Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit: Zugleich ein Beitrag zur Reform der sozialen Sicherung der Ehegatten und zur Reform des Familienlastenausgleichs 3428029429, 9783428029426


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Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit: Zugleich ein Beitrag zur Reform der sozialen Sicherung der Ehegatten und zur Reform des Familienlastenausgleichs
 3428029429, 9783428029426

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FRANZ RULAND

Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit

Sozialpolitische Schriften Heft 33

Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit Zugleich ein Beitrag zur Reform der sozialen Sicherung der Ehegatten und zur Reform des Familienlastenausgleicbs

Von

Dr. Franz Ruland

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

© 1973 Duncker & Humblot, Berlln 41

Gedruckt 1973 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 02942 9

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen eines Forschungsvorhabens am Institut für Arbeits- und Sozialrecht - Sozialrechtliche Abteilung - der Universität des Saarlandes über die Soziale Sicherung der nichtberufstätigen Frau. Sie ist von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes 1972 als Dissertation angenommen worden. Ihre Überarbeitung für den Druck wurde im Oktober 1972 abgeschlossen. Ich möchte auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank sagen: Herrn Professor Dr. Hans F. Zacher für vielfältige persönliche und sachliche Betreuung und Unterstützung, den Saarbrücker Kollegen Dr. Peter Krause, Dr. Peter Jacob und Christian W. Färber für zahlreiche Anregungen und kollegiale Kritik, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Vereinigung der Freunde der Universität des Saarlandes für großzügige finanzielle Unterstützung für die Anfertigung bzw. den Druck dieser Arbeit und Herrn Dr. J. Broermann für die Aufnahme dieser Arbeit in die "Sozialpolitischen Schriften". Schließlich soll auch hier der Dank nicht unerwähnt bleiben, den ich meiner Frau dafür schulde, daß sie der Arbeit so viel Verständnis und Hilfsbereitschaft entgegenbrachte. Franz Ruland

Inhallsverzeichnis Einleitung

1

ERSTER TEIL

Grundlage der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit

9

Erster Abschnitt

Der familiäre Unterhalt

10

1. Kapitel: Der familiäre Unterhaltsverband ............................

1 11 12 13 14 2 21 22 23

10 Die heutige Struktur des Unterhaltsverbandes .................. 10 Die Kernfamilie ................................................ 10 öffnungen der Kernfamilie für weitere Angehörige .............. 12 Reduktionen der Kernfamilie .................................... 13 Speziell: Die unvollständige Familie. .. .. . .. . . .. . .. ... .. . .. .. ... .. 13 Die familiären Rollen ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Die Verdienerrolle .............................................. 16 Die Haushaltsrolle .............................................. 19 Die Passivrollen ................................................ 20

2. Kapitel: Die familiären Unterhaltsbeziehungen ..................... .

1 2 21 22 23 3

4

41 42 43 5 6

Die Unterhaltsbeziehungen zwischen den Ehegatten ............. . Die Unterhaltsbeziehung zwischen Eltern und Kindern .......... Die Unterhaltsbeziehung Eltern - Kind .......................... Die Unterhaltsbeziehung Kind - Eltern ......................... . Die zwischen Eltern und Kindern bestehende Solidarität ......... . Die Unterhaltsbeziehungen zwischen Eltern und nichtehelichen Kindern ....................................................... . Die Unterhaltsbeziehung zwischen früheren oder getrenntlebenden Ehegatten ..................................................... . Unterhalt bei getrenntlebenden Ehegatten ....................... . Der nacheheliche Unterhalt im geltenden Recht ................. . Das nacheheliche Unterhaltsrecht in den Reformvorschlägen ..... . Unterhaltsbeziehungen zwischen sonstigen unterhaltsberechtigten und -verpflichteten Personen ............................. " .... . Unterhaltsbeziehungen zwischen nicht unterhaltspflichtigen Personen

22 22 24 24 28 28 29 30 30 31 34 36 37

VIII

Inhaltsverzeichnis Zweiter Abschnitt

Das System der sozialen Sicherung

39

3. Kapitel: überblick über das System sozialer Sicherung. . . . . . . . . . . . . . ..

39

1

39

Fürsorge -

Sozialversicherung - Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

2

Vorsorgesysteme -

3

Der Begriff: Leistung der sozialen Sicherheit ....................

43

4. Kapitel: Die Teilsysteme sozialer Sicherung ..........................

46

1 11 12 13 14 15 16

Ausgleichssysteme .............................................. Die Sozialhilfe .................................................. Die Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ausbildungsförderung ...................................... Das Wohngeld .................................................. Das Kindergeld .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die familienbezogenen Steuerermäßigungen ......................

46 46 49 49 50 51 51

2 21 211 212 212.1 212.2 212.3 212.4 212.5 212.6 213 22 221 222

Vorsorgesysteme ................................................ Die Vorsorgesysteme der Sozialversicherung. . . .. .. ..... .. . .. ... .. Die Krankenversicherung ................................... . . . .. Die Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Versicherungen und die Versicherungspflicht ................ Die Ausgangstatbestände der Leistungen ........................ Die Leistungen ............ , .... '" ...... , . .. . . .. . .. .. .. . . . . . . . .. Die Finanzierung ................................................ Die Leistungen der Rentenversicherung als Vorsorgeleistungen .... Speziell: Die Altershilfe für Landwirte. . . . .. ... .. . . . . . . . .. . . . . .. Die Arbeitslosenversicherung .................................... Die Beamtenversorgung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Beihilfe .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Alters- und I-linterbliebenenversorgung ......................

52 53 53 55 55 56 57 58 61 63 63 65 65 66

3 31

Entschädigungssysteme .......................................... Entschädigungssysteme im Zusammenhang mit Krieg, Vertreibung oder Wehrpflicht ................................................ Die Kriegsopferversorgung ...................................... Der Lastenausgleich ............................................ Die Verfolgtenversorgung .................. , .. . ... . . . . . . . . . .. . . .. Die Unterhaltssicherung ........................................ Die Entschädigungen für Berufsunfälle und -krankheiten ........ Die Unfallversicherung .......................................... Die Unfallfürsorge ..............................................

66 67 67 69 71 71 72 72 73

5. Kapitel: Die Bedeutung des Systems sozialer Sicherung ..............

73

311 312 313 314 32 321 322

Entschädigungssysteme -

Ausgleichssysteme 42

Inhaltsverzeichnis

IX

ZWEITER TEIL

Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen 79 der sozialen Sicherheit im geltenden Recht Erster Abschnitt

Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen 6. Kapitel:

1 11 12 2 3 4 5 51 52 6 7 8 81 82 9 91 92 93 94 95

Subsidiarität von Sozialleistungen gegenüber familiärem Unterhalt (Familienabhängigkeit von Sozialleistungen) .......... Die Subsidiarität der Sozialhilfe ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Zum Umfang der Subsidiarität .................................. Die Verwirklichung der Subsidiarität gegenüber familiärem Unterhalt ............................................................

Die Subsidiarität der Jugendhilfe ................................ Die Subsidiarität der Ausbildungs- und Graduiertenförderung .... Die Subsidiarität der Arbeitslosenhilfe .......................... Die Subsidiarität von Leistungen der Kriegsopferversorgung ...... Die Subsidiarität der Leistungen der Kriegsopferfürsorge ........ Die Subsidiarität von Ausgleichs- und Elternrenten .............. Die Subsidiarität der Elternrente in (sonstigen) Entschädigungssystemen ........................................................ Die Subsidiarität der Kriegsschadenrenten ...................... Die Subsidiarität von Hinterbliebenenrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Subsidiarität wiederaufgelebter Hinterbliebenenrenten ...... Die Subsidiarität der Beihilfe an Hinterbliebene im Verfolgtenversorgungsrecht ................................................ Exkurs: Umkehrung der Rangfolge zwischen subsidiären Sozialleistungen und familiärem Unterhalt ............................ Unterhaltsverzicht und Subsidiarität ............................ Die Durchsetzung eines Unterhalts anspruches .................... Die Verweigerung der Namensnennung des außerehelichen Vaters durch die Mutter ................................................ Die unberechtigte Verweigerung der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Verwirkung des Unterhaltsanspruches ........................

80 81 82 82 83 92 92 95 97 97 98 99 99 99 99 102 102 102 105 106 107 108

7. Kapitel: Ausgleich für UnterhaItsbelastungen der subsidiären Sozial-

leistungen gegenüber vorrangig Verpflichteten .................... 108

8. Kapitel: Sozialleistungen als Ausgleich normaler UnterhaItsbelastungen 110

1 11 12 2 21 22

Berücksichtigung der UnterhaItsleistung an den Ehegatten ........ Zuschläge zum Arbeits- und Sozialeinkommen .................... Steuerermäßigung - das "Splitting" ............................ Berücksichtigung der UnterhaItsleistungen an Kinder ............ Zuschläge zu dem Arbeits- oder Sozialeinkommen ................ Steuerermäßigungen ............................................

111 111 112 113 113 116

X 3 31 32

Inhaltsverzeichnis Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen an sonstige Personen - mit einem Exkurs über den Begriff des "Angehörigen" ........ Zuschläge zu dem Arbeits- oder Sozialeinkommen ................ Exkurs: Der Begriff des "Angehörigen" .......................... Steuerermäßigungen ................ , .. , ........................

116 116 117 118

9. Kapitel: Die abgeleitete bzw. abgeleitet-mittelbare Sicherung bei gestei-

gertem Unterhaltsbedarf ........................................ 119

1 2 21 22

Die Ausgangstatbestände ........................................ Der mitgesicherte Personenkreis ................................ Die bei Krankheit mitgesicherten Angehörigen .................. Die abgeleitet-mittelbare Ausbildungsförderung ..................

120 122 122 124

10. Kapitel: Sozialleistungen bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers ...... 125

1

Ausgangstatbestände ............................................ 125

2 21 22 23 24 25 26 27 3 31 32

Der Kreis der gesicherten Angehörigen .. , ............. , ......... Die Ehefrau (die Witwe) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Der Witwer .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Der geschiedene Ehegatte ........................................ Die Kinder ...................................................... Die Eltern ...................................................... Sonstige Personen .............................................. Die Kumulation von Anspruchsberechtigten ...................... Die Funktion der Leistungen als "Unterhaltsersatz" .............. Die "Unterhaltsersatzfunktion" .................................. Die Funktion der Hinterbliebenensicherung in der Beamtenversor'gung ............................................................ Zur Unterhaltsersatzfunktion der Grundrente an Hinterbliebene im Versorgungsrecht ................................................

33

125 125 129 130 133 135 136 137 138 138 139 141

11. Kapitel: Bezugsberechtigungen der Angehörigen auf Sozialleistungen 143 12. Kapitel: Exkurs -

1 2

Der Begriff des "Kindes" im Sozialrecht .......... 144

Die Kinder und die ihnen gleichgestellten Personen .............. 145 Das (verheiratete) Kind über 18 Jahren ................... " ..... 148

13. Kapitel: Unterhalt als positive oder negative Voraussetzung sozialer

Leistungen ...................................................... 151

1 11 12 13

Der Begriff der Unterhaltsleistung .............................. Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Unterhalt aus dem "Arbeitsverdienst" ............................ Persönlicher Unterhalt ..........................................

152 152 153 154

2 21 211 212

Der Umfang der vorausgesetzten Unterhalts beziehung ............ Gesetzliche Anforderungen ...................................... "Die Aufnahme in die Wohnung (den Haushalt)" ................ "Zum Unterhalt nicht unerheblich beitragen" ....................

156 157 157 157

Inhal tsverzeichnis

XI

213 214 214.1 214.2 22 221 222

"Wesentlicher Unterhalt" ........................................ "überwiegender Unterhalt" ...................................... "überwiegender Unterhalt" einer Person ........................ "überwiegender Unterhalt der Familie" .......................... Funktionale Anforderungen ............................ , ......... Die Voraussetzung des "Unterhalts" bei Unterhaltsersatzleistungen Die "Unterhaltsberechtigung" des Ehegatten i. S. des § 205 RVO (Familienhilfe) ..................................................

158 158 159 160 161 161

3 31 32 321 321.1

Die rechtliche Natur des Unterhalts .............................. Die tatsächliche Unterhaltsbeziehung ............................ Die rechtliche Unterhaltsbeziehung .............................. Die gesetzliche Unterhaltsbeziehung .............................. Beschränkung auf ehe- und familienrechtliche Unterhaltsbeziehungen .......................................................... Der Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG .......................... Die Verbindlichkeit der Scheidungsurteile ............ , ........... Die Voraussetzungen der Unterhaltsbeziehung .................... Die hypothetische Unterhaltsbeziehung .......................... Die gerichtliche Verpflichtung ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Das Unterhaltsurteil als "sonstiger Grund" i. S. des § 1265 Satz 1 RVO 2. Alternative .............................................. Die beschränkte Bindung der Sozialleistungsträger und Sozialgerichte an das Unterhaltsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Unterhaltsurteil und Statusurteil ................................ Die vertragliche Verpflichtung .................................. Die "sittlich" gebotene Unterhaltsbeziehung ...................... "Unterhaltsersatzleistungen" als Unterhalt ......................

164 166 167 168

321.2 321.3 321.4 321.5 322 322.1 322.2 322.3 323 33 34 4 41 42 43

Der für das Bestehen der Unterhaltsbeziehung maßgebliche Zeitpunkt bzw. Zeitraum ............................................ Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Der Zeitraum des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes ........ Die vorausgesetzte Dauer der tatsächlichen Unterhaltsgewährung ..

163

168 168 169 170 173 175 175 175 176 177 178 179 180 180 183 184

Zweiter Abschnitt

Die sich aus dem Unterhaltsrecht ergebenden Beziehungen

186

14. Kapitel: Die Auswirkungen der Sozialleistungen auf die Leistungs-

fähigkeit des Empfängers ........................................ 186

1 11 12 2

Die Auswirkungen zweckbestimmter Leistungen auf die Leistungsfähigkeit des Empfängers ........................................ 187 Unmittelbar zweckbestimmte Leistungen ........................ 187 Mittelbar zweckbestimmte Leistungen ............................ 190

21 22

Die Auswirkung nicht zweckbestimmter Leistungen auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ........................ 194 Allgemein ...................................................... 194 Die Auswirkung von Unterhaltsersatzleistungen .................. 194

3

Die Verpflichtung zur Geltendmachung von Sozialleistungen ...... 196

XII

Inhaltsverzeichnis

15. KapiteL: Die Auswirkungen der Sozialleistungen auf die Bedürftigkeit

des Empfängers

1 11 111 112 12 121 122 123 13

2 21 22 23

................................................ 196

Minderung oder Beseitigung der Bedürftigkeit .................. Die Auswirkung subsidiär-familienabhängiger Sozialleistungen auf die Bedürftigkeit ................................................ Allgemein ...................................................... Die "Reflexwirkungen" insbesondere der sozialhilferechtlichen Verschonungen auf das Unterhaltsrecht .............................. Die Auswirkungen nicht subsidiärer Leistungen auf die Bedürftigkeit ............................................................ Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Kindergeld und Nichtehelichen-Unterhalt ........................ Der "Anspruch auf Entbindungskosten", die "Sechswochenkosten" und Sozialleistungen ............................................ Kumulation von Unterhalt und Sozialleistungen - Das Verhältnis von Waisenrente zum Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes gegen die Erben seines Vaters .................................... Einwirkung der Sozialleistungen auf Voraussetzung und Umfang der Bedürftigkeit ............... '" .............................. Unterhaltsbedürftigkeit trotz der Innehabung bestimmter Vermögenswerte .................................................... Der Anspruch auf Vorsorge ...................................... Unterhalt zum Ausgleich von Versorgungsnachteilen ..............

196 196 196 198 207 207 209 210 211 214 214 217 219

Dritter Abschnitt

Die sich aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung ergebenden Beziehungen

221

16. KapiteL: Die sich aus dem "Entweder-Oder" von Unterhalt oder Lei-

stungen der sozialen Sicherheit ergebenden Beziehungen .......... 222

121 122 123 13

Unterhalt oder subsidiär-familienabhängige Sozialleistungen .... Die Berücksichtigung der Fürsorge bzw. der Sozialhilfe bei der Ausgestaltung des Unterhaltsrechts .............................. Öffentlich-rechtliche Unterhaltspflichten im Fürsorge- bzw. im Sozialhilferecht ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Familiennotgemeinschaft .................................... Die eheähnliche Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Bedarfsgemeinschaft ........................................ Öffentlich-rechtliche Unterhaltspflichten in sonstigen Gesetzen ....

2

Unterhalt und nicht subsidiär-familienabhängige Sozialleistungen 233

11 12

222 222 225 226 230 230 231

17. KapiteL: Die sich aus dem Zusammenhang von Unterhalt und Leistun-

gen der sozialen Sicherheit ergebenden Beziehungen . . . . . . . . . . . . .. 235

1

Die Funktionsteilung bei der Umverteilung zwischen den Generationen .......................................................... 235

2

Die Bedeutung des familiären Unterhalts für die Umverteilung von Sozialleistungen ............................................ 238

Inhaltsverzeichnis

XIII

Vierter Abschnitt

Zusammenfassung und Ergebnisse

241

18. Kapitel: Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und den

Sachsystemen sozialer Sicherung ................................ 241

1 11 12 13 14 15 2 21 22 23 3 31 32 33 4 41 42

Die Beziehungen zwischen dem familiären Unterhalt und den Ausgleichssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Unterhalt und Sozialhilfe ........................................ Unterhalt und Jugendhilfe ...................................... Unterhalt und Ausbildungsförderungsleistungen .................. Unterhalt und Wohngeld ........................................ Unterhalt und allgemeiner Familienlastenausgleich .............. Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und den Vorsorgesystemen ........................................................ Die Ausgangstatbestände ........................................ Auswirkungen der Leistungen auf die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit .................................. Die Unterhaltsberechtigung als Kriterium der abgeleiteten bzw. abgeleitet-mittelbaren Zuordnung der Angehörigen .............. Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und den Entschädigungssystemen ............................................ Die Ausgangstatbestände ........................................ Auswirkungen der Leistungen auf die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Unterhaltsberechtigung als Zuordnungskriterium ............

241 241 245 245 246 246 248 248 249 249 253 253 254 254

Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und den Mischsystemen ........................................................ 254 Die FamiIienabhängigkeit der Leistungen ........................ 255 Die Auswirkungen der Leistungen auf die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit ............................ 255

19. Kapitel: Der Unterhaltsverband und die Leistungen der sozialen

Sicherheit

1 11 111 112 113 12 121 122 123 124 125 2

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 256

Der sozialrechtlich-relevante Unterhaltsverband .................. Der in den Einzelsystemen relevante Unterhaltsverband .......... Ausgleichssysteme .............................................. Vorsorgesysteme ................................................ Entschädigungssysteme .......................................... Die einzelnen Mitglieder des sozialrechtlich-relevanten Unterhaltsverbandes ...................................................... Die Ehegatten .................................................. Die Kinder ...................................................... Die Eltern ...................................................... Der frühere, insbesondere der geschiedene Ehegatte .............. Nicht unterhaltsberechtigte oder -verpflichtete Personen ..........

256 257 257 258 260 261 261 262 264 264 265

Die Einwirkungen des Sozialrechts auf den familiären Unterhaltsverband ........................................................ 266

XIV

Inhal tsverzeichnis DRITTER TEIL Kritische Betrachtung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit

269

Erster Abschnitt

Die Maßstäbe der Kritik

270

20. Kapitel: Die Vorordnung der Beziehungen zwischen familiärem Unter-

halt und Leistungen der sozialen Sicherheit insbesondere durch das Grundgesetz .................................................... 271

1 11 12 121 122 13 131 132

Das Verhältnis des einzelnen zum Staat .......................... Menschenwürde, Rechtsstaat und Sozialstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Freiheitsrechte .............................................. Die Abwehrrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die sozialen Grundrechte ........................................ Der Gleichheitssatz .............................................. Der allgemeine Gleichheitssatz .................................. Besondere Gleichheitssätze ......................................

271 272 273 273 274 275 276 277

2 21 211 212 213 214 22 23

Das Verhältnis der Familie zum Staat ............................ Die Institutsgarantie ............................................ Der allgemeine materielle Gehalt der Institutsgarantie . . . . . . . . . . .. Die Funktionen von Ehe und Familie ............................ Die Institutsgarantie des familiären Unterhaltsverbandes ........ Das Subsidiaritätsprinzip - Die Aushilfsfunktion des Staates .... Das Verbot der Benachteiligung von Ehe und Familie ............ Das Gebot der Förderung von Ehe und Familie ..................

279 280 280 281 283 283 284 285

3

Die Vorordnung der Ausgestaltung des Systems sozialer Sicherung insbesondere durch das Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 286

21. Kapitel: Die Risiken ............................ , ................... 289

1 11 111 112 12

Die allgemeinen Risiken ........................................ Die Ursachen .................................................... Typische Ursachen .............................................. Atypische Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Folgen ......................................................

289 290 290 291 292

2 21 211 212 212.1 212.2 22

Die unterhaltsbedingten Risiken ................................ Die Angewiesenheit auf Unterhalt .............................. Familiäre Rollen und Angewiesenheit auf Unterhalt .............. Die Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Wegfall, Ungenügen oder Ausbleiben des Unterhalts .... , ......... Die Abhängigkeit von dem Unterhaltsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Leistung von Unterhalt ......................................

293 293 293 295 295 297 297

Inhaltsverzeichnis

xv

Zweiter Abschnitt Kritische Betrachtung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit

299

22. Kapitel: Sicherungslücken .......................................... 300 1

Lücken in der Grundsicherung .................................. 300

2 21 211 212 22

Lücken in der gehobenen Sicherung .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Begrenzung des -gesicherten Personenkreises .................. Die Begrenzung des unmittelbar gesicherten Personenkreises .... Die Begrenzung des abgeleitet gesicherten Personenkreises ........ Die Beschränkung der Sicherung auf bestimmte Risiken - Das Risiko des "Ausfalls persönlichen Unterhalts" .................... Zur Notwendigkeit einer Unfallversicherung für Hausfrauen ...... Die Beschränkung der Vorsorgesysteme auf bestimmte Unterhaltsrisiken .......................................................... Speziell: Keine Sicherung bei Ausfall des persönlichen Unterhalts - Zum Unterhaltsbegriff in den Vorsorgesystemen ..............

221 222 223 3 31 32

303 303 303 305 306 306 308 309

Lücken im Familienlastenausgleich .............................. 318 Keine Sicherung bei Ausfall persönlichen Unterhalts ............ 318 Zum fehlenden Muttergeld ...................................... 319

23. Kapitel: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen .............. 320 1 11 12 13

Die Die Die Die

subsidiär-familienabhängiger Leistungssysteme .. der Sozialhilfe .................................. der Ausbildungsförderung ...................... der Arbeitslosenhilfe ............................

321 321 322 324

2 21

Die Effektivität der Absicherung der Unterhaltsrisiken . . . . . . . . . . .. Die Gefährdung der abgeleitet-mittelbar gesicherten Angehörigen im Krankheitsfalle durch die ausschließliche Anspruchsberechtigung des unmittelbar Gesicherten ................................ Das Ungenügen der Hinterbliebenensicherung .................... Das Genügen der Leistungen an Hinterbliebene .................. Die bedingte Sicherung .......................................... Das übermaß an Sicherung ......................................

324

22 221 222 223 3 31 311 312 313 32 321 322 323

Effektivität Effektivität Effektivität Effektivität

Die Effektivität des Familienlastenausgleichs .................... Die auszugleichenden Unterhaltsrisiken .......................... Der "Kinderlastenausgleich" -Zur Notwendigkeit eines "schichtenspezifischen" Kinderlastenausgleichs ............................ Der Ausgleich des dem Ehegatten erbrachten Unterhalts .......... Unterhaltsbelastungen durch sonstige Personen .................. Die Effektivität der Ausgleichsleistungen ........................ Die Effektivität des Kinderlastenausgleichs ...................... Der Ausgleich zugunsten der Mütter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Der Ausgleich sonstiger Unterhaltslasten ........................

325 327 327 329 337 339 339 339 346 348 348 348 351 353

XVI

Inhaltsverzeichnis

24. Kapitel: Ungleiche Regelungen ...................................... 354 1 11 12 121 122 13 14 2 21 22

Ungleiche Regelungen innerhalb der Sozialleistungssysteme ...... Die unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen (allgemein) ...... Speziell: Die unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen bei Ehegatten - Das Problem der Witwerrente .......................... Die Witwerrente in den Rentenversicherungen .................... Die Witwerrente in Entschädigungssystemen .............. '" ..... Die "übersteigerung der Verdienerrolle" - Gleichheitswidrige Ausgestaltung der Sicherung des nichterwerbstätigen Ehegatten .. Die nach dem Tode des Verdieners eintretende Individualisierung des Unterhaltsverbandes ........................................

354 354 357 359 363 366 369

Ungleiche Regelungen zwischen Unterhalts- und Sozialrecht ...... 370 Die "Reflexwirkungen" der sozialhilferechtlichen Verschonungen als unzulängliche Korrektur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 370 Die Notwendigkeit differenzierender Heiratswegfallklauseln bei Kindern bzw. Waisen ............................................ 371

25. Kapitel: Einwirkungen des Sozialrechts auf hÖchstpersönliche Entscheidungen der Empfänger von Sozialleistungen ................ 377 1 11

111 112 12 2

Einwirkung durch Vorenthaltung von Sozialleistungen ............ Der Wegfall von Sozialleistungen infolge (Wieder-)Heirat ........ Der Wegfall von Sozialleistungen infolge Wiederheirat des hinterbliebenen Ehegatten .......................... . . . . . . . . . . . . . . . . .. Der Wegfall der Sozialleistungen bei Heirat der Waisen .......... Der Unterhaltsverzicht ..........................................

378 378 378 381 382

Einwirkung durch Gewährung von Sozialleistungen - Zur Zulässigkeit eines "Kinderlastenausgleichs" ............................ 386

26. Kapitel: Die Verteilung der Verantwortung zwischen Staat und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 388 1

Die Vergesellschaftung der Altenversorgung ...................... 388

2

Die Unterhaltspflicht gegenüber Aszendenten .................... 390

Dritter Abschnitt

Vorschläge zur Reform

394

27. Kapitel: Die Reform der Sicherung der Ehegatten .................... 395 1

Aufgaben der Reform ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 395

2 21 211 212 22 221 222

Die Vorschläge zur Reform ............... '" .................... Die in der Literatur gemachten Vorschläge ...................... Vorschläge im Rahmen des bisherigen Systems .................. Vorschläge mit Alternativen zum heutigen System ................ Gesetzentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Ehereformgesetze (EheRG) .................................. Das Rentenreformgesetz (RRG) ..................................

396 398 398 401 409 409 417

Inhaltsverzeichnis 3 31 32 33 331 331.1 331.2 331.3 331.4 331.5 331.6 331.7 331.8 332 333 334 34 35

Ein Vorschlag zur Reform ............................ , ........... Die Grundsätze .................................................. Die Sicherung der vollständigen Familie ........................ Die Auflösung der Ehe .......................................... Die Auflösung durch Tod ........................................ Der alte oder erwerbsunfähige Ehegatte .......................... Der berufsunfähige Ehegatte .................................... Der voll erwerbsfähige Ehegatte ................................ Nachträgliche Erwerbsunfähigkeit und nachträgliches überschreiten der Altersgrenze ................................................ Die kurzfristige Ehe ............................................ Der hinterbliebene Ehegatte mit Kindern ........................ Die Familienrente .............................................. Hinterbliebenenrente und eigene soziale Sicherung .............. Die Auflösung der Ehe durch Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Das Getrenntleben .............................................. Die Wiederheirat ................................................ Realisierung des Vorschlags im Beamtenrecht .................... Die Finanzierung des Vorschlages ................................

28. Kapitet: Die Reform des Familienlastenausgleichs

1

XVII 419 419 420 420 420 420 422 423 423 424 424 425 425 426 428 428 430 430

.................. 431

Aufgaben der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 431

2 21 211 212 213 214 22

Vorschläge zur Reform .......................................... Vorschläge zur Verbesserung des Kinderlastenausgleichs .......... Die Einführung eines einheitlichen Kindergeldes . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Einführung eines Familienvollsplittings ...................... Verbesserung des heutigen Systems .............................. Eigener Vorschlag zur Reform .................................. Vorschläge zur Durchführung eines Ausgleichs zugunsten der Mütter .......................................................... 221 Vorschläge zur Durchführung eines Einkommensausgleichs zugunsten nicht-erwerbstätiger Mütter ................................ 221.1 Einführung eines "Muttergeldes" ................................ 221.2 Beschränkung des Splittings .................................... 222 Eigener Vorschlag zur Durchführung eines Einkommensausgleichs zugunsten nicht-erwerbstätiger Mütter .......................... 223 Vorschläge zur Durchführung eines Ausgleichs des Versorgungsnachteiles nicht-erwerbstätiger Mütter .......................... 224 Eigener Vorschlag zur Durchführung eines Ausgleichs des Versorgungsnachteiles nicht-erwerbstätiger Mütter .................. 23 Der Ausfall des Trägers persönlichen Unterhalts ................

433 434 434 437 440 440 442 442 442 445 448 449 451 454

Literaturverzeichnis

455

Register

472

Ahkürzungsverzeichnis* AA

a.A. abl. AcP a.E. AEMR a.F. AFG AG amt!. ÄndG AN AngVers. AnV AnVNG AöR AP Arb. Vers. Art. ArV AuS AusbFG AVAVG AVG BABl. bad. Bad.-Württ. BAH

Das Arbeitsamt (Zeitschrift) anderer Auffassung ablehnend Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Allgemeine Erklärung der Menschenrechte alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Amtsgericht amtlich Änderungsgesetz Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamts (Zeitschrüt) Die Angestelltenversicherung (Zeitschrift) Angestelltenversicherung Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetz Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Arbeitsrechtliche Praxis Die Arbeiterversorgung (Zeitschrift) Artikel Arbeiterrentenversicherung Arbeit und Sozialpolitik (Zeitschrift) Ausbildungsförderungsgesetz Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversiche~ rung Angestelltenversicherungsgesetz Bundesarbeitsblatt (Zeitschrift) badisch Baden-Württemberg Bundesamt für das Heimatwesen (Entscheidungen des -s)

'" Soweit in diesem Abkürzungsverzeichnis Gesetze oder Verordnungen ohne Angabe ihres Fundortes in den amt!. Sammlungen aufgeführt sind, sind die Gesetze in den Sammlungen: Schönfelder, Deutsche Gesetze; Sartorius, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze der Bundesrepublik; Sartorius, Europa-Recht und andere internationale Verträge; Luber, Deutsche Sozialgesetze oder in der Textsammlung Steuerrecht (Beck-Verlag) enthalten. Zeitschriften werden nach Erscheinungsjahr und Seite (Spalte) zitiert.

Abkürzungsverzeichnis BAnz BArbG Bay. BayObLG BayObLGSt BayVBI. BayVGH BAT BB BBesG BBG Bd. BEG BerI. Betr. BEvG BFH BG BGB BGBI. BGH BGHSt. BGHZ BhV BKGG BKK BI. BIStSozArbR BMA BMI Breith. Brem. BRD BRRG BSeuchG BSG BSGE BSHG BStBI. BT-Dr.

XIX

Bundesanzeiger Bundesarbeitsgericht Bayer, Bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des BayObLG in Strafsachen Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bayerischer Verfassungs gerichtshof Bundesangestelltentarif Der Betriebsberater Bundesbesoldungsgesetz Bundesbeamtengesetz Band Bundesentschädigungsgesetz Berlin, Berliner Der Betrieb (Zeitschrift) Bundesevakuiertengesetz Bundesfinanzhof Beamtengesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Strafsachen, Bd. Entscheidungen des BGH in Zivilsachen, Bd. Beihilfevorschriften Bundeskindergeldgesetz Die ~etriebskrankenkasse (Zeitschrift) Blätter Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Bundesminister des Innern Sammlung von Entscheidungen der Sozialversicherung, Versorgung und Arbeitslosenversicherung Bremen, Bremer Bundesrepublik Deutschland Beamtenrechtsrahmengesetz Bundesseuchengesetz Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts, Bd. Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache (römische Zahlen Legislaturperiode)

xx Bulletin BVBl. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BVFG DAVorm. DE DJ DJT DöD DöV DR DRiG DRiZ DStR DVBl. DVO DVZ EFG EheG EheRG ErsDiG EuM EuSCh FamRZ FAZ FG FEVS FinA FinÄndG FinR FlüHG FRG GAL GE GG GMBl. GS

Abkürzungsverzeichnis Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Bundesversorgungsblatt Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des BVerfG, Bd. Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des BVerwG, Bd. Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) Der Amtsvormund (Zeitschrift) Reformdiskussionsentwurf (s. Literaturverzeichnis) Deutsche Justiz (Zeitschrift) Deutscher Juristentag Der öffentliche Dienst (Zeitschrift) Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Recht (Zeitschrift) Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Durchführungsverordnung Deutsche Versicherungszeitschrift Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Ehegesetz Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts Ersatzdienstgesetz Entscheidungen und Mitteilungen des RVA Europäische Sozial charta Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzgericht Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte Finanzarchiv (Zeitschrift) Finanzänderungsgesetz Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Flüchtlingshilfegesetz Fremdrentengesetz Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte Grundsätzliche Entscheidung des RVA Grundgesetz Gemeinsames Ministerialblatt Gesetzessammlung

Abkürzungsverzeichnis GS GVBI. Hess. HdSW HKG IAO Inf. f. d. Frau i. V.m. JöR JR JRPV Jur. BI. JuS JW JWG JZ KG KnV KOF KOF-VO KVÄndG KZfSS LAA LAG LAG LBesG LG LM LSG LVA LVG LZ MDR MRK MTV MuSchG NBZ Nds. NdsRPfl. NDV

XXI

Großer Senat Gesetz- und Verordnungsblatt Hessen, Hessisch Handwörterbuch der Sozialwissenschaften (s. Literatur· verzeichnis) Heimkehrergesetz Internationale Arbeitsorganisation Informationen für die Frau (Zeitschrift) in Verbindung mit Jahrbuch für öffentliches Recht (Zeitschrift) Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Rundschau für die Privatversicherung (Zeit· schrift) Juristische Blätter (Wien) (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung (Zeitschrift) Kammergericht (Berlin) Knappschaftliche Rentenversicherung Kriegsopferfürsorge Kriegsopferfürsorgeverordnung Krankenversicherungsänderungsgesetz Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Landesarbeitsamt Landesarbeitsgericht Gesetz über den Lastenausgleich Landesbesoldungsgesetz Landgericht Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des BGH Landessozialgericht Landesversicherungsanstalt bzw. -amt Landesverwaltungsgericht Leipziger Zeitschrift für das Deutsche Recht Monatszeitschrift für Deutsches Recht Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grund· freiheiten Manteltarifvertrag Mutterschutzgesetz Neue Deutsche Beamtenzeitung (Zeitschrift) Niedersachsen, niedersächsisch Niedersächsischer Rechtspfleger (Zeitschrift) Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (Zeitschrift)

XXII N.F. NJW NO NRW OLG OLG-Rspr. österr.OGH OVA OVG ParI. R pr. pr. GS RABI. RdA Rdschr. RE Recht RefE RegE Reger RFPflVO RG RGBI. RGr. RGRK RGZ Rh. Pf. RiA RKG RPfI. RRG Rspr. RT-Dr. RT-Sten. Ber. RVA RVG Rz. RzW SchI. Holst.

Abkürzungsverzeichnis Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Die Neue Ordnung (Zeitschrift) Nordrhein -Westfalen, nordrhein -westfälisch Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts österreichischer Oberster Gerichtshof Oberversicherungsamt Oberverwaltungsgericht Parlamentarischer Rat preußisch preußische Gesetzessammlung Reichsarbeitsblatt Recht der Arbeit (Zeitschrift) Rundschreiben Referentenentwurf (s. Literaturverzeichnis) Das Recht (Zeitschrift) Referentenentwurf Regierungsentwurf Entscheidungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet des Verwaltungs- und Polizeistrafrechts (einschließlich des gesamten Arbeiter-Versicherungsrechts) Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13.2. 1924 (RGBI. I, 100) Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge i. d. F. vom 4. 12. 1925 (RGBI. I, 765) Kommentar zum BGB, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern (s. Literaturverzeichnis) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, Bd. Rheinland-Pfalz, rheinland -pfälzisch Das Recht im Amt (Zeitschrift) Reichsknappschaftsgesetz Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rentenreformgesetz Rechtsprechung Reichstag-Drucksachen Reichstag-Stenographische Berichte Reichsversicherungsamt Reichsversorgungsgesetz Randzeichen Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht (Zeitschrift) Schleswig -Holstein

Abkürzungsverzeichnis SchI. H. A SchZfS SG SGb Soz.Arb. SozEntsch. Soz. Fortschritt SozR SozSich. SozVers. Staat st. StGB StuW SVG USG VersR Verf. VerwRspr. VG VGH Vhdlg(en) VO VRS VStG VVdStRL VVG WiSta. WissR WohnGG WzS ZAkDR ZBlJR ZBR ZfF ZfS ZfSH ZPO

ZSR

XXIII

Schieswig-Hoisteinische Anzeigen (Zeitschrift) Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung Sozialgericht Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Soziale Arbeit (Zeitschrift) Sozialrechtliche Entscheidungssammlung (2. Folge) Sozialer Fortschritt (Zeitschrift) Sozialrecht, bearbeitet von den Richtern des BSG, Entscheidungssammlung Soziale Sicherheit (Zeitschrift) Die Sozialversicherung (Zeitschrift) Der Staat (Zeitschrift) ständig(e) Strafgesetzbuch Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Soldatenversorgungsgesetz Unterhaltssicherungsgesetz Versicherungsrecht - Juristische Rundschau für die Individualversicherung (Zeitschrift) Verfassung Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland (Zeitschrift) Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verhandlung(en) Verordnung Verkehrsrechtssammlung (Zeitschrift) Vermögensteuergesetz Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Versicherungsvertragsgesetz Wirtschaft und Statistik (Zeitschrift) Wissenschaftsrecht - Wissenschaftsverwaltung - Wissenschaftsförderung (Zeitschrift) Wohngeldgesetz Wege zur Sozialversicherung (Zeitschrift) Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt (Zeitschrift) Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für das Fürsorgewesen Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung (Zeitschrift) Zeitschrift für Sozialhilfe Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Sozialreform

Einleitung Staatliche soziale Sicherung und familiärer Unterhalt sind durch vielfältige Beziehungen zu einem Gesamtsystem sozialer Sicherung koordiniert. Mit diesen Beziehungen wird sich die vorliegende Arbeit beschäftigen. Sie sind Folge einer historischen Entwicklung, die einerseits durch eine Struktur- und Funktionswandlung der Familie, andererseits durch das Aufkommen sozialer Sicherung gekennzeichnet ist. Solange ein (öffentlich-rechtliches) System sozialer Sicherung nicht bestand, wie etwa in der vorindustriellen Zeit, war die Familie, unterstützt allenfalls durch ständische Organisationen und die "Armenpolizei" der alleinige Träger sozialer Sicherung. Der Familientyp dieser Zeit war das "ganze Haus", d. h. die Großfamilie einschließlich der Unverheirateten und des Gesindes. Das "ganze Haus" war sowohl Produktionsgemeinschaft als auch Verbrauchergemeinschaft. "Infolge dieser doppelten Eigenschaft (war) sie das natürliche und notwendige Zentrum der Sicherheit ihrer Glieder. Die Gruppe betreut(e) ihre Kinder, ihre Alten und Kranken. Die gemeinsame Arbeit der arbeitsfähigen Familienangehörigen gewährleistet(e) den Unterhalt aller .... Das Zusammengehörigkeitsgefühl aller Angehörigen der Gruppe genügt(e) zur Gewährleistung der SicherheW." Das "Sozialsystem"2 des ganzen Hauses, das für Bauern und Handwerker gleichermaßen Geltung hatteS, löste sich infolge der Industrialisierung auf. Wie noch ausführlich zu zeigen sein wird, ist heute die Klein- oder Kernfamilie vorherrschend. Die Auflösung des großfamiliären Sozialsystems machte die neuen Sicherungsformen notwendig, die heute das System sozialer Sicherung bietet. Die neuen Sicherungsformen - vor allem sei die Sozialversicherung genannt - haben der Familie jedoch nicht alle Sicherungsfunktionen genommen. Schon allein die Tatsache, daß bestimmte Familienmitglieder nach bürgerlichem Recht einander unter bestimmten Voraussetzungen Unterhalt schulden, läßt das zumindest teilweise Fortbestehen alter Sicherungsfunktionen deutlich werden. Damit soll nicht gesagt werden, daß dem familiären Unterhalt nur eine Sicherungsfunktion 1 LaToque, Die soziale Sicherheit und die anderen sozialen Einrichtungen, Bulletin der Internationalen Vereinigung für soziale Sicherheit 1952, 161. 2

3

SchäfeT, S. 119. SchmolleT, Die soziale Frage, 1918, S. 326.

1 Ruland

2

Einleitung

zukommt; betont sei lediglich, daß ihm eine solche Funktion nicht abgesprochen werden kann, ihm von dem System sozialer Sicherung auch nicht abgesprochen wird, da es sich im wesentlichen auf die Absicherung bestimmter typischer Risiken beschränkt und eine allgemeine Grundsicherung in Form der Sozialhilfe grundsätzlich nur dann gewährt, wenn der familiäre Unterhaltsverband eine hinreichende Sicherung nicht mehr gewährleisten kann. Alte und neue Sicherungsformen bestehen also nebeneinander. Dieses Nebeneinander führte zu bestimmten Regeln, die es zu einem sinnvollen Ganzen, zu einem, wie es im folgenden genannt werden soll, Gesamtsystem sozialer Sicherung koordinieren sollen. Diese Regeln der Koordination von Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit stellen die zwischen diesen bei den Bereichen des Gesamtsystems sozialer Sicherung bestehenden Beziehungen dar. Ein Grundtyp der Beziehungen folgt aus den Bestimmungen des Unterhalts- und des Sozialrechts, die die Rangfolge zwischen Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit und damit auch die Rangfolge der Hilfsverpflichtung der jeweiligen Träger, also Familie und Staat (bzw. Versichertengemeinschaft) regeln. Sie bestimmen, wann Sozialleistungen Unterhalt verdrängen und wann Sozialleistungen durch die Möglichkeit, Unterhalt zu erlangen, ausgeschlossen sind. Familie und Staat stehen sich insoweit als Subjekte sozialer Sicherung gegenüber. Bei Einführung jeder Sozialleistung - soweit sie nicht durch Beiträge oder Dienste "erkauft" ist - stellt sich die Frage (meistens die Streitfrage): entweder Unterhalt und nur subsidiär Sozialleistung oder Sozialleistung, die den Unterhalt dann ausschließt. Bei der Ausbildungsförderung dauert die Diskussion darüber heute noch an. Bei der Sozialhilfe ist zwar der grundsätzliche Vorrang des familiären Unterhalts unbestritten, gilt aber längst nicht mehr für alle Hilfsleistungen und ist bei ihrem weiteren Ausbau einer ständigen überprüfung unterzogen. Das wegen der subsidiären Verpflichtung der Sozialhilfe ohnehin nicht ausschließliche "Entweder-Oder"· zwischen Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit ist zwar eine Beziehung, die sich mit jeder Sozialleistung ergibt. Sie ist aber doch nur eine der möglichen Beziehungen, denn familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit sind im Gesamtsystem sozialer Sicherung nicht nur Alternativen - sie sind als Sicherungsformen auch eng miteinander verzahnt. Das zeigt sich schon darin, daß dann, wenn die Familie eine ihr auferlegte Unterhaltspflicht nicht oder nicht voll erfüllen kann, die staatliche Sozialhilfe einspringt. Die Verzahnung von Staat und Familie als den Trägern sozialer Sicherung zeigt sich insbesondere an den beiden weiteren Grundtypen

Einleitung

3

der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit: Leistungen der sozialen Sicherheit als Absicherung des Unterhaltsverbandes bei bestimmten typischen Risiken und Leistungen der sozialen Sicherheit als Ausgleich bestimmter Unterhaltsbelastungen. Die erste dieser bei den Beziehungen ergibt sich aus folgendem: Das System sozialer Sicherung - vor allem seine Systeme gehobener sozialer Sicherung (Sozialversicherung und Beamtenversorgung) - hat sich früher weitgehend darauf beschränkt, den einzelnen, der ihm z. B. durch seine Erwerbstätigkeit zugeordnet war, auch nur als einzelnen zu sichern. Dieser Standpunkt ist nach und nach aufgegeben worden. Immer mehr erfaßt das System sozialer Sicherung den einzelnen in und entsprechend seiner familiären Rolle, die meisten unmittelbar Gesicherten also in ihrer "Verdienerrolle", und gewährt den davon abhängigen Familienmitgliedern ebenfalls - allerdings abgeleiteten - Schutz. Zum Kriterium der in die Sicherung einführenden Abhängigkeit ist die Unterhaltsbeziehung zum "Verdiener" geworden. Beispielhaft hierfür ist die Entwicklung der Rentenversicherung~. Das Gesetz über die Invaliditäts- und Alterssicherung aus dem Jahre 1889 sah noch keine Sicherung der hinterbliebenen Angehörigen des Versicherten vor. Diese wurde erst durch die RVO im Jahre 1911 eingeführt. Die Leistungen an Hinterbliebene sichern - worüber ausführlich zu sprechen sein wird - diese bei dem Verlust ihres Unterhaltsträgers, stellen also eine Absicherung der über den familiären Unterhalt vermittelten Sicherung dar. Entsprechendes trifft z. B. auch für die Krankenversicherung zu, die den Angehörigen der Versicherten, soweit sie diesem gegenüber unterhaltsberechtigt sind, Familienhilfe gewährt (§ 205 RVO); nichts anderes gilt auch für die beamtenrechtliche Beihilfe. Damit ist nur ein Aspekt des Schutzes angesprochen, mit dem diese (gehobenen) Sicherungssysteme den familiären Unterhaltsverband umgeben. Der andere Aspekt ist der, daß jede Sozialleistung, die bei Krankheit, Alter oder Arbeitslosigkeit das infolge dieses Risikos weggefallene Erwerbseinkommen ersetzt, ihrem Empfänger nicht nur die Möglichkeit einräumt, sich selbst zu unterhalten, sondern auch die, seinen Angehörigen weiterhin Unterhalt zu gewähren. Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit ergänzen demnach einander als Sicherungsformen. Darüber hinaus ist die Unterhaltsbeziehung in den Fällen, in denen Angehörige mit in den Schutz gehobener sozialer Sicherung einbezogen werden, wie noch ausführlich darzustellen sein wird, Voraussetzung für Leistungen der sozialen Sicherheit zugunsten dieser Angehörigen. 4 Für die Beamtenversorgung gilt dem Grundsatze nach nichts anderes, vgl. Jacob, Witwenschaft, S. 13 f.

4

Einleitung

Die Einführung des Familienlastenausgleichs, der bis 1954 als besondere Institution dem deutschen Sozialrecht fremd war, schuf neue Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit. Die Familie als Institution wurde zum Objekt staatlichen Schutzes. Ihre besonderen Lasten, hervorgerufen insbesondere durch den den Kindern gewährten Unterhalt, sind Ausgangstatbestände staatlicher Sozialleistungen geworden. Damit sind nur die Grundtypen der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit angesprochen. Auf die sich aus diesen Grundtypen ergebenden weiteren Beziehungen einzugehen, würde den Rahmen der Einleitung überschreiten. Die vorliegende Arbeit will zunächst die Beziehungen, so wie sie im derzeit geltenden Unterhalts- und Sozialrecht angelegt sind, erarbeiten (Zweiter Teil), was zunächst voraussetzt, daß Unterhalts- und Sozialrecht als Grundlagen dieser Beziehungen zumindest in ihren Grundzügen dargestellt werden (Erster Teil). Mit der Darstellung soll gleichzeitig versucht werden, das Geflecht an Beziehungen, das Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit durch das sich gegenseitige Bedingen, Ergänzen und Ausschließen geschaffen haben, mittels einer Systematisierung der Beziehungen aufzulockern und durchsichtiger zu machen. Desweiteren wird sich die Arbeit darum bemühen, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Beziehungen im Gesamtsystem sozialer Sicherung deutlich werden zu lassen. So wird sie z. B. dem Zusammenhang zwischen den Alterssicherungssystemen und dem Familienlastenausgleich nachfragen und, um ein Detail anzusprechen, die Frage aufwerfen, ob die Beiträge zur Rentenversicherung, mit denen auch die (späteren) Ansprüche der Hinterbliebenen auf Rente erworben werden, nicht eine Art vorweggenommenen Unterhalts für diese sind. Ziel der Darstellung der Beziehungen ist es insgesamt, die Strukturen des sich aus Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit zusammensetzenden Gesamtsystems sozialer Sicherung herauszufinden. Darüber hinaus schien eine kritische überprüfung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit angebracht. Mit ihr sollen Antworten insbesondere auf die Fragen gefunden werden, ob familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit als Gesamtsystem sozialer Sicherung dem einzelnen, aber auch der Familie als Gruppe einen effektiven sozialen Schutz bieten, d. h. also, ob Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit nahtlos und sinnvoll koordiniert sind, und ob die Ausgestaltung der Beziehungen der rechtlichen Verordnung insbesondere durch das GG entspricht (Dritter Teil). Die Arbeit will aber nicht nur Kritik üben. Sie würde damit in einigen Punkten offene Türen einrennen. Heute ist sowohl in der wissen-

Einleitung

5

schaftlichen wie auch in der politischen Diskussion anerkannt, daß die über den Unterhalt vermittelte soziale Sicherung des nicht-erwerbstätigen Ehegatten insbesondere im Falle der Scheidung unzulänglich ist. Es besteht auch kaum Streit darüber, daß der Familienlastenausgleich reformbedürftig ist. In beiden Fällen geht die heutige Diskussion nicht mehr so sehr um das "ob", sondern vielmehr um das "wie" einer Reform. Vor allem auch hierzu hat die Arbeit Stellung zu nehmen. Sie wird es auch tun und das Wagnis auf sich nehmen, in beiden Fragen eigene Reformvorschläge zu entwickeln. Daher versteht sie sich auch als Beitrag zur Reform der sozialen Sicherung des nicht-erwerbstätigen Ehegatten und als Beitrag zur Reform des Familienlastenausgleichs. Aber nicht allein diese aktuellen Fragen waren der Anlaß zu der vorliegenden Arbeit. Eine umfassende Untersuchung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit fehlte bisher5 und ihr Fehlen ist bislang auch des öfteren beklagt worden 6 • Die Fülle und die Verschiedenartigkeit der Beziehungen hat dazu geführt, daß die ihnen zuteil gewordene Behandlung immer nur mehr oder weniger punktuell war, von einer bestimmten Leistung der sozialen Sicherung und ihrer Beziehung zum familiären Unterhalt ausging7 • Dabei ist nicht nur das sich aus familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit zusammengesetzte Gesamtsystem sozialer Sicherung im Dunkeln geblieben; auch der Zusammenhang zwischen den einzelnen Beziehungen ist in den Hintergrund gedrängt worden. Der punktuelle Ansatz hatte zur Folge, daß gleichgelagerte Probleme nicht nur isoliert erörtert, von der Rechtsprechung verschieden beurteilt erinnert sei hier nur an die voneinander abweichenden Entscheidungen des BVerfG zur Sicherung des Witwers im Beamtenversorgungs- und 6 Vgl. inzwischen: Ruland, Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit, FamRZ 1972, 537 ff. 6 Müller, Kindergeld und Unterhalt, ZBlJR 1966, 313 (315); Zacher, Diskussionsbeitrag, in: Vhdlgen des 47. DJT, S. 0 130. 7 Einen umfassenderen überblick gibt lediglich der Band: Ehe und Familie, a.a.O., mit Referaten von Thieme, Schettler, Rohwer-Kahlmann, Reinhold, Wekel, Sieg, Stein und Cramer; aber auch in ihm werden z. B. die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Sozialhilfeleistungen nicht behandelt und in ihm findet sich auch keine Darstellung des aus familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit zusammengesetzten Gesamtsystems sozialer Sicherung. An Literatur zum ausländischen Recht seien beispielsweise genannt: Durand, Le droit de la famille devant le droit sodal, Bulletin de la socil~te de la legislation comparee 1954, 533 ff.; Färber, ZSR 1971, 257 ff.; 460 ff.; Höter, a.a.O.; Imlau, Familie und soziale Sicherheit in Frankreich, Diss. jur. Köln, 1969; ders., ZSR 1972, 341 ff., 401 ff., 531 ff.; Tuchmann-Boudouresque, La famille fran!;aise au droit dvil et a la legislation sociale, Diss. jur. Straßbourg, 1964.

Einleitung

6

im Sozialversicherungsrecht -, sondern auch von dem Gesetzgeber unterschiedlich geregelt wurden. Als Beispiel mag die Behandlung des Unterhaltsverzichts gegenüber subsidiär-familienabhängigen Sozialleistungen dienen, die aber auch in jedem System sozialer Sicherung, in dem sich diese Frage stellt, verschieden ist. Notwendig scheint also nicht nur, die Fülle von Querverbindungen zwischen Unterhalts- und Sozialrecht aufzuzeigen, sondern auch vergleichbare, bisher isoliert gesehene Probleme zu bündeln und - soweit wie möglich - einer einheitlichen Lösung zuzuführen. Dieses weit gesteckte Ziel macht eine möglichst umfassende Betrachtung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit erforderlich. Eine Begrenzung des Themas auf einzelne Bereiche sozialer Sicherung hat sich mit dieser Zielsetzung das sei auch im Hinblick auf den Umfang der Arbeit gesagt - nicht vereinbaren lassen. Dennoch erhebt sie nicht den Anspruch, jede nur mögliche Beziehung zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit abgehandelt zu haben. Sie beschränkt sich bewußt auf Schwerpunkte. Sie erhebt auch nicht den Anspruch, die einzelnen behandelten Probleme jeweils voll ausgelotet zu haben. Das war wegen der Fülle des Stoffes nicht möglich. Jedoch ist versucht worden, die wichtigsten Argumente jeweils für das Pro und Contra zu finden. Die Arbeit ist im Dezember 1971 abgeschlossen und als Dissertation der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes vorgelegt worden. Für die Drucklegung sind Gesetzesänderungen, neuere Literatur und Rechtsprechung bis Anfang Oktober 1972 eingearbeitet worden. Das Rentenreformgesetz (RRG) vom 18.10. 19728 konnte hingegen nicht mehr berücksichtigt werden, da dies zu viel Zeit in Anspruch genommen und die Veröffentlichung dieser Arbeit unverhältnismäßig lange hinausgezögert hätte. Das erschien, da sich die Arbeit mit aktuellen Reformvorhaben beschäftigt, unvertretbar. Das RRG hat auch keine grundlegenden Änderungen für die hier interessierenden Themenbereiche gebracht. -

Nach § 1265 S. 2 RVO n. F. (entsprechend §§ 42 S. 2 AVG; 65 S. 2 RKG) erhält eine geschiedene Frau, wenn keine Witwenrente zu gewähren ist, nunmehr nicht nur dann Rente nach dem Tode ihres früheren (versicherten) Ehemannes, wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten nicht bestand, sondern auch dann, 8

BGBl. I, 1965.

Einleitung

7

a) wenn dies wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit nicht der Fall war; b) sie erhält weiter dann Rente, wenn sie im Zeitpunkt der Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen oder das 45. Lebensjahr vollendet hatte und c) solange sie berufsunfähig (§ 1246 Abs. 2 RVO) oder erwerbsunfähig (§ 1247 Abs. 2 RVO) ist oder mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht d) oder wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hat. Zu dieser Änderung ist zu sagen, daß sie die Mängel der bisherigen Sicherung des geschiedenen Ehegatten, mit der sich diese Arbeit intensiv beschäftigen wird 9, auch wieder nur an Symptomen kuriert, ohne den Grund der Mängel zu beseitigen oder auch nur zu ihm vorzustoßen. Systematisch läßt sich diese Änderung auch nicht mit der "Unterhaltsersatzfunktion" der bisherigen Hinterbliebenenrenten vereinbaren. Gegen die Neufassung des § 1265 Satz 2 RVO lassen sich die gleichen Einwände erheben wie gegen § 1265 Satz 2 RVO in seiner bisherigen Fassung10 • Auf sie soll daher verwiesen werden. Diese Änderung des § 1265 Satz 2 RVO veranlaßte den Verfasser daher in keinem Punkt, seine Kritik an der sozialen Sicherung der Ehegatten im geltenden Recht zurückzunehmen. Im Gegenteil: Er möchte dringend davor warnen, sich mit einer solchen "Flickschusterei" zu begnügen, statt - wie es notwendig ist - von Grund auf zu reformieren. Ein solches Kurieren an Symptomen hat auch als übergangslösung wenig Sinn, weil solche unsystematischen Vorschriften wegen ihrer Unstimmigkeit mit dem übrigen System letztlich mehr Härten und Ungerechtigkeiten mit sich bringen als Begünstigungen. Zu einer stabilen Sicherung führen sie allemal nicht. -

Das Wieder aufleben einer Hinterbliebenenrente bei Auflösung einer nach dem Tod des ersten Ehegatten geschlossenen weiteren Ehe ist gemäß § 1291 Abs. 1 RVO neue Fassung (entsprechend §§ 68 Abs. 2 AVG, 63 Abs. 2 RKG) nicht mehr davon abhängig, daß die Scheidung "ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe oder des Witwers erfolgte". Diese Änderung unterstreicht, wie berechtigt die in dieser Arbeit an der bisherigen Regelung geübte Kritik l1 war.

23. Kap., sub 22. 23. Kap., Text zur Anm. 53-58; siehe auch 27. Kap., Text zu Anm. 115 bis 119. 11 23. Kap., Text zu Anm. 46-4R. 9

10

Einleitung

8 -

Hinzuweisen ist außerdem noch darauf, daß das "Baby-Jahr" in der von der Opposition durchgesetzten Fassung des RRG weggefallen ist. Dagegen wäre wegen der an dieser geplanten Regelung geübten Kritik12 an sich nichts einzuwenden, wenn sonst ein Ausgleich für Mütter geschaffen worden wäre. Aber dies ist leider nicht der Fall.

-

Nachzutragen ist schließlich noch, daß § 4 Abs. 7 GAL i. d. F. des am 1. 10. 1972 in Kraft getretenen Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des GAL vom 26.7.1972 (BGBl. I, 1293) wieder ein Altersgeld an den früheren Ehegatten vorsieht l3 •

12 13

28. Kap., sub 223. Dazu 10. Kap., Anm. 55: 24. Kap., Text zu Anm. 10 ..

ERSTER TEIL

Grundlage der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit ergeben sich daraus, daß der familiäre Unterhalt und das System sozialer Sicherung in einem Gesamtsystem sozialer Sicherung als dessen wesentliche Bereiche eingeordnet sind!, und daß daher zwischen ihnen eine Fülle von Querverbindungen besteht. Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit sind miteinander zu einem umfassenden Sicherungsnetz verknüpft, das den einzelnen, aber auch die Familie, umgibt und einen sozialen Abstieg, wenn ihm nicht schon durch wirtschaftliche oder soziale Maßnahmen vorgebeugt werden kann, auffangen und seine Auswirkungen mindern soll. Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit müssen in diesem Gesamtsystem sozialer Sicherung koordiniert sein, müssen zusammenspielen, um den größtmöglichen Sicherungseffekt zu erzielen, um Sicherungslücken zu vermeiden und um die Sicherung durch ausgleichende Verteilung von Rechten und Pflichten gerecht werden zu lassen. Die Regeln dieses Zusammenspiels und die jeweilige Funktion von Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit in diesem Gesamtsystem sozialer Sicherung sind in der jeweiligen Ausgestaltung, d. h. der Ausgestaltung des Unterhaltsrechts und der des Systems sozialer Sicherung, vorbestimmt. Diese Ausgestaltungen sind die Grundlagen der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit. Sie sollen im folgenden dargestellt werden.

1 Weitere Bereiche sind: individuelle Selbsthilfe, (private) kollektive Vorsorge durch (Privat-)Versicherung, freiwillige caritative Hilfen; betriebliche Altersversorgungen.

Erster Abschnitt

Der familiäre Unterhalt Wenn im folgenden von (familiärem) Unterhalt die Rede ist, werden darunter nur die von dem Familien- und Eherecht geregelten Unterhaltsbeziehungen verstanden. Nicht unter diesen Begriff fallen z. B. aus dem Deliktsrecht herrührende oder vertragliche Unterhaltsverpflichtungen, die sich nicht auf familienrechtliche Beziehungen zurückführen lassen. Mit in die Betrachtung einbezogen werden jedoch auch tatsächliche, rechtlich nicht gebotene Unterhaltsbeziehungen, soweit sie zwischen Verwandten oder Verschwägerten oder auch innerhalb einer eheähnlichen Gemeinschaft2 bestehen. Auch diese faktischen Unterhaltsbeziehungen, denen allerdings stillschweigend geschlossene Unterhaltsverträge zu Grunde liegen bzw. aus denen sich solche Verträge ergeben können, setzen Tatbestände, die bei einer Betrachtung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit nicht außer acht gelassen werden können, zumal sie - wie noch zu zeigen sein wird - im Sozialrecht berücksichtigt werden 3 •

1. Kapitel

Der familiäre Unterhaltsverband 1 Die heutige Struktur des Unterhaltsverbandes 11 Die Kernfamilie

Im geltenden Unterhaltsrecht gehören dem familiären Unterhaltsverband die Verwandten in gerader Linie (§ 1601 BGB), das sind die Personen, deren eine von der anderen abstammt (§ 1589 BGB), haupt2 Polemisch gegen die Einbeziehung der eheähnlichen Gemeinschaft in eine Betrachtung des familiären Unterhalts Wein brenner, Familienverantwortung, S. 132, Anm. 44. 3 Vgl. etwa §§ 16, 122 BSHG; die Berücksichtigung von Stief- und Pflegekindern als "Kinder", hierzu auch u. 12. Kap.

1. Kap.:

Der familiäre Unterhaltsverband

11

sächlich also Großeltern-Eltern-Kinder, sowie die Ehegatten (§§ 1360 f. BGB) an. Der familienrechtliche Unterhaltsverband setzt sich, da zwischen Verschwägerten, das sind die Personen, die mit dem Ehegatten verwandt sind (§ 1590 BGB), keine Unterhaltsrechte und -pflichten bestehen1, genaugenommen aus zwei Gruppen zusammen: aus der jeweiligen Großfamilie des Ehegatten in gerader Linie und der Ehegemeinschaft. Diesem rechtlichen Unterhaltsverband steht der familiäre Unterhaltsverband gegenüber. Er ist durch die Faktizität der Unterhaltsbeziehungen gekennzeichnet, also dadurch, daß in ihm tatsächlich Unterhalt gewährt und bezogen wird. Soweit Mitglieder des rechtlichen Unterhaltsverbandes nicht dem familiären Unterhaltsverband angehören, sind ihre Beziehungen zu dem jeweils Unterhaltspflichtigen nur potentieller Natur, d. h. sie können oder werden sich erst unter bestimmten Voraussetzungen realisieren. Die Frage ist nun, wer gehört dem familiären Unterhaltsverband an. Das geltende Unterhaltsrecht beruht auf der Vorstellung einer nicht nur rechtlichen, sondern tatsächlichen engen Gemeinschaft der Generationen der Großfamilie. So schrieben z. B. Opet-von Blume 2 : "Der rechtfertigende Grund der Unterhaltspflicht der Verwandten ist die Lebensgemeinschaft, die zwischen in gerader Linie verwandten Personen besteht." Die Mehrgenerationenfamilie war für die sogenannte vorindustrielle Zeit kennzeichnend. Sie war Wohn-, Lebens- und Produktionsgemeinschaft. Ihre Hilfe, zu der die der ständischen Gemeinschaften hinzukam, sicherte den einzelnen vor größter Not. Die Industrialisierung beseitigte durch die Verlagerung der Produktion aus dem "Haus" und durch die Einführung der Lohnarbeit die zu der Lebensgemeinschaft führende ökonomische Zwangslage, die sich aus der mangelnden Zahl einkommensträchtiger "Stellen" - Hof oder Werkstatt - und aus der daraus resultierenden Bindung der nachfolgenden Generation an die familiäre "Stelle" ergab. Die durch die Einführung der Lohnarbeit in Bewegung gesetzte Entwicklung führte zur Auflösung des Familienverbandes und zur Herausbildung der aus Eltern und Kindern bestehenden Kernfamilie, die, obgleich sie eine "universelle Erscheinung"3 darstellt, wegen ihrer Bedeutung und ihrer hervorgehobenen Stellung im gesamten Verwandtschaftssystem als die "typische Familie unserer Zeit"4 bezeichnet werden kann 5 • 1 2

3 4

5

s. u. 2. Kap., sub 6. § 1601, Vorbem. 3 S. 457. Vgl. Goode, S. 76. So Wingen, Familienpolitik, S. 22. Vgl. auch Familienbericht, S. 32 ff.; instruktiv insbes. Köckeis, S. 508 ff.

12

I. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

Die Kernfamilie ist heute vorherrschend. Von den im Mikrozensus 1957 in der BRD ermittelten insgesamt 8,3 Millionen Ehepaaren mit ledigen Kindern lebten 6,9 Millionen, also rund 83 % in einem Haushalt für sich alleine; selbst von den 1,6 Millionen unvollständigen Familien, die aus verwitweten oder geschiedenen Personen mit Kindern bestehen, lebten rund 79 Ofo alleine 6 • Von den Alten her betrachtet: In den Jahren 1950-1961 ist der Anteil der über 65jährigen, die entweder alleine, nur mit dem Ehegatten oder mit Nichtverwandten in einem Haushalt lebten, von etwa 43 auf 58 Ofo gestiegen7 • Aber ebenso wichtig ist eine andere Feststellung: Soweit alte Menschen mit ihren Kindern zusammen leben, halten keineswegs alle diesen Zustand für wünschenswert8 • Dies entspricht der "sozial eingeschliffenen Option für die Gattenfamilie - und das impliziert: für das Alleinbleiben der Ehepartner im Alter". "Man lehnt ein Zusammenwohnen mit erwachsenen Kindern ... ab und wünscht ... im Alter mit der Ehefrau alleine zu lebenD." Die aus dem Haushalt ihrer Kinder ausgegliederte Altengeneration ist zum größten Teil auch wirtschaftlich unabhängig. Mit Leistungen der Renten-, Unfallversicherung, Kriegsopferversorgung, Beamtenversorgung, der Versorgungskassen freier Berufe und des Lastenausgleichs bestreiten etwa 90 Ofo der Alten ihren Unterhalt. Nur etwa 5 Ofo erhalten von ihren Kindern noch Unterhaltsbeihilfen10 • Die übrigen 5 Ofo sind noch erwerbstätig. Man kann daher von einer Ausgliederung der AItengeneration sprechen. Hierzu ist jedoch zu bemerken, daß die Haushaltstrennung im allgemeinen bereits dann stattfindet, wenn die Kinder heiraten - und das heißt meistens: noch lange bevor die Eltern die Altersschwelle von 65 Jahren erreicht habenl l . Es ist daher nicht so, daß die Eltern aus dem gemeinsamen Haushalt gedrängt werden, wenn und weil sie alt sind12 • 12 Öffnungen der Kernfamilie für weitere Angehörige

Im Gegenteil, es läßt sich feststellen, daß bereits erfolgte Haushaltstrennungen wieder rückgängig gemacht werden, wenn die alt geworde6 Vgl. Köckeis, S. 508 ff.; s. a. Sozialbericht 1970, S. 8; s. a. Wingen, Familienpolitik, S. 22. 7 Vgl. Familienbericht, S. 44; s. a. Blume, Situation des alten Menschen, S. 68; ders., Altenhilfe, S. 51; Köckeis, S. 513 m. w. Nachw. und internationalen Vergleichen; vgl. auch "Alte Menschen in Bielefeld und Karlsruhe" ZSR

1969,24. 8 Blume, Situation des alten Menschen, S. 69; zur gleichen Feststellung kommen im Rahmen einer anderen Untersuchung: von Friede burg - Weltz, S.33. 9 Blume, Altenhilfe, S. 52 ff.; ebenso Friede burg - Weltz, S. 35. 10 Vgl. Blume, Altenhilfe, S. 40. 11 Köckeis, S. 515. 12 Ebd.

1. Kap.: Der familiäre Unterhaltsverband

13

nen Eltern verwitwet oder krank werden13 • Dabei wird allet:~ings das Angewiesensein auf Hilfe von den Betroffenen selbst als unangenehme Belastung der Kinder empfunden14 • Die Ansicht überwiegt, daß der Staat in erster Linie, also noch vor den Kindern, helfen müßte, wenn jemand unverschuldet in Not gerät1 5'. Die Einbeziehung alt gewordener Eltern in den kernfamiliären Unterhaltsverband ist ein Beispiel für dessen Öffnung zugunsten anderer Personen. Weitere Beispiele sind Stief- und Pflegekinder, die innerhalb der Familien, die sie aufgenommen haben, meist tatsächlich unterhalten werden, oder auch Adoptivkinder. Mit dem kernfamiliären Unterhaltsverband vergleichbar ist die eheähnliche Gemeinschaft, die wie die Ehe durch das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau gekennzeichnet ist16 , also dadurch, daß wie in einer echten Ehe "aus einem Topf" gewirtschaftet wird. 13 Reduktionen der Kernfamilie

Eine Reduktion des kernfamiliären Unterhaltsverbandes erfolgt, wenn die Kinder heiraten und meist einen eigenständigen Haushalt gründen17 • Mit der Heirat der Kinder, die bei Männern durchschnittlich im 26. und bei Frauen durchschnittlich im 24. Lebensjahr erfolgtl B, ist zwar die Beziehung zur elterlichen Kernfamilie, der Orientierungsfamilie 19 , zugunsten einer neuen Kernfamilie aufgelöst. Aber das bedeutet in sehr vielen Fällen nicht, daß damit die Unterhaltsbeziehung zur Orientierungsfamilie erloschen ist. Vor allem Studentenehepaare, in denen beide Partner studierenlw, sind weiterhin auf elterlichen Unterhalt angewiesen. 14 Speziell: Die unvollständige Familie

Die Kernfamilie reduziert sich zur unvollständigen Familie21 , wenn sich die Ehegemeinschaft auflöst. Auflösungsgründe sind vor allem der Tod eines Ehegatten, Scheidung (§§ 41 ff. EheG) oder Aufhebung der 13 14

Blume, Altenhilfe, S. 52; Familienbericht, a.a.O. S. 45; Köckeis, S. 515. Von Friedeburg - Weltz, S. 29 f.

Ebd. S. 62 f. BVerwGE 15, 306 (312); Knobloch, AuS 1959, 46; Schellhorn - JirasekSeipp, Bundessozialhilfegesetz, § 122 III 2 b. 17 Auch hierzu Köckeis, S. 514 f. 18 Zahlen für 1965, entnommen dem Familienbericht, S. 24 (Tabelle 9). tu Vgl. zu den Begriffen: Münke, "Familie und Ehe" in: HdSW, Bd. 1 S. 471 (472). 20 Ihr Anteil an der Studentenzahl macht etwa 2,7 Ofo aus, vgl. InformationBildung-Wissenschaft, Nr. 1/72; s. a. Familienbericht, S. 29 Anm. 15. 21 Allgemein zu ihren Problemen: Stämpfli, Die unvollständige Familie, 1951 (Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie, Bd. 5). 15

16

14

1. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

Ehe (§§ 28 ff. EheG). Darüber hinaus kann eine Ehe auch für nichtig erklärt werden (§§ 16 ff. EheG). Das geltende Scheidungsrecht setzt für eine Ehescheidung voraus, daß die Ehe zerrüttet oder das eheliche Verhältnis sonstwie zerstört ist. Dabei wird zwischen Scheidung aus Verschulden eines Ehegatten und Scheidung aus sonstigen Gründen unterschieden. Gründe für das Verschulden sind Ehebruch oder sonstiges ehewidriges Verhalten (§§ 42, 43 EheG). Andere Gründe sind Krankheiten (§§ 45, 46 EheG) oder objektive Zerrüttung der Ehe (§ 48 EheG). Auch in diesen Fällen kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Schuldausspruch ergehen22 • Scheidungen aus sonstigen Gründen kommen verhältnismäßig selten vor, sie machen zusammen nur etwa 5 Ofo aller Scheidungen aus 23 • Die meisten Ehen werden somit aus dem Verschulden eines der Ehegatten geschieden. Dabei liegt die Schuld zu etwa 60 Ofo bei den Männern und zu 15 Ofo bei den Frauen. In 25 % der Fälle wird die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden24 • Dieses auf dem Verschuldensprinzip basierende Scheidungsrecht hat schon während der Weimarer Zeit Kritik erfahren. Eine Folge dieser Kritik war die Einführung einer Zerrüttungsscheidung neben der Verschuldensscheidung 25 • Heute ist das Scheidungs recht in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Die Reformbestrebungen gehen dahin, das Verschuldensprinzip zugunsten des Zerrüttungsprinzips ganz aufzugeben 26 • 1968 wurden über 65000 Ehen rechtskräftig geschieden. Auf 10000 Ehen kamen damit 42,3 Ehescheidungen27 • Diese Zahlen werden, behalten die Soziologen recht28 , noch weiter steigen. Die ganz überwiegende Mehrzahl der Scheidungen - etwa zwei Drittel - erfolgte bereits nach Ablauf von weniger als zehn Ehejahren29 • Das bedeutet nicht unbedingt eine Erleichterung des sozialen Problems der Scheidung, denn - sind aus der Ehe Kinder hervorgegangen - dann sind diese Kinder auch unter zehn Jahren und bedürfen noch auf längere Sicht der Pflege und Erziehung30 • Die Scheidung vollzieht sich regelmäßig in noch relativ 22 Vgl. § 61 Abs. 1 EheG; hierzu: Palandt - Lauterbach, BGB, § 61 EheG, Anm.2. 23 Vgl. Reform-Diskussionsentwurf, S. 29. 24 Vgl. Beitzke, Familienrecht, S. 120; s. a. Frauenenquete, S. 6. 26 § 55 EheG 1938, heute § 48 EheG. !6 Vgl. Eherechtskommission, Vorschläge, S. 28 ff.; Entwurf eines 1. EheRG, BR.-Dr. 266/71, S. 47 ff.; Referentenentwurf, S. 7 ff.; Reform-Diskussionsentwurf, S. 36 ff. 27 Vgl. Familienbericht, S. 52 (vergleichende Zahlen für zurückliegende Zeiträume); Statistisches Jahrbuch 1970, S. 38. 28 Vgl. Goode, S. 95. 29 Vgl. die Aufstellung im Statistischen Jahrbuch 1970, S. 53. 30 Von den 1968 geschiedenen Ehen waren 37 Ofo kinderlos, 34 Ofo hatten ein Kind, 18 Ofo zwei, 6,5 Ofo drei und etwa 4 Ofo vier und mehr minderjährige Kinder, vgl. Statistisches Jahrbuch 1970, S. 53.

15

1. Kap.: Der familiäre Unterhaltsverband

jungen Jahren der Ehegatten. Das zeigt sich insbesondere auch in dem verhältnismäßig niedrigen Wiederverheiratungsalter geschiedener Frauen von knapp über 35 JahrenS1 • Den 65264 Scheidungen im Jahre 1968 standen 43462 Eheschließungen geschiedener Frau gegenüber 32 • Damit liegen die Wiederverheiratungschancen geschiedener Frauen in allen Altersgruppen nicht nur über den Heiratschancen der ledigen Frauen, sondern auch über den Wiederverheiratungschancen der Witwen S3 • Häufig ist das Getrenntleben eine Vorstufe der Scheidung, es kennzeichnet den zumindest zeitweisen faktischen Zerfall der Familie34 , der sich in der vollständigen Trennung der Ehegatten unter Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücktS5 • Von 100 Ehen werden insgesamt etwa 10 durch Scheidung, die übrigen 90 durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst, davon 60 durch den Tod des Mannes und 30 durch den Tod der Frau36 • Das führt zu einer großen Zahl von Witwen. Nachfolgende Tabelle gibt Auskunft darüber, wie alt die Frauen im Zeitpunkt der Verwitwung sind; ob sie Kinder haben; wieviele Wiederverheiratungen verwitweter Frauen den Verwitwungen gegenüber stehen und, um die unterschiedliche Häufigkeit

Alter

Verwitwete a)

mit Kindernb)

Wiederverheiratungen C)

Sterblichkeit d)

20-25 25-30 30-35 35--40 40--45 45-50 50-55 55-60 60-65 65-70 70-75

0,15 0,5 1,0 2,8 8,8 16,1 19,0 22,1 29,5 40,2 53,6

0,09 0,28 0,7 2,0 5,2 13,4 11,3 9,2 7,0

27 38 33,7 45,1 35,2 20,8 9,9 4,6 2,6

38 53 63 68 69 66 57 51 52 61 73

insges.

