Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht: Ansätze zur Reform des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs und der Regeln der Gesetzesanwendung [1 ed.] 9783428459032, 9783428059034


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German Pages 505 Year 1985

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Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht: Ansätze zur Reform des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs und der Regeln der Gesetzesanwendung [1 ed.]
 9783428459032, 9783428059034

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DIETRICH KRATZSCH

Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht

Schriften zum Strafrecht Band 64

Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht Ansätze zur Reform des strafrechtlicben Unrechtsbegriffs und der Regeln der Gesetzesanwendung

Von

Privatdozent Dr. Dietrich Kratz8ch

DUNCKER & BUMBLOT I BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kratzsch, Dietrich: Verhaltens steuerung und Organisation im Strafrecht: Ansätze zur Reform d. strafrechtl. Unrechtsbegriffs u. d. Regeln d. Gesetzesanwendung / von Dietrich Kratzsch. - Berlin: Duncker und Humblot, 1985. (Schriften zum Strafrecht; Bd. 64) ISBN 3-428-05903-4 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten & Humblot GmbH, Berlin U Satz: Irma Grininger, Berlin 62. Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65. Printed in Germany

© 1985 Duncker

ISBN 3-428-05903-4

Vorwort Die sog. Personalisierung des Unrechtsbegriffs wird mit Recht als eine der herausragenden wissenschaftlichen Leistungen der neueren Strafrechtsdogmatik anerkannt. Der Bezugspunkt dieser Konkretisierung strafrechtlicher Grundbegriffe wird dabei meist ausschließlich in der finalen Handlung des Täters gesehen. Von der Notwendigkeit, die Norm- und Unrechtsstrukturen an die Handlungen des Richters und des Gesetzgebers (und umgekehrt) anzupassen, ist in den herrschenden Unrechts- und Normtheorien - wenn überhaupt - nur am Rande die Rede. Diese Beschränkung der Personalisierungsbestrebungen auf die Person des Täters bedeutet aus der Sicht eines "funktionierenden" Rechtssystems eine wegen ihrer Folgen nicht leicht zu nehmende Blickverengung. Sie erschwert (oder versperrt) den Zugang zu zentralen Strukturen der strafrechtlichen Rechtsverwirklichung und kann für die von Erklärungsdefiziten betroffenen Bürger leicht zu Rechtsnachteilen führen. Die Aufgabe, Rechtsgüter zu erhalten, ist im Strafrecht nicht nur dem Täter, sondern stets mehreren Personen anvertraut. Die Einbindung der Straftat in die Funktions- und Wirkungszusammenhänge einer sozialen Handlungsorganisation eröffnet dem Normsystem vielfältige Möglichkeiten der Handlungsanpassung, der Verstärkung und der Optimierung der Zielverwirklichung. Darüber hinaus bringt sie - verglichen mit einem rein täterbezogenen Regelungssystem zahlreiche zusätzliche Anlässe für Störungen der Normziele und Begrenzungen der Gefahrenabwehr mit sich. Beide Normaspekte - Verstärkung und Begrenzung bzw. Störung - zwingen den Strafrechtsnormen (im Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar erkennbare) Formen des Verhaltens auf, die entsprechend den Struktur- und Verhaltensgesetzen der Steuerung und der sozialen Handlungsorganisation aufgebaut sind. Auch diese Verhaltensstrukturen des Normsystems schlagen sich ähnlich wie die des Täters im Inhalt der Strafgesetze nieder. Sie bedürfen ebenso wie diese der Re-Konstruktion und bestimmen in zentraler Weise Form und Inhalt der strafrechtlichen Grundbegriffe sowie der Gesetzesauslegung mit. Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, - unter Beschränkung auf bestimmte Teilbereiche - einen Ansatz zur strukturellen Erfassung des Strafrechts als Steuerungssystem und soziale Handlungsorganisation zu entwickeln. Zur Erforschung und zur Re-Konstruktion der normativen Verhaltensstrukturen werden abstrakte Erklärungsmodelle der kybernetischen Systemtheorie und der Organisationstheorie eingesetzt, die als allgemeine Struktur- und Verhaltenswissenschaften für das Strafrecht von grundlegender Bedeutung sind. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind in Neukonzeptionen der Auslegungsregeln und des

Vorwort

6

Unrechtsbegriffs festgehalten. Hiervon ausgehend wird zu zahlreichen konkreten' Einzelfragen und Grundproblemen des Unrechtstatbestandes Stellung genommen, wobei z.T. neue Lösungsansätze erarbeitet werden. Letzteres trifft insbesondere für die Darlegungen zu den Kategorien der Kausalität und der objektiven Zurechenbarkeit, für die Deliktstypen des abstrakten Gefährdungsdelikts und das vorsätzliche Begehungsdelikt sowie für das Auslegungsproblem der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch zu. Ein Sachregister soll den Zugang zu den Einzeluntersuchungen erleichtern. Die Arbeit ist aus meiner Habilitationsschrift hervorgegangen, die der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegen hat. Das Manuskript wurde im wesentlichen im Dezember 1984 abgeschlossen. Mein Dank gilt vor allem meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Günter Kohlmann, der mir wesentliche Anregungen auf dem Gebiete des Steuerund Wirtschaftsstrafrechts vermittelt hat. Herrn Prof. Dr. Ulrich Klug danke ich für manchen wertvollen Rat. Dank schulde ich auch Herrn Prof. Dr. Richard Lange, der mich während meiner Promotionszeit nachhaltig von der Notwendigkeit eines fachübergreifenden interdisziplinären Erklärungsansatzes überzeugt hat. Köln, im August 1985

Dietrich Kratzsch

Inhaltsübersicht

Einleitung: Grund und Ziele der Untersuchung .............. ........... ...... 1. Te i I

25

Notwendigkeit und Ansatzpunkte einer Reform des Unrechtsbegriffs und der Auslegungsregeln im Strafrecht .....

35

Das Problem der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel .............................................

35

Die gegenwärtigen Unrechtslehren und das Versuchsproblem .............................................................................

86

Lösung des Versuchsproblems auf der Grundlage der herrschenden Auslegungsmethoden ...................... ................

125

Ansätze zur Konkretisierung und Erweiterung der herrschenden Auslegungsregeln ............................................

142

Unrecht und Gesetzesanwendungsregeln als Elemente eines Steuerungssystems und einer sozialen Handlungsorganisation ..............................................................................

185

Grundlagen der Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht .....................................................................

199

Gründe, Ziele und methodische Besonderheiten des gewählten Erklärungsansatzes .... ...... ............ .... .. ........ .. .....

199

Kybernetische Modellmethode als Mittel der strafrechtlichen Gesetzesauslegung und Theorienbildung ...............

207

Der Systembegriff als Grundlage zur Erfassung des Strafrechts und seiner Normen in ihrer Eigenschaft als Steuerungsinstrumente ..........................................................

213

9. Kapitel:

Das Verhalten der Systeme im Strafrecht .. .....................

228

10. Kapitel:

Aufbau von Strafrechtsnormen als Konstruktion und Verstärkung von Reglern ....................................................

250

Das Strafrecht als (Teil-)System einer sozialen Handlungsorganisation ..................................................................

344

1. Kapitel: 2. Kapitel: 3. Kapitel: 4. Kapitel: 5. Kapitel:

2. Te i I 6. Kapitel: 7. Kapitel: 8. Kapitel:

11. Kapitel:

8

3. Te i I

Inhaltsübersicht

Konsequenzen für die Regeln der Gesetzesanwendung und den Unrechtsbegriff .... .......... ....... ..... ..... ................. ... ....

393

12. Kapitel·

Regeln der Gesetzesanwendung .... ..... ....... ...... ..... .... ......

395

13. Kapitel·

Zum Begriff des Unrechts .............................................

407

14. Kapitel:

Lösungsvorschlag zum Problem der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch ..... .... ... ..... ....... ...... .......... .....

428

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis .... ............... ...... ............ ..... ... ... .... ................ ....... .......

22

Einleitung: Grund und Ziele der Untersuchung .............................................

25

I. Tei I

Notwendigkeit und Ansatzptalkte einer Reform des UnrechtsbegrifTs und der Auslegungsregeln im Strafrecht

35

I. Kapitel

Das Problem der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

35

I. Anlaß und Ziele der Reform des § 22 StGB ............................................

36

1.1. Rechtsprechung und Lehre bis zur Reform des § 43 StGB a.F. ........

37

1.11. Die Entwicklung bis zum Inkrafttreten des § 43 StGB a.F. ...... 1.12. Die Rechtsprechung zu § 43 StGB a.F. ................................... 1.13. Entwicklungstendenzen in der Versuchslehre der Vergangenheit

37 38 41

1.2. Reformziele des Gesetzgebers ...... ............ .... .... ...... ....... ...... ..... .... .....

45

2. Lösung der Abgrenzungsprobleme auf der Basis der Versuchstheorien der Rechtsprechung? ................................ .....................................................

47

2.1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs .....................................

47

2.11. Darstellung und Kritik einzelner Entscheidungen .. ........ ...........

47

2.111. Fall I - BGH NJW 1975, 1610: Gesetzesanwendung ohne Auslegung . .............................................................. ..... 2.112. Fall 2 - BGHSt 26,201 ff. (I. Sen.): Modifizierte Zwischenakttheorie als Abgrenzungsformel . ............ ......... ...... ..... 2.113. Fall 3 - BGHSt 28,162 ff. (4. Sen.): KombinationderZwischenakttheorie mit anderen Abgrenzungsformeln .... ..... 2. II 4. Fall 4 - BGH MDR 1978, 625 (I. Sen.): Rückkehr zur Gefährdungstheorie .......... ....... ....... .......... ... ... ... ... .... .... 2.115. Fall 5 - BGH GA 1980,24 f. (4. Sen.): Faktische Aufgabe der Zwischenakttheorie? ............................................... 2.116. Fall 6 - BG H NJW 1980, 1759 f.: Die "Einheitstheorie" als neue Abgrenzungsformel . ......... ........ ......... ..... ......... ..... 2.12. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen ...............................

47 47 50 52 52 53 56

10

Inhaltsverzeichnis 2.2. Zur Rechtsprechung der oberen Landesgerichte .. .......... ............ ........

59

2.3. Rechtspflicht der Rechtsprechung zur optimalen Regelung ihres Auslegungsverhaltens .............................................................................

59

2.4. Möglichkeiten der systematischen Förderung von Prozessen der Rechtsentwicklung in der Rechtsprechung .... .............. ............ .......... ..........

60

2.5. Ziele der weiteren Untersuchung .................. ........................ ............

63

3. Die zu § 22 StGB vertretenen Versuchstheorien .. ................................ .....

63

3.1. Übersicht ......... ::..............................................................................

63

3.2. Der Strafgrund des Versuchs ........ ...... ................ .............. ................

64

3.21. Die subjektive Theorie ............................................................ 3.22. Die Eindruckstheorie ........................ ........ ................ ...... ........ 3.23. Subjektive und objektive Theorie als selbständige Strafgründe des Versuchs ...... ...... ................ ................. .................. ..................

64 65

3.3. Theorien zur Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch .........

69

3.31. Die formale Zwischenakttheorie .............................................. 3.32. Subjektive Abgrenzungstheorien ..............................................

69 74

3.321. Die Unzweideutigkeitstheorie ........................................ 3.322. Die subjektive Gefahrdungstheorie .......... ..................... 3.323. Individualpsychologische Abgrenzungskriterien .............

74 75 77

3.33. Objektive Abgrenzungstheorien ...............................................

79

3.331. Zeitliche und räumliche Nähe, Beziehung zur Opfersphäre als Abgrenzungskriterien .............................................. 3.332. Vollendungsnähe .......................................................... 3.333. Die materielle Zwischenakttheorie ................................ 3.334. Die Zwangsläufigkeitstheorie .......... ................ ..............

79 80 81 82

3.4. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen .......................................

83

68

2. Kapitel

Die gegenwärtigen Unrechtslehren und das Versuchsproblem

86

1. Unrechtslehren und Versuch in der Vergangenheit ...................................

86

2. Die gegenwärtigen Unrechtslehren - Übersicht ........................................

89

3. Zur monistisch-subjektiven Unrechtslehre ................................................

90

3.1. Grundthesen ....................................................................................

90

3.2. Ausgangspunkt und Maßstab der Unrechtsbegründung: Die Norm als Steuerungssystem .............................................................................

91

3.3. Eindimensionaler Unrechtsbegriff? ...................................................

94

Inhaltsverzeichnis

11

3.31. Ziel- und Wertaspekte des Unrechts ........................................

94

3.311. Erforderlichkeitsprinzip und Folgenorientierung ............ 3.312. Das Prinzip der angemessenen Unrechtsbekämpfung ....

95 96

3.32. Handlungsunwert ohne Erfolgsunwert? .................................... 3.33. Soziale und organisatorische Aspekte des Unrechts ..................

97 100

3.331. Die "Wiederentdeckung des Opfers" ............................. 3.332. Das Unrecht als Element einer sozialen Handlungsorganisation ..........................................................................

100

3.4. Fazit und Schlußfolgerungen ............................................................

103

4. Intentionsunwert und Erfolgsunwert - hinreichende Bedingungen strafbaren Unrechts? ...............................................................................................

105

101

4.1. Grundthesen ....................................................................................

lOS

4.2. Handlungsunwert ohne Ziel- und Erfolgskomponenten? ...................

105

4.3. Veränderlichkeit und Anpassung des strafrechtlichen Handlungsunwerts

106

4.4. Das Erfordernis des "richtigen" Maßes - Der Zeitfaktor .. ...... ...........

107

4.5. Erfolgsunwert .................... :.............................................................

107

4.6. Fazit .......... ................................................ .....................................

108

5. Handlungsunwert und (relativ) selbständiger Erfolgsunwert als Unrechtsmerkmale? ..............................................................................................

109

5.1. Grundthesen ....................................................................................

109

5.2. Versuchsunrecht = Handlungsunwert? ..............................................

109

5.3. "Reale Chance einer Rechtsgutsbeeinträchtigung" = notwendige Bedingung des Unrechts? .......................................................................... 5.31. Der Tatbestand des § 306 Nr. 2 StGB als Beispiel................... 5.32. Normtheoretische Grundlagen des § 306 Nr. 2 StGB .......... .....

110 III 115

5.4. Folgerungen - Zwischenergebnis ......................................................

117

6. Zwischenbilanz: Notwendigkeit und Grundlinien einer Reform des UnrechtsbegrifTs ..........................................................................................

117

6.1. Erklärungslücken der herrschenden Unrechtskonzepte ...... ................

117

6.2. Grundlinien einer Neubestimmung des UnrechtsbegrifTs ................... 6.21. Das Prinzip: Rechtsgüterschutz durch Zufallsbeherrschung ...... 6.22. Unrecht als Element eines zielgerichteten Systems - Das" Verhalten" der Norm ........................................................................ 6.23. Strafbares Unrecht als Element einer sozialen Handlungsorganisation ..................................................................................... 6.24. Notwendiger Abschied von einem überholten Kausaldogma ....

118 119 120 121 123

12

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel

Lösung des Versuchs problems auf der Grundlage der herrschenden Auslegungsmethoden

125

1. Grammatische Auslegung .......................................................................

126

2. Logisch-systematische Auslegung .....................•......................................

128

3. Subjektiv-historische Auslegung ..............................................................

129

4. Teleologische Auslegung .........................................................................

131

4.1. Grundthesen ....................................................................................

132

4.2. Kritik und Vorbehalte in der Literatur ........ .....................................

133

4.3. Eigene Stellungnahme ................. ................ .....................................

133

4.31. Rechtliche Funktionen der teleologischen Methode - Gründe ihrer Vorrangstellung ............................................................... 4.32. Die Ermittlung von "Sinn und Zweck" des Gesetzes - ein bislang ungelöstes Problem ............ ................................ .....................

134 137

4.4. Ergebnis ..........................................................................................

138

5. Schlußfolgerungen: Rechtliche Notwendigkeit einer Erweiterung der teleologischen Methode ..................................................................................

139

4. Kapitel

Ansätze zur Konkretisierung und Erweiterung der herrsc~enden Auslegungsregeln

142

1. Historischer Rückblick ............................................................................

142

2. Die Abkehr der Methodenlehre vom Positivismus seit Beginn des 20. Jahrhunderts .................................................................................................

145

3. Teleologische Auslegung auf der Grundlage der wertbeziehenden Methode des "Südwestdeutschen" Neukantianismus ...............................................

147

3.1. Grundthesen ....................................................................................

147

3.2. Gesetzesauslegung als Umformungsprozeß .......................................

147

3.3. Aussagen zur Struktur des Umformungsprozesses ............................

148

3.31. Gestaltlose Fakten als Gegenstand strafrechtlicher Bewertung?

148

3.311. Reale Begrenzungen als Anknüpfungspunkte der Strafrechtsanwendung .......................................................... 3.312. Reale Begrenzungen und tatbestandliche Umformung...

149 150

3.32. Werttheoretische Komponenten .............................................. 3.33. Bewertungsfunktion ohne Steuerungsfunktion der Norm? ........

152 154

3.4. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen .......................................

155

Inhaltsverzeichnis

13

4. Der ontologische Erklärungsansatz .........................................................

157

4.1. Grundthesen ....................... ................ .............................................

157

4.2. Kritik in der Lehre ..................................... .....................................

158

4.3. Vorgegebene Strukturen? .................................................................

159

4.31. Vortatbestandliche Handlungsstrukturen? ................................

159

4.32. Vorgegebene soziale Wertungen als Maßstab? ..........................

162

4.33. Vorgegebene Strukturen des "finalen" (teleologischen) Verhaltens der Norm? ..............................................................................

163

4.331. Bestimmungsfunktion = Steuerungsfunktion der Norm?

164

4.332. Erweiterungsbedürftigkeit des ontologischen Ansatzes ...

165

4.4. Zusammenfassung und Ergebnis ......................................................

167

5. Der pragmatisch-konstruktive Erklärungsansatz ......................................

168

6. Weitere Strukturbeschreibungen des Auslegungsprozesses ........................

170

6.1. Das "Verstehen von Rechtstexten" (Hruschka) .................................

170

6.2. Typologisches Denken und "Natur der Sache" (Arthur Kaufmann, Gössel) ....... ... .... ............ ............. ................ ................ ....... ..............

172

6.3. Die synthetische Methode Roxins .....................................................

174

7. Untersuchungen zum Systembegriff .........................................................

177

7.1. Der Begriff des "inneren Systems" und der "Rechtsprinzipien" bei Engisch, Canaris und Larenz ...... ................ .... ............ ........... ..........

178

7.2. Notwendige Erweiterung des Methodenkanons ... ......... .....................

179

7.3. Aufgaben des Systembegriffs ............................................................

181

7.4. Vernachlässigte Systemelemente .......................................................

182

7.5. Fazit: Reformbedürftigkeit des Systembegriffs ..................................

183

5. Kapitel Unrecht und Gesetzesanwendungsregeln als Elemente eines Steuerungssystems und einer sozialen Handlungsorganisation - Ergebnisse und Konsequenzen

185

I. Der Ausgangspunkt ................................................................................

185

2. Steuerung und Organisation - zwei vernachlässigte Kategorien des Strafrechts .....................................................................................................

185

3. Einzelne Aspekte des Unrechts und der Gesetzesauslegung ......................

187

3.1. Wert-, Ziel- und funktionale Aspekte ...............................................

187

Inhaltsverzeichnis

14

3.2. System- und regelungstheoretische Aspekte 3.21. 3.22. 3.23. 3.24. 3.25. 3.26.

188

Definition des Unrechtsbegriffs ........... .................................... Norm und Strafrecht als Steuerungssysteme .. ...... ........... ......... Regelungsaufgaben ................................................................. Das Prinzip der erforderlichen Anpassung ............................... Das Verhalten der Normen und der Systeme ........................... Fazit: Notwendigkeit und Ansatzpunkte einer Reform des Unrechtsbegriffs und der Auslegungsregeln .............. ....................

188 188 189 189 189

3.3. Organisationstheoretische Aspekte ...................................................

192

3.4. Erkenntnistheoretische Aspekte: Normkonkretisierung als Problem der Anpassung der "Strukturen des Subjekts" an die Normwirklichkeit ..

194

4. Ansatzpunkte und Ziele der weiteren Untersuchung ....... ............... ..... .....

196

191

2. Teil Grundlagen der Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht - ermittelt mit den Methoden der kybernetischen Systemtheorie und der Organisationstheorie -

199

6. Kapitel

Gründe, Ziele und methodische Besonderheiten des gewählten Erklärungsansatzes

199

1. Kybernetische Systemtheorie und Organisationstheorie als ganzheitliche Methoden ...............................................................................................

200

2. Allgemeine Strukturgesetze und -probleme zielgerichteter Syteme in ihrer Relevanz für das Strafrecht (1. Skizze) ....................................................

202

3. Kybernetische Systemtheorie und Organisationstheorie als Strukturwissenschaften und abstrakte Modellmethoden des Strafrechts ..................... .....

204

7. Kapitel

Kybernetische Modellmethode als Mittel der strafrechtlichen Gesetzesauslegung und Theorienbildung

207

1. Aufgaben und Grundsituation des Modellaufbaus (= Theorienbildung)

208

2. Ziele und Mittel des Modellaufbaus (der Theorienbildung) ......................

209

3. Fazit ......................................................................................................

211

In~altsverzeichnis

15

8. Kapitel

Der System begriff als Grundlage zur Erfassung des Strafrechts und seiner Normen in ihrer Eigenschaft als Steuerungsinstrumente

213

I. ..Begrenzungen" als Basisbegriff strafrechtlicher Normen und Verhaltensstrukturen .......... ................ .....................................................................

214

2. Subsysteme und System ..........................................................................

215

3. Umwelt des Systems ...............................................................................

215

4. Systemeigenschaften und -arten ...............................................................

216

4.1. Ideale - reale Systeme - Aufbau- und Prozeßstrukturen ...................

216

4.2. Statische und dynamische Systeme ...................................................

216

4.3. Geschlossene und offene Systeme .....................................................

217

4.4. Komplexitätsgrad der Systeme .........................................................

217

4.5. Determinierte und stochastische Systeme ..........................................

218

5. Wirkungsbeziehungen zwischen Systemen (Elementen) ............................

218

6. Systemzustand - Analyse ........................................................................

219

7. Strukturgesetze offener Systeme und ihre Relevanz für das Strafrecht ......

220

7.1. Gleichgewicht - Ungleichgewicht .....................................................

221

7.2. (Wieder-)Herstellung des Gleichgewichts ..........................................

221

7.3. Gleichgewicht zwischen Teilsystemen - "praktische Konkordanz" .....

223

7.4. Reduzierbarkeit und Teilfunktionen als Mittel der Verhaltenssteuerung

225

9. Kapitel

Das Verhalten der Systeme im Strafrecht

228

I. Formen der Nachrichtenverarbeitung ......................................................

229

2. Formen der Verhaltensbeeinflussung ........ ........ ................................... ....

229

2.1. Ausgelöstes Verhalten ................................................................. .....

230

2.2. Steuerung im weiteren Sinne und der strafrechtliche Handlungsbegriff

230

2.3. Gesteuertes Verhalten im engeren Sinne und seine Wirkungsgrenzen

231

2.4. Geregeltes Verhalten als Grundform der Handlungssteuerung im Strafrecht ...............................................................................................

233

2.41. Das Reglungssystem als Grundbegriff des Strafrechts ..............

235

Inhaltsverzeichnis

16 2.42. 2.43. 2.44. 2.45. 2.46. 2.47. 2.48.

Das Ziel................................................................................. Der Ist-Wert des Systems ........................................................ Störungen .......... ....................... .......... ...... ......... ....... ......... ..... Der Regler .............................................................................. Das nStellglied" (Effektor) - Imperativ...... .............................. Imperativ und Norm ............................................................... Phasen der Regelung ...............................................................

235 237 237 238 239 240 240

2.5. Das Verhalten des Strafrechtssystems und seiner Elemente als Anpassung ................................................................................................

242

2.51. Das Gesetz der erforderlichen Vielfalt als Konkretisierung des Prinzips der Beherrschbarkeit des Verhaltens ...... ..................... 2.52. Anpassung als Form der Nachrichtenverarbeitung - Das Strafrecht als selbstorganisiertes System ............ .................. ............ 2.53. Anpassung und Verhaltensbeeinflussung ..................................

244 247

2.6. Schlußfolgerungen und Fazit: Ergänzendes zum Unrechts-, Norm- und . System begriff des Strafrechts ............................................................

247

242

10. Kapitel

Aufbau von Strafrechtsnormen als Konstruktion und Verstärkung von Reglern (Fortsetzung)

250

1. Konstruktion eines Reglers als Regelung und Auswahl............................

250

2. Kriterien der Ziel- (Wert-)Festlegung und Verwirklichung ........................

252

2.1. Wesentliche Variable, Rechtsgut, Taktisches Ziel ~ Normfunktion der WerterhaItung .................................................................................

253

2.2. Kriterien der Zielfestlegung . ........................................................ .....

255

3. Die Steuerungs- und Regelungsfunktion des Strafrechts im System der Rechtsordnung .................. ................................................................ .....

257

3.1. Problemstellung ...............................................................................

257

3.2. Regelungsformen des Rechtsgüterschutzes ........................................

258

3.3. Funktion und Zielstruktur des Strafrechts im System der Rechtsordnung .......................................................................................................

262

4. Wechselbeziehungen zwischen Kausalitäts- und Deliktsstrukturen - Konsequenzen für den Unrechtsbegriff ........................ .....................................

269

4.1. Teleologische Funktion und Gegenstand des Kausalitätsbegriffs .......

269

4.2. Lineare Kausalität - Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung ....

271

4.3. Zum Kausalitätsbegriff der Bedingungstheorie ..................................

272

Inhaltsverzeichnis

17

4.4. Statistische Kausalität - Wahrscheinlichkeit - Regelung von zufallsab-

hängigen Prozessen ............. '" ...... .... ... .... .... .... ... .... ...... ...... .... ..... .....

274

4.41. Einführung - Statistische Kausalität ........................................

274

4.42. Grundformen der Wahrscheinlichkeitsberechnung ...................

276

4.43. Grulldformen der abstrakten Gefährdungsdelikte .............. ......

277

4.43 I. "Uneingeschränkte" abstrakte Gefährdungsdelikte als Er-

gänzung bzw. Alternative der konkreten Gefährdungsdelikte ..... ....... ... ....... ....... ........ ................. ..... ....... ... ..... 4.432. Abstrakte Gefährdungsdelikte mit generalisierendem Grenzwert - Adäquanztheorie .... ............. ....... ......... ..... 4.433. Abstrakte Gefährdungsdelikte mit konkreten Grenzwerten ...............................................................................

277 279 280

4.44. Strukturgesetze der abstrakten Gefährdungsdelikte und des Un-

rechtsbegriffs - Handlungsbegriff ....... ................ .......... ...... .....

283

4.441. Funktion und taktisches Ziel der abstrakten Gefährdungs-

delikte ..........................................................................

283

4.442. Steuerungsformen des abstrakten Gefährdungsdelikts .... 4.443. Statistische Kausalität, Unrecht und Gefahrenmessung ..

