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German Pages 319 [320] Year 1875
WEGGEWOHNTS LIED (VEGTAMS KYIDA)
DER ODINS RABEN ORAKELSANG (HRAFNA GALDR ODINS) UND
DER SEHERIN VORAUSSICHT (VÖLU S P A )
DREI ESCHATOLOGISCHE GEDICHTE DER S M Ü N D S - E D D A K R I T I S C H H E R G E S T E L L T Ü B E R S E T Z T UND E R K L Ä R T VON
D r FRIEDRICH WILH. BERGMANN PROFESSOR AN DER PHILOS. FACULTÄT IN STRASSBURG
Nichts ist verhüllt das nicht enthüllt, Nichts versteckt das nicht bekannt werden wird. Matth. 10, 28.
STRASSBURG V E R L A G V O N K A R L J. T R Ü B N E R
1875
BTRASSBURG, DBCCK YON G. FISCHBACH.
DIES BUCH SEI DEM A N D E N K E N GEWIDMET AN MEINEN GÖTTINGER L E H R E R U N D GÖNNER
HEINRICH
EWALD
DER MICH IN DIE ORIENTALISCHE PHILOLOGIE E I N G E F Ü H R T
AN MEINEN PARISER L E H R E R UND GÖNNER
EUGÈNE
BURNOUF
DER MICH ZUERST ZU E D D A - S T U D I E N VERANLASST
UND AN MEINEN PARISER STUDIENGENOSSEN
ADOLF
HOLZMANN
DER ZUERST MEINE POKMES ISLANDAIS
FREUNDLICH
BEGRÜSST H A T .
F. W. BERGMANN.
An den geneigten Leser. Vorreden zu schreiben habe ich meistens unterlassen, weil solche, ohne p e r s ö n l i c h e s zu berühren, nicht wohl abzufassen sind, und persönliches die Wissenschaft eben wenig angeht noch interessirt. Da es aber keine regel gibt die nicht, unter umständen, ausnahmen zuliesse, so sei es mir vergönnt, meine schriftstellerische Vergangenheit überblickend, das verhältniss meiner person wenigstens zur norrsenischen Philologie, hier kurz zu besprechen. Man mag es vielleicht eine geistige i d i o s y n k r a s i e unserer zeit nennen, dass alles Unklare und Mysteriöse uns u n h e i m l i c h berührt, und, weit entfernt, uns, wie die früheren zeiten, zur bewunderung und ehrfurcht zu stimmen, vielmehr, wie der rothe läppen den kampfstier, uns aufregt und erzürnt. Dies kommt, einerseits, daher weil, bei vorliegenden u n l ö s b a r e n oder u n g e l ö s t e n räthseln, man sich seines Unvermögens sie zu lösen tiefer bewusst ist, und unser Selbstgefühl von diesem bewusstsein, wie von geistiger armuth, höchst
An den geneigten Leser.
VIII
unangenehm betroffen wird. Andererseits, liegt aber auch der grund davon in dem gerechten glauben, dass alles w a s ein menschenhirn gedacht, und ein menschenherz gefühlt hat, es mag noch so sublim, oder noch so abstrus und absurd sein, immer doch von einem, mit den gehörigen Vorkenntnissen, mit scharfsinn, und gemüth, ausgerüsteten menschengeist, müsse k l a r v e r s t a n d e n werden können. Als mir daher, vor fünfzig jähren, die E d d a zuerst zu handen kam, so zündete das w a s ich darin verstand mächtig in meiner seele; ich durchblickte darin einen weiten,
wichtigen, durch erklärung
aufzudeckenden hintergrund. Aber das noch unklare, verworrene darin ärgerte mich dermaassen dass ich damals, als Strassburger Gymnasiast, den schwur that:
hier
muss
es
t a g e n , oder ich
schicke den ganzen plunder, als baaren blödsinn, ein für allemal zum kuckuck. Später sass ich als Student auf den bänken der Theologie. So oft der exegesirende professor, auf schwieriges stossend, manchmal verzweifelt und resignirt ausrief: a u f d i e s e r s t e l l e undurchdringlicher immer grosse lust
schleier,
da
liegt
ein
hatte ich
meinerseits auszurufen:
den
schleier müssen wir l ü p f e n , und wenn es nicht anders geht, z e r r e i s s e n , drunter steckt.
damit wir sehen w a s
An den geneigten Leser.
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In dieser geistesverfassung kam ich 183Z| nach Göttingen, wo ich unter der scharfen philologischen zucht, und der trefflichen anleitung meines lehrers Prof. H e i n r i c h E w a l d , sanskrit-und altarabische texte interpretirte. Ich erkannte damals dass, um in der Philologie harte nüsse knacken zu können, vor allem der i m p r o b u s l a b o r sich nicht in zu beschränkter Spezialität bewegen dürfe,
sondern
sich den blick auf alle gebiete des geistes und der geschichte offen halten müsse. Ich lernte praktisch von Ewald dass ein umsichtiger Philolog sich mit scharfsinn und gelehrsamkeit auszurüsten hat, um nicht in den fall zu kommen, sich sagen zu müssen : h i e r steht der ochs am
berge!
Nachdem ich später in Berlin meine sanskrit-, sprach-, und kunst-archäologische Studien fortgesetzt, und abermals nach Göttingen zu E w a l d und Ottfried
M ü l l e r zurückgekehrt war, gieng ich
schliesslich nach Paris, um, unter der freundlichen gönnerschaft von S i l v e s t r e de S a c y und E u gène
B u r n o u f , mich als Orientalisten zu habili-
tiren. Daselbst unternahm ich alsbald das aîthiopische buch H e n o c h , im urtext, mit vollständiger exegese, herauszugeben. Als die abschrift und e r klärung dieses textes, so wie die Katalogisirung der Gheez- und Amhara manuscripte, die mir S i l vestre
de
Sacy
aufgetragen,
kaum beendigt
war, so trat eines tages E u g è n e B u r n o u f ,
auf
x
An den geneigten Leser.
der Bibliothèque royale, zu mir mit folgender eröifnung: a Ymir byggdi; önd J)au ne dttu, öd J)au ne hofdu; ergi ok osöi ok öJ)ola etc., etc. Neben den anlautenden v o k a l e n traten aber auch b) anlautende c o n s o n a n t e n alliterirend hervor, zumal da, in der spräche, die anlautenden consonanten z a h l r e i c h e r als die anlautenden vokale sind.
I. Einleitung.
-)9
Die anlautende consonantalliteration bildete sich aber nicht als von der vokalalliteration abhängig und ihr untergeordnet, sondern sie enstand, mit absieht, als etwas für sich bestehendes. Denn hätte die consonantalliteration nur als untergeordnete b e g l e i t u n g der vokalalliteration dienen und gelten sollen, so hätte es ausgereicht, o h n g e f ä h r ähnliche oder homorganische consonanten (k und g, b und f, d und J) etc.) vor die, als h a u p t s a c h e betrachtete, vokalalliteration zu setzen. Da man aber die c o n s o n a n t a l l i t e r a t i o n als gleichberechtigt und selbstständig neben die vokalalliteration stellen wollte, so suchte man sie auch durch die g e n a u e s t e
ähnlichkeit, oder
identität hervorzuheben; weswegen nur i d e n t i s c h e consonanten k mit k, g mit g, b mit b etc., alliteriren können. Obgleich nun die consonantalliteration eben so selbstständig als die vokalalliteration ist, so musste sie doch in ein enges verhältniss zu dieser treten, weil j a überhaupt, in der spräche, die consonanten, p h o n i s c h , ohne die vok a l e nicht für sich bestehen können. Deswegen gibt es keine consonantalliteration die sich nicht mit d e r v o k a l alliteration eng verbunden hätte. Die folge dieser Verbindung ist n u n l ) d a s s die anlautenden c o n s o n a n t e n , nicht, wie es bisher angesehen wurde, als für sich die v o l l s t ä n d i g e alliteration bildend, ohne berücksichtigung
ihrer
vokale, zu betrachten sind, sondern dass sie mit ihren vokalen v e r b u n d e n werden müssen; 2) dass, weil die c o n sonantalliteration völlige identität der consonanten e r heischt, die vokalalliteration hingegen Verschiedenheit der vokale vorzieht, nun die zugleich aus consonant und vokal bestehende v o l l s t ä n d i g e alliteration auf d e r regel beruht, dass ganz ähnliche consonanten vor mehr oder wenig phonisch v e r s c h i e d e n e n vokalen anlauten. Diesem nach rechfertigt sich unsere neuerung, welche darin besteht
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Weggewohnt's Lied,
dass, um die alliteration vollständig darzustellen, nicht allein die anlautenden consonanten, sondern auch deren alliterirende vokale, in der schrift oder im druck, zugleich mit einander bemerkbar zu machen sind. Man begreift, nach dieser darlegung, verschiedene eigenthümlichkeiten der alliteration, die bis jetzt unbemerkt geblieben sind. Es erklärt sich, zum beispiel, warum anlautende doppelconsonanten mit denselben consonanten, wenn diese auch disjungirt sind, alliteriren, so dass, z. b. hliods in alliteration tritt mit Wörtern wie Zieigar, (als stünde dieses heigar für hiegar); und man begreift dass zwei ähnliche, sogar intervertirte, consonanten, wie har und rah, in der altdeutschen dichtung, unter einander alliteriren konnten, wie z. b. im Muspilli: daz Tiörtih rähhön diä werolt re/itwison etc. Durch solche von doppelconsonanten ausgehende und zu disjunctirten consonanten übergehende alliteration, entstand allmählich, aus der anlautenden alliteration, die inl a u t e n d e , wovon exempel bisweilen schon in der anlautenden vorliegen, wie zum beispiel in Völuspä, 1 : Viládi ek VaZfödur vel framtelia. /ornspiöll firsi J)au ek fremst of nam. II. Inlautende alliteration. In der inlautenden a l l i t e r a t i o n werden gleiche consonanten mit ihren mehr oder weniger gleichen vokalen vorsätzlich so gewählt, dass ihre Übereinstimmung, in verschiedenen Wörtern des verses, zu einem neuen phonischen versornament erhoben wird. Wenn die Übereinstimmung derart ist dass ganz gleiche consonanten und vokale mit einander z u t r e f f e n oder alliteriren, so heisst sie ein v o l l s t ä n d i g e s (vorzügliches) zutreffen (adalhending), wie zum beispiel in merki und sterki, in gionar und sumir
I. Einleitung.
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etc. Besteht hingegen diese inlautende alliteration aus g l e i c h e n consonanten mit u n g l e i c h e n vokalen, wie zum beispiel in stiröum und noröan, in iörd und iyrd etc, so heisst diese alliteration ein s c h u s s z u t r e f f e n (skothending), im sinn von u n s o r g f ä l t i g e r alliteration. Während in der a n l a u t e n d e n alliteration, v e r s c h i e d e n e vokale den gleichen vorgezogen wurden, so ist hier das s c h u s s z u t r e f f e n , schon durch den namen, als die dem a d a l h e n d i n g unterzuordnende alliteration bezeichnet. Die a d a l h e n d i n g und die s k o t h e n d i n g sind beide, ihrer natur nach, mehr oder weniger genau inlautende r e i m e , und konnten deswegen leicht zu den e n d - und v e r s r e i m e n überführen, in dem sie somit den Übergang von der i n l a u t e n d e n zur a u s l a u t e n d e n alliteration bildeten. III. Auslautende alliteration. Die auslautende alliteration beruht auf dem z u t r e f f e n gleicher vokale mit gleichen consonanten am ende des verses, oder auf den r e i m e n , welche in den gedichten der spätem zeit mannigfach, und mehr oder weniger verschrenkt, angewandt wurden. Deswegen heissen auch solche gedichte geradezu R e i m e (rimur), wie, zum beispiel, die R i m u r af T h r y m (Thrymlur), die R i m u r fra Volsungi (s. Möbius Edda Ssemundar, s. 235—254), woraus folgende Strophe als exempel dienen kann; Blanda skal ek fyrir börnin glöd er beiöa i fyrsta sinni Sönar fors ok Suptungs miöö saman ok Asa.mmm. In einer ausführlicheren arbeit gedenke ich die historische entwickelung und die hauptregeln der alliteration. in der g e r m a n i s c h e n poesie, weiter auseinander zu
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Weggewohnt's Lied,
setzen. Hier war es mir nur darum zu thun die neuerung die ich, in den hier folgenden texten, in bezug auf die zu m a r k i r e n d e alliteration eingeführt habe, vorerst im allgemeinen zu begründen, und in der kürze zu rechtfertigen.
II. T E X T . Vegtams kvida. (Baldurs draumar.)
4. Miok var JTapti
Tiofugr blundr;
HeiWir i svefni
Tiorfnar syndosk;
spwrdu Iotnar
spar framvisar,
if J)at cegrs myndi
angur vita.
2. Frettir
sogdu
f/llar sefi
at feigr vaeri
einna, jaekkastr;
feck fiat angurs
Frigg
fiognum 65rum
rad ser festu.
ok Svafni;
3. Ut skyldi senda
allar vaettir
grids, at beida,
grmnda eigi Baldri;
vann allskonar
eid at vaegia,
Frigg
festar ok sceri.
tok allar
4. Valfodr uggir
van se tekit;
i/amingiur eetlar 4 s u kallar, malstefnu at,
Ziorfnar mundu;
afrads krefr, mart of rcedisk.
Weggewohnt's Lied.
5. S e n n vàru JEsir ok i i s y n i u r
allir à })ingi,
aliar à màli ;
ok um jjal réòu
r i k i r Tìvar
hvè vari Baldri
ballìr draumar. 6.
C/pp reis Oòinn
alda Gauti,
ok liann à Sleipni
sòòul um lagòi;
reiò hann n i ò r |)aòan mcetti hann
hvelpi
A'iflheliar til ;
|>eim ' r or
Hel'm kom.
7. S à var bfóòugr
um briósi framan,
fciapt vìgfrekan
ok Aialka nedan ;
gó hann à mòti
ok
gfa/durs Faòir
gein slòrum ;
gol um lengi.
8. Framm reid Odinn ; hann kom at ha\u
/'o/dvegr (limili ; Heliar
ranni ;
Ràdali reiò l ' g g r tfyr austan dyn\ J)ar 'r hann vissi
fòlli leiòi.
9. Nani hann vittugri
leit i noròur ; frceòi
r a l g a l d r kveòa ;
/agòi à stali ;
tòk Jiylia ;
/Vétta beiddi —
undsl nawòig reis,
j i à s - o r ò um kveòa.
10. (Angurboòa kvaò:) « Hval e r m a n n a J)at
m è r òkunnra,
« e r m e r hefir nukit
erfit sinni ?
« v a r - ' k Siu'vin snio\i « ok ciriiin
rfoggu;
ok s/egin regni.
dauò var ek lengi.
II. Text.
11. (Odinn kvaó :) « Vegtamr ek heiti ; sonr em-'k Valtams « segòu mer or Heiiu, ek man or Heimi « « hveim eru bekkir baugum stràdir ? « « eòr flet fagrlig flóò i gulli?
12. (Angurboòa kvad:) « Hér stendr ita ¿d ri of brwgginn miódr ; « spirar veigar liggr sfcióldr yfìr ; « enn ^smegir i ofvaeni ; — « nawòug sagóak ; nù mun ek J>egia ! 13. (Vegtamr kvaò:) « Jjegiattu, vòlva! j)tk vii ek fregna, « undst alti kunnak ; vii ek enn vita : « « hver man Bdldri at bana veròa, « « ok Oòins son alldri rana ? 14. (Angurboòa kvad ) « Hòòr berr hàvan bródr-harm (rinnig ; « hann man ¿tóldri at bana veròa, « ok Oóins son alldri ra;na ; — « uaudug sagdak ; nù mun ek Jjegia! 15. ( V e g t a m r kvad :) « jiegiattu, vólva ! Jrik vii ek fregna, « undst allt kunnak ; vii ek enn vita : « « hver man heipt Heòi Aefnt of vinna, « « eòa Baldrs bana à bùi vega?
Weggewohnt's Lied. 16. (Angurboda kvad:) « Rindur berr Vaia ì Vestrsòlum ; «sà man Oóins son einnaetr vega; « band um [ivacra nè /lófud kembir, «adr à bài um berr JBaMurs andskota. — « nawdug sagdak, nù mun ek jiegia ! 17. (Vegtamr kvad:) « {»egiattu, vòlva ! Jnk vii ek fregna, « undst allt kunnak ; vii ek enn vita : « « hveriar 'ro Jiaer weyiar er at »nwni gràta, « « ok à /limin verpa /talsa skautum? — « « seg-Jm Jiat eina ! — sefraltu fyrri. 18. (Angurboòa kvad:) « Ertattu Vegtamr, sem ek adr hugdak ; « helldr erta Odinn alda Gauti. (Odinn kvad:) « Ertattu vòlva, né vis kona, « helldr ertu J>r»ggia |>ursa mòòir. 19. (Angurboòa kvad :) « Heim reid (jù Odinn ! ok ver hroòigr ! « svà komit manna meir aptr à vit, « àdr Loki lauss lidr or bóndum, « ok iiagna róka riùfendr koma.
DL T E X T K R I T I K and WORTERKLÄRUNG. Titel. d. Ueber V e g t a m s kvida siehe oben s. s. 10.— T a m r (gefügig, zahm, gewöhnt) mit v e g r (weg) zusammengesetzt, bezeichnet einen der zu reisen gewohnt ist, also einen r e i s e n d e n , oder w a n d e r s m a n n . 2. Der spätere titel B a l d u r s d r a u m a r ist daraus entstanden dass, in der e r s t e n strophe, von den träumen dieses gottes die rede ist. Dieser titel ist also ein beweis dass diese Strophe hier richtig als e r s t e anzusetzen ist. Wäre die 5. strophe am anfang des gedichtes, u r s p r ü n g l i c h , gestanden, so hätte der titel B a l d u r s d r a u m a r nie entstehen können, da ja das gedieht sonst gar nicht von Baldurs träumen handelt. Strophe i . 1. H a p t (heft, halter) bezeichnet jede göttliche kraft welche die wesen und dinge der weit in leben und Ordnung erhält; der ausdruck bezeichnet also eine gütige wohlwollende gottheit, und passt hier besonders gut auf Baidur, welcher das ideal der guten, e r h a l t e n d e n gottheit bei den Nordländern darstellt. 2. b l u n d r (blinzeln) ist das leichte zudrücken der äugen, also der leichte nicht feste schlaf. Dieser ausdruck ist hier mit dem antithetischen ausdruck h ö f u g r (schwer) verbunden, um anzuzeigen dass sogar der leichteste
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Weggewohnt's Lied,
schlaf des Baldur beunruhigt war durch s c h w e r e , beängstigende träume. 3. H e i l l i r (Heilchen) ist eine deminutivform mit doppeltem l von h e i l a r (heile, selige, glückliche), und bezeichnet die kleinen weiblichen schutzgenien, auch H a m i n g i u r (töchter des Ham oder Schutzes) genannt, welche den menschen unsichtbar umschweben, und ihm gesundheit, Wohlsein, und glück zuwenden. 4. oegrs, a n g u r s . — Die einen handschriften lesen im verse blos ö g r s , die andern blos a n g u r s . Beide Wörter sind aber in dem vers als authentisch beizubehalten; defin durch auslassung des einen oder des andern, würden 1) die erforderlichen hebungen im verse unvollständig sein, und 2) die erforderte alliteration verloren gehen. J)at cegrs (diese art von schrecken) bedeutet die besorgniss, wie sie durch diese schweren träume verursacht wird. A n g u r v i t a (ängstliches Unglück weisen) heisst u n g l ü c k vorbedeuten. Strophe 2. 1. F r i g g (Regenspenderin) ist die frühere gemalin des F i ö r g y n n (Friccon ; sansc. P a r d j a n i a s , Regenliebend), des gottes der gewitter, später die gemalin des Odin, der mehrere attribute des alten F i ö r g y n n überkommen hat. 2. S v a f n i r als eigenname umgestellt aus dem adjectif s v a v i n n (für slavin) bedeutet s o n n i g , und ist ein epitlieton des Odin der mehrere attribute des alten S o n n e n g o t t e s überkommen hat. 3. R a g n a r (Räthe) heissen die ansischen gölter wenn sie versammelt, als berathend, bezeichnet werden. R ö g n u m ö f l r u m ist durch die alliteration mit rad ser festu verbunden, und sagt aus dass Odin und Frigg für sich, und für das heil der andern räthe, rath fyssten.
m . Textkritik und Worterklärung.
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Strophe 3. 1. a l l s k o n a r ist ein génitif, bei dem man v a e t t a r (wesen), in gedanken, beizufügen hat, und dessen einzelne form öfters zum adverbium geworden ist. Strophe 4. v a n sè t e k i t (es sei mangel oder mangelhaft aufgenommen) heisst dass, in der abnahme der eide, ein mangel sei, weil nicht a l l e eide, wie erforderlich wäre, abgenommen worden seien. 2. a f r a d (unrath, unvollkommener rath) ist als génitif abhängig von m a r t . Der sinn ist: Odin begehrt (krefi) dass vieles von dem unvollkommen gefassten rath, in der Versammlung, besprochen werde (of rcedisk). Strophe 5. 1. s e n n h a t hier nicht die bedeutungvon z u s a m m e n , sondern von a l s b a l d , und drückt aus dass die Anspn sich beeilten so b a l d als möglich die Versammlung abzuhalten. 2. f n n g ist zusammengezogen aus H ö i n g und bedeutet die bestimmte anberaumte z e i t zur Versammlung, dann die Versammlung selbst. 3. T i v a r (Himmlische) entspricht genau dem lateinischen d i v i , u n d g r . t h e i o i (f. deifoi) (s.Curiosités linguistiques, II, p. 7—12). 4. h v è bedeutet hier w a r u m , im sinne von: a u f w e l c h e a r t , das heisst, durch welche ereignisse die träume Baldurs würden u n h e i l v o l l e (ballir) werden. Strophe 6.
i. Damit im halbvers zwei hebungssilben mit zweisenkungssilben bestehen, muss statt aida G a u t r , aida G a u t i gelesen werden. Die schwache form G a u t i , wie das starke G a u t r , bedeutet guss, erguss, q u e l l e , u r s p r u n g .
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Weggewohnt's Lied.
2. N i f l h e l i a r . — Odinngieng nicht nach Niflhel, sondern blos nach H e i , wo das grab der Angurboda lag. Da aber der weg nach Niflhel anfänglich derselbe ist wie der weg nach Hei, und der dichter, der alliteration wegen, den namen Niflhel eher brauchen konnte als Hei, so setzte er til N i f l h e l i a r statt til H e l i a r . Strophe 7. 1. Da jeder halbvers zwei hebesilben und folglich auch zwei senkungssilben enthalten muss, so ist, statt des zweisilbigen galdrs födr, nothwendig g a l d u r s F a ö i r zu lesen. Strophe 8. 1. Die b e s s e r e lesart statt j^ä reiö Oöinn ist offenbar Jjaöan reiö Y g g r . Odinn (Yggr)kehrte bei Hei ein, blieb aber nur kurze zeit, und ritt von da (jjaöan) zum grab der völva. 2. l e i ö i , n. ist der ort wohin der tode geleitet wird, also das grab. 3. Völva stammt vom slavischen valchava oder volchava (die wölfische) und bezeichnet eine zauberfrau, und weissagefrau, die als solche für eine werwolfstochter gehalten wurde, und, nach dem nordischen mythus, tochter des Yidolfs (Waldwolfs) genannt wurde (s. Fascination de Gulfi, p. 208). Die völva von der hier die rede, ist die A n g u r b o d a , welche die mutter war der Hei, der Weltschlange, und des Schrecknisswolfes (Fenrisulfr). Strophe 9. 4. V i t t u g r i ist der lesart vitugri vorzuziehen. Wiewohl beide ausdrücke, im ganzen, dieselbe bedeutung haben, so ist doch vittugri als zauberkundige bezeichnender und hier richtiger. 2. V a l g a l d r ist der Zauberspruch wodurch man im
m . Textkritik and Worterkllrang.
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kämpfe g e f a l l e n e wieder ins leben zaubert; dann ist der ausdruck auch bei der erweckung jedes andern todten, der nicht im kämpfe gefallen, gebräuchlich. 3. J)ylia; — jjulr (schwätzer) bezeichnet einen der mit seinem wissen prahlt. J j y l i a froedi heisst hier sein wissen herausstreichen, um andere zu einem w i s s e n s k a m p i herauszufordern (s. V i e l g e w a n d t s s p r ü c h e , s. 481). 4. f r e t t a b e i d d i heisst hier nicht orakelertheilung als ein ihm zukommendes r e c h t begehren, sondern Orakel zu erhalten s u c h e n , wie hier durch die provocation welche Odin, durch sein prahlen mit seinem wissen, an die Wahrsagerin richtete (s. Erklärung, s. 57). 5. n a u ö i g r e i s drückt hier zweierlei aus: 1) dass die Völva durch den zaubersang Odins magisch g e n ö t h i g t war aus dem todesschlaf zu erwachen, und2) dass, auf die herausforderung zum wissenskampf hin, sie sich, nicht magisch, aber m o r a l i s c h , zur antwort genöthigt fühlt. 6. n ä s o r ö sind o r a k e l von einem v e r s t o r b e n e n ertheilt. Strophe 10. A n g u r b o d a kvaö. — Von der 10. Strophe an tritt an die stelle der erzählenden (epischen) form, die d i a l o g i s c h e . Es ist entweder anzunehmen dass der dichter die orakelbefragung besser in scene zu setzen glaubte durch die dialogische form, und er deswegen aus der erzählung in den dialog fibergieng, oder dass er den dialog z u e r s t dichtete, und nachher die erzählung, als epische einleitung dazu, vorangesetzt habe. Das erstere scheint litterarisch richtiger, das zweite ist aber aus folgendem gründe wahrscheinlicher. Der dialog nämlich setzt nicht genau die vorige erzählung fort; denn statt damit anzufangen nun das todtenorakel vorzutragen, greift er zum moment hinauf wo
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W e g g e wohnt's Lied,
die völva aus dem schlaf herausgenöthigt worden ist, und er beginnt deswegen nicht mit dem todenorakel selbst, sondern damit dass die völva fragt w e r der mann sei der sie aus dem schlafe aufgestöbert habe. 2. Der dialog der auf die erzählung folgt schliesst sich formell an diese dadurch näher an, dass er, wie öfters in d e r E d d a ( s . G r a u b a r t s l i e d , s. 31), kein d r a m a t i s c h e r , sondern ein e r z ä h l t e r dialog ist. Dieser erzählte dialog wird durch die epische formel
Angurboda
sprach
(welche ich zwischen klammern eingesetzt habe), e i n g e leitet : weswegen die nun folgenden Strophen mit den anITihrungszeichen zu versehen sind. 3. S i n n i , n. bedeutet ursprünglich r e i s e , hat aber liier, wie das analoge ö r e n d i (botschaft), die bedeutung Geschäft,
Verrichtung. Strophe 41.
1. V a l t a m r (kampftod-bereit)
ist der fiktive namen
iles B ö r , des vaters des Odinn (s. Fascinat.
de
Gulfi
p. 184). Dieser name ist in so fern keine völlige lüge, als Bör sich gegen das ältere Thursengeschlecht in
Stüter
kampfbereitschaft halten musste. 2. O r
Heliu,
o r H e i m i — dieser ganze vers
zieht sich direkt auf f r e t t a b e i d d i str. 9.
be-
Odin sucht
die völva zur antwort auf seine fragen dadurch zu b e w e gen dass er ihr ehrgefühl, w i e zu einem w i s s e n s k a m p f , aufstachelt, und ihr vorschlägt sie möge ihr wissen b e weisen über dinge a u s d e r H61, während er sein wissen darthun werde über dinge die die O b e r w e l t betreffen. 3. B a u g u m hat hier nicht die bedeutung von r i n g e n , sondern von S c h i l d e n . Odin hat in der W o h n u n g der Hei diese Schilde gesehen, und begehrt deshalb auskunft hierüber.
III. Textkritik und Woi'terklänmg.
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4. f l e t , n. ist eine p r i t s c h e als bank zum sitzen, und als breite fläche (britsche) zum liegen. Da das dreisilbige flet fagrlig der senkungssilbe ermangelt, so ist der halbvers durch eine sylbe zu vervollständigen. Die ausgefallne sylbe war, wahrscheinlich, eör. 5. fl 6 ö ist der pluralis des particips pass. von flceia (überfluthen, wie mit einer fluth überdecken). Strophe 12. 1. ofvseni, n. bedeutet entfernung der aussieht oder H o f f n u n g (vaeni), also hofnungslosigkeit und V e r z w e i f lung.