13,3

0,8 8,2

a) Schwarz, Familienstand der Bevölkerung, WISta 1963, 530 (533); Zahlen für 1961. b) Vgl. Frauenenquete, S. 320, Anhangtabelle "Familie"; FamIlienbericht, S. 177. c) Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Kultur, Reihe 2, Natürliche Bevölkerungsbewegung 1959, S. 49. d) Sterblichkeit der verheirateten Frauen In v. H. der Sterblichkeit verheirateter Männer, vgl. FamIlienbericht, S. 168, Zahlen für 1960/62. 31

Das durchschnittliche Heiratsalter lediger Frauen liegt bei etwas über

23 Jahren, s. o. Anm. 18. 32 33

St 35 38

Statistisches Jahrbuch 1970, S. 47. Vgl. die Angaben in: WiSta 1965, 733*; s. a. Frauenenquete, S. 7. Gernhuber, Familienrecht, S. 193. BGHZ 35, 302 (308).

Familienbericht, S. 57.

16

1. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

der Verwitwung von Männern und Frauen aufzuzeigen, welcher Unterschied der Sterblichkeit zwischen verheirateten Männern und Frauen besteht. 2 Die familiären Rollen In der Produktionsgemeinschaft der vorindustriellen Großfamilie "verwischte" die Mitarbeit der Angehörigen "die scharfe Unterscheidung zwischen arbeitenden und nur verzehrenden Familienmitgliedern"37, so daß der Ertrag der Arbeit "fast unbewußt"38 zwischen Arbeitenden und Nichtarbeitenden verteilt wurde. Die Industrialisierung hat diesen Unterschied und damit in der heutigen Kernfamilie - von der als der typischen Familie unserer Zeit ausgegangen wird - eine klare Rollenverteilung zwischen verdienenden und nichtverdienenden Familienmitgliedern deutlich werden lassen. 21 Die Verdienerrolle

Die Familie ist als Produktions gemeinschaft infolge der Industrialisierung aufgelöst worden. Sie erwirtschaftet als Kollektiv kein Einkommen mehr. Einkommen bezieht nur das Familienmitglied, das am gesellschaftlichen Produktionsprozeß beteiligt ist39 . Sein Einkommen wird innerhalb der Familie "umverteilt"40. Die heutige Bedeutung des Unterhalts geht daraus hervor, daß in der Bundesrepublik 1964 25,2 MilJionen Personen, die einem Anteil von 43,4 Ofo der Gesamtbevölkerung entsprachen 41 , ihren überwiegenden Unterhalt als "Angehörige" bestritten. Die "Angehörigen" sind von dem oder den Verdienern weitgehend abhängig. Diese Abhängigkeit bindet sie an das soziale Schicksal des Verdieners, so daß dessen Wohl und Wehe auch für sie ausschlaggebend ist. Sie kennzeichnet den Status des Unterhaltsempfängers. Achinger meint zu dieser Folge der Industrialisierung 42 : "Was schließlich die neue Einkommensform angeht, '" so hat die neue Zeit gerade die ,Nichtarbeitnehmer' in eine völlig ungewisse Lage gebracht. Erst das individuelle Lohneinkommen als die Hauptquelle aller Bedürfnisbefriedigung schafft, ganz unabhängig von seiner Höhe, für die, die davon ausgeschlossen sind, eine Gefahr der Deklassierung, die in der früheren Ordnung nicht gelegen war". Und an anderer Stelle43 betont er, daß "die neue Zeit aber nicht nur diesen zum König in seinem Haushalt Achinger, Sozialpolitik, S. 37. Schäfer, S. 115. 39 Vgl. hierzu Achinger, Sozialpolitik, S. 35. 40 Vgl. Neundörfer, Familie und Wohnung, S. 123; Zacher, DÖV 1970, 1 (12). " Sozialenquete, Nr. 39, S. 24. 42 Sozialpolitik, S. 42. 43 Ebd. S. 68.

37

38

1. Kap.: Der familiäre Unterhaltsverband

17

avancierten Lohnarbeiter, sondern vor allem seine Angehörigen in Unsicherheit gestürzt hat". Der Einkommensträger, der "König in seinem Haushalt", ist für den sozialen Status des gesamten Unterhaltsverbandes maßgebend. Sein Einkommen, seine in Geld gewertete Leistung, entscheidet über das "ob-überhaupt" des Unterhalts und über sein Ausmaß. Der Kernfamilie stehen häufig Einkommen mehrerer Mitglieder zur Verfügung 44 . Da vom 30. Lebensjahr an fast alle Männer (98 0/0) erwerbstätig sind45 , zählt der Ehemann regelmäßig zu den Verdienern. Zu seinem Einkommen kommt häufig das der Ehefrau hinzu. Etwa ein Drittel aller verheirateten Frauen sind erwerbstätig46 • Da die Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen zu sehr von dem Alter der Frau und von dem Umstand, ob Kinder da sind, abhängig ist, gibt diese Gesamtquote über den tatsächlichen Sachverhalt nicht genügend Aufschluß. Hierzu soll folgende Tabelle dienen47 : Alter

insgesamt

15-20

54

20-25 25-30 30-35 35-40 40--45 45-50 50-55 55-60 60-65

52 41 37 38 41 39 35 29 19

verheiratete Frauen (010) mit Kind ohne Kind 32,8

74,9

29,8 31,4 34,8 35,8 34,6 32,0 29,4 27,1

70,3 61,6 55,2 47,4 38,9 31,6 25,0 16,8

Aus dieser Tabelle ergibt sich jedoch nicht, wieviele der verheirateten Frauen zu irgendeinem Zeitpunkt einmal erwerbstätig waren. Myrdal Klein gingen in ihrem Buch "Die Doppelrolle der Frau in Familie und Beruf"48 von drei Lebensphasen einer Frau aus. In der ersten befindet sich die Frau in der Ausbildung und übt, solange keine Kinder zu erziehen sind, ihren Beruf aus. Die zweite Phase ist die "Mutterzeit", d. h. die Zeit, in der sich die Frau ihren Kindern und der Familie widmet und keiner Erwerbstätigkeit nachgeht oder zumindest in ihrer Vgl. Familienbericht, S. 99 ff. Sozialenquete, Nr. 27, S. 31. 46 Frauenenquete, S. 61. 47 Adams - Gendriesch, WiSta 1965, 703; Frauenenquete, S. 64; DE, S. 74; Sozialenquete, Tabelle 5, S. 22; zur Teilzeitarbeit von verheirateten Frauen vgl. Frauenenquete, S. 85; zum Vergleich mit der Erwerbstätigkeit von Männem s. u. Kap. 24, Tabelle zu Anm. 28. 44 45

48

1960, S. 43 ff. (48 ff.).

2 Ruland

18

1. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

Erwerbstätigkeit erheblich eingeschränkt ist. Ist die Frau dann wieder aus ihren Mutterpflichten entlassen, wendet sie sich in der dritten Phase wieder dem Berufsleben zu. Anzeichen dafür, daß sich dieses Lebensmodell auch in Deutschland durchsetzt 49 , können der Tabelle der Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen entnommen werden. Die Erwerbstätigkeit steigt in der Altersklasse der 40--45jährigen Frauen, also der Frauen, die meistens schon keine kleinen Kinder mehr aufzuziehen haben, wieder an und erreicht den relativ hohen Prozentsatz der Altersklasse der 25-30jährigen. Auch eine Untersuchung über den "Einfluß der Ehedauer auf die Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen"5o kommt zu dem Ergebnis, daß heute sowohl jung verheiratete Frauen als auch Frauen, die schon dem Schulalter entwachsene Kinder haben können, erheblich häufiger im Berufsleben stehen als noch 1957. Genauere Angaben darüber, wieviele Frauen wielange erwerbstätig waren, sind jedoch - soweit ersichtlich - nicht veröffentlicht worden. All diese Angaben lassen aber doch erkennen, daß die Zahl der verheirateten Frauen, die ständig einer Erwerbstätigkeit nachgehen, relativ gering ist. Aber auch soweit Frauen erwerbstätig sind, darf eines nicht übersehen werden: die effektive Lohnungleichheit, die auch heute noch zwischen Mann und Frau besteht. Das Durchschnittseinkommen der Frauen bleibt immer noch um etwa 40 Ofo hinter dem der Männer zurück5t . Diese Lohnungleichheit trifft insbesondere die berufstätigen verheirateten Frauen52 . Sie müssen wegen ihrer Doppelrolle auf "Austauschbarkeit" beharren und geraten dann typischerweise an Arbeitsplätze, auf denen Menschen austauschbar und anonym sind - und auch entsprechend weniger verdienen. Nach dem Stande von 1961 waren in sämtlichen Familien noch 45,9 Ofo aller Kinder Einkommensbezieher53 . Dabei muß jedoch berücksichtigt werden, daß die von den Kindern bezogenen Einkommen zum großen Teil geringfügige Lehrlingsvergütungen sind54, die - soweit sie überhaupt an die Familienkasse abgeführt werden - häufig nur ausreichen, um die Unterhaltskosten des Kindes zu decken. Wenn der Heranwachsende dann seine Lehre oder Ausbildung abgeschlossen hat und "rich49 Hierzu auch Frauenenquete, S. 9 ff.; Abg. Diemer-Nicolaus, BT.-Sten.Ber. V!4032 C; s. a. Läge, Die Drei-Phasen-Theorie der Frauenenquete, AuS 1966, 321 ff. 50 WiSta 1967, 362 (364). 51 Vgl. Familienbericht, S. 106 und Sozialbericht 1970, S. 17 (Nr. 32); s. a. die Zahlen bei Tietz, Zahlenwerk, Ü 71, S. 2. 52 Ausführlich hierzu Bahrdt, Die Frau im Wirtschaftsleben, F AZ vom 6. August 1960, Nr. 182 S. 5 (auch zum folgenden); Frauenenquete, S. 78 ff.; vgl. auch BSG, NJW 1972, 119 (120). 53 Vgl. Familienbericht, S. 101. 54 Zum Anteil der Lehrlinge, vgl. Sozialenquete, Tabelle 6, S. 26.

1. Kap.: Der familiäre Unterhaltsverband

19

tig" Geld verdient, kommt dieses Einkommen dem elterlichen Haushalt allenfalls kurzfristig zu Gute, weil der Heranwachsende meistens bald selbst eine Familie gründet, der er sein Einkommen zuwendet. Abschließend läßt sich sagen, daß die finanzielle Basis in den meisten Familien das Einkommen des Mannes ist, daß das Familieneinkommen häufig zeitweise durch Einkommen der Frau und der Kinder aufgestockt wird, daß aber in der Regel dann, wenn in einer Familie mehrere Kinder zu unterhalten und zu erziehen sind, das Familieneinkommen nur aus dem Einkommen des Mannes besteht, da die Mutter wegen der Kinder an den Haushalt gebunden ist und keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann. 22 Die Haushaltsrolle

Die Haushaltsrolle ist neben der Verdienerrolle die zweite Aktivrolle innerhalb der Familie. Sie wahrzunehmen, ist auch heute noch typischerweise Aufgabe der Frau, "die durch Konvention und Veranlagung an diesen Platz gestellt (ist), jedenfalls aber durch potentielle und effektive Mutterschaft"5's. Ihr ist diese Aufgabe noch in § 1356 BGB zugewiesen56 : "Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung". Sie erfüllt ihre Verpflichtung, "durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts" (§ 1360 S.2 BGB)S7. Rund zwei Drittel aller verheirateten Frauen sind "Nur-Hausfrauen", d. h. sie widmen sich alleine dem Haushalt ohne einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Soweit verheiratete Frauen erwerbstätig sind, haben sie fast immer eine Doppelrolle in Beruf und Familie auszufüllen. Ihr der Familie geleisteter Unterhaltsbeitrag ist zweischichtig: Zum finanziellen kommt noch der persönliche Unterhalt hinzu. Allerdings wird in solchen Fällen auch der Mann seinen Beitrag zur Führung des Haushalts zu leisten haben und leisten58 • Die Frau - als der typische Inhaber dieser Rolle - erfüllt im Haushalt wesentliche Funktionen. Ihr obliegt zunächst, soweit vorhanden, das Aufziehen der Kinder. Die dauernde Nähe zu ihnen räumt der Mutter fast zwangsläufig den Primat bei ihrer Erziehung ein. Darüber hinaus erbringt sie persönliche Leistungen, die sonst, wenn überhaupt, nur schwer zu bekommen wären. Die Hausfrau hat auch durch ihre Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 11. Zur Reform s. § 1356 BGB i. d. F. des Entwurfs eines 1. EheRG, BR-Dr. 266/71. 67 Zu den sich hieraus ergebenden Fragen: Schubert, Das Recht auf Haus65

56

haltsführung und die Unterhaltspflicht der Ehefrau und Mutter, Diss. Jur. Saarbrücken 1967. 58 Vgl. LSG NRW, ZfS 1970, 150; s. a. BSG, MDR 1971, 958. 2'

I. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

20

"Weiterverarbeitung" von Waren (Nahrungsmitteln usw.) eine volkswirtschaftlich bedeutsame und nur zu oft unterschätzte Funktion59 • Jessen 60 hat den Versuch unternommen, die Hausfrauenarbeit, die bei der herkömmlichen Berechnung des Sozialprodukts außer Betracht bleibt, gesamtwirtschaftlich zu bewerten. Er kam auf eine Größenordnung von fast 50 % des gesamten Volkseinkommens. Vor diesem Hintergrund kann Beveridge 6i nur zugestimmt werden, der geschrieben hat: "Wenn von einer Sozialpolitik die Rede sein soll, die die Tatsachen nicht ignoriert, muß die überwiegende Mehrheit der verheirateten Frauen als mit einer Arbeit beschäftigt angesehen werden, welche, wenngleich unbezahlt, lebenswichtig ist, ohne welche die Ehemänner ihre bezahlte Arbeit nicht verrichten könnten und ohne welche die Nation nicht weiterbestehen könnte." Für ihre Arbeit bezieht die Frau kein Einkommen. Sie arbeitet "auf naturalwirtschaftlicher Grundlage gegen Kost, Bekleidung, Wohnung und Heizung"62, und ist insoweit - ebenso wie die Inhaber von Passivrollen - auf das Einkommen des oder der Verdiener angewiesen. Hausfrauenarbeit und wirtschaftlicher Unterhalt der Hausfrau stehen im Komplex der ehelichen oder familiären Gemeinschaft63 • Mit der Familiengröße wächst auch die Arbeit der Hausfrau, während ihr Anteil am Familieneinkommen, das nun auf mehrere aufgeteilt werden muß, sinkt. Verringert sich die Familiengröße, dann sinkt auch die Arbeitsbelastung der Hausfrau; ihr Anteil am Familieneinkommen steigt. Der wirtschaftliche Wert der Arbeit der Hausfrau und der Wert des ihr zustehenden Unterhalts sind zwei von einander unabhängige Größen, die scharf voneinander unterschieden werden müssen. 23 Die Passivrollen

Außer den Aktivrollen des Verdieners und des Ehegatten, der den Haushalt führt, die untereinander in einem gegenseitigen, beinahe synallagmatischen Verhältnis stehen, kann es im familiären Unterhaltsverband auch reine Passivrollen geben. Ihre Inhaber sind kleine Kinder - seien es eheliche, Stief- oder Pflegekinder -, Alte, die zu ernähren und/oder zu pflegen sind, oder auch der Ehegatte, der seiner Aktivrolle nicht mehr nachkommen kann und daher ebenso wie Kinder und Alte auf die oder den (noch) Aktiven in der Familie angewiesen ist. 59 60

Gi

Zur ihr insbesondere Jessen, S. 142 ff. (145). Ebd. S. 145 ff. (150). S.74.

Jessen, S. 144 ff. GS s. Jessen, S. 149; vgl. auch Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 13; dens. auch zum folgenden. G2

1. Kap.:

Der ~amiliäre Unterhaltungs;verband

21

Personen, die dem Unterhaltsverband nur als Leistungsempfänger angehören, müssen nicht auch Mitglieder des familiären Haushalts sein. Geschiedene Ehegatten, nichteheliche Kinder oder auch Alte, die ihren eigenen Haushalt führen, sind Beispiele für mögliche Unterhaltsempfänger außer halb des Haushalts des Unterhaltsträgers. Diese Unterhaltsbeziehungen außer halb des Haushalts sind Folgen familiärer Ausnahmesituationen und als solche selbst Ausnahmen. Passivrollen sind in folgenden Kombinationen denkbar. Ihr Inhaber kann einmal sowohl auf finanziellen als auch auf persönlichen Unterhalt angewiesen sein. Dies ist fast immer bei den Kindern der Fall, die, selbst einkommenslos, an dem Lebensstandard der Familie partizipieren und die aufgezogen und erzogen werden müssen. Doppelt von den übrigen Mitgliedern der Familie abhängig können auch der kranke Ehegatte oder kranke Eltern der Ehegatten sein. Auch sie benötigen finanziellen, häufig wegen der Heilungskosten sogar erheblichen finanziellen Unterhalt und persönliche Pflege. Reine Geldleistungsempfänger sind regelmäßig die Mitglieder des Unterhaltsverbandes, die nicht zugleich Mitglieder des Haushalts sind. Schließlich gibt es auch noch solche Fälle, in denen lediglich persönlicher Unterhalt benötigt wird, etwa dann, wenn der kranke Ehegatte, der der Pflege bedarf, trotz der Krankheit sein Einkommen weiterbezieht, oder wenn die gebrechlichen und daher pflegebedürftigen Eltern finanziell mit ihrer Rente auskommen. Die Inhaber der familiären Passivrollen werden in all diesen Kombinationen von denen der Aktivrollen gesichert. Sie erhalten von ihnen persönlichen und/oder finanziellen Unterhalt. Und das folgende gilt auch für den Ehegatten, der den Haushalt führt und durch das Einkommen des Verdieners "gesichert" wird. Sie alle sind von der Leistung und von der Leistungsfähigkeit anderer, sehr weniger, häufig nur einer Person abhängig. Deren Leistungsfähigkeit bestimmt primär den Umfang des familiären Unterhalts; dies auch dann, wenn sich die Bedürftigkeit am Lebensstandard des Berechtigten orientiert. Denn Bedürftigkeit als Unterhaltsvoraussetzung besagt nur, was der Berechtigte fordern kann und darf, nicht aber - und das ist im Effekt entscheidend - was der Verpflichtete leisten muß und kann. Berücksichtigt man dies, dann wird deutlich, daß der familiäre Unterhalt eine Funktion fremder, nicht eigener Leistung ist. Noch eines sei zu den "Passivrollen" vermerkt. Ihre typischen Inhaber sind Kinder. Die Kinderzahl der Familien - und darauf sei besonders hingewiesen - weist große Unterschiede auf, wie sich der folgenden Tabelle entnehmen läßt64 : 8t

Vgl. Familienbericht, S. 40; Wingen, Kinderfreibeträge, S. 371.

1. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

22 Zahl der Kinder

o

Ehen/Ofo 7,8

1 2 3 4

5 und mehr

21,1 35,4 19,6 8,4 7,7

Kinder/Ofo 9,1 30,6 25,4 14,7 20,2

Aus dieser Tabelle geht hervor, daß etwa ein Drittel der Familien mindestens drei oder mehr Kinder hat. Dieses Drittel unterhält und erzieht jedoch 60 Ofo aller Kinder.

2. Kapitel

Die familiären Unterhaltsheziehungen 1 Die Unterhaltsbeziehungen zwischen den Ehegatten "Bedürfnisbefriedigung im intakten Familienverband ist notwendig Bedürfnisbefriedigung mit kollektiven Zügen, die nicht formierte individuelle Unterhaltsansprüche der einzelnen Familienmitglieder ausschließt. An die Stelle zusammenhangloser Berechtigungen tritt der ,Unterhalt der Familie', der in den bei den Ehegatten seinen Träger finden mußt." Dabei bleibt aber das System individueller Unterhaltsansprüche - auch im kernfamiliären Unterhaltsverband - unangetastet. Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und ihr Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 S. 1 BGB). Jeder Ehegatte kann von dem Partner nicht nur den eigenen Unterhalt, sondern auch im eigenen Namen den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder einfordern2 • Der geschuldete Unterhalt ist in der von der ehelichen Lebensgemeinschaft gebotenen Weise zu leisten. Die Frau kann ihren Beitrag zum Familienunterhalt insbesondere dadurch erbringen, daß sie ihrer Pflicht zur Haushaltsführung nachkommt3 • Sie ist zwar berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist; sie ist aber zu einer Erwerbstätigkeit nur verpflichtet, Gernhuber, Familienrecht, S. 189. Vgl. § 1360 a Abs. 1 BGB. 3 §§ 1360 S. 2, 1356 Abs. 1 S. 1 BGB, hierzu BVerfG, NJW 1963, 1723, 172'7; zur Reform s. §§ 1356, 1360 BGB i. d. F. d. Entwurfs eines 1. EheRG, BR-Dr. 266/71. 1 2

2. Kap.: Die familiären Unterhaltsbeziehungen

23

soweit die Arbeitskraft des Mannes und die Einkünfte der Ehegatten zum Unterhalt der Familie nicht ausreichen und es den Verhältnissen der Ehegatten auch nicht entspricht, daß sie den Stamm ihrer Vermögen verwerten'. Die Ehegatten sind einander gesteigert unterhaltspflichtig, d. h. sie sind verpflichtet, miteinander in der Not auch den "letzten Pfennig" zu teilen. Sie können allerdings dann, wenn die Unterhaltsleistung den angemessenen Unterhalt gefährdet, einander darauf verweisen, zunächst sonstige unterhaltspflichtige Verwandte in Anspruch zu nehmen5 • Erst wenn dies nicht möglich ist oder nichts einbringt, greift die gesteigerte Unterhaltspflicht ein6 • Allerdings darf die Inanspruchnahme nicht soweit gehen, daß die eigene physische Selbsterhaltung gefährdet wird7 • Der Unterhaltsanspruch des Ehegatten geht dem aller Verwandten vor, er steht dem minderjähriger Kinder gleich. Der geschuldete angemessene Unterhalt umfaßt nicht nur die Kosten des gemeinsamen Unterhalts, sondern auch die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den gesamten Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder 8 • Der Umfang des angemessenen Familienunterhalts bestimmt sich primär nach den finanziellen Möglichkeiten der Ehegatten, nach ihrem Einkommen und ihrem Lebensstandard. Der nicht berufstätige Ehegatte teilt regelmäßig den Lebensstandard des Verdieners 9 • Der familiäre Unterhalt gleicht so innerhalb der aus Eltern und Kindern bestehenden Kernfamilie Einkommensunterschiede aus und führt zu einem einheitlichen Lebensstandard. Zu einer Frage des zwischen den Ehegatten geschuldeten Unterhalts sei besonders Stellung genommen: zu der Frage der Ausbildungskosten. Es ist in der Literatur sehr umstritten, ob ein Ehegatte die Ausbildungskosten als Unterhalt von dem anderen verlangen kann10 • Die Frage wird grundsätzlich zu bejahen sein: Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Ausbildung des Ehegatten erfolgt in der Absicht, den , §§ 1356 Abs. 1 S. 2, 1360 S. 2 BGB. Vgl. § 1608 BGB.

5

Hierzu Beitzke, Familienrecht, S. 60. RGZ 57, 69 f.; KG (West), NJW 1953, 1434. 8 Zu Einzelheiten: Brühl, FamRZ 1957, 277 ff.; Gernhuber, Familienrecht, S.192. 8 Hierzu LG Wiesbaden, FamRZ 1958, 71. 10 Einen Ausbildungsanspruch nehmen an: Becker, Das Recht auf Erziehung und Ausbildung, RdJ 1966, 174 (176); Knorn, FamRZ 1966, 603; wohl auch Staudinger - Hübner, § 1360 a Rdnr. 4; OLG Düsseldorf, JMBl. NRW 1966, 159 (Ehegatte war mit dem Studium einverstanden!). Einen Anspruch auf Kosten der "Fortbildung" räumen Erman - Bartholomeyczik, § 1360 a Anm. 3 ein; a. A. sind: B.lanke, FamRZ 1969, 395 (399); H. Krüger, FamRZ 1966, 398 (399); Roth - Blanke, § 9 Anm. 13; wohl auch Matsch, FamRZ 1966, 401 (403 Anm. 16); OVG Münster, Urteil vom 3. 9. 1965 - VI A 1028/64 - Zitiert bei Knorn, FamRZ 1966, 603. 6

7

24

1. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

sozialen Status der (meistens noch jungen) Familie durch ein erwartetes höheres Einkommen zu verbessern. An dieser Verbesserung hat dann auch der Ehegatte Anteil, der die Kosten der Ausbildung finanziertll . Diesem Anspruch kommt aber nicht die gleiche Bedeutung zu wie dem Anspruch auf sonstigen (elementaren) Unterhalt. Die Pflicht, zum angemessenen Unterhalt der Familie beizutragen, setzt hier Grenzen derart, daß eine Ausbildung, die den angemessenen Unterhalt der Familie gefährdet, nicht mehr geschuldet wird. Ob sie freiwillig erbracht wird, ist dann eine ganz andere Frage. Im übrigen gelten die allgemeinen Regeln des Unterhaltsrechts: Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem Tode des Ehegatten (§ 1615 BGB). Bei schweren Verfehlungen besteht nur ein Anspruch auf den notdürftigen Unterhalt; er kann ganz wegfallen, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre 12 • Unterhalt kann für die Vergangenheit nicht verlangt werden (§ 1613 BGB) und ein Verzicht auf die Unterhaltsleistung ist nicht möglich (§ 1614 Abs. 1 BGB).

Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit als Voraussetzung der Unterhaltsbeziehung werden in der Beziehung zwischen den Ehegatten durch die Verpflichtung zur Gewährung des Familienunterhalts überspieJt13. 2 Die Unterhaltsbeziehung zwischen Eltern und Kindern 21 Die Unterbaltsbeziebung Eltern - Kind

Bei der Unterhalts beziehung der Eltern ihren Kindern gegenüber im folgenden sind zunächst die gemeinsamen leiblichen Kinder gemeint - treten sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Bedürftigkeit als Voraussetzung des Unterhaltsanspruches in Erscheinung, auch insoweit als Eltern ihren minderjährigen, unverheirateten Kindern Unterhalt zu gewähren haben14 • Jedoch ist die Voraussetzung der Bedürftigkeit insoweit abgeschwächt, als das Kind von seinen Eltern auch dann Unterhalt verlangen kann, wenn es Vermögen hat, und die Einkünfte des 11 Vgl. Ruland, FamRZ 1970, 467 (468); in Betracht zu ziehen ist allerdings auch der nicht untypische Fall des OLG Düsseldorf, JMBl. NRW 1966, 159; m. E. wäre eine (zumindest entsprechende) Anwendung des § 812 BGB angebracht, wenn der Ehegatte, der die Ausbildung auf Kosten des anderen genossen hat, sich kurz darauf scheiden läßt. 12 § 1611 Abs. 1 BGB. 13 Vgl. Brühl, FamRZ 1957,277 (278); ders., Unterhaltsrecht, S. 148. 14 Schwab, FamRZ 1971, 1 (2), kritisiert die Ausgestaltung dieses Unterhaltsanspruches zu Recht deshalb, weil sein systematischer Zusammenhang mit dem familienspezifischen Verhältnis der Eltern zu ihren erziehungsbedürftigen Kindern gelöst und so getan wird, als ob es sich lediglich um einen Spezialfall des Verwandtenunterhalts handele.

2.

Kap.: Die familiären UnterhaI tsbeziehungen

25

Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen. Es braucht also den Stamm seines Vermögens nicht anzugreifen 15 • Auch die Voraussetzung der Leistungsfähigkeit ist zu einer gesteigerten Unterhaltspflicht eingeschränkt. Im Rahmen des Familienunterhalts sind die Eltern ihren minderjährigen, unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden, es sei denn, ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter ist leistungsfähig oder der Unterhalt des Kindes kann aus seinem Vermögen bestritten werden (§ 1603 Abs. 2 BGB). Zu den unverheirateten, minderjährigen Kindern gehören nicht mehr verwitwete oder geschiedene minderjährige Kinder16 • Der Umfang des geschuldeten Unterhalts umfaßt den gesamten Le. bensbedarf der Kinder. Er wird nach Art, Umfang und Modalität von der Zielsetzung der elterlichen Personensorge bestimmt17 • Zu dem Lebensbedarf der Kinder gehört insbesondere eine Ausbildung (§ 1610 Abs. 2 BGB). Diesem Anspruch ist wegen der "familienabhängigen" Ausbildungsförderung18 neuerdings besonderes Interesse zuge kommen iO , sein Inhalt ist aber immer noch, sowohl was den Anspruch als auch was das Ausmaß der Verpflichtung anbetrifft, in Rechtsprechung und Literatur unklar 20 . Die herkömmliche Rechtsprechung hat die sozialen und finanziellen Verhältnisse der Eltern, den "Stand", als entscheidend für den Inhalt des Anspruches auf Ausbildung angesehen. So hat das RG entschieden, daß "der Sohn eines dem gebildeten höheren Bürgerstandes angehörenden Vaters die Mittel zum Studium verlangen kann"2i. Und das KG hat 1907 ausgeführt, daß Kindern, deren Eltern nicht diesem Stande angehören, auch dann, wenn die Eltern an sich ein Studium finanzieren können, allenfalls dann ein Anspruch auf ein Studium zusteht, wenn ein besonderer Vertrag hierüber zustande kam22 . Unter dem Einfluß der Literatur, die die Begabung des Kindes als das entscheidende Kriterium hierfür ansieht23 , demgegenüber der "Stand" der Eltern zweitrangig ist - ebenso wie bei manchen Autoren jetzt auch die VermöHierzu ausführlich: Staudinger - Gotthardt, § 1602 Anm. 43 ff. Ebd. Anm. 48. 17 Hierzu Schwab, FamRZ 1971, 1 (3, 11); s. a. BGH FamRZ 1969, 205. 18 Hierzu u. 6. Kap., sub 3. 10 Vgl. Blanke, FamRZ 1969, 394 ff.; Dronsch, JZ 1962, 346 ff,.; Knorn, FamRZ 1964, 618; Kübler, JZ 1966,736 ff.; Schwab, FamRZ 1971, 1 (3, 11). !O Ausführlich zum Stand der Meinungen Schwab, FamRZ 1971, 1 (3, 11); zur Entwicklung der Meinungen Dronsch, JZ 1962, 346 ff. 21 RG, Recht, 1909, 3790. 22 KG, OLG-Rspr. 16, 1 (2). 23 Außer den Vorgenannten: Brühl, UnterhaItsrecht, S. 75 f.; Gernhuber, Familienrecht, S. 456; Palandt - Lauterbach, § 1610, Anm. 4. 15 1S

26

1. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

gensverhältnisse der Eltern _24, hat nun auch die neuere Rechtsprechung den "schichtenspezifischen" Anspruch auf Ausbildung aufgegeben25 • Der Anspruch auf Ausbildung ist auf die der Begabung und Veranlagung des Kindes am besten angepaßte, auf eine " optimale " Ausbildung gerichtet26 • Zur Leistungspflicht der Eltern muß - im Anschluß insbesondere an Schwab 27 - jedoch festgestellt werden, daß die gesteigerte Unterhaltspflicht nicht die Gewährung einer über die elementare Existenzbefähigung hinausgehenden Berufsausbildung umfaßt28 • "Die Pflicht zur Finanzierung einer ,optimalen' Ausbildung steht vielmehr unter der Voraussetzung der individuellen und sozialen Zumutbarkeit29 ." Dies ergibt sich aus einer "Dringlichkeitswertung"30 der einzelnen Unterhaltsbedürfnisse. "Elementar und· erstrangig sind die Erhaltung der physischen Existenz und der Gesundheit, bei Kindern die physische Entwicklung, ferner die Mindestvoraussetzungen eines personalen und menschenwürdigen Daseins, die Mindestvoraussetzung einer Bildung, die durch den Schulzwang gesichert ist.... Eine kostspielige Berufsausbildung ist unter dem Gedanken der Familiensolidarität gegenüber den elementaren Bedürfnissen zweitrangig31 ." Ein sozialer Abstieg oder ein langandauerndes Verharren der Eltern in einem sozialen Status, der ihren gewandelten Einkommensverhältnissen nicht mehr entspricht, übersteigt die Grenzen der Zumutbarkeit32.. Die Eltern haben von der Ausbildung ihrer Kinder keinen weiteren Vorteil, allenfalls den be24 So etwa Knorn, FamRZ 1964, 618: Die Eltern haben auch die Studienkosten zu erbringen, "die sie nur sehr schwer aufbringen können", oder Scheffler, in RGRK zum BGB, § 1610 Anm. 11: ein Studium sei zu finanzieren, wenn es die finanziellen Verhältnisse der Eltern "irgendwie zuließen". Anders Dölle, Familienrecht, Bd. 2 S. 20: Anspruch auf Ausbildung zu einem Beruf besteht nur, wenn der Beruf dem Kind "nach seiner Herkunft und nach seinem eigenen Milieu Befriedigung zu gewähren vermag". Abweichend vom obigen insbes. Kübler, JZ 1966, 736, der in der stärkeren Inanspruchnahme einkommensschwacher Eltern eine unzulässige Entlastung des Staates sieht. . 25 Vgl. VG Braunschweig, NdsRpfl. 1970, 119; LG Berlin, FamRZ 1970, 413; LG Ulm, FamRZ 1964, 634; LG Frankenthai, NJW 1962, 808. 26 Schwab, FamRZ 1971, 1 (3, 11). 27 FamRZ 1971, 1 (3 ff.); auf dessen ausführliche Begründung sei zusätzlich verwiesen. 28 Ebd. S. 11. 29 Ebd.; ganz ähnlich auch Blanke, FamRZ 1969, 394 (398), nach dem ein Ausbildungsanspruch nur insoweit bestehen soll, als der Verpflichtete in der Lage ist, die Kosten der Ausbildung aufzubringen, ohne seinen standesgemäßen Unterhalt zu gefährden, und Kübler, JZ 1960, 736 (741), der nur solchen Eltern die Studienkosten auferlegen will, "deren überdurchschnittliches Einkommen und Vermögen eine solche zugleich für die Allgemeinheit zu leistende Investition zumutbar erscheinen läßt". ~o Schwab, FamRZ 1971, 1 (5). 31 Ebd. 32 Kübler, JZ 1960, 736 (741); Schwab, FamRZ 1971, 1 (5).

2. Kap.: Die familiären Unterhaltsbeziehungen

27

rechtigten Stolz, für ihr Kind alles getan zu haben. An einem im Vergleich zu den Verhältnissen der Eltern durch die Ausbildung ermöglichten sozialen Aufstieg des Kindes nehmen sie nicht teil, zumindest haben sie darauf keinen Anspruch. Ihr Alter wird durch ihre Rente oder Pension gesichert, die ihrer Lebensleistung entspricht33 • Sollten sie im Alter zu den wenigen gehören, die auf Unterhalt von Seiten ihrer Kinder angewiesen sind, dann bemißt sich ihr Unterhaltsanspruch nach ihrem und nicht der Kinder Lebensstandard. Außerdem ist die Ausbildung der Kinder auch eine Investition zugunsten der Allgemeinheit34 • Die Kosten dieser Investition können aber nicht die große Masse der in beschränkten Verhältnissen lebenden Familien zu zahlen haben35 • Wo die Grenzen der Zumutbarkeit im einzelnen liegt36 , kann nicht allgemein, sondern nur jeweils im Einzelfall festgestellt werden37 • Auf den Unterhalts anspruch der minderjährigen, unverheirateten Kinder gegen ihre Eltern finden im übrigen die allgemeinen Regeln des Unterhaltsrechts Anwendung, mit der Ausnahme, daß sie ihren Unterhaltsanspruch nicht verwirken können38 • Die Unterhaltspflicht der Eltern erlischt nicht dadurch, daß die Kinder volljährig werden. Es fallen nur die Privilegierungen des Unterhaltsanspruchs minderjähriger unverheirateter Kinder weg. Volljährige Kinder können von ihren Eltern nach ihrer Lebensstellung Unterhalt verlangen, wenn sie außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Die Eltern sind zur Leistung verpflichtet, wenn sie den Unterhalt gewähren können, ohne ihren angemessenen, d. h. den ihrer Lebensstellung angepaßten Unterhalt zu gefährden. Dabei können die Eltern bestimmen, in welcher Art sie Unterhalt gewähren wollen39 • Die Tatsache, daß die Ausbildung des Kindes im Zeitpunkt seiner Volljährigkeit noch nicht abgeschlossen ist, beeinflußt weder Grund noch Umfang der Pflicht der Eltern, die begonnene Ausbildung weiter zu finanzieren 4o • Bei einer neu begonnenen Ausbildung des Kindes ergibt sich die Beschränkung des Umfangs der elterlichen Leistungspflicht bereits aus § 1603 Abs. 1 BGB, denn die Privilegierung des Kindes - die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern (§ 1603 Abs. 2 BGB) - ist, wie gesagt, weggefallen. Hierzu u. 4. Kap., Text zu Anm. 86, 87 und 153-156. Hierauf hat insbesondere Kübler, JZ 1960, 736 (741), hingewiesen; s. a. Schwab, FamRZ 1971, 1 (5). 85 Schwab, FamRZ 1971, 1 (11). 88 Ebd. S. 6. 87 Hierzu auch u. 15. Kap., Text zu Anm. 17. 38 § 1611 Abs. 2 BGB. 38 § 1612 Abs. 2 BGB. 40 Vgl. Schwab, S. 6, 11 mit ausführlicher Begründung und w. Nachw. 33 34

(S. 6 f.).

28

1. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

Auch die Heirat des Kindes berührt die Unterhaltspflicht der Eltern nicht grundsätzlich. Sie entfällt nicht, sondern wandelt sich um in eine der Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten gegenüber subsidiäre Verpflichtung. Ist der Ehegatte jedoch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, dann haften die Eltern (und die übrigen Verwandten) vor dem Ehegatten41 • Die Unterhaltspflicht der leiblichen Eltern erlischt auch nicht im Falle einer Adoption des Kindes. Sie bleiben nach den Adoptiveltern subsidiär in der Verantwortung. 22 Die Unterhaltsbeziehung Kind - Eltern

Unterhaltsansprüche der Eltern sind nach den allgemeinen Regeln des Unterhaltsrechts zu beurteilen. Leistungsfähigkeit des Kindes und Bedürftigkeit der Eltern sind Voraussetzung. Beide hängen von der jeweiligen Lebensstellung ab. Bei der Bedürftigkeit wird sie mit eigenen Mitteln des Berechtigten nicht erreicht, bei der Leistungsfähigkeit wird sie durch die Leistung nicht gefährdet. Die Lebensstellung ihrerseits bestimmt sich nach der gesellschaftlichen Funktion, die der Verpflichtete oder Berechtigte ausübt oder ausgeübt hat, diese regelmäßig wiederum nach der Berufstätigkeit42 • Wie es zu der Bedürftigkeit gekommen ist, ist für den Grund des Anspruchs grundsätzlich unbeachtlich43 • Allerdings kann es den Umfang der Verpflichtung auf die Gewährung des notdürftigen Unterhalts herabschrauben, bzw. in Härtefällen auf Null sinken lassen44 • Geschuldet werden in der Regel Geldleistungen419 • 23 Die zwischen Eltern und Kindern bestehende Solidarität

Die Solidarbeziehung zwischen den Ehegatten ist problemlos: sie ist gleichzeitig-wechselseitig. Der sich aus den Verwandten in gerader Linie zusammensetzende Solidarverband beruht demgegenüber auf einer die Lebensphasen des einzelnen überspannenden Verteilung von Berechtigungen und Pflichten. Die ungleichzeitig-gegenseitige Solidarität zwischen den verschiedenen Generationen, vergröbert eingeteilt in Kinder, Vollkräftige und Alte, läßt sich durch ein Schaubild der Unterhaltsströme verdeutlichen46 • § 1608 S. 1, 2 BGB. Brühl, Unterhaltsrecht, S. 52. 43 Ebd. S. 98. u § 1611 Abs. 1 BGB. 45 § 1612 Abs. 1 S. 1 BGB. 48 Im Anschluß an Schreiber, Kindergeld, S. 17 f.; s. dens., in: Sozialenquete, Nr. 874, S. 311; vgl. auch Oeter, S. 21, s. a. Schäfer, S. 118. 41 42

2.

3. Generation

2. Generation 1. Generation

Kap.: Die familiären Unterhaltsbeziehungen

~b

29

~

----~~=---

~

_______

Kinder

Vollkräftige

~-----

__

~c~~____ Alte

Betrachtet man die zweite Generation, so wird deutlich, daß zwei Leistungsströme sowohl auf sie zu (a und d) als auch zwei von ihr aus weglaufen (b und c). In ihrer Jugend erhält sie Leistungen von der berufstätigen ersten Generation (a) und im Alter Leistungen von der dann berufstätigen dritten Generation (d). Sie "revanchiert" sich mit den Leistungen bund c für ihre Kinder und Eltern. Die einzelnen Leistungsströme sind nicht gleichwertig, so geht z. B. die Unterhaltsleistung an die Kinder (b) der an die Eltern (c) vor47 • Sie ist umfassender, regelmäßig auch länger zu befriedigen. Zu berücksichtigen ist weiter, daß die Leistungsströme a und b den Bedarf in der Regel für mehrere Kinder zu decken haben und daß die Leistungsströme c und d regelmäßig nicht für den vollen Unterhalt der Eltern zu sorgen haben, da die Eltern Unterhalt dementsprechend von mehreren Kindern fordern können. Da aber jede Generation die Generationenfolge durchläuft, würden sich die Ungleichwertigkeiten der einzelnen Unterhaltsströme wieder ausgleichen, wenn in jeder Generation gleich viele Kinder aufgezogen (a und b) und sich gleich viele Kinder in den Unterhalt der Eltern (c und d) teilen würden und das Einkommen der jeweiligen Generation in etwa gleich hoch wäre 48 • 3 Die Unterhalts beziehungen zwischen Eltern und nichtehelichen Kindern

Die Unterhaltsbeziehungen des nichtehelichen Kindes zu seinen Elternteilen sind nicht einheitlich ausgestaltet. Das trägt der Tatsache Rechnung, daß das nichteheliche Kind regelmäßig bei seiner Mutter lebt. Es muß daher zwischen der Unterhaltsbeziehung zu der Mutter und der zu dem Vater unterschieden werden. Die Unterhaltsbeziehung zu der Mutter gleicht der der ehelichen Kinder zu ihren Eltern. Die Mutter wie auch ihre Verwandten sind dem Kind gegenüber in gleicher Weise verpflichtet, wie wenn es ein eheliches Kind wäre 49 • Dies gilt grundsätzlich auch für den Vater des Kindes. Die wichtigste Abweichung für diese Unterhaltsbeziehung enthält § 1615 f BGB, woVgl. § 1609 Abs. 1 BGB. Zum Einfluß der Sozialleistungen auf diese innerfamiliäre Solidarität, s. u. 17. Kap., sub 1. 48 § 1615 a BGB. 47 48

30

I. 1. Abschn.: Der familiä,re Unterhalt

nach der nichteheliche Vater zur Zahlung eines "Regelunterhalts" verpflichtet ist. Darunter ist der zum Unterhalt eines Kindes im Regelfalle erforderliche Betrag zu verstehen, der sich bei einfacher Lebenshaltung des Kindes ergibt, das sich in Pflege seiner Mutter befindet (§ 1615 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Regelbedarf, auf den bestimmte Sozialleistungen angerechnet werden können5o , wird durch Rechtsverordnung festgesetzt 51 • Er kann bei besonderen Umständen erhöht oder gemindert werden.

4 Die Unterhaltsbeziehung zwischen früheren oder getrenntlebenden Ehegatten 41 Unterhalt bei getrenntlebenden Ehegatten

Mit dem Getrenntleben, d. h. dem faktischen Zerfall der Familie fallen alle kollektiven Züge der Unterhaltsbeziehung zwischen den Ehegatten fort. Das Recht der Ehegatten, im eigenen Namen auch den Unterhalt der Kinder zu verlangen, erlischt, jedoch können sie - kraft ihres Vertretungsrechts - die Unterhaltsansprüche der Kinder in deren Namen einfordern. Der Unterhalt ist nicht mehr in der von der ehelichen Lebensgemeinschaft gebotenen Weise zu leisten. An die Stelle des Familienunterhalts tritt, soweit überhaupt eine Unterhaltsbeziehung besteht, die Geldleistung. Zwischen getrenntlebenden Ehegatten bestehen nur noch insoweit Unterhaltspflichten, als es der Billigkeit entspricht (§ 1361 Abs. 1 S. 2 BGB). Wer allerdings gegen den Willen des anderen die Herstellung des ehelichen Lebens verweigert, ohne hierzu berechtigt zu sein, hat keinen Anspruch auf Unterhalt (§ 1361 Abs. 4 BGB). Berechtigt ist nur, wer die eheliche Lebensgemeinschaft verweigern darf, etwa weil er die Scheidung, Aufhebung oder Vernichtung der Ehe begehren kann oder weil ihm etwa wegen persönlicher Kränkungen ein Zusammenleben nicht zugemutet werden kann52 • Der berechtigt, einverständlich oder gezwungen getrenntlebende Ehegatte kann im Rahmen der Billigkeit Unterhalt verlangen. Als Gründe, die für das Maß der Billigkeit entscheidend sind, nennt das Gesetz: die Bedürfnisse, die Vermögensund Erwerbsverhältnisse der Ehegatten und die Gründe, die zu ihrer Trennung führten. Bei gleicher Schuld gilt regelmäßig der Grundsatz der Selbsterhaltung53 • Alter, Krankheit, aber auch die Ausbildung zu einem Beruf, der später soziale Sicherheit vermittelt, können AusI).ah50

563.

s.u. 15. Kap., Text zu Anm. 73-75; Jung, S. 62 ff.; Odersky, FamRZ 1971,

51 Vgl. VO zur Berechnung des Regelunterhalts vom 27.6.1970, BGBl. I, 1010. 52 Vgl. etwa BGH, FamRZ 1956, 82; RGZ 163, 305; 162,32 (33); 155,292. 53 LG Köln, FamRZ 1958,330; Gernhuber, Familienrecht, S. 196.

2. Kap.: Die familiären Unterhaltsbeziehungen

31

men rechtfertigen54 • Bei alleiniger oder überwiegender Schuld besteht entsprechend der Regelung im Scheidungsrecht kein Unterhaltsanspruch55 • Die an der Trennung unschuldige Frau kann, wenn sie früher erwerbstätig war, die Ehe nicht lange gedauert hat, sie noch relativ jung und erwerbsfähig ist und keine Kinder hat, auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden56 • 42 Der nacheheliche Unterhalt im geltenden Recht

Das geltende Unterhaltsrecht nach der Scheidung ist, wie das gesamte Scheidungsrecht, in den Brennpunkt der Diskussion gerückt57 • Hier sollen nun zuerst das geltende und anschließend das geplante nacheheliche Unterhaltsrecht dargestellt werden. Das nacheheliche Unterhaltsrecht ist in seiner Ausgestaltung und Rechtfertigung von dem Scheidungsrecht abhängig. Das geltende Scheidungsrecht wird im wesentlichen von dem Schuldprinzip beherrscht. Dennoch werden die nachehelichen Unterhaltsansprüche heute 58 nicht als Schadensersatzansprüche verstanden. Ihr Rechtsgrund ist identisch mit dem ehelichen: Es handelt sich um einen familiären Unterhaltsanspruch 59 • So bleibt z. B. der Rang des Ehegatten in der Reihenfolge der Unterhaltspflichtigen unverändert. Er geht nach wie vor den Verwandten vor60 • Die Frage allerdings, ob bei einer Zweitehe des Verpflichteten der neue Ehegatte dem alten vorgeht, ist umstritten6!. Da die Frage nur in Zum letzteren: OLG Celle, FamRZ 1962, 25. Bestr., vgl. Finke, Erläuterungen zum Gleichberechtigungsgesetz, MDR 1957, 449 (453); Palandt - Lauterbach, § 1361 Anm. 2; Siebert - Vogel, § 1361 Anm. 9; wie hier: Gernhuber, Familienrecht, S. 196. 68 Einseitige Kinder werden von der h. L. den gemeinsamen insoweit gleichgestellt, vgl. Brühl, FamRZ 1957,277 (282); Köhler, S. 59; kritisch hierzu Gernhuber, S. 195; s. a. LG Hagen, FamRZ 1960, 363 mit krit. Anm. von 5'

55

Brühl.

67 Hierzu statt aller: Eherechtskommission, Vorschläge, S. 75 ff.; Entwurf eines 1. EheRG, BR-Dr. 266/71, S. 63 ff.; RE, S. 111 ff.; DE, S. 72 ff. 68 Nachweise zur heutigen und früheren Literatur: TepHtzky, Zur Frage der Identität des Unterhaltsanspruches der §§ 1360 ff. BGB und 58 f. EheG, MDR 1962, 180. 59 BGHZ 20, 127 (134 f.). 80 § 63 EheG. 81 Ja: Bosch, Neue Rechtsordnung in Ehe und Familie, 1954, S. 62; SiehertVogel, § 59 EheG Anm. 14. Nein: BSG, Breith. 1966, 133; OLG München, HRR 1940, Nr. 1380; LG Darmstadt, MDR 1959, 1012; Furler, S. 67 ff.; Köhler, S. 76 (jeweils soweit der notdürftige Unterhalt des zweiten Ehegatten nicht gedeckt ist); Palandt - Lauterba:ch, § 59 EheG Anm. 5; beide gleichen Rang: OLG Köln, NJW 1962, 929; OLG München, NJW 1954, 1730; Brühl, Unterhaltsrecht, S. 163; Müller-Freienfels, S. 171, 199ff.; wohl auch Gernhuber, Familienrecht, S. 307; Der RE, S. 189 k (§ 1582 Abs. 2 BGB) räumt der geschiedenen Frau den Vorrang ein; grundsätzlich auch § 1583 Entwurf eines 1. EheRG.

32

1. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

den Fällen eine Rolle spielt, in denen die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht ausreicht, beide, den alten und den neuen Ehegatten, zumindest über dem Sozialhilfesatz zu unterhalten, kann als dahingehend formuliert werden: Soll der alte oder der neue Ehegatte Sozialhilfe beantragen müssen? Hier zeigt es sich, daß das Unterhaltsrecht als Notordnung des Privatrechts mit seinen Rangfolgebestimmungen immer nur den ermittelt, der auf Sozialhilfe angewiesen ist 62 • Die praktische Bedeutung der Frage ist daher relativ gering. In einem solchen Notfalle würde der Verpflichtete, wenn er, unter Vernachlässigung seines jetzigen, dem früheren Ehegatten Unterhaltsleistungen zukommen ließe und sich und seinen jetzigen Ehegatten sozialhilfebedürftig werden ließe, seine zweite Ehe gefährden. Der zweite Ehegatte würde darin eine Zurückstellung sehen und sich nicht mit dem Argument zufrieden geben, er hätte bei der Heirat mit einer solchen Situation rechnen müssen. Der Schutz des früheren Ehegatten, der ja wegen der Sozialhilfe nicht schutzlos bleibt, darf nicht so weit gehen, daß er zum Sprengsatz der zweiten Ehe des Verpflichteten wird, die auch den Schutz des Art. 6 GG genießt. Daher ist in solchen Notfällen dem neuen Ehegatten der Vorrang einzuräumen. Der häufigste Scheidungsgrund ist im geltenden Rechtszustand das Verschulden eines Ehegatten. Unterhaltspflichtig ist in diesem Fall der Ehegatte, der die Scheidung alleine oder überwiegend verschuldete 63 • Der unschuldig oder minderschuldig geschiedene Ehegatte kann von dem früheren Ehepartner den angemessenen Unterhalt verlangen, soweit die Einkünfte aus Vermögen64 und Erwerbstätigkeit nicht ausreichen (§ 58 Abs. 1 EheG). Der Ehegatte ist also nur dann unterhaltsberechtigt, wenn er nicht auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden kann 65 ; und er ist es nur insoweit, als die Einkünfte aus dieser Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Der Ehegatte kann auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden, wenn sie zumutbar ist. Die Kriterien der Zumutbarkeit sind je nach innegehabter familiärer Rolle unterschiedlich. Der Frau, als dem typischen Inhaber der Haushaltsrolle, ist seltener eine Erwerbstätigkeit zuzumuten als dem Mann, dessen typische Rolle es ist, durch Erwerbstätigkeit Einkommen zu erarbeiten. Gründe, die die Zumutbarkeit ausschließen, sind etwa die Pflege eines Kindes 66 oder So mit Recht Gernhuber, Familienrecht, S. 307. § 58 EheG; zur Frage seiner Geltung und Auslegung: BrühL, Unterhaltsrecht, S. 134; Gernhuber, S. 304 je m. w. Nachw. 64 Gernhuber vertritt unter Hinweis auf den bei der Scheidung erfolgten Zugewinnausgleich auch die Pflicht des berechtigten Ehegatten, den Stamm seines Vermögens zu seinem Unterhalt einzusetzen, ebd. S. 305; ähnlich LG Bonn, FamRZ 1961, 32. 65 Grundlegend: Bosch, Der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau, DRZ 1947, 82; CreifeLds, Kann dem Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau mit dem Hinweis auf ihre Arbeitspflicht begegnet werden?, JR 1949, 62 68

135.

2. Kap.: Die familiären Unterhaltsbeziehungen

33

mehrerer Kinder 67 • Die Unterhaltsbedürftigkeit der geschiedenen Frau - als Voraussetzung für ihren Unterhaltsanspruch gegen den allein oder überwiegend für schuldig erklärten Mann - besteht trotz eigenen, für ihren angemessenen Lebensunterhalt an sich ausreichenden Erwerbseinkommens auch dann, wenn der auf Unterhaltsleistung in Anspruch genommene Mann sie billigerweise auf diese Einkünfte nicht verweisen kann68 • Der Unterhaltsanspruch umfaßt den gesamten Lebensbedarf des Berechtigten. Maßstab für die Feststellung des Bedarfs ist der Lebenszuschnitt der Ehegatten zur Zeit der Scheidung. An einer nicht voraussehbaren Verbesserung der Einkommensverhältnisse des Verpflichteten nimmt der Berechtigte nicht teil69 , an einer Verschlechterung im Grundsatze auch nicht, es sei denn, sie berührt die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten7o • Die Pflicht des geschiedenen Ehegatten, Unterhalt zu leisten, ist nicht so weitgehend, wie im ehelichen Unterhaltsrecht. Würde er bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen durch die Unterhaltsleistung den eigenen angemessenen Unterhalt gefährden, dann braucht er nur soviel zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse, das Vermögen und die Erwerbsverhältnisse der Billigkeit entspricht (§ 59 Abs. 1 EheG). Kann die Leistungsfähigkeit nicht bejaht werden, dann entsteht nach h. M. ein Unterhaltsanspruch überhaupt nicht. Eine latente Unterhaltspflicht dem Grunde nach wird von ihr abgelehnt 71 • Nur einen der Billigkeit entsprechenden Beitrag zum Unterhalt schulden geschiedene Ehegatten einander dann, wenn die Ehe aus beiderseitigem Verschulden aufgelöst wurde (§ 60 EheG). Dieser Beitrag ist ein "Ausschnitt" des Unterhalts, der nach den Verhältnissen der Ehegatten zur Zeit der Scheidung angemessen ist7 2 • Der "Billigkeitsanspruch" des § 60 EheG wurde lange Zeit nicht als "echter" Unterhaltsanspruch angesehen73, und es wurde die Auffassung 66 LG Duisburg, FamRZ 1955, 177; RGZ 99, 112 (114) Betreuung des Vaters -; nach LG Hagen, FamRZ 1960, 363, soll die Betreuung einer alten Mutter unerheblich sein, dagegen zu Recht in Anm. Brühl. 67 RGZ 145, 302 (308); Gernhuber, Familienrecht, S. 305 m. w. Nachw.; s. a. u. 13. Kap., Text zu Anm. 154. 68 BSG, MDR 1970, 363; BSG, SGb 1968, 196 mit Anm. von Heinze, S. 451; BSG, ZfS 1968, 341; s. a. BSG, SGb 1969, 7; a. A. noch BSG, NJW 1959, 647. 69 Vgl. Dannehl, MDR 1955, 575. 70 Vgl. § 323 ZPO. 71 BSGE 5, 179 (183); BSG, FamRZ 1967, 624; Verbandskommentar, § 1265 Nr. 9 S. 4; a. A. Müller-Freienfels, S. 208 Anm. 1; vgl. auch BSGE 27,1. 72 Vgl. Brühl, Unterhaltsrecht, S. 59; Furler, S. 35. 73 Vgl. etwa KG, DR 1940, 2245 mit zustim. Anm. von Scanzoni; PaZandtLauterbach, § 60 EheG Anm. 3; a. A. FurZer, S. 18.

3 Ruland

I. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

34

vertreten, der Anspruch entstehe erst durch gerichtliches Urteil oder durch gerichtlichen Vergleich 74 . Der BGH hat jedoch festgestellt 75 , daß der Anspruch aus § 60 EheG zur Entstehung gelangt ist, wenn alle dort aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, ohne daß es auf eine richterliche Entscheidung ankommt7 6 • Bei der Scheidung aus anderen Gründen ist zu unterscheiden: Enthält das Scheidungsurteil einen Schuldausspruch, dann gilt das eben Ausgeführte entsprechend (§ 61 Abs. 1 EheG), andernfalls hat der Ehegatte, der die Scheidung verlangt hat, dem anderen Unterhalt zu gewähren, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und Vermögens- und Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und der Verwandten des Berechtigten der Billigkeit entspricht (§ 61 Abs. 2 EheG). Der Unterhalt ist durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren. Statt dessen kann auch eine Abfindung verlangt werden (§ 62 EheG). Die Unterhaltspflicht endigt bei der Wiederheirat (§ 67 EheG) oder bei dem Tod des Berechtigten (§ 69 Abs. 1 EheG). Im Falle der Auflösung der zweiten Ehe des Berechtigten lebt der Unterhaltsanspruch nicht wieder auf. Der Unterhaltsanspruch kann bei schweren Eheverfehlungen, unsittlichem oder ehrlosem Lebenswandel verwirkt werden (§ 66 EheG); selbstverschuldete Hilfsbedürftigkeit beschränkt den Anspruch auf den notdürftigen Unterhalt (§ 65 EheG). Mit dem Tod des Verpflichteten geht die Unterhaltspflicht als Nachlaßverbindlichkeit auf die Erben über, es sei denn, es handelt sich um den "Billigkeitsanspruch" aus § 60 EheG (§ 70 EheG)17. Das Unterhaltsrecht zwischen geschiedenen Ehegatten ist weitgehend dispositiver Natur. Die Ehegatten können für die Zeit nach der Scheidung Unterhaltsvereinbarungen treffen. Diese sind, auch wenn sie vor Rechtskraft des Scheidungsurteils geschlossen werden, nicht schon deshalb nichtig, weil sie die Scheidung erleichtert oder ermöglicht haben. Sie können jedoch aus sonstigen Gründen sittenwidrig sein (§ 72 EheG)18. 43 Das nacheheliche Unterhaltsrecht in den Reformvorschlägen

Die Reformentwürfe für das nacheheliche Unterhaltsrecht gehen, ebenso wie der Entwurf eines 1. EheRG79 von der Absicht aus, den 74

KG, DR 1941, 658; 2412; Schur, SGb 1957, 39; Stötzner, Arb. Vers. 1962,

113 (116 ff.).

FamRZ 1955, 169. Zur sozialrechtlichen Bedeutung dieser Frage, s. u. 13. Kap., sub 321.2. 77 Eine ähnliche Regelung bestand nach dem bis zum 1. 7.1970 geltenden Unehelichenrecht auch zugunsten des unehelichen Kindes, vgl. § 1712 BGB a.F. 78 s. U. 6 .. Kap., sub 91. 7i BR-Dr. 266/71, S. 34 f., 64 ff. 75 76

2. Kap.: Die familiären Unterhaltsbeziehungen

35

Grundsatz des geltenden Rechts, daß die geschiedenen ·Ehegatten ihr Leben lang für einander verantwortlich bleiben, aufzugeben80 • Während noch der Diskussionsentwurf81 den Grundsatz aufstellte, daß jeder der Ehegatten nach der Scheidung, abgesehen von den gesetzlich festgelegten Unterhaltstatbeständen82 selbst für seinen Unterhalt zu sorgen hat (§ 8 Abs. 1), gehen der Referentenentwurf 83 und ihm folgend auch der Entwurf eines 1. EheRG84 zwar auch davon aus, daß sich die geschiedenen Ehegatten bemühen sollen, möglichst bald von einander unabhängig zu werden; sie gestehen jedoch dem geschiedenen Ehegatten dann einen Unterhaltsanspruch zu, wenn der Ehegatte nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt aufkommen kann85 • Trotz dieser anscheinend grundsätzlichen Abweichung besteht zwischen dem Entwurf des 1. EheRG und dem Referentenentwurf einerseits und dem Diskussionsentwurf andererseits nur ein geringer Unterschied, denn der Entwurf des 1. EheRG beschränkt das Vorliegen der zu einem Unterhaltsanspruch führenden Bedürftigkeit auf die Fälle, in denen auch der Diskussionsentwurf Unterhaltsansprüche zugestehen wollte 86 . Dem liegen übereinstimmend folgende überlegungen zu Grunde 87 : "Unabhängig von der Eigenverantwortung der geschiedenen Ehegatten stellt sich daher die Frage, in welcher Weise Wld in welchem Umfang der sozial stärkere Ehegatte mitverantwortlich ist, wenn die Kräfte des geschiedenen Ehegatten trotz seiner Eigenverantwortung nicht ausreichen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es kann daher allgemein nicht jede Bedürftigkeit eines geschiedenen Ehegatten Ursache dafür sein, die Mitverantwortlichkeit des früheren Ehegatten auszulösen. Dem Grundsatz der Eigenverantwortung entspricht es, daß der geschiedene Ehegatte - von Ausnahmen abgesehen - auch sein Schicksal allein zu tragen hat. Nur dann, wenn dieses Schicksal in Verbindung mit der Ehe steht, ist es gerechtfertigt, die Mitverantwortlichkeit des früheren Ehegatten zu berufen. Diese Verbindung zur Ehe besteht, wenn die Einigung der Ehegatten über die Arbeitsteilung in der Ehe nach der Scheidung zum Nachteil eines Ehegatten fortwirkt, weil er seine wirtschaftliche Lage eng an seinen Partner geknüpft hat, indem er arbeitsteilig die Verwaltung des hauswirtschaftlichen Bereichs übernommen und auf eine Sicherung durch eigene Erwerbstätigkeit verzichtet hat. Nach dem Entwurf besteht deshalb ein Unterhaltsanspruch, wenn die Bedürftigkeit des geschiedenen Ehegatten ehebedingt ist88." 80 81 82 83 84 85

88

RE, S.19. DE, S. 72. §§ 8-15 DE. RE, S.19.

S. 64 f. Vgl. § 1570 BGB i. d. F. des RE und des Entwurfs eines 1. EheRG. Vgl. § 1570 BGB ebd. " ... so hat er gegen den anderen Ehegatten einen

Anspruch auf Unterhalt nach den folgenden Bestimmungen", hierzu RE, S. 131 ff. 87 RE, S. 131; DE, 79. 88 Ganz ähnlich auch die Begründung zu dem Entwurf des 1. EheRG, S. 65.

1. 1. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

36

Der Entwurf des EheRG geht daher - im wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Referentenentwurf und dem Diskussionsentwurf von sechs Unterhaltstatbeständen aus B9 • Diese Unterhaltstatbestände sind: 1. Unterhalt, weil ein Ehegatte ein gemeinschaftliches Kind zu pflegen oder zu erziehen hat, § 1571;

2. Unterhalt, weil von einem Ehegatten wegen Alters nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, § 1572; 3. Unterhalt, weil von einem Ehegatten wegen Krankheit eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, § 1573; 4. Unterhalt, weil ein Ehegatte, der während der Ehe nicht erwerbstätig war, sich nach der Scheidung zunächst um eine Erwerbstätigkeit bemühen muß, § 1574;

5. Unterhalt, weil ein Ehegatte, der wegen der Ehe eine Ausbildung unterbrochen hat, diese nach der Scheidung fortsetzen will oder sich einer erforderlichen Fortbildung oder Umschulung unterzieht, § 1576; 6. Unterhalt, weil ein Ehegatte in seinen Versorgungsansprüchen wegen der Ehe benachteiligt ist, § 1577 9°. Insbesondere auf den letzten Unterhaltstatbestand soll noch ausführlich zurückgekommen werden91 • Der Entwurf sieht darüber hinaus noch ein Wiederaufleben des infolge Wiederheirat des Berechtigten weggefallenen Unterhalts für den Fall vor, daß die zweite Ehe des Berechtigten wieder aufgelöst wird. Dies gilt aber nur für die Unterhaltstatbestände 1 und 692• 5 Unterhaltsbeziehungen zwischen sonstigen unterhaltsberechtigten und -verpflichteten Personen Sonstige rechtliche Unterhaltsbeziehungen können zwischen Enkeln und Großeltern und weiteren Verwandten auf- und absteigender gerader Linie bestehen. Für sie gelten die allgemeinen Regeln des Verwandtenunterhalts. Sie kommen hauptsächlich dann zum Tragen, wenn die, die beiden Generationen vermittelnden, Eltern aus irgendeinem Grunde als Unterhaltsträger ausgefallen sind. Durch Annahme an Kindes statt kann einem Kind die Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden oder, wenn ein Ehepaar adoptiert, die eines gemeinschaftlichen ehelichen Kindes gegeben werden. Damit werden gegenseitige Unterhaltsansprüche zwischen dem oder den Annehmenden und den Angenommenen begründet93 • 88 Der DE allerdings hatte nur fünf vorgesehen, davon ist jedoch einer schon im RE zu zweien aufgelöst worden und zwar zu Nm. 2,3. 90 Vgl. RE, S. 132 f.; DE, S. 79 f. 81 s. u. 15. Kap., sub 23. 92 Vgl. § 1586 a BGB i. d. F. des Entwurfs eines 1. EheRG, ebenso schon der RE. 88 Vgl. Brühl, Unterhaltsrecht, S. 44.

2. Kap.: Die familiären Unterhaltsbeziehungen

37

Die nichteheliche Mutter kann von dem Vater ihres Kindes neben den Entbindungskosten Unterhalt für die Dauer von regelmäßig sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes, höchstens jedoch für die Dauer eines Jahres, verlangen94 . Der Anspruch auf Entbindungskosten besteht nur insoweit, als die Kosten nicht durch Leistungen des Arbeitgebers oder Versicherungsleistungen gedeckt werden95 . 6 Unterhaltsbeziehungen zwischen nicht unterhaltspflichtigen Personen Nicht unterhaltsberechtigt sind nach deutschem Recht alle miteinander in der Seitenlinie Verwandten, so daß insbesondere Geschwister einander keinen Unterhalt schulden. Die Versuche, Verschwägerte in den Unterhaltsverband einzubeziehen, sind alle gescheitert96 • Weder Boehmer97 konnte sich mit seiner Meinung durchsetzen, daß das Stiefkind einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Stiefvater habe, noch hatte der Entwurf eines § 1360 c BGB Erfolg, der in bestimmten Fällen die Unterhaltspflicht für Verschwägerte vorsah98 • Es besteht insbesondere auch keine mittelbare Unterhaltspflicht für Verschwägerte in dem Sinne, daß der Unterhaltsanspruch eines Berechtigten auch die Mittel umfaßt, die der Berechtigte zur Erfüllung seiner ihm obliegenden Unterhaltspflicht benötigt99, denn für den Umfang des Unterhaltsanspruchs ist ausschließlich der Lebensbedarf des Berechtigten maßgebend10o • Obwohl das Recht zwischen Verwandten in der Seitenlinie und Verschwägerten oder sonstigen Personen keine Unterhaltsbeziehungen statuiert, wird dennoch häufig freiwillig Unterhalt geleistet. Zwei solcher sozialtypischen, faktischen Unterhaltsbeziehungen, denen aller94

§§ 1615 k f. BGB.

Hierzu auch u. 15. Kap., sub 123. BGH, NJW 1969, 2007: "Stiefkinder haben weder unmittelbar (§ 1601 BGB) noch mittelbar (§ 1360 a BGB) einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen ihren Stiefvater". 97 FamRZ 1955, S. 125 ff.; ähnlich Bosch, Anm. zu OVG Münster, FamRZ 1954, 201; neuerdings: Stöcker, NJW 1972, 553 (556); dagegen h. M., BGH, NJW 1969, 2007; Brühl, Unterhaltsrecht, S. 45; Gernhuber, FamRZ 1955,193. 98 Vgl. BT-Dr. U/224: RegE eines § 1360 c BGB: "Ist ein Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhaltes unterhaltsberechtigten Eltern oder Kindern Unterhalt zu gewähren, so kann der Bedürftige von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, soweit die Nichtgewährung des Unterhalts mit Rücksicht auf die Höhe der Einkünfte und sonstigen Verpflichtungen des anderen Ehegatten grob unbillig wäre. Der Anspruch besteht nicht, wenn der Bedürftige den Unterhalt von anderen Unterhaltspflichtigen erlangen kann." Vgl. Begründung dazu, S. 31 und Bericht des Abg. Wittrock, BT-Dr. Ulzu 3409, S. 38. 99 So etwa MöHers, Die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit der Ehefrau nach dem geltenden Recht, RPfl. 1954, 427 (430); a. A. BGH, NJW 1969, 2007; BVerwG, MDR 1960, 526. 100 Gernhuber, FamRZ 1955, 193 (194); s. jedoch OVG Münster, FEVS 4, 151. 95

96

38

1. I'. Abschn.: Der familiäre Unterhalt

dings stillschweigend geschlossene Unterhaltsverträge zu Grunde liegen bzw. aus denen sich solche Verträge ergeben können, seien hier genannt. Stief- und Pflegekinder sind nach geltendem Recht weder mittelbar noch unmittelbar unterhaltsberechtigt. Und doch kann eine solche Unterhaltsverpflichtung oft stillschweigend durch Aufnahme des Kindes in die Wohnung übernommen werden. Der Mann z. B., der damit einverstanden ist, daß seine Frau nichteheliche Kinder oder Kinder aus einer früheren Ehe oder auch Eltern in den ehelichen Haushalt mitbringt, obwohl er sich bewußt ist, daß deren Unterhalt nicht anderweitig sichergestellt ist, kann damit die Zusage gegeben haben, sie zu unterhalten101 • Allerdings bedeutet die Aufnahme in die Wohnung nicht zwangsläufig die übernahme einer entsprechenden Unterhaltsverpflichtung102. • Das Pflegekindverhältnis ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß das Pflegekind mit seinen Pflegeeltern durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern die Pflegeeltern es in ihrem Haushalt aufgenommen haben103 • Als zweites Beispiel sei die eheähnliche Gemeinschaft genanntt 04 • Obwohl sie wie die Ehe durch das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichnet ist, besteht zwischen den Partnern dieser Gemeinschaft keine familiäre Unterhaltspflicht. Das ist, da das Unterhaltsrecht seine eigentliche Bedeutung nur im Konfliktsfall gewinnt, die eheähnliche Gemeinschaft sich aber im Konfliktsfall auflöst oder aufgelöst ist, folgerichtig 105'. Aber dennoch: Auch die eheähnliche Gemeinschaft beruht auf den gegenseitigen - wenn man will: quasifamiliären - Unterhaltsleistungen der Partner dieser Gemeinschaft, und auch sie setzt Fakten, die das Sozialrecht nicht völlig außer acht lassen kann. 101 Vgl. BVerwG, NJW 1960, 1267 (1268); OVG Berlin, NJW 1959, 1383 (1384); OVG Lüneburg, FamRZ 1957, 30; OVG Münster, NJW 1953, 639; LG Berlin, FamRZ 1955, 267 mit Anm. von Boseh und Boehmer; LG Hamburg, FamRZ 1955, 363 mit Anm. von Boehmer; B.rühl, Unterhaltsrecht, S.298. 102 Staudinger - Gotthardt, § 1601 Anm. 18 b; a. A. Boehmer, FamRZ 1955, 125 (128). 103 § 2 Abs. 1 Ziff. 6 BKGG; s. a. BSGE 15, 239; BSG, NJW 1962, 2319; BVerwG, DöD 1961, 114; s. a. u. 12. Kap., Text zu Anm. 19-23. 104 Dazu allgemein: Jeder, Eheähnliche Verhältnisse und die Stellung der Geliebten im Spiegel der deutschen Rechtsprechung, Diss. jur. Kiel 1971; zum Begriff: Hess. VGH, VerwRspr. 21, 1004. 106 Die Entscheidung des LSG Celle (Breith. 1957, 668), wonach das Bestehen der "eheähnlichen Gemeinschaft" voraussetzt, daß beide Partner sich gegenseitig verbunden und verpflichtet fühlen, zum 'gemeinsamen Lebensunterhalt beizutragen und daß sie sich auch entsprechend verhalten, (a. A. insoweit BVerwGE 15, 306 [312]) entspricht zumindest dieser unterhaltsrechtlichen Bewertung der "eheähnlichen Gemeinschaft".

Zweiter Abschnitt

Das System der sozialen Sicherung 3. Kapitel

trherhlick üher das System sozialer Sicherungl 1 Fürsorge - Sozialversicherung - Versorgung Das deutsche System sozialer Sicherung setzt sich aus einer Vielzahl von Einzelsystemen zusammen. Sie werden herkömmlich in die Teilbereiche Fürsorge, Sozialversicherung und Versorgung eingeteilt2 • Dabei ist Fürsorge die allgemeine, an der konkreten Bedürftigkeit orientierte, dem Prinzip nach subsidiäre Hilfe für alle in jeder sozial relevanten Notlage 3 • Sie gewährt grundsätzlich nur das Existenzminimum und wird daher als "einfache" soziale Sicherung der "gehobenen" sozialen Sicherung Sozialversicherung und Versorgung - gegenübergestellt, die mit ihren Leistungen den Lebensstandard der Leistungsempfänger möglichst aufrechterhalten soll. Die Fürsorgeleistungen zählen zu den "Leistungen der sozialen Sicherheit". Die aus dem EWG-Recht hergeleitete Auffassung, daß unter "soziale Sicherung" nur. die "Rechtsgebieteder Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, sowie des Kindergeldwesens, nicht aber der Fürsorge und Versorgung oder weiterer Rechtsbereiche" fallen4, ist als zu eng abzulehnen5 • Sie entspricht einmal nicht dem "herrschenden, den Sinnzusammenhängen gerechten Sprachgebrauch"6, wonach "soziale Sicherheit schon dem Wortsinn nach offenbar jene Sicherheit ist, die der einzelne in der Gesellschaft, d. h. als Glied lAn Literatur zum folgenden sei genannt: von Bethusy-Huc, Sozialleistungssystem, S. 1 ff.; Institut "Finanzen und Steuern", Soziale Sicherung, passim; Preller, Bd. II S. 311; Sozialenquete, Nm. 149-304 S. 64-113; Schewe - Nordhorn, passim; Zacher,SchZfS 1970, 293 ff.; Wannagat, Lehrbuch, passim; Weber, Sozialrecht, JuS 1972, 174 ff. ! Vgl. etwa statt aller Sozialenquete, Nr. 171 S. 60. 3 Vgl. Zacher, SchZfS 1970, 293 (296). 4 So Friederichs, Soziale Sicherheit als Rechtsbegriff, JZ 1967,278 (281). 5 Ebenso Rohwer-Kahlmann I Frentzel, S. 27; Zacher, Die Sozialversicherung als Teil des öffentlichen Rechts, in: Sozialrecht und Sozialpolitik, S. 37 (Anm.43). ft So Zacher, a.a.O. (Fußn. 5).