285 286

4.444. Verflechtungsgrad der zu regelnden Wirkungsbeziehungen

als Bestimmungsfaktor ... ......................... ................. ....

288

4.445. Die "Rolle" des Erfolgseintritts ............ .................... ..... 4.446. Unwert, Wert, Zeitpunkt, Veränderlichkeit und Vollen-

288

dungsnähe der Handlung ........ ...... .......... ................ .....

289

4.447. Weitere normative Bestimmungsfaktoren des Unrechts.

290

4.448. Fazit: Abstrakte Gefährdungsdelikte als "stochastische"

Steuerungssysteme . .................. ................. ........ ....... .....

292

4.5. Zirkel- oder Rückkopplungskausalität als zentraler Gestaltungsfaktor

strafrechtlicher Deliktstypen .............................................................

299

4.51. Allgemeine Grundsätze ...........................................................

299

4.52. Zirkel kausalität und vorsätzliches Verletzungsdelikt .................

301

4.521. Der Strafgrund des vorsätzlichen Verletzungsdelikts ......

301

4.522. "Funktion" des Verletzungserfolgs ................................ 4.523. Erfolgseintritt als Ergebnis rückgekoppelten Steuerungs-

301

verhaltens ............... ................ .....................................

302

4.524. Das Prinzip der hinreichenden Kongruenz zwischen ge-

steuertem und tatsächlichem Kausalverhalten des Täters

4.S25. Aufbaustruktur: Das Erfordernis der hinreichenden Kau-

salsteuerung und Erfolgsgefahr ..................................... 4.526. Zeitlicher Zusammenhang und Stadium der Handlung .. 4.527. Ablaufstruktur: Abweichung des wirklichen vom gesteuerten Kausalverlauf - Risikozusammenhang ............ ........

2 Kratzsch

305 305 307 309

18

Inhaltsverzeichnis 4.528. Ergebnisse: Deliktsspezifische Kausalitätsstruktur der vorsätzlichen Verletzungstat - Konsequenzen ................ .....

317

4.6. Resümee ...................... ......................... ....... ...................... ... ... ..... ...

320

5. Verstärkung eines Reglers als Aufbauprinzip des Strafrechts ....................

321

6. Zusammenwirken und Koordinierung mehrerer Regler: Tatbestandliehe Gesamtstrukturen und Rechtfertigungsgründe .........................................

323

7. Verknüpfungsformen als Mittel der Normkonstruktion - Formale Strukturen ......................................................................................................

325

7.1. Grundbegriffe - Funktionen der quasi-axiomatischen Methode ... .....

327

7.2. Klassenlogik ....... ............... ............. ... ............. ...................... ....... ....

328

7.3. Relationen - (Prädikaten-)Logik

329

7.4. Messung - Skalen - Grenzwerte ..... ... ..... .... ....... ... ...... ........ .............

332

7.5. Aussagenlogik .................................................................................

336

7.6. Fazit und Schlußfolgerungen .... .... ......... .......... ..... ......... ... ... .............

337

8. Aufbau von Normstrukturen als Lernprozeß - Formen des Lernens ........

338

8.1. Gemeinsame Merkmale des Lernens ................................................

339

8.2. Arten des Lernens ...........................................................................

340

8.3. Schlußfolgerungen: Strafrechtlicher Rechtsgüterschutz - (auch) eine Frage der "richtigen" Lernform ........................................................

342

9. Zwischenfazit ..................................... ................ ................ ................ .....

343

11. Kapitel

Das Strafrecht als (Teil-)System einer sozialen Handlungsorganisation

344

I. Grundbegriffe und Objekte von organisatorischen Regelungen des Strafrechts .....................................................................................................

345

2. Formale Grundelemente der strafrechtlichen Handlungsorganisation .......

347

2.1. Aufgaben und Aktivitäten der Aufgabenerfüllung im Strafrecht ........

347

2.2. Verantwortung, Recht, Pflicht, Last und Kompetenzen .. ........ ...... .....

348

3. Determinierende Faktoren der strafrechtlichen Handlungsorganisation ....

350

3.1. Ziele und organisatorische Prinzipien des Strafrechts ........................

350

3.11. Strafrechtsnormen als Elemente sozialer Austauschbeziehungen - Gegenseitigkeitsprinzip .... ................................ .....................

350

Inhaltsverzeichnis

19

3.12. Gleichgewichtsbedingungen und Strukturprinzipien der strafrechtlichen Handlungsorganisation ..........................................

354

3.2. Mittel der strafrechtlichen Handlungsorganisation ............................

357

3.21. Allgemeine Kriterien der Auswahl organisatorischer Mittel...... 3.22. Aufgabenverteilung als Instrument des Rechtsgüterschutzes - objektive Zurechnung ............................................ ................ .....

357

3.221. 3.222. 3.223. 3.224.

358

Risikoerhöhungsprinzip ................................................ Autonomie- und Selbstverantwortungsprinzip ............... Prinzip der erforderlichen Anpassung ........................... Aufgabenverteilung und objektive Zurechenbarkeit Schlußfolgerungen ..... ...................................................

360 360 367

3.23. Kriterien der Kompetenzverteilung .......................................... 3.24. Strafrechtlicher Schutz von autonomen Handlungsbereichen (lndividualrechtsgüter) ................................................................. 3.25. Strafrechtlicher Schutz von überindividuellen Rechtsgütern ......

370 374 378

3.3. Auslegungsregeln als organisatorische Mittel der optimalen Aufgabenerfüllung ..................................................................................... .....

385

3.31. Aufgaben der Formalisierung und Regeln der Gesetzesanwendung ....................................................................................... 3.32. Form und Grad der Formalisierung ............................. ........... 3.33. Maßstäbe, Gegenstand und Mittel der Formalisierung ........ .....

385 386 388

4. Organisatorische Aspekte des Unrechtsbegriffs - Ergebnisse ....................

389

368

3. Teil Konsequenzen ftir die Regeln der Gesetzesanwendung und den Unrechtsbegriff

393

12. Kapitel

Regeln der Gesetzesanwendung

395

1. Regelung des Auslegungsverhaltens als Formalisierung von Aufgabenerfüllungsprozessen ....................... ..................... .....................................

395

2. Festlegung der maßgebenden Wortbedeutung als Auslegungsaufgabe .......

395

3. Funktion und Grundformen der Gesetzesauslegung .................................

396

4. Regeln und Mittel der Gesetzesauslegung .......... .......... ........... .................

397

4.1. Auslegung als Akt der Zielverwirklichung und sozialen Organisation von Handlungen ..............................................................................

397

4.2. Auslegung und Normkonstruktion als Anpassung ............................

397

2*

20

Inhaltsverzeichnis 4.3. Begrenzungen als Auslegungsmaßstab ..............................................

398

4.4. "Klassische" Methoden als AuslegungsmiUel ...... ..............................

398

4.5. Modellmethoden als Auslegungsmiuel ..............................................

399

4.6. Allgemeine Ziele und Anforderungsstruktur des Strafrechts ..............

399

4.7. Systemaufbau ..................................................................................

400

4.8. Systemverhalten ...............................................................................

400

4.9. Auslegungsregeln beim Aufbau von Normen (Auswahl) ...................

401

5. Regelung der Auslegung als Aufbau einer Handlung ................. ..............

404

13. Kapitel

Zum Begriff des Unrechts

407

1. Unrecht als "schlechter" Zustand des Stabilitätsbereichs der Norm ...........

407

2. Ziele und Funktionen der Unrechtstatbestände ........................................

409

3. Elemente und Festlegung des Unrechts ............... .....................................

413

3.1. Unwert ("Störung") und Unrecht .....................................................

413

3.2. Handlung, Handlungsunwert, Handlungsunrecht ..............................

415

3.21. Notwendigkeit einer Erweiterung des Handlungsbegriffs .......... 3.22. Die Begriffe Handlungsunwert und Handlungsunrecht ............

416 417

3.3. Zur Unrechtsrelevanz von Handlungswerten ....................................

420

3.4. Zeitregeln ........................................................................................

423

3.5. Erfolgsunwert und Erfolgsunrecht ....................................................

424

3.6. Kausalität ... .....................................................................................

426

3.7. Objektive Zurechenbarkeit - Organisatorische Aspekte .....................

426

14. Kapitel

Lösungsvorschlag zum Problem der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch

428

1. Problemstellung ......................................................................................

428

2. Problemanalyse .... ...... ... ..... ....... ............ ........... ............ ........ ... ........... .....

428

3. Der Strafgrund des Versuchs .................. '" ...... .... ... ... ... ...... ... .... ...... ........ 3.1. System- und Aufgabenanalyse - Aufgabengliederung ........................

430 430

3.11. Gründe für den Bedeutungsverlust der objektiven Theorien .....

431

Inhaltsverzeichnis

21

3.12. Wirkungsbezogene Argumente gegen das von der Eindruckstheorie vertretene Notmmodell . .................. ... ..... ... ... .......... ...... ..... 3.13. Eigener Lösungsvorschlag: Erklärung der Versuchsvorschrift als abstraktes Gefahrdungsdelikt .......... ... .... ............ ... ..... ... ..........

436

3.2. Ziel- und Unrechtsstruktur des § 22 StGB ........................................

440

4. Festlegung der Wortbedeutung der Ansatzformel ....................................

444

Schlußbemerkung ...........................................................................................

449

Literaturverzeichnis .......................................................................................

451

Sachverzeichnis ... ................. ... ........ ..... ........ ....... .... ... ..... ................ ......... .....

474

435

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. abw. AE a.E. a.F. allg. ALR Alt. Anm. AO AöR ARSP Art. AT AtomG Aufl.

anderer Auffassung am angegebenen Ort Absatz abweichend Alternativ-Entwurf am Ende alte Fassung allgemein Allgemeines Landrecht ftir die preußischen Staaten, gültig ab 1.6.1794 Alternative Anmerkung Abgabenverordnung Archiv des öffentlichen Rechts (Band, Jahr und Seite) Archiv ftir Rechts- und Sozialphilosophie (Jahr und Seite) Artikel Allgemeiner Teil Atomgeset;z Auflage

BayObLG BB Bd. Begr. betr. BGB BGH BGHSt Biol.Gen. BJM BT BT-Drs. BtMG BVerfG BVerfGE bzw.

Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebsberater (Jahr und Seite) Band Begründung betreffend Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Band und Seite) Biologia Generalis Bundesjustizministerium Besonderer Teil Drucksache des Deutschen Bundestages Gesetz über -den Verkehr mit Betäubungsmitteln Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band und Seite) beziehungsweise

DAR ders. d.h. DJT DÖV

Deutsches Autorenrecht (Jahr und Seite) derselbe das heißt Deutscher Juristentag Die öffentliche Verwaltung (Jahr und Seite)

E

Entwurf eines Strafgesetzbuches (mit dem Jahr des Erscheinens, z.B. E 1962)

Abkürzungsverzeichnis

23

entspr.

entsprechend

f., ff. FN GA GG GS

folgend(e) Fußnote

Hdb. h.M. Hrsg.

Handbuch herrschende Meinung Herausgeber

i.e.S. i.w.S.

im engeren Sinne im weiteren Sinne

JA Jg. JGG JR JuS JW JZ

Juristische Arbeitsblätter, Strafrecht (Jahr und Seite) Jahrgang Jugendgerichtsgesetz Juristische Rundschau (Jahr und Seite) Juristische Schulung (Jahr und Seite) Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) Juristenzeitung (Jahr und Seite)

KZtSS

Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (Jahr und Seite)

LG LK LM Mat. m.a.W. MDR m.Nachw. MschrKrim

Goltdammer's Archiv für Strafrecht (Jahr und Seite) Grundgesetz Der Gerichtssaal (Band und Seite)

Landgericht Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch (Verfasser, §§ und Randzahlen) Entscheidungen des BGH im Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, hrsg. von Lindenmaier/Möhring Materialien zur Strafrechtsreform, 15 Bände (Bonn 1954-1962) mit anderen Worten == Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr und Seite) mit Nachweisen Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform (1904/ 05-1936) Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform (1937-1944) Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform (seit 1953) (zitiert nach Jahr und Seite)

n.F. NJW OLG OWiG

neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

Rdnr. RG RGSt

Randnummer Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Band und Seite)

s. S. SA SJZ SK

siehe Seite Sonderausschuß des BT für die Strafrechtsreform Süddeutsche Juristenzeitung (Jahr und Spalte) Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch (Verfasser, §§ und Randzahlen) sogenannt

sog.

24

Abkürzungsverzeichnis

Sp. StGB StPO StrRG StrVollzG

Spalte Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Gesetz zur Reform des Strafrechts (mit Ziffer) Strafvollzugsgesetz

StVO

Straßenverkehrs-Ordnung

Thd. TierschG

Teilband Tierschutzgesetz

u.a. u.ä. Urt. usw. u.U. UWG

und andere, unter anderem und ähnliche Urteil und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VDA vgl. Vorbem. VRS

Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, erstmals 1908, Allgemeiner Teil, 6 Bände vergleiche Vorbemerkung Verkehrsrechtssammlung (Band und Seite)

z.B. Zifr. ZRP ZStrVollz ZStW z.T.

zum Beispiel Ziffer Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr und Seite) Zeitschrift für Strafvollzug (Jahr und Seite) Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Band und Seite) zum Teil

Einleitung

Grund und Ziele der Untersuchung 1. Zum Anlaß der Untersuchung In dem seit Jahren geführten Streit um eine Rationalisierung des Strafverfahrens haben bislang Gesetzesentwürfe zur Verfahrensvereinfachung im Vordergrund gestanden, die einer zunehmenden Überlastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften entgegenwirken sollen l . Als "Ursachen" dieser Überlastung werden überwiegend ,justizexterne" Vorgänge und Personen genannt l . Das Prozeßverhalten des Richters wurde als Reformgrund meist nur am Rande diskutiert 2 • Versteht man unter "Rationalisierung" nicht nur "Straffung", sondern im ursprünglichen Wortsinne auch den "Ersatz überkommener durch zweckmäßigere und besser durchdachte Verfahren"3, so besteht durchaus Anlaß, das Verhalten des Richters mit in die Reformüberlegungen einzubeziehen. Zu den Handlungsbereichen, die (außerhalb des Strafprozeßrechts) in dieser Hinsicht dringend einer Überprüfung und darüber hinaus einer Revision bedürfen, gehört - wie in dieser Arbeit zu zeigen versucht wird - die richterliche Praxis der Auslegung von Strafgesetzen. 1.1. Dem Strafrichter ist bei der Anwendung von Strafgesetzen bekanntlich selbst im Geltungsbereich des Art. 103 Abs. 2 GG - die Entscheidung über die Festlegung der maßgebenden Bedeutung von zumeist mehrdeutigen Gesetzesworten überlassen. Dabei nimmt er eine Doppelfunktion wahr". Auf der einen Seite obliegt ihm die Entfaltung des "fertigen" Gesetzesinhalts. Zum anderen soll er das in aller Regel unvollständige Gesetz "zu Ende denken" ("Normkonkretisierung").

In beiden Funktionen trifft der Richter Rechtsentscheidungen, die gewissen Rechtsanforderungen genügen müssen (Begründung, Offenlegung der entscheidungsrelevanten Wertungen und Maßstäbe USW.)5. Entsprechende Prüfungen machen deutlich, daß diese Minimalanforderungen des Rechts und der Rechtssicherheit in der Praxis der Obergerichte häufig unerfüllt bleiben. 1 Vgl. Schroeder. NJW 1983, 137 ff.;Jescheck. DRiZ 1983,383 ff.;Böttcher. DRiZ1983, 127 ff. jew. m. Nachw. 2 Vgl. jed. Münchbach. DRiZ 1983, 132 f.; Achterberg. DVBI 1984,1093 m. Nachw.; Schulte. DVBI. 1984, 1113 ff. 3 Vgl. Der Große Duden, Bd. 8, "Rationalisierung". 4 Vgl. unten 3/3. 5 Vgl. unten 1/2.12; 2.3.

26

Einleitung

Die Obersätze, die in den Judikaten verwendet werden, erscheinen in den Begründungen oft unvermittelt und ohne nähere Rechtfertigung6 • Nach Maßstäben sucht man in ihnen ebenso vergeblich wie nach den Wertungen und den Prämissen, auf die sich die Auslegungsergebnisse stützen. Für die Feststellung Schmidhäusers6 , die Rechtsprechung neige zu Begründungsformen, die in der genannten Weise die richterliche Verantwortung in der Rechtsanwendung verschleiern, ließen sich zahlreiche Belege anführen.

Auf diese und ähnliche Mängel in der Auslegungspraxis ist bereits wiederhole auch von Mitgliedern der höchsten GerichteS - hingewiesen worden. Die Kritik hat - wie die unten durchgeführten Entscheidungsanalysen zeigen (112.12; 2.2)bislang wenig bewirkt. Selbst dort, wo der Gesetzgeber zur Gewährleistung der Rechtssicherheit die Gesetzesformulierungen präzisiert hat (z.B. § 22 StGB), stellt sich überraschend schnell wieder jener "vorreformatorische" Zustand der .maßstablosen und höchst unbestimmten Festlegung des Gesetzesinhalts ein, die Anlaß zu der erwähnten Kritik gab 9 • 1.2. Das angedeutete Dilemma legt die Frage nahe, ob die von der Strafrechts/ehre entwickelten Auslegungsmiuel nicht hinreichend Hilfestellung bieten, um diesem entgegenzuwirken. Die Dogmatik stellt dem Gesetzesanwender einen ganzen Satz von Auslegungsinstrumenten zur Verfügung, oie auf eine wissenschaftliche Förderung des Auslegungsvorgangs abzielen. Die "richtige" Form der Entscheidungsbegründung scheint danach nur eine Frage der Wahl bzw. des konsequenten Einsatzes von an sich vorhandenen Einrichtungen der Normoptimierung zu sein. Daß die Dinge "so und nicht anders liegen", kann jeooch ebenfalls nicht angenommen werden. Eine entsprechende Untersuchung spricht eher für das Gegenteil 10. Was die unterste Ebene der Gesetzesauslegung angeht, so gehört die Erfahrung, daß "die entgegengesetztesten Auffassungen zu ein und derselben Auslegungsfrage vertreten werden", so sehr zum Alltag der wissenschaftlichen Diskussion, daß sie von manchen als unabänderlich hingenommen wird 10. Auf der nächst höheren Wertungsstufe - der des Unrechtsbegriffs - ist der gegenwärtige Meinungsstand kaum minder uneinheitlich. Wesentliche Grundfragen wie die, ob sich Unrecht im Handlungsunwert erschöpft, was unter Erfolgsunwert zu verstehen ist, welcher Art die Wechselbeziehungen zwischen ihnen sind u.a., sind heftig umstritten 11.

Auf beiden Wertungsebenen dürfte es der Rechtsprechung schwerfallen, allgemeingültige Maßstäbe auszumachen, die der Entscheidung von strittigen Rechtsfragen als Grundlage dienen können. Nicht anders sieht die Situation in der gegenwärtigen Aus/egungs/ehre aus. 6 Vgl. hierzu sowie z. folg. Naucke, Engisch-Festschrift, S. 275 m. Nachw.; Hassemer, in: Einführung, S. 84 tT.; Schünemann, Bockelmann-Festschrift, S. 117 f., 132; Schmidhäuser, Henkel-Festschrift, S. 233 ff. sowie unten 1/2.12. 7 Vgl. die obigen Nachweise. S Vgl. unten 1/1.12. a.E. 9 Vgl. unten 1/2.1.; 2.2. 10 Vgl. Blei. Strafrecht I, S. 29 f. sowie näher unten 1/3. 11 Vgl. näher unten 2. Kap.

1. Anlaß der Untersuchung

27

Daß der grammatischen. der logisch-systematischen und der historischen Auslegungsmethode nur ein sehr begrenzter Aussagewert zuerkannt werden kann, wird kaum noch in Zweifel gezogen (3/l.-3.). Einen starken Bedeutungsverlust hat neuerdings auch die teleologische Methode erfahren. Die Zahl derer, die selbst dieser - von manchen als

"Krone" des Auslegungsverfahrens gerühmten - Methode weitgehend die Aussagekraft absprechen, ist ständig im Wachsen begriffen l2 • Das Problem, mit welchen Kriterien die meist unbekannte ratio legis zu ermitteln ist, sei auf ihrer Grundlage nicht zu lösen, da sie keinerlei Maßstäbe benenne und ebenfalls auslegungsbedürftig seiH.

Insgesamt gesehen ist jedenfalls für gewisse Teilbereiche des Strafrechts festzustellen, daß die Rechtsprechung durch die Auslegungsmittel der Lehre nicht die Unterstützung erfahrt, deren sie zur Entscheidung problemträchtiger Fälle eigentlich bedarf. Die erwähnten Tendenzen zur Rechtsunsicherheit sind im übrigen in den Entscheidungsbegründungen der Gerichte zwar besonders ausgeprägt. Sie sind jedoch kein Spezifikum der Rechtsprechung, sondern kennzeichnen häufig auch das Erscheinungsbild der gegenwärtigen Auslegungspraxis in der Lehre, und zwar auf allen drei genannten Wertungsebenen l4 • 2. Rechtsgrund und Ziele der Untersuchung

2.1. Kritik an dem derzeitigen Stand der Auslegungslehre, wie sie in den eben zitierten Stellungnahmen zum Ausdruck kommt, stellt bekanntlich keine Besonderheit des Strafrechts dar. In anderen Rechtsdisziplinen, in der allgemeinen Rechtstheorie l5 und in der modernen Hermeneutik l6 ist sie bereits seit längerem Gegenstand von zahlreichen Untersuchungen und z.T. heftigen Krontroversen l7 , an denen sich auch Strafrechtler beteiligt haben. Diese Diskussionen haben inzwischen einen Punkt erreicht, an dem die Unzulänglichkeit und Erneuerungsbedürftigkeit der herkömmlichen Auslegungsmethoden kaum noch in Frage gestellt wird. Außerordentlich umstritten ist, welche Konsequenzen aus dieser Einsicht abzuleiten sind. Vgl. Vgl. 14 Vgl. Eser. § I 12

näher unten 3/4.2.; 4.32.

Hassemer. in: Einführung, S. 84; Baumann. Strafrecht AT, S. 150 sowie unten 1/4.2. Arthur Kaufmann. JZ 1975, 339 ff.; in: Einführung, S. 296 ff.; Schönke/Schröder/ Rdnr. 57 a; Schmidhäuser. Würtenberger-Festschrift' S. 94 ff.; Blei. AT, S. 29 f.; Schünemann. Bockelmann-Festschrift, S. 118 fT.; Gössel. Peters-Festschrift, S. 41 fT. u.a. sowie 13

unten 1/3.4.; 2/6.1.; 3/4.4. 15 Vgl. Kriele. Theorie der Rechtsgewinnung, S. 25 fT.; Esser. Vorverständnis und Methodenwahl, S. 7 ff.; Hassemer. Tatbestand und Typus; Larenz. Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 143 ff. m. Nachw.; Zippelius. Einführung in die jurist. Methodenlehre, S. 16 fT.,59ff.; Canaris. Systemdenken und Systembegriff usw., S. 1 fT.; Haverkate. Gewißheitsverluste, S. 112 fT.; R. Alexy. Theorie der juristischen Argumentation, S. 24 ff.; Schneider/Schroth. in: Einführung, S. 254 fT.; Schünemann. Klug-Festschrift I, S. 169 fT. u.a. 16 Vgl. Hruschka. Das Verstehen von Rechtstexten, S. 29 ff.; Arthur Kaufmann. JZ 1975, S. 339 fT. m. Nachw., ders.• in: Einführung, S. 280; Schroth. in: Einführung, S. 188 ff. 17 Vgl. etwa Kriele. Theorie, S. 315 ff., 331 ff.; Recht und praktische Vernunft, S. 141 f. FN 38 einerseits, Larenz. Methodenlehre ... , S. 144 ff. andererseits.

28

Einleitung

In dem breiten Spektrum an Meinungen, die sich hierzu gebildet haben, hat in jüngster Zeit wieder eine Auffassung an Boden gewonnen, die einer Regelung des Auslegungsverhaltens mit ausgesprochener Skepsis gegenübersteht. Ausgehend von der Beobachtung, daß sich der Richter bei der Auslegung nicht so sehr von festen Regeln, als vielmehr von Wertungen leiten läßt, die sich an den Folgen der Entscheidung, an Kriterien der Gerechtigkeit und der Sozialethik oder allgemein an Erwägungen der Rechtsvernunft orientieren, halten Kriele 18 , Esser 19 , Hassemey2D u.a. jede feste Bindung des Richters an abstrakt-generelle Präferenzregeln für verfehlt. Leitender Gesichtspunkt sei vielmehr ein induktives Verfahren der Rechtsgewinnung, das sich an Präjudizien und - falls eine Abweichung von den bisher gefundenen Regeln notwendig sei - an den präjudiziellen Folgen der Entscheidung auszurichten habe. Letztlich bestimmend seien Erwägungen der praktischen Vernunft, deren Maßstäbe die Prinzipien der Gerechtigkeit, ethische Sachgründe oder - so Esser 1 - Gesichtspunkte wie Konsensfähigkeit der Entscheidungsbegründung, Sachlogik oder "evidente" Lösungsbedingungen seien.

Den Vertretern der induktiven Methode ist zuzugeben, daß die augenblickliche Praxis der Rechtsanwendung vielfach so abläuft, wie es den Grundsätzen dieser Methode entspricht22 • Ein Verzicht auf abstrakt-generelle Regeln des Auslegungsverfahrens erscheint im Strafrecht gleichwohl nicht unproblematisch. Wie zahlreiche Beispiele aus der Entscheidungspraxis des Bundesgerichtshofs bis in die jüngste Zeit23 belegen, gerät die Rechtsprechung, der ein Rückgriff auf Kriterien wie "Sozialethik", "Natur der Sache", "praktische Vernunft" u.ä. gestattet wird, leicht in die Gefahr einer sittlichen Bevormundung des Bürgers und einer Ausweitung der Strafbarkeit, für die es an hinreichenden Rechtsgründen fehlt. Einer solchen Gefahr, der nicht zuletzt auch die Reform des Strafrechts entgegenwirken soll24 , muß um so mehr begegnet werden, als im Rahmen der Normkonkretisierung oft über Fragen der Strafbedürftigkeit und Strafwürdigkeit mit entschieden wird 25 • Sollen Auswahl und Bewertung dieser normrelevanten 18 Vgl. Theorie ... , S. 162 ff., 310 ff.; Recht und praktische Vernunft, S. 88 ff.; Schünemann. Klug-Festschrift I, S. 169 f. m. N. 19 Vgl. Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 1956; Vorverständnis ... , S. 7 ff., 26 Ir. :Il in: Einführung ... , S. 84 Ir. 21 Vgl. Vorverständnis ... , S. 26 ff., 46; dagegen Rupp. NJW 1973, 1771. 22 Vgl. Blei. AT, S. 29; Naucke. Engisch-Festschrift, S. 275. 23 Vgl. etwa die Rechtsprechung zur schweren Kuppelei und zu anderen Sexualdelikten sowie zum Mordtatbestand; hierzu mit zahlr. Nachw. Schünemann. Bockelmann-Festschrift, S.1l8, 131 f.; Roxin. JA 1980,222 f.; Woesner. NJW 1978, 1025 ff. 24 Vgl. Roxin. a.a.O., S. 222 ff.; 546 f.; Tiedemann. JZ 1980,492 Ir.; Rudolphi. Honig-Festschrift, S. 151 ff.; Müller-Emmert. GA 1976,291 Ir.; Sturm. Dreher-Festschrift, S. 513ff., 519ff. 2S Eine solche Prüfung ist stets dann erforderlich, wenn sich die "mögliche" Wortbedeutung des Gesetzeswortlauts auch auf straffreie Handlungsbereiche erstreckt, vgl. hierzu näher Otto. H. Schröder-Gedächtnisschrift, S. 54 ff. m. eingeh. Nachw.