Strophe 13. 1. Statt a l k u n n a ist a l l l kunnak (subj.) zu lesen. Strophe 14. 1. b r ö ö r h a r m (bruderschmerz).— Da dievölva, als prophetin, in ihren erzwungenen aussprüchen, so dunkel als möglich zu sprechen bestrebt ist, so darf sie hier unmöglich den mistelzein, der den Baidur tödten soll, deutlich bezeichnen. Deswegen bezeichnet sie das geschoss durch den dunklen ausdruck b r ö ö r h a r m , welcher undeutlich aussagt dass es, von Hödur geworfen, seinem b r u d e r (Baidur) ein s c h m e r z e n s - oder todespfeil (harm für harmflög, s. Völuspä, str. 31) sein wird. Deswegen habe ich statt des sinnlosen hrödurharrn entschieden die lesart b r ö ö r h a r m in den text gesetzt. 2. b e r r Jiinnig (trägt dorthin) ist ein verdeckter ausdruck für wirft d o r t h i n , wo Baidur steht. 3. Hävan, (hoch), dunkler ausdruck für dünn, schwach und schlank; vgl. gr. makros (lang), m i k r o s (dünn), lat. m a c e r (schlank). 3
34
Weggewohnt's Lied.
Strophe 15. 1. h v e r m u n etc., ist zu erklären: wer wird bewirken (of vinna), dass die beleidigung (heipt) 'gerächt werde (hefnt). Strophe 16. 1. R i n d r b e r r . — Jeder halbvers muss zwei h e b e silben und folglich auch wenigstens zwei s e n k u n g s Silben enthalten. R i n d r b e r r , wie einige handschriften lesen, ist!) als halbvers unvollständig,der silbenzahlnach, 2) unvollständig, dem s i n n e nach, da be r r nothwendig ein o b j e k t erfordert; weswegen einige handschriften das wort son eingesetzt haben. Da aber der hauptbuchstabe des zweiten halbverses der allitération der consonant v (in Vestrsölum) ist, so muss der correspondirende buclistabe im ersten halbvers auch ein v sein, was bei son nicht der fall ist. Diesem nach muss der erste halbvers ursprünglich statt R i n d u r b e r r nothwendig R i n d u r b e r r Val a gelautet haben. 2. Die drei folgenden verse kommen fast wörtlich auch in der Völuspä vor (s. Poèmes islandais, s. 479). Du sie eher in der V ö l u s p a als h i e r fehlen könnten, so ist es wahrscheinlich dass sie aus der V e g t a m s k v i d a in die V ö l u s p ä aufgenommen worden sind (s. Einleitung, s. 12). Strophe 17. 1. a t m u n i g r a t a (nach lust, oder einem zu lieb weinen) bedeutet : w e i n e n so wie man es w ü n s c h t e oder begehrte. 2. h a l s (hals), bedeutet auch possessivisclu einen gegenständ oder person die einen hals h a t , den man besonders ins auge fasst. So bedeutet f r î h a l s (freihals) denjenigen der einen freien, nicht b e j o c h t e n , noch die skia-
III. Textkritik und Worterklärung.
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venkette tragenden, h a l s hat, also einen f r e i e n . Deutsches g e i z h a l s (geizkragen) bezeichnet denjenigen der einen gierigen, alles verschlingen wollenden h a l s (schlund) hat; s c h r e i h a l s , den dereinen stets schreienden hals (kehle) hat. Das nordische g a g h a l s i r (drehhälse) ist ein epithetischer name der hirsche und schwane, die einen gelenkigen, langen hals haben. Deswegen ist h a l s a r (genitif h al s a) hier ein poetischer ausdruck für 1 a n g h ä 1 se, d r e h h ä l s e , und bezeichnet die s c h w ä n e . 2. s k a u t (ausgeschossenes) bezeichnet das zugespitzte, den zip fei, den zugespitzten s p i t z s e g e l , und den zipfelartigen f l ü g e l oder fittich; auch bezeichnet es den zwischen den schenkein zugespitzten rümpf des menschlichen körpers, oder den, beim sitzen gebildeten, g e r e n (fr. giron), H a l s a s k a u t (hälseflügel) bezeichnet hier die s c h w a n e n f l ü g e l ; s k a u t u m ist der instrumental der von v e r p a (werfen) abhängig ist; verpa h a l s a s k a u t um ä h i m i n (die schwanenflügel gen himmel werfen) heisst also : mit s c h w a n e n f l ü g e l n , oder durch flügelschlag, als schwäne, sich zum h i m m e l e r h e b e n . 3. Segöu jaat e i n a , s e f r a t t u f y r r i ; dieser vers ist e c h t , da es die nothwendige p e r i p e t i e hier ausdrückt (s. Erklärung, str. 18). Strophe 18. 1. Jjriggia j j u r s a moöir. — Die drei vom Thursengeschlecht sind Hei, Iormungandr, und Fenrisulfr; und dies ist ein beweis «dass die völva hier keine andere als die A n g u r b o d a sein kann. ,
Strophe 19.
1. Statt R a g n a - r ö k ist der genitif R a g n a - r ö k a zu lesen, 1) weil r a g n a r ö k , in der ersten hälfle des verses, nur drei statt vier silben hätte; 2) weil eine doppelte zu-
36 Weggewohnt'a Lied, sammensetzung wie r a g n a - r ö k - r i u f e n d r , wohl in der spätem skaldenpoesie vorkommen könnte, aber in der altern dichtung noch nicht gebräuchlich war. Der genitif ragna-röka ist von r i u f e n d r abhängig. 2. R ö k (ausreichungen, im sinn von entfaltungen) bezeichnet ursprünglich das was sich entfaltet, geschichtlich zuträgt, oder g e s c h i e h t . Da das was g e s c h i e h t , durch das g e s c h i c k oder s c h i c k s a l bestimmt ist, und somit selbst zum schicksal wird, so ist r ö k auch gleichbedeutend mit s c h i c k s a l , und schicksalsspruch. Deswegen bezeichnet r ö k s t ö l a r , wie d d m - s t ö l a r , die stuhle von denen herab der schicksalsspruch gerichtlich gesprochen, und dadurch das schicksal bestimmt wird. Da, ferner, bei allem was g e s c h i e h t , der a n f a n g , als Ursache, auch der causalgrund des a u s g a n g s ist, so bedeutet r ö k bisweilen den g r u n d , die Ursache, und den n a c h w e i s des geschehenen. Das s c h i c k s a l ist aber besonders durch den a u s g a n g wichtig. Deswegen so wie a l d r (alter, leben) oft speziell den l e b e n s a u s g a n g , das l e b e n s e n d e , bezeichnet, so bedeutet auch r ö k die eschatologie der letzten dinge, den durch's schicksal bestimmten U n t e r g a n g . R a g n a - r ö k ist also der, durchs schicksal bestimmte, Unt e r g a n g der G e w a l t e n , R u t h e (s. Hrafnagaldr, str. 10), oder G o t t h e i t e n . Da man sich der bedeutung von rök nicht immer klar und deutlich, wie es hier auseinander gesetzt worden, bewusst war, und dies wort (dessen nebenform v i e l l e i c h t auch r ö k u r gesprochen wurde) eine äussere filinlichkeil mit dem worte rökur (dämmerung) hatte, so wurde bisweilen rökr für rök gesetzt, und beiden ausdrücken die bedeutung von d ä m m e r u n g gegeben, indem man sich den Untergang der götter als den hereinbrechen-
III. Textkritik und Worterklärung.
37
den a b e n d im leben derselben dachte. Das wort r ö k u r ( d ä m m e r u n g ) gehört zu einer Wortsippe deren stoffthema d u n k e l n , f ä r b e n bedeutete (sansc. r a d j a s finsterniss, r a d j a s roth; got. riqvis, finsterniss; gr. h r e g o s , färbung), also ursprünglich stammverschieden ist von rök, welches, wie gesagt, zu dem stoffthema gehört wodurch das a u s r e c k e n bezeichnet wird. Wenn nun anzunehmen wäre (was etwas schwer hält, wenigstens schwer zu beweisen ist) dass beim gebrauch der ausdrücke R a g n a - r ö k (Grössen-schicksale) und R a g n a - r ö k r (Grössen-dämmerung) man sich jedesmal des Unterschieds beider ausdrücke, dem sinne nach, genau und bestimmt bewusst gewesen, so müsste man R a k n a - r ö k r stets durch G r ö s s e n - d ä m m e r u n g , und R a g n a - r ö k hier durch Grössen-geschicke'übersetzen. 3. R i u f e n d r (verwüster, Stürmer) bezeichnet die verschiedenen dämonischen wesen, welche den Ansen und der Schöpfung feindlich sind, und welche, beim G r ö s s e n g e s c h i c k e , oder bei der Götterdämmerung, verwüstend herein brechen.
IV. ÜBERSETZUNG. W e g g e w o h n t ' s Lied. (Balders Träume.) 1. Es war dem Halter der Schlummer selbst schwer; es schienen die Heil'chen, beim schlafe entschwunden. Die Jotnen die weissag'-gesichte befrugen, ob solches schrecken auf unglück hindeute. 2. Die orakel aussagten, dass « dem tode geweiht « Ullers verwandter, der einzig genehme.» Diess erzeugte der Frigg und dem Sonnigen angst; mit den anderen Rathen sie den rathschluss fassten:
3. « Ausschicken Sie solle, bei allen geschöpfen « börgschaft zu begehren, « « nicht Baldern zu schaden. » » Da gewann Sie allerlei eide für Schonung; Frigg jede versich'rung und schwüre aufnam.
4. Schlachtvater befürchtet die abnam' sei mang'lig; er glaubt dass die Genien sich wegwenden werden: er berufet die Ansen, begehrt dass vom fehlrath werd', in der Versammlung, manches besprochen.
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Weggewohnt's Lied. 5.
Bald waren die Ansen vereint, auf dem ding, die Ansinen alle, bei der besprechung : und darob die miicht'gen Gotter rathschlugen, woher dem Balder die träume so schwer. G. Es erhob sich Odin, der geschlechter Quell, und auf den Schlüpfrig legt' er den sattel: da ritt er hinab, der Nebel-Hel zu — er begegnet dem Welp, der aus Hei vorsprang. 7.
Dieser war blutig vorn an der b r ü s t , am mordgieren kiefer, an der kinnlade unten ; er heult' ihm entgegen, und gähnte gewaltig; des Zaubersangs Vater bezaubert' ihn lange. 8.
Odin ritt vorwärts; der Erdweg erdröhnte; er kam zur hohen behausung der H e i : davon ritt der Scheuer vor das östliche thor, wo er des Seh-weibs abfahrtsort kannte. 9.
Der Seh'rin begonn er erweck-schwür' zu sprechen: nach norden er schaut'; legt' stäbe zurecht; sein wissen er rühmet; begehrte orakel — bis genöthigt sie aufstund, um todwort' zu künden. 40.
(Angurboda sprach:) « W e r ist denn der mann , mir unbekannt, «der beschwerlich geschäft begehret von mir? «ich beschneit war im schnee, vom regen geschlagen, « beträufet mit thau; — todt war ich längst h e r .
IV. Uebersetznng.
rd Valkyriur.
2. ./fftlun /Csir
ilia gàtu ;
uerpir villtu
Vaettar rùnum :
« Oòhr&ris skyldi « mdttig at veria
Urdur geyma, wiestum fiorra.
3. Hvertr f>urr iiugi ; grrwnar Guma J>orri (für älteres j i v e r r i ) bedeutet Schwund, Verl u s t , schaden. Der g r o s s t e v e r l a s t bezeichnet den tod (lifs spiall). Strophe 3. 1. Statt des einsilbigen h u g r ist H u g i zweisilbig als e i g e n n a m e zu setzen; statt des nichtsbedeutenden h i n n a ist h i m n a (himmel) zu lesen, und statt hverfr JJvi ist, mit den meisten abschritten, hverfr {rnrr zu setzen. H v e r f r (behend) ist ein passendes epitheton des H u g i (hauch, wind), und | ) u r r steht für {>yrr (er beeilt sich) vom verbum j j y r i a . 2. L e i t a r bezieht sich auf H u g i und regiert den genitif hi m n a . 3. Statt guma ist G u m a zu lesen, accusatif abhängig von grunar. G u m a ist der accusatif von g u m i (beschützer) welches hier den Odinn bezeichnet als beschützer oder Häuptling der Ansen (vgl. Lokasenna, str. 55). Ein abgeleitetes adjectif-substantif von gumi ist g u m i n n (beschützt, Schützling des gumi). 4. Statt g r a n d ist g r a n d a (genitif von grandi) zu lesen 1) wegen des sinnes, da g r u n a r einen genitif erfordert, 2) damit wenigstens vier silben im halbvers stehen. Gumi befürchtet (grunar) s c h a d e n (granda), wenn er (Hugi) im himmel verbleibt (dvelr.). 5. Statt d r a u m r ist jedesmal d r a u m a r im plural zu lesen, damit-die nöthige silbenzahl bestehe. 6. Die beiden verse der letzten Strophenhälfte sind so zu erklären: das bedünken (|)6tti) des Lichtalfen T h r a i n ist: es seien b e d e n k l i c h e träume fliunga draumar, träume der schwere); das bedünken des schwarzalfen D ä i n ist:
•100
Vorschaden-Lied.
es seien ü b e r s c h ä t z t e träume (dulu draumar, e i n b i l dungsträume). Strophe 4. 1. Statt h e i m a r (welches durch das vorangehende dvina, bei falscher interprétation, veranlasst worden), ist der génitif plural hei ma (abhängig von dugir), zu lesen. H e i m i r (weiten) bezeichnet, hier wie anderswo (str. 7, H ) speciell und vorzugsweise die o b e r n von den göttern beschützten weiten (vgl. H e i m , Weggewohntslied, s.32). 2. N i d i r (verwandten) bezeichnet die s ö h n e (vgl. got. nipjis) der zwergeoder das zwerg g e s c h l e c h t überhaupt. Diese sinken hinab in die behausungen des G i n nung (at Ginnungs, vgl. at k u n d a r N ö r v a , str. 7; at H e r i a n s , bei Odin). G i n n u n g r (abkömmling des Täuschers), wahrscheinlich derselbe wie Fifl) ist der représentant der, als gespenster, zauberisch täuschenden schwarzelfen, oder der u n t e r i r d i s c h e n zwerge. 3. Das sonnenpferd Alsvîdr (für Al-svindr) stellt hier für die sonne selbst, oder für den spätjährlichen Sonnenschein. Strophe 5. 1. Die manuscripte geben blos stendr œva s t r i n d ; aber das dreisilbige stendr aeva bildet keinen vollständigen halbvers, der wenigstens vier »Iben erfordert. Für s t e n d r œva setze ich daher, zur Vervollständigung, s t e n d r œva fast. F a s t ist nämlich dadurch ausgefallen dass man, beim hören oder beim schreiben, fa (in fast) mit va (in œva), und st (in fasi) mit si(in strind) verschmolzen hat; so dass aus œva fast strind bloss a;va strind fälschlich geworden ist. 2. S t r i n d (stranfl) und r a u d u l l oderrödull (rötl.cl) sind poetische ausdrücke, um das meer oder den meeresstrand, und die goldrothe sonne zu bezeichnen.
m . Textkritik und Worterkiarang.
401
3 . L o p t i i s t der instrumenta] von loptr ( d e r luft; s. V i e l g e w a n d t s s p r ü c h e , s. 5 9 ) , und bezeichnet den luftbewegenden w i n d , und hier den g e w i t t e r s t u r m . 4 . Lae (schaden), in m e d l a ; v i , bezeichnet poetisch das schädliche f e u e r , und hier speziell den zerstörenden b l i t z . 5 . L i n n i r (dasselbe wie lennir) heisst auslaufen,
zu
ende k o m m e n ; l i n n i r s t r a u m i ist zu e r k l ä r e n : e s e n det m i t o d e r in d e r S t r ö m u n g . 6 . V e r i ist die schwache form für v e r r
(vertheidiger)
und bezeichnet hier, wie oben G u m i (s. s. 9 9 ) den O d i n n als V e r a - t y r , (den häuptling der W a h r e n d e n oder der Ansen). Die Z u v e r s i c h t (vissa) Odins (Vera) ist seine e i n sieht und vorsieht, welche duroh seine zwei ä u g e n (das Sonnenlicht und mondlicht), die beiden äugen des h i m m e l s ( T y r ) symbolisirt sind. Da Odinn die attribute des
Tyr
(Himmel) überkommen hat, so sind seine zwei äugen die beiden himmelsaugen, die sonne und der mond. Nach dem m y thus hat aber Odin das rechte auge (das Sonnenlicht) dem M i m i r (dem symbol des n ö r d l i c h e n himmels, und des n ö r d l i c h e n meers) verpfändet, und dieser verbarg es in seinem berühmten grossen b r u n n e n (meer). Hier b e zeichnet also die Zuversicht Odins die sonne, die im nördlichen meer versteckt ist, oder darin untergeht. 7. Die formel v i t u ö e n n e ö a h v a t ? ( w i s s t i h r
aber
n o c h w a s wichtigeres, oder gefährlicheres'.') wird in der episch prophetischen poesie angewandt wenn, nach erzählung von wichtigen ereignissen, man zu noch wichtigeren dingen, oder zur hauptsache übergehen will (vgl. fr. II y a p l u s ; V ö i u s p ä , s. str. 2 2 ; 2 3 ) . Strophe 6 . 1 . D i s (kundige, besonders s c h i c k s a 1 s kundige; vgl. got. deisei,
einsieht, sansc. d h i t i , lat. d i s c o (f. d i - e s c o ,
einsichtig w e r d e n ; s . V i e l g e w a n d t s S p r ü c h e ,
s. 1 3 7 )
-102 Vorschaden - Lied, bedeutet jede mit höherer einsieht ins s c h i c k s a l begabte jungfrau oder frau, und bezeichnet hier die schicksalskundige elfin I d u n n (str. 2). 2. Der name I d u n n (zusammengesetztaus i ö , wieder, goth. ij), id, lat. i t e r u m , und unn,deutsch w o n n e , jahreswonne) bezeichnet die elfin welche das symbol ist der jährlich e r n e u t e n frühlingswonne(fr. renouveau). Sie macht dass der winter nicht ewig und ununterbrochen fortdauert, und dass die ganze Natur, aus dem Winterschlaf, freudig und wonnig, im frühjahr, wieder erwacht; sie ist die göttin der erneueruung, Verjüngung, Wiederbelebung. 8. I v a l d r (eibenwalter, ewigwalter; Ewald) ist das Symbol der in der Natur ewig waltenden l e b e n s k r a f t , die im winter zurückgedrängt werden kann, aber n i e völlig erstirbt, sondern sich erneut. Strophe 7. 4. eira (für ö r i a , ehren, schonend behandeln und beurtheilen, s. V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , s. 60, 67) mit i 11 a (schlecht) verbunden, drückt, ironisch, die üble aufnähme und schlechte Zufriedenheit aus. 2. Wegen des fem. pluralis v i s t u m (wohnsitzen) ist vaerri als cotnparatif zu fassen, folglich auch als solcher zu lesen; im positif müsste dafür vacrum v i s t u m stehen. Strophe 8. 1. N a n n a (f. nanda, rüstige; vgl. ferthi-nand, fahrtrüstiger; got. n a n ^ i a n , norr. nenna) hat mit dem griechischen n a n n o s (alter; mönch, und n a n n a alte;nonne) nichts gemein, und bezeichnet eine junge, r ü s t i g e , rasche person. Als eigenname bezeichnet N a n n a gewöhnlich die rüstige gemahlin des Baidur; hier ist es ein poe-
III. Textkritik und Worterklftrang.
i03
tischer a l l g e m e i n e r ausdruck um die I d u n n , die gemahn des Bragi, zu bezeichnen; vgl. f r e y ia und F r e y i a ; m e n g l ö d ( V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , s. 15). 2. Viggr (Yggr, Scheuer ; Ross) ist einer der ahnherren des Odin, welcher als zoomorphischer sonnen- und windgott, als bimmelshengst (sansc. a r v a n , v a d j a n , hengst) aufgefasst worden war (s. Fascination de Gulfi, s. 205). Odin, als durch ein ross symbolisirter windgott, trug auch den epithetischen namen Y g g r , so wie, als abkömmling .seines ahnen, den namen Y g g i u n g r A s a , (äsischer abkömmling des Scheuers; vgl. strophe 17 und IS und Völuspä, str. 22). Hier bezeichnet aber Viggr das himmelsross H r i m f a x i , welches den wagen der nacht zieht und im dunkeln norden wohnt. Strophe 9. 1. Statt Giallar s u n n a ist G i a l l a r s v a n n a zu lesen. Svanni (schwanhalsige) ist ein poetischer ausdruck für junges frauenzimmer (cf. hals, schwan, W e g g e w o h n t slied, s. 34), wodurch hier die I d u n n bezeichnet wird (s. str. 21). Da sie in Iotunheim in der nähe des unterirdischen flusses Giöll (Gellende; s. V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , s. 99) j e t z t verweilt, so heisst sie die s c h w a n h a l s i g e d e r Giöll. 2. Statt des unverständlichen gätt at f r e t t a ist gaetta at f r e t t a (die bewachte zu befragen) zu setzen. Ga;tta ist der accus, fem. des particip passif von g ae t a (bewachen). 3. b e r a k vi du (aussagen bringen) heisst freundschaftsgrüsse und rechtsgemässe bestätigungen oder b e g l a u b i g u n g e n darbringen, zum zeugnissfür das, was der hau pts p r e c h e r (frum kvödul) der gesandtschaft als hauptsache vorträgt; hier bedeutet es g r ü s s e überbringen. Das pre-
-104
Vorschaden-Lied.
terit b a r u (sie überbrachten) steht hier, dem sinne nach, für das futur: sie w a r e n gewählt, oder bestimmt, u m zu überbringen. Strophe 10. 1. Statt des einsilbigen singulars g a l d r ist der zweisilbige plural g a l d r a zu lesen, 1) d a m i t der erste halbvers die nöthige silbenzahl (wenigstens vier) enthalte, 2) w e i l die drei abgeordneten nicht e i n e n zaubersang, sondern d r e i , jeder einen, für sich, zu singen hatten. 2. Von g i n n a (f. ginda, schlagen, betäuben, bethöre n, vgl. lat. c o n t u s ) kommt g a n d r , m., (schreckhaft, zauberisch) und g a n d , n. (phantom, ungeheuer). Dazu gehört auch g u n n r (guör, kämpf, schlachl). 3. R ö g n i r und R ö g i n gehören zum selben stamme. R ö g n i r (umstellung von Reginn) bezeichnet den e i n z e l n e n g o t t als r a g e n d e grosse oder m a j e s t ä t ; hier bezeichnet es den vorsprech H e i m d a l als hervorragendes glied der gesandtschafl. R e g i n , im pluralisn., bezeichnet die götter als hervorragende Majestäten ; hier bezieht sich dieser name auf die beiden Ansen Bragi und Loki, die begleiter des Heimdal. 4. Da H e i m i als Thursenname nirgends vorkommt, so ist Heimis durch den Thursennamen G r i m n i s (vgl. Message de Skirnir, p. 152) zu bessern. R a n n G r i m n i s (behausung des Jotnen Grimnir) bezeichnet h i e r l ö t u n h e i m im allgemeinen. 5. Statt v e r a länga vego, ist v a r a 1. v. zu lesen; denn Odinn ersetzt, während der abwesenheit des gottwarts (goda vördr) Heimdal, diesen, in eigener person, als himm e l s b u r g s w ä c h t e r , und lässt deswegen auf lange strecken hinaus (länga vego) w a c h e halten (vara).
m . Textkritik and Worterklftrang.
405
Strophe 11. 1. Vitri heisst hier nicht allein der w e i s e r e unter den A n s e n , sondern auch der, als Wächter, v o r s i c h t i g e r e . 2. Von g l ö r a (hldra, wetterleuchten) stammt g l ü r i n n (hlurinn, durchblitzt), dessen umgestellte form h l u r n i r (vgl. r ö g n i r und r e g i n n , g r i m i n n und g r i m n i r , o f i n n und o f n i r , s. Message'de Skirnir, p. 213, 237) sich zu h l y r n i r gestaltet hat, und poetisch den h i m m e l bezeichnet, als welcher vom blitze durchzuckt wird. 3. H e i m r bezeichnet vorzugsweise die o b e r e weit (s. W e g g e w o h n t s l i e d , s. 32). 4. ä r t i ö (erndtezeit) bezeichnet den herbst oder die spätzeit des weltenjahrs, wo das bestehen des himmelsgebäudes (hlyrnir) zu ende geht. 5. ae fi (lebensdauer) bezeichnet hier speziell die zeit b i s z u der die unterweit (Hei) bestehen wird. 6. a l d a r tili (alterziel) ist hier das ende oder ziel, das, durch das schicksal, dem lebensalter der geschlechter der o b e r n weit (heims), gesetzt ist. Strophe 12. 1. Statt des corrupten unverständlichen t r o g u m h i a r n a r ist t r e g u m (trögum) h i a r t a (herzensbetrübnissen) zu lesen. 2. r i ö ö a steht für h r i ö d a (sie brechen durch). Strophe 13. 1. Statt af at r i T h u r s s ist af ei t r i Thurss(vomgifle des Thursen) zu lesen. Strophe 14. 1. Da hendr offenbar zweisilbig war und noch ist, so ist statt hendr besser h e n d i r zu schreiben. 2. äs h v i t i (weisse ans) ist eine relatif a l t e bezeich nung f ü r H e i m d a l , weil er, unter den AnSen aus der
106 Vorschaden-Lied. neunstündigen (neunmütterlichen) s c h w a r z e n nacht der erstgeborne des t a g e n d e n (weissen) frühmorgens ist (cf. hamoti). 3. Sverö äss hvita (schwerdt des Weiss-Ansen) ist ein eben so alter, wiewohl schon etwas an die spätere Skaldensprache streifender poetischer ausdruck für köpf (s. Fascination de Gulfi, p. 276; V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , p. 67). 4. Die abschrift des Erichsen gibt die bessere zweisilbige lesart: r e n n i r statt rennr. Statt örvit ist ö r v i t i , und statt glyv das zweisilbige g l y i a (freude) zu lesen. Strophe 15. 1. Statt des richtigen I o r m u n n (sansc. aryamän, germ. Irmin) haben die manuscripte die verdorbenen lesarten iorma, iorna. 2. Aus den lesarten I ö t n u m , i o l m u m , i o l m i m , hat Gunnarr Pälson, passend, I ö l n o m conjecturirt. I ö l n a r (sonnige) bezeichnet die götter als verwandte der sonne, welche hiöl (rad, scheibe) genannt wird. 3. Statt des richtigen k o m i n n u n d s o l l i n n des manuscripts E, hat man, filschlich, wegen des feminins I o r u n n (das man unrichtig statt I o r m u n n angenommen hatte) auch die femininformen kominund sollin eingesetzt. 4. Statt m u n ist zweisilbig m u n i (nach wünsch) zu lesen. Strophe 16. 1. Um die beiden alliterirenden silben im ersten halbverszu trennen, muss zwischen för und f r u m kvödull eine silbe, wahrscheinlich j)ä, eingeschoben werden. 2. G r e p p r (aufgeregt) ist ein epithetischer name für d i c h t e r , und bezeichnet hier den dichter B r a g i , den gemahl der I d u n n . Damit der halbvers die nöthige silben-
III. Textkritik und Worterklärung.
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zahl bewahre, muss nach dem einsilbigen g r e p p r eine silbe, etwa e n n , das durch den sinn erheischt wird, eingesetzt werden. 3. G r i m n i r ist hier nicht, wie bisweilen, der epithetische name Odins, sondern ein I o t n e n n a m e , der wie H y m i r das ganze Iotnengeschlecht bezeichnet. Grimnis ist nicht, wie man glaubte, abhängig von Greppr, als ob der gott Bragi hier als dichter d e s Odins aufgefasst wäre, etwa wie später die skalden im dienste der könige und grossen standen; Grimnis ist abhängig von g r u n d (boden, Wohnort). Strophe 17. 1. Da vom Ansen Vi dar (f. Vit-här, söhn des Odin) hier nicht die rede sein kann, so ist Viöars in V e ö u r s (Widder, als ein epithetischer name Odins) zu bessern. 2. j j e g n a r (Degen, engl. Thane) ist ursprünglich identisch mit degen als waffe, weil der freie b e w a f f n e t e m a n n , im gegensatz zum unbewaffneten unfreien, den namen s c h w e r d t (vgl. schwerdt mage) oder d e g e n trug. Degen heisst ursprünglich S t e c h e r (von d i g , sansc. t i d j , stechen, hervorstechen; cf. engl, s t a g , hirschals stechend mit seinem geweih). Strophe 18. 1. V i r t (Tür virkt) ist ein feminines substantif, gebildet vom adjectif v i r k r (thätig, geschäftig, besorgt), und bezeichnet die f r e u n d l i c h k e i t für einen gast, und die Zuvorkommenheit für einen freund (cf. v i r t a r v i n r , s. Söl a r l i o d , str. 13). 2. O n d v e g i ist der dem saal e n t l a n g gehende w e g , vom eingang bis zum h o c h s i t z , den der hausherr oder amphitrio einnimmt. Dieser längliche enge weg war t i e f e r gelegen als der übrige fussboden; er wurde deshalb
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Vorschaden-Lied.
mit einem f l u s s b e t t (angels. g l o f ) verglichen, das tiefer als die uferebene liegt, und erhielt deswegen auch den namen g o l f (für glof, s p a l t e , klamme, gluft, flussbett, vgl. g l i u f r ) . V i r t ö n d v e g i s ist die gaslfreundlichkeit, die vom hochsitz welcher sich am ende des g o l f oder des g e g e n w e g s (öndvegi) befindet, ausgeht. 3. D i a r ist nicht zu verwechseln mit t i v a r , welches der plural von t i v i (himmlisch), und von T y r (f. T i v r , Himmel, gr. Z e v s , lat. D j u - ) gebildet ist, und also die Götter als die H i m m l i s c h e n bezeichnet. D i a r ist der pluralis von einem alten adjectif d i i (verstehend, merkend, lat. d i - e s c o , ich werde verstehend, lerne), welches von einem noch älteren di (verstand, sansc. d h i , f. ä-dhii) abgeleitet ist. D i a r bezeichnet also die götter als I n t e l l i g e n z e n (vgl. sansc. d h i y a s a ) oder als Merker (cf. d i s , str. 7). Strophe 19. 1. Ueber s i ö t (gefolge) s. V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , s. 49. 2. R a k n a r (Beständige), plural von r a k i n n ( r a n n , beständig, abgeleitet von r a k richtung, s . V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , 93), heissen die götter insofern sie ihre willensrichtung und beschliessung energisch verfolgen. 3. Statt des falsch conjecturirten s k ö g u l , ist, den m a nuscripten nach, s k o l u g zu lesen. S k o l u g r (skölugr, skeligr) bedeutet g e s c h ä f t i g , tapfer (s. S v e i n b i ö r n E g i l s s o n Lexicon poeticum, p. 722). 4. Neben dem richtigen m i n n i s h o r n u m (gedenkhörnern) ist die lesart M i m i s hörnum zu verwerfen, weil 1) Mimir nur e i n horn hatte, und weil 2) aus dem Mimishorn zu trinken nicht a l l e n Ansen, sondern, durch besondere Vergünstigung, nur dem e i n e n Odinn verstattet war.
