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German Pages 207 Year 1971
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 141
Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz Insbesondere dargestellt am Beispiel der Kartellaufsicht
Von
Rupert Scholz
Duncker & Humblot · Berlin
RUPERT SCHOLZ
Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz
S c h r i f t e n zum ö f f e n t l i c h e n R e c h t Band 141
Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz Insbesondere dargestellt am Beispiel der Kartellaufsicht
Von D r . ß u p e r t Scholz Privatdozent
D U N C K E R
&
H Ü M B L O T
/
B E R L I N
A l l e Hechte vorbehalten © 1971 D u n c k e r & H u m b l o t , B e r l i n 41 G e d r u c k t 1971 b e i B e r l i n e r B u c h d r u c k e r e i U n i o n G m b H . , B e r l i n 61 Prlnted in Germany I S B N 3 428 02365 X
I m dankbaren Angedenken an Prof. D r . Fritz W e r n e r Präsident des Bundesverwaltungsgerichts
Inhalt A. Einführung
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B. Struktur und Aufgaben der Wirtschaftsaufsicht
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I. Die Wirtschaftsaufsicht als objektiver Institutionsschutz
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Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht — „Schutzgut" und „Rechtsgut" — Schutz des tatsächlichen Funktionierens wirtschaftlicher Sachverhalte — aufsichtsrechtliches Schutzgut und vorausgesetzte Wirtschaftsfreiheit — Schutzgut und Ausübung wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit — die gesellschaftlich-reale Wirtschaftsfunktion als Schutzgut — reale Wirtschaftsfunktion und normativ-geschlossenes Rechtsgut — aufsichtsrechtliche Funktionssicherung und lenkungsrechtliche Funktionsbegründung — Wirtschaftsaufsicht und Wirtschaftslenkung — Schutzgut und normativ-offener Generalmaßstab — Schutzgut und normativgeschlossener Spezialmaßstab — Wirtschaftsaufsicht als typisierte und typisierende Gefahren- und Mißbrauchsabwehr — gesellschaftlich-reale Wirtschaftsfunktion und „Institutions" begriff — „Institution" als Inbegriff faktischer und normativer Elemente — die reale Wirtschaftsfunktion als „Institution" — das Schutzgut als „objektiver" Institutionsschutz I I . Insbesondere: Die Kartellauf sieht
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Schutzgut des G W B — der „Wettbewerb" als „Rechtsinstitut" und „Institution" — der Wettbewerb als ordnungspolitisch und juristisch fixierte „Aufgabe" — Kritik der herrschenden Schutzguttheorie — „Wettbewerb" kein „Rechtsgut" — Schutz des Bestehens, nicht des Entstehens wettbewerblicher Wirtschaftsverhältnisse — die gesellschaftspolitische Freiheits- und die wirtschaftspolitische Leistungsfunktion des Wettbewerbs — Wettbewerb als ökonomisch-soziologischer Funktionsbegriff — Schutz der tatsächlich ausgeübten, i m Wettbewerb aktuell w i r k samen Wirtschaftsfreiheit (objektiver Institutionsschutz) — reale Drittbezogenheit von Wettbewerbsbeschränkung, Kartell und marktbeherrschendem Unternehmen — Außenwirkungen und Beeinträchtigung von Erwerbschancen — Schutzbezug zum Konkurrenten, nicht zum „Wettbewerb" oder „Markt" — „Wettbewerb" und „Markt" als Geschehensabläufe und Denkmodell — Abwehr der typisch-funktionsgefährdenden Wettbewerbsbeschränkung I I I . Individualeingriff und Opportunitätsprinzip Grundmaximen der Wirtschaftsaufsicht
als
funktionelle
Gesetzlicher Generalmaßstab und rechtsanwendender Spezialmaßstab — Beobachtungs- und Berichtigungsfunktion der Wirtschaftsaufsicht — Wirtschaftsaufsicht als punktuelle und individuelle Verhaltenskorrektur—„generelle" Beobachtungsfunktion und „individuelle" Berichtigungsfunktion — Ermessen, Beurtei-
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Inhalt
8
lungsspielraum und Opportunitätsprinzip — das Opportunitätsprinzip als zentrales Aufsichtsmoment — Wirtschaftsaufsicht und Gefahrenabwehr — polizeirechtliche Ursprünge und Instrumentarien
C. Wirkungsweisen Dritter
der Wirtschaftsauf
sieht und bisheriger Rechtsschutz 39
I. Individuale Aufsichtsmaßnahme und reale Drittbetroffenheit . .
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Die Wirtschaftsaufsicht in der Industriegesellschaft — ihr Funktionswandel — Wirtschaftsaufsicht und Wirtschaftslenkung — Wirtschaftslenkung „als" Wirtschaftsaufsicht — individúale Aufsichtsmaßnahme und tatsächliche Drittbetroffenheit — Komplexität der Eingriffe — Eingriff und materielle Rechtsverletzung — der Verwaltungsakt mit Doppelwirkung — aktiver und passiver Eingriff — negativer und positiver Eingriff — die Eingriffskomplexität der Kartellaufsicht — Eingriffskomplexität als erhöhte „Tiefenwirkung" und gesteigerte „Breitenwirkung" — der Rechtsschutz des drittbetroffenen Konkurrenten I I . Typische Formen wettbewerbsbezogener Drittbetroffenheit
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Reale Drittbetroffenheit durch wettbewerbsregelnde Aufsichtsmaßnahmen — Regelung der subjektiven Aufnahme oder Zulassung zum Wettbewerb — objektive Ausschließung oder H i n derung des Wettbewerbs — ergänzende Stärkung oder punktuelle Beschränkung des Wettbewerbs — die Regelungen des Rechts der Verkehrsaufsichten — die Versicherungsaufsicht — die Kreditaufsicht — die Energieaufsicht — Apotheken-, Hebammen- und Mühlenrecht — „staatlich gebundener Beruf" und „öffentliche Aufgabe" als Wettbewerbsschranke — die wettbewerbsstärkenden und -beschränkenden Maßnahmen der K a r tellaufsicht — die drittbelastende Wirkung der Erlaubnis oder Duldung von Kartellen — die drittbelastende Wirkung der Duldung des Mißbrauchs marktbeherrschender Unternehmensstellungen und sonstiger Wettbewerbsbeschränkungen — der Rechtsschutz des drittbelasteten Konkurrenten in der bisherigen Rechtsprechung — Musterfälle I I I . Objektiver Institutionsschutz und subjektiver Drittschutz
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Aufsichtsrechtlicher Institutionsschutz und eingriffsmäßige „Breitenwirkung" — Zulässigkeit von Konkurrentenklagen und materielles Konkurrentenrecht — die Verneinung des subjektiven Konkurrentenrechts im Kartellrecht durch die Rechtsprechung — zivilrechtliche „Surrogate" — der subjektive Konkurrentenschutz im europäischen Kartellrecht — die Rechtsprechung des B G H zum nationalen Kartellrecht — subjektives öffentliches Recht und privates Schutzrecht — der Zirkel in der Verneinung des subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechts — Vergleich mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur öffentlich-rechtlichen Nachbarklage — das subjektive öffentliche Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch — Trennimg von öffentlich- und privatrechtlichem Nachbarschutz — der subjektiv-öffentliche Konkurrentenschutz insbesondere in der Versicherungs- und Verkehrsaufsicht — kritische Gegenüberstellung von Kartellund Verkehrsaufsicht IV. Die öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage und der Rechtsschutz des Konkurrenten i m Kartellrecht
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Inhalt öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage und Nachbarklage als Formen der verwaltungsrechtlichen Drittinteressentenklage — die verwaltungsgerichtliche Klagebefugnis bei der Drittinteressentenklage — das Verfahrensrecht der Kartellbeschwerde — das Fehlen von Bescheidungs- und Feststellungsbeschwerde — Verpflichtungsbeschwerde und verwaltungsgerichtliche Verpflichtungsklage — die Anfechtungsbeschwerde — formeller Beteiligtenbegriff — Beschwer — die Beiladung i m Kartellverwaltungsverfahren als „qualifizierte Anhörung" — Anfechtungsbeschwerde als objektive Verwaltungskontrolle — die Stellung der Anfechtungsbeschwerde zwischen subjektiver Anfechtungsund objektiver Beanstandungsklage — die zivilprozessualen (Dritt-) Popularklagen im U W G u. a. — das doppelte Dilemma der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage im Kartellrecht — der Gegensatz i m europäischen Kartellrecht V. Kritik Zwischenbilanz und weitere Problemstellung — die Dichotomien von „öffentlichem" und „privatem Interesse", objektivem und subjektivem Recht, öffentlichem und privatem Recht — die Scheinalternative von öffentlichem und privatem Interesse — öffentliches und privates Interesse in der Rechtsprechung von BVerwG und B G H — das subjektive öffentliche Recht nach der herrschenden Schutzzwecktheorie — Kritik — das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht als „objektiv-rechtliche" Ordnungsentscheidung oder „objektiver" Institutionsschutz — Instrumentalität und Relativität des Schutzgutes — das Schutzgut als ergänzende Sicherung objektiv- und subjektiv-rechtlich verfaßter Wirtschaftsfunktionen — die Fragestellung der Kartellaufsicht — Drittbezogenheit der Tatbestände des G W B und „Vermutung" der subjektiv-rechtlichen Schutzwirkung — die „Subsidiarität" der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage gegenüber zivilprozessualen Ansprüchen — Kritik — Differenz der Streitgegenstände und Rechtsschutzbedürfnis — erhöhter Verwaltungsrechtsschutz und Effektivität der Verwaltung — Präventivität und Repressivität des wettbewerblichen Konkurrentenschutzes — Ineffizienz der zivilrechtlichen Ansprüche aus §35 GWB — „Breitenwirkung" und individúale Aufsichtsmaßnahme — Opportunitätsprinzip und formelles Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch — die Frage nach dem materiellen Konkurrentenrecht
D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten
als Verfassungsgebot
I. Subjektiver Drittschutz als Gebot von sozialem Rechtsstaat und verfassungsrechtlicher Rechtsschutzgarantie Rechtsstaatsprinzip als allgemeines Struktur- und Staatszielprinzip — die Grundrechte als Quelle subjektiver öffentlicher Rechte — Bestimmbarkeit, Meßbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlicher Eingriffe — das Problem der „beweglichen" Wirtschaftsverwaltung — die „wirtschaftspolitische Aufgabe der Kartellaufsicht" und die Beschränkung gerichtlicher Kontrollen nach § 7 0 I V 2 GWB — der kontrollfreie Tatsachenraum — gesetzgeberisches Ermessen und Tolerierung gesetzlicher Fehlprognosen — die „Suspendierung" des Bestimmtheitserfordernisses „auf Zeit" — der „Entwicklungsspielraum" — die kompensatorische Berichtigungs- und Restitutionspflicht des Gesetzgebers — der „Entwicklungsspielraum" in der Verwaltung — der kompensatorische Berichtigungs- oder Restitutionsanspruch —
Inhalt seine Geltendmachung i m Wege der vorbeugenden Feststellungsklage — „Entwicklungsspielraum" als „Unbestimmtheit auf Zeit" — „Entwicklungsspielraum" und § 7 0 I V 2 GWB — rechtsstaatskonforme Auslegung des § 7 0 I V 2 GWB — das formelle Hauptgrundrecht des Art. 1 9 I V GG als Gebot subjektiver Verwaltungskontrolle — Art. 1 9 I V GG als Garantie der Klagbarkeit, nicht der Begründung subjektiver öffentlicher Rechte — Art. 19 I V G G als Garantie effektiven Rechtsschutzes — Effektivität in Rechtzeitigkeit und wirtschaftlicher Tragbarkeit des Rechtsschutzes — die Garantie der sozial-gleichen Prozeßchancen — Art. 1 9 I V G G als liberale und soziale Grundrechtsgewährleistung — Effektivität des Rechtsschutzes und Subsidiarität der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage — Effektivität des Rechtsschutzes und bürgerliche Beteiligungsrechte i m Verwaltungsverfahren — das Kartellrecht I I . Subjektiver Drittschutz als Gebot grundrechtlicher Verfassungsgarantien Zum Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts — die Schutzzwecktheorie und die Theorie von der tatsächlichen Begünstigung „eigener Angelegenheiten" als subjektives öffentliches Recht — Kritik — subjektives öffentliches Recht als willentliche und tatsächliche Individualbegünstigung (1. A b grenzungsvariante) — subjektives öffentliches Recht kraft dritter übergeordneter Rechtsentscheidungen (2. Abgrenzungsvariante) — subjektives öffentliches Recht und objektiver Institutionsschutz — subjektives öffentliches Recht und Grundrechte in der 2. Abgrenzungsvariante — der Grundrechtsschutz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 12,14 GG) — der mittelbare Grundrechtsschutz der Wettbewerbsfreiheit als Ausübungsform der Wirtschaftsfreiheit — die Grundrechte als Basis einer Generalvermutung der Rechtssubjektivität? — der „Grundsatz ,in dubio pro libertate'" — das Prinzip des höchstmöglichen Durchgriffs auf das grundrechtlich legitimierte Individualrechtsgut — das Abgrenzungsproblem der spezialen Grundrechtsentscheidung — die Wirtschaftsaufsicht als gesellschaftsverfassende Instanz — Wirtschaftsfreiheit und Grundrechtsverletzung — das subjektive öffentliche Recht als Problem der Anwendimg und Aktualisierung grundrechtlicher Abwehransprüche — gesetzlicher Grundrechtseingriff, gesetzliche Grundrechtsprägung, gesetzliche Mißbrauchswehr und gesetzliche Kollisionslösung (P. Lerche) — Wirtschaftsaufsicht als liberale Gefahrenabwehr und soziale Gefahrenvorsorge — Grundrechtsprägung in „Grundrechtskern" und „Grundrechtsvorhof" — Vorhofprägung als präventive Grundrechtssicherung — Reaktion des grundrechtlichen A b wehranspruchs — das subjektive öffentliche Nachbarrecht i m Baurecht als kernregelnde Grundrechtsprägung und Kollisionslösung — Grundrechtsprägung und Anspruch auf polizeiliches Einschreiten sowie Anspruch auf fürsorgerische Leistungen — das Konkurrentenrecht i m Verkehrsrecht als Grundrechtsprägung und grundrechtliche Kollisionslösung — der Grundrechtsschutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb — Recht am Gewerbebetrieb und Erwerbschance — Eigentumserwerb und Eigentumsrecht — grundrechtlicher Erwerbsschutz? — grundrechtlicher Konkurrenzschutz — grundrechtsbestimmtes Konkurrentenrecht — die „wirtschaftliche Chancengleichheit" — Gleichheit i m Recht und Gleichheit i m Tatsächlichen — die Wirtschaftsfreiheit als Standort der „Chancengleichheit" — die Garantie der gleichen Wirtschaftsfreiheit — chancensichernde Gleichstellung als soziale Rechts-
Inhalt gleichheit und präventive Grundrechtsprägung — „Chancengleichheit" als liberale und soziale Grundrechtsgewährleistung — der subjektive Konkurrentenschutz als Grundrechtsgebot I I I . Grundrechtsgesichertes Privatinteresse und subjektives Recht als Repräsentanz von öffentlichem Interesse und objektivem Institutionsschutz Zwischenbilanz — Grundrechtspflichtigkeit des objektiven I n stitutionsschutzes — unterschiedliche Grundrechtsreaktion auf freiheitsbeschränkende und freiheitssichernde Aufsichtsregelung — Fortsetzung und Wendung der Grundrechtsgewährleistung vom negativen Abwehrrecht zum positiven Teilhaberecht — repressives Abwehrrecht und präventives Teilhaberecht — die Verdichtung des potentiellen Abwehrrechts zum subjektiven öffentlichen (Teilhabe-)Recht i m einfachen Gesetzesrecht — das Prinzip der kompensatorischen Rechtsgewährleistung — seine Grundlegung i m sozialen Rechtsstaat — seine Vollziehung in der Werteinheit von liberaler und sozialer Freiheitsgarantie — die wechselseitige Kompensation als allgemeine Funktionsmaxime von Rechts- und Sozialstaatlichkeit — der ständig-kompensierende Prozeß — staatliche Gesellschaftsverfassung und überindividuale Ordnungsbezüge als Kompensationsproblem — die kompensatorische Wendung vom negativen Abwehrrecht zum positiven Teilhaberecht als Grundlage des subjektiven öffentlichen Rechts — das subjektive öffentliche Recht i m Bereich von Grundrechtseingriff und kernregelnder Grundrechtsprägung als Kongruenz von subjektivem Teilhabeund objektivem Ordnungsrecht — Fragestellung im Bereich von vorhofregelnder Grundrechtsprägung, Kollisionslösung und Mißbrauchswehr — „Repräsentanz" und „Repräsentation" als Grundansichten des subjektiven öffentlichen Rechts i m objektiven Ordnungsrecht — die Repräsentation der objektiv-rechtlichen Ordnungsentscheidung durch das subjektive Recht — die typische und grundrechtssichernde Gesetzeswirkung als Repräsentationsmaßstab — das Individuum als Repräsentant von typischer Freiheitssicherung und objektiv-rechtlich begünstigter „Allgemeinheit" — repräsentative Kongruenz und Identität von öffentlichem und privatem Interesse — das die öffentliche Ordnungsentscheidung grundrechtskonform repräsentierende Privatinteresse ist subjektiv-rechtlich aus der objektiv-rechtlichen Gesetzesregelung legitimiert — Definition des subjektiven öffentlichen Rechts — Anwendung — das Kriterium der repräsentativen Individualbegünstigung als allgemeiner Interpretationsmaßstab — frühere Ansätze (Anspruch auf polizeiliches Einschreiten, baurechtlicher Nachbarschutz, Konkurrentenschutz i m Verkehrsrecht) — das subjektive öffentliche Konkurrentenrecht — Personbezogenheit und Ordnungsbezogenheit des subjektiven öffentlichen (Konkurrenten-)Rechts IV. Der subjektive Konkurrentenschutz im Kartellrecht Objektiver Institutionsschutz und vorausgesetzte Wirtschaftsfreiheit — grundrechtsgarantierte Wirtschaftsfreiheit und GWB — zum Problem der Wirtschaftsverfassung — das offene Ordnungssystem des GG — Wettbewerbsfreiheit als subjektive Ausübung der Wirtschaftsfreiheit — das GWB als freiheitsverfassende Gesetzgebung — das Kartellrecht als grundrechtliche M i ß brauchswehr — Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit — die grundrechtskomplexe Struktur der Vertragsfreiheit
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Inhalt — das Kartellrecht als grundrechtliche Kollisionslösung — der „verfassungsgewollte Konflikt" zwischen Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit — Mißbrauchswehr und Kollisionslösung als Freiheitssicherung durch disziplinierende Freiheitsbegrenzung — das Kartellrecht als Freiheitssicherung durch grundrechtsprägende Freiheitserweiterung — Freiheitssicherung durch präventive Chancensicherung — die kartellrechtliche Chancenpflege als Sicherung von Chancenfreiheit und Chancengleichheit — das Schutzprinzip der „gleichen Wettbewerbsfreiheit" — das Kartellrecht als Freiheitsbeschränkung — das wirtschaftspolitische Leistungsgebot als Grundlage — die unterschiedlichen Schutzrichtungen des Kartellrechts und deren gemeinsamer Bezug zu den Grundrechten aus Art. 12,14 G G — allgemeine Grundrechtslegitimation des Kartellrechts und einzelner Kartellrechtstatbestand — Zusammenführung i m Prinzip der typischfunktionsgefährdenden Wettbewerbsbeschränkung — die Anerkennung des subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechts in der Person des repräsentativen Marktvertreters — Kartell und Bagatellfall als Problem markttypischer Drittbetroffenheit — die prinzipielle Anerkennung subjektiver öffentlicher Konkurrentenrechte — Durchführung i m Kartellrecht i m engeren Sinne — materiell-rechtliche Bedeutung der formellen Beteiligungsrechte i m Kartellverfahren — Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsfähigkeit als grundrechtlich maßgebende Beurteilungsmaßstäbe — verfassungskonforme Auslegung des § 8 G W B — Durchführung i m Recht der marktbeherrschenden Unternehmen — Repräsentationsgedanke und Begriff der Marktbeherrschung — Durchführung im Recht der sonstigen Wettbewerbsbeschränkungen — Zusammenfassung V. Anwendung und Folgerungen für das Rechtsschutzsystem des GWB
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Lösung der früheren Musterfälle — Abwägungen zwischen freiheitssichernden und freiheitsbeschränkenden Kartellrechtswirkungen — subjektives öffentliches Konkurrentenrecht und Opportunitätsprinzip — subjektives Öffentliches Konkurrentenrecht und „Entwicklungsspielraum" — die volle Zulässigkeit der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage i m Kartellrecht — verfassungskonformes Verständnis der Anfechtungsbeschwerde kraft materiellen Beteiligtenbegriffs — die Verpflichtungsbeschwerde — Anerkennimg der Bescheidungsbeschwerde — A n erkennung der (vorbeugenden) Feststellungsbeschwerde — Ergebnis
Literaturverzeichnis
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A. Einführung* Die Diskussion von Wirtschaftsaufsicht und subjektivem Konkurrentenschutz ist nicht zufällig i n den Mittelpunkt der Verwaltungsrechtslehre getreten. Beide Institute kennzeichnet heute ein Stadium tiefer rechtlicher wie begrifflicher Ungewißheit — eine Ungewißheit, die ihrerseits wiederum symptomatisch für zentrale Problemstellungen des modernen Verwaltungsrechts überhaupt ist. I n der heutigen Problemat i k von Wirtschaftsaufsicht und subjektivem Konkurrentenschutz spiegelt sich beispielhaft die allgemeine Aufgabe der Verwaltungsrechtslehre wider, eine Verwaltungstheorie auszubauen oder zu entwickeln, die den verfassungsrechtlichen Ordnungsprinzipien der sozialen Rechtsstaatlichkeit ebenso wie den Effektivitätsgrundsätzen einer beweglichen und funktionsfähigen Wirtschaftsverwaltung gerecht wird. Die Erfüllung dieser Aufgabe sieht sich i m Recht der Wirtschaftsaufsicht und des subjektiven Konkurrentenschutzes besonderen Schwierigkeiten gegenüber — Schwierigkeiten, die vor allem i n fragwürdig gewordenen Begriffs- und Verwaltungstraditionen begründet sind. Denn sowohl das Begriffsbild der „(Wirtschafts-) A u f sieht" wie das des „subjektiven öffentlichen (Konkurrenten-)Rechts" sehen sich heute noch in Vorstellungen verfangen, deren Ursprung i m überholten Ordnungssystem von liberaler „Privatrechtsgesellschaft" (F. Böhm) und gefahrenabwehrender Polizeistaatlichkeit liegt. Das subjektive öffentliche Recht orientiert sich auch heute noch ausschließlich an den Kategorien von freiheitlicher Ausgrenzung und gesetzlicher („gesetzlich-beabsichtigter") Individualbegünstigung. Diese Sicht entsprach der klassischen Konzeption des subjektiven Rechts als individualer Rechts- und Willensmacht; seine verfassungsrechtliche Legitimation lag und liegt i m Prinzip der rechtsstaatlich-liberalen Freiheitsgewährleistung. I n dieser Grundansicht dürfen sich Definition und Legitimation des subjektiven öffentlichen Rechts heute jedoch nicht mehr erschöpfen. Denn die Ordnungsprinzipien des modernen Sozialstaates belassen jenem liberalen Begriffsverständnis nur noch bedingte Gültigkeit — eine allgemeinere Feststellung, die die Ungewißheit konkurrenzsichernder Anspruchspositionen maßgebend belegen und verdeutlichen wird. Die gesellschafts- und wirtschaftsverfassenden Intendanzen des • D e r Untersuchung liegt mein zu Beginn des Sommersemesters 1970 vor der Juristischen Fakultät der Universität München gehaltener Habilitationsvortrag zugrunde.
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A. Einführung
sozialverantwortlichen Verwaltungsstaates fordern eine andere oder doch reformierte Konzeption. Deren Grundlage liegt i n der verfassungsrechtlich vorgegebenen Werteinheit von liberaler und sozialer Freiheitsgewährleistung. Sie hat bereits die Grundrechte wesentlich neu verfaßt, indem sie deren zunächst streng-liberale, d. h. negative Ausgrenzungsoder Abwehrfunktion i n eine auch soziale, d. h. positive Teilhabefunktion umgewendet hat. Sie hat damit auch den Weg für ein verfassungsrechtlich gültiges Verständnis des unterverfassungsrechtlichen subjektiven öffentlichen Rechts gewiesen. Voraussetzung für dessen Aufschliessung ist allerdings eine nähere Betrachtung jenes grundrechtlichen Funktionswandels. Seine allgemeine Wirksamkeit dürfte heute zwar durchgehend erkannt und anerkannt sein. Wesenlich unerkannt sind jedoch noch seine Konsequenzen. Offen ist vor allem die Frage nach der Struktur des subjektiven öffentlichen Rechts jenseits der grundrechtlichen Verfassungsgewährleistung; eine Frage, die i m Lichte jenes gewandelten Grundrechtsverhältnisses neu zu stellen ist. Bei i h m setzt die hiesige Untersuchung an. Sie sucht — auf der Ebene des subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechts — zu einem erneuerten Verständnis des subjektiven öffentlichen Rechts zu gelangen, das nicht nur dem Prinzip der liberalen Freiheitsgewährleistung, sondern auch dem der sozialen Teilhabe genügt. Das Ergebnis dieser Betrachtung w i r d den — nach wie vor für „unüberwindbar" gehaltenen — „Gegensatz" zwischen objektivem und subjektivem Recht wesentlich relativieren. Das subjektive öffentliche Recht w i r d aus der substantiellen Geschlossenheit u n d Abgeschiedenheit seiner klassischen Konzeption heraustreten u n d den Charakter einer beweglichen, d. h. auch i m Bereich „objektiver" Gesetzesordnungen wirksamen Instanz subjektiver Rechtsgewährleistung annehmen. Aus diesem, hier nur anzudeutenden Ergebnis werden sich schließlich gewichtige Konsequenzen für das Verfahrensrecht ergeben — Konsequenzen, die auf der Linie der heute zunehmend erkannten Verflechtung von materiellem Recht und Verfahrensrecht liegen und von hier aus gerade einem so rechtsstaatlich vernachlässigten Rechtsschutzsystem wie dem des GWB erhebliche Korrekturen aufgeben. Die staatliche Wirtschaftsaufsicht verstand sich ihrem klassischen Begriffsbild zufolge als wesentlich („polizeiliche") Gefahrenabwehr. Sie baute auf die Funktionsmaximen von instantieller Reserve, offener Schutzgutbestimmung sowie strikt individualer (punktueller) Verhaltensberichtigung. Auch dieses Selbstverständnis ist i m Zeichen des modernen Sozialstaates jedoch fragwürdig geworden. Struktur und Funktion des Instituts „Wirtschaftsaufsicht" sehen sich heute ebenso i n Frage gestellt wie jene grundsätzliche Distanz zwischen Verwaltung und Bürger, die das Begriffsbild der Wirtschaftsaufsicht traditionell auszeichnete.
A. Einführung
Deutlich w i r d diese Entwicklung vor allem am Verhältnis von Wirtschaftsaufsicht und Wirtschaftslenkung. Denn zwischen diesen beiden, früher grundsätzlich geschiedenen Kategorien verfließen die Grenzen immer mehr. Die Wirtschaftsaufsicht droht an vielen Stellen bereits i m umfassenden Ordnungsanspruch eines fast omnipotent scheinenden Wirtschaftsdirigismus aufzugehen, dem die funktionelle Selbstbeschränkung und die selbst auferlegten Reserven des klassischen Aufsichtsbegriffs fremd sind. Dieser Wandel mag das Festhalten an der Rechtsfigur „Wirtschaftsaufsicht" oft als bloß historische Reminiszenz ausweisen — ein Vorgang, der unproblematisch bliebe, wenn er nur Form und Instrumentalität der „Aufsicht" anginge. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn die instrumentelle Anlage der „Wirtschaftsaufsicht" ist unlösbar m i t deren klassischer Funktionsgebung verbunden; sie ist nur von dieser her zu begreifen, weil sie zunächst nur für deren Bedürfnisse konstruiert ist — eine Einsicht, über die sich die moderne Wirtschaftsgesetzgebung indessen oft m i t allzu leichter Hand hinwegsetzt. I n der Folge hiervon stellen sich einmal die verwaltungsinstitutionellen Probleme der gegenständlichen Überforderung oder inhaltlichen Verfremdung spezifisch-aufsichtsrechtlicher Verwaltungsmittel, Probleme, denen man vielleicht keine zentrale bzw. verfassungsrechtliche Bedeutung beizumessen geneigt ist. Von entscheidend-verfassungsrechtlicher Bedeutung sind jedoch die rechtsstaatlichen Probleme, die sich an die sachliche Uberforderung oder Umformung des Instituts „Wirtschaftsaufsicht" anschließen. Dieser Frage versucht die vorliegende Studie am Beispiel des subjektiven Konkurrentenschutzes nachzugehen. Sie greift damit nicht nur ein allgemein aktuelles Problem des modernen Verwaltungsrechtsschutzes (Zulässigkeit verwaltungsgerichtlicher Drittinteressentenklagen) auf; sie w i r d überdies zeigen, daß sich gerade an der Frage des öffentlich-rechtlichen D r i t t - bzw. Konkurrentenschutzes das rechtsstaatliche Schicksal vieler wirtschaftsrechtlicher Verwaltungsinstrumente entscheidet, die aus dem Arsenal der klassischen Wirtschaftsaufsicht stammen und sich auch heute noch zu deren System und Ordnungsidee bekennen.
B. Struktur und Aufgaben der Wirtschaftsaufsicht I. Die Wirtschaftsaufsicht als objektiver Institutionsschutz hat nach der ganz herrschenden Be1. Die typische Wirtschaftsaufsicht griffsbestimmung die Aufgabe, das individuelle Verhalten der Teilnehmer am allgemeinen Wirtschaftsleben m i t den dafür aufgestellten Ordnungsregeln i n Einklang zu halten und auf diese Weise eine prinzipiell eigenverantwortliche Wirtschaftsordnung aufrecht zu erhalten 1 . Die einzelnen Wirtschaftsaufsichten verfolgen hierbei i n der Regel außerordentlich abstrakt umschriebene Ordnungsziele: So soll etwa die Energieaufsicht die „öffentliche Energieversorgung" (§ 2 I I EnWG) „so sicher und b i l l i g wie möglich gestalten" und „volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen des Wettbewerbs" „verhindern" (Präambel zum EnWG). Die Kreditaufsicht soll u. a. „Mißständen i m Kreditwesen entgegenwirken", die „erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können" (§ 6 I I KWG). Die Versicherungsaufsicht soll „Mißstände" abwehren, „welche die Belange der Versicherten gefährden oder den Geschäftsbetrieb m i t den guten Sitten i n Widerspruch bringen" (§ 81 I I 1 VAG). Die Aufsicht i m Personenbeförderungswesen soll das „Ziel bester Förderung des Verkehrs" verfolgen ( § 8 1 1 PBefG). Die hier noch i m einzelnen zu behandelnde Kartellaufsicht soll schließlich nach (noch) herrschender Ansicht als maßgebendes Schutzgut die objektive „Institution Wettbewerb" bzw. deren optimal marktsichernden und marktsteuernden Leistungseffekt gewährleisten 2 . 2. Diese Beispiele, die sich beliebig vermehren ließen, zeigen deutlich die besondere Typik und inhaltlich komplexe Anlage des aufsichtsrechtlichen Schutzzwecks. Dessen Systematik befaßt sich zunächst nur m i t bestimmten gesellschaftlichen Wirtschaftsfunktionen oder marktmäßigen Verhaltensweisen. Zur v o l l ausgebildeten, d. h. definitiv und normativ eingegrenzten Rechtsgüterordnung dringt er dabei nicht vor; oder anders ausgedrückt: Der Schutzzweck einer Wirtschaftsaufsicht ver1 Vgl. z.B. Bullinger, W D S t R L 2 2 , 264 (285f.); zu den umstrittenen Begriffseinzelheiten vgl. näher Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 1 ff. 2 Vgl. z.B. Benisch, WuW56, 483; 61, 764ff.; ders., Gemeinschaftskommentar, §35 Rdnr. 1, 6; Bussmann, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 1969, 312 (316); Würdinger, W u W 53, 723 (730); Kraft, Interessenabwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht, 1963, S. 180; Raiser, in: Summum ius, S. 145 (156 f.); Ballerstedt, JZ 56, 267 (271); Merz, Böhm-Festschrift, S. 227 (241 ff.); vgl. auch B G H Z 13, 33 (37).
I. Die Wirtschaftsaufsicht als objektiver Institutionsschutz
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ziehtet — zumindest üblicherweise — bewußt auf ein objektiv- oder subjektivrechtliches Schutzgut i m Sinne der unmittelbaren oder normat i v geschlossenen Rechtsgüterordnung. Die Wirtschaftsaufsicht sucht lediglich bestimmte wirtschaftliche Sachverhalte („den Wettbewerb", „die Energieversorgung", „die Förderung des Verkehrs", „das Kreditwesen" usw.) objektiv, d. h. entweder i n ihrer tatsächlichen gesellschaftlichen Wirksamkeit oder i n ihrer volkswirtschaftlichen Nützlichkeit („sichere und billige" Energieversorgung usw.), zu sichern. Daß dieses Sicherungsstreben i n einer Rechtsnorm festgelegt ist, spielt keine Rolle. Denn m i t der tatbestandlichen Aufnahme eines bestimmten Schutzzweckes oder Schutzmaßstabes i n eine Norm ist über deren Rechtsnatur oder Normativität noch nichts ausgesagt8. Die tatbestandliche Aufnahme eines bestimmten Zwecks oder Maßstabs i n eine Norm des Aufsichtsrechts begründet rechtlich nur die Befugnis der Aufsichtsbehörden, zum Schutze dieses Zweckes oder Maßstabes tätig zu werden. Diese Befugnisnorm darf aber, wie bereits H. Triepel gezeigt hat 4 , nicht m i t jenem Zweck oder Maßstabe verwechselt werden. Das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht bietet demnach zwar die rechtliche Grundlage für die Befugnisse der Aufsichtsbehörden; inhaltlich ist es damit aber nicht schon selbst Rechtsnorm oder Rechtsgut. Das Schutzgut einer Aufsicht kann dies zwar sein, braucht es aber nicht zu sein 5 . I m Falle der Wirtschaftsaufsicht fehlt es in aller Regel an einem solchen normativen Schutzzweck. Denn die Wirtschaftsaufsicht interessiert sich, zumindest i m Typus — und allein um diesen geht es hier —, nur für ein bestimmtes tatsächliches Funktionieren wirtschaftlicher Sachverhalte. 3. U m die rechtlichen Grundlagen und tatsächlichen Ursprünge dieser Sachverhalte kümmert sich die Wirtschaftsaufsicht nur indirekt. Sie führt zwar bestimmte rechtliche Gewährleistungen für die einzelnen wirtschaftlichen Sachverhalte und Verwaltensweisen ein. Sie t u t dies aber nicht u m des betreffenden Sachverhalts selbst willen. Dessen reale Existenz setzt sie vielmehr vorausDie Wirtschaftsaufsicht knüpft also an das Bestehen einer wettbewerblichen Wirtschaftsordnung, einer Verkehrs«, Versorgungs- oder Versicherungswirtschaft an. Sie sucht lediglich deren Funktionen vor bestimmten innergesellschaftlichen Gefährdungen zu schützen7. Der Grund hierfür liegt i n der wirtschaftspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers, der eine solche Funktion für ob8 Vgl. aufsicht, 4 Vgl. 5 Vgl. 6 Vgl. 7 Vgl.
2 Scholz
allgemein und grundlegend für das Aufsichtsrecht Triepel, ReichsS. 111 f. a.a.O., S. 111 f. Triepel, a.a.O., S. 111. auch Bullinger, W D S t R L 22, 286 ff. entspr. Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 14 ff.
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B. Struktur und Aufgaben der Wirtschaftsaufsicht
j e k t i v schutzwürdig erachtet. Hinter der gesetzlichen Aufsichtsgebung steht ein bestimmtes öffentliches Interesse. Dies braucht m i t dem privaten Interesse der beteiligten Wirtschaftssubjekte nicht identisch zu sein (z. B. privater Erwerbszweck — öffentlicher Versorgungszweck), kann dies aber sein. Selbst wenn eine solche inhaltliche Identität oder Kongruenz von öffentlichem und privatem Interesse besteht, so erscheint der Schutzzweck der öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsaufsicht doch zunächst als Ausdruck u n d Wahrnehmung des öffentlichen Interesses 8. Aus diesem Grunde interessiert sich die Wirtschaftsaufsicht für die innergesellschaftlichen bzw. privatrechtlichen Entstehungsbedingungen eines einzelnen Wirtschaftszweigs oder einer einzelnen wirtschaftlichen Verhaltensweise regelmäßig nicht. Sie sieht ihre rechtliche Aufgabe — zumindest grundsätzlich — nur i n der Unterstützung des Bestehens oder Bestehenkönnens einer solchen Verhaltensweise und nicht auch i n der Gewährleistung des Enstehens einer entsprechenden Verhaltensweise 9 . Die Frage nach den rechtlichen Enstehensbedingungen überläßt die Wirtschaftsaufsicht dem Privatrecht; sie setzt namentlich die subjektiven Betätigungsrechte der Wirtschaftssubjekte als solche voraus 10 . I n diesem Sinne konstituierte sich die klassische Wirtschaftsaufsicht i n bewußter Distanzierung vom privaten Wirtschaftssubjekt und dessen privater Rechtsstellung. Sie suchte dessen Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit zu sichern, und suchte i n deren Vorgegebenheit zugleich die eigene Grenze. Der Sinn einer jeden Wirtschaftsaufsicht endete dort, wo das zu beaufsichtigende und damit zu sichernde W i r t schaftsverhältnis tatsächlich oder von Privatrechts wegen fehlte. Dieses Verfahren funktionierte unter den Gegebenheiten der w i r t schaftlich autonomen „Privatrechtsgesellschaft" (F. Böhm) 1 1 mühelos. Der Staat konnte die wirtschaftliche Ordnung u n d die Austragung wirtschaftlicher Konflikte wesentlich der privaten Selbstregulation überlassen. Die Wirtschaftsaufsicht konnte i n der Reserve eines prinzipiell defensiven Wächtertums verharren 1 2 ; dessen Ordnungsaufgaben beschränkten sich auf diejenigen Extremfälle, i n denen private Störungen wirtschaftlicher Lebensprozesse so gravierend waren, daß sie auch das 8 Zum rechtlichen Verhältnis von öffentlichem und privatem Interesse vgl. hier noch eingehend sub C V 2. 9 VgL Bullinger, a.a.O. 10 Darüber darf auch der Umstand nicht hinwegtäuschen, daß sich bestimmte Schutzgüter — wie etwa i m Kartellrecht — zunächst parallel oder auch unter Einfluß zivilistischer Vorstellungen entwickelt haben. Ungeachtet dessen haben sich auch hier die Wege von privat- und aufsichtsrechtlichen Schutzfunktionen schnell getrennt (vgl. zum Verhältnis von Privatrecht und Kartellrecht schon Scholz, ZHR132, 97 [120]). 11 Vgl. Ordo 17, 75 ff. 12 Zur Reservefunktion der Wirtschaftsaufsicht in diesem Sinne vgl. bes. Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 15 f., 181 f.
I. Die Wirtschaftsaufsicht als objektiver Institutionsschutz
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öffentliche Interesse an der einzelnen gesellschaftlichen Sozialfunktion berührten. 4. Dieses eigentümliche Nebeneinander von aufgabenbegrenzender Aufsichtsvoraussetzung und voraussetzungsstützender Aufsichtsaufgabe erklärt die strukturelle Besonderheit des aufsichtsrechtlichen Schutzguts: Die Wirtschaftsauf sieht schützt auf der einen Seite die privaten (subjektiven) Wirtschaftsrechte nicht, indem sie diese voraussetzt; die Wirtschaftsaufsicht unterstützt diese Rechte zum anderen aber (mittelbar) doch, indem sie das Wirtschaftsverhalten, das auf der privaten Nutzung jener Rechte beruht, vor bestimmten Störungen und Gefahren sichert. Die Wirtschaftsaufsicht berührt sich m i t den privaten W i r t schaftsrechten demnach i n der Zone des realen Wirtschaftens — von jenen Rechten her gesehen also auf der Ebene der Rechtsausübung (Wirtschaften als tatsächliche Folge des Rechts zum Wirtschaften). Dieser Umstand ist für die besondere Systematik des aufsichtsrechtlichen Schutzzwecks ursächlich. Die Wirtschaftsaufsicht verfolgt den Schutz einer bestimmten — (auch) i m öffentlichen Interesse liegenden — Wirtschaftsfunktion. Diese erfüllt sich i m realen Wirtschaftsprozeß oder Marktverhalten der privaten Wirtschaftssubjekte. Die Wirtschaftsaufsicht muß ihr Schutzgut also an der Realität des von i h r vorausgesetzten Lebenssachverhalts (Wettbe werb, Versorgungs-, Verkehrswirtschaft usw.) ausrichten. Der juristischen Konstruktion eines Aufsichtszwecks bereitet dies naturgemäß Schwierigkeiten. Denn m i t der sachlichen A b hängigkeit des Schutzzwecks von einer realen gesellschaftlichen Verhaltensweise w i r d auch der rechtliche Tatbestand des aufsichtsrechtlichen Schutzguts von dieser Verhaltensweise abhängig. A r t und Existenz dieser Verhaltensweise werden gleichsam tatbestandsbestimmend; der Tatbestand des Schutzgutes muß sich m i t anderen Worten der realen Vielfalt und Wandlungsfähigkeit der gesellschaftlichen W i r t schaftsformen öffnen oder anpassen. Eine Aufsichtsgesetzgebung kann demnach zwar das öffentliche Interesse an der Sicherung einer bestimmten gesellschaftlichen Wirtschaftsfunktion allgemein benennen oder zum generellen Ordnungsprinzip erheben. Die sachlichen Maßstäbe aber, wann und wie dieses Ordnungsprinzip i m konkreten Einzelfall zu bewahren ist, kann eine solche Gesetzgebung nicht abschließend festlegen. Sie muß sich hier nach den tatsächlichen Wirtschaftsverhältnissen richten, muß i n der eigenen Begrifflichkeit also beweglich bleiben. Denn nur ein Höchstmaß derartiger Elastizität vermag die Wirtschaftsaufsicht den Erfordernissen der W i r k lichkeit anzupassen und i n ihrem Schutzzweck effektiv zu halten. Der Schutzzweck der Wirtschaftsaufsicht verfehlt aus diesem Grunde den Zustand des v o l l ausgebildeten, d. h. normativ geschlossenen Rechtsguts i m Sinne einer objektiven oder subjektiven Rechts- und Pflichten2*
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B. Struktur und Aufgaben der Wirtschaftsaufsicht
beziehung. Die zum generellen Ordnungsprinzip deklarierte Entscheidung des Gesetzgebers nennt nur das wirtschaftspolitische Interesse des Staates an einer gesellschaftlichen Wirtschaftsfunktion, ohne deren Initiierung zum rechtlichen Gebot zu erheben. Sie überläßt den aufsichtsrechtlichen Schutzzweck v o l l der privaten Wirtschaftsfreiheit. Wenn also etwa die Energieaufsicht eine möglichst „sichere und billige" Energieversorgung anstrebt, so t u t sie dies nur unter dem Vorbehalt, daß Private überhaupt willens und imstande sind, entsprechende W i r t schaftsunternehmen zu betreiben. 5. Diese Feststellung mag zunächst lapidar klingen oder bloße Selbstverständlichkeiten wiedergeben; und doch werden gerade diese Selbstverständlichkeiten häufig verkannt oder übersehen, indem der Schutzzweck einer Wirtschaftsaufsicht als vermeintlich originäres oder selbständiges Rechtsgut angesehen wird. Die Folge dessen heißt nicht nur mangelnde Differenzierung i m begrifflichen Detail, sondern prinzipielle und nicht ungefährliche Mißdeutung der Wirtschaftsaufsicht überhaupt. Ein solches „Rechtsguts"Verständnis erfüllt sich zumeist so: Der vom Gesetzgeber abstrakt umschriebene Schutzzweck einer Wirtschaftsaufsicht w i r d i n einer konkreten, also nur augenblicklich gültigen Interpretationsphase festgehalten und i n dieser auf eine definitive, auch für die Zukunft als verbindlich erachteten Ordnungsaussage reduziert. Der vom Gesetzgeber bewußt beweglich und relativ gehaltene Schutzzweck löst sich damit aus seiner strukturellen Abhängigkeit von der w i r t schaftlichen Realität. Er erstarrt zur absoluten oder normativ fixierten Ordnungsaussage. Je weiter sich deren Inhalt von der fortschreitenden Entwicklung der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse entfernt, umso mehr w i r d der Schutzzweck der Wirtschaftsaufsicht zur Fiktion. Als fiktive Größe nimmt er gegenüber der privaten Entschließungsfreiheit — zumindest tendentiell — verpflichtenden Charakter an. Denn die Wirtschaftsaufsicht zielt jetzt nicht mehr auf die bloß sichernde Uberwachung wirtschaftlicher Funktionen, die die Gesellschaft i n prinzipiell eigener Verantwortung freiheitlich bildet und daher auch freiwillig erfüllt. Der inhaltlich fixierte („verabsolutierte") Ordnungsanspruch zwingt die Wirtschaftsaufsicht vielmehr, jetzt auch solche Funktionen zu „sichern", die die fortgeschrittene Wirtschaftsentwicklung längst überholt hat. Die Wirtschaftsaufsicht muß der Gesellschaft also Funktionen abverlangen, die diese entweder gar nicht mehr oder nur noch i n veränderter Gestalt erfüllen will. Der Schutzzweck der Wirtschaftsaufsicht übernimmt damit eine offensive oder gestaltende Ordnungsaufgabe. Er beschränkt sich nicht mehr auf die Überwachende Funktionssicherung; er w i r d vielmehr zur lenkenden Funktionsbegründung. Eben dieser Effekt widerspricht jedoch dem Wesen des Aufsichtsbegrifis. Die Wirtschaftsaufsicht versteht sich gerade nicht als staatliche
I. Die Wirtschaftsaufsicht als objektiver Institutionsschutz
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Steuerungsaufgabe; sie sieht ihre Aufgabe nicht i n der entstehungsmäßigen Durchsetzung einer gesellschaftlichen Wirtschaftsfunktion, sondern allein in deren bestehensmäßiger Sicherung. Aus diesem Grunde baut die Wirtschaftsaufsicht auf die Reserve des defensiv eingestellten Wächtertums; aus diesem Grunde verzichtet sie auf die offensiven Initiativen der Wirtschaftslenkung 1S. 6. Die Wirtschaftslenkung strebt i m Gegensatz zur Wirtschaftsaufsicht (auch) die aktuelle Entstehung bestimmter Wirtschaftsfunktionen an; sie nimmt in diesem Sinne eine aktive Haltung gegenüber den privaten Wirtschaftsfreiheiten ein. Die Wirtschaftslenkung führt dementsprechend meist unmittelbar-verbindliche (normativ fixierte) Rechtspflichten für das Wirtschaftssubjekt ein. Die juristische Konstruktion des Schutzzwecks fällt der Wirtschaftslenkung daher ungleich leichter als der Wirtschaftsaufsicht. Denn die Wirtschaftslenkung braucht sich wegen ihrer augenblicklich und direkt wirkenden Ordnungsaufgaben kaum Gedanken u m ihre zukünftige Wirksamkeit und Effektivität i m Ordnungszweck zu machen. Sie braucht ihre aktuellen Schutzgüter nicht — von vornherein — auf die wechselnden Situationen und Bedürfnisse einer dynamischen Wirtschaftsgesellschaft einzurichten. Sie kann — und muß — sich m i t anderen Worten auf die momentane W i r k samkeit und Verbindlichkeit des Rechtsgebots i m Sinne geschlossener Normativität beschränken. Die Wirtschaftsaufsicht muß i h r Schutzgut dagegen der zukünftigen Entwicklung offenhalten. Sie muß deshalb auf jene geschlossene Normativität verzichten. Zu i h r dringt die W i r t schaftsaufsicht erst i m Stadium der aktuellen Rechtsanwendung vor. Erst i m konkreten Einzelfall gelangt sie zu absolut verbindlichen (fixierten) Schutzzwecken und -Wirkungen. Oder m i t anderen Worten: Erst die aktuelle Ordnungsentscheidung einer Aufsichtsinstanz schafft und nennt den konkret-gültigen Schutzmaßstab der (angewandten) Aufsichtsnorm. Diesem anwendungsmäßig ermittelten Schutzmaßstab ist zwar das allgemeine (gesetzliche) Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht als Generalmaßstab vorgeordnet. Dieser ist aber wegen seiner normativ offenen Struktur auf die Umsetzung zum normativ geschlossenen Spezialmaßstab angewiesen 14 . Erst ein solcher, normativ verdichteter 13 Zur Abgrenzung von Wirtschaftsaufsicht und Wirtschaftslenkung in diesem Sinne vgL bes. Bullinger, W D S t R L 22, 286 ff. 14 Eine prinzipiell entgegengesetze Sicht hat Bullinger in seinem Referat vor der Staatsrechtslehrertagung 1963 vertreten. B. w i l l hiernach Wirtschaftslenkung und Wirtschaftsaufsicht gerade umgekehrt danach abgrenzen, ob eine staatliche Instanz auch zur Maßstabbestimmung berufen ist. Ist dies der Fall, so soll es sich um Wirtschaftslenkung handeln. Ist die fragliche Stelle dagegen bloß zur Maßstabdurchsetzung berufen, so soll es sich um Wirtschaftsaufsicht handeln (vgl. W D S t R L 22, 286 ff.). B. geht dabei zwar von der richtigen Erkenntnis aus, daß die Wirtschaftslenkung „darauf abzielt, Wirtschaftende zu einem selbstverantwortlichen Verhalten zu veranlassen" (a.a.O., S. 287), und daß die Wirtschaftsaufsicht lediglich bestehende Ver-
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Maßstab weist einem konkreten Wirtschaftsverhalten den rechtlich vorgeschriebenen Weg. Der Generalmaßstab ist dazu nicht i n der Lage. Er stellt noch keine aktual-verbindlichen Verhaltensrichtlinien auf. Denn seine gesetzliche Festlegung zielt auf eine nach A r t und Zahl unbestimmte Menge (potentieller) wirtschaftlicher Verhaltensweisen 16 . Konstruktionsmäßig zieht sich die gesetzliche Bestimmung des aufsichtsrechtlichen Schutzzwecks (Generalmaßstabs) daher und zumeist auf die generälklauselartige Umschreibung zurück. 7. Das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht erreicht zwar über die Generalklausel hinaus eine gewisse Verdichtung durch das Prinzip der Gefahren- und Mißbrauchsabwehr. Die Wirtschaftsaufsicht wendet sich, wie schon erwähnt, gegen bestimmte innergesellschaftliche Störungen und Gefährdungen des aufsichtsrechtlichen Schutzguts. Die Schutzrichtung der Wirtschaftsaufsicht heißt also Abwehr von funktionsstörendem (Freiheits-)Mißbrauch oder funktionshindernder Gefahr. Durch diese Ausrichtung gelingt der Aufsichtsgesetzgebung eine gewisse Typisierung bzw. Festlegung von Verhaltensmustern, die erfahrungsgemäß entsprechende Mißbräuche oder Gefahren auszulösen pflegen. Die Wirtschaftsaufsicht kann sich jedoch nicht von vornherein auf die Abwehr bloß derartiger Verhaltenstypen beschränken. Denn die eigene Offenheit gegenüber den realen Gegebenheiten und wirtschaftlichen Entwicklungen zwingt sie, sich auch auf künftige, etwa untypische Störungsfälle einzurichten. Aus diesem Grunde muß die A u f sichtsgesetzgebung ihrem Schutzzweck — zumindest hilfsweise — die Möglichkeit geben, auch jenseits der momentan als typisch erkannten Verhaltensmuster auf Mißbrauch und Gefahr zu reagieren. Für die haltensweisen an einen vorgegebenen Aufsichtszweck bindet (a.a.O., S. 287 ff.). B. überschätzt jedoch die normative Festigkeit des aufsichtsrechtlichen Schutzmaßstabs. Es ist zwar zunächst richtig, daß die Wirtschaftsaufsicht lediglich „bestehende", d.h. gesetzlich vorgegebene, „Anforderungen durchsetzt" (a.a.O., S. 287). Diese „Anforderungen" lassen sich indessen nicht als normativ-geschlossene Maximen begreifen. Die notwendige Offenheit und Elastizität der Wirtschaftsaufsicht zwingt diese gerade, auf „wirtschaftliche Formelbegriffe wie das »volkswirtschaftliche Interesse', die »Nachteile für die Gesamtwirtschaft 4 " usw. zurückzugreifen, die B. als nicht-aufsichtsrechtliche, sondern lenkungsrechtliche „Leitbegriffe" qualifizieren w i l l (a.a.O., S. 292). Hierin liegt sicher eine noch weiter zu verfolgende (vgl. D 1 2 ) Gefahr (Wirtschaftslenkung „durch" aufsichtsrechtliche „Formelbegriffe"). Ungeachtet dessen darf der strukturelle Zusammenhang zwischen Wirtschaftsaufsicht und formelmäßig umschriebenem Aufsichtszweck nicht außer acht gelassen werden. 15 Das Problem liegt dabei in der Art der wirtschaftlichen Verhaltensweise. Während die zahlenmäßige Unbestimmtheit der künftig aufsichtspflichtigen Verhaltensweisen nämlich auf den bloß quantitativen Subsumtionsvorgang der auf die jeweiligen Einzelfälle angewandten Aufsichtsnorm hinweist, läßt sich die Unbestimmheit der Arten künftiger aufsichtspflichtiger Verhaltensweisen nicht vorab definieren. Diese qualitative Definition (Spezialmaßstab) kann eben erst der normspezifizierende Bechtsanwendungsakt hervorbringen.
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Struktur des Schutzzwecks bedeutet dies wiederum, daß auch die Grundsätze von (typischer) Gefahren- und Mißbrauchsabwehr an der prinzipiellen Offenheit des aufsichtsrechtlichen Schutzguts nichts zu ändern vermögen. 8. Das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht zielt nach alledem auf die Sicherung bestimmter gesellschaftlicher Wirtschaftsfunktionen. Gegenständlich konzentriert sich die Wirtschaftsaufsicht auf die Überwachimg derjenigen Verhaltensweisen, die diese Funktionen üblicherweise hervorbringen. Die Wirtschaftsaufsicht rührt dabei aber — i m Gegensatz zur Wirtschaftslenkung — nicht an die private Wirtschaftsfreiheit. Sie überläßt zumindest das Ob jener Verhaltensweisen und damit auch das Ob der von diesen erfüllten Funktionen prinzipiell den gesellschaftlichen Eigeninitiativen. Das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht besteht also i n der öffentlich-rechtlichen Sicherung gesellschaftsautonomer Wirtschaftsfunktionen. Die Besonderheit des aufsichtsrechtlichen Schutzgutes liegt i n der Divergenz von rechtlicher Sicherung und gesellschaftsautonomem Sicherungsgegenstand. Diese Divergenz verhindert eine fertige Hechtsgüterordnung i m Sinne eines objektiven oder subjektiven Schutzrechts bzw. Rechtsgebots. Das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht setzt sich statt dessen i n eigentümlicher Weise aus juristischen Sicherurigsmitteln und (vorausgesetzten) gesellschaftlichen Initiativen zusammen. Das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht ist damit weder bloßer Funktionsschutz 16 i m soziologischen Sinne noch voller Rechtsschutz i m Sinne objektiver oder subjektiver Rechte und Pflichten. Das Schutzgut ist vielmehr beides in einem. Es baut auf der tatbestandlichen Verbindung von gesellschaftlichen Sachverhalten m i t rechtlichen Ordnungsmitteln auf und funktioniert begrifflich nur i m spezifischen Zusammenspiel dieser beiden — juristischen und metajuristischen (tatsächlichen) — Begriffselemente. Diese inhaltliche Komplexität des aufsichtsrechtlichen Schutzzwecks läßt sich definitorisch nur m i t Hilfe des (sozialwissenschaftlichen) Institutionsbegriffs auffangen. Denn m i t i h m w i r d regelmäßig der „reale Gesamtsachverhalt einer gesellschaftlichen Einrichtung" umschrieben, so wie er sich aus einer Reihe faktischer und normativer Bestandteile zusammensetzt 17 . Hiernach läßt sich auch das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht als besonderer Institutionsschutz verstehen. Da dieser Schutz sich prinzipiell ohne Rücksicht auf die (vorausgesetzten) subjektiven Privatrechte der „beteiligten" Wirtschaftssubjekte konstituiert, ist er als objektiver Institutionsschutz zu begreifen. 16
Vgl. anders aber Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 14 ff. Vgl. insoweit beispielhaft Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S. 279; ders. auch: Institutionelles Rechtsdenken i m Wandel der Verfassungsepochen, 1970, S. 34 ff. 17
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I I . Insbesondere: Die Kartellauf sieht 1. Der Gedanke des „Institutionsschutzes" beherrscht seit jeher auch die Diskussion der Kartellaufsicht. Die „Institution Wettbewerb" soll nach herrschender Ansicht 1 maßgebender Schutzzweck des GWB sein. Inhaltlich meint das „institutionelle" Argument hier allerdings meist das Gegenteil von dem, was vorstehend für die Wirtschaftsaufsicht allgemein ausgeführt wurde. Wenn es nämlich heißt, das GWB schütze „die Institution Wettbewerb", so w i r d „der Wettbewerb" dabei zumeist als geschlossenes oder normativ fixiertes Rechtsgut i m Sinne des objektiven oder subjektiven Rechts vorausgesetzt. „Der Wettbewerb" erscheint also nicht als Institution i m Sinne des begrifflich offenen Sinnzusammenhanges von Norm und Realität, sondern als „Rechtsinstitut" 2 , d. h. als Institut, dessen normative Begrifflichkeit von der Realität w i r t schaftlicher Verhaltensweisen unabhängig ist. Hinter dieser Qualifikation steht auf der einen Seite die scheinjuristische Prämisse der neooder ordoliberalen Wirtschaftsideologie, die den „Wettbewerb als Aufgabe" 8 postuliert 4 . A u f der anderen Seite erscheint jene Qualifikation als Resultat einer prinzipiellen Mißdeutung des Institutionsbegriffs, die diesen vorab oder einheitlich als juristische Größe zu begreifen sucht und auf diese Weise „ i m " Institutionsbegriff soziologische Begriffselemente i n solche normativer A r t umzusetzen sucht 5 . I m Ergebnis laufen beide Interpretationsversuche auf das gleiche hinaus: Sie suchen den Schutz des „institutionellen Rechtsguts Wettbewerb" i n der Forderung auf Wettbewerb bzw. Pflicht zum Wettbewerb. Als Begründung dienen entweder das wirtschaftspolitische Bekenntnis zum System der liberalen Marktwirtschaft oder die rechtliche Fixierung der gesetzlichen „Institution Wettbewerb" auf eine angeblich absolute, d. h. ohne Rücksicht auf die Wirklichkeit geltende, gegebenenfalls also auch fiktive Wettbewerbsvorstellung. 2. Beide Wege treffen jedoch nicht den Sinn des GWB. Die Kartellaufsicht verfolgt zwar den Schutz des Wettbewerbs oder wettbewerb1
Vgl. die Nachw. oben B I N . 2. Raiser, in: Summum ius, S. 157. 3 Vgl. für alle insoweit den beispielhaften Titel der Abhandlung von Miksch (2. Aufl. 1947); allgemein maßgebend vgl. i m übrigen und nach wie vor Böhm, Wettbewerb, bes. S. 210 ff. 4 Vgl. zum Ganzen schon Scholz, ZHR132, 113 f. 5 Zu den in diesem Sinne gegenüber der sog. „institutionellen" Rechtsoder Interpretationsmethode überhaupt gültigen Bedenken vgl. allgemein zuletzt Rüthers, Institutionelles Rechtsdenken, S. 32 ff.; zur speziellen Problematik freiheits- bzw. grundrechtlicher Gewährleistungen vgl. bes. Denninger, Rechtsperson und Solidarität, 1967, S. 234 ff., 257 ff.; ders., JZ63, 424; Herzog, Hirsch-Festschrift, 1968, S. 63 (70 f.); Schnur, W D S t R L 22,101 (117 f.); Klein, Teilnahme, S. 111 ff.; vgl. auch bereits Scholz, WRP68, 315 (316); zur Kritik institutioneller Deutungsversuche gerade der Wettbewerbsfreiheit vgl. Scholz, Z H R 132, 105ff., 113ff.; Klein, a.a.O. 2
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liehen Marktsystems, indem sie bestimmte, von ihr als wettbewerbsfeindlich erkannte Gefahren oder Mißbräuche abzuwehren sucht. Der Wettbewerb selbst bildet ungeachtet dessen aber kein (originäres) Rechtsgut i m beschriebenen Sinne. Denn die Kartellaufsicht w i l l den Wettbewerb nicht als solchen durchsetzen. Sie überläßt sein Entstehen v o l l der privaten, individualen Wirtschaftsfreiheit 6 und sucht nur sein reales Bestehen zu sichern. Dies geschieht wiederum nicht u m des Wettbewerbs selbst willen. Denn der Wettbewerb bildet keinen Selbstzweck 7 ; er ist weder ideologisch vorgegebenes noch rechtlich aufgegebenes Ordnungssystem 8 ' 9 . Die Kartellaufsicht schützt den Wettbewerb tatsächlich nur wegen der von i h m erfüllten gesellschaftspolitischen und ökonomischen Funktionen. Gesellschaftspolitisch ist der Wettbewerb Ausdruck u n d M i t t e l der 10 privaten Wirtschaftsfreiheit . Denn er entsteht durch die freie w i r t schaftliche Betätigung der miteinander konkurrierenden Wirtschaftssubjekte; als marktmäßig ausgeübte Verhaltensform ermöglicht er diese Betätigung zugleich 11 . Volkswirtschaftlich w i r k t der Wettbewerb als Mechanismus, der erfahrungsgemäß besondere ökonomische Leistungen hervorbringt 1 2 . Nur wegen dieser Funktionen ist der Wettbewerb als freiheitliche Verhaltensform und zweckmäßige Marktform 1 3 geschützt 14 . 6 Zur privaten Wirtschaftsfreiheit als Grundlage des Wettbewerbs vgl. vor allem Fikentscher, Wettbewerb, S. 210ff.; Scholz, ZHR132, 105ff. 7 Vgl. Steindorff, Zweckmäßigkeit, S. 64 f.; Lukes, Kartellvertrag, S. 137; Scholz, ZHR132, 116. 8 Vgl. Scholz, Z H R 132, 114. 9 Aus diesem Grunde ist die Kartellaufsicht nicht Wirtschaftslenkung, sondern Wirtschaftsaufsicht (vgl. im Ergebnis a. A. allerdings Bullinger, W D S t RL22, 295 — zum zugrundeliegenden Gedankengang Bullingers vgl. allerdings schon oben B I N . 14). Sie wäre dagegen Wirtschaftslenkung, wenn das GWB sich tatsächlich, wie gelegentlich immer noch behauptet, als Erfüllung neo- oder ordoliberaler Postulate verstünde. Denn in diesem Falle wäre der Wettbewerb als solcher Gesetzeszweck; seine entstehensmäßige Durchsetzimg wäre lenkungsmäßige Ordnungsaufgabe der Kartellbehörden. 10 Zu deren insbesondere verfassungsrechtlichen Grundlagen vgl. noch D I I 4, D I V 2. 11 Vgl. näher bereits Scholz, Z H R 132, 106 f., 118 ff. 12 Vgl. näher hierzu vor allem Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61 ff.; ders., in: Grundlagen der Wettbewerbspolitik, Schriften des Vereins für Socialpolitik, n. F. Bd. 48, 1968, S. 9 ff. (24 ff.); Günther, in: Planung I I , S. 257 (260 ff.); vgl. auch Scholz, Z H R 132, 116 f. 13 Zum Prinzip der Zweckmäßigkeit als wirtschaftpolitischer Ordnungsgrundlage des Kartellrechts vgl. maßgebend Steindorff, Zweckmäßigkeit, S. 12 ff. 14 Gegen die von mir in Z H R 132, 105 ff. — im Zusammenhang mit der Frage, ob und inwieweit das Wettbewerbsrecht auch auf die öffentliche Hand anzuwenden ist — vertretene Auffassung, daß der Wettbewerb als bloße Folge und Funktion freier wirtschaftlicher Betätigung zu begreifen sei und das Wettbewerbsrecht aus diesem Grunde funktionale Verhaltensordnung im Sinne „allgemeinen", d.h. privaten und öffentlichen Rechts sei, hat sich jüngst Emmerich, Der unlautere Wettbewerb der öffentlichen Hand, 1969, S. 20 ff., gewandt. E. hält mir insbesondere vor, ich hätte „die Bedeutung des
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I m Rahmen dieses Schutzes brauchen die Gewichte freilich nicht gleich verteilt zu sein. Der Kartellgesetzgeber kann die Akzente zwischen diesen beiden Funktionsbereichen durchaus verschieden setzen. E r kann einmal mehr gesellschaftspolitische Freiheitsmomente und ein anderes M a l mehr volkswirtschaftliche Leistungsmomente verfolgen 16 . Dem Gesetzgeber steht insofern ein prinzipiell unbeschränkter Ermessensspielraum offen 16»17. Wettbewerbs für eine freiheitliche Ordnung" verkannt, indem ich „dem Wettbewerb jeden Eigenwert" abgesprochen habe (a.a.O., S. 22). E. übersieht dabei indessen schon, daß ich den Wettbewerb durchaus als freiheitliches und grundrechtlich geschütztes Verhalten (Art. 12, 14 GG) bzw. als Ergebnis dieses freiheitlichen Verhaltens bezeichnet habe (vgl. ZHR, a.a.O.). E.'s Vorwurf geht also schon insofern fehl. Entscheidend ist aber, daß die von E. — und mit ihm von vielen anderen — vorgenommene Gleichsetzung von „Wettbewerb" und „Freiheit" letztlich nur Fiktion oder ideologisches (neo-liberales) Postulat ist. Der Zusammenhang von Wettbewerb und Freiheit ist in W i r k lichkeit komplexer. Wettbewerb und Freiheit sind weder identisch noch voll voneinander scheidbar. Der Wettbewerb ist einmal die Folge der freiheitlichen Wirtschaftsbetätigung. Er ist in diesem (funktionalen) Sinne tatsächlich wertneutraler, weil rein wirtschaftlich-realer Tatbestand. Andererseits ist der Wettbewerb — über die „Freiheit zur wettbewerblichen Folge" — auch freiheitlich orientiert; denn seine Sicherung dient (mittelbar) der Freiheit zur wirtschaftlichen Betätigung. Einer rechtlichen Ordnung „des Wettbewerbs" kommt insoweit also nicht nur funktionale, sondern auch instrumentale Bedeutung zu (vgl. auch schon Z H R 132, 105 ff. m. 118 f.). Andererseits ermöglichen Funktionalität und Instrumentalität in diesem Sinne überhaupt erst jede rechtliche Sicherung der (wettbewerblich ausgeübten Wirtschafts-)Freiheit. Jede Wettbewerbsgesetzgebung muß Unterschied und Zusammenspiel von Funktion und Instrument „Wettbewerb" in diesem Sinne beachten. Tut sie dies, wie das GWB, so bedeutet das, daß der Wettbewerb gleichsam in zwei Phasen angesprochen wird: als reale Funktion (Freiheitsfolge) und als juristisches Instrument (Freiheitssicherung). Hieraus folgt wiederum, daß das Wettbewerbsrecht funktionale Verhaltensordnung ist, sich tatbestandlich also an jede, d. h. prinzipiell auch an die öffentlich-rechtlich intendierte Wettbewerbsweise wendet. Dieser Umstand bedingt jedoch keine Aufgabe oder Mißachtung der freiheitlichen Orientierung des Wettbewerbs; im Gegenteil, erst das funktionale Verständnis des Wettbewerbs ermöglicht der wettbewerbsrechtlichen Norm den (instrumentalen) Schutz der i m Wettbewerb verwirklichten und zu verwirklichenden Freiheit. 15 Das volkswirtschaftliche Leistungsmoment dominiert eindeutig bei der Zulassung des Strukturkrisenkartells (§4 GWB) und des Sonderkartells (§8 GWB); maßgebende Bedeutung kommt ihm auch bei der Zulassung von Rationalisierungs- (§ 5 GWB), Spezialisierungs- ( 5 a GWB) und Ausfuhrkartell (§ 6 GWB) zu. 16 Zu dessen verfassungsrechtlicher Grundlage vgl. noch D I V 2. 17 Dessen verwaltungsrechtliche Ausführung darf allerdings nie so weit gehen, daß die private Wirtschaftsfreiheit neben der ökonomischen Zweckmäßigkeit unterzugehen droht. Da der Wettbewerb entstehungsmäßig ganz der privaten Wirtschaftsfreiheit folgt, könnte sich eine einseitige Betonung des volkswirtschaftlichen Leistungsgedankens nämlich als Beschränkung der privaten Wirtschafts- bzw. Wettbewerbsfreiheit auswirken. Dieser Gefahr hat der Gesetzgeber indessen vorgebeugt, indem er das Strukturkrisenkartell nur unter Berücksichtigung der ggf. divergierenden Belange von „Gesamtwirtschaft" und „Gemeinwohl" erlaubt (§ 4 GWB), indem er das Sonderkartell über diese Maßstäbe hinaus ( § 8 1 GWB) noch einer Bestandgarantie für den betroffenen Wirtschaftszweig verpflichtet (§ 8 I I 1 GWB), indem er das Ratio-
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3. Gleichgültig aber, wie ein solcher Funktionsschutz i m Einzelfall aussieht, er entkleidet den Wettbewerb doch nie seines rechtlich vorausgesetzten Bezuges zur privaten Wirtschaftsfreiheit 18 ; er formiert i h n nicht zum juristisch selbständigen Rechtsinstitut oder rechtsbegrifflich determinierten (fixierten) Rechtsgut 19 . Der Wettbewerb bleibt vielmehr — seiner instrumentalen und realen Orientierung entsprechend — ökonomisch-soziologischer Funktionsbegriff 20. Der Wettbewerb umschreibt i n diesem Sinne zunächst nichts anderes als einen bestimmten tatsächlichen Geschehensablauf 21 oder — auf die Ebene der realen Marktordnung übertragen — einen bestimmten kausalen Marktzustand 22 . Dieser Geschehensablauf oder Kausalzustand 28 erfüllt die bezeichneten Funktionen und darf u m dieser w i l l e n zur Ordnungsvorstellung des GWB werden 24 . Dies ändert jedoch nichts daran, daß „der Wettbewerb" nicht zum definitiven oder gar normlogischen Rechtsbegriff erstarkt 2 5 . Die Rechtsnormen des GWB müssen i h n vielmehr als solchen, d. h. als realen Lebenssachverhalt, voraussetzen. Die Kartellaufsicht kann den Wettbewerb zwar i n seinen rechtlichen Bestehensbedingungen sichern; auf seine tatsächliche Entstehung und tatsächliche Gestaltung oder Ausrichtung hat sie jedoch keinen Einfluß. Diese liegen allein i n der Hand der am konkreten M a r k t wetteifernden W i r t schaftssubjekte. Als begriffliche Größe bleibt „der Wettbewerb" also relativ. W i r d er zum tatbestandlichen Ordnungsziel oder - m i t t e l der nalisierungskartell an ein „angemessenes Verhältnis" von „Rationalisierungserfolg" und der mit diesem „verbundenen Wettbewerbsbeschränkung" bindet (§5 I I 2 GWB), indem er das Spezialisierungskartell dem Fortbestand eines „wesentlichen Wettbewerbs" (§ 5 a S. 1 GWB) und das Ausfuhrkartell dem ggf. überwiegenden „Interesse an der Erhaltung des Wettbewerbs" (§ 6 I I I Nr. 2 GWB) gegenüberstellt. M i t all diesen Abgrenzungen hat der Gesetzgeber nicht nur deutlich gemacht, daß ihm die Möglichkeit des Konflikts zwischen gesellschaftspolitischer und wirtschaftspolitischer (volkswirtschaftlicher) Schutzfunktion klar war; er hat darüber hinaus verbindliche Maßstäbe für eine entsprechende Güterabwägung aufgestellt (vgl. für § 8 GWB deutlich z. B. Biedenkopf, BB 66, 1113 [1118 f.]). I m Einzelfall ist hier nach dem Prinzip des „nach beiden Seiten hin schonendsten Ausgleichs" (Lerche, Übermaß, S. 153) zu .verfahren. Das Moment der privaten Wirtschaftsfreiheit darf also durch ökonomische Zweckmäßigkeitsgründe niemals übermäßig, d. h. nicht außerhalb von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, zurückgedrängt werden (vgl. auch B K A r t A W u W / E 491 ff.; 1031 ff.). 18 Vgl. Rupp, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 187 (207). 19 VgL bes. Fikentscher, Wettbewerb, S. 207ff.; Lukes, Kartellvertrag, S. 185ff.; Scholz, ZHR132, 114ff. 20 Vgl. Scholz, ZHR132, 115. 21 Vgl. Lukes, Böhm-Festschrift, S. 199 (219 ff.); Scholz, Z H R 132, 105 ff., 114 ff. 22 Vgl. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 88. 28 Zum bloß formallogischen Gegensatz von „Ablauf" (Prozeß) und „Zustand" in diesem Sinne vgl. Scholz, Z H R 132, 115 f. m. N. 91. 24 Vgl. hierzu schon Scholz, Z H R 132, 116. 25 Vgl. näher Scholz, Z H R 132, 115 f. m. w. Nachw. N. 93.
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kartellrechtlichen Norm, so bleibt er innerhalb dieser doch stets außerrechtlicher Maßstab. Oder anders ausgedrückt: Das kartellrechtliche Tatbestandsmerkmal „Wettbewerb" ist grundsätzlich offen oder sinnvariabel angelegt 26 . Konkret-rechtsgültigen Inhalt empfängt es erst aus der konkreten Wirklichkeit 2 7 bzw. aus der rechtlichen Anwendung der Kartellrechtsnorm auf diese 28 . Der Wettbewerb ist demnach nicht Schutzgut der Kartellaufsicht 29 . Er empfängt aus dem Kartellrecht zwar bestimmte Sicherungen für sein reales Bestehen und effektives Funktionieren; seine rechtlich maßgebende Entstehung liegt aber bei der privaten Wirtschafts- bzw. Wettbewerbsfreiheit. Der Schutz des GWB zielt daher auf diese oder auf den Wettbewerb als Ausdruck und Instrument derselben 80 . Jeder Versuch, den Wettbewerb demgegenüber als selbständig garantiertes Rechtsinstitut zu verstehen, endet zwangsläufig i n der ideologisierenden und damit scheinnormativen oder Faktizität m i t Normativität verwechselnden Fiktivität 3 1 . 4. A u f der anderen Seite dürfen allerdings auch die private W i r t schafts- und Wettbewerbsfreiheit bzw. die hinter diesen, m i t ihren spezifischen wirtschaftlichen Schutzbedürfnissen stehende menschliche Persönlichkeit 32 nicht als absolutes oder normativ geschlossenes Rechtsgut der Kartellaufsicht angesehen werden 33 . Das GWB bezweckt zwar deren Schutz. Es setzt die rechtliche Garantie der privaten W i r t schafts- und Wettbewerbsfreiheit aber zugleich voraus, indem es seine gegenständlichen Schutzwirkungen auf die tatsächlich ausgeübte, beschränkt 34 . d. h. im Wettbewerb aktuell wirksame Wirtschaftsfreiheit 26
117.
Vgl. Burmann, W R P 68, 240 ff.; Plaßmann, JZ68, 81; Scholz, Z H R 132,
27 Vgl. dazu m. w. Nachw. Scholz, Z H R 132, 117 und neuerdings vor allem J. Baur, Z H R 134, 97 (99 ff.). 28 Vgl. für das GWB grundlegend jetzt J. Baur, Z H R 134, 117 ff. 29 Vgl. i m Ergebnis vor allem Fikentscher, Wettbewerb, S. 207 ff.; Lukes, Böhm-Festschrift, S. 222 ff.; ders., Kartellvertrag, S. 137; Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 88 ff.; Koch, Schadensersatz, S. 15 ff.; vgl. auch bereits Scholz, Z H R 132, 118. 30 Vgl. bes. Fikentscher, a.a.O.; Lukes, Kartellvertrag, S. 185ff.; Scholz, Z H R 132, 118 f. 31 Vgl. klärend hier vor allem Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 103; vgl. auch Steindorff, BB70, 824. 82 Zu diesem Zusammenhang vgl. Fikentscher, a.a.O., S. 210 ff.; Scholz, Z H R 132, 118. 33 Vgl. auch Merz, Böhm-Festschrift, S. 256; Hoppmann, a.a.O., S. 88 ff.; Mestmäcker, DB 68. 787 (790) mit dem klarstellenden Hinweis darauf, daß das GWB sich von vornherein auf keine Alternative — „Wettbewerb" oder „private Wirtschaftsfreiheit" als Schutzgut — einläßt; vgl. dazu auch schon Scholz, Z H R 132, 109 f. N. 55. 34 Vgl. Scholz, Z H R 132, 1181; vgl. auch Hoppmann, Schriften des Vereins für Socialpolitik, n. F. Bd. 48, S. 29 ff.; Bussmann, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 1969, 315.
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Die Kartellaufsicht gewährt also auch insofern nur eine Form mittelbaren Individualrechtsschutzes. Sie verfügt über keine normativ geschlossene Rechtsgüterordnung, weil sie die private Wirtschaftsfreiheit nicht als solche oder von vornherein, sondern allein in deren konkreter Ausübung am Markt schützt 35 . Die private Wirtschaftsfreiheit erscheint i m Kartellrecht m i t anderen Worten nicht als absolutes Rechtsgut, sondern als aktualisierte und damit tatbestandlich vorausgesetzte oder tatbestandlich relative Rechtsposition. Deren Inhalt läßt sich nicht i n j u r i stischer Abstraktion, sondern nur unter Einschluß derjenigen faktischen Umstände erfahren, die die betreffenden Marktverhältnisse konkret bestimmen 86 . Diese aktualisierte Wirtschaftsfreiheit genießt weiterhin keinen generellen Schutz vor rechtlichen oder tatsächlichen Beschränkungen. Die Kartellaufsicht gewährt ihr vielmehr nur einen ausgewählten Schutz, dessen A r t und Umfang sich wiederum nach den spezifisch wettbewerblichen Gegebenheiten richtet 87 . 5. Der Schutzzweck der Kartellaufsicht entzieht sich daher jeder juristischen Rechtsgütersystematik; dies übersehen zu haben, ist der traditionelle Fehler des anhaltenden Streites u m das Schutzgut des GWB. Das Schutzgut der Kartellaufsicht ordnet sich statt dessen i n das System des objektiven Institutionsschutzes i m obigen Sinne ein. Die Kartellaufsicht verfolgt objektiv den Schutz der privaten Wirtschaftsfreiheit i m realen Wettbewerb bzw. durch die reale Wettbewerbsfunktion. Das bedeutet, daß sich das Schutzgut der Kartellaufsicht aus rechtlichen und faktischen Elementen zusammensetzt, also Institution i m dargestellten Sinne ist. Dieses institutionelle Verständnis des kartellrechtlichen Schutzzwecks darf freilich nicht m i t der geschilderten Lehre vom Wettbewerb als kartellrechtlich geschütztem Rechtsinstitut verwechselt werden. Denn i m strikten Gegensatz zu dieser Theorie begreift sich der Institutionsschutz gerade nicht als vorgefertigte Garantie des angeblichen Rechtsinstituts oder Rechtsguts „Wettbewerb". Der kartellrechtliche Institutionsschutz fragt allein nach dem tatsächlichen Bestand des Wettbewerbs und dessen realem Funktionieren 8 8 . Er setzt die private Wirtschaftsfreiheit und deren Ausübung zur Faktizität der tatsächlichen Marktverhältnisse in Beziehung und formuliert aus dieser Ordnungsrelation 35 Vgl. Scholz, a.a.O.; vgl. auch v. Köhler, NJW67, 2188 (2190 f.); Lukes, Böhm-Festschrift, S. 224 f. 86 Vgl. auch bereits Scholz, Z H R 132, 119. 37 Vgl. entspr. Lukes, Böhm-Festschrift, a.a.O.; Mestmäcker, DB 68, 787, 835 (836). 38 Vgl. in diesem Sinne bes. Fikentscher, BB 56, 793 ff.; Lukes, Kartellvertrag, S. 121 ff., 250 ff.; ders., Böhm-Festschrift, S. 224 f.