2. Rechtsgrund und Ziele der Untersuchung

29

Aspekte nicht allein dem persönlichen Vorverständnis des Richters und damit dem Zufall überlassen bleiben, bedarf das richterliche Entscheidungsverfahren eines methodischen. d.h. planmäßigen Vorgehens, dessen einzelne Handlungsschritte nach Möglichkeit in allgemein verbindlichen Regeln und Grundsätzen festzulegen sind26 • Dieses sog. Postulat der optimalen Gestaltung des Auslegungsverfahrens ist ein Ausfluß des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes27 • Es bindet die Gerichte und sollte für die Lehre Anlaß zur kritischen Überprüfung der herrschenden Auslegungsdogmen sein 28 • 2.2. Die Tatsache, daß sowohl hinsichtlich der Grundlagen der teleologischen Auslegung wie auch der des Unrechtsbegriffs tiefgreifende sachliche Unklarheiten bestehen, kommt nicht von ungefahr. Unrecht stellt ein Element de~ teleologischen Systems der Normen sowie des Strafrechtssystems dar. Als "Zustand" desselben nimmt es spezielle Funktionen des Gesamtsystems wahr. Zwischen Unrecht und den genannten teleologischen Systemen bestehen - häufig nicht genügend beachtete - enge Wechselbeziehungen. Ohne genaue Kenntnisse über Funktionsweise, Strukturen und das Verhalten des teleologischen Systems der Normen und des Strafrechts insgesamt bleiben Untersuchungen über die Strukturen des Unrechts notwendigerweise lückenhaft. Wie unten im einzelnen dargelegt wird (2. - 13. Kap.), ist den erwähnten Erklärungsdefiziten in der Unrechtslehre deshalb nur vom Boden einer revidierten teleologischen Methode aus beizukommen. Hierzu bedarf es einer grundlegenden Umkehr in der Unrechtsund Normbetrachtung (2/6; 3/5; 512; 3.), die zu entsprechenden Änderungen bzw. Erweiterungen der herrschenden Auslegungsregeln Anlaß gibt. In der nachfolgenden Untersuchung wird im Hinblick auf das eben Gesagte versucht, einen Ansatz zur Reform des Unrechtsbegriffs und der Regeln der Gesetzesanwendung zu entwickeln. Ausgangspunkt ist eine kritische Bestandsaufnahme der Rechtsprechung zu einem konkreten Rechtsproblem (Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch), mit der die obigen Hypothesen über gewisse Fehlentwicklungen durch Rechtstatsachen belegt werden sollen (1/1., 2.). Die nachfolgenden Abschnitte (113.; 2. u. 3. Kap.) befassen sich mit der Frage, inwieweit mit den Mitteln der Dogmatik - Versuchstheorien, Unrechtslehren, Auslegungsmethoden - die Lösung des in Rede stehenden Versuchsproblems gefördert werden kann (112.4.; 3.; 2. u. 3. Kap.). Mit der Untersuchung der Unrechtsund der Methodenlehren wird zugleich dargelegt, welche Elemente des Unrechts und der Strafrechtsnormen in den herrschenden Konzeptionen keine befriedigende Regelung erfahren und an welche von ihnen auch weiterhin angeknüpft 26 Im gl. Sinne Arthur Kaufmann. Bockelmann-Festschrift, S. 72 f.; Schönke/Schröder/ ESer. § 1 Rdnr. 57 a; Bottke. a.a.O., S. 7 ff.; Schünemann. a.a.O., S. 122 ff.; ders.• Klug-Festschrift I, S. 169 ff. 27 Vgl. unten 1/2.3. 18 Vgl. Schünemann. Klug-Festschrift I, S. 170.

30

Einleitung

werden kann (2/6.; 3/5.). Die Analysen dienen als Grundlage für die Erarbeitung eigener Konzeptionen, die in ersten Umrissen in den Übersichten 2/6.2. und 512.; 3. skizziert sind und im 2. und 3. Teil näher entfaltet werden. Im abschließenden Kapitel wird auf der Grundlage der erarbeiteten Unrechts- und Auslegungsregeln ein Vorschlag zur Lösung des Versuchsproblems vorgelegt. 3. Standort und Grundlagen der Untersuchung Der Regelungsgegenstand strafrechtlicher Normen ist außerordentlich komplex. Seine Elemente sind in hohem Maße interdependent. Beide kennzeichnet eine bemerkenswerte Tendenz zur Veränderlichkeit (12/4.6.). Diese Anforderungsstruktur ist als Orientierungspunkt und Maßstab für das Verständnis der Strafgesetze von kaum zu überschätzender Bedeutung. Sie schlägt sich in vielschichtiger und nur schwer durchschaubarer Weise in den Strukturen des Unrechts sowie im Aufbau und Ablauf der Normen nieder und bestimmt selbst die Wahl der Auslegungsmittel mit (5/3.4.; 6/3.). Eine wichtige Vorentscheidung fällt weiterhin bei der Festlegung der Normfunktionen und der Bestimmungsfaktoren des Unrechts. 3.1. In der bisherigen Diskussion um den Unrechtsbegriff hat die Person des Täters als Gestaltungsfaktor der Normen im Vordergrund gestanden. Zentrale Themen waren u.a. die Entdeckung der Finalstruktur der Täterhandlung, die Relevanz des Erfolgsunwerts sowie neuerdings die Rückführung des zurechenbaren Erfolgs auf die Schaffung eines zurechenbaren Risikos 29 • Das Verhalten der Norm in ihrer Bedeutung als Steuerungssystem hat nur eine relativ untergeordnete Rolle gespielt. Die Vorstellung Bindings von der Leitfunktion der Norm bei der Unrechtsbestimmung erscheint zwar gegenwärtig "lebendiger denn je"}). Unzweifelhaft sind von Normfunktionen wie der Bestimmungs- und Schutzfunktion wesentliche Impulse für die Festlegung des Unrechts ausgegangen 31 • Im ganzen gesehen hat jedoch der Schwerpunkt meist bei jenen Normfunktionen gelegen, deren Rolle eher als passiv zu bezeichnen ist und die vor allem der Strukturierung des Gefahrdungsverhaltens sowie der Haftungsbegrenzung dienen. Die aktiven Steuerungs/unktionen, die die Normen als auf Wirksamkeit angelegte Instrumente des Rechtsgüterschutzes zu übernehmen haben, haben überwiegend nur ein Schattendasein geführt (vgl. u.a. 4/4.331.). Mit Steuerungsfunktion ist dabei nicht die Bestimmungsfunktion, sondern die wesentlich weiterreichende Aufgabe der Norm gemeint, durch planmäßige Umgestaltung der Wirk29 Vgl. Rudolphi. in: Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, S. 70 ff.; Wolter. ebenda, S. 103 f. sowie unten 2/1.-6. ~ Vgl. Gössel. GA 1982, 563 ff. sowie unten 2/3.2. II Vgl. unten 2/3.1.; 2/5.1. u.a.

3. Standort und Grundlagen

31

lichkeit eine optimale, d.h. möglichst effektive und angemessene Form der Unrechtsbekämpfung durchzusetzen (2/6.21.). Für ein Steuerungssystem, das sich nach Maßgabe dieses Fundamentalprinzips organisiert, ist wesentlich, daß es dem Zufall als Störfaktor der Gefahrenabwehr grundsätzlich keine Chance läßt. Statt, wie es von neueren Zurechnungslehren verstärkt gefordert wird, die Unrechtsbekämpfung dort enden zu lassen, wo der Täter "rein zufällig" den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeiführt 32 , sieht die aktive Form der strafrechtlichen Verhaltenssteuerung ihre ureigenste Aufgabe gerade darin, durch Beherrschung des Zufalls einen optimalen Rechtsgüterschutz sicherzustellen (216.21.; 612.). Diesen beiden Fundamentalprinzipien - optimale Normverwirklichung und Zufallsbeherrschung - folgen, wie im einzelnen nachgewiesen wird, auch die Strafrechtsnormen. Der Aufbau der Normsysteme ist durchweg so gestaltet, daß diese mit zielgesteuerten und rückgekoppelten Eingriffen in den Prozeß der Ziel verwirklichung ihre Ziele durchzusetzen suchen. Dabei beschränken sich ihre Eingriffe bei der Unrechtskonstituierung durchaus nicht - wie die monistisch-subjektiven Unrechts/ehren annehmen - auf die Regulierung von Handlungsunwerten (2/3.). Gegenstand der Normoptimierung sind insofern vielmehr alle E/emente des Normsystems: das Verhalten der "Regler" (Gesetzgeber, Richter, Täter, Opfer u.a.) ebenso wie die Gesetzesform, die Normziele, die Normumwelt und die zwischen ihnen bestehenden funktionalen Wechselbeziehungen (213.-6.; 912.41. ff.).

Die Feststellung, daß die Strafrechtsnormen die Strukturen von - zeitabhängigen (2/4.4.) - Steuerungssystemen in dem eben genannten Sinne aufweisen, macht die erwähnte Umkehr und Wende in der Unrechts- und Normbetrachtung erforderlich. Die herrschenden Unrechtslehren sind überwiegend dadurch gekennzeichnet, daß sie das Unrecht zu einseitig aus der Perspektive des Individuums bewerten. Sie berücksichtigen z.B. nicht genügend, daß dem Strafrecht zahlreiche konstruktive Möglichkeiten der Normanpassung zur Verfügung stehen, um ein an sich nicht steuerbares individuelles Kausalverhalten beherrschbar zu machen (2/3.5.; 6.).

Allgemein ist das Unrecht nicht nur als Täterhandlung, sondern als ein "schlechter Zustand" des Stabilitätsbereichs der Norm zu werten, der als solcher konzipiert und "angewendet" werden muß (13/1.). Hieraus folgt u.a., daß die Unrechtserklärung stets doppelspurigverfahren muß. Auf der einen Seite gilt es, die Struktur der Täterhandlung in ihrer Eigenschaft als Element und "Einstellung" des zielgesteuerten Normsystems zu erkennen und offenzulegen 33 •

Diesem Erklärungsziel dienen die Untersuchungen des 2. Teils, in dem das Steuerungssystem der Norm (8. Kap.), ihre beiden Verhaltensformen ,,steuerung i.e.S." und "Regelung" (912.3.; 2.4.), die für die Normgestaltung wesentlichen AnVgl. Rudolphi. in: Grundfragen, S. 83 sowie unten 2/5.1.; 5.3. In diesem Sinne bereits Roxin. Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, der jedoch "zu formal" und zu eng die Funktion des Straftatbestandes mit der Bestimmtheitsfunktion des Gesetzes gleichsetzt. Dazu mit Recht krit. Amelung. JZ 1982,617 ff. Vgl. a. unten 417. 32 33

Einleitung

32

passungsgesetze (912.5.) sowie die Strukturen des Normaufbaus (10. Kap.) einschließlich der Deliktstypen (10/4.) einer eingehenden Analyse unterzogen werden. Auf der anderen Seite bedarf die als Unrecht qualifizierte Handlung selbst einer Struktur- und Verhaltensanalyse. Dabei ist zunächst an Kriterien wie Handlungs- und Erfolgsunwert gedacht. Diese faktischen Komponenten der "natürlichen" Handlung machen jedoch nur einen Teilaspekt des Unrechts aus, der im Zuge der tatbestandlichen Vertypung mehr oder weniger weitreichende Umstrukturierungen erfahrt (13. Kap.).

In seiner gesetzlichen Form stellt sich Unrecht als Ergebnis einer wechselseitigen Anpassung des kausalen Verhaltens der Norm sowie des Kausalverhaltens des Täters äar. Eine genauere Betrachtung dieser kausalen Wechselbeziehung führt u.a. zu dem Ergebnis, daß dem Strafrecht zwei bislang vernachlässigte Kausalitätsformen zugrunde liegen, die durch die herrschenden Kausalitätsbegriffe nur bruchstückartig erfaßt werden (10/4.4.; 4.5.). 3.2. Ein weiterer Ausfluß des Prinzips der optimalen Normzielverwirklichung ist die planmäßige Ausgestaltung der Strafrechtsnormen als soziale Handlungsorganisation. .Aus ihr leiten sich weitreichende Konsequenzen sowohl für den Normaufbau wie auch für die Strukturierung des Unrechts und der objektiven Zurechnung ab, auf die erst unten näher einzugehen ist (11. Kap.). In den herrschenden Unrechts- und Normkonzeptionen besitzen die organisatorischen Bezüge des Strafrechts meist keinen besonderen Stellenwert 34 • Die einseitige Ausrichtung an der Person des Täters läßt für eine entsprechende Kategorienerweiterung keinen Raum (213.33.; 5.3.; 6.23.). 3.3. Angesichts der Vielzahl von bisher nicht aufgedeckten, unrechtsrelevanten Steuerungsfunktionen und -prinzipien der Norm gewinnt die Forderung nach Konstituierung von Auslegungsregeln eine zusätzliche Dimension. Da der Institution des einzelnen Richters bei der gegebenen Komplexität des normativen Steuerungs systems enge Grenzen gesetzt sind, kommt den "überindividuellen" Auslegungsregeln die organisatorische Funktion der Entlastung und der Regelungsverstärkung zu, die im Interesse eines optimalen Rechtsgüterschutzes unverzichtbar erscheint (1113.3.). 3.4. Für den Aufbau des Steuerungs systems der Norm sind ebenso wie für das Verhalten des Täters die allgemeinen Struktur- und Verhaltensgesetze finalen Verhaltens maßgebend. Weder die Norm noch der einzelne Interpretationsakt würden sachgerecht "funktionieren", wenn sie nicht durchgängig in den Bezugs- und Wirkungsrahmen eines zielgesteuerten Systems gestellt würden, das sich nach den genannten Verhaltensgesetzen strukturiert.

Der Forderung Welzels und seiner Schüler, die dem Strafrecht z.B. vorgegebenen Gesetze finalen Handelns zum allgemeinen Richtpunkt der Erklärung 14

Zur" Wiederentdeckung des Opfers" als Unrechtskomponente, vgl. 2/3.331.

3. Standort und Grundlagen

33

des Tätersverhaltens zu machen, ist zwar in der Grundtendenz zuzustimmen. Sie geht jedoch nicht weit genug (4/4.332.). Mit einer optimalen Verwirklichung der Normziele kann nur gerechnet werden, wenn Norm, Gesetzgeber und Richter mit in diese Forderung einbezogen und auch ihr Verhalten unter die erwähnten Verhaltensgesetze gestellt werden (216.22.). Strafrechtsnormen vermögen ihre Aufgaben nur zu erfüllen, wenn sie systematisch als ,.law in action" betrachtet und unter den realen Bedingungen der Zielverwirklichung angewendet werden35 • Eine systematische Erforschung der Funktions- und Strukturgesetze der strafrechtlichen Verhaltenssteuerung erscheint um so dringlicher, als das zielgesteuerte Verhalten des Normsystems um ein Vielfaches komplexer ist als das Verhalten des einzelnen Täters. Dies gilt bereits für das bloße "Verstehen" des "fertigen" Gesetzestextes, erst recht aber für die Normkonkretisierung, die das "Zu-EndeDenken" einer unvollständigen Norm erfordert (5.2.; 3.4.; 6. Kap.). 3.5. In der Vergangenheit ist immer wieder versucht worden, den Vorgang der Norm- und Unrechtskonstruktion in seiner Grundstruktur zu erfassen (vgl. 4. Kap.). Daß hierbei zwar wesentliche Teilaspekte, aber nie das Ganze zu Tage gefördert wurde, liegt z.T. an dem fragmentarischen Charakter des gewählten Ansatzes, teilweise aber auch an dem Ungenügen der verwendeten Erkenntnisinstrumente. Die Hoffnung der ontologischen Lehre, einen direkten Zugang zu den finalen Strukturen des Strafrechts zu gewinnen, hat sich nicht erfüllt (4/4.). Ein solcher Zugang ist dem Menschen aus zwingenden erkenntnistheoretischen Gründen verwehrt (5/3.4.). Ein seinem Gegenstand angepaßtes "Verstehen des Gesetzestextes" ist nur auf indirektem Wege - durch Re-Konstruktion der durch die Norm verkörperten Verhaltensstrukturen - erreichbar (5/3.4.; 6. u. 7. Kap.). Letztlich geht es hierbei um die Erklärung "funktionierender" Systeme von "lebendigen Organismen", deren Verhalten in hohem Maße interdependent und veränderlich ist und sich weitgehend der Prognose entzieht. Die letzteren Tatsachen müssen einem präventiv orientierten Strafrecht, dem es primär um die Regelung zukünftigen Verhaltens geht, besonders zu schaffen machen (1214.6.). Die erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten, die sich dabei in den Weg stellen, sind, wie die Entwicklung der Strafrechtsdogmen anschaulich belegt, beträchtlich. Mit den herkömmlichen Auslegungsmitteln lassen sie sich nicht annähernd bewältigen (5/3.4.). Bereits Welzel hat in diesem Zusammenhang wiederholt auf die Bedeutung der Kybernetik als möglicher Strukturwissenschaft des Strafrechts aufmerksam gemacht36 • Sein (auf den Täter bezogener) Hinweis, die Kybernetik habe "eine viel treffendere Bezeichnung für die entscheidende Eigenart der Handlung, nämlich ihre Steuerung und Lenkung herausgebildet", ist veraUgemeinerungsfähig und hat für sämtliche Handlungsbereiche des Strafrechts Gültigkeit. 35 Vgl. Zippelius. Einfuhrung in die juristische Methodenlehre, S. 17; ähnl. im Ansatz bereits Hegler. ZStW 36, 20 ff., s. unten 4/5. l6

Vgl. Lehrbuch, S. 37; Maurach-Festschrift, S. 7 f.

3 Kralzsch

34

Einleitung

Kybernetik. kybernetische Systemtheorie und die mit ihnen strukturverWllndte Organisationstheorie befassen sich schon seit längerem mit der systematischen Erforschung der Aufbau- und Verhaltensstrukturen zielgesteuerter Systeme.

Die von ihnen offengelegten Struktur- und Verhaltensgesetze haben allgemeingültigen Charakter (6. Kap.). Sie sind auch auf das Strafrecht übertragbar und können, wie im 2. Teil im einzelnen nachgewiesen wird, als abstrakte Modelle (7. Kap.) zur Erklärung und Strukturierung von Strafrechtsnormen nutzbringend eingesetzt werden 37.

J7 Vgl. Podlech. Juristenjahrbuch, Bit. 10, S. 157 ff.; BaI/weg. Rechtswissenschaft und Jurisprudenz, S. 76 ff.; Suhr. JuS 1968,352 ff.; Garstka. Jahrbuch für Rechtssoziologie, Bd. 11, S. 347 ff.; Weyers. Festschrift für Raiser, S. 577; Teubner. Generalklauseln als sozio-normative Modelle, S. 13 ff.; Wälde. Juristische Folgenorientierung, S. 27ff., 39ff., 107ff.; Cal/iess. Rechtstheorie als Systemtheorie, in: Rechtstheorie, 142ff.; Haft. Nutzanwendungen kybernetischer Systeme im Rech~; Dubischar. Einführung in die Rechtstheorie, S. 107 ff.

I. Teil

Notwendigkeit und Ansatzpunkte einer Reform des Unrechtsbegriffs und der Auslegungsregeln im Strafrecht In der gegenwärtigen Situation bot sich an, als Ausgangspunkt für die angestrebte Untersuchung ein Reformgesetz zu wählen, das 1975 in Kraft getreten ist. Reformgesetze bringen bekanntlich zwangsläufig neuartige Probleme mit sich, deren Lösung verstärkt eine Rückbesinnung auf die Grundbegriffe des Strafrechts erfordert. Für Feststellungen darüber, wie Unrechtsbegriffe und Auslegungsregeln ihre "Feuerprobe der kritischen Situation" bestehen, erscheinen solche Gesetze besonders prädestiniert. Gegenstand der nachfolgenden Erörterungen wird zunächst ein Spezial problem des Versuchs sein, das durch die Neufassung der §§ 22 ff. StGB eine gegenüber § 43 StGB a.F. veränderte Regelung erfahren hat (Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch)l. Entsprechend dem oben skizzierten Untersuchungsplan (Ein!. 2.) soll insbesondere der Frage nachgegangen werden, inwieweit es Rechtsprechung und Lehre bisher gelungen ist, mit den ihnen gestellten Problemen fertig zu werden. 1. Kapitel

Das Problem der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel Bei der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch geht es in erster Linie darum, den Beginn der Strafbarkeit im Bereich des Versuchs "richtig" festzusetzen. Genügt es für die Annahme eines strafbaren Versuchs bereits, daß die Absicht der Deliktsbegehung durch irgendeine auf das Ziel der Tat gerichtete Handlung betätigt wird (sog. Intentionsunwert)? Oder ist hierfür eine engere Z.B. eine bestimmte zeitliche oder räumliche - Verbindung zwischen zielgerichteter Willensbetätigung und der eigentlichen Tatbestandshandlung oder der Nachweis einer Rechtsgutsgefährdung erforderlich? Die Beantwortung dieser seit langem mehr oder weniger umstrittenen Fragen wird möglicherweise dadurch beeinflußt, wie man zu dem Problem der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs Stellung nimmt, der in mancher Hinsicht ähnliche I Auf die sog. Sonder/ormen des Versuchs wie Versuch bei mittelbarer Täterschaft, Mittäterschaft u.a. wird im folg. nicht eingegangen, vgl. hierzu Verf, JA 1983, 585 ff. m. Nachw.

3'

36

1. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

Fragen aufwirft. Lehnt man etwa - dem Standpunkt objektiver Theorien folgend - die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs mit der Begründung ab, durch Strafrechtsnormen werde nur rechtsgutsgefährdendes Verhalten erfaßt, so wäre es widersprüchlich, den Versuchsbeginn nach den Maßstäben der subjektiven Theorie zu beurteilen2'3. Da dem Gesetz grundsätzlich der Wille zur widerspruchsfreien Regelung von Sachverhalten zu unterstellen ist, wird nachfol,gend im Sinne einer Arbeitshypothese angenommen, daß ihm eine für beide Fallgruppen gemeinsame Wertungsbasis zugrunde liegt4. Eine einheitliche Beurteilung dieser beiden Grenzbereiche des Versuchs erscheint um so mehr geboten, als die Neufassung des § 22 StGB eine für den tauglichen und untauglichen Versuch gleichlautende Regelung vorsieht. In diesem erweiterten Rahmen hat die Frage nach der "richtigen" Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch in der Vergangenheit bekanntlich eine unübersehbare Zahl verschiedener Antworten gefunden 5 • Sie hat bereits R. Fran0 1908 zu der resignierenden Feststellung veranlaßt, eine "unendliche Fülle" von Scharfsinn sei auf ihre Lösung verwendet worden, ohne daß (bezüglich des untauglichen Versuchs) eine überzeugende Regelung in Sicht sei. 76 Jahre nach diesem Ausspruch läßt sich zwar in mancher Hinsicht eine Klärung damaliger Streitfragen feststellen. An dem allgemeinen Zustand, daß zentrale Fragen der genannten Abgrenzungsprobleme außerordentlich kontrovers sind, scheint sich insgesamt gesehen jedoch nur wenig geändert zu haben. Die Zahl der seit 1975 ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen 7 zu dem in Frage stehenden Ver. suchsproblem und die Vielfalt der hierzu vertretenen Lehrmeinungen haben inzwischen wieder ein Ausmaß erreicht, das hinter dem "vorreformatorischer" Zeiten kaum zurücksteht und einen einigermaßen zuverlässigen Überblick über die veröffentlichten Stellungnahmen nur mit erheblichem Zeitaufwand zuläßt. 1. Anlaß und Ziele der Reform des § 22 StGB

Um den gegenwärtig erreichten Problemstand zu verstehen, erscheint zunächst ein kurzer Rückblick auf die historische Entwicklung des Abgrenzungsproblems erforderlich, die Anlaß zur Reform des § 43 StGB a.F. gab. Daran anknüpfend 2 Vgl. demgegenüber etwa Dreher/Tröndle. § 22 Rdn. 8 einerseits, Rdnr. 24 andererseits; ähnlich BGHSt 30, 363, 364, 366. 3 Vgl. hierzu auch die früheren objektiven Theorien, die eine Bestrafung des untauglichen Versuchs u.a. mit der Begründung abgelehnt haben, daß nach § 43 StGB a.F. nur der Beginn der Ausführung eines "wirklichen" Verbrechens strafbar sei, so u.a. Schoetensack. Frank-Festgabe 11, S. 56. .. I. gl. S. Bockelmann. JZ 1954,469 ff.; Koffka. Mal. 2, 198; vgl. a. Küper. JZ 1983,367. 5 Vgl. die Nachweise bei H. Meyer. Über den Anfang der Ausführung, in: Festschrift für Berner 1892, 1-21; v. Bar. Gesetz und Schuld im Strafrecht, Bd. 11, S. 487. 6 Vgl. VDA V, 263; Schoetensack. Frank-Festgabe 11, 55. 1 Die von Kühl. JuS 1980,650 genannte Zahl von annähernd 30 ist inzwischen erheblich überschritten, vgl. Dreher/Tröndle. § 22 Rdnr. 10-18.

1. Anlaß und Ziele der Reform des § 22 StGB

37

werden anschließend die Reformziele erörtert, die der Gesetzgeber mit der Regelung des § 22 StGB verfolgt. 1.1. Rechtsprechung und Lehre bis zur Reform des § 43 StGB a.F. 1.11. Die Entwicklung bis zum Inkrafttreten des § 43 StGB a.F.

