'Gott fürchten und lieben' bezeichnet und mißbrauchten ihn so zu Fluchen und Zaubern" 1 0 8 . Hierzu wäre natürlich manches Kritische zu sagen; es kommt aber nur auf die Haltung und Stimmung des 6ALOK xai (pdoootpcog an. Selbst Morenz ist nicht ganz frei von solchen Urteilen, z. B. über Hopfners Begriff „Offenbarungszauber": . . es mag gut sein, sich bewußt zu machen, wie groß die Pervertierung der Dinge ist, die sich hier zeigt: Offenbarung per Zauber" 1 0 9 . Oder: „Der Ägypter hat den Zauber im Prinzip für legitim gehalten — nicht nur im Rahmen der Gesellschaft, sondern auch im Verhältnis zur Gottheit. Daß er sich damit zwar nicht vom Bewohner Palästinas schlechthin, wohl aber vom Verehrer Jahwes unterschieden hat, mag wenigstens angedeutet werden" 1 1 0 . Spätestens an dieser Stelle ist anzumerken, daß die mit Recht zu fordernde „fromme und gelehrte" Betrachtung (Solan• xai (pu.oaocpcoC) religionswissenschaftlich die Verlegenheit reproduziert, der sie doch gerade entgehen wollte. Wer ist der von Morenz apostrophierte „Verehrer Jahwes"? Sind es die nicht, denen das Prophetengesetz des Deuteronomiums (Dt. 18, 9ff.) — im 7.-6. J h . v. Chr.! — mit starken Worten magische Abstinenz verordnet? Ist für die alttestamentliche Überlieferung nicht Mose der exemplarische Jahweverehrer — derselbe Mose, der den Ägyptern Plagen anzauberte (Ex. 7, 8 — 11, 10), der das Meer teilte (Ex. 14) und Wasser aus dem Felsen schlug (Ex. 17, 1—7)? Selbstverständlich kann das Problem der Magie und ihrer verschiedenen Erscheinungsformen im Alten Testament hier nicht in extenso behandelt werden m . Aber soviel sollte deutlich sein, daß die israelitische Religion zu allen Zeiten ihrer Existenz ein magisches Substrat gehabt hat, das religionsphänomenologisch von ihr weder abgetrennt werden darf noch kann. Nicht anders verhält es sich mit den Religionen der alten Mittelmeerwelt überhaupt. Auch die Religionsmischung des hellenistischen Zeitalters, der der graeco-ägyptische Zauber zugehört, macht davon keine Ausnahme. Sie ist als Untersuchungsgegenstand gerade deshalb besonders reizvoll, weil sie einen Gesichtspunkt in hellem Lichte erscheinen läßt, unter dem das Problem der Funktion des Zaubers in der Religion einmal grundsätzlich betrachtet werden sollte: den Gesichtspunkt der sozialen Differenzierung. Denn es sind nachweislich zwar nicht nur, aber vor allem die unteren und mittleren Volksschichten gewesen, die der Zauberei oblagen und die sich von Magiern unterschiedlicher Provenienz und „Höhenlage" — bona fide aut mala — manipulieren ließen 112 . Haben wir ein Recht, sie — die große Masse — aus dem auszugliedern, was im Sinne der relativ wenigen Religiösen und Gebildeten „Religion" genannt werden darf, und sie der Superstition, dem Aberglauben, der dsiaidaifiovia zuzuordnen ? Sind die einfachen Leute im Stande der äSeörrjg, weil die Hochreligionen reine Frömmigkeitsformen und hohe religiöse Gedankeninhalte ausgebildet haben, die „das Fratzenhafte, das ein düstrer Wahnsinn schaffte" nicht dulden wollen und können ? Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, daß Elemente des Zaubers, wie sie in der sog. niederen Magie angetroffen werden, kaum verwandelt bis in die Höhen der Religion hinaufwirken, an denen sich die Verachtung des Zaubers orientiert 113 . Man sieht: Hier wird ein Plädoyer gehalten — ein Plädoyer allerdings nicht für den Zauber, wohl aber für die, die sich seiner bedienen, denen er — in welcher Gestalt auch immer — Religion ist. Plädoyers pflegen einseitig zu sein, und das mit gutem Recht; sonst brauchten sie nicht ge>0' A. a. O. S. 168. «« A. a. O. S. 170. u i9 Gott u n d Mensch, S. 147. " Ebenda, S. 148. 111 Eine kurze Zusammenfassung m i t Literaturangaben bei G. F o h r e r , Geschichte der israelitischen Religion, 1969, S. 148ff. 112 Die aus den T e x t e n über das „Publikum" der Magier erhebbaren Informationen h a t Th. H o p f n e r , OZ II, §§ 46fF., zusammengestellt. Daß dabei die negativen Urteile der religiösen und philosophischen Verächter des Zaubers überwiegen, ist angesichts der Quellenlage nicht anders zu erwarten. 113 A n der B e d e u t u n g u n d Wortgeschichte der Vokabeln „Zauber, zauberhaft, zauberreich, zaubervoll" usw. ist zu erkennen, daß der Zauber m i t positiven Gefühlswerten besetzt sein kann, sehr i m Gegensatz zur Disqualifikation religiöser Erscheinungen als Zauber.

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halten zu werden. I m Bewußtsein der Vereinfachung komplizierter Tatbestände darf deshalb der Satz gewagt werden: Der Zauber ist die Religion der armen Leute. Wer wirtschaftlich benachteiligt ist und nicht sehr viel gelernt hat, wer einfachen Sinnes ist und Not leidet — Angst, Unsicherheit, verschmähte Liebe, Unrecht, Mangel, Krankheit, Tod —, der begibt sich nicht gern in die kalte Luft, in der die Hochgötter hausen, weil er dort zu allen seinen Nöten auch noch frieren muß. E r verharrt im Dunstkreis des Zaubers: Für ihn muß der Zauber leisten, was andere auf dem Wege der Demut, der Buße, des Gebetes und der Hoffnung zu erlangen suchen. Wer das als Religionswissenschaftler vergißt, nachdem er sich — wie nicht anders möglich — in die Reihe der Verächter des Zaubers gestellt hat, der verkürzt die Erscheinungen, deren Erforschung er sich zur Aufgabe gemacht hat. Erst wenn das gebührend bedacht ist, kann der Kontext gefunden werden, in dem die Sätze des Ägyptologen und Religionswissenschaftlers S. Morenz ihren sinnvollen Ort erhalten: „ E s gibt auch zwischen der Ethik als Gott wohlgefälligem Leben und dem Ritualismus als Vater des Zaubers eine Gemeinsamkeit — die des gezielten menschlichen Handelns. Allein, wir würden das Kind mit dem Bade ausschütten und über dem Solo demütiger Frömmigkeit die Humanität verlieren, wollten wir nicht mit dem ganzen Vollklang des Schlusses sagen, daß es ein tiefer und wesentlicher Unterschied ist, ob m a n sich mit dem Ethos eines ganzen Lebens oder mit einer Handvoll Zauberformeln in den Lauf der Dinge stellt. Achten wir Ägyptens Menschen hoch, daß ihrer viele über dem einen das andere nicht vergessen haben und daß ihnen Gottes große Wirklichkeit trotz der Last ihrer Geschichte gegenwärtig wurde" 1 1 4 . Nachtrag: Zur k o m p l e x e n Gestalt des Gottes Seth vgl. auch H . t e V e l d e , Seth. God of Confusion, 1967. — D a s Alterswerk Plutarchs liegt in einer Neubearbeitung vor: J. G. G r i f f i t h s , Plutarch's D e Iside et Osiride, ed. w i t h Introduction, Translation and Commentary, 1970. — D a s A u f t r e t e n u n d die F u n k t i o n des Mose in der Magie erörtert ausführlich J. G. G a g e r , Moses in Greco-Roman Paganism. Society of Biblical Literature, Monograph Series 16, 1972, bes. S. 134ff. (Moses a n d Magic). E i n Hinweis auf die oben S. 86 behandelte G e m m e IM 455 findet sich S. 157, A n m . 74: N a c h einer Vermutung v o n Morton S m i t h (vgl. auch A J A 71, 1967, S. 417—419) soll die Initiale M Abkürzung für M{rjTr]Q &eov) sein. Diese Auflösung der Abbreviatur ist immerhin möglich; vgl. M. A v i - Y o n a h , Abbreviations in Greek Inscriptions. Q D A P Suppl. I X , 1940, S. 82ff. — obgleich für die Gottesmutter eher eine Kürzung aus 2—5 B u c h s t a b e n erwartet werden sollte. Sachlich erheben sich B e d e n k e n ; Die Szene m ü ß t e dann einleuchtend aus der Marienlegende interpretiert werden können.

LABIB HABACHI

Sethos I's Devotion to Seth and Avaris Hierzu Tafeln V - V I

Much has been said about Avaris, its original position, when it became important, in which period it was chosen as capital and when it was finally deserted. Up till now scholars differ as to the place it used to occupy; some still retain the old idea of its identification with Tanis, but more believe now that it stood in the area round the village of Khata'na, some thirty kilometres to the south. The prevailing idea about its place in history is t h a t it became important only with the occupation of the country by the Hyksos, when it was chosen as capital, and t h a t it was finally deserted at their expulsion 1 . " 4 Gott und Mensch, S. 155. For the whole question, see the recent book of V a n S e t e r s , The H y k s o s : A N e w Investigation, pp. 127ff,