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B. Struktur und Aufgaben der Wirtschaftsaufsicht
den aktuellen Speziälmaßstab bzw. das konkrete Schutzgut der Kartellaufsicht: die konkrete Funktion des Wettbewerbs als gesellschaftspolitisch und ökonomisch wirksames M i t t e l sowie Ergebnis der als Rechtsgut vorausgesetzten, als Dimension der wirtschaftlichen Realität aber zu sichernden Wirtschaftsfreiheit 89 . 6. Die einzelnen Tatbestände des GWB belegen diese allgemeine Feststellung m i t aller Deutlichkeit. Die kartellrechtlichen Zentralbegriffe von Wettbewerbsbeschränkung, Kartell und marktbeherrschendem Unternehmen knüpfen durchgehend an die tatsächlichen wirtschaftlichen Wechselbeziehungen zwischen den real Marktbeteiligten, d. h. zwischen den Mitbewerbern untereinander sowie diesen auf der einen Seite und deren Kunden sowie Lieferanten auf der anderen Seite, an 40 . Wettbewerbsbeschränkung, K a r t e l l und marktbeherrschendes Unternehmen lassen sich tatbestandlich nur aus diesen Wechselbeziehungen erklären; sie bestimmen und erfüllen sich nur i n der Person der konkret beteiligten Wirtschaftssubjekte. a) Die Wettbewerbsbeschränkung ist i n diesem Sinne deshalb ausschließlich wirtschaftliche Realdimension, w e i l sie sich allein auf die tatsächliche Beeinträchtigung von Wirtschaftssubjekten i n deren Freiheit zur wirtschaftlichen Aktion, Reaktion und Gegenreaktion bezieht 41 . Die Wettbewerbsbeschränkung ist also durch nichts anderes als die tatsächliche Beziehung zwischen freiheitsbeschränkendem Unternehmen bzw. freiheitsbeschränkender Abrede und freiheitsbeschränktem Dritten gekennzeichnet. Die Drittbezogenheit wirtschaftlicher Maßnahmen bildet i n diesem Sinne das entscheidende Begriffsmerkmal der Wettbewerbsbeschränkung 42 . b) Die gleiche Drittbezogenheit charakterisiert den Kartellbegriff des § 1 GWB. Das Kartell entsteht durch „Abreden wettbewerbsbeschränkender oder marktbeeinflussender A r t zwischen mehreren" 4 8 . Dies bedeutet jedoch nicht, daß sich der Kartellbegriff schon i n der vertraglichen Absicht, den Wettbewerb zu beschränken, erfüllt 4 4 . Das ent39 Nur in diesem Sinne lassen sich das Kartellverbot und die anderen Schutzgebote bzw. -verböte des GWB mit Rupp als »„institutionelle1 Freiheitssicherungen" ansprechen (vgl. in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 203 ff.). 40 Vgl. hierzu allgemein bes. Fikentscher, BB 56, 793; Lukes, Kartellvertrag, S. 121 ff.; Sandrock, Grundbegriffe, S.4ff.; Säcker, BB67, 681 (684ff.). 41 Vgl. Hoppmann, DB 70, 93 (94); vgl. m. w. Nachw. auch schon Scholz, Z H R 132, 121, 144. 42 VgL Lukes, Kartellvertrag, S. 137, 150 ff.; Fikentscher, BB 56, 795 f.; Weidinger, Rechtsschutz, S. 84; Koch, Schadensersatz, S. 19. 43 Lukes, Kartellvertrag, S. 43. 44 So die zumindest früher herrschende, heute aber nicht mehr aufrecht zu erhaltende Gegenstandstheorie (vgL in deren Sinne z. B. Hefermehl, in: Hefermehl-Huber-Seidenfuss, Kooperative Marktinformation, 1967, S. 5 ff.; Müller-Henneberg, Gemeinschaftskommentar, § 1 Rdnr. 31 f.; Müller-GriesGiessler, GWB, § 1 Anm. 79; Frankfurter Kommentar, § 1 Tz 26; BKartA
I I . Insbesondere: Die Kartellauf sieht
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scheidende B e g r i f f s m e r k m a l des K a r t e l l v e r t r a g e s l i e g t v i e l m e h r i n der tatsächlichen — „ f o l g e m ä ß i g " ausgelösten 4 5 » 4 6 — F r e i h e i t s b e s c h r ä n k u n g d r i t t e r W e t t b e w e r b e r 4 7 . D e r T a t b e s t a n d des § 1 G W B setzt i n diesem Sinne, w i e R. Lukas nachgewiesen h a t 4 8 , die Außenwirkungen des K a r t e l l v e r t r a g e s a u f D r i t t e b z w . a u f d e r e n Interessen u n d Rechtsgeschäfte 4 9 voraus 50. Diesen A u ß e n w i r k u n g e n können j e nach der k o n k r e t bet r o f f e n e n W e t t b e w e r b s s i t u a t i o n u n t e r s c h i e d l i c h e n I n h a l t s sein. I n a l l e r Regel b e e i n t r ä c h t i g e n sie d e n D r i t t e n aber i n seinen w i r t s c h a f t l i c h e n Erwerbschancen; sie v e r a n l a s s e n i h n z u u n f r e i w i l l i g e n D i s p o s i t i o n e n u n d b e w i r k e n r e g e l m ä ß i g V e r m ö g e n s e i n b u ß e n , d i e sich i m äußersten F a l l bis z u m w i r t s c h a f t l i c h e n R u i n s t e i g e r n k ö n n e n . Ä u ß e r l i c h erscheinen d i e A u ß e n w i r k u n g e n eines K a r t e l l v e r t r a g e s o f t n u r als m i t t e l b a r e o d e r r e f l e x i v e F o l g e v o n w e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k e n d e n V e r e i n b a r u n g e n 5 1 . Dies ä n d e r t jedoch n i c h t s d a r a n , daß das G W B sie als u n m i t t e l b a r e Rechtsfolge des K a r t e l l t a t b e s t a n d e s a u f n i m m t . D i e B e e i n t r ä c h t i g u n g des D r i t t e n i s t d e m B e g r i f f des K a r t e l l s w i e d e m d e r W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g ü b e r h a u p t v o n v o r n h e r e i n i m m a n e n t ; sie d a r f deshalb n i c h t als v e r m e i n t l i c h z u f ä l l i g e o d e r r e c h t l i c h i r r e l e v a n t e „Nebenerscheinung" übersehen bzw. abgetan werden 52. WuW/E 575 (576); 1051 (1053); w. Nachw. bei Sandrock, Grundbegriffe, S. 237f. N. 29 — zur Kritik vgl. zuletzt bes. Sandrock, a.a.O., S. 237 ff.; Hoppmann, DB 70, 93 ff.; J. Baur, ZHR134, 118 ff.). 45 So die eher zutreffende Folgetheorie (vgl. in deren Sinne bes. Benkendorff, WRP62, 313 ff.; Sandrock, a.a.O., S. 237 ff. [243 ff. m . w . Nachw. S.243 N. 34]; vgl. auch BKartA, BB 68, 723 [724]; DB 69, 1241; — zur Kritik vgl. zuletzt etwa J. Baur, Z H R 134, 122 ff.; i m Sinne einer „begrenzten Folgetheorie" vgl. überzeugend schließlich Steindorff, BB70, 826ff.; vgl. auch Halbey, JurA [WirtschaftsR I ] 70, 34 [35 ff.]). 46 Eine gesetzliche Hinwendung zur Folgetheorie zeichnet sich in der Bestimmung des § 5 b des Referentenentwurfs eines zweiten Gesetzes zur Änderung des GWB (BWMin. I B 5 — 221353) v. 20. 3.1970 ab (vgl. auch Ebel, BB 70, 3 N. 2; Steindorff, BB70, 826 ff.). Hiernach sollen aus dem allgemeinen Kartelltatbestand des § 1 G W B (Rationalisierungs-)Bagatellkartelle ausgenommen werden. Diese sollen dann vorliegen, wenn die Erzeugung oder die Marktverhältnisse für den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen „nicht wesentlich beeinflußt werden" (zu dieser Novellierung des Kartelltatbestandes vgl. bes. Sandrock, WuW69, 205ff.; Hoppmann, D B 70, 93 ff.; Steindorff, BB70, 825 ff.; Ebel, BB 70, 3 ff.; zum Bagatellkartell selbst vgl. auch noch unten sub D I V 6, 7 a). 47 Vgl. in dieser Richtung auch den Definitionsversuch in § 1 I I I des zit. Referentenentwurfs: Als kartellmäßige Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des § 1 1 GWB ist „jede unmittelbare oder mittelbare Beeinträchtigung der Freiheit der beteiligten Unternehmen anzusehen, sich auf einem Markt zu betätigen oder Wettbewerbsmittel zu gebrauchen". 48 Vgl. Kartellvertrag, S. 121 ff. 49 Vgl. im einzelnen hierzu Lukes, a.a.O., S. 135 ff., 150 ff., 167 ff., 191 ff. 50 Auch der Streit zwischen Gegenstands- und Folgetheorie dürfte sich, sofern man sich mehr auf die Frage der Außenwirkungen konzentrierte, zumindest teilweise als Scheinproblem erweisen (vgl. Hoppmann, D B 70, 96). 61 Vgl. näher Lukes, Kartellvertrag, S. 170 ff. 62 Vgl. nachhaltig Weidinger, Rechtsschutz, S. 85.
B. Struktur und Aufgaben der Wirtschaftsaufsicht
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c) Die Vorschrift des § 2 2 I G W B bezeichnet als marktbeherrschend ein Unternehmen, das „ f ü r eine bestimmte A r t von Waren oder gewerblichen Leistungen ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist". Obwohl sich diese tatbestandliche Definition als wenig effektiv erwiesen hat, fügt sie sich doch v o l l i n die allgemeine Begriffssystematik des kartellrechtlichen Institutionsschutzes ein. Das Moment der Marktbeherrschung läßt sich nicht abstrakt-juristisch oder ohne Rücksicht auf die reale Marktstruktur erfassen 58»54.Die für das Recht der Wettbewerbsbeschränkungen allgemein charakteristische Drittbezogenheit äußert sich i m spezifischen Verbot des Mißbrauchs marktbeherrschender Stellungen ( § 2 2 I I I G W B ) ; denn dies versteht sich wiederum und namentlich als Verbot der (mißbräuchlichen) Beeinträchtigung von wirtschaftlichen Freiheiten Dritter 5 5 . 7. Die reale Drittbezogenheit der einzelnen Wettbewerbsbeschränkung gehört demzufolge zum gesetzlichen Tatbestand des wettbewerbsrechtlichen Institutionsschutzes. Denn i n i h r aktualisiert sich die konkrete Beeinträchtigung von privater Wirtschaftsfreiheit sowie gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Wettbewerbsfunktion; folgerichtig muß sich i n ihr auch das konkrete Schutzgut der Kartellaufsicht bilden und erfüllen. Ungeachtet dessen w i r d die Drittbezogenheit der Wettbewerbsbeschränkungen noch häufig verkannt oder mißdeutet. Vor allem jene Auffassungen, die den Wettbewerb selbst als Rechtsgut der Kartellaufsicht postulieren 56 , lassen die Drittbezogenheit der Wettbewerbsbeschränkung meist außer acht. Sie versuchen stattdessen, die Wettbewerbsbeschränkung als Einwirkung auf den „ M a r k t " oder „Wettbewerb" zu begreifen; sie wähnen sich hierzu durch diejenigen Bestimmungen des GWB berechtigt, die tatbestandlich nicht auf den betroffenen Konkurrenten (Dritten) 5 7 , sondern auf den — „wesentlich" oder auch nur „unwesentlich beeinflußten" — Wettbewerb oder Markt 53
Zum Abgrenzungskriterium der Marktstruktur vgl. bes. Mestmäcker, Mißbrauch, S. 1 (6 ff.). 54 Eine etwas schärfere, inhaltlich noch mehr an der Realität des betroffenen Marktes orientierte Abgrenzung sucht § 2212 des zit. Referentenentwurfs zum GWB (vgl. N. 46). Hier heißt es: „Ein Unternehmen ist insbesondere marktbeherrschend i m Sinne des Satzes 1, soweit es die Erzeugung oder die Marktverhältnisse für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen beeinflussen kann, ohne auf Wettbewerber wesentlich Rücksicht nehmen zu müssen". — Zur Reform des § 22 GWB vgl. mit z. T. berechtigter Kritik bes. Knöpfle, BB 70, 717 ff.; Sandrock, WuW69, 215 ff.; Ebel, BB70, 313 f. 55 Vgl. z. B. Mestmäcker, Mißbrauch, S. 12; BKartA, DB 68, 79. 56 Vgl. die Nachw. oben B I N . 2. 57 Auf diesen stellen nur die Bestimmungen der §§2 I I , 3 (insbes. Abs. 3 Nr. 3), 6 I I 3, 7 I I i. V. m. 6 I I 3, 8 I I 1, 8 I I I i. V. m. 6 I I 3, 15, 16, 18, 25, 26 ab.
I I . Insbesondere: Die Kartellauf sieht
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abstellen 58 . Dieses Verständnis beruht jedoch auf der begrifflichen Fehleinschätzung von „ M a r k t " und „Wettbewerb". Beide Begriffsgrößen umschreiben nur bestimmte Geschehensabläufe oder Handlungskomplexe 59 , die nicht als solche (rechtlich) beeinträchtigt sein können 60 . „Der M a r k t " setzt sich — als rein quantitative Begriffsgröße — aus der Gesamtheit der tatsächlich („am Markt") abgeschlossenen Wirtschaftsgeschäfte zusammen; er vollzieht sich i n der Summe der „an ihm" abgeschlossenen Geschäfte, der „an i h m " wetteifernden Angebote und Nachfragen. Der Markt ist m i t anderen Worten bloßer Tatsachenkomplex 61. I n dieser Eigenschaft kann er aber nicht selbst oder unmittelbar von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffen sein. Dies kann nur das einzelne („marktbeteiligte") Wirtschaftsgeschäft bzw. das i n i h m handelnde Wirtschaftssubjekt sein 62 . Qualitativ stellt die Gesamtheit der marktmäßigen Geschäfte allerdings auch eine theoretische Begriffsgröße dar. Der M a r k t erscheint i n diesem Sinne als abstraktes Denkmodell 6S, das über die typischen Ordnungs- und Wirkungsverhältnisse der realen Geschäftsgesamtheit Auskunft gibt und von daher den Rückschluß auf eine bestimmte Marktstruktur erlaubt 6 4 . Diese kann sich unter dem Einfluß von Wettbewerbsbeschränkungen naturgemäß ändern. Ein solcher Einfluß ist aber nur mittelbarer Art. Er w i r k t auf die Marktstruktur erst über das einzelne real betroffene Wirtschaftsgeschäft ein. Dies geschieht i n der Weise, daß die konkrete Beeinträchtigung eines Wirtschaftsgeschäfts sich als typische Gefährdung der von diesem Geschäft mitverkörperten Marktstruktur erweist. Nur i n diesem Sinne kann davon gesprochen werden, daß die Drittbezogenheit der Wettbewerbsbeschränkung „den M a r k t " oder „Wettbewerb" beträfe. I n diesem Sinne muß allerdings auch davon gesprochen werden. Denn über das vermittelnde Moment der typischen Verkörperung einer Marktstruktur rückt das einzelne Wirtschaftsgeschäft i n den Bannbereich der von der Kartellaufsicht zu sichernden Wettbewerbsfunktion. Das einzelne Wirtschaftsgeschäft — oder auch die tatsächliche Mehrheit analog betroffener Geschäfte — erlangt damit zugleich allgemeinere 58 Vgl. in diesem Sinne Vorschriften der §§111, 4, 5 I I , 5 a I, 6 I I I Nr. 2, 7 I I i. V. m. 6 I I I Nr. 2, 8 1 (vgl. aber auch 8 I I 1), 221, I I . 59 Vgl. für den „Wettbewerb" oben sub 3 und für den „Markt" Lukes, Böhm-Festschrift, S.200ff., insbes. 219ff.; ders., Kartellvertrag, S. 163ff.; vgl. auch Scholz, ZHR132, 115. 60 Vgl, Lukes, KarteUvertag, S. 151, 163. 61 Vgl. Lukes, a.a.O., S. 163 ff. (165). 62 Vgl. Lukes, a.a.O., S. 151, 163. 68 Vgl. Lukes, a.a.O., S. 163. 64 Vgl. für § 1 1 G W B („Marktverhältnisse") deutlich — im Anschluß an Günther, M A 5 7 , 35 (42) — BGHZ36, 105 (110): „Marktverhältnisse" sind „die Summe aller der Eigenschaften, die einem besonderen Markt das Gepräge geben"; dazu „gehören... unter anderem auch die Art und Intensität des Wettbewerbs und die Art des Auftretens der Marktpartner auf dem Markt".
3 Scholz
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B. Struktur und Aufgaben der Wirtschaftsaufsicht
Bedeutung. Denn i n deren wettbewerblicher Beschränkung offenbart sich das allgemeinere, typische Schutzbedürfnis einer bestimmten funktionsgerechten oder -erfüllenden Form aktualer Wirtschaftsfreiheit 65 . I m einzelnen, unmittelbar beeinträchtigten und direkt zu sichernden Wirtschaftsgeschäft erfüllt sich also der objektive Institutionsschutz der Kartellaufsicht. A n dieser Stelle beginnen die eigentlichen Schwierigkeiten einer effektiven Wirtschaftsaufsicht. Denn sie muß jetzt das einzelne, wettbewerblich beschränkte Wirtschaftsgeschäft dem Gesamtrahmen der vorgestellten Marktstruktur unterordnen; sie muß jetzt die Frage nach dessen typischer Bedeutung für den Bestand der zu sichernden Wettbewerbsfunktion beantworten. Beim Bemühen u m ein dafür brauchbares Abgrenzungs- und Übersetzungskriterium hat die Rechtsprechung zu § 1 GWB die Formel von der „spürbaren" Wettbewerbsbeschränkung entwickelt 6 6 . Hiernach heißt es, daß es nicht darauf ankomme, ob eine Kartellabrede einen bestimmten wirkungsmäßigen Mindestumfang überschreite 67 ; oder: Eine tatsächliche Wettbewerbsbeschränkung soll die zu sichernde (marktstrukturbestimmende) Wettbewerbsfunktion nicht schon dann i n typischer Weise bedrohen, wenn sie i n einer bestimmten Quantität auftritt. Es soll vielmehr schon „jede nach allgemeiner wirtschaftlicher Erfahrung spürbare Einwirkung auf das Verhalten der Marktbeteiligten" genügen 68 . M i t dieser Formel betont man zu Recht die reale auf das einzelne Wirtschaftsgeschäft gerichtete Drittbezogenheit der Wettbewerbsbeschränkung 69 . Andererseits bleibt das K r i t e r i u m der „Spürbarkeit" aber wohl doch zu farblos, u m die aufsichtsrechtlich entscheidende Übersetzung der konkreten Beschränkungsmaßnahme zur kartellrechtswidrigen, d. h. typisch-funktionsgefährdenden „Wettbewerbsbeschränkung" zu vollbringen. 65 I m Sinne der typisierenden Bewertung wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen vgL insbes. J. Baur, Z H R 134, 129 ff.; vgl. auch Steindorff, in: Europees Kartelrecht. Postdoctorale Leergang 1967, 1968, S. 277 (284ff.); ders., BB 70, 828; Halbey, JurA (WirtschaftsRI) 70, 46 f.; grundsätzlich schon Biedenkopf, Wettbewerbsbeschränkimg, S. 101 ff. — Dieses typisierende Verständnis der Wettbewerbsbeschränkung entspricht im Inhalt wesentlich der von Steindorff vertretenen begrenzten Folgetheorie (vgl. Steindorff, BB 70, 826 ff.). 6 * Vgl. bes. B G H Z 3 7 , 194 (200); B G H WuW/E 726 (730); BKartA WuW/E 938 (940); vgl. auch z.B. Ballerstedt, Böhm-Festschrift, S. 187ff.; Cromme, W u W 69, 101 ff. 67 Vgl. B G H Z 37, 200. 68 B G H Z 37, 200. 69 Vgl. deutlich wiederum B G H Z 37, 200: „eine bloß theoretisch vorstellbare Eignung zur Marktbeeinflussung genügt... nicht."
I I I . Individualeingriff und Opportunitätsprinzip
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Die Einzelheiten dieser Frage interessieren hier indessen nicht 7 0 . Denn hier geht es nur u m die Erkenntnis und Beachtung der charakteristischen Drittbezogenheit der kartellrechtlichen Grundtatbestände von Wettbewerbsbeschränkung, K a r t e l l und marktbeherrschendem Unternehmen bzw. darum, die Unrichtigkeit derjenigen Auffassungen darzulegen, die den Wirkungsbereich der Wettbewerbsbeschränkimg usw. unmittelbar auf den „Wettbewerb" oder „ M a r k t " beziehen wollen.
ED. Individualeingriff und Opportunitätsprinzip als funktionelle Grundmaximen der Wirtschaftsaufsicht 1. Der Systemgedanke des objektiven Institutionsschutzes gründet sich nach alledem auf eine normativ unvollkommene bzw. der Faktizität des wirtschaftlichen Lebens geöffnete Güterordnung. Da die Wirtschaftsaufsicht der realen Vielfalt der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse gerecht zu werden hat, muß sie sich auf die Aufstellung offener Generalmaßstäbe zurückziehen. Diese Beschränkung entspricht der traditionellen Reservehaltung der Aufsicht. Z u m konkret verbindlichen, spezialen Rechtsmaßstab verdichtet sich der jeweilige Generalmaßstab erst jenseits dieser Reserve, d. h. i m Rahmen der Rechtsanwendung. Der Konkretisierungsprozeß vom General- zum Spezialmaßstab vollzieht sich i n zwei Etappen. Zunächst hat die Wirtschaftsaufsicht die gesellschaftlichen Konflikts- und Bedarfssituationen i n deren gesamter Fülle zu erkennen und zu kontrollieren. Mittels der hieraus gewonnenen Kenntnisse muß sie die i h r spezifisch aufgegebene Fähigkeit entwickeln, der konkreten Konflikts- oder Bedarfssituation abzuhelfen. Hier steht die kontrollierende Aufsichtstätigkeit der eingreifenden A u f sichtstätigkeit gegenüber. Die kontrollierende Tätigkeit orientiert sich als sog. Beobachtungsfunktion am gesetzlichen Generalmaßstab. Die eingreifende Tätigkeit erfüllt sich i n der individuellen Beanstandung oder Korrektur der aktuell für gefährlich oder mißbräuchlich erachteten Verhaltensweise; die sog. Berichtigungsfunktion benennt den für dieses Verhalten gültigen Spezialmaßstab 1 . 2. Das Zusammenspiel von Beobachtungs- und Berichtigungsfunktion erfüllt den objektiven Institutionsschutz, indem es dessen generelle Direktiven i n individuelle Rechtsmaßstäbe umsetzt. Die Wirtschaftsaufsicht orientiert sich i n diesem Sinne am Einzelfall oder an der kon70 Zur Kritik an der „Spürbarkeits"klausel vgl. zuletzt Sandrock, WuW 69, 206ff.; Hoppmann, DB 70, 98; J.Baur, ZHR134, 126ff. 1 Zum Begriffspaar von Beobachtungs- und Berichtigungsfunktion vgl. allgemein bes. Triepel, Reichsaufsicht, S. 108ff. (120 f.); zur Wirtschaftsaufsicht im besonderen vgl. Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 17 f.
3*
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B. Struktur und Aufgaben der Wirtschaftsaufsicht
kreten Störung des Wirtschaftslebens. Ihre berichtigende Maßnahme wendet sich deshalb n u r an den individuellen Störer. Sie sucht den Generalmaßstab speziell i h m gegenüber zur rechtlichen Verpflichtung zu verdichten. Die Wirtschaftsaufsicht ist also punktuelle Verhaltenskorrektur i m Sinne defensiver Gefahrenabwehr und nicht generelle Verhaltenssteuerung i m Sinne offensiver Wirtschaftslenkung. Das Moment des Generellen zeichnet lediglich die vorbereitende Beobachtungsfunktion aus; denn ihr Blick gilt der Totalität des wirtschaftlichen Lebens ebenso wie der Generalität der gesetzlichen Schutzgutklausel. Die „angewandte" Beaufsichtigung der Berichtigungsfunktion konzentriert sich jedoch ausschließlich auf den Einzelfall bzw. die hier zu korrigierende Verhaltensweise. So geht es der Kartellaufsicht weder darum, den Wettbewerb als solchen bzw. als universale Geschehensgröße zu gewährleisten, noch darum, die Freiheit der Marktteilnehmer zur Wettbewerbswirtschaft als solche bzw. i n der nur theoretisch vorstellbaren Generalität eines vollkommenen Wettbewerbs 2 sicherzustellen. Es geht vielmehr allein darum, die real ausgeübte und von der Kartellaufsicht so vorgefundene („beobachtete") wirtschaftliche Entschließungsfreiheit der Individuen gegen ganz bestimmte, d. h. konkret- und individuell-wirksame Beeinträchtigungen zu schützen 3 . Die Beobachtungsfunktion der Kartellaufsicht schaut zwar auch auf „den Wettbewerb" und „die Wettbewerbsfreiheit" als generelle Ordnungsgrößen; die aktuell angewandte Aufsichts- bzw. Berichtigungsfunktion orientiert sich aber ausschließlich an der individuellen Wettbewerbsstörung oder Freiheitsbeschränkung. Dieser Unterschied zwischen „genereller" Beobachtungsfunktion und „individueller" Berichtigungsfunktion w i r d allerdings häufig nicht genügend beachtet. Die Folge hiervon sind jene prinzipiellen Mißverständnisse, die i n der Wirtschaftsaufsicht den generellen Schutz irgendwelcher abstrakten oder scheinbar generellen Rechtsgüter oder Rechtsinstitute suchen und damit übersehen, daß das System des objektiven Institutionsschutzes sich erst i m konkreten Zusammenspiel von „genereller" Beobachtung und „individueller" Berichtigung erfüllt bzw. erfüllen kann. Dort, wo der Unterschied zwischen Beobachtungs- und Berichtigungsfunktion außer acht gelassen wird, w i r d der Aufsichtsbegriff selbst preisgegeben. 3. Die Beobachtungsfunktion w i r k t nach dem Gesagten tatbestandsfeststellend, die Berichtigungsfunktion tatbestandsentscheidend. Z w i schen Feststellung und Entscheidung steht einmal der Beurteilungs2 Vgl. näher hierzu u. a. Steindorff, Zweckmäßigkeit, S. 65; Borchardt-Fikentscher, Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkung, Marktbeherrschung, 1957, S. 3; vgl. auch Scholz, Z H R 132, 116. 3 Vgl. Lukes, Böhm-Festschrift, S. 224 f. sowie oben B I I 4. 7.
I I I . Individualeingriff und Opportunitätsprinzip
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Spielraum, in den die Aufsichtsgesetzgebung den bezweckten Institutionsschutz regelmäßig einfaßt. Daneben steht das pflichtmäßige Handlungs- oder Entschließungsermessen, m i t dem die Aufsichtsgesetzgebung mit gleicher Regelmäßigkeit die Aufsichtsinstanzen ausstattet. Beurteilungsspielraum und Ermessen sollen die aktuelle Verdichtung vom normativ offenen Generalmaßstab zum normativ geschlossenen Spezialmaßstab bewerkstelligen. Beide Komponenten des aufsichtsrechtlichen Entscheidungsverfahrens werden zumeist unter der Begriffskategorie des sog. Opportunitätsprinzips zusammengefaßt. Terminologisch ist diese Qualifizierung jedoch ungenau. Denn „Opportunitätsprinzip" bedeutet an sich, daß die verwaltungsrechtliche Entscheidung ganz ermessensmäßigen Zweckmäßigkeitsüberlegungen geöffnet ist 4 ; hier geht es jedoch auch u m den Beurteilungsspielraum, der nur rechtliche Entscheidungsgründe anerkennt 5 . Andererseits steht jedoch fest, daß die Wirtschaftsaufsicht ihren Behörden immerhin ein prinzipielles Maß an Entscheidungsfreiheit einräumt. I n diesem — inhaltlich allerdings modifiziert zu verstehenden — Sinne darf das Opportunitätsprinzip m i t Recht als ein zentrales Begriffsmoment der Wirtschaftsaufsicht angesprochen werden 6 . Denn nur durch ein gewisses Maß aufsichtsbehördlicher Ermessens- und Beurteilungsfreiheit läßt sich die Offenheit des aufsichtsrechtlichen Schutzguts oder Generalmaßstabes erhalten. M i t dem Fehlen einer normativ geschlossenen Rechtsgüterordnung läßt sich die Wirtschaftsaufsicht auch instantiell kaum auf das strikte Vollzugssystem des Legalitätsprinzips festlegen 7 . Die aufsichtsmäßige Formulierung konkret-berichtigender Spezialmaßstäbe bedingt das Recht der Aufsichtsverwaltung, i m Einzelfall auch „selbständig" entscheiden zu können. Dieses Recht vermittelt ihr das Opportunitätsprinzip. Sachlich sieht sich das Opportunitätsprinzip durch die defensive Haltung der Wirtschaftsaufsicht gerechtfertigt und begrenzt 8 . Die Reserve der aufsichtsrechtlichen Berichtigungsfunktion erlaubt die äußerliche 4 Vgl. zum Opportunitätsprinzip in diesem Sinne sowie allgemein bes. Mayer, Opportunitätsprinzip, S. 9 f. u. passim; Schmatz, Grenzen, bes. S. 87 ff. 5 Zur Lehre vom „Beurteilungsspielraum" vgl. zuletzt bes. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 328 ff.; ders., DÖV70, 84 ff.; Schmidt-Salzer, Der Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden, 1968; Ehmke, „Ermessen" und „unbestimmter Rechtsbegriff" i m Verwaltungsrecht, 1960; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung, S. 107 ff., 123 ff., 150 ff.; Rupp, Grundfragen, S. 177 ff.; Jesch, AöR 82, 163 ff. 6 VgL für die Staatsaufsicht allgemein Salzwedel, W D S t R L 2 2 , 206 (221 f.); v. Mangoldt, Vom heutigen Standort der Bundesaufsicht, 1966, S. 14 ff.; für die Wirtschaftsaufsicht vgl. auch Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 183 ff.; für die Kommunalaufsicht vgl. entspr. BVerfGE8, 122 (137); in der Sache hier wohl auch BVerfGE 6, 104 (118). 7 Vgl. allgemein Salzwedel, a.a.O. 8 Vgl. zu diesem Zusammenhang von Aufsichtsreserve und Opportunitätsprinzip auch Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 183.
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B. Struktur und Aufgaben der Wirtschaftsaufsicht
Entfernung vom Legalitätsprinzip; der inhaltlichen Offenheit des gesetzlichen Schutzguts entspricht die instantielle Zurückhaltung i m w i r t schaftsordnenden Eingriff. Andererseits darf die Wirtschaftsaufsicht jene prinzipielle Reserve oder Defensive aber nicht i m Zeichen mißverstandener „Opportunität" aufgeben; sie darf also nicht zur offensiven Ordnungsmacht aus Gründen bloßer Zweckmäßigkeit werden. Insoweit setzt das allgemeine Legalitätsprinzip dem aufsichtsrechtlichen Opportunitätsprinzip unübersteigbare Grenzen®. 4. Die Wirtschaftsaufsicht verleugnet demnach ihren historischen Entstehungsgrund nicht. Sie ist aus der klassischen Gewerbepolizei hervorgegangen und bedient sich auch heute noch des Instrumentariums typisch-polizeirechtlicher Gefahrenabwehr 10: I h r berichtigendes Eingreifen ist defensiv i m Sinne bloßer Gefahrenabwehr. Es orientiert sich an der aktuellen Störung des Wirtschaftslebens. Die konkrete Abwehrmaßnahme verpflichtet prinzipiell nur den individuellen „Wirtschaftsstörer", indem sie diesem gegenüber eine der abstrakten Schutzklauseln (Generalmaßstab) zur konkreten verbindlichen Schutzgutentscheidung (Spezialmaßstab) zu verdichten sucht. Daß sich die Wirtschaftsaufsicht heute nicht mehr als materieller Teil der — übrigens auch i n ihren noch bestehenden Relikten fragwürdig gewordenen 11 — Gewerbepolizei begreifen läßt, versteht sich dabei von selbst 12 . Denn die allgemeinen Ordnungsaufgaben der Wirtschaftsaufsicht haben jenen ursprünglichen gewerbepolizeilichen Rahmen längst gesprengt. Diese Beobachtung ändert indessen nichts an der Feststellung, daß die Wirtschaftsaufsicht sich zumindest i n ihrer Formtypik — und hier insbesondere i n ihren Eingriffstechniken — durchaus noch der Systeme des Polizeirechts bedient; eine Feststellung, die weder für eine „Verpolizeilichung" der Wirtschaftsaufsicht plädiert noch über der Verneinung eines materiell-polizeirechtlichen Aufsichtsverständnisses vergessen werden sollte. Denn so manches Instrument der Wirtschaftsaufsicht ließe sich heute leichter handhaben und erklären, wenn man seinen polizeirechtlichen Ursprung oder doch seine polizeirechtsähnliche Konstruktion i m Auge behielte. 9 Für die moderne Grundsatzkritik am Opportunitätsprinzip als potentiellem Gegenspieler des Legalitätsprinzips vgl. zuletzt bes. W.Schmidt, Gesetzesvollziehung, S. 162 ff.; vgl. im weiteren auch noch sub C I 2 . 10 Vgl. auch für die Kartellaufsicht z. B. Drews-Wacke, Polizeirecht, S. 119, auch S. 556; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, I, 9. Aufl. 1966, S. 64 (a.A. bes. v.Köhler, NJW59, 222 [223f.]; 61, 2093f.); für die Versicherungsaufsicht vgl. z. B. Weber, Zeitschr. f. d. ges. Versicherungswiss. 1968, 227 (243); Stein, a.a.O., S. 10; Roth, Gefahrenvorsorge, S. 44ff.; für das Spielbanken(zulassungs)recht vgl. neuerdings BVerfG, JZ 70, 411 (414). 11 Vgl. hierzu namentlich Thieme, ZRP 70, 25 f. 12 Zur subsidiären Möglichkeit echter (materiell-rechtlicher) Polizeimaßnahmen z. B. i m Wettbewerbsrecht vgl. F. Baur, JZ 62, 73 (76).
C. Wirkungsweisen der Wirtschaf tsaufsicht und bisheriger Rechtsschutz Dritter I. Individuale Aufsichtsmaßnahme und reale Drittbetroffenheit 1. Das geschilderte System der Wirtschaftsaufsicht als Abwehr w i r t schaftlicher Gefahren i m konkreten Einzelfall und funktionssichernde Berichtigung wirtschaftlicher Verhaltensweisen gegenüber dem individuellen „Wirtschaftsstörer" ist, wie erwähnt 1 , auf eine Wirtschaft zugeschnitten, die sich prinzipiell selbst verfaßte und namentlich imstande war, auch ihre Konflikte wesentlich selbst auszutragen. Der traditionelle Aufsichtsbegriff akzeptierte die von der bürgerlich-liberalen „Privatrechtsgesellschaft" geforderte Distanzierung des Staates und beschränkte dessen Ordnungsmandat auf die Extremfälle von Mißbrauchsund Gefahrenabwehr. Heute haben sich die Verhältnisse demgegenüber verändert. Die moderne Industriegesellschaft hat m i t jener „Privatrechtsgesellschaft" nur noch wenig gemein. Sie hat vor allem die Fähigkeit, ihre wirtschaftlichen Konflikte zunächst selbst zu regulieren, wesentlich eingebüßt. Sie ist i n fast allen Bereichen ihres wirtschaftlichen Daseins und Wirkens auf die ordnende und vorsorgende Hand des Staates angewiesen. Ein System bloß punktueller Gefahrenabwehr oder individueller Verhaltenskorrektur reicht für die Ordnungsbedürfnisse dieser Gesellschaft folgerichtig nicht mehr aus. Aus diesem Grunde n i m m t das staatliche Ordnungsmandat zunehmend allpräsenten Charakter an. Es ist i m Typus m i t h i n nicht mehr defensive Wirtschaftsaufsicht, sondern offensive Wirtschaftslenkung. 2. Das bedeutet freilich nicht, daß sich das Institut der Wirtschaftsaufsicht als solches erledigt hätte oder i m System der weiter ausholenden Wirtschaftslenkung aufgegangen wäre. Die Wirtschaftsaufsicht läßt sich — zumindest vorerst — nicht als bloß historische Reminiszenz abtun. Sie n i m m t auch heute noch ihren gesicherten Platz i n der staatlichen Wirtschaftsordnung ein; problematisch sind aber ihre konkreten Strukturen und Wirkungsweisen geworden. Die Wirtschaftsaufsicht steht prinzipiell auch jetzt noch neben der Wirtschaftslenkung; problematisch ist aber die inhaltliche Abgrenzung dieses Nebeneinanders ge1
Vgl. oben B I I I 2.
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
worden 2 » 3 . U n p r o b l e m a t i s c h ist dabei, daß die O r d n u n g s i d e e des offens i v e n L e n k e r t u m s das defensive L e i t b i l d d e r W i r t s c h a f t s a u f s i c h t i n d e r Realität der staatlichen Wirtschaftsordnung w e i t h i n verdrängt. Prob l e m a t i s c h ist n u r d e r U m s t a n d , daß d i e W i r t s c h a f t s l e n k u n g z u n e h m e n d in die W i r t s c h a f t s a u f s i c h t e i n d r i n g t , i n d e m sie sich t y p i s c h e r A u f s i c h t s m i t t e l b e m ä c h t i g t u n d diese z u r E r f ü l l u n g offensiver L e n k u n g s a u f g a b e n einsetzt 4 . A m d e u t l i c h s t e n w i r d dies d o r t , w o eine A u f s i c h t s r e g e l u n g oder eine als solche e t i k e t t i e r t e R e g e l u n g a u c h a u f das Entstehen einer wirtschaftspolitisch geforderten F u n k t i o n lenkenden Einfluß n i m m t 5 . A l s charakteristisches B e i s p i e l sei d i e E i n f ü h r u n g v o n Betriebspflichten* genannt, durch die private Wirtschaftseinheiten nicht n u r i n i h r e m f r e i e n Bestehen ü b e r w a c h t , s o n d e r n auch z u r tatsächlichen E n t s t e h u n g a n g e h a l t e n oder v e r p f l i c h t e t werden 7 » 8 . 2 I m einzelnen verfließen die Grenzen vor allem innerhalb einzelner Wirtschaftsaufsichten. Das bedeutet, daß jedes einzelne „Aufsichts"institut der genauen Prüfung darauf bedarf, ob es (noch) beaufsichtigenden oder (schon) lenkenden Charakter hat. Pauschalurteile, wie die X-Aufsicht „ist" Wirtschaftslenkung, sind verfehlt und nicht ungefährlich; vgl. nicht unbedenklich etwa die generelle Apostrophierung der Kartellaufsicht bei Günther, Planung I I , S. 257 ff. als Lenkungsinstrument (S. 261) und (lenkende) „Rahmenplanung" (S. 270). 3 Nicht zutreffend ist die, allerdings häufiger anzutreffende Behauptung, daß Wirtschaftsaufsicht und Wirtschaftslenkung (heute) von vornherein bzw. „notwendig ununterscheidbar ineinander" übergingen (vgl. so zuletzt z.B. Brohm, Strukturen, S. 208). 4 Als besonders anfällig hat sich hierbei das Instrument der Auflage erwiesen. Gerade die Untersuchung der jeweiligen Auflagenpraxis gibt Aufschluß darüber, wann bzw. inwieweit eine Aufsicht zur Lenkung geworden ist. Bedauerlicherweise fehlt es insoweit noch sehr an einschlägigen Einzeluntersuchungen (vgl. für die Kartellaufsicht aber immerhin die gerade in der Aufarbeitung des Tatsachenmaterials wertvollen Münchener Dissertationen von Szantyr, Genehmigungen der Kartellbehörden unter Auflagen i m Rahmen der Mißbrauchsaufsicht, 1969 und Strober, Auflagen zu Kartellerlaubnissen, 1969). 5 Vgl. ausdrücklich hier z.B. §8111 Nr. 1, 2 PBefG: Die Genehmigungsbehörde hat „für die Einrichtung und befriedigende Bedienimg" des Verkehrs (Nr. 1) sowie für die „Erweiterung" (u. a.) von Verkehrsverbindungen und das „Entstehen" (u. a.) von bestimmten Verkehrsnetzen zu sorgen (Nr. 2). 6 Zum Wesen der Betriebspflicht vgl. Scholz, Einrichtungen, S. 176 f. 7 Vgl. so z. B. die Regelungen der §§ 6, 8 1 6 EnWG, 21, 241, 26 PBefG, 13 a I V , 78 I I Nr. 5 GüKG, 1, 3 Nr. 4 ApothG; vgl. hierzu auch noch unten C I I 2. 8 Ein anderes Beispiel liegt etwa in der Befugnis der Energieaufsicht, einem Energieversorgungsunternehmen für den Fall, daß es sich außerstandes zeigt, seine ihm gesetzlich auferlegten Versorgungsaufgaben zu erfüllen, seinen Betrieb zu untersagen und ggf. ein anderes Unternehmen mit dessen Versorgungsaufgaben zu beauftragen ( § 8 1 EnWG). Entsprechende Regelungen finden sich z.B. in § 18 I I I 2 ApothG sowie in § 47 I Nr. 2 K W G bzw. § 3 HypothBankG i. V. m. § 47 I Nr. 2 K W G ; vgl. hierzu auch noch unten C I I 2 c—e. I m weiteren Sinn gehören hierher — zumindest tendentiell — alle Entwicklungen, freie Berufe in solche „staatlich-gebundener" oder „inPflicht- genommener" Art zu überführen (im Sinne eines solchen Zusammenhanges von Wirtschaftsaufsicht und „staatlich gebundenem Beruf" etc. wohl auch Brohm, Strukturen, S. 112ff., 202ff.); vgl. hierzu auch noch sub C I I 2 f .
I. Individuale Aufsichtsmaßnahme und reale Drittbetroffenheit
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Vorgänge dieser oder ähnlicher A r t wären rechtlich nicht allzu bedeutsam, wenn sie nur Form oder Instrumentalität der Aufsicht angingen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn die instrumenteilen Anlagen der Wirtschaftsaufsicht sind unlösbar mit deren geschilderter Funktionsgebung verbunden; sie sind nur von dieser her zu begreifen, weil sie zunächst nur für deren Schutzzwecke konstruiert wurden — eine Einsicht, über die sich moderne Wirtschaftsgesetzgebungen freilich oft m i t allzu leichter Hand hinwegsetzen. I n der Folge dessen stellen sich zunächst die verwaltungsinstitutionellen Probleme der sachlichen Überforderung und gegenständlichen Verfremdung der typisch-aufsichtsrechtlichen Institute. Darüber hinaus stellen sich aber vor allem rechtsstaatliche Probleme: Die spezifisch defensive Schutzgüterordnung der Wirtschaftsaufsicht w i r d von den offensiven Initiativen der Wirtschaftslenkung aufgegriffen; nur zu gern bemächtigt sich ein ausgeprägtes Lenkungsengagement der inhaltlichen Offenheit des aufsichtsrechtlichen Schutzguts. Vor allem das Opportunitätsprinzip scheint der — i m Gewand der „Aufsicht" auftretenden — Wirtschaftslenkung Aktionsräume zu erschließen, die ihr das Legalitätsprinzip vielleicht versagt hätte. Die bereits oben 9 angeführte Gefahr des Umschlags von defensiv geführter Schutzgutfindung i n offensiv eingesetzte Opportunität w i r d hier zum aktuellen Verfassungsproblem. Denn die „aufsichtsrechtlichen" Schutzzwecke müssen — ihrer gewandelten Ordnungsfunktion entsprechend — dem rechtsstaatlichen Eingriffsvorbehalt jetzt i n anderer, schärferer Form genügen. Sie müssen den ungleich höheren Eingriffsintensitäten der konkreten „aufsichtsrechtlichen" Lenkungsmaßnahme Rechtsgüter als Ermächtigung entgegenstellen, deren normativ geschlossener Standard auch gegenüber tatsächlich lenkenden Eingriffen noch wirksame Kontrollen auf sachliche Bestimmtheit und rechtliche Angemessenheit zuläßt 10 . 3. Die moderne Wirtschaftsaufsicht sieht sich damit und zunächst durch die Entwicklung größerer, weil nicht nur defensiv-beaufsichtigender, sondern auch offensiv-lenkender Eingriffsintensitäten gekennzeichnet. Neben diese Form — bildhaft gesprochen: — größerer Tiefenwirkung der einzelnen Aufsichtsmaßnahme t r i t t aber noch eine andere Form erhöhter Eingriffswirksamkeit, nämlich die größere Breitenwirkung. A l l e i n m i t i h r werden sich die folgenden Betrachtungen zu befassen haben. Das B i l d der Breitenwirkung beschreibt den Effekt der Drittbetroffenheit, d. h. den Fall, daß eine Aufsichtsmaßnahme Rechtsfolgen nicht 9
Vgl. sub B I I I 3. Vgl. insoweit auch Brohm, Strukturen, S. 208 trotz seiner bereits oben N. 3 kritisierten Gleichsetzimg von Wirtschaftsaufsicht und Wirtschaftslenkung. 10
C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
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nur gegenüber ihrem Adressaten, sondern auch dritten Wirtschaftssubjekten gegenüber äußert. Derartige Drittrechtsfolgen sind heute, wie anschließend noch beispielhaft zu zeigen sein w i r d 1 1 , außerordentlich häufig geworden. Das Eingreifen gerade der Wirtschaftsaufsichten n i m m t zunehmend komplexe Inhalte an. M i t den gesteigerten Ordnungsbedürfnissen der Industriegesellschaft steigern sich die Ordnungsaufgaben der Wirtschaftsaufsicht nicht nur i m objektiven Inhalt, sondern auch i n der subjektiven Verpflichtung oder Berichtigung der einzelnen Wirtschaftssubjekte. Dies geschieht zum Teil auch ausdrücklich, indem sich eine Aufsichtsregelung von vornherein an eine (unbestimmte) Mehrheit von Wirtschaftssubjekten wendet. I m Regelfall geschieht dies jedoch nicht. Denn die W i r t schaftsaufsicht hält i m Grundsatz an ihrem herkömmlichen Ordnungsschema, d. h. am System der individualen Aufsichtsmaßnahme, fest: I h r Eingreifen orientiert sich rechtlich, wie gezeigt, am Einzelfall; es richtet sich gegen den einzelnen „Wirtschaftsstörer". Tatsächlich hat sich die Wirtschaftsaufsicht von diesem Begriffsverständnis jedoch schon u m einiges entfernt. Die einzelne Aufsichtsmaßnahme w i r k t schon längst nicht mehr strikt individual. Sie richtet sich zwar nach wie vor nur an den einzelnen Wirtschaftsteilnehmer; sachlich wirkt sie jedoch oft über dessen Person hinaus. Oder m i t anderen Worten: Die einzelne A u f sichtsmaßnahme ist zwar i n aller Regel an ein bestimmtes Wirtschaftssubjekt, d.h. individual, adressiert. I n vielen Fällen erschöpft sich ihre sachliche Regelung aber nicht i n einem, nur i n der Person des Adressaten akuten „ E i n z e l f a l l D i e Rechtswirkungen der Aufsichtsmaßnahme reichen weiter. Sie treffen auch dritte Personen. Diese sind zwar nicht Adressaten der Maßnahme. Aufgrund ihrer rechtlichen oder tatsächlichen Verbundenheit m i t dem Adressaten werden sie aber von den Rechtsfolgen der Maßnahme mitbetroffen. 4. A m deutlichsten w i r d dies dort, wo sich eine Wirtschaftsaufsicht m i t wettbewerblichen Wirtschaftsverhältnissen befaßt. Denn hier ist der tatsächliche oder auch nur potentielle Wettbewerber des „individual" i n Anspruch genommenen Wettbewerbers zumeist ebenso wie dieser betroffen. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen, die die Wettbewerbsposition des Adressaten begünstigen, pflegen die des Mitbewerbers zu benachteiligen; aufsichtsrechtliche Maßnahmen, die die Wettbewerbsposition des Adressaten beschränken, pflegen die des Mitbewerbers zu begünstigen. Die einzelne Aufsichtsmaßnahme w i r k t also ebenso interdependent, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen Bewerber und Mitbewerber interdependent sind 12 . 11 12
Vgl. im folgenden sub C I I . Vgl. noch näher unten C I I 1.
I. Individuale Aufsichtsmaßnahme und reale Drittbetroffenheit
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Diese Interdependenzen können sich wiederum auf verschiedenen Ebenen bilden. Als „Wettbewerber" gelten daher nicht nur diejenigen Wirtschaftssubjekte, die sich parallel bzw. auf der gleichen (horizontalen) Wirtschaftsstufe begegnen; „Wettbewerber" sind vielmehr auch deren Lieferanten und Kunden, d. h. alle die Wirtschaftssubjekte, die dem Adressaten einer Aufsichtsmaßnahme auf der vor- oder nachgelagerten (vertikalen) Wirtschaftsstufe begegnen. Diese Vielfalt der parallel- und mehrstufigen Wettbewerbsverhältnisse läßt sich am ehesten i n der allgemeinen Begriffsumschreibung des Konkurrenten auffangen. Konkurrent i n diesem weitesten Sinne des Wortes ist jeder M i t bewerber, gleichgültig auf welcher Stufe er einem Wirtschaftssubjekt gegenübertritt 18 . Diese Umschreibung mag terminologisch zwar recht pauschal und i n Anbetracht der Mannigfaltigkeit wirtschaftlicher Wettbewerbsverhältnisse auch recht simplifizierend erscheinen. Andererseits kann sie sich aber auf einen — inzwischen wohl allgemeinen — Sprachgebrauch i m Verwaltungsrechtsschutz beziehen. Denn hier pflegt man m i t dem Begriff der (öffentlich-rechtlichen) Konkurrentenklage jede Streitigkeit zu bezeichnen, i n der ein Kläger geltend macht, durch ein Handeln der beklagten Verwaltung i n seinen (wettbewerblichen) Rechten gegenüber einem anderen Wirtschaftssubjekt beeinträchtigt worden zu sein 14 . I n Anknüpfung an diesen Sprachgebrauch soll auch hier nur noch vom „Konkurrenten" gesprochen werden, wenn ein Dritter von einer staatlichen Maßnahme i n irgendeiner wettbewerblichen W i r t schaftsposition (mit-)betroffen wird. 5. Diese Betroffenheit braucht nicht i n jenem Sinne „rechtlicher" A r t zu sein, daß der drittbetroffene Konkurrent auch Adressat der wettbewerbsregelnden Aufsichtsmaßnahme sein muß. I m Gegenteil, die Drittbetroffenheit ist regelmäßig nur tatsächlicher A r t und gerade deshalb problematisch (reale Dñttbetroffenheit). Sie stützt sich nämlich auf eine Maßnahme, die rechtlich nur an den Adressaten gerichtet ist, tatsächlich aber auch auf die Position des Konkurrenten Einfluß nimmt. Diesen Einfluß vermittelt oft allerdings erst das Handeln des Adressaten. Indem dieser nämlich von einer i h m gewährten Begünstigung Gebrauch macht, „vollzieht" er die i n der Begünstigung mitangelegte Belastung des Konkurrenten. Diese „Vollziehung" darf aber nicht etwa nur der Person des Begünstigten zugerechnet werden. Es ist zwar dessen persönliche Handlung; diese ist aber nicht i n dem Sinne privatautonom, daß allein das private, rechtlich begünstigte Wirtschaftssubjekt für sie 18 Nicht hierzu zählt lediglich der Endverbraucher; denn seine Nachfrage erfolgt nicht zu wettbewerblichen Zwecken, selbst wenn sie von wettbewerblich hoher Bedeutung (für die wettbewerbenden Anbieter) ist. 14 Vgl. z.B. R.Schmidt, NJW67, 1635 (1636); zur Konkurrentenklage selbst vgl. noch sub D V 3, 4.
C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
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verantwortlich wäre. Der rechtliche Grund für diese Handlung liegt allein i n der aufsichtsrechtlich gewährten Begünstigung. Aus diesem Grunde ist das die Begünstigung nutzende Vorgehen des Begünstigten eher als „Vollziehung" oder — genauer noch: — als „Vollendung" der von der Aufsichtsbehörde bereits mitverfügten Belastung des Konkurrenten zu begreifen. Reale Drittbetroffenheiten i n diesem Sinne stellen keine Besonderheit des Rechts der Wirtschaftsaufsicht dar, wenngleich sie hier besonders häufig und typisch sind. Rechtlich kennzeichnet der Tatbestand der realen Drittbetroffenheit aber ein allgemeines Phänomen, dem sich das moderne Verwaltungsrecht erst i n jüngster Zeit aufgeschlossen h a t Vor allem der Lehre vom verwaltungsrechtlichen Eingriffsbegriff hat die tatsächliche (Mit-)Betroffenheit Dritter Schwierigkeiten bereitet. Lange hat man den Versuch gemacht, reale Drittbetroffenheiten als angeblich nur „mittelbare" Rechtsbeeinträchtigungen aus dem Begriffsbereich des rechtlich relevanten „unmittelbaren" Eingriffs herauszuhalten 16 . Einem rechtsstaatskonformen Eingriffsverständnis ist eine Unterscheidung von solcher Konsequenz jedoch unmöglich. Denn ein Eingriff muß überall dort gegeben sein, wo ein staatliches Handeln rechtlich geschützte Positionen des Bürgers materiell beeinträchtigt 16 . Ob dies i n unmittelbarer Adressierung oder mittelbarer (vermittelter) Auswirkung geschieht, ist für den allein maßgebenden Tatbestand der materiellen Rechtsverletzung bedeutungslos 17 . Das gegenständliche Moment der unmittelbar- oder mittelbar-eingreifenden Rechtsbeziehung hat demgegenüber nur formalen Sinngehalt. Es dient der Erkenntnis und nicht der Bewertung von Rechtsverletzungen 18 . Die reale (Mit-)Betroffenheit ist demnach auch für den Konkurrenten unter den maßgebenden Gesichtspunkten des Eingriffs i n geschützte Rechtspositionen zu würdigen. 6. Für das Wechselspiel von unmittelbarer Begünstigung und mittelbarer Konkurrentenbelastung bzw. unmittelbarer Belastung und mittelbarer Konkurrentenbegünstigung hält das Verwaltungsrecht heute die Rechtsfigur des Verwaltungsakts mit Doppelwirkung bereit 19 . I h r zu15
Zu dieser Problematik vgl. auch noch die Übersichten unten C I I I . Vgl. hierzu m. w. Nachw. Scholz, Einrichtungen, S. 222 f. Vgl. zuletzt auch die Rechtsprechung des B G H zum Enteignungsbegriif, die jetzt zu Recht nicht mehr auf den (psychologisierend-)zielfifericTiteten Eingriff, sondern auf die („unmittelbare") Auswirkung i m Sinne eines tatsächlichen Kausalzusammenhanges zwischen staatlicher Maßnahme und enteignender Rechtsbeeinträchtigung abstellt (vgl. B G H Z 37,44 (47); 48,46 (49); 48,58(641); 50,14(18)). 18 Vgl. Scholz, Einrichtungen, S. 221 ff. 19 Vgl. hierzu im einzelnen bes. Laubinger, Verwaltungsakt; Fromm, VerwArch56, 26 ff.; Dörffler, NJW63, 14ff.; Seilmann, NJW64, 1545ff.; Friauf, JurA (öffR) 69,3 (4 ff.); zum Begriff des Verwaltungsakts mit Doppelwirkung vgl. namentlich Laubinger, a.a.O., S. 1, 5 ff., 28 ff. 16
17
I. Individuale Aufsichtsmaßnahme und reale Drittbetroffenheit
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folge sind auch wettbewerbsregelnde Aufsichtsmaßnahmen regelmäßig als ein Verwaltungsakt mit doppelter, w e i l einmal wettbewerblich begünstigender und zum anderen wettbewerblich belastender, W i r kung zu erkennen 20 . Diese Qualifikation gilt auch für die Kartellauf sieht. Denn auch ihre Maßnahmen sind — zumindest i n aller Regel — Verwaltungsakte 21 . Diese wirken i m allgemeinen nach zwei Seiten. Je nach konkret geregeltem Wettbewerbsverhältnis korrespondieren Begünstigung und Belastung miteinander. A m deutlichsten w i r d dies bei der Kartellerlaubnis. Denn m i t ihr werden die i m Kartell als Außenwirkung i m obigen Sinne 22 angelegten Wettbewerbsbeschränkungen rechtlich statthaft. Diesen Erfolg muß die Kartellaufsicht als Rechtsfolge ihrer Erlaubnis verantworten. Die jetzt zulässig gewordene Wettbewerbsbeschränkung entsteht tatsächlich zwar erst m i t der Ausnutzung der Kartellerlaubnis durch die i m Kartell vereinigten Wirtschaftssubjekte. Dies ändert nach dem Gesagten aber nichts daran, daß die Erlaubnis des Kartellvertrages schon einen belastenden Eingriff i n die Wettbewerbsposition der betroffenen Außenseiter enthält. Die tatsächliche Nutzung der Kartellerlaubnis bedeutet i n diesem Sinne nichts anderes als die äußere „Vollendung" des i n der Erlaubnis bereits erzeugten Eingriffs. Neben den Eingriff durch aktives Aufsichtsverhalten t r i t t der Eingriff durch passives Aufsichtsverhalten. Auch die unterlassene Aufsichtsmaßnahme kann eingriffswirksam sein 23 . Dies gilt jedenfalls dort, wo der Aufsichtsbehörde eine Rechtspflicht zum Tätigwerden obgelegen hat. Der Eingriff durch Unterlassen ist i n diesem Sinne zunehmend mehr i n das Blickfeld der Wirtschaftsaufsicht getreten. Die gesteigerte Abhängigkeit der modernen Industriegesellschaft von der aufsichtsrechtlichen Sicherungsmaßnahme zwingt die Wirtschaftsaufsicht mehr und mehr zur positiven oder „vorsorgenden" Maßnahme. Deren Unterlassung kann das gesellschaftliche Ordnungsbedürfnis ebenso beeinträchtigen wie die rechtswidrige Aktivmaßnahme. Besonders deutlich w i r d dies wiederum im Kartellrecht. Denn indem dies die Statthaftigkeit von Kartellen zum Teil von der Nichterhebung des aufsichtsrechtlichen Widerspruchs ab20 Vgl. hier das ausführliche Anschauungsmaterial bei Laubinger, a.a.O., bes. S. 72 ff. 21 Vgl. hierzu schon eingehend Arndt, AöR n. F. 11, 192 ff.; vgL weiterhin z. B. Junge, Gemeinschaftskommentar, § 57 Rdnr. 1; allgemein zum Kartellverwaltungsverfahren als öffentlichem Recht und mit richtiger Kritik an unzulässigen Vermengungen öffentlich-rechtlicher Ordnungsprinzipien mit privatrechtlichen Vorstellungen i m Kartellverfahren vgl. v. Köhler, VerwArch 54, 262 ff. 22 Vgl. sub B I I 6 b. 28 Vgl. hierzu allgemein Scholz, Einrichtungen, S. 222 m. w. Nachw. N. 14.
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
hängig macht 24 , stellt es den Eingriff durch Unterlassen ausdrücklich dem durch aktives Handeln gleich. Diese Gleichheit gilt i n jeder Beziehung. Der Eingriff durch Unterlassen ist namentlich also auch i n den hier interessierenden Fällen der tatsächlichen Betroffenheit Dritter (Konkurrenten) wirksam. 7. Die reale Betroffenheit Dritter erweist sich damit als zentrales Problem des heutigen Aufsichtsrechts. Die „Breitenwirkung" der einzelnen Aufsichtsmaßnahme (unterlassenen Aufsichtsmaßnahme) stellt den klassischen Aufsichtsbegriff ernsthaft i n Frage. Indem die individúale Aufsichtsmaßnahme auf die Positionen des Konkurrenten Einfluß nimmt, erweitert sie nämlich nicht nur die tatsächlichen Eingriffsformen der Wirtschaftsaufsicht. Sie erhöht damit auch deren rechtliche Verantwortung; oder m i t anderen Worten: Der tatsächliche Ordnungsanspruch der Wirtschaftsaufsicht läßt sich — zumindest nicht mehr v o l l — unter das System von punktueller Gefahrenabwehr und individueller Verhaltenskorrektur bringen. Diese Feststellungen bedingen ähnliche Konsequenzen wie die obigen Ausführungen zur erhöhten „Tiefenwirkung" der Wirtschaftsaufsicht 25 : Auch der „verbreiterten" Eingriffsintensität müssen entsprechend verstärkte Rechtsstaatskontrollen gegenübertreten. I m Gegensatz zur „vertieften" Eingriffsintensität geht es hier aber weniger u m die inhaltlichen Voraussetzungen des aufsichtsrechtlichen Schutzgutes 26 als u m den Rechtsschutz des drittbetroffenen Konkurrenten.
I I . Typische Formen wettbewerbsbezogener Drittbetroffenheit 1. Bevor die rechtsstaatliche Problematik des Rechtsschutzes Dritter i m Aufsichtsrecht näher zu verfolgen ist, bedarf es noch der Betrachtung der typischen Formen wettbewerbsbezogener Drittbetroffenheiten i n der aufsichtsrechtlichen Wirklichkeit. Inhaltlich ist hier — je nach Schutzrichtung der einzelnen W i r t schaftsaufsicht — zwischen verschiedenartigen Wettbewerbsregelungen und damit auch zwischen verschiedenen Formen wettbewerbsbezogener Drittbetroffenheit zu unterscheiden: Eine Aufsichtsmaßnahme kann sich einmal m i t der subjektiven Aufnahme oder Zulassung wettbewerblichen Wirtschaftens befassen; sie kann zum anderen die objektive Ausschließung oder Hinderung wettbewerblichen Wirtschaftens bezwecken. Sie kann schließlich auf die ergänzende Stärkung oder punktuelle Beschrän24 Vgl. §§ 2 I I I (Konditionenkartell), 3 I I I (Rabattkartell), 5 I I I (Spezialisierungskartell). 25 Vgl. oben sub 2, 3. 26 Vgl. allerdings auch noch D 1 1 ff.
I I . Typische Formen wettbewerbsbezogener Drittbetroffenheit
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kung bestehender Wettbewerbswirtschaften gerichtet sein. I m einzelnen können sich diese Zielsetzungen freilich überschneiden. So kann sich das Ziel einer objektiven Ausschließung des Wettbewerbs durchaus m i t der subjektiven Zulassungsbeschränkung weiterer Mitbewerber verbinden; die objektive Ausschließung kann sich sogar der Zulassungsbeschränkung bedienen. Ungeachtet dessen sind beider Zielsetzungen verschieden. Die objektive Ausschließung bezweckt den Ausschluß oder die Begrenzung des Wettbewerbs aus Gründen, die auf den objektiven Schutz einer bestimmten Wirtschaftsfunktion gerichtet sind; die subjektive Zulassungsbeschränkung verfolgt dagegen mehr die persönliche Ausschließung weiterer Wettbewerber. Wettbewerbsstärkende oder «beschränkende Maßnahmen halten sich schließlich am Rande des Gegensatzes von objektiver und subjektiver Zielsetzung. Sie orientieren sich zumeist an momentanen Bedürfnissen i m Rahmen der bestehenden und als solchen zu erhaltenden, d. h. prinzipiell „staatsfreien" Wettbewerbsordnung. Je nach Inhalt der konkreten Wettbewerbsregelung fällt auch cjie konkrete Drittbetroffenheit des Konkurrenten verschieden aus. Wettbewerbsausschließende oder -hindernde Maßnahmen begünstigen ihn, wenn Ausschluß und Hinderung zu Lasten des Mitbewerbers verfolgt werden. Umgekehrt belasten ihn solche Maßnahmen, wenn Ausschluß und Hinderung zugunsten des Mitbewerbers erfolgen. Das gleiche gilt für aufnähme- oder zulassungsregelnde Aufsichtsmaßnahmen. Begünstigen sie die Aufnahme des Wettbewerbs durch die Zulassung weiterer Wettbewerber, so belasten sie den bisher geringerer Konkurrenz ausgesetzten Dritten. Umgekehrt begünstigen ihn Maßnahmen dieser A r t , wenn sie die Aufnahme des Wettbewerbs oder die Zulassung weiterer Wettbewerber an die Erfüllung bestimmter Rechtsvoraussetzungen binden. Nicht anders verhält es sich schließlich m i t wettbewerbsstärkenden und -beschränkenden Aufsichtsmaßnahmen. Je nachdem, ob sie den Mitbewerber i m Wettbewerb unterstützen oder beeinträchtigen, belasten oder begünstigen sie den drittbetroffenen Konkurrenten. Die Typik der wettbewerbsbezogenen Drittbetroffenheiten entspricht also ganz der allgemeinen Interdependenz von Wettbewerbsbegünstigung und Wettbewerbsbeschränkung 1 . Hier geht es allerdings nur um die Fälle, in denen der Dritte wettbewerbliche Belastungen hinzunehmen hat. Wie die vorstehenden Unterscheidungen zeigen, sind derartige Fälle aber bei grundsätzlich jeder Form wettbewerbsregelnder A u f sichtsmaßnahmen denkbar. Dies sei i m folgenden beispielhaft verdeutlicht. 2. Wettbewerbsausschließende und -hindernde Aufsichtsmaßnahmen finden sich vor allem i m Bereich der Verkehrs-, Versicherungs-, Kredit1
Vgl. oben C14.
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
und Energieaufsicht sowie i n sonstigen versorgungswirtschaftlich orientierten Aufsichten. Den Bedarfsinteressen des Publikums an einer leistungsfähigen und funktionierenden Verkehrs-, Versicherungs-, Banken«, Energie- und sonstigen Versorgungswirtschaft w i r d der Vorrang vor den Wettbewerbsinteressen der freien Wirtschaft eingeräumt. a) I m Personenbeförderungsrecht soll die Wirtschaftsaufsicht deshalb darauf hinwirken, daß „die Interessen der verschiedenen Verkehrsträger i m Personenverkehr ausgeglichen und ihre Leistungen und ihre Entgelte aufeinander abgestimmt werden" ( § 8 1 1 PBefG). Die W i r t schaftsaufsicht soll hier die „freiwillige Zusammenarbeit der Verkehrsträger fördern" ( § 8 1 2 PBefG); sie soll, „sofern die öffentlichen Verkehrsinteressen es erfordern", neben der „Zusammenarbeit" auch auf „Zusammenschlüsse der Unternehmer hinwirken" (§ 8 I I I Nr. 2 S. 2 PBefG). I n Verfolg dieser allgemeinen Zielsetzung soll dem Wettbewerb bzw. der Erweiterung eines bestehenden Wettbewerbs ein prinzipieller Schutz des Besitzstandes früherer Unternehmer (Altunternehmer) zumindest dann vorgehen, wenn diese den Verkehr „jahrelang i n einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben" haben (§ 13 I V PBefG). Dieser Besitzstand soll namentlich gegenüber dem Zulassungsantrag neuer Mitbewerber berücksichtigt werden 2 . Dies zeigt sich vor allem in der Anerkennung des sog. Ausgestaltungsrechts aus § 13 I I Nr. 2 lit. c PBefG. I h m zufolge sollen i m Straßenbahn-, Obusverkehr und Linienverkehr m i t Kraftfahrzeugen neue Unternehmen nicht genehmigt werden, wenn „die für die Bedienung dieses Verkehrs vorhandenen Unternehmer oder Eisenbahnen die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs . . . selbst durchzuführen bereit sind"; die Erteilung einer Genehmigung gegen dieses Ausgestaltungsrecht gilt als Beeinträchtigung der „öffentlichen Verkehrsinteressen" (§ 13 I I Nr. 2 PBefG). Besitzstand und Ausgestaltungsrecht sollen die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Verkehrsunternehmen erhalten, indem sie diese vor „ruinösem Wettbewerb" schützen3. Die Regelungen des § 13 PBefG sollen zwar keinen „allgemeinen Konkurrenzschutz" gewähren 4 ; indem sich das Personenbeförderungsrecht aber gerade nicht zur Leistungsfähigkeit durch Wettbewerb bekennt, w i r k t es intentional doch als Wettbewerbsausschließung oder -hinderung 5 . Dem entspricht das Recht des A l t 2
Vgl. BVerwGE 31, 184 (185 ff.). Vgl. BVerwGE 30, 347 (349). 4 Vgl. BVerwGE 30, 352 (356). 5 Noch intensiver als das geltende PBefG vom 21. 3. 61 (BGBl I S. 241) verfolgte das PBefG vom 4.12. 34 (RGBl I S. 1217) die Ausschaltung des Wettbewerbs. Vor allem die Regelung des § 9 I I äußerte hier einschneidende Wirkungen, indem sie die Zulassung weiterer Wettbewerber an das Vorhandensein eines „öffentlichen Verkehrsbedürfnisses" band (zur Verfassungswidrigkeit dieser Regelung vgl. BVerfGE 11, 168 [183 ff.]). 3
I I . Typische Formen wettbewerbsbezogener Drittbetroffenheit
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Unternehmers, die Zulassung von Mitbewerbern anzufechten; vor allem die Regelungen des § 13 PBefG gelten nach der Rechtsprechung des BVerwG als subjektive Schutzrechte der vorhandenen Verkehrsunternehmer 6 ' 7 . Die gleiche Rechtslage kennzeichnet das Güterkraftverkehrsrecht. Auch hier soll die Wirtschaftsaufsicht „ m i t dem Ziel bester Verkehrsbedienung" darauf hinwirken, „daß die Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger angeglichen werden und daß durch marktgerechte Entgelte und einen lauteren Wettbewerb der Verkehrsträger eine volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung ermöglicht w i r d " ( § 7 1 GüKG). Das Bekenntnis zum „lauteren Wettbewerb" darf über die wettbewerbsnegierende Tendenz des G ü K G nicht hinwegtäuschen. Denn das GüKG verfolgt hier kein dem U W G vergleichbares Ziel; es sucht i m „lauteren Wettbewerb" weder den sittengerechten Wettbewerb noch den Leistungswettbewerb zu gewährleisten 8 . „Lauter" ist für das GüKG vielmehr nur der i n seinen Bedingungen „angeglichene" oder in „sinnvoller Aufgabenteilung" organisierte Wettbewerb, konsequent zu Ende gedacht: also der Nicht-(Leistungs-)Wettbewerb. Diese Zielsetzung setzt sich i n den Regelungen der §§ 7 I I , 9 GüKG fort. Denn nach § 7 I I soll die Wirtschaftsaufsicht „die Leistungen und Entgelte der verschiedenen Verkehrsträger" insoweit aufeinander abstimmen, „als es die Verhinderung eines unbilligen Wettbewerbs erfordert" ; auch hier wendet sich das Gesetz also — unter dem Vorgeben, Unbilligkeiten im Wettbewerb zu bekämpfen — gegen den (Leistungs-) Wettbewerb selbst 9 . Nach § 9 1 G ü K G sind schließlich „unter Berücksichtigung des öffentlichen Verkehrsbedürfnisses und der Verkehrssicherheit auf den Straßen" die Zulassungen zum Güterkraftverkehr zu kontingentieren. Die wettbewerbsausschließenden oder -hindernden Wirkunß Vgl. BVerwGE 30, 242 (245ff.); 30, 251 (252 ff.); 30, 347 (348ff.); 30, 352 (353 ff.); 31, 133 (135ff.); 31, 184 (185ff.); vgl. allerdings auch BVerwGE 16, 187ff.; 16, 190ff.; 23, 314 (317); zum subjektiven Schutzrechtscharakter vgl. schließlich auch B G H Z 26, 42 (46 ff.). 7 Das PBefG von 1934 konstruierte diesen subjektiv-rechtlichen Schutzbezug über das dem Altunternehmer in § 9 1 Nr.2 DVPBefG vom 26.3.35 (RGBl I S. 473) gewährte Recht auf Anhörung i m Genehmigungsverfahren des Neubewerbers; vgl. näher BVerwGE2, 141 f.; 9, 340 (341 f.); vgl. weiterhin zum PBefG von 1934 BVerwGE 1, 92 (93ff.); 1, 165 (166ff.); 4, 89 (90ff.); 9, 284 (285); 10, 310 (311 ff.). 8 Zur diesbezüglichen Schutzrichtung des U W G vgl. bes. Fikentscher, Wettbewerb, S. 113ff.; Kraft, Interessenabwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht, 1963, S. 209 ff.; vgl. auch bereits Scholz, ZHR132, 110 ff. m. N. 58. 9 Der Regelung des § 71, I I G ü K G entsprechen die Bestimmungen der §§ 8 I, I I AllgemEisenbahnG vom 29.3.51 (BGBl I S. 225/438), 33 BinnenschifffahrtsG vom 1.10.53 (BGBl I S. 1163). Zur Wettbewerbsregelung des §8 AllgemEisenbahnG vgl. bes. BVerwGE 21, 338 (339 f.).
4 Scholz
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
gen auch dieser — i n ihrer Verfassungsmäßigkeit 10 hier nicht zu diskutierenden — Regelung liegen auf der Hand 1 1 . b) I m Recht der Versicherungsaufsicht hat die Wirtschaftsaufsicht vor allem zum Schutz der Versicherungsnehmer tätig zu werden (§ 81 VAG). Die Praxis tendiert auch hier zur Ausschließung oder Hinderung wettbewerblichen Wirtschaftens 12 . Die Versicherungsaufsicht hat nämlich einmal — bei der Frage der Zulassung vom Konkurrenzunternehmen — für die „Gesunderhaltung der einzelnen Versicherungsunternehmen Sorge zu tragen" 1 3 . Sie hat zum anderen nach den Bestimmungen der §§ 8 1 Nr. 2, 81a, 89 V A G das Recht, die Versicherungsbedingungen zum Schutz der „Belange der Versicherten" inhaltlich zu gestalten; die Versicherungsbedingungen bilden sich also nicht i m freien (Leistungs-) Wettbewerb der konkurrierenden Versicherungsunternehmen, sondern zugunsten der Versicherungsnehmer kraft vereinheitlichender Aufsichtsentscheidung 14 . c) Die Kreditaufsicht hat i m Rahmen ihrer allgemeinen Aufgabe, „Mißständen i m Kreditwesen" zu begegnen (§ 6 I I KWG), einmal das Recht, die Zulassung zum Kreditgewerbe „auf einzelne Bankgeschäfte" zu beschränken (§ 32 I I 2 KWG), sowie zum anderen das Recht, die Einstellung eines Kreditgewerbes zu erzwingen (§ 47 I Nr. 2 KWG) 1 5 . Aus § 33 K W G ergibt sich zwar, daß die Kreditaufsicht nie den Ausschluß des Wettbewerbs verfolgen darf; aus § 32 I I 2 K W G folgt zum anderen aber eine deutlich wettbewerbshindernde Tendenz 16 . d) Die Energieaufsicht verfolgt wiederum eine eindeutig wettbewerbsausschließende Richtimg. Diese Zielsetzung bringt die Präambel m i t aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Denn hier heißt es u. a., daß der Energieaufsicht die Aufgabe zukomme, „volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen des Wettbewerbs zu verhindern" und „einen zweckmäßigen Ausgleich durch Verbundwirtschaft zu fördern". I m Zuge dieser Zielsetzung stehen der Energieaufsicht außerordentlich intensive Eingriffsrechte zu; die wichtigsten von ihnen (Betriebspflicht, Betriebs10
Vgl. diese bejahend BVerwGE2, 21 (22 ff.); 18, 113 ff.; 18, 143. I m einzelnen erfüllen sich die Wettbewerbsausschlüsse und -hinderungen i m Verkehrsrecht zudem über die aufsichtsmäßige Reglementierung der Beförderungsentgelte und -bedingungen gem. §§39, 40, 51 PBefG, 13 a I V 2, 20 ff. GüKG. 12 Vgl. hierzu allgemein auch Bullinger, W D S t R L 2 2 , 272: Die Generalklausel des § 81 V A G w i r d vom Bundesaufsichtsamt „dazu benutzt... jeden ernstlichen Wettbewerb zu unterbinden". 13 BVerwGE 10, 122 (124). 14 Zum Verhältnis von Aufsicht, Versicherung und Versicherungsnehmer vgl. näher BVerwGE 11, 245ff.; 30, 135ff. 16 Vgl. hierzu auch schon oben C I N. 8. 16 Die gleiche Rechtslage kennzeichnet das Recht der Hypothekenbanken (vgl. § 3 HypothBankG). 11
I I . Typische Formen wettbewerbsbezogener Drittbetroffenheit
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untersagung und Betriebsübernahme) wurden schon oben 17 bei den Fragen der aufsichtsrechtlichen „Tiefenwirkung" erörtert. Uber diese Wirkung hinaus kommen diesen Maßnahmen aber auch beträchtliche „Breitenwirkungen" durch Wettbewerbsausschluß und -hinderung zu. e) Die stark wettbewerbsfeindliche Tendenz der Verkehrs- und Energieaufsicht wiederholt sich auf anderen Gebieten der Versorgungswirtschaft. Als besonders charakteristische Beispiele seien hier nur das Recht der Apotheken, Hebammen und Mühlen angeführt 1 8 : aa) Nach §§1, 7, 16 ApothG sollen die Apotheken die ihnen „ i m öffentlichen Interesse" obliegende „Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung" (§ 1) namentlich dadurch gewährleisten, daß sie prinzipiell nur i n persönlicher Leitung geführt werden (§ 7). Das bedeutet, daß dem einzelnen Apotheker grundsätzlich nur die Führung einer Apotheke erlaubt ist; Ausnahmen (Errichtung von Zweigapotheken) gestattet § 16 nur für den Fall eines „Notstands i n der Arzneimittelversorgung" (§161). Das ApothG sucht den Wettbewerb damit zwar nicht auszuschließen; es legt seiner freien (expandierenden) Ausübung aber ein entscheidendes Hindernis i n den Weg 19 . bb) Die gleiche Zweckrichtung kennzeichnet das Hebammenrecht. Die Zulassung zum Hebammengewerbe w i r d gemäß §§ 10, 13 HebammenG vom 21.12.38 (RGBl I S. 1893) i n wettbewerbsausschließender und -hindernder Weise beschränkt, u m unlautere Konkurrenz, Berufsüberfüllung sowie eine mangelhafte Verteilung von Hebammen zu vermeiden 20 . Als maßgebliches, dem freien Wettbewerb vorrangiges Schutzgut gilt die Volksgesundheit; ihre Wahrung soll zu Ausschluß und Hinderung des Wettbewerbs berechtigen 21 . cc) Das Gesetz über die Errichtung, Inbetriebnahme, Verlegung, Erweiterung und Finanzierung der Stillegung von Mühlen vom 27. 6. 57 (BGBl I S. 664) zielt auf „die Sicherung der Volksernährung" 2 2 . Zu diesem Zweck bemüht es sich vor allem darum, volkswirtschaftlich für unerwünscht gehaltene Erweiterungen der Mühlenkapazität zu ver17
Vgl. sub C 1 2 mit N. 7, 8. Ein anderes sehr charakteristisches, wenn auch nicht zum Ordnungsbereich der Wirtschaftsaufsicht gehörendes Beispiel findet sich i m Recht der Wirtschaftssicherstellung, das die „zur Deckung des Bedarfs der Zivilbevölkerung erforderliche Versorgung mit Gütern und Leistungen sicherzustellen" sucht ( § 1 1 WirtschaftssicherstellungsG) und in diesem Zusammenhang namentlich dann zu wettbewerbsfeindlichen Eingriffen ermächtigt, wenn „marktgerechte Maßnahmen" ausfallen (§211 Nr. 2 WirtschaftssicherstellungsG). 19 Auf der gleichen Ebene liegt die Befugnis der Aufsichtsbehörde, Apotheken zu schließen (§ 18 I I I 2 ApothG); vgl. hierzu schon oben C I N . 8. 20 Vgl. BVerwGE 9, 334 (337). 21 Vgl. — zugleich in Bejahung der Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Regelungen des Hebammenrechts — BVerwGE 9, 335 ff. 22 BVerfGE 25, 1 (16). 18
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
h i n d e r n 2 3 . N a c h d e n B e s t i m m u n g e n der §§ 11, 3 I I I M ü h l e n G b e d ü r f e n deshalb die E r r i c h t u n g u n d E r w e i t e r u n g v o n M ü h l e n d e r G e n e h m i g u n g ( § 1 1 ) ; n a c h § 3 I I I ist d i e G e n e h m i g u n g n u r d a n n zu e r t e i l e n , w e n n die Versorgung der B e v ö l k e r u n g andernfalls gefährdet wäre. Der Genehmig u n g s z w a n g w i r k t d a m i t als d e u t l i c h wettbewerbsausschließende Schranke24. f) W e t t b e w e r b s a u s s c h l i e ß u n g u n d - h i n d e r u n g e r f o l g e n d e m n a c h r e g e l m ä ß i g aus G r ü n d e n , d i e jenseits des W e t t b e w e r b s selbst liegen. B e s t i m m t e , insbesondere versorgungspolitische Wirtschaftsfunktionen w e r d e n v o m Gesetzgeber d e m W e t t b e w e r b v o r g e o r d n e t ; d e r W e t t b e w e r b w i r d f o l g l i c h d o r t n e g i e r t , w o seine A u s ü b u n g die v e r s o r g u n g s p o l i t i s c h e Z w e c k s e t z u n g g e f ä h r d e t 2 5 . F ü r das einzelne W i r t s c h a f t s s u b j e k t b e d e u t e t dies e i n m a l m e h r w i r t s c h a f t l i c h e n Schutz u n d z u m a n d e r e n w e n i g e r w i r t s c h a f t l i c h e ( W e t t b e w e r b s - ) F r e i h e i t . Das w i r t s c h a f t l i c h t ä t i ge u n d f u n k t i o n s e r f ü l l e n d e S u b j e k t w i r d i n seinem „ u n t e r n e h m e r i s c h e n B e s i t z s t a n d " v o r e r n s t h a f t e r e r K o n k u r r e n z geschützt; es m u ß d a f ü r andererseits e i n M a ß besonderer ( L e i s t u n g s - u n d B e t r i e b s - ) P f l i c h t e n a u f sich n e h m e n . D e m K o n k u r r e n t e n w i r d dagegen d e r w e t t b e w e r b l i c h e Z u g a n g z u m e i n z e l n e n W i r t s c h a f t s z w e i g w e s e n t l i c h erschwert. E r e r l a n g t d i e sen p r i n z i p i e l l n i c h t aus w e t t b e w e r b s p o l i t i s c h e n , s o n d e r n a l l e i n aus 25
Vgl. Amtl. Begründung, BT-Drucks. II/2376. Deren Verfassungsmäßigkeit hat das BVerfG in seiner nicht unproblematischen Entscheidung vom 18.12. 68 bejaht (vgl. BVerfGE25, 1 [10 ff.]). 25 Verwandt mit diesen sind sozialpolitische Zwecksetzungen, die dem Wettbewerb innerhalb seiner prinzipiell imbeschränkten Ausübung aus sozialen Gründen Grenzen setzen — Grenzen also, die die wettbewerbliche Ordnung eines Wirtschaftszweiges zwar nicht als solche in Frage stellen, sie im Einzelfall aber aus Gründen beschränken, die in den sozialen Bedürfnissen dieses Wirtschaftszweiges selbst liegen. Das wichtigste, im vorliegenden Zusammenlang aber weniger problematische Beispiel hierfür bildet das Recht des Ladenschlusses. Nach dem LadenschlußG vom 28. 11. 56 (BGBl I S. 875) gilt als soziales Bedürfnis in diesem Sinne der Arbeitszeitschutz. U m ihn wirksam zu gewährleisten, werden dem Einzelhandel generelle Verkaufszeitbeschränkungen auferlegt. Dieser Intention hat das BVerfG die Billigung nicht versagt (BVerfGE 13, 230 [233ff.]; 13, 237 [239ff.]). Auffallend an der Begründung des BVerfG ist jedoch das Verständnis des Wettbewerbs. Das Gericht begreift das LadenschlußG nämlich als Ausdruck der „Wettbewerbsneutralität" (vgl. BVerfGE 13, 240), da der Gesetzgeber alle Wettbewerber dem Arbeitszeitschutz verpflichtet. Ein solches Verständnis ist indessen mißverständlich. Denn tatsächlich liegt eine positive Beschränkung des Wettbewerbs gegenüber denjenigen Wettbewerbern vor, die auch an den verbotenen Zeiten verkaufen wollten. Dieser Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit darf nicht unter der mißverständlichen Anführung angeblicher „Wettbewerbsneutralität" verschleiert werden. Denn mit dem positiven Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit ist der Gesetzgeber gerade nicht wettbewerbsneutral geblieben; dies wäre er nur beim Gegenteil, d.h. dann gewesen, wenn er gerade nicht in den bestehenden Wettbewerb eingegriffen hätte. Was der Gesetzgeber hier tatsächlich getan hat, heißt also nicht Neutralität zum Wettbewerb, sondern positiv geregelte bzw. gesicherte Gleichheit im Wettbewerb, indem alle Wettbewerber einheitlich an die gesetzlich eingeführten Verkaufsbeschränkungen bzw. Wettbewerbsschranken gebunden werden. 24
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versorgungspolitischen Gründen. Der Konkurrent w i r d also nur dann zum Wettbewerb zugelassen, wenn seine Wettbewerbsteilnahme zur Sicherung der Versorgung objektiv erforderlich ist. Dieses objektive Erfordernis offenbart zugleich den eigentlichen Standort von wettbewerbsausschließender und -hindernder Aufsichtsmaßnahme: Die W i r t schaftsaufsicht steht hier i m Dienst einer staatlichen Wirtschafts- und Berufsordnung, die sich auf das System des „staatlich gebundenen Berufs" stützt 26 . Der staatlich gebundene Beruf steht i n diesem Sinne zwischen freiheitlicher („privater") Berufsordnung i m Sinne des A r t . 12 I GG und öffentlichem A m t i m Sinne des A r t . 33 GG 2 7 . Die Wirtschaftsaufsicht versieht i n ihm einen bestimmten privaten Beruf m i t öffentlich-rechtlichen Pflichtmerkmalen, ohne diesen dabei i n die volle Organisationsgewalt des öffentlichen Amtes zu nehmen. Der Grund dafür liegt i m staatlichen Interesse an der Erfüllung von Wirtschaftsfunktionen, die über ihre gesellschaftlich-private Relevanz hinaus auch allgemeinen bzw. „öffentlichen" Bedürfnissen der gesellschaftlichen und staatlichen Gemeinschaft entsprechen. Der staatlich gebundene Beruf erfüllt i n diesem Sinne eine besondere „öffentliche Aufgabe" 28. Diese ist nicht öffentlich-rechtlicher, sondern nur soziologisch-öffentlicher Art 29 » 30 . Sie beläßt die zugrunde liegende Wirtschaftsfunktion daher i m p r i v a t w i r t schaftlichen bzw. privatrechtlichen Bereich. Eine solche „öffentliche Aufgabe" kann die Wirtschaftsaufsicht i m Einzelfall zur objektiven Ausschließung oder Hinderung wettbewerblicher Wirtschaftsweisen ermächtigen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß eine solche Ausschließung oder Hinderung stets zulässig wäre. Die verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantien, insbesondere die des Art. 121 GG, setzen der Wirtschaftsaufsicht hier entschiedene Grenzen. 3. Aufsichtsmaßnahmen, die den Wettbewerb i n Gestalt subjektiver Zulassungs- oder Aufnahmevoraussetzungen beschränken, finden sich vor allem i m allgemeinen Berufsordnungsrecht. Die subjektive Zulassungsvoraussetzung beschränkt den Wettbewerb, indem sie dessen Aufnahme an die persönliche Qualifikation des (potentiellen) Mitbe26
Vgl. hierzu auch schon oben sub C I N . 8. Vgl. näher bzw. überhaupt zum Begriff des „staatlich gebundenen Berufs" bes. BVerfGE 7, 377 (398); 16,6(22); 17,371 (377). 28 Vgl. näher z. B. Martens, öffentlich, S. 124 ff. (130 f.). 29 Zum Begriff der „öffentlichen Aufgabe" vgl. allgemein bes. Martens, a.a.O., S. 117 ff., 123 ff.; Peters, Nipperdey-Festschrift I I , 1965, S. 877 ff.; H. Klein, DÖV65, 755ff.; Scholz, Einrichtungen, S. 120f.; zu deren soziologischer Struktur vgl. namentlich Scheuner, W D S t R L 2 2 , 1 (30); Scholz, a.a.O. 30 Vgl. im einzelnen hier die Regelungen der §§ 2 I I EnWG, 1 1 ApothG, die den „öffentlichen" Charakter der von ihnen geregelten Wirtschaftsweisen ausdrücklilch hervorheben. Vgl. z. B. auch BVerwGE 9, 334 (336): Hebammengewerbe als „öffentliche Aufgabe". 27
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
Werbers bindet 8 1 . Die wettbewerbsbeschränkende Zulassungs- oder A u f nahmevoraussetzung gehört damit zum Bereich der berufsrechtlichsubjektiven Zulassungsschranken i m Sinne der Rechtsprechung des BVerfG zur Schrankensystematik des A r t . 121GG 8 2 . Inhaltlich steht die subjektive Zulassungs- oder Aufnahmevoraussetzung i m Gegensatz zur objektiven Wettbewerbsausschließung oder -hinderung. Denn anders als diese bejaht sie den Wettbewerb grundsätzlich u n d sucht nur dessen Ausübung an bestimmte persönliche Leistungsmomente zu binden. Die subjektive Aufnahme- oder Zulassungsvoraussetzung darf sich deshalb auch als Garantie eines leistungsfähigen Wettbewerbs verstehen. Dieser Gegensatz zwischen subjektiver und objektiver Begrenzung des Wettbewerbs hindert die subjektive Voraussetzung freilich nicht, des öfteren i n den Dienst der objektiven Begrenzung zu treten 8 8 . Als Beispiel mögen hierfür die berufsrechtlichen Genehmigungsvorbehalte vor allem des Verkehrs- 8 4 , Kredit- 8 5 , Apotheken- 8 6 und Hebammenrechts 87 gelten. Die hier zu verfolgende Drittbetroffenheit von Konkurrenten interessiert naturgemäß mehr dieser Aspekt der objektiven Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Denn solange sich subjektive Aufnahme- und Zulassungsvoraussetzungen nur darum bemühen, persönlich unqualifizierte Bewerber vom Wettbewerb fernzuhalten, liegt noch keine wettbewerbsbeschränkende Drittbetroffenheit vor. Dies ist erst dann der Fall, wenn der (potentielle) Mitbewerber nicht oder nicht ausschließlich aus persönlichen Gründen vom Wettbewerb ferngehalten wird. Erfolgt sein Ausschluß oder die Begünstigung des früheren Bewerbers aus objektiven, nicht-persongebundenen Gründen, so liegt eine echte Betroffenheit des Konkurrenten vor. Aus diesem Grunde muß bei der Beurteilung von subjektiven Aufnahme- oder Zulassungsvoraussetzungen danach unterschieden werden, ob die einzelne Voraussetzung persongebundene (Qualifikations-)Nachweise oder nicht-persongebundene, d. h. objektive Wettbewerbsbegrenzungen, verfolgt. 4. Drittbetreffende Wirkungen durch wettbewerbsstärkende oder -beschränkende Aufsichtsmaßnahmen kennzeichnen vor allem das Kartellrecht Das Kartellrecht sucht den Wettbewerb nämlich nicht als solchen zu beschränken. Es setzt i h n vielmehr voraus. Sein Schutzgut ist allein auf 81
Als Beispiel sei nur auf die allgemeinen Berufszulassungsschranken des Gewerberechts verwiesen (vgl. bes. §§ 16 ff., 30 ff., 55 ff. GewO). 82 Vgl. grundlegend BVerfGE 7, 377 (399 ff.). 83 Vgl. hierzu schon oben sub 1. 34 Vgl. §§ 9 ff. PBefG, 8 ff. GüKG. 85 Vgl. §§ 32 ff. K W G , 3 HypothBankG i. V. m. 32 ff. K W G . 36 Vgl. §§ 1 ff. ApothG. 37 Vgl. §§ 10, 13 HebammenG.