III. Textkritik und Worterklärung.
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Strophe 2 0 . 4 . Ueber den noch unerklärten namen H e i m d a 11, siehe Fascination
de Gulfi, p. 1 9 4 ; 2 7 5 ) .
2 . Die grössern meist befestigten tempel der götter, au erden, und folglich auch die heiligen Wohnsitze oder h e i ligthümer derselben, im himmel, hatten einen hofraum (hof) und hiessen deswegen selbst H ö f e ( s . V ö l u s p ä , 7). Die göttinnen hatten ursprünglich auf erden nur unbedeckte und unbefestigte, im wald angelegte opferstätten, mit aus stein (biod) oder aus holz errichteten heiligen altar-gestellen (s. V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , s . 1 3 8 ) . Dieser heilige platz hiess h ö r g r (har-ugr, h y r - u g r , h a u r - u g r , den feuerherdaltar enthaltend). Diesen namen erhielten später auch die auf erden bedeckten t e m p e l , und also auch die W o h n u n g e n (heiligthümer) der g ö t t i n n e n , im h i m m e l . D e s wegen bezeichnet hier H ä - g o d h ö r g a r (hochgötter des heiligthums) die in der wohnung der Frigg oder im V i n g o 1 f (Freund-geschoss) versammelten Ansen und Ansinnen. 3 . Da die beiden im Vingolf eingekehrten abgesandten Heimdall u n d Loki von den göttern und göttinnen über die resultate ihrer gesandtschaft befragt wurden, so ist vor L o k a , in den text o k (und) einzusetzen, welches beim dictiren oder r e c i t i r e n , wegen des assonirenden
Loka
überhört worden,^ und somit ausgefallen ist. 4 . S p r u n d , das ein neutrum ist, bezeichnet das frauenzimmer, entweder wie das deutsche s p r i n z , als ein aufgeschossenes schlankes r e i s (spriet oder spross), oder als eine s p r ö d e (gezierte, gespriesste), oder als eine s p r u d e l n d e lustige Springerin (vgl. spring-ins-feld). Hier ist es der epithetische namen der für spröde gehaltenen I d u n n . 5 . Das bisher sprachlich dunkle u n d o r n erkläreich folgendermassen. Germanisches und slavisches v a r ,
ent-
spricht dem sansc. g h a r (warm) und hat sich theils zu a r
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Vorschaden-Lied,
(vgl. a r i n n für alters varuns, got. a u r n s , lat. f u r n u s feuerherd), theils zu o r abgeschwächt. Daher das adj. o r n , got. a u r n , angels, o r n in der bedeutung von h i t z i g , hitziges; angels. o r n l i k (hitzig, kräftig, stark), u n o r n e (unhitzig, kalt, abgelebt), u n o r n l i k (kalt,¡abgestorben). O r n (hitziges, hitze) bezeichnet, speciell, die m i t t a g s h i t z e oder den m i t t a g , als die zeit wo die tageswärme am stärksten ist. Andererseits .bedeutet u n d das untere; so dass u n d o r n (got. und-aurns) die zeit bezeichnet wo man u n t e r dem höchsten grad der tageswärme ist, also eben so gut die mitte des vormittags als die mitte des nachmittags. Deswegen kann got. u n d a u r n i - m a t s (angels, undernmete) das vormittags- und auch das n a c h m i t t a g s m a l bezeichnen, je nachdem man im gebrauch hatte durch u n d - o r n den vormittag oder den nachmittag auszudrücken. Im norrsenischen bedeutet u n d o r n vorzugsweise die n a c h mittagszeit oder die mittelzeit zwischen mittag und abend (vgl. V ö l u s p a , str.6); u n d o r n of f r a m h e i s s t also hier von nachmittag an abwärts bis zum abend. 6. U n d s , gewöhnlich u n z geschrieben, ist abgekürzt von älterm Superlativ u n d s t . Strophe 21. 1. E r i n d i n. heisst ende(resultat) d e r b o t s c h a f t ( e r i ; vgl. a r i botschafter), der e r k u n d i g u n g , d e s g e s c h ä f t s . E r i n d i s l e y s a bedeutet also mangel des botschaftsresultats. Wörtlich übersetzt lautet die halbstrophe so: sie äusserten sicli (letu) dass es sich gewendet habe zu schlechtem (illa ordit hafa) und zu einem wenig rühmlichen mangel an botschaftsergebniss (ok litil fraega erindisleysu). 2. Von s v ä n r (f. s v a k n r , gr. kuknosfür §valmos, hell e r ) ist regelmässig das adjectif s v ä n i n n (schwanen) gebildet, dessen feminin s v a n i n lautet. Durch Umstellung konnte sich, aus svanin, s v a n n i bilden (vgl. g r i m n i r f ü r
III. Textkritik und Worterklärung.
iU
griminn). S v a n n i wird aber als ein schwaches mascrulin. adjectif gebraucht, wobei man sich ein männliches substantif wie etwa h a l s (hals), p e l z (hamr) hinzudachte, so dass-das wort s v a n n i eigentlich s c h w a n e n h a l s oder s c h w a n e n pelz bedeutete, und poetisch das frauenzimmer bezeichnete, das einen schwanenhals hatte oder ein schwanengefieder trug (vgl. h a l s für schwan, schwanfrau, schwanenjungfrau, V e g t a m s k v i d a , str. 35). Strophe 22. 1. Das schwache adjectif-substantif ö m i (murmelnd) bezeichnet den Odinn, insofern er, bei einem geschäflt, geheimnissvoll, zurückhaltend und zur Verschwiegenheit geneigt, leise spricht oder m u r m e l t . Im sanskrit beginnt jedes werk mit der silbe 6 m , als aufforderung das lesen anzufangen mit einem m u r m e l n d e n , mentalen gebet, das besonders an die gottheit alles anfangs gerichtet ist. Strophe 23. 1. Das perfectum r a n n hat hier, wie öfters, die bedeutung des plusquamperfects (er war bereits gerennt). — R ö s t u m bedeutet nicht allein die r a s t e n oder punkte wo man rastet, sondern auch die s t r e c k e n z w i s c h e n den ruhepunkten (cf. russ. v e r s t ) . — Die strecken der R i n d u r sind die strecken am himmel von V a n a h e i m , weil Rindur aus Vanaheim war. Vanaheim lag aber am w e s t l i c h e n himmel gegen abend zu. Daher wird gesagt dass Rindur in den W e s t s ä l e n hausste (s. W e g g e w o h n t s l i e d , s. 73) — M e ö r ö s t u m bedeutet hier nicht l ä n g s den rasten (von anfang bis zu ende), sondern blos b e i den rasten, so dass der sinn ist: Er hatte b e g o n n e n in oder bei den weststrecken zu rennen, oder war im begriff bei ihnen anzulangen. 2. Da der halbvers wenigstens vier silben enthalten
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Vorscliaden-Lied.
muss, so ist, statt der lesart m o ö r , der comparatif moeö r i (müder) zu setzen, welcher aussagt dass Er (Mond) schon etwas ermüdet war oder m ü d e r als zu anfang seines laufes. 3. Statt des sinnlosen zweisilbigen fö ö r 1 a r ö r ist zu lesen f ö ö u r l a g i ö r (alsfrass vorgelegt) oder f ö d r i l a g i ö r (zum frasse durchs schicksal bestimmt). 4. Statt f i n r i s v a l d a ist zu lesen f i r i n s v a l d a (dem schrecknisses-walt, der das schreckniss waltet oder b e wirkt). Dieser schrecknisswalt ist der wolf H a t i (Gehässig) oder der M a n a g a r m r (Mondverschiinger), der dadurch schrecken bewirkt dass er den mond hart bedrängt, und demselben theile von seinem körper monatlich ausfrisst, welche ihm so als frass bestimmt sind, bis er ihn, am ende der tage, ganz verzehrt. Die halb-strophe sagt also aus dass der Mond (Mäni), der dem S c h r e c k n i s s w a l t zum frasse vorgelegt (vom schicksal bestimmt) ist, bereits, in seinem zur hälfte vollbrachten lauf von osten nach westen, e r m ü d e t e r als vorher, angefangen hatte in den we st s t r e c k e n des himmels zu rennen, was eine poetische Umschreibung ist, um auszusagen dass es ohngefähr mitternacht war, als die götter das gastmäl aufhoben. 5. Das masculinum g i 1 d i ist hier nicht der datif vom neutrum gil di (gebühr), sondern der datif vom masculinum gil d i r (gebührertheiler; angls. g i l d e n d , gastgeber), der seinen untergebenen und gasten die gebühr (die ihnen als hausgenossen gebührende verköstigung) und, in gewissen fallen, das ihnen schuldige gastmahl ertheilt. Hier bezeichnet g i l d i r den Odinn als amphitrio. Das neutrum g i l d i ist der den göttern, für ihre wohlthaten, s c h u l d i g e oder zu entgeltende opferschmauss (vgl. o r b ö d a ; V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , s. 67), und hat erst später die bedeutung von f e s t e s s e n i m allgemeinen (cf. engl, g u i l d h a l l ) angenom-
III. Textkritik und Worterklärung.
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men. Da, im deutschen, g i l d e n schuldiges entrichten bedeutet, so ist g i l d e eine association wo jedes mitglied das zu entgelten oder zu zahlen hat, wozu es sich verpflichtet hat. 6. H r o p t r wahrscheinlich für älteres H r o p u ö r (Raufwind) bezeichnet den .Odin als gott des rauf- oder ropfwindes (vgl. Suttr f. Svipudr, Suptr; S u t t u n g r abkömmling des Svipudr). 7. S e m H r i m f a x a f ö r ist zu erklären: zugleich w i e (sem) Hrimfaxis fahrt, das heisst zugleich mit der anfahrt des Hrimfaxi. Würde man f ö r statt f ö r lesen, so müsste auch zugleich (was hier nicht nöthig ist) der genitif Hrimfaxa durch den nominatif H r i m f a x i ersetzt werden. Strophe 24. 1. Statt des zweisilbigen genitifs D e l l i n g s ist der dreisilbige schwache genitif D e l l i n g a zu lesen. 2. I a r k n a s t e i n (anglos. eorknastän, eorklanstan, altd. e r c h e n - s t e i n ) ist, meiner ansieht nach, folgendermaassen zu erklären. Der indische gewitter- und donner-gott P a r d d j a n i a s (Regengussliebend) wurde, bei den Slaven, z u m P e r k u n u s , bei den Scandinaven, zum F i ö r g y n n (Friccon), bei den Griechen, zum H e r k u n o s (später ersetzt durch Herakles, Herakulos), und bei den Lateinern zum H e r k u l e s . Die herkunischen wälder und gebirgszüge haben ihren griechischen namen vom D o n n e r , und heissen D o n n e r w a l d und Donnergebirge (s. Fascination de Gulfi, p. 254, 302). Die Goten, durch namenähnlichkeit verleitet, bezeichneten den griechischen H e r k u n o s und Herakulos, mit A i r k n i s (Ehrwürdig, sansc. a r t c h a n i y a s ) , die Angelsaxen m i t E o r c a n u n d E o r c l a n ; und da die götternamen, wie T y r , I o r m u n , R e g i n etc., dazu dienten das mächtige, starke, gute und edle zu bezeichnen , so bedeutete das concrete a i r k n i s , später wiederum, als 8
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Vorschaden-Lied,
adjectif, abstrakter gebraucht, h e i l i g , e d e l , e c h t . Deswegen benannte man die e d e l steine früher concret H e r k u l e s - o d e r d o n n e r s t e i n e (norr. i a r k n a s t e i n ) ehe man sie, später und abstrakt, e d e l steine nannte; und, so wie man sagte T y - s p a k r (gott-weise), Ty b a l d r ( g ott-kühn), für g ö t t l i c h w e i s e etc., so sagten die Franken auch A r c h e n b a l d (Hercules-kühn), die Angelsachsen E o r k e n b e o r h t (Herkulesglanz). Man nannte auch in Deutschland einen gewissen edelstein d o n n e r s t e i n oder r e g e n s t e i n (s. L i e b r e c h t Gervasius von Tilbury, s. 146; Heidelberger Jahrb. 1863, s. 584; s. K o n r a d v o n M e g e n b e r g , Buch der natur), und in England übersetzte man das griechische T o p a s i o n (Psalm. 118, 127) durch das angelsächsische e o r c a n s t ä n , wahrscheinlich in der allgemeinen bedeutung von edelstein. Strophe 25. 1. I i a ö a r n y r ö r a ( a u f den nördlichen erdrand) darf nicht in i o d y r n o r ö r a (Himmelross-thür) umgeändert werden; denn es ist hier nicht von der im west-norden u n t e r g e h e n d e n s o n n e die rede; im gegentheil ist, in der vorigen Strophe, die sonne als a u f g e h e n d dargestellt; so dass, wie es hier geschildert wird, die n a c h t nun für alle n a c h t w e s e n angetreten ist, und diese wesen sich schlafen gelegt haben, im augenblick wo die sonne, welche ihnen verhasst ist, a u f s t e i g t . 2. A ö a l j D o l l r . — Die verwandten Wörter jjollr, Jjöll, t>ella gehören zur sippe Jml (tragen ; gr. A t l a s , Träger, lat. t u l i ; deut. dulden) und bedeuten ursprünglich t r a g b a l k e n (vgl. äs, cf. Hymiskv.), dann bäum s t a m m , endlich b ä u m , speziell den f i c h t e n b a u m . A ö a l n. bedeutet geburt, u r s p r u n g , dann die durch den ursprung gegebene n a t u r (iat. n a t u r a , ursprung, beschaifenheit);
III. Textkritik und Worterklärung.
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endlich die gute edle natur, den adel. A ö a l J j o l l r hat also die bedeutung von edler n a t u r - s t a m m , und bezeichnet hier den lebensbaum, die Esche Yggdrasils (s.
Fasci-
nation de Gulfi, p. 224.) Strophe 26. 1. Die schwachen feminina Niöl und N i ö l a sind d ; minutivformen für früheres H n i g u l und H n i g u l a (Kleine s i n k e n d e ) , und bezeichnen die noch kleine oder anfangende nacht (sansc. nig, Senkung, lat. n o c t - s neigung). Auf gleiche weise sagt man dögull (kleiner tag, früh-morgen), d e l l i n g r (f. dogulingr söhn des kleintags), r ö d u l (kleinroth, morgensonne), lat. dilu c u l um (kleine durch leuchtung), c r e p u s c u l u m (kleine dämmerung, creperum), fr. aubette (petite aube), petit jour, etc. Es ist mir wahrscheinlich dass die nordische Niöla (Alvismäl 3) in sprachlichem und mythologischem verhältniss steht mit der littauischen N i i o l a , welche eine göttin der N a c h t , der Unterwelt, und die gattin des P o k l u s ist (s. Narb u t t , 4, 66). 2. Statt u p p r a n n är G i ö l l ist bestimmt u p p - n a m Argiöll zu lesen. Dielesart upprann ist zu verwerfen, weil r e n n a gewöhnlich weite strecken in der luft schnell durchrennen bedeutet, und von der sonne, dem mond, und den gierig sie verfolgenden ungeheuern, gebraucht wird. Dieses verbum passt aber hier nicht auf H e i m d a l , der ja die ganze nacht in H i m i n b i ö r g wache gehalten, und sich, am morgen, von dieser warte, nach Asgard, nicht w e i t , nicht s c h n e l l , und auch nicht h i n a u f (upp), zu entfernen brauchte. Uppnam (aufnam, aufhob), hingegen, ist die durch den guten codex E gesicherte lesart. Die thüre (grind) ist nämlich gleichsam ein deckel, den man, beim thür-öffnen, a u f n i m m t oder a u f h e b t (hefr frä hliöi).
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Vorschaden-Lied.
Deswegen wird hier gesagt dass Heimdali die Himmelsthür, A r g i ö 11 (Frühgelle) genannt, au f n a m, das heisst ö f f n e t e. 3. Ueber Argiöll (Frühgelle) siehe V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , s. 100. 4. Statt der starken form horn-])yt-val d r ist die schwache form horn jjyt valdi zu lesen, weil der halbvers wenigstens vier silben enthalten soll.
IV. ÜBERSETZUNG. Vorschadon - Lied. (Der Odins Raben Orakelsang.) 1. (Hugin s a n g : ) « Allvater beklagt es; — Alfen merken es; (Munin s a n g : ) « Waneri wissen es; —. Nornen bedeuten es; (Hugin s a n g : ) « Eib'wald'ne erzieht e s ; — Geschlechtsalter bringen es; (Munin s a n g : ) « Thursen verlangen e s ; — Walkyrien wünschen es. »
2. Böse ahnung hiervon entnahmen die Ansen; nicht stimmten die wurfstäb' zu der Wichtin orakel: «dass den Geist-erreger soll' überwachen die Urdur, « die vermag zu wehren dem grössten verlust.» 3. Hauch eilet behend; strebt nach den Himmeln; dem Schutzherrn schwant, wenn Er weilet, verderben. Den Thräin bedünkt's es seien « Gewichtsträum'»; « Einbildungsträum'» dem Däin sie dünken.
Hg
Vorschaden-Lied.
4. Bei den Zwergen der weiten kräfte schwinden; deren kinder hinab zu Betäuber sinken; sie Allgewandt mehrmals hinunter fallet; die gesunk'nen er mehrmals wiederum sammelt.
5. Strand und Kleinroth nicht mehr halten sich stand: noch luft und blitz auslaufen zu strömen; es birgt sich im hehren brunnen des Mimir, des Wehrhaften einsieht. — Doch wiss't ihr noch melr! ? 6. In den tiefen nun weilt die prophetische Weise . heruntergesunken von Yggdrasils Esche; die Alfengeschlechter nannten sie Idun, die jüngte von Iwalds altern kindern.
7. Bei dieser herabfahrt, behag't es ihr schlecht dass gehalten sie unter des Graubaums stamme; bei des Nörvi tochter, sie nicht heimisch war, gewöhnt an der Welten froheren Wohnsitz. 8, Die Sieggölter seh'n die Rüst'ge sich härmen. — In des Scheuers statten man den wolfsbalg ihr reiclt'; sie liess sich h i n m t h o n , tauscht' u m ihr gemüth; sie spielte i»it trug, verändert' ihr äuss'res. —
9. Wetterer wählte den Bebestreck'-wart, die bewachte Schwanin der Giöl) zu befragen: « was über jedwede weit sie w i s s e . » Bragi und Lopt sollen grüss' überbringen.
IV. Uebersetnmg.
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10. Da raunten sie zauber; auf gespenstern ritten, der Vorsprech und die Räth', zu Grimnis behausung. Odin, derweil', in der Thürhütte lausehet; Hess weithin," draussen, die wege verwahren.
11. Die Spend'rin der kraft befrag dann der Weis're der Göttersöhn' und der Reisegenossen, « ob des Durchblitzten, der Hei, und der Obwelt sie kenne « die Herbstzeit, Lebensdauer, und das Alterael. »
12. Nicht sprach sie auf wünsch, noch konnte sie wort« den gier'gen ertheilen; keinen laut sie ausliess; aus herzensbetrübniss sich thränen sammelten; mit vorsatz verdeckt, brechen sie wieder hervor.
13. Sogleich kam aus ost, von Sturmwogen her, des reifkalten Thursen giftiges reiss, womit Däin alle Völker schlägt, im herrlichen Mittgart, bei jeglicher nacht.
14. Da ersterben die thaten, die hände erschlaffen, es wanket, vom Schwindel, des Weiss-Ansen schwerdt; der Zaub'rin Freud' übergiesset, betäubend, mit geistesausschweifen, die meng' allzumal.
15. Schon dünkte den Sonn'gen Irmin gekommen trauervoll, da sie keine antwort erlangt: sie drangen so mehr drauf als weig'rung davor stand — doch minder, nach wünsch, die beredsamkeit wirkte.
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Vorschaden - Lied.
16. Der Vorsprech der anfragungsreise rückkehrte als hüter, zu Heerliebs Geller-horn; mit nam er den sprössling der Näl zum begleiter; doch des Grimnis wohnsitz bewahrte Erregter. 17. Des Widders degen den Vingolf erreichten, von Forniot's sippen beide getragen: Sie treten hinein, die Ansen zu grüssen, sogleich, beim bierfrohen mahle des Scheuers. 18. « Dass heil der Häng-Gott, der Ansen glücklichster, « des hochsitzes gastlichkeit übe! » sie wünschten, « dass selig beim trinkgelag sitzen die Seher, « beim Scheuer-spross stets sich die wonne bewahren! » 19. Auf bänke vertheilt, nach Böswirks anweisung, am Seereif nen sich sättigt' das Räthe-gefolg, bei den schüsseln geschäftig. Das Schaftkar des Hnikars maass aus, vom meth, in andenkenshörnern. 20. Der mahlzeit über, erfrugen manches von Heimdal und Loki, des Heiligthums Hochgötter, « ob gesicht' und Sprüche verkündet die jungfrau, «im nachmittag, eh' es zu dunkeln begann.» 21. Diese äusserten sich « dass es schlecht ausgefallen, « erkundigungsbaar, und wenig zu rühmen; « es würde noth thun, mit list zu verfahren, a damit von der Schwanfrau antwort erfolgte.»
IV. Uebereetrung.
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22. Murm'ler da sprach — auflauschten alle —: « die nacht muss man nehmen zu neuer berathung; « drauf sinne bis morgen, wer immer vermöge, « zu der Ansen rettung, rath vorzulegen!» 23. Bei den rasten der Rindur rannte schon, matter, der dem Schrecknisswalt zum frasse bestimmte ; weggiengen vom Wirthe, die Götter; — sie grüssten, bei Hrimfaxi's anfahrt, den Hropt und die Frigg. 24. Es stachelte vorwärts der Täglings söhn das mit erchenstein theu'r besetzte ross; des Trappers mahne über Männerheim leuchtet; der Läufer zog Dvalins gespiel im gefährt. 25. An des Sonnengrundes nördlichem rande, hinab zu des Adelstamms äussersten wurzel, zur ruhe sanken Gäuchinnen, Thursen, Verblich'ne, Zwerge, und Dunkel-Elfen. 26. Aufstunden die Räthe; Elfröthel anrückte; zu Nebelheim drängt' sich Niöla gen norden. Frühgelle eröffnet Wolfrunens sprössling, der horndütewalt von Himmelgebirg'.
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V. E R K L Ä R U N G zur Ü B E R S E T Z U N G . Titel. Ueber die beiden titel des gedichts, siehe s. 95. Der ältere titel Vor s c h a d e n - lied drückt aus dass das gedieht vom v o r s c h a d e n handelt, den die Ansen durch den h e ra b f a l l der I d u n erleiden, und desshalb ein orakel von dieser göttin begehren. Der spätere titel Odins R a b e n o r a k e l s a n g ist einzig und allein deswegen gewählt worden weil das gedieht mit diesem orakelspruch b e g i n n t . Strophe 4. (Der Odins Raben orakelsang.) 1*. Die O d i n s - R a b e n . — In dunkler voraussieht des stets bevorstehenden götter- und welt-untergangs, suchte Odin frühzeitig und lange vorher, sich auf diesen letzten kämpf vorzubereiten, um, womöglich, ihn siegreich bestehen zu können. Er sorgte vorzüglich dafür, sich, im laufe der Jahrhunderte, mitkämpfer und beistand zu gewinnen, durch die im kämpfe gefallenen krieger und helden, welche in seiner W ä l h a l l e aufgenommen werden, unter dem namen der E i n z i g e n H e e r l e u t e (Einheriar) sein heer vermehren, und, im letzten furchtbaren kämpfe, ihm beistehen sollten. Um diese helden würdig zu empfangen und für ihren empfang immer gerüstet zu sein, wollte er, stets von allen auf der erde bereits v o r g e f a l l e n e n , so wie von
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Vorschaden-Lied,
allen noch b e v o r s t e h e n d e n in kurzem stattfindenden kämpfen, täglich benachrichtigt sein. Deswegen hielt er sich z w e i raben, welche als schlachtenvögel, jeden morgen, in alle länder ausflogen, bei allen schlachten zugegen waren, und ihrem Herrn, jeden abend, von den v o r g e fallenen, oder auf den nächsten tag a n g e s e t z t e n kämpfen nachricht brachten. Der rabe der der bereits stattgehabten kämpfe g e d a c h t e hiess der G e d e n k e n d e (Huginn); der welcher die noch bevorstehenden h e r b e i w ü n s c h t e , der W ü n s c h e n d e (Muninn). Diesen unterschied der zwei raben scheinen die beiden verse ( S n o r r a E d d a , s. 322) « flugu hrafnar tveir af Hnikars öxlum Es flogen zwei raben von Wieherer's achseln, « Huginn til hanga, enn 1 hrse Muninn, Hugin zu gehängten und zu leiclien Munin, zu kennen und auszudrücken; denn sie sagen aus dass H u g i n hinfliegt zu den im kämpfe g e f a n g e n e n , und dem Odinn, als geweihte, a u f g e h ä n g t e n , während M u n i n n hinfliegt zu denen die bald im kämpf zu leichen (hrae) w e r d e n sollen. Beide raben, als schlachtenvögel auf ihren weiten apsflügen alles sehend, und witternd, hatten, in den letzten Zeiten, ausserordentliche bewegungen in den verschiedenen weiten bemerkt, und wussten welch schrecklicher kämpf gegen die götter sich überall vorbereitet. Als seher der verhüllten Zukunft suchten sie ihre ahnungen und befürchtungen den Ansen beizubringen, und sie aus ihrer unthätigen traurigkeit zur handlung aufzuwecken. Sie kamen eines abends nach Wälhall, und verkündeten, in der Versammlung der götter und göttinnen, e t w a s sehr bed enkliches. Dieses etwas (in der Übersetzung durch es ausgedrückt) war der bevorstehende kämpf der sich vorbereitet, und der mit dem götter- und welten-untergang endigen sollte.