In der Praxis und Theorie des 18. Jahrhunderts spielte das Problem, ob der untaugliche Versuch zu bestrafen sei, so gut wie keine Rolle. Der Unterscheidung zwischen tauglichem und untauglichem Versuch wurde meist keine besondere Bedeutung beigemessen8 • Hingegen war die Frage, wie das Verhältnis zwischen Vorbereitung und Versuch strafrechtlich zu würdigen sei, bereits damals umstritten. Die bis etwa Ende des 17. Jahrhunderts vorherrschende Lehre vom actus proximus ging von einer bemerkenswert engen Versuchsauffassung aus. Nach ihr werden nur solche Handlungen pönalisiert, die der Vollendung nahestehen. Im 18. Jahrhundert gewann eine Auffassung an Bedeutung, die in gewisser Weise als Vorläufer der subjektiven Theorie angesehen werden kann. Sie bezog auch "entferntere", d.h. jede auf die Begehung eines Verbrechens abzielende Tätigkeit (conatus remotus) mit in den Bereich der Stratbarkeit ein9 • Das preußische ALR machte sich diesen Standpunkt zu eigen und erklärte generell auch "vorläufige Anstalten" für stratbar lO (ALR 11 20 § 42). Mit der Wende zum rechtsstaatlich-liberalen Denken veränderte sich auch die Einstellung gegenüber dem Versuch. Es setzte eine Phase ein, in der über längere Zeit die objektiven Versuchs theorien den Ton angaben. Feuerbach, der sich wohl als erster mit dem Problem des untauglichen Versuchs näher auseinandersetzte, machte in den späteren Auflagen seines Lehrbuchs 11 die Strafbarkeit des Versuchs allgemein davon abhängig, daß er "objektiv gefährlich" sei und "die Handlung selbst nach ihrer äußeren Beschaffenheit ... mit dem beabsichtigten Verbrechen in ursächlichem Zusammenhang steht". In der Folgezeit führte diese Auffassung zu der bekannten Unterscheidung zwischen relativer und absoluter Untauglichkeit des Versuchs 12,13. Die meisten Ländergesetze erklärten die Vorbereitungshandlungen ausdrücklich für straffrei 14 • Ihre Versuchsregelungen folgten meist dem Vorbild des französischen Code Penal, an den sich im wesentlichen auch der neue § 43 RStGB anlehnt. § 43 StGB trat mit folgendem Wortlaut in Kraft: Vgl. Frank. VDA V, 243; v. Bar. FN 5, 523 jew. m. Nachw. Vgl. Frank. VDA V, 175; v. Bar. FN 5, S. 501 f. jew. m. Nachw. 10 Vgl. Frank. FN 9, S. 176; v. Bar. FN 5, 502. 11 4. Auflage, 1808, § 42. 12 Vgl. Mittermaier. Neues Archiv des Criminalrechts 1. Bel., S. 183 ff.; 1. Baumgarten. Die Lehre vom Versuche der Verbrechen, 1888, 241 Ir.; v. Bar. FN 5, S. 523 m. Nachw. 13 Mit der Folge der Straflosigkeit des untauglichen Versuchs, so insbes. die preußische Rechtsprechung, vgl. u.a. GA Bd. 2, 548; v. Bar. FN 5, S. 523 f. m. Nachw. 14 Vgl. Frank. FN 9, 177 m. Nachw. 8

9

38

I. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

"Wer den Entschluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Vergehens enthalten, betätigt hat, ist, wenn ... , wegen Versuchs zu bestrafen. Der Versuch eines Vergehens wird jedoch nur in den Fällen bestraft, in welchen das Gesetz dieses ausdrücklich bestimmt."

Vorbereitungshandlungen werden im RStGB von 1871 nur ausnahmsweise unter Strafe gestellt (z.B. hochverräterische Unternehmen, Münzverbrechen). 1.12. Die Rechtsprechung zu § 43 StGB a.F. In den Theorien, die das Reichsgericht zur Lösung der genannten Abgrenzungsprobleme entwickelte, war, wie Bockelmann l5 mit Recht feststellt, von Anfang an ein tiefgreifender Widerspruch angelegt, der nach dem oben Gesagten eigentlich vermieden werden sollte. Sie ließen für die Bereiche des tauglichen und des untauglichen Versuchs zwei grundsätzlich verschiedene Regelungen gelten, die in ihren Voraussetzungen unüberbrückbare Gegensätze aufwiesen. So hat das Reichsgericht auf dem Gebiet des tauglichen Versuchs das Problem der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch in den ersten Jahrzehnten ausschließlich mit den Kriterien der objektiven Theorie zu lösen versucht l6 • Ob ein Versuch vorlag, bestimmte sich nicht nach der Vorstellung des Täters, sondern danach, welche Beschaffenheiten die Handlung in objektiver Beziehung aufwies. In der Frage, an welchen objektiven Kriterien sich die Entscheidung über den Versuchsbeginn auszurichten habe, hat das Reichsgericht wiederholt geschwankt. Anfangs folgte es vor allem der sog.jormell-objektiven Theorie l7 , wonach Versuch erst in dem Augenblick beginnt, in dem der Täter wenigstens einen Teil des Tatbestands verwirklicht. Als sich diese Theorie schon bald als zu eng erwies, schloß sich das RG in der Folgezeit (zunächst) überwiegend dem Standpunkt der materiell-objektiven Theorien an l8 , die den Versuchsbeginn auf Handlungen ausweiten, die den Tatbestandshandlungen in gewisser Hinsicht vorgelagert sind. Als Grenzwerte dieser Vorverlagerung setzte das RG z.T. recht unterschiedliche Kriterien ein. Zahlrdche Entscheidungen greifen auf die sog. Franksche Formel zurück 19, die den "Anfang der Ausführung" in allen Tätigkeiten erblickt, die "vermöge ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tatbestandshandlung für die natürliche Auffassung als deren Bestandteile erscheinen". Anderen Entscheidungen dienen die Gefährdung des geschützten Rechtsguts]J) oder ein unmittelbarer Angriffl auf dieses als AbgrenzungskriVgl. JZ 1954,469 ff.; Mat. 2. 176; Anhang 107; E 1962. 143. Vgl. u.a. RGSt 6, 641; 9, 81, 84; 15,56; 59, 157; Frank, FN 9, 183; v. Bar, FN 5, S. 505; Bocke/mann, FN 15. 17 Vgl. z.B. RGSt 9, 81; 15,56 f.; Frank, FN 9,183 f.; v. Bar. FN 5, S. 505; Fied/er. Vorhaben und Versuch, S. 32 ff.; Becher, Zur Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch, S. 11 ff. IS SO bereits RGSt 3, 139; 5, 609; vgl. LK-Busch. § 43 Rdn. 36. 19 Vgl. u.a. RGSt 51, 341; Frank. Kommentar, § 43 A 11 2 b m. Nachw. ]J) Die Ausdrucksweise wechselt: z.T. wird eine nicht näher spezifizierte Rechtsgutsgefährdung verlangt (vgl. etwa RGSt 54, 254; 59, 158), während andere Entscheidungen eine "unmittelbare" Gefährdung voraussetzen, vgl. z.B. RGSt 77, 164. IS

16

1.1. Entwicklung bis zur Reform des § 43 StGB a.F.

39

terien. Weitere selbständige Abgrenzungsmerkmale sind der Gedanke der Hindernisbeseitigung beim Diebstahl 22 oder der Umstand, daß der Täter "die Angriffsmittel bereits in tätige Beziehung zum Angriffsgegenstand gesetzt" hat 2J • Daneben finden sich auch in der Spätphase des RG noch mehrere Urteile, die die Kriterien der formell-objektiven Theorie für verbindlich erklären 24 • Während es die Grenzziehung zwischen Vorbereitung und tauglichem Versuch nach objektiven Kriterien vollzog, folgte das RG bezüglich des untauglichen Versuchs von Anfang an einer subjektiven Theorie. In nicht wenigen Entscheidungen ist der zutage tretende Widerspruch zu den bisher erörterten Urteilsbegründungen zum Greifen nahe15 , Das Fundament zu dieser Rechtsprechung wurde bekanntlich durch die berühmte Grundsatzentscheidung RG 1,439 ff. gelegt. Sie wies in dezidierter Form den Standpunkt der objektiven Theorie zurück, wonach die Strafbarkeit des Versuchs eine mögliche Kausalbeziehung zum angestrebten Erfolg und der Gefährdung des betreffenden Rechtsguts voraussetzt. Eine solche forderung sei abwegig, da "im Einzelfalle jede Handlung, die nicht zum Erfolg geführt hllt, als eine zu dessen Herbeiführung absolut ungeignete" ausgewiesen sei. Deshalb und wegen der Gleichwertigkeit aller Kausalbedingungen u.a. sei auch die Unterscheidung zwischen relativ und absolut untauglichem Versuch ohne Bedeutung. Vielmehr sei im Versuch der verbrecherische Wille des Täters und die in seiner Betätigung zum Ausdruck kommende "Auflehnung gegen die Rechtsordnung" diejenige Erscheinung, "gegen welche sich das Strafgesetzt richtet". Der Gegensatz zwischen subjektiver und objektiver Theorie wurde im Laufe der Jahrzehnte dadurch a~emildert, daß jede der helden Theorien Elemente der anderen in sich aufnahm 26 • So erklärt die an sich der subjektiven Theorie folgende Entscheidung RGSt 33, 321 ff. einen abergläubischen Versuch (versuchte Tötung durch Beschwörung oder Sympathiemiuel) für straflos; obwohl dies vom Standpunkt einer rein subjektiven Theorie, die allein die Vorsteliung des Täters als Beurteilungsgrundlage für ausschlaggebend hält, als inkonsequent und systemwidrig erscheinen muß27. Auf dem Gebiete des tauglichen Versuchs kommen - meist erst erheblich später - Tendenzen zur Subjektivierung der Abgrenzungsmerkmale zum Durchbruch 28 • Sie sind an sich mit dem bisher ausschließlich objektiven Erklärungsansatz ebenfalls nicht in Einklang zu bringen. So wandelt das RG seit der Entscheidung RGSt 54, 35 die bisher objektiv interpretierte Franksehe Formel dahingehend ab, daß es die Frage der Zusammengehörigkeit zwischen Täterverhalten und Vgl. u.a. RGSt 69, 328 f.; 71, 6. Vgl. RGSt 69, 328 f.; 71, 49; LK-Busch. §43 Rdnr. 36. 2J Vgl. RGSt 54, 254; 320; 55, 244; 61, 33. 24 Vgl. u.a. ROSt 42, 270; 49,211; 55, 244; 70, 157; Fiedler, FN 17, S. 32 fT. m. Nachw. 2S Vgl. z.B. RGSt 8, 198 ff.; 34, 220 f.; Bocke/mann. FN 15; Fiedler. FN 17, S. 41 fT., 46. 26 Damit wurde in ersten, allerdings noch sehr schwankenden Ansätzen der Grundstein für die heute herrschende subjektiv-objektive Theorie gelegt. 27 So mit Recht Frank, VDA V, 256; v. Bar. FN 5, S. 533 FN 77. 2l! Vgl. MaurachlGÖssel. AT 2, § 41 I B 3 m. Nachw. 21

22

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I. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

Tatbestandshandlung auf der Grundlage des Täterplans beurteilt29 • In ähnlicher Weise werden die anderen Abgrenzungskriterien, wie Z.B. das Merkmal der (unmittelbaren) Rechtsgutsgefährdung, ins Subjektive gewendet}). Die wechselseitige Annäherung zwischen subjektiver und objektiver Theorie wurde nicht überall konsequent durchgeführt. In zahlreichen Entscheidungen kamen die älteren Theorien auch weiterhin zur Geltung 3l . Die hieraus resultierende Rechtsunsicherheit wurde noch erheblich dadurch verstärkt, daß die zunehmende Tendenz zur Subjektivierung der Abgrenzungskriterien 32 und die außerordentliche Unbestimmtheit und Dehnbarkeit von Begriffen wie "natürliche Auffassung"33 und "Rechtsgutsgefährdung"34 auf dem Gebiete der Sittlichkeitsdelikte und des Devisenstrafrechts (aber auch in anderen Bereichen) äußerst bedenkliche Ausweitungen der Strafbarkeit zur Folge hatten 35 . Trotz dieser nachteiligen Konsequenzen hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 43 StGB a.F. im wesentlichen an den Abgrenzungsformeln des Reichsgerichts festgehalten 36 • Eine gewisse Verschiebung trat insofern ein, als der BGH den Gefährdungsgedanken stärker in den Vordergrund rückte 37 . Insgesamt gesehen läßt seine Rechtsprechung jedoch keine einheitliche Linie erkennen. Das "seltsame Schwanken zwischen subjektiver und objektiver Theorie"38, das in vielen Entscheidungen des BGH anzutreffen ist, hat selbst Mitglieder des höchsten Gerichts zu der Äußerung veranlaßt, seine Rechtsprechung könne "noch längst nicht als feste Größe behandelt werden"39. Die Situation, die der Gesetzgeber vorfand, als er die Reform der Versuchsvorschrift in Angriff nahm, wird durch folgende Gesamtwürdigung von Jagusch«J im wesentlichen treffend gekennzeichnet:

29 Vgl. a. RGSt 54, 254; 331; 59, I; 158; 66, 142; 71, 383 u.a.; LK-Busch. FN 22 m. Nachw.; Maurach/Gössel. AT 2, § 41 I B 3. ~ Vgl. z.B. RGSt 77, I; Bockelmann. JZ 1954,472; Fiedler. a.a.O., S. 40. 31 Vgl. hierzu die obigen Nachweise. n Vgl. Maurach/Gössel. FN 29 m. eingeh. Nachw.; KohlrauschiLange. § 43 Vorbem. III. 33 Vgl. Blei. AT, § 66 I 3; MaurachlGÖssel. FN 29. 34 Vgl. H. Mayer. SJZ 1949,172 ff., 176 m. Nachw.; Welzel. Lehrbuch, 190 f.; Jescheck. AT, I. Aufl. 1969, 344. 35 Vgl. außerdem v. Stackelberg. Mat. 2,181 f., 202; Schafheutle. Mat. 2, 200; Spendei. NJW 1965, 1882 ff. J6 Vgl. Bockelmann. JZ 1954,468 ff.; JZ 1955, 193 ff.; KohlrauschiLange. §43 Vorbem. 11; LK-Busch. § 43 Rdnr. 1 ff., 14 ff. 37 Vgl. Kohlrausch/Lange. a.a.O., 11 7; LK-Busch. a.a.O., Rdnr. 14. 38 Vgl. Eb. Schmidt. Mat. 2, 191. 39 So Jagusch. in: LK, 8. Aufl. 1957, § 43 All 1 b;Busch. in: LK,9. Aufl. 1969, §43 Rdnr. 15. «l A.a.O.; ebenso - nach Ablaufvon 12 Jahren - LK-Busch. a.a.O.; vgl. a. Maurach/Gössel. a.a.O.; Blei. FN 33.

1.1. Entwicklung bis zur Reform des § 43 StGB a.F.

41

Die Entscheidungen des BGH "bringen teils objektive und subjektive Formeln nebeneinandetf 1, teils nur objektive42 oder nur subjektive Wendungen 4J • Manche Urteile erklären beide nebeneinander für verbindlich. Auf welchen dieser Grundsätze sich das Ergebnis jeweils stützt, ist oft überhaupt nicht, in anderen Fällen nur durch einen Schluß aus dem zu entscheidenden Sachverhalt erkennbar. Nur wenige Entscheidungen geben Gewißheit über ihr Leitprinzip. Die Unterschiede werden von den Senaten auch nirgends erörtert und sie haben nicht zur Anrufung des Großen Senats geführt. Daraus ist zu schließen, daß die Senate des BGH die folgenden Gegensätzlichkeiten, die sich schon aus der Vielzahl der geschichtlich vertretenen und dogmatisch möglichen Meinungen erklären, bisher nicht als solche erkannt und beachtet haben."

1.13. Entwicklungstendenzen in der Versuchslehre der Vergangenheit Die Zahl an Lehrmeinungen, die die langjährige Diskussion hervorgebracht hat, ist unübersehbar groß und kann in dem nachfolgenden Überblick auch nicht annäherungsweise nachgezeichnet werden. In groben Umrissen läßt die Entwicklung drei Grundtypen von Versuchslehren erkennen, die die Diskussion bis zur Strafrechtsreform entscheidend geprägt haben und dies überwiegend auch heute noch tun: die subjektiven, die objektiven und die sog. gemischten oder vermittelnden Versuchstheorien. Den objektiven Theorien liegt der Gedanke zugrunde, daß als Versuch nur solche Handlungen bestraft werden, die eine objektiv nachweisbare Gefahr herbeigeführt haben. Die Auffassungen darüber, welcher Art diese Gefahr sein muß und wie sie festzustellen ist, haben wiederholt gewechselt. Zunächst waren in der Lehre lange Zeit die sog. formell-objektiven Theorien vorherrschend, die Vorbereitung und Versuch nach der Tatbestandszugehörigkeit der betr. Handlung abgrenzten. Ob ein Versuchsbeginn vorlag, wurde mit den Mitteln logischer Identitätsfeststellung entschieden, d.h. es wurde danach gefragt, ob die zu beurteilende Handlung "logisch bereits als tatbestandsmäßig unter den Deliktstatbestand fällt"44. Ähnlich wie in der Rechtsprechung wurden die formalen Theorien schließlich aufgegeben, da sie die Strafbarkeit in einer Weise einengten, die "in Ansehung der verschiedenen Fälle" als "unerträgliche Verletzung des Gerechtigkeitsgefühls" empfunden wurde 45 • Einen der ersten bedeutsamen Ansätze zur Materialisierung des Abgrenzungsproblems unternahm die materiell-objektive Theorie von R. Frank, die bereits oben erörtert worden ist46 • Um dem "eigentlichen wertbetonten Sinn" der Deliktsmerkmale noch stärkeren Vgl. z.B. BGH LM, § 249 Nr. 9; Bd. 4, 273; 20, 150. Vgl. BGHSt 2, 380; 4, 333; 7, 291; 9, 62 u.a. 43 Vgl. u.a. BGHSt 1, 116; 6, 302; 12,54; 16,34; 19,351; BGH NJW 1952,514. 44 Vgl. v. liszt, Lehrbuch, § 46; Be/ing, Die Lehre vom Verbrechen, S. 245 ff.; v. Hippe/, Dt. Strafrecht 11, 398; A/lfe/d, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 8. Aufl., 1922, 192; Wa/der, SchwZStr 1982,225, 232ff. 45 Vgl. v. Bar, FN 5, S. 511 f.; Wa/der, FN 44. 46 Vgl. oben 1/1.12.; wie Frank u.a. v. Hippe/, Lehrbuch, 153. 41

42

42

I. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

Ausdruck zu verleihen, knüpfte eine von Mezge~7 u.a. angeführte Lehre an das durch das Gesetz geschützte Rechtsgut als Bewertungsmaßstab an. Als "Beginn der Ausführung" wurden danach Handlungen angesehen, die das "Rechtsgut gefährden" oder "angreifen". Im Bereich des untauglichen Versuchs hatte diese Tendenz zur materiellen trachtungsweise erheblich früher eingesetzt.

Be~

Die Phase der sog. älteren objektiven Theorien 48 war von dem Streit um die Frage geprägt, wie im Verhältnis zwischen relativ und absolut untauglichem Versuch die Strafbarkeitsgrenze zu ziehen sei. Die Frage wurde überwiegend in der Weise entschieden, daß ein genereller GefahrbegrifT zugrunde gelegt und das Vorliegen einer Gefahr im Wege einer nachträglichen Prognose festgestellt wurde49 • Mit der Anknüpfung an den Gefahrbegriff stießen die objektiven Theorien insbesondere auf den Widerspruch von v. Burt'!, der ähnlich wie später das ReichsgerichtS' die Möglichkeit einer Rechtsgutsgefährdung beim Versuch generell in Abrede stellte. Seine Kritik hat mit zur Entwicklung der sog. jüngeren objektiven Theorien 52 beigetragen. Die Bemühungen dieser Theorie laufen insbesondere darauf hinaus, der Lage des Einzelfalls dadurch besser gerecht zu werden, daß sie von dem Erfordernis einer konkreten Gefahr ausgehen, die nicht ex post, sondern für den Zeitpunkt der Tat nachzuweisen ist S3 • Während v. [jszt 54 bei der Feststellung der potentiellen Kausalität der Bedingungstheorie folgt, sehen v. HippeJ5s u.a. insofern eine Begrenzung durch die Adäquanztheorie vor. Auch in ihrer "verbesserten" Form hat sich die objektive Theorie nicht allgemein durchsetzen können 56 • Der sachliche Hintergrund dieses Bedeutungsverlusts 47 Lehrbuch, S. 386; ebenso: M. E Mayer. Der allg. Teil des dt. Strafrechts, S. 352; Köhler. Dt. Strafrecht, S. 447; Sauer. Grundlagen des Strafrechts, S.463. 48 Vgl. die Übersichten bei Geib. Lehrbuch, 2. Bd., 306 fT.; Frank. VDA V, 244 fT.; Zachariä. Die Lehre vom Versuch des Verbrechens, Bd. I, 1836, 223 fT. 49 VgI. v. Hippel. Dt. Strafrecht 11,418 f.; Lehrbuch, S. 157; Ml/UrachlGÖssel. AT2, §41 III B 3. so Vgl. Der Versuch des Verbrechens mit untauglichen Mitteln oder an einem untauglichen Objekt, GS 20 (1868), 325fT.; Versuch und Kausalität, GS 32 (1880), 32Iff. u.a. 11 Vgl. oben 1/1.12. 12 Vgl. v. Liszt. Lehrbuch, S. 208 fT.; v. Hippel. Lehrbuch, S. 158 fT.; Olshausen. § 43 A. 2a; Spendei. Stock-Festschrift, S.98ff.; NJW 1965, 1888; Treplin. ZStW 76, 446ff. 13 Als maßgebend wird hierbei angesehen, "was damals dem Täter bekannt und ... für verständiges objektives Urteil erkennbar war", vgl. v. Hippel. Lehrbuch, 157f.;Mezger. Lehrbuch, 396. Sol A.a.O. 11 Lehrbuch, 159; ebenso v. Gemmingen. Die Rechtswidrigkeit des Versuchs, 95 ff.; Treplin. ZStW 76, 446f., während Mezger. a.a.O., auf die Re1evanztheorie abstellt. \6 Bis Anfang der lOer Jahre folgte ihr noch die überwiegende Lehre, meist mit der Einschränkung, daß der Anfang der Ausführung eine "unmittelbare Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts" beinhalten müsse, vgl. Jescheck. AT, I. Aufl., 1969, S.344 FN 25 m. Nachw.

1.1. Entwicklung bis zur Reform des § 43 StGB a.F.

43

ist nicht leicht auszumachen. Aus der Sicht der Kritiker der objektiven Theorien sind es vor allem drei Gründe, die diesen Bedeutungsverlust erklären: - 1. die "sehr bedenkliche Unbestimmtheit" des Merkmals der "unmittelbaren Rechtsgutsgefährdung" 57

- 2. die Unmöglichkeit, auf dieser Grundlage Vorbereitung und Versuch zuverlässig voneinander abzugrenzen 58 - 3. die Tatsache, daß sich bei Zugrundelegung des unter Ziff. 1 genannten Gefährdungskriteriums empfindliche Strafbarkeitslücken ergäben, die "der Gerechtigkeit einen Schlag ins Gesicht versetzen"~.

Insbesondere der letztgenannte Gesichtspunkt macht verständlich, warum sich die von v. Buri begründete subjektive Theorie(JJ trotz anfechtbarer Rechtfertigung mit den Grundsätzen der Äquivalenztheorie jedenfalls in der Form behauptet hat, daß sqhließlich der untaugliche Versuch überwiegend als strafbar angesehen wurde61 • Dagegen hat sich der Grundgedanke dieser Theorie bei der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch nicht in gleichem Maße durchsetzen können. Die extreme Version, die von der Strafbarkeit der Vorbereitungshandlungen ausging62 , fand in den neueren Lehren so gut wie keine Anhänger mehr. Die älteren subjektiven Theorien 63 stellten auf zusätzliche Merkmale wie die Stärke bzw. Unwiderruflichkeit des Tatentschlusses 64 oder die "Unzweideutigkeit" seiner Manifestierung in äußeren Handlungen 65 als Bewertungsmaßstäbe ab. Zu den neueren Versionen der subjektiven Theorien 57 Vgl. u.a. H. Mayer, SJZ 1949, 175 ff.; Rudolphi, JuS 1973,23 m. Nachw.; Welzel, L.:hrbuch, §24 III; Jakobs, AT, 25/15f. 58 Vgl. Jakobs, AT 25/15 f.; Ver!, JA 1983,579. 59 Vgl. Frank, VDA V, 264; v. Bar, a.a.O., 489 ff. sowie als typisches Beispiel etwa: Kein Versuch, wenn "ein Weichenwärter versehentlich die Weiche falsch gestellt hat und nun jemand versucht, den Zug zum Entgleisen zu bringen, indem er die Weiche zufällig richtig stellt und damit den Zug aus der drohenden Gefahr rettet", so Mezger, Lehrbuch, 398; zu weiteren, heute als "ungerecht" erscheinenden Fallösungen, vgl. u.a. Schoetensack, Frank-Festgabe 11, 61, 67. (;) Vgl. oben 1/1.12.; Delaquis, Der untaugliche Versuch, 1904, 286ff.; Schüler, Der Mangel am Tatbestand, 1914, 12ff. u.a. 6\ Vgl. Maurach/Gössel, AT 2, § 41 IIl. 62 Vgl. Klein, Grundsätze des gemeinen peinlichen Rechts, 1799,124; Timnann, Handbuch des gemeinen deutschen peinlichen Rechts, Teil I, 1806, 268 f.; Grolmann, Grundsätze der Criminalrechtswissenschaft, 39. 6) Vgl. die Übersichten bei Frank, VDA V, 180 ff.; Suck, Der Beginn der Tat im neuen deutschen Strafrecht, 1937, Strafrechtl. Abhandlungen, 10 ff.; Hall, Die Abgrenzung von Versuch und Vorbereitung im Willensstrafrecht, GS 110, 95 ff. 64 So insbes. die v. Herzog, Klee, Lammasch, v. Bar vertretene Präsumtionstheorie, die den Strafgrund des Versuchs in der Vermutung oder Gewißheit sieht, daß der Tatentschluß "wirklich fest" ist und die begonnene Tat fortgesetzt und vollendet wird, vgl. v. Bar, FN 5, S. 504 f. m. Nw.; Frank, FN 63; Germann, Verbrechen im neuen Strafrecht, 1943,71 f.; Walder, SchwZStW 1982, 238 ff. 65 So die sog. Lehre vom dolus ex re oder Unzweideutigkeitstheorie, vgl. Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Bd. I, 342f. m. Nachw.; § 31 Preuß. StGB; v. Bar, FN 5, 507ff.; Frank, FN63; H. Mayer, SJZ 1949, 174f. jew. m. Nachw.

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I. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

gehören weiterhin die sog. subjektive Gefährlichkeitstheorie sowie die von Bockelmann entwickelte Lehre der "Feuerprobe der kritischen Situation" (vgl. hierzu unten 1/2.33.).

Die dritte Grundauffassung zum Versuch entstand etwa um die Jahrhundertwende. Sie steht zwischen subjektiver und objektiver Theorie und sucht zwischen beiden in der Weise zu vermitteln, daß sie Teile ihrer Grundgedanken aufgreift und in einer sog. gemischten Theorie vereinigt. Gemeinsamer Ausgangspunkt der verschiedenen Versionen dieser Theorie 66 ist die Feststellung, die objektive Theorie lege dem verbrecherischen Willen zu wenig, dem Zufall dagegen zu viel Bedeutung bei 67 • Daraus ergäben sich Strafbarkeitslücken, denen die subjektive Theorie mit einem an sich zutreffenden Ansatz entgegenwirke. Allerdings sei dieser zu weit gefaßt.