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halten zu werden. I m Bewußtsein der Vereinfachung komplizierter Tatbestände darf deshalb der Satz gewagt werden: Der Zauber ist die Religion der armen Leute. Wer wirtschaftlich benachteiligt ist und nicht sehr viel gelernt hat, wer einfachen Sinnes ist und Not leidet — Angst, Unsicherheit, verschmähte Liebe, Unrecht, Mangel, Krankheit, Tod —, der begibt sich nicht gern in die kalte Luft, in der die Hochgötter hausen, weil er dort zu allen seinen Nöten auch noch frieren muß. E r verharrt im Dunstkreis des Zaubers: Für ihn muß der Zauber leisten, was andere auf dem Wege der Demut, der Buße, des Gebetes und der Hoffnung zu erlangen suchen. Wer das als Religionswissenschaftler vergißt, nachdem er sich — wie nicht anders möglich — in die Reihe der Verächter des Zaubers gestellt hat, der verkürzt die Erscheinungen, deren Erforschung er sich zur Aufgabe gemacht hat. Erst wenn das gebührend bedacht ist, kann der Kontext gefunden werden, in dem die Sätze des Ägyptologen und Religionswissenschaftlers S. Morenz ihren sinnvollen Ort erhalten: „ E s gibt auch zwischen der Ethik als Gott wohlgefälligem Leben und dem Ritualismus als Vater des Zaubers eine Gemeinsamkeit — die des gezielten menschlichen Handelns. Allein, wir würden das Kind mit dem Bade ausschütten und über dem Solo demütiger Frömmigkeit die Humanität verlieren, wollten wir nicht mit dem ganzen Vollklang des Schlusses sagen, daß es ein tiefer und wesentlicher Unterschied ist, ob m a n sich mit dem Ethos eines ganzen Lebens oder mit einer Handvoll Zauberformeln in den Lauf der Dinge stellt. Achten wir Ägyptens Menschen hoch, daß ihrer viele über dem einen das andere nicht vergessen haben und daß ihnen Gottes große Wirklichkeit trotz der Last ihrer Geschichte gegenwärtig wurde" 1 1 4 . Nachtrag: Zur k o m p l e x e n Gestalt des Gottes Seth vgl. auch H . t e V e l d e , Seth. God of Confusion, 1967. — D a s Alterswerk Plutarchs liegt in einer Neubearbeitung vor: J. G. G r i f f i t h s , Plutarch's D e Iside et Osiride, ed. w i t h Introduction, Translation and Commentary, 1970. — D a s A u f t r e t e n u n d die F u n k t i o n des Mose in der Magie erörtert ausführlich J. G. G a g e r , Moses in Greco-Roman Paganism. Society of Biblical Literature, Monograph Series 16, 1972, bes. S. 134ff. (Moses a n d Magic). E i n Hinweis auf die oben S. 86 behandelte G e m m e IM 455 findet sich S. 157, A n m . 74: N a c h einer Vermutung v o n Morton S m i t h (vgl. auch A J A 71, 1967, S. 417—419) soll die Initiale M Abkürzung für M{rjTr]Q &eov) sein. Diese Auflösung der Abbreviatur ist immerhin möglich; vgl. M. A v i - Y o n a h , Abbreviations in Greek Inscriptions. Q D A P Suppl. I X , 1940, S. 82ff. — obgleich für die Gottesmutter eher eine Kürzung aus 2—5 B u c h s t a b e n erwartet werden sollte. Sachlich erheben sich B e d e n k e n ; Die Szene m ü ß t e dann einleuchtend aus der Marienlegende interpretiert werden können.

LABIB HABACHI

Sethos I's Devotion to Seth and Avaris Hierzu Tafeln V - V I

Much has been said about Avaris, its original position, when it became important, in which period it was chosen as capital and when it was finally deserted. Up till now scholars differ as to the place it used to occupy; some still retain the old idea of its identification with Tanis, but more believe now that it stood in the area round the village of Khata'na, some thirty kilometres to the south. The prevailing idea about its place in history is t h a t it became important only with the occupation of the country by the Hyksos, when it was chosen as capital, and t h a t it was finally deserted at their expulsion 1 . " 4 Gott und Mensch, S. 155. For the whole question, see the recent book of V a n S e t e r s , The H y k s o s : A N e w Investigation, pp. 127ff,

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L. H a b a c h i: Sethos I's Devotion to Seth a n d Avaris

[100. B a n d

Here we are publishing two objects erected by Sethos I, showing clearly t h a t the town continued to be of importance long after the expulsion of the Hyksos. This will lead us to speak of the town and of Seth, its main god. I t will be shown that it was of some importance before the occupation of the Hyksos and t h a t it extended far to the north when it was favoured by Ramesses II, chosen by him as capital and baptised after his name as Piramesse. We shall also show t h a t with the end of the Ramesside period, not only Seth, but also Avaris, were persecuted and the names of both were erased in most places they occurred. The first object we are dealing with in the present study is a pedestal kept in the Kunsthistorische Museum in Vienna. Nothing is known about its provenance, not even about the period when it was added to the collection of this Museum. I t was published a long time ago by Bergmann, and since then, in spite of its importance, it has been hardly spoken of again. He states then t h a t it was used as an altar, t h a t the name of the god inscribed on it may be Seth and t h a t of the town may be Avaris 2 . But, as we shall see below, such names were most certainly there, in spite of the fact t h a t they were more or less wholly erased. Since the monuments of this town are rather rare, I am giving here a full description of this monument and an account of its inscriptions, showing t h a t it can give us, together with other monuments of Sethos I, answers to some of the questions enumerated at the beginning of the present study. Moreover we are publishing some views of the

2 Bee, t r a v . 12, 1882, p p . 4ff.

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monument, kindly sent to us by Dr. Koinorzynsky, the Director of the Museum, with permission to publish them. To him we would like to express our deepest gratitude. The pedestal is of quartzite, brownish in colour with dark red and yellow spots, as is usually the case with this kind of stone. I t is square in form, 98 cm. high, 114 cm. every side a t the base, tapering towards the top to be 110 cm., then a torus and a cavetto cornice, decorated with the representation of palm-leaves. Below the torus is a big scene, below which is a decorative element, consisting of rectangles with lines inside, perhaps representing house facades. The scenes and sometimes also the inscriptions are almost the same on each pair of the opposite sides. Thus we have on two of these sides: (A: fig. 1 and C: pi. Va) two figures of the king facing two others, all shown standing with hands lifted to the level of the head, as if supporting some object above. This must be the sign of heaven, seen above them, but for artistic reasons, the hands are not shown touching it. Each figure is represented wearing a pleated, decorated shenti with a tail behind and bearing on the head the khopresh crown from which hangs down the kufia. On the other two sides: (B: fig. 2 and D : pi. Vb) we have only two royal figures facing each other, this time steadying the smi-sign with one foot and binding the lotus and papyrus with the two hands. In one of these scenes (B), the king wears the same dress as in the scenes (A, C), but in the scene on the opposite side (D), the king is shown with the rams-headdress and with a short pleated kilt, having its extremity tied at the waist and hanging down in front.

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[100. Band

On the sides A and C, we find above the figures of the king, two exactly similar inscriptions (a, b), starting from the middle 3 , proceeding in opposite directions and ending in the sides. Each inscription reads: "May live the good god, lord of the Two Lands 4 Menmä'etre; he made as his monument for his father Seth, lord of Avaris, making a pedestal anew for him in stone of quartzite, which the son of R e Sety-Merenptah, given life forever 5 , has made for him". A column of inscription is placed in the middle of the four figures; this reads: "Utterance: The arm of my mother N u t is under my father Seth, lord of Avaris". Each group of the two figures has an inscription, similar to the other; this begins with one vertical line in front of the first person, continues in a second behind him and ends with a third behind the second person. This inscription reads: "The king of Upper and Lower Egypt Menmä'etre, given life forever, the son of Re Sety-Merenptah, like R e forever. Every protection of life behind him like R e forever" 6 . On side D, the same inscriptions appear, except for a few words added or omitted. On side B, we find also two inscriptions, beginning on the top and ending on the sides. Each has the complete titulary of the king; that on the left is the ordinary one, while the other is a different one unattested elsewhere. This latter reads: "May live the Horus Re'-Strong-Bull, Beloved of Re', the two Mistresses 'Established-of-Monuments-in-the-Great-Mansion-of-Mä'et' 7 , the Golden Horus 'Beneficient-to-his-Fathers, Exalting-Their-Houses', the son of R e Sety-Merenptah". This titulary is followed by the words: "Beloved of Seth, lord of heaven, given life" 8 . In front of each royal figure is one of the two cartouches of the king, preceded by one of the epithets and followed by a wish. Behind is an inscription of two lines, again giving the cartouches of the king with some wishes relating the king with solar gods, such as R e and Atum. Similar inscriptions are found in front and behind the royal figures in D. On three sides (A, C and D) of the pedestal, the following inscription is seen: "May live the good god, lord of the Two Lands Menma'etre, he made as his monument for his father Seth, lord of Avaris, making for him anew a pedestal in stone of quartzite . . .". This dedication inscription, repeated six times, identifies for us the sovereign responsible for erecting it, the material in which it was made and the reason for its erection. First, the inscription mentions the kind of stone employed in making the pedestal. This is the stone Bi3t, described in the W b as being: Bez. des grobkörnigen, rotbraunen Sandsteins aus dem z. B. die Memnons Kolosse bestehen 9 . Harris speaks in detail of this stone, enumerating four monuments, on which it is said t h a t they were carved in this kind of stone. These are a stela, a statue, a pyramidion and our pedestal 10 . We may add here a naos of the Saitic period found some time ago in Athribis, and now in Cairo Museum (J. E. 88205). Though we know t h a t this kind of stone is found in more than one quarry in various parts of Egypt, Gebel el-Ahmar quarries near Cairo with this kind of stone were extensively worked and there the stone of our pedestal was most probably extracted. Our monument is referred to in all inscriptions by a pictogramme without phonetic complements. Bergmann, in publishing this pedestal, says t h a t it was used as an altar 11 . B u t we have to say t h a t in form, it resembles an object met with twice among the numerous donations made in year 24 of king Tuthmosis I I I and depicted on the wall to the south of the sanctuary of Amenre 3

The sign 'nh in the middle is common for both inscriptions. In C, the epithet "Ruler of Heliopolis" comes next. 5 This last phrase is shown in different ways in the four inscriptions on the two sides. 6 There are a few variants in the four inscriptions, but these do not effect the general meaning. 7 Hwt'it or the Great Mansion is known to stand for the residence of A t u m in Heliopolis, G a u t h i e r , D. G. IV, p. 54. Gauthier, ibid., mentions one single example of H-wt'it Mi't, stating that it stands for a sanctuary, of which the exact position is unknown. This happens on the obelisk of Tuthmosis I in Karnak in a titulary of the king with the mention of Heliopolis and its gods (Urk IV, p. 94). This is the case in our text, and it is quite probable, therefore, that it refers to the same residence of A t u m in Heliopolis. 8 9 On the other side, the god is styled as "Seth, lord of Avaris". W b I, 438: 16. 10 Lexicographical Studies in Ancient Egyptian Minerals, p. 75f. and L u c a s , Materials and Industries 3 , 11 p. 79f. Bee. trav. 12, 1892, p. 4f. 4

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in the Great Temple i n K a r n a k . In one instance it is labelled as: "Ski in much great gold" and in the other as: "three Ski in red granite" 1 2 . In inscription b on side B, the word ski is used in the Golden Horus name, perhaps intentionally to refer to the name of the monument. The earliest monument given t h a t name is the pedestal from the joint reign of Amenemhet I I I and IV 1 3 , now standing in the Chapel of Sesostris I rebuilt in the Great Temple of Amenre in Karnak. Speaking of this pedestal, Kees said t h a t it might have been used for a statue, a naos or a sacred bark 1 4 , but our pedestal must have been used for a sacred bark. I n the middle of the four figured on sides A and C, there is a column of inscription which reads: "Utterance: the arm of my mother N u t is under my father Seth, lord of Avaris"; thus the goddess is carrying the god, undoubtedly in his sacred bark. Again the decoration of the pedestal points to the same use. On two sides four figures lift the sign of heaven, on which the sacred bark is usually carried, while on the other two sides, two other figures are binding the emblematic plants of both parts of Egypt, showing t h a t the king is ruling these two parts through the power of the god. Sacred barks are represented in various temples standing on pedestals with the four figures of the king lifting the heaven sign 13 . Quite similar to this pedestal is the one of Ramesses I I I , now re-erected in Khonsu Temple in Karnak 1 0 . Recently I noticed the presence of two huge blocks in red granite in one of the halls in Luxor Temple. These form a part of a similar stand made b y Amenophis I I I for the sacred bark of Amenre in this Temple 17 . Bergmann said, as we have stated above, t h a t on our stand the god mentioned may be Seth and the town Avaris. B u t as can be clearly seen on A and B sides (figs. 1, 2) and the facsimiles C, D (fig. 3), the names of the god and those of the town, though intentionally erased, can be still C

V I ?

sp(.w). Zie voor deze uitdrukking CT VII 273b ( = Db 136B, 11; B u d g e , 302, 8), 370a, 444b en d; wonden van Osiris: CT I I I 322c, vgl. ook ZÄS 60, 1925, 8. Minder waarschijnlijk: sp, cf. CT I I 156a; WB I I I , 441, 2. 18. snd.t: vgl. voor funeraire aspekten E d e l , Das Akazienhaus und seine Rolle in den Begräbnisriten des alten Ägyptens, Berlin 1970; WB IV, 521, 4. shh : lees wel nhh.