V. Erklärung zur Ueberoetzung.
-(23
Während die weissen schwane als weis sage -vögel glückliches verkünden, so sind die schwarzen raben, ihrer natur nach, kämpf, krieg, und tod voraussagende vögel. Als seher der zukunft sprechen hier die raben singend oder declamirend, einer nach dem andern (s. s. 97), im gemessenen höhern o r a k e l t o n . Da die zukunft, selbst auch für den s e h e r , immer noch undeutlich bleibt, und nach dem willen des schicksals nie ganz k l a r dargelegt werden darf, so besiehtauch hier der R a b e n o r a k e l s a n g aus kurzen allgemein gehaltenen, d u n k e l n andeutungen. Die dunkelheit des orakelsangs besteht darin dass, in demselben, das objekt (der götter- und welten-untergang) n i c h t ausgesprochen ist. Dies objekt ist also ein räthsel ( g e t a , goth. f r i s a h t s , altd. t u n c h l i . s.Les Getes, p. 448). In räthsel form dargestellt würde der orakelsang folgendermaassen lauten: Was ist wohl das was Allvater beklagt; Alfen merken, Wanen wissen, Nomen bedeuten, Eibwald'ne erzieht, Geschlechtsalter bringen, Thursen verlangen, Walkyrien wünschen? Antwort: der götter- und welten-untergang, und dessen v o r s c h a d e n , der fall der Idun. 2. E r s t e r a u s s p r u c h d e s Hugin. — Odinn trägt darin den bezeichnenden namen A l l v a t e r . Als solcher ist er hier der vater, der schöpfer, beschützer, und erhalter a l l e r gottheiten und aller Oberwelten. Ihm liegt es besonders ob, für die erhaltung des Weltalls bedacht und besorgt zu sein. Als w e i s s e s t e r der Ansen hat er auch, am meisten von allen, einsieht und vorsieht, und errathet früher als sie, was allen in der zukunft bevorsteht, nämlich den bedenklichen grossen kämpf gegen die feindlichen gewalten der Zerstörung. Dieses bedenkliche macht ihm zu schaffen;
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Vorschaden-Lied.
obgleich gott, muss er es ertragen — daher heisst es : Allvater beklagt es. Die Alfen sind die personnificationen der leuchtenden Sternen, gestirne, und der wohlthätigen meteorologischen erscheinungen des himmels. Da einige Ansen, wie zum beispiel der Sonnengott Bal dur, auch zu den Alfen gehörten, so sind Ansen und Alfen, durch Verwandtschaft und gemeinschaftliches intéressé, an der bestehenden weltordnung manchfach mit einander verbunden. An einsieht stehen die Alfen, als lichtwesen, noch über den Ansen, den Allvater ausgenommen. Deswegen wird der Ansen hier nur in der person Odins gedacht; von den Alfen, hingegen, wird gesagt dass sie, alle, den Weltuntergang aus bestimmten thatsachen schliessen oder merken. — Die Alfen m e r k e n es. 3. Zweiter das unglück näher b e z e i c h n e n d e r ausspruch des Munin. — Die Wanen sind ursprünglich eine götterrace der S l a v e n , und waren somit die nebenbuhler der Ansen. Einige der Slaven-gottheiten, wie Niörör und R i n d u r , F r e y r und F r e y i a , sind in die familie der Ansen aufgenommen worden (s. Le Message de Skirnir, etc., p. 18), und somit hat sich die ursprüngliche feindschaft zwischen Ansen und Wanen in freundschaftsbündniss verwandelt. Indessen tragen, nach dem mythus, die Ansen immer die alte schuld, die friedlichen Wanen zuerst angegriffen und bekriegt zu haben (s. Poèmes islandais, p. 497). Die Wanen zeichneten sich vor den Ansen durch ihr zauberisches siebdrehen (seidr) und prophetisches wissen aus(Skirnisför. 17); und, nachdem Mythus, ist ein theil der ansischen Weisheit erst als erbstück von den Wanen auf die Ansen übergegangen (s.Thrymsk v i da, 15). Deswegen ist hier gesagt sie wissen, bestirtimter als die Ansen und Alfen, dass die götter und weiten mit Untergang bedroht sind; — Wanen wissen es.
V. Erklärung zur Uebersetzung.
-(27
Die N o r n e n sind die eigentlichen mächte welche, nach dem schluss des schicksals (urlag), die schicksale unter alle wesen vertheilen und austheilen. Sie wissen also auch was das schicksal, hinsichtlich des götter- und welten-untergangs, beschlossen hat, und, befragt oder unbefragt, d e u t e n sie ihn an, oder d e u t e n daraufhin; — N o r n e n b e d e u t e n es. 4. H u g i n ' s a u s s p r u c h w e i s s t b e s t i m m t e r a u f die g e f a h r h i n . — Nach dem Mythus gab es neun weiten (s. Poemes isl., p. 222), und, in jeder weit, einen E i b e n w a l d (ividr,s. kritische notes. 97). Die wilden waldweiber, welche in diesen ewigen wäldern haussten, hiessen die E i b e n w a l d i n e n oder E i b w a l d ' n e n (Iviöiur). Der Eibenwald in Iötunheim hiess speziell der E i s e n w a l d (Iarnviör), weil die eibenbäume darin e i s e r n e ( i a r n f. aiasin, vgl. sansc. ayas dauer), das heisst dauerhafte waren. Die Eisenwaldenen und die Eibenwaldenen von Jotenheim sind den Ansen und den Oberwelten gefährliche und feindliche wesen. Eine derselben ist die mutter der riesigen wärwölfe, S k o l l und H a t i ( M a n a g a r m u r ) g e n a n n t ( s . Fascination de Gulfi, p. 211). Eine andere, die A n g u r b o d a , gebar die drei ungeheuer den F e n r i s w o l f , die M i t t g a r t sch l a n g e , und die scheussliche H e i , und zog sie g r o s s , zum verderben des Weltalls. Diese Angurboda ist hier gemeint und bezeichnet als die Eibenwaldene welche den Weltuntergang, das heisst, ihre denselben herbeiführenden gefahrlichen k i n d e r , a u f und heran oder gross z i e h t ; Eib'wald'ne e r z i e h t e s . Die geschlechtsalter, oder die aufeinander folgenden geschlechter, und Zeiten verlaufen nach und nach, und bringen endlich, nach dem beschluss des schicksals, die von den Ansen gefürchtete weltkatastrophe herbei. Geschlechtsalter bringenes.
128
Vorschaden-Lied.
5. M u n i n w e i s s t b e s t i m m t auf k a t n p f h i n . — Die T h u r s e n sind ursprünglich die ä l t e s t e race der J o t n e n , viel älter als die eigentlichen spätem J o t n e n , und als die gleichfalls jüngern B e r g r i s e n . Als representanten aller dieser racen gelten sie hier für die eigentlichen feinde der götter- und der menschenweit, nach deren Untergang sie von natur v e r l a n g e n t r a g e n ; daher der ausspruch: T h u r s e n v e r l a n g e n es. Die W a l k ü r e n die, nach der Verordnung der Urdur, der austheilerin der schicksale, den w ä l küren, d. h. diejenigen die auf der wälstatt getödtet werden sollen, auswählen, und nach W ä l h a l l e abführen, liegen, im interesse ihres vaters Odins (s. s. 123) ihrem geschälte mit solcher leidenschaft ob, dass sie überall, wo man sich schlägt, gegenwärtig zu sein w ü n s c h e n . Obgleich sie den grossen weltkampf, worin die Ansen untergehen sollen, weder voraussehen, noch sich, wegen Odin, darauf freuen können, so betont bedeutungsvoll das letzte wort des Orakels doch den gedanken, dass es hier sich um einen k ä m p f handelt, den die kriegerischen Wälküren, eben weil es ein kämpf, immer geneigt sind zu wünschen; daher der ausspruch: W a l k ü r e n
wünschenes. Strophe 2.
(Das orakel der Wicbtin.) 1. Aus diesem in der vorigen strophe vorgetragenen orakelspruch der raben entnahmen die Ansen b ö s e ahnung, erstens weil der spruch von unheilverkündenden raben (s. s. 125) gesprochen worden, und, zweitens, weil sie einigermaassen mit einsieht in das schicksal begabt waren, und bereits einen grossen verlust durch den t o d Baldurs (s. s. 84) erlitten hatten. Sie kannten aber nicht den g r ö s s e r n verlust, der sie bald darauf treffen sollte,
V. Erklärung zur Uebersetzung.
12!)
nämlich den f a l l der I d u n n von Yggdrasils lichthöhen, herab in das kalte, düstere Jotnenheiin. Da Idun die u n s t e r b l i c h k e i t s ä p f e l bewahrte durch deren genuss die Ansen, jedes jähr, sich wieder verjüngten, so war der niederfall dieser göttin mit ihren äpfeln, in das gebiet der feindlichen Jotnen, der vorbote der kraftabnahme und des lebensverlustes für die götter. Dieser niederfall war aber bereits noch nicht eingetreten, und die Ansen, durch das rabenorakel aufgeschreckt, fürchteten, wenigstens von dieser seite, keine gefahr, und nahmen auch dagegen keine maassregeln. Bei ihrer rathlosigkeit übersahen sie oder verstunden nicht einen dunkeln ausspruch, den eine W i c h t i n oder ein Jotnenweib, wahrscheinlich die Angurboda, gethan hatte. Sie verstunden ihn nicht weil er nicht zusammenstimmte mit dem orakel welches sie vermittelst r u n e n s t ä b e n (s. s. 98) erhalten hatten. Dieser ausspruch sagte aus dass die schicksalsgöttin U r d u r sollte, in ihrem brunnen, den unsterblichkeits t r a n k bewahren, den die Ansen den Jotnen entwendet hatten. Er deutete also darauf hin dass die Ansen die unsterblichkeits ä p fei der Idunn verlieren würden, und deswegen dafür sorge tragen sollten, wenigstens den Unsterblichkeitstrank sich zu wahren, der den g r ö s s t e n Verlust, nämlich den l e b e n s verlust, noch einige zeit, abwehren könnte. Da aber die Ansen die geheimrede der Wichtin nicht verstunden oder beachteten, und nicht an die möglichkeit dachten dass die Idun mit ihren äpfeln ihnen einst fehlen würde, so benutzten die Jotnen diese ihre rathlosigkeit um den fall der Idun herbei zuführen. Strophe 3. (Der Jotnen erste anschlage gegen Idun). 1. Durch den tod Baldurs war der hochsommer verschwunden; das jähr neigte sich zum h e r b s t , wo die
-130 Vorschaden-Lied. J o t n e n , nach dem ihnen verhassten sommer, anfangen wieder etwas aufzuleben. Da die Ansen keine vorsichtsmaassregeln zum schütze der Idun ergriffen hatten, so unternahm, ohriefhinderniss und mit eile, der Reifthurse H a u c h , noch vor Winteranfang, in die obern himmel, wo diese göttin wohnte, einzudringen, und sie durch seinen kalten h a u c h zum niederfall zu bringen. H a u c h ist der kalte w i n t e r h a u c h ; er ist der diener des L o k i von A u s g a r t ( s . Fascination de Gulfi, p. 322). So wie S k i r n i r (der klärende frühlingswind) der diener und böte des sommergottes Freyr ist(s. Voyage de Skirnir, p. 110), so ist H u gi der kalte vorbote des hochwinters, der das naturleben erkaltet, abschwächt, und abtödtet. H u g i unternimmt es die lebenskräftige I d u n durch seihen hauch so zu schwächen dass sie kraftlos, von der höhe des lebensbaumes, in die Jotnenwelt herabsinkt. 2. Bei dem eindringen des H u g i in die obern himmel, überfällt den O d i n , der hier als S c h u t z h e r r der Ansen dargestellt ist, böse ahnung; er befürchtet dass, wenn der jotnische dämon in diesen regionen länger v e r w e i l e t , er der Idun gefährlich werden und somit der weit und dem göttergeschlecht grossen schaden zufügen wird. 3. So wie das leben, in dernatur überhaupt, unaufhörlich durch verderbende kräfte beeinträchtigt wird, so nagen auch am lebensbaum (an der Yggdrasils esche) parasitische mächte, die, ohne gerade f e i n d l i c h zu sein, doch dem naturleben einzelnen schaden zufügen. So fressen W i c h t e (Elfen und Zwerge), als b e i s s e n d e winde in hirschgestalt> das laub der äste der Welt-mannaesche. Unter diesen Wichten befinden sich besonders zwei: 4) Th r äi n (Verlangend), ein l i c h t e l f e , der, obgleich stets v e r l a n g e n d nach der lebensfrische, doch das laub der esche zu seiner nahrung a b b e i s s t , 2 ) D ä i n n (Absterbend), der als ein s c h w a r z -
V. Erklärung zur Uebersetzung.
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elfe, die dunkelheit und den Winterschlaf liebt. Diese beiden repräsentanten des elfengeschlechts sind hier dargestellt als überrascht von dem plötzlichen, zu frühzeitigen, anfall des winterlichen H u g i . Was geschieht und was sie dabei empfinden, kommt ihnen vor wie böse t r ä u m e , die der lichtelfe T h r a i n , seiner natur nach, mit b e d a u e r n , als s c h w e r e träume, der schwarzelfe Dainn aber, nach seinem karakter, mit stumpf- und leicht-sinn, als e i n b i l d u n g s t r ä u m e ohne bedeutung und Wichtigkeit, aufnimmt. Strophe 4. (Die Alfen sinken immer mehr und mehr zu den DunkelElfen hinab.) 1. Während die Ansen in angst und ungewissheit schweben, geht das schicksal seinen unaufhaltbaren weg voran. Durch den tod Baldurs schwinden, nach und nach, die lebenskräfte der die Oberwelten bewohnenden wesen. Diess zeigt sich zuerst bei den Z w e r g e n und E l f e n , welche als repräsentanten der sonnlichen naturerscheinungen und der bunten blumenweit, vor allen andern wesen, durch das verschwinden des lieblichen sommer-sonnengottes Baidur schwer getroffen worden sind. Deswegen sagt auch ein mythus dass, bei Baldurs leichenVerbrennung, die Jotnen den zwerg L i t r (Farbe), den repräsentanten der blumenweit, mit ins feuer, in den tod geschleudert haben. Die Zwergsöhne sinken nun hinunter unter die erde, in die Wohnungen des Dunkel-Elfen G i n n u n g (s. s. 100), wo sie, als Schwarzelfen, unterirdische, winterliche wesen werden, bis die herbstliche sonne sie wieder, aus ihren erdhöhlen heraus, auf den noch grünen rasen hervorlockt. Das spätjahr schreitet nun immer mehr voran; einige wärmere, heitere tage wechseln mit kalten nebligen ab; so dass, wechselsweise, die Zwerge sinken
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Vorschaden-Lied,
und absterben, und mehrmals wieder, von der sonne frisch erwärmt und belebt, auf der erdober fläche versammelt werden, um daselbst ihre reigen aufzuführen. Dieses drückt die Strophe so aus, dass sie erzählt wie das pferd des sonnenwagens A l l g e w a n d t e r (Alsviör), durch sein nicht-erscheinen (durch das ausbleiben des sonnenscheins) mehrmals die Ursache ist, dass die Zwerge wie in nacht und winter hinunterstürzten, und dann, durch zeitweilige sonnenblicke, mehrmals wieder, zur Versammlung auf dem rasen, von unten heraufgelockt wurden. Strophe 5. (Es erscheinen die anzeigen des grossen ununterbrochen dauernden Winters.) 1. Bei der neige des spätjahrs stehen die meeresufer (strand) und die spätsonne (kleine röthe) nicht mehr fest im gleichgewicht. Bisher hatte die s o m m e r - s o n n e (durch Baidur und Thor dargestellt) das meer in schranken gehalten, dadurch dass sie das meervvasser auftrank, und in gewitterwolken umsetzte, welche sich in regen ergossen und die ströme anschwellten. Dies drückt ein alter mythus so aus: Thor (gott der gewitterwolken) bewältigt im sommer die Mittgartschlange (Ocean); er trinkt von dem meer um es zu schwächen und seine fluth zu dämmen (s. Fascination de Gulfi, p. 323). Nun aber, im spätjahr, ist die sonne nicht mehr so kräftig; sie steht nicht mehr so fest im kämpfe gegen den Ocean, oder hält ihm nicht mehr stand. Dazukommt dass, bei herannahendem winter, die gewitter, aus stürm (luft) und blitz (feuer) bestehend, verschwinden, und nicht mehr auslaufen in gewitter-strömen. Die götter ermangeln nunmehr des schutzes des donnergottes Thor. Sie entbehren desgleichen, bei der drohenden gefahr, der vorsehenden einsieht
V. Erklärung zur Ueberaetzung.
{33
oder des e i n e n auges Odins, ihres herrn und beschützers. Der gott hat frühe schon das eine seiner äugen, die sonne, (s. s. 101), diese Sicherheit und Z u v e r s i c h t seines aus w a h r h a f t e n helden bestehenden gefolges,
abgegeben
zum pfand an den vorsichtigen Wächter von Jotnenheim, an Mi m i r nämlich, der es nun in seinem weisheitsoder k l a r h e i t s b r u n n e n sorgfaltig bewahrt und versteckt hält, um daraus, täglich, wie aus einem trinkhorn, neue vorsieht, neue einsieht, neue listpläne, zum schaden der Ansen, zu trinken (s. Fascination,
p. 228).
2. Doch in dieser bedrängten läge der götter ist dieser verlust des Odin-auges für sie noch nicht der grösste misslichste umstand; sie befinden sich noch in einer viel grösseren gefahr, die darin besteht dass I d u n (das Symbol des naturlebens), durch deren äpfel sie ihr alterndes dasein bisher jährlich wieder verjüngten, nun vom lebensbaum in die tiefe hinunter sinken wird. Dieses noch grössere unglück wird in der strophe durch die epische formel: «aber wisst ihr noch was » angekündigt. Diese formel welche den sinn von: n o c h m e h r ! (fr. il y a plus!) ausdrückt, wird in dem orakelstyl angewandt, um die künde eines neuen w i c h t i g e r e n ereignisses, oder einer neuen g r ö s s e r n katastrophe einzuleiten und anzukündigen (s. s. 101). Strophe 6. ( I d u n ist sammt ihren verjüngungsäpfeln vom lebensbaum herabgesunken.) Die Elfen sind die personiücationen der sterne, gestirne, und der meteorologischen erscheinungen des lichthimmels. I w a l d (Eibenwalt, s. s. 102) ist ein Elfe; er ist wahrscheinlich die personification eines am nördlichen himmel, im s o m m e r sichtbaren sternbildes, das später unter den
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Vorsehaden-Lied,
horizont schwindet, oder zu den Dunkel-Elfen hinabsinkt. Sein name E i b e n w a l t e r bezeichnet ihn als den, der den e i b e n e n bogen, den das gestirn darstellt, kräftig handhabt. Als Lichtelfe hat er zuerst Ii cht elfische kinder, und später, als er zum Dunkel-Elf herabgesunken ist, hat er n ä c h t e l f i s c h e nachkommen. Unter seinen älteren Lichtkindern war die letzte oder j ü n g s t e die I d u n . Sie bildet als jüngstes lichtkind den Übergang von den Lichtelfen zu den Dunkelelfen. Die Lichtelfen nannten sie I d u n (Wiederwonne), weil sie, gleich ihren jüngern brüdern den Dunkelelfen oder Zwergen, an der Wiederbelebung, im frühling und sommer, ihre freude hatte. Als wächterin der lebendigen naturkräfte wohnt sie in den o b e r n ästen des weltbaums oder der esche Yggdrasil (s. Fascination de Gulfl, p. 273). Ihr Vater I v a l d und dessen söhne, ausgezeichnete künstler, verfertigten unter andern Wunderwerken die goldnen ä p f e l der Wiederbelebung für die Ansen, welche diese der Idun zur Verwahrung übergaben. Schon einmal war Idun mit ihren äpfeln vom Reifthursen T h i a s s i (f. T h i r s i , der Kühne; vgl. joräsi, gr. t h r a s u ) , dem vater der S k a d i , geraubt und nach Jotnenheim abgeführt worden. Aber durch die list der Ansen wurde dieselbe, sammt den äpfeln, wieder nach Ansgart zurückgebracht. Nun aber, nach dem tode des Elfen und Ansen B a i d u r , da licht, liebe, und leben, in der Natur, allmälig abstarben, verlor auch Idun ihre lebenskraft: sie wird durch wintersturm (Hugi) vom bäum heruntergeweht, und sie sinkt aus den lichtregionen der obern theile der Yggdrasils-esche in die niederungen des winterlichen Jotnenheim. Ihr verschwinden war den Ansen desto unheilbringender, da sie nicht allein dadurch der verjüngungsäpfel beraubt wurden, sondern auch, in der jetzigen läge, den vorzüglichen r a t h dieser vorwissenden Ellin,
V. Erklärung zur Übersetzung.
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welche unter die k l u g e n - f r a u e n (disir) gezählt wurde, entbehren mussten. Strophe 7. (Idun trauert über ihre niederfahrt.) Idun, gewohnt als Elfin, an die angenehmen Wohnsitze der lichten, warmen, freundlichen Oberwelt, an den aufenthalt in den gipfelästen des altergrauen baums, der Yggdrasill-esche, fühlt sich nun unheimisch in dem unfreundlichen, dunkeln, und kalten Jotnenheim. Ihre herunterfahrt zu des Graubaums wurzeln, oder zur N a c h t , der tochter des Nörvi (s. Fascination, p. 198), und der gedanke, dass sie, die freie lichtgöttin, für immer in dem todesdunkel zurückgehalten werden soll, versetzt sie in tiefe trauer und schwermuth. Strophe 8. (Die Ansen bemerken die Veränderung, die mit Idun in Jotnenheim vorgeht.) 1. Idun ist in die nördliche nachtgegend herabgesunken, wo das ross wohnt, das den wagen der N a c h t zieht, und die deswegen hier d i e S t ä t t e d e s S c h e u e r s ( d e s scheuenden rosses) genannt wird. 2. Die S i e g g ö t t e r (die männlichen im kämpf bewährten Ansen) sehen das leid der jungen I d u n , und bemerken wie dieselbe, in ihrem neuen aufenthaltsort, ganz verändert wird. So wie der ansische O d r , nach Jotnenheim abgeführt, dazelbst zum Jotnen geworden (s. V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , s. 15,16),so wird nun auch die weise I d u n , in der heimath der Thursen, zum j o l n i s c h e n weissage weib. Man reicht ihr daselbst den, solchen wölfischen zauberweibern eigentümlichen, W o l f s b a l g . Idun, durch physische abschwächung willenlos gemacht, Hess sich in denselben hineinstecken. Sie, die sanfte, tauschte dadurch
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Vorschaden-Lied,
ihr liebliches gemüth gegen den karakter einer reissenden grausamen zauber-wöllin aus. Sie, die wahrheitsliebende, musste sich anschicken mit zauber, mit trug und lug spass zu treiben (lek at lcevisi). Sie, die als gemahlin des Bragi, des sohnes des sommergottes B a l d e r , stets in prächtige färben gekleidet w a r , veränderte nun diese färben, durch die Verkleidung in den dunklen wolfsbalg (litum skipti).
Strophe 9. (Odin schickt eine gesandtschaft an Idun.) Eben so sehr als den genuss der verjüngungsäpfel vermisst in den schwierigen umständen Odin, hier der W e t t e r e r genannt, den ihm jetzt so nöthigen r a t h der klugen I d u n ; und da diese, als vorwissende k l u g e (dis), die Weltgeschicke kennt, so beschliesst er eine gesandtschaft an sie abzuschicken, um sie über das künftige loos der Himmelswelt, der Oberwelt, und der Unterwelt zu befragen. Zum Vorsprech der gesandtschaft wählt er den vorund umsichtigen H e i m d a l i (s. s. 109), den Wächter von Ansgart, den wart der B i f r ö s t (v. Fascination, p. 212), den repräsentanten der entstehung und des anfangs, dem, als solchem mehr als jedem andern Ansen, die Sicherheit der götter am herzen liegt, und der dieselbe, durch vorsieht und vorkenntniss der gefahr, besonders zu wahren wusste. H e i m d a l i sollte das wort führen, und die Idun, welche hier die beim G e l l e r s t r o m (Giöll), welcher zwischen Hei und Jotnenheim iiiesst, b e w a c h t e heisst, befragen, was sie von dem schicksale der drei weiten wisse. Zur beglaubigung des Vorsprechs werden diesem, wie es der brauch bei gesandtschaften w a r , zwei zeugen beigegeben, nämlich B r a g i , der gemahl der zu befragenden I d u n , und L o p t r (s. V i e l g e w a n d t ' s S p r ü c h e , s. 59), d e r , wegen seiner halb ansischen, halb j o t n i s c h e n na-
V. Erklärung zur Uebersetzung.
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tur, in Jotnenheim schwierigen vorfallen zu begegnen und dabei rath zu schallen, besonders geeignet war (vgl. G r a u b a r t s l i e d , s. 20, 21). Strophe 10. (Heimdali, Bragi, und Loptr gehen zur orakelanfrage ab.) Um in Jotnenheim aufgenommen zu werden, und um die dortigen Schwierigkeiten und gefahren überwinden zu können, mussten die abgesandten in w ä r w o l f s gestalt (wolfsbalg) sich verkleiden. Sie sprachen also die zur bewerkstelligung dieser Umgestaltung erforderlichen Zauber-
sprüche. So verzaubert ritten der Vorsprech und seine beiden räthe blitzschnell, oder wie man sagte, in einer augenblicksfahrt (svipfor, s. Fascination, p. 69), auf Zauberungethümen zum wohnsitz des Thursen Grimnir, oder nach Jotnenheim. Odin, der während der abwesenheit des Himmelwächters Heimdall vorsichtig auf die Sicherheit der Oberwelt bedacht war, übernahm, in eigner person, das amt dieses Wächters, bis zu dessen rückkehr. Er stieg deswegen hinauf auf die oberste Himmelswarte, die T h ü r e n h ü t t e (Hlidskialf, s. Fascination, p. 240) genannt, von wo aus er, in allen richtungen, die Übersicht über alle weiten hatte; und er liess, auf weite strecken hinaus, alle wege, welche nach Ansgart fuhren, bewachen und verwahren, damit keine feinde die Ansen, auch nicht einmal von fern her, in gefahr bringen möchten. Strophe 11. (Heimdall trägt der Idun die Anfragen vor.) Heimdall, der weisere der Ansen-söhne oder der hier Bönd (Weltbande, Weltzusammenhalter, s. s. 43) genannten götter, und als der Vorsprech seiner reise und gesandtschaftsgenossen, als er bei Idun angelangt,
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Vorschaden-Lied,
nahm, nach der begrüssung und beglaubigung, das wort, um von ihr die gewünschten orakelsprüche zu erbitten. Er frug sie (die hier die K r ä f t e s p e n d e r i n genannt wird, weil sie ehedem die alternden Ansen durch den genuss ihrer Yerjüngungsäpfel k r ä f t i g t e ) , ob sie kenne die abnahm- oder H e r b s t z e i t (ärtid) des D u r c h b l i t z t e n (des Himmels, s. s. 105), die Lebensdauer (eefi) der Helwelt, und das Alterziel (aldartila) der Oberwelt der menschen (s. s. 105). Die antwort auf diese fragen würde ganz dem zwecke der gesandtschaft entsprochen haben, da diese ja von Odin abgeschickt worden war, um von der prophetischen I d u n aufschluss über das schicksal der Ansen, das mit dem der weit verbunden war, zu erlangen. Strophe 12. (Idun schweigt völlig, heisse thränen vergiessend.) W e n n auf eine orakelanfrage keine antwort erfolgte, so geschah dies, weil die gefragte person entweder keine antwort zu ertheilen w u s s t e , oder keine geben
wollte.