Um ihn in der gebotenen Weise zu begrenzen, sei zusätzlich zu fordern, daß die Manifestation des verbrecherischen Willens "auf weitere Kreise" den Eindruck einer strafbaren Handlung hervorrufen müsse. Fehle es an einem solchen, etwa weil die Manifestation erst durch eine genaue Untersuchung festgestellt werden müsse, sei Strafe unnötig, da ein "nachhaltiger Eindruck der Tat" nicht entstanden und deshalb durch Strafe auch nicht "wieder aufzuheben" sei68 • Nach i945 wurden die Bemühungen um eine "Vereinigung" der subjektiven und objektiven Theorien verstärkt fortgesetzt. Die sog. Tätertheorien sah die Grundlage hierfür in einer Begrenzung, die den Gefahrlichkeitsgedanken auf Tat und Täter bezieht. Versuch liege vor, "wenn die Handlung für das angegriffene Rechtsgut gefahrlieh war oder" (über die Einzeltat hinaus) "den Täter als gefahrlichen Angreifer dieses Rechtsguts erweist"~. Von der Notwendigkeit, die zu weit geratene subjektive Theorie durch objektive Kriterien zu begrenzen, geht auch die von Welzefll begründete Ansatztheorie aus, an die später der Reformgesetzgeber anknüpft. Zwischen Vorbereitung und Versuch liege oft eine "tiefe Kluft, die den Gedanken letztlich von der Tat trennt". Nur der "der Verwirklichung mächtige Wille" und nicht schon der "auf die Verwirklichung abzielende Wille" sei strafrechtlich relevant. Da das strafbare 66 Vg1. Kahler. Studien aus dem Strafrecht, 1890, 1-44 (Gefahrdung der allgemeinen Rechtsordnung); Frank. VDA V, 266 (Störung des Rechtsfriedens); Horn. ZStW 20, 340ff.; v. Bar. FN 5,490 ff. als Vertreter der Eindruckstheorie; ähnlich v. Gemmingen. FN 55, 166. - Der folgende Text geht lediglich auf die Eindruckstheorie näher ein. 67 Vgl. z. folg. v. Bar. FN 5; Horn. FN 66. 68 Vgl. v. Bar. FN 5,490,533 ff. Der Eindruckstheorie sind außerdem gefolgt: Mezger. lehrbuch, 397 hins. des untaugl. Versuchs; Salm. Das versuchte Verbrechen, 43, 103 f.; H. Mayer. SJZ 1949, 177f.; D. Krauß. ZStW 76, 58; ähnl. Lampe. Das personale Unrecht, 54ff. fH Vgl. Koh/rausch/lAnge. § 43 Vorb. III 2; Lange. Mat. 2, 192f.; Oehler. Das objektive Zweckmoment, 112 ff.; Engisch. DJT-Festschrift 1,435; Treplin. ZStW 76, 454; Lampe. a.a.O., S. 58 f. Äl Vgl. R. Lange. FN 69; krit. Spendei. NJW 1965, 1884; Schönke/Schröder/Eser. StGB, 19. Aufl., § 22 Rdnr. 22; Roxin. Einführung, 21; Burkhardt. Der "Rücktritt" usw., S. 81 ff. 71 Vgl. Lehrbuch, § 24 1,111; anders dagegen beim untauglichen Versuch (subjekt. Theorie) §24 IV.

1.2. Reformzie1e des Gesetzgebers

45

Unrecht nicht nur in der Herbeiführung einer Rechtsgutsverletzung bestehe, sondern gerade in der Begehungsart (Handlungsunwert) liege, beginne die Strafbarkeit mit der Handlung, "mit der der Täter unmittelbar zur ta~bestandsmäßigen Handlung ansetzt" 72.

1.2. Rejormziele des Gesetzgebers

In den Beratungen der großen Strafrechtskommission 73 nahm die Frage, ob und wie den aufgezeigten Mängeln der Rechtsprechung mit einer präziseren Gesetzesfassung begegnet werden könne, einen breiten Raum ein. Über den Ausgangspunkt einer neu zu schaffenden Regelung, "jene überaus rechtsstaatswidrige Ausdehnung des Versuchsbegriffs auf reine Vorbereitungshandlungen zu unterbinden"74, bestand weitgehende Einigkeit. Von namhaften Kommissionsmitgliedern wurde allerdings bezweifelt, ob der Gesetzgeber hierzu überhaupt einen Beitrag leisten könne. Sie sprachen sich dafür aus, es beim Merkmal des "Anfangs der Ausführung" zu belassen, da das Problem der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch überhaupt nicht lösbar sei und eine Auslegung "ohnehin immer notwendig sejn" werde 75 . Zu den Befürwortern dieser Auffassung gehörte auch Welzef6, der seine - später Gesetz gewordene - "Ansatzformel" als Gesetzesvorschlag für ungeeignet hielt, da mit ihr "auch nicht viel gesagt" sei. Der Gesetzgeber hat sich schließlich über diese Bedenken hinweggesetzt und sich für eine Kodifizierung der Ansatzformel ausgesprochen, um damit zu verdeutlichen, "was unter Anfang einer Ausführung zu verstehen ist"77. Er hielt diese Konkretisierung für notwendig, da die Uneinheitlichkeit und Widersprüchlichkeit sowie die zutage getretenen Ausweitungstendenzen der Rechtsprechung im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG eine verbindliche Festlegung des Versuchsbeginns geboten erscheinen ließen 78. Es liege im Wesen der Sache begründet, daß die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch "nicht selten nur im Bereich des richterlichen Ermessens zu finden" sei. Das rechtspolitische Ziel, "näher zu bestimmen", was im bisher geltenden Recht "offen blieb", sei nur in der Form realisierbar, daß "durch Grundsätze" verdeutlicht werde, "wie die Abgrenzung im einzelnen Fall zu gewinnen" sei 79 • 72 Dieser sog. individuell-objektiven oder subjektiven Theorie mit objektivem Einschlag folgen u.a. LK-Busch, § 43 Rdnr. 14 und Jescheck, AT, 1969,345. Jl Vgl. Mal., Bd. 2, S. 171 fT. 74 Vgl. Jescheck, Mal. 2, 194. 75 So u.a. Welzel, Mal. 2, 197 f.; Schwalm, Mal. 2, 189; Bockelmann, Mal. 2,176,201; Vol/, Mat. 2, 198; Schafheutle, Mal. 2, 200; Referentenentwurf des BJM, Mal. 2, Anhang 105 fT.; dagegen: Eb. Schmidt, Mal. 2, 191; Skott, daselbst; R. Lange, Mal. 2, 192; Koffka, Mal. 2, 198; Krille, Mal. 2, 196. 76 FN 75. n Vgl. E 1962, 144, mit dessen Gesetzesvorschlag § 22 StGB sachlich weitgehend übereinstimmt. 78 Vgl. E 1962, 143 f.; Bericht des SA, BT-Drucks. V 4095, 11; AE, S. 63. 79 Vgl. E 1962, 143.

46

I. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als ModellbeispieI

Die Erläuterungen der Entwurfs-Begründungen sind, was die Frage nach den Grundsätzen der Auslegung der Ansatzformel angeht, allerdings nur wenig ergiebig. Dies gilt zunächst für die Bestimmung des Strafgrunds des Versuchs. der übereinstimmend in der subjektiven Theorie gesehen wirdIll. Wie unten näher auszuführen sein wird und im Ansatz bereits die Darstellung der Rechtsprechung zu § 43 StGB a.F. deutlich gemacht hat, ist diese Bemerkung jedenfalls insofern mißverständlich oder gar irreführend, als sie unberücksichtigt läßt, daß § 23 Abs.3 StGB deutliche Hinweise auf eine Verbindung von subjektiven und objektiven Elementen enthält81 • Bezüglich des Inhalts der Tatbestandsmerkmale beschränkt sich der Bericht des Sonderausschusses82 auf den kurzen Hinweis, durch sie werde das Mindestmaß einer Betätigung des auf Vollendung gerichteten Vorsatzes angegeben. Die Wahl des Merkmals "Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestands" statt - wie vorgeschlagen - "Verwirklichung der Straftat" solle der Gefahr einer gewissen Vorverschiebung der Versuchsstrafbarkeit entgegenwirken. Hierdurch werde klargestellt, daß nicht irgendein beliebiges Ansetzen zur Straftat zur Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals ausreiche. Weitere Angaben über den Inhalt des Begriffs des "unmittelbaren Ansetzens" sind der Entwurfsbegrundung nicht zu entnehmen83 • Damit scheint bereits im Zeitpunkt der Verabschiedung des neuen Gesetzes jene Gefahr vorprogrammiert zu sein, die ursprünglich die Sachbearbeiter des BJM davon abgehalten hatte, sich für eine gesetzliche Verankerung des genannten Tatbestandsmerkmals auszusprechen: der Ausdruck "unmittelbar" sei "so unbestimmt", daß "hierdurch nur neue Streitfragen ausgelöst" würden 84•

!l) SA. BT-Drucks. V 4095, 11; Al.: S. 63. - Die Angaben des E 1962. 142 ff. sind in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Einerseits wird die Strafbarkeit des Versuchs mit dem repressiven Gedanken des Schuldausgleichs und der Sühne begründet. Andererseits wird auch auf präventive Gesichtspunkte abgestellt. etwa die Überlegung, daß ein abergläubischer Versuch nur dann strafwürdig sei, wenn der verbrecherische Wille des Täters befUrchten lasse, daß er in Zukunft (!) zu tauglicheren Mitteln greife. 81 Im gleichen Sinne J. Meyer. ZStW 87,603 f. m. Nachw. sowie die heute wohl h. subjektivobjektive Theorie, vgl. u.a. Jescheck. AT, § 49 II 2; Roxin. in: Einführung, S. 15, die § 22 StGB als "Absage an die subjektive Theorie" werten. 82 FN 80. 83 Der E 1962. 142 ff. sieht die besondere Bedeutung der Ansatzformel darin, daß sie die Rechtsprechung darauf festlege, bei der Abgrenzung von den Merkmalen der Tatbestandsumschreibung auszugehen. Ein "unmittelbares Ansetzen ..." liege in allen Handlungen des Täters, die nach dessen Plan einer Tatbestandshandlung "unmittelbar vorgelagert" seien. Auch diese Erläuterung ist wenig zufriedenstellend, da sie die unbekannte Größe "unmittelbar" durch das Explanandum erklärt. 84 Vgl. Mat. 2, 106; ebenso W. Stree. Peters-Festschrift, S. 178; Gössel. GA 1971, 222; Schmidhäuser. AT, 611; a.A. Roxin. EinfUhrung, 15 ("Gewinn an Rechtssicherheit").

2. Versuchstheorien der Rechtsprechung

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1. Lösung der AbgrenzlUJgsprobleme aur der Basis der Versuchstheorien der Rechtsprechung?

Die Aufgaben, die sich der Rechtsprechung nach dem Inkrafttreten des § 22 StGB stellen würden, waren durch die Geschichte seiner Reform deutlich vorgezeichnet. Der Gesetzgeber hatte zwar für die Bestimmung des Versuchsbeginns die Gesetzesfassung in gewissem Maße präzisiert, das Auffinden festumrissener Abgrenzungsmerkmale aber der Rechtsprechung überlassen. Auf diese kam deshalb die Aufgabe zu, die relativ unbestimmten Merkmale der Ansatzformel so zu konkretisieren, daß sie in jedem Fall eine sichere Beurteilungsgrundlage vermitteln. Zur Prüfung der Frage, wie sich die höchstrichterliche Rechtsprechung dieser Aufgabe entledigt hat, sollen im folgenden sechs Entscheidungen des Bundesgerichtshofs einer genaueren Analyse unterzogen werden. Hinsichtlich der Rechtsprechung der oberen Landesgerichte, die bei der Theorienbildung durchweg einen anderen Weg als der BGH verfolgen, muß sich die Untersuchung mit kurzen Hinweisen begnügen.

2.1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 2.11. Darstellung und Kritik einzelner Entscheidungen 2.111. Fall I - BGH NJW 1975, 1610: Gesetzesanwendung ohne Auslegung In dieser - soweit ersichtlich - ersten veröffentlichten Entscheidung des BGH zu § 22 StGB wendet dieser die Ansatzformel ohne Begründung direkt auf den zu beurteilenden Sachverhalt an. Eine Auslegung des Gesetzeswortlauts unterbleibt, obwohl sie angesichts der Unbestimmtheit des Inhalts der Ansatzformel und der durchaus nicht unproblematischen Konstellation des entscheidenden Sachverhalts' unumgänglich gewesen wäre. 2.112. Fall 2 - BGH 26, 201 ff. (1. Sen.): Modifizierte Zwischenakttheorie als Abgrenzungsformel In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatten die Angeklagten mit übergezogenen Strumpfmasken und einer Pistole in der Hand an einer Tür geläutet, um die daraufhin die Tür öffnende Person zu berauben oder zu erpressen. Der BGH bejahte einen Raubversuch. In der Urteilsbegründung hebt der BGH zunächst hervor, daß durch § 22 StGB die sog. individuell- (oder subjektiv-) objektive Theorie gesetzliche Anerkennung gefunden habe. Danach sei ein noch nicht tatbestands mäßiges Verhalten in den Bereich des Versuchs I Vgl. F. C. Schroeder, NJW 1976,490, der in seiner Urteilsanmerkung die Annahme eines Versuchs als "nicht ganz zweife1sfrei" bezeichnet.

1. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

48

einzubeziehen, wenn es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals "unmittelbar vorgelagert" sei, d.h. in die tatbestandliche Ausführungshandlung unmittelbar einmünde. Die Bedeutung des § 22 StGB liege nicht nur in der Anerkennung des Tatvorsatzes als alleiniger Beurteilungsgrundlage, also in dem Absehen von objektiven Maßstäben wie dem Gedanken der unmittelbaren Rechtsgutsgefährdung und der "natürlichen Auffassung" eines außenstehenden Beobachters. Wichtig sei vor allem die strikte Anknüpfung des Unmittelbarkeitserfordemisses an die tatbestands mäßige Handlung. Hierin könne ein "Gewinn an Rechtssicherheit" liegen. - Im konkreten Fall hätten die Angeklagten subjektiv die Schwelle zum "Jetzt geht es los" überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt, da ihr Tun "ohne Zwischenakte" in die Tatbestandsverwirklichung (die Bedrohung des Erscheinenden) einmünden sollte. Eine "zu enge. nach körperlichen Bewegungen aufspaltende Betrachtung" wäre es, das Heben und Anlegen der Pistole als Zwischenakte anzusehen 2•

Stellungnahme

1. Die Entscheidung betont mit Recht, mit dem Inkrafttreten des § 22 StGB sei einer rein objektiven oder rein subjektiven Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch der Boden entzogen. Bemerkenswert ist weiterhin, welches Gewicht der BGH der Rechtssicherheit als Normziel und in diesem Zusammenhang auch dem Unmittelbarkeitserfordernis beimißt. Der erstere Gesichtspunkt hat offenbar - obwohl insoweit jede Begründung fehlt - auch bei der Einführung der "Zwischenakttheorie" als Abgrenzungskriterium Pate gestanden. Die Formel dieser Theorie scheint wegen ihrer relativ konkreten Wortwahl und "Griffigkeit" geradezu prädestiniert, die bisher vorherrschende Rechtsunsicherheit aus der Versuchsvorschrift zu verbannen. Die Entscheidung, ob ein Versuch anzunehmen ist, hängt danach - abgesehen von dem subjektiven Merkmal des "jetzt geht es los" ausschließlich davon ab, ob der zu beurteilenden Handlung bis zur Tatbestandshandlung noch weitere Zwischenakte folgen. In dieser - dem Tatsachenbeweis zugänglichen - Form wäre die Zwischenakttheorie allerdings nur dann realisierbar, wenn ihre Begriffsmerkmale inhaltlich so genau festgelegt sind, daß sie eine Identifizierung der festzustellenden Tatsachen (Handlung ohne weiteren Zwischenakt ... ) zulassen (2.). Weiterhin müßte sichergestellt sein, daß die Theorie zu materiell vertretbaren Ergebnissen führt (3.). In beiden Hinsichten wirft die Zwischenakttheorie des BGH kaum lösbare Probleme auf.

2. Die Urteilsbegründung des 1. Senats vermittelt zunächst ganz im Sinne des oben Gesagten den Eindruck, als wolle sie die Annahme, daß im gegebenen Fall die Voraussetzungen der Zwischenakttheorie erfüllt seien, ausschließlich mit den Mitteln eines Tatsachenbeweises rechtfertigen. Erst der letzte - eingeklammerte(!?)- Halbsatz der Urteilsgründe läßt Zweifel aufkommen, ob es der Entscheidung wirklich nur um einen Tatsachenbeweis zu tun ist. Darin betont der BGH, daß bei der Prüfung möglicher Zwischenakte eine "zu enge ... Betrachtung" zu vermeiden sei. 2

Unterstreichungen durch d. Verf.

2.1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

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Die Bedeutung dieses Halbsatzes liegt vor allem in seiner negativen Wirkung. Er schließt aus, daß der Begriff "Zwischenakt" in jenem engeren Sinne interpretiert wird, bei dem als Handlung, die ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmündet, buchstäblich nur die letzte Handlung vor der Tatbestandshandlung in Betracht kommt. Versuch können nach der einschränkenden Klausel des BGH vielmehr auch solche Handlungen sein, die nicht mit der "letzten Handlung" identisch sind, sondern im Vorfeld derselben angesiedelt sind. Welcher der in diesem "Vorfeld" anzutreffenden Handlungen das Attribut HZwischenakt" beizulegen ist und welche von ihnen bereits als dem Versuchsbereich zugehörig anzusehen ist, geht aus dem Urteil des BGH nicht hervor. Seine einzige Aussage hierzu beschränkt sich auf den (erwähnten) Hinweis, daß bei entsprechenden Feststellungen eine "zu enge Betrachtung" zu vermeiden sei.

Es versteht sich, daß mit einer solchen Formel wenig gewonnen ist, wenn nicht zugleich mitgeteilt wird, was mit der Formel "zu enge Betrachtung" gemeint ist. Das Urteil des BGH enthält sich hierzu jeder Äußerung. Letztlich erreicht es damit nicht wesentlich mehr als eine zahlenmäßige Vermehrung von konkretisierungsbedürftigen Begriffen, die bei der Anwendung des § 22 StGB beachtet werden müssen. So muß dem Begriff "Zwischenakt" solange jede Tauglichkeit als Abgrenzungskriterium abgesprochen werden, wie nicht festgelegt ist, welche der der "letzten Handlung" vor der Tatbestandserfullung vorausgehenden Handlungen noch seinem Bedeutungsbereich zuzurechnen sind. Ebenso vermag auch das Verbot einer zu "engen Betrachtung" seine Funktion als Abgrenzungsmerkmal nur höchst unzureichend zu erfüllen, wenn der Maßstab unbekannt bleibt, nach dem sich entscheidet, ob die Beurteilung einer Handlung als Zwischenakt schon "zu eng" oder noch sachlich angemessen ist.

3. Angesichts der fehlenden begriffiichen Festlegung ihrer Voraussetzungen ist es nicht verwunderlich, daß die Zwischenakttheorie besonders bei ihren Anhängern Widerspruch hervorgerufen hat. Dem Einwand von Rudo/phi 3 und Gösse/4 , das vom BGH als Versuch bestrafte Verhalten sei in Wahrheit gar nicht der letzte Teilakt gewesen, wird man vom Standpunkt der Zwischenakttheorie des BGH aus kaum etwas entgegenhalten können. Allerdings setzt sich die Entscheidung des BGH, da sie sich mit dem erwähnten Halbsatz eine Ausnahmeklausel vorbehält, auch nicht dem Vorwurf der Inkonsequenz gegenüber ihren Entscheidungsprämissen aus. Durch die Einführung des Verbots einer "zu engen Betrachtung" hat der Senat den Bedeutungsspielraum der übrigen Merkmale der Zwischenakttheorie derart erweitert, daß sich ihm sowohl das von ihm (dem BGH) wie das von seinen Kritikern vertretene Ergebnis mühelos unterordnen läßt. Die ausgeprägte Ambivalenz, die die Zwischenakttheorie sowohl auf der Begrundungs- wie auf der Ergebnisseite kennzeichnet, mag hinsichtlich ihrer praktischen Konsequenzen in dem vom BGH entschiedenen Fall tragbar erscheinen, da dieser einem ausgesprochenen Grenzbereich angehört. Daraus zu schlieSK-Rudolphi. § 22 Rdnr. 15. JR 1976, 251; ablehn. a. Duo. NJW 1976, 578; Schönke/Schröder/Eser. § 22 Rdnr. 40; krit.: Blei. JA 1976, 26; zustimmend die überwiegende Lehre, vgl. statt vieler D. Meyer. JuS 1977, 19; Dreher/Tröndle. § 22 Rdnr. 11 m. Nachw. 3

4

4 Kratzsch

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1. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

ßen, die sich aus der Zwischenakttheorie ergebende Gefahr einer Ausweitung der Strafbarkeit könne nur mit derartigen Grenzfällen in Verbindung gebracht werden, wäre nur eine Beschönigung. Auch in anderen Fällen, in denen die Nähe zur Versuchsgrenze nicht so eindeutig ist, bietet die Zwischenakttheorie infolge der Unbestimmtheit ihrer Merkmale hinreichende Ansatzpunte, den Anwendungsbereich des § 22 StG B auf Handlungen auszudehnen, die eindeutig dem Vorbereitungsstadium zuzurechnen sind. 2.113. Fall 3 - BGHSt 28,162 ff. (4. Sen.): Kombination der Zwischenakttheorie mit anderen Abgrenzungsformeln Sachverhalt: Um 3 Kraftfahrzeuge zu entwenden, hatte sich A Kopien ihrer Zündschlüssel beschafft, sich nach den Anschriften der Fahrzeughalter und dem Standort der Fahrzeuge erkundigt U.a. Er hatte sich aber noch nicht auf den Weg gemacht, um die Taten auszuführen. Der BGH lehnte entgegen dem Votum des Generalbundesanwalts 5 eine Bestrafung wegen Versuchs ab.

Zur Begründung führt der BGH u.a. aus, daß A's Verhalten noch nicht die Voraussetzungen eines Versuchs erfüllt habe. - Ein Versuch liege nur dann vor, wenn der Täter Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden (Satz 1). - Das Versuchsstadium erstrecke sich "dementsprechend auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfullung führen sollen" (Satz 2) - oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen (Satz 3). - Dies sei dann der Fall, wenn die oben erwähnten subjektiven (,jetzt geht es los") und objektiven ("ohne Zwischenakte") Voraussetzungen der Zwischenakttheorie erfüllt seien (Satz 4).

Stellungnahme Im Vergleich zu BG HSt 26, 20 I nimmt der 4. Senat hier - was die Zahl der verwendeten Abgrenzungsformeln angeht - eine nicht unerhebliche Erweiterung vor. Das Urteil BGHSt 26, 201 hatte zwar neben den Kriterien der Zwischenakttheorie (Sätze I und 4) auch die Formeln Satz 2 und Satz 3 erwähnt. Dies geschah jedoch nur in Form eines obiter dictum, das ohne weitere Prüfung auf eine gewisse sachliche Übereinstimmung der Zwischenakttheorie mit "bisher geltenden" Rechtsgrundsätzen hinwies. In dem nunmehr ergangenen Urteil werden diese Rechtsgrundsätze nicht nur für verbindlich erklärt, sondern in ihrer Bedeutung so hervorgehoben, daß sie den Rang von Obersätzen einzunehmen scheinen. Es ist zu prüfen, ob diese Umformulierung nur terminologische Bedeutung hat oder mit ihr auch in sachlicher Hinsicht eine Änderung eingetreten ist. In den beiden Abgrenzungsformeln Satz 2 und 3 wird an zentraler Stelle jeweils der Ausdruck "unmittelbar" verwendet, der in diesem Zusammenhang nicht weniger un5 Hierzu mit Recht kritisch Sonnen. JA 1979, 334 ("schwer nachvollziehbar"); Kühl. JuS 1980, 652.

2.1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

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bestimmt ist als in der gesetzlichen Ansatzformel. Auch hier wird durch die Gesetzesauslegung im Ergebnis praktisch nicht viel mehr bewirkt, als daß eine aus unbestimmten Rechtsbegriffen bestehende Gesetzesformel durch Formeln mit z.T. gleichlautenden unbestimmten Begriffen ersetzt wird. Daß sich auf diesem Wege kaum mehr an zusätzlicher Abgrenzungssicherheit erzielen läßt, zeigt sich besonders bei solchen Taten, bei denen wie in dem erwähnten Strumpfmasken-Fall (Fall 2) Vorbereitung (Verlassen des PKW, Überziehen der Maske), Versuchsbeginn (Läuten an der Tür, Sichbereitmachen) und die e"igentliche Tatausführung "in engstem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang ablaufen sollen"6. Daß die als Vorbereitung gewerteten Handlungen noch nicht. das Läuten an der Tür aber schon das zu fordernde Maß an zeitlichem und räumlichem Zusammenhang erreicht haben sollen, ist mit den vom 4. Senat verwendeten Formeln Satz 2 und 3 nicht zu erklären. Möglicherweise liegt hier der Grund, warum das Urteil des Senats mit der Formel der Zwischenakl1heorie (Satz 4) einen weiteren Maßstab benennt. Ob hiermit die notwendige Konkretisierung der Sätze 2 und 3 erreichbar ist, muß jedoch bezweifelt werden. Wie bereits oben festgestellt wurde, hat der BGH den bestimmten Inhalt der Merkmale der Zwischenakttheorie dadurch relativiert, daß er ihre Anwendung mit dem Verbot einer "zu engen Betrachtung" verknüpft hat. Da er die Frage nach dem Maßstab, an dem sich dieses Verbot zu orientieren hat, völlig offen gelassen hat, fehlt es den Kriterien der Zwischenakttheorie ebenfalls an jener inhaltlichen Bestimmtheit, die erforderlich ist, um eine Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch zu ermöglichen. Letztlich greift der Senat damit zum Zwecke der Konkretisierung der Formeln Satz 2 und 3 auf eine Formel zurück, die aufgrund ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit zur Wahrnehmung dieser Aufgabe von vornherein nicht geeignet ist. Im Ergebnis läuft die Aneinanderreihung der vier Abgrenzungsformeln Satz 1-4 darauf hinaus, daß die in den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen "unmittelbar ... ansetzt" enthaltene Unbestimmtheit von einer Auslegungsformel auf die andere übertragen wird. Am Ende der aus 5 Elementen bestehenden Formelkette ist die an ihrem Anfang vorhandene Unsicherheit kaum nennenswert abgebaut. Eher hat sich letztere im Vergleich zur Ausgangssituation noch verstärkt: Aufgrund der angewachsenen Zahl von zu beachtenden unbestimmten Begriffen kann nunmehr jeder dieser Begriffe zur selbständigen Quelle von Rechtsunsicherheit werden. Im gegebenen Fall hat sich dies nicht auf das Ergebnis der Entscheidung ausgewirkt, da es sich um einen relativ unproblematischen Fall von straffreien Vorbereitungen handelt 7 und da faktisch allein die Formel Satz 4 die Urteilsbegründung beeinflußt hat 8 ,9.