40

I. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

der Gesellschaft und durch die Gesellschaft, erhält"7. Diese Voraussetzungen werden durch die Leistungen der Fürsorge (Sozialhilfe) erfüllt. Die Auffassung Friederichs ist denn auch ohne Zustimmung geblieben. Sie ist im übrigen auch in ihrer Argumentation nicht schlüssig. Auch wenn der EWG-Vertrag unter "sozialer Sicherheit" nur die eben genannten Leistungssysteme verstehen sollte, was hier offen bleiben kann und soll, so besagt dies nicht, daß damit der Begriff "soziale Sicherung" auch für das deutsche Recht erschöpft ist, denn der EWG-Vertrag hat nicht die gesamte Sozialpolitik der Länder in die Hände der Gemeinschaft gelegt8. Die Sozialversicherung 9 schützt bestimmte Personenkreise - vornehmlich die gegen Entgelt Beschäftigten - gegen bestimmte typische zukünftige Risiken, wie Krankheit, Arbeitsunfall, Arbeitsunfähigkeit, Alter und Arbeitslosigkeit und ihre Angehörigen im Falle ihres Todes. Die von der Sozialversicherung gewährte gehobene soziale Sicherung wird durch Beiträge der Versicherten "erkauft".

Versorgung ist die gehobene soziale Sicherung bestimmter Personenkreise entweder gegen bestimmte typische zukünftige Risiken (Beamtenversorgung) oder bei bereits eingetretenen Bedarfssituationen, für die die politische Gemeinschaft in besonderer Weise verantwortlich ist (Kriegsopfer-, Verfolgtenversorgung). Die Qualifizierung der von ihr vermittelten Sicherung wird insoweit durch das "Opfer" - den Ausgleichstatbestand - "erdient"10. Bei der Beamtenversorgung wird die Gegenleistung zwar nicht "juristisch-technisch"l1 wohl aber der Sache nach verdeckt durch "einbehaltene Gehaltsbestandteile", d. h. also durch Lohnverzicht erbracht1 2 , was insbesondere bei der Nachversicherung der Beamten deutlich wird13 . 7 Bogs, Einwirkungen, S. G 5 f.; s. a. Rohwer-Kahlmann, Fragen zum Recht der sozialen Sicherheit, ZSR 1970, 513 (514); Wertenbruch, S. 300. a Vgl. Hayde, Internationale Sozialpolitik, 1960, S. 121; s. a. Rohwer-Kahlmann I Frentzel, S. 50 (Anm. 11); Sandmann-Bremme, Systeme Sozialer Sicherheit in den Ländern der EWG, in: Sandmann-Bremme - Erdmann Hennze - Heise - Kersten, Die EWG als Sozialgemeinschaft, 1964, S. 13 f. g Ihre Zugehörigkeit zum System sozialer Sicherung ist unbestritten; grundlegend vgl. Bogs, Grundfragen, S. 15 ff.; Rohrbeck, Der Begriff der Sozialversicherung und ihre Abgrenzung zur Versorgung und Fürsorge, in: Gegenwartsfragen sozialer Versicherung, S. 17 ff. 10 Hierzu Berg, S. 19; Bogs, Grundfragen, S. 29 f. 11 Thieme, DöV 1970, 537; s. a. RGZ 64, 353. 12 Vgl. Fischbach, Vorbem. vor § 105 A I 1; Preller, Bd. II S. 315; Sozialenquete, Nr. 511, S. 178; Thieme, ebd; Zacher, DöV 1970, 1 (4 Anm. 41); dens., VVDStRL Heft 28 S. 233 (237); dens., SchZfS 1970,293 (305); v. Zezschwitz, Zur versorgungs- und besoldungsrechtl. Gleichbehandlung im öffentl. Dienst, DVBI. 1972, 1 (9); a. A. Plog - Wiedow - Beck, Vorbem. vor § 105 Rdnr. 3. 13 Vgl. §§ 1232, 1229 RVO.

3. Kap.: Überblick über das System sozialer Sicherung

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Wenn heute als wesentlicher Bestandteil des Alimentationsprinzips14 die beitragslose Gewährung der Versorgung verstanden wird111, so ist das nur von der juristischen Seite her richtig, entspricht aber nicht der wirtschaftlichen Realität16 • Die Beamtenversorgung wird in dieser Arbeit ungeachtet der herrschenden Meinung, wonach ihre Leistungen der Rechtsnatur nach keine Sozialleistungen sind17 , dem System sozialer Sicherung zugerechnet. Dabei soll die Rechtsnatur der Leistungen der Beamtenversorgung dahinstehen. Der Sache nach gehört die Beamtenversorgung zum System sozialer Sicherung, dem sie international auch zugezählt wird18 , denn auch sie vermittelt einzelnen Gesellschaftsmitgliedern in (typischen) Notsituationen, wie Alter, Krankheit oder Witwenschaft, den Schutz der Gesellschaft, des Staates. Eine Einbeziehung der Beamtenversorgung war auch von dem Zweck der vorliegenden Untersuchung her angezeigt. Die Problemsituation zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der Beamtenversorgung ist die gleiche wie die zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der Sozialversicherung, wobei allerdings die Beamtenversorgung für gleiche soziale Ausgangstatbestände andere Lösungsmöglichkeiten gefunden hat als z. B. das Sozialversicherungsrecht. Es sei nur auf die Sicherung des Witwers hingewiesen, der im Beamtenrecht ein unbedingtes Witwergeld erhält, während er im Sozialversicherungsrecht nur dann Witwerrente beziehen kann, wenn seine verstorbene Frau zu ihren Lebzeiten den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hatte 19 • Die Variationen, die das Beamtenversorgungsrecht zur Lösung der in dieser Untersuchung interessierenden Fragen anzubieten hat, sollten durch einen - nur auf die Rechtsnatur der Beamtenversorgung gestützten - Verzicht auf ihre Einbeziehung in diese Untersuchung nicht ausgeschlossen werden. Im übrigen: Ausgehend von der "volkswirtschaftlichen Grundtatsache", daß "aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode s. u. 4. Kap., Text zu Anm. 139. Vgl. etwa Thiele, Alimentation ein unabdingbares Merkmal des Berufsbeamtentums, ZBR 1963, 129 (132). 18 Zur historischen Entwicklung, Jacob, Witwenschaft, S. 22 ff.; ders., ZBR 1971,68. 17 von Bethusy-Huc, Sozialleistungssystem, S. 3; Rohwer-Kahlmann I Frentzel, S. 25 (Anm. 24); Weisser, Soziale Sicherheit, S. 396; vgl. auch Krüger, Das besondere Gewaltverhältnis, VVDStRL Heft 15, S. 116: "Eine solche geschriebene oder ungeschriebene Fürsorgepflicht ist sicherlich etwas anderes als eine graue, heillose Daseinsvorsorge des Sozialstaates"; s. a. BVerfGE 21,329 (352); wie hier: Sozialbericht 1970, S. 43; Schewe - Nordhorn, S. 111 ff.; Za'cher, SchZfS 1970, 293 (296, 305). 18 Vgl. Sozialbericht 1970, S. 43. 19 s. dazu u. 24. Kap., sub 12. 14

15

1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

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gedeckt werden muß", werden "alle juristischen und historischen Unterscheidungen hinfällig, also die Unterscheidung von Sozialversicherung, Sozialversorgung und Sozialfürsorge, es ist alles Sozialaufwand"20. 2 Vorsorgesysteme - Entschädigungssysteme - Ausgleichssysteme Die "verdeckten Beiträge", mit denen die in der Beamtenversorgung liegende gehobene soziale Sicherung "erkauft" wird, und die von ihr vermittelte Sicherung gegen bestimmte typische zukünftige Risiken rücken die Beamtenversorgung in die Nähe der Sozialversicherung, die, mit Beiträgen der Versicherten finanziert, gegen die - mit Ausnahme der Arbeitslosigkeit - grundsätzlich gleichen zukünftigen Risiken sichert. Das läßt schon deutlich werden, daß die übliche Einteilung des Systems sozialer Sicherung in Fürsorge, Sozialversicherung und Versorgung die jeweils zueinandergehörenden Sachsysteme nicht zusammenbringt21 und die den jeweiligen Leistungen zu Grunde liegenden sozialpolitischen Motivierungen - wie Vorsorge des Gesicherten, Entschädigung durch den Staat und sozialstaatlich gebotener Ausgleich - vernachlässigt. Im Anschluß an Zacher 22 werden die Einzelsysteme sozialer Sicherung in drei größere Sachsysteme eingeteilt, in - Vorsorgesysteme, als Hauptbeispiele: die Rentenversicherung und die Beamtenversorgung, sie sind dadurch gekennzeichnet, daß sie die ihnen Zugeordneten von vorneherein gegen bestimmte typische Risiken sichern und daß dieser Sicherung eine Gegenleistung des Gesicherten gegenübersteht; - Entschädigungssysteme, als Hauptbeispiel die Kriegsopferversorgung, sie sollen Schäden ausgleichen, die entweder Dritten zugerechnet werden oder für die die politische Gemeinschaft die Verantwortung übernommen hat, und - Ausgleichssysteme, sie sollen mit Mitteln aus dem allgemeinen Steueraufkommen entweder den Mindestlebensstandard sicherstellen, durch staatliche Entscheidung anerkannte Sonderbedarfe befriedigen oder unterschiedliche familiäre Belastungen ausgleichen; als Hauptbeispiel sei die Sozialhilfe genannt. Nicht alle Leistungen der sozialen Sicherheit können jedoch einer dieser Gruppen eindeutig zugezählt werden, so daß darüber hinaus 20

21 !!

Mackenroth, S. 45.

Vgl. Zacher, DöV 1970, 1 (4 Anm. 41). Ebd.; dens., VVDStRL Heft 28, S. 233 (237); dens., SchZfS 1970, 293 (297).

3. Kap.: überblick über das System sozialer Sicherung

43

auch noch Mischsysteme bestehen, wie etwa die Arbeitslosenhilfe oder die Kriegsopferfürsorge.

3 Der Begriff: Leistung der sozialen Sicherheit Als Leistungen der sozialen Sicherung können in einem weiteren Sinne an staatlichen Leistungen insbesondere die Förderung der Vermögensbildung, der Wohnungsbau, vorbeugender Gesundheitsschutz, der Arbeitsschutz und das prozessuale Armenrecht angesehen werden. Von dem System sozialer Sicherung nicht zu trennen sind beispielsweise die Beschäftigungspolitik, die auf Vollbeschäftigung, als einem der vier maßgeblichen Ziele der Wirtschaftspolitik, zielt2 3 , die wirtschaftspolitischen Förderungen, etwa zugunsten wirtschaftlich schwach strukturierter Regionen oder gefährdeter Wirtschaftszweige, die Preispolitik oder auch das Erziehungs- und Ausbildungswesen 24 • Außerdem kann z. B. die Setzung des Unterhaltsrechts, das die Möglichkeit einräumt, bei Bedürftigkeit von einem Angehörigen Unterhalt zu verlangen, einzuklagen und durch Vollstreckung auch zu erlangen, in einem weiteren Sinne als Leistung der sozialen Sicherung betrachtet werden, denn auch sie ist eine staatliche Maßnahme zur Sicherung des einzelnen. Entsprechendes gilt für das Schadensersatzrecht. Diese - meist indirekten25 - "Leistungen der sozialen Sicherheit in einem weiteren Sinne" lassen sich von den "eigentlichen" - direktenLeistungen der sozialen Sicherheit - Vorsorge-, Entschädigungs- oder Ausgleichsleistungen -, auf die sich diese Arbeit beschränkt 26 , dann kaum noch abgrenzen, wenn sie individuell adressiert werden, wie 23 Vgl. § 1 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. 24 Vgl. etwa den weitgefaßten Begriff "sozialer Sicherung" bei Laroque, Die soziale Sicherheit und die anderen sozialen Einrichtungen, in: Bulletin der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit 1952, 149 (150 ff.). 25 Zu dieser Abgrenzung auch Sozialenquete, Nr. 147 f., S. 64. 2S Dies rechtfertigt sich von der Aufgabenstellung der Arbeit her. Sie soll die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit aufdecken. Dabei sind aber nur die zwischen beiden Leistungssystemen bestehenden unmittelbaren Beziehungen von Interesse, d. h. die Beziehungen, die sich ergeben, wenn Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit unmittelbar aufeinanderstoßen, nicht aber die, die erst über weitere Beziehungen, wie z. B. Sozialleistung - Arbeitseinkommen und Arbeitseinkommen-Unterhalt, vermittelt werden und die jeweils wieder ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegen, die aufzudecken, nicht Gegenstand dieser Arbeit ist. In unmittelbarer Beziehung zu familiärem Unterhalt stehen aber nur die direkten, individuell adressierten Leistungen der sozialen Sicherheit. Die Unmittelbarkeit dieser Beziehung ergibt sich aus der gleichen oder zumindest parallelen Aufgabenstellung, die diesen Leistungen ebenso wie dem familiären Unterhalt zukommt und die in der Abdeckung bestimmter individueller Unterhaltsbedürfnisse besteht.

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1. 2. Absdm.: Das System der sozialen Sicherung

z. B. Bergmannsprämien27 , Landabgabenrenten28 oder Altersgeld für Landwirte 29 • In solchen Fällen verhilft auch die Einbeziehung des Zweckes der Leistung, reine Einkommensmehrung dann Leistung der sozialen Sicherheit, Verfolgung eines neben der Einkommensmehrung des Begünstigten zusätzlichen öffentlichen Zweckes dann Subvention und keine Leistung der sozialen Sicherheit (im engeren Sinne)3°, nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen. Die Grenze des "eigentlichen"oder besser - des Kernbereichs sozialer Sicherung bleibt unscharf. Selbst Leistungen der sozialen Sicherheit, die ausgefallenes Arbeitseinkommen durch Sozialeinkommen (Renten oder Pensionen) ersetzen sollen, verfolgen, wenn auCh nur sekundär, wirtschaftspolitische Zwecke, wie etwa Vermehrung der Kaufkraft oder Steigerung der MobilitätSl . Die Ausbildungsförderung ist, weil die Gesellschaft immer mehr gut ausgebildeten Nachwuchs benötigt, nicht zuletzt auch eine gesellschaftspolitische und wirtschaftspolitische Investition. Auch sie verfolgt daher einen "öffentlichen Zweck" im Sinne der Subveritionsdefinition. Und doch wird man ihr wegen des überwiegenden sozialpolitischen Anliegens, das ihr zu Grunde liegt, nämlich dem Ausgleich der Bildungschancen, den Charakter einer Leistung der sozialen Sicherheit nicht absprechen können. So werden mit dem Vorbehalt einer gewissen Unschärfe gegenüber SubventionenS2 in einer Arbeitshypothese unter dem Begriff "Leistungen der sozialen Sicherheit" alle mittelbar oder unmittelbar staatlichen, direkten, d. h. individuell adressierten, Leistungen an einzelne Personen oder private Haushalte verstanden, die ausschließlich oder zumindest überwiegend erbracht werden, -

um die Lebenslage einzelner vor unmittelbar drohenden Verschlechterungen zu schützen, bzw. sie bei eingetretenen Gefährdungen möglichst zu sichern,

VgL Gesetz über Bergmannsprämien. Vgl. §§ 41 ff. GAL. 29 Vgl. §§ 2 ff. GAL, hierzu u. 4. Kap., sub 212.1 und 212.6. 30 Subventionen werden definiert als "vermögenswerte Zuwendungen, die von dem Staat, seinen besonderen Verwaltungseinheiten oder einer supranationalen Organisation unmittelbar oder durch Dritte natürlichen Personen oder juristischen Personen des Privatrechts zu einem öffentlichen Zweck gewährt werden, der weder ausschließlich in der unmittelbaren Gewährung oder Mehrung des Einkommens des Subventionsempfängers noch:im Entgelt für eine Leistung bestehen darf", vgl. Zacher, Verwaltung durch Subventionen, VVDStRL Heft 25, S. 317. 31 Hierauf hat insbes. Galbraith, Gesellschaft im überfluß, 1950, S. 350, hingewiesen. Vgl. auch Jantz, Zur wirtschaftlichen Funktion sozialer Leistungen, in: Der Mensch im sozioökonomischen Prozeß, S. 253 ff. . 32 Diese Unschärfe macht aber andererseits auch dem Subventionsrecht zu schaffen, vgl. den Versuch der Abgrenzung bei Eppe, Subventionen u. staatl. Geschenke, Verwaltung und Wirtschaft Heft 34, 1966, S. 74 ff. (78); und bei Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966, S. 11. 27

28

3. Kap.: Überblick über das System sozialer Sicherung

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-

um dem einzelnen das Existenzminimum zu sichern,

-

um bestimmte von dem Gesetzgeber anerkannte Sonderbedarfe zu befriedigen oder

-

um Familien als Ausgleich ihrer besonderen Lasten ein zusätzliches Einkommen zu gewähren.

Diese Leistungen können auch darin bestehen, daß wegen der oben aufgeführten Zwecke Vergünstigungen bei allgemein zu erbringenden Leistungen - insbesondere Steuern _33, gewährt werden34 , 35.

33 Vgl. aber auch Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegsund Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr oder §§ 53 ff. LAG; s. die Übersicht im Sozialbericht 1972, S. 133. 34 Diese Definition lehnt sich an die Spezifizierung des in Art. 22 der AEMR verbrieften Rechts auf "soziale Sicherheit" in Art. 25 AEMR: 1. Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztlicher Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge gewährleistet; er hat das Recht auf Sicherheit im Falle der Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Verwitwung, Alter oder von anderweitigem Verlust der Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände. 2. Mutter und Kind haben Anspruch auf besondere Hilfe und Unterstützung ... und an die Definition des Übereinkommens Nr. 102 der IAO an, der über die von der Bundesrepublik ratifizierten EuSCh (Teil I Nr. 12; Teil II Art. 12 Nr. 2) der Rang einer Legaldefinition (so auch Weisser, S. 396) zugesprochen werden kann. (Die §§ 1321 Abs. 4 RVO und 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3 FRG verwenden den Begriff "soziale Sicherheit" ebenfalls, ohne ihn jedoch näher zu definieren.) In diesem Übereinkommen wird "soziale Sicherheit" anhand folgender Voraussetzungen definiert: 1. Das Ziel der Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen muß darin bestehen, heilende oder verhütende ärztliche Behandlung zu gewähren und bei unfreiwilligem Verlust des ganzen oder eines großen Teils des Arbeitseinkommens Mittel für den Lebensunterhalt zu garantieren oder Personen mit Familienangehörigen ein zusätzliches Einkommen zu gewähren. 2. Die Einrichtung muß durch die Gesetzgebung geschaffen sein, die bestimmte individuelle Rechtsansprüche gewährt oder öffentlichen, halböffentlichen oder autonomen Organisationen fest begrenzte Verpflichtungen auferlegt. 3. Die Einrichtung muß durch eine öffentliche, halböffentliche oder autonome Körperschaft verwaltet werden. 35 Vgl. neuerdings die auch betriebl. Leistungen umfassende Definition der Sozialleistung im Sozialbericht 1972, S. 147.

I. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

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4. Kapitel

Die Teilsysteme sozialer Sicherungl 1 Ausgleichssysteme

Zu den Ausgleichssystemen zählen: -

die Sozialhilfe, die Jugendhilfe, die Ausbildungsförderungen, das Wohngeld, das Kindergeld und der Sache nach auch die familienbezogenen Steuerermäßigungen.

Diesen Systemen ist gemeinsam, daß, sofern die jeweiligen Leistungsbzw. Verschonungsvoraussetzungen erfüllt sind, jeder innerhalb des Bundesgebiets diese Leistungen oder Verschonungen erhalten kann. Sie sind von dem Personenkreis ausgehend allumfassend. Die Mittel für diese Leistungen werden über das allgemeine Steueraufkommen aufgebracht bzw. gehen zu seinen Lasten. 11 Die Sozialhilfe

Der umfassendste Ausgangstatbestand der Leistungen der sozialen Sicherheit kennzeichnet die Sozialhilfe. Ihr kommt der allgemeine Auftrag zu, "jedem die Menschenwürde beeinträchtigenden Zustand zu begegnen"2. Daraus folgt, daß nicht nur die im BSHG ausdrücklich genannten, weit umschriebenen Hilfsleistungen gewährt werden können und müssen, sondern daß "darüber hinaus auch Leistungen in weiteren Fällen sozialer Notlage(n), ... die eine Hilfe der Allgemeinheit erfordern"3, zu erbringen sind4 • Der Ausgangstatbestand der Sozialhilfe umfaßt, wie die Sozialenquete feststellte 5, alle denkbaren wirtschaftlich und nichtwirtschaftlich begründeten Notlagen. Die Sozialhilfe unterscheidet zwischen Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 11 ff. BSHG) und Hilfen in besonderen Lebenslagen (§§ 27 ff. BSHG). 1 Es sei bemerkt, daß die besondere Zwecksetzung der Darstellung der Systeme sozialer Sicherung ein Eingehen auf die Organisation des jeweiligen Systems entbehrlich machte. 2 Vgl. § 1 Abs. 2 BSHG; hierzu BVerwGE 29, 235 (236). 8 Vgl. amtl. Begründung zu § 25 des Entwurfs des BSHG, BT-Dr. III/1799

S.43.

, BVerwGE 29, 235 (236); ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 12 III. 6 Nr. 204 S. 79.

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

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Hilfe zum Lebensunterhalt wird dem gewährt, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus seinen eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Vermögen oder Einkommen, beschaffen kann (§ 11 Abs. 1 S. 1 BSHG). Der notwendige Lebensunterhalt umfaßt z. B. auch Krankenversicherungsbeiträge und Kosten einer Alterssicherung6 • Hilfe zum Lebensunterhalt wird durch einmalige oder laufende Leistungen erbracht (§ 21 Abs. 1 BSHG). Sofern keine besonderen Umstände vorliegen, werden die laufenden Leistungen nach Regelsätzen gewährt, die durch Verordnung festgesetzt worden sind7 und deren jeweilige Höhe von den zuständigen Landesbehörden bestimmt wird (§ 22 Abs. 3 BSHG). Die Regelsätze unterscheiden zwischen dem Haushaltsvorstand und sonstigen Haushaltsangehörigen. Dabei übersteigt der Regelsatz für den Haushaltsvorstand den für Angehörige. Dies deshalb, weil mit ihm bestimmte Leistungen für die allgemeine Haushaltsführung abgegolten werdens. Bestimmte Personen, etwa Schwangere, Mütter mit zwei oder mehr Kindern oder Blinde und Behinderte, erhalten zu ihrem Regelsatz einen Mehrbedarfszuschlag9 • Die Regelsätze schränken das die Sozialhilfe ansonsten kennzeichnende Individualprinzip ein. Sie ergeben sich aus der Notwendigkeit, die Hilfe in typischen Notsituationen gerechterweise zu typisieren10 • Da Sozialhilfe "Hilfe zur Selbsthilfe" ist (§ 1 Abs. 2 S. 2 BSHG), gehört zur Hilfe zum Lebensunterhalt auch die Hilfe zur Arbeit, d. h. dem Hilfesuchenden sollen Arbeitsmöglichkeiten geboten und es soll darauf hingewirkt werden, daß er auch von diesen Möglichkeiten Gebrauch machtl l . An "Hilfen in besonderen Lebenslagen" sind folgende Maßnahmen vorgesehen: Hilfe zum Aufbau und zur Sicherung der Lebensgrundlage (§ 30 BSHG); Ausbildungshilfe (§§ 31-35 BSHG); vorbeugende Gesundheitshilfe (§ 36 BSHG); Krankenhilfe (§ 37 BSHG); Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen (§ 38 BSHG); Eingliederungshilfe für Behinderte (§§ 39-47 BSHG); Tuberkulosenhilfe (§§ 48-66 BSHG);

-

Vgl. §§ 13, 14 BSHG. Vgl. VO zur Durchführung des § 22 des BSHG (Regelsatz-VO). 8 Vgl. § 2 Abs. 1,2 der Regelsatz-VO. 9 Vgl. §§ 23, 24 BSHG. 10 Vgl. zu diesem Fragenkreis Krüger, Einschränkungen des Individualprinzips im Bundessozialhilfegesetz, Diss. Jur. Würzburg 1965, S. 84 ff. 11 Vgl. §§ 18, 19 BSHG. 6

7

48 -

1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

Blindenhilfe (§ 67 BSHG); Hilfe zur Pflege (§ 68 BSHG); Hilfe zur Weiterführung des Haushalts (§§ 70 f. BSHG); Hilfe für Gefährdete (§ 72 BSHG) und Altenhilfe (§ 75 BSHG).

Das Sozialhilferecht wird von dem Grundsatz des Nachrangs, der Subsidiarität beherrscht. Es kommt in § 2 Abs. 1 BSHG zum Ausdruck, der bestimmt, daß Sozialhilfe nicht erhält, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. In Abs. 2 wird darüber hinaus festgestellt, daß durch das BSHG Verpflichtungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen durch dieses Gesetz nicht berührt werden. Der Grundsatz des Nachrangs weist der Sozialhilfe ihre Stellung im Gesamtsystem sozialer Sicherung zu. Ihre Qualifizierung als !,Ausfallbürge"12 oder "Lückenschließerin"13 ist in einem doppelten Sinn zu verstehen: "Ausfallbürge" ist sie einmal ob ihres allumfassenden Ausgangstatbestandes, weil sie alle Notlagen erfaßt, die durch das Sieb der sonstigen, vor allem der gehobenen sozialen Sicherung oder der familiären Sicherung geglitten sind14. "Ausfallbürge" ist sie zum anderen, weil sie den Personen, die weder dem Kreis der in die gehobene soziale Sicherung Einbezogenen zugehören, noch durch ihre Familie ausreichend gesichert werden, auch bei "typischen", sonst durch die Systeme gehobener sozialer Sicherung geschützten, Notlagen Hilfe gewährt. Die Subsidiarität der Sozialhilfe ist eine Folge des solchermaßen umfassenden Ausgangstatbestandes in einem mehrgliedrigen System sozialer Sicherung15 • Die Sozialhilfe ist demnach auch dem Unterhalt gegenüber grundsätzlich subsidiär. Auf Leistungen der Sozialhilfe besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch16, es sei denn, daß das Gesetz die Leistung ausdrücklich in das Ermessen des Sozialhilfeträgers gestellt hat, wie z. B. die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts 17 • Der Anspruch steht, sofern nur die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind, jedermann zu. Der Anspruch ist, da das BSHG die Einzelperson und ihren Bedarf in den Mittelpunkt Vgl. amtl. Begr. des Entwurfs eines BSHG, BT-Dr. III/1799 S. 3I. Sozialenquete, Nr. 204 S. 79; s. a. Rohwer-KahLmann, Die Fürsorge "Lückenbüßerin" oder umfassende Garantie menschenwürdiger Existenz aus staatsbürgerlicher Solidarität?, ZSR 1967, I. 14 Vgl. Achinger, Sozialpolitik, S. 109. lS Vgl. Muthesius, NDV 1929, 4: "Soweit man Fürsorge will, muß man auch Subsidiarität wollen". 16 s. § 4 Abs. 1 BSHG; grundlegend BVerwGE 1, 159. 17 Vgl. § 70 Abs. 1 S. 1 BSHG. 12 13

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

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stellt und nicht mehr die Familie und ihren Bedarf 18 , individualisiert worden. 12 Die Jugendhilfe

Die Jugendhilfe greift ein, wenn die Erziehung des Kindes bedroht ist. Sie soll dabei entweder die in der Familie begonnene Erziehung ergänzen bzw. unterstützen oder die Erziehung des Kindes übernehmen, wenn der Anspruch des Kindes auf Erziehung von der Familie nicht erfüllt wird19 • Die Jugendhilfe kommt - und nur insoweit soll hier auf sie eingegangen werden - über die Kosten mit dem familiären Unterhalt in Berührung. Hierzu bestimmt § 81 Abs. 1 JWG, daß die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten der Hilfe tragen, soweit dem Minderjährigen und seinen Eltern die Aufbringung der Mittel aus ihrem Einkommen und Vermögen nicht zuzumuten ist. Hinsichtlich ihrer Inanspruchnahme sind die Vorschriften des BSHG entsprechend anzuwenden20 • 13 Die Ausbildungsförderung

Die Maßnahmen zur Ausbildungsförderung sind vielfältig aber auch zersplittert. Ausbildungsbeihilfen für besondere Personengruppen werden insbesondere an Kriegs- oder Vertreibungsgeschädigte und deren Angehörige gewährt21 • An Ausbildungsbeihilfen allgemeiner Art war schon die von der Sozialhilfe gewährte Ausbildungshilfe genannt worden. Darüber hinaus hat die Bundesanstalt für Arbeit die berufliche Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen zu fördern 22 • Von zentraler Bedeutung ist nunmehr das BAföG, das das AusbFG und das sog. Honnefer Mode1l 23 ablöste 24 • Ausbildungsförderung wird Schülern und Studenten25 in Form von Zuschüssen und Darlehen26 gewährt. Die Förderung umfaßt den für den Lebensunterhalt und die Ausbildung notwendigen Bedarf27 • Die nachfolgende Darstellung behandelt sowohl das BAföG als auch seine eben genannten Vorläufer. Dies erfolgt nicht nur wegen der in §§ 59, 60 BAföG ausgesprochenen Besitzstandswahrung sondern vor 18 Vgl. dazu BVerwGE 25, 307 und ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 11 H, IH 1 a. 18 Vgl. §§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 1 JWG. 20 Vgl. §§ 81 Abs. 2, 82 JWG. 21 Vgl. etwa § 27 BVG. 22 § 40 AFG; s. außerdem § 302 LAG; dazu § 65 BAföG. 23 Dazu ausführlich Stephany, S. 36; das gleiche galt für das sog. Rhöndorfer Modell. 24 Vgl. §§ 66, 68 Abs. 2 BAföG. 25 Vgl. §§ 12 ff., 68 Abs. 2 BAföG. 26 Vgl. § 17 BAföG. 27 § 11 Abs. 1 BAföG.

4 Ruland

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1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

allem deshalb, weil die Beziehungen der Ausbildungsförderung zum familiären Unterhalt im wesentlichen auf Grund der vor dem BAföG geltenden Regelungen behandelt worden sind28 • Die Ausbildungsförderung wird, gleich nach welcher rechtlichen Grundlage sie erfolgt, - im Gegensatz zur beruflichen Fortbildung29 nur subsidiär gewährt. Das gilt eingeschränkt auch für die Graduiertenförderung 8o • So fördert die Bundesanstalt für Arbeit die berufliche Bildung Jugendlicher nur, wenn der Auszubildende die hierfür erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen kann und ihren Unterhaltsverpflichteten die Aufbringung der Mittel üblicherweise nicht zugemutet wird31 • Die hierzu ergangene Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit82 sieht vor, daß Einkommen von bestimmten Angehörigen, soweit sie gewisse Einkommensgrenzen übersteigen, auf die Förderungsbeträge angerechnet werden83 • Auch das AusbFG und das "Honnefer Modell" berücksichtigten bei der Prüfung der Bedürftigkeit des Auszubildenden schematisch das Einkommen und das Vermögen bestimmter Familienangehöriger34 • Das BAföG hat diese Methode der Bedürftigkeitsprüfung beibehalten35 • 14 Das Wohngeld

Das im Zusammenhang mit dem Abbau der Preisbindung für Wohnungen eingeführte Wohngeld wird als Zuschuß zu den Aufwendungen für den Wohnraum gewährt, um soziale Härten zu vermeiden36 • Die Höhe des Wohngeldes ist abhängig von dem Familieneinkommen und den zu berücksichtigenden Aufwendungen. Seine Höhe ergibt sich aus den dem Gesetz beigefügten Anlagen37 • Aufwendungen werden nur insoweit berücksichtigt, als sie bestimmte - im Gesetz (§ 8 Abs. 1 WohnGG) angegebene - Beträge nicht übersteigen. Diese Beträge erhöhen sich u. a. dann, wenn in der Wohnung, für die Wohngeld begehrt wird, Familienmitglieder leben38 • Andererseits wird das Einkommen der Familienmitglieder zu dem Familieneinkommen zusammengezogen39 • übersteigt das Familieneinkommen die Einkommensgrenze von 18 An neuerer Literatur vor allem: Bertram - Martens, FamRZ 1971, 553; Riedel, JZ 1971, 363; Waibel, WissR 1972, 78 ff. Ie Vgl. etwa §§ 41 ff. AFG. so Vgl. § 5 DVO zum GFG vom 3. 11. 1971. 11 Vgl. § 40 Abs. 1 AFG. 3! Abgedruckt bei Weber - Paul, § 40 Anm. 5; Luber, Nr. 661. S3 §§ 16, 17 ebd. u §§ 16 f. AusbFG; C III des "Honnefer Modells". 35 Vgl. §§ 25, 32. se §§ 1, 18 WohnGG. 17 § 2 Abs. 1 WohnGG. 88 Vgl. Tabelle in § 8 Abs. 1 WohnGG. 3a § 9 Abs. 1 WohnGG.

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

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jährlich 9600 DM, dann wird Wohngeld versagt. Die .Einkommensgrenze erhöht sich je Familienmitglied um 2 400DM40. 15 Das Kinderge.d .

Ein spezifisches Mittel des Familienlastenausgleichs ist die Gewährung von Kindergeld. Personen, die zwei oder mehr Kinder haben, erhalten, wenn ihnen nicht nach anderen Vorschriften vergleichbare Zuschläge zum Arbeits- oder Sozialeinkommen zustehen4 !, Kindergeld (§ 1 BKGG). Es beträgt zur Zeit für das zweite Kind 25 DM, für das dritte und vierte je 60 DM und für jedes weitere Kind 70 DM monatlich (§ 10 BKGG). Kindergeld allein für das zweite Kind wird allerdings nur den Personen gewährt, deren Jahreseinkommen die derzeitige Grenze von 15 000 DM nicht übersteigt (§ 4 BKGG). 16 Die familienbezogenen Steuerermäßigungen

Während das Kindergeld besondere Belastungen der Personen oder Familien mit Kindern wenigstens zu einem Teil ausgleichen soll, führen familienbezogene Steuerermäßigungen. zu einer Entlastung bei der Besteuerung - insbesondere des Einkommens. Sie tragen dem Leitprinzip der Besteuerung - dem Postulat der Belastung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen - Rechnung und berücksichtigen die durch Unterhaltsleistungen geminderte steuerliche Leistungsfähigkei t 42 . So werden Steuerpflichtigen für ihre Kinder Kinderjreibeträge eingeräumt, die von dem zu versteuernden Einkommensbetrag abzuziehen sind, und zwar für das erste Kind 1 200 DM für das zweite 1 680 DM und für jedes weitere Kind 1800 DM43. Eine weitere familienbezogene Steuerentlastung ergibt sich durch das Splitting bei der Besteuerung von Ehegatten. Bei der Zusammenveranlagung der Ehegatten wird die Einkommensteuer nach dem Splittingverfahren in der Weise ermittelt, daß die Steuerschuld von der Hälfte des zu versteuernden Einkommensbetrages errechnet und der sich daraus ergebende Steuerbetrag dann verdoppelt wird44 . Diese Steuervergünstigungen sind ohnE;! direkten Bezug auf die dem Steuerpflichtigen aus der Unterhaltspflicht tatsächlich erwachsenen Belastungen eingeräumt worden. Die Gewährung von Unterhalt an Personen, für die dem Steuerpflichtigen kein Kinderfreibetrag gewährt wird, führt zur Anerken40

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§ 19 WohnGG. Vgl. §§ 7, 8 BKGG. Vgl. Familienbericht, S. 110; Krause, FamRZ 1969, 617 (618). § 32 Abs. 2 Ziff. 4 EStG. Vgl. § 32 a Abs. 2 EStG.

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I. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

nung einer außergewöhnlichen Belastung, die mit einem Freibetrag von höchstens 1200 DM im Jahr berücksichtigt wird, wenn sich der Steuerpflichtige den Aufwendungen aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann45 • Eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung kann neben dem Kinderfreibetrag nur gewährt werden, soweit die Eltern für das Kind außergewöhnliche, über die normalen Kosten des Unterhalts und der Erziehung hinausgehende Aufwendungen machen müssen, etwa wegen einer Krankheit46 • Darüber hinaus können Unterhaltsleistungen an nicht unterhaltsberechtigte Personen unter bestimmten Voraussetzungen als Sonderausgaben von dem zu versteuernden Einkommen abgesetzt werden47 • 2 Vorsorgesysteme Die Vorsorgesysteme sind dadurch gekennzeichnet, daß sie die ihnen Zugeordneten von vorneherein gegen bestimmte, typische Risiken sichern und daß diesen Sicherungen Gegenleistungen der Gesicherten gegenüberstehen. An Vorsorgesystemen seien genannt: Innerhalb der Sozialversicherung:

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die Krankenversicherung, die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung, die dem gesetzlichen Sprachgebrauch nach getrennt von der Sozialversicherung geführt wird48, rechtssystematisch jedoch zu ihr gehört49 • Die Unfallversicherung nimmt eine Sonderstellung ein: Sie ist einmal ein kollektives VorsorgesystemSO der "entschädigungspflichtigen" Unternehmer; sie ist zum andern zugunsten der Leistungsempfänger ein Entschädigungssystem, und soll als solches auch dargestellt werden. Die Versorgungseinrichtungen der freien Berufes'1 gehören ihrer Rechtsnatur nach ebenfalls zu der Sozialversicherung52• Auf ihre Darstellung soll jedoch wegen ihrer Zersplitterung in eine Vielzahl von landesrechtlich geregelten Versorgungseinrichtungen verzichtet werden.

§§ 33 a Abs. 1 i. V. m. 33 Abs. 2 EStG. BFH, BStBl. III 1965, 169; 1958, 407. 47 s. U. 8. Kap., sub 32. 48 s. § 1 RVO. 4g Vgl. Wannagat, Lehrbuch, S. 38. 60 Vgl. Zacher, DöV 1970, 1 (4 Anm. 41); zur Doppelnatur der Unfallversicherung ausführlich: Sozialenquete, Nr. 159 S. 67. 51 überblick bei Schewe - Nordhorn, S. 104 ff.; Wannagat, Lehrbuch, S. 389. 5% Wannagat, S. 393 m. w. Nachw. 45 48

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung -

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Zu nennen wären darüber hinaus noch die meist privatrechtlich organisierten Zusatzversorgungen53 , die teils auf (formellen) Bundesgesetzen, teils noch auf Tarifordnungen des Reichs und teils auf neueren Tarifverträgen beruhen. Ihre Aufgabe ist es, die Leistungen der Rentenversicherungen aufzustocken. Auch sie sollen wegen ihrer Vielfalt und ihrer recht unterschiedlichen Ausgestaltung in dieser Arbeit außer Betracht bleiben.

Die Beamtenversorgung zählt ebenfalls zu den Vorsorgesystemen 54 soweit sie -

Beihilfe im Krankheitsfall und Alters- und Hinterbliebenenversorgung gewährt. Für die Dienstunfallversorgung gilt das zur Unfallversicherung Gesagte entsprechend. 21 Die Vorsorgesysteme der Sozialversicherung

211 Die Krankenversicherung In der Krankenversicherung werden für den Fall der Krankheit alle Arbeiter, die gegen Entgelt beschäftigt sind, ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Jahresarbeitsverdienstes, sowie Angestellt versichert, deren regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst 75 % der für die Rentenversicherung der Arbeiter geltenden Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt. Versichert sind ferner Rentner der gesetzlichen Rentenversicherungen und Arbeitslose, die Arbeitslosengeld oder -hilfe beziehen55 • Mitversichert sind die Angehörigen der Versicherten s6 • Die Leistungen der Krankenversicherung sind: Krankenpflege, Krankengeld, Mutterschaftshilfe, Sterbegeld und Familienhilfe. Die Krankenhilfe umfaßt ärztliche und zahnärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei und Heilmitteln (§ 182 Abs. 1 Ziff. 1 RVO). Anstelle der Krankenpflege kann auch Krankenhauspflege gewährt werden (§ 184 RVO). Diese Leistungen werden für den Versicherten selbst sowie für seinen unterhaltsberechtigten Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Kinder (§ 205 Abs. 1 RVO) erbracht. Der Versicherte erhält Krankengeld, das das wegen der Krankheit entfallene Einkommen, soweit nicht die Lohnfortzahlung eingreift57 , substituieren soll (§ 182 53 Zusammenstellung bei Schewe - Nordhorn, S. 117 f.; dazu Krause, Zur rechtlichen Einordnung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, ZSR 1972, 129 ff., 203 ff. s. s. o. 3. Kap., sub 2. 55 Vgl. §§ 165 RVO, 15 RKG, 155 AFG. 65 s. im einzelnen 9. Kap., sub 2. 57 Vgl. §§ 1 Lohnfortzahl.G; 616 BGB; 63 HGB; 13 MuSchG.

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1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

Abs. 1 Ziff; 2 RVO). Das Krankengeld beträgt 65 % bzw. von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an 75 Ofo des Regellohns. Bei Versicherten, die Angehörige zu unterhalten haben, erhöht sich das Krankengeld um 4 bzw. 3 Ofo bis zur Höchstgrenze von 75 bzw. 85 Ofo des Regellohns (§ 182 Abs. 4, 4 aRVO). Während die Krankenpflege ohne zeitliche Begrenzung gewährt wird, kann Krankengeld wegen derselben Krankheit nur für höchstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren beansprucht werden (§ 183 RVO). Krankengeld wird nunmehr auch während der Krankenhauspflege gezahItS8. Mutterschaftshilfe wird für Versicherte und auch für Angehörige von Versicherten, dann als Leistung der Familienhilfe, erbracht (§§ 195, 205 a RVO). Ihre Ausgestaltung folgt weitgehend der der Krankenhilfe. Die Mittel der Krankenversicherung werden durch Beiträge und Staatszuschüsse aufgebracht. Die Zuschüsse decken vorwiegend die Aufwendungen der Krankenkassen für den Mutterschutz ab 59 , bzw. erstatten Aufwendungen für Krankenhilfe an Heimkehrer und politische Häftlinge60 • Die Beiträge für Arbeiter und Angestellte werden von diesen selbst und von ihren Arbeitgebern jeweils zur Hälfte getragen (§ 381 Abs. 1 RVO). Doch zahlen, wie die Sozialenquete feststellte 61 , die Arbeitgeber ihren Beitrag mir "formell", da auch er als Lohnbestandteil, als "Arbeitnehmeranteil" anzusehen ist 62 • Die Beiträge sind genere1l 63 ; sie sind lohn abhängig und sowohl von dem persönlichen Risiko des Versicherten, bedingt durch seine körperliche Konstitution, als auch von dem zur Mitversicherung der Angehörigen führenden Familienstand unabhängig. Diese Ausgestaltung der Beiträge führt zu einem effektiven sozialen Ausgleich unter den Versicherten, da das jeweilige Risiko des Versicherten ohne Einfluß auf die Beitragshöhe bleibt64 • Dennoch muß außer der Tatsache, daß das Krankengeld von der Höhe des auch dem Beitrag zugrunde liegenden Einkommens abhängig ist, berücksichtigt werden, "daß dieser Sozial ausgleich um deswillen kein Fürsorgeelement in der Krankenversicherung dar(steIIt), weil der dadurch Begünstigte während seines Arbeitslebens in der Regel einen Ausgleich für die Begünstigung leistet, sei es, daß er schon vor seiner Heirat zu einem solchen Solidarausgleich beigetragen hat, oder, sei es 58 § 186 RVO Ld. F. des 2. KVÄndG v. 21.12.1970 (BGBI. I 1770). Früher wurde ein geringeres Hausgeld gewährt, das, wenn der Versicherte Angehörige ganz oder überwiegend unterhalten mußte, maximal die Höhe des Krankengeldes erreichte. 59 Vgl. Institut "Finanzen un,d Steuern", Soziale Sicherung, S. 34. 60 Ebd. S. 30; vgl. §§ 27 HKG; 13 HHG. 61 Nr. 461 S. 157. 62 Ebenso Jahn, S. 99. 63 Vgl. hierzu Bogs, Grundfragen, S. 17. 64 Hierzu Bogs, ebd.; Sozialenquete, Nr. 139 ff. S. 62 f.

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

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daß er später noch einen ausgleichenden Beitrag leisten muß, nämlich dann, wenn seine Familienangehörigen aus der Mitversicherung ausgeschieden sind"65. So haben sowohl das RVA66 als auch das BSG67 von der Familienhilfe als eine den Beitragszahlungen korrespondierende "Gegenleistung" gesprochen. Die Krankenversicherung kann daher insgesamt als Vorsorgesystem qualifiziert werden. Und zwar ist, das sei hier schon festgehalten, die Vorsorge dem Versicherten zuzurechnen, der kraft seiner Beschäftigung oder seines Rentenbezugs versicherungspflichtig ist, und der, soweit er noch entgeltlich tätig ist, Beiträge zahlt, bzw. für den, soweit er Rentenbezieher ist, von der Rentenversicherung Beiträge gezahlt werden, die Ausfluß seines Rentenstammrechts sind. 212 Die Rentenversicherung

212.1 Die Versicherungen und die Versicherungspflicht Die Rentenversicherungen sichern ihre Versicherten gegen die Risiken der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit, der Erwerbsunfähigkeit und des Alters. In diesen Schutz sind im Falle des Todes des Versicherten auch seine Angehörigen miteinbezogen. Die Rentenversicherung ist in vier Sparten gegliedert: -

die Rentenversicherung der Arbeiter (4. Buch der RVO), einschließlich der Handwerkerversicherung (HwVG), die Rentenversicherung der Angestellten (AVG), die knappschaftliche Rentenversicherung (RKG) und die Altershilfe für Landwirte (GAL).

Mit Ausnahme der Altershilfe für Landwirte und der Handwerkerversicherung68 sind die übrigen Rentenversicherungen in ihrer rechtlichen Ausgestaltung weitgehend identisch, abgesehen davon, daß in der knappschaftlichen Rentenversicherung höhere Leistungen durch höhere Beiträge "erkauft" werden. Die Altershilfe für Landwirte ist ein Grenzfall zwischen Subvention und Sozialleistung. Sie soll insbesondere den landwirtschaftlichen Unternehmern und ihren Ehegatten eine Grundsicherung für das Alter oder vorzeitige Erwerbsunfähigkeit gewährleisten. Mit der sozialpolitischen ist eine agrarpolitische Zielsetzung verbunden. Die Hofabgabe an die nachfolgende Generation soll beschleunigt werden und damit es Rohwer-Kahlmann, Sozialversicherung, S. 119 ff. 66 RVA, AN 1940, 179 (180). 87 BSGE 17, 186 (188); 20, 252 (254). 68 Auf sie soll weiter nicht eingegangen werden; zu ihr: BVerfG, JuS 1973, 325.

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1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

der Strukturwandel in der Landwirtschaft. Die Hofabgabe ist, damit der agrarpolitische Zweck auch erreicht wird, Voraussetzung für die Gewährung der Altershilfe 69 • Die Altershilfe soll wegen ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung gesondert erörtert werden. In den übrigen Rentenversicherungen sind pflichtversichert alle gegen Entgelt beschäftigten Arbeitnehmer (§ 1227 RVO) , alle Angestellten, die gegen Entgelt beschäftigt sind (§ 2 AVG)1° und die im Bergbau beschäftigten Angestellten und Arbeiter (§§ 1, 29 RKG). 212.2 Die Ausgangstatbestände der Leistungen Die Ausgangstatbestände (Versicherungsfälle) der Rentenversicherungen sind im wesentlichen: - die Berufsunfähigkeit; sie ist dann gegeben, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich oder geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen abgesunken ist71 ; - die Erwerbsunfähigkeit; sie ist dann gegeben, wenn der Versicherte aus den gleichen Gründen auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch seine Erwerbstätigkeit erzielen kann72; - die Erreichung der Altersgrenze bei Vollendung des 65. Lebensjahres73 , ausnahmsweise bei Vollendung des 60. Lebensjahres74 ; - und bei Leistungen an Hinterbliebene der Tod oder die Verschollenheit des Versicherten75 • Voraussetzung für die Gewährung des Versicherungsschutzes ist jedoch die Erfüllung der Wartezeit von 60 Monaten bei Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten76 und - 180 Monaten bei Altersrenten77 • eg VgI. § 2 Abs. 1 lit. eGAL; hierzu Sozialbericht 1970, S. 74; Noell, Das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte, 1958 (fortlaufend), Einf. IV, 2; zu den Auswirkungen auch LSG SchI. Holst., SGb 1968, 258. 70 s. jedoch die übergangsvorschrift des § 1 AnVNG. 71 §§ 1246 Abs. 2 RVO; 23 Abs. 2 AVG; 46 Abs. 2 RKG; die knappschaftliche Rentenversicherung sieht außerdem noch Leistungen bei verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit vor (vgl. § 45 RKG). 72 §§ 1247 Abs. 2 RVO; 24 Abs. 2 AVG; 47 Abs. 2 RKG. 73 §§ 1248 Abs. 1 RVO; 25 Abs. 1 AVG; 48 Abs. 1 Ziff. 1 RKG. 74 §§ 1248 Abs. 2, 3 RVO; 25 Abs. 2, 3 AVG; 48 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2, 3 RKG. 75 §§ 1263 ff. RVO; 40 ff. AVG; 63 ff. RKG. 76 §§ 1246 Abs. 3, 1247 Abs. 3 RVO; 23 Abs. 3, 24 Abs. 3 AVG; 49 Abs. 1 RKG.

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

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Bei Leistungen an Hinterbliebene wird die Erfüllung der Wartezeit für die Rente wegen Berufsunfähigkeit vorausgesetzt78 • Auf die Wartezeit werden jedoch nicht nur Beitragszeiten, sondern auch Ersatzzeiten angerechnet. Unter Ersatzzeiten werden solche Zeiten verstanden, in denen die Versicherung infolge politischer Umstände wie Kriegsdienst, Gefangenschaft, Internierung oder Vertreibung unterbrochen war79 • 212.3 Die Leistungen Die Rentenversicherungen gewähren neben Rehabilitationsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Gesicherten 8o , Beiträgen für die Krankenversicherung der Rentner 81 insbesondere Renten. Die Höhe der Renten ist jeweils abhängig von der für den Versicherten maßgeblichen Rentenbemessungsgrundlage und von dem Wachstumskoeffizienten, der bei Berufsunfähigkeitsrenten 1 % und bei Erwerbsunfähigkeits- und Altersrenten 1,5 % für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr (Beitrags- und Ersatzzeiten) unter Einschluß der Ausfall- und Zurechnungszeiten beträgt82 • In der knappschaftlichen Rentenversicherung belaufen sich die entsprechenden Wachstumskoeffizienten auf 1,2 % bzw. 1,8 % und 2 %83. Ausfallzeiten sind Zeiten, während derer eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus individuellen, sozial relevanten Gründen, etwa Ausbildung, Arbeitslosigkeit, Schwangerschaft, unterblieben war 84 • Zurechnungszeiten schreiben bei Frühinvalidität die Versicherungszeit bis zum 55. Lebensjahr des Versicherten fiktiv fort 85 • Die für den Versicherten maßgebliche persönliche Bemessungsgrundlage ist der Vomhundertsatz der allgemeinen Bemessungsgrundlage, der dem Verhältnis entspricht, in dem während der zurückgelegten Beitragszeiten der Bruttoarbeitsentgelt des Versicherten zu dem durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten ohne Lehrlinge gestanden hat. Dabei können die während der ersten fünf Kalenderjahre mit Pflichtbeiträgen belegten Kalendermonate außer Ansatz bleiben, wenn dies für den Versicherten günstiger ist. Die allgemeine Bemessungsgrundlage ist das durchschnittliche Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten ohne Lehrlinge im Mittel des dreijährigen Zeitraums 77 78

7g 80

81 82

83 84 85

1248 Abs. 4 RVO; 25 Abs. 4 AVG; 49 Abs. 3 RKG. 1263 Abs. 2 RVO; 40 Abs. 2 AVG; 63 Abs. 2 RKG. 1251 RVO; 28 AVG; 51 RKG. 1236 ff. RVO; 13 ff. AVG; 35 ff. RKG. 1235 RVO; 12 AVG; 34 RKG. 1253, 1258 RVO; 30, 35 AVG. Vgl. §§ 53 Abs. 2 und 3 RKG. §§ 1259 RVO; 36 AVG; 57 RKG. §§ 1260 RVO; 37 AVG; 58 RKG. §§ §§ §§ §§ §§ §§

1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

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vor dem Kalenderjahr, das dem Eintritt des Versicherungsfalles vorausgegangen ist86 • Diese komplizierte Berechnung trägt zweierlei Rechnung: Einmal bemißt sich die Rente weitgehend nach der Dauer der Versicherungszeit und der Höhe des in ihr bezogenen Einkommens, zum andern ist die Anpassung der Einkommen während der zurückgelegten Beitragszeiten an die im Zeitpunkt des Versicherungsfalles gezahlten Einkommen gewährleistet. Diese (automatische) "Dynamisierung" kommt den Renten nur im Stadium der Bewilligung zu Gute. Bereits bewilligte Renten werden bei Veränderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage durch Gesetz angepaßt87 • Die Renten erhöhen sich für jedes Kind um den Kinderzuschuß, der jährlich ein Zehntel der allgemeinen Bemessungsgrundlage ausmacht 88 • Die an die Hinterbliebenen des Versicherten - Witwe, Witwer, Waise, geschiedener Ehegatte - gezahlten Renten machen bestimmte Prozentsätze der so zu errechnenden Rente des Versicherten ohne den Kinderzuschuß aus, teils unter Berücksichtigung der Zurechnungszeiten und unter Zugrundelegung des Wachstumskoeffizienten 1,5 bzw. 2 bei der knappschaftlichen Rentenversicherung, teils ohne Berücksichtigung der Zurechnungszeiten unter Zugrundelegung des Wachstumskoeffizienten 1,0 bzw. 1,2 (1,8) bei der knappschaftlichen Rentenversicherung. Hierauf wird noch ausführlich eingegangen werden89 • 212.4 Die Finanzierung

Die Rentenversicherungen werden durch Beiträge der Versicherten und durch Zuschüsse des Bundes finanziert. Hinzukommen können unter bestimmten Voraussetzungen Mittel anderer Versicherungsträger, die im Rahmen des Finanzausgleichs zwischen der Arbeiter- und Angestelltenversicherung zu erbringen sind90 • Die Leistungsfähigkeit der Versicherungen wird darüber hinaus durch Bundesgarantien gewährleistet91 • Die Höhe der - auch hier generellen, lohnabhängigen - Beiträge, die von den Versicherten und forme1l 92 von ihren Arbeitgebern jeweils zur Hälfte gezahlt werden93 , hängt von dem Finanzbedarf der Versicherungsträger ab und variiert daher. Zur Zeit beläuft sie sich auf 18 % 88 87 88 89 90

91

92 83

Vgl. §§ 1255 RVO; 12 AVG; 54 RKG. Vgl. §§ 1272ff. RVO; 49ff. AVG; 71 RKG. §§ 1262 Abs. 1, 4 RVO; 39 Abs. 1,4 AVG; 60 Abs. 1, 4 RKG. s. u. 10. Kap. Vgl. §§ 1383 a ff. RVO; 110 a ff. AVG. Vgl. §§ 1384 RVO; 111 AVG, s. a. 128 RKG. s. o. Anm. 61, 62.

§§ 1385

Abs. 4 RVO; 112 Abs. 4 AVG; 130 Abs. 6 RKG.

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

59

(bzw. 23,5 % bei der knappschaftlichen Rentenversicherung) des Arbeitseinkommens" . Das "offene Deckungsplanverfahren" oder "Anwartschaftsdeckungsprinzip" von dem die reichsgesetzliche Rentenversicherung ausgegangen war 9S , ist aufgegeben worden. Nach diesem Prinzip sollten die Beiträge so bemessen werden, daß das jeweils vorhandene Kapital und seine Zinsen ausreichen sollten, die im gleichen Augenblick erworbenen Anwartschaften des Versicherten zu decken9a • Zwar konnte auch bei diesem Verfahren der einzelne nicht sagen, seine Einzahlungen reichten aus, um seine bis dahin erworbenen Ansprüche zu decken97 • Aber die jeweilige Generation, so glaubte man, habe die Deckung für die Gesamtheit aller ihrer Ansprüche gesichert. Der Währungsverfall der zwanziger Jahre zerstörte diesen Glauben jedoch. Der heutigen Kalkulation der Rentenversicherungsträger liegt, nachdem bei der Rentenreform 1957 das bis dahin formell noch geltende Anwartschaftsdeckungsverfahren aufgegeben wurde, das Abschnittsdeckungsverfahren zu Grunde. Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein modifiziertes, auf langfristiger Vorausberechnung beruhendes Umlageverfahren9s, d. h. der finanzielle Bedarf für die fällig werdenden Leistungen wird entsprechend der fortzuschreibenden Vorausberechnung im Zeitpunkt seines Auftretens aufgebracht. Eine - seit dem 3. Rentenversicherungsänderungsgesetz nunmehr nur noch - beschränkte Rücklage 99 soll kurzfristige Schwankungen in den Beitragseinnahmen im Laufe eines oder mehrerer Jahre ausgleichen10o • Die jeweils Versicherten haben daher soviel Mittel aufzubringen, wie benötigt werden, um die Ansprüche der Rentner zu befriedigen. Man kann daher sagen, daß das, was der Versicherte heute an Beiträgen zahlt, nur dazu bestimmt ist, denen, die heute alt sind, Renten zuzuweisen. Was ihm seinerseits im Alter an Leistungen gewährt wird oder werden kann, hängt ausschließlich davon ab, was die dann Erwerbstätigen an Beiträgen tatsächlich aufbringen können. Die Rentenversicherung ist eine Art "Solidarvertrag zwischen den Generatio94 Vgl. §§ 1385 Abs. 1 RVO; 112 Abs. 1 AVG; 130 Abs. 1 RKG; frühere Zahlen bei Schewe - Nordhorn, S. 82. 95 Vgl. §§ 1389, 1391 RVO a. F. 98 Vgl. dazu Achinger, Soziale Sicherheit, S. 118; Quante, S. 238; SöHneT,

S. 55 f. 97 Achinger, Soziale Sicherheit, S. 119. 98 Vgl. außer den Vorgenannten Nordhorn, Zum dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz, ZSR 1969, 515 (516); Schewe, Das 3. Rentenversicherungs-Änderungsgesetz, SozVers. 1969,257 (258 ff.). 99 Vgl. dazu Schewe und Nord horn, jeweils a.a.O. (Fußn. 98). 100 Schewe, a.a.O. (Fußn. 98), S. 258.

60

1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sichenmg

nen"lOl. Die jeweils Erwerbstätigen sorgen dafür, daß die Alten ihr Renteneinkommen haben. Sie erwerben ihrerseits damit das Anrecht gegenüber der ihnen nachfolgenden Generation, in ihrem Alter ebenfalls versorgt zu werden. Es handelt sich bei der Sozialversicherung also um eine interpersonale Umverteilung102 • Anders könnte es auch gar nicht sein, denn es gilt der "einfache und klare Satz, daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Fonds, keine übertragung von Einkommensteilen von Periode zu Periode, kein ,Sparen' im privatwirtschaftlichen Sinne, keine Versicherung - es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand"los. Obwohl es sich um interpersonale Leistungen der Sozialversicherten handelt, müssen sie dennoch wegen der zwischengeschalteten Speicherfunktion 104 der öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungsträger als "Staatsleistungen" klassifiziert werden105 , was aber ihrem Charakter als "Vorsorgeleistungen" keinen Abbruch tut. Außer den Beiträgen stammen die Mittel der Rentenversicherung auch aus Staatszuschüssen 106 • Sie haben ihren ursprünglichen "Wohlfahrtscharakter"lo7 verloren108 • Sie stellen heute einmal eine Pauschalerstattung für versicherungsfremde Leistungen der Sozialversicherungsträger dar, wie z. B. für Kriegsfolgelasten und für Leistungen, die die öffentliche Fürsorge entlasten109 • 1965 mußten beispielsweise von der Angestelltenversicherung für diese Leistungen 2,050 Mrd. DM aufgebracht werden, denen ein Bundeszuschuß von 1,081 Mrd. DM ge101 Im Sinne Schreiber's, Existenzsicherheit, S. 28; s. a. Schewe, Umverteilung, S. 149 ff. 102 Hierzu insbes. Rüfner, S. 196 ff.; Schewe, Umverteilung, S. 149 ff.

Mackenroth, S. 47. Hierzu Zacher, DÖV 1970, 1 (11). 105 Vgl. insbes. Rüfner, S. 196. 106 Vgl. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG; §§ 1389 RVO; 116 AVG; 128 RKG. 107 Zu ihrer historischen Erklärung: Born, Die Motive der Bismarck'schen Sozialgesetzgebung, Arb. Vers. 1960, 33 (37 f.). 108 Jahn, S. 99. 109 Vgl. Bischoff, Die Finanzierung der Rentenversicherung, BB 1968, 513 (519); Höcker, Abwälzung von Kriegsfolgelasten auf die Sozialversicherungsträger, BB 1959, 1076; Hoernigk, Sozial- und wirtschaftspolitische Abhängigkeit im Lichte der Sozialenquete, in: Sozialenquete und Sozialrecht, S. 63; Jahn, S. 99; Rohwer-Kahlmann, Sozialversicherung, S. 120 (Anm. 31 a); Schewe, Die Bundeszuschüsse in der sozialen Rentenversicherung, SozSich. 1966, Beilage zu Heft 5, S. 9 ff.; Sieg, Quotenvorrecht in Sozial- und Privatversicherung, JuS 1968, 357 (359). 103

104

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

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genüberstand110 • Die Zuschüsse sollen zum andern bei der knappschaftlichen Rentenversicherung die Mittel bereitstellen, die zur Erfüllung der von den Rentnern erworbenen Rechtsansprüche notwendig sind und die auf die immer weniger werdenden knappschaftlich Versicherten nicht mehr umgelegt werden können. 212.5 Die Leistungen der Rentenversicherung als Vorsorgeleistungen Während es bei Leistungen an die Versicherten trotz eines gewissen sozialen Ausgleichs, der sich insbesondere in den Ausfallzeiten und den - durch die Staatszuschüsse teilweise ausgeglichenen - Ersatzzeiten ausdrückt111 und trotz des übergangs zum Umlageverfahren112 unbestritten ist, daß sie auf der Vorsorge des Versicherten beruhen, und die Qualifikation zumindest des Stammrechts dieser Leistungen als Eigentum nicht mehr angezweifelt wird113 , wird dies bei Leistungen an Hinterbliebene sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung bestritten. So hat Zacher der Ausgestaltung der Sicherung der Familie in der Rentenversicherung den Vorwurf gemacht, sie "übersteigere" die "Verdienerrolle" des Versicherten, denn sie vermittle "der Familie soziale Leistungen, gerade weil und wenn Verdiener und Verdienst das für die Familie Notwendige und Angemessene nicht bereitstellen können" 114. 110 Diese Zahlen entstammen einer von Orsinger angestellten und von Seiler zitierten Untersuchung (Protokolle der 37. und 38. Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik, a.a.O. S. 67 D). 111 Die Zurechnungszeiten sind demgegenüber kein Element des sozialen Ausgleichs (Schewe, über den sozialen Ausgleich, S. 340; a. A. Sönner, S. 115). Ausgehend von dem Versicherungsprinzip stellen sie keine Durchbrechung dieses Prinzips dar. Dieses besagt nicht, daß die Versicherungsleistung von der Summe der insgesamt gezahlten Beiträge abhängig sein muß, sondern nur, daß die Höhe des Beitrages abhängig ist von dem Risiko, das der einzelne darstellt (Bogs, Grundfragen, S. 16 f.). Dies entspricht dem Gegensatz zwischen Spareinrichtung und Versicherung. Gerade die Zurechnungszeiten haben die Rentenversicherung vom Sparprinzip weg- und zum Versicherungsprinzip hingeführt. 112 Vgl. in diesem Zusammenhang Schewe, Umverteilung, S. 150; s. a. Bogs, Sozialversicherung, S. 53; Schreiber, Existenzsicherheit (Il), S. 109. 113 Der Anspruch auf Sozialleistungen wird undifferenziert als Eigentum angesehen von: Berg, S. 13 ff.; Bogs, Zum Bestandsschutz öffentlich-rechtlicher Positionen im Sozialversicherungsrecht, in: Wirtschaft und Recht der Versicherung, S. 17; ders., Sozialversicherung, S. 53 f.; ders., Einwirkung, S. G 54 ff.; s. a. BSGE 5,40; 25,170 (173); 26, 255 (257); BVerfGE 16, 94. Allerdings erscheint es richtig, zwischen dem Stammrecht und den einzelnen Rentenzahlungen zu unterscheiden, so im Ergebnis von AUrock, Sozialversicherung, S. 33; Rüfner, S. 198 ff.; Weber, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des BSG, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, Beiträge zum ersten Jahrzehnt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, hrsg. von Werner Weber (u. a.) 1965, S. 297 ff.; Zacher, DöV 1970, 1 (7). 114 Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 10.

I. 2. Absdm.: Das System der sozialen Sicherung

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Außerdem sei die "Zurechnung der Hinterbliebenenversorgung (in Vorsorgesystemen) zum ausgefallenen Unterhaltsträger ... hypothetischer Natur". Sie bedeute "meist Unterhalt, der von seiner Leistungskraft und Vorsorge nicht erwartet werden konnte. Und sie (sei) auch insofern nicht auf seine Vorsorge zurückzuführen, als der Sozialversicherung Familienbeiträge fremd sind"115. In der - wie behauptet "beitragsfreien" Sicherung wird der Sündenfall der Sozialversicherung gesehen, der das Versicherungsprinzip durchbreche 116. Es wird gesagt, daß "Rentenleistungen für die - trotz gleicher Beiträge - mitversicherten Familienangehörigen ... gerade erst durch einseitige, allein aus sozialen Gründen gewährte Staatszuschüsse ermöglicht" würden l17 • Aus diesem Grunde werden die Leistungen an Angehörige als "fürsorgerische Leistungen der darreichenden Verwaltung" angesehen118 , die daher nach Ansicht des BVerfG "in gewissem Umfang einer nach dem Bedarf des Bezugsberechtigten differenzierten Ausgestaltung zugänglich" seien119 . Damit ist die Frage aufgeworfen worden, ob die Leistungen der Sozialversicherung an Angehörige Versicherungsleistungen oder Leistungen der Fürsorge sind. Dieser Frage kommt wesentliche Bedeutung zu. Sie spielt ebenso eine Rolle bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit der gegenüber den Witwenrenten erschwerten Voraussetzungen der Witwerrente12.0, wie bei der Frage des Eigentumsschutzes der Leistungen an Hinterbliebene, denn handelte es sich in der Tat um "fürsorgerische Leistungen", dann müßte ihr Eigentumscharakter - im Gegensatz zu den Leistungen an Versicherte - verneint werden121 • Im übrigen ist die Beantwortung dieser Frage auch geeignet, einer - wie noch zu zeigen sein wird - notwendigen Reform der Hinterbliebenensicherung Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen. Da die Staatszuschüsse, wie oben gezeigt, keine Fürsorge, sondern eine - der Rentenversicherung insgesamt zu Gute kommende - Entschädigung für Kriegsfolgelasten darstellen, kann sich eine den Versichertenrenten gegenüber unterschiedliche Qualifizierung nur aus ihrer "Beitragsfreiheit" ergeben. Wenn aber die Staatszuschüsse als spezielle Finanzierungsquelle ausscheiden, dann beruhen die Leistungen an Hinterbliebene ausschließlich auf Beitragsleistungen der Versicherten. Ebd. S. 0 17. Ebd. S. 018; ähnlich auch Bünger, S. 79 f. 117 BVerfGE 21, 329 (352). 118 BVerfGE 17, 1 (10); 21, 329 (352); BSGE 5,17 (20); 20, 252 (253); Scheffler, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 48. 119 BVerfGE 17, 1 (9, 10); 21, 329 (353); ähnlich auch BSGE 3, 197 (200); 5, 17 (20); 20, 252 (253); offengelassen in BGH, NJW 1969, 98 (100). 120 s. u. 24. Kap., sub 12. 121 So denn auch Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 35. 115 118

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

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Da bereits in der Altersgruppe der 30-33jährigen über 83 % der Bevölkerung verheiratet sind 122 , verliert auch der "soziale Ausgleich" zwischen Ledigen und Verheirateten, die gleich hohe Beitragssätze zu entrichten haben, an Bedeutung. Die gegenüber Verheirateten unterschiedslose Heranziehung der Ledigen verstößt zudem auch nicht gegen das Versicherungsprinzip, denn, wenn der Ledige später heiratet, kommt seine Frau nach seinem Tode in den Genuß aller - auch vor der Heirat - geleisteten Versicherungsbeiträge. Den gleich hohen Beiträgen des Ledigen wie des Verheirateten stehen gleiche Anspruchsmöglichkeiten gegenüber123 • Man kann daher mit Recht sagen, daß die Rentenleistungen an die Hinterbliebenen auf der Beitragsleistung der Versicherten beruhen, daß sie auch hierfür eine Gegenleistung darstellen124 , und daß insoweit zwischen Versicherten- und Hinterbliebenenrenten kein Unterschied besteht125 • Sie unterfallen dem Eigentumsschutz ebenso wie die Renten der Verdiener, aus denen sie sich ableiten12.6. 212.6 Speziell: Die Altershilfe für Landwirte Die Altershilfe für Landwirte unterscheidet sich von den übrigen Rentenversicherungen vornehmlich durch folgende Besonderheiten: Die Höhe des Altersgeldes richtet sich nach einem Einheitssatz, der zur Zeit für Verheiratete 240 DM und für unverheiratete Berechtigte 160 DM beträgt (§ 4 Abs. 1 GAL). Der Beitrag ist für alle Beitragspflichtigen gleich hoch (§ 12 Abs. 2 GAL). Die Altershilfe wird entsprechend ihrem agrarpolitischen Zweck weitgehend durch Bundesmittel finanziert (§§ 13, 13 a GAL).

213 Die Arbeitslosenversicherung Ausgangstatbestand der Arbeitslosenversicherung ist die Arbeitslosigkeit. Arbeitslos ist, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine geringfügige Beschäftigung ausFamilienbericht, S. 30 (Tabelle 15). So schon der Reichstagsabg. Lingens, vgl. RT-Sten. Ber. Bd. 63 (1881) S. 671 (zu Petition Nr. 2747). 124 Ebenso Kollack, SGb 1967, 531 (532); Rohwer-Kahlmann, Sozialversicherung, S. 120; verfehlt daher Heydt, BIStSozArbR 1968, 266 (267), der in der "beitragslosen" Sicherung der Ehefrauen einen Verstoß gegen Art. 3 GG sieht; vgl. BSGE 20, 252 (254); s. a. schon OLG Stuttgart, JRPV 1938, 35. 125 Damit wird jedoch nicht bestritten, daß die Ausgestaltung der Sicherung der Hinterbliebenen reformbedürftig ist (dazu ausführlich u. 23. Kap., sub 22 und 24. Kap., sub 13), sondern nur, daß es sich bei ihnen um Fürsorgeleistungen handele, die sich nicht auf die Vorsorge des Versicherten zurückführen ließen. m So auch Rohwer-Kahlmann, Sozialversicherung, S. 120. 1!2

1!3

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I. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

übt127 • Der Personenkreis, der gegen Arbeitslosigkeit versichert ist, deckt sich im wesentlichen mit dem, der von der Krankenversicherung erfaßt wird128 • Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungen der Arbeitslosenversicherung sind außer der Arbeitslosigkeit, daß der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt und sich bei dem Arbeitsamt gemeldet hat129 • Die Anwartschaftszeit entspricht einer Versicherungszeit von 26 Wochen bzw. 6 Monaten im Zeitrum von drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung 130 • Unter diesen Voraussetzungen erhalten Arbeitslose - außer den Leistungen der Arbeitsvermittlung - Arbeitslosengeld, das aus dem Hauptbetrag und den Familienzuschlägen besteht1 3l • Der Hauptbetrag richtet sich nach der Höhe des vor der Arbeitslosigkeit bezogenen Einkommens. Er ergibt sich im einzelnen aus einer dem AFG beigefügten Tabelle. Der Familienzuschlag ist hiervon unabhängig. Er wird für den Ehegatten und die Kinder des Arbeitslosen einheitlich gewährt132 • Arbeitslosengeld wird nur für einen bestimmten Zeitraum gezahlt. Seine Dauer, die im Höchstfalle 312 Tage beträgt, hängt von der vorangegangenen Versicherungszeit ab133 • Die Mittel der Arbeitslosenversicherung werden durch Beiträge aufgebracht, die die Versicherten und ihre Arbeitgeber jeweils zur Hälfte tragen134 • Die Arbeitslosenversicherung wird ergänzt durch die Arbeitslosenhilfe. Sie ist kein Vorsorgesystem, sondern kann als "gehobene Sozialhilfe" klassifiziert werden, die sowohl Züge der Vorsorgesysteme als auch solche der Sozialhilfe aufweist. Ihre Kosten werden aus allgemeinen Steuermitteln bestritten. Die Leistungen - ein von der Höhe des entgangenen Einkommens abhängiger Hauptbetrag und einheitliche Familienzuschläge135 - sind niedriger als die der Arbeitslosenversicherung und werden abweichend von der Arbeitslosenversicherung nur bei Bedürftigkeit gewährt136 • Bei der Bedürftigkeitsprüfung werden auch Unterhaltsleistungen, die der Arbeitslose erhält oder erhalten kann, berücksichtigt. Die Arbeitslosenhilfe ist somit dem familiären Unterhalt gegenüber weitgehend subsidiär137 • 127 128 129 130 131 132 133 134 135 138

137

§ 101 Abs. 1 AFG. §§ 168, 169 AFG. § 100 Abs. 1 AFG. § 104 AFG. Vgl. §§ 111 ff. AFG. § 113 AFG. Vgl. § 106 AFG. §§ 167, 174 AFG. Vgl. §§ 136 ff. AFG. Vgl. § 134 Abs. 1 Ziff. 3

AFG; früher § 145 Abs. 1 Ziff. 3 AVAVG. Dazu ausführlich u. 6. Kap., sub 4.

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

65

22 Die Beamtenversorgung

Die Beamtenversorgung schließt sich eng an das aktive Beamtenverhältnis an. Der Versorgungsanspruch ist Ausfluß des Beamtenverhältnisses 138. Die Beamtenversorgung beruht ebenso wie die Besoldung nach ganz herrschender Meinung auf dem Alimentationsprinzip139. Danach steht dem Beamten ein Anspruch zu, zusammen mit seiner Familie standesgemäß "unterhalten" zu werden. Dieser Anspruch beinhaltet kein Äquivalent für die geleistete Arbeit, stellt keinen Lohn, sondern "Fürsorge" der Allgemeinheit dar. Daher besteht zwischen Dienst- und Versorgungsbezügen, d. h. zwischen der Versorgung im Berufsleben und im Alter, kein prinzipieller Unterschied. Beides sind nach dieser Auffassung "Unterhaltsrenten"140. Im Rahmen der Beamtenversorgung erhalten Beamte141 und Richter jeweils für sich und ihre Angehörigen142 bei Krankheits-, Geburts- oder Todesfällen Beihilfeleistungen143 und bei Dienstunfähigkeit oder im Alter Versorgungsleistungen144 . Darüber hinaus erhalten sie zu ihren Dienstbezügen Kinderzuschläge14~ und Ortszuschläge, deren Stufen der Familiengröße Rechnung tragen146 . Die Versorgung der Berufssoldaten ist der der Beamten weitgehend nachgebildet147 . 221 Die Beihilfe

Ausgangstatbestand der Beihilfe sind Krankheits-, Geburts- oder Todesfälle des Beamten bzw. der Beamtin und ihres Ehegatten und der 138 Fischbach, Vorbem. vor § 105 A I 6; Plog - Wiedow - Beck, Vorbem. vor § 105 Rdnr. 17; Thieme, DöV 1970, 537 (538).