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die funktionelle Erhaltung einer wirksamen Wettbewerbsordnung gerichtet 88 . Kartellrechtliche Wettbewerbsbeschränkungen haben daher nie den Inhalt der objektiven Wettbewerbsausschließung (-hinderung) oder subjektiven ZulassungstAufnahme-Jvoraussetzung 89 » 40 . Drittbelastende Wirkungen äußert vor allem die wettbewerbsbeschränkende Aufsichtsmaßnahme: Die Genehmigung oder Duldung von Kartellen 4 1 , mißbräuchlicher Ausnutzung marktbeherrschender Unternehmensstellungen 42 und sonstiger Wettbewerbsbeschränkungen 48 beeinträchtigt die wettbewerbliche Position oder die wirtschaftlichen Erwerbschancen des Konkurrenten. Diese Beeinträchtigung ist inhaltlich m i t der allgemeinen Drittbezogenheit der privaten Beschränkungshandlung identisch 44 . Denn die aufsichtsrechtliche Genehmigung oder Duldung einer Kartellbildung usw. ist selbst Wettbewerbsbeschränkung, weil sie die private Beschränkungshandlung erst ermöglicht 4 5 ; die aufsichtsrechtliche Maßnahme nimmt den privaten Beschränkungstatbestand sanktionierend auf und erhebt i h n zur tatsächlichen Grundlage der eigenen, hoheitlich verfügten Wettbewerbsbeschränkung. Diese aufsichtsrechtliche Wettbewerbsbeschränkung kann, wie bereits gezeigt 46 , aktiver wie passiver A r t sein; sie ist aktiv insbesondere i m Falle des Genehmigungskartells 47 ; sie ist passiv i m Falle des Widerspruchskartells 48 sowie i n allen jenen Fällen, i n denen die Kartellaufsicht es unterläßt, gegen sonstige Wettbewerbsbeschränkungen oder Mißbräuche einzuschreiten 49 . Die aufsichtsrechtlichen Wettbewerbsbeschränkungen w i r k e n schließlich auf allen Stufen wirtschaftlicher Konkurrenz. Sie betreffen fast 88
Vgl. hierzu oben sub B I I 5. Vgl. allgemein bereits oben sub 1. Eine Ausnahme hiervon könnte sich höchstens in den Fällen des Strukturkrisenkartells nach Maßgabe des § 4 GWB sowie des Sonderkartells nach Maßgabe des § 8 G W B ergeben. Denn hier wird einmal der Kartellbehörde die Befugnis gegeben, Kartellverträge zu genehmigen, die „notwendig" sind, „um eine planmäßige Anpassung der Kapazität an den Bedarf herbeizuführen", sofern diese „Regelung unter Berücksichtigung der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls erfolgt" (§4); zum anderen wird dem Bundeswirtschaftsminister die Ermächtigung gewährt, „ausnahmsweise" den Wettbewerb — über die allgemein-erlaubnisfähigen Kartelltatbestände der §§ 2 bis 7 hinaus — „aus überwiegenden Gründen der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls" zu beschränken (§ 81). 41 Vgl. §§ 2 ff. GWB. 42 Vgl. § 22 I I I — V GWB. 43 Vgl. §§15 ff., 25 ff., 28 ff. GWB. 44 Zu dieser vgl. bereits oben B I I 6 , 7. 45 Vgl. oben sub 16. 46 VgL oben 16. 47 Vgl. die Fälle des Strukturkrisen- (§4), Rationalisierungs- (§5), Ausfuhr- (§ 6), Einfuhr- (§ 7) und Sonderkartells (§ 8 GWB). 48 Vgl. hierzu die Nachw. schon oben I N . 24. Hinzukommen die Unterlassungen von Maßnahmen nach §§ H I V , V, 12 GWB. 49 Vgl. hier die in N. 42, 43 genannten gesetzlichen Beispiele. 89
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
regelmäßig nicht nur den (parallelen) Mitbewerber, sondern auch den (vorgeschalteten) Lieferanten oder (nachgeschalteten) Kunden: a) I m Kartellrecht i m engeren Sinne wirken — zumindest potentiell — fast sämtliche Kartellverträge durch die i n ihnen beschlossene Vereinheitlichung des marktmäßigen Verhaltens gegen alle Konkurrenten: das Konditionskartell durch die Aufstellung gemeinsamer Zahlungs- oder Leistungsbedingungen, das Preiskartell durch die gemeinsame Preisbildung i n Einkauf und Verkauf, das Kalkulationskartell durch die Festlegung gemeinsamer Preisfaktoren, das Gebiets- und Kontingentierungskartell durch die gegenseitige Abgrenzung von Gebiets- und Marktanteilen, das Diskriminierungs- und Boykottkartell durch die gemeinsame Bekämpfung dritter Mitbewerber, das Syndikat durch die Bildung gemeinsamer Beschaffungs- und Absatzeinrichtungen, das Submissionskartell durch die gemeinsame Abstimmung von Angeboten, das Auftragskartell durch die gemeinsame Verteilung von Aufträgen, das Kundenschutzkartell durch die gemeinsame Abgrenzung der gegenseitigen Abnehmerkreise, das Produktionsquotenkartell durch die gemeinsame Abstimmung der gegenseitigen Herstellungsanteile, das Betriebseinschränkungskartell durch die gegenseitige Begrenzung von betrieblichem Bestand und betrieblicher Ausweitung, das Rabattkartell durch die gemeinsame Gewährung bestimmter einheitlicher Rabatte bei der Lieferung von Waren, das Einfuhrkartell durch die gemeinsame Organisation des Imports ausländischer Waren, das Ausfuhrkartell durch die gemeinsame Organisation des Exports inländischer Waren in das Ausland, das Rationalisierungs- und Spezialisierungskartell schließlich — soweit sie nicht schon durch die vorstehenden Vertragsformen erfaßt werden — durch die rationalisierende Einführung gemeinsamer Normen und Typen bzw. die spezialisierende Einigung auf besondere Herstellungs- und Leistungsinhalte. Etwas andere Maßstäbe gelten für das Strukturkrisen- und Sonderkartell. Denn sie lassen sich, zumindest teilweise, nicht in das vorausgesetzte System eines funktionierenden Wettbewerbs einordnen 50 . b) Der Mißbrauch von marktbeherrschenden Unternehmensstellungen kann sich nach § 22 I I I GWB gegen jeden Konkurrenten, d. h. gegen Wettbewerber jeder Wirtschaftsstufe, richten 51 . c) Unter den sonstigen Wettbewerbsbeschränkungen können zunächst Preis- und Konditionsvereinbarungen i m Sinne des § 15 GWB, die unterlassene Aufhebung von vertikalen Preisbindungen nach § 17 GWB sowie vor allem die sonstig freiheitsbeschränkenden Verträge i m Sinne 50 51
Vgl. hierzu schon vorstehend N. 40. Vgl. einprägsam hierzu BKartA, DB 68, 79 („Handpreisauszeichner").
I I . Typische Formen wettbewerbsbezogener Drittbetroffenheit
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des § 18 GWB 5 2 i n jeder Richtung konkurrenzbelastend sein. Das gleiche gilt für wettbewerbsbeschränkende Handlungen i m Sinne des § 25 GWB, diskriminierende bzw. liefer- und bezugssperrende Handlungen i m Sinne des § 26 GWB sowie für die Ablehnung der Aufnahme i n W i r t schafts- und Berufsvereine nach § 27 GWB. Das gleiche gilt schließlich für die Aufstellung von Wettbewerbsregeln nach §28 GWB; auch ihre Eintragung oder unterlassene Löschung kann den Wettbewerb gegenüber Konkurrenten jeder Wirtschaftsstufe beschränken. d) I m Kartellrecht i m engeren Sinne hat sich die Rechtsprechung bisher namentlich m i t Klagen von Konkurrenten zu befassen gehabt, die sich gegen die Nichterhebung des aufsichtsrechtlichen Widerspruchs gegenüber der Vereinbarung von Rabattkartellen (§ 3 I I I GWB) richteten 5 8 ' 5 4 . I m Recht der marktbeherrschenden Unternehmen hatte der B G H i n seiner Entscheidung vom 14.11. 68 55 über das Begehren eines Konkurrenten zu befinden, das die amtliche Einleitung eines Mißbrauchsverfahrens nach § 22 I V GWB verlangte. Der B G H verneinte hier ein entsprechendes (subjektives) Recht des Konkurrenten 5 6 ; auf die hierfür gegebene Begründung w i r d i m folgenden noch ausführlich einzugehen sein 57 . I m Recht der sonstigen Wettbewerbsbeschränkungen hatte der B G H i n der eben genannten Entscheidung 58 zugleich die Frage zu entschei52
Vgl. instruktiv hier etwa die Fallstellung in der E. des BKartA, BB 68, 723 („Aral"). 55 Vgl. B G H Z 41, 61 ff. = B G H WuW/E559; BGHZ43, 307ff.; K G WuW/E OLG 540. 54 Den bisher wohl interessantesten und bedeutsamsten Fall bildet die vor dem EuGH seit dem 15.12.69 anhängige, durch die Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 21.1.70 (AB1.EG vom 6. 2. 70 — L 29/30 ff.) aber wohl überholte Klage der Fa. Hake & Co. gegen die Kommission auf Einschreiten gegen den Schrottausschuß der deutschen Stahlindustrie (Rechtssache 75/69 — AB1.EG Nr. C 13/12 vom 3. 2. 70): Der seit Juli 1959 bestehende Schrottausschuß bildete insbesondere ein Quoten- und Preiskartell des Inhalts, daß ein Schrottverteilungssystem mit festgesetzten Bezugsquoten, Ankaufpreisen und einheitlichen Frachtbasen für die beteiligten Stahlunternehmen einschließlich deren Verpflichtung eingeführt wurde, mindestens 70 % ihrer Bestellungen über ihre Konzernhandelsgesellschaften abzuwickeln. Gegenüber diesen Wettbewerbsbeschränkungen blieb den freien (nicht konzerngebundenen) Schrotthändlern kaum eine ernsthafte Erwerbschance, es sei denn, sie begnügten sich mit der Rolle von Zulieferbetrieben der Konzernhandelsgesellschaften. Diese seit 1959 bestehende Kartellbildung untersagte die Kommission nach Art. 65 EGKSV unter Festsetzung entsprechender Bußgelder erst in ihrer Entscheidung vom 21.1.70. Sollte hierzu erst die bezeichnete Klage vom 15.12. 69 Anlaß gewesen sein? 55 Vgl. B G H Z 51, 61 ff. = DB 69, 389. 56 Vgl. B G H Z 51, 66 ff. 57 Vgl. sub I I I 4, 5 und V 2 ff. 58 Vgl. B G H Z 51, 67 f.
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den, ob dem von einem diskriminierenden Verhalten i m Sinne des § 26 I I GWB betroffenen Konkurrenten ein Recht auf Einschreiten der Kartellaufsicht gegen das diskriminierende Unternehmen zusteht; auch diese Frage verneinte der BGH 59 » 60 . Das gleiche tat der B G H i n einer früheren Entscheidung zu § 27 GWB 6 1 ; er lehnte das Recht des von einem Wirtschaftsverein nicht aufgenommenen Konkurrenten auf Gewährung aufsichtsrechtlichen Schutzes ab 62 . I n zwei Entscheidungen hatte sich der B G H schließlich m i t der Frage auseinanderzusetzen, ob der Eintragung von preisgestaltenden Wettbewerbsregeln ein subjektives Recht des betroffenen Konkurrenten auf Ablehnung der Eintragung zusteht (§§ 28 ff. GWB) 6 8 ; auch einem solchen Recht versagte sich der BGH 6 4 . e) Die wirtschaftlich bedeutsamsten Fallkonstellationen entwickeln das Kartellrecht i m engeren Sinne, das Recht der marktbeherrschenden Unternehmen sowie die vertraglichen Beschränkungen i m Sinne des §18 GWB. A u f die spezifischen Problemlagen dieser Rechtsbereiche sollen sich die folgenden Betrachtungen konzentrieren. Aus diesem Grunde sei die jeweilige Problemstellung noch anhand eines — i m späteren jeweils weiter zu verfolgenden — Beispiels verdeutlicht: (1) Für den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Unternehmensstellung kann an den vom B G H in seiner Entscheidimg vom 14.11. 68 65 entschiedenen Fall angeknüpft werden 6 6 : Der B G H hatte hier über die Untätigkeitsbeschwerde eines Charter- und Taxiflugunternehmens zu befinden, dem ein Flughafenunternehmen die Werbung und den Flugscheinverkauf auf dem Flughafengelände untersagt hatte. Die Beschwerdeführerin sah in diesem Verhalten den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und begehrte daher die Einleitung des Mißbrauchsverfahrens nach § 22 I I I , I V GWB. (2) Für den Bereich des Kartellrechts i m engeren Sinne 67 sei — in Anlehnimg an die Flugcharterreiseverkehrsentscheidung des Bundeskartellamts vom 4.2. 66 68 — zunächst an den Fall gedacht, daß ein Charterflugunternehmen die von ihm betriebenen Flüge an die Veranstalter von Gesellschaftsreisen veräußert und diese sich zu einem Preis- oder Rabatt-, 59
VgL auch hierzu noch i m folgenden sub I I I 4, 5 u. V 2 ff. Zu § 25 I I GWB vgl. entspr. BGH, NJW 68, 1723 (1724). Vgl. BGHZ29, 344 ff. 62 Vgl. B G H Z 29, 348 ff. 63 Vgl. BGHZ46, 168ff.; BGH, NJW 68, 1723 ff. 64 Vgl. BGHZ46, 185ff.; BGH, NJW68, 1724. 65 VgL B G H Z 51, 61 ff. 66 Vgl. instruktiv weiterhin die Fallstellung in BKartA, DB 68, 79 („Handpreisauszeichner"). 67 Vgl. eindrucksvoll vor allem hierzu den N. 54 geschilderten Schrottkartellfall aus dem europäischen Kartellrecht. I m Hinblick auf die hier primär nationalrechtliche Problematik sei auf auf diesen Fall jedoch nur ergänzend hingewiesen. 68 Vgl. BKartA WuW/E 1031 ff.; vgl. auch die entsprechenden Fälle in BKartA WuW/E 491 ff. („Gesellschaftsreisen I"), BKartA WuW/E 938 ff. („Gesellschaftsreisen II"). 60
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Rationalisierungs- und Konditionskartell zusammenschließen, um ihre Flugreisen billiger, rationeller und zu einheitlichen Bedingungen beziehen sowie veranstalten zu können. Wirtschaftlich Leidtragender dieses Zusammenschlusses ist das Charterflugunternehmen. Denn es kann seine wettbewerblichen Erwerbschancen jetzt nicht mehr durch die Wahl zwischen verschiedenen Abnehmern seiner Leistungen nutzen. Deshalb begehrt auch dieses Flugunternehmen das Einschreiten der Kartellaufsicht. (3) Gründen schließlich — um bei dieser Branche zu bleiben — zwei von drei marktmäßig etwa gleichstarken Charterflugunternehmen ein Rationalisierungs-, Gebiets-, Kontingentierungs-, Auftrags- oder gar Diskriminierungskartell, so stünde die Wettbewerbsfähigkeit des allein gebliebenen Konkurrenzunternehmens auf dem Spiel. Es wird daher- ebenfalls den Schutz einer untätig gebliebenen oder gar i m gestattenden Sinne tätig gewordenen Kartellaufsicht verlangen. (4) Hätten sich i m Falle (2) die Veranstalter der Gesellschaftsreisen schließlich nicht zum Kartell zusammengeschlossen, sondern lediglich vereinbart, daß zumindest einer von ihnen einem bestimmten Charterflugunternehmen keine Flüge mehr abnimmt, so läge eine vertragliche Wettbewerbsbeschränkung i m Sinne des § 18 S. 1 Nr. 2 GWB vor 6 9 . Auch gegenüber dieser würde das Charterflugunternehmen ein aufsichtsrechtliches Vorgehen begehren.
I I I . Objektiver Institutionsschutz und subjektiver Drittschutz 1. Die Tatbestände der Betroffenheit Dritter (Konkurrenten) liegen nach alledem auf der Hand. Trotzdem versagen Rechtsprechung und Lehre dem Dritten regelmäßig ein eigenes Recht auf aufsichtsrechtlichen Schutz. Die Gründe hierfür sind verschiedener Art. Sie liegen ebenso i m Verfahrensrecht 1 wie i m materiellen Aufsichtsrecht. Das letztere hat die Komplexität und Wirkungsvielfalt („Breitenwirkung") seiner modernen Maßnahmen zwar i m tatsächlichen erkannt. Das klassische Verständnis des Aufsichtsbegriffs hat bisher aber noch keine Wege gefunden, sich auch rechtlich auf die veränderten Wirkungsweisen der einzelnen Aufsichtsmaßnahme einzurichten. Der Systemgedanke der individuellen Verhaltenskorrektur und punktuellen Gefahrenabwehr scheint die begrifflichen Wandlungen, die die Wirtschaftsaufsicht m i t der Veränderung ihrer Wirkungen erfahren hat, nicht zu akzeptieren. Und doch muß er dies. Jeder entgegengesetzte Schluß wäre nicht nur rechtlich unzulässig, er wäre auch begrifflich kaum zwingend. Unzulässig wäre er, w e i l die Verweigerung des Rechtsschutzes auch für den „bloß" drittbetroffenen Konkurrenten rechtstaatswidrig wäre 2 . Nicht zwingend wäre er, weil die Prinzipien von individueller Verhaltenskorrektur und 69 1 8
Vgl. anschaulich auch die Fallstellung in BKartA, BB 68, 723 („Aral"). Vgl. hierzu noch sub I V . Vgl. hierzu im Zusammenhang sub D I .
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
punktueller Gefahrenabwehr lediglich verfahrenstechnische Vorstellungen wiedergeben. Vorstellungen dieser A r t spielen jedoch dort keine Rolle, wo es u m den Schutz der materiellen Rechte eines Bürgers geht, der von hoheitlichen Maßnahmen getroffen wird. Maßgebend ist also nicht das begriffliche Systemverständnis der Wirtschaftsauf sieht; maßgebend ist allein die materielle Rechtsstellung des Dritten (Konkurrenten). Sie muß auch die „individúale" oder „einzelfallbezogene" Aufsichtsmaßnahme achten; ihr muß sich auch das Begriffsverständnis der Wirtschaftsaufsicht stellen. I n diesem Sinne konzentriert sich die heutige Problematik des Aufsichtsbegriffs wesentlich auf die Fragen des rechtlichen Schutzes Dritter oder — i n das Verfahrensrecht übersetzt — der Zulässigkeit von Konkurrentenklagen. Der Ausgangspunkt beider Fragestellungen ist identisch. Es geht um die Frage nach der materiellen Berechtigung des Konkurrenten i m Aufsichtsrecht. Dessen Rechtsstellung muß nämlich, u m i h m einen Schutzanspruch zu geben, subjektiv-rechtlicher A r t sein. Eben solche Rechte leugnet jedoch das klassische Aufsichtsverständnis. Die Wirtschaftsaufsicht soll, wie gezeigt 3 , nur objektiven Schutzgütern verpflichtet sein; sie soll nur das öffentliche und nicht das private Interesse an der konkret geschützten Wirtschaftsfunktion verfolgen. M i t dieser Maßgabe werden subjektive öffentliche Rechte drittbetroffener Konkurrenten auf Gewährung aufsichtsrechtlichen Schutzes zumindest i m Kartellrecht regelmäßig verneint. 2. I m Kartellrecht w i r d die „Institution Wettbewerb" als objektivrechtliches und nur i m öffentlichen Interesse zu sicherndes Rechtsgut postuliert 4 . Der Wettbewerb soll also nicht zugunsten des einzelnen privaten Wettbewerbers, sondern allein zugunsten der „Allgemeinheit" geschützt sein 5 . Dieser Schutz erfülle sich zudem, wie es heißt, nach den Grundsätzen des Opportunitätsprinzips, das die Entscheidung über ein amtliches Eingreifen ausschließlich i n die Hand der Wirtschaftsaufsicht selbst lege 6 . Eine Eingreifenspflicht zugunsten des von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffenen Konkurrenten sei deshalb grundsätzlich ausgeschlossen. Hier helfe i h m nur das Privatrecht. Denn das Eingreifen der Wirtschaftsaufsicht erfolge unbeschadet aller privaten Wirtschaftsrechte 7 . Der Konkurrent könne und müsse sich also mit den 3
Vgl. sub B I . Vgl. die Nachw. oben B I N . 2. 5 Vgl. gerade im Hinblick auf die hiesige Fragestellung B G H Z 29, 344 (348f.); 51, 61 (68f.); Leo, WuW59, 485 (487ff.); Benisch, Gemeinschaftskommentar, § 35 Rdnr. 1. 6 Vgl. B G H Z 51, 67. 7 Zu diesem verwaltungsrechtlichen Grundsatz vgl. bes. Bettermann, NJW 61, 1097. Als Beispiel vgl. bes. deutlich die Bestimmungen der §§ 17 I I 2, 19 I GewO. Daß dieser Grundsatz andererseits nicht uneingeschränkt gilt, belegt § 26 GewO. 4
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Ansprüchen des bürgerlichen Rechts gegen die belastenden Wettbewerbsbeschränkungen wehren. Sein Gegner sei nicht die Wirtschaftsaufsicht, sondern der private, aufsichtsrechtlich begünstigte M i t bewerber 8 . Zu diesem Zweck stellt das GWB dem Konkurrenten i n der Tat den dem § 823 I I BGB nachgebildeten Schadensersatzanspruch aus § 35 GWB zur Verfügung 9 . Hiernach ist derjenige Wettbewerber zum Schadensersatz oder — über den quasinegatorischen Unterlassungsanspruch 10 — zur Unterlassung von Wettbewerbsbeschränkungen verpflichtet, der schuldhaft gegen eine Vorschrift des GWB oder gegen eine Verfügung der Kartellaufsicht verstößt, die „den Schutz eines anderen bezweckt". M i t dieser Regelung erschließt sich das GWB ausdrücklich auch dem privaten Interesse des drittbetroffenen Konkurrenten. Dieser Umstand w i r d indessen nur wenig beachtet. Die Praxis sucht die Bestimmung des § 35 GWB möglichst einzuengen 11 — erscheint diese doch als fast systemwidrige Ausnahme: Wenn das GWB nur die objektiv-rechtliche „ I n stitution Wettbewerb" bzw. das öffentliche Interesse an deren Erhaltung schütze, so können die Einzeltatbestände des GWB doch — zumindest grundsätzlich — keine Schutzgesetze für den Privaten enthalten. I n diesem Sinne n i m m t die ganz herrschende Meinung vor allem das allgemeine Kartellverbot des § 1 GWB 1 2 , das Verbot des Mißbrauchs marktbeherrschender Unternehmensstellungen nach § 22 I I I GWB 1 8 so8
Vgl. bes. B G H Z 29, 344 (348 ff.); 51, 61 (67 ff.). Vgl. näher zu § 35 G W B und dessen Verhältnis zu § 823 I I BGB besonders Mailänder, Privatrechtliche Folgen, S. 130ff., 163ff.; Koch, Schadensersatz, S. 13 ff.; Leo, W u W 59, 485ff.; Benisch, Gemeinschaftskommentar, §35 Rdnr. 1 ff. 10 Vgl. zu §35 GWB hier B G H Z 28, 208 (222); 29, 344 (351); 51, 67; Benisch, a.a.O., Rdnr. 12; vgl. entspr. auch die Spezialregelung des §35 I I GWB für verbandsmäßig geltend gemachte Ansprüche (zum inneren Zusammenhang der Ansprüche aus § 35 I I G W B und § 1004 BGB vgl. B G H Z 28, 222). 11 Vgl. ausdrücklich etwa die Forderung Leos, W u W 59, 487. t2 Vgl. u.a. Ballerstedt, JZ56, 267 (271); Leo, WuW59, 488ff.; Frankfurter Kommentar, § 3 5 T z 14 ff.; Benisch, a.a.O., Rdnr. 5; Müller-Gries-Giessler, GWB, §35 Rdnr. 6 — a. A. vor allem Lukes, Kartellvertrag, S. 184 ff.; auch Fikentscher, BB 56, 793 (795); zur BritMilRegVO Nr. 78 vgl. übrigens entspr. B G H Z 13, 33 (41); zu § 1 i. V. m. § 3 8 1 Nr. 1 GWB offen lassend aber BGH, NJW 68, 1723 (1724), wenngleich praktisch verneinend: Der B G H erklärt nämlich zu § 35 GWB dann recht apodiktisch, die Dritten hätten jedenfalls „nicht darlegen können, inwiefern i h n e n . . . im Wettbewerb überhaupt ein Schaden entstehen könne" (!). Den Schutzgesetzcharakter für die Verbindung von § 1 mit § 381 Nr. 1 GWB bejahen indessen Koch, Schadensersatz, S. 14; Mailänder, WuW 65, 657 (663 f., 671); Müller-Gries-Giessler, GWB, § 35 Rdnr. 7 f. — dagegen aber Würdinger, MDR52, 132; Ballerstedt, JZ 56, 271; Leo, W u W 59, 489; Benisch, WuW 61, 769; ders., Gemeinschaftskommentar, §35 Rdnr. 5; Frankfurter Kommentar, § 35 Tz 9. 13 Vgl.' u.a. B G H Z 51, 66 ff.; Leo, W u W 59, 488 ff.; Frankfurter Kommentar, §35 Tz 37; Benisch, Gemeinschaftskommentar, §35 Rdnr. 7; Müller-Gries9
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wie die beschränkenden Verträge nach § 18 GWB 1 4 aus dem Anwendungsbereich des § 35 GWB aus. Einhellig haben Rechtsprechung und Lehre den Schutzrechtscharakter bisher nur für die Regelungen der §§ 25 15 , 26 GWB 1 6 anerkannt 17 » 18 . Diesem Bemühen u m eine möglichst intensive Einschränkung des § 35 GWB liegt indessen ein offenkundiger Zirkelschluß zugrunde. Wenn das GWB nämlich die Möglichkeit des privaten Schutzcharakters seiner Regelungen ausdrücklich anerkennt, so kann nicht das Gegenteil die Regel sein. Die Option des § 35 GWB für das private Konkurrentenrecht läßt sich nicht unter Berufung auf die angeblich nur öffentliche oder objektiv-rechtliche Schutzintention des GWB als solcher unterlaufen oder gar ins Gegenteil verkehren. Dieser Zirkelschluß vertieft sich noch über das Institut des Schadensersatzes sowie durch das Mißverständnis einer angeblich mangelnden Präklusion privater W i r t schaftsrechte. Hierauf w i r d jedoch erst später zurückzukommen sein 19 . 3. Eine ganz andere Orientierung bekundet dagegen das Kartellrecht der Europäischen Gemeinschaften. Obwohl die Vorschriften der A r t . 85, 86 EWGV, 65 ff. EGKSV m i t den Tatbeständen des GWB i m wesentlichen bzw. i m hier interessierenden Rahmen übereinstimmen, folgen sie doch einem Schutzgutverständnis, das sich viel unbefangener und ungleich weniger ambitioniert gibt. Das europäische Kartellrecht verfolgt zwar auch ein prinzipiell objektives Schutzgut; insoweit gilt nichts anderes als für das GWB. Das europäische Kartellrecht macht jedoch nicht den Fehler, dieses objektive (Institutions-)Moment zur einseitig-objektiv-rechtlichen oder -öffentlichen Ordnungsentscheidung zu Giessler, GWB, §35Rdnr. 16 — a.A. vor allem Mestmäcker, DB 68, 787 ff.; 835 ff. (836); ders., Mißbrauch, S. 19 f. 14 Benisch, Gemeinschaftskommentar, §35 Rdnr. 7 (vgl. aber dens., W u W 61, 764/767 ff.); Frankfurter Kommentar, §35 Tz 33; Müller-Gries-Giessler, GWB, §35 Rdnr. 14; Leo, WuW59, 488ff. — a.A. aber Biedenkopf, Wettbewerbsbeschränkung, S. 217 ff.; vgl. auch die Begründung zur Neufassung des § 18 i m Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des GWB (BWMin I B 5 — 221353 — 20. 3. 70). 15 Vgl. BGH, NJW68, 1723 (1724); B G H Z 4 4 , 279 (281 ff.); O L G Hamburg, BB 60, 607; Benisch, W u W 61, 767; ders., Gemeinschaftskommentar, §35 Rdnr. 3; Leo, WuW59, 488 ff.; Sandrock, JurA (WirtschaftsRI) 70, 48 (65ff.). 16 Vgl. BGHZ36, 91 (99 f.); 44, 285; 49, 90 (98 f.); 51, 67 f.; BGH, DB 68, 126; wohl auch BGHZ37, 160 (163); vgl. entspr. weiterhin Leo, W u W 59, 488 ff.; Benisch, W u W 61, 767; ders., Gemeinschaftskommentar, §35 Rdnr. 3. 17 Vgl. für § 27 G W B auch B G H Z 29, 344 (350 ff.) sowie wohl ebenso B G H Z 37, 160 (163) — a. A. aber z.B. Leo, a.a.O.; Frankfurter Kommentar, §35 Tz 41 f. 18 Vgl. für §§ 15/38 I I 2 GWB auch B G H Z 28, 208 (210 ff.); Müller-GriesGiessler, GWB, §35 Rdnr. 13 — a.A. Leo, a.a.O.; Frankfurter Kommentar, § 35 Tz 29 ff. 10 Vgl. i m folgenden s u b C V 4 .
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überhöhen 20 . Es sucht den objektiven Institutionsschutz i m Gegenteil sehr viel pragmatischer, d. h. prinzipiell nur aus der Realität bzw. aus der Erkenntnis des realen Wettbewerbs heraus, zu gewährleisten. Aus diesem Grunde bezieht sich das europaische Kartellrecht auch ausdrücklich auf den „Schutz der Interessen von Konkurrenzunternehmen und Dritten" (Art. 66 § 5 I I I EGKSV). Es verschließt sich dem subjektiven Konkurrentenrecht nicht, obwohl i h m sogar eine Bestimmung nach A r t des § 35 GWB unbekannt ist 2 1 . Dies zeigt sich insbesondere an der Ausgestaltung von Antragsrecht und Rechtsschutz: Nach A r t . 3 I I lit. b EWG-KartVO (VO 17) sind i m Verfahren nach A r t . 85, 86 EWGV alle „Personen oder Personenvereinigungen antragsberechtigt, die ein berechtigtes Interesse darlegen" 22 . Nach A r t . 66 § 5 I I S. 2 EGKSV ist „jeder unmittelbar Beteiligte" klagebefugt 28 . Nach A r t . 173 I I EWGV ist schließlich „jede natürliche oder juristische Person" befugt, gegen Entscheidungen die Nichtigkeitsklage zu erheben, „die sie immittelbar und individuell betreffen" 24 . Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen hat man zu Recht auf die allgemeine Zulässigkeit von Klagen des drittbetroffenen Konkurrenten gegen die Europäische Kommission geschlossen25. Der Konkurrent, der von kartellrechtlichen Maßnahmen oder Unterlassungen der Kommission „unmittelbar und individuell" betroffen wird 2 6 , ist ebenso zur Erhebung der Nichtigkeitsklage (Art. 173 20 Grundlegend für diese, das Recht der Europäischen Gemeinschaften allgemein auszeichnende Haltung ist das „Erste Tariefcommissie"-Urteil des EuGH, demzufolge sogar die zoll- und abgabenrechtlichen Regelungen des Art. 12 E W G V subjektive Individualrechte erzeugen (vgl. NJW 63, 974 [976]). Die richtunggebende Bedeutung dieses Urteils auch für das Kartellrecht hat namentlich Steindorff aufgezeigt (vgl. Rechtsschutz, S. 34; A W D 6 3 , 353 [361]; vgl. dazu weiterführend auch Zuleeg, Recht, S. 174 ff.). Eine gewisse Parallele zu dieser Entscheidung findet sich übrigens in B G H Z 45, 83 ff., indem der B G H in diesem, auffallend unbeachtet gebliebenen, U r teil die Möglichkeit anerkannte, daß die Aufhebung oder Senkimg eines konkurrenzsichernden Schutzzolles dem betroffenen inländischen Konkurrenzunternehmen gegenüber eine Enteignung bewirken kann. 21 Zur Frage, ob insoweit § 823 I I BGB ergänzend eingreift, vgl. bes. Koch, Schadensersatz, S. 25ff.; zur Vorsicht mahnend vgl. aber auch Steindorff, A W D 63, 358. 22 Zur Bedeutung dieser Bestimmung als Grundlage eines entsprechenden Klagerechts vgl. maßgebend Steindorff, A W D 63, 355ff.; ders., Rechtsschutz, S. 93; im Anschl. vgl. Roemer, in: De individuele Rechtsbescherming in de Europese Gemeenschappen, S. 33 (45f.); Weidinger, Rechtsschutz, S. 109 ff. 23 Zur allgemeinen (rechtsstaatlichen) Verbindlichkeit dieser Regelung vgl. Steindorff, Nichtigkeitsklage, S. 50 ff., zu ihren gerade für den vorliegenden Zusammenhang maßgebenden Inhalten S. 26 ff. 24 Vgl. näher hierzu Steindorff, A W D 63, 354 f.; ders., in: De individuele Rechtsbescherming in de Europese Gemeenschappen, S. 50 (58 f.); Weidinger, a.a.O., S. 13 ff. 25 VgL bes. Steindorff, A W D 63, 354 ff.; ders., Rechtsschutz, S. 34; ders., in: Rechtsbescherming, S. 58 f.; Roemer, a.a.O.; Weidinger, a.a.O., S. 10 ff., 109 ff.; 26 Vgl. ausführlich hierzu Weidinger, a.a.O., S. 13 ff., 84ff.; Steindorff, A W D 63, 358 f.
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EWGV) 2 7 wie zur Erhebung der Untätigkeitsklage (Art. 175 I I I EWGV) berechtigt 28 . 4. Die entgegengesetzte Argumentation der herrschenden Meinung i m nationalen Kartellrecht w i r d beispielhaft von der Rechtsprechung des B G H vertreten: Schon i n seiner Entscheidung vom 25. 2. Ö929 verneinte der B G H für die Regelung des § 27 GWB einen öffentlich-rechtlichen Schutz subjektiver Konkurrentenrechte. Das Einschreiten der Kartellaufsicht diene „der Wahrung des öffentlichen Interesses, nicht aber der Durchsetzung privatrechtlicher Belange" 30 . Die Begründung dieses Satzes schien dem B G H jedoch noch recht schwerzufallen. Er nahm aus diesem Grunde zu wesentlich rechtspolitischen Erwägungen Zuflucht. So hieß es einmal, „es wäre auch ungewöhnlich, für die Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche eine Verwaltungsbehörde einzuschalten, und überdies auch unpraktisch" wegen der damit verbundenen Aufspaltung des kartellrechtlichen Konkurrentenschutzes i n öffentlich- und privatrechtliche A n sprüche 31 ; zum anderen hieß es, „daß es nicht dem Grundgedanken des Kartellgesetzes entspricht, die Privatinitiative des betroffenen Unternehmens bei der Geltendmachung von Ansprüchen einzuschränken und die Kartellbehörde gewissermaßen monopolistisch m i t Aufgaben zu betrauen, die der Einzelne zur Wahrung seines eigenen Interesses auch selbst wahrnehmen kann" 3 2 . Die Fragwürdigkeit dieser Begründungen liegt nicht nur i n ihrer juristischen Indifferenz. Sie liegt vor allem in der unkritischen Übernahme eines Aufsichtsverständnisses, das nur zu Zeiten der bürgerlichliberalen „Privatrechtsgesellschaft" gültig war 3 3 , heute jedoch — gerade wegen der Abhängigkeit auch des konkurrierenden Wirtschaftssubjekts von der Tätigkeit der Wirtschaftsaufsicht — keine Gültigkeit mehr beanspruchen darf 3 4 . I n seiner Entscheidung vom 14.11. 68 („Flughafen") 3 5 verfestigte der B G H ungeachtet dessen seine Erkenntnisse vom 25. 2. 59 zum vermeintlich gesicherten Rechtsmaßstab: Ein aufsichtsrechtliches Mißbrauchsverfahren nach § 22 GWB sei allein nach Maßgabe des Opportunitäts27 Vgl. bes. Steindorff, A W D 63, 354 ff.; ders., in: Reditsbescherming, S. 58 f.; Weidinger, a.a.O., S. 10 ff. 28 Zur Zulässigkeit der Untätigkeitsklage vgl. hier Steindorff, A W D 63, 355 ff.; ders., Rechtsschutz, S. 34; Roemer, a.a.O.; Weidinger, a.a.O., S. 109 ff. 29 B G H Z 29, 344 ff. 30 Vgl. B G H Z 29, 348. 31 Vgl. B G H Z 29, 348 f. 32 Vgl. B G H Z 29, 349. 33 Vgl. oben sub B 1 3 , C 1 1 . 34 Vgl. oben C H . 35 Vgl. B G H Z 51, 61 ff. und Fall (1) oben sub C I I 4 e.
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prinzips durchzuführen. Daraus allein lasse sich „kein subjektives öffentliches Recht eines Dritten, der von dem i n Absatz 3 bestimmten Tatbestand betroffen wird, ableiten" 8 6 . Das beschwerdeführende Charterund Taxiflugunternehmen könne gegen das Flughafenunternehmen gemäß §§ 35, 26 I I GWB „ i m Wege der zivilrechtlichen Unterlassungsklage" vorgehen; es sei folglich nicht „auf die Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde angewiesen" 87 . Nach dieser, wiederum mehr ins Tatsächliche als Rechtliche weisenden Feststellung fuhr der B G H kategorisch und i n recht eigenwilliger Interpretation des Meinungsstandes 88 fort: „Deckt sich ein zivilrechtlicher Klageanspruch, der auf die Abwehr rechtswidrigen Verhaltens eines Unternehmens gerichtet ist, nach seinen Voraussetzungen und seinem Inhalt m i t den Voraussetzungen und dem Inhalt einer i m Verwaltungsverfahren vorgesehenen Maßnahme, so ist i n der Regel ein Anspruch auf Durchführung einer solchen Maßnahme ausgeschlossen89." 5. Der B G H beschränkt den i n seinen Wettbewerbschancen getroffenen Konkurrenten demnach ebenso i n seinen öffentlich-rechtlichen wie i n seinen privatrechtlichen Schutzmöglichkeiten. I m öffentlichen Kartellrecht w i r d er auf seine privaten Rechte, insbesondere auf die aus § 35 GWB, verwiesen. I m privaten Kartellrecht w i r d wiederum der öffentliche oder objektiv-rechtliche Charakter der Tatbestände des GWB betont; das private Interesse des Konkurrenten an der Erhaltung seiner freien Wettbewerbslage soll gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der „Institution Wettbewerb" grundsätzlich keine Rolle spielen 40 . Hieran soll schließlich die Tatsache nichts ändern, daß das Kartellrecht auch der Sicherung der privaten Wirtschaftsfreiheit zu dienen bestimmt ist; es soll weiterhin belanglos sein, daß das GWB durchgehend, sei es direkt oder indirekt, auf die Position des (potentiell) drittbetroffenen Konkurrenten abstellt und diesen damit tatsächlich begünstigt. 36
B G H Z 51, 67. B G H Z 51, 67. Der B G H berief sich hier (S. 67 f.) einmal auf seine eigene E. vom 25.2. 1959 („BGHZ 29, 344, 348") und zum anderen auf die „verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung". Für diese führte er zunächst diejenige, ausgeprägte Rechtsprechung des BVerwG nicht an, die eine Subsidiarität der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage gegenüber privatrechtlichen Ansprüchen nicht anerkennt (vgl. BVerwGE 11, 95 [96ff.]; 22, 129 [130f.]). Der B G H führte nur folgende, seine These nicht oder allenfalls nur sehr begrenzt tragenden U r teile an: „OVG Lüneburg, DVB160, 648", „OVG Münster, DVB167, 546". Entsprechend verfuhr der B G H mit der Lehre. Die von ihm angeführten Stimmen „Peters, DVB168, 547, 548 f." (gemeint ist tatsächlich: DÖV 68, 547, 548 f.) und „Bachof, DVB161, 128 ff." geben zumindest keinen unangefochtenen Meinungsstand wieder. Zur Kritik an dieser Zitierweise des B G H vgl. auch schon Lipps, WRP 69, 368 f. 39 B G H Z 51, 67. 40 Vgl. ausdrücklich z. B. BGH, NJW 68, 1724. 87
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Indirekt geschieht dies dort, wo sich ein Tatbestand gegen die Beeinträchtigung „des Wettbewerbs" oder „Marktes" wendet 41 . Denn „Wettbewerb" und „ M a r k t " sind ja keine objektiven (normativen) Begriffsgrößen 42 . Ihre tatbestandliche Berücksichtigung dient dem Gesetz nur als Orientierungshilfe bzw. Orientierungsmerkmal für die allgemeine Drittbezogenheit von Wettbewerbsbeschränkung, Kartell usw. 48 . Tatbestände wie das allgemeine Kartellverbot aus § 1 GWB lassen sich also gar nicht anders als i n der tatsächlichen Begünstigung des vom verbotenen K a r t e l l betroffenen Konkurrenten begreifen. Direkt findet sich die Begünstigung i n denjenigen Tatbeständen ausgesprochen, die die Position des Dritten nicht nur mittelbar, d. h. durch die Orientierungsmerkmale „Wettbewerb" und „ M a r k t " , sondern unmittelbar berücksichtigen. Die wichtigsten Beispiele hierfür finden sich i n den Tatbeständen der §§ 3 I, I I I Nr. 2, 3, 7 I, 15, 18—21, 25—27 GWB. Zwischen direkter und indirekter Begünstigung stehen die Fälle, i n denen der drittbetroffene Konkurrent verfahrensmäßig an der Verfolgung von Wettbewerbsbeschränkungen beteiligt ist. Dies geschieht vor allem durch die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung des Konkurrenten i m Kartellverfahren 4 4 . Die Grenzen zwischen indirekter und direkter Begünstigung werden hier flüssig. I n der Mehrzahl der Fälle dient die Anhörung des Konkurrenten nur der Ermittlung des von Amts wegen aufzuklärenden Sachverhalts (§ 54 GWB); der Konkurrent t r i t t hier gleichsam i n den Dienst der tatbestandlichen Orientierungsmerkmale „Wettbewerb" und „ M a r k t " 4 5 . Er ist daher nur indirekt begünstigt. I m Falle des § 3 I I I Nr. 3 GWB verdichtet sich das Anhörungsrecht dagegen zur direkten Begünstigung, i n dem die Kartellaufsicht der Begünstigung von Rabattkartellen zu widersprechen hat, sofern „Marktbeteiligte innerhalb eines M o n a t s . . . nachweisen, daß sie durch den (Kartell-)Vertrag oder Beschluß ungerechtfertigt unterschiedlich behandelt werden". Indem die herrschende Lehre diese Formen begünstigender D r i t t bezogenheit nicht beachtet, schließt sie den schon eingangs festgestellten Zirkel endgültig. Denn die Kriterien, die zur Ermittlung von subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechten und subjektiven privaten Schutzrechten i m Sinne des § 35 GWB verwandt werden, stimmen m i t einander überein 4®. Die Theorie vom subjektiven öffentlichen Recht stellt ebenso wie die Theorie vom privaten Schutzrecht auf den Zweck der begünstigenden 41 42 43 44 45 46
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
bes. §§ 11, 5 I I 2, 5 a 11, 61, I I I Nr. 2, 7 I, 81, 22 I I I , 28 I I GWB. oben sub B I I 7. dazu oben sub B I I 7. §§ 2 I I , 3 I I , I I I Nr. 3, 6 I I 3, 30, auch § 5 I 3 GWB. so §§ 2 I I , 3 I I , 513, 6 I I 3, 30 GWB. direkt z. B. BVerwGE 27, 29 (33).
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Norm ab. Als subjektives (öffentliches) Recht gilt jede dem einzelnen zur Befriedigung seiner Interessen eingeräumte Rechts- und Willensmacht 47 . Dem genügt, wie es allgemein heißt, nur diejenige Norm, die den individuellen Schutz des einzelnen ausdrücklich (mit-)bezweckt (-beabsichtigt), diesen also nicht nur zufällig (reflexiv) begünstigt 48 . Als Schutzgesetz i m Sinne des § 35 GWB (§ 823 I I BGB) gilt entsprechend nur diejenige Norm, die den privaten Schutz des einzelnen und nicht nur den der „Allgemeinheit" (mit-)bezweckt und aus diesem Grunde für andere ein bestimmtes Handlungsgebot oder -verbot aufstellt 49 » 50 . Der Rechtsschutz des Konkurrenten stößt demnach jeweils auf die gleiche Schranke. Erhebt der Dritte die öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage, so w i r d er zunächst auf den Weg des privaten Rechtsschutzes verwiesen. Versagt dieser, w e i l es an einem Schutzgesetz i m Sinne des § 35 GWB fehlt, so bleibt i h m auch keine Rückkehr oder Fortsetzung der öffentlich-rechtlichen Klage. Denn hier soll es ja entsprechend am subjektiv-öffentlichen Schutzrecht fehlen. Die mangelnde Beachtung der kartellrechtlichen Konkurrenzbegünstigung w i r d dabei besonders deutlich an den Beispielen der Anhörungsrechte aus § 30 und § 3 I I I Nr. 3 GWB: Zu § 30 erklärt der B G H nur lapidar, daß sich das Recht auf Anhörung „doch jedenfalls i n der A n hörung als solcher erschöpfe" 51 . I m Falle des § 3 I I I Nr. 3 scheint der BGH zwar — gerade gegenüber dem Anhörungsrecht aus § 30 — zur A n erkennung eines gewissen Plus zu neigen 52 . Ungeachtet dessen hat er sich bisher aber nicht zur Anerkennung eines subjektiven öffentlichen Rechts aus § 3 I I I Nr. 3 GWB durchringen können. I n seiner Entschei-' 47 VgL z. B. Enneccerus-Nipperdey, Lehrb. des Bürgerlichen Rechts, Allgem. Teil, l.Halbbd., 15. Aufl. 1959, S.428f.; Henke, Recht, S. 1 f.; Kaspar, Recht, S. 7ff.; P. Hofmann, Subjektives Recht und Wirtschaftsordnung, 1968, S. 3 ff.; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Redite, 2. Aufl. 1905/1963, S. 44; Bachof, Klage, S. 63. 48 Vgl. z.B. BVerfG, DVB170, 270 (271 f.); BVerwGE2, 290 (294); 27, 29 (33); 28, 33 (34 ff.); 28, 131 (133 ff.); 28, 268 (275); BSGE26, 237 (239); Bühler, Rechte, S. 42 ff.; Timmermann, Nachbarschutz, S. 25ff.; Bettermann, NJW61, 1098; Evers, JuS62, 87 (88f.); ders., DVB170, 12 f.; Bachof, DVB161, 128 (130); Schefold, Zum deutschen Verwaltungsrechtsschutz, 1969, S. 47 f.; Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 187 f.; Menger-Erichsen, VerwArch61, 274 (287 ff.); Grundei, NJW70, 833 f.; Siegmund-Schultze, DVB170, 256 (258). 49 VgL B G H Z 13, 33 (41 f.); 22, 293 (297); 36, 91 (99 f.); 40, 306 (307); 44, 279 (281); 51,61(66); BGH, DVB162,102 (104); Mailänder, Privatrechtliche Folgen, S. 163; Leo, W u W 59,488 ff.; Benisch, Gemeinschaftskommentar, §35 Rdnr. 6; Müller-Gries-Giessler, GWB, §35 Rdnr. 3 ff.; Frankfurter Kommentar, §35 Tz 3 ff. 60 Entsprechend wird schließlich auch die Frage nach dem Vorliegen einer Amtspflicht i m Sinne des Art. 34 GG/§ 839 BGB beantwortet (vgl. zu aufsichtsrechtlichen Sachverhalten z.B. BGHZ35, 44 [46ff.]; vgl. abgewogen neuerdings Esser, BB 69, 464 ff.). 51 B G H Z 46, 168 (185 f.). 52 Vgl. B G H Z 46, 186; vgl. auch B G H Z 43, 307 (312).
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
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d u n g v o m 5.12. 63 5 8 s p r i c h t d e r B G H z w a r z u Recht d a v o n , daß sich aus § 3 I I I N r . 3 eine „Verpflichtung d e r K a r t e l l b e h ö r d e z u r E r h e b u n g des W i d e r s p r u c h s gegen d i e A n m e l d u n g des ( R a b a t t - ) K a r t e l l s " ergebe 5 4 . O b d e m aber auch „ e i n gegebenenfalls g e r i c h t l i c h d u r c h s e t z b a r e r A n s p r u c h des M a r k t b e t e i l i g t e n e n t s p r i c h t " , erscheint i h m z w e i f e l h a f t 5 5 . D e r B G H k o n n t e die E n t s c h e i d u n g dieser F r a g e z w a r i m E r g e b n i s offenlassen, da d e r k l a g e n d e D r i t t e h i e r d i e M o n a t s f r i s t des § 3 I I I N r . 3 ü b e r s c h r i t t e n h a t t e 5 6 . A n d e r e r s e i t s w ä r e d a m i t aber n o c h e i n s u b j e k t i v e s Recht des D r i t t e n a u f E i n s c h a l t u n g d e r K a r t e l l a u f s i c h t aus § 3 I I I N r . 1 i n V e r b i n d u n g m i t § 3 I G W B i n Betracht gekommen57. I n Angesicht dieser M ö g l i c h k e i t z i e h t sich der B G H j e d o c h rasch w i e d e r a u f die u r sprüngliche, ablehnende A r g u m e n t a t i o n zurück: „Die Einräumung eines aus § 3 Abs. 3 G W B etwa herzuleitenden Antragsrechts auch für Dritte würde zu einer mit verfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbaren Rechtsunsicherheit führen. Eine in dieser Hinsicht strenge Auslegung dieser Vorschrift kann um so mehr in Kauf genommen werden, als für einen Marktbeteiligten, wenn er wirklich diskriminiert ist, ja immer noch die Möglichkeit in Betracht kommt, gegen das diskriminierende Kartell nach § 26 Abs. 2 GWB zivilprozessual vorzugehen 58» 5 9 > 6 0 . " 6. W e n d e t m a n diese G r u n d s ä t z e a u f die o b i g e n B e i s p i e l s f ä l l e 6 1 an, so m ü ß t e n f ü r a l l e F ä l l e ö f f e n t l i c h - w i e p r i v a t r e c h t l i c h e K o n k u r r e n t e n ansprüche v e r n e i n t w e r d e n : I m F a l l e (1) w ä r e die s u b j e k t i v - r e c h t l i c h e Q u a l i t ä t des § 22 G W B z u v e r n e i n e n ; i n d e n i m e n g e r e n S i n n e k a r t e l l 58
BGHZ41, 61 ff. Vgl. B G H Z 41, 67. Vgl. B G H Z 41, 67. 56 VgL B G H Z 41, 68; entspr. K G W u W / E OLG 540 ff. 57 Vgl. B G H Z 41, 68. 58 Vgl. B G H Z 41, 68. 59 Vgl. dagegen wohl i m Sinne eines subjektiven Antragsrechts aus § 3 I I I Nr. 3 GWB das vorinstanzliche Urteil des K G vom 8.2.63 (WuW/E OLG 540 ff.). 60 Besonders problematisch wird diese Rechtsprechung noch durch den U m stand, daß der B G H gegen den unterlassenen Widerspruch der Kartellaufsicht aus §3 I I I GWB keine Anfechtungsbeschwerde nach § 6 2 1 GWB mangels anfechtbarer „Verfügung" (im Sinne des § 59 a. F. GWB) zuläßt und den rechtzeitig nach § 3 I I I Nr. 3 GWB Vorgehenden auf die Untätigkeitsbeschwerde nach § 62 I I I G W B verweist (vgl. B G H Z 43,310 ff.; entspr. K G WuW/E O L G 540ff.; selbst gegen die Möglichkeit der Verpflichtungsbeschwerde vgl. Junge, Gemeinschaftskommentar, §57 Rdnr. 2). Obwohl diese Qualifizierung des Nicht-Widerspruchs trotz dessen konkludenter Genehmigungswirkimg zutrifft (Schweigen ist kein Verwaltungsakt — a. A. hier aber Zweigert, Gemeinschaftskommentar, § 62 Rdnr. 8), führt dieses Ergebnis doch zum völligen Ausschluß eines öffentlich-rechtlichen Konkurrentenschutzes. Denn die Untätigkeitsbeschwerde verlangt nach § 62 I I I 1 GWB — im Gegensatz zur Anfechtungsbeschwerde — ein subjektives öffentliches Recht auf Vornahme der beantragten Verfügung (vgl. B G H Z 51, 61 [63]; zu § 62 I I I GWB vgl. zuletzt bes. Bettermann, Bötticher-Festschrift, S. 13 [20f.]; zum Ganzen vgl. noch eingehend unten C I V 2 ) . 61 Vgl. oben sub C I I 4 e. 54
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rechtlichen Beispielen (2) und (3) würde das gleiche für die Tatbestände der §§ 1 ff. GWB gelten; i m Falle (4) wäre ein subjektives Recht schließlich für den von der Wettbewerbsbeschränkung nach § 18 GWB betroffenen Konkurrenten abzulehnen 62 . 7. Sehr viel aufgeschlossener als die Kartellrechtsprechung steht die Verwaltungsgerichtsbarkeit dem subjektiven Schutzrecht des Konkurrenten gegenüber. Die Gründe hierfür sind verschieden. Entscheidend dürfte aber vor allem die Tatsache sein, daß die Verwaltungsgerichte bei der Entscheidung aufsichtsrechtlicher Konkurrentenklagen bereits auf entsprechende Erfahrungen aus einem dogmatisch verwandten Rechtsgebiet zurückgreifen konnten. Dieses Rechtsgebiet findet sich in der Bauaufsicht M i t der heute wohl allgemeinen Anerkennung der baurechtlichen Nachbarklage 68 hat man ein der wirtschaftsrechtlichen Konkurrentenklage wesentlich analoges Rechtsinstitut entwickelt. Indem man dem drittbetroffenen Nachbarn eines von der Bauaufsicht begünstigten Bauherrn ein subjektives öffentliches Recht auf Gewährung aufsichtsrechtlichen Schutzes zusprach, hat man eben das zugelassen, was der drittbetroffene Konkurrent von der Wirtschaftsaufsicht begehrt. Dieser Vergleich ist bisher freilich kaum gezogen worden; ein Umstand, der sich nur aus der mangelnden Einsicht i n die rechtlichen Ordnungsgrundlagen der Wirtschaftsaufsicht bzw. Staatsaufsicht überhaupt erklären läßt. Beachtete man nämlich gerade den gemeinsamen polizeirechtlichen Ursprung und das gemeinsame polizeirechtliche Instrumentarium von Wirtschafts- und Bauaufsicht 64 , so hätte man die juristische Verwandtschaft von Wirtschafts- und Bauaufsicht kaum übersehen können; eine Feststellung, die allerdings weniger die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit als die besondere Kartellverwaltungsgerichtsbarkeit trifft. 8. Die Zulassung der baurechtlichen Nachbarklage zeichnet sich durch die beiden folgenden Erkenntnisse aus: a) Man hat zunächst erkannt, daß äuch eine objektiv-rechtliche Schutzgüterordnung wie das Baupolizeirecht subjektive öffentliche Rechte enthalten kann. Den Weg zu deren Anerkennung hat einmal die Theorie vom (mit-)bezweckten Schutz des individualen oder privaten Interesses 65 und zum anderen die Einsicht gewiesen, daß auch das — dem 62 Nur angemerkt sei, daß das europäische Kartellrecht hier — wenigstens teilweise — zu absolut entgegengesetzten Ergebnissen käme. 6S Vgl. hierzu bes. BVerwGE 11, 95 ff.; 22, 129 (130 ff.); 27, 29 (31 ff.); 28, 33 (34ff.); 28, 268 (273ff.); Timmermann, Nachbarschutz, S. 25ff., 99ff.; Bartlsperger, VerwArch60,35ff.; Evers, JuS62,87ff.; ders., DVB170, 12 f.; Laubinger, Verwaltungsakt, S. 43 ff.; Henke, Recht, S. 81 ff.; Grundei, NJW 70, 833 ff.; Peters, DÖV65, 744 ff.; 68, 547 ff. 64 Vgl. dazu oben sub B I I I 4. 65 Vgl. mit Nachw. oben N. 48.
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Polizeirecht allgemein zu eigene — Opportunitätsprinzip 6 6 subjektive öffentliche Rechte nicht ausschließt 67 . Denn das Opportunitätsprinzip befaßt sich von vornherein nur m i t der Frage der (aufsichts-)behördlichen Einschreitensermächtigung; die Frage einer eventuellen Einschreitensverpflichtung regelt es nicht. Hinzu kommt, daß das Opportunitätsprinzip der (Aufsichts-)Behörde keineswegs permanente Entschließungsoder Handlungsfreiheiten einräumt. Ein Handlungsermessen kann i m Einzelfall vielmehr „auf N u l l " zusammenschrumpfen und damit zur Handlungspflicht umschlagen 68 . Dies geschieht überall dort, wo nur noch eine bestimmte Entscheidimg sachlich richtig, d. h. nicht ermessensfehlerhaft wäre 69 » 70 . I n diesen Fällen erkennen die Verwaltungsrechtsprechung und Verwaltungsrechtslehre — seit der grundlegenden Entscheidung des B V e r w G vom 18. 8. 60 71 — zu Recht das Bestehen eines subjektiven öffentlichen Anspruchs auf behördliches Einschreiten an 72 . M i t Gründet 78 mag man heute bereits von einem „allgemeinen öffentlich-rechtlichen Gefahrenschutzanspruch des einzelnen" sprechen 74»75. b) Die zweite bedeutsame Einsicht leitet sich aus der ersten ab: M i t der Anerkennung des subjektiven öffentlichen Rechts auf Gewährung aufsichtsrechtlichen Nachbarschutzes stand nämlich gleichzeitig fest, daß 66 Vgl. hierzu bes. Schmatz, Grenzen, S. 117 ff.; Drews-Wacke, Polizeirecht, S.159 ff. 67 Vgl. allgemein hierzu bes. Mayer, Opportunitätsprinzip, S. 30 ff. 68 Vgl. insbes. BVerwGE 11, 95 (97 f.); vgl. auch Scholz, Einrichtungen, S. 224; zur Kritik vgl. neuerdings bes. deutlich V G Saarlouis, DVB169, 595 f. m. Anm. Schnapp, DVB169, 596 ff. 69 Das subjektive Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch erkennt jetzt ausdrücklich auch das BVerfG an (vgl. DVB170, 270 [271 f.]); i m einzelnen zu diesem Recht vgl. bes. Kohlmann, Recht, S. 43 ff., selbst allerdings kritisch S. 60 ff.. 70 Tatsächlich ist dieses formelle subjektive öffentliche Recht allerdings mehr von instrumenteller, als eigenständig-materieller Rechtsbedeutung (vgl. Kloepfer, Grundrechte, S. 7; deutlich auch Schnapp, DVB169, 598: das Opportunitätsprinzip als „eine Funktion subjektiver Rechte"). Zu materieller Rechtssubjektivität verhelfen ihm erst das materielle Schutzrecht bzw. vor allem die Grundrechte (vgl. in diesem Sinne vor allem Henke, DVB164, 649 [654 f.]; Buschlinger, DÖV65, 374 [376f.]; auch schon Scholz, Einrichtungen, S.235). 71 Vgl. BVerwGE 11, 95 ff. 72 Zum Anspruch auf (bau)polizeiliches Einschreiten vgl. schon Scholz, Einrichtungen, S. 223 f. m . w . Nachw.; aus dem neueren Schrifttum vgl. bes. Schmatz, Grenzen, S. 165 ff., 195 ff.; Kloepfer, Grundrechte, S. 6 ff.; Grundei, NJW70, 833 f.; König, BayVB169, 45 ff.; kritisch bes. Bettermann, NJW61, 1097 ff. 73 Vgl. N J W 70, 834. 74 Vgl. anschaulich auch die Begriffsbildung bei Scheerbath, Das allgemeine Bauordnungsrecht, 2. Aufl. 1966, §130: ordnungs-(polizei)rechtliche Störungsklage. 75 Dieser (allgemein-polizeirechtliche) Anspruch bietet freilich keine Hand-» habe, etwa ein polizeiliches Einschreiten zum Schutze der wettbewerblichen Position begehren zu können; vgl. richtig gegenüber dem Konkurrentenbegehren, die Polizei solle gegen einen Mitbewerber vorgehen, der sich über das LadenschlußG hinwegsetzte, BVerwG, D Ö V 68, 214 f.
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der öffentlich-reditliche Nachbarschutz unabhängig vom privatrechtlichen Nachbarschutz des bürgerlichen Grundstücksrechts 76 bestehen muß. Die öffentlich-rechtliche Nachbarklage ist also nicht subsidiär gegenüber der privatrechtlichen Nachbarklage 77 ; sie steht vielmehr gleichberechtigt neben dieser 78 . Diese Parallelität von öffentlich- und privatrechtlichem Nachbarschutz setzt sich konsequent i n der A n erkennung der öffentlichen Nachbarrechte als private Schutzgesetze i m Sinne des § 823 I I BGB fort 7 9 . c) Diese kurz skizzierten Grundsätze sind der Kartellrechtsprechung fast völlig fremd geblieben. Die wirtschaftsrechtliche Rechtsprechung der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit hat es dagegen, wenngleich m i t wechselnder Entschiedenheit, verstanden, diese Grundsätze auch für das Recht der Wirtschaftsaufsicht fruchtbar zu machen. 9. I m Einklang m i t der geschilderten Rechtslage i m Recht der Bauaufsicht steht die Rechtsprechung zur Wirtschaftsaufsicht grundsätzlich auch auf dem Standpunkt, daß dem Dritten (Konkurrenten) ein subjektives öffentliches Recht auf Gewährung aufsichtsrechtlichen Schutzes zustehen kann 8 0 und daß die Durchsetzung dieses Rechts nicht von der vorherigen Ausschöpfung zivilrechtlicher Abwehransprüche abhängig ist 81 . Es steht weiterhin außer Streit, daß auch das Opportunitätsprinzip keinen gegenteiligen Schluß erlaubt. Die Wirtschaftsaufsicht ist dort zum Einschreiten verpflichtet, wo ihre Untätigkeit absolut ermessensfehlerhaft wäre. Für die Wirtschaftsaufsicht gilt insofern nichts anderes als für jede andere Verwaltungszuständigkeit auch 82 . I m Detail besteht freilich noch viel Ungewißheit, fehlt es vor allem an einer einheitlichen Linie. Verantwortlich sind hierfür die gleichen Gründe, die den B G H zur prinzipiellen Verneinung des subjektiven Konkurrentenrechts i m Kartellrecht veranlaßt haben: nämlich die einseitige Überhöhung der objektiv-rechtlichen Schutzgehalte der W i r t 76 Zu diesem vgl. zuletzt die einprägsame Übersicht von Grunsky, JurA (ZivilRI) 70, 57 ff. 77 a. A. aber z.B. Peters, DÖV65, 744 (747); 68, 547 548f.). 78 Vgl. bes. BVerwGE22, 129 (130 f.); Bartlsperger, VerwArdi60, 36ff., 55ff.; vgl. auch O V G Münster, DVB167, 546 (548 f.) mit der Einschränkung, daß der öffentlich-rechtliche Klageweg dann subsidiär sei, wenn die Führung eines Zivilprozesses dem Kläger zuzumuten sei. 79 Vgl. Timmermann, Nachbarschutz, S. 213ff., 221 ff.; Dörffler, NJW63, 14 (18); vgl. dazu auch Bartlsperger, VerwArch60, 55ff.; für die Aufsicht nach dem PBefG vgl. übrigens auch B G H Z 26, 42 (46 ff.). 80 Vgl. bes. BVerwGE 2, 1411; 2, 290 (294); 3, 237 (238 ff.); 9, 340 (341); 10, 310 (311 ff.); 11, 331 ff.; 16, 187 ff.; 17, 306 (3071, 3131); 30, 135 (136); 30, 347 (348 ff.); 30, 352 (353 ff.); 31, 184 (185 ff.); 31, 133 (135 ff.). 81 Vgl. bes. BVerwGE 11, 245 (246 ff.); 11, 3311; vgL auch BVerwGE 3, 237 (240); 30, 1361 = DVB169, 669 (670) m. Anm. Fromm, DVB169, 6 7 0 1 82 Vgl. näher Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 183 ff. m. S. 186 ff.
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schaftsaufsicht 88 . I m allgemeinen bezieht die Rechtsprechung der waltungsgerichte jedoch eine ungleich differenziertere, auch dem jektiven Recht geöffnete Haltung. Dies läßt sich am besten an den spielen von Verkehrs- und Versicherungsaufsicht belegen. Beide sichten nehmen ausdrücklich auf den Schutz Dritter Bezug.
VersubBeiAuf-
a) Die Versicherungsaufsicht hat nach § 81 V A G die Belange der Versicherungsnehmer zu schützen 84 . Tut sie dies, indem sie Geschäftspläne oder Leistungen der Versicherungsunternehmen ändert oder aufhebt (§§ 81a, 89 VAG), so steht dem Versicherungsnehmer dagegen ein klageweise durchzusetzendes subjektives öffentliches Recht zu 85 . Andererseits hat das BVerwG ein subjektives Recht des bestehenden Versicherungsunternehmens auf Schutz vor der Zulassung von Konkurrenzunternehmen verneint 8 6 ; denn die Versicherungsaufsicht diene dem subjektiven Konkurrentenschutz selbst dann nicht, wenn sie für die Gesunderhaltung der bestehenden Versicherungsunternehmen sorge 87 . So uneinheitlich diese Rechtsprechung auch erscheint 88 , so sehr betont sie den subjektiven Rechtsschutz doch zumindest dort, wo das Gesetz sich ausdrücklich auf den Dritten, hier also den Versicherungsnehmer, bezieht 89 . b) Noch deutlicher w i r d dies am Beispiel des VerkehrsrechtsSchon unter der Geltung des PBefG von 1934 erkannte das B V e r w G das sub83 Vgl. z. B. in Verneinung eines subjektiven Konkurrentenrechts BVerwGE10, 122 (123 f.); 21, 338 ff.; 31, 359 (367); BSGE26, 237 ff. sowie in Bejahung einer Subsidiarität des öffentlich-rechtlichen Konkurrentenschutzes gegenüber privatrechtlichen Schutzansprüchen BVerwGE 21, 338 (340); vgl. übrigens auch BVerwGE 1, 134 (136 ff.); 4, 317 (321 ff.). 84 Vgl. dazu näher oben sub C I I 2 b. 85 Vgl. BVerwGE 30, 135 (136); vgl. auch BVerwGE 2, 290 (294); 11, 245 (246 ff.). Wenn das BVerwG in BVerwGE 30, 135 ff. allerdings ein Klagerecht gegen die Genehmigung einer Prämienerhöhung einer Krankenversicherung verneint, weil der Versicherungsnehmer von einer solchen Maßnahme nur mittelbar betroffen sei (Genehmigung als bloße Ermächtigung zur Änderung, nicht als unmittelbar-hoheitliche [privatrechtsgestaltende] Änderung der privaten Versicherungsverträge), so ist dem nicht zuzustimmen. Diese Sicht versteht die Drittbetroffenheit viel zu eng und widerspricht deshalb auch der übrigen Rechtsprechung des BVerwG, insbesondere der zur Genehmigung von Mieten (vgl. BVerwGE 1, 104 [105 f.]), Kündigungen von Mietverhältnissen (vgl. BVerwGE 3, 362 [363]) und arbeitsrechtlichen Kündigungen nach Schwerbeschädigten- und Mutterschutzrecht (vgl. BVerwGE 8, 46 [48ff.]; 10, 148 [150f.]); vgl. weiterhin entgegengesetzt zur Genehmigung von Krankenhaussätzen BVerwGE 2, 290 (294). Zu diesen Widersprüchen vgl. auch, obwohl i m Ergebnis zustimmend, Fromm, DVB169, 670 f. 86 Vgl. BVerwGE 10, 122 (123 f.). 87 Vgl. BVerwGE 10, 124. 88 Z u ihrer Kritik vgl. noch unten sub C V. 89 Z u m zivilrechtlichen Schutz bei Verstößen gegen die Verbots- und Genehmigungstatbestände von V A G und K W G vgl. Körner, ZHR131, 127 ff. (m. wesentlich negativem Ergebnis: S. 149). 90 Vgl. weiterhin auch z.B. BVerwGE28, 131 (133ff.) zur gewerberechtlichen Drittklage, wo das BVerwG gerade aus der Tatsache, daß die §§ 16 ff.
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jektive öffentliche Recht des zugelassenen Verkehrsunternehmens (Altunternehmer) auf Klage gegen die Zulassung von Konkurrenzunternehmen grundsätzlich an 91 . Zur Begründung berief sich das BVerwG 9 2 auf das dem Altunternehmer durch § 9 I Nr. 2 DVPBefG vom 26. 3. 35 eingeräumte Anhörungsrecht 9S. Den Sinn dieses Anhörungsrechts sah das Gericht zwar nicht darin, daß der Altunternehmer nur seine persönlichen Wettbewerbsinteressen wahrnehmen solle, sondern vielmehr darin, daß der Altunternehmer damit zur M i t w i r k u n g bei den Entscheidungen der Verkehrsaufsicht berufen sei 94 . Der Altunternehmer hat also den „öffentlichen Verkehrsinteressen" zu dienen; seine Anhörung soll grundsätzlich nicht dem Schutz seiner privaten Interessen dienen 95 . Andererseits kann der Altunternehmer aber geltend machen, „daß ihm durch das neue Unternehmen unbilliger Wettbewerb bereitet würde und daß die Ausgestaltung seiner Linie dem öffentlichen Bedürfnis mehr entspreche" (§ 11 I I Nr. 2 DVPBefG) 96 . Das bedeutet, daß die privaten Wettbewerbsinteressen des Altunternehmers immerhin soweit maßgebend sind, wie ihre Vernachlässigung den öffentlichen Verkehrsinteressen schaden würde 9 7 . I n diesem Argument liegt der entscheidende Gesichtspunkt. Denn damit ist klargestellt, daß sich das Anhörungsrecht des Altunternehmers nicht i n der bloß förmlichen Beteiligung am aufsichtsrechtlichen Verwaltungsverfahren erschöpft 98 . Der Altunternehmer soll vielmehr kraft materiellen Rechts seine privaten Interessen insoweit geltend machen können, wie diese m i t den öffentlichen Interessen übereinstimmen 99 . Nach der Ablösung des PBefG von 1934 durch das PBefG von 1961 verneinte das B V e r w G zunächst ein entsprechendes subjektives Recht des Altunternehmers, da das PBefG von 1961 dessen Anhörungsrecht nicht mehr vorsah 100 . I n seiner neueren Rechtsprechung kehrte das BVerwG aber zur Anerkennung des subjektiven Rechts zurück 101 . Als maßgebend hierfür erkannte das Gericht die Regelungen des § 13 I I GewO die Besitzer und Bewohner der benachbarten Grundstücke ausdrücklich erwähnen, auf das Bestehen eines subjektiven öffentlichen Rechts gegenüber der gewerberechtlichen Konzessionierung schließt. 91 Vgl. BVerwGE 2, 141 f.; 9, 340ff.; auch 10, 310ff.; 16, 187 ff. 92 Vgl. BVerwGE2, 141 f.; 9, 341 f.; 10, 311 ff. 93 Vgl. zu diesem schon oben C I I N. 7. 94 Vgl. BVerwGE 2, 141; 9, 341. 95 Vgl. auch R. Schmidt, N J W 67, 1635 (1637). 96 BVerwGE 9, 341. 97 Vgl. R. Schmidt, a.a.O. 98 Vgl. auch BVerwGE 9, 341: Anhörung nicht nur aus „informatorischen Gründen". 99 Vgl. R. Schmidt, a.a.O. 100 Vgl. BVerwGE 16, 187 ff. 101 Vgl. BVerwGE 30, 347 ff. ( = DVB169, 367 m. Anm. Friauf, DVB169, 368ff.); 30, 352ff.; 31, 133ff.; 31, 184ff.
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Nr. 2, I V PBefG 102 , insbesondere also das Ausgestaltungsrecht des A l t unternehmers gemäß § 13 I I Nr. 2 lit. c 1 0 3 sowie das Besitzstandsrecht gemäß §13 I V PBefG 104 . I n seiner Begründung stellte das BVerwG wiederum mehr auf die öffentlichen und weniger auf die privaten Interessen ab; denn der Sinn des § 13 I I Nr. 2 PBefG läge keinesfalls i n einem „allgemeinen Konkurrenzschutz" 105 . Andererseits erkannte das BVerwG aber ausdrücklich auf einen Schutz der vorhandenen Unternehmer vor ruinösem Wettbewerb 1 0 8 . Der Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen umfasse insoweit auch das Interesse des Altunternehmers an der Erhaltung der Leistungsfähigkeit seines Unternehmens; denn nur so werde dem öffentlichen Interesse an einer geordneten und zuverlässigen Verkehrsversorgung genügt 107 . Das K r i t e r i u m des öffentlichen Verkehrsinteresses als Schutz des einzelnen vor ruinösem oder unbilligem Wettbewerb kann allerdings auch zum Gregenteil ausschlagen. Dies zeigt sich vor allem an den Hegelungen der §§7 GüKG, 8 AllgemEisenbahnG, 33 BinnenschiffahrtsG. Diese richten sich inhaltlich übereinstimmend gegen den „unbilligen Wettbewerb" 1 0 8 . Ungeachtet dessen hat das BVerwG dem drittbetroffenen Konkurrenten hier aber ein subjektives Klagerecht versagt 109 ; denn der Dritte sei nur als „Mitglied der Gruppe, auf die sich die ausgleichenden M a ß n a h m e n . . . auswirken sollen", berührt 1 1 0 . 10. A n dieser und ähnlichen Stellen zeigt sich, daß es auch die Verwaltungsgerichte bisher nicht voll verstanden haben, das System des aufsichtsrechtlichen Institutionsschutzes m i t den subjektiven Schutzansprüchen der drittbetroffenen Konkurrenten zu vereinbaren. Noch haftet den Entscheidungen viel Zufälligkeit an. Vergleicht man etwa die vorgenannte Entscheidung des BVerwG zu § 8 AllgemEisenbahnG m i t den Entscheidungen zum Personenbeförderungsrecht, so hätte i n beiden Fällen m i t ebenso guten, wenn nicht denselben Gründen umgekehrt entschieden werden können 1 1 1 . Schuld daran ist die i m Verständnis der aufsichtsrechtlichen Schutzgüter nach wie vor festzustellende Unsicherheit. Die scheinbar wechselnden Parallelitäten u n d Gegenläufigkeiten von öffentlichen und privaten Interessen, objektiven und subjektiven Rechten geben der Rechtsprechung vorerst noch allzu große Rätsel auf. io2 vgL zu deren Inhalt schon oben sub C I I 2 a. los V g l . BVerwGE 30, 348 ff.; 30, 353 ff.; 31, 135 ff.; 31, 185 ff. 104 Vgl. BVerwGE 31, 185 ff. 105 Vgl. BVerwGE 30, 356. 106 VgL BVerwGE 30, 349; vgl. auch BVerwGE 23, 314 (317). 107 VgL BVerwGE 30, 348. 108 Vgl. näher oben sub C I I 2 a m. N. 9. 109 Vgl. zu § 8 AllgemEisenbahnG BVerwGE 21, 338 ff. 110 Vgl. BVerwGE 21, 340. 111 Vgl. treffend z. B. Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, 1963, S. 64 f. zum Anhörungsrecht des PBefG von 1934.