WOLFRAM HERRMANN

Neue Belege für die Kutarät Die Kutarät-Göttinnen waren bislang nur durch Belege in keilalphabetischer Schrift, die außer einem alle von den Grabungen in Ras Schamra stammen, bekannt. In dem Fragment 132 [IV A B III""] werden sie ausdrücklich als eine Gruppe bezeichnet : hbl Jtirt l . Das Appellativum hat in 3 Voor "corruption b y omission of medial r a d i c a l " zie men G a r d i n e r , L a t e - E g y p t i a n Miscellanies, Bruxelles 1937, 139a. 1 Z. 6 [Bei A. H e r d n e r , Corpus des Tablettes en cunéiformes alphabétiques, 1963, erscheint das F r a g m e n t unter der Nr. 11]; E . L i p i n s k i , Les Conceptions et Couches merveilleuses de 'Anath, Syria 42, 1965,45—73 äußert sich u. a. eingehend zu diesem T e x t , dabei auch zu den ktrt. — W e n n V i r o l l e a u d i n seiner Publikation des Textes (Syria 24, 1944/45, 14—17) das Richtige mit seiner Ergänzung traf (S. 15), dann h a t m a n die Benennung als Gruppe a u c h in 76 [ I V A B ] , I I , 3 9 : [hV\l lc[t]rt. B e i der Publikation dieses Stückes (Syria 17,

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W . H e r r m a n n : Neue Belege für die K u t a r â t

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7. im3: zie b. v. W a l l e r t , Die Palmen im Alten Ägypten, Berlin 1962, 60 en 61 (Osiris). iw.f ini.tw : n. b. de uitgestelde plaatsing van het Subjekt en het gebruik van / ; idem r. 11. 7.-8. ini htp: dezelfde terminologie Db 99, 1 - 3 ( = B u d g e , 204, 3-6). 9. isr: vgl. ZÄS 98, 1970, 70 (III, 1, 37/8): goden openen voor Osiris de deuren van de tamarisk, waarin hij blijkbaar huist. 11. n.s : adaptatie van het suffix aan het geslacht van de gestorvene. 13. tr.t: cf. voor de spelling WB V, 385 en 313/8; Anchnesneferibra, r. 420 = Metternichstele, r. 77. Andere vbb. van een (funeraire) konnektie: CT I I I 367 b - c ; Revue d'Égyptologie 16, 1964, 68/9 en 72/3; 18, 1966, 78 en 92 (Hathor en Nebthetepet). m tö: vgl. WB V, 213, 8 - 1 0 ; Hornung, Der Eine und die Vielen, Darmstadt 1971, 224/5. 14. tp.é: foutieve vervanging van de ./ naar analogie van r. 11. h R. : lees: hr R. Rntj = Rnnwt.t ook b. v. Anchnesneferibra, r. 425. Vgl. L a c a u , Études d'Égyptologie I, Le Caire 1970, 43/8. R. en de doden: b. v. B r o e k h u i s , De godin Renenwetet, Assen 1971, 85/7. R. en wilg ook Pyr. 453/4. nb : < r > nb of (onvolledig ? ) epitheton? 15. dpp: dat uit dit hout ook soliede mästen vervaardigd werden, zou men kunnen afleiden uit C e r n y - G a r d i n e r , Hieratic Ostraca, I, Oxford 1957, Pl. L X X X I X , ro, 43. 15.-16. hrp.f r' nb: cf. ZÄS 38, 1900, 30/1. 16. widj : vgl. WB I, 264 en 268 (Boeto), voor de orthografie. hft-n: cf. WB III, 274, 23. 17. imi.k bni.t : vgl. OMRO 31, 1950,102 met n. 755 (vriendelijke verwijzing van Dr Stricker). bni.t: funeraire relaties ook: W a l l e r t , o. c., 135/9; Revue d'Égyptologie 15, 1963, 158,9 en 160. h'w-ntr: cf. voor Osiris als boom Balsemingsritueel, VII, 12 (ed. S a u n e r o n , 25, 3). iri.t: zonder objektssuffix. Analoog: Sinai 54, 8 - 9 . iw Wsir : hierna wellicht: pég < n > sp(.w). Zie voor deze uitdrukking CT VII 273b ( = Db 136B, 11; B u d g e , 302, 8), 370a, 444b en d; wonden van Osiris: CT I I I 322c, vgl. ook ZÄS 60, 1925, 8. Minder waarschijnlijk: sp, cf. CT I I 156a; WB I I I , 441, 2. 18. snd.t: vgl. voor funeraire aspekten E d e l , Das Akazienhaus und seine Rolle in den Begräbnisriten des alten Ägyptens, Berlin 1970; WB IV, 521, 4. shh : lees wel nhh.

WOLFRAM HERRMANN

Neue Belege für die Kutarät Die Kutarät-Göttinnen waren bislang nur durch Belege in keilalphabetischer Schrift, die außer einem alle von den Grabungen in Ras Schamra stammen, bekannt. In dem Fragment 132 [IV A B III""] werden sie ausdrücklich als eine Gruppe bezeichnet : hbl Jtirt l . Das Appellativum hat in 3 Voor "corruption b y omission of medial r a d i c a l " zie men G a r d i n e r , L a t e - E g y p t i a n Miscellanies, Bruxelles 1937, 139a. 1 Z. 6 [Bei A. H e r d n e r , Corpus des Tablettes en cunéiformes alphabétiques, 1963, erscheint das F r a g m e n t unter der Nr. 11]; E . L i p i n s k i , Les Conceptions et Couches merveilleuses de 'Anath, Syria 42, 1965,45—73 äußert sich u. a. eingehend zu diesem T e x t , dabei auch zu den ktrt. — W e n n V i r o l l e a u d i n seiner Publikation des Textes (Syria 24, 1944/45, 14—17) das Richtige mit seiner Ergänzung traf (S. 15), dann h a t m a n die Benennung als Gruppe a u c h in 76 [ I V A B ] , I I , 3 9 : [hV\l lc[t]rt. B e i der Publikation dieses Stückes (Syria 17,

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W . H e r r m a n n : Neue Belege f ü r die K u t a r ä t