139 Vgl. insbes. BVerfGE 21, 329 (344 ff.); 11, 203 (217); 8, 1 (14); RGZ 38, 317 (320); Fees, Zur Altersversorgung der Beamten und Rentner, DVBl. 1958, 557; Thiele, Alimentation - ein unabdingbares Merkmal des Berufsbeamtentums, ZBR 1963, 129 ff.; Thieme, Der öffentliche Dienst in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1961, S. 52; Wertenbruch, Alimentations- und Lohntheorie im Beamtenrecht, ZBR 1963, 200 (202). 140 Kritisch zum Alimentationsprinzip: von Basse, Grundfragen des Beamtenrechts besonders des preußischen Kommunalbeamtenrechts, 1931, S. 97 f.; Fischbach, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, 2. Aufl. 1956, Vorwort S. VII (in der späteren 3. Aufl., 1965, Vorwort S. VIII, nur in der Formulierung anders); vgl. auch Klinkhardt, Die Alimentationstheorie im Beamtenrecht, ZBR 1964, S. 257; Stuzky, Auswirkungen des Sozialstaatsprinzips auf das Beamtenverhältnis unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, Diss. jur. Würzburg 1966, S. 76 ff.; s. a. Art. 29 Abs. 1 HessVerf. 141 Vgl. §§ 79 BBG; 48 BRRG. 142 Vgl. § 46 DRiG. 143 Vgl. Allgemeine Vorschriften über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV). 144 §§ 105 ff. BBG; 63 ff. BRRG. 145 § 18 BBesG. 148 §§ 12, 15 BBesG. 147 §§ 14 ff., 43 SVG.

5 Ruland

66

1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

Kinder 148 • Die Beihilfe beträgt 50 % der beihilfe fähigen Aufwendungen. Dieser Satz erhöht sich, wenn der Beihilfeberechtigte verheiratet ist oder Kinder hat, auf maximal 70 %149. Beihilfen werden auch Versorgungsempfängern gewährtt 50 • Die Beihilfe ist gegenüber der Krankenversicherung subsidiär15 \ nicht aber gegenüber familiärem Unterhalt1 52 •

222 Die Alters- und Hinterbliebenenversorgung Der Beamte erhält Ruhegehalt, wenn er, weil er die Altersgrenze erreicht hat153, in den Ruhestand getreten ist und auf eine mindestens 10jährige Dienstzeit zurückblicken kann oder wenn er dienstunfähig geworden ist154 • Das Ruhegehalt ist von den zuletzt bezogenen Dienstbezügen abhängig155 • Es beträgt bei einer 10jährigen ruhegehaltsfähigen Dienstzeit 35 % der Dienstbezüge und kann bei längerer Dienstzeit den Höchstsatz von 75 Ofo erreichen156 • Die Ruhegehälter nehmen an der allgemeinen Entwicklung der Beamtengehälter teil. Die an die Hinterbliebenen des Beamten - Witwe, Witwer, Waise, geschiedener Ehegatte ~ zu zahlenden Versorgungsbezüge machen bestimmte Prozentsätze des so errechneten Ruhegehalts des Beamten aus. Hierauf wird jeweils im einzelnen noch eingegangen werden i57 • Neben dem Ruhegehalt, dem Witwen-(Witwer-)geld und, wenn kein Witwen-(Witwer-)geld zu zahlen ist, auch neben dem Waisengeld werden Kinderzuschläge nach den Vorschriften des Besoldungsrechts gewährt158 • 3 Entschädigungssysteme

Entschädigungssysteme sind - im Gegensatz zu fast allen sonstigen Sozialleistungen159 - kausalbedingte Leistungssysteme. Krankheit und Tod sind in ihnen nur dann Ausgangstatbestände, wenn sie Folge einer bestimmten Ursache sind160 • Entschädigungsleistungen knüpfen insbeVgl. Nr. 2 BhV. Vgl. Nr. 12 BhV. 150 Vgl. Nr. 1 Abs. 1 BhV. 151 Nr. 3 Abs. 3, 4 BhV. 152 BArbG, FamRZ 1969, 537. 153 Bei Bundesbeamten die Vollendung des 65. Lebensjahres, vgl. § 41 BBG; s. a. § 25 BRRG. 154 Zu den sonstigen Fällen und zu den übrigen Voraussetzungen, vgl. §§ 106 BBG; 63 BRRG; zum Unterhaltsbeitrag s. § 120 BBG. 155 Vgl. §§ 111 ff. BBG; 66 ff. BRRG. 15G §§ 118 Abs. 1 S. 1 BBG; 70 BRRG. 157 s. u. 10. Kap., Text nach Anm. 9. 158 §§ 156 Abs. 2 BBG; 82 Abs. 1 BRRG. 15Q Vgl. etwa § 192 RVO. 160 Vgl. hierzu insbes. Fenge, Kausal- und Finalprinzip im Recht der sozialen Sicherheit, BABl. 1970, 652; MoHtor, "Kausalprinzip" und "Finalprinzip" , in: Sozialpolitik und Sozialreform, S. 245 ff.; s. a. Sozialenquete, Nr. 205 ff. S. 80 f.; Watermann, Die Ordnungsfunktion von Kausalität und Finanilität im Recht, 1968, S. 49 ff. 148 149

4. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

67

sondere an Schäden an, die zum einen durch Krieg und Vertreibung und zum anderen durch Berufsunfälle und -krankheiten verursacht sind. Die Kriegsfolgen sollen hauptsächlich durch die im BVG geregelte Kriegsopferversorgung und durch den Lastenausgleich gemildert werden. Spezielle Entschädigungssysteme bestehen für - Vertriebene (BVFG), - Flüchtlinge (FlüHG), - Evakuierte (BEvG), - Heimkehrer (HkG), - Personen, die aus politischen Gründen außerhalb der BRD in Gewahrsam genommen wurden (HHG), - Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) - und für Kriegsgefangene (KGEG). Von diesen Systemen sollen die wichtigsten näher dargestellt werden: - Die Kriegsopferversorgung, die bei Kriegsbeschädigten die Folgen gesundheitlicher Schädigung ausgleichen und im Todesfall die Hinterbliebenen sichern soll; - der Lastenausgleich, dessen Aufgabe es ist, Schäden und Verluste, die sich infolge der Vertreibungen und Zerstörungen in der Kriegsund Nachkriegszeit und infolge der Währungsreform von 1948 ergeben haben, sozial gerecht und im Rahmen des volkswirtschaftlich Möglichen auszugleichen161; - die Entschädigungsleistungen für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Verfolgtenversorgung). Als Entschädigungsleistungen können auch die Leistungen zur Sicherung des Unterhalts der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen und ihrer Angehörigen nach dem USG angesehen werden. Die durch Berufsunfälle und -krankheiten verursachten Schäden werden durch die Unfallversicherung und die Unfallfürsorge für Beamte, Richter und Soldaten ausgeglichen. 31 Entschädigungssysteme im Zusammenhang mit Krieg, Vertreibung oder Wehrpflicht

311 Die Kriegsopjerversorgung16% Die Kriegsopferversorgung gewährt als Ausgleich gesundheitlicher Schädigungen folgende regelmäßig wiederkehrende Geldleistungen: So die Präambel zum LAG. s. hierzu insbes. den "Bericht der Bundesregierung über die Situation im Bereich der Versorgung von Kriegs- und Wehrdienstopfern", BT-Dr. zu lel

162

VI/SI. 5°

I. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

68

-

Grundrenten, auf die die Beschädigten und Witwen und Waisen von Beschädigten ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage Anspruch haben163 ; sie wird bei Schwerbeschädigten durch eine Zulage ergänzt1 64 ; die Höhe der Grundrenten ist bei Beschädigten von dem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit abhängig und beträgt zur Zeit zwischen 68 und 351 DM monatlich; die Grundrenten für Witwen und Waisen sind Einheitsrenten, die 210 DM bei Witwen und 58 DM bei Halb- bzw. 111 DM bei Vollwaisen betragen165 ; Ausgleichsrenten, sie sollen Schwerbeschädigten, Witwen und Waisen zusätzlich zu den Grundrenten den Lebensunterhalt sichern; der Anspruch auf Ausgleichsrente ist der Höhe nach von dem Einkommen des Berechtigten abhängig166 ; Ausgleichsrenten können durch Ehegatten- oder Kinderzuschläge ergänzt werden 167 ; auch die Ausgleichsrente für Beschädigte ist von dem Ausmaß der Erwerbsbeschränkung abhängig; ihre Höhe beläuft sich auf zwischen 156 und 351 DM; die vollen Ausgleichsrenten für Witwen und Waisen betragen 210 DM bzw. 104 DM bei Halb- und 144 DM bei Vollwaisen;

-

Elternrenten, sie sollen den Unterhalt alter oder erwerbsunfähiger Eltern, deren Kinder an den Folgen einer Schädigung gestorben sind, sicherstellen; der Anspruch wird dem Grunde und der Höhe nach von dem Einkommen der Eltern oder des Elternteiles be einflußt; die volle Elternrente macht bei einem Ehepaar 260 DM, bei einem Elternteil 176 DM aus; sie erhöht sich für jedes Kind, das an den Folgen einer Schädigung gestorben ist, um 52 bzw. 39 DM168;

-

Witwen- und Waisenbeihilfen, die gezahlt werden, wenn ein Schwerbeschädigter nicht an den Folgen seiner Beschädigung gestorben ist; sie können bis zur Höhe der Witwen- und Waisenrenten gezahlt werden169 .

Diese Leistungen werden jährlich durch Gesetz entsprechend den Erhöhungen in der Rentenversicherung angepaßt170 . Hervorzuheben ist, daß sowohl die Ausgleichsrente wie die Elternrente um das anzurechnende Einkommen des Berechtigten zu mindern sind l71 • Dabei gelten der Unterhalt, den der Schwerbeschädigte von seinem Ehegatten erhält, und den die Eltern von Unterhaltspflichtigen 163 164 165 160 107 168 169 170 171

§§ 31, 40, 46 BVG. § 31 Abs. 2 BVG. §§ 31 Abs. 1, 40, 46 BVG. §§ 32, 33, 41, 47 BVG. §§ 33 a, 33 b BVG. Vgl. §§ 49-51 BVG. § 48 BVG. § 56 BVG. §§ 33, 51 Abs. 4 BVG; und

DVO zu § 33 BVG.

'1. Kap.: Die Systeme sozialer Sicherung

69

erhalten, als Einkommen der Berechtigten172 • Zu Gunsten der Unterhaltspflichtigen gelten jedoch bestimmte Einkommensfreigrenzen. Die Ausgleichsrente für den hinterbliebenen Ehegatten ist gegenüber dem Unterhalt nicht mehr subsidiär173 • über die oben genannten Hilfen hinaus wird Schwerbeschädigten für sich und ihre Angehörigen und Empfängern von Hinterbliebenenversorgungsleistungen Krankenbehandlung gewährt, soweit sie nicht krankenversichert sind174 ; Schwerbeschädigte erhalten zudem Heilbehandlung. Bei dem Tode eines rentenberechtigten Beschädigten wird Bestattungs- und Sterbegeld175 , bei dem Tode eines versorgungsberechtigten Hinterbliebenen nur Bestattungsgeld gezahlt178 • Außerdem soll sich die Kriegsopferfürsorge der Beschädigten und Hinterbliebenen in allen Lebenslagen annehmen und ihnen behilflich sein, die Folgen der erlittenen Schädigung oder des Verlustes des Ernährers nach Möglichkeit zu überwinden oder zu mildern177 • Ihre Leistungen sind auf die Besonderheit des Einzelfalles abgestellt und werden als persönliche Hilfen, Geld- oder Sachleistungen gewährt. So erhalten Beschädigte berufliche Förderung, Waisen oder Kindern von Beschädigten werden Erziehungsbeihilfen gewährt178 ; Beschädigte und Hinterbliebene haben ferner Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt, auf Erholungsfürsorge und auf Wohnungsfürsorge, sowie auf weitere Hilfen in besonderen Lebenslagen179 • Die Hilfen der Kriegsopferfürsorge werden nur subsidiär erbracht. Dabei gelten für den Einsatz des Einkommens und des Vermögens die Bestimmungen des BSHG entsprechend180 • Diese Leistungen werden durch einen Härteausgleich ergänzt, der eingreift, wenn sich bei Anwendung des Versorgungsrechts besondere soziale Härten ergeben181 • 312 Der Lastenausgleich

Von dem vielfältigen Leistungen des Lastenausgleichs (einmalige Entschädigungsleistungen: Hauptentschädigung, Hausratsentschädigung, Entschädigung nach dem Altsparergesetz; Rentenleistungen: Un17! 173

§§ 4, 16 DVO zu § 33 BVG; s. a. § 15 Abs. 3 a.a.O. (Waisen). Heute: § 14 Abs. 1 DVO zu § 33 BVG; früher §§ 33 Abs. 1, 41 Abs. 1

BVG i. d. F. v. 7.8.1953 (BGBl. I, 886). 174 § 10 Abs. 4 BVG. 175 §§ 36, 37 BVG. 178 § 53 BVG. 177 Vgl. § 25 Abs. 1 S. 1 BVG. 178 §§ 26, 27 BVG. m § 27aBVG. IBO Vgl. §§ 27 e, 25 a Abs. 6, 7 BVG; s. u. 6. Kap., sub 51. 181 § 89 BVG.

1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

70

terhaltshilfe und Entschädigungsrente; Förderungsmaßnahmen) gehören in das System sozialer Sicherung nur die Kriegsschadenrenfe 182 und die Beihilfe zum Lebensunterhalt für politische Flüchtlinge 183 , die, obwohl im FlüHG geregelt, dem Lastenausgleich zugerechnet werden muß184. Während die übrigen Leistungen primär dem sozialen Schadensausgleich dienen, stellen diese Leistungen für die alten und erwerbsunfähigen Geschädigten - sie müssen vor 1890 (Männer) bzw. 1895 (Frauen) geboren sein _185, die "alsbaldige soziale Sicherung" dar186 und sollen ihnen - unter teilweiser Vorwegnahme der Entschädigung - die Inanspruchnahme der Sozialhilfe ersparen. Die Kriegsschadenrente wird gewährt als Unterhaltshilfe und/oder Entschädigungsrente. Die Unterhalts hilfe wird nach festen Beträgen, abgestuft nach der Größe der Familie, auf Lebenszeit oder, wenn kein Existenzverlust vorlag, auf Zeit gewährt. Sie beträgt zur Zeit 235 DM und erhöht sich um 155 DM für den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und um 80 DM für jedes Kind, das von den Berechtigten überwiegend unterhalten wird187 . Ein weiterer Zuschlag wird für ehemals Selbständige gezahlt1 88 . Die Zahlung der Unterhaltshilfe ist von einer bestimmten Einkommensgrenze abhängig, die von den Einkünften der Familieneinheit (Geschädigter, Ehegatte, zuschlagsberechtigte Kinder) nicht überschritten werden darf. Zugunsten· der Geschädigten bleiben gewisse Einkünfte außer Betracht, so z. B. gesetzliche und freiwillige Unterhaltsleistungen von Verwandten189 . Wer unterhaltshilfeberechtigt ist, hat außerdem Anspruch auf Krankenversorgung für sich und seine zuschlagsberechtigten Angehörigen, sofern· er nicht nach anderen Vorschriften Krankenpflegeerhält1 9o • Während die Unterhalts hilfe der Sicherung der sozialen Lebensgrundlage dientl9l , ist die Entschädigungsrente ein verrenteter Schadensausgleich. Demgemäß orientiert sich ihre Höhe an der des Schadens 192. Auch die Entschädigungsrente wird nur gewährt, wenn die Einkünfte der Familieneinheit bestimmte Grenzbeträge nicht übersteigen. Die Beihilfen zum Lebensunterhalt werden entsprechend den 182 §§ 261-292 LAG. 183 Vgl. Schewe - Nordhorn, S. 217; Zacher, SchZfS 1970, 293 (308). 184 §§ 10 ff. FlÜHG. 185 § 264 LAG. 186

187 188 189 190 191 192

Schewe - Nordhorn, S. 217. § 269 LAG. § 269 a LAG. § 267 Abs. 2 Ziff. 1 LAG. § 276 LAG. § 263 Abs. 2 S. 1 LAG. Zu Einzelheiten vgl. § 280 LAG.

4. Kap.: Die Systeme sozialer Skherung

71

Grundsätzen und Voraussetzungen geleistet, die für die Unterhaltshilfe gelten103 • 313 Die Verfolgtenversorgung

Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung erhalten wegen ihrer Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit, an Freiheit, Eigentum, Vermögen, im beruflichen oder wirtschaftlichen Fortkommen vorwiegend Kapitalentschädigungen. Wahlweise werden auch Renten gezahlt, die nach der Versorgung vergleichbarer Beamter berechnet werden194 • Die Angehörigen der infolge der Verfolgung Umgekommenen195 bzw. der später verstorbenen Verfolgten196 erhalten Hinterbliebenenrenten. 314 Die Unte1·haltssicherung

Wehrpflichtige und ihre Angehörigen beziehen nach dem USG Leistungen zur Sicherung ihres Lebensbedarfs, es sei denn der Wehrpflichtige erhält Dienstbezüge als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit. Hat der Wehrpflichtige das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und leistet er den Grundwehrdienst ab, dann können seine Familienangehörigen Leistungen zur Unterhaltssicherung beanspruchen, die von der Höhe des früheren Einkommens des Wehrpflichtigen abhängen197 • Die Leistungen für die engere Familie (Ehefrau und Kinder) werden zusammengefaßt und normalerweise der Ehefrau ausgezahlt1 98 • Die Leistungen für "sonstige Familienangehörige" richten sich grundsätzlich nach den Unterhaltsleistungen oder der Unterhaltspflicht des Wehrpflichtigen vor seiner Einberufung und dürfen insgesamt die Hälfte des Satzes für einen Familienangehörigen im engeren Sinne nicht überschreiten, andernfalls sie verhältnismäßig gekürzt werden199 • Als Sonderleistungen erhalten die "engeren" Angehörigen u. a. Krankenhilfe und Hilfe für Schwangere und Wöchnerinnen entsprechend den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung20o • Wehrpflichtige, die unbefristeten Wehrdienst oder nach Vollendung des 25. Lebensjahres Grundwehrdienst oder Wehrübungen leisten, beziehen Verdienstausfallentschädigungen, die bei Wehrpflichtigen mit unterhaltsberechtigten Familienangehörigen im engeren Sinne 90 Ofo, sonst 70 Ofo des Nettoeinkommens betragen201 • 193 194 195

196 197 198 199 200 201

Vgl. §§ 10 ff. FlÜHG. Vgl. etwa §§ 18, 83, 95 BEG. §§ 17 ff. BEG.

Etwa § 85 BEG.

Vgl. § 5 USG. § 9 Abs. 1 USG. § 6 USG; s. a. § 5 Abs. 4 USG. § 7 USG. § 13 USG.

72

1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

32 Die Entschädigungen für Berufsunfälle und -krankheiten

Die Unfallversicherung und, für Beamte, Richter und Soldaten, die Unfall- oder Beschädigtenversorgung, die für die Folgen eines erlittenen Arbeits- bzw. Dienstunfalles entschädigen, erfüllen, worauf bei der Unfallversicherung schon hingewiesen wurde, eine Doppelfunktion: Sie sichern sowohl den von einem Arbeits- oder Dienstunfall betroffenen Arbeitnehmer oder Beamten als auch den Unternehmer oder den Dienstherrn, denen diese Unfälle zugerechnet werden und die durch diese Leistungen von ihrer Verantwortlichkeit hierfür frei werden202 , es sei denn, der Unfall ist vorsätzlich herbeigeführt worden. 321 Die Unfallversicherung

Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erstreckt sich nicht nur auf Arbeitnehmer und die ihnen gleichgestellten Personen ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Einkommens, sie erfaßt darüber hinaus auch bestimmte Unternehmer, besonders kleinerer Betriebe, und ihre mitarbeitenden Ehegatten, außerdem Personen, die im öffentlichen Interesse tätig werden, Schüler, Studenten, Arbeitslose auf der Arbeitssuche und schließlich auch Strafgefangene im Arbeitseinsatz203 • Die Unfallversicherung sichert bei Arbeitsunfällen 204 und bei den in einer Rechtsverordnung enumerativ aufgezählten, dem Arbeitsunfall gleichgestellten Berufskrankheiten205 • Ihre Leistungen lassen sich einteilen in: Leistungen zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, sie sollen die durch den Arbeitsunfall verursachte Körperverletzung und die Minderung der Erwerbsfähigkeit beseitigen und einer Verschlimmerung der Unfall folgen vorbeugen; sie umfassen ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei usw., Pflege und ein dem Krankengeld nachgebildetes Verletztengeld206 ; - Berufshilfe, sie umfaßt die Rehabilitationsmaßnahmen für einen anderen, möglichst gleichwertigen Beruf, wobei während der dafür benötigten Zeit der Unterhalt des Verletzten und seiner Angehörigen sichergestellt wird207 ; - Renten, die nach dem Jahresarbeitsverdienst des Verletzten berechnet werden und dem Grad der durch den Unfall bewirkten Erwerbsminderung Rechnung tragen, wobei jedoch Erwerbsminderungen -

202 203 204 205 208 207

Vgl. §§ 151 Abs. 1 S. 1 BBG; 81 Abs. 1 S. 1 BRRG; 636 ff. RVO. Vgl. §§ 539 f. RVO. Vgl. §§ 548 ff. RVO. Vgl. § 551 RVO i. V. m. der Siebenten Berufskrankheiten-VO. §§ 557 ff. RVO. §§ 567 f. RVO.

5. Kap.: Die Bedeutung des Systems sozialer Sicherung

73

unter 20 Ofo außer Betracht bleiben208 ; Schwerverletzte erhalten Kinderzulagen und - wenn sie keine sonstige Rente beziehen -, Schwerbeschädigtenzulage2.09. An Hinterbliebene von Unfallopfern werden Sterbegeld und Hinterbliebenenrenten gezahlt, die ebenfalls nach Maßgabe des Jahresarbeitsverdienstes des Versicherten berechnet werden 210 .

-

322 Die Unfallfürsorge

Beamte, Richter und Soldaten sind im Rahmen der Unfallfürsorge bzw. der Beschädigtenversorgung bei Dienstunfällen bzw. Wehrdienstbeschädigungen gesichert. Die Beschädigtenversorgung der Wehrpflichtigen, die eine Hinterbliebenenversorgung einschließt, erfolgt in entsprechender Anwendung der Bestimmungen des BVG211. Die Unfallfürsorge des Beamtenrechts, das insoweit auch für Berufssoldaten weitgehend maßgeblich ist 212 , umfaßt außer der Erstattung von Sachschäden und Heilungskosten auch die Gewährung von Unfallruhegehalt, das zwei Drittel der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, bei besonderer Gefahr drei Viertel, ausmacht213 , die Gewährung von Unterhaltsbeihilfen in sonstigen Fällen der Beendigung des Beamtenverhältnisses 214 und Leistungen der Unfall-Hinterbliebenenversorgung215 • Die Leistungen der Unfall-Hinterbliebenenversorgung betragen jeweils bestimmte Prozentsätze der Leistung, die der Beamte erhalten hat oder hätte. 5. Kapitel

Die Bedeutung des Systems sozialer Sicherungl Über die Leistungen der Sozialen Sicherheit vollzieht sich die "zweite Einkommensverteilung" . Das den Einkommensbeziehern der ersten Einkommensverteilung (Löhne, Gehälter usw.) zufließende Einkommen wird zu einem ständig wachsenden Teil2 in Form von Steuern und Bei208

t09 210 211 212 U3

214 215

§§ 570 ff., 581 RVO. §§ 583, 582 RVO. § 589 RVO. § 80 SVG, entsprechendes gilt für den Ersatzdienst, vgl. §§ 47 ff. ErsDiG. § 27 SVG. §§ 140, 141 a BBG, 80 BRRG. §§ 142 BBG; 80 BRRG. §§ 144 ff. BBG; 80 BRRG.

Hierzu insbesondere Sozialbericht 1972, passim, Sozialbericht 1970, S. 37, S. 58 ff. 2 Vgl. v. Bethusy-Huc, Sozialleistungssystem, S. 17 ff., insbes. Tabellen 14 und 15; allein die Sozialversicherungsbeiträge stiegen von 14 Ofo (1967), 15 Ofo (1968), 16 Ofo (1969) auf 17 Ofo (1970); frühere Zahlen bei Schewe - Nordhorn, S.52. 1

74

I. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

trägen einbehalten3 bzw. abgeführt. Die "zweite Einkommensverteilung" erfaßte vor dem ersten Weltkrieg nur etwas mehr als 2 % des Volkseinkommens'. Dagegen wird das Sozialbudget für 1972, das im wesentlichen die hier in der Arbeit behandelten Leistungen finanziell zusammenfaßt5, 25,7% des Bruttosozialprodukts ausmachen 6 • Für 1976 wird ein Anteil von 26,4 Ufo des Bruttosozialprodukts erwartet7. Diese Umverteilung vollzieht sich sowohl zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen als auch zwischen den Erwerbstätigen untereinander. Leistungen der sozialen Sicherheit verschaffen abgeleitetes Einkommen oder ergänzen möglicherweise originäres Einkommen. Von den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden 58,1 Mill. Personen bestritten 8,5 MilL (= 14,4 Ufo) ihren überwiegenden Lebensunterhalt aus von ihnen selbst bezogenen Sozialleistungen8 • Da auf diese Sozialleistungen auch Familienangehörige angewiesen sind, kann der Prozentsatz derer, die von Sozialleistungen leben, sicherlich mit mindestens 20 Ufo der Gesamtbevölkerung angegeben werdenD. Stellt man auf das jeweilige Einzelsystem sozialer Sicherung ab, dann lassen folgende Zahlen dessen Bedeutung erkennen: Krankenversicherung

Im April 1968 waren von der Wohnbevölkerung -

28,0 Ufo pflichtversichert 12,1 Ufo als Rentner versichert

-

-

9,2 Ufo in gesetzlichen Kassen freiwillig versichert 37,6 Ufo als Familienmitglied in gesetzlichen Kassen mitversichert 1,3 Ufo auf sonstige Weise in gesetzlichen Einrichtungen gegen

Krankheit versichert 11,8 Ufo freiwillig privat versichert, bzw. nicht versichert (1,4 %)1°.

3 Zu den hierbei auftretenden Problemen Achinger, Soziale Sicherheit, S. 61 ff.; da auch indirekte Steuern erhoben werden, sind die Empfänger der Sozialleistungen an der für diese notwendigen Mittelaufbringung selbst beteiligt, vgl. dazu sönner, S. 73; v. Bethusy-Huc, Sozialleistungssystem, S.21. 4 Ellgering, Sozialversicherung und Wirtschaftswachstum, Diss. rer. pol. Köln, 1965, S. 49 (Tabelle 21); Wannagat, Lehrbuch, S.156. 5 Vgl. die Angaben im Sozialbericht 1972, S. 147; Schewe - Nordhorn, S.25. G Sozialbericht 1972, S. 67; vgl. auch Schewe - Nordhorn, S. 27. 1 Sozialbericht 1972, S. 67. 8 Sozialenquete, Nr. 39 S. 24. 9 Vgl. Boettcher, S. 156. 10 Sozialbericht 1970, S. 79; s. a. die Angaben des Sozialberichts 1972, S. 2.

5. Kap.: Die Bedeutung des Systems sozialer Sicherung

75

Unfallversicherung In der Unfallversicherung sind mehr als 26 Mill. Personen versichertl l . Die Zahl der Rentenfälle beträgt etwa eine Million, davon 80 % Renten an Verletzte und Erkrankte, 15 % Renten an Witwen (Witwer) und 5 % Renten an sonstige Hinterbliebene 12 •

Rentenversicherung In der Rentenversicherung waren 1968 pflichtversichert 26,8 Ofo der Bevölkerung -

Rentenversicherung der Arbeiter (einschl. Handwerker) - 15,7 % der Bevölkerung - Rentenversicherung der Angestellten 0,7 Ofo der Bevölkerung - Knappschaftliche Rentenversicherung 56,8 % der Bevölkerung sind nicht pflichtversichert1 3 • -

Unter diese 56,8 Ofo fallen jedoch nicht nur die Personen, deren Altersversorgung sonstwie, etwa als Beamte, gesichert ist, sondern auch Familienangehörige, die Anspruch auf Hinterbliebenensicherung haben. Die Rentenversicherungen gewährten 1968 Renten14 : an Versicherte an Witwena) (in 010) ArV

AnV KnV

62,1 57,5 66,3b)

33,1 37,5 38,5

an Waisen 4,8 5,0 5,2

insgesamt (in 1 000) 6419 2322 362

a) Witwen, Witwer und geschiedene Ehegatten. b) Einschließlich Knappschaftssold.

In der Altershilfe für Landwirte standen rund 780 000 Beitragszahlern etwa 530000 Leistungsempfänger gegenüber 15 • Die durchschnittlichen Renten für Versicherte betrugen16 : 11

Schewe - Nordhorn, S. 147.

Sozialbericht 1970, S. 88; s. a. Sozialbericht 1972, S. 109. 13 Sozialbericht 1970, S. 59. 14 Vgl. ebd. S. 60 (Übersicht 10), 65 (Übersicht 13), S. 70 (Übersicht 16). 15 Vgl. Sozialbericht 1970, S. 74 (Übersicht 19). 18 Vgl. "Die Rentenbestände in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten in der BRD nach dem Stande vom 1.1.1967", hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bann, Tabelle 10; s. a. Statistik der deutschen Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten, Bd. 23, Tabellen S. 52, 53, 118, 119. Auf ein Ergebnis, das sich aus dieser Tabelle ablesen läßt, sei besonders hingewiesen. Das Verhältnis der Renten von Frauen zu den Renten der Männer hat sich seit 1959 verschlechtert. 1959 betrugen Leistungen der Renten.12

1. 2. Abschn.: Das System der sozialen Sicherung

76 Art der Rente

Arbeiterrenten Vers.

Angestellten Vers.

Frauen

Männer

Durchschnitt Frauen {in DM)

Männer

Durchschnitt

Berufsunfähigkeitsrente

82,81

226,48

146,92

143,48

283,52

187,62

Erwerbsunfähigkeitsrente

115,93

300,83

211,82

209,35

412,25

305,74

Altersruhegeld nach Vollendung des 65. Lebensjahres

157,64

383,54

282,20

306,94

596,46

495,18

Altersruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres an Arbeitslose

172,98

398,20

365,25

307,83

604,43

535,65

Altersruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres an nicht mehr berufst. Frauen

199,81

Durchschnitt 1967

145,11

352,57

250,80

290,66

557,78

437,48

Durchschnitt 1959

99,45

200,03

151,86

177,88

303,27

254,74

406,72

Die durchschnittlichen Renten für Hinterbliebene beliefen sich auf17 :

ArV AnV KnV

Witwen

Waisen

197,30 DM 284,40 DM 345,80 DM

92,10 DM 102,50 DM 101,80 DM

versicherung der Arbeiter an weibliche Versicherte noch etwa 50 Ofo der Leistungen an männliche Versicherte. 1967 war der Quotient auf 410f0 gesunken. Entsprechendes gilt für die Angestelltenrentenversicherung. Hier sank der Quotient von 59 % (1959) auf 52 Ofo (1967). (Dabei muß allerdings der Wegfall der Mindestrenten mit in Rechnung gestellt werden.) Die Benachteiligung der erwerbstätigen Frauen nimmt nicht nur nicht ab, sondern sogar zu. s. a. von Bethusy-Huc, Sozialleistungssystem, S. 195 ff. 17 Zahlen für Mitte 1967 von Tietz, ü 1-2; vgl. auch Euler, WiSta 1962, 390. Hier ist allerdings auch zu bedenken, daß manche Frau, die eine niedrige Hinterbliebenenrente aus einer der genannten Versicherungen bezieht, auch noch eine Rente aus der Unfallversicherung erhalten kann. In den Zahlen sind auch die (niedrigen) Hinterbliebenenrenten nach § 1268 Abs. 1 RVO enthalten, die durchschnittlich etwa 100 DM betragen.

5. Kap.: Di!e Bedeutung des Systems sozialer Sicherung

77

Ar beits losenversicherung 1969 waren etwa 18,5 Mill. Personen gegen Arbeitslosigkeit versichert. Arbeitslosengeld bezogen etwas mehr als 100000 Personen, Arbeitslosenhilfe etwa 6 000 Personenl8 •

Beamtenversorgung Im öffentlichen Dienst gab es bei rund 1,4 Mill. aktiven Beamten über 900000 Versorgungsempfänger, davon 55 % Ruhegehaltsempfänger, 43 Ofo Witwen- und 2 Ofo Waisengeldempfängerl9 • Angaben über die durchschnittliche Höhe der Leistungen fehlen. Jedoch ist die Feststellung von Interesse, daß die durchschnittlichen Leistungen an Hinterbliebene, insbesondere an Witwen, erheblich über denen der Rentenversicherungen liegen20 •

Kriegsopferversorgung Die Zahl der anerkannten Versorgungsberechtigten betrug 1968 2,7 Mill. Personen, davon bezogen 53 010 Hinterbliebenenversorgung21 •

Lastenausg leich 500000 Personen wurde 1968 Unterhaltshilfe gewährt 22 •

Sozialhilfe 1968 gab es 2,9 Mill. Sozialhilfeempfänger. Von Einwohnern über 60 Jahren waren etwa 5 0 /() Sozialhilfe empfänger, von den Rentnern etwa 2-3 010 23 • 8 o/() der Mittel der Sozialhilfeträger von insgesamt (100010) 2,2 Milliarden DM stammen aus Ersatzleistungen von Unterhaltspflichtigen der Hilfsempfänger und Kostenbeiträge bzw. Aufwendungsersatz der Hilfsempfänger selbst24 •

Ausbildungsförderung Es werden nach dem BAföG voraussichtlich etwa 383 000 Personen25 Ausbildungsförderung erhalten. Die Förderung der beruflichen Ausbil18 19

20

21 22

23 24 25

Sozialbericht 1970, S. 92 (übersicht 35). Ebd. S. 103 f. (übersicht 45). Vgl. die Aufstellung bei Euler, WiSta 1962, 390. Sozialbericht 1970, S. 106. Ebd. S. 111. Ebd. S. 96. Ebd. S. 97. Sozialbericht 1972, S. 41.

78

1. 2. Abschn;: Das.system der sozia,len Sicherung

dung durch die Bundesanstalt für Arbeit kommt etwa 50 000 Personen zugute 26 • Im Rahmen der Kriegsopferfürsorge wurden 1968 etwa 80000 Erziehungs- und Ausbildungsbeihilfen gewährt27 •

Wohngeld über die Zahl der Wohngeldempfänger lassen sich wegen der durch das zweite WohnGG bewirkten Leistungsverbesserungen und Minderung der Voraussetzungen noch keine genauen Angaben machen. Mitte 1969 betrug die Zahl der Empfängerhaushalte 463 000 28 •

Steuerermäßigungen Kinderfreibeträge standen 1961 6,8 Mill. Lohn- und 1,6 Mill. Einkommensteuerpflichtigen ZU29 • Den " Splitting" -Vorteil der Zusammenveranlagung nahmen 13,5 Mill. Steuerpflichtige wahr 30 •

26 27

28 29

80

Schewe - Nordhorn, S. 172; davon werden jedoch die meisten umgeschult. Ebd. S. 192. Ebd. S. 232. Familienbericht, S. 116, 117 (Tabellen 80, 81). Ebd. S. 118.

ZWEITER TEIL

Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit im geltenden Recht Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit lassen sich in drei Gruppen einteilen. 1. Das Recht der sozialen Sicherheit nimmt -

wie auch immer -

auf

familiären Unterhalt Bezug.

2. Auf Unterhalt und Unte1·haltsbeziehungen wirken Leistungen der sozialen Sicherheit ein. 3. Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit als Teilbereiche des Gesamtsystems sozialer Sicherung ergänzen und verdrängen sich. Die Ausgestaltung dieser Beziehungen im derzeit geltenden Recht soll Gegenstand des nachfolgenden zweiten Teiles sein. Dazu ist jedoch zu bemerken, daß das geltende Recht unter dem Vorbehalt seiner Verfassungsmäßigkeit dargestellt werden wird, d. h. so, wie es dem Bürger gegenüber von Verwaltung und Rechtsprechung praktiziert wird.

Erster Abschnitt

Die sich aus dem Sozialrecht ergehenden Beziehungen Das Recht der sozialen Sicherheit berücksichtigt in vielfacher Weise, daß die von ihm Gesicherten in Familien mit anderen Personen leben, daß sie diesen Unterhalt gewähren oder von diesen Unterhalt beziehen. So werden einmal bestimmte Leistungen der sozialen Sicherung nur bei Bedürftigkeit des Empfängers gewährt (Subsidiarität) und bei der Feststellung der Bedürftigkeit auch familiärer Unterhalt bzw. familiäre Unterhaltsansprüche mit in Ansatz gebracht (Familienabhängigkeit als Unterfall der Subsidiarität). In diesen Fällen wird die Familie oder werden einzelne Familienangehörige als primäre, d. h. vorrangig verpflichtete Träger sozialer Sicherung berücksichtigt. Unterhaltsleistungen schließen insoweit Sozialleistungen aus. - Die Subsidiarität von Leistungen der sozialen Sicherheit führt zu einem weiteren Zweck, der der Berücksichtigung von Familienangehörigen zu Grunde liegt. Subsidiarität bedeutet zunächst die Verpflichtung desjenigen, der die Leistung begehrt, seine eigenen Mittel zur Befriedigung seiner Bedürfnisse einzusetzen. Sie kann bei familienabhängigen Leistungen zudem noch bedeuten, daß auch die Familienangehörigen von dem Sozialleistungsträger zur Hilfeleistung herangezogen werden. Subsidiarität bedeutet also insoweit vorrangige Verpflichtung anderer. Die vorrangige Verpflichtung anderer kann - oder sollte zumindest - nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit der vorrangig Verpflichteten bestehen. Die Leistungsfähigkeit kann aber durch Unterhaltspflichten gegenüber anderen, dritten Personen eingeschränkt sein. Soweit die vorrangig Verpflichteten, sei es der Hilfesuchende selbst, seien es seine Angehörigen, nur im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit oder Unterhaltspflicht verpflichtet werden, bedarf es in diesen Fällen keines weiteren Korrektivs. Wenn aber, wie es häufig geschieht, Einkommen des Hilfesuchenden und/oder seiner Angehörigen mit bestimmten Sätzen auf die zu gewährende Leistung der sozialen Sicherheit angerechnet werden, werden Unterhaltspflichten, die dritten (bei Familienangehörigen: vorrangig berechtigten) Personen gegenüber bestehen, regelmäßig in Form von (zusätzlichen) Freibeträgen berücksichtigt.

-

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sozialleistungen

-

-

-

-

81

Unterhaltspflichten mindern also insoweit das Ausmaß der gegenüber subsidiären Sozialleistungen bestehenden vorrangigen Verpflichtung. Eine andere Beziehung ergibt sich daraus, daß Sozialleistungen Personen einen Ausgleich gewähren sollen, die andere Personen unterhalten. Sozialleistungen sollen zugunsten bestimmter Personen den durch Krankheit oder Ausbildung eines Unterhaltsberechtigten verursachten Unterhaltsmehrbedarf übernehmen oder die Mehrbelastung durch Ausgleichszahlungen mindern. Sozialleistungen knüpfen weiter an den Ausfall bestimmter Unterhaltsträger an und ersetzen den Hinterbliebenen den durch diesen Ausfall weggefallenen Unterhalt. Schließlich ergibt sich eine Beziehung des Sozial rechts zum familiären Unterhalt noch daraus, daß bestimmten Familienmitgliedern des unmittelbar Gesicherten, d. h. der Person, die dem jeweiligen System sozialer Sicherung über die Versicherungspflicht, über die ausgeübte Berufstätigkeit oder aber auch über eine bestimmte Schädigung zugeordnet ist, Ansprüche auf Leistungen eingeräumt sind, die originär in der Person des unmittelbar Gesicherten, also der Person, der sie "angehören", entstanden sind.

Welche Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit sich aus diesen "Berücksichtigungen" der Familienangehörigen nun jeweils im einzelnen ergeben, wie sie ausgestaltet sind, wer und unter welchen Voraussetzungen als "Familienangehöriger" berücksichtigt wird, sollen die folgenden Kapitel aufzeigen. Außer den soeben in ihren Auswirkungen angesprochenen Beziehungen gibt es noch drei weitere: die, daß Sozialleistungen die Notwendigkeit von Unterhaltleistungen ausschließen; die, daß sie den Unterhaltsträger in den Stand setzen, Unterhalt zu gewähren, und schließlich die, daß sich Leistungen der sozialen Sicherheit auf den Inhalt des Unterhaltsanspruchs auswirken. Diese Beziehungen haben aber ihren Ausgangspunkt im Unterhaltsrecht und sollen daher in dem nachfolgenden Abschnitt behandelt werden. 6. Kapitel

Subsidiarität von Sozialleistungen gegenüber familiärem Unterhalt (Familienabhängigkeit von Sozialleistungen) Zahlreiche Einzelsysteme sozialer Sicherung erbringen alle oder bestimmte Leistungen nur, wenn derjenige, der sie begehrt, bedürftig ist, 6 Ruland

82

11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

und berücksichtigen bei der Feststellung seiner Bedürftigkeit familiären Unterhalt, den er erhält oder beanspruchen kann. Dies trifft zu für die Sozialhilfe, die Jugendhilfe, die Ausbildungsförderung, zum Teil auch für die Graduiertenförderung, die Arbeitslosenhilfe, für die Kriegsopferfürsorge, für bestimmte Ausgleichs- und für die Elternrenten nach dem BVG bzw. dem BEG, unter bestimmten Voraussetzungen auch für Leistungen an den hinterbliebenen Ehegatten, und schließlich für die Kriegsschadenrenten und die Beihilfen zum Lebensunterhalt nach dem Lastenausgleichsrecht.

1 Die Subsidiarität der Sozialhilfe 11 Zum Umfang der Subsidiarität

Die Rangfolge zwischen Unterhalt und Sozialhilfeleistung ist grundsätzlich eindeutig. § 2 Abs. 1 BSHG bestimmt, daß Sozialhilfe nicht beanspruchen kann, "wer ... die erforderliche Hilfe ... von Angehörigen erhält". § 2 Abs. 2 BSHG besagt, daß durch das BSHG "Verpflichtungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger ... nicht berührt werden". Der Unterhalt geht also grundsätzlich der Sozialhilfeleistung vor. Die Rangfolge zwischen Unterhalt und Sozialhilfeleistung ist grundAusgestaltung ihrer vielfältigen Einzelleistungen nicht immer beibehalten worden. So sind z. B. im sozialhilferechtlichen Leistungskatalog Leistungen vorgesehen, die das zivile Unterhalts recht nicht kennt!. Beispielsweise seien genannt: die Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage 2 , die Vorsorgeuntersuchungen3 , die Maßnahmen der Eingliederungshilfe4, die Sonderleistungen und vorbeugenden Hilfen im Rahmen der TBC-Hilfe· und insbesondere die Altenhilfe 6 • Außerdem sieht das Sozialhilferecht noch die Beitragsübernahme für eine angemessene Alterssicherung7 , Stillgeld und Entbindungskostenbeiträge 8 und z. B. im Rahmen der TBC-Hilfe Ernährungszulagen9 vor, wohingegen es im Unterhaltsrecht zumindest zweifelhaft ist, ob ent1 Vgl. dazu Nr. 7 der Empfehlungen, S. 15; Brühl, NDV 1963, 305 (311); Jehle, ZfSH 1968, 5 ff.; Rauschning, Begrenzung der Anspruchsüberleitung nach BSHG durch den angemessenen Unterhalt nach BGB, ZfF 1962, 260; ScheHhorn, NDV 1966, 335; Wehlitz, SozArb. 1964, 1 ff. 2 § 30 BSHG. a §§ 36, 38 BSHG, zweifelnd Brühl, NDV 1963, 305 (311). 4 §§ 40 Abs. 1 Nr. 6; 50 Abs. 2 i. V. m. § 40 Abs. 1 Nr. 6 BSHG. 5 §§ 56, 57 BSHG. 6 § 75 BSHG. 7 § 14 BSHG; Brühl, NDV 1963, 305 (311) rechnet die übernahme von Le-

bensversicherungsbeiträgen zum bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsbedarf; auf diese Frage wird - in anderem Zusammenhang - noch eingegangen werden; s. u. 15. Kap., sub 22. 8 § 38 BSHG. 9 § 53 Abs. 2, s. a. § 38 Abs. 2 BSHG.

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sozialleistungen

83

sprechende Bedarfe anerkannt werden 10 . Es herrscht also zwischen Sozialhilfe und Unterhaltsrecht keine volle übereinstimmung des "Leistungskataloges" . Von größerer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen des Sozialhilferechts l l , die dem bürgerlichen Unterhaltsrecht - soweit es überhaupt solche Grenzen kennt _12, zumindest in dieser Höhe unbekannt sind. Sie können zu Sozialhilfeleistungen führen, ohne daß eine bürgerlichrechtliche Unterhaltspflicht vorgelegen hätte. Das beste Beispiel ist hinsichtlich des Einkommenseinsatzes die Blindenhilfe 13 • Hier ist die Einkommensfreigrenze mit einem Grundbetrag von 1 200 DM14 zuzüglich der Kosten der Unterkunft15 und der Familienzuschläge 16 von je 150 DM so hoch angesetzt, daß der Blinde, bei einem Einkommen, das nahe an dieser Grenze liegt, nach bürgerlichem Recht niemals unterhaltsbedürftig wäre 17 • Dennoch sind ihm die vollen Leistungen der Blindenhilfe (§ 67 BSHG) zu gewähren. Als Vermögensverschonung ist insbesondere der Schutz "eines kleineren Hausgrundstücks, besonders eines Familienheims"18 vor der Verwertungspflicht zu erwähnen. Die Voraussetzungen der Bedürftigkeit sind im Sozialhilferecht andere als im Unterhaltsrecht. Soweit das Sozialhilferecht die Bedürftigkeitsgrenzen des Unterhaltsrechts überschreitet oder zusätzliche Bedarfe anerkennt, besteht auch kein Vorrang des Unterhaltsrechts. Die Sozialhilfe ist primär verpflichtet. Es handelt sich hierbei nicht um subsidiäre Leistungen19 . Die grundsätzliche Subsidiarität der Sozialhilfe ist insoweit nicht eingehalten worden. 12 Die Verwirklichung der Subsidiarität gegenüber familiärem Unterhalt

Das Sozialhilferecht bedient sich zur Verwirklichung der Subsidiarität mehrerer Möglichkeiten. 10 Vgl. einerseits Brühl, NDV 1963, 305 (311); andererseits Nr. 7 der Empfehlungen, S. 15; Peters, Sozialhilfe, S. 81; ScheHhorn, NDV 1966, 335. 11 §§ 79 ff.; 88 BSHG; vgl. § 81 Abs. 2 JWG; s. hierzu insgesamt ScheHhorn, Einsatz des Einkommens, a.a.O.; ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Einsatz des Einkommens, passim. 12 Vgl. zur Pflicht des Unterhaltsberechtigten, die Substanz seines Vermögens zu verwerten, BGH, FamRZ 1957, 120; Brühl, Unterhaltsrecht, S. 114 f.; s. a. § 1602 Abs. 2 BGB. 13 Beispiel von ScheHhorn, NDV 1966, 335 (339); s. a. Trierweiler, Anspruchsüberleitung nach § 91 BSHG bei Gewährung von Blindenhilfe, ZfF 1962,326. 14 § 81 Abs. 2 BSHG. 15 § 79 Abs. 1 Ziff. 2 BSHG. 18 § 79 Abs. 1 Ziff. 3 BSHG i. V. m. d. 3. VO zu § 82 S. 2 BSHG v. 26. 11. 1971. 17 Ebenso Trierweiler, a.a.O. (Fußn. 13). 18 § 88 Abs. 2 Ziff. 7 BSHG; vgl. jedoch Empfehlungen, S. 38. 19 ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 III 2 b.

84

11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

Der Sozialhilfeträger rechnet erbrachte Unterhaltsleistungen an oder er erbringt seine Leistung nur dann, wenn der Nachweis der Bedürftigkeit erbracht wird, wozu dann auch der Nachweis des Nichtbestehens anderer Ansprüche gehört. Er kann, besteht eine Unterhaltsverpflichtung, entweder den Hilfesuchenden auf die Geltendmachung des Unterhalts anspruches verweisen oder die Sozialhilfeleistung erbringen, den Unterhaltsanspruch durch schriftliche Anzeige auf sich überleiten 20 und im eigenen Namen21 geltend machen.

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Außerdem bezieht das BSHG den nicht getrenntlebenden Ehegatten und bei minderjährigen, unverheirateten Hilfesuchenden seine Eltern mit in eine Bedarfsgemeinschaft ein; bei der Hilfe zum Lebensunterhalt jedoch nur, wenn das Kind dem Haushalt der Eltern angehört22 • Bei Hilfesuchenden, die mit Verwandten oder Verschwägerten in Haushaltsgemeinschaft oder die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, wird vermutet, daß sie von Mitgliedern dieser Gemeinschaften Leistungen zum Lebensunterhalt erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann 23 •

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-

Darüber hinaus können Unterhaltspflichtige unter bestimmten Umständen zum Kostenersatz herangezogen werden 24 • Im einzelnen sei hierzu bemerkt:

Soweit Unterhalt geleistet wird, ist er auf die Sozialhilfe anzurechnen. Dabei ist die der Leistung zu Grunde liegende Rechtspflicht unerheblich 25 • In den Grenzen des § 78 Abs. 2 BSHG gilt dies auch für freiwillige Leistungen N ich t-Unter haItspflich tiger26 • Auf Unterhalts ansprüche kann - wenn überhaupt - nur dann verwiesen werden, wenn Hilfe für einen nicht nachweisbar unaufschiebbaren Bedarf verlangt wird21 und wenn der Anspruch alsbald realisier10

Vgl. §§ 90 f. BSHG.

ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 90 111 4 a. u §§ 11, 28 BSHG; leben die Eltern getrennt, dann wird in diesem Fall nur der Ehegatte mit in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen, in dessen Haushalt das Kind lebt. 13 Vgl. §§ 16, 122 BSHG. u §§ 92 ff. BSHG. !5 LSG NRW, SGb 1969, 228 (229): Die überleitungsanzeige kann sich auch auf den Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG beziehen. !S Dazu: Fichtner, Behandlung freiwilliger Zuwendungen in der Sozialhilfe, NDV 1965, 262. 17 BVerwG, ZfS 1972, 52. !1

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sozialleistungen

85

bar ist28 • Die Sozialhilfe träger machen darüber hinaus von ihrem Recht29 , den Hilfesuchenden zunächst auf die Geltendmachung des familiären Unterhaltsanspruchs zu verweisen, nur vorsichtig und spärlich Gebrauch30 • Dies ist einerseits eine Auswirkung der im Verhältnis zum Unterhaltsrecht günstigeren, auch zugunsten des Unterhaltspflichtigen eingreifenden Freigrenzen des Sozialhilferechts, denn die Sozialhilfeträger dürfen mit einer Verweisung des Hilfesuchenden auf den Unterhaltsanspruch nicht die überleitungsvorschriften und damit die sozialhilferechtlichen Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen umgehen, so daß diese nach einhelliger Meinung auch bei der Verweisung des Hilfesuchenden auf den familiären Unterhalt zu beachten sind31 • Andererseits gehört es mit zu der persönlichen Hilfe, die nach § 8 BSHG unter den Formen der Sozialhilfe an erster Stelle steht, und es entspricht dem Grundsatz familiengerechter Hilfe 32 des § 7 BSHG, daß dem Empfänger der Hilfe nach Möglichkeit die gerichtliche Geltendmachung seiner Unterhalts ansprüche erspart bleibt33 • Die in die Bedarfsgemeinschaft einbezogenen Personen haben zugunsten des Hilfesuchenden im Rahmen der Einkommensfreigrenzen34 und Vermögensverschonungen ihr Einkommen und ihr Vermögen voll einzusetzen. In diesen Fällen wird das Vorhandensein Unterhaltsverpflichteter bereits bei der Feststellung des Bedarfs des Hilfesuchenden berücksichtigt. Das Gesamteinkommen dieser Personen wird ermittelt. Es ist bei der Hilfe zum Lebensunterhalt in voller Höhe einzusetzen, d. h. es wird auf den gemeinsamen sozialhilferechtIichen Bedarf angerechnet. Bei der "Hilfe in besonderen Lebenslagen" sind die Einkünfte dieser Personen als einheitliches Einkommen anzusehen, das gern. §§ 76 ff., 88 ff. BSHG einzusetzen ist3 5'. Ob und inwieweit eine Unterhaltspflicht der in die Bedarfsgemeinschaft einbezogenen Personen besteht, ist hierbei ohne Bedeutung36 • Die bürgerlich-rechtliche UnterBVerwGE 21, 208; s. a. LSG Nds., Breith. 1969,619. Vgl. § 2 Abs. 1 BSHG. 80 Vgl. Nm. 21-23 der Empfehlungen, S. 19 ff.; s. a. Schellhorn - JirasekSeipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 III 3, b 1); Weinbrenner, FamRZ 1963, 269 !8

U

(272).

81 Brühl, NDV 1963, 305 (310); Schellhorn - Jirasek - Seipp, § 91 III 4 c; Weinbrenner, FamRZ 1963, 269 (272). 82 Vgl. hierzu Schubart, Unsoziales Verhalten von Sozialbehörden, FamRZ 1966, 267 (268): "Es verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG, wenn die Sozialhilfeträger die von ihnen unterstützten Personen veranlassen, Klage gegen ihre Eltern oder ihre Kinder zu erheben"; Brühl, Unterhaltsrecht S. 283; Krüger, in Krüger - Breeetzke - Nowack, Einl. 209; s. a. Riedel, Das neue Ausbildungsförderungsgesetz, JuS 1972, 418 (419). 83 So Mayer, S. 278; s. a. Empfehlungen, S. 50 f.; Schellhorn, NDV 1966, 335

(338).

Vgl. z. B. § 79 Abs. 2 BSHG. Vgl. im einzelnen Keese, NDV 1963, 295 (297). 3ft Vgl. Schellhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 11 III e; dies., Einsatz des Einkommens, S. 67; RiedeI, § 81 Anm. 3. 34

85

86

H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

haltspflicht dieser Personen wird gewissermaßen "überspielt"37 durch die in diesen Bestimmungen statuierte öffentlich-rechtliche Verpflichtung38 , füreinander unmittelbar, im Wege einer Berücksichtigung des gemeinsamen Einkommens einzustehen. Soweit aufgrund dieser Bestimmungen z. B. ein Kostenbeitragsbescheid ergeht39 , wird damit eine originäre öffentlich-rechtliche Forderung geltend gemacht 40 . Die in § 16 BSHG aufgestellte Vermutung der Unterhaltsgewährung innerhalb der Haushaltsgemeinschaft greift sowohl bei gesetzlich als auch bei nur sittlich zum Unterhalt Verpflichteten ein, auch kann sie über den Rahmen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht hinausgehen41 . Die Beweislast für die Nichtgewährung von Unterhalt in solchen Fällen trifft den Hilfesuchenden42 . Kann er diesen Beweis antreten, so ist ihm gemäß § 16 Satz 2 BSHG Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren. Nach § 122 Satz 1 BSHG dürfen Personen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden als Ehegatten 43 . § 122 Satz 2 BSHG verweist jedoch auf die entsprechende Anwendung des § 16 BSHG. Trotz des Besserstellungsverbots des § 122 Satz 1 BSHG gilt daher auch für eheähnliche Gemeinschaften § 16 Satz 2 BSHG44, so daß einem Partner einer ehe ähnlichen Gemeinschaft dann Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt werden muß, wenn er nachweist, daß er von dem anderen Partner nicht ausreichende Leistungen zum Lebensunterhalt erhä1t4 5 • Im Falle der Vberleitung von bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen nach §§ 90, 91 BSHG wird nicht nur der Sozialhilfefall des Hilfeempfängers abgewickelt. Bei der überleitung sind die in § 91 Abs. 1 BSHG genannten Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen auch gegenüber dem Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Keese, NDV 1963, 295 (297). Ebd.; SchelZhorn, NDV 1966,335 (337). 39 z. B. nach §§ 43, 58 BSHG - oder Aufwendungsersatz nach § 29 BSHG. 40 Brühl, NDV 1963, 305 (307); Empfehlungen, S. 23. 41 Einzelheiten bei SchelZhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz. § 16 IH 2 c. 42 BVerwGE 21, 208 (213); 23, 255 (258); die an den Beweis gestellten Anforderungen dürfen jedoch nicht zu hoch sein, vgl. Fichtner, ZfF 1964, 3 (4). 43 Hierzu Fichtner, ZfF 1964, 3; Jehle, Sozialhilfe bei ehe ähnlicher Gemeinschaft, ZfSH 1964, 137 ff.; Perl, Die ehe ähnliche Gemeinschaft im BSHG, ZfF 1971,34. 44 BVerwGE 15, 306; VGH Kassel, DVBl. 1963, 410; Gottschick, § 122 Anm.4; von MaydelZ, Haushaltsgemeinschaften und ihre Bedeutung für die Prüfung der Hilfsbedürftigkeit nach dem BSHG, ZfS 1963, 430 (431). 45 Offengelassen in BVerwG, ZfS 1972, 245 (246). 37

38

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sozialleistungen

87

Das soll anhand der Einkommensfreigrenzen veranschaulicht werden. Zunächst ist zu unterscheiden, ob dem Hilfesuchenden Hilfe zum Lebensunterhalt oder Hilfe in besonderen Lebenslagen gewährt wurde bzw. wird, und ob der Unterhaltsverpflichtete gesteigert oder nicht gesteigert unterhaltspflichtig ist. Gesteigert Unterhaltspflichtige, die nach sonstigen Vorschriften, etwa §§ 11,28 BSHG46 mit dem Hilfeempfänger in eine Bedarfsgemeinschaft miteinbezogen worden sind, können nicht noch einmal nach den §§ 90 ff. BSHG mit einem Unterhaltsbeitrag in Anspruch genommen werden. Die genannten Bestimmungen sind im Verhältnis zu den §§ 90 ff. BSHG spezieller47 • Wurde oder wird HUfe zum Lebensunterhalt geleistet, dann soll nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 48 dem gesteigert Unterhaltspflichtigen nur der Einkommensbetrag belassen bleiben, der ihm und seinen weiteren gesteigert unterhaltsberechtigten Angehörigen als laufende Leistung zum Lebensunterhalt (einschließlich der Kosten der Unterkunft) und etwaiger Mehrbedarfszuschläge (§ 23 BSHG) zuzüglich 25 % der maßgebenden Regelsätze zustehen würde. Außerdem sind die notwendigen Aufwendungen des Unterhaltsverpflichteten in besonderen Lebenslagen (z. B. Ausbildung, Krankheit oder Behinderung) für sich selbst und für seine weiteren Angehörigen, soweit er ihnen gesteigert unterhaltspflichtig ist, zu berücksichtigen. Wird der getrenntlebende oder frühere Ehegatte zum Unterhalt für den anderen herangezogen, dann soll sich der Zuschlag von 25 auf 50 Ofo der maßgebenden Regelsätze erhöhen. Bei der Heranziehung nicht gesteigert Unterhaltspflichtiger wird nach diesen Vorschlägen bei der Berechnung ihres angemessenen Unterhalts so verfahren, daß der doppelte Regelsatz für den Unterhaltsverpflichteten und der eineinhalbfache Regelsatz für die von ihm überwiegend unterhaltenen unterhaltsberechtigten Angehörigen als Eigenbedarf anerkannt werden. Hinzu gerechnet werden die Kosten der Unterkunft, die der Unterhaltspflichtige zu bestreiten hat, und ein Betrag von 10 Ofo seines monatlichen Nettoeinkommens - wenn er erwerbstätig ist, ein Betrag von 20 Ofo. Bei besonderen Belastungen wird darüber hinaus ein entsprechend erhöhter Freibetrag anerkannt. Der so als Eigenbedarf errechnete Betrag wird von dem Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten abgezogen. Von dem Differenzbetrag werden normalerweise 33 1/3 Ofo als Unterhaltsbeitrag in Anspruch genommen. Jedoch darf in Vgl. auch §§ 29, 43 S. 2 u. 58 S. 2 BSHG. So auch Empfehlungen, S. 61; a. A. Brühl, NDV 1963, 305 (307), der insoweit ein Wahlrecht des Sozialhilfeträgers annimmt. 48 Empfehlungen, S. 21; s. a. Peters, Sozialhilfe, S. 82. '6

47

88

11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

jedem Fall der Unterhaltsanspruch nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen des Sozialhilfeträgers übergeleitet werden49 • Nach dem Grundsatz der Familieneinheit kann bei der Hilfe zum Lebensunterhalt die überleitung nicht nur für die Aufwendungen an den Hilfeempfänger selbst, sondern auch für die an seinen nicht getrennt lebenden Ehegatten und an seine minderjährigen, unverheirateten Kinder gleichzeitig gewährten Leistungen erfolgen (§ 90 Abs. 1 S. 2 BSHG). Einigkeit besteht darüber, daß diese Bestimmung dem Sozialhilfeträger nicht die Möglichkeit einräumt, unterhaltspflichtige Verwandte eines Hilfeempfängers auch für einen anderen Unterstützten in Anspruch zu nehmen, wenn er diesem gegenüber nicht unterhaltspflichtig ist50 • Dies läßt sich damit begründen, daß § 90 Abs. 1 Satz 2 BSHG nur wegen Änderungen der §§ 11 und 28 BSHG eingefügt worden ist51 und daß weder diese Bestimmung noch das BSHG in seiner Gesamtheit eine Erweiterung der Unterhaltspflicht, die andernfalls eintreten würde, angezielt haben. Wird z. B. Eheleuten Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt, so kann sich der Sozialhilfeträger wegen der Aufwendungen für die Frau nicht an den Vater des Mannes halten. Eine andere Frage ist jedoch ob sich der Sozialhilfeträger wegen der Aufwendungen für den Mann, der für sich alleine ausreichend verdient und nur aufgrund der Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft hilfsbedürftig wird, an den Vater des Mannes halten kann. Auch diese 49 Für die Berechnung seien B.eispiele gegeben (vgl. Empfehlungen, S. 59; vgl. auch Peters, Sozialhilfe, S. 84 f.): Ein Unterhaltspflichtiger, verheiratet, zwei Kinder, Miete 200 DM, Nettoeinkommen von 1 300 DM muß bei Regelsätzen von 142 DM für den Haushaltsvorstand, 113 DM für die Ehefrau und 106 DM für jedes Kind einen Unterhaltsbeitrag leisten von a) ist er gesteigert unterhaltspflichtig 517 DM1300 DM (Einkommen), davon gehen ab: 142 DM (einfacher Regelsatz für den Unterhaltspflichtigen) 113 DM (einfacher Regelsatz für den Ehegatten) 212 DM (einfacher Regelsatz für zwei Kinder) 200 DM (Miete) Von dem Restbetrag in Höhe von 633 DM werden 116 DM (25 % der Regelsätze) abgezogen; b) ist er nicht gesteigert unterhaltspflichtig 22,67 DM 1 300 DM (Einkommen), davon gehen ab: 284 DM (doppelter Regelsatz für den Unterhaltspflichtigen) 170 DM (1 1/2 Regelsatz für den Ehegatten) 318 DM (1 1Macher Regelsatz für zwei Kinder) 200 DM (Miete) Von dem Restbetrag in Höhe von 328 DM werden 260 DM (20 Ofo des Nettoeinkommens) abgezogen. Von dem verbleibenden Betrag in Höhe von 68 DM können 22,67 DM (= 1/3) beansprucht werden. 50 Brühl, NDV 1963, 305 (306); Empfehlungen, S. 51; ScheUhorn - JirasekSeipp, Bundessozialhilfegesetz § 90 III 3 a. 51 Vgl. Bericht des Abg. Niggemeyer, BT-Dr. UI/2673, S. 9 (zu § 83).

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sozialleistungen

89

Frage ist m. E. zu verneinen. § 90 Abs. 1 Satz 2 BSHG war lediglich eine "Folge der grundlegenden Änderung des § 11 Abs. 1 BSHG"52. Eine von einer Unterhaltsverpflichtung losgelöste Inanspruchnahme war damit nicht gewollt. Sie hätte sich auch mit der gesetzlichen Konstruktion der §§ 90, 91 BSHG nicht vertragen, die gerade einen Unterhaltsanspruch voraussetzt, der übergeleitet wird. Auch die überleitung gern. § 90 Abs. 1 Satz 2 BSHG wird durch das Bestehen eines bürgerlichrechtlichen Unterhaltsanspruchs bedingt. Der Mann hat in dem oben skizzierten Fall keinen Anspruch gegen seinen Vater, denn er ist nicht im bürgerlich-rechtlichen Sinne bedürftig. Für sich alleine verdient er ausreichend. Der Vater kann daher nicht nach § 90 Abs. 1 Satz 2 BSHG in Anspruch genommen werden 53 . Wurde Hilfe in besonderen Lebenslagen gewährt, dann entfaltet der Grundsatz, daß die Träger der Sozialhilfe den übergang eines Anspruches des Hilfeempfängers gegen einen bürgerlich-rechtlich Unterhaltsverpflichteten nur in dem Umfange bewirken dürfen, in dem ein Hilfeempfänger sein Einkommen und sein Vermögen einzusetzen hätte, seine Schutzfunktion zugunsten des Unterhaltspflichtigen. Dem Einkommen des Unterhaltsverpflichteten wird die für die geleistete Hilfeart maßgebende Einkommensfreigrenze zuzüglich der Zuschläge für die überwiegend unterhaltenen Personen und der von dem Unterhaltspflichtigen zu tragenden Kosten seiner Unterkunft gegenübergestellt54 . Nur dann, wenn das Einkommen über der Einkommensgrenze liegt, kommt überhaupt ein Unterhaltsbeitrag in Betracht. Bei der Frage, welcher Unterhaltsbeitrag dann zumutbar ist, ist zwischen gesteigert Unterhaltspflichtigen und sonstigen Unterhaltsverpflichteten zu unterscheiden. Bei gesteigert Unterhaltspflichtigen wird in der Regel der gesamte Differenzbetrag, bei sonstigen Unterhaltspflichtigen werden in der Regel nur 33 1/3 Ufo einzusetzen sein. Diese Einkommensfreigrenzen zugunsten auch der Unterhaltsverpflichteten sind von den Sozialhilfeträgern selbst dann zu beachten, wenn der Unterhaltspflichtige bereits rechtskräftig zur Unterhaltsleistung verurteilt ist. Der Sozialhilfeträger darf auch in einem solchen Fall den übergang des Anspruches nur insoweit bewirken, wie es die §§ 90 f. BSHG zulassen. Das bedeutet, daß der Sozialhilfe träger u. U. nur einen Teil der rechtskräftig festgestellten Forderung auf sich überleiten kann55 • 11 53

Ebd. Zur verbleibenden Bedeutung des § 90 Abs. 1 Satz 2, vgl.

S.5!.

6' Vgl. das Beispiel o. unter 11 zur Bl1ndenhilfe. Vgl. Empfehlungen, S. 23.

U

Empf~hlungen.

90

11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

Im übrigen darf der Unterhaltsanspruch nur insoweit übergeleitet werden, als die Sozialhilfe bei rechtzeitiger Leistung des Unterhaltspflichtigen nicht gewährt worden wäre (§ 90 Abs. 1 S. 3 BSHG). Diese in manchen Fällen recht weitgehenden Verschonungen bewirken, daß die Heranziehung Unterhaltspflichtiger im Verhältnis zu ihrer zivilrechtlichen Verpflichtung "ganz entscheidend eingeschränkt worden ist"56. Darüber hinaus kann von der Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen im Falle "einer besonderen Härte" Abstand genommen werden (§ 91 Abs. 3 BSHG)57. Dem BVerwG ist daher zuzustimmen, wenn es - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung 58 - feststellt 59 , daß auch dem Unterhaltspflichtigen gegenüber nicht bloß eine Forderungsüberleitung erfolge, sondern eine sozialhilferechtliche Regelung. Hierbei "ist die Situation des Unterhalts verpflichteten zu würdigen. Dabei kann sich der Träger der Sozialhilfe nicht nur von den Gesichtspunkten leiten lassen, die normalerweise für den zivilen Unterhaltsgläubiger gelten. Seine Aufgabenstellung in Verbindung mit allgemeinen Grundsätzen des BSHG ... zwingen dazu, hier eine Reihe sozialer Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die nur teilweise in den Formulierungen des § 91 Abs. 1 und 3 BSHG ihren Niederschlag gefunden haben"60. Insbesondere die Regelung in § 91 Abs. 3 BSHG führt zu deutlichen Abweichungen vom Unterhaltsrecht. Das Vorliegen einer "besonderen Härte", die es dem Sozialhilfeträger erlaubt, von dem Rückgriff überhaupt abzusehen, wird großzügig angenommen61 . So hat der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge in Nr. 27 der Empfehlungen vorgeschlagen62., daß von einer überleitung nach den §§ 90, 91 BSHG abgesehen werden kann, ohne daß es der Feststellung der Einkommensund Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen bedarf, insbesondere wenn Generationen, S. 276. Diese Bestimmung hat durch die Einführung des § 1611 Abs. 1 S. 2 BGB ("Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre".) ihren Ausnahmecharakter verloren, behält aber wegen ihrer großzügigen Handhabung (dazu nachstehend im Text) eigenständige Bedeutung. 58 BVerwGE 11, 249; BVerwG, NDV 1966, 321; vgl. dazu Giese, Zur überleitungsanzeige nach §§ 90, 91 BSHG, NDV 1967, 41; Lüke, Zur Rechtsstellung des Drittschuldners bei der Forderungsübertragung durch Hoheitsakt, JuS 56

Mayer,

57

1962,418. 59 60

61 62

BVerwGE 34, 219; 29, 229 (231); BVerwG, DöV 1970, 282 (283). ScheHhorn, NDV 1967, 37. Vgl. OVG Berlin, NJW 1971, 2241. a.a.O. S. 20.

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sozialleistungen

91

a) der Unterhaltsverpflichtete mit dem Hilfeempfänger nur in dem zweiten oder einem höheren Grade verwandt ist (Enkel, Urenkel)63 und weder zwischen ihm und dem Hilfeempfänger eine persönliche Bindung besteht oder bestanden hat, noch der Unterhaltsverpflichtete auf seinem Lebensweg durch den Hilfeempfänger eine wesentliche Förderung erfahren hat; b) der Hilfeempfänger und der Unterhaltsverpflichtete zwar im ersten Grade verwandt sind, der Hilfeempfänger jedoch in grober Weise seine sittlichen Pflichten gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten verletzt hat 64 ; oder c) nach den Umständen (Beruf, Familiengröße) mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß der Unterhaltsverpflichtete nennenswerte Unterhaltsbeiträge nicht leisten kann. Diese Vorschläge werden in der Praxis weitgehend befolgt65 . Teilweise weiter gingen die Beschlüsse des Arbeitsausschusses für Fragen

der Fürsorge bei dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialord-' nung zur Fürsorgerechtsreform 66 , die bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen die Heranziehung nur auf gesteigert Unterhaltspflichtige beschränkt wissen wollten. Weitere Verschonungen finden sich in den §§ 91 Abs. 2 BVFG und 19 Abs. 2 BEvG. Diese bestimmen, daß Vertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge und Evakuierte in der Regel von Trägern der Sozialhilfe nicht in Anspruch genommen werden sollen, wenn einer diesen gegenüber nicht gesteigert unterhaltsberechtigten Person Sozialhilfe gewährt wurde 67 . Ihre Inanspruchnahme würde dem Zweck staatlicher Schutz- und Förderungsmaßnahmen widerstreiten68 . Unterhaltspflichtige können unter den Voraussetzungen des § 92 BSHG zum Kostenersatz herangezogen werden. Dies ist einmal gern.

63 Vgl. hierzu auch die amtliche Begründung eines Entwurfs des BSHG, BT-Dr. III11799, S. 55; Kursawe, BI. der Wohlfahrtspflege 1969, 136 (139); Mayer, Generationen, S. 278; Seheffler, Neuordnung S. 24. 6' Vgl. das Beispiel auf S.54 der Empfehlungen; s. a. einerseits VG Braunschweig, ZfF 1965, 72; andererseits OVG Lüneburg, ZfF 1966, 73; neuerdings: OVG Berlin, NJW 1971, 2241: eine völlige Entfremdung zwischen Eltern und Kindern kann den Begriff, der "besonderen Härte" ausfüllen. 65 Vgl. Osterburg, Sozialhilferichtlinien in Bayern, NDV 1966, 343 (344); Peters, Sozialhilfe, S. 82; zur Bedeutung der "Empfehlungen" vgl. Schellhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 III, 3 c. 88 NDV 1958, 301 (303). 87 Gesteigert unterhaltsberechtigt sind der Ehegatte (§ 1360 BGB) und die minderjährigen unverheirateten Kinder (§ 1603 Abs. 2 BGB). Vgl. a. § 19 Abs. 1 HKG; zur Erläuterung dieser Bestimmungen vgl. Rundschreiben des BMI vom 22. 10. 1953 (GMBl. S. 541), abgedruckt bei Jehle, Fürsorgerecht, S. 348 ff.; s. a. AG Hamburg, ZfF 1954, 347; LG Bielefeld, NJW 1960, 46; LG Stuttgart, Praktische Sozialhilfe IV E 18/201; unrichtig LG Berlin, NJW 1958, 831; zu den §§ 91 Abs. 2 BVFG und 19 Abs. 2 BEvG ausführlich: Jehle, ZfF 1959, 274 ff. insbes. 292 ff. 68 Vgl. hierzu BVerwGE 34, 260.

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11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

§ 92 a BSHG der Fall, wenn sie die Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialhilfe an ihren unterhaltsberechtigten Angehörigen durch vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verhalten geschaffen haben. Nach § 92 b BSHG sind außerdem zum Ersatz der Kosten der Hilfe zum Lebensunterhalt neben dem Hilfeempfänger sein Ehegatte und bei minderjährigen Kindern die Eltern verpflichtet, wenn den Kindern vor Vollendung des 18. Lebensjahres die Hilfe gewährt worden ist. Auch die Verpflichtung zum Kostenersatz ist nach einhelliger Auffassung eine eigenständige, öffentlich-rechtliche Erstattungsregelung, die, wenn man davon absieht, daß das BSHG bei der Abgrenzung des zum Ersatz verpflichteten Personenkreises an die (gesteigerte) bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht anknüpft, vom bürgerlichen Recht unabhängig ist69 •

2 Die Subsidiarität der Jugendhilfe Die Jugendhilfe ist nur insoweit familienabhängig, als die Eltern des Jugendlichen zu den Kosten der Jugendhilfe herangezogen werden, soweit ihnen die Aufbringung der Mittel aus ihrem Einkommen und Vermögen zuzumuten ist. Die Vorschriften des BSHG über den Einsatz von Einkommen und Vermögen und über die überleitung von Unterhaltsansprüchen gelten entsprechend70 , so daß auf das soeben Ausgeführte verwiesen werden kann. 3 Die Subsidiarität der Ausbildungs- und Graduiertenförderung Auch die Ausbildungsförderung wurde und wird nur familienabhängig gewährt. Bei der Prüfung der Bedürftigkeit des Auszubildenden werden sowohl bei der Förderung nach dem BAföG als auch bei der nach § 40 AFG Einkommen und Vermögen bestimmter Familienangehöriger (Eltern, Ehegatte) schematisch angerechnet. Entsprechendes galt für die Förderung nach dem AusbFG und nach dem "Honnefer Modell", deren Regelungen hier noch mitbehandelt werden sollen, um eine fundierte Beurteilung des neuen Ausbildungsförderungsrechts zu ermöglichen. Selbst bei der Graduiertenförderung wird Einkommen des Ehegatten, das 6 000 DM übersteigt, zur Hälfte angerechnet (§ 5 der DVO zum GFG v. 3. 11. 1971). Das "Honnefer Modell" sah unter C III vor, daß von dem Kreis "der Unterhaltspflichtigen nach den §§ 1601, 1608, 1615 a und § 1360 BGB" - also den Verwandten in gerader Linie und dem nicht getrennt eu So schon zu § 25 RFPflVO, BVerwGE 8, 59 (61); zu § 92 BSHG, BVerwGE 27, 319 (320); Jehle, Grundlegende Gedanken zum Kostenersatz nach § 92 BSHG, ZfSH 1966, 97 (98); Oestreicher, § 92 Anm. 37; Schellhorn, NDV 1966, 335 (339); Schellhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 92 111 2 c. 70 §§ 81 Abs. 2, 82 JWG; vgl. Riedel, Jugendwohlfahrtgesetz, § 81 Anm. 1 ft.