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Trotz dieser Einschränkungen kennzeichnet die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte insgesamt aber doch eine Haltung, deren Offenheit und Elastizität sich entschieden von der starren Haltung des B G H abhebt. A m klarsten veranschaulicht dies der Vergleich von Personenbeförderungsrecht und Kartellrecht. Beide Rechtskreise nehmen ausdrücklich auf den Konkurrenten Bezug; und doch soll für dessen Rechtsstellung i n beiden Bereichen Verschiedenes gelten. Das Personenbeförderungsrecht von 1934 organisierte diese Rechtsstellung nach dem Prinzip der verfahrensmäßigen Beteiligung des Konkurrenten durch dessen Anhörung; das GWB tut dies noch heute. Und doch soll wiederum Verschiedenes gelten: Der anhörungsberechtigte Verkehrskonkurrent soll ein subjektives Recht auf aufsichtsrechtlichen Schutz haben, der anhörungsberechtigte Kartellkonkurrent dagegen nicht. Das Personenbeförderungsrecht von 1961 gibt dem Altunternehmer als betroffenem Konkurrenten das Recht der Ausgestaltung und des zu sichernden Besitzstandes (§ 13 I I Nr. 2 lit. c, I V PBefG); es berücksichtigt damit auch die materielle Wettbewerbsposition des Konkurrenten und gewährt diesem folgerichtig das subjektive Recht auf aufsichtsrechtlichen Schutz. Das GWB tut zumindest i n § 3 I I I Nr. 3 Ähnliches, indem es dem Konkurrenten von Rabattkartellen das Recht gibt, seine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung durch das K a r t e l l zu beweisen und die Kartellaufsicht damit zum Kartellverbot zu verpflichten; auch hier w i r d die materielle Wettbewerbsposition des Konkurrenten m i t unmittelbarer Rechtsverbindlichkeit berücksichtigt. U n d doch soll hier kein subjektives Recht auf Gewährung aufsichtsrechtlichen Schutzes bestehen? Diese Diskrepanz läßt sich kaum rechtfertigen. Denn die Schutzgüter von Verkehrs- und Kartellrecht sind gerade i n dem hier angesprochenen Bereich allzu ähnlich, u m derartige Abweichungen zu rechtfertigen. Bevor diese kritische Würdigung jedoch weiterzuverfolgen ist 1 1 2 , bedarf es noch eines Blicks auf das Verfahrensrecht. IV. Die öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage und der Rechtsschutz des Konkurrenten im Kartellrecht 1. Der Gegensatz zwischen allgemeiner Verwaltungsrechtsprechung und besonderer Kartellverwaltungsrechtsprechung 1 setzt sich i m Verfahrensrecht fort. 112
Vgl. weiter sub C V. Zur Kartellrechtsprechung als besonderer Verwaltungsgerichtsbarkeit vgl. z.B. BGHZ41, 61 (63f.); 51, 61 (65); Bettermann, Bötticher-Festschrift, S. 18ff.; F.Baur, ZZP72, 3 (12 ff.); Lipps, NJW69, 1878 (1882); Mailänder, W u W 65, 657 (661); Zweigert, Gemeinschaftskommentar, Vorbem. 7 vor §§ 62 ff. 1
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
I m allgemeinen Verwaltungsprozeß sieht sich die öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage als Instrument des subjektiven Konkurrentenschutzes inzwischen voll anerkannt 2 . Die Konkurrentenklage rangiert als Klagetyp neben der bau- sowie gewerberechtlichen Nachbarklage und darf m i t dieser unter dem Oberbegriff einer verwaltungsrechtlichen Drittinteressentenklage zusammengefaßt werden. Die allgemeine Zulässigkeit der Konkurrentenklage steht freilich erst seit jüngerer Zeit fest. Noch i n seiner Entscheidimg vom 19.12. 63 verneinte das B V e r w G eine solche generelle Zulässigkeit 8 . Von ihr ist aber spätestens seit der Entscheidung des B V e r w G vom 30.8. 684 auszugehen. Denn m i t dieser Entscheidung hat das B V e r w G sogar die A n fechtung einer Subventionsgewährung durch den Konkurrenten des Subventionsempfängers zugelassen. Sofern dieser geltend machen könne, daß bei der Subventionierung seine schutzwürdigen (Wettbewerbs-) Interessen verletzt worden seien, soll i h m das Recht zur Anfechtungsklage aus § 42 V w G O gegeben sein 5 . Das B V e r w G hat damit zu Recht, ausgehend von der Doppelwirkung, die auch der Subvention typischerweise anhaftet (Begünstigung des Subventionsadressaten und Belastung des Konkurrenten), die Klagebefugnis des nur tatsächlich (mit-)betroffenen Dritten anerkannt 6 . Diese Entscheidung schließt eine Entwicklung ab, die sich sehr vorsichtig und i n vielen Schattierungen zum vollen Rechtsschutz des D r i t t e n gegenüber Verwaltungsakten m i t Doppelwirkung hinbewegt hat 7 . Dieser Entwicklungsgang ist hier nicht i m einzelnen zu verfolgen. Z u erwähnen sind n u r die prinzipiellen Schwierigkeiten, die er zu überwinden hatte und die sich auch dem Konkurrentenschutz i m Recht der Wirtschaftsaufsicht immer wieder i n den Weg gestellt haben. Es ging regelmäßig u m die Fragen der Klagebefugnis nach §4211 VwGO, d. h. einmal u m die Frage des (potentiell) verletzten (Konkurrenten-)„Rechts" und zum anderen u m die Frage der (unmittelbaren) rechtlichen Betroffenheit des Konkurrenten: Die Frage nach dem als verletzt zu rügenden Rechts berührt sich inhaltlich m i t der materiell-rechtlichen Frage nach dem Bestehen subjektiver öffentlicher Rechte; aus diesem Grunde kann insofern auf die früheren Ausführungen verwiesen 2 Vgl. näher insbes. R. Schmidt, NJW67, 1635ff.; Friauf, JurA (öffR) 69, 3ff.; ders., DVB169, 368ff.; Dörffler, NJW63, 14ff.; Henke, Recht, S.71ff. 3 BVerwGE 17, 306 (307). 4 BVerwGE 30, 191 ff. = NJW 69, 522 ff. m. Anm. Scholz, NJW 69, 1044 f. und Selmer, N J W 69, 1266 f. = DVB169, 365 ff. m. Anm. Friauf, DVB169, 368 ff. = BB 69,652 m. Anm. R. Schmidt, BB 69, 653 f. 5 Vgl. BVerwGE 30, 197. 6 Vgl. Scholz, NJW 69, 1044. 7 Den Zusammenhang dieser Entscheidung mit dem Konkurrentenschutz der Wirtschaftsaufsicht (nach dem PBefG) zeichnet besonders deutlich Friauf, DVB169, 368 ff. nach.
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werden 8 . I m Bestreben, unzulässige Popularklagen auszuschließen, ging die Rechtsprechung hier freilich recht weit. Solange man den Tatbestand der rechtlichen und tatsächlichen Doppelwirkungen von Verwaltungsakten noch nicht voll bewältigt hatte, solange hielt sich auch jene auffällige Tendenz, tatsächliche Drittbetroffenheiten nicht als relevante Rechtsverletzungen, sondern als irrelevante (bloße) Interessenberührungen anzusehen®. Die Grundlage für derartige (Fehl-)Deutungen fand sich in jener verunglückten Interpretation des § 42 I I VwGO, die zur Zulässigkeit von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage eine vom Kläger „schlüssig" dargetane „unmittelbare" Rechtsverletzung verlangte 10 . Das Moment der „Unmittelbarkeit" einer Rechtsverletzimg führt schon zur Frage der Betroffenheit. Auch hier hielten sich allzu lange Versuche, die nicht von der tatsächlichen Eingriffswirkung („Auswirkung" 1 1 ) einer hoheitlichen Maßnahme, sondern von deren (rechtlich„unmittelbarer") Adressierung ausgehen wollten; eine Betrachtungsweise, die dem Verwaltungsakt m i t Doppelwirkung von vornherein nicht gerecht werden konnte 1 2 . Heute setzt sich dagegen — zumindest auf dem Gebiet des Verwaltungsakts m i t Doppelwirkung 1 3 — zunehmend eine andere, dogmatisch von K . A. Bettermann begründete 14 und auch allgemein allein zutreffende Interpretation des § 42 I I VwGO durch. Hiernach kommt es einmal — dem Prinzip der verwaltungsprozessualen Untersuchungsmaxime (§ 86 I VwGO) entsprechend — nicht auf die schlüssig dargetane, sondern allein auf die behauptete Rechtsverletzung an 1 5 ; zum anderen kommt es — dem Prinzip von der unzulässigen Popularklage entsprechend — auf die (tatsächliche) Beschwer des Klägers an 18 . Dieser muß die reale Verschlechterung seiner (politischen, ökonomischen, sozialen oder kulturellen) Interessenlage durch den angegriffenen Hoheitsakt behaupten 17 . A u f die Drittinteressentenklage angewandt bedeutet dies, daß die Anfechtungs- oder Ver8
Vgl. oben sub C I I I 7 ff. Vgl. deutlich in dieser Richtung die oben sub C I I I N. 83 nachgewiesenen Entscheidungen. 10 Vgl. in diesem Sinne richtunggebend vor allem Lüke, AöR 84, 185 ff. 11 I m Sinne der neueren Rechtspr. des B G H zum Enteignungsbegriff (vgl. oben sub C I N . 17). 12 Vgl. Laubinger, Verwaltungsakt, S. 116ff.; vgl. bes. deutlich jetzt auch BVerwG, DVB169, 263 (264). 18 Vgl. hier ausdrücklich Laubinger, a.a.O., S .119 ff. 14 Vgl. in: Staatsbürger und Staatsgewalt, I I , S. 449ff.; Beschwer, bes. S. 19 ff., 25 ff., 38 ff.; vgl. dens. auch Bötticher-Festschrift, S. 32 sowie Festschrift für Elias G. Kyriacopoulos, 1966, S. 785 (809). 15 Vgl. Bettermann, Staatsbürger und Staatsgewalt, S. 464 ff.; Beschwer, S. 21. 16 Vgl. Bettermann, Staatsbürger und Staatsgewalt, S. 460 ff. 17 Vgl. Bettermann, Beschwer, S. 22 ff.; vgl. anders noch in: Staatsbürger und Staatsgewalt, a.a.O. (hier rechnete Bettermann das tatsächliche Vorliegen der Beschwer noch zur Zulässigkeit, statt zur Begründetheit der Klage, S. 461). 9
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pflichtungsklage des von einem Verwaltungsakt oder dessen Ablehnung (Unterlassung) (mit-)betroffenen Dritten zulässig ist, wenn dieser seine Beschwer durch den Verwaltungsakt oder dessen Ablehnung etc. und die daraus folgende Verletzung eines seiner gesetzlich oder verfassungsrechtlich geschützten Rechte behauptet 18 » 19 . Obwohl die Rechtsprechung sich bisher noch nicht ausdrücklich zu diesem Verständnis der Klagebefugnis bekannt hat 2 0 , hat sie die Zulässigkeit von Drittinteressentenklagen doch zumindest stillschweigend m i t einem entsprechenden Verständnis der Klagebefugnis begründet. Deutlich w i r d dies an all denjenigen Urteilen, die sich auf die — mehr oder weniger genaue — Feststellung einer realen Belastung ( = Beschwer) des klagenden D r i t t e n und die summarische Feststellung einer klägerischen Rechtsverletzungsbehauptung beschränken 21 . Hierher gehören auch all diejenigen Entscheidungen, die die Konkurrentenklage gegenüber Maßnahmen der Wirtschaftsaufsicht zugelassen haben 22 . 2. Das Verfahrensrecht des Kartellrechts ist i m Gegensatz zur VwGO erheblich komplizierter und ungleich problematischer 28 . Denn es unterscheidet sich schon i n seiner Vorstellung von der Funktion des Rechtsschutzes ganz beträchtlich von der übrigen Verwaltungsgerichtsbarkeit. I n der Grundanlage stimmen beide Verfahrensordnungen zunächst überein. § 62 I GWB eröffnet ebenso wie § 4 2 1 V w G O „gegen Verfügungen der Kartellbehörde" die Anfechtungsbeschwerde. Gegen die Unterlassung und Ablehnung von Verfügungen 24 läßt § 62 I I I GWB — wiederum i n Ubereinstimmung m i t § 42 I V w G O — die Verpfiich18
Vgl. Bettermann, Beschwer, S. 21 ff. Fraglich muß erscheinen, ob Bettermann seine ablehnende Haltung gegenüber der Drittinteressentenklage (vgl. NJW 61, 1097 ff.) angesichts seiner jüngeren, allgemeinen Erkenntnisse zu §42 I I V w G O noch aufrechterhalten kann. 20 Vgl. allerdings schon BSGE 26, 237 ff. mit der Maßgabe, daß das Prinzip der Untersuchungsmaxime jede Schlüssigkeitsprüfung ausschließe (S. 238) und daß eine Klage deshalb nur dann unzulässig sein könne, „wenn die von dem Kläger in Anspruch genommenen Rechte diesem unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zustehen können" (S. 238). 21 Vgl. am deutlichsten hier BVerwGE 28, 131 ff. = D Ö V 67, 856 ff. m. Anm. Schefold, D Ö V 67, 859 ff., der zu Recht darauf hinweist, daß das BVerwG sich hier der Bettermannschen Sicht des §42 I I V w G O bedient oder doch entschieden nähert (a.a.O., S. 859 f.); zu beachten ist dabei allerdings, daß die Beschwer hier in ihrem tatsächlichen Vorliegen, d. h. als Zulässigkeitsvoraussetzung i m Sinne der früheren Lehre Bettermanns (Staatsbürger und Staatsgewalt, a.a.O.) verwandt wurde. 22 Vgl. die Nachw. oben sub C I I I N. 80. 23 Zum allgemeinen Vergleich s. Bettermann, Bötticher-Festschrift, S. 18 ff. 24 Dazu, daß § 62 I I I G W B sich auch auf die Ablehnung von Verfügungen erstreckt (Weigerungsgegenbeschwerde), also nicht nur wie sein Wortlaut vermuten lassen könnte, die Unterlassung von Verfügungen meint (Untätigkeitsbeschwerde), vgl. Zweigert, Gemeinschaftskommentar, § 62 Rdnr. 9; Bettermann, Bötticher-Festschrift, S. 19 f. 19
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tungsbeschwerde zu. Ein erster Unterschied ergibt sich insofern allerdings, als das GWB i m Gegensatz zur VwGO 2 5 keine Bescheidungsbeschwerde, d. h. keine Klage kennt, die die Kartellbehörde bei Ermessensentscheidungen zur (Neu-)Bescheidung verpflichtet 26 . Ein weiterer Unterschied liegt schließlich darin, daß das GWB i m Gegensatz zu § 43 VwGO keine Feststellungsbescherde anerkennt 27 . a) Inhaltlich entspricht die Verpflichtungsbeschwerde ganz der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsklage. Auch sie setzt ein subjektives „Recht" des Klägers auf Vornahme der begehrten Verfügung voraus; § 62 I I I 1 GWB entspricht insofern § 42 I I VwGO 2 8 ' 2 9 . b) Anders verhält es sich dagegen m i t der Anfechtungsbeschwerde. Sie steht nach § 62 I I GWB nur „den am Verfahren vor der Kartellbehörde Beteiligten" (formeller Beteiligtenbegriff) zu. Dies sind nach § 51 II, I I I GWB insbesondere der Antragssteller (§ 51 I I Nr. 1), die K a r telle, Unternehmen usw., gegen die sich das Verfahren richtet (§51 I I Nr. 2) sowie „Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Kartellbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat" (§ 51 I I Nr. 4). Für den Dritten kann sich eine Beschwerdebefugnis demnach allein aus § 51 I I Nr. 4 GWB ergeben. Denn er fällt weder unter diejenigen Wirtschaftssubjekte, gegen die sich das Kartellverfahren richtet, noch ist er Antragsteller i m Sinne von § 51 I I Nr. 1 GWB. Dies ist vielmehr nur derjenige, dem nach materiellem Kartellrecht ein Antragsrecht zusteht; § 51 I I Nr. 1 begründet nach allgemeiner Auffassung kein eigenes (beschwerdefähiges) Antragsrecht 80 . Dies bedeutet, daß der „Antrag" drittbetroffener Konkurrenten, ein Kartellverfahren einzuleiten, stets nur als unverbindliche Anregung zur Eröffnung eines Verfahrens von Amts wegen aufgefaßt w i r d 8 1 . Eine Ausnahme gilt lediglich für den Tatbestand des § 27 GWB 8 2 ; denn dieser räumt dem betroffenen Unternehmen ausdrücklich ein eigenes materielles Antragsrecht ein (§ 27 1 1)88. 25 Zur Zulässigkeit der Bescheidungsklage (arg. § 113IV 2 VwGO) vgl. bes. Bettermann, NJW 60, 649 (650 ff.). 26 Vgl. Bettermann, Bötticher-Festschrift, S. 20. 27 Zur Streitfrage, ob das G W B insofern — ggf. durch Analogie zu §43 V w G O — zu ergänzen ist, vgl. etwa v. Köhler, NJW 61, 2093ff.; Jank, W u W 64, 831 ff.; Schwarz, W u W 67, 175 (187 ff.); Decker/Müller, W u W 63, 307 ff. 28 Vgl. BGHZ51, 63; Bettermann, Bötticher-Festschrift, S. 20 f.; ders., Beschwer, S. 29 sowie schon oben C I I I N. 60. 29 Das gleiche gilt für die Rechtsbeschwerde nach § 751 G W B (vgl. B G H Z 41, 61 [63ff.]; 46, 168 [184ff.]; 51, 64f.; BGH, NJW68, 1723). 30 VgL u. a. Junge, Gemeinschaftskommentar, § 51 Rdnr. 8; Frankfurter Kommentar, § 51 Tz 33; Langen, Kartellgesetz, § 51 Rdnr. 5, 10. 31 Vgl. z.B. Langen, a.a.O., Rdnr. 6; Frankfurter Kommentar, a.a.O., Tz33, 43; vgl. dazu auch Lipps, NJW 69, 1879 ff. 32 Vgl. Junge, Gemeinschaftskommentar, § 51 Rdnr. 8. 33 Nach BKartA WuW/E 73 gelten auch bei § 18 G W B beide, d. h. sowohl
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K o m m t die Kartellaufsicht der genannten „Anregung" nicht nach oder stellt sie das Verfahren wieder ein, so entsteht gleichfalls keine Anfechtungsbefugnis für den Konkurrenten. Denn Einstellungen dieser A r t pflegen i n aller Regel durch formlose Mitteilungen zu erfolgen 84 , die nach § 57 I I GWB nicht als anfechtbare Verfügungen gelten 85 . Dem Konkurrenten verbleibt insofern nur die Verpflichtungsbeschwerde nach § 62 I I I GWB 8 6 . Die Anfechtungsbeschwerde kommt für den schutzsuchenden Konkurrenten folglich nur dann i n Frage, wenn i h n die angefochtene Entscheidimg erheblich i n seinen Interessen berührt und die Kartellbehörde ihn zum Kartellverfahren beigeladen hat (§ 51 I I Nr. 4 GWB). Die kartellrechtliche Anfechtungsbeschwerde unterscheidet sich damit entscheidend von der verwaltungsrechtlichen Anfechtungsklage. Sie spannt die Klagebefugnis auf der einen Seite sehr viel weiter und engt sie auf der anderen Seite erheblich mehr ein. Die Erweiterung der Klagebefugnis liegt i m Verzicht auf das Erfordernis einer (möglichen) Rechtsverletzung 87 . § 51 I I Nr. 4 GWB beschränkt sich bewußt auf das wirtschaftliche Interesse™, d. h. auf die Beschwer 39, wobei es i h m gleichgültig ist, welche Wettbewerbsstufe die Grundlage des Interesses abgibt 4 0 . Andererseits genügt ein solches Interesse aber doch nicht allein zur Beschwerdebefugnis. Der i n seinen Interessen (erheblich) Betroffene muß darüber hinaus von der Kartellbehörde beigeladen worden sein 41 . Das Institut der Beiladung n i m m t i m Kartellrecht eine besondere Stellung ein. Die Kartellbehörde ist hiernach befugt, sich i m konkreten Verfahren der M i t w i r k u n g und Hilfe Privater dadurch zu versichern, daß sie diese auf deren Antrag h i n zum Verfahren beilädt. Die Beidas bindende wie das gebundene Unternehmen als Beteiligte (vgl. zustimmend Langen, Kartellgesetz, §51 Rdnr. 11; dagegen aber Junge, a.a.O., Rdnr. 9; Schöne, WRP60, 261, 334 (337); entspr. jetzt auch der Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des GWB in der Begründung zur Neufassung des § 18). 34 Vgl. näher Lipps, NJW69, 1879 ff.; vgl. auch die Fallstellung in B G H Z 51, 61 ff. 35 Vgl. B G H Z 51, 62 f.; Junge, Gemeinschaftskommentar, §57 Rdnr. 1, 5. 36 Vgl. z. B. B G H Z 51, 62 f.; a. A. aber, wenngleich ohne Begründung, Lipps, NJW 69, 1879, der Akte i m Sinne des § 57 I I GWB dafür aber doch — unter Berufung auf Art. 1 9 I V G G — als anfechtbare Verwaltungsakte („Verfügungen") qualifizieren w i l l (a. a. O., S. 1879 ff.). 37 V ^ auch B G H Z 51, 63; Langen, Kartellgesetz, § 32 Rdnr. 16; Bettermann, Beschwer, S. 28. 38 Vgl. z.B. B G H Z 4 6 , 168 (184f.); KG, WRP70, 68 (69 f.); Frankfurter Kommentar, §51 Tz78 ff.; Junge, Gemeinschaftskommentar, §51 Rdnr. 10 ff.; Langen, Kartellgesetz, § 51 Rdnr. 12; Schöne, W R P 60, 263. 39 Vgl. Bettermann, Beschwer, S. 28. 40 Vgl. KG, W R P 70, 69 f. 41 Vgl. z. B. Langen, Kartellgesetz, § 51 Rdnr. 16.
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ladung hebt sich damit von jeder Form gerichtlicher Beiladung ab. Sie stellt hier nichts anderes als eine A r t „qualifizierter Anhörung" dar 42 . Der Dritte ist i n diesem Sinne nicht (notwendig) Beigeladener 43 zum Schutze seiner subjektiven Rechte und Interessen 44 ; er ist vielmehr bloß Hilfsorgan der sachverhaltsermittelnden Kartellaufsicht. Diese ist demgemäß auch nicht verpflichtet, diesen oder jenen Konkurrenten beizuladen. Sie entscheidet vielmehr nach freiem Ermessen darüber, ob und wen sie beiladen w i l l 4 5 . Dieses Ermessen muß zwar pflichtgemäß ausgeübt werden 4 6 ; der Nicht-Beigeladene kann also i m Wege der Beschwerde seine Beiladung verlangen 47 . Er kann dies aber nicht aufgrund einer eigenen materiellen bzw. subjektiven Rechtsposition 48 . Denn maßgebend für die behördliche Ermessensentscheidung sind allein die objektiven Zweckmäßigkeitserfordernisse des konkreten VerwaltungsVerfahrens. A l l e i n sie entscheiden darüber, ob der einzelne Antragsteller beizuladen ist 49 . Aus diesem Grunde kann die Kartellbehörde z. B. bei mehreren gleichgerichteten Beiladungsanträgen davon absehen, allen nachzugeben. Sie kann u. a. solche Beiladungsanträge zurückweisen, die lediglich schon vertretene Interessen verfolgen 50 . Für den Nicht-Beigeladenen bedeutet dies, daß er seine Interessen weder i m Verwaltungsverfahren (als Beigeladener) noch i m gerichtlichen Verfahren der A n fechtungsbeschwerde (als Beteiligter nach § 51 I I Nr. 4 GWB) geltend machen kann. Die Beteiligtenfähigkeit i m Verfahren der Anfechtungsbeschwerde steht somit wesentlich zur Disposition der Kartellaufsicht. Denn sie entscheidet durch das Institut der Beiladung mittelbar selbst darüber, welcher Dritte ihre Entscheidungen später anfechten kann. Der Widerspruch dieser Rechtslage zum verwaltungsgerichtlichen A n fechtungsrecht ist eklatant. Denn die Anfechtungsklage ist dort gerade für jeden Bürger geschaffen, der sich durch das Handeln eines Hoheits42 Vgl. auch Junge, Gemeinschaftskommentar, §51 Rdnr. 11; näher zum Verhältnis von Anhörung und Beiladung im Kartellverfahren vgl. u. a. Starck, BB 60, 465 ff. 43 Nach Art der (verwaltungs-)prozessualen Beiladung (zu dieser vgl. zuletzt Martens,VerwArch 60, 197 ff., 356 ff.) 44 Zur fehlenden notwendigen Beiladung im Kartellverfahren vgl. z.B. Junge, a.a.O., Rdnr. 10 ff.; Langen, Kartellgesetz, §51 Rdnr. 12. 45 Vgl. z.B. KG, WRP69, 157; Junge, a.a.O., Rdnr. 15. 46 Vgl. Junge, a.a.O. 47 Vgl. Langen, a.a.O., § 62 Rdnr. 28; Junge, a.a.O., Rdnr. 16; Zweigert, Gemeinschaftskommentar, § 62 Rdnr. 27. 48 Aus diesem Grunde begründet das „Recht auf Beiladung" (Beiladungsfähiclieit) auch keine (subjektiven) Rechte, die im Beschwerdeverfahren nach §62111 oder § 7 5 1 GWB die Beschwerdebefugnis begründen könnten (vgl. B G H Z 41, 61 [64ff.]; 46, 168 [184f.]; K G WuW/E OLG 540ff.; Mailänder, W u W 65, 657 [663]). 49 Vgl. Junge, a.a.O., Rdnr. 15; Langen, a.a.O., §51 Rdnr. 16 ff.; Frankfurter Kommentar, § 51 Tz 86. 50 Vgl. KG, W R P 69, 157.
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trägers i n seinen Rechten verletzt fühlt: Die Anfechtungsklage soll dem Bürger einen unabhängigen und vor allem allseitigen Rechtsschutz gewährleisten. Eben dies versagt i h m dagegen das GWB, indem es der Kartellbehörde als potentieller Beschwerdegegnerin das Recht gibt, schon die Beteiligtenfähigkeit künftig eventuell anfechtender Wirtschaftssubjekte zu beeinflussen. Die kartellrechtliche Anfechtungsbeschwerde fällt damit aus dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes heraus. Denn sie dient — zumindest hier — nicht der Verfolgung subjektiver Rechtsverletzungen. Ihre Aufgabe ist anderer, objektivrechtlicher A r t . So wie schon die Beiladung der objektiven Verwaltungsaufgabe und deren ordnungsgemäßer Erfüllung zu dienen hat, so t u t dies nach §§ 62 I, II, 51 I I Nr. 4 GWB auch die Anfechtungsbeschwerde. Sie dient gleichfalls den objektiven Zwecken der Kartellaufsicht. Das Beschwerdegericht soll sich nur m i t solchen Einwendungen befassen, die die objektive Richtigkeit der angefochtenen Verfügung betreffen. Denn die Einwendungen, die der objektiv-richtig Beigeladene i n Gestalt „seiner Interessen" erheben kann, sind solche, von denen das GWB annimmt, daß sie für die Erreichung des objektiven Aufsichtszwecks mit maßgebend sind. Andere Interessen braucht die Kartellbehörde schon nicht i m Wege der Beiladung zu berücksichtigen; konsequent sollen sie — mangels Beteiligtenfähigkeit ihrer Träger — auch nicht i m Wege der Anfechtungsbeschwerde durchzusetzen sein. Die Anfechtungsbeschwerde trägt damit die Züge einer objektiven Verwaltungskontrolle. Sie erinnert inhaltlich mehr an die, die objektive Rechtmäßigkeit eines Verwaltungshandelns kontrollierende Beanstandungsklage als an die, die subjektive Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns kontrollierende Anfechtungsklage 51»52. Trotzdem ist die A n fechtungsbeschwerde nicht Beanstandungsklage, weil sie i m Gegensatz zu dieser die Beschwer des Beschwerdeführers voraussetzt 53 . Die A n 51
Vgl. entspr. wohl Bettermann, Bötticher-Festschrift, S. 31 f. Anders verhält es sich dagegen wiederum mit der Rechtsbeschwerde; denn diese trägt wieder die Züge des subjektiven Rechtsschutzes (vgl. vorstehend N. 29). Die Inkonsequenz des kartellrechtlichen Rechtsschutzes verstärkt sich damit noch mehr. Denn i m Bereich der Anfechtung wechselt damit das Rechtsschutzverfahren im Instanzenzug.. I n der Beschwerdeinstanz geht es um die objektive Verwaltungskontrolle; in der Rechtsbeschwerdeinstanz geht es um die subjektive Verwaltungskontrolle! Zumindest de lege ferenda bedarf es hier dringend der Vereinheitlichung. I n der jetzigen Organisation des kartellrechtlichen Rechtsschutzes paßt die Rechtsbeschwerde nur mit der Verpflichtungsbeschwerde und den anschließend anzuführenden Anfechtungsbeschwerden mit subjektivem Kontrolleffekt zusammen. — Zur begrifflichen Unvereinbarkeit von Beanstandungs- und Anfechtungsklage vgl. z. B. Rupp, Grundfragen, S. 158; zur Stellung des Konkurrent ten in der Rechtsbeschwerde vgl. näher noch Mailänder, W u W 65, 657 ff. 63 Dazu, daß die Beanstandungsklage keine Beschwer voraussetzt, vgl. Bettermann, Beschwer, S. 30. 52
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fechtungsbeschwerde steht also zwischen subjektiver Anfechtungs- und objektiver Beanstandungsklage. Ausschließlich-anfechtungsrechtlichen Charakter besitzt die Anfechtungsbeschwerde nur i n den Fällen der Beteiligtenfähigkeit aus § 51 I I Nr. 1, 2 GWB, d. h. dort, wo eine kartellrechtliche Verfügung ihren Antragsteller oder ein sonstiges Wirtschaftssubjekt verletzt, gegen das sich das betreffende Aufsichtsverfahren gerichtet hat 5 4 . c) Inhaltlich berührt sich die kartellrechtliche Anfechtungsbeschwerde des Konkurrenten m i t den zivilprozessualen Drittklageru aus §§13 UWG, 2 1 1 ZugabeVO, 12 I RabattG, 11 WZG. Diese räumen sogar demjenigen Konkurrenten 5 5 , der nicht aktuell i n seinen Interessen berührt ist 5 6 , das Recht ein, unmittelbar die Unterlassung von Verstößen gegen das Verbot unlauteren Wettbewerbs (§131 UWG) 5 7 und die Verbote des Zugabe- ( § 2 1 ZugabeVO) 5 8 und Rabattgesetzes (§ 121 RabattG) 59 sowie die Löschung eines nicht berechtigt geführten Warenzeichens (§ 111, I I WZG 8 0 verlangen zu können. Ohne daß auf die Struktur dieser Klagen hier des näheren einzugehen wäre 6 1 , ist doch ihre Verwandtschaft m i t der kartellrechtlichen Anfechtungsbeschwerde wesentlich. Denn sie trägt zu deren Verständnis einiges bei. Sie offenbart vor allem den weiteren systematischen Zusammenhang, in den die Anfechtungsbeschwerde gestellt ist und aus dem sie m i t zu begreifen ist. Die genannten Zivilklagen dienen sämtlich — ebenso wie die Anfechtungsbeschwerde — der objektiven Wettbewerbsordnung. Sie gewähren einen Rechtsschutz, der sich nicht am subjektiven Aktionensystem des materiellen Zivilrechts, sondern an den objektiven Erfordernissen des „lauteren" oder „funktionierenden" Wettbewerbs orientiert 6 2 . Diese Klagerechte sind dem Dritten nicht i n Erweiterung seiner zivilrechtlichen Ansprüche gewährt. Sie enthalten vielmehr — zumindest i m 54 Entsprechendes gilt für § 51 I I Nr. 3 GWB. Der objektiv-beanstandungsrechtliche Charakter der Anfechtungsbeschwerde setzt sich dagegen wieder bei der Beteiligtenfähigkeit des BKartA nach § 51 I I I G W B durch. 65 Sowie entsprechenden Interessenverbänden; vgl. hier auch §35 I I GWB (zur [Ideal-] Konkurrenz von § 35 I I GWB und § 13 U W G vgl. z. B. B G H Z 28, 208 [223 f.]). 56 Vgl. Hadding, JZ70, 305ff.; Bussmann, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 69, 312 (316 ff.); Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, I, § 13 U W G Rdnr. 5, 8 mit jeweils w. Nachw. 57 I m Sinne der §§ 1, 3, 6, 6 a, 6 b, 10, 11, 12 U W G (vgl. § 131 UWG). 58 I m Sinne des § 1 ZugabeVO (vgl. § 2 1 ZugabeVO). 69 I m Sinne der §§ 2 ff. RabattG (vgl. § 12 I RabattG). 60 Vgl. i m einzelnen näher § 111 WZG. 61 Vgl. statt dessen und zuletzt bes. Hadding, a.a.O.; Bussmann, a.a.O., S.312ff.; Baumbach-Hefermehl, a.a.O. 62 Vgl. Hadding, a.a.O.; Bussmann, a.a.O., S. 316 ff.; Baumbach-Hefermehl, a.a.O.
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
Grundsatz 63 — Popularklagen 64, durch die der Dritte „gleichsam als Vertreter des öffentlichen Interesses" 65 tätig wird. Eine ähnliche Intention liegt der Anfechtungsbeschwerde zugrunde; auch sie berücksichtigt das Schutzbedürfnis des Konkurrenten nicht u m dessen subjektiver oder privater Wettbewerbsinteressen willen 6 6 . Sie setzt den Dritten vielmehr zum Schutz der objektiven oder öffentlichen Ordnungszwecke ein; sie beruft ihn gewissermaßen zum „Funktionär der Gesamtrechtsordnung" (K. H. Biedenkopf) 67 . Diese Stellung des Konkurrenten ist allerdings nicht m i t dem Popularklagerecht versehen. Denn i m Gegensatz zu jenen zivilprozessualen Klagerechten fordern die §§ 62 I, II, 51 I I Nr. 4 GWB über das Moment der erheblichen Interessenberührung die Beschwer des Beschwerdeführers. d) Von der Anfechtungsbeschwerde hat der drittbetroffene Konkurrent demnach wenig subjektiven Schutz zu erwarten. I h m bleibt nur die Verpflichtungsbeschwerde 68 . Denn diese stellt auf die subjektivmaterielle Rechtsstellung des Beschwerdeführers ab (§ 62 I I I 1 GWB). M i t dieser Orientierung gibt i h m aber auch die Verpflichtungsbeschwerde letztlich keinen effektiven Rechtsschutz. Denn hierfür fehlt es wiederu m an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen, da die herrschende Meinung i m Kartellrecht grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Konkurrenten anerkennt 69 . Gerade deshalb hätte die Anfechtungsbeschwerde für den Rechtsschutz des Konkurrenten besondere Bedeutung erlangen können; setzt sie doch keine derartigen subjektiven Rechte voraus. Die Konkurrentenklage krankt i m Kartellrecht also an einem doppelten Dilemma. I n der Gestalt der Anfechtungsbeschwerde wäre 63
Nicht entscheidend ist dabei, ob man im Einzelfall mehr auf eine gesetzliche Prozeßstandschaft (vgl. für § 13 U W G z. B. Berg, JuS 66, 461 [463]) oder besondere gesetzliche Prozeßführungsbefugnis abstellen w i l l (vgl. für § 13 U W G so Hadding, JZ 70, 310 ff.). 64 Vgl. für § 13 U W G z. B. Isay, Das Rechtsgut des Wettbewerbsrechts, 1933, S. 60; Bussmann, a.a.O., S. 318; für § 1 1 W Z G z.B. Hadding, JZ70, 307; a. A. für § 13 U W G Hadding, a.a.O., S. 307 ff. 65 Bussmann, a.a.O.; vgl. dens. auch ebenda: Dritter als »„Prozeßstandschafter 4" der „Institution »Wettbewerb'". 66 Zur prinzipiell gemeinsamen Schutzrichtung von U W G und GWB vgl. grundlegend Ulmer, Sinnzusammenhänge i m modernen Wettbewerbsrecht, 1932, S. 9ff.; vgl. m . w . Nachw. auch Scholz, Z H R 132, 112 ff. 67 Vgl. Böhm-Festschrift, S. 113 (116). 68 Diese wäre unmittelbar einmal gegenüber Unterlassungen (vgl. bes. bei Widerspruchskartellen) sowie gegenüber Einstellungen nach § 57 I I GWB gegeben. Bei Erlaubniskartellen wäre dagegen — zumindest zunächst — nur eine Anfechtimg der Erlaubnis möglich; Schutz bestünde hier also nur für den beigeladenen Konkurrenten. Der Nicht-Beigeladene müßte abwarten, bis das Kartell seine Erlaubnis mißbraucht und eine Verpflichtung der Kartellbehörde zum Widerruf der Erlaubnis zu besorgen ist (§11 GWB). 69 Vgl. sub C I I I 2 ff.; vgl. bes. beispielhaft die oben C I I I 5 mit N. 60 wiedergegebene Konstellation zu § 3 I I I Nr. 3 GWB.
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sie geeignet gewesen, dem Konkurrenten auch gegenüber einer rein objektiv-rechtlichen Güterordnung (im Sinne des herrschenden A u f sichtsverständnisses) wirksamen Schutz zu geben; dies mißlingt i h r jedoch, weil die Beschwerdebefugnis des Konkurrenten dessen Beiladung i m Verwaltungsverfahren voraussetzt. I n der Gestalt der Verpflichtungsbeschwerde wäre die kartellrechtliche Konkurrentenklage imstande, das Erfordernis der Beiladung zu überwinden; indem sie andererseits aber ein subjektives öffentliches Recht des Beschwerdeführers voraussetzt, scheitert sie an jener (angeblich) objektiv-rechtlichen Güterordnung. 3. Die aufsichtsrechtliche Konkurrentenklage zeigt nach alledem ein recht unterschiedliches Bild. I m Bereich der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit hat sie sich als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage prinzipiell durchgesetzt; i m Bereich der Kartellverwaltungsgerichtsbarkeit hat sie dagegen die Schutzbedürfnisse der Konkurrenten bisher nicht befriedigt. Betrachtet und vergleicht man auf diesem Hintergrund das Kartellrecht der Europäischen Gemeinschaften, so muß die konkurrentenfeindliche Konzeption des GWB noch mehr überraschen. Denn das europäische Kartellrecht tendiert deutlich zur allgemeinen Zulassung der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage. Die Grundlagen dieser Rechtslage wurden bereits dargestellt 70 . Das europäische Kartellrecht gewährt dem Dritten danach einen v o l l ausgebildeten subjektiven Verwaltungsrechtsschutz. Der i n seinen materiellen Rechten betroffene Konkurrent ist zur Erhebung von Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage befugt. Das Kartellrecht der Europäischen Gemeinschaften folgt damit ganz dem System der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. M i t dem Rechtsschutzsystem des GWB hat es nur wenig gemein. Denn seine Zielsetzung heißt — auf eine kurze Formel gebracht — nicht objektive, sondern subjektive Verwaltungskontrolle. Uber die Begriffsmerkmale der „unmittelbaren und individuellen" Betroffenheit (Art. 173 I I EWGV) 7 1 hat das europäische Kartellrecht zugleich schon früh den Weg zur Berücksichtigung auch der bloß faktischen Rechtsbeeinträchtigung gefunden (Verwaltungsakt m i t Doppelwirkung) 7 2 ; es hat i m gleichen Zuge die Beschwer als Maßstab der Klagebefugnis entdeckt 78 . Über das Antragsrecht aus A r t . 3 I I lit. b EWG-KartVO (VO 17) hat das europäische Kartellrecht schließlich auch 70
Vgl. oben sub C I I I 3. Zu ihnen vgl. schon die Nachw. oben C I I I N. 24. Vgl. richtunggebend hier Steindorff, Nichtigkeitsklage, S. 26 ff.; ders. auch in: Rechtsbescherming, S. 58 f. 75 Vgl. deutlich Weidinger, Rechtsschutz, S. 13 ff., 84 ff., 103 ff. (104). 71
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
das Problem des materiell- bzw. subjektiv-rechtlichen Antragsrechts zugunsten des Konkurrenten gelöst74»75. 4. Zusammenfassend ist festzustellen, daß der subjektive Rechtsschutz des Konkurrenten gegenüber der Wirtschaftsaufsicht vorerst noch sehr unterschiedlich ausgebildet ist. Während das allgemeine Verwaltungsprozeßrecht und das europäische Kartellrecht dem Konkurrenten einen schon recht wirksamen Rechtsschutz gewähren, fehlen i m nationalen Kartellrecht die Voraussetzungen für einen solchen Rechtsschutz fast vollständig. Das Recht der Konkurrentenklage entspricht i n diesem Sinne wesentlich dem materiellen Konkurrentenrecht. Wo eine materielle Aufsichtsgesetzgebung die subjektiven Interessen des Konkurrenten ausdrücklich mitberücksichtigt, dort läßt das einschlägige Verfahrensrecht auch die öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage zu. Wo das materielle Aufsichtsrecht die subjektiven Interessen des Konkurrenten dagegen nicht berücksichtigt oder nicht zu berücksichtigen scheint, dort w i r d dem Konkurrenten auch ein (effektiver) Rechtsschutz versagt.
V. Kritik 1. Die zuletzt getroffene Feststellung mag zunächst folgerichtig erscheinen. Ungeachtet dessen darf ihre juristische Konsequenz aber nicht über die rechtlichen Fragwürdigkeiten und Inkonsequenzen hinwegtäuschen, die ihr zugrunde liegen. Das bisherige Verständnis von Wirtschaftsaufsicht und subjektivem Konkurrentenschutz zeigt die unterschiedlichsten Schattierungen; es zeigt damit zugleich seine beträchtliche Unsicherheit bzw. mangelnde Grundlegung. A m konsequentesten i n der Ablehnung des subjektiven Konkurrentenschutzes ist das Recht der Kartellaufsicht. A n i h m lassen sich daher die Widerstände und Dissonanzen i m Verhältnis von A u f sichts- und Konkurrentenrecht am besten demonstrieren. Konzentriert man die bisherigen Erkenntnisse auf ihren wesentlichen Aussagegehalt, so läßt sich zunächst folgende Zwischenbilanz ziehen: (a) Die Wirtschaftsaufsicht soll grundsätzlich nur dem öffentlichen Interesse dienen. Das private Interesse des einzelnen Wirtschaftssubjekts soll ihr prinzipiell gleichgültig sein. Es soll sie nur dann interessieren, wenn es zugleich Ausdruck oder Bestandteil des öffentlichen Interesses ist. (b) Die Wirtschaftsaufsicht soll — im öffentlichen Interesse — nur objektivrechtliche Schutzgüter gewährleisten. Subjektive Rechte soll sie grand-
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Vgl. dazu schon mit w. Nachw. oben C I I I 3. Die im GWB fehlende Bescheidungsklage erkennt für das europäische Kartellrecht Steindorff, A W D 63, 357 an. 75
V. Kritik
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sätzlich nicht schützen. Wo sie das einzelne Wirtschaftssubjekt tatsächlich begünstigt, soll sie nur reflex- und nicht subjektiv-rechtlich wirksam sein. (c) Die Wirtschaftsaufsicht soll den subjektiven Konkurrentenschutz daher dem Privatrecht überlassen. (d) Wo die Wirtschaftsaufsicht dem einzelnen Wirtschaftssubjekt (Konkurrent) aktive Teilhaberechte gewähre (Anhörung, Beiladung, Anfechtung), geschehe dies nur aus Gründen des öffentlichen Interesses. Das beteiligte Wirtschaftssubjekt soll insofern nur als „Funktionär" und nicht als (Mit-) Träger der objektiven Gesamtrechtsordnung aktivlegitimiert sein. (e) Die Wirtschaftsaufsicht soll sich nach wie vor an den Funktionsmaximen von punktueller Gefahrenabwehr, individueller Verhaltenskorrektur sowie korrektursteuerndem Opportunitätsprinzip orientieren. (f) Die Wirtschaftsaufsicht soll sich dementsprechend gegenüber Drittbetroffenheiten („Breitenwirkungen") ihrer Maßnahmen wesentlich indifferent verhalten.
Eine kritische Überprüfung dieser Ergebnisse muß zunächst bei deren eigenen Grundlagen oder Prämissen ansetzen; ihre Fragestellung muß zunächst also systemimmanent sein. Eine verfassungsrechtliche Würdigung des referierten Verständnisses von Wirtschaftsaufsicht und Konkurrentenschutz bleibt der anschließenden Betrachtung vorbehalten. Zusammengefaßt lassen sich die Schwierigkeiten i m Verhältnis von Wirtschaftsaufsicht und Konkurrentenschutz auf die Dichotomien von öffentlichem und privatem Interesse, objektivem und subjektivem Recht sowie öffentlichem und privatem Recht zurückführen. I n der einseitigen Betonung oder begrifflichen Überhöhung dieser — an sich vorgegebenen — Dichotomien liegt die besondere Problematik der herrschenden (Kartell-)Aufsichtsdoktrin. 2. Die Wirtschaftsaufsicht dient dem „öffentlichen InteresseDieser Satz ist ebenso richtig wie der Satz, daß die Wirtschaftsaufsicht eine staatliche Aufgabe enthält. Die konkrete Wirtschaftsaufsicht w i r d als staatliche Zuständigkeit organisiert; sie verfolgt das staatliche (wirtschaftspolitische) Interesse an einer bestimmten gesellschaftlichen W i r t schaftsfunktion 1 . Deren Bestand und Wirken liegen i m öffentlichen Interesse. Diese Aussage stellt jedoch noch keinen sachlichen Gegensatz zum privaten Interesse fest. Denn öffentliches und privates Interesse stehen in keinem notwendigen oder begrifflich absoluten Gegensatz2. Das private Interesse kann inhaltlich vielmehr m i t dem öffentlichen Interesse identisch sein, und umgekehrt, öffentliches und privates Interesse können parallel nebeneinander stehen; sie können sich bewußt mitein1
Vgl. näher oben sub B 14. Vgl. näher zuletzt sowie zum folgenden Leisner, DÖV70, 217 ff.; vgl. im übrigen bes. Bachof, Klage, S. 77. 2
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
ander identifizieren. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo der Staat ein bestimmtes Privatinteresse zur eigenen Aufgabe erhebt, d.h. als öffentliche Angelegenheit verfolgt 3 . Ein solcher Tatbestand präkludiert das private Interesse an der betreffenden Angelegenheit nicht. I m Gegenteil, staatliche Öffentlichkeit und gesellschaftliche Privatheit treffen sich hier i n einem besonderen Konsens, den eine demokratische Rechtsstaatlichkeit sogar als idealtypisch anstreben muß. Ein solcher Konsens kann sich bilden, weil öffentliches und privates Interesse lediglich -formale bzw. inhaltsmäßig offene (variable) Begriffsgrößen apostrophieren 4 . Das öffentliche Interesse umschreibt i n diesem Sinne nichts anderes als einen offenen Kompetenzbegriff 5: „öffentliches Interesse" heißt jede i n einer staatlichen Zuständigkeitsentscheidung aufgefangene oder formulierte Zwecksetzung. Deckt oder identifiziert sich diese m i t einem, vom staatlichen Zuständigkeitsgeber vorgefundenen Privatinteresse, so konsentieren — nicht alternieren — öffentliches und privates Interesse. Der materiäle Unterschied von öffentlichem und privatem Interesse ist damit nicht geleugnet. Gezeigt ist nur, daß dieser auf einer anderen Ebene begründet ist, nämlich dem rechtlichen Gegensatz von staatlicher Zuständigkeit und bürgerlicher Freiheit. Wo allerdings auch ein solcher Rechtsunterschied nicht besteht, erweist sich die Alternative von öffentlichem und privatem Interesse vollends als Scheinalternative. Beispiele für solche Scheinalternativen kennt das positive Recht genug. Gerade das Wirtschaftsrecht präsentiert i m wirtschaftlich engagierten („daseinsvorsorgerischen" 8 ) Sozialstaat manches Öffentlichkeitsinteresse, das Privatinteressen folgt oder entspricht 7 . Das gleiche gilt für das Recht der Wirtschaftsaufsicht. Dies haben insbesondere die oben 8 referierten Beispiele aus dem Personenbeförderungsrecht demonstriert 9 . Die Rechtsprechung hat sich bei der Erkennt8
Vgl. näher Leisner, DÖV 70, 219. Vgl. zum öffentlichen Interesse in diesem Sinne bes. Ryffel, in: Wohl der Allgemeinheit, S. 13 (17 ff.); Morstein Marx, ebenda, S. 32 (35 ff.); Rupp, ebenda, S. 116 (117 ff.); Ule, ebenda, S. 125 (126ff.); Lerche, Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt, 1963, S. 35; ders., Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes, 1968, S. 29 f.; ders., AÖR90, 341 (367 f.); Häberle, JuS69, 265 269 f.); Wengler, Völkerrecht, I, 1964, S.61; Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 71 f.; Scholz, Einrichtungen, S. 118. 5 Vgl. in diesem Sinne bes. Wengler, a.a.O.; Lerche, a.a.O.; Ryffel, a.a.O., S. 27 ff.; Morstein Marx, a.a.O., S.41; Häberle, JuS 69, 269; ders., AÖR92, 259 (271); 95, 86, 260 (279ff.); Messner, Briefs-Festschrift, 1968, S.3 (7 ff.); Martens, öffentlich, S. 186ff.; zur entsprechenden „GemeinwohljudiJcatur" vgl. Häberle, AöR 95, 103, 272 ff., 279 ff. 6 Zu diesem Begriff vgl. gerade im Hinblick auf den vorliegenden Zusammenhang schon Scholz, Einrichtungen, S. 120 ff. 7 Vgl. Leisner, D Ö V 70, 219 f. 8 Vgl. sub C I I I 9 d. 9 Vgl. auch Leisner, DÖV 70, 219 m. N. 25. 4
V.Kritik
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nis dessen allerdings, wie gleichfalls schon gezeigt 10 , recht schwer getan. Das BVerwG verstand es hier noch nicht, sich ganz vom Alternativdenken zu lösen. Es suchte die vom PBefG für rechtlich maßgebend erachteten Privatinteressen des Altunternehmers in wenig glücklicher Beweisführung einmal als ausschließliche Öffentlichkeitsinteressen zu begreifen bzw. diesen unterzuordnen, und sah sich zum anderen doch genötigt, dem Altunternehmer ein eigenes („privates") Klagerecht einzuräumen. Dabei hätte das Gericht dieser Inkonsequenz leicht ausweichen können, wenn es die inhaltliche Identität von öffentlichem und privatem Verkehrsinteresse als solche aufgenommen und anerkannt hätte. Immerhin ist das BVerwG i m Ergebnis diesem Verhältnis inhaltlicher Identität von öffentlichem und privatem Interesse gerecht geworden, indem es die öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage für den Altunternehmer zugelassen hat. Eine bedeutsame Distanzierung von der „Alternative" zwischen öffentlichem und privatem Interesse ist dem BVerwG inzwischen i m Recht des bauaufsichtsrechtlichen Nachbarschutzes gelungen. Auf diesem, dem Konkurrentenrecht ja ohnehin vorauseilenden Gebiet verzichtet das BVerwG neuerdings auf das Interessenkriterium 11 . Das Gericht hat erkannt, daß es für die Frage nach dem subjektiven Nachbarrecht nicht allein auf die — „öffentliche" oder „private" — Interessenrichtung einer Baurechtsnorm, ankommen kann 1 2 , und stellt statt dessen auf den „hinter" der baurechtlichen Interessenentscheidung stehenden Rechtsentscheid der Verfassung ab (Art. 14 GG) 1S . Die Kartellrechtsprechung des B G H sieht sich dagegen noch voll in der überkommenen Betrachtungsweise verfangen. Vor allem i n seinen Entscheidungen vom 25. 2. 59 14 und 14.11. 6815»16 hat der B G H einseitig das öffentliche Interesse am Kartellrecht betont und dem privaten (Konkurrenten-)Interesse jeden öffentlich-rechtlichen Schutz versagt. Diese Rechtsprechung muß schon angesichts der Tatsache überraschen, daß die Kartellaufsicht ja nach überwiegender Ansicht auch den privaten Wett10
Vgl. sub C I I I 9 b. VgL für § 31 BBauG BVerwG, DVB170, 61 f.; für §34BBauG BVerwG, DVB169, 753 ff. = NJW69, 1787 ff. m. zust. Anm. R. Schmidt, NJW69, 2162 f.; BVerwG, DVB170, 57ff.; 70, 60f.; 70, 62ff.; 70, 66; für §35BBauG BVerwG, DVB169, 263ff. m. Anm. Bartlsperger, DVB169, 265 ff.; BVerwG, DVB169, 267 f. 12 VgL DVB169, 263 f.; 69, 268. 13 Vgl. DVB169, 754 f.; 70, 58 f.; 70, 60; 70, 61 f.; 70, 62; 70, 66. 14 B G H Z 29, 344 (347 ff.). 15 B G H Z 51, 61 (65 ff.). 16 Auffallend an dieser konkurrentenunfreundlichen Entscheidung ist auch der Umstand, daß sie in dieser Form noch fast drei Monate nach der grundlegenden Entscheidung des BVerwG vom 30. 8. 68 zur prinzipiellen Zulässigkeit der verwaltungsgerichtlichen Konkurrentenklage (BVerwGE30, 191 ff.), ergehen konnte. 11
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
bewerbs- bzw. Freiheitsinteressen verpflichtet ist. Hätte man m i t diesem Bekenntnis ernstgemacht, so hätte eine öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage keinesfalls unter Berufung auf das öffentliche Interesse negiert werden dürfen. Umgekehrt wäre aber auch eine Zulassung der Konkurrentenklage allein unter Berufung auf das (mit-)geschützte Privatinteresse noch nicht zwingend. Denn die bloße Abgrenzung nach öffentlichem u n d / o d e r privatem Interesse ist juristisch verfehlt. Sie verschiebt lediglich das Problem. Denn es kommt — zumindest zunächst 17 — nicht auf die tatsächliche Interessenlage, sondern auf die interessenordnende oder -wertende Rechtslage an. Verfaßt diese die („öffentlichinteressierende") Staatszuständigkeit zum Gegensatz der („privatinteressierenden") Bürgerfreiheit, so wäre ein subjektives Recht zugunsten des privaten Konkurrenteninteresses immerhin fraglich. Verstünde sich die gesetzliche Regelung dagegen nicht als bloß objektivrechtliche Staatszuständigkeit, so wäre der Weg zum subjektiven Konkurrentenschutz m i t Sicherheit freigegeben. Das subjektive Recht des Konkurrenten erfüllte i n diesem Fall nicht etwa nur ein dem öffentlichen Interesse entgegengesetztes Privatinteresse; seine Gewährung erfüllte vielmehr gerade auch das öffentliche Interesse 18 . Kritisch ergibt sich damit, daß die namentlich von der Rechtsprechung des B G H bevorzugte Abgrenzung bloß nach öffentlichem und privatem Interesse für die Frage nach dem Bestehen des subjektiven Konkurrentenschutzes nicht maßgebend sein kann. 3. Die Frage des subjektiven Konkurrentenschutzes beurteilt sich demnach nach der rechtlichen Schutzgüterordnung der einzelnen Aufsichtsgesetzgebung. Ist diese ausschließlich objektiv-rechtlich verfaßt, so entfällt grundsätzlich ein Konkurrentenschutz; ist diese (auch) subjektiv-rechtlich anzusehen, so ist ein entsprechender Schutz gegeben. a) Diese Feststellung gibt zunächst eine bloße Selbstverständlichkeit wieder. Denn so wie dem einzelnen allgemein kein klagbarer Anspruch auf Gesetzesvollzug oder objektive Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zusteht, so verfügt der Dritte auch i m Aufsichtsrecht über kein subjektives Recht auf objektiv-gesetzmäßige Ausübung der (Wirtschafts-) A u f sieht 19 . Von dieser Erkenntnis geht auch die herrschende Meinung aus. Sie fragt bei jeder, den Konkurrenten tatsächlich begünstigenden Aufsichtsnorm nach deren objektiv- oder subjektiv-rechtlichem Inhalt. Zur Beantwortung dieser Frage w i r d nahezu durchgehend auf die sog. Schutzzweck17 Zur ergänzenden Abgrenzungswirksamkeit der Unterscheidung von öffentlichem und privatem Interesse vgl. noch sub D I I I 6. 18 Vgl. ebenso zum Aufsichtsrecht in der Sozialversicherung Schnapp, Die Betriebskrankenkasse 69, 97 (100). 19 Vgl. für die Versicherungsaufsicht z.B. BVerwGE30, 135 (137); zur Bauaufsicht vgl. zuletzt z. B. Grundei, NJW 70, 834.
V. Kritik
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theorie abgestellt 20 . I n der Praxis führt deren — schon fast zur Leerformel erstarrte — Abgrenzung zwischen objektivem und subjektivem Recht jedoch nicht selten zur vorschnellen oder problemverschiebenden Verneinung subjektiver Rechte. Schuld daran ist die einseitige Orientierung am Willen des einfachen Gesetzes („bezweckte", „beabsichtigte Begünstigung des Dritten"). Denn mit ihr stellt man die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen subjektiver Rechte zunächst ganz in das Belieben des Gesetzgebers. A u f entgegengesetzte — namentlich verfassungsrechtliche 21 — Wertentscheidungen zugunsten des einzelnen nimmt man keine Rücksicht und ermöglicht damit auch die w i l l k ü r liche oder verfassungswidrige Ausschließung subjektiver Rechte. Die Schutzzwecktheorie hat aus diesem Grund bereits gewichtige K r i t i k erfahren 22 . Abgesehen von dieser materiellen, mehr an den höherrangigen Rechtsentscheidungen der Verfassung orientierten K r i t i k vermag die Schutzzwecktheorie jedoch auch aus sich selbst nicht zu überzeugen. Denn ihr Versuch, den Willen des Gesetzes zum maßgebenden K r i t e r i u m zu erheben, ebnet eher scheinjuristischer Spekulation als wirklich juristischer Deduktion den Weg. Charakteristisch hierfür ist das Ausweichen der Schutzzwecktheorie auf Maßstäbe wie die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Interesse. Denn in ihr liegt, wie schon vorstehend gezeigt, wiederum nichts anderes als eine petitio principii. Von ähnlicher Fragwürdigkeit ist jenes Argument, demzufolge subjektiv-rechtliche Begünstigungen ein definitives Handlungsgebot oder -verbot voraussetzen sollen 28 . Dieses Argument hat im Kartellrecht z. B. dazu gedient, der nach § 1 1 1 GWB „bloß" m i t rechtsgeschäftlicher Nichtigkeitsfolge bedrohten Kartellvereinbarung den Schutzzweckcharakter zu versagen 24»25. Der hierbei sachlich vorausge20
Vgl. näher und m. Nadiw. oben sub C I I I 5. Zu diesen vgl. noch ausführlich sub D I I . 22 Vgl. bes. Henke, Recht, S. 33 ff., 40 ff., 57 ff., 76; Bartlsperger, VerwArch 60, 39, 47 ff.; ders., DVB1 69, 265 (266); Bernhardt, JZ 63, 302 (303ff.); R. Schmidt, NJW67, 1638ff.; vgl. auch Bachof, Jellinek-Gedächtnisschrift, S. 287 (292 ff.); ders., DVB161, 128 (130). 25 Vgl. hierzu oben sub C I I I 5 m. Nachw. N. 49. 24 VgL z.B. Müller-Gries-Giessler, GWB, §35 Rdnr. 6; Benisch, Gemeinschaftskommentar, § 35 Rdnr. 1, 5. 25 Ein entsprechendes Beispiel findet sich z. B. in der Entscheidung des B G H vom 26. 5. 61 (DVB162, 102 ff.) zum Schutzzweckcharakter der gemeindewirtschaftsrechtlichen Nachfolgevorschriften zu § 67 DGO (im entschiedenen Fall: §.69NrwGO). Nachdem der B G H hier ausdrücklich festgestellt hat, daß § 6 9 N r w G O unmittelbar den „Zweck" „verfolgt", die Privatwirtschaft vor der Konkurrenz der Gemeindewirtschaft zu schützen, verneint er den Schutzgesetzcharakter (im Sinne des §823 I I BGB) doch, weil § 6 9 N r w G O eines „bestimmten, dem Schutzzweck dienenden Ge- oder Verbots" ermangele (a.a.O., S. 104). — Ein konstruktiv höchst unbefriedigendes Ergebnis; denn wenn § 6 9 N r w G O die Gemeinden zur wirtschaftlichen Zurückhaltung zugunsten der Privatwirtschaft verpflichtet, wie soll hier noch ein Mehr an „Ge- oder Verbot" nötig sein? 21
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
setzte Unterschied zwischen Vereinbarungsverbot und Vereinbarungsnichtigkeit besteht indessen nicht. Denn warum sollte die Kartellvereinbarung nichtig sein, wenn sie nicht verboten oder für verbotswürdig befunden worden wäre 26 ? Aus allen diesen Gründen verbietet sich eine vorbehaltlose Anwendung der Schutzzwecktheorie. Richtig an i h r ist lediglich die Ausgangsfrage nach der objektiv- oder subjektiv-rechtlichen Schutzgebung einer Norm. Nicht zutreffend sind dagegen die von ihr bisher zur Beantwortung dieser Frage eingesetzten Maßstäbe. Hier bedarf es des Aufbaus anderer, rechtsgültiger und -effektiver Interpretationskriterien; eine Erkenntnis, die vor allem das BVerwG i n seiner jüngsten Rechtsprechung zum baurechtlichen Nachbarschutz beherzigt hat 2 7 . b) Bevor sich eine aufsichtsrechtliche Norm allerdings auf die Suche nach einem solchen K r i t e r i u m begeben darf, hat sie sich noch eines anderen, prinzipiellen Mißverständnisses zu entledigen. Wie bereits mehrfach ausgeführt, versteht die ganz herrschende Lehre das allgemeinere Schutzgut der Wirtschaftsaufsichten durchweg als objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung. Die Folge hiervon ist, daß auch die i m Einzelfall anzuwendende Aufsichtsnorm regelmäßig i m objektiv-rechtlichen Sinne interpretiert wird. Obwohl der einzelnen Vorschrift an sich der interpretative Vorrang der spezialen Schutzgutbestimmung zukäme, pflegt die Anwendung der Schutzzwecktheorie doch zumeist bei jener generalen Schutzgutregel zu enden. Der Grund dafür ist unschwer auszumachen. Gibt die auszulegende Norm nämlich — und wie nur allzu oft — über ihren (spezialen) Schutzwillen keinen Aufschluß, so bleibt nur der Rückschluß auf den generalen Schutzwillen des Gesetzes. Dieses Vorgehen wäre methodisch bedenkenfrei, wenn die generale Schutzgutentscheidung wirklich so beschaffen wäre, wie von ihr allgemein erwartet wird. Dies ist jedoch häufig nicht der Fall. Denn das typisch-generale Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht ist weder (nur) objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung noch (nur) subjektiv-rechtliche Individualbegünstigung. Es ist vielmehr, wie die obigen Untersuchungen ergeben haben 28 , beides i n einem. Denn das generale Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht ist objektiver Institutionsschutz. Es sichert grundsätzlich nur bestimmte gesellschaftliche Wirtschaftsfunktionen, ohne sich um deren objektiv- und/oder subjektiv-rechtlichen Grundlagen zu kümmern. Diese Sicherung erfolgt zwar mittels bestimmter objektiv-rechtlicher Ordnungsmittel. Dieser Einsatz des objektiven Rechts besitzt aber nur instrumentellen Sinngehalt. Er darf nicht so gedeutet werden, als Dazu, weshalb dieser Entscheidung im Ergebnis doch, wenn auch aus anderen Gründen, zuzustimmen ist, vgl. Scholz, Einrichtungen, S. 80 m. N. 140. 26 Ein Rechtsgedanke, der sich in § 134 BGB ausdrücklich festgehalten sieht. 27 Vgl. die Nachw. vorstehend N. 11. 28 Vgl. sub B 14 ff.
V. Kritik
ob durch i h n auch die zu sichernde Wirtschaftsfunktion selbst objektivrechtliches bzw. normativ geschlossenes Schutzgut geworden wäre. „Wettbewerb", „Verkehr", „Energieversorgung" usw. bleiben auch unter dem Schirm des objektiv-rechtlichen Aufsichtsmittels gesellschaftliche Lebenssachverhalte. Sie sind als solche zu sichern, d. h. als Institutionen i m definierten Sinne. Dies bedeutet, daß die Frage, ob das (generale) Schutzgut einer W i r t schaftsaufsicht objektiv- oder subjektiv-rechtlichen Charakter hat, fast notwendig offenbleiben muß. Denn wenn sich die einzelne Aufsicht um den Schutz einer von ihr tatsächlich vorgefundenen und i n ihrem rechtlichen Bestand vorausgesetzten Wirtschaftsfunktion bemüht, so kann die objektiv- oder subjektiv-rechtliche Schutzwirkung der Aufsicht nicht unabhängig von dieser Wirtschaftsfunktion sein. Das Instrumentarium der Aufsicht knüpft an die reale Wirtschaftsfunktion an und sichert sie noch zusätzlich, d. h. über deren eigene (ursprüngliche) Rechtsgrundlagen hinaus. Die Schutzwirkung der Wirtschaftsaufsicht hat also immer ergänzenden und damit relativen Inhalt. Sie ergänzt z. B. i m Kartellrecht das zivilrechtliche Aktionensystem wirtschaftlicher (Wettbewerbs-)Freiheit. Indem sie dies tut, setzt sie jene privaten Wettbewerbsrechte voraus. Sie ordnet sich ihnen gewissermaßen unter, weil sie sich nur als Ergänzung oder Unterstützung verstanden wissen w i l l . Dies bedeutet wiederum, daß der rechtliche Ordnungsanspruch der W i r t schaftsaufsicht nicht losgelöst vom Unterstützungsobjekt gesehen werden kann. Ist die aufsichtsrechtlich zu unterstützende Wirtschaftsfunktion „Wettbewerb", „Verkehr" usw. i n ihren eigenen, vorgegebenen Ordnungsgrundlagen objektiv-rechtlich verfaßt, so w i r d auch der unterstützende Schutz der Wirtschaftsaufsicht meist objektiv-rechtlichen Zwecken dienen. Ist die betreffende Wirtschaftsfunktion dagegen subjektiv-rechtlich angelegt, so w i r d auch die Wirtschaftsaufsicht wesentlich subjektivrechtlichen Schutzgütern verpflichtet sein. Diese Relativität des (generalen) Schutzgutes ist gemeint, wenn man darauf abhebt, daß die Wirtschaftsaufsicht auf die bestehensmäßige und nicht entstehensmäßige Sicherung wirtschaftlicher Funktionen gerichtet ist. Die Wirtschaftsaufsicht nimmt, zumindest typischerweise, keinen Einfluß auf das Entstehen oder die Initiierung einer Wirtschaftsfunktion. Sie kann dies nicht tun, weil sie sonst den Charakter der zusätzlichen Sicherung verlöre und in die Rolle der offensiv-steuernden W i r t schaftslenkung verfiele. Wirtschaftslenkung i n diesem Sinne hieße aber, daß die einzelne Sicherungsnorm plötzlich auf die rechtlichen Entstehensgrundlagen der betreffenden Wirtschaftsfunktion zurückgriffe und auf diese m i t begründenden (initiierenden) oder entsprechend verpflichtenden Rechtsgehalten einwirkte. Die einzelne Sicherungsnorm
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
verfügte jetzt tatsächlich über ein echtes (normativ-geschlossenes) objektiv-rechtliches Schutzgut. Solange die Sicherungsnorm aber keine derartigen Verpflichtungen aufstellt, das Entstehen der Wirtschaftsfunktion also den rechtlich und tatsächlich vorgebenen Verhältnissen überläßt, solange enthält sie kein Schutzgut i n jenem Sinne, solange ist sie Aufsichts- und nicht Lenkungsnorm. Diesen Charakter erhält sich die Wirtschaftsaufsicht dadurch, daß sie sich bloß als Institutionsschutz versteht, ihre Schutzwirkungen also nur gesellschaftlich schon wirksamen und rechtlich anderweit begründeten Wirtschaftsweisen i n ausschließlich ergänzender (instrumenteller) Zielsetzung gewährt. Aus der Relativität der (objektiv- oder subjektiv-)rechtlichen Schutzrichtung des aufsichtsrechtlichen Institutionsschutzes ergibt sich, daß der geschilderte Rückschluß auf das angeblich objektiv-rechtliche Generalschutzgut der Wirtschaftsaufsicht verfehlt ist bzw. interpretativ vorgreift. Denn die wirkliche Schutzrichtung einer Wirtschaftsaufsicht läßt sich nicht ohne Bezug auf die Ordnungsgrundlagen der konkret geschützten Wirtschaftsfunktion ermitteln. c) Dies bedeutet für die Kartellaufsicht, daß ein subjektiv-rechtlicher Konkurrentenschutz nur dann gegeben sein kann, wenn die „institutionellen" Sicherungen des Kartellrechts sich i m Konnex m i t einer privatrechtlich-subjektiven Wettbewerbsfreiheit verstehen. K n ü p f t das GWB dagegen an eine objektiv-rechtliche Grundgewährleistung des Wettbewerbs an, so w i r d ein subjektiver Konkurrentenschutz zumindest öfter entfallen; denn dann wäre auch die Schutzgüterordnung des GWB wesentlich objektiv-rechtlich orientiert. Objektiv- und subjektiv-rechtliche Orientierungen dieser A r t können natürlich wechseln oder auch gemeinsam auftreten. I m Kartellrecht könnten sich z. B. für den Schutz des Wettbewerbs objektiv- und subjektiv-rechtliche Gewährleistungsgrundlagen ergeben. I n diesen oder ähnlichen Fällen bedarf das Schutzgutverständnis der weiteren Auffächerung. Jetzt kommt es wesentlich auf die speziale Schutzwirkung der einzelnen Aufsichtsnorm an. Zusammenfassend ist demnach festzustellen, daß ein einseitig objektiv-rechtliches Schutzgutverständnis von vornherein fragwürdig ist. Denn die einzelne Aufsichtsgesetzgebung gibt regelmäßig keinen Aufschluß über ihre objektiv- oder subjektiv-rechtlichen Schutzintentionen. Sie orientiert sich allein an der realen Wirtschaftsfunktion; sie sucht unmittelbar nur diese zu sichern. Daß die Sicherung i m Einzelfall dann zum objektiven oder subjektiven Recht ausschlägt, ist der Aufsichtsgesetzgebung grundsätzlich gleichgültig. Denn dieser Effekt liegt — jedenfalls i m Fall des typischen Institutionsschutzes — außerhalb ihrer
V. Kritik
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eigenen Regelung. Er ist lediglich indirekte Folge des rechtlichen Eigene Verständnisses der konkret aufsichtsgesicherten Wirtschaftsfunktion. d) Für die Schutzwirkung der Kartellaufsicht hatte sich bereits ergeben, daß eine objektiv-rechtliche Schutzgutbestimmung jedenfalls nicht von vornherein unterstellt werden darf. Eine isolierte Betrachtung des GWB würde überdies m i t mindestens ebensoviel Berechtigung eine subjektiv-rechtliche Schutzgutbestimmung zulassen. Denn die Tatbestände des GWB sind durchgehend drittbezogen 29. Sie orientieren ihren rechtlichen Ordnungsanspruch an der wettbewerblichen Betroffenheit der Konkurrenten und schaffen damit ein kräftiges Indiz für deren auch subjektiv-rechtliche Begünstigung. Aus diesem Grunde hätte die herrschende Meinung i n bzw. gerade wegen ihrer „kartellrechtsautonomen" Schutzzweckbestimmung eigentlich zu einer subjektiv-rechtlichen Interpretation der Tatbestände von Kartellverbot, unternehmensrechtlichem Mißbrauchsverbot usw. gelangen müssen. Denn für eine solche, auf das (Kartell-)Gesetz selbst beschränkte Schutzzweckbewertung können Drittbegünstigungen, wie sie das GWB u. a. i n den §§ 1 ff., 22 kennt, kaum als bloß zufällige (reflexive bzw. nicht-gewollte) Schutzwirkungen abgetan werden. Dies gilt schließlich umso mehr deshalb, als der Schutz der privaten Wettbewerbsfreiheit ja auch i m generalen Schutzzweck des GWB mitenthalten sein soll. Die Ergebnisse der herrschenden Praktizierung der Schutzzwecktheorie vermögen also selbst dann nicht zu überzeugen, wenn man ihrem eigenen Ausgangspunkt folgt 8 0 . Nach der hier vertretenen Auffassung beansprucht das Kartellgesetz aber weder i n der einen noch in der anderen Richtung abschließende Verbindlichkeit. Als Recht der Wirtschaftsaufsicht bezweckt es unmittelbar nur den objektiven Institutionsschutz; es entzieht sich daher der direkten Fixierung auf objektive oder subjektive Rechte. Derartige Festlegungen erlaubt sich das GWB erst i m Konnex m i t den weiteren (außer-kartellrechtlichen) Gewährleistungsgrundlagen von Wettbewerb und Wettbewerbsfreiheit. Eine gültige Beantwortung der Frage, ob das GWB einen subjektiv-rechtlichen Konkurrentenschutz zuläßt, muß also auf diese Grundlagen zurückgreifen 81 . Diese Feststellung w i l l jedoch nicht über die stark indiziellen Aussagen des GWB hinwegführen. I m Gegenteil, die materielle Drittbezogenheit der kartellrechtlichen Tatbestände und der intensive Ausbau der formellen Beteiligungsrechte des Dritten legen den Schluß auf eine 29
Vgl. dazu oben sub B I I 5 ff. Vgl. in diesbezüglicher Kritik bes. v.Köhler, VerwArch54, 262 (271 ff.); vgl. in Ablehnung von B G H Z 51, 61 ff. ( = WRP 69,151 ff.) auch Lipps, W R P 69,368 f. 31 Vgl. hierzu im folgenden sub D I V . 30
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
wesentlich subjektiv-rechtliche Schutzrichtung durchaus nahe 32 . Mehr als eine solche Vermutung läßt das GWB jedoch nicht zu58»34. Denn es wäre umgekehrt ebenso denkbar, daß gerade jene Beteiligungsrechte wirklich nur der objektiven Gesetzmäßigkeit der Kartellauf sieht dienen sollen. Gegen diesen, von der herrschenden Lehre gezogenen Schluß spricht indessen, daß auch der Rechtsschutz des Dritten m i t der kartellrechtlichen Anfechtungsbeschwerde an jene Beteiligungsrechte gebunden ist 85 . 4. Die These des B G H von der angeblichen Subsidiarität des kartellrechtlichen Konkurrentenschutzes gegenüber zivilrechtlichen Abwehransprüchen 86 steht nicht nur i m Gegensatz zur Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte 87 . Sie widerspricht auch dem geltenden Recht — eine Feststellung, die ebenso i m materiellen Recht wie i m Prozeßrecht begründet ist. Das materielle Kartellrecht begründet keinen Vorrang zugunsten der zivilrechtlichen Ansprüche aus § 35 GWB etc. Das Verfahrensrecht unterläßt dies ebenfalls, öffentlich- und privatrechtliche Konkurrentenansprüche sind nach Inhalt und Parteien von vornherein verschieden. Sie begründen daher auch keine identischen Streitgegenstände; ein Vorrang zugunsten des einen oder anderen Streitgegenstandes ist daher ausgeschlossen. a) Den einzigen Gesichtspunkt, unter dem sich eine Subsidiarität der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage diskutieren ließe, bildet das Rechtsschutzbedürfnis. I n diese Richtung zielt wohl auch die Argumentation des BGH, wenn einmal die Aufspaltung des Konkurrentenschutzes i n öffentlich- und privatrechtliche Ansprüche für unzweckmäßig 88 und zum anderen die Heranziehung der staatlichen Aufsichtsinstanz angesichts der Möglichkeit privaten Selbstschutzes für unnötig erklärt w i r d 8 9 . Beide Argu32 I m Sinne einer solchen Indizwirkung von formellen Beteiligungsrechten vgl. allgemein auch (Maunz-)Dürig(-Herzog), GG, Art. 1 9 I V Rdnr. 34; Rupp, Grundfragen, S. 248 f. 33 I m Sinne eines solchen Vermutungsdenkens als Grundlage für die interpretative Anerkennung subjektiver öffentlicher Rechte vgl. grundlegend Bachof, Jellinek-Gedächtnisschrift, S. 303; ders., W D S t R L 12, 37 (74); im Anschluß oder ebenso BVerfGE 15, 275 (281 f.); Rüfner, DVB1 63, 609 (611); Rupp, a.a.O., S. 246 ff.; (Maunz-)Dürig(-Herzog), a.a.O., Rdnr. 37 sowie bereits Bühler, Rechte, S. 45; vgl. kritisch demgegenüber Evers, JuS 62, 89; zum Ganzen vgl. auch noch unten D I I 5. 34 Die begriffliche Unsicherheit einer Betrachtungsweise, die schon aus solchen (materiellen) Drittbezogenheiten und (formellen) Beteiligungsrechten auf einen materiell-geschlossenen Status subjektiver Rechte schließen will, belegt die Rechtsprechung des BVerwG zum Personenbeförderungsrecht (vgl. hierzu m. Nachw. oben C I I I 9 b). 36 Vgl. näher sub C I V 2 b . 36 Vgl. BGHZ29, 344 (347 ff.); 51, 61 (67 ff.). 37 Vgl. die Nachw. oben C I I I N. 81. 38 Vgl. bes. B G H Z 29, 348 f. 39 Vgl. bes. B G H Z 51, 67 f.
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mente sind indessen nicht geeignet, das Rechtsschutzbedürfnis für die öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage auszuschließen. I m Gegenteil, für deren Zulassung streitet inzwischen sogar ein recht gravierendes Bedürfnis. Denn Recht und Wirklichkeit lassen heute keinen effektiven Privatrechtsschutz mehr zu. Das klassische Leitbild der auch i n der Austragung wirtschaftlicher Konflikte autonomen „Privatrechtsgesellschaft" ist längst dem der sozial abhängigen, auf die staatliche Streitschlichtung angewiesenen Industriegesellschaft gewichen 40 . Das materiale Ziel des Kartellrechts, die Brechung und Hinderung freiheits- und leistungsfeindlicher Wirtschaftsmacht, kann vom einzelnen Wirtschaftssubjekt heute nicht mehr durchgesetzt werden. Das auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes angewiesene Wirtschaftssubjekt ist legelmäßig der wirtschaftlich schwächere Part. I h m muß der Staat also helfen; er kann es nicht auf das Prinzip der (zivilprozessualen) Selbsthilfe verweisen. Denn jeder Zivilprozeß dieser A r t würde m i t ungleichen Waffen ausgetragen werden. Der gerichtliche Angriff etwa auf eine Wettbewerbsbeschränkung, die dem Konkurrenten den Ruin androht, w i r d meist schon an Beweisschwierigkeiten scheitern 41 . Denn den Beweis für eine unzulässige oder gar diskriminierende Konzentration können i n der Regel nur die m i t den M i t t e l n der Untersuchungsmaxime ausgestatteten Kartellbehörden (§ 54 I GWB 4 2 ) und Kartellgerichte (§ 69 I GWB) führen. Selbst wenn es dem privaten Kläger jedoch gelänge, auch i m Zivilprozeß die erforderlichen Beweise anzutreten, so müßte er i m übrigen doch m i t wirtschaftlichem Druck oder gar Repressalien rechnen 43 . Der Prozeß würde sich i n vielen Fällen zum wirtschaftlichen Machtkampf auswachsen; ein Machtkampf, der, selbst wenn er nur über Streitwert, Kosten und zeitraubende Ausschöpfung aller Rechtszüge ausgetragen würde, letzten Endes kaum vom Recht, sondern von der größeren Wirtschaftskraft gewonnen würde. b) I n diesem Sinne ist es kein Zufall, wenn zur Zeit gerade die Fragen des „rechtsstaatlichen Gerichtsschutzes im Privatrecht" 44 intensiver 40
Vgl. dazu oben s u b C H . Vgl. Lipps, WRP69, 368; Schwarz, WuW67, 175 (176); vgL weiterhin z.B. Steindorff, AWD63, 353; Mailänder, Privatrechtliche Folgen, S. 13f. 42 Wenn es in § 541 GWB heißt, die Kartellbehörde „kann" alle erforderlichen Ermittlungen führen, so darf hierin kein Ermessen gesehen werden; die Kartellbehörde ist vielmehr zur Ermittlung verpflichtet Verfassungskonform gelesen heißt „kann" in § 5 4 1 also „muß"; oder anders ausgedrückt: Das Wort „kann" meint nur die (verpflichtende) Ermächtigung der Kartellbehörde zur Untersuchungsmaxime. 43 Vgl. Steindorff, A W D 63, 360. 41 Vgl. so der Titel der gleichnamigen Untersuchung von Dütz aus dem Jahre 1970; zum Effektivitätsproblem vgl. hier bes. S. 115 ff. 41
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
denn je diskutiert werden 4 5 . Denn die Effektivität des privatrechtlichen Hechtsschutzsystems sieht sich heute gerade durch wirtschaftliche Ungleichgewichte ernsthaft bedroht 46 . Namentlich wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten spielen allzu oft vor einem sozialen Hintergrund der die vom Prozeßrecht vorausgesetzte Chancengleichheit zur Fiktion verurteilt. Diese Verhältnisse lassen einen auch i m Kartellrecht wirksamen Verwaltungsrechtsschutz unabdingbar erscheinen. Denn nur er ist geeignet, auch dem Einsatz wirtschaftlicher Macht wirksam zu begegnen 47 . Wenn der B G H ungeachtet dessen auf der Subsidiarität der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage gegenüber den Ansprüchen des Zivilrechts beharrt, so zeugt dies von einer zumindest nicht vollkommenen Einsicht i n die tatsächlichen Wirtschaftsverhältnisse und die gewandelten Aufgaben der Kartellaufsicht. Der B G H läßt den Sinn für die Wirklichkeit zum Beispiel dort vermissen, wo er gegenüber der Zulassung der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage ausführt, es entspreche „nicht dem Grundgedanken des Kartellgesetzes", „die Privatinitiative des betroffenen Unternehmens bei der Geltendmachung von Ansprüchen einzuschränken und die Kartellbehörde gewissermaßen monopolistisch mit Aufgaben zu betrauen, die der E i n z e l n e . . . auch selbst wahrnehmen kann" 4 8 . Unabhängig davon verschiebt der B G H aber auch die Fragestellung. Denn wie sollte der Private i n seinen Ansprüchen eingeschränkt sein, wenn er die zusätzliche Möglichkeit erhält, sich auch i m öffentlich-rechtlichen Klageweg unzulässiger Wettbewerbsbeschränkungen zu erwehren? Und weshalb sollte die Kartellaufsicht plötzlich „monopolistisch" zuständig sein, wenn der Private neben seinen zivilprozessualen Klagerechten das Recht hätte, auch die Kartellaufsicht zum Einschreiten zu verpflichten? A u f der anderen Seite dürfen die Zuständigkeiten der Kartellaufsicht sicherlich nicht überfordert werden. Auch von der Kartellaufsicht kann nicht für jedes private Wettbewerbsinteresse Schutz erwartet werden. Dem privaten Schutzverlangen setzt insofern der allgemeine und legitime Grundsatz von der Effektivität der Verwaltung gewisse Grenzen. 45 Vgl. gerade i m hier interessierenden Zusammenhang auch Fechner, JZ 69, 349 ff.; Däubler, BB 69, 545 ff. 46 Vgl. Fechner, JZ 69, 351. 47 Dies erkennt jetzt wenigstens für § 18 GWB auch der Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des G W B an. So heißt es in der Begründung zur Neufassung des § 18, daß die Erfahrungen seit 1965 gezeigt hätten, daß der zivilrechtlidie Individualschutz nicht ausreiche und daß dem gebundenen Vertragspartner deshalb neben den zivilrechtlichen Klagemöglichkeiten. auch der Schutz eines kostenfreien kartellbehördlichen Amtsverfahrens zu verschaffen sei. 48 B G H Z 29, 349.