105

der 1 Sam 10,5.10 vorkommenden Genetivverbindung D,4jt,31 *?an als Benennung für eine Schar von Ekstatikern die gleiche Bedeutung. Die Lesung des Eigennamens ist trotz des schlechten Erhaltungszustandes kaum zweifelhaft, denn die Reste des Kontextes lassen erkennen, daß dort von einer Begattung der Göttin Anat 2 die Rede war. Im unmittelbaren Zusammenhang mit der daraufhin erfolgenden Geburt erscheinen die Mrt. Daß sie dabei tatsächlich ihre Funktion haben, geht aus dem Teil des sogenannten AqhatEpos hervor, der von der Geburt des Prinzen Aqhat berichtet 3 . Freilich assistieren sie nicht erst bei der Geburt selbst, sondern sorgen vorher dafür, daß die Königin schwanger wird und schließlich einen Sohn gebiert. Nachdem nämlich der König Dan'il erfahren hat, wie Baal bei dem Götterfürsten El für ihn eintrat, lädt er nach seiner Rückkehr in den Palast — wahrscheinlich nach einer Inkubation im Heiligtum — zuallererst die Kutarät ein und bewirtet sie eine Woche lang, offenbar, um sie sich günstig zu stimmen 4 . Dahinter steht zweifelsohne die Uberzeugung, daß eine Geburt kein natürlicher und selbstverständlicher Vorgang ist, sondern der jeweiligen Fürsorge der dafür zuständigen Göttinnen bedurfte. Werden die ktrt in diesem Zusammenhang nicht durch einen entsprechenden Begriff als Gruppe prädiziert, so aber durch die mehrfach gebrauchte doppelte Apposition bnt hll snnt5. In ihr stellt hll den Namen des Neumondes 6 oder vielleicht eher des Morgensterns7 dar, während sie mittels des Ausdrucks snnt in ihrer Funktion, das Heranwachsen des Kindes im Mutterleibe zu fördern, umschrieben werden 8 . Demnach heißen sie die „Töchter des Hll, die Bildnerinnen". Eine hervorragende Rolle spielen die ktrt, die dort Z. 11 und 40 ausdrücklich als Göttinnen ('ilhtktrt) apostrophiert sind, in dem Text 77 [NK], wo sie geradezu, wie ich glaube nachgewiesen zu haben 9 , die dominierende Stelle einnehmen 10 . Sie sorgen für die Gewinnung der Braut, für eine glückliche Geburt und das Aufwachsen des Kindes. Auch hier tragen sie mehrfach die Qualifikation bnt hll snntll. Nach Z. 47-50 handelt es sich — wenn die Auffassung richtig ist — um sieben Göttinnen, deren Namen sich dort sogar aufgezählt finden12. 1936, 150-173) h a t t e Vir. in I I , 39 u m s c h r i e b e n : ]l k( ?)[«( ?)]rt u n d i m K o m m e n t a r dazu (S. 163) g e s a g t : „ P e u t - ê t r e [hb]l ksrt, d ' a p r è s u n f r a g m e n t i n é d i t " (Vir. umschrieb den K o n s o n a n t e n t m i t a). D r i v e r (Canaanite M y t h s a n d Legends, 1956, S. 116) u m s c h r e i b t : ]iktri; G o r d o n (Ugaritic T e x t b o o k , 1965): ]Ir[ ]rt; H e r d n e r (CTA N r . 10) : ]lk[ ]i. Der Begriff hbl ist s o n s t n i c h t f ü r eine G ö t t e r g r u p p e belegt. 2 E i n sachlich ähnlicher Abschnitt liegt 76 [ I V AB], I I I , 8 - 1 3 v o r . 3 Zur F u n k t i o n der ktrt in diesem Sinne h a t t e n sich schon vor längerer Zeit A. v a n S e l m s , Marriage u n d F a m i l y Life in Ugaritic L i t e r a t u r e , 1954, S. 85—87, u n d F . L e k k e g a a r d , T h e C a n a a n i t e Divine W e t nurses, S t u d i a Theologica, 10, 1956, 53—64 (s. S. 55—60), g e ä u ß e r t ; s p ä t e r wieder L i p i n s k i , a. a. O. S. 65. 4 2 Aq [ I I D] I I , 2 6 - 4 0 [ = CTA 17]; der T e x t w u r d e publiziert d u r c h C. V i r o l l e a u d , L a Légende phénicienne de Danel, 1936; V. spricht d o r t S. 94f. u n d 105f. zu den „déesses K ô s a r ô t " , seine Position ist freilich h e u t e aufgegeben. 5 Z. 26f. 31. 33f. 36. 38. 40. 6 N a c h E . S c h r ä d e r , Die Keilinschriften u n d das Alte T e s t a m e n t , 3. Aufl. v o n H . Z i m m e r n u. H . W i n e k l e r , 1903, S. 565 A n m . 7, offb. die Mondsichel (arab. hilâl); in t h a m u d i s c h e n I n s c h r i f t e n ist H i l ä l der N e u m o n d (s. H . W. H a u ß i g , W ö r t e r b u c h der Mythologie B d . 1, 1965, S. 447); s. noch i m K o m m e n t a r zu Z. 6 des u n t e n A n m . 9 g e n a n n t e n Buches. 7 Liegt n a c h J e s 14, 12 i n t f - J à V r n (vieil, besser VTH ZU p u n k t i e r e n ; „Heläl, der Sohn der Morgenröte") n ä h e r ; so H . G u n k e l , S c h ö p f u n g u n d Chaos in Urzeit u n d E n d z e i t , 1895, S. 133f.; neuerdings wieder W . B a u m g a r t n e r , Israelitisch-Griechische Sagenbeziehungen, Schweizerisches Archiv f ü r Volkskunde 41, 1944, 1—29 = Z u m Alten T e s t a m e n t u n d seiner U m w e l t — ausgewählte Aufsätze, 1959, 147—178 (s. S. 157). 8 D a s V e r s t ä n d n i s dieses Begriffes v e r d a n k e n wir J . A i s t l e i t n e r ; s. Die mythologischen u n d kultischen T e x t e a u s R a s S c h a m r a , 1959 (1964), S. 109 ( „ d ü r f t e sich auf die kunstvolle Bildung des E m b r y o s beziehen"); W ö r t e r b u c h der ugaritischen Sprache, 2. Aufl. 1965, N r . 1927: vergleicht a r a b . sanna ' f o r m e n , bilden'. 9 Y a r i h u n d N i k k a l u n d der Preis der K u t a r ä t - G ö t t i n n e n — ein kultisch-magischer T e x t aus R a s S c h a m r a , 1968 [ = CTA 24], 10 I m T e x t f ü n f m a l g e n a n n t : Z. 5f. 11. 15. 40. 50. " Z. 6. 15. 40f. 12 Anderweitig nicht belegt; Virolleaud, Gordon u n d Driver e r k e n n e n n u r in prbht den E i g e n n a m e n einer der ktrt, L o k k e g a a r d n i m m t 3 N a m e n a n , v. S e l m s u n d R i n a l d i (Osservazioni sul testo ugaritico del dio 8*

106

W . H e r r m a n n : N e u e Belege f ü r die K u t a r ä t

[100. B a n d

Der Text 609 [558], in welchem u. a. Opfergaben für einzelne Götter verzeichnet stehen 13 , weist aus, daß die ktrt in Ras Schamra auch kultische Verehrung genossen und mit Opfertieren bedacht waren 14 . Ferner ist es jetzt möglich, nach noch unpublizierten Fundstücken 1 5 in dem Text 17 [17], einer Götterliste, Z. 13 ktrt zu ergänzen 16 . Schließlich liegt in einem akkadischen Text aus Ras Schamra dsa-sti-ra-tum als Äquivalent zu ktrt vor 17 , ein hier erstmalig aufgetauchtes Feminimum zu sasurru, das eine Göttin, die für das Gebären zuständig ist, benennt 18 . Dem eindringenden Studium de Moors verdanken wir die Erkenntnis, daß die ^¿-Göttinnen zu dem Kreis der bedeutendsten Gottheiten in Ugarit gehörten 19 . Es nimmt deshalb nicht wunder, sie auch außerhalb der Grenzen des Staates Ugarit anzutreffen, wie ein gleichfalls in alphabetischer Keilschrift abgefaßter Text, der bei Beth-Schemesch in Palästina zutage kam 2 0 , erkennen läßt. Freilich wird er von Gordon für undeutbar erklärt, doch hat mit aller Wahrscheinlichkeit Albright das richtige Verständnis gefunden, wonach diese Göttinnen auch in Palästina die gleiche Funktion wie in Ugarit hatten, indem sie in der Tafel angerufen werden, einer Frau zur glücklichen Geburt eines Kindes zu verhelfen 21 . Nun fügt es sich gut, daß ein weiterer und zwar aus Ägypten stammender Beleg für die ktrt vor noch nicht allzu langer Zeit a.uftauchte, wodurch die Gruppe stärker an Profil gewinnt und sich bestätigt, daß sie nicht lokal begrenzt war, sondern überhaupt — wie das schon von einer Reihe anderer Gottheiten bekannt ist — zu der kanaanäischen Religionswelt als relativ geschlossener Einheit gehörte. Zu den bisher bekannten Göttern, die während des Neuen Reiches aus dem syrisch-palästinischen Raum nach Ägypten eindrangen, gesellt sich mithin ein neuer Name. Im Jahre 1966 hat Abd el-Mohsen Bakir einen aus Deir el-Medineh stammenden 2 2 und in hieratischer Schrift während der 19. Dyn. abgefaßten Papyrus veröffentlicht 23 , den der Herausgeber als „a mythological calendar of favourable and adverse days throughout the whole year" charakterisiert. lunare (Jrh) e N i k k a l , A e g y p t u s 34, 1954, 193—210) 4; d a ß hier (alle) sieben N a m e n vorliegen, w u r d e erstmalig von A i s t l e i t n e r v e r t r e t e n (Die N i k k a l - H y m n e aus R a s Schamra, ZDMG 93, 1939, 52—59); neuerdings h a b e n sich d a f ü r wieder ausgesprochen: L i p i n s k i , a. a. O. S. 65—67 (geht dort auf Belege in a n d e r e n Kult u r e n des Alten Orients m i t gleichen G r u p p e n gleicher F u n k t i o n ein); A. J i r k u , Der M y t h u s der K a n a a n ä e r , 1966, S. 63; H . G e s e , Die Religionen Altsyriens, Die Religionen der Menschheit 10, 2 (1970), S. 165 (konstatiert n u r die Z a h l 7); J . C. de M o o r , T h e Semitic P a n t h e o n of U g a r i t , H F 2, 1970, 187-228 (s. S. 200). " Der T e x t w u r d e b e a r b e i t e t v o n de M o o r , U F 2, 1970, 3 0 6 - 3 1 2 . • 14 R e c t o Z. 5; Verso Z. 3 (hier m i t einem Schreibfehler: w ->-> s t a t t r —>). « R S 24. 264 u. 280; s. H e r d n e r , CTA, S. 292. 16 Dagegen ist es verfehlt, in 128 [ I I I K ] , I I , 26 [ = CTA 15] ktrt anstelle v o n 'atrt Jesen zu wollen, so L o k k e g a a r d , a. a. O. S. 61 - L i p i n s k i , a. a. O. S. 67, will in d e m P l u r a l 'arht 76 [ I V AB], I I I , 2 [ = CTA 10] eine Bezeichnung f ü r die ktrt sehen, weil die H a t h o r (erinnert z u m Vergleich f ü r die 7 ktrt an die 7 H a t h o r e n , S. 65f.) in Gestalt einer K u h dargestellt w u r d e . D a s ist m . E . eine unwahrscheinliche, weil zu weit hergeholte V e r m u t u n g . " R S 20. 24 Z. 12 (s. Ugaritica V, 1968, S. 45. 50. 63). 18 (Göttl.) M u t t e r l e i b ; zur B e d e u t u n g (Mutterleib, Mutterschoß) s. Assyrisch-Englisch-Deutsches H a n d w ö r t e r b u c h , hrsg. v . W . M u s s - A r n o l t , 1905; A . L . O p p e n h e i m , M e s o p o t a m i a n Mythology I I I , Or 19, 1950, 1 2 9 - 1 5 8 (s. S. 134 A n m . 3); R . B o r g e r , Babylonisch-assyrische Lesestücke, 1963, H . 1, S. L X X X I I . 19 Semitic P a n t h e o n , s. bes. S. 2 1 7 f . ; allerdings wohl erst e i n m a l als t h e o p h o r e s E l e m e n t in einem Pers o n e n n a m e n a u f g e t a u c h t : bn ktr[t 2163 [548], I I , 5. 20 500 [A]; publiziert v o n E . G r a n t , B A S O R 52, 1933, 4. 21 T h e B e t h - S h e m e s h Tablet in A l p h a b e t i c Cuneiform, B A S O R 173, 1964, 5 1 - 5 3 ; A l b r i g h t liest den T e x t so: hl htqktrt hqnfyi ['tl( '! )] rrflt ''w^(t)dm mi[i] r fel; L i p i n s k i , a. a. O. S. 65, m e i n t anders ergänzen zu sollen (. . . ktrt hqn[yt( ? ) m( '! )yl]dt . . .; s. d a z u A n m . 4) u n d sagt z u m V e r s t ä n d n i s dieses T e x t e s a u s P a l ä s t i n a : „Le t e x t e contient p r o b a b l e m e n t u n e f o r m u l e d ' i n c a n t a t i o n , destinée à c o n j u r e r les m a l h e u r s auxquels p o u v a i t être exposé le n o u v e a u - n é " . 22 N a c h den A n g a b e n des Kairiner A n t i q u i t ä t e n h ä n d l e r s , von d e m Bakir 1943 den P a p y r u s e r w a r b , s t a m m t er aus T h e b e n . B. n i m m t genauer Dezr el-Medîneh (Theben-West) an, weil m a n dort ähnliche F u n d e g e m a c h t h a t ; s. S. 1 der sogleich zu n e n n e n d e n P u b l i k a t i o n . 23 The Cairo Calendar No. 86637, 1966; jetzt i m Ägyptischen M u s e u m zu Kairo.