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sozialleistungen

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lebenden Ehegatten - ein Betrag zur Deckung des Förderungsbedarfs von damals regelmäßig 400 DM71 vorausgesetzt werden sollte, soweit deren Einkommen die Jahresfreibeträge überstieg. Entsprechendes galt für Stiefeltern, soweit sie wegen des Stiefkindes verzichtbare Vergünstigungen in Anspruch nahmen72 • Das Einkommen der (nicht geschiedenen) Eltern des Studenten wurde zu 50 0/0 73 angerechnet, soweit es 10200 DM bzw., wenn beide Elternteile verdienten, 11 760 DM überstieg. Die Jahresfreibeträge für den alleinstehenden Unterhaltsverpflichteten bzw. für den Ehegatten des Studenten betrugen 6 600 DM. Für den Fall, daß die Eltern des Studenten geschieden waren, sah das "Honnefer Modell" eine differenzierte Regelung vor. Hatten der Vater oder die Mutter wieder geheiratet, dann erhielten sie (a) einen Freibetrag von 10200 DM, wenn der neue Ehegatte kein eigenes Einkommen hatte, (b) einen Freibetrag von 6600 DM, wenn der neue Ehegatte ein Einkommen von über 6600 DM bezog oder (e) einen Freibetrag von 11 760 DM abzüglich des Arbeitseinkommens des neuen Ehegatten, mindestens jedoch den Freibetrag von 6 600 DM, wenn der neue Ehegatte ein Arbeitseinkommen unter 6 600 DM hatte. Diese Freibeträge erhöhten sich für jedes unversorgte Kind des Unterhaltsverpflichteten um 3240 DM, jeweils abzüglich des Einkommens des Kindes 74 . Auch in diesen Fällen wurde das Einkommen, das diese Freibeträge überstieg, zu 50 % angerechnet75 . Die Richtlinien betonten76 , daß Dauer und Ausmaß des Beitrages der Unterhaltsverpflichteten zur Deckung des Förderungsbedarfs sich nicht nach den Bestimmungen des BGB über die Unterhaltspflicht richteten. Auch war es unerheblich, ob die Unterhaltsverpflichteten wirklich einen Beitrag leisteten. Das AusbFG bestimmte in § 16: Einkommen der Eltern wurde auf den monatlichen Bedarf der Schüler von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen von 150 DM monatlich und dem der Schüler von Fachhochschulen und Abendgymnasien von 300 DM monatlich 77 , zu 75 Ofo angerechnet, soweit es den Freibetrag von 8400 DM im Jahr überstieg. Für den Ehegatten und den alleinstehenden Elternteil betrug der Freibetrag 6000 DM78. Einkommen der Eltern wurde nach § 9 Abs. 3 AusbFG jedoch nicht angerechnet, wenn der Auszubildende ein AbendA III 1 a. Vgl. C III 1 Abs. 1 S. 2, 3. 73 C III 5. 74 C III 2. 75 C III 5. 7G C III 1 Satz 3. 77 Vgl. § 10 AusbFG. 78 Diese Freibeträge erhöhten sich pro Jahr a) für jedes Kind und den Ehegatten des Einkommensbeziehers, soweit diese sich in einer nach dem Gesetz selbst oder nach anderen Vorschriften entsprechend förderungsfähigen Ausbildung befinden um 600 DM; 71

7!

94

II.

1.

Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

gymnasium oder ein Kolleg besuchte. Sonstige Unterhaltsansprüche wurden nicht berücksichtigt, insbesondere nicht als Einkommen des Auszubildenden79 . Wurde jedoch tatsächlich Unterhalt geleistet, dann wurde er in voller Höhe als Einkommen des Auszubildenden auf den Bedarf angerechnet 80 . In ähnlicher Weise wurde jeweils auch das Vermögen der Angehörigen in Ansatz gebracht81 . Sowohl das "Honnefer Modell"82 als auch das AusbFG83 sahen Härteklauseln für den Fall vor, daß die Unterhaltsverpflichteten den Beitrag nicht leisteten, der von ihnen nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen erwartet wurde. In einem solchen Fall konnte nach dem AusbFG der Unterhaltsanspruch des Auszubildenden gegen den betreffenden Unterhaltspflichtigen durch schriftliche Anzeige übergeleitet werden8'. Nach dem "Honnefer Modell" konnten in einem solchen Fall Zusatzdarlehen vergeben werden, die den Ausfall der erwarteten Unterhaltsleistungen ausgleichen sollten85 . Außerdem sollte geeigneten Studenten anstelle des Beitrages zum Studium, der den Unterhaltsverpflichteten zugemutet wurde, ein Darlehen bis zur Höhe des Förderungsmeßbetrages gegen selbstschuldnerische Bürgschaft des Auszubildenden gewährt werden86 . Das BAföG geht - wie bereits berichtet - ebenfalls von einer schematischen Anrechnung von Einkommen und Vermögen der Eltern und des Ehegatten auf den Förderungsbedarf des Auszubildenden von 160 bis zu 420 DM87 aus. Einkommen, das die Freibeträge von monatlich 800 DM (nicht geschieden und nicht getrenntlebende Eltern) bzw. 500 DM (alleinstehender oder dauernd getrenntlebender Elternteil, Eltern bei einem Stiefelternteil, Ehegatte)88 übersteigt, wird zu 60 % 89 angeb) für andere unversorgte Kinder aa) unter 15 Jahren um 1920 DM bb) über 15 Jahren um 2 880 DM. Außerdem verringerte sich mit jedem unversorgten Kind der Anrechnungssatz von 75 % um 5 0/0. 78 Vgl. §§ 9 Abs. 2, 12 Abs. 1 S. 2 AusbFG. 80 Roth - Blanke, Ausbildungsförderungsgesetz, § 9 Anm. 8. 81 Vgl. C V des "Honnefer Modells" und § 17 AusbFG i. V. m. der VO über die Anrechnung des Vermögens nach § 17 Abs. 2 AusbFG (Vermö-gensanrechnungs-VO). 82

C In 1 S. 4.

§ 24 AusbFG. 84 § 25 AusbFG. 85 EI 2 lit d. 86 EI 3 a). 87 §§ 12, 13 BAföG. 88 § 25 BAföG; die Freibeträge erhöhen sich, wenn beide Elternteile Einkommen haben um maximal 130 DM; außerdem pro Kind, je nachdem ob es über 15 Jahre alt ist oder nicht um 270 bzw. 200 DM; wenn es in seiner Ausbildung gefördert wird um 50 DM. Letzteres gilt auch für den Ehegatten. 88 Dieser Satz mindert sich um 5 % pro Kind, für das ein erhöhter Frei83

betrag gewährt wird.

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sozialleistungen

95

rechnet90 • Zur Vermeidung unbilliger Härten kann ein weiterer Teil des Einkommens anrechnungsfrei bleibenD!. Entsprechende Regelungen bestehen für die Anrechnung von Vermögen92 • Für den Fall, daß die Eltern - nicht der Ehegatte - den vorausgesetzten Unterhalts beitrag nicht leisten, was der Auszubildende glaubhaft zu machen hat, und dadurch die Ausbildung gefährdet wird, wird die Förderung auch ohne eine Anrechnung dieses Betrages geleistet93 • In einem solchen Fall kann der Unterhaltsanspruch vom Amt für Ausbildungsförderung auf das Land übergeleitet werden, dies jedoch nur insoweit, als Einkommen und Vermögen der Eltern nach dem BAföG anzurechnen ist 94 • Die Voraussetzungen der Förderung nach § 40 AFG sind in einer Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit niedergelegt 95 • § 10 dieser Anordnung besagt, daß auf den Bedarf des Auszubildenden, der bei Ledigen mit 270 DM und bei Verheirateten mit maximal 520 DM angesetzt ist 96 , angerechnet werden: das Einkommen des Auszubildenden, das seiner Eltern, soweit der Auszubildende unverheiratet und minderjährig ist und das Einkommen die monatlichen Freibeträge von 500 DM zuzüglich 200 DM für den Ehegatten und 150 DM für jedes unverheiratete Kind mit Ausnahme des Auszubildenden übersteigt 97 , und das Einkommen des Ehegatten, soweit es die Freibeträge von 700 DM zuzüglich 150 DM für jedes unverheiratete Kind übersteigt. 4 Die Subsidiarität der Arbeitslosenhilfe Die Leistungen der Arbeitslosenhilfe werden nur bei Bedürftigkeit gewährt 98 • Der Arbeitslose ist gern. § 137 AFG bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen, für die ein Anspruch auf Familienzuschlag besteht, nicht auf andere Weise ... bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 zu berücksichtigen ist, die Arbeitslosenhilfe nach § 136 nicht erreicht. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung sind gern. § 138 Abs. 1 AFG unter anderem als Einkommen zu berücksichtigen: Einkommen des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, soweit es 75 DM in der Abs. 4 BAföG. Ebd. Abs. 6. 92 §§ 26 ff. BAföG. 93 § 36 BAföG. 94 § 37 BAföG; zu diesen Regelungen Bertram - Martens, FamRZ 1971, 553 ff. 95 Abgedruckt bei Weber - Paul, § 40 Anm. 5; Luber, Nr. 661. 96 §§ 11, 12 der Anordnung. 97 Ebd. § 16 Abs. 1, Einkommen der Kinder wird auf den Freibetrag angerechnet. 98 § 134 Abs. 1 Ziff. 3 AFG; vgl. zu seiner Entstehung: Schmidt, Das Recht der Arheitslosenhilfe nach dem Entwurf eines AFG, AA 1968, 95 (97 f.). 90

9!

§ 25

96

11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

Woche übersteigt; Einkommen der mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden leiblichen Eltern und Kinder, soweit es 75 DM in der Woche übersteigt zu einem Viertel. Die Beträge von 75 DM erhöhen sich um 35 DM für jede Person, die der Angehörige aufgrund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht überwiegend unterhält; hierbei wird der Arbeitslose nicht mitgerechnet. Bei der Anrechnung dieser Beträge kommt es nicht darauf an, daß der Ehegatte, die Eltern oder die Kinder im konkreten Fall unterhaltspflichtig sind99 • Außerdem sind im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung solche Leistungen als Einkommen zu berücksichtigen, die der Arbeitslose von Dritten erhält oder beanspruchen kann 100 • Hierunter fallen insbesondere Unterhaltsleistungen und -ansprüche gegen sonstige Angehörige, also gegen solche, deren Einkommen nicht schon nach den oben genannten Sätzen angerechnet wird101 • Jedoch wird im Interesse der Verwaltungsvereinfachung von einer Prüfung der Frage, ob und in welcher Höhe Unterhaltsansprüche eines Arbeitslosen gegen den getrennt lebenden Ehegatten oder außerhalb des Haushalts lebende Verwandte in gerader Linie bestehen, abgesehen, wenn das Einkommen des Ehegatten oder des Verwandten nach dem Abzug der Steuern usw. 590 DM monatlich nicht übersteigt, zuzüglich 120 DM monatlich für jede Person, die der Ehegatte oder Verwandte in gerader Linie unterhältl° 2 • Soweit Unterhaltsansprüche bestehen, dürfen sie nur dann angerechnet werden, wenn sie realisierbar sind 103 • Solange der Arbeitslose Unterhaltsleistungen nicht erhält, kann das Arbeitsamt dem Arbeitslosen dennoch Arbeitslosenhilfe gewähren. Es hat dann die Ansprüche des Arbeitslosen dadurch, daß es dem Leistungspflichtigen die Gewährung der Arbeits99 Ebenso wie bei § 150 AVAVG; LSG Celle, Breith. 1955, 1190 (1191); a.A. LSG Bad. Württ., Breith. 1955, 1185 (1189): Die Vorschriften "bestimmen, in welchem Umfang bei Bestehen der gesetzlichen Unterhaltspflicht Einkommen von Angehörigen anzurechnen ist". Diese abweichende Auffassung ist nur insoweit richtig, als die Personen, deren Einkommen angerechnet wird, nach dem BGB objektiv zum Unterhalt verpflichtet sind. Im konkreten Fall ist es für die Gewährung der Arbeitslosenhilfe unerheblich, ob und in welchem Ausmaß eine Unterhaltspflicht dieser Person besteht. Entscheidend ist allein die Höhe ihres zu berücksichtigenden Einkommens. Dies ergibt sich auch aus der Gegenüberstellung der Vorschriften des AFG (AVAVG) und der des § 7 der VO 117 der Militärregierung (Arbeitsblatt der Brit. Zone 1948, S. 2). Nach dieser Vorschrift konnte dem Gesetzeswortlaut nach Einkommen von Verwandten nur bei bestehender Unterhaltspflicht angerechnet werden. Wie hier: Draeger - Buchwitz - Schönefelder, § 150 Anm. 33; Krebs, Arbeitslosenversicherung, § 149 Anm. 7; Werdermann, BABl. 1957, 665 (667); Würbach, SGb 1956, 216 (217). 100 § 138 Abs. 1 Ziff. 1 AFG. 101 Vgl. Schieckel, Arbeitsförderungsgesetz, § 140; Weber - Paul, § 138 Anm.3. 101 Schieckel, Arbeitsförderungsgesetz, § 138 S. 5. 103 LSG Nds., Breith. 1969, 619 (Entscheidung zu § 131 AVAVG); LSG Celle, AA 1956, 308.

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sozialleistungen

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losenhilfe anzeigt, auf den Bund überzuleiten und im eigenen Namen geltend zu machen104•

Als Konsequenz der Bestimmungen, nach denen das Einkommen der Ehegatten angerechnet wird, bestimmt § 139 AFG, daß, leben Ehegatten zusammen, die beide einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben, nur einer von ihnen Arbeitslosenhilfe bezieht jedoch zuzüglich eines doppelten Familienzuschlages105 • 5 Die Subsidiarität von Leistungen der Kriegsopferversorgung 51 Die Subsidiarität der Leistungen der Kriegsopferfürsorge Leistungen der Kriegsopferfürsorge werden nur gewährt, wenn und soweit der Beschädigte infolge der Schädigung und die Hinterbliebenen infolge des Verlustes ihres Ernährers nicht in der Lage sind, trotz der übrigen Leistungen nach dem BVG sowie ihres sonstigen Einkommens und Vermögens eine angemessene Lebensstellung zu erlangen oder zu erhalten (§ 25 a BVG). Das Subsidiaritätsprinzip, wonach Leistungen nur gewährt werden, wenn die Hilfsbedürftigkeit nicht auf andere Weise beseitigt werden kann, gilt auch für die Kriegsopferfürsorge. Zu den die Hilfsbedürftigkeit ausschließenden Einkommen zählen insbesondere auch grundsätzlich alle Unterhaitsansprüche 106, wenn und soweit sie durchgesetzt werden können107 • Jedoch ist zu berücksichtigen, daß auch im Recht der Kriegsopferfürsorge zugunsten der Hilfesuchenden Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen gelten, die denen des Sozialhilferechts weitgehend angepaßt worden sind108 • Diese Freigrenzen und Verschonungen führen zu einer wesentlichen Einschränkung des Subsidiaritätsprinzips, 104 §§ 140 f. AFG; eine überleitung des Unterhaltsanspruches kommt jedoch in den Fällen, in denen eine Haushaltsgemeinschaft besteht, nicht in Frage, vgl. Draeger - Buchwitz - Schönefelder, § 149 Anm. 36; Werdermann, BABl. 1957,665 (669); a. A. Würbach, SGb 1956, 216 (217). 105 Die noch in dem A VAVG enthaltene Bestimmung (§ 149 Abs. 3 letzter Satz; dazu Knobloch, AuS 1959 46), daß von zwei Personen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben und beide Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben, nur einer Arbeitslosenhilfe erhält, womit eine Besserstellung der eheähnlichen Gemeinschaft gegenüber der Ehe vermieden werden sollte, ist in das AFG nicht mehr aufgenommen worden. 106 Vgl. Bericht der Bundesregierung über die Situation im Bereich der Versorgung von Kriegs- und Wehrdienstopfern, BT-Dr. zu VI/81 S. 104. Bei Erziehungshilfen für Waisen wird das Einkommen des noch lebenden Elternteils grundsätzlich immer angerechnet, das Einkommen anderer unterhaltspflichtiger Angehöriger jedoch nur dann, wenn es unbillig wäre, hiervon abzusehen (§ 22 Abs. 2, 4 KOF-VO). 101 BVerwGE 21, 208. 108 Vg!. § 25 a Abs. 4 BVG; hierzu auch Peters, Sozialhilfe, S. 104.

7 Ruland

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11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

denn sie gelten auch zugunsten des Unterhaltspflichtigen. Sie führen zusammen mit einer Härteklausel dazu, daß die Unterhaltspflichtigen nicht im Rahmen ihrer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht in Anspruch genommen werden, die unter Umständen erheblich weiter gehen kann109 • Soweit demnach überhaupt ein anrechenbarer Unterhaltsanspruch besteht, kann er, wenn er nicht rechtzeitig erfüllt wird, durch schriftliche Anzeige insoweit auf den Träger der Kriegsopferfürsorge übergeleitet werden, als die Kriegsopferfürsorge bei rechtzeitiger Leistung nicht erbracht worden wäre. 52 Die Subsidiarität von Ausgleichs- und Elternrenten

Die vollen Ausgleichsrenten, die den Schwerbeschädigten oder den Hinterbliebenen an sich zustehen, sind um das anzurechnende Einkommen zu mindern. Als solche Einkünfte llO zählen bei der Ausgleichsrente für Schwerbeschädigte an Unterhaltsleistungen nur die des Ehegatten bzw. des früheren Ehegatten111 • Auch Witwen und Witwer brauchen sich auf ihre Ausgleichsrente nur Unterhaltsleistungen des Ehegatten aus einer früheren Ehe anrechnen zu lassen112 • In die Berechnung der Ausgleichsrente für Waisen werden nur Leistungen auf Grund eines Unterhaltsanspruches gegen den noch lebenden Elternteil anspruchsmindernd miteinbezogen113 • Dabei wird zunächst, soweit vorhanden, der gerichtlich festgesetzte Unterhaltsbetrag zu Grunde gelegt. Fehlt eine solche Festsetzung, dann wird bei der Bewertung des Anspruches davon ausgegangen, daß der Elternteil von seinem monatlichen Bruttoeinkommen mindestens 800 DM monatlich behält. Dieser Betrag erhöht sich für jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind um 150 DM im Monat114 • Lediglich bei der Elternrente sind grundsätzlich alle Leistungen auf Grund bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche zu berücksichtigen115'. Auch hier gilt als Wert des anzurechnenden Unterhaltsanspruches das Einkommen des Verpflichteten, soweit es die Freibeträge übersteigt. Diese Freibeträge betragen für den ledigen Unterhaltspflichtigen mindestens 600 DM, für einen verheirateten mindestens 1 040 DM, wenn der Ehegatte des Unterhaltspflichtigen seinen angemessenen Unterhalt nicht bereits durch eigene Einkünfte sicherstellen So auch Wilke, § 27 e Anm. IV. Vgl. § 1 Abs. 3 S. 3 Ziff. 3 DVO zu § 33 BVG. § 4 DVO zu § 33 BVG. 112 §§ 14 Abs. 1 i. V. m. 4 Abs. 2 a.a.O. 113 § 15 Abs. 3 a.a.O. 114 Diese Regelung gilt allerdings nicht bei Unterhaltsansprüchen des "unehelichen Kindes" gegen seinen Vater (§ 15 Abs. 3 a.a.O.). 115 § 16 Abs. 2 a.a.O. 109

110 111

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sozialleistungen

99

kann. Diese Beträge erhöhen sich um 150 DM für jedes unterhaltsberechtigte Kind, es sei denn, daß der andere Ehegatte auf Grund seiner Einkünfte zum Unterhalt verpflichtet ist. Ausdrücklich festgelegt ist, daß Beträge, die über die bürgerlich-rechtliche Unterhaltsverpflichtung hinaus freiwillig gezahlt werden, unberücksichtigt bleiben 116 • Es kommt bei dieser Anrechnung - wie insbesondere auch aus § 16 Abs. 2 Satz 2 der DVO zu § 33 BVG deutlich wird117 - , nicht darauf an, ob der Unterhaltspflichtige überhaupt und ob er in der Höhe des Betrages leistet, der angerechnet wurde 118 • 6 Die Subsidiarität der Elternrente in (sonstigen) Entschädigungssystemen Im Verfolgtenversorgungsrecht und in der beamtenrechtlichen Unfall-Hinterbliebenenversorgung erhalten Verwandte der aufsteigenden Linie, im Verfolgtenversorgungsrecht auch Adoptiveltern119, "für die Dauer der Bedürftigkeit" Hinterbliebenenrente bzw. einen Unterhaltsbeitrag. Diese Leistungen sind subsidiär gegenüber grundsätzlich allen Unterhaltsansprüchen, soweit sie realisierbar sind. Dabei werden bei der Bemessung des Wertes des Unterhaltsanspruches die Vorschriften der Kriegsopferversorgung zur Elternrente analog herangezogen12o. 7 Die Subsidiarität der Kriegsschadenrenten Subsidiär sind trotz des § 267 Abs. 2 Ziff. 1 LAG12.1 auch die Kriegsschadenrenten und die Beihilfen zum Lebensunterhalt des Lastenausgleichsrechts insoweit, als sie nur dann gewährt werden, wenn das Einkommen der begünstigten Familieneinheit bestimmte Grenzen nicht übersteigt 122, womit von entsprechenden Unterhaltsleistungen innerhalb dieser Familieneinheit ausgegangen wird. 8 Die Subsidiarität von Hinterbliebenenrenten 81 Die Subsidiarität wiederaufgelebter Hinterbliebenenrenten

Soweit der hinterbliebene Ehegatte, gleich ob Witwe, Witwer oder früherer Ehegatte Hinterbliebenenleistungen erhält123, ist bestimmt, daß die Leistung im Falle der Wiederverheiratung wegfällt124, daß 116 Vgl. zum Vorstehenden insgesamt § 16 Abs. 3 a.a.O.; s. a. BGH, RzW 1963, 112 zur Elternrente im Verfolgtenversorgungsrecht. 117 ••• "dem steht § 1613 des BGB nicht entgegen". 118 Vgl. hierzu BSG, SGb 1965, 17. 119 §§ 17 Abs. 1 Nrn. 5, 6 BEG; 145 BBG. 120 Vgl. B.runn - fIebenstreit, § 17 Anm. 13; s. a. BGH, RzW 1963, 112. 121 s. hierzu o. 4. Kap., Text zu Anm. 199. 122 §§ 267 Abs. 1; 279 Abs. 1 LAG; 17 FlÜHG. 123 hierzu u. 10. Kap. 124 Im einzelnen u. 10. Kap., Text zu Anm. 24-29.



100 II. 1. Absclm.: Die sich aus dem. Sozialrecht ergebenden Beziehungoo

sie aber, wenn diese weitere Ehe ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe aufgelöst oder für nichtig erklärt wird, auf Antrag wiederauflebt. Auf die wiederaufgelebte Leistung sind die Unterhalts-, Renten- oder Versorgungs ansprüche anzurechnen, die der hinterbliebene Ehegatte infolge der Auflösung dieser Ehe erworben hat126. Die wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente ist nur dem Unterhaltsanspruch gegenüber dem früheren Ehegatten dieser weiteren Ehe subsidiär. Ein Unterhaltsanspruch der nach Wiederheirat erneut verwitweten Frau gegenüber ihren Kindern aus der ersten Ehe gern. § 1608 BGB ist auch dann nicht auf die wiederaufgelebte Witwenrente anrechenbar, wenn die Witwe nach Auflösung der weiteren Ehe keinen sonstigen Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenanspruch erworben hat und sie, würde ihre Witwenrente aus der ersten Ehe nicht wiederaufleben, bedürftig und somit den Kindern gegenüber unterhaltsberechtigt wäre 126. Bei der Anrechnung kommt es auf den Rechtscharakter der Unterhaltspflicht nicht an. Auch ein Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG ist anzurechnen12.7. Der Unterhaltsanspruch gegen den früheren Ehegatten wird jedoch nur dann angerechnet, wenn er realisierbar ist1 28 . Das stellen § 615 Abs. 2 S. 2 RVO und § 44 Abs. 5 S. 1 BVG nach Auffassung des BSG auch für die übrigen Systeme, in denen eine solche Bestimmung nicht enthalten ist, klar 129. Dem BSG ist darin zuzustimmen, denn die beiden Bestimmungen enthalten einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auf alle Fälle des Wiederauflebens von Hinterbliebenenrenten anwendbar ist. Das Wiederaufleben der Leistungen an Hinterbliebene, die infolge Wiederheirat weggefallen waren, ist eingeführt worden, um zusammen mit der Gewährung von Abfindungen Empfängern von Hinterbliebenenleistungen einen Anreiz zur Eheschließung zu geben und um "Rentenkonkubinaten" entgegenzuwirken1SO . Die Empfänger von Hinterbliebenenleistungen sollten durch die weitere Heirat ihre sichere Versorgung nicht völlig gegen das wirtschaftliche Risiko einer weiteren Ehe und einer weiteren Eheauflösung eintauschen müssen. Das Wiederaufleben der Leistung ist eine "Mindestversorgungsgarantie"131 zu gun125 §§ 615 Abs. 2,1291 Abs. 2 RVO; 68 Abs. 3 AVG; 83 Abs. 3 RKG; 164 Abs. 3 BBG; 88 Abs. 3 BRRG; 44 Abs. 2, 4 BVG; 23 BEG. Bei der Altershilfe für

Landwirte beschränkt sich die Anrechnung auf den infolge der Auflösung der Ehe erworbenen Anspruch auf Altersgeld (§ 10 Abs. 5 GAL). 125 LSG NRW, SGb 1968, 300 mit zustim. Anm. v. Maier. 127 BSGE 30, 220. 128 A. A. Blessin - Ehrig - Wilden, § 23 Anm. 3; Brackmann, S. 721; JantzZweng, § 1291 Anm. II/3; Verbandskommentar, § 1291 Anm. 10. 129 Grundlegend BSGE 22, 78 (80). 130 Trolldenier, NJW 1972, 1453; ders., Das Wiederaufleben von W-Renten, SozVers. 1972, 145.

6. Kap.: Farnilienabhängigkei.t von Sozialleistungen

101

sten der Hinterbliebenen. Andererseits soll durch die Anrechnung der infolge der Auflösung der weiteren Ehe erworbenen Ansprüche einmal eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Hinterbliebenen im Vergleich zu ihrer Situation vor Eingehung der weiteren Ehe verhindert132 , zum andern einer Entlastung sonstiger Verpflichteter zu Lasten des Trägers der wiederaufgelebten Hinterbliebenenleistung vorgebeugt werden133 • Ist der Unterhaltsanspruch nicht realisierbar, dann führt das Wiederaufleben der durch die Wiederheirat weggefallenen Leistung jedenfalls nicht zu einer Bereicherung des Hinterbliebenen. Es kann jedoch unter Umständen, wenn sich der (leistungsfähige)184 Unterhaltspflichtige der Leistung entzieht und so dem Berechtigten die Realisierung des Anspruches unmöglich macht, zu einer Verlagerung der Leistungspflicht auf den Träger der Hinterbliebenenleistung führen. Aber wie §§ 615 Abs. 2 S. 2 RVO und 44 Abs. 5 S. 1 BVG zeigen, soll der Hinterbliebene auch in diesem Fall in den Genuß der als Mindestgarantie zugesicherten wiederaufgelebten Leistung kommen und nicht schlechter stehen als er vor der neuen Eheschließung gestanden hätte. In den Fällen, in denen das der Gesetzgeber nicht ausdrücklich festgelegt hat, ein anderes Ergebnis anzunehmen, geht nicht an, weil es sich in all diesen Fällen um die gleiche Sach- und Interessenlage handelt1 35 • Der Hinterbliebene hat jedoch zu beweisen, daß der Unterhaltsanspruch nicht realisierbar istt 36 • Eine Überleitung des Unterhaltsanspruches des Berechtigten auf den Leistungsträger ist in keinem Falle vorgesehen. Entfällt die Unterhaltsleistung, etwa weil der berechtigte Ehegatte später ausreichendes Einkommen bezieht, dann ist die Anrechnung insoweit rückgängig zu machen137 • Leben mehrere Sozialleistungen bei Auflösung der weiteren Ehe wieder auf, so darf der infolge der Auflösung der Ehe erworbene Unterhaltsanspruch nur einmal angerechnet werden138 • 181

182 188

So BSGE 22, 78 (80). Vgl. Brackmann, S. 721; Jantz - Zweng, § 1291 Anm. 11/3. Vgl. hierzu insgesamt: Engel, Wiederaufleben, S. 86 ff.; Mösch, SozVers.

1969, 36 (41).

184 Nur in diesem Fall besteht überhaupt ein anrechenbarer Unterhaltsanspruch! 185 So im Ergebnis: BSGE 22, 78 (80); BSG, SozR Nm. 12, 22 zu § 1291 RVO; LSG Nds., Breith. 1969, 619 (621); LSG Schl.-Holst., Breith. 1962, 215; Barth, SozVers. 1960, 137 (140); Heinze, SozVers. 1963, 77 (78); Mösch, SozVers. 1969,

36 (41). 188 Heinze, SozVers. 1963, 77 (78); Mösch, SozVers. 1969, 36 (41); s. a. BSG Nr. 12 zu § 1291 RVO: "Die Nichtrealisierbarkeit des Anspruches kann sich

auch aus erfolglosen Vollstreckungsversuchen anderer Gläubiger ergeben". 187 Verbandskommentar, § 1291 Anm. 12. 138 BSG, SozR Nr. 13 zu § 1291 RVO; SG Bremen, FamRZ 1963, 257.

102 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen 82 Die Subsidiarität der Beihilfe an Hinterbliebene im Verfolgtenversorgungsrecht

Einen weiteren Fall der Subsidiarität von Leistungen an Hinterbliebene beinhaltet § 41 a BEG. Nach dieser Vorschrift erhalten Hinterbliebene eines Verfolgten, der nicht an den Folgen der Verfolgung gestorben ist, eine Beihilfe für die Dauer ihrer Bedürftigkeit. Parallele Vorschriften in anderen Systemen139 machen die von ihnen vorgesehenen Leistungen nicht von der Bedürftigkeit abhängig. Die Hinterbliebenenbeihilfe im Verfolgtenversorgungsrecht ist, da Bedürftigkeit vorausgesetzt wird, subsidiär und, da Unterhaltsleistungen als Einkommen angerechnet werden140 , auch familienabhängig. Nach der gegenwärtigen Praxis der Sozialbehörden wird das Vorliegen der Bedürftigkeit dann angenommen, wenn anderweitiges Einkommen den Betrag von 400 DM zuzüglich 50 DM pro Kind nicht übersteigtl41 • 9 Exkurs: Umkehrung der Rangfolge zwischen subsidiären Sozialleistungen und familiärem Unterhalt

Immer dann, wenn familiärer Unterhalt Sozialleistungen gegenüber vorrangig ist, besteht, soweit nicht unabhängig von einer tatsächlichen Unterhaltsleistung Einkommen der Unterhaltspflichtigen als "Unterhalt" berücksichtigt wird, die Möglichkeit, daß durch Maßnahmen des Unterhaltsberechtigten und/oder -verpflichteten versucht wird, diese grundsätzliche Rangfolge umzukehren bzw. zu vereiteln. Solche Möglichkeiten eröffnet das Unterhaltsrecht in all den Fällen, in denen man willentlich oder durch eigenes faktisches Verhalten aus dem Unterhaltsverband eines anderen ausscheiden kann. 91 Unterhaltsverzicht und Subsidiarität

So kann der geschiedene Ehegatte auf seinen Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise verzichten (§ 72 EheG). Ein solcher Verzicht ist treten nicht besondere Umstände hinzu - nicht sittenwidrig142 • Der gültige Unterhaltsverzicht führt dazu, daß der an sich vorrangige Unterhaltsanspruch nicht mehr besteht bzw. gar nicht erst entsteht. Die Subsidiarität der Sozialleistungen verliert ihre wesentliche Voraussetzung; damit wäre an sich die Leistungspflicht des Sozialleistungsträgers gegeben, wenn man - und das ist die entscheidende Voraussetzung - den Unterhaltsverzicht trotz dieser Folge für beachtlich hält. 138 140

141 14%

§§ 600 RVO; insbes. 48 a BVG. Vgl. B.runn - Hebenstreit, § 41 a

Anm. 2. Ebd. Vgl. Furler, S. 130; Reinhardt, S. 38.

6. Kap.: FamiIienabhängigkeit von SoziaHeis-tungen

103

Das sich daraus ergebende Problem ist, soweit ersichtlich, bisher nur im Zusammenhang mit Sozialhilfeleistungen und wiederaufgelebten Leistungen an Hinterbliebene entschieden und erörtert worden. Im Rahmen der Darstellung des geltenden Rechts soll hier nur der Meinungsstand zu diesen beiden Fragenkreisen angegeben werden 143 • Die Skala der möglichen Lösungen dieses Problems verengt sich bei der Sozialhilfe, die die elementare Sicherung des Mindestbedarfs ist. Ihre Funktion läßt es nicht zu, daß man den Unterhalt, auf den verzichtet wurde, auf die begehrte, subsidiäre Sozialleistung anrechnet. Das wird daher auch von niemandem vertreten. Die Pole, zwischen denen bei der Sozialhilfe die Lösung gefunden wird, sind einmal die grundsätzliche Sittenwidrigkeit und daher Nichtigkeit eines solchen Unterhaltsverzichts mit der Folge, daß der Unterhaltspflichtige dem gegenüber auf Unterhalt verzichtet wurde, weiterhin leistungspflichtig bleibt und beispielsweise der Unterhaltsanspruch gegen ihn auf den Sozialleistungsträger übergeleitet werden kann; zum anderen die grundsätzliche Beachtlichkeit des Unterhaltsverzichts mit der Folge, daß der Verzicht die gesetzliche Rangfolge vereitelt hat und der ursprünglich Unterhaltspflichtige frei wird. Ein Teil der Literatur vertritt die grundsätzliche Sittenwidrigkeit, d. h. die Nichtigkeit eines solchen Verzichts144 • Die zur Zeit wohl herrschende Meinung lehnt die grundsätzliche Nichtigkeit ab145 , und geht davon aus, daß der Unterhaltsverzicht eine unterhaltsrechtliche Position schafft, an die auch die Sozialhilfeträger gebunden sind146 • Dies soll auch dann gelten, wenn die Ehegatten mit der Möglichkeit gerechnet haben, daß der verzichtende Ehegatte im Fall der Not auf Sozialhilfe angewiesen sein wird147 • Nur wenn der Unterhaltsverzicht ausschließlich oder zumindest in erheblichem Maße mit dem Ziel vereinbart worden ist, die Unterhaltslast von dem Ehegatten auf den Sozialhilfeträger148 abzuwälzen, soll dieser ihn sich nicht entgegen halten lassen müssen149 , 150. s. jedoch u. 25. Kap., sub 12. VgI. Bosch, Anm. zu dem urt. des LG Ellwangen, FamRZ 1955, 108; Ripdel. ZfF 1960. 3 (4): Tipke. FamRZ 1954, 188 (190). 14S LG Bielefeld. NJW 1958, 185; LG Ellwangen, FamRZ 1958, 108 (109); LG Lüneburg, MDR 1953, 550; Die Bedeutung des Unterhaltsverzichts des geschiedenen Ehegatten für die öffentliche Fürsorge, NDV 1949, 96 (97); Bereiter-Hahn. FamRZ 1955, 279 (281); Brühl. Unterhaltsrecht, S. 251 f.; Frantz, SchI. H. A. 1955. 77 (78): Hampel, FamRZ 1960, 421 (423); Hotze, S. 144 ff.: Krüper. in: Krüger - Breetzke - Nowack, EinI. Nr. 261; Lüdtke. N.TW 1955, 211 (21?): Reinhardt. S. 46 ff.: 129 f.: Rimal1n. SchI. H. A. H)63, 85 (86); Stoetzner. SGb 1962. 107: Wiethaup. MDR 1954, 9 (10). 146 So auch Köhler, S. 78; Küper. NJW 1950, 582. 147 OLG Düsseldorf, FamRZ 1955, 293 (294 f.). 148 Oder auch auf andere unterhaltspflichtige Verwandte; auf die gleiche Problemlage weist Riedel. ZfF 1960, 3. zu Recht hin. Hg LG Bielefeld, NJW 1958,185; LG Lüneburg, MDR 1956, 170; LG Ellwangen, FamRZ 1955, 108 (109); LG Köln, FamRZ 1954, 203 (204); LG Kiel, ZfF 14S 144

104 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen Bei wiederaufgelebten Leistungen an Hinterbliebene werden die Folgen eines Unterhaltsverzichts in den jeweiligen Einzelsystemen unterschiedlich behandelt. Im Sozialversicherungsrecht besteht Einmütigkeit darüber, daß der Unterhaltsverzicht für die Zeit nach Beginn der wiederaufgelebten Rente unbeachtlich ist151 • Im Beamten-152 und im Verfolgtenversorgungsrecht153 werden die Unterhaltsansprüche, auf die verzichtet wurde, nicht auf die wiederaufgelebten Leistungen angerechnet. Als Mittelweg ist in § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG bestimmt, daß, wenn die Witwe "ohne verständigen Grund" auf den Unterhaltsanspruch verzichtet, der Betrag anzurechnen ist, den der frühere Ehemann ohne den Verzicht zu leisten hätte 154• Diese Bestimmung wird jedoch von der Rechtsprechung über die Auslegung des Begriffes "verständiger Grund" wieder so sehr eingeengt, daß sie letztlich doch zu den gleichen Ergebnissen führt, wie z. B. § 68 Abs. 2 A VG oder § 1291 Abs. 2 RVO. So hat das BSG entschieden15'5, daß als "verständiger Grund" nur angesehen werden könne, was unter Abwägung der Interessen des Hinterbliebenen und der der Sozialleistungsträger, die die Allgemeinheit vertreten, als verständig erscheint. Als verständigen Grund hat es angesehen, wenn die Ehefrau auf ihren Unterhalt ver195474; LG Berlin-Charlottenburg, MDR 1954, 37; LG Frankfurt, NJW 1953, 145 (146); Bereiter-Hahn, FamRZ 1955, 279; Frantz, SchI. H. A. 1955,77; Hotze, S. 160; Reinhardt, S. 49; vgI. auch OVG Lüneburg, MDR 1954, 124.

150 Besondere Probleme werfen auf: a) der Unterhaltsverzicht, der nach der Scheidung vereinbart wurde; vgl. hierzu Empfehlungen,a.a.O. S. 43 f.; Hefele - Schmidt, Art. 177 Anm. 136; b) der Unterhaltsverzicht, der nach dem Zugang einer überleitungsanzeige vereinbart wurde; vgI. hierzu LSG NRW, SGb 1969,228 (229); c) der Unterhaltsverzicht, der für die Zeit nach der Scheidung vereinbart wurde, nach dem bereits der eheliche Unterhaltsanspruch gern. §§ 90, 91 BSHG übergeleitet worden war (Frage der Identität des ehelichen und nachehelichen Unterhaltsanspruches); vgI. hierzu BGHZ 20, 127; a. A. LG Verden, NJW 1962, 2303; LG Köln, FamRZ 1954, 203; LG Frankfurt, NJW 1953,145; Gernhuber, Familienrecht, S. 236. 151 BSGE 19, 153; 21, 279; BSG, NJW 1972, 735; Barnewitz, SozVers. 1967, 100; Barth, SozVers. 1960, 137 (139); Burdenski, MDR 1965, 250 (253); Engel, Wiederaufleben, S. 93; Engel, SozVers. 1961, 325 (326); Grunsky, Anm. zu BSGE 27, 256, NJW 1968,1982; Heinze, SGb 1963, 7 (9); Tannen, SozVers. 1960, 140 (141); differenziert: Schtichting, SchI. H. A. 1970, 236. 152 VgI. BVerwGE 31, 197; wohl auch Sachse - Topka, § 184 Anm. 3; a. A. Hess. VGH, Urteil vom 8. September 1958 (-OS-V 87/57), zitiert bei LeusserGerner, Art. 177 Anm. 8; Bernard - Hoffmann, Landesbeamtengesetz für Bad.-Württemberg, 1964, Art. 180 Anm. 3; Herholz, RiA 1954, 345; differenziert: Hefele - Schmidt, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 177 Anm. 13 b: Dient der Unterhaltsverzicht der Erleichterung der Scheidung, dann ist er hinzunehmen, andernfalls erfolgt Anrechnung; vgI. auch BVerwGE 11, 350

(354).

Brunn - Hebenstreit, § 23 Anm. 5. VgI. auch § 14 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 der DVO zu § 33 BVG 1. d. F. vom 9. November 1967 (BGBl. I, 1140); hierzu BSGE 18, 263. 155 BSG, BVBI. 1971,81; SGb 1970,458; MDR 1969, 515 (516); BSGE 25, 262 (266); s. a. Hess. LSG, SGb 1968, 258. 153

154

6. Kap.: Familienabhängigkeit von Sorlalleist1.liIlgen

105

zichtet, um den Unterhaltsanspruch der Kinder nicht zu gefährden. Ein "verständiger Grund" könne aber nicht dann angenommen werden, wenn der Verzicht den Zweck verfolgt, die Art des Schuldausspruches, von dem auch der Anspruch auf Versorgung abhängt, zu beeinflussen15G • Die Unterschiedlichkeit dieser Ergebnisse sei hier nur konstatiert; sie provoziert Kritik ebenso wie die meisten gefundenen Lösungen selbstl57• 92 Die Durchsetzung eines Unterhaltsanspruches

Soweit ein Unterhaltsberechtigter gegenüber subsidiären Sozialleistungen nicht auf seinen Unterhalt verzichten kann, soweit kann es auch nicht in seinem Belieben stehen, ob er den Unterhaltsanspruch gerichtlich durchsetzt oder nicht. Der Verzicht auf die Durchsetzung käme einem Verzicht auf den Unterhalt im Ergebnis gleich. Daher gilt mit einer Ausnahme für die Sozialhilfe158 der Grundsatz, daß, wenn der Unterhalts anspruch realisierbar ist, es nicht mehr darauf ankommt, ob er von dem Unterhaltsberechtigten, der die Leistung begehrt, nun auch tatsächlich realisiert wird158 • Das bedeutet, unterläßt der Unterhaltsberechtigte die Geltendmachung, so wird ihm der Unterhalts anspruch angerechnet. Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur sind darüber hinaus der Auffassung, daß der Unterhaltsberechtigte auch versuchen müsse, seinen Unterhaltsanspruch durch Klage durchzusetzen16o • Diese Pflicht wird jedoch in all den Fällen gemildert, in denen - wie in den meisten Fällen der Subsidiarität - der vorleistende, an sich nur subsidiär verpflichtete Sozialleistungsträger den Unterhaltsanspruch auf sich überleiten und im eigenen Namen geltend machen kann. Diese Möglichkeit ist insbesondere auch im Sozialhilferecht gegeben, so daß der unterhaltsberechtigte Hilfesuchende, der sich weigert, den Unterhaltsanspruch selbst durchzusetzen, dem aber andererseits geholfen werden muß, durch die Verweigerung der Geltendmachung des Anspruches nicht die Rangfolge zwischen Unterhalt und Sozialhilfe umstoßen kann. Die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Unterhaltsberechtigte versuchen muß, seinen Unterhaltsanspruch gerichtlich durchzusetzen, ist also insbesondere in den Fällen von Bedeutung, in denen eine solche überleitungsvorschrift zugunsten des Sozialleistungsträgers nicht beBSG, ebd. m s. o. Anm. 143. 158 s. jedoch o. Anm. 27 u. 28. 158 Vgl. LSG Celle, AA 1956, 308; Draeger - B,uchwitz - Schönefelder, AVAVG, § 149 Anm. 10; Heinze, SozVers. 1963, 77 (78); Verbandskommentar, § 1291 Anm. 10. 160 Hess. LSG, SGb 1968,258; LSG Celle, AA 1956, 308; Draeger - Buchwitz Schönefelder, AVAVG, § 149 Anm. 14; a. A. Brunn - Hebenstreit, § 17 Anm. 13; Krebs, AVAVG, § 149 Anm. 4; vgl. auch die o. in Anm. 32 Genannten. 15S

106 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen steht, wie z. B. bei den Elternrenten nach dem BEG und dem BVG und bei den wiederaufgelebten Leistungen an Hinterbliebene. Zur Intensität der Verpflichtung, den Unterhaltsanspruch durchzusetzen, hat das Hess. LSG161 entschieden, daß man auch einen "langwierigen und umständlichen Ehescheidungsprozeß führen und das damit verbundene Risiko auf sich nehmen" müsse, "um die Folgen des Gesetzes, den Erwerb eines Unterhaltsanspruches, nicht unmöglich zu machen". Kann die Witwe einen nach materiellem Recht an sich begründeten Unterhaltsanspruch deshalb nicht verwirklichen, weil ihr durch rechtskräftiges Urteil Unterhalt nur in geringerer Höhe zugesprochen ist, so ist nach Ansicht des BSG162 der Unterhalts anspruch dennoch in der nach dem materiellen Recht begründeten Höhe anzurechnen, wenn die Witwe in dem Unterhaltsprozeß nicht alle geeigneten und billigerweise von ihr zu erwartenden Mittel ergriffen hat, um den begründeten Unterhalts anspruch durchzusetzen. Die Einlegung eines Rechtsmittels sei jedoch von ihr nur aus besonderen Gründen zu erwarten. Diese Rechtsprechung ist, nur das sei hier angemerkt, proble~ matisch, weil sie es mit sich bringen kann, daß rechtskräftige Unterhaltsurteile auf ihre materielle Richtigkeit von Sozialleistungsträgern überprüft werden können. Die Verpflichtung des Unterhaltsberechtigten, seinen Unterhaltsanspruch zu verwirklichen, geht jedoch nicht soweit, ein Strafverfahren wegen Unterhaltsentziehung einleiten zu müssen163 . 93 Die Verweigerung der Namensnennung des außerehelichen Vaters durch die Mutter

Eine Durchbrechung der Rangfolge kann auch dadurch eintreten, daß eine außereheliche Mutter sich weigert, dem Sozialleistungsträger den Namen des Vaters ihres Kindes zu nennen. Damit kann sie Rückgriffsansprüche des Sozialleistungsträgers gegen den Kindesvater vereiteln164. Aus diesem Grunde ist die Kindesmutter früher für verpflichtet erachtet worden, dem Sozialleistungsträger den Namen des Erzeugers zu nennen 165. Eine solche Verpflichtung der Mutter war jedoch SGb 1968, 258. BSGE 27,171; BSG, SGb 1970, 381. 163 LSG Celle, AA 1956, 308; Seebade, UnterhaItspflichtverletzung als Straftat, JZ 1972, 389 (393). IM Es geht hier nicht um die Frage, ob die Mutter dem Kind gegenüber zur Namensnennung verpflichtet ist (vgl. hierzu neuestens BayObLG, NJW 1972, 1582 und OLG Celle, FamRZ 1969, 40), sondern nur darum, ob sie es dem Sozialleistungsträger gegenüber ist. 165 Vgl. Kiefe, Kann die Wöchnerin, die gern. § 20 KrankVG' Unterstützung bezogen hat, zum Namhaftmachen des Vaters des unehelichen Kindes angehalten werden, Recht 1908, 163; Staudinger - Engelmann, Kommentar zum BGB, 5., 6. Auf!. 1910, § 1715 Anm. 7. 161

182

6. K'ap.: E1amilienabhängigkeit VOOl Sozialleistungen

107

auch früher nicht unumstritten 166. Heute wird sie allgemein zu Recht abgelehnt1 67 . Der BGH168 hat hierzu ausgeführt, daß die Frage, ob und inwieweit die Mutter den Erzeuger des Kindes bekannt geben und ihn zum Unterhalt mit heranziehen wolle, in ganz besonderer Weise ihr persönliches Verhältnis zu dem Kinde berühre. Es sei grundsätzlich ihre eigene Angelegenheit, ob sie für es selbst aufkommen oder seinen Vater heranziehen wolle. Auf diese höchstpersönliche Entscheidung der Mutter stehe dem Sozialleistungsträger kein Einfluß ZU 169. Der Sozialleistungsträger kann demnach von der außerehelichen Mutter, obwohl er ihr 170 oder ihrem Kinde Leistungen gewährt, für die er von dem Vater des Kindes Ersatz beanspruchen könnte, nicht verlangen, daß sie ihm den Namen des Vaters nennt. 94 Die unberechtigte Verweigerung der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft

Gern. § 1361 Abs. 4 BGB hat der Ehegatte keinen Anspruch auf Unterhalt, der gegen den Willen des anderen Ehegatten die Herstellung des ehelichen Lebens verweigert, ohne hierzu berechtigt zu sein. Der Ehegatte kann daher durch die unberechtigte Verweigerung der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft bedürftig werden. Nach einer Entscheidung des BVerwGl7l soll ein tatsächlich getrennt lebender Ehegatte einen selbständigen Anspruch auf Unterhaltshilfe (§ 261 LAG) nur geltend machen können, "wenn ihm ein Zusammenleben mit dem nnderen Ehegatten - sei es auch nur zum Zwecke der gemeinsamen Versorgung - nicht zuzumuten ist". Kommt der Sozialhilfeträger zu der Ansicht, ein weiteres Zusammenleben der Ehegatten sei zumutbar, so hat er nach Ansicht des BVerwG die Hilfe "unabhängig von den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über das Zusammenleben von Ehegatten" zu verweigern. 166 Vgl. Hilse, Kann die Wöchnerin zum Namhaftmachen des Vaters ihres unehelichen Kindes angehalten werden?, Recht 1908, 73 f. m BGH, DöV 1959, 946 mit zustimmender Anm. von Krüger, OLG Karlsruhe, FamRZ 1972, 95 (96); Beitzke, Bespr. von Hübner, Die künftige Rechtsstellung des unehelichen Kindes, Berlin 1954, AcP 154, 53 (54); Brüggemann, Intimsphäre und außereheliche Elternschaft - über das Recht und die Pflicht der Mutter, den Erzeuger ihres außerehelichen Kindes zu nennen, Jur. Diss. Bonn, 1964, S. 28 f.; s. a. BVerwG, FamRZ 1971, 163 mit zust. Anm. von Brüggemann; LG Offenburg, NJW 1971, 1413. 168 DöV 1959, 946 (947). te9 Dies gilt auch für eine Beamtin, die aufgrund des gegenseitigen Treueverhältnisses verpflichtet ist, den Dienstherrn vor finanziellen Belastungen möglichst zu bewahren, BGH. DöV 1959, 946 (947). 170 Vgl. z. B. §§ 1615 k, 16151 BGB; s. jedoch auch § 1542 Abs. 1 Satz 2 RVO. 171 BVerwGE 4, 20 (22); s. u. 25. Kap., Text zu Anm. 5, 6.

108 H. 1. Abschn.: Die sich 8IUS dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Ablehnung gestoßen, da durch sie ein direkter materieller Druck auf die Entschließungsfreiheit in höchstpersönlichen Angelegenheiten der Hilfesuchenden ausgeübt wird172. Sie brach auch mit der Rechtsprechung des BAH zu diesem Problem. Dieses hatte mehrmals173 festgestellt, daß ein Armenverband nicht zu entscheiden habe, ob sich das Verlangen des Mannes, die Frau solle zu ihm zurückkehren, als ein Mißbrauch seines Rechtes auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft darstelle. Wenn die Frau, die die ihr angebotene Aufnahme abgelehnt und damit den Unterhaltsanspruch gegen ihren Mann verloren hat, fürsorgebedürftig werde, so müsse der Armenverband der dadurch entstandenen Notlage abhelfen, da er sie nicht zur Rückkehr zwingen könne. 95 Die Verwirkung des Unterhaltsanspruches

Hat der Berechtigte seinen Unterhaltsanspruch verwirkt174, und wird er dadurch - oder auch später bedürftig -, so muß der Sozialhilfeträger leisten175. Im Sozialversicherungsrecht führt die Verwirkung wie das BSG176 jüngst entschieden hat - nicht zu einem Wiederaufleben der Hinterbliebenenleistungen. Im Beamten- und im Verfolgtenversorgungsrecht würde die dafür zuständige Rechtsprechung analog zur Behandlung des Unterhaltsverzichts wohl auch hier den gegenteiligen Standpunkt einnehmen. 7. Kapitel

Ausgleich für Unterhaltsbelastungen der subsidiären Sozialleistungen gegenüber vorrangig Verpflichteten Ausgangspunkt dieses Kapitels ist, daß die Leistungsfähigkeit derjenigen, die subsidiären Sozialleistungen gegenüber vorrangig verpflichtet sind, gemindert wird, wenn sie anderen Personen Unterhalt gewähren müssen. Diese Tatsache wird bei den subsidiären Sozialleistungen regelmäßig dann gesondert berücksichtigt, wenn das Einkommen des Hilfesuchenden bzw. Antragstellers oder eines Angehörigen schematisch auf die zu gewährende Leistung angerechnet wird, ohne daß es darauf ankommt, ob eine entsprechende Unterhaltspflicht besteht oder nicht. m B.rühl, Unterhaltsrecht, S. 195; Krüger, in: Krüger - Breetzke - Nowack, Einl. Nr. 261. 173 BAH 60, 28; 90, 108 (111); zustimmend Baath - Kneip, S. 351/352; Küper, NJW 1950, 582. 174 Vgl. §§ 1611 Abs. 1 S. 2 BGB; 66 EheG. m Vgl. LG Wuppertal, FamRZ 1967,479. 178 BSG, SozR Nr. 31 zu § 1291 RVO; dazu MoUs, FamRZ 1972,365.

7. Kap.: Subsidiarität und (sonstige) Untel'haUsbelastung

109

In diesen Fällen wird durch (zusätzliche) Freibeträge der durch die Unterhaltsleistungen geminderten Leistungsfähigkeit des vorrangig Verpflichteten Rechnung getragen. Soweit Sozialleistungen den vorrangig Verpflichteten nur im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit oder seiner Unterhaltspflicht in Anspruch nehmen, erübrigt sich das Korrektiv der Freibeträge. Freibeträge werden demjenigen, der die subsidiäre Sozialleistung begehrt, gewährt: - in der Sozialhilfe bei Hilfen in besonderen Lebenslagen für den nicht getrennt lebenden Ehegatten und für jede Person, die von ihm oder seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten bisher überwiegend unterhalten worden ist oder die nach der Entscheidung über die Gewährung der Sozialhilfe unterhaltsberechtigt wird, und zwar jeweils in Höhe von 150 DM (§ 79 Abs.1 S. 3 BSHG)l; - in der Ausbildungsförderung durch das BAföG zugunsten des Ehegatten und der Kinder 2 in Höhe von 350 DM bzw. jeweils 175 DM monatlich (§ 23 Abs. 1 Ziff. 2, 3 BAföG)3; -

bei der Gewährung von Wohngeld für das zweite und jedes weitere zum Haushalt rechnende Familienmitglied in Höhe von 2400 DM jährlich, um die sich die Einkommensgrenze von 9 600 DM erhöht (§ 19 WohnGG)4;

-

bei der Gewährung von Kriegsschadenrente und Beihilfe zum Lebensunterhalt nach dem Lastenausgleichsrecht und zwar bei der Unterhaltshilfe in Höhe von 186 DM (Ehegatte) bzw. 95 DM (Kinder) (§ 267 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1, 2 LAG) und bei der Entschädigungsrente in Höhe von 310 DM bzw. 103 DM monatlich (§ 279 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1, 2 LAG); Voraussetzung ist jedoch, daß der Ehegatte nicht

1 Vgl. für den Fall, daß der Hilfesuchende minderjährig ist: § 79 Abs. 2, daß er blind ist: § 81 Abs. 3 BSHG. ! Da das Sozialrecht in einer Vielzahl von Regelungen auf "Kinder" Bezug nimmt, es aber in den meisten dieser Regelungen den Begriff "Kind" jeweils neu und nicht allzu selten abweichend definiert, soll am Ende dieses Abschnittes gesondert erörtert werden, welche Personen und unter welchen Voraussetzungen als "Kinder" anerkannt werden. S Entsprechend früher § 14 Abs. 2 Ziff. 1 AusbFG. Nach dem "Honnefer Modell" (C II 1) wurden auf die Förderung alle Einkünfte angerechnet, soweit sie insgesamt den Betrag von 1 500 DM jährlich überstiegen. Freibeträge zugunsten Unterhaltsberechtigter waren nicht vorgesehen. Allerdings konnte bei der Anrechnung des Einkommens des Studenten als besondere Belastung berücksichtigt werden, daß er verheiratet war und Kinder hatte und seiner Frau eine berufliche Tätigkeit nicht möglich war (C II 5). Entsprechendes gilt für die Anordnung zu § 40 AFG (vgl. § 15). 4 Zum Begriff "Familienmitglied" vgl. § 4 WohnGG; es handelt sich außer dem Ehegatten und den Kindern um Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie und zweiten und dritten Grades und um Pflegeeltern. Familienmitglied ist jedoch nur, wer mit dem Antragsberechtigten einen gemeinsamen Haushalt führt.

110 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

dauernd getrennt lebt und daß die Kinder von dem Berechtigten überwiegend unterhalten werden. Wenn auf subsidiäre Sozialleistungen Einkommen von Angehörigen des Berechtigten angerechnet wird, geschieht dies immer nur, soweit das Einkommen des Unterhaltspflichtigen eine bestimmte Einkommensfreigrenze, die den Eigenbedarf sichert, übersteigt. Diese Einkommensfreigrenze erhöht sich - im Sozialhilferecht wegen des Ehegatten und sonstiger unterhaltsberechtigter Personen, bei gesteigert unterhaltspflichtigen Angehörigen nur wegen sonstiger gesteigert unterhaltsberechtigter Personen, jeweils um den entsprechenden Regelsatz, soweit es sich um Hilfe zum Lebensunterhalt handelt5 bzw. um den Familienzuschlag, soweit es sich um Hilfen in besonderen Lebenslagen handelt (§§ 91 Abs. 1; 79 Abs. 1 Ziff. 3 BSHG); - im Ausbildungsförderungsrecht, und zwar bei dem BAföG6 und bei der Förderung nach § 40 AFG7; - im Arbeitslosenhilferecht8 und - bei der Gewährung von Elternrente im Kriegsopfer-, Verfolgtenund beamtenrechtlichen Unfallversorgungsrecht9 entsprechend den jeweils oben gemachten Angaben. In all diesen Fällen wird, wenn nicht die Unterhaltsverpflichtung oder überwiegende Unterhaltsgewährung Voraussetzung für die Erhöhung des Einkommensfreibetrages ist, Einkommen der berücksichtigten Angehörigen auf die Erhöhung angerechnet.

8. Kapitel

Sozialleistungen als Ausgleich normaler UnterhaltsheIaSlungen Die Tatsache, daß jemand Angehörige zu unterhalten hat, führt unter den jeweiligen, im einzelnen noch darzustellenden Voraussetzungen entweder - zu Zuschlägen zu dem Arbeits- oder Sozialeinkommen und/oder - zu Steuerermäßigungen. Dabei verfolgen diese Leistungen (Zuschläge oder Ermäßigungen) jeweils wieder unterschiedliche Zwecke. Das allgemeine Kindergeld bzw. die Leistungen, die an seiner Stelle in sonstigen Systemen sozialer 5

6 7 8 U

Hierzu das Beispiel o. 6. Kap. Anm. 49. s. o. 6. Kap. Anm. 88, 89. S. 0.6. Kap. Text zu Anm. 97. s. o. 6. Kap. Text vor Anm. 99. s. o. 6. Kap. Text vor Anm. 116, 120.

8. Kap.: Sozialleistungen als Ausgleich nonnalen Unterhalts

111

Sicherung erbracht werden, stehenl in engem Zusammenhang mit der heutigen Umverteilung zwischen den Generationen und sollen einen Ausgleich darstellen für diejenigen, die Kinder aufziehen und unterhalten. Von diesem allgemeinen Kindergeld sind Erhöhungen von einzelnen Sozialleistungen zu unterscheiden, die denen zu Gute kommen, die mit der Sozialleistung Angehörige zu unterhalten haben. Diese Erhöhungen schließen auch soweit sie wegen Kinder gewährt werden, das allgemeine Kindergeld nicht aus. Sie beruhen auf der Erkenntnis, daß die durch sie aufgestockten Sozialleistungen in ihrer Höhe von dem früheren Einkommen des Berechtigten abhängig und ebenso wie dieses grundsätzlich bedarfsneutral sind. Weil aber Sozialleistungen einerseits Arbeitseinkommen nie voll ersetzen, sie andererseits aber häufig Unterhaltsbedürfnisse mehrerer Personen zu befriedigen haben und weil drittens sich die Differenz zwischen Arbeits- und Sozialeinkommen um so härter auswirkt, je mehr Personen auf das Einkommen angewiesen sind, wird die Bedarfsneutralität der "Einkommensersatz"Leistungen durch dem Bedarf angepaßte Erhöhungen der Leistung durchbrochen.

Zuschläge im Besoldungsrecht des öffentlichen Dienstes folgen aus der Alimentationstheorie und sollen Beamten, auch wenn sie Angehörige zu unterhalten haben, ein angemessenes Auskommen ermöglichen2 • Familienbezogene Steuerermäßigungen schließlich ergeben sich aus dem Grundsatz der Besteuerung nach der jeweiligen Leistungsfähigkeit und tragen der durch Unterhaltsleistungen geminderten Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen RechnungS. 1 Berücksichtigung der Unterhaltsleistung an den Ehegatten 11 Zuschläge zum Arbeits- und Sozialeinkommen

-

Verheiratete Beamte erhalten zu ihrem Gehalt einen Ortszuschlag der Stufe 2, der zwischen 67,50 und 82,- DM über dem für ledige Beamte maßgeblichen Ortszuschlag der Stufe 1 liegt4 • Allerdings steht der Ortszuschlag der Stufe 2 auch verwitweten und, soweit sie das 40. Lebensjahr vollendet haben, ledigen Beamten zu 5 •

-

Das Krankengeld der Krankenversicherung erhöht sich für jeden Angehörigen, den der Versicherte überwiegend unterhalten hatte, 1 2

3 4

5

Hierzu ausführlich u. 17. Kap., sub 1. BVerwGE 12, 203 (204). s. o. 4. Kap. Anm. 42. Vgl. Anlage II zum BBesG; s. a. § 8 der Unterhaltszuschuß-VO. § 15 Abs. 2 Ziff. 1, 2, 3 BBesG.

112 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

um 4 bzw. 3 % des Regellohns 6• Der Ehegatte zählt zu diesen Angehörigen7. - Entsprechendes gilt für das Verletztengeld in der Unfallversicherungs. - In der Altershilfe für Landwirte beträgt das Altersgeld für den verheirateten Berechtigten 175 DM gegenüber dem für den unverheirateten Berechtigten in Höhe von 115 DM8. - Dem Arbeitslosen wird zu dem Arbeitslosengeld oder zu der Arbeitslosenhilfe ein Familienzuschlag von 12 DM wöchentlich für seinen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten gewährtl°. - Schwerbeschädigte erhalten im Versorgungsrecht zu der Grundund Ausgleichsrente einen Ehegattenzuschlag von derzeit 39 DM monatlich11. - Die Unterhaltshilfe im Lastenausgleichsrecht erhöht sich für den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten um 186 DM12. - In der Ausbildungsförderung sehen das BAföG13, das GFG14 und die Anordnung zu § 40 AFG15 einen erhöhten Richtbedarf für Verheira~ tete vor. - Der Ehegatte ist "Familienmitglied" im Sinne des Wohngeldrechts, wenn er mit dem Antragsberechtigten in einem gemeinsamen Hausstand lebt16. Seinetwegen wird ein höherer Wohnraumbedarf und damit u. U. auch ein höheres Wohngeld zuerkannt17 . - Die nach dem USG zu zahlende Verdienstausfallentschädigung beträgt statt 70 90 % des infolge des Wehrdienstes weggefallenen Einkommens, wenn der Wehrpflichtige verheiratet und die Ehefrau unterhaltsberechtigt ist1S. 12 Steuerermäßigung - das .,Splitting"

Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, können in den Genuß der steuerlichen Zusammenveranlagung19, des Splittings, kommen, 6

§ 182 Abs. 4, 4 a RVO.

Vgl. Peters, Handbuch, § 186 Anm. 6; Siefert, SozVers. 1960, 195 (196). Vgl. § 560 Abs. 2 RVO. 9 § 4 Abs. 1 GAL. 10 §§ 113 Abs. 1 Ziff. 1; 136 Abs. 1 AFG; vgl. auch § 44 Abs. 2 AFG. 11 § 33 a BVG. 12 § 269 Abs. 1 LAG. 13 Vgl. § 12 Abs. 2 BAföG. 14 § 2 DVO zum GFG v. 3. 11. 1971. 15 § 12. 16 § 7 Abs. 1 Ziff. 1 WohnGG. 17 §§ 4 Abs. 1 Ziff. I, 8 Abs. 1 WohnGG. 18 §§ 13 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 3 Abs. 1 ZUf. 1 USG. 19 §§ 26 b i. V. m. 32 a Abs. 2 EStG; vgl. hierzu ausführlich Krumsiek,S. 5 fJ.. 7

8

8. Kap.: Sozialleistungen als Ausgleich normalen Unterhalts

113

wenn sie die Zusammenveranlagung statt der getrennten Veranlagung wählen. Bei der Zusammenveranlagung der Ehegatten wird die Einkommensteuer in der Weise ermittelt, daß die Steuerschuld von der Hälfte des zu versteuernden Betrages errechnet und der sich daraus ergebende Steuerbetrag dann verdoppelt wird. Der Splitting-Effekt besteht darin, daß die Ehegatten zum einen den Grundfreibetrag von 1 680 DM doppelt erhalten und zum anderen, daß die Steuerprogression erheblich abgeschwächt wird20 . Der Splitting-Effekt führt "vom System her"21 bei größeren Einkommen unvermeidlich zu einer größeren Entlastung als bei niedrigen Einkommen. Er kann nach Berechnungen des Familienberichts2 2. im günstigsten Falle bis zu 11 281 DM jährlich ausmachen. Er ist am wirksamsten, wenn nur einer der Ehegatten Einkommen bezieht. Seine Bedeutung läßt nach, wenn beide Ehegatten Einkommen haben. Der Effekt hebt sich auf, wenn das Einkommen bei der Ehegatten gleich hoch ist23 , 24. 2 Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen an Kinder 21 Zuschläge zu dem Arbeits- oder Sozialeinkommen

Die wegen Kinder gezahlten Zuschläge zum Arbeits- oder Sozialeinkommen lassen sich unterscheiden in Leistungen des allgemeinen Kinderlastenausgleichs, in Erhöhungen sonstiger Sozialleistungen und in Zuschläge auf Grund der beamtenrechtlichen Alimentation. Leistungen des allgemeinen Kinderlastenausgleichs schließen grundsätzlich einander aus. So wird Kindergeld nach dem BKGG nicht gewährt, wenn entsprechende Zuschläge nach sonstigen Gesetzen gezahlt werden25 • Leistungen des allgemeinen Kinderlastenausgleichs und Erhöhungen sonstiger Sozialleistungen wegen Kinder kumulieren jedoch, d. h., um ein Beispiel zu bringen, der Arbeitslose kann sowohl Kindergeld nach BKGG als auch den Familienzuschlag zu dem Arbeitslosengeld beziehen. Vgl. hierzu ausführlich Familienbericht, S. 114. Ebd. %2 Ebd. 23 Das Splitting-Verfahren ist eingeführt worden, nachdem das BVerfG (E 6, 55/77 ff. /; a. A. BFHE 60, 115) den früheren § 26 EStG wegen Verstoßes gegen Art. 6 GG für ungültig erklärt hatte, der nur die Zusammenveranlagung (ohne Splitting) als Form der Ehegattenbesteuerung zuließ, wobei aber ein Ehegattenfreibetrag von 600 DM eingeräumt wurde (§ 26 d Abs. 2 EStG 1957). Dieser Freibetrag konnte jedoch nicht ausräumen, daß sich durch die Zusammenveranlagung von Ehegatten infolge der Progression eine erhöhte Steuerpflicht ergab. 24 Vgl. außerdem den Ehegattenfreibetrag in § 5 Abs. 1, 2 VStG. 25 §§ 7, 8 BKGG; vgl. insgesamt: Wickenhagen - Krebs, Bundeskindergeldgesetz, § 8 Anm. 4 ff.; s. a. § 33 b Abs. 5 BVG. 20

!1

8 Ruland

114 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen Leistungen des allgemeinen Kinderlastenausgleichs sind: -

Kindergeld nach BKGG, das bei Einkommen unter 15 000 DM bereits ab dem zweiten Kind gezahlt wird, und zwar in Höhe von 25 DM für das zweite Kind, je 60 DM für das dritte und vierte und 70 DM für das fünfte und jedes weitere Kind26 ;

-

Kinderzulagen für Schwerbeschädigte in der Unfallversicherung, die für jedes Kind gezahlt werden und die ein Zehntel der Rente betragen, mindestens aber ebenso hoch sind, wie die Leistungen nach demBKGG27;

-

Kinderzuschüsse zu den Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit und zu dem Altersruhegeld, die bereits ab dem ersten Kind erbracht werden und jeweils ein Zehntel der für die Berechnung der Rente maßgebenden allgemeinen Bemessungsgrundlage ausmachen 28 , und 1970 81,50 (86)29 DM für laufende und 82,40 (86,90) DM für neuzugegangene Renten ausmachtenSO;

-

Kinderzuschläge zu den Dienstbezügen31 und zu den Versorgungsbezügen der Beamten und ihrer Hinterbliebenen, wobei auch die Waisen selbst den Kinderzuschlag erhalten können, wenn eine Witwen(Witwer-)rente nicht zu gewähren ist3 2, in Höhe von 50 DM für jedes Kind33 ;

-

entsprechende Zuschläge für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst34 ;

-

und die Kinderzuschläge im Versorgungsrecht, die für jedes Kind in Höhe des gesetzlichen Kindergeldes zu zahlen sind, das für das dritte Kind vorgesehen ist, auf die jedoch sonstige Leistungen für das Kind angerechnet werden35 •

Der allgemeine Kinderlastenausgleich wird noch dadurch ergänzt, daß Wohngeldempfängern, in deren Haushalt Kinder leben, ein höherer Wohnraumbedarf und damit u. U. auch ein höheres Wohngeld zuerkannt wird36 . 26

27

28

§ 10 BKGG. § 583 RVO. §§ 1262 RVO; 39 AVG; 60 RKG.

In Klammern Angaben für die knappschaftliche Rentenversicherung. Vgl. Schewe - Nordhorn, S. 165. 31 § 18 BBesG. 32 §§ 156 Abs. 2 BBG; 82 Abs. 1 BRRG. 33 § 18 Abs. 6 BBesG. 34 §§ 31 BAT; 41 MTV. 35 § 33 b Abs. 5 BVG; diese Kinderzuschläge sind somit subsidiär gegenüber dem Kindergeld nach dem BKGG. 36 Vgl. §§ 4 Abs. 1; 8 Abs. 1 WohnGG. 29

30

8. Kap.: Sozialleistungen als Ausgleich normalen Unterhalts

115

Zuzüglich zu den Leistungen des allgemeinen Kinderlastenausgleichs werden Sozialleistungen, wenn ihr Empfänger Kindern Unterhalt leistet, in fast all den Fällen erhöht, in denen auch Unterhaltsleistungen an den Ehegatten zu Erhöhungen führen. -

Angehörige des öffentlichen Dienstes - mit Ausnahme der Arbeiter - erhalten, wenn sie verheiratet sind und Kinder haben, einen erhöhten Ortszuschlag. Die Erhöhung macht bei dem ersten Kind 43 DM, bei dem zweiten bis zu dem fünften Kind je 50 DM und bei jedem weiteren Kind 62 DM aus 37 • - In der gesetzlichen Krankenversicherung erhöht sich das Krankengeld für ganz oder überwiegend unterhaltene Kinder um 4 bzw. 3 % des Regellohns 38 • - Entsprechendes gilt für das Verletztengeld39 • - In der Arbeitslosenversicherung wird für jedes Kind, für das dem Arbeitslosen ein Steuerfreibetrag zusteht, ein Familienzuschlag von 12 DM wöchentlich gewährt 40 • - Die Unterhaltshilfe des Lastenausgleichsrechts erhöht sich für jedes Kind um 95 DM41. - Die nach dem USG zu zahlende Verdienstausfallentschädigung beträgt statt 70 90 Ufo des infolge des Wehrdienstes ausgefallenen Einkommens, wenn der Wehrpflichtige eheliche, adoptierte oder Stiefkinder zu unterhalten hat42 • - Zu bemerken ist noch, daß im Kriegsopferversorgungsrecht Schwerbeschädigte, auch wenn ihre Ehe durch Tod oder Scheidung aufgelöst ist, den Ehegattenzuschlag erhalten, wenn sie im eigenen Haushalt für Kinder sorgen43 • Diese Leistungen werden für jedes Kind immer nur einmal gewährt. Wenn für ein Kind nun mehrere Personen die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, richtet sich in dem BKGG die Auszahlung, wenn mehrere Eltern, etwa Pflegeeltern und leibliche Eltern, anspruchsberechtigt sind, nach einer im Gesetz festgelegten Rangfolge, die auf die tatsächliche Unterhaltsgewährung abstellt; wenn Vater und Mutter die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen und sie keinen Berechtigten bestimmt haben, danach, wer das Kind überwiegend unterhält. Das Kindergeld wird jedoch der Mutter gezahlt, wenn ihr die Sorge für die Person des 37 Vgl. § 15 Abs. 3 BBesG mit Anlage II; auch Engelking, Berücksichtigung von Kindern beim Ortszuschlag, ZBR 1962, 355. 38 §§ 182 Abs. 4, 4 a RVO. 39 § 560 RVO. 40 § 113 Abs. 1 AFG. 41 § 269 Abs. 2 LAG. 42 §§ 13 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 3 Abs. 1 Ziff. 2-4 USG. 43 § 33 a Abs. 1 S. 2 BVG.