Das alterthum nahm nicht leicht an, dass eine mit prophetischer Weisheit begabte person nicht einsieht genug gehabt, um antworten zu k ö n n e n .
Aber man glaubte häufig,
dass orakelertheilung mit absieht verweigert worden sei. Der grund dieser Weigerung war verschieden.
Es gab
Zeiten und Völker welche glaubten, dass die gottheiten a l l e i n prophetische Weisheit, besässen, und zur Verkündigung ihrer Orakel gewisse personen erwählten, die, ohne kenntniss und einsieht, bewusstlos und willenlos, den aussprach ertheilten, welchen die inspirende gottheit ihnen eingab, und sie zu verkündigen n ö t h i g t e .
Deswegen
widerstrebten bisweilen solche unbewusste, willenlose Organe, aus p e r s ö n l i c h e n Ursachen, der inspiration der gottheit, bis sie zum aussprach, mitgewalt, gezwungen
V. Erklärung zur Uebersetzung.
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wurden. So weigerten sich, zum beispiel, Bileam und J o n a das ihnen inspirirte orakel zu verkünden, und die P y t h i e n zu Delphi, die S i b y l l e n , die nordischen weissagefrauen, der P r o t e u s etc., mussten g e w a l t s a m zur ertheilung der göttersprüche genöthigt werden. . Ein anderer grund der orakelverweigerung lag bisweilen darin, dass man die prophetische Weisheit, die für eine macht galt (vgl. Poem.es isl., p. 249) als ein privateigent h u m und als einen p e r s ö n l i c h e n vortheil des propheten betrachtete, welche derselbe, blos zu seinem und der seinigen interesse, benutzen, aber den fremden und besonders seinen Widersachern vorenthalten und verweigern durfte. Deswegen sehen wir, zum beispiel, dass der weise G r i p i r seine prophetische Weisheit willig seinem verwandten und günstling S i g u r d mittheilt, während die jotnische A n g u r b o d a dem Odin nur dann das orakel ertheilt, nachdem derselbe sie durch herausforderungen dazu genöthigt hat (s. W e g g e w o h n t s l i e d , s. 57). Bisweilen, doch selten, unterbleibt der orakelspruch,
weil das zu verkündende der art ist, dass man, aus liebe und Schonung für die betheiligten, ihnen die v o r kenn tniss
ihres sie treffenden Unglücks e r s p a r e n will. Auf die fragen des H e i m d a l i antwortet I d u n mit kein e m laut. Der grund dieser orakelverweigerung liegt hier nicht im mangel an prophetischer einsieht; obgleich herabgesunken aus den lichträumen der Oberwelt in die niederungen von Jotnenheim, bewahrt I d u n doch ihren klaren sinn und ihr sehen in die zukunft; sie ist, nach wie vor, die v o r w i s s e n d e k l u g e ( s . s. 135), und die Ansen waren davon überzeugt und befragen sie deswegen durch zugeschickte gesandtschaft. Der umstand, dass der weise H e i m d a l i bei ihr den ganzen nachmittag zubringt und sie dringend um antwort ersucht, beweist, dass er und seine
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Vorschaden-Lied,
genossen an ihre orakelweisheit g l a u b t e n , und nur an ihrem w i l l e n , dieselbe zu verkünden, endlich, als sie fortfuhr zu schweigen, irre wurden. Der grund des schweigens der Idun liegt auch nicht darin, dass sie, die Elfin, ihre Weisheit den Ansen vorenthalten, und nichts, zu ihrem nutzen und frommen, vorausverkündigen will. I h r interesse ist ja von dem der Ansen nicht verschieden, sondern mit demselben innig verschmolzen. W e n n sie daher, bei dringenden anfragen, im schweigen verharrt, so kommt dies ^Jlein d a h e r , dass sie, aus weiblicher empfindsamkeit und Schonung, es nicht über sich vermag, die grosse katastrophe der götter u n d weiten, welche sie voraussieht, ihnen zum voraus zu verkünden. Ihr herz, obgleich verändert (s. s. 135), ist im gefülil des bevorstehenden Unglücks gebrochen, so dass sie vor schmerz nicht zu s p r e c h e n , sondern n u r schluchzend heisse thränen in menge zu vergiessen vermag. Selbst die thränen will sie, aus Schonung, zurückhalten ; sie brechen a b e r , wider ihren willen, durch schmerzensdruck erpresst, immer wieder hervor. Strophe 43. (Die abendkühle macht sich schon fühlbar in Mittgart.) Die gesandtschaft hatte bereits den ganzen nachmittag, bis gegen a b e n d , bei l d u n verweilt. In dem von m e n schen bewohnten, und, im gegensatz zur traurigen Jotnenwelt, h e r r l i c h e n Mittgart, fieng es unterdessen an zu dunkeln und kühl zu werden. Diese abendkühle drückt der dichter, in cosmologischer spräche, durch folgende mythologische anspielungen, poetisch aus. So wie die physischen erscheinungen der obern lichtwell durch die L i c h t e l f e n personniiicirt sind, so werden die luftphänomene, welche den Übergang zur dämoni-
V. Erklärung zur Uebersetznng.
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sehen nacht bilden, durch die D u n k e l e l f e n symbolisirt. Auf diese weise sind die kühlen winde des abends und des frühlings, welche bisweilen schädliche Wirkungen in der natur ausüben, durch die vier h i r s c h e dargestellt welche das laub am lebensbaum Yggdrasill a b w e i d e n (s. s. 130). Die anbrechende pikante nachtkühle wird dem von osten blasenden beissenden winde zugeschrieben, und symbolisirt durch den halbschädlichQp, halb dämonischen Dunkelelf D ä i n n (Absterbend) welcher, vor jeder nacht, die Völker der menschen in Mittgart mit einem z a u b e r - r e i s s magisch schlägt. Dieses bild des mit der ruthe schlagenden D a i n n ist durch die spräche selbst veranlasst worden, weil diese die begriffe von hitze und kälte ursprünglich mit dem begriffe des t r e f f e n s , s c h l a g e n s bezeichnete (vgl. k a l d , kalt, von k i l a n , schlagen; lat. c a l o r , wärme, von c e l l e r e , schlagen); so dass der kühle (schlagende) wind (hirsch), symbolisch zu dem schlagenden hirschen und Dunkelelfen D a i n n geworden ist. Begriffsverbindungen welche l o g i s c h ganz zulässig sind, wie z. b. windkühle, werden bisweilen, in der S y m b o l i k , zu einem unplastischen, unnatürlichen bilde, wie es, z. b., das bild eines mit der ruthe schlagenden h i r s c h e s ist. Solcher incongruitäten gibt es in allen mythologien die menge (vgl. C h a n t s d e S ö l , p. 113); und hier ist das bild des schlagenden hirsches nicht u n g e r e i m t e r als, in d e r apokalyptischen Symbolik, das bild
des gotteslämmleins, das, mit der rechten vordem pfote, das siegesfähnlein hält. Däinn schlägt die menschen mit einem r e i s (thorn), so wie die Nacht sie mit einem s c h l a f r e i s (svefn-thorn) schlägt. Dieses kühl-reis und schlaf-reis ist ein abgedorrter zweig, wodurch, symbolisch, kühlung und schlaf, wie mit einem Sprengwedel, über die menschen, tropfenartig, ausgeworfen oder ausgesprengt werden.
-142 Vorschaden-Lied. Das kühlreis des Däinn spritzt gift-tropfen aus, weil die pikante kühle oder kälte mit einem beissenden gifte verglichen wird; so dass der ausdruck giftig kalt eine starke beissende kälte bezeichnet: in Norwegen z. b. heisst ein äusserst kaltes, wiewohl gesundes, bergwasser, e i t r ä (giftwasser; s. Fascination, p. 171). Dies kalte gift des kühlreises des Däinn kommt, nach dem mythus, von dem giftigkalten wasser des r e i f k a l t e n T h u r s e n . Dieser Thurse heisst der E i s d o r n e n e (Eikt h y r n i r , für Iök-thyrnir) weil er ursprünglich als ein hörnertragender zackiger eisberg gedacht wurde, den man sich als einen hörner oder dörner tragenden hirschen oder als ein rennthier vorstellte (s. Fascination, p. 311), von dessen hörnern kalte gifttropfen in das seebecken Hver gelmir genannt fielen, aus dem dann die Sturmwogen (Elivogar) in allen richtungen herausströmten (s. Le Message de Skirnir etc., p. 282). Die S t u r m w o g e n , die im osten von Mittgart fliessen, bringen, wie man glaubte, die a b e n d k ü h l e zu den menschen ; deswegen sagt der dichter dass das mit dem giftwasser des Eisdornenen getränkte kühlreis des Däinn, von osten, aus den S t u r m w o g e n , kömmt. Kälte gibt aber durch schlaf den kalten tod; während hitze und wärme als die mütter des lebens und der lebendigkeit gelten. Strophe 14. (Es folgte bei den menschen auf die abendkühle, ermattung, schlaf, und träum.) 1. Nachdem die kühle sich in Mittgart verbreitet hatte, sank, bei den menschen, die thätigkeit, und sie ermatteten. Wie vom Schwindel erfasst, wankten sie und nickten mit dem köpfe, bis sie ganz in schlaf verfielen: dies letztere drückt der dichter so aus dass er mythisch-
V. Erklärung zur Uebersetzung.
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poetisch sagt: «vom Schwindel wankt des W e i s s - A n s e n s c h w e r d t » . Dieser poetische ausdruck ist eine anspielung auf einen mythus dem zufolge H e i m d a l l , der als frühlichts-gott der W e i s s - A n s genannt wird, als Symbol des frühmorgens, durch den köpf (die Scheibe) der aufgehenden Sonne vernichtet oder g e t ö d t e t wird; so dass dieser köpf dem Weissansen gleichsam zur tödtlichen mordwaffe oder zum s c h w e r d t wird, und demnach der köpf, im allgemeinen, das S c h w e r d t des W e i s s a n s e n , dichterisch, genannt werden konnte (v. Fascination, p. 276). Da der mythus, der zu diesem ausdruck veranlassung gab, zu den a l t e r n gehört, so ist die dichterische bezeichnung des k o p f e s ebenfalls alt; und obgleich derartige g e s u c h t e ausdrücke besonders der spätem S k a l d e n - p o e s i e eigen sind, so wäre es hier ein arger Verstoss gegen die kritik, wenn man unser gedieht, wegen dieses ausdruckes, in die periode der Skaldenpoesie herunterdrücken wollte. 2. Bei den so in schlaf versenkten menschen erfolgten alsbald die t r ä u m e , welche hier bedeutungsvoll Geiste sa u s c h w e i f e n genannt werden. In diese träume ward die gesammte menschenmenge, durch die N a c h t , besinnungslos hineingestürzt. Die nacht, als die zeit wo die G ä u c h i n n e n (Gygiar) wieder freudig aufleben, und wo es diesen so recht cannibalisch wohl ist, wird hier durch den poetischen ausdruck R y g e n s - F r e u d e bezeichnet, weil Ry gr eine dieser Gäuchinnen ist, und als solche hier das ganze geschlecht repräsentirt. 3. Obgleich diese strophe äusserlich eine poetische bes c h r e i b u n g der nacht zu sein scheint, so tritt sie doch in Wahrheit nicht aus der eigentlich e r z ä h l e n d e n poesie des ganzen gedichtes heraus. Man würde irren wenn man glaubte der dichter beabsichtige hier, bei
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Vorschaden-Lied,
anlass der erwähnten abendkühle, eine b e s c h r e i b u n g der nacht, i m a l l g e m e i n e n , zu geben, so dass die erzählung augenblicklich durch eine eingefügte -beschreibung unterbrochen würde; etwa wie neuere dichter bisweilen das feld der erzählenden poesie, f ü r eine zeit, verlassen, und indessen sich in der d e s c r i p t i v e n dichtung malerisch ergehen. Der zweck des dichters ist hier nicht eine poetische beschreibung der nacht zu geben, sondern zu sagen dass in der obernwelt, und also auch für die jetzt in dem stets dunkeln Jotneriheim weilenden abgesandten, die n a c h t herangekommen war. Obgleich die Strophe alle Zeitwörter ins p r a j s e n s setzt, so soll dadurch keine Unterbrechung der erzählung ausgedrückt, sondern, wie so oft in der epischen poesie, die erfolgenden resultate eines ereignisses lebhaft, gleichsam als gegenwärtig, in einer hypotypose erzählt werden. In der ursprünglichen poesie der Chinesen, der Inder, der Araber, der Germanen etc., hatsich, überhaupt, d i e b e s c h r e i b e n d e dichtung noch gar nicht specialisirt; und hat sich erst später aus der erzählenden und lyrischen entwickelt, bis sie, noch später, sich als besondere dichtungsart in beschreibenden gedichten hat geltend machen können. L e s s i n g s Scharfblick sah richtig ein dass die b e s c h r e i b u n g den eigentlichen mittein und der wahren natur der poesie widerstrebe, und, n u r unter gewissen bedingungen, ihre berech tigung; erlangen könne. Allerdings nun ist die descriptive poesie eine untergeordnete dichtungsart: sie sollte eigentlich n u r dazu dienen den gegenständ der erzählung anschaulicher und ausführlicher der einbildungskraft vorzustellen, so wie das dichterische e p i t h e t o n eigentlich zum zweck haben sollte, das hauptwort, dem es beigefügt, anschaulicher zu karakterisiren. Deswegen sind auch die regeln für die wähl, den
V. Erklärung zur Uebersetzung.
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gebrauch, und die behandlung der b e s c h r e i b u n g ganz dieselben wie für das e p i t h e t o n . W e n n aber Lessing, dadurch veranlasst dass Homer, zum beispiel, nicht die kleidungs- und waffenstücke des Agamemnon b e s c h r e i b t , sondern die ankleidung und das anlegen derselben
er-
z ä h l t , daraus die regel zieht, man solle die beschreibung in erzählungsform geben, so ist hierbei zweierlei zu b e merken : erstens, Hesse sich diess noch bei einer poesie bewerkstelligen, die eben so einfach in ihrem Stoffe und ihrer behandlungsweise wäre wie es, allgemein, die poetischen stoffe und die dichtung der Alten w a r e n ; aber für die n e u e r e complicirtere poesie könnte die obige re^el unmöglich in ausführung gebracht werden. Zweitens, sind die im Homer von Lessing gesehenen vermeintlichen b eschreibungen,
welche ihn veranlassten obige regel
aufzustellen, doch eigentlich keine beschreibungen, sondern reine e r z ä h l u n g e n , weil eben, im Homer, noch grösstentheils, wie allgemein in den ältesten dichtwerken, die eigentliche beschreibung, so wie sie in der neuern poesie sich specialisirt hat, noch gar nicht besteht, sondern noch durch die erzählung ersetzt wird, und ersetzt werden konnte. Man begreift, diesem nach, auch warum die hier besprochene Strophe unseres gedichts nicht aus der
erzählung
heraus-
und in
die
beschreibung
hineintritt, vielmehr dass die e r z ä h l u n g getreu festgehalten und, ohne sich zu unterbrechen, fortgesetzt wird. Strophe 4 5 . (Die nacht war gekommen ohne dass antwort erfolgte.) 1 . A r y a m a n (Ehrwürdig) ist, im^sanscrit, ein beiname des sonnengottes,
der
sich,
bei den
vorfahren
teuto-gothischen Völker, in der form von I r m u n
der (Iör-
m u n ) u n d l r m i n erhalten hat. Als bei diesen Völkern 10
146
Vorschaden-Lied,
der alte Sonnengott (Pravus, Freyr) durch eine sonneng ö t t i n n ersetzt wurde, behielt dieser name noch lange seine, auf die s o n n e bezügliche, bedeutung; zum beispiel im compositum I o r m u n g r u n d (grund des Irmin), eine bezeichnung der e r d e , in so fern sie von der Sonne, während ihrer reise von osten nach westen, stets beschienen wird; ferner in I o r m u n g a n d (Ungeheuer deslrmin), ein name des die erde umgürtenden als schlänge dargestellten Oceans,der die S o n n e zu blenden, und den, ihrerseits, die S o n n e zu verdunsten sucht; dann in I r m i n s ü l ( S a ü l e d e r S o n n e ) , name der der Sonne geheiligten säulen, stamme und Stangen, welche zu Symbolen der geheiligten w o h n u n g und des grund-besitzes, welche beide nach der s o n n e orientirt waren, geworden sind. Später bezeichnete I ö r m u n , vor andere namen gesetzt, immer etwas e h r w ü r d i g e s , göttliches, grossartiges (v. Les Getes, p. 193). Seitdem der alte Sonnengott I ö r m u n durch die göttin Söl ersetzt worden, wurde er als der söhn des P r a v u s (Freyr) betrachtet, und als solcher mit I r i n g ( l ö f u r i n g , söhn des Sonnenebers) verwechselt (Fascinatp. 194, 274). Als göttliches gestirn und Sternbild ward Iörmun (Irmin) in verschiedenen germanischen ländern zur personnification theils des O r i o n , theils des Morgensterns und besonders des Abendsterns. Aber hier in unserer Strophe ist der halbgott Iörmun noch aufgefasst als die personnification des Sonnenlichts. 2. Der umstand dass der in Jotnenheim angelangte sonnenheros Irmin den daselbst weilenden gesandten b e t r ü b nissvoll erschien, ist so zu erklären dass für betrübte, wie sie es waren, auch der heitere, freundliche sonnenschein keinen reiz hat und trauervoll erscheint. So wird in den S ö l a r l i ö ö (Chants de Söl, p. 59) von unglücklich liebenden gesagt:
V. Erk]drang rar Ueberaetzang.
147
Pour cette vierge blanche ils ne regardaient plus à rien ni aux jeux ni aux jours sereins. In der S k i r n i s f ö r (Message de Skimir, p. 92) sagt der liebeskranke Freyr: Pourquoi dirais-je à toi, jeune servant ! La grande tristesse de mon âme ? C'est que Rutilant-des-Alfes brille toute la journée Mais non pour mon agrément. So heisst es auch hier dass die betrübten gesandten, obgleich sie zu den göttern gehörten, welche (weil sie der sonne befreundet sind) hier treffend die S o n n i g e n (Iolnar) genannt werden, die ankunfl bei ihnen in Jotnenheim des freundlichen Irmin, nicht wie gewöhnlich, freudig begrüssten, sondern dass der glänzende Sonnengott ihnen, den trüb gestimmten S o n n i g e n , düster und betrübnissvoll vorkam. 3. H e i m d a l l , der, als Wächter der Ansen, die wache jede n a c h t zu übernehmen hatte, konnte nicht länger bei Idun in Jotnenheim verweilen, sondern musste, mit einbrechender finsterniss, pflichtgemäss, nach Ansgart zurückkehren. Deswegen suchten die abgesandten, je weniger Idun zu antworten bereit war, desto mehr sie dazu zu bereden. Als sie aber merkten dass ihre beredsamkeit immer weniger über sie vermochte, so sahen sie ihren auflrag bei ihr als beendigt an. Strophe 16. (Heimdall und Loki kehren zu den Ansen zurück.) H e i m d a l l , den Odin als Vorsprech für die anfragungsreise gewählt hatte, beeilte sich, als Wächter des Giallarhorns (s. Fascination, p. auf die nacht zu dem H e e r l i e b e n d e n (Herian, epithetischer beiname des O d i n ) zurück zu kehren. Er nahm den Loptr (Luft, Stür-
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Vorschaden-Lied,
mischer), auchLoki (Beschliesser, der den s c h l u s s oder das ende der dinge darstellt), und hier Sohn der Näl genannt (s. Fascination, p. 285), mit sich. Beide fuhren denselben weg, den sie gekommen waren, mit zauberschnelligkeit (s. Strophe 10) zurück; der dritte gesandte, B r a g i , der durch das epitheton E r r e g t e r bezeichnet ist, weil er als gott der dichtkunst mehr als die andern Ansen von erregbarer, erregter, und enthusiastischer natur war, verblieb auf Grimnisboden, das heisst in Jotnenheim, welches durch den Jotnen G r i m n i r repräsentirt ist. B r a g i verbleibt daselbst, um seine gattin I d u n zu schützen, und ihr schicksal mit ihr, als gemahl, zu theilen. Er kehrte auch seitdem nicht mehr, vor dem Weltuntergang, zu den Ansen zurück; deswegen geschieht auch, in keinem mythus, seiner erwähnung, als ob er, mit ihnen, im letztem kämpfe, in der Götterdämmerung, mitgekämpft hätte. Strophe 17. (Die zurückkehrenden treten in den Wingolf ein.) 1. Die zurückkehrenden gesandten H e i m d a l l und Loki werdenhier die Degen des W i d d e r s genannt, weil ihnen, als .waffentragenden, in Odins gefolge stehenden Ansen, dieser ehrenname (cf. engl. T h a n e ) , gleich allen fre'ien mannen, im gegensatz zu den unfreien u n b e w a f f n e t e n , gebührte (s. oben s. 407). Widder(Vedurr) ist ein epithetischer name O d i n s , der diesen gott der windstösse als den s t ö s s e r (hvedur, lat. quatiens) und als den anführer der lichten weisen herde des himmels bezeichnet. 2. Heimdall und I^oki wurden, auf ihrer rückreise im zaubersturm, auf jotnischen wärwolfsungethümen schnell durch die luft zurück getragen. Diese jotnischen ungeheuer stammten aus der Reifthursen geschlecht; deswe-
V. Erklärung zur Uebersetzung.
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gen heissen sie die s i p p e n oder verwandten des Reifthursen F o r n i o t . Dieser zusammengesetzte namen darf, aus wortbildungsgründen, nicht in f o r n und iötr getheilt werden. Denn in keiner germanischen spräche kann iot oder eot oder ez etwas anders als höchstens äs (zu essendes) bedeuten, und kann nicht gleichbedeutend sein mit dem grammatisch abgeleiteten i o t u n n (eoten, ezzi), welches g e f r ä s s i g bedeutet, und deswegen die Riesen bezeichnet. Die deutsche form Vielfrassbeweisst nichts für ein nordisches f o r n - i o t r , da, im deutschen, die bedeutung des gefrässigen aus den zusätzen von viel u n d v e r (in ver-essen) hervorgeht, dieselbe aber keineswegs durch eine form wie i o t r ausgedrückt werden könnte. Zu keiner zeit hat also eine form i o t r bestanden, welche dasselbe ausgedrückt hätte als I ö t u n n . Da also kein wort Iotr (für Iotunn) sich vorfindet, so ist F o r n i o t r in f o r und n i o t r zu theilen. N i o t r bedeutet den der benützt, geniesst, besitzt. F o r , in F o r n i o t r , ist stärker accentuirt als zum beispiel in forbrenna (verbrennen). F o r n i o t r bedeutet also den der vor allen andern besitzt, oder den u r b e s i t z e r . Der erste besitzer in der urweit war der Reifthurse Orgel mir oder Ymir, von dem alle Jotnen abstammen (s. Fascination, p. 176). Da er der urbesitzer war, so erhielt er auch, unter andern, den epithetischen namen F o r n i o t r (Vor- oder Altbesitzer). 3. Als der abend gekommen war, begaben sich die Ansen und Ansvinien (Ansgeliebten), aus ihren verschiedenen Wohnsitzen, in die wohnung der Frigg, Vingolf (Freundsaal) genannt (s. Fascination, p. 164), um, unter dem vorsitz des hauswirthes O d i n , das abendmahl, bei angezündetem feuer (mäl-eldur), zu gemessen, bevor sie sich zur ruhe begaben. Da die in Ansgart zurückgekehrten
150
Vorschaden-Lied,
abgesandten Heimdali und Loki sicher waren die Versammlung im V i n g o l f anzutreffen, so begaben sie sich, sogleich nach der ankunft, dahin, und traten alsbald in den saal um die Ansen, beim bierfrohen mahle, unter dem vorsitz des S c h e u e n , zu begrüssen. Odin hatte, unter andern, den epithetischen namen des S c h e u e n , weil er, als gott der winde, als wieherendes und scheuendes Wind-Ross symbolisirt war (s. Fasänation, p. 224). Strophe 18. (Die eintretenden begrüssen und beglückwünschen die Versammlung.)
1. Im göttersaal W i n g o l f , so wie überhaupt in den nordischen behausungen, führte ein rinnsal (golf, s. s.108) vom eingang gerade zur mitte der hintern seite des gebäudes. Hier befand sich, zwischen den zweien, dem Irminoder dem Thor geweihten, mästen (ondvegis sulur, s. Fascination, p. 150), welche vom boden gewöhnlich bis über das dach hinausrichten, der Hochsitz des hausherrn. Eintretende gaste begrüssten hier, vor allen, den hausherrn auf dem hochsitze], und sprachen ihren gruss und glückwunsch für ihn und seine übrigen hausgenossen aus. Dies thaten daher auch hier H e i m d a l l und L o k i , zu gunsten Odins und der versammelten Ansen. Die grüsse und glückwünsche im alterthum waren gleichsam ein gebet an das schicksal oder an die gottheit, dass das gewünschte glück möge in erfüllung gehen; und da die alten dem gesprochenen wort des Wunsches und des segens eine magische kraft beilegten (s. Message de Skirnir, s. 159), so fasste man solche sprüche in, für die umstände, passende und wichtige worte (verba conceptä). Der wünsch des Heimdall und des Loki für Odin
V. Erklärung zur Uebersetzung.
IS|
lautet: «dass Er immerfort im stand sein möge, in voller gesundheit (heill), und als glücklichster der Ansen, des hochsitzes gastlichkeit, die ihm als oberstem der götter zukommt, in döm maasse wie er selbst es wünschet, ausüben zu können. » Sie fügen den andern wünsch, f ü r die versammelten götter, hinzu: «dass d i e s e in Seligkeit und frieden beim trinkgelag ungestört sitzen, und ewig, wenn bei Odin versammelt, die selige wonne wahren, behalten, und gemessen mögen. » 2. Da in der poesie, besonders bei feierlichen aussprächen, die worte, epitheta, und namen sorgfältig und passend gewählt werden sollen, so ist es hier der ort eine kurze kritik über die in unserer Strophe gewählten epischen epitheta und epithetischen namen beizufügen. Schon Lessing hat auf einige glücklich gewählte epitheta beim Homer aufmerksam gemacht; aber die regel, die bei dieser wähl zu befolgen ist, hat er nicht aufgestellt. Diese regel besteht darin dass das epitheton so gewählt 'werde dass die handlung der durch das epitheton bezeichneten person, oder die Wirkung der sache der es angefügt wird, durch das epitheton für das urtheil v e r s t ä r k t , und für die einbildungskrafl a n s c h a u l i c h e r gemacht werde. So w i r d , zum beispiel, die schifffahrt auf dem meere, bei Homer, als eine leichte und eilige dargestellt durch das epitheton s c h n e l l e , welches den fahrenden schiffen beigefügt w i r d ; oder dieselbe wird malerisch anschaulich gemacht durch das epitheton s c h w a r z e , wodurch das liebliche bild der auf a z u r n e r fläche dahin gleitenden s c h w a r z e n schiffe der einbildungskrafl vorgemalt wird. Wenn nun aber die auf den Strand gezogenen und auf rollen aufgestellten schiffe auch als s c h n e l l e und s c h w a r z e bezeichnet werden, so sind diese epitheta u n p a s s e n d gewählt, weil bei unbeweglich am ufer liegen-
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Vorschaden-Lied,
den schiffen es gegenwärtig gleichgiltig, oder, für den gegebenen fall, nichts sagend, ist, dass sie früher auf dem meer s c h n e l l fuhren und dass sie s c h w a r z sind; denn der dichter konnte unmöglich dabei den zweck gehabt haben hier den g e g e n s a t z auszudrücken zwischen der frühern Schnelligkeit und der gegenwärtigen unbeweglichkeit. W e n n nun sehr viele epitheta, welche von den dichtem gebraucht worden sind, gegen die obige regel Verstössen, so kommt es gewöhnlich daher dass die meisten epitheta der personen und sachen, in den altern dichtungen, traditionnell allgemein gebräuchlich, und somit gleichsam s t e r e o t y p geworden sind, so dass der dichter diese traditionnell gebräuchlichen epitheta anwandte, ohne lang zu untersuchen ob sie, im g e g e b e n e n falle, passend oder unpassend seien. Diess war besonders der fall bei den epithetischen n a m e n , deren ursprüngliche b e d e u t u n g und richtige anwenduug nicht mehr ganz klar im gefühl und im bewusstsein verblieben waren. In allen sprachen nämlich hat sich das bewusstsein des begriffs, der ursprünglich durch die Wörter ausgedrückt war, meistentheils verloren (s. Résumé d'études d'ontologie, p. 298) : deswegen fügte man den Wörtern öfters epitheta bei, welche eigentlich schon durch die Wörter selbst ausgedrückt w a ren. So ist, zum beispiel, der s c h ü t z e n d e v a t e r eigentlich eine tautologie, weil das wort v a t e r schon an und für sich, ursprünglich, der s c h ü t z e n d e bedeutet. In der mythologie hat sich gleichfalls die kenntniss der ursprünglichen bedeutung der epithetischen namen meistentheils verloren. Da nun aber diese namen, durch die tradition fortgepflanzt, im gebrauch beibehalten worden sind, so geschah es äusserst häufig dass sie manchmal, gegen die regel der epitheta, ganz unpassend, in anwendung gebracht wurden. Wie oft ist im Homer das stereotype g l a u k ô p i s
V. Erklärung zur Uebersetzung.
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(azurnäugig) von der Athene ausgesagt, wo zu dieser bezeichnung auch nicht der geringste grund vorhanden war. Derselbe missbrauch ist besonders auch in der indischen und in der norränischen poesie bemerkbar. Untersuchen wir demnach, aus diesem gesichtspunkt, und nach der aufgestellten regel die epithetischen namen, welche in unserer Strophe dem Odin und den Ansen gegeben werden. 3. Bei den alten vorfahren der germanischen Völker wurden die todten nicht begraben, sondern ursprünglich an bäume g e h ä n g t , und so dem gott der w i n d e geheiligt und geweiht (s. Les Getes, p. 281). Deswegen erhielt der alte gott der w i n d e den epithetischen namen H a n g a g u d oder H a n g a - T y r (Gehängten-Gott). Dieser name ist, traditionnell, dem spätem Stellvertreter dieses wind-gottes, dem O d i n , verblieben, und ist ihm, hier in unserer Strophe, ohne grund beigelegt worden; denn offenbar sollte Odin hier eher als gott der gastfreundlichkeit denn als gott der g e h ä n g t e n , beim gastmahl erscheinen und dargestellt werden. Odin wird ferner der S c h e u e r s p r ö s s l i n g (Yggiungr) genannt. Als gott des wiehernden und scheuen r o s s e s , welches den wind symbolisirt, wird er selbst der S c h e u e genannt (s. s. 30). Da aber dieser name auch schon einem windgott der T h u r s e n und Jotnen beigelegt wurde, und Odin, genealogisch, von den Thursen stammt, so heisst er, gleich dem jotnischen nachkommen des alten windgottes, des S c h e u e n s p r ö s s l i n g ; um ihn aber von dem j o t n i s c h e n nachkommen zu unterscheiden, wird er bisweilen der a n s i s c h e S c h e u - s p r ö s s l i n g (Yggiongr Asa, s. Poem.es isl., p. 194) genannt. Dieser name ist nun aber hier für den, beim mahle harmlos sitzenden, O d i n nicht gerade der passendste. Die Ansen ihrerseits werden hier durch den, in andern
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Vorscbaden-Lied.