1974]

W. H e r r m a n n : Neue Belege für die Kutarät

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D o r t findet sich im 2. Buch u n t e r der Angabe „4. Monat, 9. Tag" in einem auf mythische Vorgänge anspielenden K o n t e x t 2 4 die Gottesbezeichnung ^ Bakir gibt in seinem k n a p p gehaltenen K o m m e n t a r 2 5 dazu folgende E r l ä u t e r u n g : „ K s r t : A divinity in Memphis, it is the Syrian God Kosar" 2 6 . Bakir meint den im syrisch-phönikischen Bereich verehrten Gott Mr. Eine Identifizierung mit ihm trifft jedoch nicht das Richtige. Sie verbietet sich wegen der Femininendung u n d des Determinativs. Man h a t hier m. E . vielmehr eine Übernahme des kanaanäischen N a m e n s ktrt vorauszusetzen 2 7 . N u n ist dabei bemerkenswert, daß die ägyptische Schreibung des Namens der K u t a r ä t , die, wie oben gezeigt werden konnte, eine Gruppe von offensichtlich sieben Göttinnen darstellen, durch einen Singular geschieht. E s wäre aber verfehlt, wollte m a n annehmen, die Göttinnen seien auf ihrem Weg nach Ägypten zu einem Einzelwesen zusammengeschmolzen oder aber in dem Ägypten benachbarten Palästina habe man auch schon n u r eine Göttin dieses Namens gek a n n t . Vielmehr m u ß man zur D e u t u n g des Tatbestandes auf das Problem der Einheit u n d Vielheit rekurrieren, wie sich die Götter bzw. das Göttliche dem Glauben der Ägypter darstellten. Hier genügt es, darauf zu verweisen, daß gerade auch Geburtsgöttinnen 2 8 als Einzelwesen sowohl wie in einer Vielzahl vorkommen. I m übrigen h a t sich zu der Frage der Aufspaltung oder Verbindung eines Gottes auf Grund seiner Verehrung an vielen K u l t s t ä t t e n , der Verbindung unterschiedlicher Götter zu einer Einheit, ermöglicht dadurch, daß die ägyptischen Götter zwar Personen, aber keine Individuen waren, keine individuelle Prägung hatten, u n d dem einen Göttlichen hinter der Vielgestaltigkeit der Göttarwelt in aufhellender Weise der Gelehrten geäußert, dessen ehrendem Andenken diese Zeilen gewidmet sind 2 9 . Von Interesse ist schließlich, an welcher Stelle m a n die Jctrt-Göttin in die ägyptische Mythenwelt eingegliedert trifft. Die Bemerkungen an der oben genannten Stelle des P a p y r u s spielen auf die täglich sich wiederholende F a h r t des Sonnengottes an. Der Passus lautet in Bakirs Übersetzung: „Speech b y the Majesty of R e ' in t h e presence of t h e great ones. Thereupon, these gods together with T h o t h caused t h e enemy of Seth to kill himself in his sanctuary. I t is this t h a t has been done b y t h e executioners of Kesert until this day". I n seinem K o m m e n t a r bemerkt er dazu, es handle sich offenbar u m die Verteidigung der Sonnenbarke durch Seth u n d der Feind, der sich selbst tötet, d ü r f t e Apophis sein. Dieser mythische Vorgang spielt in dem sogenannten A m d u a t eine Rolle 3 0 . I n der siebenten Stunde der N a c h t f a h r t durch die Unterwelt trifft der Sonnengott auf Apophis, der von Seth u n d Isis durch Zauber unschädlich gemacht wird 3 1 . Weitere Gottheiten helfen im K a m p f gegen das Chaoswesen. Neuerlich h a t sich H . Te Velde zur Sache g e ä u ß e r t 3 2 u n d betont, in der Sonnenbarke nehme prinzipiell das gesamte P a n t h e o n den K a m p f mit dem Chaosungeheuer auf 3 3 . Vornehmlich handelt es sich u m Götter, aber auch Göttinnen können in der Vorstellung der Ägypter an dem Strauß teilhaben. E s erscheint begreiflich, die kanaanäische Geburtsgöttin hier eingeordnet zu finden, wo die Auseinandersetzung darauf abzielt, die neue Geburt des R e zu gewährleisten, glaubte doch der Ägypter auch von der Göttin H a t h o r , d a ß sie als Helferin bei der Geburt ebenso ihre F u n k t i o n in der Fehde mit dem Feinde des R e hatte. 24

Recto X V I I , 11. Er verspricht eine gesonderte, eingehende Behandlung der aus der Lehre von Memphis und Heliopolis sich herleitenden mythologischen Eintragungen (S. 85). 26 S. 72. 27 Nach W. H e l c k , Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. und 2. Jt. v. Chr., 1962, S. 590f., ist die Wiedergabe von semitischem t durch ägyptisches —»— durchaus normal; neu wäre die Wiedergabe von semit. k durch A (statt, wie üblich, durch — * o. ä.). 28 So die Meschenet, Renenet und Thoeris. 29 S. M o r e n z , Ägyptische Religion, 1960, S. 146—156; s. ebenso vom gleichen Verfasser: Gott und Mensch im alten Ägypten, 1964, S. 115f.; vgl. jetzt wieder bei E. H o r n u n g , Der Eine und die Vielen, 1971, S. 82—90. 30 Siehe E. H o r n u n g , Das Amduat — Die Schrift des verborgenen Raumes, 1963 (zusammengestellt 31 nach Texten des Neuen Reiches). Mittleres Register. 32 33 Seth, God of Confusion, 1967; Kap. 4: Seth repelling Apopis, S. 99-108. S. 106. 25

108

M. K r a u s e : Die Koptologie

[100. B a n d

Endlich macht es sich erforderlich, auf die von J . Leibovitch 3 '* veröffentlichte kleine Stele zurückzukommen. Die auf ihr dargestellte Gottheit, welcher eine ägyptische Familie huldigt, hat den Namen A ^ ^ ^ den Leibovitch Qeser oder Qeserti liest. E r gleicht damit — wie kürzlich auch Bakir verfuhr — den syrischen Gott ktr (Kousor) und meint, die Femininendung erkläre sich von daher, daß der Name von einer geographischen Bezeichnung abgeleitet sei. Diese Vermutung ist jedoch wenig wahrscheinlich. Näher liegt die Annahme, in der Stele, deren Herkunft unbekannt ist 3 5 und die nach Leibovitch mutmaßlich in die 19. Dyn. gehört, einen schon länger bekannten Beleg f ü r das Vorkommen der kanaanäischen ktrt auf ägyptischem Boden vorliegen zu haben. Denn bis auf das Determinativ hat man hier die gleiche Schreibung des Namens wie in dem Kairiner Papyrus, von dem oben die Rede war. Vielleicht war hier aber auch das Zeichen f ü r die Göttin intendiert und gelang nur dem Steinmetzen bei der Kleinheit des Steines 36 nicht recht. Es ist überdies nicht sicher, ob die göttliche Figur mit Bart gemeißelt sein soll oder die erkennbare Andeutung eines solchen eine andere Erklärung finden muß. Dazu bedarf es freilich der Nachprüfung am Original. Zuletzt mag noch bedacht werden, daß man den langen Rock vorwiegend bei Göttinnen antrifft. Mögen die angestellten Überlegungen auch nicht absolut zwingend sein, so wiegt dagegen die Schreibung des Namens im Vergleich mit dem jüngst bekannt gewordenen Zeugnis relativ schwer, um mit Recht in der Gottheit dieser Votivstele 37 ein Reliefbild der spätestens während der 19. Dyn. aus dem kanaanäischen Bereich nach Ägypten eingedrungenen Göttin Ictrt zu sehen 38 .

MARTIN K R A U S E

Die Koptologie im Gefüge der Wissenschaften 1 Die Erschließung neuer Quellen, die Intensivierung der Forschung führen immer wieder zur Entstehung neuer Disziplinen, indem ein großes Gebiet sich in Forschungsbereiche unterteilt. Das beste Beispiel hierfür im Bereiche der Philosophischen Fakultät ist die klassische Altertumskunde. Sie hat sich nicht nur in Philologie, Geschichte und Archäologie aufgespalten, sondern unterteilt z . B . die Philologie noch in klassische Philologie, Byzantinistik und mittellateinische Philologie. Denselben Vorgang der Aufgliederung erleben wir jetzt auch in dem wesentlich jüngeren Fach der Ägyptologie 2 . Die ägyptologische Forschung umfaßt einen Zeitraum von mehreren J a h r U n nouveau Dieu figypto-Cananeen, A S A E 48, 1948, 4 3 5 - 4 4 4 . L. vermutet Herkunft aus Heliopolis oder Memphis. 36 23,5 x 15,6 cm. 37 L. dachte an eine Grabstele. Die oben ausgesprochene Bestimmung dürfte hingegen eher das Richtige treffen. 38 E s sei abschließend noch vermerkt, daß — worauf L i p i n s k i , a. a. O. S. 65 aufmerksam macht — vielleicht noch ein dritter Beleg für das Vorkommen der ktrt in Ägypten vorliegt, nämlich bei Philo von Byblos (Eusebius, Praeparatio evangelica I, 10, 43), der den Namen Xovaao&ig als andere Benennung für 0OVQ(O (vielleicht Thoeris) erwähnt ( &OVOOJ re r\ /xerovo/xao&eioa XovaaQ&IG). 1 Dieser Aufsatz ist die u m Anmerkungen vermehrte, a m 3. 12. 1966 in Münster gehaltene Antrittsvorlesung, die nur unwesentlich verändert wurde. Sie wurde angeregt von der Basler Antrittsvorlesung meines Leipziger Lehrers S. M o r e n z , Die Ägyptologie i m Kosmos der Wissenschaften in: Saeculum 12, 1961, 345—357 und ist seinem Gedenken gewidmet. Manuskriptschluß Juli 1971. 2 Zur Geschichte der Ägyptologie vgl. H . K e e s in: Handbuch der Orientalistik ( = HO) 1, 1 Ägyptische Schrift und Sprache, Leiden 1959, 3—18 (mit Lit.); E. H o r n u n g , Einführung in die Ägyptologie, Darmstadt 1967, 9 - 1 4 (mit Lit.). 35

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Endlich macht es sich erforderlich, auf die von J . Leibovitch 3 '* veröffentlichte kleine Stele zurückzukommen. Die auf ihr dargestellte Gottheit, welcher eine ägyptische Familie huldigt, hat den Namen A ^ ^ ^ den Leibovitch Qeser oder Qeserti liest. E r gleicht damit — wie kürzlich auch Bakir verfuhr — den syrischen Gott ktr (Kousor) und meint, die Femininendung erkläre sich von daher, daß der Name von einer geographischen Bezeichnung abgeleitet sei. Diese Vermutung ist jedoch wenig wahrscheinlich. Näher liegt die Annahme, in der Stele, deren Herkunft unbekannt ist 3 5 und die nach Leibovitch mutmaßlich in die 19. Dyn. gehört, einen schon länger bekannten Beleg f ü r das Vorkommen der kanaanäischen ktrt auf ägyptischem Boden vorliegen zu haben. Denn bis auf das Determinativ hat man hier die gleiche Schreibung des Namens wie in dem Kairiner Papyrus, von dem oben die Rede war. Vielleicht war hier aber auch das Zeichen f ü r die Göttin intendiert und gelang nur dem Steinmetzen bei der Kleinheit des Steines 36 nicht recht. Es ist überdies nicht sicher, ob die göttliche Figur mit Bart gemeißelt sein soll oder die erkennbare Andeutung eines solchen eine andere Erklärung finden muß. Dazu bedarf es freilich der Nachprüfung am Original. Zuletzt mag noch bedacht werden, daß man den langen Rock vorwiegend bei Göttinnen antrifft. Mögen die angestellten Überlegungen auch nicht absolut zwingend sein, so wiegt dagegen die Schreibung des Namens im Vergleich mit dem jüngst bekannt gewordenen Zeugnis relativ schwer, um mit Recht in der Gottheit dieser Votivstele 37 ein Reliefbild der spätestens während der 19. Dyn. aus dem kanaanäischen Bereich nach Ägypten eingedrungenen Göttin Ictrt zu sehen 38 .