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Diese rechtfertigen jedoch keinen völligen Ausschluß subjektiver Konkurrentenrechte. Es bedarf insoweit vielmehr der Abwägung zwischen dem Schutzbedürfnis des einzelnen und der Schutzpflicht der Kartellbehörde 49 . c) Als Zwischenergebnis ist demnach das allgemeine Bedürfnis für die uneingeschränkte Zulassung der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage festzuhalten. Die Möglichkeit des zivilrechtlichen Konkurrentenschutzes ist grundsätzlich nicht geeignet, das Rechtsschutzbedürfnis auszuschließen. Eine Verweisung des Konkurrenten auf den Zivilrechtsweg kann, wenn überhaupt, nur dann i n Betracht kommen, falls die Durchführung des Zivilprozesses dem Konkurrenten zuzumuten ist. Dies kann aber wiederum nur unter besonderen Voraussetzungen der Fall sein: nämlich einmal dann, wenn der Konkurrent wirtschaftlich nicht allzu unterlegen ist, der Prozeß für i h n also kein zu hohes Risiko bedeutet 50 ; sowie zum anderen dann, wenn i h m das Zivilrecht einen auch rechtlich gleichwertigen Anspruch i n die Hand gibt. Ob das letztere der Fall ist, beurteilt sich maßgebend nach dem Inhalt des § 35 GWB. Hiernach stehen dem Konkurrenten nur Schadensersatz- und quasinegatorische Unterlassungsansprüche zur Verfügung 5 1 . Dies bedeutet, daß dem Konkurrenten auch kein gleichwertiger Rechtsanspruch offensteht. Denn der Schutz des Konkurrenten ist damit rein repressiv gestaltet 62 . Sein Schadensersatzanspruch muß bis zur Entstehung eines definitiven Vermögensschadens abwarten; dessen E i n t r i t t w i r d der Konkurrent aber oft nur schwer beweisen können. Denn die wirtschaftlichen Nachteile, die er durch die übermächtige Konkurrenz etwa eines unzulässigen Kartells erleidet, bestehen meist nur i n der Vereitelung von Erwerbschancen, deren Vermögenswert sich kaum oder doch nur sehr schwer beziffern läßt 5 8 . Das gleiche gilt für den Unterlassungsanspruch; auch er muß die aktuelle Gefährdung bzw. Wiederholungsgefahr abwarten 5 4 . Repressive Schutzmöglichkeiten dieser A r t genügen gerade der Sicherung wirtschaftlicher Wettbewerbsverhältnisse nicht. Denn diese leben aus der aktuellen Situation und momentanen Erwerbschance; sie lassen sich deshalb wirksam nur i n der Prävention schützen 55 . Dies weiß das GWB; es hat sein Sicherungssystem deshalb auch maßgebend auf die 49
Vgl. entspr. Steindorff, A W D 63, 356 ff. Vgl. O V G Münster, DVB167, 546 (548 f.). 51 Vgl. näher oben sub C I I I 1—2, 4—5. 62 Vgl. Schwarz, WuW67, 176; vgl. auch Koch, Schadensersatz, S. 137. 53 Allgemein zu Möglichkeiten, den Schadensumfang nach § 35 GWB zu bestimmen, vgl. Mailänder, Privatrechtliche Folgen, S. 190 ff. 54 Vgl. allgemein zur Unterlassungsklage z. B. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, I I , Bes. Teil, 7. Aufl. 1965, S. 476 ff. 65 Vgl. auch Schwarz, W u W 67, 176 ff. 50
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C. Wirkungsweisen der Wirtschaftsaufsicht
präventive Schutzmaßnahme festgelegt 56 . Die zivilrechtlichen Ansprüche des § 35 GWB vermögen dieser Einsicht jedoch nicht zu folgen. Denn der Präventionsgedanke ist dem Zivilrecht wesensmäßig fremd. Das Zivilrecht kennt grundsätzlich kein Mittel, das vor real bestehender, aber noch nicht ausgeübter oder mißbrauchter (Wirtschafts-)Macht vorbeugend schützt 57 . § 35 GWB macht hier keine Ausnahme. Der zivilrechtliche Anspruch aus §35 GWB kann daher nicht als gleichwertiges Surrogat für die (präventiven) Aufsichtsmittel des GWB gelten. § 35 GWB versteht sich nicht als paralleles Schutzinstitut; seine Repressivität orientiert sich nicht an der vorbeugenden Sicherung der wettbewerblichen Chance, sondern an der Restitution der vereitelten Chance. Der Anspruch aus § 35 GWB w i r k t i n diesem Sinne gewissermaßen als Fortsetzung der präventiv eingesetzten Aufsichtsmaßnahmen. Sein Wirkungsfeld sind also die trotz aufsichtsrechtlichen Verbots erfolgende Zuwiderhandlung sowie die entgegen aufsichtsrechtlichen Verbots verursachte Schädigung. Eine Auslegung, die von den Rechten des § 35 GWB mehr erwartet, wäre verfehlt. Noch deutlicher w i r d dies, wenn man den Zusammenhang von aufsichtsrechtlicher Erlaubnis und privatrechtlichem Schadensersatz- oder Unterlassungsanspruch betrachtet. Die i n der Erlaubnis etwa eines Kartells liegenden Rechtswirkungen präkludieren nämlich den Anspruch aus § 35 GWB. Die privatrechtsgestaltende K r a f t der kartellrechtlichen Erlaubnisverfügung 58 bindet nach allgemeinen Verwaltungsrechtsgrundsätzen grundsätzlich auch das Zivilgericht 5 9 . Verfügte der Schadensersatz begehrende Konkurrent nicht über das vorherige Recht, die gegebenenfalls rechtswidrige Erlaubniserteilung anzufechten, oder über das entsprechende Recht, den unterlassenen Widerspruch der Kartellauf sieht gegen ein K a r t e l l zu erstreiten, so ginge auch sein Schadensersatzanspruch fehl. Denn i n diesen Fällen wäre das schädigende Kartell kraft Erlaubnis oder unterlassenen Widerspruchs rechtswirksam zustande gekommen; es könnte sich auf die von Aufsichts wegen anerkannte Rechtmäßigkeit berufen 60 » 61 . 56 Zum System präventiver und repressiver Maßnahmen i m GWB vgl. Scholz, Z H R 132, 142 ff. 57 Vgl. Koch, Schadensersatz, S. 137. 58 Zum gestaltenden Verwaltungsakt im Kartellrecht vgl. allgemein zuletzt v. Köhler, DB 70, 1161 ff. 59 Vgl. für das Kartellrecht bzw. §35 GWB Mailänder, WuW65, 664; vgl. auch BGHZ46, 168 (188) für die Eintragung einer Wettbewerbsregel nach § 28 GWB hinsichtlich der Wirkungen des § 29 GWB. 60 Vgl. Mailänder, a.a.O.; BGHZ, a.a.O. 61 Inwieweit allerdings eine für das Zivilgericht bindende Gestaltungswirkung auch vom Nicht-Widerspruch beim Widerspruchskartell ausgeht, ist fraglich (vgl. auch Mailänder, a.a.O.). Immerhin würde sich ergebnismäßig im Vergleich zum Erlaubniskartell schon deshalb wenig ändern, weil es bei einem unwidersprochen gebliebenen Kartell wohl jedenfalls am, nach § 3511 GWB erforderlichen, Verschulden fehlen würde.
V. Kritik
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d) Dies bedeutet, daß dem Konkurrenten nicht zugemutet werden kann abzuwarten, bis ein zu Unrecht genehmigtes K a r t e l l von seiner Erlaubnis Gebrauch gemacht hat und ihn, den Konkurrenten, i n seinen wettbewerblichen Erwerbschancen geschädigt hat. Dem Konkurrenten ist vielmehr das sofortige Recht zu geben, die kartellrechtliche Erlaubnis oder den kartellrechtlich unterlassenen Widerspruch gerichtlich anzugreifen 62 . Da die zivilrechtlichen Ansprüche aus §35 GWB denen des öffentlichen Rechts nicht gleichwertig sind, entfällt jede Form der Subsidiarität. Der Konkurrent ist — auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses — jederzeit zur Erhebung der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage berechtigt 63 . 5. A n diesem Ergebnis ändern auch die aufsichtsrechtlichen Funktionsmaximen von punktueller Gefahrenabwehr, individueller Verhaltenskorrektur und korrektursteuerndem Opportunitätsprinzip nichts. a) Diese Maßstäbe haben m i t der erhöhten Eingriffswirksamkeit der Wirtschaftsaufsicht nämlich nichts zu tun. Wenn eine individúale Aufsichtsmaßnahme „ i n die Breite" w i r k t , so muß sie sich diesem Tatbestand stellen. Sie kann sich nicht auf ihre angebliche Einzelfallsorientierung berufen. Denn für die Feststellung und Beurteilung staatlicher Eingriffe kommt es regelmäßig nicht auf die Technik oder kompetentielle Anlage der eingreifenden Maßnahme an 64 . Entscheidend sind allein die tatsächliche Rechtsverletzung und der tatsächliche Eingriffseffekt. Funktionsbestimmende Einzelfallorientierung und eingreifende „Breitenwirkung" sind also auseinanderzuhalten. Die Wirtschaftsaufsicht sucht funktionell zwar „Einzelfälle" zu regeln (Abwehr aktueller Gefährdung i n der Person des individuellen „Wirtschaftsstörers"), sie „regelt" tatsächlich aber oft eine Mehrzahl von Fällen, indem sie anläßlich ihrer individualen Maßnahmen i n die Rechte von Konkurrenten eingreift. Eingriffswirksam sind i n diesem Sinne alle Maßnahmen, die die Merkmale des Verwaltungsakts m i t Doppelwirkung tragen. Dies ist namentlich die Genehmigung einer Wettbewerbsbeschränkung. Sie begünstigt den Genehmigungsempfänger (Adressaten) und belastet dessen Konkurrenten. Diese Belastung ist, das materielle Bestehen eines sub62
Vgl. ebenso bei der baurechtlichen Nachbarklage für das Verhältnis von zivilrechtlichem Anspruch und Anfechtung der noch nicht ausgenutzten Baugenehmigung BVerwGE 22, 129 (131). 68 Vgl. i m Ergebnis ebenso Lipps, WRP69, 368 f.; vgl. auch v. Köhler, VerwArch 54, 271 ff. 64 Vgl. auch in dieser Allgemeinheit richtig W. Hofmann, Rechtsfragen der Währungsparität, 1969, S. 73.
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jektiven Konkurrentenrechts unterstellt, eingriffswirksam. Es kommt nicht darauf an, ob die Genehmigung bereits vom begünstigten M i t bewerber ausgenutzt wurde. Denn m i t der Erteilung der Genehmigung steht fest, daß der Begünstigte berechtigt ist, den Wettbewerb zu beschränken. Damit steht zugleich fest, daß der Konkurrent verpflichtet ist, diese Wettbewerbsbeschränkung zu dulden. I n dieser, i h m mittelbar auferlegten Verpflichtung liegt bereits ein rechtlich relevanter Eingriff i n die Wettbewerbsposition des Konkurrenten 6 5 . Das gleiche Passivität der unterlassenen spruchskartell
gilt für die unterlassene Aufsichtsmaßnahme. Auch die Kartellauf sieht ist eingriff swirksam; das Beispiel des Widerspruchs gegenüber einem rechtswidrigen Widerzeigt dies m i t besonderer Augenfälligkeit.
b) Dieser Eingriffswirksamkeit steht prinzipiell auch ein subjektives Abwehrrecht des betroffenen Konkurrenten gegenüber. Sofern sich dies nicht schon aus dem materiellen Recht ergibt, so folgt es doch jedenfalls aus dem Anspruch des Bürgers auf ermessensfehlerfreie Verwaltung M. 67 Die Meinung des BGH , derzufolge das aufsichtsrechtliche Opportunitätsprinzip subjektive Konkurrentenrechte ausschließe, ist nicht zu halten 6 8 . Die Furcht des BGH, daß die Anerkennung eines solchen Rechts die Beweglichkeit der Kartellaufsicht beeinträchtigen könnte, ist unbegründet. Denn das subjektive Recht des Konkurrenten reichte ja nie weiter als die opportunitätsbestimmte Entschließungsermächtigung der Kartellbehörde. Zum definitiven Anspruch auf eine bestimmte Verwaltungsentschließung konzentriert sich das Konkurrentenrecht erst dort, wo der Behörde nach den Grundsätzen der gesetzmäßigen Ermessensverwaltung ohnehin nur diese eine, w e i l allein richtige Entschließung hätte fällen können 69 . Das Opportunitätsprinzip w i r d damit nicht i n ein „aufsichtslähmendes" Legalitätsprinzip umgewendet. I m Gegenteil, das Opportunitätsprinzip sieht sich als legitime und erforderliche Funktionsmaxime i m Zusammenspiel von aufsichtsrechtlicher Beobachtungs- und Berichtigungsfunktion sogar bestätigt. Die Anerkennung des subjektiven Konkurrentenrechts auf die ermessensfehlerfreie Opportunitätsentscheidung begegnet nur den Erfordernissen der erhöhten Eingriffsintensität aufsichtsrechtlicher Maßnahmen. So wie sich die Wirtschaftsaufsicht allgemein der einzelfallsprengenden „Breitenwirkung" ihrer Maßnahmen stellen muß, so muß i m besonderen auch das Opportunitätsprinzip dem Schutzbegehren des drittbetroffenen Konkurrenten gerecht werden. Soll 65 66 67 66 6ß
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
entspr. für die Bauerlaubnis BVerwGE22, 131. dazu allgemein oben sub C I I I 8 a, 9. B G H Z 51, 67. auch Lipps, W R P 69, 368 f. oben sub C I I I 8 a.
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das allgemeinere Postulat nach dem „Abschied vom Opportunitätsprinzip" 7 0 für das Aufsichtsrecht nicht zum verbindlichen Rechtsgrundsatz werden, so muß das Opportunitätsprinzip zumindest insoweit dem — zum subjektiven öffentlichen Recht verdichteten — Legalitätsanspruch des Bürgers genügen 71 . Für das Opportunitätsprinzip i m Recht der Wirtschaftsaufsicht gilt insofern nichts anderes als für das Opportunitätsprinzip i m übrigen Verwaltungs- (Polizei-)recht 72 . Die vom B G H behauptete Indifferenz des kartellrechtlichen Oppurnitätsprinzips gegenüber dem subjektiven Konkurrentenrecht ist nicht zu halten. 6. Die kritische Würdigung namentlich der Rechtsprechung des B G H hat demnach ergeben, daß nicht nur ein kräftiges Rechtsschutzbedürfnis für die uneingeschränkte Zulassung der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage namentlich i m Kartellrecht spricht. Es hat sich überdies gezeigt, daß deren Zulassung auch die zivilrechtlichen Klagemöglichkeiten des Konkurrenten sowie die spezifischen Funktionsmaximen der Wirtschaftsaufsicht nicht entgegenstehen. Offen sind dagegen noch die Fragen des subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechts selbst sowie der verfahrensmäßigen Rechtsschutzordnung des GWB. Für die Frage des subjektiven öffentlichen Rechts hat sich bisher nur das formelle Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch als maßgebend erwiesen. Die weitere Frage, ob hinter oder neben diesem formellen Recht noch ein materielles Konkurrentenrecht steht 73 , hat das GWB nicht beantwortet. I m Verfahrensrecht hat das GWB dem subjektiven Konkurrentenschutz zunächst eine recht deutliche Absage erteilt. Ob diese aber auch vor der Verfassung bestehen kann, ist höchst fraglich.
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Vgl. W. Schmidt, Gesetzesvollziehung, S. 162 ff. Zur diesbezüglichen Begrenzung des Opportunitätsprinzips durch das Legalitätsprinzip vgl. allgemein schon oben B I I I 3. 72 Vgl. hierzu schon C I I I 9 vor a. 73 Offen bleiben muß zunächst noch die Frage, ob das (formelle) Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch auch als materiell-eigenständige Kategorie subjektiver Rechtswirkung auftritt oder ob es nicht doch nur, wie schon oben sub C I I I N. 70 angedeutet, bloßes Instrument oder Vehikel eines materiell-rechtlichen Anspruchs ist. 71
D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot I. Subjektiver Drittschutz als Gebot von sozialem Rechtsstaat und verfassungsrechtlicher Rechtsschutzgarantie 1. Die vorstehenden Ausführungen zu Erfordernis und Zulässigkeit des subjektiven Konkurrentenschutzes finden ihre höhere Bestätigung und Rechtfertigung i n den Verfassungsprinzipien von sozialem Rechtsstaat (Art. 20/28 I GG) und gerichtlicher Rechtsschutzgarantie (Art. 19 I V GG). Das Rechtsstaatsprinzip gewährt freilich i n seiner allgemeineren Ausformung als verfassungsrechtliches Strukturund Staatszielprinzip ebenso wenig eigenständig- oder materiell-subjektive Rechte wie die formelle Rechtsschutzgarantie des A r t . 19 I V GG 1 . Solche Rechte gewähren lediglich die Grundrechte als Ausdruck materialer Rechtsstaatlichkeit. Daraus folgt, daß auch die Frage des subjektiven öffentlichen Rechts unterhalb der Verfassung (einfach-gesetzliche Anspruchsrechte) zunächst eine Frage der interpretativen Anwendung und Verdichtung grundrechtlicher Wertentscheidungen sein muß 2 . Andererseits stellen Rechtsstaatlichkeit und Rechtsschutzgarantie aber doch besondere Inhalts- und Effektivitätsregeln bereit, die für die Bestimmung u n d Durchsetzung des subjektiven öffentlichen Rechts von entscheidender Bedeutung sind. Für die Rechtsschutzgarantie liegt dies angesichts der eingeschränkten Durchsetzbarkeit kartellrechtlicher Konkurrentenansprüche auf der Hand. Für das Rechtsstaatsprinzip ergibt sich Entsprechendes aus der veränderten Gestalt und intensitätsmäßigen Steigerung der aufsichtsrechtlichen Eingriffswirkungen. Für die erhöhte „Tiefenwirkung" des aufsichtsrechtlichen Eingriffs wurde dies bereits dargetan; das Rechtsstaatsprinzip fordert hier eine stärkere Hinwendung zum Legalitätsprinzip 3 . Ähnliche Grundsätze gelten für die gesteigerte „Breitenwirkung" des aufsichtsrechtlichen Eingriffs. 2. I n diesem Sinne könnte der Ausschluß subjektiver Konkurrentenrechte schon deshalb problematisch sein, weil seine Grundlage nicht das Prinzip objektiver Gesetzmäßigkeit, sondern ein übersteigertes Oppor1 Z u ihr vgl. i m folgenden sub 3 und zur Frage der Begründung subjektiver Rechte i m besonderen sub 3 b. 2 Vgl. dazu näher sub D I I . 3 Vgl. sub C 1 7 .
I. Subjektiver Drittschutz als Gebot von sozialem Rechtsstaat
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tunitätsprinzip wäre. Die Negation des subjektiven Rechts diente hier dem einseitigen Ausbau einer aufsichtsbehördlichen Ermessensfreiheit und verstieße aus diesem Grunde gegen die zwingenden Gebote verfassungsmäßiger Rechtsstaatlichkeit. a) Gegenständlich müßte sich ein solcher Verstoß i n der Verletzung des Prinzips von der inhaltlichen Bestimmbarkeit bzw. sachlichen Meßbarkeit und Vorhersehbarkeit eines jeden hoheitlichen Eingriffs 4 erfüllen. Wenn etwa eine kartellbehördliche Verfügung diese Grundsätze mißachtete, so wäre das einzelne Wirtschaftssubjekt der „Ermessensherrschaft" der betreffenden Aufsichtsinstanz fast schutzlos ausgeliefert. Es könnte sich i n seinen wirtschaftlichen Dispositionen nicht rechtzeitig auf die staatliche Maßnahme einrichten und wäre damit schon i n seinem allgemeinsten rechtsstaatlichen Schutz beeinträchtigt. b) Die Strigenz der Grundsätze von Bestimmbarkeit, Meßbarkeit und Vorhersehbarkeit sieht sich heute allerdings und gerade i m W i r t schaft(aufsichts)recht ernsthaft i n Frage gestellt. Vor allem die inhaltliche Formation dieser Grundsätze ist recht problematisch geworden. Die hohe Komplexität und Schnellebigkeit der wirtschaftlichen Entwicklungsprozesse zwingen Gesetzgeber und Verwaltung mehr und mehr dazu, nach elastischeren Formeln und Zwischenbegriffen zu suchen, die auch den wechselnden wirtschaftspolitischen Bedürfnissen gerecht zu werden vermögen. Das Ergebnis dieser Suche scheint auf eine „Renaissance" von Generalklausel und Opportunitätsprinzip hinauszulaufen. Denn i n diesen hofft man oft genug, jene Zauberformeln gefunden zu haben, die der gesetzlichen Maßstabsbestimmung ebenso wie der verwaltungsrechtlichen Maßstabsdurchsetzung die erforderliche Offenheit und Elastizität vermitteln. Von dieser allgemeineren, hier nur anzudeutenden Entwicklung bleibt auch die Wirtschaftsaufsicht nicht verschont; i m Gegenteil, scheinen doch gerade ihre traditionellen Generalklauseln ideale Handhaben für die Verwirklichung einer beweglichen Wirtschaftsverwaltung abzugeben. Unter dem Stichwort »„Wirtschaftsaufsicht' als Wirtschaftslenkung"wurden diese Tendenzen bereits erörtert 5 . Die hierin eingeschlossenen Gefahren sind freilich evident. Der aufsichtsrechtliche Institutionsschutz droht zum Auffangbecken für unbewältigte Lenkungsprobleme zu werden. Seine Generalklauseln drohen, überfrachtet mit offensiven Lenkungszielen, zur Blankoermächtigung für eine nicht mehr nur beaufsichtigende, sondern auch aktiv steuernde Wirtschaftsverwaltung zu werden. I m Kartellrecht pflegen diese Gefahren regelmäßig dort 4 Zu diesen Grundsätzen vgl. im einzelnen z.B. BVerfGE8, 274 (324ff.); 13, 153 (160f.); 17, 306 (313f.); BVerwGE2, 114 (117); Maunz-(Dürig-Herzog), GG, Art. 20 Rdnr. 86 ff. 5 Vgl. sub C 1 2 .
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
akut zu werden, wo die wirtschaftspolitische Aufgabe und Zielsetzung der Kartellaufsicht gegenüber gerichtlicher Kontrolle und individualem Rechtsschutz ins Feld geführt werden. Dies geschieht wesentlich i m Rahmen der Bestimmung des § 70 I V 2 GWB, die den Gerichten die Nachprüfung der „Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung" untersagt 6 . Nähme man diese Bestimmung wörtlich, so bliebe wohl kaum ein anderes Urteil als das der Verfassungswidrigkeit 7 . Dies scheint auch der Referentenentwurf für das geplante Zweite Änderungsgesetz zum GWB 8 eingesehen zu haben. Denn i h m zufolge soll das GWB künftig auf die Regelung des § 70 I V 2 verzichten; jene soll ersatzlos gestrichen werden. Dies geschieht zu recht. Denn die Begriffe von „gesamtwirtschaftlicher Lage und Entwicklung" enthalten zunächst Tatsachenkomplexe, die als solche durchaus verifizierbar sind 9 . Nicht nachprüfbar kann also nur die Wertung dieser Tatsachen sein 10 . Hierbei stellt sich wiederum die Frage, ob jene kontrollfreie Wertung Ermessens- oder Beurteilungsermächtigung (im Sinne des unbestimmten Rechtsbegriffs) ist 1 1 . Beides ist ungewiß; denn beides paßt bei genauerem Zusehen nur bedingt, weil i n jedem Falle doch die nachprüfbare Tatsachenwirklichkeit als Wertungsgrundlage bliebe. Die Regelung des § 70 I V 2 GWB n i m m t damit eine eigentümliche Position ein 12 . Deren Eigenart legt den Schluß nahe, daß § 70 I V 2 weniger Ermessensund Beurteilungsermächtigungen als ein Drittes meint: nämlich eine Form kontrollfreier Tatsachenentscheidung und nicht kontrollfreier Rechtsentscheidung, wie sie bei Ermessens- und Beurteilungsermächtigung gegeben wäre. c) Ohne daß dem schon hier i m einzelnen nachgegangen werden könnte 13 , so ist doch sicher, daß hinter der Regelung des § 70 I V 2 GWB zumindest tendentiell ein echtes und legitimes Bedürfnis steht. Denn § 70 I V 2 verdeutlicht, wenngleich i n übermäßiger und damit nicht mehr rechtsstaatskonformer Weise, die Problematik des modernen W i r t schaftsverwaltungsrechts. Er zeigt, wie dringend auch die Wirtschaftsaufsicht auf ein Maß wirtschaftspolitischer Beweglichkeit und damit so elastische Formeln der vorerwäihnten A r t angewiesen ist. 6 Zu dieser Regelung vgl. zuletzt Gleiss, WuW70, 39ff.; Halbey, WRP68, 349 ff. 7 Vgl. Würdinger, WuW58, 392 (403); Langen Kartellgesetz, §70 Rdnr.23, 32; in einschränkender (verfassungskonformer) Auslegung auch Kuli, JZ 61, 681 (684); vgL weiterhin B G H Z 4 9 , 367 (372 f.). 8 Vgl. B W M i n I B 5 — 221353 — 20. 3. 70. 9 Vgl. Kuli, JZ 61, 684; Zweigert, Gemeinschaftskommentar, §70 Rdnr. 11; Langen, Kartellgesetz, § 70 Rdnr. 32. 10 Vgl. Kuli, a.a.O.; Zweigert, a.a.O.; Langen, a.a.O. 11 Vgl. hierzu bes. Würdinger, Rechtskontrolle, S. 20. 12 Vgl. auch Langen, a.a.O., Rdnr. 31 13 Vgl. hierzu weiter i m folgenden sub k.
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Dieser Umstand muß auch für die Grundsätze von Bestimmbarkeit, Meßbarkeit und Vorhersehbarkeit Konsequenzen haben. I h r verfassungsrechtlicher Geltungsanspruch kann für einen so dynamischen Bereich wie den des Wirtschaftsrechts keine so strikten oder unbeweglichen Inhaltserfordernisse aufstellen, wie dies für andere, mehr statische Verwaltungsbereiche selbstverständlich sein mag. So kann z. B. von der aufsichtsrechtlichen Generalklausel einer wirtschaftlichen Gefahrenabwehr kaum dasjenige Maß an Bestimmtheit erwartet werden, das vom materiellen Polizeibegriff als der maßgebenden Generalklausel der polizeilichen Gefahrenabwehr heute allgemein erwartet wird 1 4 . Das Polizeirecht folgt zwar gleichfalls einem außerordentlich dynamischen Verwaltungsverständnis. Seine entwickelte Tradition und juristische Durchdringung sind heute jedoch i n einem Maße vorgeschritten, von dem eine wirtschaftliche Gefahrenabwehr vorerst nur träumen kann. d) Diesem Tatbestand ist das BVerfG inzwischen für das gesetzgeberische Ermessen i m Wirtschaftsrecht auf sehr großzügige Weise begegnet. Das BVerfG hat der gesetzlichen Maßstabsbestimmung nämlich einen gewissen Toleranzspielraum gewährt. Da der Wirtschaftsgesetzgeber zunehmend mehr dem Dilemma von akutem Entscheidungsbedarf einerseits und mangelnder Erfahrung andererseits ausgesetzt sei, sollen i h m wirtschaftliche Fehlprognosen und damit auch gesetzliche Fehlregelungen i n gewissem Maße nachgesehen werden 1 5 . I n seiner jüngsten Entscheidung (Beschluß vom 18.12. 68) 16 führt das BVerfG hierzu aus: „Irrtümer über den Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung müssen in Kauf genommen werden, da der Gesetzgeber auch zur Abwehr künftiger Gefahren i m Rahmen des Möglichen verpflichtet ist, der zunächst zu erwartende Geschehensablauf aus den verschiedensten Gründen aber auch unvorhergesehene Wendungen nehmen k a n n . . . Eine auf Grund einer Fehlprognose ergriffene Maßnahme kann nicht schon deshalb als verfassungswidrig angesehen werden. Dem Gesetzgeber ist lediglich aufgegeben, sie nach Erkenntnis der tatsächlichen Entwicklung dieser entsprechend aufzuheben oder zu ändern." 17
Das BVerfG gibt dem Grundsatz von der Bestimmtheit der gesetzlichen (Eingriffs-)Regelung damit eine überraschende Wendung. Es sucht i h n von seinem bisher üblichen, allzu statischen Verständnis zu befreien, ohne ihn dabei zu relativieren. Aus diesem Grunde greift das Gericht auf die außerhalb der Regelung liegende, künftige Tatsachenentwicklung zurück und suspendiert das Bestimmtheitserfordernis 14 Zur Bestimmheit der polizeirechtlichen Generalklausel vgl. bes. DrewsWacke, Polizeirecht, S. 385 f. 15 Vgl. BVerfGE 16, 147 (181 ff.); 18, 315 (332); 25, 1 (12 f.). 16 BVerfGE 25, 1 ff. 17 BVerfGE 25, 12 f.
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gleichsam „auf Zeit". Die gesetzliche Regelung muß also nach wie vor bestimmt i m Sinne der rechtsstaatskonformen Gesetzgebung sein; für ihre aktuelle Bestimmtheit und Angemessenheit soll es aber genügen, wenn diese sich nach einer Periode des weiteren Abwartens und Beobachtens erfüllen. e) I m Verwaltungsrecht ergibt sich eine Parallele hierzu i m sog. Beurteilungsspielraum. Denn i n ihm ist der Verwaltung bei der Anwendung oder Vollziehung unbestimmter Gesetzesbegriffe ein gewisser Wertungsspielraum eingeräumt 18 . Dieser kann sich auch auf die Bewertung tatsächlicher Vorgänge beziehen („Einschätzungsbegriff" 19 ) und ist rechtsstaatlich ebenfalls nur aus dem Toleranzgedanken zu rechtfertigen 20 . I m Gegensatz zum Beurteilungsspielraum geht es hier allerdings nicht u m die Wertung momentaner Tatsachenverhältnisse, sondern u m deren künftige Entwicklung selbst. Andererseits steht diese einer früheren Wertung gegenüber; sie setzt diese gleichsam fort und erscheint daher ebenfalls als rechtliches Wertungsproblem. I m Gegensatz zum Beurteilungsspielraum mag man hier von einem Entwicklungsspielraum sprechen. Dieser bezieht sich auf die künftige Entwicklung eines staatlich geregelten Sachverhaltes bzw. deren Rückwirkung auf den rechtlichen Ordnungsgehalt der regelnden Maßnahme. Das Problem des Entwicklungsspielraums kann sich begrifflich also sowohl beim bestimmten wie beim unbestimmten Gesetzesbegriff stellen. Denn beider Vollziehung kann unter den Einfluß einer, dem Regelungsgehalt der vollziehenden Maßnahme u. U. sogar gegenläufigen Tatsachenentwicklung geraten. Trotz dieser, i m Toleranzgedanken begründeten Parallele zum Beurteilungsspielraum bleibt die Anerkennung des gesetzgeberischen Entwicklungsspielraums durch das BVerfG doch nur schwer mit den überkommenen Regeln des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes zu vereinbaren. Unabhängig davon ist sie aber notwendig und sachgerecht. Sie ist schließlich auch rechtsstaatskonform, weil sie zugleich den Weg aufzeigt, wie die rückwirkend als verfehlt erkannte Gesetzgebung zu korrigieren ist: nämlich durch die unverzügliche Aufhebung oder Änderung des Gesetzes. Das BVerfG löst sich hier also von seiner sonstigen Zurückhaltung gegenüber der rechtlichen Handlungspflicht des Gesetzgebers 21 und erkennt ausdrücklich eine solche Pflicht zur entwicklungsgerechten Gesetzgebung an. Das BVerfG wahrt damit i n besonderer Weise die rechtsstaatlichen Grundsätze des Übermaßverbots (Erforderlichkeit und Verhältnismäßig18 19 20 21
Vgl. hierzu allgemein die Nachw. oben sub B I I I N. 5. H. J. Wolff, VerwR I, 7. Aufl. 1968, S. 167. Vgl. Fechner, DVB166, 161 (164); H. J. Wolff, a.a.O. Vgl. hierzu zusammenfassend Lerche, AöR 90, 341 ff.
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keit) 2 2 . Denn wenn eine Gesetzgebung nicht von vornherein als fehlerhaft zu erkennen ist, so entspricht es doch jedenfalls dem Gebot des erforderlichen und verhältnismäßigen Eingriffs, deren Wirksamkeit auf die Zeit zu beschränken, i n der sie rechtsstaatskonform war bzw. kraft Anerkennung des Entwicklungsspielraums für rechtsstaatskonform zu gelten hatte. Genügt ein gesetzlicher Eingriff aufgrund der weiteren tatsächlichen Entwicklung den rechtsstaatlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr, so gebietet das Ubermaßverbot die Korrektur oder Restitution i m weiteren Sinne. Die Handlungspflicht des Gesetzgebers ist, genau besehen, also Ausfluß des Ubermaßprinzips 23. Materiell w i r k t diese Pflicht des Gesetzgebers zur Selbstberichtigung oder Restitution als rechtsstaatliche Kompensation . Denn sie hat den Mangel an rechtsstaatlicher Bestimmtheit auszugleichen. Sie „ersetzt" die Bestimmtheit i n gewissem Umfang, indem sie die inhaltlichen Grenzen zulässiger Freiheitsbeschränkungen i n die zeitliche Dimension verlegt bzw. i n dieser (neu) konstituiert: Der sich i n der Zukunft offenbarende Bestimmtheitsmangel muß durch die gesetzgeberische Restitutionspflicht kompensiert werden. Der Latenz des Bestimmtheitsmangels muß der potentielle Restitutionsanspruch von vornherein gegenüberstehen. f) Die Restitutionspflicht des Gesetzgebers versteht sich damit als ein kompensatorisches Institut , das sich unmittelbar aus dem Verfassungsprinzip der Rechtsstaatlichkeit ableitet. I n der Restitutionspflicht des Gesetzgebers erfüllt sich i n diesem Sinne jene höhere „produzierende Kraft des rechtsstaatlichen Leitbildes ", auf die P. Lerche gerade i m Zusammenhang m i t der rechtsstaatlichen Legitimation des Übermaßverbots hingewiesen hat 2 4 : Das Rechtsstaatsprinzip zeigt sich allgemein berufen und imstande, kompensierende oder unterstützende Institute und Regulative dort zu entwickeln, wo die Verfassung auf neue oder veränderte Formen staatlicher Freiheitsgefährdung reagieren muß. I m hiesigen Problem, dem potentiellen Bestimmtheitsmangel aufgrund tatsächlicher Entwicklungsungewißheit, hat das BVerfG zu Recht einen solchen Fall gesehen. Das Gericht hat die dogmatische Fundierung seiner Erkenntnis zwar noch wesentlich offengelassen; die zentrale Rechtsstaatsproblematik des latenten Bestimmtheitsmangels löst aber auch diese. Sie zeigt, daß die kompensierende Restitutionspflicht des Gesetzgebers sich nur aus dem Rechtsstaatsprinzip selbst ergeben kann. 22 Vgl. zu diesen Grundsätzen, deren Zusammenhang im Prinzip des Übermaßverbots sowie deren spezifisch rechtsstaatliche Funktion nach wie vor maßgebend Lerche, Übermaß, bes. S. 29 ff., 53 ff., 158 ff. 23 Vgl. grundlegend hier Lerche, Übermaß, S. 265 ff, 277 N. 81 sowie auch AÖR90, 369 ff.; vgl. im Anschluß auch schon Scholz, Einrichtungen, S. 222 f., 231 ff. 24 Vgl. Übermaß, S. 56 ff. sowie auch AöR 90, 369.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
g) Diese Grundsätze sind, ihrer rechtsstaatlichen Intendanz zufolge, notwendig allgemeinerer A r t . Sie lassen sich deshalb auch nicht nur auf die Gesetzgebung beschränken. Sie sind vielmehr, wie schon der Vergleich m i t dem Beurteilungsspielraum gezeigt hat, grundsätzlich auch für den Bereich der Verwaltung als gültig zu erkennen. „Ermessen", „Beurteilung" und „Bewertung" meinen zwar i n Gesetzgebung und Verwaltung grundsätzlich voneinander geschiedene Begriffe. Dies ändert jedoch nichts daran, daß sie i n der rechtsstaatlichen Dimension artgleich sind oder doch analoge Fragen aufgeben: Die moderne (Wirtschafts-)Verwaltung muß heute ebenso wie die Gesetzgebimg des öfteren Sachverhalte i m Vorgriff auf deren tatsächliche Entwicklung regeln. Sie muß folglich auch tatsächliche Ungewißheiten i n Kauf nehmen. Praktisch gilt dies vor allen für die (planende) Wirtschaftslenkung, i m Einzelfall aber auch für die Wirtschaftsaufsicht. Denn gerade die Abstraktion des objektiven Institutionsschutzes zwingt die Wirtschaftsaufsicht häufig zur Tatsachenprognose als Grundlage der konkreten Ordnungsentscheidung. Das bedeutet, daß sich auch die rechtsstaatliche Bestimmtheit von verwaltungsrechtlichen Maßnahmen oft erst nach einer Phase weiteren Abwartens und Beobachtens erfüllen kann. Gerade das Zusammenspiel von aufsichtsrechtlicher Beobachtungsund Berichtigungsfunktion vollzieht sich i m ständigen Wechsel von diagnostischer Beobachtung, wesentlich prognostischer Berichtigung und wiederum kontrollierend-diagnostischer Beobachtung. Die Verwaltung steht damit vor dem gleichen Problem wie die Gesetzgebung. Auch sie ist gelegentlich auf die Tolerierung zukunftsbedingter Ungewißheiten angewiesen; auch ihr muß — i n gewissen Grenzen — die tatsächliche Fehlprognose nachgesehen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man die notwendige Mobilität einer effektiven Verwaltung nicht völlig verleugnen will. Ist man geneigt, deren — berechtigten — Forderungen nachzugeben, so müssen auch ihr grundsätzliche Entwicklungsspielräume gewährt werden. Die verwaltungsrechtliche Entscheidung hat sich zwar nach wie vor als wesentlich subsumtive Gesetzesvollziehung zu begreifen. Neben entscheidungsmäßig wertenden Ermessens- und Beurteilungsspielräumen muß ihr aber auch der — die Entscheidung i n der künftigen Tatsachenambiance formende oder vollendende — Entwicklungsspielraum offenstehen. h) M i t diesen allgemeineren Feststellungen muß es zunächst sein Bewenden haben. Die Einzelheiten eines verwaltungsrechtlichen Entwicklungsspielraumes müssen einer selbständigen Untersuchung vorbehalten bleiben. Sie können dies namentlich deshalb, w e i l es hier weniger u m die juristische Konstruktion des Entwicklungsspielraumes selbst als um dessen rechtsstaatliche Grenzen geht.
I. Subjektiver Drittschutz als Gebot von sozialem Rechtsstaat
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Diese Grenzen müssen ebenso wie bei der Gesetzgebung kompensatorischer A r t sein. Denn auch sie müssen die i m Entwicklungsspielraum zunächst einbeschlossene Unbestimmtheit der verwaltungsrechtlichen Maßnahme ausgleichen. Strukturell kann sich diese Kompensation wiederum nur i n der Form eines entsprechenden Restitutions - oder Berichtigungsanspruchs verwirklichen. Denn auch die Verwaltung ist nach den Grundsätzen des Ubermaßverbots verpflichtet, einen von ihr zunächst falsch gewürdigten, aber erst später als solchen zu erkennenden Tatbestand unverzüglich zu korrigieren. U m die Verwaltung hierzu zu veranlassen, muß ihrer Berichtigungspflicht ein entsprechender Restitutionsanspruch des Bürgers gegenüberstehen. N u r er bietet nämlich die Chance, die Verwaltung früh- und rechtzeitig auf ihre Fehler i n tatsächlicher Prognose und rechtlicher Entscheidung hinzuweisen sowie zu deren Berichtigung zu zwingen. Dieser Satz mag zunächst selbstverständlich klingen; scheint er doch nichts anderes auszusagen, als was die Rechtsschutzgarantie des A r t . 19 I V GG ohnehin schon sagt 26 . Tatsächlich ist hier jedoch etwas anderes gemeint. Der Berichtigungs- oder Restitutionsanspruch ist als kompensatorisches Institut gedacht. Er soll die, i n der nur gering ausgebildeten Bestimmtheit wirtschaftsregelnder Verwaltungsmaßnahmen liegenden Gefahren ausgleichen. I n dieser Funktion nennt er zunächst nur eine Kompensationsregel, die als solche außerhalb des subjektiven öffentlichen (Abwehr-)Rechts steht. Der kompensatorische Berichtigungs- oder Restitutionsanspruch ergänzt das subjektive öffentliche Recht vielmehr u m einen besonderen Hilfsanspruch, den das subjektive Recht zum Ausgleich gegenüber dem verwaltungsbehördlichen Entwicklungsspielraum benötigt u n d voraussetzt. Dieser Hilfsanspruch kann freilich nur i m Rahmen der von der positiven Rechtsordnung vorgegebenen subjektiven Rechte bestehen. Er begründet keinen selbständigen subjektiv-rechtlichen Status i m Sinne materieller Anspruchsrechte. Er ist vielmehr akzessorisch, trägt i n dieser Eigenschaft aber wesentlich zur inhaltlichen Effektuierung der materiellen Anspruchsrechte bei. Berührt eine wirtschaftsregelnde Maßnahme einen i m weitesten Sinne subjektiv-rechtlichen Bürgerstatus und läßt sich angesichts der Ungewißheit von gegebener und künftiger Entwicklung die volle Tragweite der nur wenig bestimmten Maßnahme nicht (sofort) ausmachen, so h i l f t die Kompensationsregel des Berichtigungs- und Restitutionsanspruchs. Denn ihr zufolge kann der von der Maßnahme betroffene Bürger jederzeit deren sofortige Rücknahme oder Beseitigung fordern, sobald sich 25
Zu ihr vgl. im bes. noch anschließend sub 3.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
herausstellt, daß die Maßnahme auf einer irrigen Bewertung von gegebener und künftiger Wirtschaftssituation beruhte. Dieses Recht ist deshalb wichtig, weil die (relative) Unbestimmtheit einer Verwaltungsmaßnahme oft m i t der mangelnden Bestimmbarkeit des von der Maßnahme eventuell betroffenen subjektiven Rechts korrespondiert. So kann zwar feststehen, daß die Maßnahme den wirtschaftlichen Interessenkreis eines Bürgers irgendwie tangiert; aufgrund der mangelnden Bestimmtheit von rechtlichem Maßnahmegehalt und tatsächlichem (abzuwartendem) Entwicklungsgehalt läßt sich jedoch — zumindest vorerst — nicht sagen, ob die Maßnahme wirklich ein subjektives öffentliches Recht berührt. Läßt sich aber diese Frage nicht beantworten, so bleibt notwendig auch die Frage nach dem Rechtsschutz des Bürgers offen. Denn dessen Aktualität richtet sich nach der (potentiellen) Verletzung eines subjektiven Rechts. Das bedeutet, daß der Rechtsschutzanspruch des Bürgers beträchtlich eingeschränkt wäre. Würde er nämlich unmittelbar nach Erlaß der Maßnahme gegen diese gerichtlich vorgehen, so wäre die Klage mangels (momentan feststellbaren) subjektiven Rechts bzw. momentaner Rechtsverletzung abzuweisen. Dieser Sachverhalt könnte sich jedoch i m Laufe der weiteren Entwicklung ändern. Die Prognose der Verwaltung könnte sich als verfehlt erweisen; die auf sie gestützte Verwaltungsentscheidung könnte den Bürger nunmehr i n einem definitiv feststellbaren Recht verletzen. Hier kommt der Gedanke des kompensatorischen Berichtigungs- oder Restitutionsanspruchs zum Tragen. Er gibt dem Recht des Bürgers die Kraft, ohne Rücksicht auf die vorherige, gegebenenfalls rechtskräftige Verneinung seines Abwehranspruchs auf jeden Fall die frühestmögliche Beseitigung der betreffenden Maßnahme verlangen zu können. Dieser Anspruch rechtfertigt sich aus der Überlegung, daß die bisherige Ungewißheit von der Verwaltung selbst bzw. der mangelnden Bestimmbarkeit ihrer Regelung verursacht worden ist. Ein solcher Umstand kann nicht zu Lasten des Bürgers gehen. I h m muß vielmehr das Recht gegeben sein, ohne Rücksicht auf die zurückliegende Entwicklung und ohne Rücksicht auf vorangegangene negative Beurteilungen seines Schutzbegehrens erneut die Aufhebung oder Änderung der Maßnahme durchsetzen zu können. i) Der kompensatorische Berichtigungs- oder Restitutionsanspruch ermöglicht also die spätere Beseitigung rechtswidrig gewordener bzw. nachträglich als rechtswidrig erkannter (prognostischer) Verwaltungseingriffe. Rechtlich entsteht dieser Anspruch aber schon i n dem Augenblick, i n dem eine Verwaltungsmaßnahme den Entwicklungsspielraum für sich in Anspruch nimmt. Der latenten oder potentiellen Rechts-
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Widrigkeit t r i t t i m gleichen Moment der potentielle bzw. i n der Zukunft aktuelle Berichtigungsanspruch gegenüber. Dieser Zustand besteht von vornherein; lediglich die aktuelle Durchsetzbarkeit des betreffenden Anspruchs ist aufschiebend bedingt. Dies darf jedoch nicht die frühere Geltendmachung des kompensatorischen Berichtigungs- oder Restitutionsanspruchs i m Wege der (vorbeugenden) Feststellungsklage 26 hindern. Der potentiellen Fehlprognose und der hierauf beruhenden Fehlentscheidung steht nämlich ein entsprechendes Interesse des von der Entscheidung zunächst nur tatsächlich und noch nicht definitiv-rechtlich betroffenen Bürgers gegenüber, zumindest seinen künftigen Beseitigungsanspruch schon jetzt feststellen zu lassen (§ 431 VwGO) 2 7 . Damit w i r d auch der Verwaltung, die sich bewußt auf einen bestimmten Entwicklungsspielraum zurückgezogen hat, schon jetzt der Kreis der potentiell i n ihren Rechten verletzten Bürger vorgestellt. Der i m Entwicklungsspielraum mitangelegte Prozeß des weiteren Abwartens und Beobachtens erfährt damit eine erste, spezifisch-rechtsstaatliche Konkretisierung oder Verdichtung i m Verhältnis von Bürger und Verwaltung, die auch für den Begriff des vorbeugend festzustellenden Rechtsverhältnisses i m Sinne des § 431 VwGO ausreichend sein muß 2 8 . Diesen vorbeugenden Feststellungsanspruch 29 kann jeder tatsächlich von der Verwaltungsmaßnahme bzw. deren Entwicklungsspielraum berührte Bürger geltend machen, d. h. auch derjenige Bürger, für den die (künftige) Verletzung i n einem seiner subjektiven Rechte tatsächlich ausscheiden wird. Hier offenbart sich der rechtsergänzende Charakter des kompensatorischen Berichtigungs- oder Restitutionsanspruchs vollends. Seine Geltendmachung i m Wege der Feststellungsklage ist von einer definitiv-materiell-rechtlichen Anspruchslage unabhängig 80 . Die den Entwicklungsspielraum nutzende Verwaltung muß sich schon jetzt zum Ausgleich ihrer unbestimmten, entwicklungsbedingten Maßnahme 26 Zu deren heute wohl allgemeinen Anerkennung vgl. u. a. BVerwGE 26, 23 (24ff.); Schenke, AöR 95, 223 (253ff.); Naumann, Jellinek-Gedächtnisschrift, S. 391 (392 ff.). 27 Daß dieses Feststellungsinteresse u. U. bloß wirtschaftlicher und nicht rechtlicher Art ist, spielt keine Rolle (vgl. allgemein zum diesbezüglichen Feststellungsinteresse Schenke, AöR 95, 256; Eyermann-Fröhler, VwGO, 4. Aufl. 1965, § 43 Rdnr. 7,11,12; Redeker-v. Oertzen, VwGO, 3. Aufl. 1969, § 43 Rdnr. 17). 28 VgL ähnlich zum Begriff des Rechtsverhältnisses i m Sinne des § 431 V w G O Schenke, AöR 95, 253. 29 Der auch nicht an der Subsidiaritätsklausel des §43 I I V w G O scheitert; denn die später vielleicht aktuelle Restitutionsklage (Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage) ergibt nur eventuellen sowie erst künftigen und nicht schon gegenwärtigen Rechtsschutz (zum Subsidiaritätserfordernis des gleichwertigen Rechtsschutzes vgl. z. B. Redeker-v. Oertzen, VwGO, § 43 Rdnr. 22). 80 Vgl. zum (rein prozessualen) Feststellungsanspruch allgemein z. B. Eyermann-Fröhler, VwGO, § 43 Rdnr. 1; Schenke, AöR 95, 239; Redeker-v. Oertzen, VwGO, § 43 Rdnr. 1.
8 Scholz
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der Feststellung eventueller Beseitigungsansprüche stellen. Die vom Entwicklungsspielraum tolerierte Unbestimmtheit bzw. i n die Zukunft verlegte Bestimmtheit w i r d damit zur rechtsstaatlich gesicherten „Unbestimmtheit auf Zeit". Der Entwicklungsspielraum erteilt der Verwaltung keinen Freibrief für wirtschaftspolitische Experimente. Er gewährt ihr lediglich einen gewissen Bewegungsraum, dessen rechtliche Grundlage nicht die Unbestimmtheit der verwaltungsrechtlichen Regelung, sondern allein die Unbestimmtheit der tatsächlichen Entwicklung bildet. Damit sich diese Unbestimmtheit i m Tatsächlichen nicht zur unkontrollierten Unbestimmtheit i m Rechtlichen auswächst, steht dem tatsächlich betroffenen Bürger ein i m Wege der vorbeugenden Feststellungsklage sofort verfolgbarer Kompensationsanspruch zu. Dieser Anspruch w i r d naturgemäß gerade gegenüber Verwaltungsmaßnahmen m i t potentiellen Drittbetroffenheiten wirksam. Ist einer Maßnahme nicht sogleich anzusehen, ob sie außer ihrem Adressaten nicht auch noch Dritte trifft (Verwaltungsakt m i t Doppelwirkung), so muß zugunsten der Dritten das Recht der künftigen, d. h. entwicklungsmäßig bedingten Berichtigung oder Beseitigung anerkannt werden. Damit werden deren subjektiven öffentlichen Rechte nicht materiell erweitert. Diese erfahren lediglich eine besondere verfahrensrechtliche Unterstützung oder Ergänzung. j) Die Anerkennung und (vorsichtige) Handhabung des kompensatorischen Berichtigungs- oder Restitutionsrechts ist nach alledem rechtsstaatlich geboten. Denn nur sie ist imstande, gerade jenen Ungewißheiten zu begegnen, die einer „ i n die Breite wirkenden" Wirtschaftsregelung häufig anhaften. Hatte sich bereits früher ergeben, daß der erhöhten „Tiefenwirkung" moderner Aufsichtsmaßnahmen durch eine strengere Hinwendung zum Legalitätsprinzip entgegenzutreten ist, so ergeben sich nunmehr auch die rechtsstaatlichen Begrenzungen der „Breitenwirkung": (1) Jede (wettbewerbsbeschränkende usw.) Aufsichtsmaßnahme mit potentieller Drittbetroffenheit muß nach Möglichkeit so bestimmt sein, daß der Dritte bereits bei Erlaß der Maßnahme erkennen kann, ob und wie die Maßnahme gegebenenfalls auch ihn betrifft. (2) Sieht sich eine Aufsichtsmaßnahme hierzu i m Hinblick auf die künftige tatsächliche Entwicklung außerstande und nimmt sie deshalb einen verwaltungsrechtlichen Entwicklungsspielraum in Anspruch, so muß sie sich dafür dem kompensatorischen Berichtigungs- oder Restitutionsanspruch des in seinen Rechten potentiell betroffenen Dritten stellen. Dieser A n spruch gibt zwar das Recht auf Beseitigung nur für den Eventualfall der künftig eintretenden (später erwiesenen) wirklichen Rechtsverletzung. Da deren Feststellbarkeit aber noch in der Zukunft liegt, steht dem Dritten schon mit Erlaß der den Entwicklungsspielraum beanspruchenden Ver-
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waltungsmaßnahme ein Recht auf vorbeugende Feststellung seines (kompensatorischen) Berichtigungs- oder Restitutionsanspruchs zu.
k) Diese Grundsätze erlangen vor allem i m Kartellrecht Bedeutung. Sie sind geeignet, die kartellrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen zu höherer Bestimmtheit zu führen, sei es, daß sie unmittelbar mehr (momentane) Bestimmtheit fordern, sei es, daß sie entwicklungsmäßig bedingter Unbestimmtheit durch das kompensierende Korrektiv des Berichtigungsoder Restitutionsanspruchs begegnen. Dem Kartellverfahren, das zur Zeit noch dem berechtigten V o r w u r f allzu großer Rechtsunsicherheit standzuhalten hat 3 1 , w i r d damit der Weg zur rechtsstaatskonformen, d. h. rechtmäßigen und rechtssicheren Ordnung gewiesen. Eine wesentliche Rolle w i r d hierbei der Umstand spielen, daß die Vorstellung des Entwicklungsspielraums auch die Regelung des § 70 I V 2 GWB inhaltlich zu erklären und rechtlich zu begrenzen vermag: Bereits oben 32 hatte sich ergeben, daß § 70 I V 2 GWB eine eigentümliche Form kontrollfreier Tatsachenentscheidung enthält. Diese gibt sich nunmehr als allgemeinere Anerkennung des verwaltungsrechtlichen Entwicklungsspielraums zu erkennen. Die Kartellaufsicht soll i n der „Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung" deshalb — und nur insoweit! — frei sein, weil ihre rechtliche Aufsichtsfunktion wesentlich auf die prognostische und nicht nur diagnostische Bewertung wirtschaftlicher Tatsachen und Entwicklungen angewiesen ist 33 . Diese Aufgabe w i l l § 70 I V 2 GWB der Kartellaufsicht ermöglichen oder erleichtern, indem er die gerichtliche Kontrolle der aufsichtsrechtlichen Maßnahme nicht auch auf die Richtigkeit der zugrunde liegenden aufsichtsmäßigen Prognosen erstreckt. Die Kartellaufsicht soll ihre w i r t schaftlichen Entwicklungserwartungen auch dann i n ihren Entscheidungen berücksichtigen dürfen, wenn deren tatsächliche Realisierung noch offen ist. Eine Maßnahme soll also nicht schon dann aufzuheben sein, wenn der E i n t r i t t der von der Kartellaufsicht erwarteten und zugrunde gelegten Situation nicht zu beweisen ist. Die Aufsichtsmaßnahme ist i n diesem Sinne unbestimmt; sie darf dies aber sein, w e i l § 70 I V 2 GWB der Kartellaufsicht insofern einen eigenständigen Entwicklungsspielraum konzediert. Eine Aufhebung der Maßnahme kommt erst dann i n Frage, wenn deren Fehlerhaftigkeit später durch eine entgegengesetzte Entwicklung bewiesen ist. I n diesem Zeitpunkt greift der rechtsstaatliche Berichtigungs- oder Restitutionsanspruch aktuell ein; jetzt muß auch das Nachprüfverbot des § 70 I V 2 GWB weichen. Denn nunmehr bedarf die Kartellaufsicht keiner Toleranzgrenze mehr. Die Unbestimmtheit ihrer Maßnahme ist „endgültig" rechtsstaatswidrig und muß daher 31 32 33
8*
Vgl. treffend vor allem Rittner, WuW 69, 65 (72 ff., 76). Vgl. sub b. Vgl. auch Zweigert, Gemeinschaftskommentar, § 70 Rdnr. 11.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
auch der gerichtlichen Kontrolle unterstehen. Die gerichtliche Kontrolle reicht nämlich stets so weit, wie die, der zu kontrollierenden Entscheidung zugrunde liegende, Tatsachenlage (augenblicklich) verifizierbar ist. I n diesem Sinne löst sich die Bestimmung des §70 I V 2 GWB aus ihren bisherigen Mißverständnissen und verfassungswidrigen Fehldeutungen: § 70 I V 2 GWB gewährt nicht nur Ermessens- u n d Beurteilungsermächtigungen, sondern auch und hauptsächlich Entwicklungsspielräume. § 70 I V 2 GWB beschränkt die gerichtliche Kontrolle deshalb nur hinsichtlich der aufsichtsmäßigen Tatsachenprognose. Bei deren später gegebenenfalls erwiesenen Unrichtigkeit t r i t t § 70 I V 2 GWB, rechtsstaatskonform gelesen, zurück. Er untersteht insoweit von vornherein dem rechtsstaatlichen Vorbehalt des kompensatorischen Berichtigungsoder Restitutionsanspruchs 34 . 3. Bewirkt demnach schon das allgemeine Rechtsstaatsprinzip eine deutliche Stützung der Position des drittbetroffenen Konkurrenten, so ergibt sich das gleiche aus der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie des A r t . 19 I V GG. a) A r t 19 I V GG gibt dem Bürger das Recht, sich gegen jede hoheitliche Rechtsbeeinträchtigung gerichtlich zur Wehr zu setzen. Das bedeutet, daß eine gesetzliche Begrenzimg des subjektiven Konkurrentenschutzes dort unzulässig ist, wo subjektive Konkurrentenrechte verletzt werden 35 . Dies gilt auch gegenüber einer rein objektiven Verwaltungskontrolle nach A r t der Beanstandungsklage. Denn das „formelle Hauptgrundrecht" des A r t . 19 I V GG 3 8 begnügt sich m i t deren Gewährleistung nicht; es verlangt vielmehr — gegebenenfalls zusätzlich — die Einrichtung einer subjektiven Verwaltungskontrolle 37. Hieraus folgt, daß auch die geschilderte Struktur der kartellrechtlichen Anfechtungsbeschwerde m i t ihren eigentümlichen, subjektiven und objektiven Rechtsschutz mischenden Einrichtungen 38 verfassungsrechtlich fragw ü r d i g ist. Denn indem sie den Rechtsschutzanspruch des Konkurrenten über das Erfordernis der Beiladung i m Verwaltungsverfahren zur Dis84 Zur Frage, ob dieser auch im Kartellrecht einer vorbeugenden Feststellungsbeschwerde nach A r t des § 4 3 I V w G O offen steht, vgL später sub DV3. 85 Vgl. allgemein zur Zulässigkeit der Konkurrentenklage bes. R. Schmidt, NJW67, 1635 (1636 ff.); Bernhardt, JZ63, 302 (304 ff.); Dörffler, NJW63,14ff.; Henke, Recht, bes. S.71ff.; Friauf, JurA (öffR) 69, 3 (7 ff.); Scholz, NJW69, 1044. 86 F. Klein, W D S t R L 8, 67 (88). 87 (Maunz-)Dürig(-Herzog), GG, Art. 1 9 I V Rdnr. 7. 88 Vgl. näher oben sub C I V 2b.
I. Subjektiver Drittschutz als Gebot von sozialem Rechtsstaat
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Position der Kartellbehörde stellt, mißachtet sie i n gravierender Weise die Grundsätze des lückenlosen und unabhängigen Rechtsschutzes89»40. b) Das Verdikt einer Verfassungswidrigkeit des § 621, I I GWB läßt sich indessen nicht ohne weiteres fällen. Denn das Erfordernis des subjektiven Rechtsschutzes gilt n u r dort, wo es tatsächlich u m den Schutz materieller subjektiver Rechte geht. A r t . 19 I V GG begründet nämlich selbst keine subjektiven öffentlichen Rechte 41 ; A r t . 19 I V GG setzt diese vielmehr voraus und garantiert ihnen lediglich — i n zusätzlicher Sicherungsfunktion — die Klagbarkeit Dieser Satz ist freilich bestritten. Eine verbreitete Lehre ist der A u f fassung, daß A r t . 19 I V GG auch für die Begründung subjektiver Rechte maßgebend sei 42 . Dieser Meinung ist indessen zu widersprechen. Denn sie verwechselt klagbares Recht m i t rechtlicher Klagbarkeit. A r t . 19 I V GG bezieht sich ausdrücklich auf die „Rechte" des Bürgers, begründet diese also nicht. Dennoch besteht ein indirekter Zusammenhang zwischen Rechtsbegründung und Rechtsklagbarkeit. Wenn der Gesetzgeber nämlich die Klagbarkeit eines subjektiven Rechts nicht ausschließen darf, so kann er auch i n der Begründung des subjektiven Rechts nicht völlig frei sein. Denn andernfalls fiele es i h m nicht schwer, über die materielle Negation des subjektiven Rechts auch dessen Klagbarkeit auszuschließen. Aus diesem Grunde kann es nicht allein auf das einfache Gesetz ankommen 43 . Wenn das Gesetz die Klagbarkeit eines subjektiven Rechts verneint, so verstößt es unmittelbar gegen A r t . 19 I V GG. Wenn es statt der Klagbarkeit das subjektive Recht selbst verneint, so verstößt es zunächst nicht gegen A r t . 19 I V GG; denn insofern fehlte es ja schon an der Voraussetzung der Rechtsschutzgarantie, dem subjektiven Recht. Andererseits kann dieser Satz aber dann nicht zutreffen, wenn einer offensichtlich- oder vorgegeben-subjektiv-rechtlichen Beziehung willkürlich 39
VgL zu ähnlichen Fragestellungen entspr. BVerfGE 22, 49 (81 f.). Das gleiche gilt für die angebliche Nicht-Anfechtbarkeit der Mitteilungen etc. nach § 57 I I GWB, soweit hiermit das Einschreitensgesuch eines Konkurrenten abgelehnt wird (vgl. Lipps, NJW 69, 1879 ff.). 41 Vgl. BVerwGE 11, 95 (97); O V G Münster, DVB168, 660 (662); Bettermann, Grundrechte III/2, 1959, S.779 (802 ff.); Dütz, Rechtsschutz, S. 125 ff.; Friauf, JurA (öffR) 69, 7, 10 ff.; Fromm, VerwArch56, 26 (57); Grundei, NJW 70, 833; (Maunz-)Dürig(-Herzog), GG, Art. 1 9 I V Rdnr. 11, 34, 35; auch BVerfGE 15, 275 (281 f.). 48 Vgl. bes. Henke, Recht, bes. S. 54 ff. (57); Bartlsperger, VerwArdi60, 48 f; ders., DVB169,265 (266); 70,30(32); R. Schmidt, NJW 67,1638 ff.; 69, 21621; Scheuner, in: Forsthoff, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, 1968, S. 461 (497 f.); vgl. tendentiell auch Bachof, W D S t R L 1 2 , 37 (74f.); ders., DVB161, 128 (131); ders., Jellinek-Gedächtnisschrift, S.287 (301); ders., Klage, S. 84 f. 43 Vgl. BVerfG, DVB170, 270 (272) sowie, wenngleich mit übersteigerter Folgerung, Bartlsperger, VerwArch60, 48 f.; ders., DVB170, 32, 40
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
der Rang des subjektiven Rechts versagt wird. I n diesem Fall ist mittelbar auch A r t . 19 I V GG verletzt. Dies w i l l freilich nicht besagen, daß A r t . 19 I V GG doch über das Bestehen oder Nichtbestehen subjektiver Rechte entschiede. Diese Zuständigkeit liegt woanders, nämlich bei den materiellen Grundrechten. A r t . 19 I V GG ist deshalb nur dort mitberührt, wo das einfache Gesetz einem Recht die Subjektivität gegen eine materielle Grundrechtsnorm versagt oder entzieht. Für das Kartellrecht folgt daraus, daß die Regelung des § 62 I, I I GWB nur dann verfassungswidrig ist, wenn das GWB dem Konkurrenten zu Unrecht auch das materiell-subjektive Recht vorenthält 4 4 . Ob dies der Fall ist, läßt sich vorerst nicht entscheiden. Insoweit bedarf es der materiellen Grundrechtsuntersuchung. c) Keinesfalls m i t A r t . 19 I V GG zu vereinbaren ist dagegen die A u f fassung des B G H von der Subsidiarität des kartellrechtlichen Verwaltungsrechtsschutzes. Die Rechtsschutzgarantie des A r t . 19 I V GG w i r k t zwar prinzipiell nur i m Rahmen der, kraft einfachen Gesetzesrechts geltenden Prozeßordnungen 45. Das bedeutet, daß A r t . 19 I V GG nicht etwa die Klagbarkeit von Ansprüchen garantiert, denen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Andererseits gestattet A r t . 19 I V GG jedoch keine Verfahrensregel, die geeignet ist, die Effektivität des Rechtsschutzes ernsthaft zu beeinträchtigen. Das Grundrecht des A r t . 19 I V GG umfaßt nämlich auch die Garantie des effektiven Rechtsschutzes 46. Effektivität i n diesem Sinne bedingt vor allem den rechtzeitigen für den Bürger auch wirtschaftlich tragbaren Rechtsschutz 48 .
47
und
Beide Voraussetzungen sind hier nicht gewahrt. Durch die vorherige Verweisung des schutzsuchenden Konkurrenten auf den Zivilrechtsweg n i m m t man i h m die Chance, sein Recht sofort bzw. rechtzeitig durchzusetzen; die diesen Erfolg i m Zivilprozeß vereitelnden Umstände w u r den bereits dargelegt. 44
Das gleiche gilt wiederum für § 57 I I GWB. Vgl. BVerfGE 9, 194 (199 f.); 10, 264 (267 f.). 40 Vgl. bes. Lerche, ZZP78, 1 (16 ff.); Maurer, Kern-Festschrift, 1968, S. 275 (277, 287); (Maunz-)Dürig(-Herzog), GG, Art. 1 9 I V Rdnr. 12; Bachof, JZ66, 224 (231); Blümel, Forsthoff-Festgabe, 1967, S. 133 (137 ff.); vgl. auch für das Rechtsstaatsprinzip allgemein Dütz, Gerichtsschutz, S. 115 ff. 47 Vgl. Lerche, ZZP78, 17 ff.; ders., DÖV61, 486 (490); Scheuner, in: Kaiser, Planung I, 1965, S. 67 (73 m. N. 18); Ipsen, ebenda, S. 35 (65); Bullinger, ebenda, S. 189 (207 f.); Imboden, W D S t R L 1 8 , 135 (142); Blümel, a.a.O., S. 137 ff.; Dütz, a.a.O., S. 122 ff., 175 ff. 48 Vgl. bes. Fechner, JZ69, 349 ff.; BVerfGE 11, 139 (143). 45
I. Subjektiver Drittschutz als Gebot von sozialem Rechtsstaat
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Der Grundsatz des wirtschaftlich tragfähigen Rechtsschutzes hat bisher nur für das Armen- und Kostenrecht Anerkennung gefunden 49 . Er beschränkt sich jedoch darauf nicht. Er muß vielmehr auch dort verbindlich sein, wo das wirtschaftliche Ungleichgewicht der Parteien selbst der nicht (im Sinne des Armenrechts) bedürftigen Rechtsperson die Chance zur effektiven Verfolgung ihrer Rechte nimmt 5 0 . Das Prinzip von der Gleichheit der Prozeßchancen gehört daher allgemein zur Garantie des effektiven Rechtsschutzes. Sie verpflichtet den Gesetzgeber, sozialen Ungleichheiten nicht nur i n den Fällen absoluter Bedürftigkeit, sondern auch dort abzuhelfen, wo die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse der Parteien allzu sehr voneinander differieren 51 . Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 I V GG steht hier ganz unter dem Einfluß des Sozialstaatsprinzips (Art. 201 / 28 I GG) 52 . A r t . 19 I V GG versteht sich zunächst zwar nur als typisch liberales Grundrecht. I m Zeichen des sozialen Rechtsstaates kann sich seine Gewährleistung aber nicht auf die Abgabe eines bloß liberal-freiheitsrechtlichen Schutzversprechens beschränken. Art. 19 I V GG nimmt vielmehr — i m Zeichen des allgemein übergreifenden Sinnzusammenhanges von liberaler und sozialer Freiheitsgewährleistung 58 — auch eine wesentlich soziale Komponente auf. Diese verpflichtet den Staat, auch i m System des Rechtsschutzes für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Der Rechtsschutzanspruch des A r t . 1 9 I V GG beschränkt sich deshalb nicht auf das liberal-freiheitsrechtliche „Ob" eines Rechtsschutzes; er erfaßt auch das „Wie" des Rechtsschutzes i m Sinne wirtschaftlicher Tragbarkeit und sozial gesicherter Chancengleichheit. Darüber, wie diese Chancengleichheit tatsächlich zu sichern und herzustellen ist, sagt A r t . 19 I V GG freilich nichts 54 . Insoweit hat der Gesetzgeber prinzipiell freie Hand. Unterläßt dieser aber die Schaffung entsprechender Regelungen, so stellt sich die Frage einer verfassungskonformen Handhabung der bisherigen, als sozial ungerecht erkannten Ordnung. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Verweisung des Konkurrenten kann für diesen ein wirtschaftlich unzumutbares Risiko bedeuten. Einen wirtschaftlich tragbaren Rechtsschutz verspricht i h m nur die öffentlichrechtliche Konkurrentenklage, d. h. die gerichtliche Verpflichtung der 40 Vgl. hierzu BVerfGE7, 53 (55ff.); 9, 123 (130 f.); 9, 256 (257ff.); auch 10, 264 (268 ff.); 11, 139 (143). 60 Vgl. Fechner, JZ69, 349 (352 ff.); vgl. auch Däubler, BB 69, 545 ff. sowie BVerfGE 11, 143; in anderer Fragestellung auch BVerfG, NJW70, 853 (854 f.). 51 Vgl. Fechner, a.a.O.; BVerfGE 9, 131. 52 Vgl. Fechner, a.a.O.; BVerfGE, a.a.O. 53 Zu diesem vgl. m. w. Nachw. Scholz, Einrichtungen, S. 230; ders., W R P 68, 315 (317). 54 Zu entspr. Möglichkeiten vgl. Däubler, BB 69, 545 ff.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
Kartellaufsicht zur Gewährung hoheitlichen Schutzes 55 . Aus diesem Grunde muß dem Konkurrenten auch insofern die unmittelbare A n rufung des Kartellgerichts offenstehen. Eine Subsidiarität der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage scheitert demnach nicht nur am unterverfassungsrechtlichen Rechtsschutzbedürfnis, sondern auch an den verfassungsrechtlichen Effektivitätsgrundsätzen von rechtzeitigem und sozial gerechtem Rechtsschutz56. d) Gegen den Effektivitätsmangel des kartellrechtlichen Rechtsschutzsystems lassen sich auch die kartellrechtlichen Beteiligungsrechte, d. h. Anhörung und Beiladung, nicht ins Feld führen. Diese Rechte tragen zwar ihrerseits zur Effektivität des Rechtsschutzes bei 5 7 ; denn sie geben dem anzuhörenden oder beigeladenen Konkurrenten schon i m Verwaltungsverfahren das Recht, den eigenen Standpunkt darzutun bzw. die eigene Wettbewerbsposition zu vertreten. Dies geschieht aus Gründen der objektiven und nicht der subjektiven Verwaltungskontrolle 5 8 . Ungeachtet dessen ist dem Bürger aber schon hier die Möglichkeit gegeben, ein Verwaltungsverfahren i n seinem Sinne zu beeinflussen bzw. i n diesem seinen persönlichen Schutz zu suchen. Das bedeutet, daß Anhörung und Beiladung neben ihrer Funktion objektiver Verwaltungskontrolle immerhin auch subjektiv wirksam sein können. Diese Wirksamkeit ist freilich nur tatsächlicher A r t ; sie enthält keinen Rechtsschutz zur Durchsetzung subjektiver Rechte, sie vermittelt nur eine Form des rechtlichen Gehörs. Aus diesem Grunde können Anhörung u n d Beiladung auch i m Kartellverfahren — zumindest i m weiteren Sinne — dem Tatbestand 55
Vgl. oben C I I I 4 c, d. Dieses Ergebnis — Zulässigkeit der öffentlich-rechtlichen Klage ohne Vorrang der effektivitätshemmenden oder -ausschließenden Zivilrechtsklage — ist von jener Konstellation zu unterscheiden, in der die Zulässigkeit der öffentlich-rechtlichen Klage Effektivitätserfordernis einer Zivilrechtsklage ist. Ein Beispiel hierfür bildet etwa die öffentlich-rechtliche Klage auf Namhaftmachving eines Postbeamten, um diesen persönlich aus einer unerlaubten Handlung o. ä. in Anspruch nehmen zu können, weil die Post für dessen Handlung nicht aus Art. 34 G G haftet (§ 29 TelegraphenO). Das BVerwG hat einen solchen Klageanspruch jedenfalls aus Art. 1 9 I V G G und den in diesem angesprochenen Effektivitätsgrundsatz verneint (vgl. NJW60, 1538 [1539]). Dies ist insofern richtig, weil es dort — i m Gegensatz zur hiesigen Fragestellung — nicht u m die Effektivität des öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes (Ausschluß der Subsidiarität), sondern um die Effektivität des zivilrechtlichen Rechtsschutzes geht (Zulassung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs zur Erreichung eines effektiven Zivilrechtsanspruchs). Immerhin zeigt dieser Fall die möglichen Berührungspunkte zwischen effektivem Rechtsschutz im öffentlichen Recht und effektivem Rechtsschutz i m Zivilrecht. — I m Sinne eines verfassungsrechtlichen (rechtsstaatlichen, nicht aus Art. 19 I V GG begründeten) Anspruchs auf Effektivität des Zivilrechtsschutzes vgl. jetzt Dütz, Gerichtsschutz, S. 115 ff. 57 Vgl. oben sub C I V 2 b . ^ Vgl. Lerche, ZZP78, 28. 56
I. Subjektiver Drittschutz als Gebot von sozialem Rechtsstaat
121
des Art. 1031GG zugerechnet werden 59 » 60 . Dieser Umstand ist auch unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes zu beachten. Denn rechtliches Gehör ist eine Grundvoraussetzung wirksamer Rechtsschutzgewährung. I n diesem Sinne besteht ein enger Sinnzusammenhang zwischen den prozessualen Grundrechtsgarantien des A r t . 19 I V GG und A r t . 1031 GG 61 . Dieser Zusammenhang darf allerdings nicht überschätzt werden. Er mag und soll zwar als Effektivitätsgewinn verbucht und postuliert weroder gar alleinige Effektividen; er darf aber nie als Effektivitätsersatz tätsgarantie angesehen werden. Dies gilt auch gegenüber der Anhörung und Beiladung i m Kartellverfahren- Selbst wenn diese eine tatsächliche Steigerung der Effektivität zugunsten der anzuhörenden und beigeladenen Wirtschaftssubjekte erreichen sollten, könnten sie doch den hiesigen Mangel i m gerichtlichen Schutz des Konkurrenten nicht ausgleichen. Effektivität i m Verwaltungsschutz läßt sich nie gegen mangelnde Effektivität i m Rechtsschutz stellen oder gar dieser gegenüber aufrechnen. Denn das Institut der Beteiligung i m Verwaltungsverfahren kann nicht die Aufgaben des Rechtsschutzes übernehmen und die Gerichte ersetzen. Selbst wenn verwaltungsverfahrensrechtliche Beteiligungen zunehmend — und zu Recht — an Bedeutung gewinnen, darf dieser Vorgang doch keine Verkürzung des gerichtlichen Rechtsschutzes m i t sich bringen oder rechtfertigen. Einem solchen Weg setzt A r t . 19 I V GG unübersteigbare Schranken. Das GG sucht den Rechtsschutz des Bürgers ausschließlich bei der Rechtsprechung und nicht bei der Verwaltung. Von der Verwaltung erwartet es zwar rechtsstaatskonforme und möglichst schon selbstdisziplinierende Verfahrensformen. Dies ändert aber nichts daran, daß das Gebot des effektiven Rechtsschutzes sich allein vor den Gerichten zu erfüllen hat. Unabhängig davon fehlt es i m Falle der kartellrechtlichen Verfahrensbeteiligung sogar am realen Effektivitätsgewinn. Anhörung und Beiladung mögen zwar einerseits das rechtliche Gehör effektiveren. A u f der anderen Seite w i r k e n sie aber effektivitätsfeindlich gegenüber dem gerichtlichen Rechtsschutz: Das Institut der Beiladung bildet — über den Beteiligtenbegriff des § 62 I I GWB — das Haupthindernis für einen effektiven Rechtsschutz i m Anfechtungsverfahren. 59
VgL Lerche, a.a.O. Damit soll hier freilich nicht die Auffassung vertreten sein, derzufolge der Grundsatz vom rechtlichem Gehör auch für das Verwaltungsverfahren verbindlich ist (vgL in diesem Sinne z. B. [Maunz-]Dürig[-Herzog], GG, Art. 1031 Rdnr. 92 mit ausf. Nachw. zum Meinungsstand S. 30 N. 3). I m Gegenteil, eine solche Anwendimg läßt sich unzweifelhaft weder pauschal vollziehen noch pauschal diskutieren. Wenn überhaupt, so kann nach hier vertretener Ä0
Auffassung nur im Bereich der rechtsschutzförmigen
eine Anwendung des Art. 1031 GG postuliert werden. 61 Vgl. grundlegend hierzu Lerche, Z Z P 78, 1 ff.
Verwaltungsverfahren
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
4. Zusammenfassend ist nach alledem festzustellen, daß weder das Rechtsstaatsprinzip i m allgemeinen noch die Rechtsschutzgarantie des A r t . 1 9 I V GG i m besonderen ein subjektives Recht auf Gewährung aufsichtsrechtlichen Konkurrentenschutzes abgeben. Zum anderen zeigt sich aber, daß die Verneinung eines solchen Rechts jedenfalls auch auf maßgebend rechtsstaatliche Bedenken stoßen müßte. Schlagwortartig kennzeichnet diese Situation das von K.-H. von Köhler auf die Versagung kartellrechtlicher Konkurrentenrechte gemünzte Wort vom „geistigen Nachholbedarf des GWB an Rechtsstaatlichkeit" 62 . Ob dieser V o r w u r f freilich gerechtfertigt ist, beantworten Rechtsstaatsprinzip und Rechtsschutzgarantie zumindest nicht abschließend. Dies t u n allein die materiellen Grundrechtsentscheidungen. Rechtsstaatlichkeit und Rechtsschutzgarantie stellen diesen lediglich akzessorische und verfahrensmäßige Hilfsansprüche zur Seite.
I I . Subjektiver Drittschutz als Gebot grundrechtlicher Verfassungsgarantien 1. Das Problem des subjektiven öffentlichen (Konkurrenten-)Rechts sieht sich nunmehr endgültig eingegrenzt: Zuerst hatte sich ergeben, daß das subjektive öffentliche Recht sich nicht ausschließlich am W i l l e n des einfachen Gesetzes orientieren kann (Schutzzwecktheorie). Denn hiermit wäre das subjektive Recht völlig dem Belieben der unterverfassungsrechtlichen Gesetzgebung überlassen1. Anschließend hatte sich ergeben, daß auch das Rechtsstaatsprinzip und die Rechtsschutzgarantie des A r t . 1 9 I V GG als solche nicht geeignet sind, materielle Anspruchsrechte zu begründen; sie setzen diese vielmehr voraus und statten sie lediglich m i t zusätzlichen Sicherungen aus (akzessorische Verfahrensansprüche). Eine jeweils entgegengesetzte Fragestellung hätte demnach wie folgt anzusetzen: Erstens, ist der subjektive Wille des einfachen Gesetzes nicht maßgebend, so muß es sein objektiver Inhalt sein; zweitens, sind die formell-rechtlichen Gewährleistungen von Rechtsstaatlichkeit und Rechtsschutzgarantie nicht verfassungsrechtlich maßgebend, so müssen dies die materiell-rechtlichen Gewährleistungen der Grundrechte sein, ein Schluß, von dem bereits, wenngleich ohne nähere Begründung, ausgegangen wurde. 2. Den Versuch, sich vom Willen des einfachen Gesetzes zu lösen und dessen „Schutzzweck" objektiv zu bestimmen, unternehmen alle die62 1
VerwArch 54, 262 (272). Vgl. sub C V 3 a.
I I . Subjektiver Drittschutz als grundrechtliches Verfassungsgebot
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jenigen Auffassungen, die das subjektive öffentliche Recht überall dort zu erkennen suchen, wo eine Rechtsnorm den einzelnen zwar nicht gewollt, aber immerhin tatsächlich begünstigt. Die wichtigsten Vorstöße i n dieser Richtung haben R. Bartlsperger und W. Henke unternommen: Bartlsperger geht von der Rechtschutzgarantie des A r t . 1 9 I V GG aus und schließt aus dieser, daß der einfache Gesetzgeber nicht befugt sei, frei über das subjektive öffentliche Recht zu disponieren 2 . Das subjektive öffentliche Recht dürfe deshalb „nicht i n Gesetzesabhängigkeit gesehen werden" 8 ; es bestimme sich vielmehr nach der „Bewertung der tatsächlichen Auswirkungen öffentlich-rechtlicher Normen auf individuelle Angelegenheiten" 4 . Es sei folglich „immer dann anzunehmen, wenn ein Gewaltunterworfener von einer staatsrechtlichen Norm konkret betroffen" sei 5 bzw. — für die baurechtliche Nachbarklage — wenn beim Vollzug der bauaufsichtsrechtlichen Norm die „nachbarlichen Interessen" des Gewaltunterworfenen „mitzuberücksichtigen" seien6. Henke geht von der noch allgemeineren Feststellung aus, daß es „realiter . . . die privaten eigenen Angelegenheiten" seien, „ m i t denen der Bürger des Schutzes bedarf", und daß „das geeignete M i t t e l für diesen Schutz . . . das materielle subjektive Recht" sei 7 .„Die eigenen Angelegenheiten des Bürgers" bildeten daher „die reale Grundlage und Substanz seiner subjektiven öffentlichen Rechte" 8 . „Diese Rechte" entstünden „dadurch, daß die Verwaltung i n bezug auf einen ganz bestimmten einzelnen Bürger die höhere Einheit, von öffentlichem Wohl und dessen individueller Freiheit, wie sie i m Gesetz gegeben ist, verfehlt" 9 . Dies könne wiederum schon dann „geschehen, wenn das gesetzwidrige Verhalten der Verwaltung diesen Bürger i n seinen eigenen Angelegenheiten betrifft" 1 0 . Schlüsselbegriff des subjektiven öffentlichen Rechts ist für Henke also die Figur der „eigenen Angelegenheiten" 11. Sie sucht er vom (privaten) „Interesse" i m Sinne der herrschenden Schutzzwecktheorie abzuheben, indem er annimmt, daß nur i n der „eigenen Angelegenheit" „das subjektive Recht schon latent" enthalten sei 12 : „Immer wenn die Verwaltung i n diesen Angelegenheiten ein Ge2 Vgl. VerwArch 60, 49; DVB170, 30 (32); vgl. hierzu auch schon sub C V 3 a, D I 3b. 5 VerwArch, a.a.O. 4 VerwArch, a.a.O. 5 VerwArch, a.a.O. 6 VerwArch 60, 63. 7 Vgl. Recht, S. 60. 8 Recht, a.a.O. 0 Recht, S. 60, auch S. 75. 10 Ebenda. 11 Vgl. weiterhin entspr. a.a.O., S. 75 ff. 12 Vgl. a.a.O., S. 61.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
setz verletzt, das sie betrifft, verletzt sie subjektive Rechte des Betroffenen, einerlei ob das vom Gesetzgeber beabsichtigt war oder nicht, eben weil i m Rechtsstaat jedes tätsächliche Verhältnis zwischen Staat und Bürger ein Rechtsverhältnis ist." 1 5 Oder übersetzt i n die, von Henke gemiedene, Kategorie des „Interesses": Ein subjektives öffentliches Recht soll immer dann vorliegen, wenn ein privates Interesse tatsächlich berührt ist 14 » 15 . Bartlsperger und Henke trennen die Frage des subjektiven öffentlichen Rechts damit ganz von der normativen Entscheidung des Gesetzgebers. Sie verlegen das subjektive öffentliche Recht statt dessen i n den Bereich der Faktizität. Begriffe wie die „konkrete" oder „tatsächliche" „Betroffenheit" und „Auswirkung" i n den „eigenen" oder „individuellen Angelegenheiten" bezeugen dies i n aller Offenheit. Eine normative Beziehung besteht für Bartlsperger nur hinsichtlich A r t . 1 9 I V GG; deren hiesiges Versagen wurde jedoch schon dargetan 18 . Für Henke besteht diese normative Beziehung nur i m „gesetzwidrigen Verhalten der Verwaltung". Aus diesem allein läßt sich jedoch noch kein subjektives Recht folgern, es sei denn, man wollte einen allgemeinen subjektiv-rechtlichen Anspruch auf Gesetzmäßigkeit der Verwaltung anerkennen. Eben dies geht jedoch nicht, weil andernfalls der Gegensatz von objektivem und subjektivem Recht aufgehoben würde 1 7 . So bleibt für Henke doch nur der Begriff der „eigenen Angelegenheiten" als angeblich „realer Grundlage und Substanz" des subjektiven öffentlichen Rechts. Dieser Begriff entbehrt aber jeder normativen Kontur. Was eine „eigene Angelegenheit" ist, sagt Henke nicht. Sofern man unter „eigener Angelegenheit" also nicht bloß die objektive Gesetzwidrigkeit einer verwaltungsrechtlichen Maßnahme verstehen w i l l , muß man sie als nur tatsächliche Kategorie oder Realform eines privaten Interesses voraussetzen. Die Konsequenz hiervon wäre jedoch nicht nur die pauschale Anerkennung subjektiver öffentlicher Rechte überall dort, wo ein Bürger die tatsächliche Begünstigung oder Berührung seiner Interessen behaupten kann. Die Konsequenz hiervon wäre vor allem die Aufgabe der normativen Struktur des subjektiven Rechts überhaupt. Da dies wiederum nicht diskutabel ist, bedarf es einer anderen Betrachtungsweise, die sich 13 14
(15).
a.a.O., S. 61. Vgl. deutlich a.a.O., S. 81 und hieran anschließend Evers, DVB170, 12
15 I m Sinne einer begrifflichen Verknüpfung von „Interesse" und „eigener Angelegenheit" vgl. auch Rupp, Grundfragen, S. 246 ff., der mit der herrschenden Schutzzwecktheorie beim gesetzlich geschützten „Interesse" ansetzt (S. 246) und diesem nur dann subjektiv-rechtlichen Gehalt zuerkennt, „wenn es sich um Interessen handelt, die auf eigene Angelegenheiten bezogen sind, deren Kristallisationspunkt also unmittelbar i m eigenen Entfaltungsbereich einer Person liegt" (S. 248). 16 Vgl. sub D 1 3 b. 17 Vgl. dazu schon sub C V 3 a.