8"

116 II. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

Kindes alleine zusteht. In den übrigen Fällen entscheidet das Vormundschaftsgericht44 • Entsprechende Regelungen sehen auch die übrigen Gesetze vor45 • 22 Steuerermäßigungen

Im Steuerrecht werden Unterhaltsleistungen an Kinder dadurch berücksichtigt, daß dem Steuerpflichtigen ihretwegen Kinderfreibeträge eingeräumt werden, die von dem zu versteuernden Einkommen abzuziehen sind, und zwar in Höhe von für das erste Kind 1 200 DM, für das zweite Kind 1 680 DM und für jedes weitere Kind 1 800 DM jährlich46 • Die dadurch eintretende Steuerermäßigung macht bei Eheleuten bis zu einem Einkommen von 16000 DM jährlich ("Proportionalzone") für das erste Kind 19,- DM, für das zweite Kind 26,60 DM und für jedes weitere Kind 28,80 DM monatlich aus. Bei zu versteuernden Einkommen von über 16000 DM bis zu 110000 DM ("Progressionszone") beträgt die Steuerentlastung zwischen 19 und 53 Ofo des jeweiligen Kinderfreibetrages. In der "oberen Proportionalzone" , d. h. bei zu versteuernden Einkommen ab 110000 DM jährlich führen die Kinderfreibeträge zu einer Entlastung von monatlich 53,- DM für das erste, 74,20 DM für das zweite und 79,50 DM für jedes weitere Kind47 • Eine weitere, wegen Kinder eingeräumte Steuerermäßigung ist darin zu sehen, daß auch verwitwete Personen, solange sie Kinderfreibeträge erhalten, in den Genuß des Splitting-Effekts kommen48 , 49. 3 Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen an sonstige Personen - mit einem Exkurs über den Begriff des "Angehörigen" 31 Zuschläge zu dem Arbeits- oder Sozialeinkommen

Unterhaltsleistungen an sonstige Personen führen nur in Ausnahmefällen zu Einkommenszuschlägen oder zu Steuerermäßigungen. Im Beamtenbesoldungsrecht erhalten den höheren Ortszuschlag der Stufe 2 sowohl geschiedene Beamte und Beamte, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt wurde, als auch ledige Beamte, die in ihrer Wohnung einer anderen Person nicht nur vorübergehend Unterhalt gewähren, Vgl. § 3 BKGG; s. a. Medick, FamRZ 1971, 238. §§ 1262 Abs. 6 RVO; 19 Abs. 2 BBesG; 113 Abs. 2 AFG. 46 § 32 EStG. 47 Zu diesen Angaben vgl. Bünger, S. 143 ff.; Familienbericht, S. 111; Krause, FamRZ 1969, 617; Schewe - Nordhorn, S. 166; s. a. Sozialenquete, Nr. 885 S. 317 (einschl. Tabelle 29, S. 319). 48 Vgl. § 32 a Abs. 3 Ziff. 2 EStG; vgl. auch BFH, BB 1965, 1137, wonach die Splitting-Vergünstigung für Witwen mit Kindern auch nach Auflösung einer weiteren Ehe besteht. 49 Vgl. auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 vstG. 4(

45

8. Kap.: Sozialleistungen als Ausgleich normalen Unterhalts

117

weil sie gesetzlich oder sittlich dazu verpflichtet sind oder aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen50 . Sowohl das Krankengeld der Krankenversicherung51 als auch das Verletztengeld der Unfallversicherung52 erhöhen sich für jeden "Angehörigen", den der Versicherte bisher ganz oder überwiegend unterhalten hat, um 4 bzw. 3 Ofo des Regellohns. Exkurs: Der Begriff des "Angehörigen"

Der Begriff des "Angehörigen" wird im Sozialrecht und insbesondere in der RVO häufig verwendet 53 , ohne daß er jedoch des näheren definiert ist. Lediglich § 635 RVO führt als "Angehörige" auf: den Ehegatten und, jeweils von dem unmittelbar Gesicherten54 und seinem Ehegatten, die Verwandten auf- und absteigender Linie, die Personen, die in § 583 Abs. 5 RVO den ehelichen Kindern gleichgestellt sind und die Geschwister. Die Rechtsprechung - und ihr folgend die Literatur 55 - stellt, abgesehen von dem Fall des Ehegatten, darauf ab, ob eine rechtlich anerkannte Verwandtschaft oder Schwägerschaft besteht56 , ohne daß es auf eine auch nur objektive (potentielle) Unterhaltspflicht ankommt57 . So wurden beispielsweise Geschwister 58 , Schwiegermütter 59 und Neffen 60 als Angehörige anerkannt, nicht aber der geschiedene Ehegatte61 oder die (der) Verlobte, auch wenn sie (er) mit dem unmittelbar Gesicherten in einer ehe ähnlichen Gemeinschaft lebt62 . Dieser Rechtsprechung zufolge gehören also auch Pflegekinder nicht zu den "Angehörigen"63 obwohl sie, da sie in § 583 Abs. 5 Ziff. 7 RVO genannt sind, zu den "Angehörigen" i. S. des § 635 RVO zählen. (Ende des Exkurses) Im Wohngeldrecht werden mit in dem Haushalt lebende Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie und zweiten und dritten Grades 60

51 62 53

§ 15 Abs. 2 Ziff. 2, 4 BBesG. § 182 Abs. 4, 4 a RVO. § 560 RVO. §§ 176 Abs. 1 Ziff. 1; 176 a Abs. 2; 182 Abs. 4, 4 a; 205 Abs. 3 S. 1; 216

Abs. 1 Ziff. 1; 635; 1277 Abs. 2 S. 3; 1510, 1531 RVO. 64 In § 635 RVO: dem Unternehmer. 55 Hirsch, Begriff des Angehörigen, SozVers. 1949, 292; Nicolai, SozVers. 1959, 129 ff.; Peters, Handbuch § 186 Anm. 6; Siefert, SozVers. 1960, 195; vgl. auch Schmieta, S. 2 ff. 58 Grundlegend: RVA, AN 1916, 347. 57 Hierzu insbes. Siefert, SozVers. 1969 195. 58 Oberbergamt Breslau, Arb. Vers. 1906, 718. 5g OVA Württemberg-Hohenzollern, Breith. 1953, 832. co BadVGH, Arb. Vers. 1907, 15. Cl RVA, AN 1936, 326; vgl. auch BSGE 3, 197 (200); LSG BerUn, ZfS 1962, 141 (142). ' C2 RVA, AN 1942, 253; 1929, 297. 83 So auch Siefert, SozVers. 1960, 195 (196).

118 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozial recht ergebenden Beziehungen

sowie Pflegeeltern bei der Festsetzung des Wohngeldes anspruchserhöhend berücksichtigt64. 32 Steuerermäßigungen

Im Steuerrecht wird zwangsläufig erwachsenen Aufwendungen für den Unterhalt an Personen, für die der Steuerpflichtige keinen Kinderfreibetrag erhält, als "außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen" in der Weise Rechnung getragen, daß sie mit höchstens 1200 DM für jede unterhaltene Person von dem zu versteuernden Betrag abgesetzt werden können65 • Einkommen der unterhaltenen Personen wird jedoch, soweit es 1 200 DM übersteigt, auf den Freibetrag angerechnet66 • Ansonsten kann der Steuerpflichtige die für den (normalen) Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge oder Zuwendungen an eine ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigte Person oder deren Ehegatten grundsätzlich nicht von der Steuer absetzen67 • Insoweit kommt es bei einer Leistung an einen objektiv Unterhaltsberechtigten nicht darauf an, ob die subjektiven Voraussetzungen für eine Unterhaltspflicht vorliegen. Ausreichend ist, daß zwischen den Beteiligten ein verwandtschaftliches Band besteht, das die Grundlage der gesetzlichen Unterhaltspflicht bildet, und daß auf dieser Grundlage Leistungen zur Erleichterung der Lebenshaltung erbracht werden68 . Daher ist die Rente des allein schuldig geschiedenen Ehemannes an die somit objektiv unterhaltsberechtigte Ehefrau, soweit sie 1 200 DM im Jahr übersteigt, nicht abzugsfähig 69 • Besteht jedoch keine gesetzliche Unterhaltspflicht, z. B. gegenüber der allein- oder mitschuldig geschiedenen Ehefrau, so ist die Rente, die ihr gezahlt wird, insgesamt abzugsfähig70 , wenn sie - damit sie der abzugsfähigen Leibrente gleichgesetzt werden kann71 - auf grund einer §§ 4 Abs. 1 Ziff. 2, 3, 7 i. V. m. 8 Abs. 1 WohnGG. Bis zu dem Steuerneuregelungsgesetz 1954 wurde bei der Anerkennung der Unterhaltsleistungen den individuellen Verhältnissen Rechnung getragen, vgl. BFH, BStBl. II!, 1953, 170; 1954, 313; kritisch hierzu Höft, Die Behandlung des Unterhalts von Angehörigen nach § 33 EStG, StuW 1951, 751. 66 § 33 a Abs. 1 EStG; "Zwangsläufig" sind die Aufwendungen dann, wenn sich der Steuerpflichtige ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen angemessen sind (§ 33 Abs. 2 EStG). 67 Vgl. § 12 Ziff. 1, 2 EStG. 68 Vgl. BFH, BStBl. II! 1961, 188; B.lümich - Falk, § 12 Anm. 8. 69 BFH, DB 1971, 414; BStBl. II! 1970, 376; bei dem Vorliegen einer Gegenleistung; BFH, DStR 1967, 228; s. a. Krah, Renten, dauernde Lasten und Rechtsprechung des BFH, DStR 1967, 228; zur Behandlung der Unterhaltsvereinbarung nach § 72 EheG: BFH, Betr. 1971, 2451; s. a. BFH, BStBl. I!I 64 65

1971,184. 70 BWmich - Falk, § 12 Anm. 8; s. a. BFH, BStBl. I!I 1967, 245; 1959, 345; 1957,263. 71 Hierzu BFH, NJW 1967, 1535; BStBl. II!, 1965, 1137; s. a. FG Düsseldorf, DStR 1968, 255.

9. Kap.: Sicherung bei Unterhaltsmehrbedarf

119

bürgerlich-rechtlich wirksamen Verpflichtung für mindestens 10 Jahre in gleicher Höhe gezahlt wird72 • Da der BFH eine solche Verpflichtung als Schenkungsversprechen ansieht, ist zu ihrer Wirksamkeit gern. § 518 Abs. 1 BGB eine gerichtliche oder notarielle Beurkundung erforderlich73 • Soweit diese Unterhaltsleistungen als dauernde Lasten (§ 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) abgezogen werden können, hat sie jedoch der Empfänger gern. § 22 Ziff. 1 EStG zu versteuern 74 •

9. Kapitel

Die abgeleitete bzw. abgeleitet-mittelbare Sicherung bei gesteigertem Unterhaltsbedarf Zahlreiche Leistungen sozialer Sicherung knüpfen an besondere Unterhaltsbedürfnisse, wie etwa den durch eine Krankheit oder eine Ausbildung hervorgerufenen Mehrbedarf, an. Diese Leistungen können mit dem familiären Unterhalt in dreifacher Beziehung stehen: (a) Werden sie der Person unmittelbar gewährt, bei der dieses Unterhaltsbedürfnis entstanden ist, dann entlasten sie denjenigen, der ihr möglicherweise hätte Unterhalt leisten müssen. Es handelt sich insoweit um eine Beziehung zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit, die ihren spezifischen Ausgangspunkt im Unterhaltsrecht, und zwar in der Aufhebung der Bedürftigkeit, hat und die hier noch nicht erörtert werden sol11. (b) Solche Leistungen können, insbesondere in Systemen gehobener sozialer Sicherung, die nur einen bestimmten, gesetzlich fest umrissenen Personenkreis sichern, Personen gewährt werden, die dem unmi ttelbar gesicherten Personenkreis zwar nicht angehören, die aber unmittelbar Gesicherten gegenüber unterhaltsberechtigt sind. In diesen Fällen ist die dem unmittelbar Gesicherten gegenüber bestehende Unterhaltsberechtigung die "Eintrittskarte" in den Schutz dieses Systems gehobener sozialer Sicherung. Die Sicherung dieser Personen ist abgeleitet, d. h. in den Situationen gesteigerten Bedarfs wird der Angehörige nur gesichert, wenn und weil er einem unmittelbar Gesicherten gegenüber unterhaltsberechtigt ist. Diese abgeleiteten Leistungen kön.. nen einmal dem Unterhaltsbedürftigen erbracht werden, um ihn unmittelbar zu sichern. BFH, BStBl. In 1963, 563. BFH, BStBl. In 1960, 424. 74 BFH, BStBl. In 1959, 345; dazu Oswald, Die Einkommenbesteuerung der Unterhaltsrenten nach der Ehescheidung, FR 1971, 365. 1 s. u. 15. Kap., sub 12. 72 73

120 II. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozial recht ergebenden Beziehungen

(c) Sie können zum andern dem Unterhaltspflichtigen gewährt werden, um seine Leistungsfähigkeit auch diesem gesteigerten Bedarf gegenüber sicherzustellen, um ihm die besonderen Unterhaltsbelastungen abzunehmen bzw. sie zumindest teilweise auszugleichen und um damit auch den bedürftigen Angehörigen mittelbar zu sichern. Beide Methoden führen zwar regelmäßig zu dem gleichen Ergebnis. Der Unterhaltsbedürftige wird in solchen Situationen gesteigerten Bedarfs gesichert, der Unterhaltspflichtige entlastet. Der wesentliche Unter~ schied liegt aber darin, daß, werden die Leistungen dem bedürftigen Angehörigen selbst erbracht, er abgeleitet-unmittelbar, er im anderen Falle aber nur abgeleitet-mittelbar gesichert wird, d. h. unter Zwischenschaltung des familiären Unterhalts.

1 Die Ausgangstatbestände Diesen abgeleitet-unmittelbaren bzw. abgeleitet-mittelbaren Leistungen liegen als unmittelbare bzw. mittelbare Ausgangstatbestände zu Grunde: -

Krankheit, Schwangerschaft, Gebrechen, (Tod) oder Ausbildung.

An Leistungstypen lassen sich auch hier unterscheiden: positive Leistungen, d. h. Geld-, Sach- oder Dienstleistungen und Steuerermäßigungen. Bei Steuerermäßigungen ist der unmittelbare Ausgangstatbestand, die geminderte steuerliche Belastbarkeit des Leistungsträgers, eindeutig. Krankheit oder Ausbildung sind ihnen nur mittelbare Ausgangstatbestände. Krankheit von Angehörigen ist ebenfalls nur mittelbarer Ausgangstatbestand in der gesetzlichen Krankenversicherung (Familienhilfe)2, in der beamtenrechtlichen Beihilfe3 , bei der Heilbehandlung in dem Kriegsopferversorgungsrecht4, der Krankenversorgung in dem Verfolgtenversorgungsrecht5 und in der Krankenversorgung für Empfänger der Unterhaltshilfe im Lastenausgleichsrecht6 • Die Ausbildung eines Angehörigen, die überwiegend dem Angehörigen selbst, d. h. unmittelbar gewährt wird, ist, nachdem die Ausbildungszulage1 gestrichen worden ist, nur als Ausnahmefall mittelbarer Ausgangstatbestand von !

§§ 205 f. RVO.

Nr. 2 BhV. 4 § 10 Abs. 4 BVG. 5 § 141 a Abs. 2 BEG. 8 § 276 Abs. 1 S. 2 LAG. 7 § 14 a BKGG i. d. F. des ÄndG v. 5.4. 1965 (BGBl. I, 222), aufgehoben durch Art. 10 Nr. 7 FinanzändG v. 21. 12. 1967 (BGBl. I, 1259); hierzu BSG, 3

NJW 1969, 111.

9. Kap.: Sicherung bei Unterhaltsmehrbedarf positiven Leistungen der sozialen Sicherheit, und zwar in der opferfürsorge8 und in der Verfolgtenversorgung9 •

121 Kriegs~

Daß in all diesen Fällen unmittelbarer Ausgangstatbestand die Unterhaltsbelastung des diesen Systemen unmittelbar Zugeordneten ist, und daß Krankheit und Ausbildung nur mittelbare Ausgangstatbestände sind, und daß demnach die Sicherung der betreffenden Angehörigen in diesen Fällen auch nur eine mittelbare ist, läßt sich am deutlichsten an Hand der Anspruchsberechtigung auf diese Leistungen aufzeigen. Anspruchsberechtigt ist in all diesen Fällen grundsätzlich allein der unmittelbar Gesicherte. Erst nach seinem Tode geht, sofern die Angehörigen diese Leistungen weiter beziehen können10 , die Anspruchsberechtigung auf die Angehörigen über. So ist alleine der Beamte beihilfeberechtigtl1 • In der Krankenversicherung erhält der Versicherte für den unterhaltsberechtigten Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Kinder Familienhilfe (§ 205 RVO). Der Versicherte - und nicht seine Frau - kann Mutterschaftshilfe beantragen (§ 205 a Abs. 1 RVO). Diese Anspruchsberechtigung bei der Familienhilfe ist nach heutigem Recht unbestritten 12• Früher war sie jedoch in Frage gestellt. Während das Pr. OVG die Rechtslage unter dem Krankenversicherungsgesetz von 1883 noch dahingehend klärte, "daß der Kasse nur die Mitglieder selbst als forderungsberechtigte Gläubiger gegenüberstehen"13, räumte die RVO ursprünglich den Familienangehörigen eigene Ansprüche auf Familienhilfe ein14 . Dennoch entschied das RVA15, daß das Gesetz an der früheren Rechtslage nichts habe ändern wollen und daß auch weiterhin "Träger des Anspruches auf Familienhilfe nicht die Angehörigen, sondern die Versicherten selbst sind". Diesen Standpunkt übernahm dann auch später der Gesetzgeber16. Da demnach allein der Verdiener anspruchsberechtigt ist, kann der Angehörige nur über seinen Unterhalts anspruch gegen den Verdiener in den Genuß der Leistung kommen. Das bedeutet, erst der Unterhaltsanspruch leitet die Sozialleistung zu dem Bedürfnis, das Anlaß der 8 D

10 11 12

§ 27 BVG. § 119 BEG.

Vgl. hierzu §§ 214 Abs. 4; 313 Abs. 4 RVO; Nr. 1 Abs. 1 Ziff. 3 BhV. BVerwGE 23, 288 (290); BArbG, FamRZ 1969, 537 (538). St. Rspr. des BSG, vgl. BSGE 9, 112 (123); 14, 261 (264); 17, 186 (189);

22, 252 (255).

Pr.OVG 16, 359 (361); vgl. a. BadVerwGH, Reger 16, 169 (171). Vgl. § 205 RVO i. d. F. v. 19.7.1911 (RGBl. S. 509); Relikte finden sich z. B. in den §§ 218, 219 RVO, dort ist die Rede von den "berechtigten Familienmitgliedern" . 15 RVA, AN 1918, 424 (GE 2472); vgl. zu diesem Urteil auch Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 23 Anm. 49. 16 § 205 RVO i. d. F. des 4. Abschnittes, 2. Titels, Art. 1 Nr. 19 der VO des Reichspräsidenten zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände vom 26.7.1930 (RGBl. I, 311, 323). 13 14

122 II. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozial recht ergebenden Beziehungen

Sozialleistung war. Die Sozialleistung kommt dem Angehörigen als Unterhaltsleistung des Verdieners zu Gute. Von dem Gesicherten aus gesehen, will die gesetzliche Krankenversicherung somit "dem Versicherten mit der Familienhilfe Lasten abnehmen, die er, wäre er nicht versichert, selbst zu tragen hätte .... Familienhilfe bedeutet hiernach Abnahme von Unterhaltslast durch den Versicherungsträger"17. Entsprechendes gilt für die übrigen Leistungen18. Diese grundsätzliche Verteilung der Anspruchsberechtigung gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Im Unterhaltssicherungsrecht steht ausnahmsweise den Familienangehörigen selbst der Anspruch auf Krankenhilfe zu. § 4 Abs. 1 USG bestimmt, daß "die Familienangehörigen Anspruch auf Leistungen zur Unterhaltssicherung" haben, zu denen als Sonderleistung auch die Krankenhilfe zähW 9 • Insoweit ist also die Krankheit des Angehörigen unmittelbarer Ausgangstatbestand. 2 Der mitgesicherte Personenkreis 21 Die bei Krankheit mitgesicherten Angehörigen

Diese meist abgeleitet-mittelbare Sicherung besteht, soweit die Sicherung bei Krankheit in Frage steht, regelmäßig nur zugunsten des Ehegatten und der Kinder 20 • Sie sind mitgesichert -

in der gesetzlichen Krankenversicherung (Familienhilfe), wenn sie unterhaltsberechtigt und nicht selbst krankenversichert sind21 ; in der beamtenrechtlichen Beihilfe, wenn sie nicht selbst beihilfeberechtigt sind22 ; im Kriegsopferversorgungsrecht, wenn sie nicht einen sonstigen Anspruch auf Heilbehandlung haben23 ; in der Krankenhilfe nach dem USG, wenn sie nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch gegen den Wehrpflichtigen haben oder hätten, wäre er nicht eingezogen worden24 ;

-

BSGE 10, 28 (30). Vgl. etwa § 141 a Abs. 2 BEG: "Der Verfolgte hat Anspruch auf Krankenversorgung auch für den Ehegatten und die Kinder"; oder § 10 Abs. 4 lit. a BVG: "Krankenbehandlung wird gewährt dem Schwerbeschädigten für den Ehegatten und die Kinder." 19 Allerdings ist § 9 Abs. 1 USG in Betracht zu ziehen, wonach diese Leistungen, auch soweit sie Kindern zustehen, normalerweise der Ehefrau des Wehrpflichtigen ausgezahlt werden. 20 s. die Bemerkung o. Kap. 7 Anm. 2. 21 § 205 RVO; der Unterhaltsanspruch des ehelichen Kindes gegen einen Elternteil ist kein gesetzlicher Anspruch auf Krankenpflege, der den Anspruch des anderen Ehegatten auf Familienhilfe ausschließt, BSGE 11, 30. 22 Nr. 2 BhV. 23 § 10 Abs. 4 lit. a BVG. 24 §§ 7 Abs. 1, 2 i. V. m. 3 Abs. 1,2 USG. 17

18

9. Kap.: Sicherung bei Unterhaltsmehrbedarf -

-

-

123

in der Krankenversorgung für Empfänger der Unterhaltshilfe nach dem LAG, sofern der Ehegatte nicht dauernd getrennt lebt und die Kinder überwiegend unterhalten werden, und keine sonstigen An~ sprüche auf Krankenbehandlung bestehen2.5; und in der Krankenversorgung im Verfolgtenversorgungsrecht, wenn sie mit dem Verfolgten in häuslicher Gemeinschaft leben oder von ihm überwiegend unterhalten werden26 • Kosten, die dem Steuerpflichtigen wegen einer Krankheit dieser Personen entstanden sind, stellen in der Regel nicht abzugsfähige Kosten der Lebenshaltung dar. Kommen jedoch zu diesen Aufwendungen außergewöhnliche hinzu, etwa für ärztliche Betreuung oder Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, dann können die dadurch entstehenden Mehraufwendungen - neben dem Kinderfreibetrag als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden27 •

Sonstige Personen außer dem Ehegatten und den Kindern werden nur in Ausnahmefällen berücksichtigt. Unter den oben genannten jeweiligen Voraussetzungen kann -

der Beamte in Geburtsfällen für die nichteheliche Mutter seines nichtehelichen Kindes Beihilfe 28 ; - der Schwerbeschädigte für Angehörige, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben und von ihm überwiegend unterhalten werden, Heilbehandlung29 und - der Steuerpflichtige die Anerkennung der Kosten als außergewöhnliche Belastung beantragen. Außerdem kann die Satzung der gesetzlichen Krankenkassen die Familienkrankenpflege auf sonstige Angehörige erstrecken, die mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft leben, von ihm ganz oder überwiegend unterhalten werden und sich im Inland aufhalten30 • Zu bemerken ist noch, daß in der gesetzlichen Krankenversicherung dem früheren Ehegatten, der nicht zu dem Kreis der Angehörigen zählt, deretwegen Familienhilfe gewährt wird oder werden kann31 , das (abgeleitete) Recht der Weiterversicherung zusteht32 • Macht er von diesem 25 §§ 276 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 269 Abs. 2 LAG; im Falle des § 274 LAG ist nur der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte mitgesichert (vgl. § 276 Abs. 1 S. 2, 2. Halbsatz LAG). Z6 § 141 a Abs. 2 BEG. 27 BFH, BStEl. III, 1965, 169; 1958,407. 28 Nr. 2 Abs. 1 Nr. 2 c BhV. 29 § 10 Abs. 4 lit. a BVG. 30 § 205 Abs. 3 S. 1 RVO. 31 RVA, AN 1936, 326; 1929, 324; a.A. wohl Peters, Handbuch, § 205 Anm. 8 a; er ist auch nicht beihilfeberechtigt, vgl. OVG Lüneburg, ZBR 1972, 159. 32 § 313 Abs. 4 S. 2 lit. a RVO.

124 II. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

Recht Gebrauch, dann ist er unabhängig von dem früheren Ehegatten versichert. Diese Unabhängigkeit kommt aber auch darin zum Ausdruck, daß er seinerseits Beiträge in satzungsmäßiger Höhe zu zahlen hat33 • Die meist abgeleitet-mittelbare Sicherung umfaßt entweder wie in der Krankenversicherung - und das ist die Regel - die Gewährung von Krankenpflege (ärztliche Leistungen und Arzneien) bzw. Krankenhauspflege und Sterbegeld oder - ausnahmsweise - wie bei der Beihilfe die Gewährung von Zuschüssen zu den Kosten, die der Unterhaltspflichtige aufgewendet hatte. Diese Zuschüsse decken jedoch, entsprechend dem jeweiligen Beihilfesatz, immer nur einen gewissen Prozentsatz der Aufwendungen. Der Beihilfesatz steigt mit zunehmender Familiengröße34 • 22 Die abgeleitet-mittelbare Ausbildungsförderung

Unterhaltsmehrbelastungen, die durch die Kosten der Ausbildung eines Angehörigen entstehen, werden nur selten berücksichtigt. Kriegsbeschädigten werden für Kinder Erziehungsbeihilfen gewährt, wenn und soweit für die Erziehung und Ausbildung Mittel des Kindes und eigene Mittel des Beschädigten nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen35'. Im Steuerrecht werden Ausbildungskosten, die der Steuerpflichtige für seinen Ehegatten aufgewendet hat, als Sonderausgaben bis zur Höhe von 900 DM, bei auswärtiger Unterbringung bis zur Höhe von 1200 DM anerkannt36 • Ausbildungskosten der Eltern für ihre Kinder sind durch den Kinderfreibetrag abgegolten37 • Erwachsen dem Steuerpflichtigen jedoch Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung eines in der Berufsausbildung befindlichen Kindes, für das sie einen Kinderfreibetrag erhalten, so wird ihnen auf Antrag, unabhängig von der tatsächlichen Höhe der Aufwendungen38, ein Steuerfreibetrag von 1200 DM gewährt39 • Darüber hinaus ist noch zu erwähnen, daß die Leistungen, die an oder für Kinder gewährt werden, über die normale Altersgrenze von 18 Jahren hinaus u. U. bis zum 27. Lebensjahr gezahlt werden, wenn sich das Kind in einer Ausbildung befindet.

33 34 35 36

31 38

39

Peters, Handbuch, § 313 Anm. 10 c.

Nr. 12 Abs. 1 BhV; vgl. auch § 119 BEG. Abs. 3 BVG. Abs. 1 Ziff. 9 RStG; zum früheren Recht: FG Rh. Pf., DStR 1967, 483. BFH, BStBI. III 1958,407. BFH, BStBl. III 1962, 287. § 33 a Abs. 2 EStG. § 27 § 10

10. Kap.: Sozialleistungen bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers

125

10. Kapitel

Sozialleistungen bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers 1 Ausgangstatbestände Der Ausfall des Unterhaltsträgers ist in zwei Fällen Ausgangstatbestand von Sozialleistungen. Die Rentenversicherungen, die Beamtenversorgung, die Unfallversicherung, die Kriegsopfer- und die Verfolgtenversorgung gewähren den Hinterbliebenen des Gesicherten, Beschädigten oder Verfolgten Hinterbliebenenleistungen, wenn die in den Vorsorgesystemen Gesicherten die jeweiligen Voraussetzungen (Wartezeit, nicht jedoch zehnjährige Dienstzeit bei Beamten1) erfüllt haben bzw. wenn der Beschädigte oder der Verfolgte auf Grund des Unfalls bzw. der Beschädigung oder der Verfolgung gestorben ist. Dabei wird dem Tod die Verschollenheit gleichgesetzt2 • Darüber hinaus löst der Ausfall des Unterhaltsträgers nur dann Sozialleistungen aus, wenn er darauf beruht, daß der noch keine 25 Jahre alte Unterhaltsträger zum Wehrdienst eingezogen wurde und den Grundwehrdienst ableistet (§ 2 Ziff. 1 USG). Die Angehörigen dieses Wehrpflichtigen werden für den Verlust des Unterhaltsträgers durch Leistungen der Unterhaltssicherung entschädigt. 2 Der Kreis der gesicherten Angehörigen 21 Die Ehefrau (die Witwe)

Soweit bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers Leistungen gewährt werden, gehört die Ehefrau immer - wenn auch häufig unter verschiedenen Voraussetzungen - zu den Begünstigten. -

Die nach bürgerlichem Recht unterhaltsberechtigte Ehefrau hat Anspruch auf die Unterhaltssicherungsleistungen, wenn ihr Mann zur Ableistung seines Wehrdienstes eingezogen worden ists.

-

In den Rentenversicherungen - mit Ausnahme der Altershilfe für Landwirte - erhält die Witwe 4 ohne jede weitere Voraussetzung Hinterbliebenenrente ("unbedingte Witwenrente ")5. Diese macht, wenn die Witwe das 45. Lebensjahr vollendet hat oder berufs- bzw. erwerbsunfähig ist oder mindestens ein waisenrentenberechtigtes

Vgl. §§ 123 Abs. 2, 126 Abs. 3 BBG. Vgl. z. B. § 1271 RVO. 3 §§ 3 Abs. 1 Ziff. 1; 4 Abs. 1 USG. 4 Allerdings nur bei Bestehen einer nach deutschem Recht gültigen Ehe, vgl. BSG, SGb 1972, 215; 95; billiger sind wohl die Entscheidungen des VG Berlin (FamRZ 1955, 70) und des SG Speyer (SGb 1972, 191). 5 §§ 1264 RVO; 41 AVG; 64 RKG. 1

2

126 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

-

-

Kind zu erziehen hat 6, 60 Ofo der Altersrente des verstorbenen Versicherten ohne den Kinderzuschuß aus ("große Witwenrente"). Ansonsten beträgt sie nur 60 Ofo der Berufsunfähigkeitsrente ohne den Kinderzuschuß und ohne Berücksichtigung der Zurechnungszeiten ("kleine Witwenrente'')7. Witwen landwirtschaftlicher Unternehmer erhalten, sofern sie nicht selbst Unternehmer sind, Altersgeld, wenn die Ehe vor Vollendung des 65. Lebensjahres des verstorbenen Ehegatten geschlossen war oder die Witwe das 60. Lebensjahr vollendet hat (Altersgeld) bzw. erwerbsunfähig ist (vorzeitiges Altersgeld)8. Die Witwe erhält als "unverheirateter Berechtigter" Altersgeld in der gleichen Höhe wie ledige oder verwitwete landwirtschaftliche Unternehmer, derzeit 160 DM monatlich9 • Im Beamtenversorgungsrecht steht der Witwe des Beamten grundsätzlich ebenfalls ein "unbedingtes Witwengeld" zu. Hat die Ehe mit dem Verstorbenen jedoch nicht länger als drei Monate gedauert, und ist die Annahme gerechtfertigt, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Ehe war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, oder ist die Ehe erst nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand und nach Vollendung seines 65. Lebensjahres geschlossen worden, dann ist der Anspruch auf Witwengeld ausgeschlossen1o • In diesen Fällen kann, wenn besondere Umstände es rechtfertigen, ein Unterhaltsbeitrag bis zur Höhe des Witwengeldes gewährt werden, auf den jedoch Einkünfte der Witwe angemessen anzurechnen sindl l . Das Witwengeld beträgt 60 Ofo des Ruhegehalts, das der Verstorbene erhalten hat oder hätte I2,. War die Witwe jedoch mehr als zwanzig Jahre jünger als der verstorbene Beamte, dann wird das Witwengeld im Verhältnis zu dem Altersunterschied gekürzt. Hat die Ehe jedoch länger als fünf Jahre gedauert, dann steigt das Witwengeld mit zunehmender Dauer der Ehe wieder anl3 •

-

In der Unfallversicherung steht der Witwe eine unbedingte Witwenrente zu. Sie beträgt jährlich zwei Fünftel des Jahresarbeitsverdienstes des Verunglückten, wenn die Witwe das 45. Lebensjahr

6 Es besteht z. B. dann kein Anspruch auf die "große Witwenrente", wenn und solange das Kind zur Fürsorgeerziehung in einem Heim untergebracht ist, BSG, SGb 1971, 90. 7 §§ 1268 Abs. 1,2 RVO; 45 Abs. 1,2 AVG; 69 Abs. 1, 2 RKG. 8 § 3 Abs. 1,2 GAL. 9 § 4 Abs. 1 GAL. 10 §§ 123 Abs. 1 BBG; 71 Abs. 1 BRRG. 11 § 125 BBG. 12 §§ 124 BBG; 72 BRRG. 13 §§ 129 BBG; 72 BRRG.

10. Kap.: Sozialleistungen bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers

127

vollendet hat oder berufs- oder erwerbsunfähig ist oder ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht, ansonsten drei Zehntel des Jahresarbeitsverdienstes14 • Wurde die Ehe erst nach dem Unfall geschlossen und trat der Tod des Verletzten innerhalb des ersten Ehejahres ein, so besteht kein Anspruch auf Witwenrente, es sei denn, besondere Umstände stehen der Annahme einer Versorgungsehe entgegen1S • Ist der Verletzte nicht an den Folgen des Unfalls gestorben, dann erhält die Witwe keine Rente, sondern eine einmalige Abfindung in Höhe von zwei FünfteIn des Jahresarbeitsverdienstes 16 • In der (beamtenrechtlichen) Unfall-Hinterbliebenenversorgung bezieht die Witwe 60 % des Unfallruhegehalts des verunglückten Beamten17 , sofern dieser an den Folgen des Dienstunfalles gestorben ist. Andernfalls erhält sie das normale Witwengeld, aber unter Zugrundelegung des Unfallruhegehalts des Beamten18 •

-

-

Das Kriegsopferversorgungsrecht räumt der Witwe grundsätzlich einen unbedingten Anspruch auf Hinterbliebenenrente ein - wobei die Ausgleichsrente allerdings von ihren speziellen Voraussetzungen abhängig ist1 9 • Ist die Ehe erst nach der Schädigung geschlossen worden und hat sie nicht mindestens ein Jahr gedauert, dann besteht kein Anspruch, es sei denn, daß nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Ehe war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen20 • Ist der Tod des Beschädigten nicht auf die kriegsbedingte Beschädigung zurückzuführen, steht der Witwe eine Beihilfe in Höhe von zwei Dritteln der entsprechenden Witwenrente ZU 21 •

-

Im Verfolgtenversorgungsrecht schließlich kann die Witwe eines bei oder infolge der Verfolgung Umgekommenen ohne weitere Voraussetzung Hinterbliebenenrente beanspruchen22 • Ist der Verfolgte nicht auf Grund der Verfolgung gestorben, so erhält die Witwe für die Dauer ihrer Bedürftigkeit Hinterbliebenenbeihilfe in Höhe von zwei Dritteln der Rente, die ihr als Witwe zustehen würde 23 •

In all diesen Fällen steht die Hinterbliebenenrente der Witwe bis zu ihrem Tode bzw. bis zu ihrer Wiederheirat ZU 24 • Im Fall der Wiederverheiratung 2S erhält die Witwe eine Abfindung26 die 14

15 18

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23

590 RVO. 594 RVO. 600 RVO. 144 Abs. 1 Ziff. 1 BBG; s. a. § 80 Abs. 1 Ziff.5 BRRG. 144 Abs. 2 BGB. s. O. 4. Kap., sub 31. § 38 Abs. 1, 2 BVG. § 48 Abs. 1, 2 BVG. § 17 Abs. 1 Ziff. 1 BEG. § 41 a Abs. 1,2 BEG.

§ § § § §

128 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen -

bei den Rentenversicherungen und der Unfallversicherung das Fünffache 27 ,

-

bei der Beamten- und der Verfolgtenversorgung das Zweifache des Jahresbetrages 28 und

-

bei der Kriegsopferversorgung das Fünffache des Monatsbetrages 2g der jeweiligen Leistung ausmachen.

Wird diese weitere Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt30 , dann lebt die jeweilige Leistung -

im Beamten-31 und im Verfolgtenversorgungsrecht32 ohne weitere Voraussetzung33

-

im Unfall- und im Rentenversicherungsrecht einschließlich der Altershilfe für Landwirte und im Kriegsopferversorgungsrecht nur dann wieder auf, wenn die Ehe ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe aufgelöst oder für nichtig erklärt wurde 34 •

Ein von der Witwe infolge der Auflösung der (zweiten) Ehe erworbener 35 , realisierbarer Unterhalts-, Renten- oder Versorgungsanspruch36 24 Vgl. §§ 590 Abs. 1; 1291, 1294 RVO; 68, 71 AVG; 83, 85 Abs. 1 RKG; 10 Abs. 4 GAL; 164 Abs. 1 BBG; 88 Abs. 1 Ziff. 1 BRRG; 60 Abs. 4, 44 Abs. 1 BVG; 17 Abs. 1,23, 41a Abs. 1 BEG; höhere Leistungen wegen einer Er-

werbs- oder Berufsunfähigkeit der Witwe werden jedoch nur solange gezahlt, wie die Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit vorliegt. VgI. etwa §§ 622 Abs. 1; 1286 Abs. 1 S. 2 RVO. 25 Dabei muß es sich um eine nach deutschem Recht gültige Eheschließung handeln: Zu "hinkenden" Ehen vgI. BSGE 27, 96; BSG, FamRZ 1968, 375; 1959, 278 m. abI. Anm. v. Bosch. 26 Nicht bei der Altershilfe für Landwirte, vgI. § 10 Abs. 4, 5 GAL. 21 §§ 615, 1302 RVO; 81 AVG; 83 Abs. 2 RKG. 28 VgI. §§ 124 a Abs. 1 BBG; 23 BEG. 29 § 44 Abs. 1 BVG. 30 Abweichend von der Regelung im bürgerlichen Recht wird für den Bereich des Sozialrechts die Nichtigkeit einer Ehe der Auflösung einer Ehe durch Scheidung gleichgesetzt. Die Rente lebt daher nur für die Zukunft wieder auf, so BSGE 25, 14; Malkewitz, Zur Hermeneutik des Zivilrechts im Gefüge des Sozialrechts, in: Sozialenquete und Sozialrecht, S. 75 ff.; JantzZweng, S. 178; s. a. Rdschr. d. BMA in BVBI. 1970, 51. 31 §§ 164 Abs. 1 BBG; 88 Abs. 1 BRRG. 32 § 23 BEG. 33 Dies gilt selbst dann, wenn die Ehegatten eigens zu diesem Zweck die Scheidung betrieben haben, vgI. BVerwGE 31,197; 11, 350. 34 §§ 615 Abs. 2; 1291 Abs. 2 RVO; 68 Abs. 2 AVG; 83 Abs. 3 RKG; 10 Abs. 5 GAL; 44 Abs. 2, 48 Abs. 3 BVG; zum Umfang des Wiederauflebens nach § 44 Abs. 2 BVG: BSG, SGb 1972, 31. 35 Nicht angerechnet wird die der Witwe nach dem Tode des zweiten Mannes u. U. zustehende Geschiedenen-Witwenrente, da diese Rente nicht durch Auflösung der Ehe durch Scheidung sondern durch den Tod des zweiten Ehemannes erworben worden ist, vgl. Verbandskommentar, § 1291 Anm. 9; s. hierzu u. 13. Kap., Text zu Anm. 220. 36 Bei der Altershilfe für Landwirte beschränkt sich die Anrechnung auf den in folge der Auflösung der Ehe erworbenen Anspruch auf Altersgeld, Vgl. !l 10 Abs. 5 S. 2 GAL.

10. Kap.: Sozialleistungen bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers

129

ist auf die wiederaufgelebte Leistung anzurechnen37 • Eine gezahlte Abfindung ist, soweit sie für die Zeit nach dem Wiederaufleben der Leistung gewährt wurde, in angemessenen monatlichen Beiträgen einzubehalten38 • Wenn die Witwe eine dritte Ehe eingeht, fällt die wiederaufgelebte Rente wieder weg, ohne daß eine Abfindung gezahlt wird39 • Wird dann auch diese (dritte) Ehe aufgelöst, lebt die Rente nach ganz herrschender Meinung nicht wieder auf40 • All dies gilt nicht zugunsten der Witwe, die Hinterbliebenenbeihilfe nach den Vorschriften des Verfolgtenversorgungsrechts erhält. Ihre Beihilfe wird nur bis zur Wiederverheiratung gewährt41 • 22 Der Witwer

Der Witwer wird unter folgenden Voraussetzungen der Witwe gleichgestellt: -

in den Rentenversicherungen - mit Ausnahme der Altershilfe für Landwirte - , wenn seine verstorbene Ehefrau den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat42 ;

-

in der Altershilfe für Landwirte, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat43 ;

-

in der Unfallversicherung, wenn die durch den Arbeitsunfall verstorbene Ehefrau den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat und solange sie ihn bestritten haben würde 44 ;

37 §§ 615 Abs. 2; 1291 Abs. 2 RVO; 68 Abs. 2 AVG; 83 Abs. 3 RKG; 10 Abs. 5 GAL; 164 Abs. 3 BBG; 88 Abs. 3 BRRG; 44 Abs. 4; 48 Abs. 3 BVG; 23 BEG; s. hierzu o. 6. Kap., sub 81. 38 Vgl. die in Anm. 37 genannten Vorschriften; Schmidinger, Die Einbehaltung einer bei Wiederheirat gewährten Abfindung, SozVers. 1971, 285. 39 BSGE 17, 120. 40 BSGE 12, 127; 15, 246; BSG, SGb 1971, 500 m. zust. Anm. v. Getrost; SGb 1971, 169; ZfS 1970, 79; SG Nürnberg, ZfS (Rü) 1968, XV Nr. 27; vgl. Rdschr. des BMA vom 3. Mai 1957, BVBl. 1957, 85; a. A. Engel, Wiederaufleben, S. 113; Ludwig, Zum Wiederaufleben einer Witwenrente, DVZ 1959, 64; dies soll selbst dann gelten, wenn die beiden letzten Ehen mit dem gleichen Mann geschlossen wurden, vgl. die genannten BSG-Entscheidungen; Söchting, SozVers. 1971, 63; insoweit a. A. MüHer-Freienjels, S. 211, Anm. 4 (auf S.212). u § 41 a Abs. 1 BEG; eine Wiederauflebensvorschrift besteht nicht. 42 § 1266 RVO; 43 AVG; 66 RKG. Bis zur Rentenreform von 1957 wurde außerdem noch verlangt, daß der Witwer bereits vor dem Tode der Frau "erwerbsunfähig und bedürftig" gewesen war, so § 1257 RVO a. F. 43 § 3 Abs. 1 lit. b GAL; Abweichung nur hinsichtlich des Altersgeldes; das vorzeitige Altersgeld wird unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Witwe gewährt. 44 § 593 Abs. 1 RVO; ist die Ehefrau nicht an den Folgen des Unfalls gestorben, erhält der Witwer die Abfindung nur dann, wenn sie seinen Unterhalt überwiegend bestritten hat (§ 600 Abs. 3 RVO).

9 Ruland

130 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen -

im Kriegsopferversorgungsrecht, wenn die an den Folgen der Schädigung verstorbene Ehefrau 45 seinen Lebensunterhalt überwiegend bestritten hat, weil seine Arbeitskraft und seine Einkünfte hierzu nicht ausreichten46 ;

-

im Verfolgtenversorgungsrecht, sofern die Verfolgte zur Zeit des Beginns der Verfolgung, die zum Tode geführt hat, ihn unterhalten hat oder, wenn sie noch lebte, ihn unterhalten würde 47 • Im Beamtenversorgungsrecht hingegen hat die Entscheidung des BVerfG vom 11. April 1967 48 den Witwer der Witwe gleichgestellt49 • Er bezieht nach dem Tode seiner Frau ein "unbedingtes" Witwergeld50 • 23 Der geschiedene Ehegatte

Die frühere, nicht wiederverheiratete51 Ehefrau, deren Ehe geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist52 , erhält53 wie eine Witwe Hinterbliebenenrente oder -pension54, in den Rentenversicherungen Landwirte 55 - wenn

mit Ausnahme der Altershilfe für

45 Wenn nicht, vgl. § 48 Abs. 4 BVG: Witwerbeihilfe, wenn die verstorbene Beschädigte den Unterhalt des Witwers überwiegend bestritten hat, weil seine Arbeitskraft und seine Einkünfte hierzu nicht ausreichten. 48 § 43 BVG Die weitere Voraussetzung, daß der überwiegende Unterhalt aus dem Arbeitsverdienst der Frau geleistet worden sein mußte, ist von dem BVerfG (E 17, 33, /39/) für verfassungswidrig erklärt worden. 47 §§ 17 Abs. 1 Ziff. 2, 41 a Abs. 3 BEG. 48 BVerfGE 21, 329. 49 s. §§ 132 BBG, 78 BRRG. 50 Witwe und Witwer werden auch bei der Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesseuchengesetz gleichbehandelt, vgl. § 53 Abs. 5 S. 1. 51 Die wiederverheiratete geschiedene Frau ist keine "frühere Ehefrau" i. S. des § 1265 RVO mehr, auch wenn die weitere Ehe bereits im Zeitpunkt des Todes des Versicherten aufgelöst ist, BSG, SozR Nr. 30 zu § 1265 RVO; BSG, SGb 1971, 390; Pappai, BABl. 1966, 23; entsprechend für das Beamtenrecht, Fischbach, § 125 Anm. 11 1 b Fußn. 7; III 3; vgl. - auch zum Nachfolgenden: Beuster, Die neuere Rechtsprechung des BSG zur Frage der Rente an eine frühere Ehefrau des Versicherten, SozVers. 1972, 64. 52 Bei Auflösung der Ehe gern. § 38 Abs. 2 EheG wird der allein gebliebene Ehegatte einem schuldlos Geschiedenen gleichgestellt, vgl. BVerwG, FamRZ 1972, 258; BSG, FamRZ 1967,568. 53 Unabhängig davon, ob sie möglicherweise nach § 70 Abs. 1 EheG von den Erben des verstorbenen früheren Ehemannes Unterhalt erlangen kann, vgl. LSG Rh. Pf., SGb 1969,473. 54 Zur Geschichte der Geschiedenenpension, Jacob, ZSR 1972, 20 ff., 77 ff.; ders., Witwenschaft, passim; s. a. Brautmeier, Zur Gewährung eines Unterhaltsbeitrages an die geschiedene Ehefrau, DöD 1972, 105. 55 Hier wird kein Altersgeld mehr an den geschiedenen Ehegatten gezahlt, seitdem § 3 Abs. 2 GAL i. d. F. vom 27.7.1957 (BGBl. I, 1063) - der die entsprechende Anwendung der §§ 1265, 1266 RVO vorsah - durch das Gesetz zur Neuregelung der Altershnfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 eine grund-

10. Kap.: Sozialleistungen bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers

131

(a) der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder (b) aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder (c) wenn er im letzten Jahr vor seinem Tod Unterhalt geleistet hat oder (d) wenn eine Witwenrente nicht zu gewähren ist, auch dann, wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten nicht bestanden hat56 ; diese letzte Alternative trifft nicht den Fall, daß eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten zur Zeit seines Todes wegen ausreichender Einkommens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Frau nicht bestanden hat57 ; die Anspruchsvoraussetzung, daß "eine Witwenrente nicht zu gewähren ist", ist nicht nur dann erfüllt, wenn der Versicherte keine Witwe hinterläßt, sondern auch dann, wenn die Witwenrente später infolge des Todes der Witwe wegfällt5B . Sie ist-nach der Rechtsprechung des BSG59 - selbst dann gegeben, wenn bei Wiederheirat der Witwe des Versicherten und Gewährung einer Heiratsabfindung die Witwenrente nach Ablauf von fünf Jahren 60 nicht wieder aufgelebt ist; die Rente wird der geschiedenen Ehefrau dann aber auch nur so lange gezahlt, wie keine Witwenrente zu gewähren ist; -

in der Unfallversicherung, wenn der durch den Arbeitsunfall Verstorbene ihr zur Zeit seines Todes Unterhalt zu leisten hatte oder wenigstens während des letzten Jahres vor seinem Tod Unterhalt geleistet hat61 ;

-

in der Beamtenversorgung, wenn die Ehe aus alleinigem oder überwiegendem Verschulden des verstorbenen Ehegatten aufgelöst worden war und sie im Falle des Fortbestehens der Ehe Witwengeld er-

legend neue Fassung erhielt, die eine Geschiedenen-Hinterbliebenenrente nicht mehr vorsieht, hierzu vgl. LSG Schl.-Holst., SGb 1968, 258; s. jedoch Einteilung (a. E.)! 56 §§ 1265 RVO; 42 AVG; 65 RKG. 57 Vgl. BSG, SGb 1972, 170; Breith. 1966, 133; LSG Rh. Pf., SGb 1971, 188. 58 Vgl. BSGE 28, 88 = SGb 1969, 63 mit zust. Anm. v. Rutand - Zacher; s. a. LSG Schl.-Holst., SGb 1968, 39; Verbandskommentar, § 1265 Nr. 13, S. 13; a. A. Barnewitz, SozVers. 1967, 100 (103); Pappai, BABl. 1965, 602; ders., BABl. 1966, 23 (27); Schröder, SGb 1968, 271 (273). 59 Vgl. BSGE 33, 7; BSG, SGb 1970, 19; 1969, 292; LSG Hamburg, Breith. 1970, 504; s. a. SG Trier, Breith. 1969, 35; kritisch: Söchting, Beeinflußt das Ruhen einer Witwenrente tatsächlich die Höhe einer anderen Witwenrente, SozVers. 1972, 174. 60 Fünf Jahre deshalb, weil der Witwe, die wiederheiratet, gem. § 1302 RVO das Fünffache des Jahresbetrages der bisher bezogenen Rente gewährt wird; anders bei der Beamtenwitwe, sie erhält nur das Vierundzwanzigfache ihres Witwengeldes als Abfindung, s. § 124 a Abs. 2 BBG. 61 § 592 RVO. 9·

132 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

-

-

-

halten hätte; allerdings wird der Unterhaltsbeitrag bis zur Höhe des Witwengeldes nur insoweit gewährt, als ihr der Verstorbene zur Zeit seines Todes Unterhalt zu leisten hatte G2, wobei später eingetretene Änderungen berücksichtigt werden können 63 ; in dem Kriegsopferversorgungsrecht, wenn der Verstorbene zur Zeit seines Todes (a) Unterhalt nach den eherechtlichen Vorschriften oder (b) aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder (c) im letzten Jahre vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat 64 ; (d) wenn eine Unterhaltsverpflichtung aus kriegs- oder wehrdienstbedingten Gründen nicht bestanden hat, bleiben diese Voraussetzungen unberücksichtigt; (e) desgleichen, wenn die Ehe im Zusammenhang mit einer kriegsbedingten Gesundheitsstörung des Verstorbenen aufgelöst wurde; im Verfolgtenversorgungsrecht ist die schuldlos geschiedene Ehefrau der Witwe gleichgestellt65'; ihre Rente ist also insbesondere von einer Unterhaltsgewährung durch den verstorbenen früheren Ehegatten unabhängig 66 ; im Unterhaltssicherungsrecht zählt die frühere Ehefrau zu den "sonstigen Angehörigen", wenn sie einen Unterhaltsanspruch gegen den Wehrpflichtigen hat oder hätte, wäre er nicht eingezogen worden67 •

Ein Unterschied bei der Ausgestaltung der sog. Geschiedenen-Witwenrenten bzw. -pensionen sei erwähnt; während im Sozialversicherungsrecht die Vorschriften über das Wiederaufleben von Witwenrenten bei Auflösung einer zweiten Ehe grundsätzlich auch zugunsten der geschiedenen Frau Anwendung finden 68 , sieht das Versorgungsrecht diese Möglichkeit nur für die Witwe und den Witwer, nicht aber für den geschiedenen Ehegatten vor 69 • Der frühere Ehemann erhält in den Rentenversicherungen, der Unfallversicherung und in der Beamtenversorgung70 unter den gleichen 62 s. VG Münster, ZBR 1969, 331: Die geschiedene Ehefrau hat (,da sie den Unterhaltsbeitrag zu versteuern hat,) einen Anspruch auf Unterhaltsbeitrag gern. § 125 Abs. 2 BBG nicht in Höhe des Nettobetrages des tatsächlich erhaltenen Unterhaltes, sondern in Höhe des Bruttobetrages, d. h. vermindert um den Steuerabzug. 63 §§ 125 Abs. 2 BBG; 73 Abs. 1 BRRG; zu der "Änderung der Verhältnisse": Lewer, ZBR 1965, 74. 04 § 42 Abs. 1 BVG. 65 § 17 Abs. 2 BEG. 66 OLG Frankfurt, RzW 1965, 422. 67 §§ 3 Abs. 1 Ziff. 6, Abs. 2 i. V. m. 4 Abs. 1 USG. 68 §§ 615 Abs. 4; 1291 Abs. 3 RVO; 68 Abs. 3 AVG; 83 Abs. 4 RKG. 60 Vgl. §§ 164 Abs. 3 BBG; 44 BVG; 23 BEG; eine dem § 615 Abs. 4 RVO z. B. vergleichbare Vorschrift fehlt hier. 70 §§ 1266 Abs. 2 RVO; 43 Abs. 2 AVG; 66 Abs. 2 RKG; 593 Abs. 2 RVO; 132 BBG; 78 BRRG.

10. Kap.: Sozialleistungen bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers

133

Voraussetzungen Rente wie die frühere Ehefrau. Das gleiche gilt im Kriegsopferversorgungsrecht71 • Im Verfolgtenversorgungsrecht ist er dem Witwer gleichgestellt72 . 24 Die Kinder

Mit Ausnahme der Altershilfe für Landwirte erhalten in allen übrigen Systemen die ehelichen Kinder ohne weitere Voraussetzungen und die Personen, die als Kinder "gelten"73, bei dem Vorliegen der für diese Gleichstellung notwendigen Voraussetzungen bei dem Tod eines Elternteils Waisenrente bzw. Waisengeld, und zwar -

-

-

in den Rentenversicherungen in Höhe von bei Halbwaisen einem Zehntel, bei Vollwaisen einem Fünftel der Erwerbsunfähigkeitsrenten ohne den Kinderzuschuß aber unter Berücksichtigung der Z urechnungszeiten74; in der Unfallversicherung in Höhe von bei Halbwaisen drei Zehntel, bei Vollwaisen einem Fünftel des Jahresarbeitsverdienstes75 ; in der Beamtenversorgung in Höhe von bei Halbwaisen 12 Ofo, bei Vollwaisen 20 Ofo des Ruhegehalts des Beamten76 ; in der (beamtenrechtlichen) Unfall-Hinterbliebenenversorgung in Höhe von unterschiedslos 30 Ofo des Unfallruhegehalts77 ; in der Kriegsopferversorgung in Höhe von bei Halbwaisen derzeit 58 DM (Grundrente) bzw. 104 DM (Ausgleichsrente), bei Vollwaisen 111 DM (Grundrente) und 144 DM (Ausgleichsrente)18; in der Verfolgtenversorgung in Höhe des Waisengeldes, das den Waisen eines mit dem Verfolgten nach seiner wirtschaftlichen Stellung vergleichbaren Bundesbeamten im Falle seines durch Dienstunfall herbeigeführten Todes gewährt würde, mindestens aber: bei Halbwaisen, und zwar für die ersten beiden, wenn keine Rente für die Witwe oder den Witwer gezahlt wird, in Höhe von jeweils 111 DM, ansonsten 82 DM, für die übrigen Halbwaisen 73 DM, bei Vollwaisen in Höhe von 147 DM79.

Ist in den Entschädigungssystemen der Tod des Unterhaltsträgers nicht durch den Unfall, die Beschädigung oder die Verfolgung eingetreten, dann erhalten seine Kinder 71 § 43 BVG verweist auch auf die Geschiedenenversorgung; vgl. Rohr, in: Handkommentar zum Bundesversorgungsrecht, § 43 Anm. 3. 72 § 17 Abs. 2 BEG. 73 Vgl. § 1262 Abs. 2 RVO; s. 0.7. Kap. Anm. 2. 74 §§ 1269 RVO; 46 AVG; 69 Abs. 5 RKG. 75 § 595 RVO. 78 §§ 127 BBG; 75 BRRG. 77 §§ 144 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 BBG. 78 §§ 46, 47 BVG. 711 §§ 18, 19 BEG.

134 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

-

in der Unfallversicherung eine Beihilfe in Höhe von zwei Fünfteln seines Jahresarbeitsverdienstes, wenn zur Zeit des Todes eine Witwe oder ein Witwer nicht vorhanden ist, und die Vollwaise mit dem verstorbenen Elternteil in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat und von diesem überwiegend unterhalten worden ist; sind mehrere Waisen vorhanden, so ist die Waisenbeihilfe auf sie gleichmäßig zu verteilen80;

-

in der Unfall-Hinterbliebenen versorgung das auf der Grundlage des Unfallruhegehalts errechnete normale Waisengeld81 ; in der Kriegsopfer- 82 und in der Verfolgtenversorgung83 eine Waisenbeihilfe in Höhe von zwei Dritteln der Waisenrente.

-

Vollwaisen sind nur die Kinder, deren sämtliche Elternteile, mit denen sie eine gesetzliche Unterhaltspflicht verbindet, verstorben sind84 . Ein nichteheliches Kind, dessen Mutter verstorben ist, ist keine Vollwaise, solange der Erzeuger, der die Vaterschaft anerkannt hat, lebt85 , auch wenn er keinen Unterhalt mehr leisten muß86. Umstritten war, ob ein nichteheliches Kind, dessen Vater unbekannt ist, nach dem Tode seiner Mutter Vollwaisenrente beziehen kann 87 . Die Rechtsprechung88 hat sie in diesem Fall zugebilligt. Stief-, Pflege- und Adoptivkinder erhalten als solche nur dann Vollwaisenrente, wenn weder leibliche noch Stief-, Pflege- bzw. Adoptiveltern leben89 . Andererseits können Stief-, Pflege- oder Adoptivkinder bei dem Tode ihrer leiblichen Eltern Vollwaisenrente beanspruchen, unabhängig davon, ob ihnen von den Stief-, Pflege- bzw. Adoptiveltern tatsächlich Unterhalt geleistet wird oder nicht 90 . Dementsprechend entfällt der Anspruch auf Vollwaisenrente auch nicht durch spätere Adoption des Kindes91 . Die von der

601 RVO; s. a. § 602 RVO. 144 Abs. 2 BBG. 82 48 Abs. 2 BVG. 83 41 a BEG. 84 BSGE 16, 110. 85 BSG, SozR Nr. 2 zu § 1269 RVO; s. a. Beuster, WzS 1960, 133 (134). 86 BSGE 9,165; kritisch hierzu Gesamtkommentar, § 595 Anm. 5. 87 Gegen eine Vollwaisenrente: LSG Württemberg-Baden, SGb 1957, 91; LSG Schleswig, Breith. 1958, 1053; Munzinger, Zum Begriff der Vollwaisen, SozVers. 1959, 9; Schieckel, Anm. zu BSGE 10, 189, SGb 1960, 180 (jedoch nur de lege lata, nicht de lege ferenda); für eine Vollwaisenrente: Bogs, Einwirkung, S. G 44; Brackmann, S. 706 i. 88 BSGE 10, 189 mit abI. Anm. von Schieckel, SGb 1960, 180; BSG, FamRZ 1968,253. 80 VgI. zum Adoptivkind: BSGE 16, 110; SG Speyer, SozVers. 1959, 27; a. A. OVG Münster, DVBl. 1957, 434; kritisch hierzu: Koch - Hartmann - v. Altrock Fürst, § 46 H 2 b; vgI. auch Brackmann, S. 706 k I. 90 VgI. BSG, NJW 1971, 726; Breith. 1968, 933 (Stiefkind); BSGE 32, 292 (Adoptivkind); Brackmann, ebd. m. w. Nachw. (Pflegekind). 01 LSG Berlin, Breith. 1964, 965; LG Düsseldorf, RzW 1964, 167; auch Beuster, WzS 1960, 133 (134); zum früheren Recht, das die Unterscheidung Voll- - Halbwaisen nicht kannte: RVA, EuM Bd. 51, S. 35. 80

81

§ § § §

10. Kap.: Sozialleistungen bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers

135

Rechtsprechung somit zugelassene Kumulation von Unterhalt und Waisenrenten endet allerdings, wenn auch die Stief-, Pflege- oder Adoptiveltern sterben, denn bei dem Zusammentreffen von mehreren Ansprüchen auf Waisenrente wird nur die höchste gewährt 92 • Im Beamtenrecht wird einem Kind zudem dann Waisengeld nach dem Satz für Vollwaisen gewährt, wenn die Mutter des Kindes des verstorbenen Beamten nicht zum Bezug von Witwengeld berechtigt ist und auch keinen Unterhaltsbeitrag erhält93 • 25 Die Eltern

In dem Unfallversicherungsrecht können auch Verwandte der aufsteigenden Linie, Stief- und Pflegeeltern, die der Verstorbene aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall unterhalten hätte, Hinterbliebenenrente erhalten94 • Verwandte der aufsteigenden Linie, deren Unterhalt zur Zeit des Dienstunfalls ganz oder überwiegend durch den verstorbenen Beamten bestritten wurde, können nach Beamtenversorgungsrecht während der Dauer ihrer Bedürftigkeit einen Unterhaltsbeitrag von insgesamt 30 0/0 des Unfallruhegehaltes beziehen95 • Im Verfolgtenversorgungsrecht wird ihnen für die Dauer der Bedürftigkeit Hinterbliebenenrente gewährt 96 • Im Kriegsopferversorgungsrecht erhalten die Eltern die subsidiäre Elternrente, wenn sie erwerbsunfähig sind oder als Mutter das 50., als Vater das 65. Lebensjahr vollendet haben 97 • Den (leiblichen) Eltern werden Adoptiveltern, wenn sie den Verstorbenen vor der Schädigung an Kindes Statt angenommen haben, die Stief- und Pflegeeltern, wenn sie den Verstorbenen vor der Schädigung unentgeltlich unterhalten haben, und Großeltern, wenn der Verstorbene ihnen Unterhalt geleistet hat oder hätte, gleichgestellt98 • In den Fällen, in denen Elternrente wegen des Verlustes eines Kindes gewährt wird, ändert die Tatsache, daß die Eltern später ein Kind adoptiert haben und ihm gegenüber unterhaltsberechtigt sind, nichts an ihrer grundsätzlichen Rentenberechtigung 99 • Die Höhe der Elternrente beträgt monatlich bei einem Eltern92 Vgl. §§ 1280 Abs. 2 RVO; 127 Abs. 3 BBG; nicht bei dem Zusammentreffen von Ansprüchen etwa aus der Sozialversicherung und der Beamtenversorgung. 93 §§ 127 Abs. 2 BBG; 75 Abs. 2 BRRG. 94 § 596 RVO; vgl. Sienknecht, SozVers. 1971, 33. 95 § 145 BBG. 06 § 17 Abs. 1 Nr. 5, 6 BEG; die ihnen gewährte Leistung bemißt sich nach dem Unterhaltsbeitrag, den sie erhalten würden, wäre der Verstorbene ein seiner wirtschaftlichen Position vergleichbarer Beamter gewesen und an den Folgen eines Dienstunfalles gestorben. Sie beträgt mindestens bel einem Elternpaar 220 DM, bei einem Elternteil 147 DM (§§ 18, 19 BEG). 97 § 38 Abs. 1, 50 BVG. 98 § 49 Abs. 2 BVG. 99 BSGE 9, 295; vgl. auch § 51 Abs. 7 S. 2 BVG; allerdings wird u. U. der dem Adoptivkind gegenüber bestehende Unterhaltsanspruch angerechnet.

136 II. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

paar 260 DM, bei einem Elternteil 176 DM. Die Beträge erhöhen sich, wenn mehrere Kinder an einer Schädigung gestorben sind, um 52 bzw. 39 DMloo. Verwandte der aufsteigenden Linie, Adoptiv-, Stief- oder Pflegeeltern werden schließlich auch im Unterhaltssicherungsrecht berücksichtigt, wenn sie dem Wehrpflichtigen gegenüber nach bürgerlichem Recht unterhaltsberechtigt sind oder wären, wenn er nicht eingezogen worden wäre, bzw. wenn sie von ihm ganz oder überwiegend unterhalten worden sind oder wären, wenn er nicht eingezogen worden wäre lol . Sie zählen allerdings zu den "sonstigen Angehörigen". 26 Sonstige Personen

Verlobten l02 kann im Wege des Härteausgleichs gern. § 89 BVG eine sogenannte Bräuteversorgung gewährt werden lo3 . Voraussetzung sind der Nachweis eines Verlöbnisses, die Absicht der Verlobten, alsbald zu heiraten, die Vereitelung der Heirat durch den Kriegstod des Verlobten, die Bedürftigkeit der den Antrag stellenden Verlobten und eine durch das Verlöbnis hervorgerufene Lage, die der einer Witwe gleicht lo4 . Die Gleichstellung mit einer Witwe geht aber nicht soweit, daß bei Auflösung einer späteren Ehe der Verlobten die "Bräuteversorgung" wiederaufleben würde lo5 . Geschwister werden lediglich im Unterhaltssicherungsrecht als "sonstige Angehörige" berücksichtigtl° 6• Eine Geschwisterversorgung kennt das Verfolgten-107 und das Kriegsopferversorgungsrecht nicht lo8 . Geschwister können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen l09 als "Kinder" angesehen werden und als solche Hinterbliebenenrente erhalten. Kriegsopferfürsorgeleistungen erhalten außer dem Ehegatten und den Kindern auch "Personen, deren Ausschluß eine offensichtliche Härte bedeuten würde", wenn der Beschädigte vor der Schädigung Vgl. § 51 BVG. §§ 3 Abs. 1 Ziff. 7, 9,10; Abs. 2; 4 Abs. 1, 2 USG. 102 Vgl. auch § 17 Abs. 2 Ziff. 2-4 BEG. 103 Vgl. BSG, ZfS 1972, 45; NJW 1964, 689; BSG, SGb 1970, 255; 1969, 433 mit Anm. v. Gurgel, LSG CelIe, Breith. 1964, 48. 104 BSG, SGb 1969, 433: Eine solche Lage ist allerdings nicht nur dann gegeben, wenn die Verlobte ein aus dem Verlöbnis stammendes Kind geboren hat. 105 BSG, SGb 1970, 255. 106 § 3 Abs. 1 Nr. 12 i. V. m. § 4 Abs. 2 USG. 107 Blessin - Ehrig - Wilden, § 17 Anm. 2. lOB Vgl. BSGE 15, 239 (242); s. a. Rundschreiben des BMA, BVBl. 1964, 42 100 101

Nr.16. lOg

Hierzu u. 12. Kap., Text zu Anm. 34-38.

10. Kap.: SoziaUeistungen bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers

137

ihren Lebensunterhalt überwiegend bestritten hat oder ohne die Schädigung bestritten hätte l1O • 27 Die Kumulation von Anspruchsberechtigten

In all den genannten Systemen, die Leistungen an Hinterbliebene gewähren, stellt sich das Problem der Kumulation von Anspruchsberechtigungen. Dabei lassen sich zwei Arten der Kumulation unterscheiden. Kumulation von Ansprüchen verschiedener Personen auf verschiedene Leistungen, etwa Ansprüchen von Witwen und Waisen auf Witwen- bzw. Waisenrenten, und Kumulation von Ansprüchen verschiedener Personen auf eine Leistung, etwa Ansprüchen von Witwen und geschiedenen Ehefrauen auf eine Witwenrente. In allen Systemen der Hinterbliebenensicherung - mit Ausnahme der Kriegsopferversorgung - wird die Kumulation von Ansprüchen verschiedener Personen auf verschiedene Leistungen nur in der Weise beschränkt, daß die Leistungen insgesamt nicht höher sein dürfen, als die Leistung, die dem Verstorbenen selbst zugestanden hat oder hätte 111 • übersteigen die Leistungen diesen Betrag, dann werden sie im Verhältnis zueinander gekürzt. In der Kriegsopferversorgung kumulieren die Leistungen ohne eine Begrenzung. In der Unfallversicherung ist vorgesehen, daß Verwandten der aufsteigenden Linie, Stief- oder Pflegeeltern nur insoweit Ansprüche zustehen, als die sonstigen Berechtigten den Höchstbetrag nicht ausschöpfen112 • Eine Kumulation von Ansprüchen verschiedener Personen auf eine Leistung tritt in dem Unfall- und in dem Rentenversicherungsrecht ein, wenn ein Ehegatte und ein früherer Ehegatte oder mehrere frühere Ehegatten anspruchsberechtigt sind. Jeder dieser Berechtigten erhält nur den Teil der Witwen- bzw. Witwerrente, der im Verhältnis zu den anderen Berechtigten der Dauer seiner Ehe mit dem Versicherten entspricht113 • In den übrigen Systemen der Hinterbliebenensicherung, insbesondere im Beamtenrechtl1 4, existiert eine solche Kumulationsnorm nicht. In ihnen sind Leistungen an den Ehegatten und an den früheren Ehegatten unabhängig voneinander, wenn man von der Höchstbetragsgrenze aller Hinterbliebenenleistungen absieht.

110

111

§ 4 S. 2 Ziff. 5 KOF-VO. §§ 598 Abs. 1 S. 1; 1270 Abs. 1 S. 1 RVO; 47 Abs. 1 S. 1 AVG; 70 Abs. 1

S. 1 RKG; 128 BBG; 76 BRRG; 20 Abs.l S.2 BEG. 112 § 598 Abs. 1 S. 2 RVO. 113 §§ 592 Abs. 2; 1268 Abs. 4 RVO; 45 Abs. 4 S. 1 AVG; 69 Abs. 4 S. 1 RKG. 114 Vgl. §§ 123, 125 Abs. 2 BBG.

138 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

3 Die Funktion der Leistungen als "Unterhaltsersatz" 31 Die "Unterhaltsersatzfunktion"

Den Hinterbliebenenleistungen kommt nach - zumindest was die Rentenversicherung betrifft115 - allgemeiner Meinung "Unterhaltsersatz funktion" zu. Ihre Aufgabe wird darin gesehen, daß sie den bisher von dem Ge- oder Versicherten erbrachten Unterhalt nach dessen Tod fortführen. Der "Unterhaltsersatzfunktion" dieser Leistungen widerspricht nicht, daß die Leistungen an Witwen116 und Waisen117 meistens 118 unabhängig von einem konkreten Unterhalts bezug gewährt werden, denn dies beruht sowohl auf gesetzlicher Typisierung der innerehelichen Rollenverteilung zwischen Ehemann (= Verdiener) und Ehefrau (= einkommenslose Hausfrau), als auch auf dem bis zum Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes geltenden Unterhaltsrecht, dem ebenfalls diese Typisierung zugrunde lag, wonach der Ehefrau immer ein auch von ihrer Bedürftigkeit unabhängiger Unterhaltsanspruch zustand119 • So hat das BSG zu Recht festgestellt, "daß der Gesetzgeber an und für sich auch bei der Gewährung der Witwenrente von dem Verlust eines Unterhaltsanspruches ausgeht"120. Es handelt sich bei diesen Leistungen um "typisierten Unterhaltsersatz". Deutlich tritt, nachdem auch Arbeiterwitwen die "unbedingte" Witwenrente zugestanden wurde l21, die eigentliche Funktion der Leistungen nur noch in "Rudimenten"122 in Erscheinung: der Voraussetzung des Unterhaltsverlustes bei der sog. Geschiedenen-Hinterbliebenenrente 123 , bei der Witwerrente l2" bei den Elternrenten 125 und bei Renten an nichteheliche Kinder eines männlichen Versicherten, an Stief- und Pflegekinder und an EnkeP26. 115 Vgl. statt aller BVerfGE 17, 1 (10); BSGE 9, 36 (38); 12, 147 (148); Langkeit, Sicherung der Frau, S. F. 96; zur KOF: BVerwGE 28, 318 (321). 118 §§ 590, 1264 RVO; 41 AVG; 64 RKG; 123, 144 Abs. 1 BBG; 71, 80 Abs. 1 BRRG; 38 BVG; 17 Abs. 1 BEG. 117 §§ 595,1267 RVO; 44 AVG; 67 RKG; 126 BBG; 74 BRRG; 45 Abs. 2 BVG; 17 Abs. 1 BEG. 118 Anders z. B. bei § 41 a Abs. 1 BEG. 11D § 1360 BGB a. F.; Palandt - Lauterbach, Kommentar zum BGB, 7. Auf!.

1949, § 1360 Anm. 4. 120 BSGE 9, 36 (41).

121 Vgl. dazu Braun, Motive, S. 55 ff.; Planken, S. 22. 122 Langkeit, Sicherung der Frau, S. F. 97. 123 §§ 592; 1265 RVO; 42 AVG; 65 RKG; 125 BBG; 73 BRRG; 42 BVG; 17 Abs. 2 BEG; - Geschiedene Ehefrauen -; §§ 593 Abs. 2, 1266 Abs. 2 RVO; 43 Abs. 2 AVG; 66 Abs. 2 RKG; 132 BBG; 78 BRRG; 17 Abs. 2 BEG; Geschiedener Ehemann -; vgl. aber LSG Rh. Pf., SGb 1969, 473 (s. o. Anm.

53).

124 §§ .593 Abs. 1; 1266 Abs. 1 RVO; 43 Abs. 1 AVG; 66 Abs. 1 RKG; 132 BBG; 78 BRRG; 43 BVG; 17 Abs.l Ziff.2 BEG. 125 §§ 596 RVO; 145 BBG; 38 Abs. 1 BVG; 17 Abs. 1 Nr. 5, 6 BEG. 126 s. u. 12. Kap., Text zu Anm. 34-38.

10. Kap.: Sozialleistungen 'bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers

139

32 Die Funktion der Hinterbliebenensicherung in der Beamtenversorgung

In der Beamtenversorgung soll nach Auffassung des BVerfG die Hinterbliebenensicherung anders konzipiert sein127 . Das BVerfG unterscheidet zwischen Leistungen an Hinterbliebene innerhalb der Kernfamilie und Leistungen an sonstige Personen, insbesondere an den geschiedenen Ehegatten. Im Gegensatz zu diesen komme den Leistungen an "Familienangehörige" keine Unterhaltsersatzfunktion zu, denn bei diesen "geht es nicht bloß darum, den Ausfall der Unterhaltsleistungen des Bediensteten zu ersetzen, sondern aufgrund eigenständiger Verpflichtung weiterhin ausreichende Mittel für den standesgemäßen Unterhalt der Familie zur Verfügung zu stellen"128. Den Angehörigen der Kernfamilie gegenüber ,,(tritt) der Dienstherr ... also nicht in die unterhaltsrechtliche Position des verstorbenen Beamten ein. Er hat vielmehr die schon zu dessen Lebzeiten gewährte öffentlich-rechtliche Alimentation der Beamtenfamilie fortzusetzen"129. Mit dieser Unterscheidung stellt sich das BVerfG in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BVerwG130, des BSG131 und der des RG132, die ebenso wie die Literatur133 der Auffassung sind bzw. waren, daß alle Versorgungs leistungen an Hinterbliebene, also auch an Angehörige der Kernfamilie, "Unterhaltsersatz" darstellen, oder, wie es das RG formulierte 134 , "daß die staatliche Witwenversorgung ... die sonst übliche Fürsorge des Ehemannes für seine künftige Witwe ersetzen soll". Diese zweite Auffassung kann sich auf die Gleichheit des sozialen Ausgangstatbestandes der gesamten Hinterbliebenensicherung berufen: Der Verdiener, der unmittelbar Ge- oder Versicherte, ist gestorben. Sein Einkommen steht der übrigen Familie nicht mehr zur Verfügung. Das BVerfG geht jedoch nicht von der Gleichheit des Ausgangstatbestandes aus, sondern stellt die - seiner Meinung nach - der Leistung zugrunde liegende unterschiedliche Motivation in den Vordergrund. Während Besoldung und Versorgung eine "einheitliche, schon bei Begründung des lebenslangen Beamtenverhältnisses im Interesse 127 BVerfGE 21, 329 (346 ff.). 128 Ebd. S. 349. 129 Ebd. S. 347.

130 BVerwGE 12, 203 (205); 13, 343 (354); 20, 354 (360); s. a. OVG Rh. Pf., FamRZ 1970, 408. 131 BSGE 9, 36 (38). 132 RGZ 88,326 (329); 135, 372 (374); 151, 187 (189 f.); OLG Rh. Pf., ZBR 1970. 162; s. aber RG, JW 1906, 570 (571). 133 Dapprieh, NJW 1959, 1708; Jaeob, Witwenschaft, S. 83, 174; Seheffler, Fortfall von Waisengeld, S. 129. 134 RGZ 135, 372 (374).