MARTIN K R A U S E

Die Koptologie im Gefüge der Wissenschaften 1 Die Erschließung neuer Quellen, die Intensivierung der Forschung führen immer wieder zur Entstehung neuer Disziplinen, indem ein großes Gebiet sich in Forschungsbereiche unterteilt. Das beste Beispiel hierfür im Bereiche der Philosophischen Fakultät ist die klassische Altertumskunde. Sie hat sich nicht nur in Philologie, Geschichte und Archäologie aufgespalten, sondern unterteilt z . B . die Philologie noch in klassische Philologie, Byzantinistik und mittellateinische Philologie. Denselben Vorgang der Aufgliederung erleben wir jetzt auch in dem wesentlich jüngeren Fach der Ägyptologie 2 . Die ägyptologische Forschung umfaßt einen Zeitraum von mehreren J a h r U n nouveau Dieu figypto-Cananeen, A S A E 48, 1948, 4 3 5 - 4 4 4 . L. vermutet Herkunft aus Heliopolis oder Memphis. 36 23,5 x 15,6 cm. 37 L. dachte an eine Grabstele. Die oben ausgesprochene Bestimmung dürfte hingegen eher das Richtige treffen. 38 E s sei abschließend noch vermerkt, daß — worauf L i p i n s k i , a. a. O. S. 65 aufmerksam macht — vielleicht noch ein dritter Beleg für das Vorkommen der ktrt in Ägypten vorliegt, nämlich bei Philo von Byblos (Eusebius, Praeparatio evangelica I, 10, 43), der den Namen Xovaao&ig als andere Benennung für 0OVQ(O (vielleicht Thoeris) erwähnt ( &OVOOJ re r\ /xerovo/xao&eioa XovaaQ&IG). 1 Dieser Aufsatz ist die u m Anmerkungen vermehrte, a m 3. 12. 1966 in Münster gehaltene Antrittsvorlesung, die nur unwesentlich verändert wurde. Sie wurde angeregt von der Basler Antrittsvorlesung meines Leipziger Lehrers S. M o r e n z , Die Ägyptologie i m Kosmos der Wissenschaften in: Saeculum 12, 1961, 345—357 und ist seinem Gedenken gewidmet. Manuskriptschluß Juli 1971. 2 Zur Geschichte der Ägyptologie vgl. H . K e e s in: Handbuch der Orientalistik ( = HO) 1, 1 Ägyptische Schrift und Sprache, Leiden 1959, 3—18 (mit Lit.); E. H o r n u n g , Einführung in die Ägyptologie, Darmstadt 1967, 9 - 1 4 (mit Lit.). 35

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tausenden, beginnend mit der Vorgeschichte im 5. vorchristlichen Jahrtausend, und viele Gebiete, wie die ägyptische Sprache, Literatur, Geschichte, Kunst und Religion. Aus dem erreichten Forschungsstand, der oft zum Auseinanderklaffen von Forschung und Lehre geführt hat, hat man in verschiedenen Ländern Konsequenzen gezogen und z. B . in Paris die Ägyptologie in fünf Disziplinen unterteilt: in Alt-, Mittel- und Neuägyptisch, in Demotisch und Koptisch, in Geschichte und Literatur, in Religion und in Archäologie. Auch in Deutschland sind Bestrebungen im Gange, die Ägyptologie zunächst einmal in Philologie und Archäologie zu unterteilen und das Koptische ganz abzutrennen. So wird an einigen deutschen Universitäten bereits die koptische Sprache nicht mehr vom Ägyptologen, sondern vom Vertreter des oriens christianus gelehrt. Das ist aber nur eine Notlösung, denn die christliche Orientalistik löst sich in den Ländern, in denen sie intensiv erforscht wird, bereits nach den in ihr vereinten Sprachen auf: in das Äthiopische, Christlich-Arabische, Armenische, Georgische, Syrische und Koptische 3 . Mit der Verleihung der venia legendi für Ägyptologie mit besonderer Berücksichtigung der Koptologie 4 trägt die Philosophische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität einerseits der Zusammengehörigkeit von Ägyptologie und koptischer Sprache Rechnung. Mit der Errichtung der Disziplin Koptologie weitet sie aber auch andererseits die Erforschung und Lehre der koptischen Sprache auf die der gesamten koptischen Kultur aus. Wir müssen zunächst klären, was unter koptisch und Koptologie zu verstehen ist. Das Wort Koptisch ist eine Verstümmelung des griechischen Wortes aîyvmioç, die entweder, nach Ausweis von Talmudstellen, schon im 2. nachchristlichen Jahrhundert 5 oder erst in arabischer Zeit erfolgt ist und heißt „ägyptisch". Infolge einer Bedeutungseinengung ist koptisch aber nicht gleich ägyptisch, man versteht z. B. unter der koptischen Sprache nur den letzten Ausläufer der ägyptischen Sprache. Als Kopten bezeichnet man einen christlichen Ägypter. Jedoch ist andererseits koptisch nicht gleich christlich-ägyptisch, wie wir noch sehen werden. Wir besitzen zwei Definitionen der Koptologie aus dem Jahre 1960, die sehr voneinander abweichen. Die eine — in der Denkschrift Orientalistik 6 enthalten — besagt, daß die Koptologie in 3 Z. B . am Institut Catholique in Paris, vgl. Mémorial du cinquantenaire 1914—1964. Ecole des langues orientales anciennes de l'Institut catholique de Paris. T r a v a u x de l'Institut Catholique de Paris 10, Paris 1964, l l f f . 4 Die Koptologie, die jetzt beginnt, eine eigene Disziplin zu werden, kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Als in Ägypten seit dem 10. J h . die koptische Sprache immer mehr v o m Arabischen verdrängt wurde, begannen die Kopten, koptisch-arabische Wörterbücher und Grammatiken, sogenannte Scalae, zu verfassen, um die Kenntnis ihrer Sprache zu erhalten. Europäische . Ägyptenreisende brachten im 16. J h . aus ägyptischen Klöstern in ihre Heimat koptische Bücher, darunter auch diese Scalae, mit. So 1626 der Italiener Pietro de la Valle. E r übertrug die Veröffentlichung einer solchen Scala dem Franziskaner Thomas Obicini. Als dieser vor Vollendung der Publikation starb, setzte der J e s u i t Athanasius K i r c h e r die Arbeit fort und veröffentlichte sie 1643 unter dem Titel Lingua aegyptiaca restituta. Sie enthält eine Grammatik und ein Glossar. Wir können hier nicht den Fortgang der koptologischen Studien in Europa verfolgen (vgl. dazu M. C r a m e r , Zur Geschichte der Koptologie in Deutschland in : Das christlichkoptische Ägypten einst und heute. Wiesbaden 1959, 90—91). Auch nach der Entzifferung der Hieroglyphen, wobei die Kenntnis der koptischen Sprache wesentliche Hilfe geleistet hatte (vgl. M. C r a m e r , Das K o p tische und die Entzifferung der Hieroglyphen in : Oriens christianus 37, 1953, 116—131), weil bekannt geblieben war, daß die koptische Sprache der letzte Ausläufer der ägyptischen Sprache ist, wurde die koptische Sprache weiter erforscht, und zwar vor allem von Seiten der Ägyptologen. Sie betlieben vor allem sprachliche Studien und edierten koptische T e x t e . I c h erinnere nur an Adolf E r m a n und Georg Steindorff. 6 S . M o r e n z , Das Koptische in: H O I , 1, 91 A. 2 (mit Lit.) und S . M o r e n z , Ägypten I V i n : R G G I . B a n d , 3. Aufl. Tübingen 1957, Sp. 122. 6 Denkschrift zur Lage der Orientalistik. I m Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Zusammenarbeit mit zahlreichen Fachvertretern herausgegeben von Prof. Dr. Adam F a l k e n s t e i n , Wiesbaden 1960, 5. Bereits 1956 schrieben W . H e l c k und E . O t t o (Kleines Wörterbuch der Ägyptologie, Wiesbaden 1956, 31): „Die Wissenschaft vom christlichen Ägypten gehört mehr zur Kirchengeschichte als zur Altertumskunde und wird mit einer gewissen Notwendigkeit als eigene Disziplin, die Koptologie, betrachtet werden müssen".