I I . Subjektiver Drittschutz als grundrechtliches Verfassungsgebot
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zwischen den bisherigen Extremlösungen bewegt und weder den Willen des Gesetzes noch die Faktizität der Gesetzeswirkung verabsolutiert. Eine richtige Lösung i n diesem Sinne darf sich einmal nicht ganz auf den Willen des Gesetzes stützen, weil dies auch den willkürlichen Ausschluß subjektiver Rechte zuließe; sie darf diesen zum anderen aber auch nicht ganz außer acht lassen, weil sie sonst die Normativität des subjektiven Rechts selbst negierte. Oder von der herrschenden Schutzzwecktheorie her gesehen: Das subjektive Recht kann sich n u r dort nach dem Willen des Gesetzes richten, wo dessen — das subjektive Recht bejahende oder verneinende — Vollziehung rechtsgültig wäre, also auch m i t anderen, d. h. insbesondere übergeordneten Rechtsentscheidungen i m Einklang stünde; denn nur dann wäre die bejahende oder verneinende Disposition über das subjektive Recht wirksam erfolgt. Allgemeiner ausgedrückt kommt es also nicht nur auf den Gesetzeswillen, sondern auch auf dessen gültige Vollziehung, d. h. die Gesetzeswirkung an. Das subjektive Recht läßt sich, methodisch gesehen, folglich nicht i m Wege einer „gesetzessubjektiven" oder teleologischen, sondern nur i m Wege einer funktionalen, d.h. Gesetzeszweck und Gesetzesw i r k u n g verbindenden Gesetzesinterpretation 18 ermitteln. Dies gezeigt zu haben, ist das besondere Verdienst Henkes und Bartlspergers. Denn ihre K r i t i k richtete sich ja gegen das bisher absolut herrschende, einseitige Abstellen auf den bloßen Gesetzeswillen. Der Fehler Henkes und Bartlspergers liegt demgegenüber nur darin, daß sie den maßgebenden Akzent wiederum einseitig auf die Gesetzeswirkung verlegt haben. E i n subjektives öffentliches Recht ist nach alledem entweder dann gegeben, wenn eine Norm den einzelnen willentlich und tatsächlich begünstigt, oder dann gegeben, wenn eine Norm den einzelnen zwar nur tatsächlich begünstigt, aber dies auf Geheiß von dritten übergeordneten Rechtsentscheidungen t u t bzw. t u n muß. Die Frage nach der subjektiv-rechtlichen Eigenschaft einer tatsächlichbegünstigenden Gesetzesnorm muß demnach wie folgt vorgehen: Sie muß zuerst nach einer ausdrücklichen, d. h. willentlichen und tatsächlichen Entscheidung für das subjektive Recht suchen. Findet sie diese nicht oder nicht i n zweifelsfreier Form, so muß sie anschließend auf den hinter oder über der Gesetzgebung stehenden (Verfassungs-)Reditskreis zurückgreifen und prüfen, ob dessen Wertentscheidungen die Anerkennung des subjektiven Rechts verlangen. 18 Zur funktionalen Interpretationsmethode in diesem Sinne vgl. allgemein vor allem den (soziologischen) Ansatz bei Luhmann, Grundrechte als Institution, 1965, passim; vgl. weiterhin bes. Krawietz, Das positive Recht und seine Funktion, 1967, S.21ff.; Maiwald, ARSP40, 1952/53, S.55ff.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
M i t diesen Abgrenzungen wären beide obigen Fragestellungen aufgenommen. I n der ersten Variante orientierte sich die Frage nach dem subjektiven Recht nicht mehr bloß am gesetzgeberischen Willen, sondern am objektiven Gesetzesinhalt als dessen funktionaler Objektivierung. I n der zweiten Variante orientierte sich die Frage (insbesondere) an den der gesetzgeberischen Entscheidimg übergeordneten und das subjektive Recht gegebenenfalls fordernden Grundrechten. Sachlich geht die vorstehende Abgrenzung vom prinzipiellen Gegensatz zwischen objektivem und subjektivem Recht aus. Sie verengt diesen aber auf eine verfassungsrechtlich relativierte Alternative. Dort nämlich, wo ein Gesetz das subjektive Recht auf verfassungswidrige Weise ausschließt und eine Begünstigung ausschließlich als Reflex des objektiven Rechts gewährt, w i r d die Entscheidung des Gesetzes durch die zweite Variante i m Sinne des subjektiven Rechts korrigiert. Wie diese Korrektur i m einzelnen aussieht, ist damit freilich noch nicht gesagt; hierauf w i r d i m Anschluß gesondert zurückzukommen sein. 3. Wendet man die gefundene Formel zur Abgrenzung des subjektiven öffentlichen Rechts auf das Recht der Wirtschaftsaufsicht an, so zeigt sich schnell die Evidenz der zweiten Variante. Denn willentliche und tatsächliche Begünstigungen i m Sinne der ersten Variante enthält das Aufsichtsrecht nur selten. Tatbestände wie die des Kartellrechts bewirken zwar fast durchgehend tatsächliche Begünstigungen des individuellen Konkurrenten. Die subjektiv-rechtliche Qualität dieser Begünstigungen bleibt aber meist sehr ungewiß. Die herrschende Meinung verneint sie; denn die vermeintlich objektiv-rechtliche Struktur des kartellrechtlichen Schutzgutes soll einen gesetzlichen Begünstigungswillen ausschließen. Die Unrichtigkeit dieser Begründung wurde andererseits schon nachgewiesen 19 . Das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht hält sich als objektiver Institutionsschutz i m dargestellten Sinne 20 i m allgemeinen jenseits der Unterscheidung von objektivem und subjektivem Recht. Die Wirtschaftsaufsicht setzt die (privaten) Wirtschaftsrechte, wie gezeigt, voraus 21 . Sie sucht nur reale Wirtschaftsfunktionen, d. h. bestimmte Lebenssachverhalte, bestehensmäßig durch die Einführung ergänzender objektiv-rechtlicher Sicherungsmittel zu schützen oder funktionsfähig zu halten. Die Wirtschaftsaufsicht befaßt sich folglich u n d prinzipiell nicht mit den objektiv- und/oder subjektiv-rechtlichen Entstehungsgrundlagen jener Wirtschaftsfunktionen. Sie nimmt diesen gegenüber nur eine unterstützende und damit abhängige Haltung ein. Die objektiv- oder subjektiv-rechtliche Orientierung des Schutzgutes der Wirtschaftsaufsicht ist daher akzessorisch. Sie richtet sich nach der objektiv- oder 19 20 21
Vgl. sub C V 3. Vgl. B I I 5. Vgl. B I I 3—5.
I I . Subjektiver Drittschutz als grundrechtliches Verfassungsgebot
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subjektiv-rechtlichen Qualität der gesicherten Wirtschaftsfunktion 22 . Daß die von der Wirtschaftsaufsicht eingesetzten Sicherungsmittel dem objektiven Recht angehören (staatliche Zuständigkeiten), spielt dabei vorerst keine Rolle. Denn die Wirtschaftsaufsicht erfüllt eine instrumenteile Aufgabe; ihr Schutzgut ist nie Selbstzweck, sondern stets nur Mittel zum Zweck 23. Aus diesem Grunde wäre es verfehlt, aus einem objektiv-rechtlichen Aufsichtsinstitut auf einen auch objektiv-rechtlichen Schutzzweck schließen zu wollen. Das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht verhält sich demnach bzw. i m Regelfall indifferent gegenüber dem Gegensatz von objektivem und subjektivem Recht. Eine isolierte Betrachtung des Aufsichtsrechts i m Sinne der ersten Abgrenzungsvariante führt daher nicht weiter. 4. Nach der zweiten Abgrenzungsvariante entscheidet über den subjektiv-rechtlichen Rang einer aufsichtsmäßigen Begünstigung die dritte übergeordnete Rechtsentscheidung. I m einzelnen wurden hierfür schon die Grundrechte als maßgebend bezeichnet. Dies geschah bereits m i t Blickrichtung auf den Konkurrentenschutz. I n anderen Fällen können sich aber auch außer-grundrechtliche Rechtsentscheidungen als maßgebend erweisen. Dies gilt vor allem dort, wo eine Aufsichtsnorm z. B. eine bestimmte objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung der Verfassung verwirklicht; i m vorliegenden Zusammenhang wäre vor allem an die etwaige Verwirklichung einer bestimmten wirtschaftsverfassungsrechtlichen Ordnimg zu denken. Sollte das GG den Aufsichtsgesetzgeber zur Vollziehung einer solchen Ordnung verpflichten, so wäre auch die entsprechende Aufsichtsgesetzgebung zumindest prinzipiell als objektivrechtliche Ordnung zu begreifen 24 . Der Gesetzgeber wäre natürlich nicht gehindert, auch eine solche objektiv-rechtliche Ordnung m i t subjektivrechtlichen Individualansprüchen zu durchsetzen. Dies müßte dann aber ausdrücklich, d. h. willentlich und tatsächlich, i m Sinne der ersten A b grenzungsvariante geschehen. Der Rückschluß auf die Qualität der verfassungsrechtlichen Ordnungsentscheidung ist i n diesem Sinne von vornherein nur subsidiärer A r t . Er kommt erst dort zum Zuge, wo die gesetzliche Regelung nicht ausdrücklich oder i n eventuell verfassungswidriger Weise zwischen objektivem und subjektivem Recht entscheidet. Ein anderer Fall, i n dem ein außerhalb der Wirtschaftsaufsicht stehender Rechtskreis nicht-grundrechtlicher A r t maßgebend ist, findet sich z. B. dort, wo eine bestimmte Kompetenznorm des Verfassungs- oder einfachen Gesetzesrechts einer öffentlichen Körperschaft eine bestimmte wirtschaftliche Angelegenheit zuständigkeitshalber aufgibt und eine 22
Vgl. näher sub C V 3 c, d. Vgl. für den Wettbewerbsschutz der Kartellaufsicht treffend z. B. Lukes, Kartellvertrag, S. 137. 24 Vgl. dazu noch unten sub D I V 1 , 2 . 23
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
Regelung der Wirtschaftsaufsicht diese Zuständigkeit i n ergänzender Sicherung erfaßt. Hier hätte sich der objektiv- oder subjektiv-rechtliche Charakter der Aufsichtsregelung nach dem Inhalt jener Zuständigkeitsentscheidung zu richten 25 . Für den etwaigen subjektiv-rechtlichen Schutz des Konkurrenten kommen demgegenüber vor allem die Grundrechte i n Betracht. Denn i n ihnen finden sich jene Wertentscheidungen, die die wirtschaftliche Betätigung des Individuums i n sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen auf allgemein-verbindliche, d. h. auch jede Wirtschaftsaufsicht verpflichtende Weise regeln. 5. Das GG garantiert i n den Grundrechten unstreitig auch die freie Wirtschaftsbetätigung des Individuums 26. Das GG kennt zwar kein auses enthält i n den Grunddrückliches Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit; rechten der Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12,14 GG) aber Freiheitsrechte, deren aktuelle, d. h. berufsmäßige (gewerbliche) und vermögensmäßige Nutzung durch die Individuen auch die wirtschaftliche Betätigung grundrechtlichem Schutz unterstellt 2 7 . Aus dieser Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung erfließt auch die Wettbewerbsfreiheit. Wie bereits oben gezeigt wurde, ist „der Wettbewerb" lediglich Ergebnis oder tatsächliche Folge realen Wirtschaftens 28 . Die konkurrierende Ausübung der wirtschaftlichen Freiheiten aus A r t . 12,14 GG schafft den Wettbewerb als Summe miteinander wetteifernder Grundrechtsausübungen 29 . I n diesem Sinne sieht sich auch die Wettbewerbsfreiheit grundrechtlich angesprochen 80 . Sie ist zwar nicht, wie häufig angenommen 81 , als selbständiges (Teil-)Grundrecht — etwa i n A r t . 2 1 GG — garantiert 8 2 . Zumindest i h r grundrechtlicher Schutz 88 folgt allein mittelbar, weil an die aktuelle, erst wettbewerbs25 Zu derartigen meist im Kompetenzkonflikt endenden Konstellationen vgl. Scholz, Einrichtungen, S. 147ff.; DVB168, 732 (738ff.); 69, 116 f. 20 Vgl. z.B. Zacher, Böhm-Festschrift, S. 63 (97ff.); H. Klein, Teilnahme, S. 109 ff.; Lerche, Werbung, S. 71; Nipperdey-Wiese, Grundrechte IV/2, S. 741 (775 f.); Scheuner, W D S t R L l l , 1 (25); Ipsen, in: Planung I I , S. 63 (93 ff.); Scholz, ZHR132, 105 ff.; NJW69, 1044. 27 Maßgebend ist, wie gegenüber einer verbreiteten Meinung zu betonen ist, also nicht das Generalgrundrecht des Art. 2 I GG (vgl. schon Scholz, Z H R 132, 105 ff.; NJW69, 1044). 28 Vgl. sub B I I 3,4,7. 29 Vgl. Scholz, Z H R 132, 105ff.; NJW69, 1044. 30 Vgl. Scholz, a.a.O. 31 Vgl. z.B. BVerwGE30, 191 (198); BVerwG, NJW64, 2075 (2076); B G H Z 23, 365 (371); (Maunz-)Dürig(-Herzog), GG, Art. 2 I Rdnr. 48, 52; NipperdeyWiese, a.a.O., S.783, 869, 881 ff., 903 ff.; Ipsen, NJW63, 2049 (2055), 2102 (2107); Bernhardt, JZ63, 302 (306); Rupp, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 187 (203 ff.); Leisner, BB 70, 405 (410); Krüger, Kartellgesetzgebung, S. 26. 32 Vgl. schon Scholz, a.a.O. 33 Zu eventuellen anderen Schutzgrundlagen vgl. noch D I V 2.
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bildende Grundrechtsausübung 12,14 GG 84 .
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gebunden, aus den Garantien der A r t .
Damit zeigt sich, daß die wirtschaftliche u n d wettbewerbliche Position des Konkurrenten grundsätzlich unter grundrechtlichem Verfassungsschutz steht. Diese Feststellung ist für die Frage eines subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechts von entscheidender Bedeutung. Denn sie beweist die Richtigkeit der schon bisher vorausgesetzten Annahme, daß sich ein entsprechendes Konkurrentenrecht nur auf der Ebene grundrechtlicher Wertentscheidungen ergeben kann (zweite Variante). 6. Der allgemeine Grundrechtsschutz wirtschaftlicher Konkurrenz vermittelt allerdings noch kein ebenso allgemeines subjektives Konkurrentenrecht. Denn der grundrechtliche Schutz einer bestimmten Freiheit läßt sich nicht ohne weiteres i n subjektive öffentliche Rechte gegenüber verwaltungsrechtlichen (Aufsichts-)Instanzen umsetzen. Die Grundrechte kennen und ermöglichen als prinzipielle Abwehrrechte keine derartige Anspruchsautomatik. Subjektive Rechte der hier gesuchten A r t können sich erst aus der vollen und systemgerechten Aktualisierung von grundrechtlicher Freiheitsgewährleistung und grundrechtlicher Freiheitsbeschränkung ergeben. Die Vermittlung subjektiver öffentlicher Rechte erfolgt also nie pauschal, sondern stets unter abwägendem Rückgriff auf das Zusammenspiel von Grundrechtsschutz u n d Grundrechtsschranke. Die Grundrechte fordern also ihrerseits ein besonderes und differenzierendes Verfahren interpretativer Verdichtung. U m ein solches Verfahren hat man sich bisher allerdings kaum bemüht. Soweit man überhaupt auf die Grundrechte als Maßstab subjektiver Berechtigungen i m einfachen Gesetzesrecht zurückgegriffen hat, geschah dies zumeist i n sehr allgemeiner Form. Die entscheidenden Impulse hat hier O. Bachof gegeben. Er hat überhaupt erst den ¡Zusammenhang von einfach-gesetzlichem Anspruchsrecht und verfassungsrechtlicher Grundrechtsordnung aufgezeigt 85 . Bachof bezieht sich zu Recht auf die „Gesamtkonzeption des GG mit seinem Bekenntnis zum Primat der menschlichen Persönlichkeit und der menschlichen Freiheit, zu ihrem Vorrang vor den Staatsinteressen, m i t seiner Sozialstaatserklärung, sowie schließlich m i t seiner Tendenz einer durchgängigen Beschränkung und Kontrolle staatlicher Machtäußerung" 86 ; aus dieser Verfassungskonzeption schließt Bachof auf den subjektiv-rechtlichen Charakter aller rechtlich geschützten Individualinteressen, gleichgültig, 84
Vgl. Scholz, a.a.O. Vgl. Jellinek-Gedächtnisschrift, S.287 (301 ff.); W D S t R L 1 2 , 37 (73 ff.); DVB161, 128 (130 f.); auch Klage, S. 84 f. 86 Jellinek-Gedächtnisschrift, S. 301; entspr. W D S t R L 12, 73. 85
9 Scholz
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
ob diese bisher nur objektiv-rechtlichen Schutzversprechen folgten 87 . Bachof befürwortet damit zwar keine generelle Ubersetzung objektivrechtlicher Begünstigungen i n solche subjektiv-rechtlicher A r t 8 8 ; er stellt aber eine entsprechende Vermutung auf: Eine (objektiv-rechtlich) gewollte Begünstigung soll i m Zweifel ein subjektives Recht begründen 89 . Dieses Ergebnis mag demjenigen konsequent erscheinen, der eine generelle A n t w o r t auf das Verhältnis von Grundrechtsordnung und subjektivem öffentlichen Recht sucht. Tatsächlich ist eine solche A n t w o r t aber unmöglich. Denn ihre Aussage w i r d weder der verfassungsrechtlichen Grundrechtsordnung noch dem strukturellen Gegensatz von objektivem und subjektivem Recht gerecht. Der Grundrechtsordnung widerspricht sie, weil sie i n den Grundrechten ein System scheinbar geschlossener und inhaltlich identischer Freiheitsprärogativen voraussetzt, das i n Wirklichkeit nicht besteht. Die Grundrechte lassen sich in keinem allgemeinen oder durchgehenden Vorrangprinzip nach A r t des „in dubio pro libertate" auffangen 40 . Sie garantieren zwar einen gewissen „Vorrang der Freiheit"; rechtlich verfassen und staffeln sie diesen aber i n einem außerordentlich differenzierten System sich wechselseitig begrenzender und überschneidender Freiheitsgewährleistungen und -beschränkungen; ein System also, das jede generalisierende Wertung, wie sie namentlich einer „allgemeinen FreiheitsVermutung" eigentümlich wäre, ausschließt. A u f der anderen Seite verfehlt eine solche Vermutung auch die verbindliche bzw. eindeutige Abgrenzung i m Verhältnis von objektivem und subjektivem Recht. Einer solchen Abgrenzung bedarf es nämlich. Denn der normative Gegensatz zwischen objektivem und subjektivem Recht läßt sich nicht durch indizielle Rückschlüsse oder bloße Beweisregeln überwinden. Dies gelingt nur der strikt-juristischen Entscheidung, d. h. dem normativ gültigen Entweder-Oder. Aus diesen Gründen führt die Bachofsdie Betrachtungsweise — trotz ihres hohen Verdienstes, den Zusammenhang zwischen subjektivem öffentlichen Recht und Grundrechtsordnung aufgedeckt zu haben — i m Ergebnis doch zumindest nicht entscheidend weiter. Aus dem prinzipalen Zusammenhang von verfassungsgesetzlicher Grundrechtsordnung und subjektivem öffentlichen Recht läßt sich lediglich ein anderer, inhaltlich begrenzterer u n d i m allgemeineren Zusammenhang von R. Herzog 41 entwickelter Interpretationsgrundsatz ablei37
130.
38
Vgl. Jellinek-Gedächtnisschrift,
S.301f.; V V D S t R L 12, 73 ff.; DVB161,
Vgl. Jellinek-Gedächtnisschrift, S. 301 ff.; VVDStRL, a.a.O.; DVB1, a.a.O. Vgl. hierzu schon die Nachw. oben C V N. 33. Vgl. allgemein Ehmke, VVDStRL20, 53 (86ff., 94f.); Graf v. Pestalozza, Staat 63, 425 (443ff.); Lerche, DVB161, 690 (698) — im Sinne des „in dubio pro libertate" vgl. dagegen bes. P.Schneider, DJT-Festschrift, I I , 1960, S. 263ff.; ders., V V D S t R L 20, 1 (31 f.). 41 Vgl. in: Maunz-Dürig-Herzog, GG, Art. 5 Rdnr. 266. 39
40
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ten: nämlich das Gebot, i n jedem Bereich, i n dem grundrechtliche Wertentscheidungen berührt werden, den Durchgriff auf das grundrechtliche Individualrechtsgut so weit wie möglich zu suchen. Nur ein solches Grundrechtsverständnis verspricht ein material-verfassungsgerechtes und zugleich grundrechtseffektives Verständnis des subjektiven öffentlichen Rechts auch i n solchen Bereichen, die sich dem subjektiven Recht gegenüber zunächst indifferent verhalten oder zu verhalten scheinen 42 . 7. Eine wirksame Öffnung zur Grundrechtsordnung h i n gelingt dem subjektiven öffentlichen Recht demnach nur i n einem differenzierenden Interpretationsverfahren, das die konkreten Besonderheiten einer jeden grundrechtlichen Gewährleistung und grundrechtlichen Schrankenziehung inhaltlich aufnimmt und zur einfach-gesetzlichen Regelung i n Beziehung setzt. Die grundrechtliche Wertentscheidung darf also nicht i n ihrem abstrakten Ordnungsauftrag gesehen werden; sie muß vielmehr i n ihrer konkreten — liberalen und sozialen — Wirksamkeit und Wirklichkeit gesucht und angewandt werden. Wie dies zu geschehen hat, demonstriert schon die theoretisch einfachste Konstellation der grundrechtsverletzenden (Aufsichts-)Gesetzgebung. Eine solche Gesetzgebung kann dem betroffenen Bürger ein subjektives Abwehrrecht geben; sie kann dies unterlassen. Dem verletzten Grundrecht ist dies gleichgültig. Denn sein verfassungsrechtlicher Abwehranspruch reagiert immer und ohne Rücksicht auf die subjektiv- und/oder objektiv-rechtliche Ordnung der verletzenden Gesetzgebung. A u f diese projiziert, bedeutet die Stringenz des grundrechtlichen Abwehranspruchs m i t h i n nichts anderes als die Begründung eines subjektiven öffentlichen Rechts nach Maßgabe der zweiten Abgrenzungsvariante. Wenn dies bisher vielleicht nicht überall bewußt geworden ist, so dürfte daran nur die Selbstverständlichkeit des grundrechtlichen A b wehranspruchs schuld sein. U n d doch zeigt sich schon bei dieser selbstverständlichen Fallstellung, daß ein Grundrecht nur dann seine abwehr- bzw. subjektiv-rechtliche Wirksamkeit entfalten kann, wenn sein konkreter (aktueller) Ordnungsanspruch betroffen ist. Diese Beobachtung weist zugleich den weiteren Weg. Sie orientiert sich zwar am Extremfall der Grundrechtsverletzung. Der grundrechtliche Ordnungsanspruch funktioniert i m Prinzip aber auch sonst bzw. stets auf die gleiche Weise. Seine Reaktion auf die Grundrechtsverletzung ist von seinen anderen Wirkungsformen nur durch die Intensität von Grundrechtsberührung und Grundrechtsabwehr gekennzeichnet. 42 Vgl. so gerade für das Schutzgut des materiellen Polizeibegriffs treffend Herzog, a.a.O.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
Diese anderen Wirkungsformen sind freilich sehr vielfältig. Sie lassen sich nicht schematisch erfassen. Denn die Grundrechte reagieren auf jede gesetzliche Regelung oder Begrenzung der von ihnen garantierten Rechtsbereiche. Sie reagieren zudem nicht nur, sondern agieren ebenso, indem sie den Gesetzgeber zu freiheitsordnenden und gesellschaftsverfassenden Regelungen aufrufen, ermächtigen oder gar verpflichten. I n diesem Sinne organisiert jede Wirtschaftsaufsicht bzw. die ihr zugrunde liegende Gesetzgebung eine besondere Form, Ordnung oder Verfassung der grundrechtlich geschützten Wirtschaftsfreiheit Die Verfassungs- und Gesetzesvorbehalte der A r t . 12 12, 141 2, I I GG bilden die Grundlage jeder derartigen Wirtschaftsordnung. Die Wirtschaftsaufsicht K r a f t i m weiw i r k t also als wirtschafts- oder gesellschaftsverfassende testen Sinne. Das Wirtschaftssubjekt nimmt i n ihr am „freiheitlichen Verfaßtsein der Gesellschaft" teil 4 3 . Solange sich derartige Einrichtungen von Gesellschafts- und Freiheitsverfassung als Beschränkung oder Beschneidung der („natürlichen") Wirtschaftsfreiheit verstehen, solange reagieren die Grundrechte i n ihrer freiheitsschützenden Abwehrfunktion. Das subjektive öffentliche Recht des Wirtschaftssubjekts (Konkurrenten) ist hier also unproblematisch. Es kann sich überall dort formieren, wo ein Wirtschaftssubjekt die konkrete Verletzung seiner wirtschaftlichen Freiheitsrechte rügt. Zur tatsächlichen Anspruchsformation kommt es allerdings erst dann, wenn der gerügte Grundrechtsverstoß wirklich gegeben ist. Denn erst hier erwächst dem einzelnen ein subjektives öffentliches Recht auf Aufhebung, Änderung oder verfassungskonforme Handhabung der angegriffenen Gesetzesregelung. Praktische Schwierigkeiten entstehen hier indessen kaum; denn m i t der Rüge der Grundrechtsverletzung w i r d der einzelne i n der Regel schon die Voraussetzungen der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis aus § 42 I I VwGO etc. erfüllen. Rechtliche Probleme werden deshalb erst bei der Frage nach der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs auftreten. Nicht selten ist hier schon der gesetzliche Freiheits„eingriff" als solcher zweifelhaft. Gerade der am Leitbild der individuellen Verhaltenskorrektur festhaltenden W i r t schaftsaufsicht ist die Vorstellung einer „Breitenwirkung" oder Ambivalenz ihrer Eingriffe bekanntlich recht schwer gefallen 44 . Schon die Feststellung der realen Grundrechtsberührung kann also kompliziert sein. Maßgebend kann auch insofern wieder nur die konkrete Fallstellung sein. Denn nur sie beantwortet die Frage nach der tatsächlichen Eingriffswirksamkeit einer grundrechtstangierenden Gesetzesnorm. Begründet wäre eine entsprechende Anfechtungsklage nach dem Gesagten nur dann, wenn der festgestellte Freiheitseingriff über die Gren43 44
Vgl. für die Kartellauf sieht Rupp, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 207. Vgl. näher sub C I 5 ff.
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zen zulässiger Grundrechtsbeschränkung hinausginge. Für die hier maßgebende Wirtschaftsfreiheit bedarf es also, wie gleichfalls schon erwähnt, des Rückgriffs auf die Schranken der A r t . 12, 14 GG. Deren A n wendung gibt wiederum besondere Probleme auf. Denn da die allgemeine Wirtschaftsfreiheit nur eine besondere Form der Nutzung oder Ausübung von Berufs- und Eigentumsfreiheit darstellt, kann sich eine grundrechtswidrige Verletzung der Wirtschaftsfreiheit nur i m Rahmen grundrechtswidriger Beeinträchtigungen von Berufs- und Eigentumsfreiheit ergeben. Die Wirtschaftsfreiheit ist also n u r dann i n verfassungswidriger Weise beeinträchtigt, wenn m i t bzw. i n ihr die Berufsund Eigentumsfreiheit in übermäßiger oder gar wesensgehaltsverletzender Weise beschränkt werden 46. Beschränkungen dieser A r t können ebenso i n der Form aktiver wie passiver Eingriffe eintreten. Schon früher hatte sich gezeigt, daß Begrenzungen der (wirtschaftlichen Wettbewerbs-)Freiheit auch durch passives (Aufsichts-)Verhalten bewirkt werden können. Unter dem Gesichtspunkt der Begründung subjektiver Abwehrrechte sind solche Unterlassungen freilich nur dort relevant, wo sie pflichtwidrig und deshalb eingriffswirksam sind. Die Begründung eines subjektiven öffentlichen Abwehrrechts gegenüber einer die Wirtschaftsfreiheit beschneidenden Aufsichtsregelung fordert also den jeweiligen Nachweis einer definitiven Verletzung der Grundrechte aus A r t . 12, 14 GG. Wann eine solche Verletzung realiter gegeben ist, w i r d später am Beispiel des kartellrechtlichen Konkurrentenschutzes vorzuführen sein 46 . Allgemeiner läßt sich jedoch schon festhalten, daß die Problematik des subjektiven öffentlichen Rechts wesentlich die der Anwendung und Aktualisierung von grundrechtlichen Abwehransprüchen ist; eine Feststellung also, die den definitiven Nachweis des subjektiven öffentlichen Rechts notwendig auf die Ebene der konkreten Fallentscheidung verlegt. Allgemeiner wiederum läßt sich nur sagen, daß eine generell-grundrechtliche Begründung von subjektiven öffentlichen Rechten gegenüber freiheitsregelnden Aufsichtsmaßnahmen immerhin nicht ausgeschlossen ist. 8. Das Recht auf Abwehr von Freiheitsbeschränkungen nennt die eine Seite der Beziehungen von Grundrechtsordnung und subjektivem öffent45 Zu vereinfacht wäre demgegenüber die Aufstellung einer Regel wie der, daß schon der Wesensgehalt der Wirtschaftsfreiheit der staatlichen Wirtschaftsgesetzgebung Grenzen setze (vgl. so etwa Ipsen, in: Planimg I I , S. 99). Denn es gibt keinen Wesensgehalt „der" Wirtschaftsfreiheit, sondern nur einen solchen der Grundrechte aus Art. 12, 14 bzw. 2 1 G G (sofern man mit Ipsen auch die Gewährleistung des Art. 2 1 GG mit heranziehen wollte). 46 Vgl. unten sub D I V .
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
liehen Recht. Die andere und praktisch bedeutsamere Seite befaßt sich m i t all denjenigen Regelungen, die die Wirtschaftsfreiheit i n sonstiger, d. h. nicht oder doch nicht primär freiheitsbeschränkender, Weise ordnen. Es handelt sich also u m denjenigen Reglungsbereich, i n dem die W i r t schaftsaufsicht die eigentliche „Verfassung" der Wirtschaftsfreiheit sucht. Wie gezeigt, verfolgt die Wirtschaftsaufsicht vor allem das Ziel, die von i h r rechtlich vorausgesetzte oder real vorgefundene Wirtschaftsfreiheit bestehens- u n d funktionsmäßig zu sichern. Z u diesem Zweck trifft die Wirtschaftsaufsicht die unterschiedlichsten Maßnahmen, setzt sie die verschiedenartigsten M i t t e l ein. Deren gemeinsamer, wenngleich sehr allgemeiner Nenner heißt Gefahren- und Mißbrauchsabwehr 47. Wie diese Einrichtungen technisch funktionieren und worauf sie i m einzelnen gerichtet sind, läßt sich abschließend kaum bestimmen. Bestimmbar sind nur die typischen Freiheits- oder Grundrechtsbezüge der aufsichtsrechtlichen Sicherungsmaßnahmen. Deren erstes und entscheidendes Begriffsmerkmal ist — zumindest prinzipiell — der fehlende Grundrechtseingriff. Die sichernde Aufsichtsmaßnahme regelt (organisiert) zwar die grundrechtliche Freiheitsgewährleistung. Sie versucht diese aber nicht substantiell zu beschneiden; sie versucht sie vielmehr substantiell zu sichern. Die sichernde Aufsichtsmaßnahme w i r k t — i n der von P. Lerche entworfenen Schrankensystematik 48 — also nicht als grundrechtseingreifende, sondern als grundrechtsprägende, mißbrauchswehrende oder konkurrenzlösende Regelung. M i t diesen schrankensystematischen Unterscheidungen hat Lerche überhaupt erst den Weg zum verfassungsgerechten Verständnis grundrechtssichernder Maßnahmen gewiesen. Die Besonderheit der grundrechtsprägenden Regelung besteht hiernach darin, daß sie den Gesetzgeber erst zur näheren begrifflichen Bestimmung des Grundrechtsinhalts ermächtigt 49 . Der Sinn der mißbrauchswehrenden Regelung liegt darin, den ein Grundrecht mißbräuchlich Ausübenden i n die Grenzen des Grundrechts zurückzuverweisen 50 . Die konkurrenzlösende Regelung beruft den Gesetzgeber schließlich zur Lösung von Grundrechtskonkurrenzen 51 und Grundrechtskollisionen 52»58. Alle diese Grundrechtsvorbe47
Vgl. B 1 7 . Vgl. Übermaß, S.98f. (106ff.); Werbung, S. 104ff. 49 Vgl. Übermaß, S. 107 ff.; Werbung, S. 105. 50 VgL Übermaß, S. 117 ff.; Werbung, S. 106. 51 Vgl. Übermaß, S. 125 ff. 52 Grundrechtskonkurrenz meint den Fall, daß zwei oder mehrere Grundrechte in der Person ein und desselben Grundrechtsträgers widerstreiten; Grundrechtskollision meint den Fall, daß zwei oder mehrere Grundrechte in der Person verschiedener Grundrechtsträger widerstreiten (vgl. Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 41 48
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halte besitzen irgendwelche freiheitsbegrenzende oder (insbesondere i m Falle der Grundrechtsprägung) freiheitserweiternde Wirkungen. Dies geschieht aber grundsätzlich nie i m Wege des Eingriffs. Denn die grundrechtsprägende Regelung vermittelt dem bisher vielleicht völlig amorphen Grundrechtsgehalt erst innere Substanz und äußere Konturen; die mißbrauchswehrende Regelung sichert den mißbrauchsfreien und damit gewährleistungskonformen Grundrechtsgebrauch; die konkurrenz- und kollisionslösende Regelung ermöglicht schließlich durch die Scheidung der konkurrierenden oder kollidierenden Freiheiten deren effektive und wiederum gewährleistungskonforme Ausübung. Vor dem Hintergrund dieser schrankensystematischen Kategorien vollzieht sich auch die sichernde Funktion der Wirtschaftsaufsicht. I n ihnen sind folglich die weiteren Ansätze des grundrechtlich bestimmten subjektiven öffentlichen Rechts zu suchen. 9. a) Die mißbrauchswehrende Regelung nennt den grundtypischen Fall der Wirtschaftsaufsicht, nämlich die individúale Aufsichtsmaßnahme, die den einzelnen Wirtschaftsteilnehmer als „Störer" wieder i n die Grenzen der allgemeinen Wirtschaftsfreiheit zurückverweist (individúale Verhaltenskorrektur). Wurde der abzuwehrende Mißbrauch einem Dritten (Konkurrenten) gegenüber geübt, so stellt sich die Frage, ob diesem ein subjektives öffentliches Recht auf die mißbrauchswehrende Aufsichtsmaßnahme zusteht. Ein solcher Schluß könnte naheliegen; zwingend ist er jedoch nicht. Denn eine Mißbrauchswehr kann durchaus auch unabhängig von Person und Recht des Konkurrenten erfolgen. Die Vorstellung der mißbrauchswehrenden Regelung knüpft nämlich ganz an die Verhaltenspflicht des „Wirtschaftsstörers" an; der Bezug zum Wirtschaftsrecht des Konkurrenten ist nicht notwendig oder automatisch vorgegeben. Eine mißbrauchswehrende (Aufsichts-)Regelung kann zwar einen vom Mißbrauch drittbetroffenen Konkurrenten tatsächlich begünstigen. Die grundrechtliche Zielsetzung der mißbrauchswehrenden Regelung ist zunächst aber nur am mißbrauchten Freiheitsrecht des Störers und nicht (auch) am betroffenen Recht des Konkurrenten orientiert. Das bedeutet, daß eine mißbrauchswehrende Regelung für den tatsächlich begünstigten Konkurrenten zumindest keine zwingenden subjektiv-rechtlichen Folgen auslöst. Die mißbrauchswehrende Regelung kann sich dem Konkurrenten gegenüber durchaus auch als objektivrechtliche Maßnahme darstellen. Wann sie dies definitiv t u t (tun darf), beantwortet die Vorstellung der mißbrauchswehrenden Regelung für sich genommen noch nicht. N. 84; Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte i m Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, 1968, S. 6 N. 19.). 53 Für die Lösung grundrechtlicher Kollisionen muß das gleiche wie für die Lösung grundrechtlicher Konkurrenzen gelten.
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b) Etwas anders sieht es bei der kollisionslösenden Regelung aus 54 . Sie befaßt sich von vornherein m i t der aufsichtsrechtlich vorgenommenen Abgrenzung der kollidierenden Freiheiten bestimmter Wirtschaftssubjekte. Hat die Kollisionslösung zu Lasten eines bestimmten „Störers" zu gehen, so muß dem durch die Kollisionslösung begünstigten W i r t schaftssubjekt (Konkurrent) auch ein subjektives öffentliches Recht auf kollisionslösendes Einschreiten der Wirtschaftsaufsicht zustehen. I m Einzelfall w i r d dies vor allem dann so sein, wenn Grundrechtskollision und Grundrechtsmißbrauch zusammentreffen. Denn hier schlägt die Mißbrauchswehr gegen das störende Wirtschaftssubjekt aus; die i n der Mißbrauchswehr mitenthaltene Kollisionslösung begünstigt den Konkurrenten des störenden Wirtschaftssubjekts nicht nur tatsächlich, sondern auch von Verfassungs wegen. Hier muß die W i r t schaftsfreiheit für das subjektive öffentliche Konkurrentenrecht streiten. Dieser Tatbestand ist freilich nicht immer gleich erkennbar. Denn die Begründung des subjektiven Konkurrentenrechts geschieht erst auf der Rechtsfolgeseite. Die gesetzliche Kollisionslösung w i r d sich nämlich meist nicht m i t der Schlichtung aktueller (konkreter) Konflikte begnügen; sie w i r d vielmehr allgemeinere oder für die Zukunft befürchtete Konfliktsfälle aufgreifen und — i n gleichsam präventiver Schlichtung — allgemein-verbindlichen Kollisionsregeln unterstellen. Ein subjektives Recht des konkreten Wirtschaftssubjekts kann daher erst i m konkreten Kollisionsfall entstehen. Erst hier kann die (unterlassene) Anwendung der allgemeinen Kollisionsregel ein subjektives öffentliches Konkurrentenrecht für das betroffene Wirtschaftssubjekt ergeben. Die Situation gleicht hier also der bei der Abwehr grundrechtseingreifender A u f sichtsmaßnahmen. Das subjektive Recht entsteht als Rechtsfolge der konkreten Gesetzesanwendung grundsätzlich nur im aktuellen Einzelfall. Eine Verdichtung zum schon tatbestandlich erkennbaren, d. h. generell gültigen Anspruchsrecht gelingt auch dem Prinzip der K o l l i sionslösung zunächst nicht. c) Noch schwieriger gestaltet sich die Situation bei der grundrechtsprägenden Regelung. Andererseits fallen i n ihrem Bereich die wichtigsten Entscheidungen. Denn die grundrechtsprägende Maßnahme formt, bestimmt und konkretisiert den materiellen Grundrechtsinhalt; sie bew i r k t also die eigentliche „Verfassung" der grundrechtsgeschützten Wirtschaftsfreiheit. Sie erreicht dies, indem sie die Ausübung oder w i r t schaftliche Nutzung von Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12, 14 GG) rechtlich organisiert und damit auch wesentlich erst ermöglicht. 54
Keine Bedeutung hat hier die konkurrenzlösende Regelung. Denn sie bezieht sich ja von vornherein auf die Konkurrenz mehrerer Grundrechte in der Person ein und desselben Grundrechtsträgers.
I I . Subjektiver Drittschutz als grundrechtliches Verfassungsgebot
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Gegenständlich kann eine solche Grundrechtsprägung ebenso unmittelbarer wie mittelbarer A r t sein 5 5 . Unmittelbar erfolgt sie, wenn der Gesetzgeber „ i n unmittelbarer Blickrichtung auf den zu formenden grundrechtlichen Bereich Grenzen zieht oder Erweiterungen vornimmt" 6 8 . Mittelbar erfüllt sich die Grundrechtsprägung, wenn das „gesetzgeberische Normieren" i n eine „andere Zielrichtung geht" und doch zugleich zur Gestaltung eines außerhalb der gesetzgeberischen Zielrichtung liegenden Grundrechts beiträgt 5 7 . Für die Wirtschaftsaufsicht ist naturgemäß die mittelbare Grundrechtsprägung am wichtigsten. Denn die übliche Aufsichtsgesetzgebung zielt nicht direkt auf die Organisation von Grundrechten; sie t u t dies nur indirekt, d. h. i m Rahmen des unmittelbar geregelten Institutionsschutzes. Inhaltlich pflegen Grundrechtsprägungen auf unterschiedlichste Weise zu geschehen; rechtlich bewegen sie sich aber stets i n der gleichen Dimension: Die Aufsichtsregelung sucht die Ausübung der privaten Wirtschaftsfreiheit bestehens- und funktionsmäßig zu sichern. Sie kann dies i n drei, begrifflich auseinanderzuhaltenden, tatsächlich aber oft ineinander übergehenden Phasen tun. Sie kann einmal die aktuelle Grundrechtsausübung selbst unterstützen, indem sie dieser bestimmte Freiheitsräume öffnet oder erschließt. Sie kann zum anderen die tatsächlichen Voraussetzungen der Grundrechtsausübung schaffen oder stärken 58 . Sie kann schließlich die tatsächlichen Ergebnisse der ausgeübten Freiheit (Grundrechtsobjektivationen) schützen. Sämtliche Maßnahmen dieser A r t stehen i m Zeichen der sozialen Rechtsstaatlichkeit. Sie haben die Werteinheit von liberaler und sozialer Freiheit 5 9 zu verwirklichen, indem sie die Grundrechtsinhalte i n freiheitlicher Integrität u n d sozialer Effektivität gestalten und bewahren. Der Bereich der Grundrechtsprägung bildet i n diesem Sinne überhaupt die Zone, i n der sich die beiden zentralen Grundrechtsaufgaben der Gesetzgebung treffen, verbinden und erfüllen: die rechtsstaatliche Organisation und die sozialstaatliche Unterstützung der bürgerlichen Freiheit Diese prinzipielle Zielsetzung gilt auch für die Aufsichtsgesetzgebung; denn auch sie untersteht den Strukturprinzipien von Rechts- und Sozialstaatlichkeit. I n diesem Sinne ist die Wirtschaftsaufsicht heute nur 55
Vgl. Lerche, Übermaß, S. 107 ff. Vgl. Lerche, a.a.O., S. 112. Lerche, a.a.O. 58 Zum Problem der Grundrechtsvoraussetzungen vgl. ausführlich jetzt Kloepfer, Grundrechte, S. 15 ff. 59 Zu deren wertmäßiger Einheit vgl. schon sub D 1 3 c. 56
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
noch bedingt (liberale) Gefahrenabwehr. Sie ist ebenso (soziale) Gefahrenvorsorge™', sie ist dies namentlich dort, wo die grundrechts? prägende Aufsichtsgesetzgebung sich u m die tatsächlichen Voraussetzungen des effektiven Freiheitsgebrauchs bemüht. Eine grundrechtsprägende Aufsichtsgesetzgebung kann zum subjektiven Konkurrentenrecht naturgemäß nur dort führen, wo sie — i m Rahmen ihrer institutionsschützenden Aufgabe — gerade die Grundrechtsposition des Konkurrenten i m prägenden Sinne verfaßt. Dies kann wiederum i n den genannten drei Phasen geschehen. Deren Unterscheidung veranschaulicht den konkreten Prägungsprozeß. Sie zeigt, i n welcher Grundrechtszone eine Prägungsmaßnahme wirksam w i r d ; oder m i t anderen Worten: Sie offenbart die rechtliche Bedeutung, die die konkrete Prägungsmaßnahme für die Grundrechtsgewährleistung selbst hat. Dies ist deshalb wichtig, weil innerhalb der Grundrechtsgewährleistung erneut differenziert werden muß. Dem zeitlichen Unterschied zwischen den verschiedenen Phasen möglicher Grundrechtsprägung entspricht nämlich ein substantieller Unterschied i m Grundrecht selbst. Dessen normative Gewährleistung verfügt — von „innen" nach „außen" gesehen — zunächst über einen rechtlich geschlossenen Kern, der sich i n seinem Innersten zum absolut geschützten Wesensgehalt (Art. 19 I I GG) verdichtet. U m diesen K e r n konzentrierter Grundrechtsgewährleistung legt sich ein Ring bloßer Grundrechtsausstrahlungen, der sich am besten als Vorhof der Grundrechtsgewährleistung beschreiben läßt. Dieser Vorhof hat die Aufgabe, die rechtliche Ordnungsentscheidung des Grundrechts gewissermaßen schon vor der eigentlichen und unverletzlichen Grundrechtsgarantie, dem Grundrechtskern, zu sichern, indem er die grundrechtspflichtigen Staatsgewalten schon vor der aktuellen Grundrechtsverletzung zum grundrechtskonformen sowie grundrechtssichernden Verhalten anhält. Derartige Schutzmomente erfassen also nicht den Grundrechtskern. I h r Feld sind vielmehr die Voraussetzungen und Nachwirkungen der Grundrechtsausübung. Dieser allgemeine Unterschied zwischen Grundrechtskern und Grundrechtsvorhof ist für das Verständnis der Grundrechtsprägung von besonderer Wichtigkeit. Denn eine Prägungsmaßnahme kann sich inhaltlich, je nach konkreter Phasengebung, ebenso auf den v o l l geschützten Grundrechtskern wie auf den bloßen Grundrechtsvorhof beziehen. Z u m Kern des Grundrechts rechnen alle Prägungen, die die verfassungsgesetzliche Grundrechtsgewährleistung selbst gegenständlich ausfüllen. Zum Vorhof des Grundrechts gehören alle Prägungen, die sich m i t den (tatsächlichen) Voraussetzungen der Grundrechtsausübung befassen, ohne das Grundrecht selbst dabei kernmäßig anzureichern. 60 Vgl. hierzu Roth, Gefahrenvorsorge, allgemein S. 14 ff. und speziell für die Wirtschaftsaufsicht S. 44 ff.
I I . Subjektiver Drittschutz als grundrechtliches Verfassungsgebot
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Ein prägender Voraussetzungsschutz dieser A r t kann auch als „präventiver Grundrechtsschutz" 61 verstanden werden. Die vorhofprägende Gesetzgebung erfolgt also gewissermaßen freiwillig. Denn sie erfüllt keine zwingende Verpflichtung des Gesetzgebers. Sie folgt nur dem allgemeinen, an alle Staatsorgane adressierten A u f trag, möglichst frühzeitig grundrechtssichernd tätig zu werden. Die Freiwilligkeit der konkreten Vorhofprägung erlaubt dem Gesetzgeber jedoch, die dem Grundrecht einmal präventiv oder zusätzlich gewährte Sicherung wieder rückgängig zu machen. Eine solche Maßnahme trifft nicht den Grundrechtskern und verletzt daher das Grundrecht nicht. Der Gegensatz wischen Kern- und Vorhofprägung führt damit zur eingreifenden Grundrechtsbeschränkung zurück. Wenn eine Kernprägung nämlich dem Schutz der Grundrechtsgewährleistung untersteht, so kann sie der Gesetzgeber nicht widerrufen 6 2 . Anders dagegen die Vorhofprägung: Sie gehört nicht zur verfassungsrechtlich strikten Grundrechtsgewährleistung und untersteht folglich auch nicht deren unmittelbarem Schutz; sie erweitert deren Schutzwirkung vielmehr selbst, ohne ihrerseits zum prinzipiell unabänderlichen Bestandteil des Grundrechts zu werden. Dieser Unterschied w i r k t sich wiederum für das subjektive öffentliche Recht aus. Denn eine (Aufsichts-)Regelung, die einer Kernprägung zuwiderliefe, griffe i n das Grundrecht verletzend ein und begründete dam i t das subjektive Abwehrrecht. Anders dagegen diejenige (Aufsichts-) Regelung, die eine Vorhofprägung ändert oder angreift: Sie verletzt das Grundrecht nicht und kann daher auch kein subjektives öffentliches (Abwehr-)Recht zur Folge haben. A u f der anderen Seite ist jedoch unabweisbar, daß einer Unterscheidung zwischen rechtssubjektivierender Kernprägung und nicht-rechtssubjektivierender (objektivrechtlicher?) Vorhofprägung viel Zufälliges, wenn nicht Willkürliches anhaftete. Denn auch die Vorhofprägung verfolgt zumindest tendentiell die subjektive Individualberechtigung: Sie dient der ausdrücklichen und zusätzlichen Sicherung eines verfassungslegitimierten Individuairechtsguts. Nach dem Grundsatz vom höchstmöglichen Durchgriff auf dieses Rechtsgut müßte eine Vorhofprägung m i t rechtssubjektivierender W i r k u n g idealtypisch sein. Aus diesem Grunde liegt der Schluß zumindest nahe, auch für den Bereich der Grundrechtsprägung ein generelles, d. h. sowohl i m K e r n - wie Vorhofbereich wirksames subjektives öffentliches Recht anzuerkennen. Die interpretative Handhabe hierfür fehlt allerdings noch. Vorerst hat sich 81
Kloepfer, Grundrechte, S. 22. Eine entsprechend „um-", „gegen-" oder „neuprägende" Gesetzgebung überschritte die Grenzen zulässiger Grundrechtsprägung; sie schlüge in eingriff sgleiche Grundrechtsbeschränkung um (vgl. Lerche, Übermaß, S. 114 f.; Werbung, S. 105). 62
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nur das rechtsfolgebestimmte Abwehrrecht Subjektivierungsmaßstab erwiesen.
als durchgehend gültiger
10. Dieser Subjektivierungsmaßstab hat weiterhin bewiesen, daß allein die speziäle Grundrechtsentscheidung darüber entscheidet, ob und wann dem Dritten gegenüber einer staatlichen Aufsichtsinstanz ein subjektives öffentliches Recht zusteht (zweite Abgrenzungsvariante). Dies haben auch Rechtsprechung und Lehre verschiedentlich gespürt und entsprechende Anspruchsbegründungen zugelassen. I m einzelnen hat dabei vor allem die Vorstellung der Grundrechtsprägung die zentrale Rolle gespielt; eine Erkenntnis, die den einschlägigen Argumentationen allerdings kaum bewußt gewesen ist. Ungeachtet dessen verlohnt es sich, die zugrundeliegenden Gedankengänge kurz zurückzuverfolgen. a) Das wichtigste, w e i l inhaltlich vollständigste, Beispiel bildet wiederum der Nachbarschutz i m Bauaufsichtsrecht. I h n hat das BVerwG vor allem m i t der Überlegung begründet, daß das Eigentum des Nachbarn durch die „nachbarschützenden Bestimmungen des öffentlichen Baurechts materiell erweitert" würde 6 8 . Diese Einsicht hat es dem B V e r w G i n seiner jüngeren Rechtsprechung auch möglich gemacht, von dem Interessenkriterium der Schutzzwecktheorie abzurücken und das subjektive Nachbarrecht selbst dort anzuerkennen, wo die Aufsichtsnorm „ n u r " das öffentliche Interesse i m Auge hat 6 4 . Obwohl die Formel von der materiellen Erweiterung des Eigentums zunächst mißverständlich klingen mag, hat das B V e r w G m i t ihr doch den entscheidenden Punkt getroffen. Die gesetzlichen Regelungen dienen nicht nur der tatsächlichen Begünstigung des Nachbarn; sie sind vielmehr — zumindest teilweise — gesetzlicher Bestandteil des nachbarschaftlichen Eigentums. Denn sie gestalten den substantiellen Gehalt des Eigentums und begreifen sich damit als kernregelnde Prägungsgesetzgebung nach A r t . 1412 GG. Aus diesem Grunde ist es nicht unberechtigt, hier von einer „Erweiterung" des Eigentums zu sprechen. Denn das Eigentum erfährt durch die staatliche Verantwortung für den baurechtlichen Nachbarschutz tatsächlich eine gewisse Ausdehnung. Andererseits muß man diese, mehr verfahrensrechtlich orientierte Ausdehnung (Schutz durch das staatliche Aufsichtsverfahren) aber von der materiell-rechtlichen Eigentumsprägung (sachlicher Schutz des Nachbarinteresses) unterscheiden. I n i h r liegt — streng genommen — nämlich keine „Erweiterung", sondern überhaupt erst die rechtsbegründende Eigentumsgebung. Des63 Vgl. grundlegend BVerwGE 11, 95 (96) und zuletzt bes. BVerwG, D V B l 70, 57 (59); 70, 61; w. Nachw. v g l oben sub C V N. 13 — kritisch vgl. Bachof, D V B l 61, 131. 64 Vgl. hierzu m. Nachw. oben sub C V 2.
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halb wäre eine öffentlich-rechtliche Nachbarklage ohne Rücksicht auf das (grundrechtsprägende) Bauaufsichtsrecht, d. h. i m unmittelbaren Durchgriff auf „das verfassungsrechtliche Eigentum" prinzipiell verfehlt. Denn sie übersähe, daß „das Eigentum" erst der rechtsfixierenden (inhaltsbestimmenden) Prägungsgesetzgebung aus A r t . 1412 GG bedarf 6 5 . I n anderer Richtung ließe sich das Ergebnis dieser Rechtsprechung ebenso aus dem Grundsatz der Kollisionslösung begründen 66 . Denn wenn die Anerkennung des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes das Eigentum des Nachbarn „erweitert", so geschieht dies zu Lasten des Bauherrn; dessen Eigentum w i r d u m die gewünschte Bebaubarkeit seines Grundstücks verkürzt. Auch diese Sicht führte jedoch zum gleichen Resultat; denn die Kollisionslösung erfolgte hier jedenfalls zugunsten des Nachbarn. b) Ein zweites Beispiel für die Anerkennung eines entsprechenden subjektiven öffentlichen Rechts findet sich i m Anspruch auf polizeiliches Einschreiten 67 sowie i n dem — m i t diesem Recht früher verwandten 6 8 — Anspruch auf Gewährung staatlicher Fürsorgeleistungen 69. I n beiden Bereichen wurde das Opportunitätsprinzip staatlich-objektiver Gefahrenabwehr nicht nur durch die Vorstellung des Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch 70, sondern letztlich durch den Rückgriff auf die Grundrechte aus A r t . 11, 2 I I GG (u. a.) überwunden 7 1 . Dies geschah deshalb zu Recht, w e i l sich die Grundsätze der objektiven Gefahrenabwehr eben nicht nur als (objektiv-rechtliche) Verwaltungskompetenz, sondern i m Einzelfall auch als (mittelbare) Prägung der betreffenden Grundrechte verstehen. Die Folge einer solchen Prägung konnte nur die A n erkennung des subjektiven öffentlichen Rechts zugunsten des i n seinen („geprägten") Grundrechten betroffenen Individuums sein. Die Vorstellung der Grundrechtsprägung w i r k t also auch hier als juristische Brücke zwischen objektivem und subjektivem Recht. Die Beispiele von Polizei- und Fürsorgeanspruch sind auch nur deshalb hier m i t anzuführen; denn m i t dem Recht der (Wirtschafts-)Aufsieht haben sie i m übrigen nichts zu tun. 65
Vgl. entspr. Friauf, JurA (öffR) 69, 9. Vgl. in dieser Richtung z. B. Evers, JuS 62, 87 (89 f.). VgL zu diesem Recht schon oben sub C I I I 8 a. 68 Vgl. näher Scholz, Einrichtungen, S. 234 f. — Verändert hat sich die Situation mit der einfach-gesetzlichen Anerkennung des Anspruchs auf Sozialhilfe (§41BSHG). Auch er begreift sich genau genommen aber als entsprechende Grundrechtsprägung. 69 Zu diesem Recht vgl. m. w. Nachw. schon Scholz, a.a.O., S. 223 ff., 234 f. sowie neuerdings vor allem Kloepfer, Grundrechte, S. 3 ff. 70 Hierzu vgl. schon oben C I I I 8 a. 71 Vgl. für den Fürsorgeanspruch Scholz, a.a.O., S. 233 t ; für den Polizeianspruch Henke, DVB1 64, 649 (654f.); Buschlinger, D Ö V 65, 374 (376 f.); Kloepfer, a.a.O., S. 6 ff.; Scholz, a.a.O., S. 234 f. 66
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c) I m Recht der Wirtschaftsaufsicht selbst gibt sich als deutlichstes Beispiel für die Anerkennung eines subjektiven öffentlichen Rechts kraft grundrechtsprägender Gesetzesentscheidung das Konkurrentenrecht i m Personenbeförderungsrecht zu erkennen. Diesem zufolge sollte der Altunternehmer gegenüber der Zulassung von Mitbewerbern i n seinem Besitzstand (§ 1 3 I V PBefG) sowie i n seinem Recht auf Ausgestaltung der eigenen Verkehrsbedienung (§13 I I Nr. 2 lit. c PBefG) geschützt sein. Dieser Schutz sollte zwar nur i m öffentlichen Verkehrsinteresse bestehen; ungeachtet dessen vermittelt er dem Altunternehmer als dem von der Neuzulassung betroffenen Konkurrenten aber auch ein eigenes (privates) subjektives öffentliches Recht 72 . Mißt man dieses Recht zunächst an den herkömmlichen Grundrechtsmaßstäben, so t r i t t ein wenig begriffsscharfes B i l d hervor: aa) Allgemein beurteilt sich der Grundrechtsschutz des Altunternehmers nach den wirtschaftlichen Freiheitsrechten aus A r t . 12, 14 GG. Hiernach hat der Altunternehmer einmal das Recht, sein Verkehrsgewerbe als „Beruf" i m Sinne der Freiheitsgarantie des Art. 12 GG zu betreiben 73 . Daneben steht sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 74 unter dem Schutz der Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG 7 5 . Zum zuletzt genannten Recht gehören als „Eigentum" i m Sinne des A r t . 14 GG „nicht nur Betriebsgrundstücke und -räume, sondern auch geschäftliche Verbindungen, Beziehungen, kurz, alles das, was i n seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebs ausmacht". 76 Dieser Wert bestimmt sich wiederum nicht nur nach dem „eigentlichen sachlichen Bestand des Gewerbebetriebes"; geschützt sind vielmehr „auch seine einzelnen Erscheinungsformen" 77 . Als nicht geschützt gelten dagegen „die Vereitelung bloßer Gewinnchancen, Zukunftshoffnungen oder sonstiger Erwartungen und Aussichten" 78 . Denn hier handelt es sich noch nicht u m konkret Vermögenswerte (enteignungsfähige) Objekte 7 9 . Der Versuch, das subjektive Konkurrentenrecht aus § 13 PBefG mit diesen grundrechtlichen Gewährleistungen zu rechtfertigen, verspricht 72
Vgl. näher oben sub C I I I 9 b. Vgl. BVerfGE 11, 168 (183). Z u diesem Recht vgl. zuletzt bes. Fikentscher, Kronstein-Festgabe, S. 261 ff. 75 Vgl. z.B. BVerfGE 1, 264 (277); 13, 225 (229); B G H Z 2 3 , 157 (162ff.); 45, 83 (87ff.); 45, 150 (154ff.); 48, 58 (60ff.); 48, 65 (66ff.); 49, 231 (236ff.); w. Nachw. bei Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 2. Aufl. 1969, S. 51 ff. 76 B G H Z 4 8 , 66 und st. Rspr. 77 Vgl. zusammenfassend wiederum B G H Z 48, 66. 78 B G H Z 48, 61; w. Nachw. bei Kröner, a.a.O., S. 35 ff. 79 Vgl. statt aller wiederum B G H Z 48, 61. 73
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zunächst wenig Erfolg. Denn der Berufsfreiheit des Altunternehmers steht die Berufsfreiheit des zulassungsbegehrenden Mitbewerbers gegenüber. Diese schließt jede Gesetzgebung aus, die die Berufsfreiheit (ausschließlich) zum Schutz vor Konkurrenz beschränkt 80 . Aus diesem Grunde könnte sich der Altunternehmer gegenüber einer Zulassung des Mitbewerbers kaum auf A r t . 12 GG berufen. Das gleiche müßte für das Eigentumsrecht aus A r t . 14 GG gelten. Denn auch dieses Recht vermittelt keinen Schutz vor Konkurrenz 8 1 . Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, daß die Zulassung des Mitbewerbers unmittelbar i n das Recht des A l t unternehmers am Gewerbebetrieb eingriffe 82 . Dies kann z. B. durch die Begründung einer Monopolstellung für den Neubewerber geschehen, nicht aber durch dessen bloße Konkurrenz 8 3 . Denn deren (bloße) Zulassung beeinträchtigt lediglich die Erwerbschancen des Altunternehmers. Sein Recht am Gewerbebetrieb w i r d also nicht getroffen. Der Altunternehmer ist rechtlich nach wie vor i n seiner Erwerbstätigkeit frei; ein Schutz aus A r t . 14 GG hätte folglich auszuscheiden. bb) Dieses Ergebnis ist freilich nicht unangefochten. Gerade die jüngere Lehre bemüht sich zunehmend um den unmittelbar-eigentumsrechtlichen Schutz auch der bloßen Erwerbschance. Ausgehend von der vor allem wirtschaftlich gültigen Erkenntnis, daß das Eigentum schon selbst wesenhaft (Nutzungs-, Verfügungs-)Chance ist 8 4 , versucht man auch den vermögensmäßigen Eigentumserwerb den wirtschaftlichen Grundrechtsgarantien unterzuordnen 86 . Ein derartig direkter Schluß ist jedoch nicht möglich. Denn die Berufsfreiheit enthält kein Recht auf vermögensmäßigen Erwerb, und die Eigentumsgarantie schützt zunächst nur das rechtlich schon bestehende Vermögen. Dies entsteht zwar aus der wirtschaftlichen Erwerbstätigkeit, ist also Ergebnis oder Objektivation der (Wirtschaf ts-)Freiheit 6*. Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, daß der Schutz der Eigentumsgarantie eben erst i n jenem Objektivationsstadium beginnt. Seine Vorverlegung in das Stadium von (objektivierendem) Eigentumserwerb oder (objektivierender) Eigentumsbildung ist zumindest nicht grundrechtsgeboten. 80 81
(203). 82
Vgl. BVerfGE 7, 377 (408); 11, 168 (188 f.). Vgl. BVerwGE 10, 122 (124); 17, 306 (314); vgl. auch BVerfGE 11, 192
Vgl. BVerwGE 17, 313 f. Vgl. BVerwGE 17, 314. 84 Vgl. deutlich vor allem Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, 1970, S.42; Kloepfer, Grundrechte, S. 37 ff. 85 Vgl. für Art. 14 GG bes. Kloepfer, a.a.O., S. 35 ff. (48); für Art. 12 GG vgl. Battis, Erwerbsschutz, S. 104ff.; vermittelnd für Art. 12, 14 u. 2 I G G vgl. Wittig, NJW 67, 2185 (2186 ff.). 86 Zum Eigentum als objektivierte Freiheit oder Freiheitsobjektivation vgl. Dürig, Apelt-Festschrift, 1958, S. 13 (32 f.); Ipsen, AÖR90, 393 (429); ders., in: Planung I I , S. 63 (96); auch Böckenförde, Arndt-Festschrift, 1969, S. 53 (69). 88
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
Eine solche Ausdehnung der Eigentumsgarantie kann erst i n einem anderen Stadium, nämlich dort stattfinden, wo die wirtschaftliche bzw. erwerbsmäßige Nutzung vorhandenen Eigentums derart ausgeschlossen oder behindert ist, daß von der wirtschaftlichen Substanz des Eigentums nichts Wesentliches mehr verbleibt, das Eigentum also zum formalen, inhaltlich ausgehöhlten Titel verkümmert. Hier wäre die Ausübung des Eigentumsrechts nämlich derart beschränkt, daß von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung nichts mehr übrig bliebe; deren Nutzung wäre sinnlos geworden. Dieser Tatbestand kann sich namentlich auch durch den völligen oder übermäßigen Verlust von Erwerbschancen erfüllen; eine Erkenntnis, die sich vor allem die Rechtsprechung zur Enteignung des gewerblichen Straßenanliegers durch Straßenbauarbeiten zunutze gemacht hat 87 » 88 . Wenn die entgangene Erwerbschance zum wirtschaftlichen Ruin führt oder diesen sonst indiziert, ist auch das eigentumsgeschützte Recht am Gewerbebetrieb verletzt 8 9 . Wenn i n diesen Fällen der Schutz des A r t . 14 GG wirksam wird, so bedeutet dies jedoch noch keinen selbständigen Eigentumsschutz der Erwerbsfreiheit. Diese ist hier bloß mittelbar oder als „wirtschaftliche Repräsentanz" des Eigentums gesichert. cc) I n diesen Fällen wäre unter Umständen also auch dasjenige W i r t schaftssubjekt schutzwürdig, dessen Gewerbebetrieb durch die Zulassung weiterer Konkurrenz ruiniert würde. Dies gilt jedenfalls für den schon erwähnten Fall, daß der neu zugelassene Bewerber m i t Monopolrechten ausgestattet w i r d 9 0 . Neben diesen Schutz aus A r t . 14 GG könnte weiterhin der Schutz des A r t . 12 GG treten. Denn berufsrechtliche Zulassungsbeschränkungen können, wie das BVerfG gerade für das Personenbeförderungswesen anerkannt hat 9 1 , jedenfalls dann legitim sein, wenn das „unkontrollierte Eindringen neuer Unternehmen" sonst zu „Ubersetzung und ruinösem Wettbewerb" führt und dadurch das vorhandene (Verkehrs-)Unternehmen „ i n seiner Existenz bedroht". Grundrechtsverletzungen dieser A r t können freilich nur i m Einzelfall gegeben sein 92 . Andererseits können derartige Einzelfälle aber für den Gesetzgeber Anlaß sein, seinerseits, d. h. i m Wege der Grundrechtsprägung, vorbeugende Maßnahmen zu treffen. 87 Vgl. hier bes. B G H Z 2 3 , 157 (162 f.); 48, 58 (60ff.); 48, 65 (66ff); BGH, NJW65, 1907 (1908 ff.). 88 Vgl. zu wirtschaftlich entsprechenden Konflikten namentlich auch B G H Z 45, 83 (87 ff.); 45, 150 (153 ff.); 48, 340 (342 ff.); 49, 231 (236 ff.). 89 Vgl. hierzu näher die Nachw. N. 87, 88. 90 VgL BVerwGE 17, 313 f. 91 Vgl. BVerfGE 11, 168 (191); vgl. für den Güterverkehr auch BVerfGE 16, 147 (162 ff.). 92 zum aktuellen Einzelfallerfordernis vgl. BVerfGE 11, 185.
I I . Subjektiver Drittschutz als grundrechtliches Verfassungsgebot
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Als vorbeugende Maßnahme käme insbesondere ein präventiver Grundrechtsschutz i n Betracht. Dieser w i r d sich i m Felde des Eigentumsrechts regelmäßig als einfach-gesetzlich verfügter Erwerbsschutz darstellen. Denn indem schon die Erwerbschance rechtlich gesichert wird, w i r d das hinter dieser stehende Eigentum (Recht am Gewerbebetrieb) „erst recht" geschützt. Ein solcher Chancenschutz findet sich i m Ausgestaltungsrecht des § 13 I I Nr. 2 lit. c PBefG. Denn m i t i h m w i r d dem Altunternehmer die Möglichkeit gegeben, seine bisherigen Erwerbschancen auch gegenüber dem (potentiellen) Mitbewerber zu wahren. Ein solcher Präventivschutz kann i n gesetzlicher Prägung des Eigentumsrechts eingeführt werden. Seine Sicherung erweitert aber das Eigentumsrecht nicht als solches. Denn der präventiv gewährte Erwerbsschutz erfaßt das (vorhandene) Eigentum nicht substantiell; es erfaßt nur dessen Voraussetzungen, d. h. den (weiteren) Eigentumserwerb oder die (weitere) Eigentumsbildung. I n diesem Sinne enthält die Regelung des § 13 I I Nr. 2 lit. c PBefG eine Grundrechtsprägung der ersten Phase (Schutz der Grundrechtsvoraussetzungen). Diese Prägung erfaßt also nur den Vorhof des Eigentumsrechts; sie verfaßt („erweitert") nicht den materiellen Kern des Eigentums. Das Erwerbsrecht aus § 13 I I Nr. 2 lit. c PBefG untersteht daher nicht dem kernbestimmten Schutz des A r t . 14 GG. Es ließe sich durchaus wieder beseitigen und bedarf darüber hinaus sogar der weiteren Rechtfertigung aus A r t . 12 GG. Indem seine Statuierimg nämlich die Berufsfreiheit des (potentiellen) Mitbewerbers beschränkt, müssen auch die Schranken des A r t . 12 I GG eingehalten sein. Diese Rechtfertigung ergibt sich nicht aus dem Schutz des Altunternehmers vor Konkurrenz 9 3 . Sie folgt allein aus dem objektiven Gemeinschaftsgut der öffentlichen Verkehrsversorgung 94 . A u f diese Weise erlangt die Regelung des § 13 I I Nr. 2 lit. c PBefG über ihren grundrechtsprägenden Charakter hinaus auch kollisionslösenden Inhalt: Sie entscheidet den Widerstreit der Grundrechte von A l t - und Neuunternehmer zugunsten des Altunternehmers und verfaßt dessen Rechtsstellung zugleich zum subjektiven öffentlichen Konkurrentenrecht. Als präventive Grundrechtssicherung gehört dieses Konkurrentenrecht allerdings nicht zum Kern des verfassungsgeschützten Eigentums. Wenn es dennoch zum subjektiven öffentlichen Recht erstarkt ist, so kann hierfür nicht der Gedanke des Abwehrrechts, sondern nur jene subjektivierende Grundtendenz verantwortlich sein, die schon als idealtypischer Zug der Vorhofprägung ausgemacht wurde. 93
Vgl. BVerfGE 11, 188 f. Vgl. gerade für den auch in § 13 PBefG von 1961 in Frage stehenden Linienverkehr BVerfGE 11, 184 f. 94
10 Scholz
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
dd) Weniger kompliziert ist die Situation beim Recht des § 13 I V PBefG. Dessen Besitzstandssicherung hat gleichfalls grundrechtsprägende Bedeutung für das Recht des A r t . 14 GG. Denn § 13 I V PBefG schützt den wirtschaftlichen Bestand des Altunternehmers gegenüber dem neu zuzulassenden Mitbewerber. Auch dieser Schutz gilt vornehmlich der Erwerbschance. I m Gegensatz zur Chancensicherung des § 13 I I Nr. 2 lit. c PBefG befaßt sich diese Sicherung aber nicht m i t den künftigen oder expansiven Erwerbsmöglichkeiten („Ausgestaltung"), sondern m i t dem augenblicklichen Erwerbsstand: Die momentan genutzte Chance w i r d zum geschützten Vermögensrecht. Eine solche Grundrechtsprägung trifft unmittelbar den Kern des verfassungsrechtlichen Eigentums. Denn sie verfaßt einen privatwirtschaftlichen Vermögenswert zum geschützten Eigentumsrecht. Sie durfte dies tun, w e i l ein solcher Vermögenswert „eigentumsfähig" i m Sinne des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs ist; denn diesem zufolge sind solche Vermögenswerte anzuerkennen, die der Tradition des bürgerlichen Rechts u n d den einschlägigen Anschauungen der (Wirtschafts-) Gesellschaft entsprechen 95 . Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die grundrechtsprägende Regelung des § 13 I V PBefG betrifft daher die Zone des Grundrechtskerns. Dies bedeutet freilich nicht, daß der Besitzstand des Altunternehmens von vornherein zum verfassungsgeschützten Eigentumsbereich gehört hätte. Hierzu bedurfte es erst der inhaltsbestimmenden Entscheidimg des Gesetzgebers. Denn A r t . 14 GG gewährt von sich aus kein Recht auf Wahrung oder Beibehaltung eines bestimmten Umsatzes oder Marktanteils 96 . Andererseits schützt A r t . 14 GG aber solche Vermögenswerte, auf deren situationsmäßigen Fortbestand der Vermögensinhaber m i t Recht vertrauen durfte 9 7 . Ein solcher Vertrauenstatbestand kann beim Recht am Gewerbebetrieb z. B. hinsichtlich des Kundenstamms gegeben sein 98 . Er kann aber auch hinsichtlich bestimmter gesetzlicher Schutzvorschriften bestehen 99 . I n diesem Sinne liegt i n der Regelung des § 13 I V PBefG die konstitutive Anerkennung einer bestimmten, vermögensmäßig bestehenden Wirtschaftslage als Eigentum, auf deren Fortbestand der Altunternehmer vertrauen darf. ee) Zusammenfassend ergibt sich demnach, daß die Konkurrentenrechte aus § 13 I I Nr. 2 lit. c , I V PBefG sich als eigentumsprägende 95
Vgl. z.B. BVerfGE 1, 264 (277 f.); 11, 64 (70); 18, 121 (132). Vgl. B G H Z 45, 83 (86); vgl. bes. instruktiv hier auch BGH, NJW65, 1912. Vgl. B G H Z 4 5 , 87; 45, 150 (159); 48, 58 (60); 48, 193 (196 f.); 49, 231 (237) — vgl. im Sinne eines solchen situationsorientierten Eigentumsverständnisses auch die Rechtspr. des BVerwG zum baurechtlichen Nachbarschutz: D V B l 70, 57 (59); 70, 60; 70, 61 f.; 70, 62 ff. 98 Vgl. z.B. B G H Z 2 3 , 163; 45, 87; BGH, NJW65, 1908ff. 99 Vgl. B G H Z 45, 87. 96
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Regelung i n unterschiedlicher Phasengebung darstellen. Das bedeutet, daß die Rechtsprechung 100 aus diesen Bestimmungen zu Recht auf ein subjektives öffentliches Recht des Altunternehmers (Konkurrenten) geschlossen hat. Dieses Recht ergibt sich aus dem PBefG zwar nur als tatsächliche Begünstigung; eine willentliche Begünstigung ist zumindest nicht erkennbar. Wenn das subjektive öffentliche Recht dennoch anzuerkennen ist, so läßt sich dies nur m i t der durchgreifenden K r a f t des Individualrechtsguts aus A r t . 14 GG begründen. d) Als letztes Beispiel für die rechtssubjektivierende Tendenz grundrechtsprägender Begünstigungen i m Wirtschafts(Aufsichts-)recht sei die sog. wirtschaftliche Chancengleichheit 101 genannt. Denn sie spielt gerade bei der Beurteilung von wirtschaftlichen Konkurrenzrechten eine zunehmend größere Rolle 1 0 2 . aa) Das Problem der Gleichheitsverwirklichung oder -herstellung stellt sich gerade bei gesetzlichen Begünstigungen i m Wirtschaftsrecht immer intensiver 1 0 8 . Die Vorstellung der Chancengleichheit scheint i n all denjenigen Fällen, i n denen die staatliche Wirtschaftsordnung tatsächliche Ungleichheiten i m Wettbewerb feststellt oder durch eigene Leistungen auslöst, ein geeignetes oder doch leicht zu handhabendes Instrument zur Korrektur der bestehenden oder verursachten Wettbewerbsverzerrungen bereitzustellen. Gerade dieser, immer häufiger anzutreffende Schluß beruht jedoch auf einer nicht ungefährlichen Vereinfachung. Denn eine „Chancengleichheit" — verstanden als Gleichwertigkeit oder Gleichbehandlung von Chancen — ist i n dieser Form nicht verfassungsgegeben 104 . Der Gleichheitssatz des A r t . 3 GG garantiert die Gleichheit im Recht und nicht die Gleichheit im Tatsächlichen 105; u m eben diese handelt es sich aber bei der sog. Chancengleichheit 106 . Aus diesem Grunde gibt das GG 100
Vgl. näher oben m. Nachw. C I I I 9 b. Zu dieser vgl. allgemein bes. Scholler, Interpretation, bes. S. 13 ff., 51 ff., 100ff.; vgl. weiterhin auch Kloepfer, Grundrechte, S. 94ff.; Scholz, NJW69, 1044 f. 102 Vgl. allgemein dazu Werner, Tendenzen, S. 9. — I m einzelnen zeigt sich dies insbesondere an der Rechtspr. des BVerwG, die zur wachsenden A n erkennimg der konkurrenz-wirtschaftlichen Chancengleichheit voranschreitet; vgl. zuletzt vor allem BVerwGE30, 191 (197 ff.); zur Entwicklung im übrigen vgl. Scholz, NJW69, 1044f.; zur Wirtschaftsaufsicht im besonderen vgl. z.B. BVerwGE 23, 314 (318). 103 Vgl. hierzu BVerwGE 30, 196 ff.; Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 263 ff., 289ff.; v.Münch, AÖR85, 270 (273ff.); Bellstedt, D Ö V 6 1 , 161 (167); Mühl, DÖV67, 224 (229); H. Klein, Teilnahme, S. 228 ff.; Wolff, DB 70, 333 (336); Kloepfer, Grundrechte, S. 95 ff.; Scholz, NJW69, 1044; zur allgemeinen Fragestellung vgl. zuletzt Dax, Das Gleichbehandlungsgebot als Grundlage positiver subjektiv-öffentlicher Rechte, 1969, S. 99 ff. 104 Vgl. Scholz, NJW69, 1044 f.; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S.113f.; Bettermann, Hirsch-Festschrift, 1968, S. 1 (21 f.). 105 Vgl. Scholler, Interpretation, S. 15; Scholz, a.a.O. 106 Vgl. Scholler, a.a.O.; Scholz, a.a.O. 101
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prinzipiell kein Recht auf Gleichheit wirtschaftlicher Chancen 107 . Der Gleichheitssatz reagiert auf die Ungleichbehandlung von Chancen erst dort, wo rechtlich bestimmte, d. h. i n juristischer Maßstabsformalisierung verdichtete und daher rechtlich-vergleichbare Tatbestände verletzt sind 1 0 8 . I n diesem Augenblick schlägt die bisher präjuristische Chancengleichheit i n juristisch definierte Rechtsgleichheit um. Als Dimension bloßer Tatsächlichkeit kann die Chancengleichheit also i m Bereich des Gleichheitssatzes zunächst keine unmittelbare Verfassungsrelevanz erreichen. Dies verdeutlicht noch mehr der Blick auf das Wesen der „Chance". Sie ist nicht juristisch definierte Rechtsposition, sondern Element und Ergebnis tatsächlicher (Wirtschafts-)Verhältnisse 109 . Die wirtschaftliche Chance gehört daher zum Bereich der 110 Wirtschaftsfreiheit . Denn i n und m i t ihr verwirklicht sich jene Freiheit. Die Wirtschaftsfreiheit sucht die erwerbliche Chance und erfüllt (objektiviert) sich i n deren Nutzung. Die Gleichheit oder Ungleichheit von Chancen ist also das typische Ergebnis der wettbewerblich ausgeübten Wirtschaftsfreiheit. Der freiheitliche Wettbewerb bringt die Chance hervor; i n i h m w i r d die freiheitliche Chance genutzt 111 . Das bedeutet, daß eine rechtliche Relevanz der Chancengleichheit genau genommen nur i m Bereich der (wirtschaftlichen) Freiheitsrechte bestehen kann 1 1 2 ; oder auf das Verhältnis von gesellschaftlicher Chance und staatlicher Chancenachtung übertragen: Die Chancengleichheit funktioniert prinzipiell nur i m status negativus 113. Die „Chancengleichheit" verpflichtet den Staat (u. a.) also, eine i m freien Wettbewerb entstandene Chancenverteilung zu achten 114 . Und nicht nur dies: Die w i r t schaftlichen Freiheitsrechte der A r t . 12, 14 GG sind von vornherein als Garantie der gleichen Wirtschaftsfreiheit aufzufassen. Denn sie versprechen jedem Wirtschaftssubjekt die „gleiche" Wirtschaftsfreiheit 116 . 107
Vgl. die Nachw. oben N. 104. Vgl. Scholz, NJW 69, 1044 f. Vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 288 m. N. 246; Scholz, a.a.O. 110 Vgl. in diesem Sinne, wenn auch mit unterschiedlicher Abstufung, Lerche, Übermaß, S.2901; ders., AÖR90, 341 (358, 362 f. m. N.76); ders., Zur Verfassungsposition der Schlachtviehversicherung in Bayern, 1969, S. 36; Götz, Wirtschaftssubventionen, S.267, 272ff.; Friauf, DVBl66, 729 (732f., 737); Bellstedt, DÖV61, 167 f.; Hamann, D V B l 63, 486 (489); Scholz, NJW 69, 1045. 111 Vgl. allgemein klarstellend hier Isensee, a.a.O. 112 Dies wird freilich oft nicht hinreichend beachtet; bezeichnend für die Verwechslung und begriffliche Vermengung von Freiheitsrecht und Gleichheitsrecht unter der Vorstellung der Chancengleichheit ist die E. des BVerwG vom 30.8.68 (BVerwGE 30, 191 ff.); vgl. näher dazu schon Scholz, NJW 69, 1044f.; Friauf, JurA (öffR) 69, 8f. — irrig dagegen Selmer, N J W 69, 1266 (1267). 118 Vgl. schon Scholz, NJW 69, 1044. 114 Vgl. bes. Ipsen, V V D S t R L 25, 257 (303); auch Scholz, a.a.O. 115 Vgl. für die Berufsfreiheit Lerche, Übermaß, S. 290ff.; ders., Verfassungsposition, S. 36; für die Wettbewerbsfreiheit vgl. bes. Leisner, BB70, 405 (410 f.) und weiter unten sub D I V 3 c. 108
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Dieses Versprechen ist allerdings m i t Vorsicht zu interpretieren. Als Freiheitsrecht kann es nämlich keine Garantie der ewig-gleichen Nutzung und Neu- oder Weiterbildung von Chancen abgeben. „Freiheit der gleichen Chance" muß nämlich auch „Freiheit zur ungleichen Chance" bedeuten; denn anders ist Freiheit nicht denkbar. Eine Garantie der permanent-gleichen Chance würde der Chancenfreiheit widersprechen. Dies bedeutet, daß der Grundsatz der „gleichen Wirtschaftsfreiheit" nur die Garantie des rechtlich gleichwertigen Freiheitsrechts enthalten kann; oder anders ausgedrückt: Die freiheitsrechtliche Chancengleichheit schützt die Gleichheit der freiheitlichen Startbedingungen 116. Sie t u t dies aber nur i m status negativus, nicht i m status positivus einer die rechtlichen Startbedingungen wirtschaftlich oder sozial absichernden Gewährleistung. bb) M i t dieser Feststellung scheint das verfassungspolitische Postulat nach Gleichheit der Chancen freilich i n dessen Gegenteil gewendet zu sein, nämlich die Forderung nach „Freiheit der — auch ungleichen — Chancen". U n d doch bedarf es dieser, nur scheinbaren Wendung; denn erst sie zeigt den Weg zu einer verfassungsrechtlich möglichen Gleichbehandlung von Chancen 117 : Der die (Wirtschafts-)Freiheit organisierende Gesetzgeber kann bestimmte, freiheitsgefährdende Ungleichheiten in der Chancenbildung und -nutzung beseitigen, indem er entsprechende Gleichheitskorrekturen anbringt. Die gesetzliche Entscheidung kann also chancenmäßige Freiheitskonstellationen gleichheitsrechtlich verändern. Sie kann der Freiheit (formalisierte) Gleichheitsmaßstäbe voranstellen, die Freiheit also auf bestimmte Rechtsgleichheiten i n der vorgefundenen Chance und damit auch i n der weiteren Chancenbildung und -nutzung festlegen. Eine derart verrechtlichte Chancengleichheit wäre bereits Rechtsgleichheit. Sie enthielte als solche eine Schranke der wirtschaftlichen Freiheiten, weil sie diesen auf einem bestimmten Sektor das „Recht zur ungleichen Chancennutzung" abschneidet. Die chancensichernde Gleichheitsregelung ist also freiheitsbeschränkende Rechtsgleichheit. M i t dieser Maßgabe spielt die „Chancengleichheit" oder — terminologisch besser: — chancensichernde Gleichstellung eine besondere Rolle. Denn i n ihr kommt vor allem die sozialstaatliche Verteilungsfunktion 116 I n diesem Aspekt dürfte sich vor allem die Zukunft der Berufsfreiheit des Art. 121 GG erfüllen. Denn die moderne, soziologisch bedingte „Umstrukturierung" der Grundrechte tendiert eben hierhin. Je mehr ein Freiheitsrecht wie das des Art. 12 I GG seine individualistische oder freiheitlichindividualilsierende Kraft i m Zuge kollektivierend-massentypischer Gesellschafts- und Rechtsverhältnisse einbüßt, um so mehr muß ein solches Freiheitsrecht in die Zone „bloß" formal-egalisierender Freiheitsgewährleistung überwechseln. 117 Vgl. bes. deutlich hier Isensee, a.a.O.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
des modernen Verfassungsstaates zum Zuge: Die chancensichernde Gleichstellung entwickelt den status positivus der sozialen Rechtsgleichheit Mißt man diesen Entwicklungsgang an den Grundsätzen der Grundrechtsprägung, so offenbart sich die chancensichernde Gleichstellung als präventive Grundrechtsprägung i n der Zone der Grundrechtsvoraussetzungen 118 . Die „Chancengleichheit" formiert sich demnach i n zwei prinzipiellen Grundrechtsrelationen: Sie w i r k t einmal als Konkretisierung der Freiheit i m status negativus; „Chancengleichheit" beschreibt hier also nichts anderes als einen Tatbestand liberaler Freiheitsgewährleistung. Zum anderen, d. h. i n ihrer zweiten Relation, wechselt die „Chancengleichheit" als soziale Rechtsgleichheit i n die Dimension des status positivus über; sie w i r k t hier als präventiver Schutz der FreiheitsVoraussetzungen. cc) I n diesen beiden, voneinander geschiedenen Relationen kann die Chancengleichheit auch für das Recht der Wirtschaftsaufsicht bedeutsam werden. I n ihrer liberalen Ausrichtung w i r d sie dort aktuell, wo eine Aufsichtsregelung die Freiheit der gleichen Wirtschaftsrechte ber ü h r t ; hier reagiert das grundrechtliche Abwehrrecht aus A r t . 12, 14 GG. I n ihrer sozialen Ausrichtung w i r d die Chancengleichheit dort aktuell, wo sich eine Aufsichtsregelung u m die Korrektur tatsächlich ungleicher Wirtschaftskonditionen bemüht u n d die Gleichstellung der wirtschaftlichen Chancen und Startbedingungen von Gesetzes wegen sichert. I n beiden Relationen plädiert die aufsichtsrechtlich gesicherte Gleichheitsposition für das subjektive öffentliche Recht des chancenmäßig Begünstigten: I n der liberalen Freiheitsrelation sprechen die Grundrechte aus A r t . 12, 14 GG für eine Rechtssubjektivierung; i n der sozialen Gleichheitsrelation t u t dies auch der Gleichheitssatz des A r t . 3 1 GG. 11. Zusammenfassend läßt sich demnach ein ganzes Spektrum spezialgrundrechtlich beeinflußter Rechtssubjektivierungen i m einfachen Gesetzesrecht nachweisen. Je nach A r t der Grundrechtsberührung handelt es sich entweder u m die Begründung subjektiver Abwehrrechte oder u m die zumindest tendentielle Formierung subjektiver Rechte kraft grundrechtsprägender, kollisionslösender oder mißbrauchswehrender (Aufsichts-)Gesetzgebung. Das Prinzip vom höchstmöglichen Durchgriff auf die (grundrechtlichen) Individuairechtsgüter zeigt sich i n allen diesen Fällen wirksam. Es erlaubt bereits jetzt, vom subjektiven Dritt- oder Konkurrentenschutz als Gebot der grundrechtlichen Verfassungsgarantien zu sprechen. Z u m tatbestandlich voll verdichteten, d. h. 118
Vgl. auch Kloepfer, Grundrechte, S. 96 f.