140 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen des Dienstherrn selbst garantierte Gegenleistung (sind), um den Beamten von der der Ehe- und Familiengemeinschaft entspringenden natürlichen Sorge um das wirtschaftliche Wohl seines Angehörigen, auch für die Zeit nach seinem Tode freizustellen, und so die von ihm geforderte gewissenhafte Hingabe im Dienst ... zu sichern" 135, sollen "Rentenleistungen für die - trotz gleicher Beiträge - mitversicherten Familienangehörigen ... gerade erst durch einseitige, allein aus sozialen Gründen gewährte Staatszuschüsse ermöglicht"136 werden. Aus diesem Unterschied soll sich ergeben, daß nur den versorgungsberechtigten Hinterbliebenen eines Beamten "aus dem gleichen Rechtsgrund" wie diesem "ein eigener selbständiger Anspruch erwächst", so daß "der Dienstherr ... also nicht in die unterhaltsrechtliche Position des verstorbenen Beamten eintritt"137. Außerdem sei "eine Verknüpfung dieser ,amtsgemäßen' Versorgung mit dem bürgerlichen Unterhaltsrecht ... in der Vergangenheit (nicht) vorgesehen" gewesen, denn "der Kleinfamilie wurde vielmehr von jeher ohne Berücksichtigung der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten ... ein ... Bruchteil des erdienten Ruhegehaltes zugesprochen"138. Das ist eine erstaunliche Argumentation, da die Versorgung des Witwers, der unbestreibar zur Klein- oder Kernfamilie zählt, von Anfang an l39 bis zu dieser Entscheidung des BVerfG von seiner vor dem Tod der Beamtin bestehenden zivilrechtlichen Unterhaltsberechtigung abhängig gemacht wurde l40 . Bei der Versorgung der geschiedenen Frau eines Beamten, deren Beziehung zum Unterhaltsrecht sich ebenfalls aus dem Gesetz ergab und heute noch ergibt, hat sich nach Auffassung des BVerfG die Funktion der Leistung gewandelt, denn "die schuldlos oder minderschuldig geschiedene Ehefrau (soll) im Hinblick auf ... den durch die Scheidung bewirkten Verlust der Anwartschaft auf lebenslange Versorgung durch den ihr gewährten Unterhaltsbeitrag lediglich schadlos gestellt werden"141. Die Auffassung des BVerfG trifft jedoch nicht zu. Den Rechtsgrund der Versorgung der Hinterbliebenen hat der verstorbene Beamte durch seine Dienstleistung erbracht, bzw. dadurch, daß von seinem Gehalt von vornherein verdeckte Abzüge für die spätere Versorgung einbehalten BVerfGE 21, 329 (346). Ebd. S. 352; vgl. auch die Gegenüberstellung zur Kriegsopferversorgung, S. 349; hier liegt auch die Begründung der Auffassung des BVerfG (S. 352), daß die Sozialversicherung im Gegensatz zur Beamtenversorgung "darreichende Verwaltung" sei. Gegen die Argumentation des BVerfG o. 4. Kap., sub 212.5. 137 Ebd. S. 346 f. 136 Ebd. S. 347 f. 138 Vgl. § 132 BBG; 1. d. F. v. 14. Ju111953 (BGBL I, 551). 140 s. a. Jacob, Witwenschaft, S. 83. U1 BVerfGE, 21, 329 (348). 135

136

10. Kap.: Sozialleistungen bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers

141

worden sind142 • Daraus folgt, daß der "eigene selbständige Anspruch" zwar originär in der Person des Hinterbliebenen entsteht - wer käme auch sonst als Anspruchsberechtigter in Betracht -, er aber dennoch aus dem Sicherungsverhältnis des Beamten abgeleitet ist. Der eigene Anspruch der Angehörigen entsteht auch in der Beamtenversorgung erst mit dem Tode des unmittelbar Gesicherten, m. a. W. auch in der Beamtenversorgung wird der Unterhalt der Beamtenfamilie nur dann "fortgesetzt", wenn der Beamte verstorben ist, - nicht etwa auch dann, wenn dieser sich z. B. der Unterhaltsleistung entzieht. Der durch den Tod des Beamten weggefallene Unterhalt wird ersetzt. Nicht mehr und nicht weniger besagt das "Unterhaltsersatzprinzip". Und vor allem auch darin zeigt sich der "Unterhaltsersatzcharakter" der Versorgungsleistungen an Hinterbliebene und damit auch die Unrichtigkeit der von dem BVerfG vertretenen Auffassung, daß jeder einzelne Hinterbliebene, gleich ob er zur Kernfamilie gehört oder nicht, jeweils als einzelner für sich Versorgungsbezüge erhält, und daß nicht - wie es die Auffassung des BVerfG voraussetzen würde - die Restfamilie durch eine einzige Leistung weiter alimentiert wird143 • Es besteht daher hinsichtlich der Konzeption der Hinterbliebenenleistungen als "Unterhaltsersatz" weder ein Unterschied zwischen der Beamtenversorgung und der Rentenversicherung, noch einer innerhalb der Beamtenversorgung zwischen Leistungen an Angehörige der Kernfamilie und solchen an Personen außerhalb der Kernfamilie 144 . 33 Zur Unterhaltsersatzfunktion der Grundrente an Hinterbliebene im Versorgungsrecht

Das BVG unterscheidet zwischen Grund- und Ausgleichsrenten145 . Da die Grundrenten "als bescheidener Ausgleich für die körperliche Beeinträchtigung oder den Verlust des Ehemannes oder Vaters neben sonstigem Einkommen voll gewährt werden"146, wird die Auffassung vertreten, daß sie einen Ausgleich immateriellen Schadens darstellen147 . Ihnen käme daher keine 148 oder allenfalls in zweiter Linie 149 Unterhaltsersatzfunktion zu. Diese Auffassung ist auf Ablehnung gestoßen15\!. s. o. 3. Kap., Anm. 12. Ebenso Jacob, Witwenschaft, S. 174. 144 Im Ergebnis ebenso Jaeob, ZBR 1971, 68 (76). 145 Vgl. §§ 40, 41 BVG. 148 Amtl. Begr. eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges, BT-Dr. 1/1333, S. 45, 59. 1'7 BGHZ 30, 162 (171); insbes. Rohwer-Kahlmann, ZSR 1968, 577 (580 ff.); Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 43. 148 So Rohwer-Kahlmann, ZSR 1968, 577 (580) und BGHZ 30, 162 (171). 149 So Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 43. HO BVerfGE 29, 57 (66); 17, 38 (46 ff.); BVerwGE 19, 198; BGHZ 20, 61 (69); BGH, NJW 1970, 1231 (1232); BSGE 5, 26 (33); 12,36 (39); Seheffler, Sicherung 142 143

142 II. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

Zwar lassen sich sowohl aus dem Gesetz151 als auch aus seiner Begründung152 Anhaltspunkte dafür ableiten, daß an einen Ausgleich immateriellen Schadens gedacht war 153 • Dieser Ausgleich immateriellen Schadens, der im übrigen bei allen Entschädigungsleistungen an Hinterbliebene mitschwingt, also nicht nur bei den Grund- und Ausgleichsrenten der Kriegsopferversorgung, ist jedoch überlagert durch das "Unterhaltsersatzprinzip". Die Abgrenzung des Kreises der Berechtigten ist nur folgerichtig, wenn man davon ausgeht, daß den Grundrenten Unterhaltsersatzfunktion zukommt, denn die geschiedene frühere Ehefrau eines Beschädigten erhält auch die Grundrente nur dann, "wenn der Verstorbene zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den eherechtlichen Vorschriften oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder im letzten Jahr vor seinem Tod geleistet hat"154. Auch bei Stief- 155 und Pflegekindern156 wird die tatsächliche Unterhaltsleistung des Beschädigten vorausgesetzt. Gegen die Unterhaltsersatzfunktion der Grundrenten spricht nicht l57 , daß sie Ehefrauen und (ehelichen) Kindern Beschädigter unabhängig davon zustehen, ob sie einen Unterhaltsverlust haben oder nicht. Wie oben gezeigt, ist der typisierte Unterhaltsersatz für diese Personen in allen Systemen geradezu die RegeP&8.

der Hinterbliebenen, S. 50 ff.; letztlich offengelassen von Ebert, S. 90; s. a. BGH, FamRZ 1968, 29. 151 s. z. B. § 30 Abs. 1 BVG; dazu Ebert, S. 58 ff., die aber m. w. Nachw. darauf hinweist, daß "seelische Begleiterscheinungen" als gesundheitliche Folgen zu werten sind. 152 s. o. Anm. 146; dort a. S. 61: "Eine Elternversorgung (,die eine Grundrente nicht vorsieht,) kann nur als Ersatz für die Unterhaltsleistung ... des verstorbenen Kindes in Betracht kommen"; s. hierzu Ebert, S. 58. 153 Die Kritik des BVerfG (E 17, 38 [46]) ist insoweit nicht stichhaltig, so zu Recht Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 43. 154 § 42 Abs. 1 Satz 1 BVG. Ganz deutlich tritt die Absicht des Gesetzgebers, auch mit der Grundrente weggefallenen Unterhalt zu ersetzen, hervor, wenn man die amtliche Begründung zur Versorgung der geschiedenen früheren Ehefrau liest. (Amt!. Begründung eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges, BT-Dr. I11333, S. 60), die ursprünglich als "Kannleistung" gedacht war (§ 41 Abs. 1 Entwurf eines BVG, a.a.O.). Dort heißt es: "Durch eine ,Kannversorgung' ... besteht die Möglichkeit, die Entscheidung den jeweils gegebenen Notwendigkeiten anzupassen, die Rente beispielsweise zu versagen, wenn trotz des Vorliegens der formellen Voraussetzungen von dem Verstorbenen Unterhalt nicht geleistet worden ist und von vornherein der Wille zur Unterhaltsleistung nicht bestanden hat." 155 § 45 Abs. 2 Ziff. 4 BVG. 156 § 45 Abs. 2 Ziff. 5 BVG. 157 So aber im Ergebnis: Rohwer-Kahlmann, ZSR 1968, 577 (580 ff.). 158 s. o. sub 31.

11. Kap.: Bezugsberechtigungen der Angehörigen auf Sozialleistungen 143 11. Kapitel

Bezugsherechtigungen der Angehörigen auf Sozialleistungen In den meisten Systemen sozialer Sicherung, in denen Angehörige mitgesichert sind, stehen die Ansprüche auf diese Leistungen! nur den unmittelbar gesicherten Personen zu. Das war am Beispiel des Anspruchs auf Familienhilfe in der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich gemacht worden2 • Den Angehörigen wird nur in wenigen Systemen und in ihnen auch nur bei dem Vorliegen von Ausnahmetatbeständen eine eigenständige Bezugsberechtigung auf diese Leistungen eingeräumt. Diese Bezugsberechtigung ist selbständig, aber von dem eigentlichen Leistungsstammrecht abgeleitet. Sie berührt dem Grunde nach nicht den dem ursprünglich Berechtigten zustehenden Anspruch 3 • Sie bedeutet vielmehr, daß der Sozialleistungsträger mit befreiender Wirkung an den Bezugsberechtigten leisten kann. Solche Ausnahmefälle, in denen eine Bezugsberechtigung der Angehörigen besteht, sind: -

der Tod des Berechtigten, -

soweit zu diesem Zeitpunkt eine ihm zustehende Leistung noch nicht ausgezahlt worden war 4 ; nacheinander berechtigt5 sind in der Sozialversicherung6 : der verwitwete Ehegatte, die Kinder, die Eltern, die Geschwister und die Haushaltsführerin7 , wenn sie mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind8 ;

Nicht z. B. im Unterhaltssicherungsrecht, s. o. 9. Kap., Text vor Anm. 19. s. o. 9. Kap., Text nach Anm. 9. 3 Vgl. RVA, AN 1910, 530; 1940, 175; Hrackmann, S. 735 ff. 4 Vgl. §§ 630, 1288 RVO; 65 AVG; 88 RKG; 121 Abs. 3 BBG. S D. h. der in der Rangfolge früher Genannte schließt den später Genannten aus. 6 Ähnlich in der Beamtenversorgung, in der an die Hinterbliebenen statt an die Erben gezahlt werden kann, vgl. §§ 121 Abs. 3; 122 Abs. 1 BBG. 7 Haushaltsführerin ist diejenige weibliche Verwandte oder Verschwägerte, die an Stelle der verstorbenen oder geschiedenen oder an der Führung des Haushalts durch Krankheit, Gebrechen oder Schwäche dauernd gehinderten Ehefrau den Haushalt des Berechtigten mindestens ein Jahr lang vor dessen Tod geführt hat und von ihm überwiegend unterhalten worden ist; vgl. z. B. § 630 Abs. 2 RVO. 8 In der Sozialversicherung sind die Erben erst dann bezugsberechtigt, wenn keine dieser Personen vorhanden ist, vgl. Verbandskommentar, § 1288 Anm. 5 m. w. Nachw. 1

2

144 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen -

soweit das durch ihn begründete Versicherungsverhältnis nicht sofort mit seinem Tod erlischt9 ; berechtigt sind die Angehörigen, für die dem Gesicherten früher Leistungen zustanden; die Untersuchungs- oder Strafhaft, bzw. die Sicherungsverwahrung des Berechtigten oder sein Aufenthalt in einer Fürsorgeerziehungsanstalt10 ; berechtigt sind hinsichtlich - des Krankengeldes die Angehörigen, die der Versicherte von seinem Arbeitsverdienst ganz oder teilweise unterhalten hat; - der Familienhilfe die Angehörigen, denen Familienhilfe "zusteht"; - der vollenl l Sozialversicherungsrenten die Angehörigen, denen der Berechtigte kraft Gesetzes unterhaltspflichtig ist; - der Versorgungs ansprüche insbesondere Angehörige, die Hinterbliebenenrenten nach dem BVG beanspruchen könnten; sie sollen jedoch nicht mehr erhalten, als ihnen zustände, wenn der Berechtigte an den Folgen der Beschädigung verstorben wäre;

-

-

die Verletzung der Unterhaltspflicht1 2 ; berechtigt sind auf einen angemessenen Teil des Arbeitslosengeldes die Angehörigen, für die der Arbeitslose Familienzuschläge erhält, denen er aber keinen Unterhalt leistet; und schließlich die Versagung der Rente, wenn der Versicherte sich die Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bei dem Begehen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens zugezogen hat und ihm deshalb keine Rente gewährt wird13 ; bezugsberechtigt sind die Angehörigen, die der Versicherte überwiegend unterhalten hat. Ihnen kann die Rente ganz oder teilweise überwiesen werden.

-

12. Kapitel

Exkurs - Der Begriff des "Kindes" im Sozialrecht Im Sozialrecht wird, wie es scheint, mittels zweier Kriterien bestimmt, wer als "Kind" berücksichtigt wird. Es sind dies einmal das Verwandtschaftsverhältnis oder bzw. und die Unterhaltsbeziehung zwischen dem Kind und dem Begünstigten, wobei es keinen Unterschied Vgl. § 214 Abs. 4 RVO. §§ 216 Abs. 1 Ziff. 1 (Krankengeld); Abs. 2 (Familienhilfe); 1289 RVO; 66 AVG (in den beiden letzten Fällen nicht bei der Untersuchungshaft); §§ 71 Abs. 2, 3; 71 a Abs. 2 BVG. 11 Vgl. Brackmann, S. 736 c. 12 § 123 Abs. 1 AFG. 13 §§ 1277 Abs. 2 S. 3 RVO; 54 Abs. 2 S. 3 AVG; 73 Abs. 2 S. 3 RKG. 9

10

12. Kap.: Ex'lrurs- Der Begriff des "Kindes" im Sozialrecht

145

mehr ausmacht, ob es sich bei diesem um den Vater oder um die Mutter des Kindes handeltl. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um das gleiche Kriterium, nämlich um die Unterhaltsbeziehung, denn den Fällen, in denen lediglich auf das Verwandtschaftsverhältnis abgestellt wird, liegt eine typisierte Unterhaltsbeziehung zu Grunde, die dann auch von einer tatsächlichen Unterhaltsgewährung völlig unabhängig ist2 •

1 Die Kinder und die ihnen gleichgestellten Personen! Bei ehelichen Kindern wird nur in der Familienhilfe der Krankenversicherung und bei Unterhaltssicherungsleistungen4 verlangt, daß sie "unterhaltsberechtigt" sein müssen; ansonsten ist allein die verwandtschaftliche Beziehung ausschlaggebend. So haben sie einen unbedingten Anspruch auf Waisenrente. Auch im Familienlastenausgleich werden sie unabhängig von einer konkreten Unterhaltsbeziehung berücksichtigt5 ~ Ob ein Kind ein "eheliches Kind" ist, entscheidet sich allein nach den zivilrechtlichen Maßstäben. Ein nach § 1591 BGB eheliches Kind, dessen Ehelichkeit auch nicht mit Erfolg angefochten wurde, ist auch dann keinnichteheliches Kind, wenn der außereheliche Erzeuger - der Versicherte - sich in notarieller Urkunde als der "natürliche" Vater bekannt und seine Unterhaltspflicht anerkannt hat6 • Adoptierte Kinder werden überwiegend ausschließlich und ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Unterhaltsbeziehung ihren Adoptiveltern zugeordnet7. Insofern konsequent hat das BVerwG entschieden8 , daß die natürlichen Eltern für ein von Dritten an Kindes Statt ange1 Nach früherem Recht wurden an bzw. für Kinder von weiblichen Versicherten Waisenrenten nur gezahlt, bzw. die Renten um den Kinderzuschuß nur erhöht, wenn die Versicherte vor Eintritt des Versicherungsfalles den Unterhalt der Kinder überwiegend bestritten hatte (vgl. §§ 1267 Abs. 2, 1262 Abs. 5 RVO i. d. F. vom 23.2. 1957 [BGBl. I, 45]). Diese vom BSG gebilligten (BSGE 5, 26 [33 f.]; 12, 1 [4 ff.]; ebenso Eicher - Haase, § 1262 Anm. 16) Regelungen sind inzwischen von dem BVerfG für grundgesetzwidrig erklärt worden (BVerfGE 17, 1 [26]; 38, 56; ebenso Dersch, S. 509; Bogs, Einwirkung, S. G 41; Scheffler, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 54). 2 Vgl. SG Bayreuth, FamRZ 1970, 596. S Vgl. zum folgenden auch Brühl, Unterhaltsrecht, S. 70; s. a. BVerwGE 11,260. . 4 § 205 Abs. 1 RVO; § 3 Abs. 1 Ziff. 2 i. V. m. 4 Abs. 1 USG. 5 §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKGG; 32 Abs. 2 Ziff. 3 a EStG; s. a. BArbG, FamRZ 1969, 212. e BSG, MDR 1969, 341: das "eheliche" Kind erhält daher auch keine Waisenrente nach dem Tode seines "natürlichen" Vaters. 7 Vgl. §§ 205 Abs. 2 Nr. 3; 583 Abs. 5 Nr. 3; 1262 Abs. 2 Nr. 4 RVO; 39 Abs. 2 Nr. 4 AVG, 60 Abs. 2 Nr.4 RKG; 2 Abs. 1 Nr. 3 BKGG; 45 Abs. 2 Nr. 3 BVG; 126 BBG; 18 Abs. 1 Nr. 3 BBesG; 3 Abs. 1 Nr. 3 USG; 265 Abs. 2 S. 3 LAG; s. a. 113 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AFG. 8 BVerwGE 32, 99.

10 Ruland

146 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

nommenes Kind, das sie aber ausschließlich unterhalten und erziehen, keinen Anspruch auf Kinderzuschlag haben. Anders ist die Rechtslage im Steuerrecht'. Hier wird sowohl den leiblichen als auch den Adoptiveltern der Kinderfreibetrag gewährt 10. Weder die ausschließliche Zuordnung des adoptierten Kindes bei seinen Adoptiveltern, noch die Einräumung des Kinderfreibetrages sowohl an die leiblichen wie auch an die Adoptiveltern kann - und das soll bereits hier festgestellt werden -, voll befriedigen, weil keine der beiden Regelungen der unterhaltsrechtlichen Ausgangslage entspricht, wonach die leiblichen Eltern nach wie vor unterhaltspflichtig sind, allerdings erst nach den Adoptivelternl l • Auch bei den für ehelich erklärten und bei den nichtehelichen Kindern einer Frau wird ausschließlich auf das Verwandtschaftsverhältnis abgestellt12 . Lediglich dort, wo entweder ein Verwandtschaftsverhältnis nicht besteht, wie bei dem Stiefkind, dem Pflegekind oder - wie bisher bei dem "unehelichen" Kind im Verhältnis zu seinem Vater, oder wo das Verwandtschaftsverhältnis die Typisierung der Unterhaltsbeziehung nicht rechtfertigt, wie bei Geschwistern oder Enkeln, kommt die eigentlich relevante Beziehung zum Tragen: die Unterhaltsbeziehung. Diese Personen "gelten"13 als Kinder: - das Stiefkind dann, wenn es "in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen"14 bzw. wenn es "von dem Versicherten überwiegend unterhalten worden ist"15; im Steuerrecht werden nur "eheliche Stiefkinder" berücksichtigt16 ; im Gegensatz zu dem Sozialversicherungsrecht11 wird im Steuerrecht das Stiefkindschaftsverhältnis durch die Auflösung der es vermittelnden Ehe beendet18 ; 9

Vgl. § 32 Abs. 2 EStG.

10 BFH, BStBl. 111,1951,226; BWmich - Falk, 11

§ 1766 BGB.

§ 32 Anm. 3 d.

Ausnahmen: § 205 RVO; §§ 3 Abs. 1 Ziff. 2 i. V. m. 4 Abs. 1 USG. So z. B. § 1262 Abs. 2 RVO. 14 Vgl. z. B. §§ 583 Abs. 5 Nr. 2; 1262 Abs. 2 Nr. 2 RVO; 39 Abs. 2 Nr. 2 AVG; 60 Abs. 2 Nr. 2 RKG; 2 Abs. 1 Nr. 5 BKGG; 45 Abs. 2 Nr. 4 BVG; 18 Abs. 1 Nr. 4 BBesG (in seine "Wohnung"). 15 Vgl. §§ 205 Abs. 2 Nr. 6 RVO; 3 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. 4 Abs. 2 USG; in § 205 RVO wird noch vorausgesetzt, daß das Stiefkind unterhaltsberechtigt ist. Vgl. hierzu Reinhold, S. 91 f. 18 Eheliche Stiefkinder sind solche Kinder, die aus einer Ehe hervorgegangen oder durch die spätere Eheschließung der Eltern legitimiert worden sind und deren Vater oder Mutter zum zweiten Mal geheiratet hat. Vgl. BFH, BStBl. 111,1963,488. 17 BSG, SozR Nr. 9 zu § 1262 RVO, unter Hinweis auf § 1590 Abs. 2 BGB. 18 BFH, DB 1971, 462; BStBl. III, 1963, 488. 12

13

12. Kap.: Exkurs - Der Begriff des "Kindes" im Sozialrecht

147

das Pflegekind 19 dann, wenn "der Berechtigte es in seinem Haushalt aufgenommen hat"20 bzw. "wenn er es in seine Wohnung aufgenommen hat und für seinen Unterhalt und seine Erziehung nicht von anderer Seite laufend ein höherer Betrag als das Dreifache des Kinderzuschlages monatlich gezahlt wird"2t, "wenn er es seit mindestens einem Jahr unentgeltlich unterhalten hat"22, oder schließlich "wenn es ganz oder überwiegend unterhalten"23 wurde.

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Stief- und Pflegekinder werden im Beamten- und Verfolgtenversorgungsrecht nicht berücksichtigt24 . Auch § 205 RVO (Familienhilfe) erwähnt das Pflegekind nicht. Daraus ist gefolgert worden, daß der Versicherte für sein Pflegekind keine Familienhilfe beanspruchen könnte 25'. Die Praxis rechnet jedoch die Pflegekinder zu den von der Familienhilfe mitgesicherten Kindern26 . -

Das nichteheliche Kind wird im Verhältnis zu seinem Vater - wenn überhaupt 2,7 nur dann berücksichtigt, "wenn die Vaterschaft glaubhaft gemacht"28 bzw. "wenn die Vaterschaft"29 "oder seine Unterhaltspflicht festgestellt ist"30, oder wenn seine "Vaterschaft oder Unterhaltspflicht festgestellt ist" und das Kind "ganz oder überwiegend unterhalten wurde"31.

19 Zum Begriff des Pflegekindes o. Text zu 2. Kap. Anm. 103; s. a. LSG Schleswig, Breith. 1957, 1107: Das Pflegekind muß anderen Kindern im Haushalt gleichgestellt sein. 20 §§ 2 Abs. 1 Nr. 6 BKGG; 1262 Abs. 2 Nr. 7 RVO; s. a. § 583 Abs. 5 Nr. 7 RVO (dazu BArbG, RiA 1968, 91); in § 2 Abs. 1 Nr. 6 BKGG ist durch Gesetz vom 16.12.1970 (BGBL I 1725) die weitere Voraussetzung, daß der Berechtigte "zu den Kosten des Unterhalts nicht unerheblich beiträgt" gestrichen worden; zu § 2 Abs. 1 Nr. 6 BKGG (a. F.), BSG, Breith. 1970, 260. 21 § 18 Abs. 1 Nr. 5 BBesG. 22 § 45 Abs. 2 Nr. 5 BVG; s. hierzu BSGE 15, 239. 23 §§ 3 Abs. 1 Nr. 11 i. V. m. 4 Abs. 2 USG, diese Voraussetzung gilt auch im Steuerrecht, vgl. § 32 Abs. 2 Ziff. 3 EStG; hierzu BFH, BStBI. IH, 1963, 124. 24 VgI. §§ 126 BBG; 74 BRRG; 17 Abs. 1 Nr. 3 BEG; im Besoldungsrecht werden sie allerdings berücksichtigt (§ 18 Abs. 1 Nm. 4, 5 BBesG). 25 So Peters, Handbuch, § 205 Anm. 11; Stiefkinder gehören nach Ansicht des BSG nicht zu den Kindern i. S. des § 203 S. 2 RVO, BSG, SGb 1971, 178 mit abI. Anm. von Schieckel. 26 VgI. Brackmann, S. 408 d; Reinhold, S. 87 ; ebenso § 216 Abs. 2 Nr. 2 RVO i. d. F. des Entwurfs eines Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes, BT-Dr. IV/816, S. 14. 27 Im Steuerrecht wird es gar nicht berücksichtigt, vgI. § 32 Abs. 2 Ziff. 3 lit. e EStG. 28 § 45 Abs. 2 Nr. 6 BVG. 29 § 205 Abs. 2 Nr. 4 RVO; früher auch § 1258 Abs. 2 Nr. 5 RVO a. F. 30 §§ 583 Abs. 5 Nr. 5; 1262 Abs. 2 Nr. 5 RVO; 2 Abs. 1 Nr. 4 BKGG; zur Relevanz des Unterschiedes BSG, BKK 1967, 403 ; diese Voraussetzung gilt trotz des Wortlauts auch für § 126 Abs. 3 BBG; vgl. Fischbach, S. 1032; s. a. Herholz, Die Versorgung der unehelichen Kinder verstorbener Beamter und Ruhestandsbeamter, RiA 1955, 35; und BVerwGE 12,203 (205). 31 §§ 3 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. 4 Abs. 2 USG.

148 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

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Im Beamtenbesoldungs32 und im Beihilferecht33 werden sie ohne weitere Voraussetzung berücksichtigt. Enkel und Geschwister "gelten" als Kinder, wenn sie der Berechtigte in seinen Haushalt aufgenommen hat oder ganz bzw. überwiegend unterhält34 , und bei Enkeln, wenn ihre Eltern verstorben sind35 , wenn er sie in seine Wohnung aufgenommen hat und keine anderen Personen vorrangig zu ihrem Unterhalt gesetzlich verpflichtet sindSG, bzw. wenn sie unterhaltsberechtigt sind oder wären37, oder wenn ihre Eltern verstorben bzw. zur Erfüllung ihrer Unterhaltsverpflichtung außerstande sinds8 •

Zwischen Geschwistern und Halbgeschwistern kann auch ein Pflegekindschaftsverhältnis angenommen werden, wenn beide Elternteile verstorben sind und das Kind im Haushalt eines (einer) erheblich älteren Bruders (Schwester) aufgenommen ist und zwischen ihnen ein Erziehungs- und Betreuungsverhältnis wie bei ehelichen Kindern besteht39 • Die wirtschaftliche Fürsorge für jüngere Geschwister allein reicht zur Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses nach herrschender Meinung nicht aus40 • 2 Das (verheiratete) Kind über 18 Jahren Ist damit der Kreis der überhaupt als "Kinder" in Betracht kommenden Personen abgegrenzt, so stellt sich als nächstes die Frage, wie lange man im Sozialrecht "Kind" ist. In der Regel wird die Sozialleistung bis zum 18. Lebensjahr gewährt41 • Die Altersgrenze verschiebt sich zum 25.42 bzw. 27. Lebensjahr43 des Kindes, wenn es in Berufsausbildung steht, ein freiwilliges soziales Jahr leistet, wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande ist, sich selbst zu unterhalten", im KinAbs. 1 Nr. 7 BBesG. Nr. 2 Abs. 2 BhV. u §§ 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG; 583 Abs. 5 Nr. 8; 1262 Abs. 2 Nr. 8 RVO; 39 Abs. 2 Nr. 8 AVG; 60 Abs. 2 Nr. 8 RKG; 3 Abs. 1 Nr. 12 i. V.m. 4 Abs. 2 USG (nur Geschwister!). 35 §§ 17 Abs. 1 Nr. 4 BEG; 144 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 BBG. 38 § 18 Abs. 1 Nr. 6 BBesG; vgl. auch BSGE 33, 105; BSG, NJW 1972, 1391; SchwoeTeT, Der Enkelzuschlag, NJW 1961, 2141. 37 §§ 3 Abs. 1 Nr. 8 i. V. m. 4 Abs. 1 USG. 38 § 265 Abs. 2 S. 3 LAG. U Vgl. VGH Bad. Württ., ESVGH 21,156. 40 Vgl. BVerwG, DöD 1961, 114; BSGE 15, 239; Blümich - Falk, § 32 Anm. 3 f.; Die Möglichkeit eines Pflegekindschaftsverhältnisses wird verneint von Wilke, § 45 Anm. I (unter unzutreffender Berufung auf die genannte Entscheidung des BVerwG); s. a. BFH, BStEl. 111, 1961, 254. 41 Vgl. z. B. § 2 Abs. 2 BKGG. 42 Statt aller: §§ 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG; 1262 Abs. 3 Satz 2 RVO. 43 §§ 18 Abs. 2 Satz 1 BBesG; 45 Abs. 3lit. a, b BVG. 44 Vgl. BSGE 15, 134: "Die Waisenrente endet ausnahmslos spätestens mit der Vollendung des 25. Lebensjahres. Dies gilt auch dann, wenn die Waise 32 33

§ 18

12. Kap.: Exkurs - Der Begriff des "Kindes" im Sooralrecht

149

dergeldrecht außerdem noch, wenn das Kind als einzige Hilfe der Hausfrau ausschließlich in dem Haushalt des Berechtigten tätig ist, dem mindestens vier weitere Kinder angehören, die bei dem Berechtigten berücksichtigt werden, oder wenn es an Stelle der länger als 90 Tage arbeitsunfähig erkrankten Hausfrau den Haushalt des Berechtigten führt. Dies sollte nach bisherigem Recht aber nur zugunsten des unverheirateten Kindes gelten45 , wobei einem verheirateten Kind insoweit die geschiedenen46 oder verwitweten47 Kinder gleichgestellt wurden48 • Diese sogenannten Heiratswegfallklauseln waren außerordentlich umstritten. Ausgangspunkt des Streites war folgende Diskrepanz zwischen Sozialund Familienrecht: Der Anspruch auf Sozialleistungen, die die durch das Kind verursachten Unterhaltslasten der Eltern ausgleichen bzw. bei Wegfall des Unterhalts durch Tod der Eltern bzw. eines Elternteiles den Unterhalt ersetzen sollen, erlosch mit der Heirat des Kindes. Im Unterhaltsrecht hingegen tritt die elterliche Unterhaltspflicht hinter die des Ehegatten zurück, kommt aber dann wieder zum tragen, wenn dieser seiner Leistungspflicht nicht genügen kann49 • Die Heiratswegfallklauseln sind lange Zeit als mit dem GG vereinbar angesehen worden 50 • Man hatte zur Begründung darauf verwiesen, daß die Waisenrente z. B. die Unterhaltsleistungen des verstorbenen Elternteils nicht aber ausbleibende Leistungen des Ehegatten ersetzen solle51 • bei Vollendung des 18. Lebensjahres infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande war, sich selbst zu unterhalten und dieser Zustand über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus andauert". 45 VgI. §§ 1262 Abs. 3 Satz 2; 1267 Abs. 1 Satz 2 RVO; 44 Abs. 1 Satz 2 AVG; 67 Abs. 1 Satz 2 RKG; 164 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG; 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SVG; 45 Abs. 3 Satz 1 BVG; 2 Abs. 2 Satz 1 (a. E.) BKGG; 18 Abs. 6 BBesG (jeweils a. F.); dagegen erfaßte § 14 a Abs. 2 BKGG a. F. (BGBI. I, 1965, 322) auch verheiratete Kinder; vgI. auch §§ 113 Abs. 1 AFG; 265 Abs. 2, 3; 269 Abs. 2; 272 Abs. 3; 273 Abs. 2; 275 Abs. 2 LAG. 46 VgI. § 18 Abs. 6 BBesG. 47 VgI. § 18 Abs. 6 BBesG; s. a. BSG, FamRZ 1967, 285 = DVBI. 1968, 890 mit abI. Anm. von Janssen; mit zustim. Anm. von Schwankhart, DVBl. 1969, 471. 48 Anders im Falle der Nicht-Ehe, vgl. Stötzner, Arb. Vers. 1962, 113 (130). 49 s. § 1608 BGB. 50 Vgl. den unveröffentlichten Beschluß des BVerfG, 1 BvR 452/58; BSGE 12, 27; 25, 205 = BSG, FamRZ 1967, 285 (= DVBl. 1968, 890); BSG, SozR Nr. 22 zu Art. 3 GG; BVerwGE 25, 123; BGH, FamRZ 1966, 448; MaunzDürig - Herzog, Art. 6 Rdnr. 20; Schwank hart, Der Rentenanspruch der verheirateten Waise, SozVers. 1961, 181; ders., Anm. zu BSG, DVBl. 1968, 890 a.a.O. 1969, 471. 51 Ebenso der Bundesta-gsausschuß für Beamtenrecht zur Änderung des Regierungsentwurfs zum BBesG ("Für verheiratete, verwitwete und geschiedene Kinder wird kein Kinderzuschlag gewährt, es sei denn, daß ihr Ehegatte sie nicht unterhalten kann."): "Die Unfähigkeit des Ehegatten, eine Frau zu unterhalten, ist kein Anlaß, dem Vater dieser Frau wieder Kinderzuschlag zu gewähren", vgl. BT-Dr. II/zu 3638 zu § 16 Abs. Entwurf eines BBesG.

150 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

Die Gegenmeinung hielt die Heiratswegfallklauseln nicht nur für systemwidrig52 , sondern wegen Verstoßes insbesondere gegen Art. 6 Abs. 1 GG auch für verfassungswidrig, da sie eine Behinderung der Eheschließungsfreiheit darstellten 53 . Dieser Auffassung hat sich nun auch das BVerfG unter Aufgabe seiner früheren Meinung54 angeschlossen5i9. Der 1. Senat des BVerfG hält die Heiratswegfallklauseln insoweit für verfassungswidrig, als sie undifferenziert im Falle der Verheiratung des Kindes (bzw. der Waise) das Kindergeld (bzw. die Waisenrente) auch dann versagen, wenn der Ehegatte zur Unterhaltsleistung außerstande ist. Da eine differenzierende Heiratswegfallklausel, also eine solche, die Sozialleistungen nur dann vorsieht, wenn der Ehegatte des Kindes zur UnterhaItsleistung außerstande ist, somit zulässig wäre, hat der erste Senat die Heiratswegfallklauseln nicht für nichtig erklärt, sondern lediglich ihre Verfassungswidrigkeit festgestellt. Der 2. Senat hingegen hat die Heiratswegfallklausel in § 18 Abs. 4 nrw. LBesG schlechthin für verfassungswidrig erachtet und sie für nichtig erklärt56 . Diese bei den sich teilweise erheblich widersprechenden Entscheidungen des BVerfG haben zeitweise zu einer "verfassungsrechtlichen Verwirrung um die Heiratswegfallklauseln"57 geführt. Der Bundesgesetzgeber hatte bereits in der vorletzten Legislaturperiode, da die Entscheidungen des BVerfG so lange auf sich warten ließen, die Initiative ergriffen. Es war der Vorschlag eingebracht worden, die Leistungen sollten auch nach der Eheschließung der Waisen bzw. des "Kindes" weitergewährt werden, wenn der Ehegatte den So Weidner, Diskussionsbeitrag, Vhdlgen d. 43. DJT S.G 98. So die Vorlagebeschlüsse SG Hamburg, SGb 1964,340 mit zust. Anm. von H. Krüger; VG Gelsenkirchen, FamRZ 1967, 45; 575; 1968, 522; SG Lüneburg, FamRZ 1969, 34; 158; Bogs, Einwirkung, S. G 43; s. a. dens., a.a.O. S. G 129; Bosch, Anm. zu österr. OGH, FamRZ 1967, 159; Feucht, Zölibatsklauseln im Besoldungs- und Versorgungsrecht, FamRZ 1969, 391; Frandsen - Daldrup, Frauenbericht, S. 121 ff. (122, 124 ff.); Haydt, Der Kinderzuschlag für verheiratete Kinder, ZBR 1964, 106; Janssen, Anm. zu BSG, DVBl. 1968, 890; Krüger, FamRZ 1966, 398; Lohner, S. 113 ff., insbes. S. 130, 132; Motsch, FamRZ 1966, 401 ff.; ders., Nochmals: Zur Verfassungswidrigkeit der sogenannten Heiratswegfallklauseln des Beamten- und Sozialrechts, FamRZ 1967, 263 ff.; Rupp, JuS 1968, 166 ff.; Scheffler, Fortfall von Waisengeld, S. 129 ff.; dies., Sicherung der Hinterbliebenen, S. 54 (unter Aufgabe ihrer früheren Meinung, vgl. Ehe und Familie, S. 271, Anm. 111); Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 43; s. a. Marschall, Die Stellung des österreichischen Rechts zum Wegfall öffentlich-rechtlicher Leistungsansprüche und Begünstigungen infolge Eheschließung von Kindern, FamRZ 1967,421. 54 Vgl. den unveröffentlichten Beschluß 1 BvR 452/58. 55 BVerfGE 28, 324; 29,57; 29, 71 (Erster Senat); 29,1 (zweiter Senat). 56 Zur Auswirkung dieser Entscheidungen auf die übrigen Heiratswegfallklauseln, insbesondere im Beamtenrecht, Maurer, FamRZ 1971, 12 ff. 57 Schmitz-Peiffer, FamRZ 1970, 630; s. a. Maurer, FamRZ 1971, 12. 52

53

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

151

Unterhalt nicht zu bestreiten vermag58 • Dieser Vorschlag ist im sechsten Bundestag aufgegriffen worden59 • Beeinflußt durch die Entscheidung des zweiten Senats des BVerfG, die - in übereinstimmung mit einem Teil der Literatur60 - die Heiratswegfallklauseln schlechthin für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat, sieht das nunmehr erlassene "Gesetz zur Änderung sozial- und beamtenrechtlicher Vorschriften über Leistungen für verheiratete Kinder" für alle Rechtsbereiche die völlige, undifferenzierte Streichung der Heiratswegfallklauseln vor. Die Leistungen werden demnach unabhängig von der Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten gewährt. Deswegen ist dieses Gesetz bereits auf heftige Kritik gestoßen61 •

13. Kapitel

Unterhalt als positive oder negative Voraussetzung sozialer Leistungen In all den bisher aufgezeigten Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit ist der Unterhalt positive oder negative Voraussetzung sozialer Leistungen. Bei subsidiär-familienabhängigen Leistungen ist Unterhalt negative Voraussetzung, d. h., die Realisierbarkeit von familiärem Unterhalt schließt den Anspruch auf die Sozialleistung aus. Bei den anderen Leistungen hat die sozial rechtliche Bezugnahme auf familiären Unterhalt häufig mehrere Funktionen nebeneinander zu erfüllen. Sie beschreibt einmal den Ausgangstatbestand der Sozialleistungen, die weggefallenen Unterhalt ersetzen, überdurchschnittliche Unterhaltsbelastungen ausgleichen oder außergewöhnliche Unterhaltsmehrbelastungen mindern oder übernehmen soll. In Ausnahmefällen werden durch Zuerkennung einer eigenständigen Bezugsberechtigung einzelne Unterhaltsansprüche sichergestellt. Die Rücksichtnahme auf familiäre Unterhaltsleistungen mindert die Inanspruchnahme vorrangig Verpflichteter. Die Bezugnahme auf familiären Unterhalt grenzt außerdem in den Systemen, in denen die 58 Vgl. BT-Dr. V/31ll; dazu Schwarzhaupt, Die "Heiratswegfallklauseln" im Sozial- und Beamtenrecht - Ein parlamentarischer Vorschlag zur Gesetzesänderung, FamRZ 1968, 405. 59 Maassen, Beseitigung der "Heiratswegfallklauseln" im Beamten- und Sozial recht, FamRZ 1970, 112. 60 Vgl. Krüger, FamRZ 1966, 398 (399); Rupp, JuS 1968, 166 (168); Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 44 f., 46. 61 Vgl. Bosch, Anm. zu BVerfG, FamRZ 1970, 470 (= BVerfGE 28, 324), a.a.O. S. 479 (480); Ruland, FamRZ 1970, 467; ders., FamRZ 1970, 631 ff.; s. a. Maurer, FamRZ 1971, 12 (14); es wird befürwortet von Schmitz-Peiffer, FamRZ 1970, 630; hierzu ausführlich u. 24. Kap., sub 22.

152 H. 1. Abschn.: Die sich CIIUS dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen Angehörigen nicht unmittelbar gesichert werden, den Kreis derer ab, die überhaupt als "Angehörige" in Frage kommen. Außerdem kann, wenn ein bestimmter Umfang der Unterhaltsleistung gefordert wird, die Person unter mehreren potentiell Berechtigten herausgefunden werden, der eine Leistung, die für eine Person, etwa ein Kind, nur einmal gewährt werden soll, am ehesten zusteht, weil sie die maßgebliche Unterhaltslast für diese Person trägt. In jeder dieser Beziehungen ist familiärer Unterhalt positive Voraussetzung sozialer Leistungen, entweder wird die jetzige Unterhaltsverpflichtung und/oder -leistung (Ausgleich der Unterhaltsbelastungen; übernahme bzw. Minderung außergewöhnlicher Unterhaltsbelastungen, Minderung vorrangiger Verpflichtungen, Sicherung von Unterhaltsansprüchen durch Einräumung einer Bezugsberechtigung) oder die frühere Unterhaltsberechtigung und/oder der frühere Unterhaltsbezug (Sicherung bei Unterhaltsverlust) vorausgesetzt. In dem nachfolgenden Kapitel soll nun den Einzelheiten des positiv oder negativ zum Bezug einer Sozialleistung vorausgesetzten Unterhalts nachgefragt werden. 1 Der Begriff der "Unterhaltsleistung" 11 Allgemein

Dabei interessiert zunächst, was das Sozialrecht überhaupt unter dem Begriff der "Unterhaltsleistung" versteht. Dieser Begriff wird im Sozialrecht nirgends näher definiert. Mit seiner Verwendung verweist es dem Grundsatze nach auf das Unterhaltsrecht des BGB bzw. des EheGl. Demzufolge sind der familienrechtliche und der sozialrechtliche Unterhaltsbegriff weitgehend identisch2 , wenn auch nicht vergessen werden darf, daß die Inkorporation des Unterhaltsrechts in sozialrechtliche Regelungen es der sozialrechtlichen Systematik und sozialpolitischer Zielsetzung unterwirft, so daß die Bedeutung des Begriffs "Unterhalt" zumindest mitbestimmt wird oder werden kann, durch die der sozialrechtlichen Norm, deren Bestandteil der Begriff "Unterhalt" insoweit geworden ist3 • Als Unterhaltsleistung wird demnach auch im Sozialrecht grundsätzlich jede Hingabe von Gegenständen oder Diensten angesehen, die der einzelne zum Leben benötigt4 • 1 Vgl. z. B. § 1265 Satz 1 RVO 1. Alternative: "Unterhalt nach den Vorschriften des EheG". 2 Vgl. statt aller BVerfGE 21, 329 (341); 17, 1 (12); Sieg, Unterhalt als Leistungsvoraussetzung, S. 133. 3 BSGE 14, 129 (131). 4 Zur Definition vgl. Brühl, Unterhaltsrecht, S. 42; s. a. Friederichs, SozVers. 1964, 200.

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

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12 Unterhalt aus dem "Arbeitsverdienst"

Die früher sowohl in den Vorsorge- als auch in den Entschädigungssystemen häufig anzutreffende Beschränkung, wonach der Unterhalt aus dem Arbeitsverdienst geleistet werden mußte, ist im geltenden Recht selten geworden. So ist die Elternrente in der Unfallversicherung 5 davon abhängig, daß der durch den Arbeitsunfall verstorbene Versicherte die Eltern "aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde". Dem Angehörigen eines Krankenversicherten, dessen Anspruch auf Krankenhilfe ruht, weil er eine Freiheitsstrafe verbüßt, steht nur dann eine Bezugsberechtigung auf die Leistung des Krankengeldes zu', wenn ihn der Versicherte bisher von seinem Arbeitsverdienst ganz oder teilweise unterhalten hat. Diese Bestimmung steht im Zusammenhang damit, daß früher 7 auch die Gewährung des Hausgeldes8 für Angehörige davon abhängig war, daß der Versicherte "bisher von seinem Arbeitsverdienst Angehörige ganz oder überwiegend unterhalten hat". Früher waren auch die Renten an Hinterbliebene weiblicher Versicherter9 oder BeschädigteriO davon abhängig, daß die Ehefrau den Lebensunterhalt "ganz oder überwiegend aus ihrem Arbeitsverdienst bestritten hat". Unter "Arbeitsverdienst" ist das versicherte Einkommen verstanden wordenl l • Gewährte die Ehefrau aus anderen Einnahmequellen Unterhalt, so löste dies nach ihrem Tode keine Hinterbliebenenrente aus 12• Das BVerfG hatte diese Bestimmungen im Versorgungsrecht wegen Verletzung der Gleichberechtigung der Geschlechter für nichtig erklärt1 3 • Im Sozialversicherungsrecht hat der Gesetzgeber diese Beschränkungen nach und nach fallen lassen14. Das BSG15 hält dies für unbedenklich, "weil bei dem Kreis der betroffenen Personen praktisch 5

8 7

§ 596 Abs. 1 RVO. § 216 Abs. 1 Nr. 1 RVO. § 186 RVO in seiner ursprünglichen Fassung (RGBl. 1911, 509); vgl. auch

RVA, AN 1940, 267 (268). 8 Das Hausgeld wurde früher .bei der Krankenhauspflege anstelle des Krankengeldes gezahlt. e Vgl. §§ 589 RVO i. d. F. vom 14.7.1925 (RGBl. I, 97); 1260 RVO i. d. F. vom 13.7.1923 (RGBl. 1,636); § 35 AVG i. d. F. vom 25.6.1926 (RGBl. I, 311). 10 § 97 Abs. 1 RVG i. d. F. vom 22.12.1927 (RGBl. I, 515); § 43 BVG i. d. F. vom 20. 12. 1950 (EGBl. I, 791). 11 RVA, AN 1915, 386 (387); AN 1929, 162 (163); "Arbeitsverdienst (ist) das Ergebnis des Beschäftigungsverhältnisses, das die Versicherungspflicht begründet". .,~ 12 RVA, AN 1915, 386 (387); AN 1929, 162 (163); st. Rspr., ebenso Lauterbach, § 589 Anm. 8; a. A. LSG Rh. Pf., Breith. 1955, 706. 13 BVerfGE 17, 38 (39). 14 Vgl. hierzu etwa BVerfGE 17,1 (14); RVA, AN 1940, 267 (268). 15 BSGE 12, 1 (3); 14, 129 (131).

154 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

doch nur das Einkommen aus Erwerbstätigkeit eine Rolle spielt", das auch versichert ist. Soweit heute noch die aus dem "Arbeitsverdienst" bestrittene Unterhaltsleistung bei dem Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit vorausgesetzt wird, kommt es darauf an, daß die Unterhaltsleistung aus dem versicherten Arbeitsverdienst erbracht wurde. Hatte der Unterhaltsträger mehrere Einkommen, von denen eines oder mehrere nicht versicherungspflichtig waren, dann kann eine Unterhaltsleistung aus dem "Arbeitsverdienst" nur dann bejaht werden, wenn der Versicherte auch ohne das nicht versicherte Einkommen die Unterhaltsleistung hätte erbringen können oder erbracht hätte. Eine Unterhaltsleistung aus dem Arbeitsverdienst kann nach der Rechtsprechung16 auch dann angenommen werden, wenn eine ins Gewicht fallende Arbeitsleistung des Verunglückten für die Eltern erbracht wurde, die von einem Dritten nur gegen Entgelt zu erlangen gewesen wäre. 13 Persönlicher Unterhalt

Die im familiären Unterhaltsrecht durch das Gleichberechtigungsgesetz vollzogene Wandlung des Unterhaltsbegriffes von dem rein finanziellen Verständnis zu einem auch personalen Unterhalt (Unterhalt in Form persönlicher Dienstleistungen), wurde vom BVerfG - in übereinstimmung mit einer in Literatur und Rechtsprechung (damals bereits) stark vertretenen Meinung17 - gegen den Widerstand insbesondere des 4. Senats des BSG18 unterschiedslos auf das gesamte Sozialrecht erstreckt. Nach dieser Rechtsprechung erfüllen nun auch personale Leistungen die Voraussetzung des Unterhalts im sozialrechtlichen Sinne, ein Ergebnis, das sich in allen Bereichen des Sozialrechts auswirkt. So kann die freiwillig versicherte Frau, auch wenn sie nicht erwerbstätig ist und keinen finanziellen Unterhaltsbeitrag für das Kind leistet, für dieses dennoch wegen seines Anspruches auf persönlichen UnterVgl. Hess. LSG, Breith. 1961, 1098. BVerfGE 17, 1 (12); 21, 329 (341); BSGE 6, 197 (203); 10, 28 (30); 11, 30 (33); 12, 38 (40); 19,282 (283); 20, 148 (152); 28, 1 (2); BSG, MDR 1968, 616; Der Sozialrichter 1971, 17; BVerwGE 13, 343 (345); 20, 354; BGH, NJW 1966, 1319 (1320); RzW 1963, 361; so auch schon RVA, EuM Bd. 32, 503 (505); ebenso Albrecht, SozVers. 1961, 162 (163); Bogs, Einwirkung, S. G 41; Brühl, Anm. zu LSG Celle, FamRZ 1953, 503; Herrmann, Der Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes und das Sozialrecht, Arb. Vers. 1961, 60 (61); Langkeit, SGb 1963 289 (293); Sieg, Unterhalt als Leistungsvoraussetzung, S. 133; Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 40. 18 Vgl. BSGE 5, 17 (20); 9, 36 (39); insbes. 12, 1 (3); 14, 129 (130); Hess. LSG, Breith. 1963, 886; BGH, VersR 1959, 633 (634); Dapprich, NJW 1959, 1708 (1709); Hett, SozSich. 1963, 74; Lohmann, SozVers. 1960, 190 (191); wohl auch Beck, DVZ 1961 70; Nicolai, SozVers. 1959, 129 (130); Stötzner, Arb. Vers. 16

17

1962, 113 (127).

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

155

halt Familienhilfe19 oder Kindergeld20 erhalten21 • Im Entschädigungsrecht kann allein der Wegfall des persönlichen Unterhalts Hinterbliebenenrenten auslösen22 • Selbst in Vorsorgesystemen kann beispielsweise ein Witwer auch deshalb Rente beziehen, weil seine in folge ihrer Berufstätigkeit versicherte Frau ihn nur wegen der Berücksichtigung ihrer Tätigkeit im Haushalt als Unterhaltsleistung überwiegend unterhalten hatte 23 • Die Rente, die dieser Mann erhält, bemißt sich jedoch ausschließlich nach dem Arbeitseinkommen der Frau und läßt ihre personale Unterhaltsleistung völlig außer Acht. Allerdings kann die Haushaltstätigkeit der verstorbenen Ehefrau alleine nicht zu einer Witwerrente führen. Das hat das BSG in einem Fall entschieden, in dem ein Witwer mit der Begründung Hinterbliebenenrente aus der Versicherung seiner Frau beanspruchte, daß diese allein durch ihre Haushaltstätigkeit - gemessen an dem Lohn einer fremden Haushälterin - mehr zum Unterhalt der Familie beigesteuert habe, als er, obwohl er der Alleinverdiener gewesen sei 24 • Bei der Bewertung der persönlichen Unterhaltsleistungen - typischerweise - der Ehefrau bleiben ideelle Momente außer Betracht. Nur der wirtschaftliche Wert kann berücksichtigt werden 25 • Sind in der Familie kleine Kinder vorhanden, dann wird auch der Wert ihrer Betreuung mit in Ansatz gebracht. Einen Anhaltspunkt für die Bewertung gibt der Geldbetrag, der üblicherweise aufgewendet werden müßte, um diese Leistungen anderweit, etwa durch Beschäftigung einer Hausgehilfin, durch Essen in einer Wirtschaft oder Unterbringung des Kindes in einem Kindergarten, zu beschaffen26 • Die hierfür angegebenen Werte BSGE 12, 38. BSGE 28, l. 21 Nimmt ein Ehepaar ein Pflegekind auf und betragen die zu den "Kosten des Unterhalts" zu zählenden tatsächlichen Unterhaltsleistungen (Kochen, Waschen, Pflege) die Hälfte des Gesamtunterhalts, so stand dem Ehemann auch dann gern. § 1262 Abs. 1 Nr. 7 RVO i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 6 BKGG (a. F.) Kinderzuschuß zur Rente zu, wenn der geleistete tatsächliche Unterhaltsbeitrag vorwiegend auf Verrichtungen der nicht rentenberechtigten Ehefrau beruht, SG ReutIingen, Breith. 1970, 345; a. A. LSG SchI. Holst., SGb 1971, 105. - Diese Frage hat sich wegen der Änderung des BKGG inzwischen erledigt. VgI. auch BSG, SGb 1972,426 und BSGE 32, 141. 22 BVerfGE 17, 38. 23 SG Karlsruhe, SGb 1967, 631 mit Anm. von SchieckeI, vgI. a. Stötzner, Arb. Vers. 1962, 113 (127). 24 BSG, SGb 1972, 221; s. a. BSGE 31, 90 (95 f.). 25 BVerfGE 17, 1 (16). 26 BVerfGE 17, 1 (16, 36); 38 (49); 19, 268 (279); BVerwGE 13, 343 (355); BSG, Sozialrichter 1971, 17 (19); SozEntsch. Nr. 7 zu § 1266; Hess. LSG, SGb 1970, 37; demgemäß verringert die Beschäftigung einer Hausgehilfin den Wert der von der Ehefrau geleisteten Hausarbeit, vgI. Verbandskommentar, § 1266 Anm. 5; s. a. Gottschalk, Die Berücksichtigung der Grundrente sowie der hauswirtschaftlichen Leistungen des Ehemannes bei der Ermittlung des überwiegenden Unterhalts, SGb 1970, 86. 19 20

156 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

reichen von 74 DW7 bis zu 957 DM (1966) bei einem Haushalt mit zwei Kindern28 . Bei diesen Werten ist jedoch zu berücksichtigen, daß ein gewisser Teil der ihnen zu Grunde liegenden Leistungen von der Ehefrau in ihrem eigenen Interesse geleistet wurde und daher ein entsprechender Wert abzuziehen ist29 . Andererseits werden aber auch die persönlichen Unterhaltsleistungen, die der Verdiener erbringt, in gleicher Weise in Ansatz gebracht, dies insbesondere dann, wenn festgestellt werden muß, ob ein Ehegatte den anderen bzw. die Familie (überwiegend) unterhalten hat30 • In der jüngst ergangenen - eben schon angesprochenen - Entscheidung zur Witwerrente hat das BSG seine Auffassung zur Bewertung der Haushaltstätigkeit insoweit modifiziert, als es feststellt, daß nicht schematisch nur von dem Lohn einer fremden Haushaltshilfe ausgegangen werden dürfe, sondern daß auch das Einkommen des Ehemannes mit maßgebend sei3t • Im Kriegsopferversorgungsrecht "gelten" als "Einkommensverlust einer Frau, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führt oder zu führen hätte, die durch die Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Haushaltsführung"32. Für diese Mehraufwendungen sind typisierende Mindestbeträge festgesetzt worden. Sie machen bei einer erwerbsunfähigen Frau z. B. derzeit 330 DM aus33 . 2 Der Umfang der vorausgesetzten Unterhaltsbeziehung Die Frage nach dem Umfang der vorausgesetzten Unterhaltsleistung spielt nur in den Fällen eine Rolle, in denen Unterhalt positive Voraussetzung sozialer Leistungen ist. Wenn Unterhalt negative Voraussetzung ist, schließt er die Sozialleistung grundsätzlich auch nur insoweit aus, als er geleistet wird oder realisierbar ist. In den Fällen, in denen Sozialleistungen an den Unterhalt anknüpfen, gibt es zahlreiche gesetzliche34 und - von der Rechtsprechung aufgestellte - funktionale Anforderungen. 27 BGH, VersR 1957, 128 (129); SG Speyer, Soz. Entsch. V/1266, 3: mindestens 200 DM; BTÜhl, FamRZ 1957, 277 (279 Anm. 40): 230 DM; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 8. Auf!. 1963, TZ 1452: 700 DM; LG Kiel, NJW 1967, 357 mit Anm. Feaux de la CToix: 800 DM. 28 G. SeheffleT, ZSR 1967, 24 (32); in BSG, SGb 1972, 221 beruft sich der Kläger auf eine Auskunft des Arbeitsamtes, wonach der Wert der Haushaltstätigkeit mit rund 1 500 DM einzuschätzen sei. 29 BVerwGE 13, 343 (356). 30 Vg!. LSG NRW, ZfS 1970, 150; s. a. BSG, SGb 1972, 221. 31 BSG, SGb 1972, 221; hierzu auch u. 22. Kap., sub 223; differenziert LSG NRW, ZfS 1970, 150, das bei der Bewertung der Hausarbeit von der Leistungsgruppe B 4 der Anlage 1 zum FRG ausgeht. 82 § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG; hierzu BSGE 30, 48. 33 § 8 S. 1 DVO zu § 30 Abs. 3, 4 BVG. 34 Kritisch dazu Gagel, Sozialrichter 1970, 5 (8).

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

157

21 Gesetzliche Anforderungen

211 "Die Aufnahme in die Wohnung (den Haushalt)" Die Aufnahme in die Wohnung, bzw. den Haushalt ist die Voraussetzung, unter der beispielsweise Stief- und Pflegekinder Sozialleistungen aus der Versicherung ihres Stief- oder Pflegeelternteils erlangen können. Die Aufnahme in den Haushalt bedeutet Aufnahme in die Familiengemeinschaft3~. Dabei ist nicht erforderlich, daß der Aufnehmende den Unterhalt ganz, überwiegend oder nur wesentlich bestritten oder daß er überhaupt finanzielle Aufwendungen gemacht hat36 . Andererseits kann die "Aufnahme in den Haushalt" nicht bejaht werden, wenn der Aufnehmende in keiner Form zum Unterhalt des Aufgenommenen beiträgt37 oder die Anwesenheit des Stiefkindes lediglich geduldet hat38. Im Unterhaltsrecht läßt allerdings bereits nach einer auch in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung39 die Tatsache, daß der Stiefvater sein - an sich nicht unterhaltsberechtigtes - Stiefkind in die Wohnung aufgenommen hat, meistens den Schluß zu, daß er mit dessen Mutter konkludent einen Unterhaltsvertrag zugunsten des Kindes vereinbart hat. Außerdem folgert man gelegentlich aus der Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch den Stiefvater das Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind40 •

212 "Zum Unterhalt nicht unerheblich beitragen" Zum Unterhalt wird dann "nicht unerheblich" beigetragen (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 BKGG a. F.), wenn der Unterhaltsbeitrag sowohl seinem Betrage nach als auch im Verhältnis zum Gesamtaufwand für den Empfänger ins Gewicht fällt 41 • Dies wird dann bejaht, wenn damit der auf den Empfänger entfallende Verbraucheranteil zu mehr als 1/5 gedeckt wird42 bzw. dann, wenn die Pflegeeltern mehr zum Unterhalt beitragen, als das Kindergeld ausmacht43 • Hierbei kommt es nicht darauf an, ob das Kind in Höhe des Unterhaltsbeitrages bedürftig war, m. a. W. es wird z. B. nicht vorausgesetzt, daß zunächst einmal das Einkommen des 35 Die Aufnahme in den Haushalt kann allerdings auch dann bejaht werden, wenn sich das Kind nicht in dem Haushalt der Eltern aufhält, sondern sich wegen seiner Ausbildung in einem Internat oder einer Lehranstalt befindet, vgl. Enz, SozVers. 1961, 323 (324). 38 BSG, ZfS 1963, 213; a. A. SG Speyer, SozSich. 1968, 147. 37 BSGE 29, 292. 38 BSG, ZfS 1963, 213. 39 s. O. 2. Kap., Text zu Anm. 101, 102. 40 Hierzu u. 14. Kap., Text zu Anm. 42 und 43. 41 BSGE 21, 155. 42 BSG, NJW 1971, 724; LSG Hamburg, Breith. 1967, 250; ebensq Wickenhagen - Krebs, § 2 Anm. 10. 43 Enz, SozVers. 1961, 323 (325).

158 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen Pflegekindes ganz oder überwiegend für seinen Unterhalt verwendet wird44 • Da der nicht unerhebliche Beitrag zum Unterhalt nicht einmal den Bedarf des Empfängers zur Hälfte decken muß, können mehrere Personen solche Beiträge geleistet haben45 •

213 "Wesentlicher Unterhalt" Die Elternrente in der Unfallversicherung (§ 596 RVO) hängt davon ab, daß der durch den Arbeitsunfall Verstorbene die Eltern aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten haben würde 46 • Während früher nur dann das Vorliegen des wesentlichen Unterhalts bejaht wurde, wenn er mindestens 50 0J0 des Unterhalts des Anspruchsberechtigten ausmachte 47 , wird es heute als ausreichend angesehen, daß durch seinen Wegfall die durch Zuwendungen des Verstorbenen ermöglichte auskömmliche Lebensstellung des Unterhaltsempfängers gefährdet wäre 48 • Aus der Entstehungsgeschichte des § 596 RVO - des früheren § 593 RVO - muß gefolgert werden, daß der "wesentliche" Unterhalt weniger erfordert als der "überwiegende", denn § 593 RVO ist in seinen Voraussetzungen dadurch gemildert worden, daß die Worte "ganz oder überwiegend bestritten" durch die Worte "wesentlich unterhalten" ersetzt worden sind49 • So wird man einen "wesentlichen Unterhalt" dann annehmen können, wenn der Unterhaltsbeitrag zwar nicht die Hälfte der dem Berechtigten zur Verfügung stehenden Mittel50 , wohl aber 1/a51 bis wenigstens 1/452. davon ausmacht. Daher können also mehrere Personen eine Person "wesentlich unterhalten". Ihr Tod kann auch mehrere, von einander unabhängige Renten an diese eine Person auslösen53 •

214 "Überwiegender Unterhalt" Die Voraussetzung des "überwiegenden Unterhalts" wird in zwei in ihren Auswirkungen stark unterschiedlichen - Spielarten gebraucht: des "überwiegenden Unterhalts" einer Person54 oder des "überwiegenden Unterhalts der Familie" - der Voraussetzung des Anspruchs auf LSG Bad.-Württ., SGb 1968, 258. Enz, SozVers. 1961, 323 (325). 46 Vgl. außerdem z. B. §§ 630 Abs. 1, 1288 Abs. 1 und 2 RVO. 47 Vgl. Vollmar, SozVers. 1950,282. 48 LSG Schleswig, SGb 1955,211; RVA, AN 1922, 262; Stein, S. 156; Stötzner, Arb. Vers. 1962, 113 (136). 49 Dazu RVA, a.a.O.; RVA, AN 1926, 411 (412). 50 RVA, AN 1922, 262 (263); AN 1926, 411 (412); Verbandskommentar, § 1288 Anm. 11. 51 SG Speyer, Soz. Sich. 1968, 147. 52 Sieg, Unterhalt als Leistungsvoraussetzung, S. 136. 53 RVA, AN 1926, 411 (412); Vollmar, SozVers. 1950,282. 54 §§ 1241 Abs. 2; 1288 Abs. 3 RVO; 2 Abs. 1 Ziff. 7 BKGG. 44

45

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

159

Witwerrente im Sozialversicherungsrecht. Diese Voraussetzungen sind bzw. waren in ihren inhaltlichen Aussagen sehr umstritten 55 • 214.1 "überwiegender Unterhalt" einer Person Eine überwiegende Unterhaltsgewährung einer Person, die lediglich unterhaltsberechtigt ist, liegt dann vor, wenn durch die in Frage stehenden Leistungen mehr als die Hälfte ihres gesamten Lebensbedarfs aufgebracht wird56 • Den Begriff des "überwiegenden Unterhalts" bei grundsätzlich gegenseitig unterhaltsberechtigten und -verpflichteten Ehegatten hat der Große Senat des BSG dahingehend interpretiert57 , daß ein Ehegatte, der ohne weitere Angehörige mit dem anderen Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt führt, diesen erst dann überwiegend unterhält, wenn sein Beitrag unter Abzug der Hälfte des gemeinsamen Unterhalts größer ist als dessen Beitrag. Dies soll an drei Beispielen verdeutlicht werden 58 : Beispiel Unterhaltsbeitrag der Frau

1

2

3

600

600

600

Unterhaltsbeitrag des Mannes

150

200

250

Gesamtsumme der Beiträge

750

800

850

Unterhaltsbeitrag der Frau abzüglich der Hälfte der Gesamtsumme der Beiträge

- 375

- 400

- 425

Unterhaltsleistung der Frau an den Mann

= 225

= 200

= 175

Im Beispiel 1 ist der Mann "überwiegend unterhalten" worden, in den beiden anderen Beispielen nicht. Das Beispiel 2 zeigt, daß der überwiegende Unterhaltsbeitrag mindestens das Dreifache des eigenen Beitrages des Unterhaltenen ausmachen muß59. Es genügt also nicht, wie 55 Vgl. hierzu Barnewitz, SozSich. 1965, 178 ff.; Beck, DVZ 1961, 70 f.; Flohr, SozVers. 1966, 271; Gagel, Sozialrichter 1970, 5 (6 ff.); Graf, Zum Begriff des "überwiegenden Unterhalts", ZfS 1968, 365; Hett, SozSich. 1963, 74; Knörl, SozVers. 1970, 89 (95); Langkeit, Diskussionsbeitrag, in: Ehe und Familie, S. 191 f.; Lohmann, SozVers. 1960, 190 (191 f.); Meier, Feststellung des überwiegenden Unterhalts, SozVers. 1968, 337; ders., Nochmals: Feststellung des überwiegenden Unterhalts, SozVers. 1969, 243; Sieg, Unterhalt als Leistungsvoraussetzung, S. 135 ff.; Stein, S. 156 ff.; Stötzner, Arb. Vers. 1962, 113 (127 ff.). 56 LSG NRW, Breith. 1969, 896. 57 BSGE 29, 225, = SGb 1970, 225 mit Anm. von Haensel, vgl. auch Graf, Der Große Senat zum überwiegenden Unterhalt, ZfS 1970, 8; BSGE 14, 203 (205); LSG Schl.-Holst., Breith. 1967,481. 58 Vgl. auch die Beispiele bei BSGE 14, 203 (205); Graf, a.a.O. (Fußn. 57). 59 Ebenso Graf, a.a.O. (Fußn. 57); Haensel. a.a.O. (Fußn. 57); s. a. BGH, RzW 1963,361.

160 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden B~ehungen

vielfach angenommen wurde 80 , daß der Ehegatte, der den andern überwiegend unterhalten haben soll, zum ehelichen Aufwand tatsächlich mehr als die Hälfte beigesteuert hat. In einem Mehrpersonenhaushalt kommt es bei der Feststellung des überwiegenden Unterhalts einer Person durch eine andere zunächst auf die Gegebenheiten zwischen dem Leistungsmittler und jedem einzelnen Familienangehörigen an8l . Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse, ohne daß Unterhaltsverpflichtung oder -berechtigung eine Rolle spielen62 • Die Feststellung des überwiegenden Unterhalts eines Familienangehörigen erfordert die Feststellung: erstens, wieviel der Betreffende für seinen Unterhalt verbraucht, und zweitens, ob der von dem Leistungsmittler erbrachte Anteil wenigstens die Hälfte dieses Unterhaltsaufwandes deckt83 . Zur Ermittlung des jeweiligen Bedarfs werden entweder Richtsätze 64 oder Punktesysteme65 verwendet86 . 214.2 "Überwiegender Unterhalt der Familie"

Die Feststellung des "überwiegenden Unterhalts der Familie" ist nicht ganz so kompliziert. Um es vorwegzunehmen: In den oben angeführten Beispielsfällen bekommt der Mann, wenn seine versicherte Frau gestorben ist, Witwerrente, denn die Frau hat dadurch, daß sie in jedem Falle mehr als die Hälfte zum Gesamtunterhalt beider Ehegatten beigesteuert hat, die "Familie überwiegend unterhalten"87. Es kommt bei dieser Voraussetzung nicht darauf an, daß sie "ihren Mann" überwiegend unterhalten hat68 . Insofern ist die Voraussetzung des "überwiegenden Unterhalts der Familie" milder als die des "überwiegenden Unterhalts" einer Person. Gehören außer den Ehegatten auch noch sonstige Angehörige zur Haushaltsgemeinschaft, so muß zunächst festgestellt werden, wer davon zur "überwiegend unterhaltenen Familie" rechnet. Das RVA zählte zur "Familie" i. S. des § 1260 (heute: § 1266) RVO außer den Eltern nur die waisenrentenberechtigten Kinder 69 . Es hat diese Auslegung mit der BSG, BKK 1967, 302 (Vorlagebeschluß) ; RVA, AN 1929, 145. BSG, WzS 1967, 280. 62 Ebd. 63 BSGE 25, 157; BSG, WzS 1967, 280. 64 Vgl. Gagel, Sozialrichter, 1970, 5 (8). 65 Vgl. BSGE 25, 157 (160); SozR Nr. 2 zu § 2 BKGG; Barnewitz, SozSich. 1965, 178 (179 f.); s. a. Flohr, SozVers. 1966, 271. 66 Vgl. im einzelnen die Beispiele bei Barnewitz, SozSich. 1965, 178 (179); Gagel, Sozialrichter 1970, 5 (8). 67 BSGE 28, 96; 185 (190); 14, 129; BSG, SozR Nr. 4 zu § 1266 RVO; SG Karlsruhe, SGb 1967, 641; kritisch: Hess. LSG, Breith. 1963, 886. 8B Verbandskommentar, § 1266 Anm. 5. 88 RVA, AN 1915, 671; ebenso Eicher - Haase, § 1266 Anm. 5; Verbandskommentar, § 1266 Anm. 5; s. a. BSGE 14. 129. 60

61

13. Kap.: Unterhalt als Vora,ussetzung sozialer Leistungen

161

Zweckbestimmung des Gesetzes - der Hinterbliebenensicherung begründet. In der Unterhaltsberechtigung von Kindern hat es kein geeignetes Kriterium für eine brauchbare Abgrenzung des Kreises der Familienangehörigen gesehen, weil die Einbeziehung der unterhaltsrechtlichen Voraussetzungen, wie Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit, die Voraussetzungen der Witwer- (und damals auch der Waisenrenten) noch unhandlicher werden lasse. Demgegenüber grenzt das BSG70 den Begriff der "Familie" i. S. des § 1266 RVO mit Hilfe des zivilrechtlichen Begriffs "Unterhalt der Familie" (§ 1360 a Abs. 1 BGB) ab. Demnach gehören Kinder, die nicht unterhaltsberechtigt sind, weil sie ein eigenes ausreichendes Einkommen haben, nicht mehr zur "Familie", denn ihr Lebensbedarf wird nicht von den Eltern bestritten und deshalb auch nicht von dem "Unterhalt der Familie" umfaßt. Soweit Kinder nur zu einem Teil ihres Unterhaltsbedarfs unterhaltsberechtigt sind, gehört nur das zum "Unterhalt der Familie", was die Eltern entsprechend ihrer Verpflichtung leisten71 • An die Feststellung, wer Mitglied der "Familie" ist, schließt sich die Berechnung der der Familie zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel an. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß ein Kind, das ein eigenes, aber für seinen Unterhalt nicht ausreichendes Einkommen hat und das das Einkommen auch abgibt, das aber andererseits einen sein Einkommen übersteigenden Unterhaltsanspruch hat, nicht als "Miternährer der Familie" angesehen wird, mit der Folge, daß das von dem Kind abgegebene Einkommen bei dieser Berechnung nicht mitgezählt wird72 . Andernfalls würden - wie das BSG nachgewiesen hat7 3 - Witwer mit Kindern schlechter gestellt als Witwer ohne Kinder. Die verstorbene, versicherte Ehefrau hat den Unterhalt der Familie dann überwiegend bestritten, wenn der von ihr geleistete Beitrag größer war als die Hälfte des Gesamtunterhalts aller Familienmitglieder74 . 22 Funktionale Anforderungen

221 Die Voraussetzung des "Unterhalts" bei Unterhaltsersatzleistungen Die Frage, ob Sozialleistungen ihrer "Unterhaltsersatzfunktion" wegen einen bestimmten Umfang der zu erbringenden oder erbrachten Leistung voraussetzen75 , stellt sich dann, wenn diese "Unterhaltsersatz70 BSGE 28, 185 (187 ff.); BSG, Sozialrichter 1971, 17; ebenso Brackmann, S. 688; s. a. BSG, SozR Nr. 4 zu § 1266 RVO. 71 BSGE 28, 185 (189); s. a. BSGE 31, 90 ff. 72 BSGE 28, 185 (187, 189). 73 Ebd. S. 187. 74 BSGE 28,185 (190); 14, 129 (133).