umständen, ihnen gebührenden namen der prophetischen Weisen(Diar)bezeichnet. Hier aber wo sie r a t h l o s , ohne vorsieht und einsieht in die Zukunft, beim mahle versammelt sind, klingt dieser name, für den der dessen eigentliche ursprüngliche bedeutung genauer kennt, fast wie eine bittere ironie. Strophe 19. (Das abendmalil der Ansen unter Odins vorsitz.) 1. O d i n wird hier, das eine mal, epithetisch B ö l w e r k (Böswirk), das andere mal, H n i k a r (f. H n i c k - h a r , Alter Neck oder Wieherer) genannt; beides ohne bezug auf die gegebene läge und die damaligen speciellen umstände. Da den alten religionen die heutige idee der a b s o l u t e n Gottheit unzugänglich war (s. s. 43), so sahen sie, selbst im höchsten gotte, kein absolut vollkommenes wesen: ihnen war ein b ö s e r gott auch ein gott (s. Fascinat., p. 249). Da ferner der mensch stets seinen gott, nach seinen und seiner Zeitgenossen begriffen sich denkt, und da die alten Völker, gegen feinde ränke zu schmieden und böse pläne auszuführen, für ganz erlaubt hielten, so wurde O d i n , in so fern er gegen Widersacher ränke erdachte und ausübte, mindern epithetischen hier l a u d a t i v e n namen des B ö s " w i r k bezeichnet. Als gott des windes war Odin ursprünglich als w i e h e r n d e s ross gedacht, und erhielt deswegen den epithetischen namen W i e h e r e r (s. Fascination, p. 160). 2. Odins gefolge oder Massenie (Hausgesinde) bestand zuerst aus den übrigen Ansen, welche seine R ä t h e waren, und dann aus dem, in W ä l h a l l e bei ihm wohnenden, heergefolge, die E i n z i g e n - H e e r m a n n e n (Einheriar) genannt. Die erstem allein, natürlich ohne die letztern, waren beim mahle gegenwärtig; und nachdem sie, der anordnung Odins zufolge, ihre platze auf den bänken vor dem
Y. Erklärung zur Uebersetznng.
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hochsitze eingenommen hatten, wurden sie mit derselben speise wie die E i n z i g e n - H e e r m a n n e n , nämlich mit dem fleische des S e e - r e i f e n e n (aus dem seereif entstandenen Eber; s. Fascination, p. 307) gesättigt. Odin als höherer gott und von geistigerer natur, brauchte keine so m a t e r i e l l e nahrung; er stärkte und nährte sich einzig und allein dadurch dass er w e i n trank (s. Fascination, p. 308). Nicht ohne eine gewisse normannische oder Lukianische feine ironie, wird hier gesagt dass die Ansen und Ansvinien, bei den schusseln mit gehörigem appetit g e s c h ä f t i g waren. An göttlichem meth wurde, bei der tafel, auch nicht gespart. Odins wunderbares M e t h k a r , mit einem stiel oder schaft versehen, war stets bereit, von s e l b s t , den in ihm enthaltenen meth in die hörner, zur bedienung der Ansen, a u s z u m e s s e n , oder einschenkend auszugiessen. Bei dem gastmahl der (Egir goss sich das bier auch von selbst in die hörner, und diese gefüllt boten sich von selbst den gasten magisch dar (s. Poemes islandais, p. 321). 3. Obgleich die gefüllten trinkhömer, mit ihren spitzen (stikill), in, am tische angebrachte, löcher eingesetzt werden konnten, so waren sie doch, in der regel, von m a s s i g e r grosse, so dass sie, meistens, nach brauch, in einem ansatz konnten geleert, und sodann auf den tisch hingelegt werden. Sollte aber ein hörn von hand zu hand gehen, so dass mehrere personen daraus trinken konnten, so musste es g r ö s s e r als die gewöhnlichen sein: dies geschah svenn einer der gaste auf das a n d e n k e n eines helden oder einer grossthat, oder auf eine durch ein gelübde zu unternehmende handlung trank, und die andern darauf, zur bestätigung und erinnerung, bescheid zu thun hatten. Diese g r ö s s e r e n hörnerhiessen a n d e n k e n s h ö r n e r (minnishorn). Solche grössere hörner mussten auch bisweilen von
456
Vorschaden-Lied. •
e i n z e l n e n personen, zur s t r a f e für gewisse vergehen, geleert werden, und hiessen alsdann s t r a f - h ö r n e r (vitishorn; s. Fascination, p. 322). Strophe 20. (Die Ansen und die Ansvinien fragen, beim mahle, die zurückgekehrten gesandten was sie ausgerichtet.) Wie gross auch die wissbegierde sein mochte hinsichtlich der p e r s o n des angekommenen gastes oder des berichtes eines zurückgekehrten boten, so erlaubte es die schicklichkeit, nach der ansieht der nordländer, nicht, diese begierde zu befriedigen, b e v o r der angekommene mit allem leibesbedarf gastlich versehen war. Deswegen bestürmten die Ansen und Ansvinien den H e i m d a l i und L o k i mit fragen über das r e s u l tat ihrer gesandtschaft e r s t dann, als die zurückgekehrten sich zuvor beim mahle erholt und gestärkt hatten. Die Ansen oder H o c h g ö t t e r welche hier i m h e i l i g t h u m oder in der heiligen wohnung der F r i g g , dasheisstim V i n g o l f , versammelt waren, erfrugen von Heimdali und L o k i , ob I d u n (hier die z i e r l i c h e genannt, s. s. 109), im laufe des nachmittags (ehe es zu dunkeln begann), g e s i c h t e über die zukunft, oder w e i s e a u s s p r ä c h e , das heisst hier kluge rathschläge für die missliche läge der götter, ihnen als antwort eröffnet und mitgetheilt habe. Strophe 21. (Heimdali und Loki antworten auf die fragen, und machen einen neuen Vorschlag.) Die zurückgekehrten gesandten erklärten dass ihre bots c h a f t s c h l e c h t ausgefallen, dass sie keine künde über das was den göttern und den weiten bevorstehe, erhalten, und dass sie sich deshalb, wegen mangels an allem resul-
V. ErklärungTOTUebersetznng.
157
tat, ihrer reise wenig zu rühmen hätten. Sie sprachen ihre Überzeugung aus dass Idun, wenn sie gewollt hätte, im stände gewesen wäre ihnen antwort auf ihr anfragen zu ertheilen, und dass es deshalb nöthig sein werde, um ferner von dem s c h w a n e n w e i b (s. s. 111) antwort zu erhalten, m i t Ii st gegen sie zu verfahren; wodurch sie zu verstehen gaben dass Odin, der listigste der Ansen, a l l e i n im stände sei diese sache mit erfolg auszufuhren, so wie er es bei der befragung der A n g u r b o d a (s. s. 48) gethan hat. Strophe 22. (Odins aufforderung bis zum morgenden tag auf rath zu sinnen.) 1. Odin wird hier mit dem gut gewählten epithetischen namen der g e h e i m n i s s v o l l e (ömi) bezeichnet. Dieser namen sagt aus dass Odin seinen Vorschlag geheimnissvoll und zur Verschwiegenheit auffordernd, hier ausspricht; Die nacht bringt rath (fr. la nuit porte conseil), sagt das Sprichwort; deswegen fordert Odin alle Ansen auf, bis morgen, wer immer es vermag, d a r a u f zu sinnen welcher rath vorzulegen sei. Es war bei den germanischen Völkern sitte, bei den nächtlichen gastmahlen, wenn köpf und herz erregt waren, v o r s c h l a g e zu machen; aber zum b e s c h l u s s und zur ausführung war, wie zum ding und zum gericht", stets der h e l l e morgen und das tageslicht erforderlich. Strophe 23. (Als um mitternacht der mond aufgegangen, verabschiedeten sich die Ansen von Odin und von Frigg.) 1. Der m ü d e , der in dieser Strophe, so bezeichnet wird, ist der M ä n i (Mond), der unaufhörlich, wie S ö l (Sonne) seinen lauf, am himmel und unter der erde fortsetzt, weil er,
-158 Vorschaden-Lied, ohne unterlass, von einem j o t n i s c h e m wolf, dem H a t i (Gehässig) verfolgt wird, welcher ihn erfassen will, und von dem er, am ende der tage, verschlungen zu werden durch schicksals-spruch bestimmt ist (s. Fascination, p. 209). Deswegen wird Mäni hier der dem Wolf zum f u t t e r b e s t i m m t e genannt. Bei vielen alten Völkern bestund der glaube dass sonne und mond, bei ihren Verfinsterungen, von ungeheuern, welche sie lange verfolgt, verschlungen werden. In Indien verfolgten die riesen R a h u und K e t u die sonne und den mond, um sie zu verschlingen, weil diese ungeheuer von den hellsehenden tags- und nachtgestirnen verrathen worden waren, als sie den Unsterblichkeitstrank entwendet hatten. Im chinesischen heisst noch heute die mondsfinsterniss y u e - s c h i ; welches wort eigentlich mond-verschlingung ausdrückt. 2. Die weit wird, bei der G r ö s s e n d ä m m e r u n g (Ragnarökr), in einem allgemeinen b r a n d e untergehen. Das feuer dieses brandes kommt theils von den flammen des S u r t u r aus Muspilheim, theils vom unterirdischem v u l kanfeuer der Erde das mitglühenden s c h ä u m e verglichen wurde. Das vulkanfeuer hiess das s c h r e c k l i c h e ( f i r i n , s. s. 112), und der feurige wolf, der den Odinn verzehren soll, heisst der wolf des s c h r e c k l i c h e n (Fenrisulfr). Nun ist Hati der jotnische wolf, der den M ü d e n oder den Mond verfolgt, ein ver w a n d t er dieses ebenfalls jotnischen Fenrisulfs ; und da Hati mit dem schrecklichen gleichsam schaltet und w a l t e t , so heisst er, in der Strophe, des s c h r e c k n i s s e s w a l t . 3. Der von dem wolfe verfolgte mond war bereits aufgegangen, und durchlief am himmel die den 1 a n d strecken der herbstlichen erde entsprechenden h i m m e l s r ä u m e , was der dichter so ausdrückt: « Mani lief entlang den landstrecken der Rindur». R i n d u r , früher Vrindus genannt,
V. Erklärung zur Uebersetzung. -{59 war ursprünglich die gemahlin und schwester des von den Slaven (Valien) entlehnten gottes Niör dr (f. Vnirdus), und identisch mit der ebenfalls diesen Slaven entlehnten germanischen göttin N e r t h u s (s. Fascination, p. 262). Sie war die göttin.der herbstlichen ausgeernteten e r d e , so wie Iörd die göttin der frühjährlichen a n g e b a u t e n erde war. Als herbstliche erde ist Rindur die mutler des wintergottes Vali (s. Fascination, p. 284). 4) Als durch die anfahrt des rosses H r i m f a x i (Reifniähnene), das den wagen der nacht zieht, die nacht von der erde in den himmel hinauf, also in Ansgart sich verbreitete, da verabschiedeten sich die götter von Frigg und von O d i n , welcher hier, als windgott, H r o p t e r (f. hropudr, rauf- oder ropf-wind, vgl. S u p t r , f . Svipudr genannt wird), und begaben sich zur nachtruhe. Strophe 24. (Die morgendämmerung bricht aus der nacht hervor.) 4. De 11 in gr (Abkömmling des Kleinen tags)ist der söhn der morgendämmerung, der dritte und letzte gatte der zu ende gehenden nacht (s. Fascination, p. 200). Der söhn des Delling ist der personnificirte m o r g e n . Dieser schirrt das mit edelsteinen (glänzenden thautropfen) geschmückte ross Skinfaxi (Leuchtmähnene) an den sonnenwagen der Sòl (Sonne), und entlässt die abfahrende göttin, indem er noch zuletzt ihr pferd zum raschen laufe antreibt. Dieses ross verbreitet, durch seine leuchtmähne, die helle über den Wohnort der men9chen (Mannheim), und zieht, während des tags, die im wagen sitzende Sòl, welche, hier die gespielin des Dvalinn genannt wird. 2. Der name Dvalinn, abgeleitet von dvöl (ruhe), bedeutet einen von ruhigem, schläfrigem wesen, und entspricht also nahezu dem schweizerischen T e i l e n oder Teil
160
Vorschaden-Lied.
(einfältig, engl, d u l l ) und dem elsässischen d o l l e n (dumm). Dvali n n (der schläfrige) steht seiner natur nach zwischen den E l f e n (freundlichen lichtwesen) und den D u n k e l e l f e n (tückischen nachtwesen). Er ist ein Z w e r g der, den tag über, als h i r s c h , das laub der obern äste der Y g g d r a s i l s esche abfrisst (s. Fascination, p. 236); am abend begibt er sich in die u n t e r i r d i s c h e n Wohnungen der Zwerge, und empfängt daselbst die vom wolf S k ö 11 verfolgte, geängstete, und zum walde V a r n - v i d r geflüchtete Sol (v. Message de Skirnir, etc., p. 297), welche er dann tröstet, durch spiel erheitert, und, durch die Zwergwohnungen, während der nacht, vom occident zum orient zurückführt. Da Söl mit D v a l i n zum Zeitvertreib s p i e l t e , so heigst sie hier die g e s p i e l i n des D v a l i n . D v a l i n , von mehr meditativer als activer natur, zeichnet sich, bei den Zwergen, durch seine kenntniss der r u n e n aus; so wie O d i n n bei den Ansen, D ä i n n bei den Elfen, und F i m b u l t h u l r bei den J o t n e n , besonders r u n e n k u n d i g genannt werden. Strophe 25. (Bei anbruch des tages verschwinden die Nachtwesen und gehen zur ruhe.) 1. Die Nachtwesen vertragen das tageslicht nicht; die Sonnenstrahlen tödten oder versteinern sie (s. AI vis mal 36). Deswegen verschwinden dieselben von der erde beim ersten blick der morgensonne oder beim ersten hahnenk r a t , und begeben sich zur ruhe in ihre unterirdischen oder n ö r d l i c h e n dunkeln Wohnsitze. Als nachtwesen welche nur in der nacht und im winter eigentlich leben und thätig sind, werden, in der Strophe, aufgezählt die Gäuchinnen (Gygiar, s. Fascination, p. 210), die Th Urs e n (welche zugleich die J o t n e n und die B e r g r i s e n in
Y. Erklärung zur Uebersetzung.
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sich begreifen), die V e r b l i c h e n e n oder die bewohner der Hei, welche als gespenster umgehen; endlich die Z w e r g e (s. Fascinat., p. 218) und die D u n k e l e l f e n (Dökk-alfar, v. p. 190). Diese wesen gehen nun alle, wie der dichter hier sagt zur aus Streckung (til rekkiu) oder zur nachtruhe in die t i e f e r n , das heisst unterirdischen und n ö r d l i c h e n theile der Erdwelt, allwo sich die ä u s s e r s t e w u r z e l des Adels t a m m e s , das heisst des edelsten der bäume, des Yggd r a s i l l (s. Fascination, p. 224) befindet, nämlich am n ö r d l i c h e n r a n d e der Erdoberfläche, welche hier episch der S o n n e n g r u n d (Iormungrund) genannt wird, weil sie der grund ist welcher, den ganzen tag über, von der Sonne, das heisst von dem alten Sonnengott, nunmehr sonnenh e r o s Irmin, beschienen wird. Strophe 26. (Der neue tag bricht an, Heimdall eröffnet die Himmelsthür.) 1. Sowie die kraft und der einfluss der Nachtwesen mit t a g e s a n b r u c h aufhört, so beginnt andererseits, mit dem aufgang der sonne, die wohlthuende thätigkeit und die macht der Götter als lichtwesen. Deswegen erhoben sich von ihrem lager die Ansen, welche hier R ä t h e (v. str. 19) genannt sind; und während S o l , hier mit dem epithetischen namen A l f r ö d u l l (s. Le Message de Skirnir etc., p. 87) bezeichnet, von neuem ihren lauf von osten aus begann, drängte sich Niola (die k l e i n e nacht, der letzte schwächste theil der nacht, s. s. 115), die sich nach N i f l h e i m ( s . Fascination, p. 170) bereits zurückgezogen hatte, immer mehr nach n o r d e n . 2. H e i m d a l l , der wächter der Ansen, welcher, tag und nacht, die himmelsthür in H i m i n b i ö r g (s. Fascinat., Ii
462
Vorschaden - Lied.
I». 192) bewacht, und tag und nacht seine horndüte, Giall a r h o r n (Schallhorn) genannt, trägt, um bei gefahr allarm zu d ü t e n , ist am frühesten von allen Ansen a u f , und in thätigkeit. Sein erstes geschält ist, nachdem die, den Lichtwesen gefahrliche, Nacht vorüber, die während derselben verschlossene g i t t e r t h ü r von Himinbiörg wieder zu öffnen. Diese magische gitterthüre (grind) heisst A r g i ö l l (Früh-gellende) weil sie, ausfreude über das einbrechende frühlicht, in der frühe einen g e l l e r oder lauten schrei ausstösst, so wie auch der hahn ( ä r g a l i , frühgeller) den morgen freudig ankräht (s. V i e l g e w a n d t s - S p r ü c h e , s. 100), oder so wie die Memnonssäule, beim anblick der Aurora, der mutier Memnons, töne ausstösst. 3. Der gegenständ des gedichts war die o r a k e l b e f r a ¡i'ung der I d u n durch die rathlosen Ansen, und was sich direkt hierauf bezog (s. E i n l e i t u n g , s. 83). Da dieser gegenständ nun dargestellt worden ist, so bricht das gedieht, nach art aller eddischen-rhapsodien, k u r z ab. Der dichter wollte nicht die erzählung des resultatlosen tags mit .der ihn endenden nacht (welche nur den feinden der Götter günstig ist) b e s c h l i e s s e n , sondern nur noch, zu b e s s e r n auspizien, den t a g ankündigen, den die Götter zu weiterer berathung bestimmt hatten. Der dichter weiss aber dass das bevorstehende schicksal nicht abgewendet werden kann; er lässt sich deswegen auch nicht an, die weiteren berathungen der Ansen vorzuführen. Seine rhapsodie ist somit liier nach s e i n e m zwecke, beendigt, und völlig abgeschlossen.
DER SEHERIN VORAUSSICHT. (VÖLU S P A )
I. EINLEITUNG. 1. Gegenstand des gedichts. So wie W e g g e w o h n t s l i e d und Der O d i n s R a b e n O r a k e l s a n g , so gehört auch l>er V ö l v a V o r a u s s i c h t zu den e s c h a t o l o g i s c h e n gedichten, welche sich auf die l e t z t e n d i n g e , das heisst, auf den
Untergang
der Götter und der Welt, beziehen. Denn von den 60 Strophen aus denen das gedieht besteht, handeln die 30 letzten von der eschatologie und palingenesie; und die 30 ersten haben blos zum zweck auszuführen, w a r u m der Götterund der Weltuntergang e r f o l g e n wird. Gleich den vorigen gedichten behandel t D e r V ö 1 v a V o ra u s s i c h t nichts das nicht schon in der bestehenden eschatologischen t r a d i t i o n enthalten, und dem dichter als fertiger stoff überliefert worden wäre; der Verfasser hat keine mythen e r d i c h t e t , sondern die vorhandenen bloss dichterisch d a r g e s t e l l t .
164
Der Seherin Voraussicht.
Dies gedieht unterscheidet sich aber von den beiden vorigen, in d o p p e l t e r hinsieht; erstens dadurch, dass es, während jene als stoff nur einen t h e i l der Eschatologie, oder eine rhapsodie der cyclen derselben behandeln, dieses a l l e theile und episoden derselben umfasst, und die Eschatologie und Palingenesie in ihrem ganzen umfing darstellt. Zweitens unterscheidet es sich von j e nen, sowie von allen andern Eddaliedern, ganz besonders und hauptsächlich dadurch, dass es den Untergang der Götter und der Welt nicht blos als ein s c h i c k s a l , sondern als ein v e r d i e n t e s oder v e r s c h u l d e t e s schicksal darstellt. Die darstellung beruht also, wie in keinem andern Eddalied, auf einer moralischen i d e e , der zufolge die Götter und die Welt t r a g i s c h enden müssen, weil sie sich dieses schicksal selber zugezogen haben. Diese idee des dichters ist, wiewohl sie genial und ü b e r der damaligen denkungsart steht, doch, wie die ideen bei allen dichtem und philosophen, eine z e i t g e m ä s s e , aus den damaligen zuständen der religion und moral hervorgehend, und somit aus ihnen entnommen und abstrahirt. Der dichter sieht nämlich das übel seiner zeit in einer immer mehr zunehmenden Verschlechterung, die, moralisch, zu einem verschuldeten verderben und zum Untergang führen müsse. Die Ursache der Verschlechterung und des Verderbens sieht er in der a rg 1 i s t und in der g e w a l t t h ä t i g k e i t seiner zeit, welche beide durch Odin, als böses exempel in die weit eingeführt, und, durch seine anbeter, nachgeahmt worden sind. Man begreift aber warum der dichter das übel und die schuld seiner zeit besonders in der arglist und in der gewaltthätigkeit erblickte, wenn man die überaus vielen beispiele von diesen beiden untugenden, in der geschichte der nordischen Völker erwägt, und bedenkt dass, neben der
I. Einleitung.
-165
tüchtigkeit und heroischen thatkraft dieser normännischen stamme, arglist, gewaltthat, mord und todtschlag, täglich und fast stündlich, an der tagesordnung w a r e n ; so dass, bei ihnen,
wenig
geschichtlich ausgezeichnete
männer
eines natürlichen todes verstarben, sondern die meisten der oft arglistigen gewaltthat erlagen. Man begreift, ferner, w a r u m der dichter die s c h u l d dieser zustände auf die G ö t t e r schiebt, w e n n man bedenkt dass die götter überall als die i d e a l e f ü r die menschen angesehen w e r d e n , und dass folglich die alten heidnischen religionen, so w i e sie einerseits die menschen besserten und civilisirten, doch auch, ^ anderseits,
die
menschen
gar oft irreführten, und zu schlechtem verleiteten. A l lerdings lagen arglist und gewaltlhätigkeit, auch ohne den verstärkenden einfluss der Odin-religion, zuerst in dem moralischen zustand und überhaupt im temperament j e n e r barbarischen zeit, so dass diese untugenden sich, i m Mittelalter, auch eben so sehr, im süden bei christlichen Völkern, w i e im norden bei den
heidnischen
Normannen
zeigten. Nichts desto w e n i g e r ist es aber nicht zu läugnen dass der O d i n i s m u s ,
dessen ideal der arglistige und
gewaltthätige Odin w a r , die arglist, die kampflust, und die gewalthätigkeit, bei den Verehrern dieses gottes, ganz b e sonders gehegt und gepflegt hat. Deswegen hat der dichter nicht ganz unrecht, w e n n er den obersten der Götter, den O d i n , für die untugenden seiner Zeitgenossen verantwortlich macht. Diese seine idee verfolgend, lässt der dichter, von mythologischem Standpunkt aus, die geschichte der menschen in der geschichte der Ansen ganz aufgehen, und fasst den Untergang der götter und der menschen als die natürliche folge der von O d i n in die weit eingeführten arglist und gewaltthat auf. E r stellt sich darnach den verlauf
der
466
Der Seherin Voraussicht,
götter- und Weltgeschichte so vor, dass er annimmt die Mächte, in den verschiedenen Welten, hätten anfangs friedlich und in eintracht mit einander gelebt, bis dass O d i n zuerst arglist und gewaltthatausgeübt; sodass diese Mächte, hiedurch aufgebracht, sich gegen die Ansen verschworen haben, und deren verderben seit lange her nun vorbereiten, bis sie, am ende der tage, mit Übermacht übei* die Götter und die Welt herfallen werden. Auf diese art wurde die gesammte mythologie, von anfang bis zu ende, für den dichter, nicht nur ein götter- und weltd r a m a , sondern sogar eine götter- und w e l t - t r a g ö d i e . Nachdem der dichter den. mythologischen stofT, so wie gesagt, in seinem ganzen umfang aufgefasst, suchte er ihn n u n m e h r dichterisch zu gestalten. Da der gegenständ hauptsächlich e s c h a t o l o g i s c h w a r , und sich also auf die z u k u n f t bezog, so verfiel er natürlich darauf den gegenständ in der form einer auf die Zukunft sich beziehenden v i s i o n (prophetie) oder v o r a u s s i e h t (spä) darzustellen. Da, ferner, in jenen Zeiten, jede dichterische form, also auch die einer voraussieht, concret sein, das heisst alle umstände mehr oder weniger vollständig aussagen musste, so hatte der dichter vor allem anzuzeigen w e r diese vision hatte, und w e m sie vorgetragen wurde. E r verfiel deswegen wiederum natürlich darauf das gedieht in den mund einer p r o p h e t i n zu legen, und es den menschenkindern (den hohen und niedern nachkommen des Heimdall) von ihr vortragen zu lassen. Jede concrete form, also auch jeder dichterische r a h m e n , in den man einen gegenständ einfasste, war aber, in jenen Zeiten, der tradition entlehnt, oder als geschichteaufgefasst, so dass die sprechende prophetin auch zu einer mythologischen person erhoben werden musste. da aber hier die Seherin, der idee des gedichtes nach, g e g e n den Odi-
I. Einleitung.
-Iß7
iiismus zu sprechen hatte, so konnte der dichter, f ü r diese rolle, nicht eine den Ansen g ü n s t i g e prophetin auswählen. Er legte deshalb die voraussichtsworte in den mund einer weissagefrau, welche er als die prophetin der W a n e n (der rivalen der Ansen) darstellte, gegen welche O d i n zuerst arglist und gewaltthat ausgeübt hatte. Bei den W a n e n , welche ursprünglich die götterdcr S l a v e n s t ä m m e waren, bezeichnete man aber alle weissage frauen, prophetinnen, und Zauberinnen, mit dem slavischen namen v a l c h a v a (währwolfstochter), welcher im nornscnischen zu v ö l v a ¡regelrecht umgestaltet worden ist. So kam es dass der dichter seinem gedieht den titel V ö l u S p ä (der Seherin voraussieht) gegeben hat. 2. Plan des gedichts. Der Verfasser hat selbst, in den zwei ersten strophen seines gedichts, den g e g e n s t ä n d und die e i n t h e i l u n g desselben deutlich angegeben. In der e r s t e n strophe nämlich sagt er aus, dass der g e g e n s t ä n d der V ö l u s p ä in der darlegung bestehe: 1) von O d i n s arglistigen a n s c h l a g e n , durch deren ausführung und verderbliche folgen dann 2) der erste krieg in der weit entstanden sei. In der z w e i t e n strophe gibt er hierauf die d r e i tlieile des gedichtesan, nämlich: 1) der Seherin e r i n n e r u n g e n an die ältesten Jotnen, und an die anfange der wesen und der weiten, in der V e r g a n g e n h e i t ; 2) der Völva k e n n t n i s s der anschläge gegen die Ansen, von Seiten der räche suchenden feindlich aufgebrachten Mächte der verschiedenen weiten, welche i n d e r g e g e n w a r t sich nun zum kämpfe r ü s t e n ; 3) der Seherin v o r a u s s i e h t und prophetie des Götter- und Weltuntergangs, i n d e r Z u k u n f t . Demnach theilt sich, von der dritten strophe an, das gedieht folgendermaassen ein:
Der Seherin Voraussicht.