I I . Subjektiver Drittschutz als grundrechtliches Verfassungsgebot
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generell gültigen subjektiven öffentlichen Recht vermag der Drittschutz freilich noch nicht vorzudringen. Das subjektive Konkurrentenrecht verharrt vorerst noch i n der Zone der konkreten Rechtsfolge; seine Entstehung ist an die abwehrrechtliche Reaktion auf konkrete Grundrechtsverletzungen durch einfaches Gesetzesrecht gebunden. Schon eine einfache Überlegung zeigt jedoch, daß es hiermit nicht sein Bewenden haben kann: Das subjektive Abwehrrecht begreift sich als Reaktion auf grundrechtsverletzende Rechtsbeschränkungen. Rechtsbeschränkend können aber auch grundrechtsprägende, kollisionslösende sowie mißbrauchswehrende Regelungen wirken. Dies bedeutet, daß sich jene Regelungen von der grundrechtseingreifenden Beschränkung nur graduell unterscheiden können. Selbst dieser graduelle Unterschied verschwindet jedoch bei der kernregelnden Grundrechtsprägung. Denn deren Regelungsinhalt wächst i n den (kernbestimmten) Schutzbereich des Grundrechts selbst hinein. Er ist damit also ebenfalls geeignet, subjektive A b wehransprüche auszulösen; oder auf eine kurze Formel gebracht: Die kernregelnde Grundrechtsprägung bildet die Voraussetzung des subjektiven Abwehrrechts. Das Beispiel der kernregelnden Grundrechtsprägung hat damit zugleich bewiesen, daß jene Unterschiede i m Grad der Rechtsbeschränkung nur quantitativ und nicht unbedingt qualitativ bestimmt sind. Noch kraftvoller w i r d die rechtssubjektivierende Tendenz von Grundrechtsprägung, Kollisionslösung und Mißbrauchswehr, wenn man deren andere, d.h. nicht rechtsbeschränkende, sondern rechtssichernde oder -gestaltende Funktion betrachtet. I n dieser Funktion wirken jene Regelungen nämlich auf jeden Fäll stärkend auf das Grundrecht ein. Sie t u n dies ohne Rücksicht darauf, ob i h r konkret-stärkender Regelungsinhalt objektiv- oder subjektivrechtlich angelegt ist. Der Unterschied zwischen objektivem und subjektivem Recht kann hier oft nur technische oder rechtsformale Bedeutung haben. Denn materiäl w i r d über das betroffene Grundrecht auf jeden Fall die Rechtsposition des Individuums verstärkt. Andererseits erlaubt diese Feststellung noch nicht die pauschale Umsetzung objektiven Rechts i n subjektives Recht. Diese wäre jedoch die Konsequenz, wenn man überall dort, wo eine einfach-gesetzliche Regelung grundrechtsstärkend w i r k t , ohne Vorbehalt auf ein subjektives öffentliches Recht schließen wollte. Hiermit wäre genau das Ergebnis erreicht, das eingangs abgelehnt wurde: nämlich die einseitige Option für das subjektive Recht ohne Rücksicht auf die vielleicht entgegengesetzte Entscheidung des Gesetzgebers.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
H I . Grundrechtsgesichertes Privatinteresse und subjektives Recht als Repräsentanz von öffentlichem Interesse und objektivem Institutionsschutz 1. Eine Zwischenbilanz der bisherigen Untersuchungen zum subjektiven öffentlichen Recht ergibt folgendes: Das Schutzgut der Wirtschaftsaufsicht heißt objektiver Institutionsschutz. Es ist wesentlich instrumentell bestimmt und damit akzessorisch gegenüber den normativen Rechtsgutentscheidungen des (außer-aufsichtsmäßigen) objektiven und/oder subjektiven Rechts. Die Wirtschaftsaufsicht verfolgt grundsätzlich nur den Schutz aktueller Wirtschaftsfunktionen, indem sie diese unabhängig von deren objektivem oder subjektivem Rechtsgrund m i t objektiv-rechtlichen Sicherungsmitteln umgibt. Die Wirtschaftsaufsicht kann deshalb das subjektive öffentliche Recht i n ihre Schutzgüterordnung aufnehmen, sie muß dies aber nicht. Andererseits befaßt sich die Wirtschaftsaufsicht i n der Hauptsache m i t der privaten Wirtschaftsfreiheit. Diese ist grundrechtsgesichert (Art. 12, 14 GG) und damit geeignet, die Wirtschaftsaufsicht zumindest indirekt subjektiven Rechtspositionen des Individuums zu verpflichten. I n diesem Sinne läßt sich ein aufsichtsrechtlicher Institutionsschutz, zumindest bei verfassungskonformer Auslegung, nie ohne irgendeinen rechtlichen Bezug zur subjektiven Wirtschaftsfreiheit konstituieren. Dieser Bezug kann freilich, je nach A r t und Grund der zu schützenden Wirtschaftsfunktion, verschieden beschaffen sein. Er kann einmal i n der unmittelbar-subjektiv-rechtlichen Abschirmung grundrechtlicher Freiheitspositionen bestehen; er kann zum anderen i n der objektiv-rechtlichen Beschränkung solcher Positionen bestehen. I m ersten Fall w i r k t die subjektive Wirtschaftsfreiheit schutzgutbildend; i m zweiten Fall w i r k t sie schutzgutbegrenzend. Betrachtet man die reale Schutzgüterordnung der vorhandenen W i r t schaftsaufsichten, so kommt dieser Grundrechtsbezug allerdings nicht gleich zum Vorschein. Er w i r d zumeist verdeckt von wirtschaftspolitischen Zweckbegriffen oder wirtschaftsrealen Funktionsbegriffen wie „Wettbewerb", „Versorgung", „ Z i e l bester Förderung des Verkehrs" usw. Deutlicher w i r d der grundrechtliche Bezug andererseits schon dort, wo die Abwehr bestimmter Mißbräuche wirtschaftlicher Freiheiten besorgt wird. Die beiden Grundansichten — grundrechtlicher Sicherungs- und Beschränkungsbezug — sind bei näherem Zusehen jedoch immer wirksam. Denn wenn sich jene wirtschaftspolitischen Zwecksetzungen oder w i r t schaftsrealen Funktionsregelungen i m Einklang m i t der Verfassimg halten wollen, müssen sie die Grundrechtsgarantien der A r t . 12, 14 GG beachten. Diese Beachtung vollzieht sich i n einer jener Grundansichten.
I I I . Grundrechtsgesichertes Privatinteresse und subjektives Recht
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Verfolgt ein aufsichtsrechtlicher Institutionsschutz eine objektiv-rechtlich begründete Wirtschaftsfunktion, so muß er sich i n den Grenzen zulässiger Grundrechtsbeschränkung halten. Bezweckt der aufsichtsrechtliche Institutionsschutz eine subjektiv-rechtliche Wirtschaftsfunktion, so muß er wiederum diesen subjektiv-rechtlichen Grundcharakter der gesicherten Wirtschaftsfreiheiten wahren. Denn die Umsetzung einer von Verfassungs wegen subjektiven Wirtschaftsfreiheit i n eine bloß objektiv-rechtlich anerkannte Wirtschaftsfunktion verstieße gegen die verfassungsgesicherten Wirtschaftsgrundrechte. I n diesem Sinne hat sich das grundrechtliche Abwehrrecht als durchgehendes Strukturprinzip auch zur aufsichtsrechtlichen Rechtssubjektivierung erwiesen. Seine Aktualität ist allerdings — dem grundrechtlichen status negativus entsprechend — auf die grundrechtseingreifende Regelung beschränkt. Bei der freiheitsbeschränkenden Aufsichtsregelung ist der Abwehranspruch also von vornherein am Platze; bei der freiheitssichernden Aufsichtsregelung dagegen erst i n der Umkehr des späteren (widerrufenden) Eingriffs i n die (kernbezogene) Sicherung. 2. Bei dieser begrifflichen Enge des grundrechtlichen Reaktionsanspruchs muß die verfassungsrechtliche K r i t i k ansetzen; eine K r i t i k , die grundsätzlicher A r t sein müßte. Sie hätte sich nämlich generell u m ein Grundrechtsverständnis zu bemühen, das der modernen sozialstaatlichen Verwaltungsordnung gerecht würde und nicht (mehr) Gefahr liefe, i n den schematisierenden Kategorien von „eingreifender" Verwaltung und „abwehrendem" Grundrecht zu erstarren. Eine solche K r i t i k hätte freilich allgemeinere Blickrichtungen zu verfolgen, für die hier weder Ort noch Voraussetzungen bestehen. Aus diesem Grunde muß sich die hiesige Betrachtung auf einige Randbemerkungen beschränken. Sie darf dies, weil die prinzipielle Grundvorstellung eines solchen modernisierten Grundrechtsverständnisses nicht neu ist und auch schon hier — wenigstens i m Ansatz — transparent wurde: nämlich die Wendung vom grundrechtlichen Abwehrrecht zum grundrechtlichen Teilhaberecht. Diese Wendung ist die weitere Folge von sozialer Bürgerabhängigkeit und sozialstaatlicher Verwaltungsverantwortung; sie ist logische Konsequenz von wachsender staatlicher Gesellschaftsordnung und entsprechend zunehmender Einbindung des Individuums i n objektive Gruppen- und Ordnungsbezüge. Das „gemeinschaftsgebundene Individuum" des sozialen Rechtsstaats1 bewegt sich nicht mehr i n der isoliert-eingriffsorientierten Beziehung Staatsgewalt—Bürgerfreiheit. Es ist vielmehr „ M i t 1
Zu diesem Menschenbild des GG vgl. bes. BVerfGE2, 1 (12); 4, 7 (15 f.); 5, 85 (134ff., 197 ff.); 6, 32 (40 f.); 7, 198 (205, 215); 12, 45 (51); BVerwGE22, 286 (288); (Maunz-)Dürig(-Herzog), GG, Art. 1 Rdnr. 46; Nipperdey-Wiese, Grundrechte IV/2, S. 773.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
Glied" und damit Teilhaber der staatlich organisierten Gesellschaftsverfassung geworden. Diese läßt sich inhaltlich nicht mehr überall auf die individuelle Eingriffsrelation zurückführen 2 . Indem sie die Freiheit des Individuums nämlich nicht mehr „äußerlich" beschneidet, sondern gleichsam „innerlich" i n die eigene Organisationsregie nimmt, muß sich auch das verfassungsmäßig vorausgesetzte Freiheitsbild ändern. Dies kann sich nicht mehr i n der bloßen Abwehr „äußerer" Freiheitsbeschränkungen erschöpfen; es muß auch die organisierte „innere" Freiheit verpflichten. Dies gelingt ihm, indem es seine Reaktionsformen ändert und das bloß negative Abwehrrecht durch das positive Teilhaberecht ergänzt. I n dieser Ergänzung liegt keine, wie oft befürchtet oder unterstellt, revolutionierende Umwendung des (liberalen) Freiheitsrechts. I m Gegenteil, bei richtiger und verfassungskonformer Begrenzung offenbart sich das positive Teilhaberecht nicht als Gegensatz, sondern als verfassungsimmanente Fortsetzung des negativen Abwehrrechts. Das B i l d des auf die (kernregelnde) Grundrechtsprägung folgenden Abwehranspruchs hat dies schon modellhaft angedeutet: Wenn ein negatives Abwehrrecht den Inhalt einer grundrechtsprägenden Freiheitsregelung („Organisation der Freiheit") negativ sichert, so besteht kaum ein Grund, nicht schon diesen Inhalt selbst subjektiv-rechtlichen Ansprüchen zuzuordnen bzw. m i t solchen Ansprüchen auszustatten. Denn dem Gesetzgeber wäre ja jedenfalls die (wieder entziehende) Disposition über diesen Rechtsinhalt untersagt. Er kann i h n zwar i n freier oder auch Sozialpflichtiger Grundrechtsprägung einführen, kann i h n aber nicht zurücknehmen. Versieht er diesen Freiheitsinhalt schon von Gesetzes wegen m i t subjektiven Rechten, so kann der Bürger sich schon kraft einfachen Gesetzesrechts gegen die mangelnde Achtung jener Freiheitsgewährleistung wehren. Ist dieser Freiheitsinhalt dagegen nur objektiv-rechtlich angelegt, so ergibt sich der gleiche Effekt über den grundrechtlichen Abwehranspruch. Dieser verfolgte ebenso wie jener einfach-gesetzliche Anspruch den Zweck, jenen Freiheitsgehalt bestandsmäßig oder positiv für den begünstigten Bürger zu sichern. Der grundrechtliche Abwehranspruch überwindet den Gegensatz von objektivem und subjektivem (Gesetzes-)Recht folglich dort, wo der sachliche Gehalt der gesetzlichen Regelung grundrechtlich bedeutsam ist. Hinter diesem Erfolg steht genau genommen schon die Wendung vom negativen Abwehrrecht zum positiven Teilhaberecht. Diese vollzöge sich endgültig, wenn die grundrechtliche Reaktion nicht mehr den (späteren oder potentiellen) Eingriff i n den (gesetzlich geformten) Freiheitsinhalt abzuwarten hätte, sondern jenen schon von vornherein m i t 2
Vgl. hierzu zuletzt vor allem Scheuner, DÖV 69, 585 (586).
I I I . Grundrechtsgesichertes Privatinteresse und subjektives Recht
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dem Anspruch auf freie Gewährung sichern könnte. Unter dem Gesichtspunkt der Abwehr wäre hier nichts anderes geschehen, als daß das repressive Moment der Re-aktion auf den Freiheitseingriff dem präventiven Moment der freiheitsfordernden Aktion gewichen wäre. Gegen eine solche „Vorverlegung" der Schutzwirkungen des grundrechtlichen Abwehranspruchs können schließlich dort keine Bedenken bestehen, wo der materielle Inhalt der geforderten Freiheitsgewährleistung kraft gesetzlicher Entscheidung bereits festliegt. A u f eine verkürzte Formel gebracht, läßt sich diese Wendung vom negativen Abwehrrecht zum positiven Teilhaber echt m i t h i n so umschreiben: Wenn eine grundrechtsprägende oder sonst grundrechtswirksame Gesetzesregelung ihre freiheitsorganisierenden Inhalte objektiv-rechtlich anlegt, so besteht ein grundrechtlicher Anspruch nicht nur auf deren Achtung (repressive Abwehr), sondern auch auf deren positive Gewährung (präventive Abwehr). Aus dieser Blickrichtung folgt zugleich der Beweis, daß die Grundrechtsbezüge von Freiheitsbeschränkung und Freiheitssicherung keineswegs v o l l voneinander geschieden sind; sie nennen, bei Licht besehen, nur die verschiedenen Seiten desselben Problems. Diese Konstruktion ist nicht bloße Gedankenspielerei. Sie ist durchaus schon aktuell geworden, mag dies auch nicht allerorts bewußt gewesen sein. So gründen sich vor allem die — bekanntlich recht zwanglos durchgesetzten — Ansprüche auf Gewährung fürsorgerischer Leistungen 8 auf jene Konstruktion: Die (früher) objektiv-rechtliche Gewährung von Fürsorge erwies sich als grundrechtsrelevante Freiheitssicherung (Art. 1 I, 2 I I GG); ihre Versagung bedeutete daher einen Grundrechtseingriff. Was lag daher näher, als ein unmittelbares (präventiveingriffshinderndes) subjektives öffentliches Recht auf Gewährung der an sich nur objektiv-rechtlich vorgesehenen Fürsorgeleistungen anzuerkennen? 4 M i t der Anerkennung eines solchen subjektiven Rechts auf Leistungsgewährung war zugleich die Verdichtung vom subjektiven Recht als bloß konkret-individualer Rechtsfolge zum subjektiven Recht als abstrakt-generellem Rechtstatbestand gelungen. Denn an die Stelle der konkret abzuwehrenden Grundrechtsverletzung war das abstrakt-verbindliche Anspruchsrecht getreten; die spätere gesetzliche Positivierung dieses subjektiven Rechts i n § 4 1 B S H G erschien nur noch als deklaratorischer Abschluß einer verfassungsinterpretativ eingeleiteten und durchgesetzten Entwicklung. 3
Vgl. dazu schon oben sub D I I 10 b. Vgl. dazu näher sowie zu hieraus namentlich für die moderne Problematik der „Daseinsvorsorge" folgenden Konsequenzen bereits Scholz, Einrichtungen, S. 227 ff. 4
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
V o m (objektiv-rechtlichen) Gesetzesentscheid her gesehen, durfte diese Entwicklung schließlich deshalb vonstatten gehen, w e i l sie sich über den Willen des Gesetzgebers nicht hinwegsetzte und dessen objektiv-rechtliche Ordnung nicht durch die pauschale Anerkennung subjektiver Rechte sprengte. Dies geschah auf sehr einfache Weise. Die Anerkennung des subjektiven Rechts vollzog sich nämlich ausschließlich im Rahmen des objektiven Rechts. Sie verlieh ein subjektives Leistungsrecht nur dort und nur insoweit, wo und wie das objektive Recht eine Leistung überhaupt als gewährbar vorsah. M i t der Einführung des subjektiven Leistungsrechts wurde die objektiv-rechtliche Gesetzesentscheidung also nicht durchbrochen. Sie wurde lediglich ergänzt durch die Anerkennung des Leistungsanspruchs dort, wo von Gesetz es oder Verfassungs wegen ohnehin die gesetzmäßige Leistung zu gewähren gewesen wäre. Dem Interpretationsgebot vom höchstmöglichen Durchgriff auf das verfassungslegitimierte Individualrechtsgut war damit in optimaler und zugleich gesetzestreuer Weise genügt. 3. Hinter dieser ergänzenden oder fortsetzenden Wendung des negativen Abwehrrechts zum positiven Teilhaberecht steht ein besonderer Ordnungsgedanke, der dem sozialen Rechtsstaat i n allgemeinerer Form zu eigen ist: nämlich das Prinzip der kompensatorischen Rechtsgewährleistung. Seine Geltungskraft formierte schon den kompensatorischen Berichtigungs- oder Restitutionsanspruch, wie er oben für die Fälle prognostischer Aufsichtsunbestimmtheit vorgestellt wurde 5 . Seine A n erkennung rechtfertigte sich aus dem Bedürfnis, die (potentiell) erhöhte Eingriffsintensität der modernen, prognostisch-unbestimmten Aufsichtsmaßnahme auszugleichen. Auch hier demonstrierte der soziale Rechtsstaat schon seine verfassungsgegebene Elastizität und Fähigkeit, sich auch auf inhaltlich veränderte oder graduell intensivierte Freiheitsbeschränkungen einzustellen und kompensatorische Institute zum Ausgleich für die neuen oder verstärkten Eingriffswirkungen zu entwickeln. Dieser Kompensationsgedanke beschränkt sich jedoch nicht auf die Ausbildung entsprechend formeller Verfahrenshilfen, wie sie der kompensatorische Berichtigungs- oder Restitutionsanspruch enthält. Er beherrscht vielmehr die gesamte soziale Rechtsstaatlichkeit, d. h. also auch deren materielle Grundrechtsgewährleistungen. I n ihnen entfaltet der Kompensationsgedanke seine eigentlichen und entscheidenden Verfassungsimpulse. Denn er verwirklicht die bereits verschiedentlich angesprochene Werteinheit von liberaler und sozialer Freiheitsgarantie: Das Individuum ist heute i n seiner Freiheit nicht mehr hinreichend gesichert. Seine soziale Abhängigkeit erhöht deren Eingriffsanfälligkeit. Aus diesem Grunde bedürfen die liberale Freiheitsgewährleistung und 5
Vgl. D 1 2 g ff.
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deren abwehrrechtlicher Negativstatus der grundsätzlichen Ergänzung durch die soziale Freiheitsgewährleistung und deren teilhaberechtlichen Positivstatus. Denn nur sie sind imstande, jenes Maß erhöhter Freiheitsbedrohung und verminderter Wirksamkeit des grundrechtlichen A b wehranspruchs auszugleichen. Das gleiche gilt umgekehrt. Die m i t der Sozialvorsorge des Staates einhergehenden gesteigerten Eingriffsintensitäten (Abhängigkeiten) bedürfen wiederum der Kompensation i m liberalen Abwehrrecht. Das Prinzip der wechselseitigen Kompensation gibt sich deshalb als allgemeine Funktionsmaxime der sozialen Rechtsstaatlichkeit zu erkennen. I n i h m erfüllt sich jenes verfassungsintendierte Zusammenspiel von liberaler und sozialer Gewährleistung ebenso wie die gegenseitige Ausgleichung freiheits- und sozialitätsgefährdender Eingriffe. Das Prinzip der Kompensation vermeidet damit nicht nur jene — gelegentlich beschworenen — Gegenläufigkeiten von Liberalität und Sozialität. Es verbindet vielmehr beider Gewährleistungen zur genannten Werteinheit. Diese funktioniert als ständig-kompensierender Prozeß. Denn sie sucht die gegenseitigen Bedarfs- und Spannungslagen dauernd und immer wieder neu auszugleichen. Die jeweils gefundene Kompensationsformel findet i n das konkret betroffene (Grund-)Recht Eingang, indem sie sich dort als verfassungsverbindlicher Interpretationsauftrag niederschlägt. Als praktisch bisher bedeutsamste Kompensationsformel hat sich die Begründung subjektiver öffentlicher Rechte i m Bereich objektiv-rechtlicher Ordnungen erwiesen. Der Grund dafür ist inzwischen voll einsichtig geworden. Ein Sozialstaat moderner Prägung ist nicht nur leistungsgewährender Verteilungsstaat; er ist darüber hinaus und vor allem gesellschaftsverfassender Staat. Sein Ordnungsauftrag besteht maßgebend darin, der „Gemeinschaftsbindung" des Individuums inhaltlich dadurch Gestalt zu geben, daß er die gemeinschafts- oder gruppenbezogenen Gesellschaftsverhältnisse i n freiheitsgerechte Ordnungs- und Organisationsformen einfaßt. Diese gesellschaftsverfassenden Freiheitsregelungen sind häufig objektiv-rechtlich angelegt. Dies liegt i n ihrer überindividualen Ordnung ebenso eingeschlossen wie i n der notwendigen Objektivierung oder Typisierung genereller Freiheitsordnungen. Der Gesetzgeber kann einen grundrechtlichen Freiheitsbereich nur i n allgemeinerer Form, d. h. abgehoben von den rein individualen Belangen, verfassen (prägen). Als geeignetes Reglungsinstrument bietet sich daher das objektive Recht an. Dies vermag jedoch daran nichts zu ändern, daß die konkrete objektiv-rechtliche Ordnung der (typisierten) individualen Freiheit dient bzw. deren soziale Voraussetzungen zu sichern sucht. Hieraus folgt, daß die einzelne objektiv-rechtliche Ordnung sich auch dem subjektiven (Teilhabe-)Recht offenhalten muß. Denn nur i n i h m liegt die Kompensation für die m i t der objektiv-rechtlichen
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D. Der
echtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
Ordnung häufig verbundene Freiheitsbegrenzung. Dieses subjektive Teilhaberecht muß sich allerdings i m Rahmen der objektiv-rechtlichen Freiheitsordnung halten. Sein sachlicher Gehalt kann immer nur i m Anspruch auf Gewährung derjenigen Leistungs- oder Organisationsvorteile bestehen, die die objektive Ordnungsentscheidung ohnehin oder doch bei verfassungskonformer Auslegung gewährt bzw. gewähren muß. 4. Die verfassungsrechtliche Grundlegung des subjektiven öffentlichen Rechts kraft spezialer Grundrechtsentscheidung sieht sich damit wesentlich zu Ende geführt. Zunächst hatte sich gezeigt, daß das Problem des subjektiven öffentlichen Rechts jedenfalls auch ein Problem von Grundrechtsanwendung und -aktualisierung ist. Jetzt haben sich die Maßstäbe aufgetan, die das subjektive öffentliche Recht auch als konkrete Grundrechtsaktualität begründen. Die entscheidende Voraussetzung dafür liegt i n der (sozialstaatlichen) Wendung des negativen Abwehranspruchs zum positiven Teilhaberecht. Denn i n i h m verdichtet sich das grundrechtlich intendierte subjektive Recht von der bloß einzelfallbestimmten Rechtsfolge zum generell gültigen Rechtstatbestand. Garantiert die Verfassung einen bestimmten privaten Freiheitsbereich als Grundrecht und damit als subjektives Recht, so ist der einfache Gesetzgeber damit zwar nicht gehindert, diesen Freiheitsbereich auch objektiv-rechtlichen Gesellschaftsordnungen oder Garantien zu unterstellen. Eine solche rechtliche Verobjektivierung findet ihre Grenze aber am subjektiven Freiheitsrecht. Die objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung des Gesetzgebers darf daher nicht so weit gehen, daß das subjektiv-rechtliche Freiheitsmoment verletzt w i r d oder gar untergeht; an dieser Stelle greift der grundrechtliche Abwehranspruch ein. Hat die objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung des Gesetzgebers sogar freiheitsverfassenden oder -fördernden, insbesondere also grundrechtsprägenden Gehalt, so beschränkt sich die grundrechtliche Reaktion nicht auf den repressiven Abwehranspruch. Hier wendet sich das grundrechtliche Anspruchsrecht vielmehr — über das begriffslogische Z w i schenglied „präventive Abwehr" — zum positiven Teilhaberecht. I n ihm verwirklicht sich jetzt der interpretative Durchgriff auf das Individualrechtsgut. Die betreffende objektiv-rechtliche Ordnung untersteht — zumindest grundsätzlich — dem subjektiven öffentlichen Recht auf Gewähr oder Teilhabe. A u f die obige Definition des subjektiven öffentlichen Rechts (zweite Variante) 6 zurückgeführt, ergibt sich demnach, daß ein subjektives • Vgl. sub D I I 2.
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öffentliches Recht auch i m Rahmen objektiv-rechtlicher Ordnungen anzuerkennen ist, sofern diese einen grundrechtlich gesicherten Rechtsbereich sachlich regeln und den einzelnen Grundrechtsträger i m Zuge dieser Regelung tatsächlich derart begünstigen, daß ein (späterer oder potentieller) Entzug dieser Begünstigung eine Grundrechtsverletzung bewirkte. Damit löst sich der Extremfall der grundrechtseingreifenden Regelung zugunsten der Anerkennung des subjektiven öffentlichen Rechts. A u f die Skala der grundrechtsordnenden Gesetzgebungstypen übertragen, bedeutet dies, daß ein subjektives öffentliches Recht jedenfalls dann gegeben ist, wenn die (objektiv-rechtliche) Gesetzgebung auf den K e r n eines grundrechtlichen Freiheitsbereichs Einfluß nimmt (kernregelnde Grundrechtsprägung). Noch nicht gelöst sind damit die Fälle, i n denen eine Grundrechtsprägung bloß vorhofregelnde Bedeutung hat, sowie die Fälle von grundrechtlicher Mißbrauchswehr und grundrechtlicher Kollisionslösung. Indessen folgt aus dem Prinzip der kompensatorischen Rechtsgewährleistung auch hier die entsprechende Lösung: Auszugehen ist wieder vom Sinn dieser Regelungen. Dieser besteht, wie gezeigt, i n der präventiven Freiheitssicherung durch vorhofregelnde Grundrechtsprägung, i n der freiheitssichernden Abwehr grundrechtsmißbrauchender Verhaltensweisen sowie i n der freiheitssichernden Lösung kollidierender Freiheiten. A l l e Maßnahmen besitzen also freiheitssichernde Aufgaben. Sie funktionieren selbst dann, wenn sie objektivrechtlich angelegt sind, zum Nutzen der individualen oder subjektiven Freiheitsbereiche. Sie bewegen sich zwar nicht i m eigentlichen Kern der grundrechtlichen Freiheitsgewährleistung; der Bürger könnte ihre Unterlassung also kaum m i t dem negativen Abwehrrecht bekämpfen. Dies ändert aber nichts an der gegenständlichen Freiheitssicherung. Daß dieser kein grundrechtliches Abwehrrecht gegenübersteht, liegt weniger an deren objektiv-rechtlicher Regelung als an deren wesentlich präventivem Aufbau. Dieser Umstand hat sich indessen schon bei der Untersuchung des Abwehrrechts als bedeutungslos erwiesen. Wenn der präventive Freiheitsschutz Bestandteil einer (objektiven) Regelung oder Organisation grundrechtlicher Freiheitsbereiche ist, dann entsteht das subjektive öffentliche (Teilhabe-)Recht ohne Rücksicht auf den repressiven oder präventiven Regelungsansatz. Denn die präventive Freiheitsregelung bildet gerade die typische Form der objektiv-rechtlichen Ordnung grundrechtlicher Rechtsbereiche. Der Gesetzgeber ordnet bestimmte grundrechtliche Vorhöfe nur, um den substantiellen Grundrechtskern wirkungsvoller zu schützen. Er verbietet bestimmte, von i h m als typisch oder besonders gefährlich erkannte Freiheitsmißbräuche usw., u m die mißbrauchssichere Freiheit wiederum wirksamer vor innergesellschaft-
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
liehen Bedrohungen abschirmen zu können. Der Gesetzgeber entscheidet schließlich typische oder aktuelle Freiheitskonflikte, u m möglichst jedem Individuum eine Zone konfliktgesicherter Freiheiten zu verschaffen. Grundrechtsprägung, Mißbrauchswehr und Kollisionslösung können natürlich auch i n ausdrücklich-anspruchsverleihender Form auftreten. Diese Fälle sind jedoch unproblematisch. Denn dann bedarf es zur Ermittlung des konkreten subjektiven öffentlichen Rechts nicht mehr des Rückgriffs auf die Grundrechte. Hier entsteht das subjektive öffentliche Recht bereits nach Maßgabe der ersten Abgrenzungsvariante (willentliche und tatsächliche Begünstigung). Wenn der Gesetzgeber dagegen auf die ausdrückliche Gewährung subjektiver Rechte verzichtet, stellt sich das grundrechtliche Interpretationsproblem. Die freiheitssichernde Funktion der gesetzlichen Regelung stellt dieses i n den allgemeinen Zusammenhang von rechts- und sozialstaatlichem Freiheitsschutz. Ergibt sich hier die gleiche Konstellation wie beim Abwehrrecht, so muß auch hier das subjektive öffentliche (Teilhabe-)Recht anerkannt sein. Die Wendung des Abwehrrechts zum Teilhaberecht vollzog sich aufgrund der allgemeinen Kompensationsregel sowie aufgrund der Überlegung, daß der objektiv-rechtliche Gesetzesentscheid und das subjektivöffentliche Teilhaberecht zu den gleichen Rechtsfolgen führten. Die Durchsetzung des subjektiven Rechts konnte die objektiv-rechtliche Gesetzesentscheidung nicht verletzen oder überschreiten, da zumindest deren verfassungskonformer Vollzug notwendig zum gleichen Ergebnis geführt hätte. Objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung und subjektiv-rechtlicher Anspruch entsprachen also inhaltlich einander. Die A n erkennung des subjektiven öffentlichen Rechts konnte nicht als Negation, sondern n u r als Erfüllungshilfe des verfassungskonformen gesetzgeberischen Willens gedeutet werden. Diese Voraussetzungen sind bei den präventiven Grundrechtssicherungen nicht ganz erfüllt. Denn sie kennen keine vergleichbare Kongruenz von subjektivem Teilhabe- und objektivem Ordnungsrecht. Denn, wie festgestellt, bei vorhofregelnder Grundrechtsregelung, Mißbrauchswehr und Kollisionslösung entsteht auch kein potentielles Abwehrrecht. Das Individuum könnte einen i h m gegenüber unterlassenen oder verfehlten Gesetzesvollzug also nicht als (mittelbare) Grundrechtsverletzung rügen. Dies scheint wiederum zu heißen, daß eine trotzdem erfolgende A n erkennung des subjektiven Teilhaberechts den objektiv-rechtlichen Gesetzesentscheid verletzen müßte. Denn das subjektive Recht scheint dem Individuum einen Anspruch auf eine gesetzliche Leistung zu geben, zu deren Gewährung der Gesetzgeber zumindest nicht verfassungsrechtlich verpflichtet war.
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A u f der anderen Seite steht jedoch das Prinzip der kompensatorischen Rechtsgewährleistung. Vor seiner Geltungskraft kann auch ein solcher, mehr rechtstechnischer Unterschied nicht bestehen. Denn wenn allein die mangelnde Kongruenz i m Inhalt von objektiv-rechtlicher Gesetzesregelung und subjektivem Teilhaberecht das subjektive öffentliche Recht schon auszuschließen vermöchte, so fiele es jedem Gesetzgeber leicht, dem subjektiven öffentlichen Recht überhaupt aus dem Wege zu gehen: Er brauchte die objektiv-rechtliche Freiheitssicherung nur möglichst weit vorzuverlegen, die kernregelnde Grundrechtsprägung also möglichst zu vermeiden, und das subjektive öffentliche Recht könnte sich auf kein verfassungsrechtliches Gebot berufen. Die Widersinnigkeit eines solchen Ergebnisses läge indessen auf der Hand. Denn das subjektive öffentliche Recht kann doch nicht dann ausschließbar sein, wenn die (objektiv-rechtliche) Sicherung der (subjektiven) Freiheitsbereiche besonders weit geht. Oder umgekehrt ausgedrückt: Die verfassungsrechtliche Anerkennung des subjektiven öffentlichen Rechts kann von der Intensität der objektiv-rechtlichen Freiheitssicherung nicht i n dem Sinne abhängig sein, daß das jeweils höhere Maß objektiver Freiheitssicherung das subjektive Recht i n gleichsam umgekehrter Proportionalität zurückdrängte (ausschlösse). Der Widersinn einer solchen Argumentation ist übrigens schon an anderer, aktueller Stelle deutlich geworden: Der intensive Ausbau der objektiven Beteiligungsrechte des Konkurrenten i m Kartellverfahren sollte (?) die Zurückdrängung der subjektiven Rechtsschutzansprüche rechtfertigen. Schon hier wurde festgestellt, daß ein derartiger Schluß unzulässig ist. Die verfassungsrechtliche Garantie des subjektiven Rechtsschutzes (Art. 19 I V GG) verbietet nämlich jede Einschränkung aus Gründen des objektiven Verwaltungsverfahrensrechts. Die Beteiligung des Konkurrenten i m Kartellverwaltungsverfahren legt vielmehr die entgegengesetzte Vermutung nahe, daß das beteiligungsmäßig zu vertretende Interesse seinerseits rechtsschutzfähige Anspruchspositionen enthält 7 . Ähnlich verhält es sich hier. Je intensiver („präventiver") eine objektiv-rechtliche Freiheitssicherung beschaffen ist, desto näher liegt der Schluß auf ein entsprechendes subjektives Recht. Zum zwingenden Rechtsgebot erstarkt dieser Schluß jedoch erst dann, wenn das gegebenenfalls anzuerkennende subjektive Recht interpretativ so weit eingegrenzt ist, daß eine Verletzung oder Überschreitung des objektivrechtlichen Regelungsinhalts vermieden wird. 5. Eine derartige Eingrenzung verlangt ein Auslegungskriterium, daß das subjektive öffentliche Recht definitiv an den materiellen Inhalt 7
Vgl. oben sub C V 3 d.
11 Scholz
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
der objektiv-rechtlichen • Ordnungsentscheidung bindet. Dieses Auslegungskriterium findet sich i n den Vorstellungen von Repräsentanz und Repräsentation. Hiernach ist ein subjektives Recht dort anzuerkennen, wo die tatsächliche Begünstigung des einzelnen die objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung i n verfassungslegitimer Weise repräsentiert. Oder umgekehrt ausgedrückt: Die objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung öffnet sich dem subjektiven öffentlichen Recht dort, wo das subjektive Anspruchsbegehren des tatsächlich begünstigten Einzelnen den objektiven Ordnungsinhalt i n verfassungslegitimer Weise vertritt. E i n derartiges Repräsentationsverhältnis ist demnach nicht schon dann gegeben, wenn die objektiv-rechtliche Regelung das Individuum bloß tatsächlich begünstigt. Solche Wirkungen lägen durchaus noch auf der Ebene des irrelevanten Rechtsreflexes. Zum subjektiven öffentlichen Recht kann eine Reflexwirkung erst über die Repräsentation eines verfassungsrechtlich legitimierten Ordnungsziels aufsteigen. Repräsentation meint i n diesem Sinne ein besonderes Verhältnis inhaltlicher Kongruenz zwischen gesetzlichem Ordnungsentscheid und tatsächlicher Begünstigung. Dieses Kongruenzverhältnis fragt — i m Gegensatz zur Schutzzwecktheorie — nicht nach dem W i l l e n des Gesetzes. Denn diese Frage hieße, die verfassungsrechtliche Wertentscheidung ausser acht zu lassen. Das K r i t e r i u m der repräsentativen Kongruenz fragt vielmehr nach der spezifisch-grundrechtlichen Identität von gesetzlichem Ordnungsentscheid und tatsächlicher Begünstigung. Ein subjektives öffentliches Recht liegt hiernach vor, wenn eine objektiv-rechtliche Regelung einen grundrechtlich legitimierten Freiheitsbereich inhaltlich sichert und dabei i n der Person des einzelnen Grundrechtsträgers tatsächliche Begünstigungen auslöst, die für den verfassungslegitimierten Sicherungszweck typisch sind. Der begünstigte Grundrechtsträger t r i t t hier nämlich als verfassungslegitimierter Repräsentant des gesetzlichen Tatbestandes auf. Dessen begünstigende Wirkungen treffen i h n nicht mehr als zufälligen Nutznießer, sondern als repräsentativen Vertreter; i n seiner Person erfüllt sich die freiheitssichernde Rechtsfolge i n verfassungstypischer Weise.' Dieser Effekt ist nicht selbstverständlich. Denn präventive Grundrechtssicherungen der i n Frage stehenden A r t pflegen üblicherweise kein akutelles oder gar persönlich bestimmtes Sicherungsbedürfnis zu befriedigen. Sie suchen statt dessen typischen Bedürfnissen oder Konfliktslagen abzuhelfen. N u r hier wollen sie grundrechtliche Freiheiten (präventiv) abschirmen und nirgends sonst. Nur hier unterstehen sie also der besonderen Verfassungslegitimation der grundrechtssichernden Gesetzgebung. N u r hier dürfen sie sich auf die Prinzipien von Grund-
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rechtsprägung, Mißbrauchswehr und Kollisionslösung berufen. Dies bedeutet, daß eine verfassungsrechtliche Intendierung des subjektiven öffentlichen Rechts sich auch nur hier erfüllen kann. Wenn eine entsprechende Gesetzesregelung also — an ihrem objektiven Sicherungszweck gemessen — untypische Begünstigungen hervorbringt, so sind subjektive öffentliche Rechte ausgeschlossen. Die gesetzliche Regelung verharrt v o l l i n der Dimension des objektiven Rechts. Anders ist es dagegen, wenn die Begünstigung sich als typische Sicherung eines Individualrechtsgutes erweist, das seinerseits grundrechtlich legitimiert ist und daher i m verfassungsmäßigen Wirkungszentrum der objektivrechtlichen Ordnungsentscheidung steht bzw. stehen muß. I n diesem Fall repräsentiert die Begünstigung einen verfassungsrechtlichen Ordnungszweck. Der Bezug zu i h m rechtfertigt und fordert die Anerkennung als subjektives Recht. Denn dieser Begünstigungseffekt trifft die vom Gesetz als t y p i s c h e s Verfassungsbedürfnis vorausgesetzte oder vorauszusetzende Situation. Wenn ein tatsächlich begünstigter Grundrechtsträger als Repräsentant dieses typischen Bedürfnisses auftritt und einen Anspruch auf entsprechenden Gesetzesvollzug erhebt, so erfüllt er den „verfassungsrechtlich wohlverstandenen (verfassungskonformen) W i l len des Gesetzes". Er setzt sich also nicht über dessen objektiv-rechtlichen Ordnungsentscheid hinweg, indem er irgendeine zufällige Begünstigung zum subjektiven Recht zu deklarieren sucht. Das K r i t e r i u m der repräsentativen Begünstigung des einzelnen führt damit nicht zur vorbehaltlosen oder pauschalen Anerkennung subjektiver öffentlicher Rechte. Es lenkt den Blick des Interpreten vielmehr (wieder) i n die Zone der konkreten Rechtsfolge. N u r diese kann nämlich darüber entscheiden, ob das konkret betroffene Individuum i n repräsentativer oder nur tatsächlich-zufälliger Weise begünstigt wird. Die objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung orientiert sich am typischen Bedürfnis oder Konflikt. Sie übersetzt die verfassungsgeforderte Sicherung also ins Allgemeine; sie bedient sich deshalb auch zu Recht der Regelungsform des objektiven Rechts. Der Sinn dieser Regelungsform liegt aber nur darin, das subjektive Recht als generelle (pauschale) Rechtsquelle auszuschalten. Dies ist statthaft, w e i l die Verfassung kein durchgehendes Teilhaberecht vorschreibt. Dies gibt sie, wie gezeigt, nur i m Fall der Abwehr (potentieller)) Grundrechtseingriffe. Gerade dieser Fall aber bestätigt die verfassungsrechtliche Relevanz der repräsentativen Individualbegünstigung. Denn keine Begünstigung ist „repräsentativer" als diejenige, deren Versagung grundrechtswidrig wäre. Hier repräsentierte nämlich jede Begünstigung eine verfassungsrechtlich gebotene Freiheitssicherung; hier wäre also jede Begünstigimg auch subjektivrechtlich legitimiert. Aus diesem Grunde konnte hier ohne Vorbehalt von der tatsächlichen Begünstigung auf das subjektive (Teilhabe-)Recht Ii*
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
geschlossen werden. I n den Fällen präventiv-freiheitssichernder Grundprägung, Mißbrauchswehr und Kollisionslösung bedarf es dagegen der differenzierenden Betrachtung. Hier muß jede einzelne Begünstigung darauf untersucht werden, ob i h r rechtsfolgemäßiger Inhalt (Gesetzeswirkung) das Sicherungsbedürfnis eines grundrechtlichen Individualgutes i n typischer bzw. repräsentativer Weise erfüllt. Denn n u r dann darf sich die objektiv-rechtliche Entscheidung des Gesetzgebers dem subjektiven Recht nicht versagen. Täte sie dies doch, verleugnete sie sich selbst bzw. ihre spezifische grundrechtliche Verfassungslegitimation. 6. Erweist sich eine tatsächliche Begünstigung als i n diesem Sinne repräsentativ, so verleiht sie ihrem Träger den grundrechtlich legitimierten Anspruch, diese Begünstigung auch subjektiv-rechtlich fordern zu können. Das betreffende I n d i v i d u u m handelt damit jedoch nicht nur zu seinem individualen Privatnutzen. Es w i r d vielmehr als Repräsentant der typischen Freiheitssicherung zugleich für die objektiv-rechtlich begünstigte Allgemeinheit tätig. Dieser nämlich gilt die präventiv gewährte Freiheitssicherung. Als deren Mitglied ist das I n d i v i d u u m betroffen; deren „Rechte" n i m m t es i n gewissermaßen „repräsentativer Verantwortung" wahr. Dieser Gedankengang läßt sich auch i n den geläufigeren Abgrenzungskategorien von öffentlichem und privatem Interesse 8 ausdrücken: Die objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung verfolgt i m öffentlichen Interesse eine bestimmte objektive Sicherung individualer (Wirtschafts-) Freiheiten. Sie identifiziert sich inhaltlich m i t diesen; privates u n d öffentliches Interesse sind also kongruent 9 . Diese Kongruenz erschöpft sich nicht nur i n zufälliger Inhaltsgleichheit. Sie untersteht vielmehr einer besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation. I n i h r stößt das kompetenzrechtlich ausgefüllte Öffentlichkeitsinteresse 10 auf das grundrechtlich geschützte Privatinteresse. Dies w i r k t auf das öffentliche Interesse i n kompetenzbegrenzender 11 und kompetenzgestaltender Weise 12 ein, indem es dem Gesetzgeber bestimmte Regelungsinhalte verbietet (Grundrechtsverletzungen) und andere Regelungsinhalte gebietet oder doch nahelegt (Grundrechtssicherungen). I n diesem Fall w i r d das ob8 Zu deren unmittelbar mangelnden Aussagekraft vgl. allerdings schon oben C V 2 . 9 Vgl. dazu allgemein schon C V 2 . 10 Zum Verhältnis von öffentlichem Interesse und staatlicher Kompetenz vgl. schon C V 2 . 11 Die Grundrechte wirken insofern als „negative Kompetenzschranken" auf das gesetzgeberisch konkretisierte Öffentlichkeitsinteresse ein (vgl. allgemein zu dieser Konstellation Häberle, AÖR95, 86 [113]). 12 Der Gedanke der grundrechtlichen Kompetenzgestaltung funktioniert entsprechend wie der der „negativen Kompetenzschranke"; i m Einzelfall werden entsprechend „positive Kompetenzschranken" anzuerkennen sein (z.B. im Fall des grundrechtlichen Verfassungsauftrages).
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jektiv-rechtliche Öffentlichkeitsinteresse vom subjektiven Privatinteresse i n spezifisch grundrechtskonformer Weise repräsentiert. Der private Interessenträger, der das i h m günstige und m i t seinem Privatinteresse grundrechtstypisch übereinstimmende Öffentlichkeitsinteresse verfolgt, verwirklicht i n und m i t seinem privaten „Eigeninteresse" zugleich das öffentliche „Fremdinteresse". Er t r i t t damit aus dem Kreis der nur abstrakt geschützten „Allgemeinheit" hinaus und übernimmt i m System der objektiv-rechtlichen Ordnungsentscheidung eine repräsentative und damit auch aktive Rolle 13 . Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß das grundrechtsbedeutsame Öffentlichkeitsinteresse sich i m Privatinteresse als grundrechtstypischem Fall unmittelbar verkörpert findet. I n i h m gelingt der direkte Durchgriff auf das objektiv u n d verfassungskonform geschützte Individualrechtsgut. Dies kann den privaten Interessenträger nicht nur als zufälligen Nutznießer oder Funktionär der objektiv-rechtlichen Ordnungsentscheidung nennen. Diese erhebt ihn vielmehr zu ihrem Repräsentanten und damit zu ihrem aktivlegitimierten (Mit-) Träger. Die Rechtsstellung des Individuums empfängt damit ihre besondere Qualifikation. Sie rückt gleichsam i n den Schnittpunkt von objektivrechtlicher Ordnungsentscheidung und subjektiver Privatnützigkeit. Das vermittelnde Moment der verfassungsintendierten Repräsentation bindet beide Seiten aneinander und überbrückt damit für den konkreten Fall die Distanz zwischen objektivem und subjektivem Recht. Dieser Konstellation w i r d ein Entweder-Oder zwischen objektivem und subjektivem Recht nicht mehr gerecht. Die objektiv-rechtliche Ordnungsentscheidung hat das subjektive Recht zwar nicht als solches bezweckt; indem sie das subjektive Privatinteresse aber sachlich begünstigt und zugleich zum repräsentativen Maßstab ihrer eigenen Grundrechtswirksamkeit bzw. -konformität erhebt, kann sie der Konsequenz des subjektiven Rechts nicht (mehr) ausweichen: Das die öffentliche Ordnungsentscheidung grundrechtskonform repräsentierende Privatinteresse ist aus der objektiv-rechtlichen Gesetzesregelung auch subjektivrechtlich legitimiert 7. Das subjektive öffentliche Recht definiert sich nunmehr — i n Fortführung der obigen Abgrenzungsvarianten 14 — wie folgt: Ein subjektives öffentliches Recht ist nicht nur dort gegeben, wo eine Gesetzesbestimmung den Schutz des privaten Interesses willentlich und tatsächlich bewirkt, sondern auch dort, wo sich das, von einer objektiv-rechtlichen Gesetzesbestimmung tatsächlich begünstigte Privatinteresse auf eine grundrechtliche Wertentscheidung berufen kann 13 14
Vgl. auch Martens, öffentlich, S. 197 f. Vgl. sub D U 2 .
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D. Der
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und m i t deren Maßgabe das von der Gesetzesbestimmung eigentlich oder zunächst verfolgte Öffentlichkeitsinteresse inhaltstypisch repräsentiert. Das subjektive öffentliche Recht sieht sich damit i n verfassungs- und zugleich gesetzesgerechter Weise bestimmt. Seine Verfassungsgerechtigkeit liegt darin, daß es auch die repräsentative Individualbegünstigung i m grundrechtlich wirksamen Gesetzesbereich als subjektives öffentliches Recht anerkennt. Diese Anerkennung erfolgt i n gültiger Grundrechtsinterpretation, w e i l sie sich an der spezialen Grundrechtsentscheidung orientiert und i n keine pauschale Rechtssubjektivierung nach dem Vorbild des generalisierenden Rückgriffs auf „die Grundrechte" oder „die grundrechtliche Wertordnung" verfällt. Das K r i t e r i u m der repräsentativen Individualbegünstigung vermeidet weiterhin den Fehler, subjektive öffentliche Rechte überall dort anzuerkennen, wo eine Begünstigung irgendwie „eigene Angelegenheiten" des Begünstigten betrifft. Denn der repräsentativen Individualbegünstigung kommt es nur auf die (spezial-)grundrechtlich legitimierte und gesetzestypische Eigenangelegenheit an; nur i n i h r vermag sich eine tatsächliche Begünstigung zum subjektiven öffentlichen Recht zu erheben. Die Gesetzesgerechtigkeit der repräsentativen Individualbegünstigung liegt darin, daß sie die objektiv-rechtliche Gesetzesentscheidung nicht negiert oder vorbehaltlos zum subjektiven Recht umwendet. Das K r i t e r i u m der repräsentativen Individualbegünstigung hält sich vielmehr v o l l i m Rahmen der objektiv-rechtlichen Entscheidung. Es läßt das subjektive öffentliche Recht nur dort zu, wo die tatsächliche Begünstigung die typische und grundrechtswirksame Rechtsfolge des Gesetzes bildet. Das subjektive öffentliche Recht entsteht also nur i n der Person desjenigen, den die grundrechtlich gebotenen oder sonst grundrechtsberührenden Wirkungen des Gesetzes i n typischer Weise begünstigen. Oder m i t anderen Worten: Das aktivlegitimierte Individuum darf nicht nur i n seinem privaten Freiheitsinteresse begünstigt sein (begünstigt gelten); es muß darüber hinaus auch i n seiner repräsentativen Gliedstellung „innerhalb der Allgemeinheit" begünstigt sein. Hierbei kommt es jetzt nicht mehr auf die Unterschiede zwischen grundrechtseingreifenden Wirkungen einerseits und grundrechtsprägenden, mißbrauchswehrenden sowie kollisionslösenden Wirkungen andererseits an. Denn das K r i t e r i u m der repräsentativen Begünstigung führt diese Unterschiede einer einheitlichen Bewertung zu. Bereits vorstehend wurde darauf hingewiesen, daß i m Falle des (potentiellen) Grundrechtseingriffs immer eine repräsentative Begünstigung vorliegt. Dies verstand sich deshalb von selbst, weil jedes Individuum (abwehr-) berechtigt ist, wenn i h m eine gesetzliche Begünstigung i n grundrechtswidriger Weise versagt oder (wieder) entzogen wird.
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I n den anderen Fällen eröffnet das K r i t e r i u m der repräsentativen Begünstigung dagegen eine differenzierende Bewertung: Da es hier nicht u m die (potentielle) Abwehr von Grundrechtseingriffen geht, kann eine Begünstigung nur dann subjektiven Rechtsgehalt haben, wenn ihr sachlicher Gehalt unmittelbar der grundrechtlichen Freiheitssicherung dient und i n dieser Funktion den einzelnen Grundrechtsträger als Repräsentant von typischem Sicherungsbedürfnis und typischem Sicherungseffekt begünstigt. Da es zur Ermittlung dieser W i r k u n g aber ebenso wie beim grundrechtlichen Abwehrrecht der grundrechtskonformen Auslegung des einfachen Gesetzes bzw. der von diesem ausgelösten Begünstigungen bedarf, kann sich das K r i t e r i u m der repräsentativen Individualbegünstigung als allgemeingültiger Beurteilungsmaßstab behaupten. Er ist für jede Form grundrechtsgebotener oder grundrechtsbeeinflußter Rechtssubjektivierung zuständig; denn seine Fragestellung lautet immer gleich: Repräsentiert die tatsächliche Individualbegünstigung Grundrechtsorientierung des tatsächlich-begünstigenden
eine typische Gesetzes?
Die Antworten auf diese Frage können verschieden ausfallen. I m einen Fall kann ein subjektives öffentliches Recht zu bejahen, i m anderen zu verneinen sein. Das subjektive öffentliche Recht w i r d m i t anderen Worten zum Einzelfallproblem. Dies ist aber unschädlich, weil jede verfassungsrechtliche Beurteilung eines Gesetzes, bis h i n zu dessen verfassungsrechtlicher Derogation, allein ein Problem des aktuellen Einzelfalles beschreibt. Daß sich der eventuelle Verfassungsverstoß auch i n der Person mehrerer oder gar aller Gesetzesadressaten erfüllen kann, spielt dabei keine Rolle. Denn diese „repräsentieren" doch wiederum nur den einen (konkreten) Verfassungsverstoß. Das K r i t e r i u m der repräsentativen Individualbegünstigung erfährt das subjektive öffentliche Recht demnach aus der aktuellen (grundrechtskonformen) Rechtsanwendung. Das subjektive Recht selbst w i r d dabei entscheidend relativiert. Denn zum gesetzesgenerellen Tatbestand kann es erst i m Falle der „totalen Repräsentation" werden, d. h. dort, wo alle Gesetzesadressaten (repräsentativ) betroffen (begünstigt) sind. Als zentrales Beispiel hierfür hatte sich bereits die grundrechtsverletzende Versagung oder Entziehung der gesetzlichen Begünstigung vorgestellt. Wo dagegen kein F a l l derartig-„totaler Repräsentation" gegeben ist, verbleibt die Anerkennung des subjektiven öffentlichen Rechts dem (repräsentierenden) Einzelfall überlassen. Das subjektive öffentliche Recht löst sich damit von der substantiellen Geschlossenheit des subjektiven Rechts i m klassischen Sinne. Denn es formiert sich fortan nicht nur auf der Ebene abstrakter Tatbestandsmäßigkeit, sondern auch auf der Ebene konkreter Rechtsanwendung.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
Die Struktur des subjektiven öffentlichen Rechts w i r d damit beweglich, situationsgebunden oder relativ. Dies ist jedoch nichts besonderes. Denn die Entwicklung des subjektiven (öffentlichen) Rechts weist heute allgemein i n die Richtung einer mehr am konkreten Fall orientierten und damit relativen Rechtsbildung; auch die früher, kritisch referierten Versuche 15 , das subjektive öffentliche Recht verfassungskonform aufzuschließen, belegen dies. 8. I n Ansätzen ist das K r i t e r i u m der repräsentativen Individualbegünstigung schon verschiedentlich bei der Abgrenzung von subjektivem und objektivem Recht angeklungen. a) Vor allem den Anspruch auf ein polizeiliches Einschreiten zugunsten des einzelnen 16 hat man des öfteren m i t entsprechenden oder doch ähnlichen Überlegungen gerechtfertigt: Immer dann, wenn eine objektivrechtswidrige Polizeigefahr typischerweise gegenüber dem einzelnen akut wird, soll dieser als „Repräsentant der an sich geschützten Allgemeinheit" berechtigt sein, von der Polizei die Abwehr dieser Gefahr zu verlangen 17 . b) A u f der gleichen Linie liegt die Anerkennung des subjektiven öffentlichen Nachbarrechts i m Baurecht. Denn dies erklärt sich, wie das B V e r w G seit kurzem m i t Recht betont 1 8 , aus dem einfach-gesetzlich und i m öffentlichen Interesse verfügten Schutz des Eigentums i m Bauund Grundstückswesen (Art. 14 GG). Der Nachbar „ v e r t r i t t " m i t seinem subjektiven Nachbarrecht also das öffentliche Interesse; er darf dies, w e i l i n jenem öffentlichen Interesse zugleich sein grundrechtlich legitimiertes Privatinteresse repräsentativ enthalten ist. c) I m Bereich der Wirtschaftsaufsicht ist schließlich auf das subjektive Konkurrentenrecht i m Personenbeförderungsrecht hinzuweisen (§ 13 PBefG) 19 . Der Schutz des Altunternehmers bezieht sich hier, wie gezeigt, auf dessen Eigentumsrecht. Dies ist aber nur aus Gründen des öffentlichen Verkehrsinteresses geschützt. Der aktivlegitimierte Altunternehmer v e r t r i t t i n seinem Eigentum also zugleich das öffentliche Interesse. Oder m i t anderen Worten: Die eigentumsmäßige Begünstigimg des Altunternehmers repräsentiert einen i m öffentlichen Interesse eingerichteten, spezifischen Schutz des Freiheitsbereichs aus A r t . 14 GG. Erst dem Repräsentationsgedanken gelingt damit die eigentliche Erklärung des subjektiven Konkurrentenrechts aus § 13 I I Nr. 2 lit. c, I V PBefG. Denn nur er ist imstande, die eigentümliche Verbindung von 15
Vgl. sub D I I 2,6. Vgl. zu diesem schon oben sub C I I I 8 a und D I I 10 b. Vgl. bes. deutlich hier Schmatz, Grenzen, S. 183; Martens, öffentlich, S.197 ff. 38 Vgl. näher m. Nachw. oben C V 2. 19 Z u diesem vgl. näher schon C I I I 9 b, D I I 10 c. 16
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objektiv-rechtlichem Öffentlichkeitsinteresse u n d subjektiv-rechtlichem Privatinteresse auf konstruktionsmäßig und damit auch dogmatisch gültige Weise aufzunehmen. Er zeigt, daß hier kein Gegensatz besteht, und weist damit den Weg zu einem interpretativ gesicherten Verständnis des § 13 PBefG 20 . Voraussetzung für diese Erkenntnis ist allerdings die verfassungsrechtliche Prüfung der — zunächst nur tatsächlichen — Individualbegünstigungen aus § 13 PBefG. Nachdem sich erwiesen hat, daß diese spezifische Grundrechtsprägungen i m verfassungsrechtlichen Eigentumsbereich vornehmen, öffnet sich die Fragestellung nach dem repräsentativen Charakter dieser eigentumsprägenden Begünstigungen. Diese Frage ist schließlich leicht zu beantworten. Denn die betreffenden Regelungen des § 13 PBefG befassen sich von vornherein nur m i t dem Schutz des altunternehmerischen Verkehrsgewerbes. Die Repräsentanz der altunternehmerischen Begünstigung verdichtet sich also bis zur „totalen Repräsentation". Denn die Voraussetzungen des subjektiven Konkurrentenrechts liegen schon von Tatbestands wegen fest: Repräsentativ und damit subjektiv-rechtlich begünstigt ist derjenige Altunternehmer, der sein Verkehrsgewerbe ausgestalten (§ 13 I I Nr. 2 lit. c PBefG) und seinen Besitzstand wahren w i l l (§ 13 I V PBefG). Obwohl sich diese Beispiele noch vermehren ließen 21 , führt die Regelung des § 13 PBefG bereits zur Wirtschaftsaufsicht und zum aufsichtsrechtlichen Konkurrentenrecht allgemein zurück. 9. Die Wirtschaftsaufsicht dient grundsätzlich dem objektiven Institutionsschutz. Sie steht damit zunächst sogar jenseits des Gegensatzes von objektivem und subjektivem Recht. Und doch gelten hier die gleichen Maßstäbe. Selbstverständlich ist dies dort, wo dem betreffenden Institu20
Wie sehr es an einem solchen fehlt, zeigt die unsichere Argumentation des BVerwG zur Rolle des öffentlichen Verkehrsinteresses (vgl. hierzu schon C H I 9 b , C V 2 ) . Trifft die Rechtsprechung des BVerwG zu §13PBefG von 1961 dagegen noch i m Ergebnis zu, so gilt dies nicht für dessen Entscheidung vom 12. 7. 65 zu § 8 AllgemEisenbahnG (BVerwGE 21, 338ff.); denn hier lehnte das Gericht das subjektive (Konkurrenten-)Recht gerade mit der Begründung ab, daß die angefochtenen (Aufsichts-)Maßnahmen „den einzelnen Unternehmer, der der betreffenden Gruppe angehört, die unter dem Begriff der Verkehrsträger zusammengefaßt wird", „zwar berührt", daß diese Berührung den Unternehmer aber „lediglich als Mitglied der Gruppe" erfasse, „auf die sich d i e . . . M a ß n a h m e n . . . auswirken sollen" (a.a.O., S. 340); diese Begründung hätte bei richtiger Würdigung des subjektiven öffentlichen Rechts gerade zu dessen Anerkennung führen müssen; denn jene gruppenmäßig-mitgliedschaftliche Begünstigung des Unternehmers beschreibt gerade dessen repräsentative Rechtsposition. 21 Wichtig werden kann der Gedanke des subjektiven öffentlichen Rechts kraft repräsentativer Individualbegünstigung auch im Subventionsrecht bzw. für den dortigen Konkurrenzschutz. Dies belegt deutlich die Fallstellung in BVerwGE 30, 191 ff. Hätte die dort vom Konkurrenten des Subventionsempfängers angefochtene Subventionierung die verfassungsgeschützte Wirtschaftsfreiheit gerade in der Person jenes Klägers „repräsentativ" tangiert, so wäre der Klage stattzugeben gewesen.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
tionsschutz objektiv-rechtliche Zwecke zugrunde liegen; denn hier sind objektives und subjektives Recht „innerhalb" des Institutionsschutzes miteinander konfrontiert. Die gleiche Konfrontation entsteht jedoch dort, wo der Institutionsschutz an sich subjektiv-rechtliche Zwecke verfolgt. Denn deren Schutz w i r d wiederum i n typisierter Form sowie durch den Einsatz objektivrechtlicher Sicherungsmittel (verwaltungsrechtliche Aufsichtszuständigkeit) wirksam. Die staatliche Aufsichtsinstanz sichert das subjektive Wirtschaftsrecht bzw. dessen aktuale Ausübung (Wirtschaftsfunktion) wiederum „innerhalb" des institutionellen Schutzgutes. Sie tut dies zwar nur i n der dienenden Rolle des bloßen Sicherungsmittels. Dies ändert aber nichts daran, daß dessen hoheitlicher Einsatz dem subjektiv-rechtlichen Schutzinteresse des beaufsichtigten und geschützten Wirtschaftssubjekts widerstreiten kann. Das bedeutet, daß sich auch hier die Frage stellt, ob das vom einzelnen Wirtschaftssubjekt geltend gemachte Privatinteresse den objektiven Institutionsschutz repräsentativ verpflichtet. Des Nachweises der repräsentativen Individualbegünstigung bedarf es auch hier. Denn da ein aufsichtsrechtlich geschütztes subjektives Recht fast immer kollektiv oder gruppenrechtlich angelegt sein wird, können sich über dessen konkreten Inhalt und dessen rechtliche Durchsetzbarkeit zugunsten des einzelnen Gruppenglieds durchaus Differenzen zwischen Individuum und Aufsichtsinstanz ergeben. Diese führen wiederum zum Konflikt von objektivem und subjektivem Recht, w e i l subjektives Gruppenrecht und subjektives Individualrecht sich zueinander wie objektives und subjektives Recht verhalten. Aus diesem Grunde verlangt jeder aufsichtsrechtliche Institutionsschutz die genaue Prüfung, ob und inwieweit er subjektive öffentliche Rechte gewährt. Falls die konkrete Wirtschaftsaufsicht keine subjektiven Rechte von Gesetzes wegen, d. h. als willentlich-tatsächliche Individualbegünstigungen, anerkennt, h i l f t nur das Abgrenzungsprinzip der repräsentativen Individualbegünstigung weiter. Dessen verfassungsrechtlichen Maßstab bildet die grundrechtsgarantierte Wirtschaftsfreiheit (Art. 12, 14 GG). A n ihrer rechtssubjektivierenden K r a f t ist jede tatsächliche Begünstigung des einzelnen Wirtschaftssubjekts zu messen. Gibt diese sich als grundrechtlich legitimierte Begünstigung und zugleich als typische Erscheinung des gesetzlichen Institutionsschutzes zu erkennen, so ist sie subjektives öffentliches Recht. 10. Das K r i t e r i u m der repräsentativen Individualbegünstigung damit das Problem des subjektiven Konkurrentenrechts:
löst
W i r d das wirtschaftliche Privatinteresse des Konkurrenten von einer Norm des (objektiven) Aufsichtsrechts derart begünstigt, daß einmal das typische (öffentliche) Aufsichtsinteresse erfüllt w i r d und zum
I I I . Grundrechtsgesichertes Privatinteresse und subjektives Recht
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anderen ein repräsentativer Bezug zu einer grundrechtlich legitimierten Rechtsposition des Konkurrenten hergestellt wird, so enthält die begünstigende Norm ein subjektives öffentliches Recht. Dies berechtigt den Konkurrenten, von der Wirtschaftsaufsicht ein entsprechendes, ihn begünstigendes Vorgehen zu verlangen. Durch die Ausübung dieses subjektiven öffentlichen Rechts handelt der Konkurrent ebenso zu seinem privaten wie zum Nutzen der von i h m repräsentierten Allgemeinheit. Der Konkurrent t r i t t also weder als bloßer „Funktionär der Gesamtrechtsordnung" 22 noch als alleiniger Träger einer ausschließlich individual-bezogenen Berechtigung auf. Der Konkurrent handelt vielmehr als Repräsentant der Allgemeinheit und Inhaber eines inhaltlich dem Interesse der Allgemeinheit entsprechenden Eigenrechts. Oder auf eine kurze Formel gebracht: Der Konkurrent ist aktivlegitimierter Mitträger der Gesamtrechtsordnung. Sein Recht unterscheidet sich demnach ebenso von den Populäransprüchen des § 13 U W G etc. 23 wie von den rein privatnützigen Ansprüchen des subjektiven Rechts i m klassischen Sinne. Als Repräsentanz des objektiven Institutionsschutzes erfüllt das subjektive Konkurrentenrecht beider Funktionen. Es gewährleistet den — grundrechtlich intendierten — Schutz des Privatinteresses und dient zugleich der Wahrung des objektiven Institutionsschutzes. Das subjektive Konkurrentenrecht ist damit sowohl person- wie ordnungsbezogen. Das bedeutet, daß das subjektive Konkurrentenrecht jener K r i t i k entgeht, die der Verwendung oder Anerkennung des subjektiven Rechts i m Recht der Wirtschaftsaufsicht i n grundsätzlicher Ablehnung gegenübersteht 24 . Diese K r i t i k geht von der klassischen Konzeption des subjektiven Rechts als ausschließlich personbezogener („individualistischer") Rechts- und Willensmacht aus. Sie rügt dessen Mangel an Ordnungsbezogenheit und sucht diesen Mangel wiederum durch die objektiv-rechtliche Überhöhung des „institutionellen" Schutzgutes zu heilen. Die Konsequenz davon ist, daß der einzelne tatsächlich nur noch als „Funktionär der Gesamtrechtsordnung" aktivlegitimiert ist 2 5 . Eine solche Sicht widerspricht jedoch dem grundrechtlichen Gebot vom höchstmöglichen Durchgriff auf das Individualrechtsgut. I h m w i r d nur eine Betrachtungsweise gerecht, die den einzelnen auch als Träger der Gesamtrechtsordnung ausweist. Das K r i t e r i u m der repräsentativen Indvidualbegünstigung erfüllt diese Forderung und wahrt zugleich das Erfordernis der ordnungsbezogenen Aktivlegitimation.
22 28 24 25
Biedenkopf, Böhm-Festschr., S. 116. Zu diesen vgl. oben C I V 2 c. VgL bes. Biedenkopf, a.a.O., S. 113ff.; Raiser, in: Summum ius, S. 156 ff. Vgl. Biedenkopf, a.a.O., S. 134.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot IV. Der subjektive Konkurrentenschutz im Kartellrecht
1. Nachdem damit die allgemeinen Strukturen des subjektiven öffentlichen (Konkurrenten-)Rechts geklärt sind, kann die Frage nach dem subjektiven Konkurrentenrecht i m Kartellrecht erneut gestellt werden. Die Frage lautet jetzt: Ob und inwieweit räumt das GWB dem Dritten, der von der aufsichtsmäßigen Genehmigung oder Duldung einer Wettbewerbsbeschränkung betroffen wird, ein subjektives öffentliches Recht auf Einschreiten der Kartellaufsicht ein? Maßgebend für die Beantwortung dieser Frage ist das verfassungsrechtlich bestimmte oder verfassungskonform interpretierte Schutzgut der Kartellaufsicht. Ist dies den Grundsätzen der repräsentativen Individualbegünstigung entsprechend grundrechtsorientiert, so sind die Voraussetzungen des subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechts prinzipiell erfüllt. Das gesetzliche Schutzgut der Kartellaufsicht wurde bereits definiert 1 . Der Schutz der Kartellauf sieht gilt danach nicht „dem Wettbewerb" als objektiv-rechtlich aufgegebenem Rechtsgut; er gilt vielmehr der konkreten Wirtschaftsfunktion „Wettbewerb" als gesellschaftspolitisch und ökonomisch wirksamem M i t t e l und Ergebnis der real ausgeübten — als Rechtsgut also vorausgesetzten — Wirtschaftsfreiheit. Die Kartellaufsicht spricht den Wettbewerb m i t anderen Worten nur als gesellschaftspolitisch und ökonomisch wirksame Dimension der wirtschaftlichen Realität an. Sie schützt ihn, weil sich die private Wirtschaftsfreiheit i n i h m i n maximaler Freiheitlichkeit und optimaler Leistungsfähigkeit entfalten kann. 2. Uber die subjektive Wirtschaftsfreiheit ergibt sich der spezifisch verfassungsrechtliche Standort des GWB: Kartellrecht und-aufsieht sind primär den grundrechtlichen Wertentscheidungen aus A r t . 12, 14 GG verpflichtet 2 . Sie haben deren freier und leistungsfähiger Ausübung zu dienen, und nicht umgekehrt. Denn der Wettbewerb ist nicht als w i r t schaftspolitischer Selbstzweck, sondern als freiheitliche Verhaltensform und zweckmäßige Marktform, d. h. seinerseits als M i t t e l zum Zweck, geschützt. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn GWB und GG eine Wirtschaftsverfassung nach dem Modell der (neo- oder ordo~)liberalen oder absoluten Marktwirtschaft statuierten. I n diesem Falle wäre der Wettbewerb auch als verfassungsrechtlich legitimierter „Selbstzweck" postuliert. Eine solche Wirtschaftsverfassung ist dem GG jedoch — wie jede andere ordnungspolitisch fixierte Wirtschaftsordnung auch — unbe1 2
VgL sub B I I . Z u deren Maßgeblichkeit für die Wirtschaftsfreiheit vgl. D I I 5.
I V . Der subjektive Konkurrentenschutz im Kartellrecht
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kannt. Das GG enthält, wie heute überwiegend anerkannt, keine W i r t schaftsverfassung i m Sinne eines geschlossenen Ordnungssystems 8. Das GG steht der Wirtschaftsordnung vielmehr offen gegenüber (offenes Ordnungssystem). Es überläßt die konkrete Ordnung der Wirtschaft prinzipiell dem einfachen Gesetzgeber und verpflichtet diesen lediglich den konkreten Ordnungsentscheidungen der Verfassung, d.h. namentlich den Grundrechten 4. Das bedeutet, daß der verfassungsrechtliche Standort der Wettbewerbsfreiheit ausschließlich bei den Grundrechten liegt. Die Wettbewerbsfreiheit hatte sich schon früher als besondere (konkurrenzmäßige) Ausübungsform der allgemeinen Wirtschaftsfreiheit zu erkennen gegeben 5 . Da diese nach Maßgabe der A r t . 12, 14 GG geschützt ist, beurteilt sich auch der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit allein nach diesen Grundrechtsgarantien 6 . Die Wettbewerbsfreiheit erscheint i n deren Rahmen einmal als besondere wirtschaftliche Ausübungsfreiheit (akzidentielle Rechtsfreiheit 7 ) 8 und zum anderen als subjektive (personbezogene, individúale), d. h. nicht objektive (ordnungsbezogene, „institutionelle"), Wirtschaftsfreiheit 9 . Das Kartellrecht muß seine verfassungsrechtliche Legitimation demnach aus den Grundrechten schöpfen. Das Schutzgut der Kartellaufsicht hat diesen gegenüber seine besonderen Sicherungen zu entfalten. I n diesem Sinne organisiert das GWB die wirtschaftliche Wettbewerbsfreiheit i n ihrer aktuellen Ausübung und sucht i h r eine verfassungsund leistungsgerechte Form zu geben. Das Kartellrecht w i r k t insofern als umfassende freiheitsverfassende Gesetzgebung. Seine freiheitsordnenden Maßnahmen bauen auf einem System verschiedener Wettbewerbsstärkungen und -beschränkungen auf 10 . Diese formieren sich wiederum i n sämtlichen Formen gesetzlicher Grundrechtsregelungen. Sie enthalten Grundrechtsprägungen f grundrechtliche Mißbrauchswehren und Kollisionslösungen ebenso wie grundrechtliche Beschränkungen (Grundrechtseingriffe). I m einzelnen überschneiden und ergänzen sich diese Maßnahmen wechselseitig. Sie funktionieren i n einer außerordentlichen Komplexität, 8 Vgl. bes. BVerfGE 4, 7 (17 t ) ; BVerwG, DÖV65, 47; Ehmke, Wirtschaft, S. 18ff.; Ballerstedt, Grundrechte I I I / l , S. 1 (65,77); Scheuner, W D S t R L l l , 1 (19ff.); Lerche, Werbung, S.49f.; Scholz, ZHR132, 100ff.; ders., Einrichtungen, S. 131 f.; ders., NJW69, 1044; vgl. auch Zacher, Böhm-Festschrift, S. 63 (bes. S. 89 ff.). 4 Vgl. die Nachw. N. 3. 6 Vgl. sub D I I 5. 5 Vgl. sub D I I 5. 7 Vgl. Scholz, Z H R 132, 106. 8 Vgl. Scholz, Z H R 132, 105ff.; NJW69, 1044 und oben D U 5. 9 VgL Krüger, Kartellgesetzgebung, S. 13 ff.; auch schon Scholz, Z H R 132, 105. 10 Siehe dazu oben C I I 4.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
die i n ihrem vollen Umfang wohl nach wie vor nicht durchschaut ist. Das „Verfassungsproblem Kartellrecht" steht zwar heute nicht mehr so i m Kreuzfeuer der Meinungen wie zur Zeit der Entstehung des GWB. Uber die recht allgemeine Erkenntnis, daß eine Kartellgesetzgebung immerhin als solche statthaft ist, ist die Diskussion des GWB jedoch kaum hinausgelangt 11 . Die Fortführung dieser Diskussion ist auch nicht Aufgabe der hiesigen Untersuchung. Denn i h r geht es nur u m den thematisch begrenzten Ausschnitt des subjektiven Konkurrentenrechts. Andererseits berührt dessen Fragestellung doch einige zentrale Positionen der grundsätzlichen Auseinandersetzung u m das Kartellrecht. A u f diese ist i m folgenden, wenn auch nur kurz, zurückzukommen. 3. Das Kartellrecht sucht die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Funktionen von Wettbewerb und Wettbewerbsfreiheit zu sichern, indem es die Bildung wettbewerbsfeindlicher Konzentrationen und freiheitsbeschränkender Machtbildungen zu verhindern sucht. a) Z u diesem Zwecke begreift sich das GWB zunächst als prinzipielle Mißbrauchswehr. Diese wäre grundrechtlich schon nach dem Prinzip der allgemeinen Mißbrauchswehr gerechtfertigt. Verstärkend t r i t t neben diese aber noch die Spezialermächtigung des A r t . 74 Nr. 16 GG, m i t der die Verfassung nicht nur bundesstaatliche Kompetenzfragen regelt. Das GG bekennt sich hier vielmehr ausdrücklich, d.h. auch material, zur gesetzlichen „Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machstellung" 12 . Die kartellrechtliche Mißbrauchswehr verweist diejenigen Wirtschaftssubjekte, die i m Wege der Konzentration oder sonstigen Wettbewerbsbeschränkung ihre wirtschaftliche Macht zum Nachteil ihrer Konkurrenten mißbrauchen, i n die Schranken ihrer Freiheiten zurück. Diese Freiheiten sind wiederum grundrechtlich garantiert. Denn auch dem w i r t schaftlich mächtigen oder konzentriert auftretenden Wirtschaftssubjekt kommen die allgemeine Wirtschaftsfreiheit sowie, als deren Ausübungsform, die Wettbewerbsfreiheit zugute. Daneben kann sich das betreifende Wirtschaftssubjekt noch auf die Vertragsfreiheit berufen. I n ihr findet er überhaupt erst das geeignete M i t t e l zur wirtschaftlichen Machtbildung, sei es, daß er den Vertrag zur Bildung von Kartellen, sei es, daß er i h n zur Durchsetzimg von sonstigen Wettbewerbsbeschränkungen benutzt. 11
Vgl. zum Ganzen die umfangreichen Nachw. bei Nipperdey-Wiese, Grundrechte IV/2, S. 741 (bes. S. 907 N. 670, 671). 12 Vgl. in diesem Sinne bes. Krüger, a.a.O., S. 21 f.; Scheuner, W D S t R L 11, 25.