6 Vgl. Schönke/Schröder/Eser. § 22 Rdnr. 41. 7 Dies wird u.a. dadurch dokumentiert, daß das Ergebnis der Entscheidung in der Lehre einhellige Zustimmung gefunden hat, vgl. Kühl. JuS 1980,652 m. Nachw.; kritisch zur Begründung u.a. Sonnen. JA 1979, 334. 8 Dies zeigt sich besonderes deutlich bei der Subsumtion, die sich ausschließlich auf die Zwischenakttheorie stützt. 9 Daß sich eine "falsche Formelpolitik" leicht im Ergebnis niederschlagen kann, belegt die viel diskutierte Entscheidung, BGHSt 30, 365 ff., die - im Ergebnis mit Recht (vgl. Verf.. JA 1983, 586f. m.w.N.) - kritisiert wird, vgl. Küper. JZ 1983,361 ff.; Kühl. JuS 1983, 180ff. u.a. 4'

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I. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

2.114. Fall 4 - BGH MDR 1978,625 (1. Sen.): Rückkehr zur Gefährdungstheorie Sachverhalt: A hatte damit begonnen, zum Zwecke der Urkundenfalschung Führerscheinformulare auszufüllen. Er wurde wegen Versuchs verurteilt.

Zur Begründung verweist der BGH auf ein Urteil aus dem Jahre 1953, das die Bestrafung wegen Versuchs u.a. davon abhängig macht, daß die begonnene Handlung nach der Vorstellung des Täters das geschützte Rechtsgut unmittelbar gefährde. Dies treffe im vorliegenden Fall zu. A habe damit im Sinne des § 22 StGB unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.

Stellungnahme In diesem Urteil scheinen alle guten Vorsätze beiseite geschoben, von denen sich der Senat selbst in dem Urteil BGHSt 26, 201 (Fall 2) leiten ließ. Eine Begründung dafür, warum sie abweichend von den Grundsät:zen lO dieses Urteils auf das Kriterium der unmittelbaren Rechtsgutsgefährdung rekurriert, enthält die Entscheidung nicht. Deshalb fehlt auch jede Auseinandersetzung mit der (durch BGHSt 26,201 nahegelegten) Frage, ob dieses Vorgehen noch mit dem Gesetzeszweck im Einklang stehtlI. 2.115. Fall 5 - BGH GA 1980, 24 f. (4. Sen.): Faktische Aufgabe der Zwischenakttheorie? Sachverhalt: A betritt, während sein Komplize S draußen bei laufendem Motor im Fluchtauto wartet, eine Poststelle, um mittels eines Revolvers die dort allein tätige Posthalterin N zur Herausgabe von Geld zu zwingen. Da im Schalterraum einige Postkunden anwesend sind, läßt sich A, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, von N eine Zahlkarte geben, auf der er seine "Zahlungsaufforderung" niederschreibt. Als nach einigen Minuten weitere Kunden die Poststelle betreten, gibt A sein Vorhaben auf. - Der Senat sieht die Voraussetzungen des § 22 StGB als gegeben an.

Zur Begründung knüpft er an die Abgrenzungsformeln Satz 1-3 (s. Fa1l3)an. Diese seien hier erfüllt. "Jedenfalls" von dem Zeitpunkt an, in dem A bewaffnet die Poststelle betreten habe, hätten A und S subjektiv die Schwelle zum ,jetzt geht es los" überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung angesetzt, "weil ihr Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollte". Daß es nicht zu einer objektiven unmittelbaren Gefahrdung der N gekommen sei, sei bedeutungslos.

Stellungnahme Das Urteil greift auf die gleichen Abgrenzungsformeln wie die in Bd. 28,162 abgedruckte Entscheidung (Fall 3) zurück. Ein Grund, den Einsatz dieser Formeln hier anders zu beurteilen, ist nicht ersichtlich. Die oben vorgetragene Kritik ist auf I.gI.S. BGH NStZ 1981,99. Kritisch auch Kühl. JuS 1980,650 FN 5; 814f.; JuS 1983, 182; SK-Rudolphi. § 22 Rdnr. 10; Vet/.. JA 1983,423,579,584; Jakobs. AT 25/57. 10

II

2.1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

53

die in Rede stehende Entscheidung des Senats übertragbar. Darüber hinaus läßt diese folgendes erkennen. Eine funktionsgerechte Anwendung der Zwischenakttheorie als Abgrenzungskriterium setzt bekanntlich voraus, daß ihre Merkmale als "Grenzwerte" respektiert werden. Bei konsequenter Anwendung dieses Grundsatzes wäre in dem jeweils gegebenen Fall insbesondere zu prüfen, ob die zu beurteilende Handlung bereits die Eigenschaften eines "Zwischenakts" aufweist. Das Urteil des Senats läßt eine dementsprechende Prüfung auch nicht ansatzweise erkennen. Dies ist umso erstaunlicher, als sich die Notwendigkeit einer solchen Untersuchung nach dem mitgeteilten Sachverhalt geradezu aufdrängen mußte. Zwischen dem (vom BGH als Versuchsbeginn gewerteten) Augenblick, in dem A den Schalterraum der Poststelle betrat, und der geplanten Tatbestandshandlung (Bedrohung der N usw.) lagen eine Reihe von Handlungen '2 , über deren Qualifikation als Zwischenakte man durchaus verschiedener Meinung sein könnte \3. Diesbezügliche Zweifel wärenwenn überhaupt - nur durch eine nähere Untersuchung von Sinn und Zweck der Zwischenakttheorie und ihrer Merkmale auszuräumen gewesen.

Der Umstand, daß entsprechende Fragen in dem Urteil des Senats vollständig unerörtert bleiben, legt die Vermutung nahe, daß die Zwischenakttheorie ihre Bedeutung als die Entscheidungsbildurig beeinflussender Faktor praktisch eingebüßt hat. Die Richtigkeit dieser Annahme wird durch das nachfolgende Urteil bes tätigt. 2.116. Fall 6 - BGH NJW 1980, 1759 f.: Die "Einheitstheorie" als neue Abgrenzungsformel Sachverhalt: S stieß einen Nagel in einen Reifen des PKW des C, der kurz darauf für eine Bank einen Geldtransport durchführen sollte. S und seine Mittäter Kund L gingen davon aus, C werde mit seinem PKW noch ca. 500--1000 Meter fahren können. Sie wollten C nachfahren und ihn dann, wenn er wegen des defekten Reifens anhalten würde, berauben. Ihr Plan scheiterte, da sie 10 Minuten vor dem Erscheinen des C festgenommen wurden.

S, Kund L wurden rechtskräftig wegen Versuchs verurteilt. In seiner Begründung stützt sich der BGH auf die oben (Fall 3) erwähnten Abgrenzungsformeln Satz 1-3, lediglich Satz 4 ist etwas umformuliert. Die Sätze 1-3 seien erfüllt, "wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum jetzt geht es los' überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt". Weiter heißt es wörtlich: "Die Rechtsprechung des BGH verlangt zwar, daß das Tun des Täters ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergehen soll. Es kann dahinstehen. was alles vom Begriff des Zwischenaktes um/aßt wird Dazu gehören jedenfalls nicht solche Handlungen. die wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen. weil sie 12 Z.B. Vergewisserung des A über die vorgefundene Tatsituation, Entscheidung über das weitere Vorgehen, Gang zum Schalter, U.U. Abwarten auf günstige Situation usw. Il Vgl. die Anmerkung von Geppert. Jura-Kartei Nr. 2 zu § 22 StGB, der dazu "neigt", ein "unmittelbares Ansetzen" des A zu verneinen; Schönke/Schröder/Eser, § 22 Rdnr. 44.

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I. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Fall der Ausfiihrung eine natürliche E'inhei t bilden" 14.

"Bei Anwendung dieser Grundsätze" (!) auf den konkreten Fall ergebe sich, daß die Angeklagten mit dem Einschlagen des Nagels in den Reifen nach ihrer Vorstellung die Tatausführung begonnen hätten.

Stellungnahme

1. Die sich bereits in dem Urteil GA 1980,24f. abzeichnende Tendenz, der Zwischenakttheorie jede Einflußnahme auf das Entscheidungsergebnis zu entziehen, tritt in dieser Entscheidung noch deutlicher in Erscheinung. Wie bereits wiederholt festgestellt, vermag ein Handlungsmerkmal wie der Begriff "Zwischenakt" die ihm zugewiesene Funktion eines negativen Abgrenzungskriteriums nur dann zu erfüllen, wenn der Inhalt dieses Begriffs näher bestimmt wird. Die Erklärung des Senats, es könne dahingestellt bleiben, "was alles" unter dem Begriff "Zwischenakt" zu verstehen sei, setzt sich über dieses Erfordernis hinweg und nimmt den Merkmalen der Zwischenakttheorie damit jede Möglichkeit, ihre Wirkung als Abgrenzungskriterien zu entfalten.

Eine inhaltliche Festlegung des Begriffs "Zwischenakt" wäre im konkreten Fall um so notwendiger gewesen, als das vom BG H als Versuch gewertete Täterverhalten durch eine beträchtliche Zahl möglicher Zwischenakte von der eigentlichen Tatbestandshandlung getrennt war l5 • Der Umstand, daß der Senat in dieser Hinsicht auf jegliche Prüfung verzichtet und einen ganzen Handlungsabschnitt - ohne Begründung - zu "Nicht-Zwischenakten" deklariert, legt den Schluß nahe, die formelhafte Wiedergabe der Zwischenakttheorie habe in dem Urteil nur noch nominelle Bedeutung l6 •

Die Richtigkeit dieser Annahme wird dadurch bestätigt, daß der Senat auch bei der Subsumtion des Sachverhalts 17 die Kriterien der Zwischenakttheorieentgegen der bisherigen Praxis unberücksichtigt läßt. An ihrer Stelle wird eine Formel als Maßstab eingesetzt, die erstmals in diesem Urteil auftaucht und wegen ihrer Betonung der "natürlichen Handlungseinheit" im folgenden als "Einheitstheorie" bezeichnet wird 18. 2. Die Einheitstheorie enthält - wie Geilen 19 mit Recht feststellt - gewisse terminologische Parallelen zur materiell-objektiven Theorie von R. Frank und weist ähnlich wie diese auf "eine wieder extensiver werdende Entwicklung der Rechtsprechung" hin. Eine sachliche Übereinstimmung zwischen beiden TheoUnterstreichungen durch Verfasser. Vgl. etwa die Angaben über die noch zurückzulegende räumliche und zeitliche Distanz (500-1000 Meter; 10 Minuten). 16 Ob damit die Notwendigkeit einer Anrufung des Großen Senats verdeckt werden sollte, mag hier dahinstehen. 17 Vgl. hierzu NJW 1980, 1759. 18 Daß die Einheitstheorie die Zwischenakttheorie aus ihrer bisherigen Stellung als maßgebendes Abgrenzungskriterium verdrängt, wird in dem Urteil zwar zunächst äußerlich dadurch verdeckt, daß die Einheitstheorie formal als bloße Negation der Zwischenakttheorie erscheint. Doch ergibt die Subsumtion zweifelsfrei, daß sich die Urteilsfindung allein an der Einheitstheorie als Maßstab orientiert. 14 15

2.1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

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rien zeigt sich besonders in der gemeinsamen Anknüpfung an das Merkmal der "notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tatbestandshandlung" sowie darin, daß sie für deren Feststellung den Ausdruck "natürlich" als Maßstab verwenden. Eine zusätzliche Einschränkung sieht die Einheitstheorie insofern vor, als sie nur solche Handlungen als Versuch gelten läßt, die "an die Tatbestandshandlung zeitlich und räumlich angrenzen". Ob diese Begrenzungen ausreichen, um jene Ausweitungen der Strafbarkeit zu vermeiden, die in der Vergangenheit die Subjektivierung der Frankschen Formel mit sich gebracht hatte 20 , erscheint fraglich. Denn auch in dieser modifizierten Form sind die vom BGH verwendeten Abgrenzungsmerkmale derart allgemein gefaßt, daß sich auf ihrer Grundlage keine sichere Abgrenzung erreichen läßt. Unsicherheiten zeigt die Einheitstheorie insbesondere an folgenden kritischen Punkten: a) Das Merkmal der .. notwendigen Zusammengehörigkeit" weist Eigenschaften auf, die auch bei einer Anzahl von Vorbereitungshandlungen anzutreffen sind. b) Die Voraussetzung, daß die Versuchshandlung zeitlich und räumlich an die Tatbestandshandlung angrenzen muß, wird ebenfalls von vielen Vorbereitungshandlungen erfüllt 21 • Um hier eine eindeutige Grenze zum Vorbereitungsstadium zu ziehen, hätte das erforderliche Maß an zeitlicher und räumlicher Nähe genau festgelegt werden müssen. c) Wann von einer .. natürlichen Einheit" mit der Tatbestandshandlung gesprochen werden kann, läßt sich nur feststellen, wenn der Inhalt des Ausdrucks .. natürlich" näher bestimmt ist. Andernfalls ergibt sich die Gefahr, daß dieser Begriff - je nach dem Vorverständnis des Urteilenden - auch auf solche Handlungen angewendet wird, die eindeutig dem Vorbereitungsstadium zuzurechnen sind22 ' 23.

Da bei keinem der neu eingeführten Abgrenzungskriterien der zu fordernde Ausprägungsgrad genau angegeben wird, erweist sich die Einheitstheorie insgesamt gesehen als zu unbestimmt, um ihrer Abgrenzungsfunktion gerecht zu werden. Um den verbleibenden Wertungsspielraum ihrer Merkmale auszufüllen, bedarf es zusätzlicher Wertungen, für die die Einheitstheorie jedoch keine Maßstäbe zur Verfügung stellt24 • 19 Jura-Kartei Nr. 3 zu § 22 StGB; vgI. a. SK-Rudolphi. § 22 Rdnr. 9; Baumann. AT. § 33 IV2c). :xl Vgl. oben 1/1.12. 21 VgI. hierzu die Stellungnahme zu Fall 3. 22 Vgl. in diesem Zusammenhang die Kritik, die zu Recht gegen den Begriff der .. natürlichen Auffassung" geltend gemacht wird. Nach Blei. AT, § 66 I 3 enthält dieser Ausdruck .. genügende Weiten ... , um selbst extrem verschiedenen Auffassungen noch eine gemeinsame Plattform zu bieten"; i.gI.S. Maurach. AT,4. Aufl., S. 497; D. Meyer. JuS 1977,21; Samson. Strafrecht 1,138. 2J Schmidhäuser, Henkel-Festschrift, S. 234 sieht in dem Rückgriff auf den Begriff .. natürliche Auffassung" ein typisches Beispiel für die Praxis der Gerichte, ihre Verantwortung zu verschleiern. 24 Welche Erklärungslücken die Einheitstheorie in dieser Hinsicht hinterläßt, läßt sich u.a. daraus ersehen, daß sich mit ihr im Fall 6 durchaus auch eine Nichtanwendung des § 22 StGB hätte rechtfertigen lassen, etwa mit dem Hinweis, daß die festgestellte zeitliche und räumliche Distanz zur Tatbetandshandlung derart groß gewesen sei, daß insoweit ein .. unmittelbares"

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1. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

2.12. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen Die Neufassung des § 22 StGB weist dem Richter die Aufgabe zu, einen relativ unbestimmt gefaßten Gesetzeswortlaut so zu konkretisieren, daß die Frage, weiche Sachverhalte ihm zuzuordnen sind, hinreichend sicher beantwortet werden kann. Eine Zwischenbilanz 9 Jahre nach Inkrafttreten des § 22 StGB ergibt, daß die Rechtsprechung von einer Lösung des Problems der Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch noch recht weit entfernt ist. In dem bisherigen Verlauf lassen sich verschiedene Entwicklungsphasen unterscheiden, die gewisse Parallelen zur früheren Rechtsprechung zu § 43 StGB a.F. erkennen lassen. In einer kurzen Anjangsperiode wird die Abgrenzungsfrage als solche überhaupt nicht problematisiert. Es schließt sich - analog zur formell-objektiven Theorie des Reichsgerichts - eine zweite Phase an, die insofern ebenfalls alsjormal bezeichnet werden kann, als die Rechtsprechung in ihr das Abgrenzungsproblem durch Anknüpfung an äußere Handlungsmerkmale zu lösen versucht (Fall 2). Bereits die Entscheidung BGH 26,201 macht jedoch deutlich, daß der BGH den Weg einer formalen Betrachtungsweise nicht konsequent zu Ende geht. Durch den Hinweis, bei der Anwendung der von ihm für verbindlich erklärten Zwischenakttheorie sei eine "zu enge Betrachtung" zu vermeiden, verknüpft er deren Kriterien mit einer Wertung, die ihnen ihren ursprünglich rein formalen Charakter nimmt. Dieser Vorteil wird jedoch damit erkauft, daß die Merkmale der Zwischenakttheorie kaum weniger unbestimmt sind als die der gesetzlichen Ansatzformel. In der Folgezeit versucht der BGH - in wenig systematischer Form und unter Verzicht auf jede Begründung -, die Maßstäbe der für notwendig gehaltenen Wertung zu verdeutlichen. In einem zweiten Versuch (3. Phase) greift er zunächst auf zwei früher gebrauchte Abgrenzungsformeln zurück, die der Konkretisierung bedürfen, da sie wie das Gesetz den unbestimmten Begriff "unmittelbar" verwenden (Fall 3). Als Instrumente zur Konkretisierung dieser Formeln dienen dem BGH die Kriterien der Zwischenakttheorie, obwohl diese - wie bereits festgestellt - an zwei zentralen Punkten in ihrem Inhalt ebenfalls nicht festgelegt sind. Damit ergibt sich die in rechtstheoretischer Hinsicht höchst unbefriedigende Feststellung25 , daß den vom BG H zur Konkretisierung der gesetzlichen Ansatzformel eingesetzten vier Abgrenzungsformeln ein Maß an Unbestimmtheit innewohnt, die sich von der im Gesetz vorgefundenen Unbestimmtheit kaum nennenswert unterscheidet. In gewisser Hinsicht stellt diese Entwicklung gegenüber der gesetzlichen Ausgangslage einen Rückschritt dar, da sich der Richter nunmehr statt mit einer, mit vier Quellen möglicher Rechtsunsicherheit auseinanderzusetzen hat 26 • Mit der Entscheidung GA 1980, 24 f. (Fall 5) bahnt sich in der Rechtsprechung des BGH insofern eine Änderung an, als diese deutlich erkennen läßt, daß der Zwischenakttheorie faktisch jede Entscheidungsrelevanz entzogen wird. Die Tatsache, daß diese Theorie in dem Urteil noch formelhaft angewendet wird, kann nur unvollständig verdecken, daß sich das Ergebnis in Wirklichkeit auf andere Wertungen stützt, die in der Entscheidung allerdings ungenannt bleiben. Ansetzen zu verneinen sei; in diesem S. o. ähnlich SK-Rudolphi, § 22 Rdnr. 17; LK-Vogler, § 22 Rdnr. 70; Jakobs, AT 25/68 FN 99. 25 Mag für das konkrete Entscheidungsergebnis vielfach auch etwas anderes gelten. 2h Die wachsende Verunsicherung kommt auch in dem Urteil Fall 4 zum Ausdruck, in dem der I. Senat im Widerspruch zu seiner Entscheidung BGHSt 26, 201 auf den Gedanken der unmittelbaren Rechtsgutsgefahrdung rekurriert.

2.1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

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Nach dieser Zwischenphase erreicht der BGH mit dem UrteilNJW 1980. 1759 eine vierte Entwicklungsphase. die sich - in verklausulierter Form - in einer neuen Abgrenzungs-

formel (Einheitstheorie) niederschlägt, die deutliche Parallelen zur materiell-objektiven Theorie von R. Frank aufweist (Fall 6). Trotz einer in mancher Hinsicht konkreteren Fassung ist auch diese Theorie in ihren Voraussetzungen zu allgemein und zu unbestimmt abgefaßt, um im Einzelfall eine sichere Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch zu gewährleisten.

Daß die festgestellten Unsicherheiten und Schwankungen in der Rechtsprechung nur schwer mit den Zielen des Reformgesetzgebers (1/1.2.) in Einklang zu bringen sind, liegt auf der Hand und brauchte eigentlich nicht besonders betont zu werden. Um einen Ansatzpunkt für die weitere Untersuchung zu gewinnen, seien die betr. Bedenken im folgenden spezifiziert und im Zusammenhang festgehalten:

l. Für einen Zeitraum von fünf Jahren weisen die zu einem Einzelproblem ergangenen sechs Entscheidungen des BGH ein beträchtliches Maß an Veränderungen auf. Der Bürger, der versucht hätte, sich anhand der Urteilsgrunde von Zeit zu Zeit über das geltende Recht zu informieren, hätte auf ziemlich verlorenem Posten gestanden. 2. Für die aufgetretenen Unsicherheiten ist symptomatisch, daß sich die Urteile meist mehrerer Abgrenzungsformeln nebeneinander bedienen, die in ihrem möglichen Bedeutungsgehalt auch auf straflose Vorbereitungshandlungen anwendbar sind. Die sich hieraus ergebende Gefahr einer planwidrigen Ausweitung der Strafbarkeit ist selbst dann nicht von der Hand zu weisen 27 , wenn man dem BGH zugute hält, er habe in dieser Hinsicht bisher stets Zurückhaltung geübt. Da bekanntlich in der Praxis nur selten ein Fall dem anderen gleicht, werden für die unteren Instanzgerichte nicht so sehr das konkrete Entscheidungsergebnis, als vielmehr die allgemeineren Leitsätze, Theorien etc. die eigentlich maßstabsbildenden Faktoren sein. Die Gefahr, daß die Untergerichte die Bedeutungsunschärfe der Abgrenzungskriterien (ungewollt) dazu nutzen, in unzulässiger Weise die Strafbarkeit des Versuchs auszudehnen, wäre nur dann zu vernachlässigen, wenn der BGH die Anwendung der von ihm gebildeten Theorien an feste Regeln und Maßstäbe bindet. Diese Voraussetzung ist jedoch, wie die Überprüfung der 6 Urteile gezeigt hat, nicht erfüllt: a) Die Tatsache, daß die maßgebenden Abgrenzungsmerkmale mehrdeutig sind und infolge ihrer Unbestimmtheit das Entscheidungsergebnis nicht allein zu tragen vermögen, wird in den Urteilsgründen durchweg nicht als solche aufgedeckt. b) Infolgedessen bleiben die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Begrenzung der betreffenden Merkmale ebenfalls unreflektiert. Die Entscheidungsgründe enthalten sich durchweg eines Hinweises darauf, an welchen Wertungsmaßstäben sich die Inhaltsbestimmung der unbestimmten Abgrenzungskriterien zu orientieren hat. v Vgl. z.B. BayObLG JR 1978, 38 m.A.v. Hübner; Verf.. JA 1983, 578.

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I. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

c) Letztlich stützen sich die genannten Urteile des BGH auf Begründungen, deren begriffiiche Voraussetzungen in wesentlichen Punkten unaufgeklärt bleiben und die die zugrundeliegenden Wertungen nur unvollständig erkennen lassen. d) Unzureichende Aufklärung und Festlegung der Entscheidungsgrundlagen, die- wie dargelegt - auch die Praxis der Instanzgerichte beeinflussen, begründen die Gefahr, daß die Anwendung der vom BGH für verbindlich erklärten Abgrenzungskriterien unk ontrolliert verläuft. Angesichts der Regellosigkeit dieses Zustands bleibt es bis zu einem gewissen Grade dem Zufall überlassen, inwieweit von der faktisch bestehenden Möglichkeit einer Anwendung der Abgrenzungsformeln auf Vorbereitungshandlungen Gebrauch gemacht wird.

4. Ebensowenig wie das Ziel einer (rechtlichen) Eindämmung der Strafbarkeit des Versuchs ist bisher das Reformziel der Rechtssicherheit verwirklicht. Zu den Hemmnissen, die einen entsprechenden Fortschritt verhindert haben, zählen insbesondere folgende Faktoren: a) Die bereits erwähnte Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit der vom BGH entwickelten Abgrenzungskriterien: Hierdurch wird dem tatrichterlichen Ermessen ein beträchtlicher Freiraum für die zu treffende Entscheidung zugestanden, dessen Handhabung weitgehend vom persönlichen Vorverständnis des Richters abhängig ist. b) Ein kaum geringerer Unsicherheitsfaktor ergibt sich daraus, daß die zitierten Urteile überwiegend mehrere Abgrenzungsjormeln nebeneinander anwenden. Da die wechselseitigen Geltungs- und Rangbeziehungen zwischen diesen Formeln nicht festgelegt sind und jede von ihnen unbestimmte Begriffe enthält, ist in diesem Nebeneinander von Abgrenzungstheorien die Gefahr angelegt, daß die Gerichte - ähnlich wie in der Vergangenheit - je nach dem individuellen Vorverständnis der Urteilenden mal der einen und mal der anderen Formel den Vorzug geben. c) Den genannten Urteilen fehlt es nicht nur an Aussagen über die Wertmaßstäbe, die der Anwendung der verschiedenen Abgrenzungsformeln die Richtung weisen, sondern sie enthalten durchweg auch keine Begründung für die getroffenen Festlegungen auf bestimmte Abgrenzungsmerkmale. Sie "stellen" - wie dies ähnlich bereits Ott028 für den Bereich des Notwehrrechts herausgearbeitet hat - den Inhalt dieser Formeln "einfach fest", ohne die Rechtsgründe ihrer Entscheidung erkennen zu lassen.

Vergleicht man dieses Ergebnis der Analyse von sechs zu § 22 StGB ergangenen BGH-Urteilen mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 43 StGB a.F., so fällt es schwer, - abgesehen von den durch den Gesetzgeber bewirkten Rechtsänderungen - einen nennenswerten Fortschritt in der Auslegungspraxis festzustellen. Unausgewogenheiten und Unsicherheiten, wie sie Jagusch und Busch29 in ihrer Darstellung der Rechtsprechung zu § 43 StGB a.F. beschrieben haben, kennzeichnen - was die Form und den Inhalt ihrer Versuchstheorien angeht auch die hier näher untersuchten Entscheidungen. Sie vermitteln den Eindruck, als durchlaufe die Rechtsprechung des BGH gegenwärtig erneut einen langwierigen Entwicklungsprozeß, der sich -analog zu den Erfahrungen im Zusam28 Würtenberger-Festschrift, S. 134 f.; vgl. a. Schönke/Schröder/Eser, § 32 Rdnr. 46; H. J. Hirsch, Dreher-Festschrift, S. 217 FN 27; Kratzsch. NJW 1975, 1933; Esser. Vorverständnis, S. 7 ff.; Haverkate, ZRP 1973, 281 ff. 29 Vgl. oben 1/1.12. a.E.

2.2. Rechtsprechung der oberen Landesgerichte

59

menhang mit § 43 StGB a.F. - über Jahrzehnte hinziehen und die Gerichte immer wieder zu Korrekturen ihrer bisherigen Auffassungen veranlassen wird.