468
A. V e r g a n g e n h e i t . Die e r i n n e r u n g der Seherin umfasst folgende alte thatsachen der vorzeit: 1 . Die uranfange der Ansen; 2 . Erschaffung des ersten menschenpaars; 3 . Erschaffung der zwei Zwerge-racen; 4 . Odins kriegsabsichten, die zum ersten krieg mit den Wanen führen; Odins vereitelte absieht die Völva (prophetin der W a n e n ) zu bestechen; 5 . Walkyrien kommen zu Odin, als Vorboten des ersten kriegs; 6 . Krieg mit den W a n e n ; 7. Wortbrüchigkeit der Ansen gegen die Jotnen; veranlasste feindschaft mit Loki; 8 . Loki rächt sich an den Ansen durch den tod B a l ders; 9 . Die Ansen rächen sich an Loki und fesseln ihn. Aufregung und rachepläne der feindlichen Mächte, welche sich
nun, i n d e r g e g e n w a r t ,
zum kämpf mit den
Ansen rüsten. B. G e g e n w a r t . 4 . Die Seherin w e i s s was gegenwärtig um sie her vorgeht ; sie weiss dass in Jotnenheim der Fenriswolf, der gefährlichste feind der Ansen, auferzogen wird; 2 . Dass deswegen man in Ansengart auf seiner hut ist, und Wächter und spione aufgestellt h a t ; 3 . Dass in Muspilheim man sich in kriegsbereitschaft hält; 4 . Dass, in Nebelheim, der drache Neidhauer und der wolf Hati täglich, zum bau des Nagelschiffs, mit thätiger hast, beitragen;
I. Einleitung.
-169
5. Dass, in Mannheim, die Zeiten immer schlechter werden; dass der schreckliche Winter, wo der götter- und Weltuntergang geschehen soll, bald herannaht; 6. Dass der Höllenhund durch sein geheul verkündigt dass ein baldiger tod göttern und menschen bevorstehe; 7. Dass der gefesselte Fenriswolf so mächtig wüthet dass, in kurzem, seine ketten zersprengt, und schreckliche erdbeben aus seinen tobenden bewegungen entstehen werden. C. Zukunft. I. Voraussicht der G ö t t e r d ä m m e r u n g .
1. Völva sieht zum v o r a u s wie Ansen, Elfen, Jotnen, und Zwerge, durch dies schreckliche erdbeben, in allarm gerathen; 2. Dass Heimdall ins allarmhorn stösst, und die Muspelheimer, bei der allgemeinen bestürzung, im Vorgefühl ihres siegreichen kampfes, frohlocken; 3. Dass die jotnischen mächte auf dem Nagelschiff, von osten übers raeer, nach Mannheim fahren; 4. Dass Surtur von Süden heranfahrt, und der himmel sich spaltet; 5. Dass die Weltesche in brand geräth; 6- Dass dann Thör auftritt, um mit der Weltschlange zu kämpfen, sie crschlägt, aber, selbst verwundet, niedersinkt ; 7. Dass hierauf Odin mit dem Fenriswolf, und Freyr mit Surtur kämpft, bis beide fallen; 8. Dass Vidhar den tod seines vaters Odin rächt, indem er den Fenriswolf tödtet; 9. Dass hierauf die flamme und der dampf von der erde bis zum himmel hinauf sich erheben, und die sonne und die sterne verdunkeln und verzehren;
470
Der Seherin Voraussicht.
10. Dass der dunkle drache Neidhauer sich, am ende, auf dem schrecklichen schlachtfeldezumfrasse, niederlässt, und dass schliesslich, die erde in das meer sich versenkt. II. Voraussicht der P a l i n gen e s i e .
1. Völva sieht zum voraus: dass eine neue erde au.« dem meer aufsteigt; 2. Dass Baidur, Hödur und Hoenir zurückkommen, um sich in den himmlischen Wohnungen niederzulassen; 3. Dass die Neu-Ansen wieder ihre jugendfreuden gemessen; 4. Das dieselben, abermals, im Wiedergrünsfelde, beim mächtigen Erdbaum, ihrer berathungen pflegen ; 5. Dass Forseti der neuen gerichtspflege und rechthandhabung vorsteht; 6. Dass im obersten himmel, in Edelsteinhausen, alle getreuen die ewige W o n n e geniessen werden. 3. Verfasser, and Abfassungszeit des gedichts. Die gründe w a r u m kein Verfasser eines Eddagedichtes, dem namen nach, angeführt und dem liede beigesetzt worden ist, haben wir, früher, oftmals dargelegt (s. G r a u b a r t s l i e d , s. 53—56). Deswegen ist die abfassungsrett der Eddagedichte ebenfalls nicht direkt zu ermitteln. Andeutungen und Wahrscheinlichkeiten hierüber sind, bei dem jetzigen stände der Wissenschaft, n u r durch ein k r i tisches verfahren zu gewinnen, welches zuerst darin b e steht dass man, durch allgemeines und allseitiges Studium der Eddagedichte, das r e l a t i v e alter derselben h i s t o r i s c h festzustellen sucht. W i r haben anderswo (s. Le Message de Skirnir, p. 474 — 4 8 7 ; G r a u b a r t s l i e d , s. 56 — 57), versucht die i n n e r n kennzeichen, wornach sich die mythologischen Eddalieder in d r e i perioden v e r -
L Einleitung.
17-1
theilen lassen, näher zu bestimmen, um dadurch die möglichkeit zu erlangen die einzelnen gedichte in eine dieser drei perioden einzureihen, und somit ihr alter, wenigstens r e l a t i v , zu ermitteln. Diesen Vorstudien zufolge, glauben wir die verfassungszeit derVöluspä in das zehnte jahrhundert setzen zu müssen. Das gedieht gehört also nicht der ältesten, auch nicht der jüngsten, sondern der mittleren periode an. Alle i n n e r n gründe der höhern kritik, welche dem bildungsgang der mythologie, der culturgeschichte, und der nordischen dichtkunst, der form und dem inhalt nach, entnommen sind, stimmen mit diesem wahrscheinlichkeits-resultat überein (s. Poèmes islandais, p. 476—184). Denn aus myt h o l o g i s c h e n gründen gehört die Völuspä nicht zu den ältesten und nicht zu den jüngsten gedichten, weil, zur zeit ihrer abfassung, die nordische mythologie, in allen ihren theilen, bereits fertig und abgeschlossen war, dieselbe noch als volksreligion im Volksglauben bestand, und der dichter noch kein christ, sondern noch ein gläubiger heide, obgleich kein altgläubiger, an den Odinismus war. Aus h i s t o r i s c h e n gründen gehört die Völuspä einer zeit an wo der Übergang von der ältern häuptlingsregierung zum christlichen königthum sich ankündigt und bemerkbar macht. Endlich aus l i t t e r a r i s c h e n gründen gehört die Völuspä, dem inhalt und der form nach, nicht zu den ältesten mythologisch-episch-lyrischen liedern, auch nicht zu der spätem Skaldenpoesie, sondern zu den mythologisch-episch-didaktischen gedichten der, zwischen beiden liegenden, mittleren Zeiten. Was den verfassungsort der Völuspä betrifft, so sind Wahrscheinlichkeitsgründe vorhanden dass der dichter, der bis jetzt unbekannt ist, nicht ein Däne, auch nicht ein Norweger, sondern eher ein Isländer war (s. Poèmes islandais, p. 183—184).
m
Der Seherin Voraussicht.
4. Integrität des gedlchta. Es ist kein einziger grund vorhanden der uns zum glauben berechtigte dass dies gedieht, so wie es uns überliefert worden, u n v o l l s t ä n d i g , und was den text betrifft, grösstentheils v e r d o r b e n , uns überkommen wäre. Der klarste und beste beweis von der integrität des gedichts ist dass es ein vollständiges, in allen seinen theilen genau verständliches ganzes darbietet. Allerdings tritt diese Vollständigkeit, und somit die Verständlichkeit, nur für den hervor, der den ursprünglichen text, den regeln der höhern kritik gemäss, herzustellen versteht, und die zur interpretation nöthigen kenntnisse, so wie den gehörigen exegetischen scharfsinn mitbringt. Im ganzen geben die beiden altern membranen, der C o d e x r e g i u s und die H a u k s b ö k , den ursprünglichen text ziemlich treu, obgleich sie nicht überall, in den lesarten, und in der strophenfolge, ganz u n v e r d o r b e n geblieben sind; wie dies ja schon dadurch bewiesen ist dass sie nicht immer mit einander übereinstimmen. Da der dichter, in seinem gedieht, die mythologie, als g a n z e s , umfasste, so konnte er die einzelnen mythen nur a n d e u t e n ; und diese andeutungen genügten und wurden zu seiner zeit verstanden, weil seine Zuhörerschaft noch im alten heidnischen glauben stand, und die mythischen traditionen noch vollständig kannte. Später aber, in christlicher zeit, kam das verständniss der heidnischen mythologie immer mehr abhanden; so dass auch das richtige verständniss des gediehtes nothwendig darunter leiden musste. Besonders bewirkte der mangel des richtigen Verständnisses dass die a u f e i n a n d e r f o l g e der kurzen abgerissenen Strophen im gedächtniss nicht immer festgehalten werden konnte, und dass dieselbe somit, hier und da, in unord-
L Einleitung.
-173
nung gerieth; wodurch hinwiederum das verständniss höchst beeinträchtigt wurde. Da aber der plan des gedichts klar zu tage liegt, so ist es der höhern kritik möglich die u r s p r ü n g l i c h e aufeinanderfolge der Strophen wieder herzustellen. Was die textkritik der e i n z e l n e n lesarten betrifft, so werden die gründe, wonach wir die correctionen und besserungen vorgenommen haben, im folgenden dem texte beigegebenen theile, dargelegt werden.
n.
TEXT.
Voln Spft.. (VSlva kvad:) 1. « Hliods bid-ek allar helgar kindir, « meiri ok minni mogu Heimdallar; « vtida-ek VaZfodurs vel framtelia, « fom spidll fira {>au ek fremst um-man. 2. « Ek man lotna ar of-borna, « j)4-er fordum mik /rcedda hofdu; (s. niu man-ek //eima, niu Yvidi, « Miotud mceran, fyrir mold nedan. 3. « AT var alda £>&-er Ymir bygdi; « var-a sandr, n& seer, nfe sualar unnir; «lord fannsk eeva, n6 t/pphiminn; « Gap var ginnunga, enn gras hvergi. 4. « Adr Burs synir btodum of-yptu, «J)eir-er Midg&rA weeran skdpu: « Sol skein sunnan & Salar steina ; «|>a var groin grrwnd grramum lauki.
Der Seherin Voraussicht.
5. « S ö l varp swnnan «Ziendi hinni
« Söl
sinni M ä n a ,
hcegri
f>at nö vissi
um
hvar hon
« Mäni j>at n6 vissi
fltmin-iö-dyr;
sali
ätti;
hvat h a n n megins dtti.
6. 4 rök-stöla,
« { ) ä göngu J?egin öll « Gtnn-heilög goö
ok u m £>at gcettusk:
« nött ok n i o i u m « morgun heim vettugis
vdru;
vant 6r gulli:
« unnst j j r i r k v ä m u ,
ör J m liöi,
« öflgir ok ä s t g i r
at süsi.
9. « F u n d u ä iandi
litt
« Ask ok E m b l u
orlög-lausa:
« önd J>au ne dttu, «lä
n& ICH ti,
megandi,
öd J)au n e höföu,
nö Ii tu gööa.
II. Text.
177
10. « Ond gaf Odinn,
òó gaf Hoenir,
« là gaf Hlòòurr
ok ¿¿tu gòòa ;
riar kvàmu « à-mattkar midk,
{mrsa meyiar
òr /ótunheimum. U.
« ,4sk veit-ek standa,
heitir Yggdrasill,
« hàr baòmr ausinn
Civita auri ;
« J^aóan koma dóggvar
{xxrs i daìa. falla ;
« stendr o>. yfir grcenn
t/ròar brunni.
12. « {)aóan kvàmu ?weyiar « Jjriar òr J)eim sto « Urò hètu erna,
margs vitandi,
er und {»olii stendr : adra Veròandi,
« — s/córu à skiòi — « Jjcer iógòu Zag,
Sfcwld ina j)ridiu :
{»cer lif kuru
« a Ida bòrnum,
orlog at segia.
13. « {)à gèngu Re gin òli « gtnn-heilóg goò
à ròk-stóla,
ok um jjat grsettusk :
«hverr skyldi Dverga
« òr Brimis blòòi,
dròttin skepia,
ok or Blàins leggium. 14.
« {)à er M>àsognir « Dverga allra,
jmetstr um-oròinn
enn Zheir manlikun « Do erga, i iòròu,
mòrg of-gioròu sem Durimi
sagòi.
Der Seherin Voraussicht. 15.
a Ny\, ok A'tdi,
Noröri, ok Sudri
« ylwstri, ok Vestri, «iV(/r, ok
Näian,
Aljiiöfr, D v a l i n n , JVtpingr, Däinn,
« B i f u r r , ok B a f u r r ,
Bwmburr, Nöri.
16. « vlnarr, ok O n a r r ,
Ai,
« V e i g r , Gandälfr,
Vindälfr, jjorinn,
« Fi Ii, ok Kyli,
Miöövitnir,
F w n d i n n , Näli,
« 7/epti, ok Vili,
//annarr, Sviorr. 17.
« Frür, ok F o r n b d g i , « Jjj'ör, ok j m i i n n , « AVir, ok
Frcegr, ok Ldni, }>ekkr, L i t r , Vitr,
Nyradr;
m'i hef-'ek Dverga, reit umtalda.
—
« r e g i n ok rödsviöa,
18. « Mal e r D v e r g a , « liöna
kindum,
«J>eir-er söttu
Dvallns liöi,
!
til Lofars telia, fra S a l a r steini
« dtar var D r a i t p n i r , «. Hör,
ok DolgJ)räsir
ok //awgspori,
« SAirfir, ok V e r m i r , « A v r v a n g r , /ari,
HZcevangr, G l ö i n n ; SAafidr, Ai,
Ftkinskialdi.
II. Text
m
20. « Ftalarr, ok Frosti, « Hen,
F t n n r , ok Ginnarr,
ok flugstari, HliöduUr,
«f)at m u n ce uppi, «iangnidia tal
Möinn:
m e ö a n old lifir
Lofars hafat.
21.
« Hon
hliöö
veit iieimdallar
um-folgit
« undir /leiövönum
Zielgum bad m i :
t ä ser H 6 n ausask
ö r g u m forsi,
« af
vedi
Vaifodurs; —
edr
Fttud-' renn
hvat! ?
22. « Ein
sat H o n wti
« Yggiungr .Asa,
j)ä-'r inn aldni k v a m ok i a w g u leit:
« « hvers fregniö
hvi freistid
mik?
« « allt veit-ek, Odinn!
min?
—
hvar |)ü a u g a fait.
23. « «I inum mcera.
Mim'is brunni
« « miöd drekkr M i mir, m o r g u n hverian, « « af vedi Valfodrs; — vitud-'r e n n edr hvat I ? « Valdi henni Herfodr /iringa ok m e n , « s/Jaklig fö-sjnöll
ok spaganda: of reröld hveria.
i sä H ö n vitt u m ritt
24. « S ä H ö n Valkyriur « griürvar at rida « Sku\d
vitt of-komnar,
til God-f)iddar:
hölt s/ttldi,
e n n SÄögul önnur,
« Gttnnr, Hildr, Göndul, « >i» eru taldar « giörvar at rida
ok Getrskögul:
n ö n n u r Herians,
grxmA Valkyriur.
Der Seherin Voraussicht.
25. fyrsl i H e i m i
« J)at man Hón /olkvig « jpà-'r hina Gwllveig « ok /ioli i
Härs
getrum s t u d d u ,
hana brendu ;
« j^rysvar brendu
|>rysvar òorna,
« optar, ö-sialdan,
|)ò hón enn lifir.
26. • Heiòi hana hétu « Völu v e l - s p à
hvars til
hü sa kvàm
vitti hòn ganda ;
« seid hòn kunni,
st'iòu hòn leikin ;
« ce var hón angan
illrar brùóar.
27. c [)à gèngu fìegin oli à rokstòla, « flfi'nn-heilög Goò « hvart skyldu
ok um {iat j/ti'ttusk
/Esir
a f - r à ò gialda,
t eór skyldu Goóin oli
giIdi eiga.
28. « Fleygài
Oòinn
ok ì /olk u m - s k a u t .
« jiat var enn /"ólkvìg
fyrsi
« firotinn var òoró-veggr « knàttu Vanir vìg-spà
ì Heimi. targar
Asa ;
t'öllu sporna.
29. « |ja gèngu 7?egin òli « Ginn-heilög Goò « hver hefdi iopt allt « edr iötuns celt
à Wikstùla, ok um Jjat r/tcUusk tevi
blandit,
OÒs mey gefna.
n . Text.
30. « « < «
Jjörr einn }>ar vd, J)rwnginn mööi; hann si aid an sitr er hann slikt of-fregn: d-göngusk ej'dar, ord, ok soeri, mal oil meginlig, er ä medal föru.
31. < Ek sä ifaldri, 6iödgum tivur, « Odins barni, orlög folgin: « stöd um-vaxinn, völlu hcerri, « miör ok mtök-fagurr mistil-teinungr; « varö of {jeim metdi, er miör syndisk, « foarm-flög/icettlig, Höör nam skiöta;
32. ar
i 7arnvidi,
Fenris kindir:
« verör af Jieim öllum « Twnguls i t ü g a r i ,
einna nokkurr
i irolls h a m i . 35.
« Sat |>ar ä liaugi
ok slö Jiörpu
« Gi/giar h i r d i r ,
glabvxrr
« gö\ u m h o n u m ,
Eggiir:
i Gaglvidi,
« / a g u r - r a u ö r häni
s a - e r F i a l a r r heitir. 36.
« Gö 1 u m A s u m
Gidlmkambi,
« sä vekr Tiölda
at i f e r i a f ö d u r s : .
« e n n a n n a r r gelr, « söt-rauör häni,
fyr iörd neöan, at sölum
Heliar.
37. « Stöö, f y r i r n o r ö a n , « s a l r ör gulli,
ä Mdafiöllum,
S t n d r a settar;
« e n n a n n a r r stöd,
d Okolni,
« b t ö r - s a l r Iötuns,
e n n sä £ r t m i r heilir. 38.
« S a l H d n $& standa,
Solu
fiarri,
« iVdströndum ä ;
norör horfa d y f :
« falla e i t r - d r o p a r
t n n of l i ö r a ;
« sä e r u n d i n n salr
orma hryggium.
« A fellr awstan, u m F i t r - d a l a , « s a u r u m ok s u ö r ä u m ,
S M u r heitir s ü .
II. Text
39. « Sà Hòn (>ar vada {»unga strauma, « metn-svara menn, ok »nord-varga, « ok f>anns annars glepr eyra-runu ; « {>ar saug Mdhòggr nói fram-gèngna ; « Vargr sleit verrà. — Vttuà'r enn eòr hvat I ? 40. « Fyllist fidrvi feigra manna; « ryòr siòt Ragna rawdum dreyra ; « srórt veróa sól-skin of sumur eplir, « ueòur oli uó-lynd. — Vitud'r enn edr hvat !? 41. « Garmr miòk geyr fyrir Gnypahelli — « fesir mun slitna, enn Freki renna : « fiold veit Hòn froda. ; fram sé-ek lengra « um Jìagna-ròk, ok hrawn Sigtìva. 42. « Brceòr munu beriask ok at òònum veròa ; ingi; « siynia Dvergar, fyrir sietndyrum, « Veggbergs vtsir. — V'ttuö'r enn edr h v a t ! ?
45. « Skelfr Yggdrasils a s k r standandi; « j / m r it aldna t r ö ; enn / ö t u n n losnar: « m u n u ftalir allir //eimstod rydia, « ädr S u r t a r jjann sefi of-gleypir.
46. « H i y m r ekr auslan, hefisk iind f y r i r ; « snysk J o r m u n g a n d r i iötun-mööi; « O r m r knyr wnnir, enn .Ari hlakkar « slitr n ä i ATefiolr. — iVaglfar losnar.
47. « Kiöl\ fer austan (/toma m u n u Muspells « u m idgu ij/dir, enn Logi styrir), « / a r a Fifl-megir med F r e k a allir; «|>eim e r brödir Byleists i for.
48. « S i t r t u r ferr swnnan med svtga laevi, « skinn af sverdi Söl Valtiva: « srrtöt-hiörg gnata, enn grilur h r a t a ; «troda /talir Helveg; — enn /itminn klofnar.
n . Text.
49. «{)á kómr inn meeri mógr Hlódyniar; « gengr Oáins sonr vid Orm vega; « drepr hann af moói Aítógarós vé-orr; « gengr fet niu Ftorgyniar burr, « neppr frá Nadri nids ókviónum. 50. • kómr Hlinax /larmr annarr fram, « er Oóinn ferr vió U\i vega, « ennfcaniBelia bi'artr at Surti; — «J)á mun Friggiar /alia angan-tyr. 51. « J)á kómr inn mtkli mógr Sigfoóurs, « Víf)arr vega at Valdyri: « laetr hann wiegi Hveórungs «iitnd umslanda « hiór, til /«arta.— J)á er hefnt foóur. 52. « Sol tekr sortna; stgr Fold i mar; «Jiverfa af /»mni heidar stiórnur; « ok geisar eimi vió .Aldar-nára; « hár leikr hiü vió /itmin siálfan. 53. «J>ar kómr inn dimmi Dreki fliugandi, « Nadr fram neÓan Nida ílóllum; «ber sér í /ióórum, /lygr voll yfir; « nifli hóggr ndi; — nú mun hón sókkvask.
186
Der Seherin Voraussicht.
54. « S 6 r Hön upp-koma,
ödru sinni,
« Jörd ör (Egi
idia-grcena;
« faWa. /brsar;
/Zygr örn yfir,
« s ä - e r , ä /ialli,
/¡ska veiöir.
55. « M u n u (5-sAnir,
akrarvaxa;
« böls mun alls b a t n a . — « büa {jeir-ifööur
ß a l ö u r mun k o m a :
//ropts s i g - t o p t i r ,
« Valtiva ve. —
Vituö'r enn eör hvat?
«Jiä knä Hcenir
hlul vid kiösa,
56. « ok fcyrir fryggia brcedra tveggia « Vindheim r t ö a n . —
Vituö'r enn edr h v a t ! ?
57. « |>ar m u n u eptir
tmdursamliga
« gwllnar töflur
i grasi
«jjoers i drdaga
« t t a r höfdu.
finnask,
58. « Hiltask jEsir
ä /davelli,
« ok und Mold-Jiinur,
m d t t k i r doema±
ekkian; — ))ekkr heisstgefügig, lenksam; ä£>ekkr ungefügig, widerspenstig. 4. Vala; —Vali hat mit dem Ansen Vali, dem bruder und räclier des Baldurs, nichts gemein (s. Fascination, p. 283); hier ist Vali der söhn des Loki, den die erzürnten Ansen durch zauber in einen reissended wolf verwandelten; und sein name Vali bedeutet dass er den Wölfen gleicht, welche die in der Schlacht gefallenen (val) zerreissen. Dieser Vali (todtenwolf) zerriss in der wuth seinen eigenen bruder N ä r i (f. Narvi, Nörvi, abenddämmerliche) mit dessen gedärmen die Ansen seinen vater Loki banden, und diese dann durch zauber in eiserne bände umschufen (s. Fascination de Gulfi, p. 335). 5. Vig-bönd (mord- bände) sind bände welche durch den mord (vig), den Vali an seinem bruder Näri verübt hatte, gewonnen worden sind. 6. Heldr ist ein adverbium, gebildet vom comparatif von haldr (hallr, hervorgetrieben, hoch; lat. celsus, f. celtus) welches höher, mächtiger, m e h r bedeutet. 7. Sigyn (Siegfreundin), ist eine von den frauen des Loki, wahrscheinlich die mutter des Vali und des Näri, und aus ansischem geschlecht; hat ihren namen Sigyn, (sig-vinia) vielleicht weil sie, als treue gattin, den endlichen
222
Der Seherin Voraussicht.
sieg ihres gemahls Loki über die Ansen l i e b t oder wünscht. 8. V e r i vel ist zu lesen statt v e r vel, damit nicht zwei alliterirende silben neben einander stehen. Strophe 34. 1. H i n a l d n a (die bekannte alte) ist die Heulerin (gygr, s. s. 221) aus jotnischem geschlecht, die frau des S c h ä u m e r s - w o l f s (Fenrisulfr), welcher der söhn des Loki und der jotnischen heulerin Angurboöa (Bedräng niss-vorbedeutende) ist. Fenrisulfr erzeugte mit dieser alten, um seinen vater L o k i an den Ansen zu rächen, furchtbare ungethüme in wolfsgestalt, welche den göttern vielen schaden zufügen sollen. 2. I a r n v i ö i (Eisenwald); — die furchtbaren enkel des L o k i und der Angurboda, werden von ihrer mutter aufgezogen in Jotnenheim, im E i s e n w a l d , der seinen najnen davon hat, dass sein g e h ö l z so stark und ausdauernd wie e i s e n ist. I a r n (f. i s a n , iran, dauerhaft; sansc. a y a s , dauer) bedeutet dauerhaftes metall, e r z , eisen. 3. F e n r i s ; — F e n r i r könnte, dem thema nach, von f e n n. (schäum, schlämm, schlacken, s. Strophe 32), abgeleitet sein, und s c h ä u m e r (schäumend) bedeuten, da der Fenrisulfr als ein geifernder schäum-, schlämm- und lava speiender vulcan dargestellt wird (s. Fascination de Gulfi, s. 288). Nur ist die grammatische bildung von F e n r i r ungewöhnlich. Grammatisch leichter zu erklären wäre diese form wenn man sie ableitet vom adjectif f i r i n n (ferngehalten, feindlich, schädlich, sansc. p a r ä n a s feindlich; cf. lat. p e j o r f. p e r i o r schlechter; p e j e r o f. p e r j u r o , schlecht schwören). Das sachadjectif f i r i n n (für firinr) könnte sich, durch Umstellung der endung i n r in n i r , zum personadjectif F i r n i r (schäd-
III. Textkritik und Worterklärung.
223
lieh) umgebildet, und F i r n i r z u F e n r i r , sich umgestellt haben (vgl. N i ö r d r und R i n d u r ; lat. r e n und deutsch n i e r e ; sansc. V a r a n ä s i und B e n a r e s ) . Da der schäum- und Schlammvulkan passend der S c h ä d l i c h e (Fenrir) heissen konnte, so konnte auch der schädliche Wolf welcher das symbol dieses vulkans war F e n r i s u l f r (wolf des Schädlichen) genannt werden. Endlich, da man sich diesen letztern namen nicht genau zu erklären wusste, so sagte man auch, um diesen wolf zu bezeichnen, blos F e n r i r , gerade so wie man, statt Yggd r a s i l s a s k r (s. str. 11) auch blos Yggdrasill gebrauchte. 4. E i n n a n o k k u r r (einer der e i n z i g e n ; cf. E i n heriar, E i n z i g e heerleute) hat die bedeutung von e i n e r der a u s g e z e i c h n e t s t e n . 5. T u n g u l ; — sowie töng (zange, beissender zacken) u n d t u n g a (zacke, spitze, zinken, zunge), zu der Wortsippe goth. t a h j a (reissen, beissen, zwicken), angls. t u c j a n (zwicken, beissen), gr. dak-no (zwicken, beissen), sansc. da 5 (reissen, beissen) gehört, so gehört wahrscheinlich auch zur selben familie das wort t u n g u l , das ursprünglich b e z a c k t , speziell den bezackten s t e r n , und besonders den bezackten (gehörnten) m o n d bezeichnete. Tungul ist zweisilbig zu lesen, damit nicht zwei alliterirende silben neben einander zu stehen kommen. 6. T i ü g a r i (Verfolger) ist abgeleitet von einem stamm t i ü g a , der zu derselben Wortsippe gehört wie das griechische diokö (verfolgen), und das deutsche j a g e r. 7. T r o l l n. ist aus tr-old, dieses aus tor-old, und dieses aus tor-vald (böse gewalt) entstanden. Der ausdruck bezeichnet ein bösartiges wesen, von dem man Vergewaltigung zu befürchten hat. T o r entspricht dem sansc. d u s h (deutsch zer-), und bedeutet e n t z w e i t , feindlich (sansc. dvisch, e n t z w e i t sein, hassen).