IV. Der subjektive Konkurrentenschutz i m Kartellrecht
175
Die Vertragsfreiheit w i r d von einer verbreiteten Auffassung — ebenso wie die Wettbewerbsfreiheit 18 — dem Hauptfreiheitsrecht des A r t . 2 1 GG zugeordnet 14 . Diese Auffassung trifft indessen — ebenso wie die zur Wettbewerbsfreiheit vertretene Parallelmeinung 1 5 — nicht zu 16 . Denn sie verkennt die grundrechtskomplexe Struktur der Vertragsfreiheit, die dieser auch verfassungssystematisch keine einheitliche Position zuweist. Eine solche Position hätte die Vertragsfreiheit nur dann einnehmen können, wenn das GG sie — gegebenenfalls innerhalb des A r t . 2 1 — selbständig garantiert hätte. Dies hat das GG jedoch nicht getan. Es durfte dies m i t gutem Grunde. Denn die Vertragsfreiheit ist von vornherein bereits i n den meisten anderen Grundrechten m i t enthalten. Die freiheitliche Einigung zwischen verschiedenen Rechtssubjekten über bestimmte freiheitliche Verhaltensweisen gehört nämlich schon zu den typischen Äußerungsformen dieser Verhaltensweisen selbst. Aus diesem Grunde gehören Verträge über vermögensrechtliche Leistungen zur Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG; denn die Funktion des vermögensrechtlichen Vertrages bildet sich i n der Ausübung der Eigentumsfreiheit (Verfügung über Vermögensgegenstände). Das gleiche gilt für das Verhältnis von (Arbeits-)Vertrag und Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und verschiedene andere Freiheiten 17 . Die Vertragsfreiheit erscheint i n allen diesen Fällen als Ausübungsform oder Ausübungsfreiheit der Grundrechte aus A r t . 12, 14 GG usw. I m Zusammenhalt der Wirtschaftsgrundrechte aus A r t 12,14 GG konstituiert sich schließlich als allgemeinere Kategorie die wirtschaftliche Vertragsfreiheit. I n ihrer spezifisch wirtschaftsgrundrechtlichen Legitimation nimmt sie den gleichen Rang wie die Wettbewerbsfreiheit ein (Art. 12, 14 GG). Eine andere Grundrechtsposition ist dagegen für den Kartellvertrag maßgebend. Sein Schutz bemißt sich nämlich nach der Garantie des A r t . 9 1 GG 18 , da das K a r t e l l unter den Begriff der Vereinigung i m Sinne dieser Regelung fällt 1 9 . 13
Vgl. hier die Nachw. oben D I I N. 31. Vgl. z.B. Laufke, Lehmann-Festschrift, I, 1956, S. 145ff.; NipperdeyWiese, a.a.O., S. 886f.; Biedenkopf, Wettbewerbsbeschränkung, S. 144ff.; Raiser, JZ58, 1 (4ff.); Ballerstedt, GrundrechteIII/l, S.70; Krüger, a.a.O., S.26; E. R. Huber, Preisbindung, S. 22; Flume, DJT-Festschrift, I , 1960, S. 135 (140); vgl. auch BVerfGE 12, 341 (347). 16 Zu ihr vgL schon D I I 5. 16 Vgl. gegen das Argument aus Art. 2 1 GG und in spezialgrundrechtlicher Aufschlüsselung der Vertragsfreiheit Rüfner, Staat 68, 41 (51); Hamel, Die Bedeutung der Grundrechte i m sozialen Rechtsstaat, 1957, S. 35; Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 64 ff.; W.Weber, Grundrechte I I , 1954, S.331 (358); vgL auch Lerche, Übermaß, S. 255 f.; (Maunz-)Dürig(-Herzog), GG, Art. 2 1 Rdnr. 43. 17 VgL hierzu die Nachw. N. 16. 18 Vgl. z.B. Biedenkopf, BB 56, 473 (475); Krüger, Kartellgesetzgebung, S. 25; Hamann, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 106 ff. — a. A., d. h. i m Sinne 14
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
I n s g e s a m t gesehen u n t e r s t e h t d i e V e r t r a g s f r e i h e i t d e m n a c h n i c h t A r t . 2 I G G , s o n d e r n d e n spezialen F r e i h e i t s r e c h t e n , insbesondere, u n d v o r a l l e m h i e r m a ß g e b e n d , d e n e n aus A r t . 91, 12, 14 G G . Werden Wettbewerbs- u n d Vertragsfreiheit zur wettbewerblichen u n d freiheitlichen Gefährdung anderer Wirtschaftssubjekte mißbraucht, so ist d e r Gesetzgeber z u r m i ß b r a u c h s w e h r e n d e n B e g r e n z u n g d e r m i ß b r a u c h t e n F r e i h e i t e n b e r u f e n . D i e s e r B e r u f u n g ist er i m G W B gefolgt. b) I n d e m w i r t s c h a f t l i c h e K o n z e n t r a t i o n u n d M a c h t i m W e t t b e w e r b als W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g w i r k s a m w e r d e n , stoßen die w i r t s c h a f t lichen Freiheiten v o n wettbewerbsbeschränkenden u n d wettbewerbsbeschränkten Wirtschaftssubjekten aufeinander 20. Dieser Zusammenstoß offenbart sich als l ö s u n g s b e d ü r f t i g e r K o n f l i k t d e r G r u n d r e c h t e aus A r t . 12, 14 u n d 9 1 G G ( W e t t b e w e r b s f r e i h e i t gegen W e t t b e w e r b s f r e i h e i t ; V e r t r a g s f r e i h e i t gegen W e t t b e w e r b s f r e i h e i t ) 2 1 . Dieser K o n f l i k t b e r u f t eines absoluten Verfassungsverbotes des Kartells vgl. zuletzt bes. NipperdeyWiese, Grundrechte IV/2, S. 903 ff. m. w. Nachw.; weitere Nachw. auch bei Hamann, a.a.O., S. 107. 19 Nicht einschlägig ist dagegen die Bestimmung des Art. 9 I I I GG. Denn als „Vereinigung" i m Sinne dieser Regelung haben nur die Koalitionen des Arbeitslebens zu gelten (vgl. z. B. Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S. 90 N. 76; Dietz, Grundrechte I I I / l , 1958, S.417 (427); E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I I , 2. Aufl. 1954, S. 370, 383 N . 8 ; Krüger, a.a.O., S.25ff. — a. A. aber Dürig, NJW55, 729 ff.; Maunz, Deutsches Staatsrecht, 17. Aufl. 1969, S. 160 f.). 20 Dieser Zusammenstoß kann nicht etwa in der Weise geleugnet werden, daß man den Kartellvertrag als rein „internes" Vertragsverhältnis begreift, das dem Dritten noch keine zusätzlichen Pflichten oder Belastungen auferlege und deshalb auch ohne Rücksicht auf dessen (künftige) Position beurteilt werden müsse (so B G H Z 41, 61 [69] zum Rabattkartell). Eine solche Betrachtung verkennt nicht nur die Außenwirkungen des Kartellvertrages, sie übersieht vor allem, daß das Wesen des Kartellverbots gerade darin besteht, in präventiver Freiheitssicherung Grundrechtskollisionen zu lösen; und das bedeutet, daß auch der „künftige" Konflikt zwischen Kartellvertrag und Wettbewerbsfreiheit des Abnehmers beim Rabattkartell bereits jetzt, d.h. i m Zeitpunkt des Kartellvertrages, lösen ist. 21 Der Konflikt Vertragsfreiheit—Wettbewerbsfreiheit stellt sich für das Kartellrecht i m engeren Sinne also als Kollision der Grundrechte aus Art. 9 1 — Art. 12, 14 G G und für die nicht-kartellmäßigen Wettbewerbsbeschränkungen als Kollision der Grundrechte aus Art. 12, 14 — Art. 12, 14 G G dar (zum Konflikt von Wettbewerbsfreiheit und Preisbindung vgl. z. B. E. R. Huber, Preisbindung, S. 20 ff., der allerdings für beide Kollisionsfreiheiten auf Art. 121 GG rekurriert). Neben die Vertragsfreiheit und Wettbewerbsfreiheit tritt auf Seiten der wettbewerbsbeschränkenden (konzentrierenden) Wirtschaftssubjekte zum Teil auch noch eine weitere, ihrerseits wiederum i m Vorhof des Art. 14 G G (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) wirksame Grundrechtssicherung: nämlich das eigentumsstärkende Recht (u.a.) zur Sicherung der „Leistungsfähigkeit oder Wirtschaftlichkeit der beteiligten Unternehmen in technischer, betriebswirtschaftlicher oder organisatorischer Beziehung" (Rationalisierungskartell, § 5 I I I GWB); vgl. entspr. auch die Zulassung des Spezialisierungskartells ( § 5 a G W B ) . I n diesen Fällen ist erneut eine Kollisionslösung erforderlich, diesmal hinsichtlich der Freiheit der Erwerbschancen von Kartell und Konkurrenten.
IV. Der subjektive Konkurrentenschutz im Kartellrecht
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den Gesetzgeber wiederum zur Kollisionslösung. Folgerichtig sieht sich das GWB durch ein ausgeprägtes System grundrechtlicher Kollisionslösungen gekennzeichnet. Diese sind außerordentlich differenziert gehalten. Sie müssen dies sein, weil die Verfassung keine allgemeingültige Vorrangentscheidung i n der einen oder anderen Richtung geduldet hätte. Die kollidierenden Wettbewerbs- und Vertragsfreiheiten sind verfassungsrechtlich nämlich gleichwertig. Das GG trifft zwischen ihnen keine ausschließende Entscheidung 22 . Es stellt sie vielmehr bewußt nebeneinander. Dies geschah i m Wissen u m den potentiellen Konflikt zwischen Wettbewerbs« und Vertragsfreiheit; ein Wissen, das vor allem frühere, mehr ideologisch als juristisch begründete Argumentationen vergeblich zu leugnen versucht haben. Dies bedeutet, daß eine kollisionslösende K a r tellgesetzgebung keine einseitige Entscheidung treffen durfte. Sie darf weder die Vertragsfreiheit der Wettbewerbsfreiheit opfern, noch darf sie umgekehrt die Wettbewerbsfreiheit der Vertragsfreiheit opfern. Denn das GG setzt beide Freiheiten als prinzipiell gleichwirksame und -wichtige Wirtschaftsfaktoren voraus. Den Gesetzgeber trifft lediglich die Pflicht, deren konkrete Verträglichkeit zu besorgen 28 . Der Konflikt zwischen Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit ist demnach „verfassungsgewollt". Das GG fordert u n d gestattet die Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Freiheit erst i m konkreten Einzelfall bzw. realen Wirtschaftsprozeß. Hier hat der Gesetzgeber dann i m Wege „des nach beiden Seiten hin schonendsten Ausgleichs" (P. Lerche) 24 diejenige konfliktschlichtende Entscheidung zu treffen, die der gemeinsamen Grundgewährleistung, d. h. der Wirtschaftsfreiheit aus A r t . 12, 14 GG, i n optimal-freiheitssichernder Weise gerecht wird 2 5 . Hieraus folgt, daß — zumindest grundsätzlich — weder die generelle Zulassung von wettbewerbsbeschränkenden Konzentrationen noch deren generelles Verbot verfassungskonform und damit zulässig wäre. A u f der anderen Seite ist festzuhalten, daß jedes Verbot einer Konzentration oder sonstigen Wettbewerbsbeschränkung die Wettbewerbsfreiheit der konkurrierenden Wirtschaftssubjekte begünstigt, und zum weiteren ist festzuhalten, das jede Zulassung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen die Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit der wettbewerbsbeschränkenden Wirtschaftssubjekte begünstigt. Diese Feststellung gründet sich zwingend auf die grundrechtliche Legitimation der jeweils vom Gesetzgeber bevorzugten Freiheitsposition; auch die kartell22 Vgl. auch Lerche, Werbung, S. 71 f.; a. A. Nipperdey-Wiese, Grundrechte IV/2, S. 907: Vorrang der Wettbewerbsfreiheit. 23 Vgl. Lerche, Werbung, S. 71 f. 24 Vgl. Übermaß, S. 153. 25 Vgl. entspr. Lerche, Werbung, S. 71 f.; vgl. dens. auch schon Übermaß, S. 131 N. 109.
12 Scholz
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
rechtliche Kollisionslösung untersteht dem Interpretationsgebot vom höchstmöglichen Durchgriff auf das grundrechtlich legitimierte Individualrechtsgut. Das Kartellrecht bewältigt demnach zwei Formen der gesetzgeberischen Freiheitsorganisation prinzipiell gemeinsam: Mißbrauchswehr und Kollisionslösung erfolgen Hand i n Hand. Denn jede Abwehr mißbräuchlicher Wettbewerbs- oder Vertragsweisen w i r k t zugleich kollisionslösend gegenüber den konkurrierenden Wirtschaftsfreiheiten. Das gleiche gilt umgekehrt, soweit die gesetzlichen Kollisionslösungen zugleich grundrechtsfeindliche Mißbrauchstatbestände bekämpfen; notwendig ist dies aber nicht, da die Kollisionslösung sich zumindest i m Kartellrecht als häufiger zuständige Freiheitsbegrenzung ausweist. Die Ziele von Mißbrauchs wehr und Kollisionslösung sind jedoch immer gleich; es geht immer darum, durch die Disziplinierung der wirtschaftlichen Freiheiten den effektiven Freiheitsraum zu sichern. c) Neben die disziplinierenden Wirkungen von freiheitsbegrenzender Mißbrauchswehr und Kollisionslösung treten die positiven Sicherungswirkungen der kartellrechtlichen Grundrechtsprägung. Die Intentionen des GWB beschränken sich nicht auf Mißbrauchswehr und Kollisionslösung als Maßnahmen zur Freiheitssicherung durch Freiheitsbegrenzung. Das GWB baut vielmehr auch auf die Freiheitssicherung durch Freiheitserweiterung. Es setzt i n diesem Sinne beim Schutz der „bloßen" Erwerbschance an und stattet diese m i t besonderen Sicherungen aus 26 . Daß das Kartellrecht sich „ n u r " m i t dem Schutz der wettbewerblichen Erwerbschance befaßt, hat der traditionellen Schutzgutlehre manches Rätsel aufgegeben. Denn da die Chance eben noch nicht zur vermögensrechtlichen Substanz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gehört 27 , vermochte man sie auch nicht als Rechtsgut normativ zu fixieren. Dies mußte so sein, weil die Chance wirklich noch kein Vermögensrecht, sondern bloß tatsächliche Aussicht oder Hoffnung ist. I n dieser Eigenschaft rechnet die Chance aber zum Bereich der Wirtschaftsfreiheit; sie ist innerhalb dieser richtunggebend, weil sie den typischen Gebrauch wirtschaftlicher Freiheit nennt: die Suche und Nutzung wirtschaftlicher Erwerbsmöglichkeiten 28 . I n dieser Eigenschaft bietet sich der Chancenschutz als geeignetes Institut für die präventive Sicherung von Wirtschaftsfreiheit und wirtschaftlichem Vermögensrecht an. Ein solcher Schutz kann freilich nicht i n der vermögensmäßigen „Verrechtlichung" der Chance bestehen. Denn eine Wettbewerbsgesetzgebung 26 27 28
Vgl. näher schon oben B I I 6 b, C I I 4. Vgl. dazu sub D I I 10 c, aa, bb. Vgl. dazu D I I 10 d, aa.
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muß begrifflich bei der „Chance" als freiheitlicher Startbedingung und nicht bei der „Chance" als bereits erreichtem, wirtschaftlich meßbarem Erfolg ansetzen. Aus diesem Grunde kann ein Kartellgesetz nicht nach dem Vorbild etwa des § 1 3 I V PBefG 29 verfahren und erreichte Chancen zum vermögensrechtlich gesicherten Besitzstand erheben. Das GWB beginnt statt dessen bei der allgemeinen, nur i m funktionierenden Wettbewerb zu nutzenden Erwerbshoffnung und sichert deren wettbewerbliche Realisationserwartung. Dies konnte wiederum, wie gleichfalls schon gezeigt 80 , nur i n der Gestalt eines „Institutionsschutzes" geschehen, der auf die Figur des normativ geschlossenen Rechtsgutes verzichtet. Nur weil die herrschende Lehre diesen Verzicht bisher übersehen hat, mußte ihr auch die Bedeutung der kartellrechtlichen Chancenpflege entgehen 81 . Inhaltlich orientiert sich die wettbewerbliche Chancenpflege an zwei prinzipiellen Richtungen, die ihrerseits wiederum zusammenhängen: Die erste Grundrichtung weist auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hin. Chancenpflege heißt i h m gegenüber Schutz der wirtschaftlichen Betätigung, soweit diese geeignet ist, sieh im permanenten Wettbewerbsprozeß zum substantiell faßbaren Vermögensund Betriebsrecht zu verdichten. Die Schutzfunktion des GWB gilt hier also dem tatsächlichen Vorfeld des Rechts am Gewerbebetrieb. Seinen Bereich schützt das Kartellrecht als Zone wirtschaftlich aktualisierter Chancenfreiheit, Chancenbildung und Chancennutzung. Diesen Tatbestand hat die bisherige Lehre nur i mvollkommen erkannt; eine Feststellung, die auch jene Meinung trifft, die das „Rechtsgut" des GWB i m persönlichen (freiheitlichen) Wirtschaftsrecht des Individuums sehen w i l l 8 2 . Denn das GWB — und Entsprechendes gilt für das UWG 8 8 — schützt kein derartiges Persönlichkeits recht, sondern die freiheitsrechtliche Chance der wirtschaftlich autonomen bzw. als solchen vorausgesetzten Persönlichkeit. Die zweite Grundrichtung der kartellrechtlichen Chancenpflege weist auf die Chancengleichheit hin 8 4 . Denn sie ist durch die wirtschaftliche 29
Z u diesem vgL D I I 10 c, dd. Vgl. B I I . Charakteristisch für die mißverständliche Sicht des GWB durch die h. L. ist die -Rechtspr. des BGH, wenn sie das subjektive Konkurrentenrecht (gegenüber dem unwidersprochen gebliebenen Rabattkartell) namentlich mit der Begründung verneint, daß der beschwerdeführende Konkurrent eben nur ein Interesse „wirtschaftlicher, nicht rechtlicher Art" bzw. keine „Verletzung eines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" dartun könne (BGHZ41, 61 [69]). Der B G H verkennt damit den entscheidenden (präventiven) Zug des GWB: den Verzicht auf eben jenes „Recht". 32 Vgl. näher hier schon oben B I I 4. 38 Zu Zusammenhang und Identität der Schutzgüter von U W G und GWB vgl. schon oben die Nachw. C I V N. 66. 84 Vgl. grundsätzlich auch Biedenkopf, Böhm-Festschrift, S. 117 ff. 80
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Machtbildung gefährdet. Das marktmäßig unterlegene Wirtschaftssubjekt kann seine freiheitlichen Chancen i m Wettbewerb nicht (mehr) m i t gleicher Ertragsaussicht oder mittels gleichwertiger Startbedingungen suchen. Aus diesem Grunde funktioniert der kartellrechtliche Wettbewerbsschutz maßgebend auch als Sicherung der wirtschaftlichen Chancengleichheit Dieser Aspekt ist bisher freilich — ebenso wie der der Chancenpflege überhaupt — allzu wenig beachtet worden. Dabei liegt i n i h m die entscheidende Grundlage für ein auch sozialstaatlich verfaßtes Kartellrecht, das den Mißverständnissen einseitig-liberaler Wettbewerbspostulate entgeht und den Wettbewerb als rechts- und sozialstaatlich geordnete Form freiheitlichen Wirtschaftsverhaltens konstituiert. Die kartellrechtliche Chancenpflege gilt demnach dem Schutz von Chancenfreiheit und Chancengleichheit, und damit wiederum einer einheitlichen Sicherung wirtschaftlicher Freiheit: nämlich dem Schutz der — von den Garantien der Wirtschaftsfreiheit mitbedingten 8 5 — „gleichen Wettbewerbsfreiheit" 36. Diese Sicherung verstärkt die realen Ausübungsmöglichkeiten der Wirtschaftsfreiheit. Sie ist also präventive Grundrechtssicherung bzw. präventiv-schützende Grundreditsprägung. d) Das System der kartellrechtlichen Freiheitssicherungen ist damit geschlossen. Es baut auf einem differenzierten Zusammenspiel von grundrechtsprägenden, mißbrauchswehrenden und kollisionslösenden Maßnahmen auf, die sämtlich dem gleichen freiheitssichernden Ziel dienen. Aus diesem Grunde ist es der einzelnen Kartellrechtsbestimmung zumeist nicht anzusehen, welche Form freiheitssichernder Gesetzgebung sie gerade verfolgt. Angesichts der übergreifenden Gemeinsamkeit i n Zielsetzung und Zielerreichung kommt es hierauf jedoch nicht an. Die einzelne Kartellrechtsnorm ist als überhaupt freiheitssichernde Gesetzgebung immer zu erkennen, wenn sie entsprechende Sicherungseffekte erzeugt. Wo ihr dies gelingt, ist sie auf die Grundrechte aus A r t . 12,14 GG (Wirtschaftsfreiheit) und Art. 3 1 GG (soziale Chancengleichheit) bezogen und empfängt aus deren Hand ihre spezifische Verfassungslegitimation. e) Neben der freiheitssichernden Kartellrechtsnorm steht die freiheitsbeschränkende Kartellrechtsnorm. Sie verfolgt den Zweck, die Wettbewerbsfreiheit aus nicht-freiheitsrechtlichen Gründen zu beschränken. Anliegen dieser A r t bilden sich regelmäßig nicht i n der gesellschaftspolitischen (wirtschaftsfreiheitlichen), sondern i n der wirtschaftspolitischen (wirtschaftsleistenden) Dimension. Das Schutzgut der Kartellaufsicht stützt sich i n diesem Sinne nicht nur auf subjektiv-freiheitliche 85 Zum inneren freiheitspolitischen Zusammenhang von „Chancenfreiheit" und „Chancengleichheit" vgl. schon D I I 10 d. 86 Vgl. zu dieser maßgebend Leisner, BB 70, 410 f.
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(freiheitsfördernde), sondern auch auf objektiv-freiheitsbeschränkende Zwecke. Oder i n den Gegensatz von subjektivem oder objektivem Recht übersetzt: Dem Schutzgut der Kartellaufsicht liegen neben subjektivauch objektiv-rechtliche Intentionen bzw. Funktionsvoraussetzungen zugrunde. A u f eine kurze Formel gebracht, sind solche objektiv-rechtlichen Beschränkungen überall dort zu erkennen, wo eine gesetzliche Vorschrift Wettbewerbsbeschränkungen ausschließlich oder doch maßgebend aus Gründen bestimmter objektiver Leistungseffekte (Wettbewerb als ökonomischer Leistungsmechanismus) zuläßt oder anstrebt. Die Wettbewerbsbeschränkung darf hier also nicht nur den Sinn haben, als kollisionslösende Freiheitsbegrenzung letztlich freiheitsstärkend zu w i r ken. Sie muß jenseits derartiger Sicherungsziele oder -effekte ansetzen und Interessen verfolgen, die außerhalb der Interessen objektiver oder subjektiver Wettbewerbsfreiheit liegen. Diese Regelungen müssen sich, um grundrechtskonform zu sein, i m Rahmen der Vorbehalte aus A r t . 1212, 1 4 I 2 G G halten. Über diese hinaus kennen sie keine (inhaltlichen) Grenzen. Denn i n ihnen w i r d weiterhin das Prinzip der „offenen Wirtschaftsverfassung" lebendig, das den Gesetzgeber zur grundsätzlich freien Wirtschaftsordnung ermächt i g t 8 7 und i n deren Zuge auch dirigistische (freiheitsbeschränkende) Maßnahmen zuläßt. Über die Grenzen der Grundrechte aus A r t . 12, 14 GG kehren aber auch diese Maßnahmen i n den Bannbereich der verfassungsrechtlichen Wirtschaftsfreiheit zurück. Denn wenn sie deren Gewährleistung verletzen, müssen sie sich den Abwehrrechten aus A r t . 12, 14 GG stellen. Bereits oben 88 wurde zwar festgestellt, daß eine kartellgesetzliche Regelung i m konkreten Fall unterschiedliche Schutzrichtungen verfolgen darf. Es hatte sich zugleich aber gezeigt, daß die betreffende Norm selbst dann, wenn sie bestimmten wirtschaftspolitischen Interessen den Vorzug gibt, den gesellschaftspolitischen Freiheitsinteressen verpflichtet bleibt 8 9 . I m Einzelfall bedarf es hier der Abwägung 4 0 ; Maßstab sind dabei die Prinzipien des Übermaßverbots f d. h. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. A u f diese Weise ordnet sich auch die kartellrechtliche Freiheitsbeschränkung i n das System der wettbewerbsrechtlichen Freiheitsordnung ein. Sie hat sich i n i h m zu rechtfertigen und n i m m t daher ebenfalls an der grundrechtlichen Legitimation des Wettbewerbsrechts teil. Übertragen auf die Ordnungsgrundsätze grundrechtlicher A n 37 38 39 40
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
vorstehend sub 2. B I I 2. vorstehend sub 2. insbes. sub B I I N. 17.
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spruchsberechtigung bedeutet dies, daß die freiheitssichernde Kartellrechtsregelung i n der Zone des subjektiven Teilhaberechts, die freiheitsbeschränkende Kartellrechtsregelung i n der Zone des subjektiven Abwehrreichts beheimatet sein muß. 4. Die letztere Feststellung öffnet bereits den Blick auf das subjektive öffentliche (Konkurrenten-)Recht. Nach den entwickelten Grundsätzen liegt dies dann vor, wenn das Individuum (Konkurrent) durch eine Norm (des Kartellrechts) i n grundrechtsbezogen-repräsentativer Weise begünstigt wird. Der Tatbestand der tatsächlichen Konkurrentenbegünstigung hatte sich schon früher als erfüllt erwiesen 41 . Die einzelne Wettbewerbsbeschränkung ist drittbezogen; sie betrifft den Konkurrenten i n seiner persönlichen Wettbewerbsteilnahme. A u f den „Wettbewerb" oder „ M a r k t " w i r k t die konkrete Wettbewerbsbeschränkung erst über oder durch die Person des konkret drittbetroffenen Wirtschaftssubjekts. Diese verkörpert also die geschützte Wettbewerbs- oder Marktstruktur 4 2 . Wehrt eine kartellrechtliche Regelung eine solche Wettbewerbsbeschränkung ab, so begünstigt sie zunächst den von der Beschränkung bedrohten Konkurrenten; erst über dessen Person begünstigt sie „Wettbewerb" und „ M a r k t " . Die aufsichtsrechtliche Genehmigung oder Duldung von Wettbewerbsbeschränkungen hat i n diesem Sinne generell-drittbelastenden Charakter. Entsprechend haben das aufsichtsrechtliche Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen oder Einschreiten gegen diese generell-drittbegünstigenden Charakter. Da diese Drittbegünstigungen stets i n der Person des einzelnen Konkurrenten erwachsen, handelt es sich u m Individualbegünstigungen i m Sinne des subjektiven öffentlichen Rechts. Dabei spielt der einzelne, spezielle Kartellrechtstatbestand vorerst keine Rolle. Denn der Effekt der tatsächlichen Individualbegünstigung ist insoweit immer der gleiche. Unerheblich bleibt der einzelne Kartellrechtstatbestand auch für die Frage nach der grundrechtlichen Legitimation der konkreten Begünstigung. Denn nach dem Prinzip des höchstmöglichen Durchgriffs auf das (verfassungslegitimierte) Individualrechtsgut erweist sich stets die subjektive Wirtschaftsfreiheit des individual-begünstigten Konkurrenten als maßgebend. Die Grundrechte aus A r t . 12, 14 GG nennen den überall gültigen Bewertungsmaßstab. Ob die einzelne Begünstigung aus der Abwehr einer kartellrechtlichen Freiheitsbeschränkung oder aus der Wirksamkeit einer kartellrechtlichen Freiheitssicherung herrührt, ist nach dem Gesagten gleichgültig. A l l e i n entscheidend ist der positive Bezug zu den grundrechtlichen Gewährleistungen aus A r t 12,14 GG. 41 42
Vgl. näher sub B I I 6, 7, C I I 4, C I I I 5, C V 3 d. Vgl. näher schon B I I 7.
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5. Der einzelne Kartellrechtstatbestand w i r d erst bei der Frage nach der repräsentativen Begünstigung erheblich. Denn deren Blickrichtung wendet sich der gesetzlichen (objektiven) Ordnungsentscheidung zu und ermittelt die konkrete, rechtssubjektivierende Relation zwischen tatsächlicher Begünstigung und grundrechtlich legitimierter Repräsentation: Das subjektive öffentliche Konkurrentenrecht entsteht nämlich nur dann, wenn die tatsächliche gewährte und grundrechtlich wirksame Begünstigung sich auch i m Rahmen des gesetzlichen Tatbestandes hält, wenn die Begünstigung also auch die Grundrechtslegitimation der gesetzlichen Kartellrechtsentücheidung auf typische Weise vertritt Diese Voraussetzungen sind nur dann erfüllt, wenn der begünstigte Konkurrent gegenüber einer Wettbewerbsbeschränkung eine Stellung einnimmt, die nicht nur sein grundrechtlich legitimiertes, privatnütziges Wettbewerbsstreben vertritt, sondern die auch das „öffentliche Interesse" an einem gesunden und funktionsfähigen Wettbewerb repräsentiert. Diesem Erfordernis genügt naturgemäß nicht jede von einer Wettbewerbsbeschränkung belastete oder begünstigte Wirtschaftsposition. Hierzu bedarf es mehr. Eine entsprechende Repräsentanz kann die W i r t schaftsposition grundsätzlich erst dort erreichen, wo ihre reale Situation der typischen Tatbestandslage entspricht. Typisch ist i n diesem Sinne diejenige Wirtschaftsposition, die die tatbestandlich angesprochenen Markt- oder Wettbewerbsverhältnisse tatsächlich verkörpert. Wie bereits oben ausgeführt wurde 4 3 , trifft dies nicht für jede wettbewerblich beschränkte Wirtschaftsposition zu. Denn die gesetzgeberische Ordnungsentscheidung baut auf der Vorstellung der typisch-funktionsgefährdenden Wettbewerbsbeschränkung auf. N u r dieser stellt sie sich i n den Weg; nur diese sucht sie durch ihre Verbotssowie Erlaubnis- und Duldungsvorbehalte zu behindern oder auszuschließen. Tatbestandstypisch kann deshalb nur dasjenige Wirtschaftssubjekt begünstigt sein, i n dessen Person eine solche typisch-funktionsgefährdende Wettbewerbsbeschränkung aktuell wird. Deren Voraussetzungen sind folglich und wiederum nur dann erfüllt, wenn sich die konkrete, einem bestimmten Konkurrenten gegenüber wirksame Wettbewerbsbeschränkung inhaltlich ganz unter den gesetzlichen Kartellrechtstatbestand subsumieren läßt. Ist dies möglich, so t r i t t der Konkurrent nicht nur als zufällig berührtes Wirtschaftssubjekt, sondern als repräsentativer Vertreter der abstrakt geschützten Marktstruktur oder wirtschaftlich interessierten „Allgemeinheit" auf. Denn die Marktstruktur verweist ebenso wie jene „Allgemeinheit" oder deren begriffsidentisches „(öffentliches, Allgemein-)Interesse" auf keine anonymen Größen. Marktstruktur wie „Allgemeinheit" sind auch und gerade i m Wettbewerbsrecht lediglich als modellhafte oder abstrahierende Kate" Vgl. B I I 7.
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gorien zu begreifen, hinter denen die Summe der wirtschaftenden Subjekte selbst steht 44 . Gelingt es einem von diesen, die übrigen oder auch nur potentiellen Wirtschaftsteilnehmer interessen- oder situationsmäßig zu vertreten, so ist dieses Wirtschaftssubjekt tatbestandstypisch betroffen. Es repräsentiert das Schutzgut der einschlägigen Kartellrechtsnorm; es ist aus ihm tatsächlich und, sofern der betreffende Tatbestand grundrechtlich legitimiert (grundrechtswirksam) ist, auch subjektiv-rechtlich begünstigt 45. Über das K r i t e r i u m der repräsentativen Individualbegünstigung gelingt also auch hier wieder die Begrenzung des subjektiven Rechts auf die gesetzliche Tatbestandsmäßigkeit bzw. deren inhaltliche Bestimmung i m System des objektiven Institutionsschutzes. Zusammenfassend ist demnach festzustellen, daß das Kartellrecht den subjektiven Konkurrentenschutz prinzipiell anerkennt und nicht, wie von der herrschenden Lehre bisher angenommen 46 , grundsätzlich verneint: Jeder Konkurrent, der von einer Wettbewerbsbeschränkung als repräsentativer und grundrechtslegitimierter Vertreter der „allgemein" geschützten Wettbewerbs- oder Marktordnung betroffen ist, kann dieser Beschränkung gegenüber prinzipiell aus eigenem Recht den Schutz der Kartellaufsicht verlangen. 6. Diese Maßstäbe mögen zunächst noch recht theoretisch klingen. Sie werden jedoch schon praktisch, wenn man sie beispielsweise zum Tatbestand des § 1 GWB i n Beziehung setzt: Das allgemeine Kartellverbot begünstigt den Konkurrenten, indem es „Verträge und Beschlüsse" für „unwirksam" erklärt, „soweit sie geeignet sind, die Erzeugung oder die Marktverhältnisse für den Verkehr m i t Waren oder gewerblichen Leistungen durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen". Eine solche Eignimg erachtet man gemeinhin für gegeben, wenn eine w i r t schaftlich „spürbare" Einwirkung auf das Verhalten der Marktbeteiligten festzustellen ist 4 7 . E i n K a r t e l l muß also einerseits auf eine reale Wettbewerbsbeschränkung hinweisen; es muß zum anderen eine Wettbewerbsbeschränkung anzeigen, die über das Minimum der bloßen 44
Vgl. entspr. Koch, Schadensersatz, S. 15. Vgl. i m Ergebnis ähnlich auch Weidinger, Rechtsschutz, S. 86 und Koch, a.a.O., S. 15ff.: Nach Weidinger sollen die Konkurrenten i m europäischen Kartellrecht aktivlegitimiert sein, wenn sie „den Markt repräsentieren"; nach Koch soll die Schutzregelung i. S. des § 35 G W B erfüllt sein, wenn das einzelne Wirtschaftssubjekt als Glied der abstrakt geschützen Allgemeinheit betroffen ist. Beider Auffassungen verzichten damit allerdings auf das hier für material entscheidend erachtete Kriterium der spezifiscki-grundrechtlichen Tatbestandslegitimation; erst diese überbrückt die trotz formaler „Repräsentanz" oder „Gliedstellung" bestehende Distanz zwischen objektivem und subjektivem Recht. 46 Vgl. hierzu m. Nachw. oben C I I I 2, 4—6. 47 Vgl. dazu m. Nachw. oben B I I 7. 45
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Bagatellfälle hinausgeht 48 . Obwohl diese Maßstäbe derzeit — nicht zuletzt wegen der bevorstehenden Kartellrechtsreform 49 — wenig gesichert erscheinen, so geben sie doch wenigstens das grundsätzliche B i l d des Kartellverbots wieder. Hiernach muß eine Wettbewerbsbeschränkung drohen, die die auf einem M a r k t vereinigten Wettbewerber typisch und nicht nur unwesentlich trifft 5 0 . Dieser Tatbestand kann sich, wie dargetan, auch i n der Person des einzelnen Wettbewerbers erfüllen. Fraglich ist nur, wann dies der Fall ist. A n dieser Stelle greift der Repräsentationsgedanke ein. Er zeigt, daß eine Wettbewerbsbeschränkung nur dann geeignet ist, die Marktverhältnisse i m Sinne des allgemeinen Kartellverbots zu beeinflussen, wenn sie den einzelnen als Repräsentanten dieses Marktes, d. h. als Träger einer für diesen Markt typischen Wettbewerbsstellung trifft. Wann ein Wettbewerber eine entsprechend markttypische Stellung einnimmt, läßt sich allerdings nicht generell oder vorab entscheiden. Maßgebend sind allein die Umstände des Einzelfalls und damit alle die wirtschaftlichen Verhältnisse, die der betreffenden Wettbewerbslage ihr konkretes Gepräge geben, wie etwa die Zahl und wirtschaftliche Stärke der beteiligten Unternehmen, die A r t der konkurrierenden Produkte, die A r t ihres Vertriebs, die Struktur und wirtschaftliche Fundierung von Unternehmen und Leistungen überhaupt. Da das allgemeine Kartellverbot als prinzipielles Konzentrationsverbot der Sicherung der Wettbewerbsfreiheit dient, steht damit jedenfalls fest, daß die Tatbestände der §§ 1 ff. GWB prinzipiell subjektive öffentliche Rechte zugunsten des jeweils betroffenen Konkurrenten zu statuieren vermögen 51 . Der markttypisch betroffene Konkurrent hat grundsätzlich das Recht, gegen die Genehmigung eines Kartells oder dessen unwidersprochene Duldung kraft subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechts vorzugehen. Das gleiche gilt grundsätzlich gegenüber dem Mißbrauch marktbeherrschender Unternehmensstellungen (§§22 ff. GWB) 5 2 sowie gegenüber sonstigen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere solchen i m Sinne der §§ 15 ff., 25 ff. GWB 5 3 . 48
VgL dazu auch noch nachfolgend 7 a. Zu ihr vgl. i m Hinblick auf den hiesigen Zusammenhang schon oben B I I N. 46, 47. 50 Vgl. oben sub B I I 6 b . 51 Vgl. im Ergebnis — zur Frage des Schutzgesetzes aus § 35 GWB — entspr. vor allem Lukes, Kartellvertrag, S. 184 ff.; Koch, Schadensersatz, S. 18 ff.; Fikentscher, BB 56, 793 (795). 62 gl. im Ergebnis ebenso Lipps, WRP69, 368 f. sowie — wiederum zur Frage des Schutzgesetzes i m Sinne des §35 GWB — Mestmäcker, DB 68, 787 ff., 835 ff. (790, 836); ders., Mißbrauch, S.20. 53 Vgl. für § 18 G W B insbes. ebenso v. Köhler, VerwArch 54, 271 ff. sowie jetzt den Referentenentwurff eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des GWB (Begründung zur Neufassimg des §18 GWB); zu §18 GWB als Schutzgesetz 49
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
M i t diesen allgemeinen Feststellungen ist freilich noch nichts Endgültiges über den Umfang und die Reichweite des konkreten Konkurrentenrechts gesagt. Denn dieses Recht ist inhaltlich nicht absolut, sondern relativ M. Zu dessen vollständiger Aufschließung bedarf es deshalb des inhaltspräzisierenden Rückgriffs auf den einzelnen Kartellrechtstatbestand. Dieser Rückgriff muß zwei Blickrichtungen verfolgen: Er muß zuerst den objektiven Tatbestand der einzelnen Kartellrechtsnorm auf dessen grundrechtliche Legitimation h i n erfahren; er muß danach dessen subsumtive Verdichtung zum „repräsentativen Einzelfall" erfahren. 7. Ist der grundsätzliche Systemgedanke des subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechts kraft repräsentativer Individualbegünstigung erkannt, so fällt die Systemdurchführung am einzelnen Kartellrechtstatbestand nicht mehr schwer. Denn sämtliche Tatbestände des GWB offenbaren, mindestens bei näherem Zusehen, ihre typischen Sicherungeffekte und damit auch die inhaltlichen Voraussetzungen der repräsentativen Konkurrentenstellung. a) Für das allgemeine Kartellverbot des § 1 GWB wurde bereits vorstehend 55 auf das K r i t e r i u m der „spürbaren" und typischen Wettbewerbsbeschränkung bzw. dessen Grenze i m Bagatellfall hingewiesen; es wurde weiterhin bereits gezeigt, daß der einzelne Konkurrent diese Beschränkungskonstellation i n seiner wirtschaftlichen Position repräsentativ verkörpern kann. Die Einschaltung des konkret betroffenen D r i t t e n anderes, als daß die Relevanz der zu beurteilenden beschränkung nicht nur anhand allgemeiner Quantitätstätsmaßstäbe, sondern auch anhand konkret-personenmensbezogener Vergleichsmaßstäbe zu ermitteln ist.
bedeutet nichts Wettbewerbsbeund/oder Qualioder unterneh-
Diese Forderung stößt schon dort auf fruchtbaren Boden, wo der aktuell beschränkte Wettbewerb ohnehin nur zwischen wenigen, positionell von vornherein auszumachenden Wirtschaftssubjekten besteht (bestand). Wenn die Fühlbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung hier an deren Wirkungen für eines dieser Wirtschaftssubjekte gemessen wird, so ist dies bisher kaum auf Bedenken gestoßen. Der Grund dafür liegt aber allein darin, daß jenes Wirtschaftssubjekt oder Unternehmen eben eine repräsentative Stellung innerhalb des zu aktualisierenden Schutzguts aus § 1 GWB besaß. Schwieriger w i r d die Situation erst dort, wo der wettbewerblich beschränkte Markt über keine vergleichbare Transi. S. des §35 G W B vgl. namentlich Biedenkopf, Wettbewerbsbeschränkung, S. 217 ff. 64 gl. allgemein sub D I I I 7 . 55 Vgl. sub 6.
IV. Der subjektive Konkurrentenschutz i m Kartellrecht
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parenz verfügt, die Kartellbehörde also keinen von vornherein als repräsentativ zu erkennenden Marktvertreter zu präsentieren vermag. Hier würden die Zweifel der herrschenden Argumentation an der subjektiv-rechtlichen Aktivlegitimation eines „beliebigen" Wirtschaftssubjekts laut werden. Rechtlich besteht hier jedoch kein Unterschied zum vorgenannten Fall. Verschieden ist lediglich die tatsächliche Lage bzw. die tatsächliche Erkennbarkeit des „repräsentativen Marktvertreters". Gelänge es diesem aber, sich — kraft seines subjektiv-rechtlich durchsetzbaren Konkurrentenrechts — „selbst zu präsentieren", so erwiese sich jener tatsächliche Unterschied als rechtlich irrelevant. Ein gewichtigerer Einwand gegen eine solche „Selbstpräsentation" der Kartellkönnte sich erst aus dem Bedürfnis ergeben, die Effektivität aufsicht zu wahren und deshalb querulatorische oder sonst abseitige „Selbstpräsentationen" auszuschalten. Ein solcher Einwand wäre sicher berechtigt 56 . Andererseits trüge i h m das K r i t e r i u m der repräsentativen Individualbegünstigung ausdrücklich Rechnung. Denn querulatorische oder sonstig tatbestandsfremde „Selbstpräsentationen" scheidet der Repräsentationsgedanke von vornherein aus. Seine rechtssubjektivierende K r a f t beschränkt sich auf die „Vertretung" des objektiven Kartellrechtstatbestandes; sie nimmt also alle anderen — effektivitätsfeindlichen — Fälle aus. K r a f t Repräsentanz ist danach nur diejenige Wettbewerbsposition geschützt, die keinen — tatbestandsfremden — Bagatellfall verkörpert. Der kartellrechtliche Bagatellbegriff ist zwar — gerade i m Hinblick auf seine Einfügung i n das GWB 5 7 — außerordentlich umstritten 5 8 . Fest steht aber jedenfalls, daß i n i h m alle die Fälle aufzufangen sind, die noch keine quantitativ und/oder qualitativ wesentliche oder „spürbare" Wettbewerbsbeschränkung enthalten 59 . Dieser Tatbestand entspricht nicht nur dem des Repräsentationsgedankens; letzterer kann auch zur begrifflichen Aufhellung des ersteren beitragen. Denn das Moment der repräsentativen Betroffenheit eines einzelnen Konkurrenten erlaubt den Rückschluß auf die „Wesentlichkeit" der angegriffenen Wettbewerbsbeschränkung. I n diese Richtung weisen auch die Überlegungen, die jüngst E. Steindorff zum Bagatellkartell — vom Boden der (begrenzten) Folgetheorie her 6 0 — angestellt hat 6 1 . Steindorff w i l l hiernach die Frage der „Wesentlichkeit" eines Kartellvertrages danach beantworten, „ob 66
Vgl. dazu auch Steindorff, A W D 63, 356, 359. Vgl. dazu bereits sub B I I N. 46. VgL die Nachw. oben sub B I I N. 46. 59 Vgl. mit unterschiedlicher Orientierung i m einzelnen Sandrock, Grundbegriffe, S. 270 ff.; ders., WuW69, 205 (206ff.); Hoppmann, DB 70, 93 (97 ff.); Steindorff, BB 70, 824 (826 ff.). 60 Zu dieser vgl. schon sub B I I 6 b m. N. 45, 46. 61 Vgl. BB 70, 826 ff. 57 58
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
Wettbewerber in ihrer Freiheit beschränkt werden, u m bejahendenfalls die Wesentlichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung zu bejahen und um dort, wo lediglich wettbewerbsbeschränkende Folgen festgestellt werden, diese Wesentlichkeit zu verneinen" 62 » 63 . Dieses K r i t e r i u m verspricht nicht nur eine höhere Fruchtbarkeit der (begrenzten) Folgetheorie bzw. der dieser entsprechenden Theorie von der typischen Wettbewerbsbeschränkung**; dieses K r i t e r i u m entspricht überdies ganz dem Repräsentationsgedanken. Denn ein Konkurrent ist nur dann repräsentativ von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffen und damit aktivlegitimiert, wenn die betreffende Wettbewerbsbeschränkung ihn i n seiner typischgeschützten Wirtschaftsfreiheit und nicht nur i n untypischen Betätigungsfeldern trifft. I n deren Bereich fehlt es — wie an anderer Stelle wiederum schon Steindorff dargetan hat 6 5 — an einer kartellrechtlich relevanten Beeinträchtigung des Konkurrenten. Der Grund dafür liegt allein i m Repräsentationsgedanken. Denn erst er bindet das subjektive Konkurrentenrecht inhaltlich an den objektiven Schutztatbestand des § 1 GWB, d. h. an die „Wesentlichkeit" der angegriffenen Wettbewerbsbeschränkung; der i m Wege der Konkurrentenklage vorgehende Konkurrent muß diese „Wesentlichkeit" i n seiner Person (repräsentativ) verkörpern. Der Repräsentationsgedanke erweist sich demnach schon innerhalb des allgemeinen Kartellverbots als nicht nur verfassungsrechtlich gebotenes, sondern auch als kartellrechtskonformes und praktikables Institut. b) Diese Feststellung vertieft sich i n denjenigen Tatbeständen, die ausdrücklich auf die Position des Konkurrenten Bezug nehmen. Denn das GWB beruft den von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffenen Dritten hier schon selbst zum repräsentativen Maßstab für die tatbestandliche Relevanz der einzelnen aktuellen Wettbewerbsbeschränkung. Bezugnahmen dieser A r t kennt das GWB i n den Tatbeständen des Konditionenkartells (§ 2 II), des Rabattkartells (§ 3 I, I I 1, I I I 2 Nr. 1 u. 3), des Ausfuhrkartells (§ 6 I I 3), des Einfuhrkartells (§71, I I i. V. m. § 6 I I 3) sowie des Sonderkartells (§ 8 I I I i. V. m. § 6 I I 3). A m deutlichsten ist die Regelung des § 3 I, I I I Nr. 3 GWB. Sie bindet die Zulassung von Rabattkartellen an die materiell-refchtliche Forderung, daß jene „nicht zu einer ungerechtfertigt unterschiedlichen Behandlung von Wirtschaftsstufen oder von Abnehmern der gleichen W i r t 62
BB 70, 827. Hervorhebungen vom Verf. 64 Zu dieser vgl. oben B I I 7. — Daß diese mit der (begrenzten) Folgetheorie übereinstimmt, zeigt sich an Steindorffs eigenen Darlegungen (vgl. a.a.O., S. 828 sowie die weiteren, schon oben B I I N. 65 angegebenen Nachw.). 65 Vgl. A W D 63, 359. 63
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schaftsstufe führen, . . . " (§31). Verfahrensrechtlich ergänzt diese Forderung die Bestimmung des § 3 I I I Nr. 3, derzufolge die Kartellbehörde dem Rabattkartell widersprechen muß, „wenn Marktbeteiligte . . . nachweisen, daß s i e . . . ungerechtfertigt unterschiedlich behandelt werden". M i t dieser Regelung greift § 3 GWB unmittelbar auf den Repräsentationsgedanken zurück. Denn der einzelne Konkurrent empfängt jetzt von Gesetzes wegen das Recht, den Widerspruch der Kartellaufsicht m i t der Maßgabe verlangen zu können, daß die tatbestandlichen Zulassungsvoraussetzungen in seiner Person ausgeschlossen sind. Das bedeutet nichts anderes, als daß der vom einzelnen Konkurrenten geführte Nachweis auch materiell-rechtliche Bedeutung hat. Er gilt als repräsentativ für die „ungerechtfertigt unterschiedliche Behandlung" der ganzen Wirtschaftsstufe oder des ganzen Abnehmerkreises, dem der betreffende Konkurrent angehört. Dies bedeutet weiterhin, daß dem repräsentativ betroffenen Konkurrenten auch ein subjektives öffentliches Recht auf den Widerspruch der Aufsichtsbehörde zustehen muß. Die i n die entgegengesetzte Richtung tendierende Rechtsprechung des BGH 6 6 ist nicht zu halten. Ähnlich gelagert sind die übrigen Tatbestände. Auch sie gründen sich durchgehend auf eine (zunächst) verfahrensmäßige Beteiligung des Konkurrenten. Ihren wirklichen, materiell-rechtlichen Sinn schöpft diese Beteiligung aber erst aus dem Repräsentationsgedanken. Er zeigt, daß die Beteiligung nicht bloß, wie bisher zumeist angenommen 67 , verfahrensrechtlich — objektive Verwaltungshilfe ist. Sie bildet vielmehr die verfahrensmäßige Grundlage der Ermittlung und Geltendmachung von repräsentativen Konkurrentenstellungen. Hinter dieser verfahrensmäßigen Ordnung steht notwendig die materiell-rechtliche Voraussetzung: die Anerkennung des subjektiven Konkurrentenrechts kraft repräsentativer Individualbegünstigung. Die genannten Beteiligungsrechte sind zwar nirgends so strikt wie i n § 3 I I I Nr. 3 GWB gefaßt. Der Grund hierfür liegt aber nicht i m Verhältnis von (entgegengesetzter) Regel und regelbestätigender Ausnahme. Der Grund dafür liegt vielmehr i n der unterschiedlichen Schutzfunktion der betreffenden Tatbestände. Während die Regelung des § 3 GWB nämlich ganz auf die gesellschaftspolitische Funktion der Sicherung von konkurrierender Freiheit und Chancengleichheit ausgerichtet ist, folgen die Tatbestände der §§ 2, 6, 7 und 8 GWB keiner vergleichbar geschlossenen Schutzfunktion. Sie stehen statt dessen auch i m Zeichen der wirtschaftspolitischen Schutzfunktion des Kartellrechts. A m deutlichsten zeigt sich dies am Ausfuhr-, Einfuhr und Sonderkartell (§§ 6—8). Bei ihrer Zulassung spielt ein gewichtiges wirtschaftspolitisches Inter66 67
Vgl. zu dieser m. Nachw. schon C H I 4 , 5. Vgl. näher m. Nachw. sub C I V 2 b.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
esse mit. Vor allem die Generalklausel des § 8 GWB gibt dem Bundeswirtschaftsminister fast unbeschränkte Möglichkeiten zur Genehmigung von Wettbewerbsbeschränkungen aus Gründen von „GesamtWirtschaft" und „Gemeinwohl" 6 8 . Kompetentiell äußern sich diese wirtschaftspolitischen Schutzfunktionen regelmäßig i n einem beträchtlichen Entscheidungsspielraum der Aufsichtsinstanzen nach Maßgabe des Opportunitätsprinzips 69 . Das Opportunitätsprinzip schließt seinerseits das zwingende Konkurrentenrecht aus. Es erkennt zunächst nur ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch an (vgl. § 70 I V 1 GWB) 7 0 . Unberührt vom Opportunitätsprinzip bleiben allerdings die grundrechtlichen Abwehrrechte des Konkurrenten. Das wirtschaftspolitische Aufsichtsinteresse darf sich deshalb, wie schon dargelegt 71 , niemals ganz über das individúale Freiheitsinteresse hinwegsetzen. Die Grundrechte aus A r t . 12, 14 GG setzen der Kartellaufsicht hier unübersteigbare Grenzen. Diese aktualisieren sich aber erst i m Fall des Grundrechtseingriffs 72 . A u f die (ermessensmäßige) Versagung der präventiven Freiheitssicherung reagieren sie grundsätzlich nicht 78 . Eben dieser Rechtslage w i l l § 8 I I GWB genügen. Denn wenn es i n seiner Bestimmung heißt, daß Sonderkartelle nur i n Ausnahmefällen „den Bestand des überwiegenden Teils der Unternehmen eines W i r t schaftszweiges" unmittelbar gefährden dürfen, so bedeutet dies nichts anderes, als daß eine Kartellerlaubnis jedenfalls nicht zum Ruin von Konkurrenten führen soll. Denn der Ruin griffe i n den Kern der W i r t schaftsfreiheit ein; er würde namentlich i n die Substanz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes eingreifen. § 8 I I GWB verlangt allerdings die Gefährdung des „überwiegenden Teils der Unternehmen" eines ganzen „Wirtschaftszweiges". Diese Regelung bedarf jedoch der verfassungskonformen Auslegung. Denn ein Grundrechtseingriff hängt nicht davon ab, ob mehrere i n gleicher Weise betroffen sind. Der Grundrechtseingriff w i r k t persönlich und ruft deshalb das individuelle Abwehrrecht auf den Plan. Daraus folgt, daß die Vorschrift des § 8 I I GWB — sie kann unter Umständen sogar enteignende W i r kungen haben! — einschränkend ausgelegt werden muß. Den Weg zu solcher Auslegung weist wiederum der Repräsentationsgedanke. Er ergibt zunächst, daß der Schutz des § 8 I I GWB vom einzelnen Unternehmen immerhin dann i n Anspruch genommen werden kann, wenn es jenen „überwiegenden Teil der Unternehmen eines Wirtschaftszweiges" 6R
Vgl. hierzu zuletzt bes. Biedenkopf, BB 66, 1113 (1118). I n diesem Sinne sind die Erlaubnistatbestände der §§7, 8 ausdrücklich als „Kann"-Bestimmungen gefaßt. 70 Vgl. näher oben C I I I 8 a, C V 5 b. 71 Vgl. sub 3 e. 72 Vgl. allgemein D I I 9 c. 73 Vgl. allgemein D I I 9 c. 09
I V . Der subjektive Konkurrentenschutz i m Kartellrecht
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repräsentiert, also branchenmäßig typisches Unternehmen ist. Verbindet man diesen Gedanken m i t dem grundrechtlichen Abwehrrecht, so zeigt sich, daß jedes repräsentative Unternehmen schutzberechtigt ist. Die Mehrheitsklausel des § 8 I I GWB besagt bei verfassungskonformer Lesart nur, daß es nicht auf die reale Gefährdung der Unternehmensmehrheit, sondern allein auf die Gefährdung des für diese Unternehmensmehrheit typischen Einzelunternehmens ankommt. Die Mehrheitsklausel behält bei einer solchen Auslegung durchaus ihren ordnungspolitischen Sinn. Denn über das Erfordernis der repräsentativen Unternehmensgefährdung bliebe der Blick auf den „eigentlich" zu schützenden W i r t schaftszweig gewahrt. Es könnte nicht jedes, nur irgendwie betroffene Unternehmen Schutz begehren; dies kann nur das gerade für die Unternehmensmehrheit des betroffenen Wirtschaftszweiges typische Unternehmen. Rechtlich hätte ein solches Schutzbegehren nicht den Eingriff i n die Wettbewerbsfreiheit, sondern den Eingriff i n die Wettbewerbsfähigkeit zu rügen. Denn m i t der Gefährdimg des Unternehmensbestandes ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen (Art. 14 GG). Es geht hier also nicht mehr u m die bloß chancenmäßig orientierte Wettbewerbsfreiheit, sondern u m den vermögensrechtlichen Bestand des wettbewerbsfähigen Unternehmens 74 . Die Wettbewerbsfähigkeit erscheint i n diesem Sinne als verdichtete Schutzposition, deren Abwehranspruch i m Gegensatz zur Wettbewerbsfreiheit absolute Grundrechtsverbindlichkeit hat 7 5 . Denn die Vernichtung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens trifft dieses i n seinem vermögensrechtlichsubstantiellen Bestand; die Vernichtung der Wettbewerbsfähigkeit kann also die Wirkungen der enteignenden Maßnahme haben. c) Für die übrigen Kartellrechtstatbestände, die keine Beteiligung des Konkurrenten vorsehen, gilt ungeachtet der fehlenden Beteiligungsrechte nichts anderes. Das Strukturkrisenkartell (§ 4 GWB) ist den gleichen Maßstäben wie das Sonderkartell zu unterstellen, obwohl § 4 GWB keine Bestimmung nach A r t des § 8 I I GWB enthält. Das Rationalisierungskartell muß nach § 5 I I 2, I I I 2 GWB „ i n einem angemessenen Verhältnis zu der damit verbundenen Wettbewerbsbeschränkung stehen". I n dieser Grenzklausel sieht sich das Prinzip des kollisionslösend-„schonendsten Ausgleichs nach beiden Seiten h i n " 7 6 direkt angesprochen 77. Als Betroffener der Kollisionslösung ist der re74 Vgl. auch bereits Scholz, NJW69, 1045; zur prinzipiellen Grundrechtswirksamkeit der Wettbewerbsfähigkeit vgl. weiterhin BVerfGE 18, 1 (12). 75 Zum Verständnis von Wettbewerbsfähigkeit, Wettbewerbsfreiheit (und Chancengleichheit) vgl. Scholz, N J W 69, 1045. 76 Lerche, Übermaß, S. 153. 77 Vgl. bereits sub B I I N. 17 sowie allgemein D I I 9 b.
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
präsentative Konkurrent aktivlegitimiert. Dessen Repräsentanz bemißt sich wiederum wesentlich nach dem Bagatellgrundsatz, wie ihn § 5 b des Referentenentwurfs zu einem Zweiten Gesetz zur Änderung des GWB vom 20. 3. 70 ausdrücklich formuliert. Für das Spezialisierungskartell gilt schließlich nach § 5a 11 GWB die gleiche Rechtslage. Denn nach dieser Bestimmung müssen Spezialisierungsmaßnahmen „einen wesentlichen Wettbewerb auf dem M a r k t bestehen lassen". d) A n das Recht der Kartelle schließt sich das Recht der marktbeherrschenden Unternehmen "an (§§ 22 ff. GWB). Sein Ziel ist die Verhinderung der mißbräuchlichen Ausnutzung marktbeherrschender Unternehmensstellungen. Diese definiert § 2 2 1 GWB als Positionen „ohne Wettbewerber" oder ohne „wesentlichen Wettbewerb". Diese tatbestandliche Abgrenzung ist, wie schon oben erwähnt 7 8 , bisher kaum effektiv geworden. Die Ursachen dafür sind hier allerdings nicht des näheren zu untersuchen. Andererseits liegt doch ein recht entscheidender Grund auf der Hand: die mangelnde Erschließung der realen Drittbetroffenheit Obwohl diese für den Tatbestand der Marktbeherrschung evident ist 7 9 , versucht man das marktbeherrschende Unternehmen noch zumeist „objektivierend" aus seiner wirtschaftstheoretischen Struktur zu erfahren. Als grundlegend haben sich hier die Untersuchungen O. Sandrocks 80 erwiesen, denen zufolge das marktbeherrschende Unternehmen i n der Alternative „ohne Wettbewerber" als monopolistisches 81 und i n der Alternative „ohne wesentlichen Wettbewerb" als oligopolistisches Marktverhältnis 8 2 zu begreifen ist. Diese Abgrenzungen führen juristisch indessen nur wenig weiter. Denn der Monopolbegriff gibt über die aktuellen Rechtsbeziehungen zwischen Monopolträger u n d Monopolbetroffenen kaum Aufschluß. Diesen vermittelt erst die Betrachtung der typisch-drittbezogenen Wirkungen des Monopols (Oligopols) 88 . Diese lassen sich wiederum nur aus der Person des monopolbetroffenen Konkurrenten und nicht schon aus dem Monopoltatbestand selbst erfahren 84 . Von dieser Einsicht geht jetzt auch der — i m übrigen nicht unkritisch zu sehende 85 — Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes 78
Vgl. sub B I I 6 c. Vgl. näher sub B I I 6 c. 80 Vgl. Grundbegriffe, S. 362 ff. 81 Vgl. zusammenfassend a.a.O., S. 377. 62 Vgl. a.a.O., S. 378 ff. 83 Vgl. in allgemeinerer Fragestellung zum Verwaltungsmonopol auch schon Scholz, Einrichtungen, S. 239 f. 84 Vgl. in dieser Richtung maßgebend Mestmäcker, Mißbrauch, S. 10 ff.; vgl. auch BKartA, DB 68, 79. 85 Vgl. hierzu die Nachw. oben B I I N. 54. 79
IV. Der subjektive Konkurrentenschutz im Kartellrecht
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zur Änderung des GWB aus. Denn der i h m zufolge neu einzufügende § 2212 GWB präzisiert den Begriff der Marktbeherrschung dahin, daß die konkrete Marktbeherrschung sich danach beurteilt, ob der Monopolist (Oligopolist) auf andere „Wettbewerber wesentlich Rücksicht" nehmen muß 88 . Diese Formel ist wörtlich genommen freilich viel zu weit gefaßt 87 . Andererseits setzt sie aber an der richtigen Stelle an, indem sie den maßgebenden Bewertungsmaßstab i n der Person des Konkurrenten sucht 88 . Versteht man diesen als den repräsentativen Vertreter des beherrschten Marktes, so hat man das richtige und praktikable Abgrenzungskriterium gefunden: Das marktbeherrschende Unternehmen bestimmt sich aus der Möglichkeit, den markttypischen Konkurrenten in seiner wirtschaftlichen Erwerbsfreiheit zu beeinträchtigen. Für das subjektive Konkurrentenrecht folgt hieraus wiederum, daß seine Geltung zugunsten des markttypisch betroffenen Konkurrenten vorbehaltlos anzuerkennen ist. Wenn dieser durch eine mißbräuchliche Verhaltensweise i m Sinne des § 22 I I I GWB verletzt wird, hat er das Recht, von der Kartellaufsicht ein Einschreiten zu seinen Gunsten fordern zu dürfen. e) Die gleichen Maßstäbe wie für das Kartellrecht i m engeren Sinne und das Recht der marktbeherrschenden Unternehmen gelten für die sonstigen Wettbewerbsbeschränkungen i m Sinne der §§ 15 ff., 25 ff. GWB. Sie zeichnen sich ohnehin durch die besondere Betonung der D r i t t bezogenheit wettbewerblicher Beschränkungen aus (vgl. besonders §§ 15,18, 20, 25—27 GWB); ihre drittschützenden Wirkungen sind augenfällig. Aus diesem Grunde ist das subjektive öffentliche Konkurrentenrecht auch hier als durchgehend gültige Kategorie anzuerkennen. I m Gegensatz zum Kartellrecht i m engeren Sinne und zum Recht der marktbeherrschenden Unternehmen verzichten die Tatbestände der §§ 15 ff., 25 ff. BGB des öfteren sogar auf das Erfordernis einer marktoder wettbewerbstypischen Position des Konkurrenten (vgl. besonders §§ 15, 26, 27 GWB). Das bedeutet, daß der hier betroffene Konkurrent immer aktivlegitimiert („immer-repräsentativ") ist. A u f das K r i t e r i u m der Repräsentation greift dagegen etwa die Regelung des § 18 GWB zurück, indem sie die von ihr bekämpften individual-vertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen maßgebend aus der Perspektive der „wesentlichen" Beeinträchtigung des marktmäßigen Wettbewerbs beurteilt. 8. Zusammenfassend ist nach alledem festzustellen, daß das GWB ein subjektives öffentliches Konkurrentenrecht grundsätzlich anerkennt. 86
Vgl. im Wortlaut schon oben B I I N. 54. Vgl. näher Knöpfle, BB 70, 717 ff. Vgl. zum vorangegangenen Reformvorschlag der Bundesregierung auch Sandrock, W u W 69, 221. 87
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1 Scholz
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
Dessen Voraussetzungen liegen i m grundrechtlichen Schutz der subjektiven Wirtschaftsfreiheit (Art. 12, 14 GG). Der objektive Institutionsschutz des Kartellrechts schützt die Wirtschaftsfreiheit zwar nicht unmittelbar als subjektives Individualrecht. Er setzt die allgemeine Gewährleistung der subjektiven Wirtschaftsfreiheit vielmehr voraus und beschränkt sich auf die bestehensmäßige Sicherung des Wettbewerbs als Funktion real ausgeübter Wirtschaftsfreiheit. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Legitimation der subjektiven Wirtschaftsfreiheit muß sich der objektive Institutionsschutz des GWB aber auch dem subjektiven Teilhaberecht des einzelnen Wirtschaftssubjekts öffnen. Dies geschieht über das anspruchsverdichtende K r i t e r i u m der repräsentativen Individualbegünstigung. I h m zufolge kann der von einer Wettbewerbsbeschränkung tatsächlich betroffene Konkurrent deren Abwehr durch die Kartellaufsicht verlangen, sofern er als grundrechtlich legitimierter Träger der subjektiven Wirtschaftsfreiheit auch dem objektiven Ordnungstatbestand des GWB als Repräsentant der typisch-geschützten Markt- oder Wettbewerbslage untersteht. V. Anwendung und Folgerungen für das Rechtsschutzsystem des GWB 1. Nachdem sich das subjektive öffentliche Konkurrentenrecht als verfassungsrechtlich gesicherter Bestandteil des Kartellrechts erwiesen hat, kann die Frage nach der Lösung der obigen 1 Musterfälle neu gestellt werden. A n ihnen sind nunmehr Effektivität und Praktikabilität der gefundenen Abgrenzungen zu erproben. a) I m Falle (1) wäre dem Charter- und Taxiflugunternehmen ein subjektives öffentliches Konkurrentenrecht einzuräumen. Sollte der von diesem Unternehmen geltend gemachte Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch das Flughafenunternehmen nämlich tatsächlich zutreffen, so muß ein Anspruch auf Einschreiten der Kartellaufsicht gegeben sein. Denn das Charter- und Taxiflugunternehmen ist repräsentativ für diejenigen Unternehmen, die auf die Leistungen des Flughafens als marktbeherrschendem Unternehmen angewiesen sind. Das mißbräuchliche Verhalten der i n Frage stehenden A r t träfe das Flugunternehmen als typischen Vertreter des geschützten Abnehmerkreises. Ein kartellrechtliches Einschreiten gemäß § 22 I I I , I V GWB begünstigte das Flugunternehmen daher nicht nur als zufälligen, untypischen Marktteilnehmer, sondern als Repräsentanten der typisch-geschützten Marktund Wettbewerbslage. Das Flugunternehmen ist deshalb aktivlegitimiert. Sein Schutzbegehren w i r d von einem subjektiven öffentlichen Konkurrentenrecht uneingeschränkt getragen. 1
Vgl. sub C I I 4 e.
V. Anwendung und Folgerungen für das Rechtsschutzsystem des GWB
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b) I m Falle (2) hat das gleiche zu gelten. Das Charterflugunternehmen ist wiederum als typischer Vertreter des wettbewerbsmäßig beschränkten Marktes betroffen. Denn die wirtschaftliche Existenz und Erwerbschance von Charterflugunternehmen hängt heute i n entscheidendem Maße vom Gesellschaftsreiseverkehr ab. Das von den Veranstaltern der Gesellschaftsreisen gebildete K a r t e l l betrifft das Charterflugunternehmen deshalb als Repräsentant des kartellrechtlich zu sichernden Marktes Die drittbegünstigenden Wirkungen des Kartellverbots konzentrieren sich folglich i n der Person des Charterflugunternehmers zum subjektiven öffentlichen Recht. E i n solches Recht wäre dagegen etwa für ein Flugverkehrsunternehtätig ist und men zu verneinen, das prinzipiell nur i m Linienverkehr bloß jeweils freie Flugzeuge den Veranstaltern der Gesellschaftsreisen zur Verfügung stellt. Deren K a r t e l l könnte zwar auch diesem Flugunternehmen wirtschaftliche Nachteile bereiten. Ungeachtet dessen wäre dieser Tatbestand jedoch nicht typisch für den tatsächlich wettbewerbsbeschränkten M a r k t des Charterflugverkehrs . Das Linienflugunternehmen könnte diesen M a r k t nicht repräsentieren. Es wäre zwar real, aber nicht typisch betroffen. I h m kann daher kein subjektives öffentliches Konkurrentenrecht zur Seite stehen. Dies würde grundsätzlich auch dann gelten, wenn das fragliche K a r t e l l objektiv-kartellrechtswidrig wäre. Denn diese objektive Kartellrechts Widrigkeit vermöchte sich i n der Person des Linienflugunternehmers doch mangels repräsentativer Betroffenheit (Individualbegünstigung) nicht zum subjektiven Recht zu verdichten. c) Der Fall (3) entspricht dem Fall (2). Auch hier ist das Charterflugunternehmen als Repräsentantin der typisch-geschützten Wettbewerbslage betroffen und daher subjektiv berechtigt, das Einschreiten der Kartellaufsicht gegenüber dem Charterflugkartell zu verlangen. Nicht aktivlegitimiert wäre dagegen das Linienflugunternehmen, das nur am Rande am Charterflugverkehr teilnimmt. Denn dieses Unternehmen wäre wiederum nicht repräsentativ betroffen und daher nicht berechtigt, eine eventuelle objektive Kartellrechtswidrigkeit aus eigenem Recht geltend zu machen. Anders wäre die Situation nur i m Falle des Diskriminierungskartells zu beurteilen, sofern dieses gerade gegen das betreffende Linienflugunternehmen gerichtet wäre. I n diesem Falle wäre das Linienflugunternehmen Repräsentantin für die typischen Schutzwirkungen des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots. d) Der Fall (4) ist ebenfalls i m Sinne des subjektiven Konkurrentenrechts kraft repräsentativer Individualbegünstigung zu entscheiden. Das Charterflugunternehmen wäre hier repräsentativ für die nach § 18 GWB geschützten Wirtschaftssubjekte betroffen. Es wäre daher subjekt i v berechtigt, den Schutz der Kartellaufsicht zu begehren. iz*
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
2. Das subjektive öffentliche Konkurrentenrecht kommt demnach i n sämtlichen Musterfällen zum Zuge. Die jeweiligen Konkurrenten sind prinzipiell zur Erhebung der öffentlich-rechtlichen (kartellrechtlichen) Konkurrentenklage befugt. Ob diese Klage i n sämtlichen Fällen auch begründet wäre, ist dagegen offen. Denn m i t der Feststellung der repräsentativen Individualbegünstigung ist deren materielle Durchsetzbarkeit noch nicht sicher. Diese hängt vielmehr vom Umfang der objektiven Ordnungsentscheidung des jeweils einschlägigen Kartellrechtstatbestandes ab. Dieser kann einmal i n gesellschaftspolitischer Schutzwirkung mehr die Sicherung der Wirtschaftsfreiheit, er kann zum anderen i n w i r t schaftspolitischer Schutzwirkung mehr die Sicherung ökonomischer Leistungseffekte und damit die Beschränkung wirtschaftlicher Freiheiten verfolgen. Diese Unterschiede sind für den inhaltlichen Umfang des durchsetzbaren Konkurrentenrechts maßgebend. Bei den hiesigen Beispielen werden freiheitsbeschränkende Leistungsgesichtspunkte vor allem i n den Fällen (2) und (3) für die Zulassung des Rationalisierungskartells m i t maßgebend sein (vgl. § 5 I I 1 GWB). I m Einzelfall bedarf es hier der Abwägung zwischen der Freiheitsbeschränkung gegenüber dem markttypischen Konkurrenten und dem Rationalisierungserfolg zugunsten der Kartellparteien (§ 5 I I 2 GWB). Diese Abwägung entscheidet über die Begründetheit der gegen die Zulassung des Rationalisierungskartells gerichteten Konkurrentenklage; sie entscheidet damit auch über den materiellen Umfang des geltend gemachten Konkurrentenrechts. Ein anderer Fall, i n dem die freiheitsbeschränkende Sicherung ökonomischer Leistungsmomente zur Unbegründetheit der Konkurrentenklage führen kann, findet sich i m Tatbestand des § 8 GWB. Wenn der Bundeswirtschaftsminister etwa ein Sonderkartell von Flugverkehrsunternehmen zuließe, u m der nationalen Luftfahrtindustrie aus gesamtwirtschaftlichen Gründen eine leistungsfähige Basis zu geben, so kann das subjektive Konkurrentenrecht eines drittbetroffenen Unternehmens ausfallen. Immerhin dürfte dies aber nicht absolut geschehen. Denn die Zulassung des Sonderkartells darf die freiheitssichernden Schranken des § 8 I I GWB nicht überschreiten (Bestandsgefährdung für den überwiegenden Unternehmensteil des betroffenen Wirtschaftszweiges) 2 . Das Beispiel des § 8 GWB demonstriert zugleich die inhaltliche Begrenzung des subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechts durch das Opportunitätsprinzip. Die Zulassung des Sonderkartells ist Ermessensentscheidung (§81); das subjektive öffentliche Konkurrentenrecht kann 2
Vgl. hierzu bereits sub D I V 7 b .
V. Anwendung und Folgerungen für das Rechtsschutzsystem des GWB
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deshalb prinzipiell nur m i t dem Inhalt des Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch wirksam werden. Maßgebend rechtsbegrenzende Wirkungen äußert schließlich der Entwicklungsspielraum i m Sinne des § 70 I V 2 GWB. Seine, i m Falle des Sonderkartells durchaus naheliegende Inanspruchnahme durch die Kartellaufsicht kann die materielle Begründetheit der kartellrechtlichen Konkurrentenklage wesentlich behindern. Z u m Ausgleich t r i t t hier allerdings der kompensatorische Berichtigungs- oder Restitutionsanspruch auf den Plan. I m Gegensatz zur inhaltlichen Begrenzung des subjektiven öffentlichen Konkurrentenrechts durch freiheitsbeschränkende Kartellrechtstatbestände oder kartellrechtliche Ermessentatbestände etc. steht vor allem das subjektive Konkurrentenrecht aus § 3 I I I Nr. 3 GWB. Die Klage des Konkurrenten gegen die Zulassung des Rabattkartells muß nämlich uneingeschränkten Erfolg haben, sofern es dem Konkurrenten — i m Falle (2) also dem Charterflugunternehmen — gelingt, seine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung durch das (Gesellschaftsreisen-) Rabattkartell darzutun. Denn nach § 3 I I I Nr. 3 GWB ist die K a r t e l l aufsicht hier zum Einschreiten verpflichtet. Die Regelung des § 3 I I I Nr. 3 GWB hat i n diesem Sinne strikt freiheitssichernden Charakter. I h r Schutz gilt ganz der individualen Begünstigung des Konkurrenten i n dessen gleicher Wettbewerbsfreiheit. 3. Verfahrensrechtlich ist das subjektive öffentliche Konkurrentenrecht insbesondere i m Wege von Anfeehtungs - und Verpflichtungsbeschwerde zu verfolgen. Beide Klagen sind — nach Maßgabe von Rechtsstaatlichkeit u n d verfassungsrechtlicher Rechtsschutzgarantie (Art. 19 I V GG) — uneingeschränkt zulässig. Der Anerkennung des materiellen Konkurrentenrechts entspricht das formelle Klagerecht. Auch das Kartellrecht hat die volle Zulcissigkeit der öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage zu akzeptieren. Das bedeutet einmal, daß die Erhebung von öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklagen keinem Subsidiaritätsvorbehalt i m Verhältnis zu zivilprozessualen Klageansprüchen (§ 35 GWB) untersteht. Dies bedeutet zum anderen, daß die Verfahrensregelungen der §§ 62 ff. GWB einige erhebliche, verfassungsrechtlich gebotene Korrekturen hinzunehmen haben. Dies gilt insbesondere für die Anfechtungsbeschwerde . Sie muß nach A r t . 19 I V GG auch den Inhalt der subjektiven Verwaltungskontrolle annehmen. Die Grundlage für eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung liegt i n der Erweiterung des Beteiligtenbegriffs aus § 62 I I GWB. Während dieser bisher n u r die formelle (Beteiligten-)Beschwer
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
anerkannte 3 , so muß er jetzt auch die materielle Beschwer und damit den materiellen Beteiligtenbegriff aufnehmen 4 . Die Anfechtungsbeschwerde steht also auch demjenigen Konkurrenten zu, der durch eine Maßnahme der Kartellaufsicht „bloß" materiell i n seinen Rechten betroffen wird. Die Anfechtungsbeschwerde muß ebenso wie das Beschwerdeverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit die formelle Beteiligtenfähigkeit durch die materielle Beteiligtenfähigkeit ergänzen 5 ' 6 . Dies kann nicht nur deshalb zwanglos geschehen, w e i l die Regelung des § 20 I, I I FGG ein ohnehin sachlich verwandtes 7 und verfassungskonformes Vorbild abgibt; dies kann vor allem deshalb geschehen, weil die Verpflichtungsbeschwerde als korrespondierender Klagetyp gleichfalls auf dem materiellen Beteiligtenbegriff aufbaut (vgl. § 62 I I I 1 GWB) 8 . Durch die Erweiterung der Beteiligtenfähigkeit erlangt die Anfechtungsbeschwerde komplett 9 den Inhalt des subjektiven Rechtsschutzes, ohne dabei ihre Funktion als objektive Verwaltungskontrolle aufgeben zu müssen. Die Anfechtungsbeschwerde erfüllt deren Aufgaben weiterh i n über die formelle Beteiligtenfähigkeit; vermieden w i r d jedoch die dieser eigene Beschränkung des subjektiven Rechtsschutzes. Die Verpflichtungsbeschwerde entspricht auch i n ihrer gegenwärtigen Gestalt den Erfordernissen des A r t . 1 9 I V GG. Denn sie orientiert sich an der materiellen Beeinträchtigung subjektiver Rechte (§ 62 I I I GWB). Unbekannt ist dem GWB allerdings die Bescheidungsbeschwerde 10. Nach den Grundsätzen des effektiven Rechtsschutzes bedarf es jedoch auch ihrer. Denn gerade i n den Fällen der ermessensbestimmten oder den Entwicklungsspielraum i n Anspruch nehmenden Aufsichtsentscheidung ist ein Rechtsschutzanspruch nach A r t des § 113 I V 2 VwGO unbedingt erforderlich. Vor allem die Regelung des § 70 I V 2 GWB belegt dieses Erfordernis 11 . Auch hier h i l f t eine verfassungskonforme Auslegung des GWB. Die Bescheidungsbeschwerde läßt sich auf die gleiche Weise wie i m allgemeinen Verwaltungsprozeß einführen. I n i h m gelangte sie nämlich erst durch den begrifflichen Rückschluß vom Urteilsgegenstand der Verpflichtungsklage (§ 113 I V VwGO) zur Anerkennung (arg. § 113 I V 2 3
Vgl. oben sub C I V 2 b . Vgl. ebenso F. Baur, Z Z P 72, 3 (14 f.). Zum Verhältnis von formeller und materieller Beteilligtenfähigkeit im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. u. a. Jansen, FGG, I, 2. Aufl. 1969, § 20 Rdnr. 18. 7 I m Sinne eines solchen Verwandtschaftsverhältnisses vgl. vor allem F. Baur, ZZP 72, 16 f. sowie auch z. B. B G H Z 41, 61 (70 f.). 8 Vgl. dazu sub C I V 2 d . 9 Zu den übrigen Momenten subjektiver Verwaltungskontrolle in der A n fechtungsbeschwerde vgl. bereits C I V 2 b. 10 Vgl. dazu schon C I V 2 vor a. 11 Zu deren (verfassungskonformer) Auslegung vgl. bereits B I 2 b , c , k . 4 6
V. Anwendung und Folgerungen für das echtsschutzsystem des GWB
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VwGO) 1 2 . Obwohl das GWB keine Regelung nach A r t des § 1 1 3 I V 2 VwGO kennt, bietet sich hier ein entsprechender Rückschluß an. Dieser kann zwei Wege beschreiten. Er kann die Bescheidungsbeschwerde entweder der Anfeehtungs- oder der Verpflichtungsbeschwerde unterordnen. Den ersten Weg hat K . A. Bettermann vorgeschlagen 18 . Hiernach wäre also die Ablehnung einer aufsichtsrechtlichen Ermessensentscheidung (etc.) m i t der Maßgabe anzufechten, daß eine erneute Ablehnung jedenfalls nicht auf die gleichen Ermessensgründe (etc.) gestützt werden darf. Die Anfechtungsbeschwerde würde i n diesem Fall völlig ausreichen; denn i n der aufsichtsrechtlichen Verweigerung der begehrten Entscheidung läge eine anfechtbare Verfügung 1 4 . Problematischer w i r d es aber i n dem Fall, i n dem die Kartellaufsicht untätig bleibt. Denn hier kann die Anfechtungsbeschwerde mangels anfechtbaren Ablehnungsakts nicht mehr helfen. Das bedeutet, daß die Anfechtungsbeschwerde die Bescheidungsbeschwerde nur i n der Spielart der Weigerungsgegenbeschwerde , nicht aber i n der der Untätigkeitsbeschwerde ersetzen könnte. Daraus folgt, daß die Verpflichtungsbeschwerde Grundlage der Bescheidungsbeschwerde sein muß. Sie kann dies, weil die Bescheidungsbeschwerde ebenso wie die Verpflichtungsbeschwerde Leistungsklage ist; sie ist hierfür geeignet, w e i l sie sowohl die Weigerungsgegenklage als auch die Untätigkeitsklage umfaßt (§ 62 I I I GWB); sie ist hierfür schließlich deshalb prädestiniert, w e i l der Antrag auf Bescheidung ohnehin nur ein minus und kein aliud gegenüber dem Antrag auf Verpflichtung ist. Da § 7 0 I V GWB ausdrücklich auch die Kontrolle ermessensmäßiger sowie den Entwicklungsspielraum i n Anspruch nehmender Aufsichtsentscheidungen zuläßt, ist die Bescheidungsbeschwerde als Unterform der Verpflichtungsbeschwerde anzuerkennen. Dieser Weg verfolgte eine unmittelbare Analogie zu § 113IV VwGO, indem er die Verpflichtungsbeschwerde durch das minus der Bescheidungsbeschwerde ergänzte 15 . Eine weitere Ergänzung des kartellrechtlichen Rechtsschutzes fordert der kompensatorische Berichtigungs - und Restitutionsanspruch . Für ihn wurde bereits oben 16 allgemein dargelegt, daß seine Rechtsschutzform die (vorbeugende) Feststellungsklage ist. Eine solche Klage kennt das 12
Vgl. richtunggebend Bettermann, NJW 60, 649 (656 f.). Vgl. Bötticher-Festschrift, S. 20. I h r dürfte auch die Regelung des § 57 I I GWB nicht entgegengestellt werden; denn entscheidend ist hier die (behauptete) Rechtsverletzung (zu § 57 I I vgl. schon C I V 2 b). 15 I m Sinne einer Ergänzung der Vorschriften des kartellrechtlichen Beschwerdeverfahrens durch Verfahrensregelungen anderer Prozeßordnungen vgl. auch B G H Z 50, 357 (361 ff.). 16 Vgl. sub D 1 2 i. 13
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D. Der Rechtsschutz des Konkurrenten als Verfassungsgebot
GWB jedoch nicht 1 7 . Das Prinzip des effektiven Rechtschutzes setzt deshalb auch hier eine entsprechende Korrektur des Rechtsschutzverfahrens durch. Auch i m Kartellgerichtsverfahren ist die (vorbeugende) Feststellungsklage bzw. Feststellungsbeschwerde zuzulassen 18 ; als Vorbild darf auch insofern wieder die VwGO m i t der Regelung des § 43 dienen 19 . 4. M i t diesen grundsätzlichen Korrekturen und Ergänzungen des kartellrechtlichen Rechtsschutzsystems schließt sich das System des subjektiven Konkurrentenschutzes: Die öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage ist prinzipiell statthaft; sie ist i n sämtlichen Formen und Klagetypen des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes wirksam. Ihre Hauptform bildet allerdings die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (-beschwerde). Sie ist immer dann zulässig, wenn der Dritte (Konkurrent) die aktuelle Beschwer seiner wirtschaftlichen Wettbewerbsposition durch eine staatliche (Aufsichts-)Maßnahme sowie seine Verletzung i n einem subjektiven öffentlichen Recht geltend macht, sei es, daß dies i n willentlicher und tatsächlicher Form, sei es, daß dies als repräsentative und grundrechtswirksame (grundrechtslegitimierte) Individualbegünstigung aus einer (objektiv-rechtlichen) Norm des einfach-gesetzlichen (Aufsichts-)Rechts folgt.
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Vgl. C I V 2. Zum Meinungsstand in dieser kontroversen Frage vgl. die Nachw. oben C I V N. 27. 19 Gegen eine solche Analogie vgl. aber z. B. v. Köhler, NJW 61, 2093 (2096). 18
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