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Deutschland „praktisch als eine eigene Disziplin zu betrachten (ist), deren philologische Seite zwar noch zur Ägyptologie gehört, deren sachliche Seite aber der Kirchengeschichte und der neutestamentlichen Wissenschaft naheliegt". In der zweiten Definition beschreibt sie der inzwischen verstorbene Amsterdamer Ägyptologe J . M. A. Janssen 7 als „ein(en) selbständigen Zweig der orientalischen Philologie und Altertumskunde, benachbart der Ägyptologie. Ihre genaue Begrenzung ist schwierig; die Vielseitigkeit läßt sich der Coptic Bibliography von W. K a m m e r e r (Ann Arbor 1950) und der jährlichen Bibliographie Copte von J . S i m o n (Rom, seit 1948) entnehmen". In den genannten Bibliographien 8 findet man Bücher und Aufsätze über die koptische Bibel Alten und Neuen Testamentes, Apokryphen, Gnosis, Manichäismus, Literatur, Geschichte und Geographie, Mönchtum, Hagiographie, Liturgie, Theologie, Recht, Nichtliterarische Texte, Magie, Medizin, Linguistik, Philologie, Archäologie, K u n s t 9 usw. verzeichnet. Da beide Definitionen ergänzungsbedürftig sind, soll hier eine dritte Definition gegeben werden, die dann im Folgenden in den Ausführungen über die Stellung der Koptologie zu den verschiedenen Fächern noch genauer dargelegt werden soll. Die Koptologie ist m. E. ein Zweig der Orientalistik, philologisch zum größeren Teil zur Ägyptologie, zum kleineren Teil zur Altertumskunde gehörig. Der Inhalt der koptischen Texte bereichert das Quellenmaterial der Ägyptologie und vieler Disziplinen der Altertumskunde im weitesten Sinne, der Religionsgeschichte, Archäologie, der Theologie — vor allem ihrer historischen Disziplinen, - der Arabistik, Sprachwissenschaft, Rechtsgeschichte und Medizin. Die koptische Kunst überschneidet sich mit der Archäologie. Der Zeitraum, dessen Erforschung sich die Koptologie widmet, beschränkt sich nicht auf die klassische Epoche des 3. bis 9. nachchristlichen Jahrhunderts, sondern reicht in verschiedenen Fragestellungen sowohl in die altägyptische Epoche zurück als auch teilweise bis in die Gegenwart. Räumlich ist sie nicht auf Ägypten beschränkt, sondern u m f a ß t auch Nubien, und verfolgt andererseits ihre bis ins Abendland wirkenden Ausstrahlungen. Eine so verstandene Koptologie gab es bisher noch an keiner deutschen Universität 1 0 . Bisher hat man zur Koptologie gehörende Bereiche an verschiedenen Fakultäten betrieben. Der Ägyptologe beschäftigte sich mit den Dialekten der koptischen Sprache, einige Theologen, Alt-, Religions- und Rechtshistoriker mit dem Inhalt der koptischen Texte, vereinzelt Archäologen und Kunsthistoriker mit der koptischen Kunst und ihrem Weiterleben. Das f ü h r t e dazu, daß Zusammengehörendes in verschiedenen Fächern erforscht wurde, ohne daß oft der eine Wissenschaftler von den Arbeiten des anderen Kenntnis hatte. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel erläutern: Die Frühchristlich-Byzantinische Abteilung der Staatlichen Museen zu Berlin besitzt ein Tafelbild 11 , das ihr mit anderen koptischen Kunstwerken 1905 von der Ägyptischen Abteilung überwiesen worden war. Dieses Tafelbild stellt nach der Beischrift einen Bischof namens Abraham dar. ? J. M. A. J a n s s e n , Koptologie in: RGG IV. Band, Tübingen 3 1960, Sp. 1 3 - 1 4 ; vgl. dort schon Sp. 5ff. (Kopten). 8 W. K a m m e r e r , A Coptic Bibliography, Ann Arbor 1950, eine 2. Auflage befindet sich in Vorbereitung. J . S i m o n , Bibliographie copte 1 (1940-1948) in: Orientalia, N. S. 18, 1949, 110-120, 2 1 6 - 2 4 6 ; zuletzt Bibliographie copte 19 (1966) (mit H . Q u e c k e ) in: Orientalia 36, 1967, *157-*211. Nach dem Tode von J. Simon will P. du Bourguet sie fortsetzen. 9 In dieser Reihenfolge ordnete J. Simon seine koptische Bibliographie. 10 An der Universität Manchester wurde 1951 für W. Till eine Senior Lecturership für Koptologie errichtet, an der Universität Genf erhielt R. Kasser 1965 eine Forschungsprofessur für Koptologie. In Paris gibt es einen Lehrstuhl für die demotische und koptische Sprache, den M. Malinine innehat. An der Katholischen Universität in Paris ist P. du Bourguet Professor für Ägyptologie und Koptologie. In R o m gab es am Orientalischen Institut eine Professur für Koptologie, die J. Simon bekleidete. In den U S A sollen jetzt mehrere Planstellen für Koptologie eingerichtet werden, vgl. H. P e t e r s e n , Coptic Studies in the United States of America in: BSAC 19, 1970, 249—276. In der D D R hat S. Morenz mit anderen Hochschullehrern vergeblich versucht, das Fach Koptologie an einer Universität zu installieren, vgl. Morenz, Akute Anliegen der Koptologie in: Koptologische Studien in der D D R , Halle 1965, 259ff. ( = Sonderheft der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg). 11 Vgl. M. K r a u s e , Zur Lokalisierung und Datierung koptischer Denkmäler. Das Tafelbild des Bischofs Abraham in: ZÄS 97, 1971, 106-111.

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Es wird in fast allen Handbüchern der altchristlich-byzantinischen K u n s t abgebildet u n d als aus Bawit stammend beschrieben. Die Zuweisung nach Bawit erfolgte, weil man in den dortigen Wandmalereien Parallelen zu dieser Darstellung fand. Mit ebenso gutem R e c h t könnte man dieses Bild jetzt aber auf Grund der Parallelen in das Jeremiaskloster nach Saqqara verweisen, dessen reiche Wandmalereien erst später freigelegt wurden. Nach Auskunft des Inventars s t a m m t dieses Bild aus dem Antikenhandel u n d wurde 1904 mit anderen Stücken f ü r das Berliner Museum in Ägypten angekauft. Es ist aber ganz unwahrscheinlich, daß es aus Bawit oder Saqqara s t a m m t . Bawit war — wie der Theologe, der sich mit der Kirchengeschichte Ägyptens befaßt hat, weiß — kein Bischofssitz, sondern gehörte zur Diözese Hermopolis çaagna, Saqqara war dem Bischof von Memphis unterstellt. Keiner der Bischöfe von Hermopolis magna u n d Memphis trug den Namen Abraham. Einen Bischof Abraham kennen der griechische Papyrologe u n d Rechtshistoriker aus seinem in griechischer Sprache erhaltenem Testament 1 2 als Bischof von Hermonthis. Der Ägyptologe kennt ihn aus über hundert in koptischer Sprache geschriebenen Briefen u n d Urkunden 1 3 . Aus seinem Testament ergibt sich, daß er nur der koptischen Sprache mächtig war u n d ihm daher der Wortlaut des Testamentes ins Koptische übersetzt werden mußte. Dieser Bischof Abraham von Hermonthis war gleichzeitig A b t des Phoibammonklosters auf der thebanischen Westseite, im Tempel der Hatschepsut in Der-el'Bahri gelegen. Aus den koptischen Quellen ergibt sich, daß er nicht in Hermonthis residierte, sondern von seinem thebanischen Kloster aus seine Diözese verwaltete. Offensichtlich hat er a m Luxortempel westlich des großen Hofes Ramses' I I . eine Kirche als Bischofskirche erbaut oder eine dort schon vorhandene Kirche benutzt, denn 1889 h a t Grébaut in den Ruinen der Kirche einen Silberschatz 1 4 gefunden, der heute im Ägyptischen u n d Koptischen Museum in Kairo aufbewahrt wird. Ein silberner Buchdeckel t r ä g t die griechische Inschrift äßßä 'Aßqafiiov èmaxrmov15. I m J a h r e 1903 - also ein J a h r vor dem Ankauf des Berliner Tafelbildes — h a t der Engländer Bryce in Luxor ein Diptychon 1 6 erworben, auf dem von Zeile 41—57 eine Liste von 16 Bischöfen von Hermonthis verzeichnet ist. Diese muß zwischen den J a h r e n 623 u n d 662 geschrieben worden sein. Der 14. Amtsträger, der z. Z. des Patriarchen Damian (dieser war von 578-605 Patriarch von Alexandria) gelebt hat, heißt Abraham. Damit können wir das Bild u n d den Silberschatz, die bisher in verschiedene J a h r h u n d e r t e verwiesen wurden, das Tafelbild ins 6.—7. J a h r h u n d e r t 1 7 , der Silberschatz dagegen schon ins 5.—6. J a h r h u n d e r t 1 8 , richtig, nämlich um 600, ansetzen. Ausgehend von den Mitteilungen in der Kirchengeschichte des Johannes von Ephesus, wonach es zu den ersten Regierungshandlungen eines neuen Bischofs gehörte, seine — u n d zwar auf Tafeln gemalten - Bilder aufzuhängen, möchte ich annehmen, daß das erhaltene Tafelbild eines dieser beim A m t s a n t r i t t gemalten Bilder des Bischofs Abraham von Hermonthis ist, welches sich wahrscheinlich in seiner Kirche am Luxortempel befand u n d von dort, wie das Diptychon, in den Antikenhandel gelangte. Damit wäre es außerdem nicht, wie bisher angenommen wurde, in Bawit, sondern weiter südlich, in Luxor, zu lokalisieren 19 . 12 Vgl. M. K r a u s e , Die Testamente der Äbte des Phoibammonklosters in Theben in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo ( = MDIK) 25, 1969, 57—67, 58ff. 13 114 Texte sind gesammelt und behandelt von M. K r a u s e , Apa Abraham von Hermonthis. Ein oberägyptischer Bischof u m 600. Phil. Diss. Berlin 1956. Die Anzahl ist inzwischen wesentlich vermehrt durch neugefundene, bisher unveröffentlichte Texte in vielen Museen und Sammlungen. Sie sollen in den Patristischen Texten und Studien veröffentlicht werden. 14 Publiziert von J. S t r z y g o w s k i , Koptische Kunst, Wien 1904 ( = Catalog général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire), 340—347 ( = Nr. 7201—7210: Der Silberschatz von Luksor); vgl. auch G. L e f e b v r e , Recueil des inscriptions grecques-chrétiennes d'Egypte, Kairo 1907, 147 ( = Nr. 763), 148 ( = Nr. 765) u. 766; J. M a s p e r o , Sur quelques objets coptes du Musée du Caire in: ASAE 10, 1910, 173-176. 15 S t r z y g o w s k i , a. O. 341 ( = Nr. 7202) u. Taf. 39; L e f e b v r e , a. O. Nr. 765. io W. E. C r u m , A Greek Diptych of the 7th Century in: P S B A 30, 1908, 255-265 u. 31, 1909, 288. Das Diptychon befindet sich jetzt im British Museum London (vgl. Guide to the Early Christian and Byzantine Antiquities, London 1921, Abb. 66); vgl. auch W. E. C r u m , The Monastery of Epiphanius at Thebes, Band I, New York 1926, 135 u. A. 21. " K r a u s e , ZÄS 97, 1971, 110 A. 45. 18 19 S t r z y g o w s k i , a. O. 341; L e f e b v r e , a. O. 148, K r a u s e , ZÄS 97, 1971, 110.