224
Der Seherin Voraussicht
Strophe 35. 1. Damit der halbvers wenigstens vier silben habe, so ist gladvser statt des einsilbigen gladr zu lesen. 1. Eggöir (f. Eggi(>r, mit scharfer spitze begabt) bezeichnet einen vogel (hier einenhahn) dereinen scharf e n schnabel hat (vgl. egdir adler; ig da adlerinn, nusshacker). 2. Gagl vidi (Schwanenwald); — da man zwischen g a n s (gagl) und schwan nie ganz genau unterschied, so bedeutet hier Gagl vi ör den Schwanenwald. Dieser wald befand sich in A u s g a r t (Utgardr) im äussersten nördlichen theil von Jotunheim. 3. F i a l a r r (für Fialharr Felshehr) ist der wachehaltende Riesenhahn im Schwanenwald. Strophe 36. 1. Hölda (halter) bezeichnet die freien männer, welche halten, das heisst b e s i t z t h u m h a b e n . Dies wort hat nichts gemein mit halr ( a u s g e z e i c h n e t e r mann), noch mit dem deutschen wort held, welches einen hohen, berühmten mann bezeichnet (lat. celsus f. celtus, hoch). 2. Gelr als presens, im gegensatz zum preterit gö 1, bezeichnet hier, prophetisch, das f u t u r , weil vorhergesehenes als schon gegenwärtig betrachtet wird. 3. Uber fyr iörd nedan, s. oben strophe 2. 4. Hei (goth. halja) bedeutet ursprünglich Schlägerin, tödterin (vgl. engl, kill), und bezeichnet die göttin des todes, und abstrakt gefasst das todtenreich in der unterweit (s. Fascination, s. 287). Strophe 37. 1. Nidafiöll sind die gebirge welche, im norden von Mannheim, sich da befinden wo der mond immer unter
m . Textkritik and Worterkl&rung.
225
(nid) dem horizont ist; sie sind benannt nach dem Alfen Nidi, welcher der landvaettr (Landgenius) dieser region ist (s. s. 209). 2. S i n d r a ; — sindur, deutsch s i n t e r , bedeutet die funken des hammerschlags einer schmiede, und schlacken eines feuerspeienden bergs, Sindri ist ein epithetischer name des Stammvaters der Muspilheims-söhne. 3. Okolnir bedeutet unkalt, im sinn von sehrwarm (vgl. untiefe, ungethüm), und bezeichnet einen südlichen theil des brennenden Muspilheim. 4. Iötuns; — S u r t u r von Muspilheim wird hier geradezu Iotne genannt, welcher name gewöhnlich den frostriesen zukommt. Da aber die Thursen (Dürren) ursprünglich auch feuerriesen waren (s. Fasdnation, p. 186), und Muspilheim den Ansen eben so gefährlich war wie die Iotnen (Fresser), so wird S u r t u r , als fressendes feuer, hier auch zum Iotnen-geschlecht gerechnet. 5. Brimir (Brauser, Prasseier, brausendes feuer) ist hier der name des feurigen trinksals des Surtur. Strophe 38. 1. Näströndum;—Nästrandir (Leichenstrande) ist der theil von Niflhel der von Hei durch einen Meeresarm getrennt ist. Auf diesem strande steht der S c h l a n ¡rensaal (ormsalr) worin der ström Schlier (Süöur) genannt sich bildet, welcher von osten in die Gift t h ä l e r (Eitrdala) sich schleppt. 2. Saurom ok svördum; — Saur ist schlämm und koth; — svördr (schwarte) ist der schaumartige, haarähnliche rasen der sich auf den morästen bildet. 3. Slidur (schlier) bedeutet ausgleitend, schlüpfrig (vgl. slööa, Schlitten) und bezeichnet, gewöhnlich, einen schlüpfrigen lehm- oder morastboden (vgl. S c h l i e ii
226 Der Seherin Voraussicht. ren), hier aber einen ström der schlüpfrige materiell mit sich führt (vgl. Schlierbach). Strophe 39. 1. Damit die alliterirenden silben m e n n und mein dicht ohne senkungssilbe neben einander stehen, so ist menn hinter svara zu setzen, oder m e n n i zu lesen. Menni ist entweder ein älterer accusatif plur. für menn, oder ein collectivum neutrum (mannsleute). 2. Svara, in mein-svara, ist nicht der accusatif plural, welcher von svari, svaru lauten müsste, sondern der genitif singularis von svari (der schwur; vgl. svara-brdöir schwur-bruder); menn m e i n s v a r a bedeutet hier meineids-menschen. 3. Das bis jetzt unerklärte mei n erkläre ich folgendermaassen. Das stoffthema Mak' (schlagen) ist eine nebenform von Mat' (schlagen); zu dieser Wortsippe gehören gr. machfc (schlacht), lat. mactare (metzen), slav. m e f i (schläger, schwerdt; wovon goth. mAki und norr. maekir stammen), deutsch m ä h e n (hauen, heu hauen, etc.) Vom stoffthema Mak' sind, grammatisch und euphonisch, gebildet, lat. mancus,(f. macnus, beschädigt, verstfrrtimelt), norr. mein (f. mehin, schaden, frevel), altengl. magin (maim, beschädigung), altfr. möhain (beschädigung), mitteld. mein (schaden, frevel), elsässisch der m a k e n (schaden, fehler). Mein in meineid, meinsvari drückt speziell den begriff schmach, f r e v e l aus. 4. Damit nicht zwei alliterirende silben neben einander zu stehen kommen, so muss vargr sleit verra statt sleit v a r g r v e r r a gtelesen Werden. 6. Vargr (wolf) ist der Managarmr (Mondgieriger) der söhn des Fenrisulfr. Auf dem Leichenstrand schlitzt er die leichen der Verbrecher auf, und legt die näg eider-
III. Textkritik und Worterklärung.
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selben zurück, welche zum bau des NagelschifFs (Nagl för) dienen sollen. 7. V e r r a (schlechteren); so nämlich ist zu lesen statt ve r a ; denn ver (wahrer, beschützer) bezeichnet den braven, tüchtigen mann(lat. vir) der, als h e l d sterbend, nach V a l l h ö l l kommt, und nicht in die H e i , und noch vielweniger nach N i f l h e l hinuntersteigt. Der wolf aber, auf den Leichenstranden, zerreisst daselbst nur die leichen der V e r b r e c h e r , die hierdurch den comparatif s c h l e c h t e r (verri) bezeichnet werden. Strophe 40. 1. F i ö r r (leben) bezeichnete ursprünglich die m a t e r i e l l aufgefasste seele, als vor dem leibe seiend und ihm v o r s t e h e n d gedacht (sansc. p u r u s h a f . pra-vasas, pers. f e r v e r , goth. f a i r - v u s leben, weit; s. Fascination de Gulfi, s. 217), dann das l e b e n selbst, und endlich, wie hier, das b l u t in dem man den sitz des lebens zu finden glaubte. 2. f e i g r , ursprünglich identisch mit v e i g r (weich), das gegentheil "von h a r d r (muthig, kühn). Da feigheit für Schlechtigkeit galt, so bedeutet v e i g r ¡hier, wie v e r r i (schlechterer), e i n e n s c h l e c h t e n , verbrecherischen menschen. Andererseits hat sich irrthümlich, durch homonymie, v e i g r (feigr) mit v e i g r (geweiht, goth. v e i g s , norr. vigia weihen) vermischt, so dass es auch im sinn von g e w e i h t (zum tode) genommen wurde. 3. d r e y r i (als tropfen h e r a b f a l l e n d e s blut; goth. d r i u s a n herabfallen) 'bezeichnet das aus der wunde h e r a u s g e t r ä u f e l t e blut (lat. c r u o r ) . Strophe 41. 1. Damit nicht zwei alliterirende silben neben einander zu stehen kommen, so muss G a r m r miök g e y r stattgeyr g a r m r miök gelesen werden.
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Der Seherin Voraussicht.
2. Garmr (Gieriger, Yerschlinger) ist der höllenhund, der Wächter am eingangder Hei (s. W e g g e w o h n l s l i e d , s. 49); er ist angekettet an einen fels, der Gnypahellir (Höhle der schroffen, abrupten, a b g e k n e i p t e n felsen) heisst. 3. Freki (ungestüm, frech) ist der name des angeketteten F e n r i s u l f r . 4. h r a u n ; — die lesart r ö m m (stärke) ist zu verwerfen, weil es hier ein zu wenig bezeichnendes, schwaches adjectif von r ö k (Untergang) wäre, und dann rökzweigenitive (Ragna, Sigtiva), ohne Verbindung, regieren würde. Es ist aber die Verbindung o k herzustellen, und dann zu lesen r o m (accus, von r ö m r kämpf), oder besser h r a u n (krach, ruin). Strophe 42. 1. s y s t r u n g a r ( w e i b l i c h e abkömmlinge von schwestern, Cousinen) ist entgegengesetzt den m ä n n l i c h e n verwandten, die durch broeör bezeichnet werden. 2. H e i m ist hier speziell Mannheim (Menschenheim). 3. Der vers man e n g i maör etc., ist frühe aus seiner stelle gerückt worden, und in der H a u k s b ö k , nach einem andern eingeschobenen vers, falsch eingesetzt worden. Strophe 43. 1. leika (tanzen, spielen) bedeutet hier jubeln, dadurch dass man im Vorgefühl des sieges einen kriegerischen walfentanz ausführt. 2. Miötuör (lebensabmaht, tod) bezeichnet hier das weit ende, die götterdämmerung (s. strophe 3). 3. k y n d i s k (kündete sich an), wie das jüdisch-christliche Weltgericht durch die trompete des Erzengels Michael. 4. g a m l a (alt), bessere lesart als das tautologische
III. Textkritik und Worterklärung.
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epitheton g i a l l a (gellend); a l t bezeichnet hier das von a l t e r s h e r , zum a l l a r m b l a s e n , aufbewahrte horn. Strophe 44. 1. g n y r bezeichnet das, vor schreck, a u f s c h r e i e n , das allarmirt sein. 2. Statt I ö t u n h e i m r ist G o d - h e i m r zu lesen, weil, 1) ausgedrückt werden soll dass die g a n z e o b e r e w e i t , beim allarmblasen, vor schrecken aufschreit, nicht aber dass das ganze J o t u n h e i m , das, in der vorigen Strophe, als jubilirend dargestellt ist, hier vor schreck aufschreit; 2) weil zwei accentuirte und alliterirende silben wie allr und Iötunheimr nicht so dicht neben einander gestellt sein dürften. 3. V e g g b e r g (Mauerberg) ist das g e b i r g das, wie eine w a n d (abwender) oder m a u e r , Mannheim umgibt (s. s. 218). 4. V i s i r (vorsichtige), drückt aus dass die zwerge den einsturz der berghöhlen, in denen sie wohnen, zugleich v o r a u s s e h e n und fürchten, und dieselben deswegen verlassend, vor den felsöffnungen klagen und stöhnen. Strophe 45. 1. I ö t u n n bezeichnet hier den von den Ansen am m e i s t e n gefürchteten I o t n e n, den F e n r i s u 1 f r, der nun, durch wüthende kraftanstrengung, endlich seine fesseln sprengt. 2. H a 1 i r (ausgezeichnete), bezeichnet hier die als hei den ausgezeichneten E i n h e r i a r ( E i n z i g e n heermannen). 3. H e i m s t o d ( h e i m s t ü t z e ) ist bessere lesart als das prosaische h e i m s t ö ö (heimstätte). 4. r y ö i a heisst hier nicht r ä u m e n (verlassen), sondern r ö t h e n (mit dem blut bespritzen).
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Der Seherin Voraussicht.
Strophe 46. 1. H l y j n r ; — statt des etymologisch unerklärlichen H r y m r , ist, wegen der alliteration mit lind, H l y m r (f. h l i ö m r , brausen) zu lesen, welcher name hier den w e l l e n b r u c h bezeichnet. Die corruptelesart H r y m r scheint aus den Abschriften der V ö l u s p ä in die spätem T h r y m l u r übergegangen zu sein, woselbst H r y m r , reimend mit T h r y m r , steht (s. Möbius, Edda Saemundar, p. 238). 2. l i n d (linde) ist der aus li'ndenholz gemachte oder mitlindenbast überzogene s c h i l d , welcher das z e i c h e n des anführers ist (s. s. 63). 3. I o r m u n g a n d r ; — I o r m u n (sansc. a r y a m a n Ehrwürdige) ist ein alter epithetischer name des Sonnengottes. G a n d r (betäuber, bezauberer) ist gewönlich eine bezeichnung eines mit Zauberkraft ausgerüsteten wolfs oder einer schlänge. I o r m u n g a n d r (Sonnenbezauberer) ist daher ein epithetischer name der riesenhaften Meerschlange, welche das symbol des Oceans ist. Nach einem alten, schon bei den Indern vorkommenden mythus, besteht feindschaft zwichen dem Sonnengott der das meer verdunsten macht, und dem Ocean der seinen gegner zu b l e n d e n oder zu verzaubern sucht. Diese feindschaft bestehet auch zwischen der Meerschlange (Iormungand) und dem Thor, der wie Herakles einige attribute des Sonnengottes überkommen hat (s. Fascination, p. 286). Strophe 47. 1. Müs pell (Holzverderber) ist ein alter epithetischer name für f e u e r , und ist zusammengesetzt aus spell (f. speld, zerspaltung, Zersplitterung) und m ü ö r (sansc. m ü t a verbundener, v e r s t r ü p p t e r wald), das später vüdr (angls. v u d u , engL wood ausgesprochen wurde; vgl. winzig und munzig). M u s p e l l bezeichnete, im
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frühern christlichen mittelalter noch das f e u e r beim Weltgericht (dar ni mäk denne mak helfan for demo müspille). Muspell (Feuer) hat im Norden auch die örtl i c h e bedeutung von F e u e r w e l t (Muspilheim) sowie das persönliche H e i auch ö r t l i c h e bedeutung angenommen hat. 2. Logi (Flamme); — Logi ist nothwendig zu lesen statt L o k i ; denn hier kann nicht die rede sein von A s a L o k i , der ja gleich seinem söhne F e n r i s u l f r auf dem N a g e l f a r an bord ist; auch nicht von U t g a r d a - L o k i , der ein Frostriese ist und als solcher mit den Jotnen fährt. Logi (Flamme) ist ein epithetischer name des Surt u r , des gottes von Muspell. 3. Damit nicht zwei alliterirende silben neben einander stehen, so ist der accusatif pluralis lögu statt des singularis log zu lesen. 4. F i f l ist identisch und gleichbedeutend mit F i m b u l , wie s u m b l mit sufl (gesöff, festtrinken), und bedeutet die, durch bebende, schnell webende, und wabernde bewegung, hervorgebrachte b e t ä u b u n g , und dann den bet ä u b e n d e n s c h r e c k e n . Fifl ist deswegen ein epithetischer name des CEgir, der der gott des betäubenden, beweglichen, und schrecklichen Nordmeers ist. Die Söhne des Fifl sind also die, auf den Inseln des Nordmeers, mit CEgir hausenden Jotnen. i. F r e k i (Freche) ist wie oben (s. s. 228) ein epithetischer name des F e n r i s u l f r (s. s. 222). 5. Byl-eistr (hervorbrechender-Sturmwind) ist der name des bruders des äsa-Loki, welcher deswegen hier B y l e i s t ' s b r u d e r genannt wird, Strophe 48. 1. S u r t u r , der gott des feuers, scheint nicht seinen namen von s v a r t r (schwarz, verbrannt), sondern von 81"
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terem s v e r t u s (geehrt, goth. s v e r a n ehren) erhalten zu haben, und, wie ve (heilig), ein epithetischer name des f e u e r s zu sein. Deswegen heisst der s c h w a r z e achat nicht geradezu s u r t r , sondern Surtar-brandr (des heiligen, geehrten feuers brand). 2. Sviga laevi; — sviga könnte der genitif plur. von svigr (ast) sein und sviga laevi (der äste verderben) als umschreibendes epitheton für feuer angesehen werden. Dass aber der gott des feuers mit f e u e r kommt versteht sich von selbst. Vielmehr soll hier ausgedrückt werden dass der feuergott mit seinem flammenschwerdt B r o d d r (s. Vielgewaridts S p r ü c h e , s. 63, 124) erscheint; deswegen ist s vi gi (ast, stab), wievöndr (ast,stab, schwerdt)im sinn von s c h w e r d t des Surtur zu nehmen. 3. Valtivi ist nicht zu verwechseln mit Valtyr, welches speziell den Odin, als Gott (tyr, gr. zevs, theos, lat. deus) des W a h l f a l l s (Val) bezeichnet. Valtivi hingegen bezeichnet den S u r t u r als g ü l t l i c h e n (tivi oder als gott) der w ä r m e (var, oder val; vgl. valgr, natürliche wärme habend). 4. Gifur (gierige, wilde) bezeichnet die zauberischen Riesenweiber die in den berghöhlen wohnen. 5. H ä l i r (Heiische, bewohner der Hei) ist nicht zu verwechseln mit h a l i r (ausgezeichnete oder helden, s. str. 45). Strophe 49. 1. Hlööyn(f. Hlöd-vinia, Herd-freundin) bezeichnet die E r d e (lörd) als freundliche Stätte der familienheerde oder menschlichen Wohnsitze. 2. Vöorr (für vÄ-varr) bedeutet beschützer (varr) der Wohnsitze (ve) auf der mütterlichen Erde (lörd), und ist ein gutgewähltes epitheton des Thdr, des sohnes der lörd.
III. Textkritik und Worterklärung.
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3. F i ö r g y n (für Fiörgunia) ist die E r d e (Iörö) als bergigte, und b e r g e t r a g e n d e (sansc. Parvata-dharä). Das gebirg (goth. f a i r g u n i ) ist benannt nach dem mit r e g e n b e f r u c h t e n d e n gewittergott F i ö r g y n n (Saxo gramm. F r i c c o n , sansc. P a r d j a n i a s Regenliebend) welcher von den bergen herunter, wo sich die gewitter bilden, in die ebenen herab zieht (s. Fascination de Gulfi, p. 245, 250). 4. N e p p r (f. k n e p p r , beengt, kurzgehalten, knapp) steht hier als adjectif für das adverbium knapp (kaum), und drückt aus dass T h o r mit mühe (kaum) neun schritte von der Schlange weggehen konnte, ehe er niedersank. 5. Niös ökviönum bedeutet u n e r s c h r o c k e n aus lieid (bosheit oder gehässigkeit). Strophe 50. 1. Hlin (stütze, hülfe) ist ein epithetischer name der F r i g g , und ist später.als d i e n e r i n der Frigg personnificirt worden (s. Fascination de Gulfi, p. 297, 300). 2. Beli (beller) ist der name des bruders der G e r ö u r den F r e y r tödtete; er istdiepersonnification desbellend e n (heulenden) windes im frühjahr von Jotunheim. 3. A n g a n - t y r (wohlgeruchs-gott) eine bezeichnung des O d i n in beziehung zu seiner gemahlin F r i g g , die in ihrem gemahl den gott der annehmlichkeit und wonne liebte und verehrte. Strophe 51. 4. Vit-här (weit-hehr) trägt seinen namen weil er der h e h r e gott des w e i t e n himmelraums (landviti) ist (s. Fascination de Gulfi, p. 279). 2. H v e ö r u n g s ; — Es ist der name des A b k ö m m l i n g s des H v e ö u r r (stösser, widder; lat. q v a t e r e , sansc.
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Der Seherin Voraussicht,
m e d h r a - s , bh&da-s), eines Hrimthursen der, als s t o s s e n d e r widder, wie die widder an Thörs donnerwagen, die w i n d s t ö s s e symbolisirte, welche die gewitterwolken fortstossen. H v e ö u r r , als J o t n e , ist hier der vorfahr des F e n r i s u l f r , und, da Odinn auch von den Hrimthursen abstammt, auch der vorfahr dieses ansischen Gottes der Windstösse, welcher deswegen auch selbst der H v e ö r u n g r (Stössers abkömmling) genannt worden ist. 3. Laitr m u n d u m s t a n d a hjör tel hiarta sagt deutlich aus : er liess aus dem rächen he r au sstehen das schwerdt das bis zum herzen h i n a b reicht. 4. H e f n t f ö ö u r ; — fööur ist hier datif, weil man z. b. sagt hefna fööur miötuös (dem vater rächen wegen des t o d e s ) . Strophe 52. 1. S i g r fold i mar bedeutet blos dass die E r d o b e r f l ä c h e , durch die bewegten meereswogen, unter wasser gesetzt wird oder unter wasser sinkt (sigr), ohne noch in den Meeresgrund sich tief hinunter zu s e n k e n (sökkvask). 2. E i m i (rauch) ist poetischer ausdruck für f e u e r , weil wo rauch, auch feuer ist. 3. A l d u r n ä r i ; — n ä r i (für n a r v i , niörvi) bedeutet a b e n d d ä m m e r l i c h , und bezeichnet den w o l f , welcher, in der abenddämmerung, auf raub ausgeht. Daher trägt Lokis söhn, der wolf, den namen N ä r i oder N a r v i , und der West-sund oder der Hesperus-sund (Gibraltar) heisstNiörva s u n d ( s . Fascination, s. 198). A l d u r n ä r i (Weltdämmerung) wie R a g n a r ö k r (Götterdämmerung) könnte das wellende bezeichnen und poetisch das f e u e r bedeuten welches die weit verzehrt (sansc. Djagad-bakchaka). Deswegen stehtauch, in der E d d u brot, a l d u r n ä r i unter den bezeichnungen des f e u e r s ; und da die
HI. Textkritik und Worterklärung.
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H a u k s b o k , statt viö aldurnari, ok aldurnari liest, so nimmt sie den ausdruck a l d u r n a r i geradezu für gleichbedeutend mit e i m i (feuer). N ä r i bedeutet aber öfterer e r n ä h r e r ; und a l d u r n a r i ist deswegen als l e b e n n ä h r e n d e s f e u e r erklärt worden, weil das feuer aus Muspelheim in der weit das leben a n g e f a c h t und entzündet hat. Es wäre aber höchst sonderbar wenn hier der dichter, um das w e l t z e r s t ö r e n d e f e u e r zu bezeichnen, gerade einen ausdruck gebraucht hätte der das feuer als das leben e n t z ü n d e n d e darstellt. Deswegen ist a l d u r n a r i passender als W e l t e r n ä h r e r zu erklären, und W e l t e r n ä h r e r , wie W e l t s t ü t z e (heimstod), bezeichnet den Lebensbaum oder das symbol des allgemeinen Natur leb ens, die E s c h e Yggdrasills. 4. Damit nicht zwei alliterirende silben neben einander stehen, so ist h ä r leikr h i t i statt leikr h ä r h i t i zu lesen. Strophe 53. 4. Dimmi (dunkel) bezeichnet den drachen oder die natter N e i d h a u e r (Niöhöggr) der, in der finstemiss auf L e i c h e n s t r a n d e , in Niflhel wohnt, als das symbol der lebensfeindlichen f i n s t e r n i s s . N e i d h a u e r ist ein s c h w a r z e r drache, und nicht, wie es gewöhnlich die drachen sind, gleich dem Salamander ein f e u e r drache; er kommt von unten aus dem d u n k e l n Niflhel, über die d u n k e l n nördlichen Niöafiöll-gebirge herüber, auf das noch glimmende Schlachtfeld. Bei seiner ankunft erlischt gänzlich das feuer des weltbrandes; es tritt allgemeine f i n s t e r n i s s ein. 2. F r am; — so wie oben (strophe 50) J>ä kömr Hlinar harmr f r am gesagt ist, so ist auch hier J>ar kömr Naör f r a m zu lesen; deswegen habe ich f r a m an die stelle von
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Der Seherin Voraussicht
frânn gesetzt, welches eine falsche lesart ist; denn 1) frânn (glänzend) hätte den sinnaccent und müsste folglich in der allitération stehen,-was hier aber nicht der fall ist; 2) wäre frânn (glänzend) ein offenbarer widersprach mit dimmi (dunkel); 3) die falsche lesart fränn, statt fram, erklärt sich daraus dass die drachen, gewöhnlich, feuerdrachen waren, welche glanzäugige (frân-eygr, vgl. gr. drakôn) heissen, und feuerflammen aus dem rächen spieen. 3. Ber sêr î fiödrum (er schlägt sich in den flûgeln) drückt aus dass er sich, durch starken ilügelschlag, voranstösst. 4. Statt Nidhöggr ist niÖi höggr, nothwendig, zu lesen; denn 1) nâi erfordert ein durch es regiertes verbum ; 2) vor nâi kann nicht die präposition yfir, nochmals, wie erforderlich wäre, wiederholt werden; 3) völl yfir und yfir nâi wäre eine tautologie; 4) Nidhöggr, als Subjekt ausgedrückt, wäre hier ganz unnöthig. 5. hôn (sie) bezieht sich direkt auf die in der vorigen Strophe bezeichnete fold (erd-ebene)
Strophe 54. 1. iôia-grœna heisst grün von wiedererneuten (frühjährlichen) kräutera ; vgl. fr. renouveau, frühling. Strophe 55. 1. böls batna; —Da das sich bessern (batna)ein sich losmachen vom schlechtem ist, so regiert batna den génitif böls (vom übel weg.) 2. büa jieir Höör; — So ist zu lesen statt bûa |>eir Hödr ok Baldr, da ok Baldr eine ganz selbstverständliche, also unnütze apposition wäre (s. Poèmes isl., p. 220) 3. Hroptr ist entstanden aus älterem Hrop-uôr (rupf-
m. Textkritik and Worterklärung. 237 wind), und bezeichnet den Odin als dengott des r u p f e n den oder raufenden luftzuges. 4. Damit die alliterirenden silben nicht neben einander stehen, so ist valtiva vö statt vö Valtiva zu lesen. 4. V6 valtiva (wohnungen des w ä r m e - g o t t e s oder des Surtur, s. strophe 48). Das der weit und den göttern v e r d e r b l i c h e Muspilheim besteht, in der e r n e u t e n , bessern weit, nicht mehr; die wohnungen des S u r t u r sind also frei geworden, und werden von Baldr und Hoenir bezogen und bewohnt. Daher heisst es in der prosa Edda: gott er ä gimli med surti, wo med s u r t i (bei surtr) gleichbedeutend ist mit: in der (alten, f r ü h e r n ) wohnung^des Surtur. Strophe 56. 1. )>ä knä Hoenir (da kann oder vermag H.) drückt aus dass Hcenir im stände ist (dass es ihm vergönnt ist). 2. h l u t vi