2.2. Zur Rechtsprechung der oberen Landesgerichte Unter den seit 1975 veröffentlichten Urteilen der oberen Landesgerichte finden sich - soweit ersichtlich - nur wenige Entscheidungen, die dem BGH bei der Anwendung der Zwischenakttheorie gefolgt sind 30 • Die Entscheidungsgründe dieser Gerichte erklären überwiegend die Theorie der unmittelbaren 31 , konkreten 32 oder nicht näher spezifizierten 33 Rechtsgutsgefährdung für verbindlich, der der BGH34 (zunächst) jede Bedeutung als Abgrenzungsmaßstab abgesprochen hat. Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, auf die Rechtsprechung der oberen Landesgerichte näher einzugehen. Im Hinblick auf die Ziele der Untersuchung verdienen folgende Rechtstatsachen besonders hervorgehoben zu werden: - In bezug auf ein und dasselbe Abgrenzungsproblem gehen der BGH und die Oberlandesgerichte bei der Wahl der für maßgebend erachteten Abgrenzungskriterien von völlig verschiedenen Ausgangspunkten aus, die sich in gewisser Hinsicht widersprechen. - Die Wertungen und Gründe, die die Entscheidung für eine bestimmte Abgrenzungsformel beeinflußt haben, bleiben in den Urteilsgründen der Oberlandesgerichte ebenfalls regelmäßig unbenannt. Die Kritik, die in diesem Zusammenhang gegen die Rechtsprechung des BGH vorzubringen war 35 , ist deshalb im wesentlichen auch auf diese Ebene der höchstrichterlichen Rechtsprechung übertragbar.

2.3. Rechtspflicht der Rechtsprechung zur optimalen Regelung ihres Auslegungsverhaltens Einem sich über Jahrzehnte hinstreckenden Prozeß der Rechtsentwicklung, wie ihn die Vergangenheit im Zusammenhang mit § 43 StGB a.F. erlebt hat und wie er sich gegenwärtig in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 22 StGB von neuem abzeichnet, wird man zweifellos in mancher Hinsicht positive Seiten abgewinnen können: er verhilft der Rechtsprechung zu neuen Erfahrungen und erweist sich somit auf lange Sicht als notwendiges Mittel zur Verbesserung der RechtsEbenso Kühl. JuS 1980, 650 ff. m. eingeh. Nachw. Vgl. u.a. OLG Hamm MDR 1976, 155 m. Anm. v. Hillenkamp, MDR 1976, 242f.; BayObLG JR 1978, 38 ff. m. abI. Anm. v. Hübner; Bremen StV 1981, 139. 32 Vgl. OLG Köln MDR 1976,948. 33 Vgl. OLG Köln VRS 56,455; OLG Koblenz VRS 55,428 f. mit d. zusätzl. Erfordernis des "unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs". 34 Vgl. BGHSt 26, 201; GA 1980,24 f.; anders BGH MDR 1978,626. 35 Vgl. oben 1/2.12. )J

31

60

I. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

erkenntnisse. Die außerordentlich zeitintensive und mehr zufällig als gesteuert ablaufende Form eines solchen Entwicklungsprozesses wirft allerdings die Frage auf, ob es zu diesem dornenreichen Weg des Rechtsfortschritts keine alternativen Formen der Gesetzesauslegung gibt, mit denen die gleichen Rechtsziele weniger aufwendig und weniger "kostenreich" verwirklicht werden können. Diese Frage näher zu untersuchen und - wenn möglich - die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, ist für die Gerichte Ausfluß einer rechtlichen Verpjlichtung, deren Grundlagen das Erforderlichkeits- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip bilden36 • Wie die Entwicklung der Rechtsprechung zu § 43 StGB a.F. hinreichend belegt, bringt ein relativ ungesteuerter Prozeß der Rechtsgewinnung schwerwiegende 'Rechtsnachteile mit sich. Im Hinblick auf die genannten Prinzipien und die mit § 22 StGB verfolgten Reformziele des Gesetzgebers 37 kann die Wiederholung eines Zustands, wie ihn die Rechtsprechung zu § 43 StGB erfahren und praktiziert hat, von Rechts wegen nicht ohne Notwendigkeit hingenommen werden. Für die Gerichte erwächst hieraus die Pflicht, die Formen ihrer Urteilsbildung so zu gestalten, daß diesbezüglichen Gefahren planmäßig und möglichst wirksam vorgebeugt wird. Die Rechtspjlicht zur optimalen Regelung ihres Auslegungsverhaltens trifft die Rechtsprechung allerdings nur im Rahmen des Möglichen. In diesem Zusammenhang ist deshalb zunächst die Frage zu erörtern, ob und gegebenenfalls wie Entwicklungsprozesse der in Frage stehenden Art systematisch gefördert und damit U.u. zeitlich verkürzt werden können. 2. 4. Möglichkeiten der systematischen Förderung von Prozessen der Rechtsentwicklung in der Rechtsprechung

Wenn man die Veränderungen, die die Rechtsprechung zu § 43 StGB a.F. im Verlauf von Jahrzehnten vollzogen hat, im Zusammenhang betrachtet, werden gewisse Besonderheiten erkennbar, die es rechtfertigen, insoweit von einer Entwicklung zu sprechen. Die Konfrontation der Norm mit der Rechtswirklichkeit bringt bekanntlich nicht nur widersprüchliche Erfahrungen und Kehrtwendungen mit sich, sondern führt, falls sich die Norm als bestandskräftig erweist, auf lange Sicht zu gewissen Fortschritten in der Rechtserkenntnis. Da mit solchen Fortentwicklungen der Rechtserkenntnis nach einer entsprechend langen Zeit ziemlich regelmäßig zu rechnen ist, erhebt sich die Frage, inwieweit solche Veränderungsprozesse durch gewisse Eingriffe planmäßig gesteuert und u. U. beschleunigt werden können. Für derartige Einflußnahmen kommen von vornherein nur solche Entwicklungsvorgänge in Betracht, die einer Veränderung ihres Ablaufs zugänglich sind. Rechtsentwicklungen, bei denen Verzögerungen der genannten Art gewissermaßen als naturnotwendig hingenommen werden müssen, scheiden insoweit als Untersuchungsgegenstand aus. Verfolgt man unter J6 37

Vgl. hierzu näher unten 2/3.311.; 3.312. Vgl. 1/1.2.

2.4. Möglichkeiten der systematischen Förderung der Rechtsentwicklung

61

diesem Gesichtspunkt die Genese von Rechtserkenntnissen in ihren Entwicklungsphasen zurück, so läßt sich nicht selten folgendes feststellen: Von den auftretenden Verzögerungen im Rechtsgewinnungsprozeß kann nur ein Teil mit dem Mangel an tatsächlichen Erfahrungen und Kenntnissen über regelungs bedürftige Sachverhalte erklärt werden. Nur in diesen Fällen wird der Richter mit Ereignissen konfrontiert, auf deren frühzeitigere Feststellung er lediglich in relativ geringem Maße Einfluß nehmen kann.

In zahlreichen anderen Fällen dagegen, in denen die Lösung der zu beurteilenden Frage in erster Linie ein Problem der richtigen Rechtskonstruktion ist, spielt dieser "äußere" Erklärungsfaktor nur eine untergeordnete Rolle. Kommt es hier zu den erwähnten Verzögerungen in der Rechtserkenntnis, so ist dies vielfach u.a. darauf zurückzuführen, daß die Gerichte gewisse Zusammenhänge in den rechtlichen Beziehungen nicht oder nur unvollständig erkannt oder die Akzente bei der Bewertung falsch gesetzt haben. Rückbesehen stellen solche Unvollkommenheiten in der Rechtserkenntnis Fehlbeurteilungen dar, die bis zu einem gewissen Grade der gezielten Beeinflussung zugänglich sind im Gegensatz zu jener Art von Entwicklungsvorgängen, die von dem Eintritt äußerer Ereignisse abhängen. Ob es zu einer solchen Beeinflussung und damit zu einer Korrektur des (objektiv) fehlerhaften Auslegungsverhaltens kommt, ist weitgehend eine Frage der internen Organisation des dem Gesetzesanwender auferlegten Erkenntnis- und Bewertungsvorgangs. Wenn z.B. der BGHin der Entscheidung NJW 1980, 1759 die ursprünglich von ihm vertretene Zwischenakttheorie faktisch zugunsten einer Abgrenzungsformel aufgibt, die den Zeitpunkt des Versuchsbeginns konkreter formuliert, ist dies angesichts der jahrzehntelangen Erfahrung im Umgang mit der Versuchsvorschrift sicher nicht dadurch bedingt, daß Sachverhalte der zu beurteilenden Art bisher unbekannt oder unvorstellbar waren. Der entscheidende Grund für diesen Standpunktwechsel ist vielmehr "interner Natur". Es spricht einiges dafür, daß gewisse äußere Sachverhalte nicht in der rechtlich angemessenen Form verknüpft worden sind.

Soweit Entwicklungsverzögerungen der in Frage stehenden Art auf Mängel in der Organisation der Rechtserkenntnis zurückzuführen sind, kann deshalb der Ausgangsfrage nach der Möglichkeit und Notwendigkeit einer besseren Gestaltung des richterlichen Auslegungsverhaltens nicht von vornherein jede Relevanz abgesprochen werden. Eine Korrektur des Auslegungsverhaltens scheint hier in erster Linie davon abhängig zu sein, inwieweit es gelingt, die allgemeinen Formen der Verarbeitung von normrelevanten Daten den Erfordernissen der Gesetzesauslegung (besser als bisher) anzupassen (vgl. 5/3.4.). In diesem Zusammenhang gewinnt das in dieser Untersuchung zu erörternde Problem besondere Bedeutung, mit welchen Methoden eine Reorganisation des Auslegungsverhaltens der Rechtsprechung gefördert werden kann. In der Strafrechtswissenschaft wird bekanntlich versucht, von wenigstens vier verschiedenen Ansätzen her systematisch auf die Entscheidungsprozesse der richterlichen Gesetzesauslegung Einfluß zu nehmen 38 •

62

I. Kap.: Abgrenzung: Vorbereitung und Versuch als Modellbeispiel

1. Der am häufigsten beschrittene Weg besteht darin, in Form von Theorien, Lehrmeinungen, Lehrsätzen u.ä. zu dem betreffenden Sachproblem Stellung zu nehmen. 2. Eine von der konkreten Norm abstrahierende Form der systematischen Bearbeitung von Strafgesetzen stellen die verschiedenen Lehren von der Straftat dar. Diese sehen ihre Aufgabe darin, die allgemeinen Merkmale der Straftaten "zu erkennen und zu ordnen"39. Die Notwendigkeit dieser Betrachtungsweise wird u.a. damit begründet, daß die einzelnen Merkmale eines Straftatbestandes in ihrer sachlichen Bedeutung nur dann vollständig und widerspruchsfrei erklärt werden können, wenn sie "als Teile eines Ganzen begriffen werden"40.

3. Mit den Beiträgen, die die Rechtsprechung in methodischer Hinsicht zu fördern versuchen, verfolgt die Strafrechtswissenschaft im wesentlichen zwei Forschungsziele. a) Auf einer ersten Ebene der Methodenana/yse wird bekanntlich gefragt, ob die Rechtsprechung die herrschenden Auslegungsregeln hinreichend beachtet hat. Wird hierbei ein Regelverstoß festgestellt, kann damit möglicherweise einer der Gründe benannt werden, weshalb die Rechtsprechung bei bisherigen Lösungsversuchen stets nur Teilaspekte des betreffenden Rechtsproblems erkannt hat. Durch entsprechende systematische Überprüfungen lassen sich gegebenenfalls weitere Beurteilungsfehler aufdecken, womit der Vorgang der Rechtsgewinnung mehr oder weniger weit vorangetrieben wird. b) Mit dieser Art des Vorgehens haben die methodischen Bemühungen der Dogmatik nur einen vorläufigen Endpunkt erreicht. Das Strafrecht kann sich mit ihm nur dann zufriedengeben, wenn davon auszugehen ist. daß die Auslegungsmethoden das von Gesetzes wegen zu fordernde Auslegungsverhalten vollständig und sachgerecht regeln. Ist dies aus irgendwelchen Gründen nicht der Fall, etwa weil die Auslegungsregeln ihrem Gegenstand nicht genügend angepaßt sind, so ergibt sich das weitere Problem. inwieweit die vorhandenen Lücken der Auslegungsregeln durch Ergänzungen oder Umstrukturierung geschlossen werden können. Die Notwendigkeit einer Untersuchung, die die Auslegungsregeln selbst einer Methodenkritik unterzieht und auf Möglichkeiten einer Reform und Optimierung hin überprüft, erhellt aus den obigen Darlegungen zum Erforderlichkeitsund Verhältnismäßigkeitsprinzip (1/2.3.). Erweist sich, daß die aufgezeigten Unausgewogenheiten und Rechtsunsicherheiten in der Rechtsprechung durch eine 38 Vgl. u.a. H. Otto. Dogmatik als Aufgabe der Rechtswissenschaft, a.a.O., S. 117 fT. m. Nachw.; Grundkurs, S. 27 ff., 41 ff.; W. Hassemer. Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik, S. II ff. J9 Vgl. Schmidhäuser, AT, S. B9; Jescheck. AT, S. ISS fT.; Hruschka. Das Verstehen von Rechtstexten, S. 67. .

Insgesamt gesehen sind die Unsicherheiten über den Verlauf der vorzunehmenden Grenzziehung in der Lehre kaum weniger ausgeprägt als in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Fragt man nach den Gründen dieses - gemessen an den Auslegungszielen - wenig befriedigenden Zustands, ergeben sich verschiedene Antworten, je nachdem, ob die maßgebenden Abgrenzungskriterien mehr in formalen Gesichtspunkten, in subjektiven bzw. objektiven Gegebenheiten der Tathandlung oder in normativen Merkmalen wie z.B. "wesentlich", "unmittelbar" u.a. gesehen werden. Bei den formalen Theorien erwies sich das gewählte Abgrenzungsmerkmal wegen der festen Verknüpfung mit einer bestimmten äußeren Gegebenheit - regelmäßig als zu starr und unelastisch, um der komplexen Vielfalt des kriminellen Geschehens gerecht zu werden. Das Verhalten der konkreten Norm zeigt in diesen Fällen - um im Bild der eingangs erwähnten Leitidee des "law in action" zu bleiben - die typischen Erscheinungsformen eines Reglers, dessen Verhaltensstrukturen seiner Umwelt nicht hinreichend angepaßt sind. Unter "chronischer" Unangepaßtheit leiden auch die normativen Abgrenzungstheorien. Jedoch ergibt sich der Grund für das "Fehlverhalten" der Norm hier nicht aus einer "Übersteuerung", sondern aus einer "Untersteuerung" des Verhaltens der Normadressaten: Die unbestimmte und weite Fassung der verwendeten Abgrenzungsformeln begründet die permanente Gefahr, daß die praktische Anwendung der Norm über deren Ziele "hinausschießt" und im Widerspruch zu diesen Vorbereitungshandlungen für strafbar erklärt. Diese Gefahr brauchte sicher nicht besonders ernst genom... Hiermit ist nicht gesagt, daß die festgestellten Ausweitungs- und restriktiven Tendenzen

bei der Theorienbildung auch im praktischen Ergebnis zum Ausdruck kommen. 100 Nach Ansicht von Stratenwerth. AT, S. 198 "scheint es, als werde sich die Grenze

zwischen Vorbereitung und Versuch niemals exakter bestimmen, sondern immer nur annäherungsweise umschreiben lassen. Dafür spricht auch die Vielzahl der vom BGH nebeneinander verwendeten Formeln ..."; ähnlich skeptisch: Burkhardt. JuS 1983,426,430; Schmidhäuser. Studienbuch, S. 354; Jakobs. AT, S. 602 f. u.a.

3.4. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

8S

men zu werden, wenn die Wertungsmaßstäbe, die der Normkonkretisierung als Grundlage dienen, im einzelnen festlägen. Dies konnte jedoch bei keiner der untersuchten Theorien festgestellt werden (1/3.2.).

2. Kapitel

Die gegenwärtigen Unrechtslehren und das Versuchsproblem Zwischen der Entwicklung des UnrechtsbegritTs und dem jeweiligen Stand der Versuchslehren bestehen viel berufene Wechselbeziehungen. Die Wandlungen, die sich im Laufe der letzten 200 Jahre in den allgemeinen UnrechtsautTassungen vollzogen haben, waren durchweg von Veränderungen in der Einstellung gegenüber den verschiedenen Grenzproblemen der Versuchsvorschrift begleitetl. Und umgekehrt wird letztere "immer noch" mit Recht als "Prüfstein und Bewährungsprobe der neuen Verbrechenslehre" gewertef. Zum besseren Verständnis des heutigen Meinungsstandes sei vorweg ein sehr gedrängter Rückblick auf die Entwicklung des UnrechtsbegritTs gegeben 3 , soweit sie unmittelbar die Versuchsvorschrift berüh.rt4 • 1. Unrechtslehren und Versuch in der Vergangenheit

Die sehr weitgehende Tendenz des Allgemeinen Preußischen Landrechts zur Bestrafung von Vorbereitungshandlungen, von der oben berichtet wurde (l/ l.ll.), spiegelt die kriminalpolitischen Zielsetzungen wider, die mit diesem Gesetz verfolgt wurden. Das ALR baute bekanntlich auf den Straftheorien des aufgeklärten Absolutismus auf. Danach hatte der Staat "an der Masse der Untertanen eine intensive Erziehungsarbeit zu leisten" 5. Eine vielbeklagte "grundsätzliche intellektuelle und charakterliche Minderwertigkeit des Menschen" ließ den Staatsrepräsentanten die Furcht vor Strafe als das wirksamste Mittel erscheinen, "die Menschen in ihrem Kampfe mit ihren Leidenschaften zu unterstützen"6. Daß dieser "Kampf' in der Verbrechensgenese möglichst früh, d.h. bei "vorläufigen Anstalten" einsetzen muß, versteht sich angesichts der umfassenden Aufgaben, die sich der Staat bei der Verhaltensbeeintlussung stellte, fast von selbst. Diese GrundeinsteIlung macht auch verständlich, warum die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs bedenkenlos hingenommen wurde. Vgl. Stratenwerth, AT, S. 190 Ir. Vgl. Maurach/Gössel, AT 2, § 41 lAI a). 3 Näher hierzu u.a. Lampe. Personales Unrecht, S. 13 ff.; Krauß. ZStW 76, 20 ff.; Jescheck,AT, § 22 I-III. 4 Zur Normentheorie Bindings. vgl. unten 2/3.2. 5 Vgl. Mezger, Lehrbuch, S. 377; v. Hippel. Deutsches Strafrecht 11, 415;Eb. Schmidt, Einführung, S. 225 ff., 251 ff.; Schoetensack. Frank-Festgabe 11, 68. 6 Eb. Schmidt. a.a.O., S. 248 ff. I

2

I. Unrechts lehren und Versuch in der Vergangenheit

87

Mit dem Eintritt in die rechtsstaatlich-Iiberale Epoche wurde im Strafrecht unter dem Einfluß der Kantschen Rechtsschule eine Denkrichtung vorherrschend, die allen polizeistaatlichen Zielsetzungen abschwor und dem Staate die Aufgabe zuwies, "eine äußere Güterordnung, nicht eine Seelenordnung zu sein"? Zu den bedeutsamsten "Errungenschaften" dieses Wandels gehörte das Tatprinzip. das die Strafe ausschließlich "durch die Notwendigkeit der Erhaltung äußerer Rechte"8 begründet. Danach kann eine Handlung nur dann als rechtswidrig angesehen werden, wenn sie ein Recht verletzt oder gefahrdet. Auf dem Boden dieses Grundsatzes sind jene Gesetze (und Gerichtsentscheidungen) entstanden, die die Vorbereitungshandlungen und den untauglichen Versuch in der Regel für straffrei erklären. Das Tatprinzip bildet auch die Grundlage der sog. klassischen Unrechtslehren. die in verschiedenen Versionen etwa seit der Jahrhundertwende im deutschen Strafrecht eine herrschende Rolle gespielt haben. Die älteren klassischen Unrechtslehren, als deren Hauptvertreter v. Liszt 9 und Be/ing lO gelten ", betrachten das Unrecht rein objektiv als Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung, während die subjektiven Elemente der Tat der Schuld zugewiesen werden 12. Das kausale Verbindungsstück zwischen Handlung und Erfolg stellt ein willkürliches Verhalten dar, bei dem vom Willensinhalt vollständig abgesehen wird. Eine subjektive Versuchstheorie, wie sie vom Reichsgericht vertreten wurde l3 , mußte bei dieser Unrechtslehre notwendigerweise auf Ablehnung stoßen. Ebenso entspricht es dem positivistisch-logischen Erklärungsansatz dieser Lehre, daß sie Vorbereitung und Versuch mit den Mitteln der formell-objektiven Theorie voneinander abgrenzte. Durch die sog. neoklassische Unrechtslehre erfuhr das Liszt-Belingsche System eine Reihe grundlegender Umbildungen, die nahezu alle Elemente des Verbrechenssystems erfaßten l4 • Ursächlich für den sich hierbei vollziehenden Wandel in der Verbrechensauffassung waren Veränderungen im methodischen Vorgehen, die Grünhut 15 schlagwortartig als Akzentverschiebung "von der logischen N orminter7 Vgl. Beling. GS 91,360; Schoetensack. a.a.O.; Eb. Schmidt. Einführung, S. 229 ff., 282 ff.; Frank. VDA V, S. 171,265. 8 Vgl. Feuerbach. Lehrbuch, § 19; Eb. Schmidt. a.a.O., S. 235 ff., 243; Schoetensack. a.a.O. 9 Lehrbuch, 2. Aufl. 1884, S. 94 ff. 10 Die Lehre vom Verbrechen, 1906, S. 8 ff. 11 Vgl. z. folg. die Übersichten bei Jescheck. AT, S. 161 ff.; Schmidhäuser. AT, S. 162 ff.jew.

m. Nachw. 12 Tatbestandsmäßigkeit und Schuld werden insbesondere von Beling (a.a.O., S. 147, 178 ff.) rein deskriptiv als Beschreibung der Tathandlung und psychischen Beziehung des Täters zur Tat gesehen; normative Werturteile werden in diesen Bereichen ausdrücklich ausgeschlossen. IJ Vgl. oben 1/1.12. 14 Vgl. hierzu außer Jescheck. a.a.O., S. 163 ff. und Schmidhäuser. a.a.O., S. 165 ff. die instruktive Zwischenbilanz von Grünhut. Strafrechtswissenschaft und Strafrechtspraxis, 1932, S. 9 ff.; D. Krauß. ZStW 76, 20 ff.; Lampe, Das personale Unrecht. S. 24 ff. 15 a.a.O., S. 13 im Anschluß an Engsich. JW 1931, 188.

88

2. Kap.: Die Unrechtslehren und das Versuchsproblem

pretation zur wertenden Sinnerjassung" kennzeichnet. An die Stelle einer rein formalen Unrechtsbetrachtung trat ein teleologischer Unrechtsbegriffl6, der die allgemeinen Merkmale der Straftat durch die den Strafgesetzen zugrunde liegenden Zwecke zu erklären versucht. Zu den wichtigsten Neuerungen dieses Umbildungsprozesses zählen eine Reihe von 18, die die Entwicklung des Verbrechensaufbaus nachhaltig beeinflußt haben. Daruberhinaus setzte sich allgemein eine Materialisierung der Verbrechensmerkmale durch, die sich u.a. in der Aufdeckung oder Postulierung wichtiger Strukturprinzipien des Strafrechts niederschlug (Adäquanz- und Relevanztheorie l9 als begrenzende Kausalprinzipien; Güterabwägungsprinzip; Zwecktheorie 20 u.a.).

Differenzierungen 17,

Im Bereich des Versuchs haben diese Veränderungen im Aufbau des Straftatsystems u.a. bewirkt, daß im Verhältnis zur Vorbereitungshandlung nicht mehr rein formal, sondern nach dem materiellen Kriterium der Rechtsgutsgefahrdung abgegrenzt wird. Beim untauglichen Versuch findet stärker als bisher der Täterplan als Beurteilungsgrundlage Berücksichtigung, während hinsichtlich seiner Strafbarkeit der adäquate Kausalzusammenhang oder die Relevanztheorie als "Haftungsgrenzen" angesehen werden 21 • Ungeachtet der Anerkennung von subjektiven Unrechtselementen 22 hält die neoklassische Unrechtslehre grundsätzlich an der Notwendigkeit einer objektiven Unrechtsbetrachtung fest 23 : Das Recht sei "dazu da, ein äußerlich geordnetes Zusammenleben der Rechtsunterworfenen zu gewährleisten". Dementsprechend beschränke sich die Funktion der (Unrechts-)Normen darauf, festzustellen, "was dieser Ordnung zuwider ist" (objektive Bewertungsnormen)24. Die an die Adresse des einzelnen gerichtete Bestimmungsnorm sei - entgegen der Ansicht der Imperativentheorie 25 - für das Unrechtsurteil irrelevant. Sie berühre lediglich die Frage der 16 Vgl. Hegler, ZStW 36, 20 ff.; Radbruch, Frank-Festgabe I, 158 ff.; Jescheck. a.a.O. m. Nachw. sowie unten 2/3.; 4/5. 17 Vgl. eingehend Grünhut, a.a.O. " Vgl. u.a. Hegler, ZStW 36, 19 ff., 31; Frank-Festgabe I, 251 ff.; M. E. Mayer, Lehrbuch, S. 158 ff.; Mezger, GS 1924, 209 ff.; Lehrbuch, S. 168 ff. m. Nw.; Frank, Über den Aufbau des Schuldbegriffs, 1907, S. II ff.; Goldschmidt, Normativer Schuldbegriff, Frank-Festgabe 1,428 ff. 19 Vgl. v. Kries, Über den Begriff der Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit im Strafrecht, ZStW 9 (1889),528 ff.; v. Hippel, Dt. Strafrecht 11, S. 143 ff.; Mezger. Lehrbuch, 121 ff. jew. m. Nachw. 20 Vgl. RG 61, 242, 254 ff.; v. Hippel. Dt. Strafrecht 11, S. 191 ff. m; Nachw. 21 Vgl. oben 1/1.13. 22 Hiergegen Nowakowski, ZStW 63, 319 ff.; Oehler, Das objektive Zweckmoment in der rechtswidrigen Handlung, S. 12 ff., 63 ff., BI ff.; vgl. hierzu näher Krauß, ZStW 76, 25 ff. 23 Vgl. v. Hippel, Dt. Strafrecht 11, S. 184 ff.; Lehrbuch, S. 3,6, 107;Mezger, Lehrbuch, S. 163 ff. ("herrschende Auffassung") m. eingeh. Nachw.; Hegler, ZStW 36, 19 ff.; v. Liszt-Schmidt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Bd. 1,26. Aufl. 1932, S. 173, 175; Engisch, Der Unrechtstatbestand, S. 416 ff., 431; Kohlrausch/Lange, StGB, System. Vorbemerkungen lI-IV. 24 Vgl. Mezger, a.a.O.; v. Liszt-Schmidt, a.a.O. 25 Die Unrecht ohne Schuld für strafrechtlich bedeutungslos hält, da nur so das Problem des schuldlosen Normadressaten lösbar sei; vgl. Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, 1878, S. 8 ff.; Hold v. Ferneck, Die Rechtswidrigkeit Bd. I, 1903, S. 276 ff., 315.