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Für eine Konzentrierung der koptologischen Forschung gibt es noch weitere Gründe : Die von Jahr zu Jahr zunehmende Fülle von neuerschlossenen Quellen und der Sekundärliteratur in allen Disziplinen, auch in den Fächern, die sich mit der Erforschung von zur Koptologie gehörenden Bereichen befaßt haben, hat zu einer inneren Spezialisierung geführt. Die Folge davon ist eine Vernachlässigung, teilweise eine völlige Aufgabe der Beschäftigung mit koptologischen Problemen, vor allem innerhalb der Theologie20. An einigen deutschen Universitäten verzichtete auch die Ägyptologie im Zuge ihrer Spezialisierung sogar auf die Lehre der koptischen Sprache. In diesen Fällen wird sie von einem Vertreter der christlichen Orientalistik gelehrt. Im Gegensatz zu dieser Entwicklung nahmen die koptischen Quellen sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer Bedeutung für diese Nachbardisziplinen stetig zu. Es seien nur die Handschriftenfunde einer manichäischen21, gnostischen22 und einer christlichen Bikliothek mit sehr alten Bibelhandschriften23 genannt. Wer soll und kann diese Handschriften herausgeben und übersetzen? Voraussetzung hierfür sind sowohl gute Sprachkenntnisse als auch ein Verstehen des Inhaltes dieser Texte. Sie erfordern daher ein Doppelstudium. Nachdem man früher der Meinung war, das Koptische sei eine sehr leicht zu erlernende Sprache, haben inzwischen Untersuchungen24 die Kompliziertheit der koptischen Syntax offengelegt. Außerdem hat sich durch die neuen Handschriftenfunde die Anzahl der koptischen Dialekte vermehrt und fordert neue Untersuchungen zur koptischen Dialektkunde25. Die an der philologischen Erschließung und der inhaltlichen Auswertung der Texte interessierten Disziplinen haben daher in letzter Zeit immer wieder die Konzentrierung der koptologischen Studien und die Bildung der Disziplin Koptologie gefordert26. 20 Sowohl C. Schmidt als auch J. Leipoldt konnte man auf Grund ihrer koptologischen Arbeiten als Koptologen bezeichnen. Bereits bei J. Leipoldt zeichneten sich die Folgen dieser Spezialisierung ab: Nachdem er in seiner Frühzeit als Koptologe gearbeitet hatte, mußte er diese Arbeiten nach seiner Berufung auf einen neutestamentlichen Lehrstuhl zurückstellen und konnte erst nach seiner Emeritierung seine koptologischen Arbeiten wieder aufnehmen, vgl. S. M o r e n z , Johannes Leipoldt, 20. Dezember 1880 bis 20. Februar 1965 in: B S A C 19, 1970, 1 - 6 , 2ff. 21 Die 1930 in Medinet Madi aufgefundene manichäische Bibliothek umfaßt 9 Codices mit rund 3500 Seiten, von denen bisher erst etwa 620 Seiten publiziert sind. Die Texteditionen sind genannt bei S. M o r e n z , Die koptische Literatur in: Handbuch der Orientalistik I , 2, Leiden 21970, 240 A . 3; vgl. auch A . B ö h l i g , Die Arbeit an den koptischen Manichaica in : Mysterion und Wahrheit, Gesammelte Beiträge zur spätantiken Religionsgeschichte, Leiden 1968, 177—187 ( = Arbeiten zur Geschichte des späteren Judentums und des Urchristentums, Bd. 6). 22 Von der 1945/46 bei Nag Hammadi entdeckten gnostischen Bibliothek mit 13 Codices sind rund 1150 von ehemals etwa 1400 Seiten erhalten. Es wurden bisher 53 Schriften in diesen 13 Büchern festgestellt. Von ihnen sind bisher 28 publiziert (von 26 liegen Ausgaben des Textes mit Übersetzung vor, von 2 vorläufig nur Übersetzungen). Die Textausgaben umfassen 480, die 2 Übersetzungen 50 Handschriftenseiten, damit ist also bisher fast die Hälfte des Fundes zugänglich. Der gesamte Handschriftenfund wird außerdem in 10 Lichtdrucktafelbänden publiziert werden, die ab 1972 bei Brill in Leiden erscheinen sollen. Die umfangreiche Literatur (für 1948 bis 1969 fast 2500 Nummern) ist gesammelt von D . M . S c h o l e r , A Classifled Bibliography of the Coptic Gnostic Library and of Gnostic Studies 1948—1969, Leiden 1971 ( = Nag Hammadi Studies I). Sie wird fortgesetzt in der Zeitschrift Novum Testamentum. 23 Wohl nur kurze Zeit nach dem Auffinden der gnostischen Bibliothek wurde ein weiterer großer und bedeutender Handschriftenfund in Oberägypten gemacht. Er enthält sowohl griechische als auch koptische Manuskripte. Letztere umfassen mehr als 1000 Seiten Bibelhandschriften und apokryphe Texte, vgl. M. K r a u s e , Schätze aus dem zweiten großen Fund koptischer Handschriften in: OLZ 62, 1967, 437ff. 24 W . C. T i l l , Koptische Grammatik, Leipzig 41970, 7—8; genannt seien: H . J. P o l o t s k y , Etudes de Syntaxe Copte, Kairo 1944; ders., Modes Grecs en Copte in: Coptic Studies in Honor of W . E. Crum, Boston 1950, 73-90; ders., The Coptic Conjugation System in: Or 29, i960, 392-422; ders., Zur koptischen Wortstellung in: Or 30, 1961, 294-313; ders., Nominalsatz und Cleft Sentence im Koptischen in: Or 31, 1962, 413—430; P. du B o u r g u e t , Quelques dérogations aux „réglés" de la grammaire copte in: BSAC 17, 1964, 13—21; M. R . W i l s o n , Coptic Future Tenses: Syntactical Studies in Sahidic, Hague 1970; H. Q u e c k e , Eine mißbräuchliche Verwendung des Qualitativs im Koptischen in: Le Muséon 75, 1962, 291—300. Es fehlt bisher noch eine koptische Grammatik, in der alle neueren Forschungen verarbeitet sind. 25 Siehe unten S. 114 und A . 35. 26 Z. B. von C. C o l p e , Bemerkungen zu Adolf von Harnacks Einschätzung der Disziplin „Allgemeine Religionsgeschichte" in: Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie 6, 1964,

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M. K r a u s e : Die Koptologie

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Hier stellt sich nun die Frage, wo die Koptologie in der Universitas litterarum am besten ihren Platz haben soll. Darauf gibt es verschiedene Antworten. Die Koptologie könnte grundsätzlich in all den Disziplinen Platz finden, zu denen ihre Quellen ihrem Inhalt nach gehören, überall dort, wo sie früher schon vor der Spezialisierung der Fächer einmal betrieben wurde. Ich meine aber, daß es am sinnvollsten ist — wie dies jetzt in Münster geschieht, — die Koptologie innerhalb der Ägyptologie anzusiedeln, sich dabei aber nicht auf die Erforschung der Sprache zu beschränken, wie das bisher in der Ägyptologie üblich war, sondern zu versuchen, möglichst alle Bereiche, welche in meiner Definition genannt worden sind, mit zu betreiben. Dabei ist man dann auf die Zusammenarbeit mit den Vertretern der Nachbardisziplinen angewiesen, was zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen führt. Für eine intensive Erforschung der Koptologie innerhalb der Ägyptologie sprechen mehrere Gründe: Die Koptologie hat die engsten und meisten Verbindungen zur Ägyptologie. Viele Forschungen sind sowohl für die Koptologie als auch für die Ägyptologie von demselben Wert und müssen sowohl vom Ägyptologen als auch vom Koptologen betrieben werden. So gehört die koptische Sprache als letzter Ausläufer der ägyptischen Sprache zur ägyptischen Sprachgeschichte27. Die koptische Sprache ist ja die Volkssprache der ägyptischen Spätzeit, die sich aus der Literatursprache des Neuen Reiches entwickelt hat und im Laufe des 2. nachchristlichen Jahrhunderts Literatursprache wurde, indem sie mit griechischen Buchstaben und einigen aus dem Demotischen entwickelten Zusatzbuchstaben geschrieben wird. Dieser Vorgang, daß eine Umgangssprache zur Literatursprache erhoben wird, läßt sich in der ägyptischen Sprachgeschichte mehrfach beobachten28. Etwa vier Fünftel der koptischen Wörter stammen aus früheren Epochen der ägyptischen Sprachgeschichte29. Sowohl für die Ägyptologie als auch für die Koptologie ist es wichtig, die Etymologien30 der koptischen Wörter zu ermitteln, deren Zahl in den neugefundenen Texten stetig zunimmt31. Nicht nur die Erforschung der Etymologien ist wichtig, sondern auch eine Untersuchung, aus welchen Epochen der ägyptischen Sprachgeschichte die koptischen Wörter stammen. Stellen wir doch fest, daß manche Wörter aus der Zeit des Alten Reiches stammen, in den anschließenden Epochen des Mittleren und Neuen Reiches nicht mehr belegt sind und erst im Koptischen wieder auftauchen. Die Benutzung des griechischen Alphabets im Koptischen ermöglicht die Wiedergabe der Vokale. Das geschieht jetzt zum ersten Male in der ägyptischen Sprachgeschichte. Wortakzent und Silbenstruktur aller früheren Epochen der ägyptischen Sprache können daher aus dem Koptischen erschlossen werden32. Zwar dienen dazu auch keilschriftliche und griechische Umschreibungen ägyptischer Wörter und ägyptische Lehnwörter im Griechischen. Sie sind jedoch auch quantitativ in der Minderzahl gegenüber den koptischen Wörtern. 51—69, 57; E. D i n k l e r (Kunst und Geschichte Nubiens in christlicher Zeit. Ergebnisse und Probleme auf Grund der jüngsten Ausgrabungen, Recklinghausen 1970, Vorwort) will sogar eine neue, selbständige Disziplin „ N u b i o l o g i e " konstituieren, die „verschwistert mit Ägyptologie und Koptologie, aber doch eine Forschungsrichtung sui generis" sei. 27 S. M o r e n z , Das Koptische in: H O I , 1, Leiden 1959, 90-104 (mit L i t . ) , 90. 28 K . S e t h e , Das Verhältnis zwischen Demotisch und Koptisch und seine Lehren für die Geschichte der ägyptischen Sprache in: Z D M G 79, 1925, 290—316; B . H . S t r i c k e r , De indeeling der Egyptische taalgeschiedenis in: Oudheidkundige Mededeelingen 25, 1944, 11—51; E. E d e l , Altägyptische Grammatik I , R o m 1955, 11 u. A . 1 (mit L i t . ) ; vgl. auch A . 38. 29 M o r e n z , Das Koptische a. O. 97. 30 J. Ö e r n j r , Etymological Dictionary, Cambridge (im Druck). 31 Aus N a g Hammadi Codex I I I 18,5 und B G 42,5 gewinnen wir z. B. in CAn(e)i ein neues koptisches W o r t . C r u m (Coptic Dictionary 114a) kannte zwar bereits ein solches W o r t , das er aber mit „partridge" übersetzte. Da