2. Die gegenwärtigen Unrechtslehren - Übersicht

89

persönlichen Schuld des Täters. Subjektive Strafbarkeitsvoraussetzungen wie Vorsatz, Absichten und Fahrlässigkeit haben nach dieser Lehre nur für das Schuldurteil Bedeutung, während den subjektiven Unrechtselementen lediglich der Charakter von Ausnahmen zuerkannt wird.

2. Die gegenwärtigen Unrechtslehren - Übersicht In der gegenwärtigen Lehre wird der Standpunkt der klassischen Unrechtslehre nur noch von einer Mindermeinung vertreten l • Ihre Kritiker machen vor allem geltend 2 , die (ausschließliche) Bewertung des Unrechts nach der Wirkung der Tat auf· den Verletzten und ihrer Eignung zur Verletzung oder Gefährdung von Rechtsgütern sei zu einseitig am Erfolgsunwert ausgerichtet. Eine Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung sei strafrechtlich überhaupt nur von Bedeutung, wenn sie einer Person "als Fehlleistung" zugerechnet werden könne. Die von Welzel u.a. entscheidend geförderte Einsicht, daß in die Unrechtsbetrachtung generell auch personale Elemente einzubeziehen seien, wird heute nahezu allgemein anerkannt 3 • Von der Berechtigung dieser Kritik und der Notwendigkeit einer entsprechenden Erweiterung der klassischen Systemkategorien um das Merkmal des Handlungsunrechts gehen auch die nachfolgenden Erörterungen aus. Die geforderte "Personalisierung" des Unrechts stellt die zwingende Konsequenz eines Normverständnisses 4 dar, das die Strafgesetze nur unter der Voraussetzung ihrer Wirksamkeit für anwendbar hält und ihren Inhalt demgemäß restriktiv auslegt5. In diesem Sinne ist die strafrechtliche Unrechtsnorm mehr als bloße Bewertungsnorm: Sie erfaßt bereits auf der Unrechtsebene stets nur solche Verhaltensweisen, die im Einflußbereich des Menschen liegen 6 • Nachdem die Gegner einer einseitigen Ausrichtung des Unrechtsbegriffs am Erfolgsunwert in der Lehre die Oberhand gewonnen haben, ist das Problem, weIche Bedeutung dem Handlungs- und Erfolgsunwert bei der Unrechtsbestimmung beizumessen ist, in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Gegenstand der AusVgl. Kohlrausch-Lange. a.a.O.; Baumann. AT, S. 171 ff.; Jescheck, AT, 166 m.Nachw. Vgl. eingehend Krauß. ZStW 76, 21 ff.;Lampe. FN 3, 51 ff.;Jescheck. AT, S. 167; Welze/. Lehrbuch, S. 60 ff. 3 Vgl. Jescheck, AT, 191 m. Nachw.; Hirsch. ZStW 93,831 ff. 4 Vgl. Armin Kaufmann. Bindings Normentheorie, S. 125 ff.; Oeh/er. Das objektive Zweckmoment, S. 42; Krauß. a.a.O., S. 33 ff.;Jescheck. AT, S. 188 f., der mit Recht die Strafrechtsnormen als an alle Menschen gerichtete Soll-Vorschriften ansieht, die lediglich in ihren Rechtsfo/gen in bezug auf Schuldunfähige zu anderen Konsequenzen führen. Das Adressatenprob/em der früheren Imperativentheorie erscheint damit gelöst; im g1. Sinne die soziale Unrechts/ehre Maihofers. Der Unrechtsvorwurf, Rittler-Festschrift 1957, 147 ff.; Krauß. a.a.O. u.a. 5 Vgl. ob. Einleitg. Jescheck. a.a.O., S. 189; LK-Hirsch. Vor § 51 Rdnr. 8. 6 Damit ist nicht gesagt, daß Unrechtsnormen die Aufgabe von motivierenden Bestimmungsnormen erfüllen, vgl. hierzu Lampe. FN 3, 102 ff.; Gal/as. Bockelmann-Festschrift, S. 157 f. I

2

90

2. Kap.: Die Unrechtslehren und das Versuchsproblem

einandersetzungen sind vor allem die - auch für die Lösung des Versuchsproblems wichtigen - Fragen. - welche Funktion dem Erfolgsunwert bei der Begründung strafrechtlichen Unrechts zukommt, - welche personalen Merkmale Bestandteile des Handlungsunrechts sind und - wie das Rangverhältnis zwischen Handlungs- und Erfolgsunwert zu bestimmen ist. Hierzu haben sich im wesentlichen drei GrundaujJassungen herausgebildet. Eine extrem subjektive Lehrmeinung 7 spricht dem Erfolgsunwert jede Bedeutung für das Unrecht ab und erkennt allein den Handlungsunwert als Unrechtsmerkmal an (I). Die in der Lehre überwiegend vertretene dualistische Unrechtsauffassung zählt sowohl den Handlungs- wie den Erfolgsunwert zu den Unrechtsmerkmalen. Sie spaltet sich in zwei Meinungsrichtungen auf, die den Inhalt des Handlungsunwerts unterschiedlich festlegen. Während eine Lehre 8 den Handlungsunwert rein subjektiv bestimmt und dem Intentionsunwert gleichsetzt (2), weist nach der Ansicht von Jescheck 9 , Gallas lO u.a. der Handlungsunwert neben dem Tatentschluß objektive Elemente auf, die sich insbesondere auf die Art und Weise der Tatbegehung beziehen (3). 3. Zur monistisch-subjektiven Unrechtslehre i

3.1. Grundthesen Ausgangspunkt der von Armin Kau/mann und Zielinski u.a. entwickelten monistischsubjektiven Unrechtskonzeption ist die normtheoretische Erwägllng. daß die Ziele von Normen nur durch Befolgung von Ge- und Verboten verwirklicht werden können I. Jeder Norm komme deshalb neben einer Bewertungs/unktion notwendigerweise eine Bestimmungs/unktion zu. Durch die Bewertungsfunktion der Norm werde festgelegt, daß und weIche" von der Rechtsordnung anerkannte ... Rechtsgüter" unter den Schutz det Norm gestellt und nicht verletzt werden dürfen 2 • Ein Verstoß gegen die Bewertungsnorm sei für 7 Vgl. Zielinski. Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 128 ff.; Horn, Konkrete Gefahrdungsdelikte, S. 78 ff.; Lüderssen. ZStW 85, 292; Bockelmann-Festschrift, 183 ff.;Armin Kaufmann. Welzel-Festschrift, 403 ff., 411; Suarez Montes. Welzel-Festschrift, S. 382 ff.; Schmidhäuser. AT, 142 ff., 219 f.;jiir die Fahrlässigkeitstat: Welzel. Lehrbuch, 135 f.;SchajJstein. Welzel-Festschrift, S. 559 ff. , Vgl.SchönkelSchröderlLenckner, Vorbem. 51,54,55,57 zu § 13;Rudolphi. Maurach-Festschrift, S. 58,65; SK-Samson. Vor § 32 Rdnr. 4 f., 23; Bockelmann. AT, S. 50 ff., 53 ff. • AT, S. 190 ff. 10 Vgl. Bockelmann-Festschrift, S. 156 ff.; ebenso: Krauß, ZStW 76, 58; Krümpelmann. GA 1968, 129, 135; Wetzei. Lehrbuch, S. 62 (bzgl. Vorsatztaten); Stratenwerth, Schaffstein-Festschrift, S. 178; Wesseis. AT, 4, 29; Wolter. Objektive u. personale Zurechnung, S. 25 ff. I Vgl. Armin Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. 71 f.; Welzel-Festschrift, 395 f.; Zielinski, a.a.O., S. 121 ff.; Horn. a.a.O., S. 79; Lüderssen. ZStW 85, 292; Bockelmann-Festschrift, S. 187 ff. sowie die obigen Nachweise FN 7. 2 Vgl. Armin Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. 69 ff., 74 ff., 281; Zielinski. a.a.O.,

S. 122 ff.

3.1. Monistisch-subjektive Unrechtslehre: Grundthesen

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sich betrachtet noch kein Unrecht). Den Anlaß und Grund für die strafrechtliche Ahndung liefere erst die Handlung, die dem Normbefehl zuwiderläuft. Dies könne im Hinblick auf die Bestimmungsfunktion der Norm nur eine aufRechtsgutsverletzung abzielende (finale) Handlung sein. Diese Handlung, der sog. Handlungsunwert, sei für das Unrecht allein konstitutiv 4 ). Der Erjolgsunwerr stelle keine notwendige Voraussetzung des Unrechts dar. Ihm sei auch jede unrechtserhöhende Wirkung abzusprechen, da der Eintritt des Erfolgs zufallsbedingt sei s. In konsequenter Anwendung dieser Prinzipien lehnen einige Anhänger dieser Lehre es ab, einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Vollendung und Versuch anzuerkennen. In beiden Fällen werde der gleiche Normverstoß geahndet: die Verletzung des der Norm zugrundeliegenden Verbots, die untersagte Rechtsgutsverletzung zu "intendieren"·. "Selbst der abergläubische Versuch" sei "also Unrecht" 7. Daß er u.U. straflos bleibt, ist mit dem fehlenden Strafbedürfnis zu erklären, das als außerhalb des Unrechts liegende "Bedingung der Strafbarkeit" aufgefaßt wird. Der beendete Versuch wird grundsätzlich wie die Vollendung bestraft, während für den unbeendigten Versuch, da es ihm - infolge nicht "hinreichender Tatmächtigkeit" u.a. - am vollen Handlungsunwert mangele, eine obligatorische Strafmilderung befürwortet wird. Die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch bereitet, wie von Anhängern dieser Theorie offen eingeräumt wird, gewisse Schwierigkeiten: im Handlungsablaufzwischen Vorbereitung und unbeendigtem Versuch fehle die für die Abgrenzung nötige "Strukturschranke"H.

3.2. Ausgangspunkt und Maßstab der Unrechtsbegründung: Die Norm als Steuerungssystem

Die Norm erscheint in der Konzeption der monistisch-subjektiven Unrechtslehre als der zentrale Anknüpfungspunkt jeder Unrechtsbegründung. Die Bedeutung dieses Bestimmungsfaktors wird von ihr so hoch eingeschätzt, daß sie - im Anschluß an die Normentheorie Bindings9 - die norm theoretische Grundfrage,

"wie ganz allgemein der Gegenstand", Inhalt und Form der Norm "beschaffen sein müssen", damit diese ihre Wirkungen entfalten kann, an den Anfang aller Überlegungen über den Inhalt des Unrechts stellt. Soweit es sich um die Forderung nach normtheoretischer Fundierung des Unrechts handelt, verdient die monistisch-subjektive Unrechtslehre vorbehaltlos Zustimmung, Hingegen erscheinen Begründung und Ausführung des vorgeschlagenen Konzepts nicht im gleichen Maße konsensfähig. Im folgenden sei genauer Vgl. Vgl. 5 Vgl. n Vgl. S. 136 ff. J

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z. folg. Zielinski, a.a.O., S. 127. Zielinski, a.a.O., 127 ff.; Kaufmann, a.a.O. Zielinski, a.a.O., S. 130. z. folg. Armin Kaufmann, ZStW 80, 51.; Welzel-Festschrift, S. 403 ff.; Zielinski,

A. Kaufmann, Welzel-Festschrift, S. 403. , Vgl. Armin Kaufmann, a.a.O.; zustimmend: Kühl JuS 1980, S. 507. • Vgl. Normen I, S. 4 ff.; 37 ff.; 54 ff.; Armin Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. VIII ff.; 3 ff.; 36 ff.; 67 ff.; 105 ff.; 273 ff.; Zielinski. S. 121 ff.; Lampe. S. 26 ff. 7

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2. Kap.: Die Unrechtslehren und das Versuchsproblem

herausgearbeitet, inwieweit ihm gefolgt werden kann und in weIcher Beziehung Modifikationen angezeigt sind. Nach der Verfassung lO ist es Aufgabe des Strafrechts, Rechtsgüter zu schützen. Der strafrechtliche Rechtsgüterschutz erfolgt durch das Medium der Verhaltensbeeinflussung. Mittel dieser Verhaltensbeeinflussung sind die Strafgesetze und die mit ihnen verknüpften Sanktionen und Maßregeln. Zu den Bestandteilen des Strafgesetzes gehört das Unrecht, das mit diesem untrennbar zu einer Wirkungseinheit verbunden ist. Zwischen Unrecht und Norm besteht ein Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich beide wechselseitig beeinflussen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Unrechtslehre ist es, die Bestimmungsfaktoren dieses Abhängigkeitsverhältnisses zu erforschen, um auf dieser Grundlage die Inhalte von Unrecht und Norm abzuklären. Äußerlich tritt der Begriff Unrecht als das Verhalten in Erscheinung, das im Gesetzestext näher bezeichnet und unter Strafe gestellt wird. Was materiell Unrecht bedeutet 11, ist aus dem Gesetzeswortlaut bekanntlich nicht ersichtlich. Der materielle Gehalt strafbaren Unrechts kommt erst in den Blick, wenn man sich das Ziel der Strafrechtsnormen und die Art vor Augen führt, wie dieses Ziel mittels Normen verwirklicht werden kann und wird 12. Das Ziel, Rechtsgüter zu schützen, kann nur in der Form erreicht werden, daß drohende Rechtsgutsbeeinträchtigungen verhindert werden. Unrecht ist insofern gleichbedeutend mit jenem Unwert, der verhindert werden muß, damit das durch die Norm geschützte Rechtsgut erhalten wird 13 • Da dies durch Verhaltensbeeinflussung geschehen soll, werden mit Recht in der Bestimmungsfunktion der Norm, in dem (an potentielle Täter gerichteten) Verhaltensbefehl und der Befolgbarkeit dieses Befehls weitere wichtige Faktoren gesehen, die den Inhalt des Unrechts und der Norm mitbestimmen l4 • In einer ersten Annäherung ist Unrecht zu definieren als der Unwert, der durch die Norm und durch potentielle Täter verhindert werden soll und kann, um die durch die Strafgesetze geschützten Rechtsgüter zu erhalten. 10 Vgl. BVerfG NJW 1975,573 ff., 1977, 1525 ff. m. Nachw.; Müller-Dietz. Dreher-Festschrift S. 98 ff.; Müller-Emmert. DRiZ 1976,65 ff.; Sax. JZ 1976, 10 f.; SK-Rudolphi. vor § I Rdnr. I ff.; Roxin. JA 1980,222 f. u.a. 11 Zum Begriff des materiellen Unrechts, vgl. Schönke/Schröder/Lenckner. §§ 13 ff. Vorbem. 52,53 m. Nachw.; Jescheck. AT, S. 185 u.a. 12 Im gl. S. oder ähnl. Gössel. ZStW 96 (1984),321 f.; Jescheck. a.a.O., S. 188 f.;Lenckner. a.a.O., Rdnr. 8 ff., 53; Duo. Grundkurs Strafrecht S. 5 ff.; SK-Samson. Vor § 32, Rdnr. 3 m. Nw.; Gallas. Bockelmann-Festschrift, S. 159 ff.; Wolter. Objektive u. personale Zurechnung, S. 25 ff. u.a. I) Zum Zusammenhang zwischen dem Schutzzweck der Norm und dem Unrechtsbegriff, vgl. insbes. Jescheck. a.a.O.; Duo. a.a.O.; Gallas. a.a.O., S. 162 ff.; Wolter. a.a.O. 14 Ebenso die h.L.. vgl. S/S/Lenckner. a.a.O., Rdnr. 51; SK-Samson. Vor § 32 Rdnr. 3; abweichend die Auffassung, die allein die Bewertungsfunktion in den Strafrechtsnormen verwirklicht sieht, vgl. oben 2/1. a.E. m. Nw.

3.2. Subjektiver Unrechtsbegriff1 - Die Norm als Steuerungssystem

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Nach dieser Definition ist davon auszugehen, daß die wichtigsten Bestimmungsfaktoren der Norm und des Unrechts wie Normziel(Verhinderungdrohender Rechtsgutsbeeinträchtigungen durch Verhaltensbeeinflussung), Bestimmungsfunktion der Norm, Normbefehl, Vermeidbarkeit der sanktionierten Rechtsgutsbeeinträchtigung u.a. im Gesetz zwar nicht genannt sind 15, gleichwohl aber als verbindlicher Inhalt des Gesetzes angesehen werden müssen. Was im Gesetzestext als durch Tatbestandsmerkmale bezeichnetes Unrechtsverhalten erscheint, erweist sich bei genauerem Zusehen als Teilaspekt einer umfassenderen Norm, die hinter den Sprachzeichen des Gesetzeswortlauts steht und durch diese verkörpert wird 16. Um diese nicht wahrnehmbaren, aber doch stets mitzudenkenden Norm- und Unrechtselemente einem gemeinsamen Begriff zuzuordnen und als selbständigen Forschungsgegenstand zu erfassen, erscheint es sinnvoll, die auf Binding zurückgehende Unterscheidung zwischen Norm und Gesetz beizubehalten 17 • Das Gesetz legt den im Gesetzeswortlaut bezeichneten Unrechtstatbestand fest und bringt ihn damit in die aus verschiedenen Rechtsgründen gebotene Form. Die Norm dagegen umfaßt das dem Gesetz zugrundeliegende Steuerungssystem, das sich aus den erwähnten sowie weiteren Elementen der (mit dem Gesetz) erstrebten Verhaltenssteuerung zusammensetzt 18. Die Notwendigkeit, auch die unsichtbaren Normelemente mit in die Unrechtsbewertung einzubeziehen, ergibt sich aus der allgemeinen Zielsetzung der Strafgesetze, zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes menschliches Verhalten zu beeinflussen. Strafgesetze sind in ihrem Inhalt nur zu verstehen und richtig zu handhaben, wenn sie als Instrumente der Verhaltenssteuerung interpretiert und konzipiert werden. Welche Elemente für die strafrechtliche Verhaltenssteuerung im einzelnen mitbestimmend sind, wird aus naheliegenden Gründen im Gesetzestext nicht mitgeteilt. Dieses Schweigen des Gesetzes entbindet den Gesetzesanwender jedoch nicht von der Aufgabe, sich bei jedem Schritt der Normkonkretisierung Klarheit darüber zu verschaffen, mit welchen Steuerungselementen wie, warum, in welcher Richtung und in welcher Form die Schutzziele der Norm verwirklicht und auf das Verhalten potentieller Täter Einfluß genommen werden soll und kann. Erst eine entsprechende wirkungsbezogene Normanalyse eröffnet die Möglichkeit, Strafgesetze als Instrumente der Verhaltenssteuerung planmäßig und wirVgl. Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 3 ff. Auf die hinter dem Gesetz stehende Norm wird z.B. Bezug genommen, wenn von der Bewertungsnorm oder Bestimmungsnorm die Rede ist. 17 Ablehnend v. Hippel, Dt. Strafrecht, I, S. 19 ff. m.Nw. IB Soweit es um Fragen der Strajbegründung oder -verschärfung geht, kommen als "Norm" nur solche Verhaltensbefehle in Betracht, die im Gesetzeswortlaut Ausdruck finden. Der abweichenden Meinung, die auch insoweit von dem Wirksamsein von außerstrafrechtlichen Normen ausgeht (vgl. MaurachiZipf, § 19 11 24 f. m.Nw.), kann schon im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht gefolgt werden. 15 16

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2. Kap.: Die Unrechtslehren und das Versuchsproblem

kungsvoll einzusetzen und Fehlsteuerungen zu vermeiden, wie sie oben im Zusammenhang mit § 22 StGB erörtert wurden. Das eingangs genannte Postulat, die Unrechtsbegründung mit einer Normanalyse zu verbinden und zu beginnen, kann deshalb in der Tat in seiner Bedeutung für die Unrechtsdogmatik kaum überschätzt werden. Es stellt eine der elementarsten Bedingungen der Verwirklichung der Normziele dar, von deren Beachtung vielfach die "Richtigkeit" des Ergebnisses der Gesetzesauslegung abhängt.

3.3. Eindimensionaler Unrechtsbegriff? So sehr der normtheoretische Ausgangspunkt der monistisch-subjektiven Unrechtslehre Zustimmung verdient, so wenig kann den Aussagen gefolgt werden, die sie im übrigen über den Inhalt des Unrechtsbegriffs macht. Anfechtbar erscheint vor allem die These, strafbares Unrecht erschöpfe sich in einem von jeder Erfolgsbeziehung losgelösten Handlungsunwert 19. Mit dieser Erklärung wird das Unrecht auf einen eindimensionalen Sachverhalt reduziert, der in Wirklichkeit außerordentlich komplex ist und von einer nur schwer überschaubaren Vielzahl von Bestimmungsfaktoren abhängig ist, die sich wechselseitig beeinflussen20 • An einigen Beispielen soll verdeutlicht werden, welche unrechtsrelevanten Normbeziehungen u.a. in der genannten Unrechtskonzeption keine Berücksichtigung finden. 3.31. Ziel- und Wertaspekte des Unrechts Nach der monistisch-subjektiven Unrechtslehre ist der Inhalt der Bewertungsnorm auf "anerkannte Werte ausgerichtet", die gewissermaßen vorgegeben sind 21 • Zwischen Bestimmungs- und Bewertungsnorm gibt es auffallend wenig Berührungspunkte. Ein "unmittelbarer Zusammenhang" zwischen beiden wird sogar ausdrücklich in Abrede gestellt 22 • Die Bestimmungsnorm erscheint zwar als Mittel zur Verwirklichung der Normziele: Sie erfüllt diese Aufgabe, indem sie das "Intendieren einer Rechtsgutsverletzung" unter Strafe stellt. Darüber hinausgehende Wirkungsbeziehungen existieren jedoch nicht. Insbesondere bleibt der Inhalt der Normziele durch die Bestimmungsnorm weitgehend unberührt 2J •

19 Krit. auch Maurach/Zipf, AT I, S. 206 ff.; Schönke/Schröder/Lenckner. §§ 13 ff., Vorbem. 59; Stratenwerth. Schaffstein-Festschrift, S. 183 ff.; Gal/as. S. 156 ff.; Wolter. Objektive u. personale Zurechnung, S. 110 ff.; Hirsch. ZStW 94, S. 242 ff. u.a. 20 Vgl. Küper GA 1980, 218. 21 Vgl. z. folg. Zielinski. a.a.O., S. 121 ff., 125 ff. 22 Vgl. Zielinski. a.a.O., S. 125 Ir.; weniger eindeutig insofern Armin Kaufmann. FN 15, S.lOff.,280f. 23 Vgl. Zielinski. a.a.O., S. 127.

3.31. Eindimensionales Unrecht? - Zie1- und Wertaspekte

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Die Wirkungsbeziehungen zwischen beiden erwähnten Normfunktionen verlaufen durchweg einspurig, ohne daß es zu wechselseitigen Beeinflussungen kommt. Ein derart einfach strukturiertes und beziehungsarmes Normmodell dürfte in der heutigen Rechtswirklichkeit, die es meist mit mehr oder weniger konfliktträchtigen Sachverhalten zu tun hat, kaum noch eine Entsprechung finden. In der Regel stehen sich Normziele und Bestimmungsnorm nicht wie zwei statische Größen gegenüber, sondern beeinflussen sich auf mannigfaltige Weise wechselseitig. Zwei Beispiele seien hierfür als Beleg angeführt. 3.311. Erforderlichkeitsprinzip und Folgenorientierung Eine strafrechtliche Sanktionierung von Handlungen ist bekanntlich nur zulässig, wenn sie sich als ein notwendiges Mittel zum Schutze von Rechtsgütern erweist. Die monistisch-subjektive Unrechtslehre erkennt dies zwar an. Sie will diesem Grundsatz jedoch nur außerhalb des Unrechts - im Zusammenhang mit Strafzwecküberlegungen und in Form einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit - Geltung verschaffen 24 • Gegen diese Problemsicht sind Bedenken anzumelden. Die Tatsache, daß die Verwirklichung von strafbewehrten Normen stets mit Eingriffen in die Freiheitsrechte des betroffenen Normadressaten verbunden ist, kann nicht ohne Rückwirkung auf den Unrechtsbegriff bleiben. Zu den verfassungsrechtlich verankerten Minimalanforderungen, die an staatliche Eingriffe in Freiheitsrechte zu stellen sind, gehört, daß diese in dem genannten Sinne erforderlich sind 25 • Ein strafbewehrtes Verbot, das diesem Fundamentalprinzip widerspricht, entbehrt der nötigen Rechtsgrundlage. Es vermag kein Unrecht zu begründen 26 • In der monistisch-subjektiven Unrechtslehre hat dieser Rechtsgrundsatz ebenso wie das sich daraus ableitende Postulat einer entsprechenden Folgenorientierung des Unrechts keinen Stellenwert. Ihre Anhänger wenden im Gegenteil den von ihnen propagierten Unrechtsbegriff (Unrecht = Handlungsunwert) auch auf solche Handlungen an, die - wie der abergläubische Versuch - "überhaupt nicht als ,Mittel' irgendwelcher Veränderungen" eingesetzt werden können und deshalb auch unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit "rechtlich irrelevant" sind 27 • Vom Standpunkt einer Unrechtslehre, die jeden "unmittelbaren Zusammenhang" zwischen Bewertungs- und Bestimmungsnorm leugnet, erscheint dies zwar konsequent, aus der Sicht einer rechtsstaatlichen Unrechtsbewertung, die stets auch die Vgl. Armin Kaufmann. Welzel-Festschrift, S. 403; Zielinski. a.a.O., S. 134 FN 14; 206 Ir. Vgl. BVerfGE 17,306 (313f.); 25, 44 (54); 35, 382 (400 f.); 39, 1 (47); Günther JuS 1978, 8 (11); Schönke/Schröder/Lenckner. §§ 32 ff., Vorbem. 84 u.a. 26 Vgl. vorsteh. FN sowie Günther. Strafrechtswidrigkeit, S. 189 ff. m.Nw. 27 So bereits RGSt 33, 321 ff.; vgl. Verf., JA 1983, 425 f. 2H Vgl. oben 111.1.; 2. 24

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negativen Folgen der Normverwirklichung mitzubedenken hat - jedoch letztlich untragbar. 3.312. Das Prinzip der angemessenen Unrechtsbekämpfung Fortsetzung: Folgenorientierung Wie die Erfahrungen mit der Versuchsvorschrift 28 beweisen, kann das (von der monistisch-subjektiven Unrechtslehre angenommene) Fehlen einer "Strukturschranke" in Grenzbereichen wie dem zwischen Vorbereitung und Versuch leicht in einen Zustand allgemeiner Rechtsunsicherheit umschlagen, der die "Gegenrechte" der Norm schwersten Belastungen aussetzt 29 • Von den Anhängern der monistisch-subjektiven Unrechtslehre wird dies zwar mit "Unbehagen" registriertJ(). Vom Boden ihres Unrechts konzepts aus erscheint dieser Zustand jedoch unabänderlich, da ausschließlich der Handlungsunwert als Maßstab anerkannt wird. Für eine Relativierung und Einschränkung des Unrechts zugunsten anderer kollidierender Rechtsziele besteht auf dieser Grundlage kein Raum. Unberücksichtigt bleibt insbesondere, daß dem Strafrecht durch das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip i.e.S. (Übermaßverbot) Grenzen gesetzt sind. Aus diesem Prinzip folgt u.a., daß die Rechtss