11 Ruland

162 II. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

leistungen" nur von einer Unterhaltsberechtigung oder -gewährung schlechthin abhängig sind, soweit sie nicht der Höhe nach durch den tatsächlichen Unterhaltsanspruch oder die tatsächliche Unterhaltsgewährung begrenzt sind76 . Dies ist der Fall bei den Renten an geschiedene Ehegatten im Sozialversicherungs- und bei den Witwer- und Enkelrenten im Verfolgtenversorgungsrecht 77 , Die gleiche Frage tauchte auch bei der Elternrente im Verfolgtenversorgungsrecht auf, für die früher ebenfalls dem Gesetzeswortlaut nach außer der "Bedürftigkeit" eine "Unterhaltsberechtigung" vorausgesetzt wurde 78 . Doch ergab sich hier unter Hinzuziehung der Materialien eindeutig, daß der Gesetzgeber die Voraussetzung der "Unterhaltsgewährung" nur dann als erfüllt angesehen haben wollte, wenn die Eltern "ganz oder überwiegend" unterhalten worden waren79 , Die Voraussetzung der "ganz oder überwiegenden" Unterhaltsgewährung war "aus sprachlichen Gründen" fallengelassen worden, weil "von Unterhaltsgewährung nur dann gesprochen werden kann, wenn der Verstorbene maßgeblich den Unterhalt bestritten hat"80, Bei der Auslegung des Begriffes "Unterhalt" i. S. des § 1265 RVO (Geschiedenen-Hinterbliebenenrente) hat sich die viel diskutierte Streitfrage ergeben, ob das familienrechtliche Verständnis des Begriffes, wonach Unterhalt jede auch noch so geringfügige Leistung sein kann 8!, maßgeblich ist, was zur Folge hätte, daß auch im Verhältnis zur späteren Rente ganz geringfügige Leistungen die Voraussetzung "Unterhalt" erfüllen könnten82 , oder ob - eben von der Funktion der Leistung ausgehend - nur Leistungen in bestimmtem Ausmaß sozial75 Diese Frage taucht gelegentlich aber auch in anderen Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit auf. So wird z. B. auch bei § 79 Abs. 1 Ziff. 3 letzter Halbsatz BSHG (dazu o. 7. Kap., Text zu Anm. 1), obwohl das Gesetz nur von einem "unterhaltspflichtig" werden spricht, von einem Teil der Literatur eine Verpflichtung zu einem "überwiegenden Unterhalt" verlangt, so ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 79 III 4 c 2; a. A. Keese, Sozialhilferecht, § 79 Anm. 5. 76 Wie etwa in §§ 125 Abs. 2 BBG; 73 BRRG. 77 § 17 Abs. 1 Ziff. 2, 4 BBG; § 1265 RVO. 78 § 17 Abs. 1 Ziff. 5 BEG i. d. F. vom 18.9.1953 (BGBL I, 1387); geändert durch BEG-Schlußgesetz; s. a. aber auch LSG Rh. Pf., SGb 1971, 444. 79 So denn auch die damals h. M., vgl. van Dam - Loos, Bundesentschädigungsgesetz, 1957, § 17 Anm. 6 a. 80 Vgl. BT-Dr. II/1949, S. 104. 81 Drastisch Friederichs, SozVers. 1964, 200 (201): "Schon der Betrag von 0,01 DM kann Unterhalt sein". . 82 So denn auch: LSG NRW, SGb 1968, 420; LSG Berlin, ZfS 1962, 141; Drossel, Diskussionsbeitrag, in: Ehe und Familie, S. 178 ff.; Friederichs, SGb 1965, 33; ders., SozVers. 1964, 200 (201); ders., Anm. zu BSGE 22, 44, = NJW 1965, 990; Glücklich, Anm. zu BSG, SGb 1968, 497; Heussner, S. 6 f.; Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (147 Anm. 34); vgl. a. BVerfGE 17, 1 (34); BSGE 5, 276 (277); BSG, SGb 1969, 63 und Anm. von Ruland - Zacher. s. a. Bayer. LSG, Breith. 1958, 846 (848): "Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sie damals Fürsorgeempfängerin war, muß die an sich gering-

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

163

rechtlich als "Unterhalt" klassifiziert werden sollten. Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung 83 die zweite Meinung. Danach muß der Unterhaltsanspruch des früheren Ehegatten, der die Hinterbliebenenrente auslösen soll, mehr als nur einen geringfügigen Teil des Unterhalts ausmachen; in der Regel werden 25 %84 des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs eines Unterhaltsberechtigten gefordert. Bei der Witwerrente im Verfolgtenversorgungsrecht soll nach Auffassung der Rechtsprechung85 und der Literatur86 zur Erfüllung der Voraussetzung der tatsächlichen oder potentiellen Unterhaltsgewährung nur eine überwiegende Unterhaltsleistung der Ehefrau genügen, d. h. die Einkünfte des Ehemannes müssen weniger als ein Drittel der der Ehefrau betragen haben. Allerdings reicht es für den Rentenanspruch aus, wenn die Ehefrau nicht alleine, sondern zusammen mit einern gleichfalls getöteten Sohn den überwiegenden Unterhalt geleistet hat oder hätte 87 • Jedoch bekommt der Hinterbliebene in einern solchen Fall auch nur eine Rente 88 • Entsprechendes gilt auch für die Enkelrente im Verfolgtenversorgungsrecht89 •

222 Die "Unterhaltsberechtigung" des Ehegatten i. S. des § 205 RVO (Familienhilfe)90 Einen weiteren Fall der Interpretation des Begriffs "Unterhalt" von seiner Funktion innerhalb der sozialrechtlichen Norm her findet sich in § 205 RVO. In der gesetzlichen Krankenversicherung erhält der fügige Rente von 4 DM wöchentlich ... als wesentlicher (!) Unterhaltsbeitrag angesehen werden". Im amtlichen Entwurf eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (BT-Dr. I/1333) wurde selbst ein Unterhaltsverlust von 2 DM als ausgleichswürdig angesehen (vgl. § 50 Abs. 4; Begründung S. 61). 83 BSGE 12, 279 (281); 20, 252 (253); ausführlich 22, 44 (46 ff.); 130 (131); BSG, SGb 1972, 170; ZfS 1972, 180; ZfS 1970, 359; BSG, SozR Nr. 28, 32, 39, 41 zu § 1265 RVO; BSG, Breith. 1966, 133; 1968, 196; BSG, NJW 1968, 1351 (1352); 1969, 1924; SGb 1971, 169; 1969, 291; 1965, 65; ebenso: LSG Schl.-Holst., SGb 1968, 39; LSG Hamburg, Breith. 1961, 724; zustimmend: Barnewitz, SozVers. 1967, 100, (101); Cramer, S. 174; Frentzel, Anm. zu LSG NRW, SGb 1968, 420; Hanisch, NJW 1965, 2287 (2288); Hoffmann - Stephan, Anm. 35 vor § 58 EheG; Pappai, BABl. 1966, 23 (25); Rüth, SozVers. 1960, 216; Stein, S. 155; Stötzner, Arb. Vers., 1962, 113 (118), nur für die 2. und 3. Alternative des § 1265 Satz 1 RVO; Verbandskommentar, § 1265 Nr. 8. 84 Grundsätzlich auch Sieg, Unterhalt als Leistungsvoraussetzung, S. 136, 196; er läßt jedoch 10 % genügen. 86 BGH, RzW 1963, 36!. 86 B.runn - Hebenstreit, § 17 Anm. 2. 87 BGH, RzW 1963, 361 (362). 88 BGH, RzW 1964, 26. 89 Brunn - Hebenstreit, § 17 Anm. 10. 90 s. hierzu Albrecht, SozVers. 1961, 162 (163 f.); Langkeit, SGb 1963, 289 (294); ders., Sicherung der Frau, S. F 30 ff., 34; Nicolai, SozVers. 1959, 129 (130 ff.); Otten, Die Unterhaltspflicht gleichberechtigter Ehegatten im geltenden Recht, FamRZ 1957,73; Peters, Handbuch, § 205 Anm. 8 b.

164 Ir. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen Versicherte für seinen "unterhaltsberechtigten Ehegatten" Familienhilfe. Nach Auffassung des BSG kann i. S. des § 205 RVO aber immer nur einer der bei den Ehegatten dem anderen gegenüber unterhaltsberechtigt sein, nicht aber können es beide Ehegatten gleichzeitig sein91 • Diese "einseitige" Unterhaltsberechtigung war, solange das eheliche Unterhaltsrecht noch nicht durch das Gleichberechtigungsgesetz geändert war, unproblematisch, da auch in ihm immer nur einer der Ehegatten unterhaltsberechtigt war. Das Gleichberechtigungsgesetz brachte statt der "einseitigen" die kooperative, gegenseitige Unterhaltsberechtigung der Ehegatten. Damit passe der Begriff der Unterhaltsberechtlgung in § 205 RVO nicht mehr in das neue System des Ehegattenunterhalts hinein92 , denn bei unveränderter übernahme wären die Ehegatten, entsprechend ihrer gegenseitigen Verpflichtung, zum Unterhalt beizutragen, auch i. S. des § 205 RVO immer gegenseitig "unterhaltsberech tigt"93. Obwohl diese Konsequenz von der herrschenden Meinung nicht gezogen wird, bestimmt sie den Begriff der Unterhaltsberechtigung weiter nach dem bürgerlichen Recht 94, dem sie den Begriff jedoch nur noch mittelbar entnimmt95 • Im Anschluß an den BGH, der bei der Anwendung des § 844 Abs. 2 BGB vor dem gleichen Problem stand96 , verfährt das BSG nach dem "Saldierungsgrundsatz". Demnach ist i. S. des § 205 RVO nur der Ehegatte unterhaltsberechtigt, der in geringerem Umfang als der andere verpflichtet ist, zum Unterhalt der Familie beizutragen97 , wobei die Haushaltsführung wertmäßig angemessen berücksichtigt wird98 • Die Unterhaltsberechtigung eines Ehegatten i. S. des § 205 RVO kann nach Auffassung des BSG zudem nur dann bejaht werden, wenn sein Einkommen die Versicherungspflichtgrenze nicht überschreitet99 . 3 Die rechtliche Natur des Unterhalts Das Sozialrecht berücksichtigt, wie bei der Darstellung seiner jeweiligen Beziehungen zum familiären Unterhalt deutlich wurde, sowohl die 91 BSGE 11, 198 (201); 10, 31; LSG Celle, SozVers. 1959, 82; ebenso Peters, Handbuch, § 205 Anm. 8 b. 92 So Peters, Handbuch, § 205 Anm. 8 b. 93 So aber Brühl, FamRZ 1957, 401 (402); vgl. auch Barttlingck, Familienhilfe für Ehegatten mit Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze, BKK 1969, 104. 94 BSGE 10,28; LSG Nds., Breith. 1970, 371. 95 Peters, Handbuch, § 205 Anm. 8 b. gS

NJW 1957, 537.

BSGE 10, 28 (31); etwas abweichend 11, 198 (202); 19, 282 (283); Figge, Familienhilfe für Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung, BB 1971, g7

403. 98 99

BSGE 19, 282. BSG, SGb 1970,455; a. A. LSG Nds., Breith. 1970, 371.

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

165

rechtliche Unterhaltsbeziehung, d. h. die Pflicht, Unterhalt zu leisten, und das Recht, Unterhalt zu beanspruchen, als auch den tatsächlich erbrachten Unterhalt, dessen Gewährung in einigen Fällen auf einer sittlichen Pflicht beruhen muß. Dabei werden entweder die Unterhaltspflicht bzw. die Unterhaltsberechtigung100 oder die Unterhaltsleistung bzw. der Unterhaltsbezug101 vorausgesetzt oder die Unterhaltspflicht (-berechtigung) und die Unterhaltsleistung (bzw. der Unterhaltsbezug) stehen sich als positive 102 oder als negative Voraussetzung103 gleichberechtigt gegenüber oder sie sind zu einer einzigen104 Voraussetzung zusammengefaßt. Als Zwischenstufe zwischen rechtlicher und tatsächlicher Unterhaltsbeziehungen war bei subsidiären Sozialleistungen der "realisierbare Unterhaltsanspruch" aufgetaucht, auf den beispielsweise der Sozialhilfeträger den Hilfesuchenden verweisen darf. Die (positive) Voraussetzung des Unterhalts kann tatsächlicher oder wie in Entschädigungssystemen manchmal hypothetischer Natur sein, d. h. es wird entweder auf den Zeitpunkt des Sicherungsfalles bzw. auf den Zeitraum davor abgestellt, und es muß zu diesem Zeitpunkt bzw. in diesem Zeitraum die rechtliche bzw. tatsächliche Unterhaltsbeziehung bestanden haben, oder es wird auf die Zeit nach dem Sicherungsfall abgestellt und gefragt, ob der Verunglückte bzw. Beschädigte ohne den Unfall bzw. die Beschädigung, der bzw. die zu seinem Tod geführt hat, dem Angehörigen tatsächlich Unterhalt geleistet hätte bzw. ob er unterhaltspflichtig geworden wäre, und wenn ja, wie lange. Tatsächliche und hypothetische Unterhaltsvoraussetzung können nebeneinander gefordert werden105 , oder kombiniert sein106 • 100

§§ 205 f. RVO; 125 Abs. 2 BBG.

Die Witwerrente im Sozialversicherungsrecht ist z. B. allein von der tatsächlichen Gewährung des überwiegenden Unterhalts der Familie durch die verstorbene Ehefrau abhängig, vgl. BSG, Sozialrichter 1971, 17; Verbandskommentar, § 1266 Anm. 5. 102 So etwa bei dem Anspruch des geschiedenen Ehegatten auf Hinterbliebenenrente im Sozialversicherungs- und im Kriegsopferversorgungsrecht (s. o. 10. Kap., sub 23). 103 So etwa bei der Sozialhilfe. Auf Sozialhilfeleistungen wird Unterhalt angerechnet, weitgehend unabhängig davon, ob er freiwillig oder auf Grund rechtlicher Verpflichtung erbracht wurde (s. o. 6. Kap. Anm. 26). 104 Ein Beispiel hierfür ist die Elternrente in der Unfallversicherung (§ 596 RVO). Die Eltern erhalten Rente, wenn der tödlich Verunglückte sie wesentlich aus seinem Arbeitsverdienst unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall unterhalten würde (Unterhaltsleistung), solange sie ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können (Unterhaltsberechtigung). 105 Vgl. etwa § 125 Abs. 2 BBG, insbes. dort S. 2: "Eine später eingetretene oder eintretende Änderung der Verhältnisse kann berücksichtigt werden." Eine solche Änderung der Verhältnisse liegt auch dann vor, wenn nach dem Tode des Beamten Umstände eintreten, die zugunsten seiner geschiedenen Frau, die vor seinem Tode nicht unterhaltsberechtigt war, eine Unterhalts101

166 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen Wird lediglich auf die rechtliche Unterhaltsbeziehung abgestellt, dann ist es unerheblich, ob die Unterhaltsansprüche durchgesetzt wurden, durchsetzbar waren oder ob ihre Vollstreckung am Pfändungsschutz hätte scheitern müssen107 • Es kommt auf die tatsächliche Unterhaltsbeziehung dann nicht mehr an. Andererseits genügt, wenn die tatsächliche Unterhaltsbeziehung vorausgesetzt wird, deren Nachweis ohne Bedeutung ist, ob einer tatsächlichen Unterhaltsgewährung eine Unterhaltspflicht zugrunde laglos. 31 Die tatsächliche Unterhaltsbeziehung

Eine tatsächliche Unterhaltsgewährung liegt vor, wenn durch Hingabe von Geld- oder Sachmitteln oder durch Erbringung von Arbeitsleistungen der Lebensbedarf eines anderen ganz oder teilweise sichergestellt wird. Die tatsächliche Unterhaltsgewährung als negative Voraussetzung ist weitgehend unproblematisch, da die Leistung, auch wenn man sie nicht als "Unterhaltsleistung" qualifizieren könnte, entsprechend ihrer Höhe subsidiäre Sozialleistungen ausschließt. Die Frage, ob es sich bei der Hingabe von Geld- oder Sachmitteln oder bei der Erbringung persönlicher Leistungen um "Unterhaltsleistungen" handelt, stellt sich daher insbesondere dann, wenn tatsächlicher Unterhalt positive Voraussetzung sozialer Leistungen ist. Hier seien lediglich vier Merkmale hervorgehoben:

Unterhaltsnachzahlungen stellen keine tatsächliche Unterhaltsgewährung dar, weil Hinterbliebenenrenten, die auf Grund tatsächlicher Unterhaltsleistungen gezahlt werden, nur den Unterhalt ersetzen sollen, auf den sich der Hinterbliebene für die Zukunft hätte einstellen können und von dem angenommen werden konnte, daß er auch weiterhin gezahlt worden wäre, wenn der Versicherte nicht gestorben wäre. Diese Voraussetzungen sind aber bei Unterhaltsnachzahlungen nach Auffassung des BSG nicht gegeben109 • pflicht des Beamten begründen würden, wenn er nicht verstorben wäre, vgl. Lewer, ZBR 1965, 74 (75). 106 Auch hier sei die Elternrente in der Unfallversicherung (0. Anm. 104) als Beispiel genannt. 107 BSGE 20, 1 (3); s. a. ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 79 111 4 c 2. 108 BSG (GS) E 20,1 (5); BSGE 5, 276 (283); BSG, SGb 1964, 233; Friederichs, SGb 1965, 33; Verbandskommentar, § 1265 Anm. 8; a. A. BSGE 12, 278; Niemann, SozVers. 1960, 133 (136). 109 Vgl. BSG, SGb 1970, 26 mit zustim. Anm. von v. AUrock.

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

167

Eine (tatsächliche) Unterhaltsleistung durch den Gesicherten wird auch dann angenommen, wenn gegen ihn aus einem Unterhaltstitel vollstreckt worden istllO • Eine tatsächliche Unterhaltsgewährung ist, da sie losgelöst von einer Unterhaltsberechtigung festzustellen ist, auch von der Bedürftigkeit des Empfängers unabhängig. So kann "Unterhalt" auch geleistet werden, wenn der Empfänger eigene, ausreichende Einkünfte hat ll1 • Die Unterhaltsgewährung muß aber unentgeltlich sein112 • Diese - an sich selbstverständliche - Voraussetzung bereitet bei dem Zusammenleben von geschiedenen Ehegatten Schwierigkeiten. Ihre konsequente Handhabung würde dazu führen, daß, wenn geschiedene Eheleute wieder in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, ohne nochmals geheiratet zu haben, eine Unterhaltsleistung zu verneinen wäre, wenn der Wert des Beitrages, den der Mann etwa zum gemeinsamen Haushalt beisteuert, nicht höher ist als der Wert des Beitrages der Frau, bei dessen Festsetzung ihre Haushaltsführung oder ihre Mithilfe im Geschäft berücksichtigt werden muß113. Im Ergebnis bekäme dann die geschiedene Frau, die mit ihrem früheren Mann zusammenlebte, keine Hinterbliebenenrente. Um dieses befremdende Ergebnis zu mildern, hat das SG Kassel 114 danach unterschieden, ob die Ehegatten aus eheähnlicher Gesinnung wieder zusammenlebten oder ob der Frau nur die Rolle einer Haushälterin zukam. Im ersten Fall hat es den Unterhaltscharakter der Leistungen bejaht, im zweiten verneint. 32 Die rechtliche Unterhaltsbeziehung

Die rechtliche Unterhaltsbeziehung kann auf dreierlei beruhen: dem Gesetz, einer gerichtlichen Entscheidung oder einer vertraglichen Bindung. Soweit auf die rechtliche Unterhaltsbeziehung abgestellt wird, ist es, wenn sie positive Voraussetzung ist, unerheblich, ob sie durchgesetzt wurde oder überhaupt durchsetzbar war11l1• Ist die Beziehung negative Voraussetzung, dann kommt es darauf an, ob dieser Verpflichtung Genüge geleistet wurde bzw. ob die Unterhaltsberechtigung von dem Hilfeempfänger realisiert werden kann oder konnte 116 . BSG, SGb 1964, 233. BSGE 12,279; BGH, RzW 1963, 166; SG Karlsruhe, SGb 1967,641; a. A. Pappai, BABl. 1966, 23 (24); Richter, SozVers. 1966, 118 (119). 112 BSGE 19, 185; RVA, EuM Bd. 15, S. 119; s. a. § 45 Abs. 2 Nr. 5; 49 Abs. 2 Nr. 2 BVG; vgl. hierzu auch Friederichs, SGb 1965, 33. 113 BSGE 12,279 (281); 19, 185; BSG, MDR 1964, 450. 114 SGb 1969,35; ähnlich Stötzner, Arb. Vers. 1962, 113 (126). 115 s. o. Anm. 107. 116 s. O. 6. Kap., Anm. 25 f. 110 111

168 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen 321 Die gesetzliche Unterhaltsbeziehung 321.1 Beschränkung auf ehe- und familienrechtliche Unterhaltsbeziehungen Die Frage, ob eine bestehende Verpflichtung als gesetzliche "Unterhaltsverpflichtung" zu qualifizieren ist, stellt sich nicht nur dann, wenn die Unterhaltsbeziehung positive Voraussetzung ist. Da Unterhaltspflichtige bei der Inanspruchnahme durch die Träger subsidiär-familien abhängiger Sozialleistungen anderen Leistungspflichtige u. U. gegenüber privilegiert werden1l7 , ist diese Frage auch dann erheblich, wenn Unterhaltsberechtigungen und die ihnen korrespondierenden Unterhaltspflichten negative Voraussetzung sozialer Leistungen sind. Als gesetzliche Unterhaltsbeziehungen kommen nur solche in Betracht, die im Eherecht (EheG) bzw. Familienrecht (BGB - 4. Buch) statuiert sind. Weder werden vertragliche Abgeltungsansprüche als Unterhaltleistungen anerkannt118 , noch an die Stelle bestimmter Unterhaltsansprüche getretene Schadensersatzansprüche 119 • 321.2 Der Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG Lange Zeit war streitig, ob der Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag gern. § 60 EheG als Unterhaltsleistung i. S. des § 1265 RVO angesehen werden kann, da in der familienrechtlichen Literatur dieser "Billigkeitsanspruch" nicht als "echter" Unterhaltsanspruch angesehen wurde 120 • Dementsprechend hat die sozialrechtliche Rechtsprechung einen "Beitrag zum Unterhalt" nach § 60 EheG nur dann als Unterhalt nach den eherechtlichen Vorschriften angesehen, wenn der verstorbene, frühere Ehemann zur Leistung rechtskräftig verurteilt war 121 • Nachdem jedoch der BGH festgestellt hat, daß der Anspruch aus § 60 EheG zur Entstehung gelangt ist, wenn all seine Voraussetzungen erfüllt sind, ohne daß es auf eine richterliche Entscheidung ankommt122 , hat auch die sozialrechtliche Judikatur "Unterhaltsbeiträge" als "Unterhalt nach den Vgl. z. B. §§ 90 f. BSHG; hferzu Empfehlungen, S. 38. Vgl. etwa BSG, SozR Nr. 21 zu § 1265 RVO. 119 BSGE 26, 190 (195); vgl. auch Stötzner, Arb. Vers. 1962, 113 (116) unter Berufung auf ein Urteil des LSG Berlin vom 22. 7. 1960 (L 15/1 - An 457/59): "Ein einer Frau im Falle erschlichener Scheidung nach § 826 BGB erwachsener Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung, demzufolge nunmehr der geschiedene Mann der früheren Ehefrau Geldleistungen entrichtet, basiert nicht auf einer Unterhaltsverpflichtung und würde i. S. des § 1265 RVO für eine Rentengewährung keinen Anhalt geben." 120 s. o. 2. Kap. Anm. 73. 121 Bayer. LVA, Breith. 1953, 531 (532); OVA Hildesheim, ZfS 1954, 42; Stötzner, a.a.O. S. 117; noch weitergehend Schur, SGb 1957, 39, der in jedem Fall § 1265 RVO (bzw. § 42 BVG) für unanwendbar hält. 122 s. O. 2. Kap. Anm. 75. 117

118

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

169

Vorschriften des EheG" anerkannt l23 . Entsprechendes gilt, wenn das Scheidungsurteil keinen Schuldausspruch enthält, für den "Billigkeitsanspruch" nach § 61 Abs. 2 EheG124. Der Unterhaltsbeitrag gern. § 60 EheG wird andererseits auch auf subsidiäre Leistungen, etwa Sozialhilfe l25' oder wieder aufgelebte Hinterbliebenenrente 12,6 angerechnet. 321.3 Die Verbindlichkeit der Scheidungsurteile

Ob im Einzelfall eine gesetzliche Unterhaltsbeziehung besteht, hängt bEü geschiedenen Ehegatten - abgesehen von den sonstigen Kriterien - von dem Scheidungsurteil ab. Der Schuldspruch kann z. B. für die Rentengewährung an den geschiedenen Ehegatten oder für die Einräumung von Steuervorteilen von entscheidender Bedeutung sein - wenn die Sozialleistungsträger und Sozial- bzw. Finanz- oder Verwaltungsgerichte an ihn gebunden sind. Dies wird zwar von der Rechtsprechung einhellig bejaht127 , ist aber nicht unbestritten l28 . Der Rechtsprechung wird einmal die - wie behauptet - nur inter partes wirkende Rechtskraft des Schuldausspruches zum andern die aus dem Ergebnis der Rechtsprechung gezogene Folgerung entgegengehalten, wonach die Parteien durch eine Konventionalscheidung auch Rechtspflichten von Sozialleistungsträgern präjudizieren könnten129. Jedoch ist nach ganz herrschender Meinung130 - die sich auch auf die Motive zum BGB stützen kann131 -, auch der Schuldausspruch ein Gestaltungsurteil. Dem wird schon aus der Erwägung zuzustimmen sein, daß es eine auf die Schuldfrage begrenzte Nachprüfung eines Scheidungsurteils nicht gibt, denn der Schuldausspruch ist untrennbar mit dem Scheidungsausspruch verbunden, der Rechtskraft gegenüber jeder123 BSGE 13, 166; Hess. LSG, SGb 1964, 150; zustimmend Müller-Freienfels, S. 209; Pappai, BABl. 1966, 23 (26); Tümmler, Diskussionsbeitrag, in: Ehe und Familie, S. 182; Verbandskommentar, § 1265 Nr. 9; vgl. auch BFH, DStR 1967, 87; das soll aber nach BSG, NJW 1972,2104 nicht für § 1265 S. 2 RVO gelten. 124 BSG, SozR Nr. 1 zu § 65 RKG; Barnewitz, SozVers. 1967, 100 (101). 125 LSG NRW, SGb 1969,228 (229); Empfehlungen, S. 31 f. 126 B,SG, SGb 1970, 130; LSG NRW, SGb 1968, 300. 127 BSGE 10, 171; 13, 166 (167); 27, 256; BSG, FamRZ 1969, 282; BFH, NJW 1970,1438; Bayer. LSG, Breith. 1967, 579; ebenso Heussner, S. 1. 128 Grunsky, FamRZ 1969, 522 ff.; ders., Anm. zu BSGE 27, 256, NJW 1968, 1982 ff. 129 Grunsky, jew. ebd. 130 BSGE 27, 256 (257); Rosenberg, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 9. Auf!. 1961, § 161 Via, S. 818; Lent - Jauernig, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl. 1969, S. 260; Hildebrandt, Mitschuldklage, 1933, S. 27 f.; Schlosser, 'Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966, S. 81 ff.; abweichend neuerdings Rosenberg - Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl. 1969, S. 887. 131 Mugdan, Bd. IV, S. 326; dort heißt es: "Das Urteil, das den einzelnen Gatten oder beide für schuldig erklärt, hat in Ansehung der sich daran knüpfenden rechtlichen Wirkungen einen konstitutiven Charakter."

170 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

mann entfaltet132 • Das zweite Argument der Gegenmeinung ist schon deshalb nicht überzeugend, weil die früheren Ehegatten durch einen Unterhaltsvertrag oder durch die Gewährung tatsächlicher Unterhaltsleistungen (§ 1265 Satz 1 RVO 3. Alternative) den Schuldausspruch zu Lasten des Sozialleistungsträgers überspielen können133 • Die Bindung gilt auch für ein ausländisches Urteil, wenn nur eine ersichtliche Feststellung eines schuldhaft ehewidrigen Verhaltens eines Ehegatten darin enthalten ist134 • Wenn nicht, so müssen allerdings die Sozialleistungsträger und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in eigener Verantwortung die Schuldfrage prüfen135 • Enthält das Scheidungsurteil keinen Ausspruch über das alleinige oder überwiegende Verschulden des Ehegatten, dann sind die Voraussetzungen der Geschiedenen-Hinterbliebenenrente gegeben136 • Die Sozialbehörden haben in einem solchen Fall keine Ermittlungen anzustellen. 321.4 Die Voraussetzungen der Unterhaltsbeziehung

Soweit in sozialrechtlichen Normen Unterhaltsberechtigungen oder -verpflichtungen vorausgesetzt werden, müssen zur Erfüllung dieser Voraussetzung die Kriterien gegeben sein, bei deren Vorliegen dem bürgerlichen Recht nach eine Unterhaltsberechtigung oder -verpflichtung anzunehmen ist. Diese Kriterien sind Bedürftigkeit des Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Um die Prüfung ihres Vorliegens zu erleichtern, sind häufig Durchführungshinweise 137 , Richtlinien13B oder allgemeine Verwaltungsvorschriften139 erlassen worden. Diese umschreiben des näheren die Voraussetzungen, insbesondere die der Bedürftigkeit der Angehörigen, deren Vorliegen sie bei Einkommen oder sonstigen Unterhaltsberechtigungen unterhalb eines jeweils festgesetzten Betrages typisierend unterstellen. So wird beispielsweise in den Durchführungshinweisen zu § 4 USG unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit angenommen, wenn einem Ledigen monatlich nicht mehr als 310 DM und einem Verheirateten nicht mehr als 520 DM zur Verfügung stehen, zuzüglich jeweils 132 Auch im Unterhaltsrechtsstreit ist der Schuldausspruch maßgeblich, vgl. RGZ 99, 80. 133 Vgl. Müller-Freien/eIs, S. 208 f. 13f BSG, BVBl. 1968, 140. 135 BSGE 26, 1; BSG, SGb 1971, 92. 136 BSG, BVBl. 1971, 81. 137 Vgl. die Durchführungshinweise zu § 4 USG, abgedruckt bei EichIer,

§ 4 IV.

Vgl. die Richtlinien zu § 145 BBG, abgedruckt bei Fischbach, § 145. Vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 15 Abs. 2 BBesG vom 9.3.1959 (GMBl. S. 134). 138

139

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

171

70 DM für jedes ihnen gegenüber unterhaltsberechtigte Kind140 • Diese schematisierenden Hinweise, Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften, die unterhaltsrechtliche Vorfragen vereinfachend regeln und die, "mißt man sie mit rein bürgerlich-rechtlichem Maßstab, hier und da nicht unbedenklich erscheinen"141, werden damit gerechtfertigt, daß es anläßlich der Durchführung sozial rechtlicher Regelungen, die eine Vielzahl von Personen betreffen, nicht möglich ist, bürgerlich-rechtliche Vorfragen mit der bei Gerichten üblichen Sorgfalt zu klären142. Festzustellen ist jedoch, daß die Gerichte, die von jemandem angerufen werden, zu dessen Lasten diese Richtlinien von dem Unterhaltsrecht abweichen, nicht an diese gebunden sind, da das Gesetz auf die bürgerlich-rechtliche Regelung verweist und es insoweit durch die Richtlinien weder abgeändert noch verbindlich interpretiert werden kann. Soweit solche Maßstäbe fehlen, und auch kein Unterhaltstitel vorliegt, der die Prüfung der Bedürftigkeit regelmäßig erübrigt143 , müssen die Voraussetzungen der Bedürftigkeit und der Leistungsfähigkeit im Einzelfall jeweils geprüft werden, wobei sie allerdings dann, wenn ausnahmsweise die sonst typisierend unterstellte Unterhaltsberechtigung des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten in Frage steht, wegen der gegenseitigen Unterhaltsbeziehung der Ehegatten in den Hintergrund gedrängt werden. So ist der Begriff der "Unterhaltsberechtigung" des Ehegatten i. S. des § 205 RVO grundsätzlich "unabhängig davon zu bestimmen, ... ob der Ehegatte in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten"144. Auch im Unterhaltssicherungsrecht hindert die Tatsache, daß das Einkommen der Ehefrau höher ist als das tatsächliche oder mutmaßliche Einkommen des Ehemannes, nicht, das Vorliegen der Voraussetzung, daß die Ehefrau unterhaltsberechtigt sein müsse 145 , zu bejahen146 • Soweit Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit geprüft werden müssen, kompliziert diese Prüfung das jeweilige Leistungsbewilligungsverfahren und führt zu einer häufigen Inanspruchnahme der Gerichte, was andererseits aber auch zur gerichtlichen Klärung mancher unterhaltsrechtlicher Fragen beiträgt und beitrug. 140 Hinweis 13 c zu § 4 USG; Mittel des Unterstützten bis zu 100 DM stehen grundsätzlich der Gewährung des höheren Ortszuschlages an Beamte nicht entgegen, Allgemeine Verwaltungsvorschrift Nr. 1 Abs. 1 S. 4 zu § 15 BBesG.

141

Eilchler, § 4 UI 1.

Ebd. Vgl. Hinweis 13 b zu § 4 USG. tu LSG Nds., Breith. 1970, 371; s. jedoch BSG, SGb 1970. 455. ilazu o. unter 222. 145 ~~ 3 Abs. 1 Ziff. 1, 4 Abs. 1 USG. U5 EichIer, § 4 Anm. Irr 3 (im Anschluß an BVerwGE 13, 343). 142

143

172 II.

1. Abschn.:

Die sieh aus dem Sozialreeht ergebenden Beziehungen

So hat das BSG beispielsweise entschieden147 , daß dann, wenn es ein geschiedener Ehemann unterläßt, einer sich bietenden Erwerbstätigkeit nachzugehen, die ihm auch zuzumuten ist, und er allein aus diesem Grunde kein Einkommen hat, seine Leistungsfähigkeit nicht entfällt1 48 • Er muß, ist er selbständig berufstätig, unter Umständen in eine abhängige Beschäftigung zurückkehren, um die für den Unterhalt an die frühere Ehefrau notwendigen Mittel zu erwerben149 • Weiterhin ist entschieden worden, daß an der Verpflichtung, der geschiedenen Ehefrau nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen Unterhalt zu leisten, sich auch dann nichts ändert, wenn ein Dritter die Unterhaltsschuld mit Genehmigung des geschiedenen Ehegatten durch einen echten Schuldübernahmevertrag übernommen hat150 • Andererseits ist Bedürftigkeit - auch im sozialrechtlichen Sinne - dann bejaht worden, wenn der Berechtigte seinen Unterhalt allein dadurch bestritten hat, daß er - durch Not gezwungen - Arbeiten ausführte, die ihm mit Rücksicht auf seine sonstigen persönlichen Umstände nicht zumutbar waren151 • In zahlreichen weiteren Entscheidungen sind dann die Umstände herausgearbeitet worden, unter denen es einer Frau (nicht) zugemutet werden kann, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. So ist etwa daraus, daß der geschiedene Ehemann nicht auf Unterhalt in Anspruch genommen wurde, gefolgert worden152, nicht einmal die Frau habe die tatsächlich aufgenommene eigene Arbeit als unzumutbar angesehen. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist z. B. dann als unzumutbar erachtet worden153 , wenn die Frau das 45. Lebensjahr vollendet und noch ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen hat oder während der Ehe keiner Beschäftigung nachgegangen war, oder wenn sie bereits in einem Alter stand, in dem Frauen gewöhnlich aus dem Berufsleben auszuscheiden pflegen. Einer geschiedenen Frau, die mehrere Kinder aufzuziehen hat, ist eine Arbeitsaufnahme grundsätzlich nicht zuzumuten154 • Die Unterhaltsbedürftigkeit ist auch dann zu bejahen, wenn sich ein an sich vorrangig zum Unterhalt Verpflichteter der Unterhaltspflicht entzieht, denn es kommt auf die tatsächliche Situation an und das umschließt die Realisierbarkeit der Unterhaltsansprüche. So ist z. B. ein 147 148 149 150 151 152

BSGE 27,1. A. A. z. B. ScheffleT, in: RGRK zum BGB, § 1603 Anm. 4. BSGE 27, 1. LSG Rh.-Pf., SGb 1969, 473. BGH, RzW 1963, 309; BSG, SGb 1972,217. BSG, SGb 1968, 497 (498) mit Anm. von Glücklich; a. A. OVG Rh. Pf.,

ZBR 1970, 162. 153 LSG Sehl.-Holst., Breith. 1969, 451. 154 BSGE 26, 293; s. a. § 265 Abs. 2 Satz 1 LAG; hierzu BSG, NJW 1959, 2082; zur Zumutbarkeit außerdem BSG, FamRZ 1971, 90.

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

173

Elternteil dem Kind gegenüber auch dann unterhaltsberechtigt, wenn sich der andere Elternteil der Unterhaltspflicht entzieht15S • Die vorausgesetzte Unterhaltsbeziehung kann nicht nur wegen des Fehlens der Bedürftigkeit oder der Leistungsfähigkeit fehlen, sie kann auch durch eine Abfindung des geschiedenen Ehegatten 156 erloschen sein157 • Auch eine Kapitalisierung der Unterhaltsleistungen steht geht man von der Unterhaltsersatzfunktion aus - der Gewährung einer Hinterbliebenenrente entgegen, denn in einem solchen Fall ist der Tod des Versicherten ohne finanzielle Bedeutung für den geschiedenen Ehegatten158 • Weiter darf auf den Unterhalt nicht rechtswirksam verzichtet worden sein. Jedoch schließt ein Unterhaltsverzicht, wenn er nicht ausdrücklich "unter Einschluß des Notbedarfs" erklärt wurde, die Prüfung nicht aus, ob z. B. der frühere Ehemann nach den Vorschriften des EheG zur Unterhaltsleistung verpflichtet war 159 , denn ein (gewöhnlicher) Unterhaltsverzicht hindert nicht die Inanspruchnahme im Falle der Not, da er gewöhnlich unter der clausula rebus sie stantibus steht. Hatte die frühere Ehefrau unter einer auflösenden Bedingung auf Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehemann verzichtet und war diese Bedingung bis zu seinem Tode noch nicht eingetreten, so steht ihr ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 1265 Satz 1 RVO 1. Alternative auch dann nicht zu, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war, daß und wann die Bedingung - hätte der versicherte Ehemann weitergelebt - eingetreten wäre 160 • 321.5 Die hypothetische Unterhaltsbeziehung

Besonders in Entschädigungssystemen werden Sozialleistungen auch gewährt, wenn der durch den Unfall, die Beschädigung oder die Verfolgung Getötete oder der zum Wehrdienst Eingezogene zwar nicht zur Zeit des Entschädigungsfalles wohl aber später Unterhalt geleistet hätte oder unterhaltspflichtig geworden wäre 161 • LSG Rh.-Pf., SGb 1971, 188. Vgl. jedoch zur Abfindung des unehelichen Kindes nach altem Recht (§ 1714 Abs. 1 BGB a. F.) RVA, AN 1940, 267. 157 BSG, SGb 1964, 330; Nr. 8 der "Richtlinien zu § 125 BBG", bei Fischbach, Bd. II, S. 1017; offengelassen in BSG, So zR Nr. 33 zu § 1265 RVO. 158 Wie hier Barnewitz, SozVers. 1967, 100 (102); a. A. BSG, Urt. v. 18. Januar 1962, - 1 RA 232/59 - mitgeteilt in dem Verbandskommentar, § 1265 Anm. 12; Pappai, BABl. 1966, 23 (26). 159 BSG, Breith. 1960, 132. 160 BSG, NJW 1966, 2138; ebenso BSGE 31, 5. 161 Vgl. §§ 596 Abs. 1 RVO; 49 Abs. 2 Ziff. 3 BVG; 17 Abs. 1 Ziff. 2,4 BEG; 4 Abs. 1 Ziff. 2; Abs. 2 Ziff. 2 USG; s. a. § 125 Abs. 2 S. 2 BBG (0. Anm. 105); früher hieß es "wenn er der Ernährer geworden wäre", vgl. dazu BSGE 2, 94; 9, 13 (14); 15, 236 (238). 155

156

174 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozial recht ergebenden Beziehungen

Der Nachweis einer künftigen Unterhaltsbeziehung ist - wenn überhaupt162 - nur sehr schwer zu erbringen. Ähnlich wie im bürgerlichen RechtlOS muß von der unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung164 voraussehbaren Entwicklung der gesamten Lebensumstände der Beteiligten ausgegangen werden165, wobei jedoch hypothetische Erwägungen, die der Lebenserfahrung nicht entsprechen, außer Betracht bleiben müssen166 • Solche Lebensumstände sind: der von dem Verstorbenen oder zum Wehrdienst Eingezogenen erwählte Beruf, der Grad seiner Ausbildung, die Chance seines Berufszieles, Auswanderungsabsichten167 , das Verhältnis etwa zu seinen Eltern - wenn diese geschieden sind, zu den jeweiligen Elternteilen168, eine vorangegangene Verletzung der Unterhaltspflicht durch die Eltern bzw. ein Elternteil169, sowie der Umstand, daß er bereits in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebracht hat, daß er sich als zukünftiger Ernährer der Familie betrachtete. Berücksichtigt muß bei Unverheirateten ferner werden, daß sie - durchschnittlich spätestens bei Vollendung des 25. Lebensjahres170 - verheiratet gewesen wären und für ihre eigene Familie vorrangig zu sorgen gehabt hätten l7l • Muß angenommen werden, daß der Verstorbene wegen besonderer Spannungen im Verhältnis zu den hypothetisch Unterhaltsberechtigten der Unterhaltspflicht nicht freiwillig nachgekommen wäre, dann ist nur eine solche Unterhaltsleistung zu unterstellen, die durch Zwangsvollstreckung hätte erzielt werden können172 • Die Dauer der hypothetischen Unterhaltsbeziehung ist nur noch bei der Elternrente von Bedeutung17s• Für ihre Prüfung gilt das eben Ausgeführte entsprechend. Zu bemerken ist jedoch, daß nach neuerer sozialrechtlicher Judikatur174 eine der Mutter eines im Alter von 29 Jahren tödlich Verunglückten gewährte Elternrente nicht allein mit der Erwägung entzogen werden kann, der Sohn würde, falls er noch lebte, später geheiratet und die Mutter dann schon deshalb ihren Anspruch auf Unterhalt verloren haben. 162 163 184 165

(120). 168 187

168 169 170 171 172 173

174

1408.

Zweifelnd Gesamtkommentar, § 596 Anm. 6. Vgl. § 844 Abs. 2 BGB. BSGE 15, 236 (238). Gesamtkommentar, § 596 Anm. 6; vgl. a. Richter, SozVers. 1966, 118 BSGE 9, 13 (14). Vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1961, 1408. BSGE 15,236 (238). Ebd. So OLG Düsseldorf, NJW 1961, 1408. BSGE 9, 13 (14); OLG Düsseldorf, ebd. BSGE 15, 236 (237); 5,293 (295 f.). § 596 RVO; aber auch § 844 Abs. 2 BGB. LSG Rh.-Pf., Breith. 1970, 390; 828; a. A. OLG Düsseldorf, NJW 1961,

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

175

322 Die gerichtliche Verpflichtung Auf zwei Punkte im Zusammenhang mit Unterhaltstiteln war bereits an anderer Stelle hingewiesen worden: auf die Verpflichtung desjenigen, der subsidiäre Sozialleistungen begehrt, seinen Unterhaltsanspruch gerichtlich durchzusetzen, andernfalls er unter Umständen angerechnet wirdl75 ; und darauf, daß, auch wenn ein Unterhaltstitel vorliegt, der Unterhaltsanspruch nur in den Grenzen des § 91 BSHG auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden kannl76 . Im folgenden sollen Aspekte der gerichtlichen Unterhaltsverpflichtung nun primär als positive Voraussetzung von Sozialleistungen erörtert werden. 322.1 Das Unterhaltsurteil als "sonstiger Grund" i. S. des § 1265 Satz 1 RVO 2. Alternative Die rechtskräftig festgestellte Verpflichtung, Unterhalt leisten zu müssen, stellt nach einer Entscheidung des Großen Senats des BSG eine Unterhaltsverpflichtung aus "sonstigem Grunde" i. S. des § 1265 Satz 1 RVO 2. Alternative dar, unabhängig davon, ob der Titel mit dem materiellen Recht übereinstimmt1 77 . Diese Entscheidung geht mit Recht davon aus 178, daß ein Vollstreckungstitel zwar nur zu einem von dem materiell-rechtlichen Anspruch verschiedenen Vollstreckungsanspruch gegen den Staat - nicht aber zu einer materiellrechtlichen Änderung der Rechtslage - führt. Er bewirkt aber, daß der Berechtigte jederzeit die Verwirklichung des Leistungsbefehls verlangen kann. Somit ist eine "konkrete Verpflichtung"179 des Schuldners zur Unterhaltsleistung gegeben. Wie der Große Senat180 im einzelnen ausgeführt hat, lassen sich weder aus dem Wortlaut des § 1265 RVO noch aus seiner Entstehungsgeschichte Anhaltspunkte dafür gewinnen, daß dort nur materiellrechtliche Unterhaltsverpflichtungen angesprochen sindl81 . 322.2 Die beschränkte Bindung der Sozialleistungsträger und Sozialgerichte an das Unterhaltsurteil Diese Rechtsprechung übergeht auch nicht die Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrente. Dem Fall, daß der Titel "zur Zeit des Todes" infolge geänderter Umstände nicht mehr den Voraussetzungen der Unterhaltspflicht entspricht, baut sie dadurch vor, daß sie einen 175 s. 6. Kap., sub 92. 176 s. 6. Kap., Text zu Anm. 55. 177 BSGE 20, 1. 178 Ebenso BSGE 8, 24 (1. Senat); a. A. BSGE 11, 99; 12, 257 (1. Senat); Niemann, SozVers. 1960, 133 (134); Rüth, SozVers. 1960,216 (218). 179 BSGE 8, 24 (27). 180 BSGE 20, 1 (3). 181 So aber BSGE 11, 99 (100).

176 II. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen "vollstreckbaren Unterhaltstitel" ausnahmsweise dann nicht mehr als "sonstigen Grund" anerkennt, wenn der Versicherte "zur Zeit seines Todes" die Wirkungen des Titels nach den Grundsätzen der §§ 323, 767 ZPO hätte beseitigen können182 , denn in einem solchen Fall "besteht nach Sinn und Zweck des § 1265 RVO kein Anlaß, den nur formell noch weiter gültigen Titel durch Bewilligung einer Rente zu ersetzen"183. Eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO kann aber auch zugunsten des geschiedenen Ehegatten zu einer Rente führen, wenn der bisher geleistete Unterhalt nicht ausreichte 184 , um eine Rente auszulösen185 . Im Beamtenversorgungsrecht hingegen müssen, wenn ein rechtskräftiges Unterhaltsurteil vorliegt, für die Anwendung des § 125 Abs. 2 BBG (Unterhalts beitrag für geschiedene Frauen) auch wesentliche vor dem Tod des Verpflichteten eingetretene Änderungen der Verhältnisse, die für die Bestimmung der Höhe der Leistungen maßgeblich waren, außer Betracht bleiben, denn es könne, wie das BVerwG feststellte 186, die Rechtskraft eines derartigen Unterhaltstitels nur für die Zeit nach Erhebung der Änderungsklage durchbrochen werden. 322.3 Unterhalts urteil und Statusurteil Das nichteheliche Kind eines männlichen Versicherten unterfällt nur dann der Familienhilfe der Krankenversicherung (§ 205 RVO), wenn die Vaterschaft des Versicherten festgestellt ist. Diese Voraussetzung war unter der Geltung des § 1258 Abs. 2 Nr. 5 RVO a. F. auch maßgeblich für die Gewährung einer Waisenrente. Inzwischen ist in § 1262 Abs. 2 Nr. 5 RVO die Feststellung der Unterhaltspflicht als Alternative hinzugekommen187 . Die festgestellte Unterhaltspflicht i. S. dieser Bestimmung setzt in der Regel voraus, daß ein Unterhaltstitel vorliegt. Die Versicherungsträger und die Sozialgerichte sind nicht befugt, im Rentenverfahren in eigener Zuständigkeit die sogenannte Zahlvaterschaft des Versicherten festzustellen 188. Für die "Feststellung 182 BSGE 20, 1 (5); BSG, SGb 1964, 332; a. A. BSGE 8, 24 (28); LSG, Rh. Pf., SozSich. 1964, 246: "Unterhaltsurteil ist bindend, solange es rechtskräftig ist". Inzwischen aufgegeben: vgl. SGb 1972,34; s. a. BSG, SGb 1971,388. 183 BSGE 20, 1 (6). 184 s. o. sub 221. 185 BSG, ZfS 1972, 182; Hess. LSG, SGb 1972, 34. 186 BVerwGE 12, 280; VG Frankfurt, ZBR 1960, 168; zu der in der Sache entgegengesetzten Rechtsprechung des BSG wird (S. 283) wie folgt Stellung bezogen: "Die zu einer nur ähnlichen, sich aus § 1265 n. F. RVO ergebenden Frage ergangenen Entscheidungen des BSG bilden mit Rücksicht auf den abweichenden Wortlaut und die andersgeartete Zielsetzung dieser Vorschrift keine geeignete Erkenntnisquelle für die Auslegung des 125 Abs. 2 BBG". (Allerdings war die Entscheidung des GS des BSG zu diesem Zeitpunkt noch nicht ergangen.) 187 Dazu LSG Rh. Pf., SGb 1964, 246. 188 LSG Bad.-Württ., Breith. 1970,311.

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

177

der Vaterschaft"18U ist das Unterhaltsurteil nur von beschränktem Wert. Es kann hierfür nur ein Anhaltspunkt sein1uo , an den die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht gebunden sind1u1 . Doch ist in der Regel auf eine außereheliche Vaterschaft auch ohne vorausgegangene Statusklage beim Vorliegen lediglich eines "Zahlvaterschaftsurteils" zu schließen, wenn der als Vater in Anspruch genommene das Urteil rechtskräftig werden ließ und z. B. die trotz des Urteils zulässige Statusklage nicht erhob 1u2. 323 Die vertragliche Verpflichtung

Eine sozialrechtlich relevante Unterhaltsbeziehung kann in vielen Fällen auch auf einem Unterhaltsvertrag beruhen, so etwa bei den Geschiedenen-Hinterbliebenenrenten im Sozialversicherungs- und im Kriegsopferversorgungsrecht, wo der Unterhaltsvertrag als "sonstiger Grund" anerkannt wird193 , im Krankenversicherungsrecht, soweit "unterhaltsberechtigte Angehörige" berücksichtigt werdenl9 4, und im Sozialhilferecht, in dem eine vertragliche Unterhaltspflicht beispielsweise auch als Unterhaltspflicht i. S. der §§ 90 f. BSHG anerkannt und bei der Verweisung oder überleitung privilegiert behandelt wirdlu5 . Voraussetzung ist jeweils, daß der Unterhaltsvertrag durch verwandtschaftliche Beziehungen oder sittliche Verpflichtungen motiviert ist und nicht einen reinen Austauschvertrag darstellt, bei dessen Abschluß der sich zur Unterhaltsleistung Verpflichtende nur oder ganz überwiegend seinen eigenen Vorteil suchte 196. Der Vertrag muß außerdem auf Leistung von Unterhalt - nicht etwa auf Entnahme von Gewinnanteilen einer OHGIU7 - und - bei geschiedenen Ehegatten auf die Zeit nach der Scheidung gerichtet seinlU8 . Auch hier ist zu berücksichtigen, daß der aufgrund des Vertrages geschuldete Unterhalt unabhängig von der Bedürftigkeit des Berechtigten sein kann. Die vertragliche Unterhaltsverpflichtung kann jedoch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erloschen sein199 . Dem Unterhaltsvertrag kommt bei der Versorgung der geschiedenen Frau eines verstorbenen Beamten besondere Bedeutung zu. Ihr Unter189 Zu dieser "unglücklichen Formulierung": Hastler, Wenn die Vaterschaft festgestellt ist, WzS 1954, 73; Reinhold, S. 83 ff. 190 BSG, BKK 1967, 403. 191 BSGE 8, 193. 192 So BSGE 8,193 (195); SG Koblenz, Breith. 1956,477. 193 BSG, SGb 1972, 216; ausführlich Heussner, S. 5; Pappai, BABl. 1966, 23 (24); a. A. die oben in Anm. 178 Genannten (mit Ausnahme BSGE 8, 24). 19t OVA Württemberg-Hohenzollern, Breith. 1953, 832 (833). 195 Vgl. Empfehlungen, S. 36 ff. (38). 196 RVA, EuM Bd. 15, S. 119; Empfehlungen, S. 38. 197 BSG, SozR Nr. 21 zu § 1265 RVO. 198 BSG, SozR Nr. 11 zu § 1265 RVO. 199 BSG, SGb 1969,455; SGb 1962, 239. 12 Ruland

178 H. 1. A.'bschn.: Die 'Sich aus dem SQziairecht ergebenden Beziehungen haltsbeitrag, der bis zur Höhe des Witwengeldes gehen kann, darf den Betrag nicht übersteigen, den ihr der Verstorbene zur Zeit seines Todes als Unterhalt zu leisten hatte (§ 125 Abs. 2 Satz 1 BBG). Mithin kann in einem Unterhaltsvertrag die Höhe des von dem Dienstherrn zu zahlenden Unterhaltsbeitrages bestimmt werden. Der Dienstherr ist an den Unterhaltsvertrag gebunden, denn die vertragliche verdrängt die gesetzliche Unterhaltsregelung20o • Der gesetzliche Unterhalt ist, falls der vereinbarte Unterhalt geringer ist, nur von Bedeutung, wenn die Unterhaltsvereinbarung von Anfang an rechtsunwirksam oder provisorisch abgeschlossen worden war201 • Ist eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse, die in dem Unterhaltsvertrag für die Bestimmung der Höhe der Leistungen maßgeblich waren, zugunsten der geschiedenen Ehefrau eingetreten, dann kann sie dies nach dem Tode des Beamten dessen Dienstherrn gegenüber nur dann geltend machen, wenn sie bis zum Tode des Beamten von der Änderung schuldlos keine Kenntnis hatte 2.o2 • Ist eine wesentliche Änderung zum Nachteil der geschiedenen Frau eingetreten, so dürfte dies keine Auswirkung auf den Unterhaltsvertrag haben, weil der verstorbene frühere Ehemann zu seinen Lebzeiten es unterlassen hatte, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, Abänderungsklage nach § 323 ZPO zu erheben. Für den gerichtlichen Unterhaltsvergleich gilt das oben Ausgeführte entsprechend. Auch er stellt nach Auffassung des BSG nur dann keinen "sonstigen Grund" i. S. des § 1265 RVO mehr dar 203 , wenn der Versicherte zur Zeit seines Todes Abänderung hätte verlangen können204 • 33 Die "sittlich" gebotene Unterhaltsbeziehung

Tatsächliche Unterhaltsbeziehungen werden in einigen Fällen nur dann berücksichtigt, wenn sie auf sittlichen Pflichten oder Gründen beruhen205 • Der Begriff des "sittlichen" Grundes ist insbesondere von der steuerrechtlichen Judikatur und Literatur umrissen worden206 • Danach sind "sittliche Gründe" i. S. des § 33 Abs. 2 EStG nur solche, die den Steuerpflichtigen auf Grund besonderer Umstände persönlich trefBVerwGE 23, 231; 12,278 (280); BVerwG, DöD 1963, 75 (76). BVerwG, ZBR 1962, 292. 202 BVerwGE 23, 231; BVerwG, DöD 1963, 75 (76); weitergehend OVG Münster, DöD 1960, 57, das jede Änderung der Verhältnisse berücksichtigt wissen wollte. 203 BSGE 12, 257 (4. Senat) hatte die Anerkennung als "sonstiger Grund" überhaupt verweigert. 204 BSG, MDR 1965, 332; SozR Nr. 56 zu § 1265 RVO; offengelassen in BVerwGE 12, 280 (282). 205 Vgl. §§ 15 Abs. 2 Ziff. 4 BBesG; 33 a Abs. 1 i. V. m. 33 Abs. 2 EStG; 78 Abs. 2 BSHG. 208 Vgl. zum folgenden Blümich - Falk, § 33 Anm. 3 c aal. 200

201

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung soziialer Leistungen

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fen. Zwischen dem Unterhaltsträger und dem Unterhaltsempfänger muß eine besondere Beziehung bestehen, die für den Einzelfall die sittliche Verpflichtung "zwangsläufig"207 begründet. Die allgemeine sittliche Pflicht, in Not geratenen Menschen zu helfen, schafft noch keine solche Zwangsläufigkeit208 . Eine sittliche Verpflichtung ist dann anzunehmen, wenn nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen sich der Unterhaltsträger dem Unterhaltsempfänger gegenüber zu der betreffenden Leistung für verpflichtet halten mußte 209 . Eine sittliche Verpflichtung kann in der Regel ohne weiteres dann angenommen werden, wenn es sich bei den Unterhalts empfängern um nicht unterhaltsberechtigte Angehörige handelt, z. B. um Verschwägerte oder Geschwister. Ist der Unterhaltsempfänger kein Angehöriger, dann müssen die besonderen Umstände des Einzelfalles nachgewiesen und nachgeprüft werden. Das Vorliegen solcher besonderer Umstände ist bejaht worden, wenn der langjährigen Hausgehilfin, die arbeitsunfähig geworden ist, Unterhalt geleistet wird210 ; wenn der Erbe das nichteheliche Kind des Erblassers unterhält2 11 ; wenn dem Stiefkind nach Auflösung der Ehe, die das Stiefkindschaftsverhältnis begründet212 , weiterhin Unterhalt gewährt wird213 ; oder wenn der mittellosen Mutter des nichtehelichen Kindes des Unterhaltsträgers Unterhalt geleistet wird214 . 34 "Unterhaltsersatzleistungen" als Unterhalt

Auch Sozialleistungen können die Voraussetzung, daß Unterhalt geleistet wurde, erfüllen. Das ist in den Fällen bejaht worden215 , in denen die geschiedene Frau eines Versicherten zur Zeit seines Todes eine Sozialleistung erhielt, die den Unterhalt des Versicherten ersetzen sollte, wie z. B. Leistungen auf Grund des Einsatz-Familienunterhaltsgesetzes an Angehörige eingezogener Wehrmachtssoldaten216 . Die Rechtsprechung geht zutreffend von dem Gedanken aus, daß den Angehörigen eines Soldaten nicht deshalb Hinterbliebenenrente versagt werden kann, weil der Staat, anstatt dem Soldaten "Unterhaltssicherungsleistungen" zu erbringen und ihn so in seiner Rolle als "Unterhaltsträger" 207 Vgl. § 33 Abs. 2 EStG. 208 BFH, BStBl., III, 1954, 188; 357. 209 BFH, BStBl. III, 1959, 385; ebenso: Blümich - Falk, § 33 Anm. 3 c aal, und Wurster - Gohla, § 15 Anm. E 4; s. a. Schellhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 78 III 2 b. 210 BFH, BStBl. III, 1954, 188; Wurster - Gohla, § 15 Anm. E 4. 211 BFH, BStBl. III, 1963, 135. 212 Vgl. o. 12. Kap., Anm 18. 213 BFH, BStBl. IH, 1963, 488. 214 FG Bad.-Württ., DStR 1968, 255. 215 BSGE 16, 21 (25); 22, 130 (131); Verbandskommentar, § 1265 Anm. 9 S.7; a. A. noch BSG, SGb 1965, 57. 216 Zum heutigen USG vgl. VG Hannover, FamRZ 1967, 160.

180 11. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen zu belassen, unmittelbar an die Angehörigen geleistet hat217 • Unterhalt und "Unterhaltsersatz" werden insoweit also gleichbehandelt. Diese Gleichbehandlung wird jedoch bei der Berechnung des übergangsgeldes nach § 1241 RVO nicht vollzogen; während hierbei der "Unterhalt" außer Anrechnung bleibt, werden "Unterhalt ersetzende" Witwenrenten angerechnet 218 • Diese Differenzierung läßt sich jedoch nur dann vertreten, wenn die Witwenrente bei der Berechnung des Einkommens ebenfalls berücksichtigt wird219 • Eine Gleichbehandlung von Unterhalt und Unterhaltsersatzleistungen findet auch dann nicht statt, wenn auf die wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente die dem Hinterbliebenen nach dem Tod des zweiten Ehegatten zustehende Geschiedenenrente nicht angerechnet wird220 • Das führt dann dazu, daß zunächst der nach Auflösung der zweiten Ehe diesem geleistete Unterhalt von der wiederaufgelebten Rente abgezogen wird, daß aber dann, wenn der zweite Ehegatte stirbt, einmal die Hinterbliebenenrente aus erster Ehe voll wiederauflebt, da diese Anrechnung entfällt, und zum anderen eine Geschiedenen-Hinterbliebenenrente gewährt wird, die den infolge der Auflösung der zweiten Ehe erworbenen Unterhaltsanspruch ersetzen soll, die aber im Gegensatz dazu nicht angerechnet wird. Das ist ein Ergebnis - um die Kritik gleich anzuschließen -, das dem Sinn der Anrechnung221 und den Interessen der Personen widerspricht, deren Rentenhöhe durch das volle Wiederaufleben dieser Rente berührt wird222 , und das - beruhend auf einer zu engen Wortinterpretation - der Funktion der Hinterbliebenenleistungen als "Unterhaltsersatz" nicht genügend Rechnung trägt. 4 Der für das Bestehen der Unterhaltsbeziehung maßgebliche Zeitpunkt bzw. Zeitraum 41 Allgemein

Der maßgebliche Zeitpunkt bzw. Zeitraum an bzw. in dem die Unterhaltsbeziehung bestanden haben muß, hängt sowohl von der Art der Leistung, als auch von dem System, innerhalb dessen die Leistung gewährt wird, und schließlich auch von den Personen ab, zwischen denen die Unterhaltsbeziehung besteht. 217 Vgl. auch BVerwG, ZBR 1962, 293: "Hinterbliebenenrenten sind Surrogate für den zu Lebzeiten geleisteten Unterhalt und stellen mithin selbst Unterhaltsleistungen dar." 218 BSGE 28, 50 mit Anm. von Krause - Zacher, SGb 1970, 393 (395). 210 So auch Krause - Zacher, a.a.O. 220 s. o. 10. Kap., Text zu Anm. 35-37. 221 s. O. 6. Kap., Text zu Anm. 130-133. 2"22 s. O. 10. Kap., Text zu Anm. 113.

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung s07Jialer Leistungen

181

Soweit Unterhaltsbeziehungen negative Voraussetzungen sind, setzt die Anrechnung von Unterhaltsleistungen bzw. -ansprüchen voraus, daß sowohl der Unterhaltsanspruch als auch der Anspruch auf die subsidiär-familien abhängige Sozialleistung auf den gleichen Zeitraum gerichtet sind 223 • So muß beispielsweise der Bewilligungszeitraum einer Sozialhilfeleistung - soll ein Anspruch auf Unterhalt übergeleitet werden -, mit dem Zeitraum der Leistungspflicht des Unterhaltsträgers übereinstimmen224 • Bei Leistungen, die allgemein normale Unterhaltsbelastungen ausgleichen sollen, bzw. bei Verschonungen, die ihnen Rechnung tragen, kommt es darauf an, ob die Unterhaltsbelastung, soweit sie nicht typisierend unterstellt wird, in dem Zeitraum, für den die Leistung oder die Verschonung begehrt wird, vorliegt225 • Im Steuerrecht ist dies insofern etwas gemildert, als die Voraussetzungen der Kinderfreibeträge nur mindestens vier Monate während des Veranlagungszeitraums bestanden haben müssen228 • Bei Ehegatten genügt es, wenn die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung irgendwann im Lauf des Veranlagungszeitraums gegeben waren227 • Bei Leistungen des allgemeinen Kinderlastenausgleichs, die innerhalb der Sozialversicherung für Enkel, Pflegekinder oder Geschwister erbracht werden, wird zusätzlich gefordert, daß die Unterhaltsbeziehung vor Eintritt des Versicherungsfalles begründet wurde, der zu der Leistung führte, mit der der Kinderzuschlag ausbezahlt wird228 ; bei den Leistungen für sonstige "Kinder" gilt diese Voraussetzung nicht229 • Familienbezogene Erhöhungen der Sozialleistungen sind vor allem230 in der Krankenversicherung (Krankengeld) davon abhängig, daß der Versicherte den Angehörigen, für den diese Erhöhung gewährt wird, "bisher" ganz oder überwiegend unterhalten hat 231 ; wobei "bisher" den "letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Versicherungsfall" umschreibt232 • 228 Es sei denn, es handelt sich um den seltenen Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit (§ 1613 BGB), der, soweit die Sozialleistung Bedürftigkeit voraussetzt, zwar nicht als Unterhaltsanspruch (also nicht die Folge des § 91 BSHG), wohl aber als sonstiger Anspruch gegen Dritte angerechnet oder übergeleitet werden kann. 22C Vgl. § 90 Abs. 1 S. 1 BSHG; Schellhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 90 III 2 b. 225 Vgl. etwa § 9 Abs. 1 BKGG. 226 § 32 Abs. 2 Nr. 2 a) und b) EStG; dies 'galt bis Ende des Veranlagungszeitraums 1969 auch für die Zusammenveranlagung der Ehegatten, vgl. § 26 Abs. 1 EStG a. F. 227 Vgl. § 26 Abs. 1 EStG (1969). 228 Vgl. § 1262 Abs. 2 Nm. 7, 8 RVO. 229 Verbandskommentar, § 1262 Anm. 6. 230 Vgl. § 1241 Abs. 2 S. 1 RVO, dazu BSGE 33, 4. 231 § 182 Abs. 4, 4 a RVO; vgl. jedoch BSG, SGb 1972,93. 232 BSGE 20,148 (149); 14, 129 (132); hierzu u. sub 42.

182 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem SQzialrecht ergebenden Beziehungen Bei Leistungen, die außergewöhnlichen Unterhaltsbedarf abdecken sollen, gilt das eben Gesagte entsprechend. Auch hier wird, sofern eine Unterhaltsbeziehung überhaupt gefordert wird, vorausgesetzt, daß sie in dem Zeitpunkt, in dem die Leistung zu erbringen ist, besteht 233 • Es ist aber nicht notwendig, daß die Angehörigen, deretwegen beispielsweise Familienkrankenpflege erbracht wird, bereits im Zeitpunkt des "Versicherungsfalles", d. h. in diesem Zusammenhang im Zeitpunkt ihres Krankwerdens, unterhaltsberechtigt sind bzw. waren234, denn Familienhilfe ist auch für den Angehörigen zu gewähren, der erst während oder infolge der Krankheit unterhaltsberechtigt wird235 • Bei Unterhaltsersatzleistungen müssen, was die Vorsorgesysteme anbelangt, die Voraussetzungen grundsätzlich im Zeitpunkt des für sie maßgeblichen Versicherungsfalles 236, d. h. im Zeitpunkt des Todes des unmittelbar Gesicherten, gegeben sein237 , wobei jedoch, um Zufallsergebnisse zu vermeiden, der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tode gemeint ist, der ohne den Tod des Versicherten - und ohne die zu ihm führenden Umstände - wahrscheinlich fortbestanden hätte 238 • In einigen Fällen wird auch Unterhalt im letzten Jahr vor dem Tode des Gesicherten239 bzw. eine bestimmte Ehedauer gefordert240 • Das gilt jedoch nicht für die Witwerrente 241 • Bezüglich bestimmter Voraussetzungen wird von dem Grundsatz, daß sie im Zeitpunkt des Todes, d. h. in dem ihm vorausgehenden letzten wirtschaftlichen Dauerzustand gegeben sein müssen, abgewichen und eine Hinterbliebenenrente auch dann gewährt, wenn sie erst eine zeitlang nach dem Tode des Gesicherten eintreten242 •

233 Vgl. Nr. 2 Abs. 2 BhV; § 205 Abs. 2 RVO; s. a. Peters, Handbuch, § 205 Anm.4. 234 Ausnahme: Stiefkinder und Enkel, vgl. § 205 Abs. 2 Nr. 6 RVO. 235 BSGE 20,129 (131); RVA, AN 1934, 189. 236 BSG, FamRZ 1967, 624; das gilt trotz der § 1262 Abs. 2 Nm. 7 und 8 RVO auch für die Leistungen an Pflegekinder, Geschwister und Enkel. Sie erhalten auch dann Waisenrente, wenn das jeweilige Kindschaftsverhältnis nach Eintritt des Versicherungsfalles der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder des Alters begründet worden ist; vgl. LSG Bremen, Breith. 1960, 800; dies gilt jedoch nicht, wenn das Kindschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck begründet wurde, dem Kind eine Rente zu verschaffen, ebd. S. 801. 237 § 1265 RVO: Unterhaltsverpflichtung "zur Zeit seines Todes"; vgl. Ruland - Zacher, Anm. zu BSG, SGb 1969, 63, ebd. S. 65 (66); Schröder, SGb 1968, 271 (273). 238 BSGE 14, 255; BSG, SozR Nr. 22 zu § 1265 RVO; vgl. ausführlich Dapprich, SGb 1964, 224 ff. 239 Vgl. §§ 1265 RVO; 42 AVG; 65 RKG; 45 Abs. 2 Züf. 5 BVG. 240 Vgl. § 123 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 BBG. U1 Vgl. BSG, SGb 1972, 169. 242 Beispiele hierfür sind: die Waise, die erst nach dem Tode des Versicherten ihre Berufsausbildung aufnimmt (s. dazu BSG, SozR Nr. 12 zu § 1290; Ruland - Zacher, SGb 1969, 66; die frühere Ehefrau eines Beamten, die infolge

13. Kap.: Unterhalt als Voraussetzung sozialer Leistungen

183

Besonders in Entschädigungssystemen werden manchmal tatsächliche Unterhaltsbeziehungen, die erst nach Eintritt des Entschädigungsfalles (Unfall, Beschädigung) begründet wurden, nicht mehr oder nur unter erschwerten Voraussetzungen berücksichtigt: - so erhält die Witwe des Verunglückten, des Kriegsbeschädigten aber auch des Beamten dann keine Witwenrente bzw. kein Witwengeld, wenn die Ehe erst nach dem Arbeitsunfall, der Schädigung bzw. dem Eintreten des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden ist und die Witwe nicht beweisen kann, daß es nicht alleiniger Zweck der Ehe war, ihr eine Versorgung zu verschaffen243 ; - Pflegekinder, Enkel und Geschwister erhalten in der Unfallversicherung, Enkel auch in der (beamtenrechtlichen) Unfall-Hinterbliebenenversorgung nur dann Waisenrente, wenn die jeweiligen Voraussetzungen des Kindschaftsverhältnisses zur Zeit des Arbeits- oder Dienstunfalles gegeben waren244 . Ebenfalls wieder besonders in Entschädigungssystemen - aber auch in Vorsorgesystemen - können auch nach dem Entschädigungsfall liegende Zeiträume relevant werden, wenn eine Leistung von einer hypothetischen Unterhaltsbeziehung abhängig ist245 . 42 Der Zeitraum des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes!f8

Unterhalts beziehungen, die beispielsweise zu einer Erhöhung des Krankengeldes247 , zu einer Witwerrente 248 oder zu einer GeschiedenenHinterbliebenenrente249 führen sollen, müssen zur Zeit des Versicherungsfalles, d. h. im Zeitraum des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Eintritt bestanden haben. Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand rechnet von der letzten vor Eintritt des Versicherungsfalles eingetretenen wesentlichen Änderung der Einkommensverhältnisse einer der Personen, zwischen denen die Unterhaltsbeziehung vorliegen muß250. Kennzeichnend für solche Änderungen können z. B. sein: später eingetretener Änderung der Verhältnisse einen Unterhaltsbeitrag erhält (§ 125 Abs. 2 Satz 2 BBG; dazu BVerwG, DVBl. 1963, 553 und Lewer, ZBR 1965,74).

243 Vgl. §§ 594 RVO; 38 Abs. 2 BVG; 123 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 BBG; s. Böhme, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Anspruchs auf Witwenrente bei Eheschließung nach dem Eintritt des Arbeitsunfalles, ZfS 1971, 37. m §§ 583 Abs. 5 Ziff. 7, 8 RVO; 144 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 BBG; s.a. § 45 Abs. 2 Ziff. 5 BVG. 245 s. o. sub 321.5. 246 Hierzu ausführlich Dapprich, SGb 1964, 224 ff.; s. a. BSG, Sozialrichter 1971, 17 (18). 247 § 182 Abs. 4, 4 a RVO. 248 § 1266 RVO, vgl. BSGE 14, 129 (132). 249 § 1265 RVO 1. und 2. Alternative; vgl. BSGE 14, 255; BSG, SozR Nr. 22 zu § 1265 RVO. 250 BSGE 14, 129.

184 H. 1. Abschn.: Die sich aus dem Sozialrecht ergebenden Beziehungen

Arbeitslosigkeit, Krankheit, Ausscheiden des an sich Unterhaltspflichtigen bzw. -berechtigten aus dem Erwerbsleben, Wechsel von' Arbeitsauf niedrigeres Sozialeinkommen, Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Unterhaltsberechtigten. Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand ist enger als das "Jahr vor dem Tode"251; er ist nicht auf den Todesmonat beschränkt und kann in Ausnahmefällen auch eine Zeitspanne bis zu einem Jahr umfassen252 . Er kann aber auch unmittelbar vor dem Versicherungsfall anfangen253 . Bei Geschiedenen-Hinterbliebenenrenten beginnt er frühestens mit der Scheidung254 , es sei denn, der Mann ist so kurz nach der Scheidung gestorben, daß sich beide geschiedenen Ehegatten nicht auf die durch die Scheidung herbeigeführte neue wirtschaftliche Lage einstellen konnten. In einem solchen Fall ist aus sonstigen Umständen, vor allem aus den Vermögens- und Einkommensverhältnissen beider Ehegatten, auch soweit sie vor der Scheidung liegen, zu schließen, ob durch den Tod ein Unterhaltsverlust eingetreten ist 255 . Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand endet mit dem Versicherungsfall, bei Hinterbliebenenrenten gegebenenfalls mit dem Beginn der zum Tode führenden Krankheit256 , es sei denn, die Krankheit selbst hat verhältnismäßig lange 257 , etwa ein Jahr258, gedauert. In diesem Zeitraum muß die Unterhalts beziehung bestanden haben, d. h. es müssen der Unterhaltspflichtige leistungsfähig259 und der Unterhaltsberechtigte bedürftig260 gewesen sein. Ein von diesen Voraussetzungen gelöstes latentes Bestehen der Unterhaltspflicht wird von dem BSG abgelehnt281 . 43 Die vorausgesetzte Dauer der tatsächlichen Unterhaltsgewährung

Bei Unterhaltsersatzleistungen wird - um Zufallsergebnisse zu vermeiden - bei der Anknüpfung an tatsächliche Unterhaltsleistungen eine gewisse Dauer vorausgesetzt262 • So fordert § 1265 Satz 1 RVO in Vgl. § 1265 RVO 3. Alternative. BSGE 12, 278 (279); 3,197 (200). 253 BSGE 14, 255; LSG NRW, SozVers. 1970, 244. 254 BSGE 14, 255 (260). 255 BSG, ebd.; Verbandskommentar, § 1265 Anm. 11. 256 BSGE 14, 129 (132). 257 BSG, SozR Nr. 24 zu § 1265 RVO. 258 LSG Hamburg, Breith. 1970, 42. 259 BSGE 5, 276 (277). 260 BSG, SGb 1972, 217; 170; NJW 1968, 1351; BSG, FamRZ 1967, 624; s. a. BSG, SozR Nr. 31 zu § 1265 RVO. 251 BSGE 5,179 (183); s. 0.2. Kap., Anm. 71. 262 Nicht jedoch bei der Witwerrente, vgl. BSG, SGb 1972, 169. !51

252

13. Kap.: Unterhalt als Vorauss'etZiung sozialer Leistungen

185

seiner letzten Alternative 263 eine nach der Scheidung liegende 264 tatsächliche Unterhaltsleistung des Versicherten im letzten Jahr vor seinem Tod. Jedoch kann nach der Rechtsprechung auch eine vom Tode des Versicherten als Endpunkt berechnete265 kürzere Frist ausreichen, wenn sein Wille, dem früheren Ehegatten weiterhin Unterhalt zu leisten, mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen ist 266 • Jedoch reicht lediglich ein ernstlich bekundeter Wille, Unterhalt zu leisten, dann nicht aus wenn die Durchführung der Absicht überhaupt und sei es nur wegen des Todes des Versicherten unterblieben ist267 • Es ist auch nicht ausreichend, wenn der Versicherte dem früheren Ehegatten überhaupt "im" letzten Jahr oder durch eine einzige Unterhaltszahlung innerhalb des letzten Jahres einen praktisch ins Gewicht fallenden Beitrag für seinen Unterhalt geleistet hat268 •

268 Für diese Alternative ist die Rechtsprechung, daß für den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau der letzte wirtschaftliche Dauerzustand maßgeblich sei, nicht anwendbar, vgl. BSG, NJW 1969, 895. 264 BSGE 14, 255. 265 Hierzu BSG, NJW 1969, 895. 266 BSGE 5, 179 (185); 12, 279 (282); 14, 255 (259); 20, 252; 25, 86; s. a. BSG, NJW 1969, 895; 1970, 1567; Hess. LSG, SGb 1964, 150 mit zustim. Anm. von Müller; dies gilt auch, wenn sonstige außergewöhnliche Umstände, die der Versicherte weder beheben noch beeinflussen kann, ihn an der Unterhaltsgewährung gehindert haben, s. BSGE 12, 279 (282); a. A. Friederichs, SGb 1965,33 (35): "Wegen des klaren Wortlauts ist für Billigkeitserwä:gungen kein Raum". 267 BSG, BVBl. 1968, 138. 268 BSG, NJW 1970, 1567; zustimmend: Niemann, SozVers. 1960, 133 (136); Stötzner, Arb. Vers. 1962, 113 (125).

Zweiter Abschnitt

Die sich aus dem Unterhaltsrecht ergebenden Beziehungen Das Unterhaltsrecht bietet Beziehungen zu Leistungen der sozialen Sicherheit zwei Ausgangspunkte. Unterhalt setzt auf der Seite des Berechtigten Bedürftigkeit und auf der Seite des Verpflichteten Leistungsfähigkeit voraus. Leistungen der sozialen Sicherheit können einmal die Bedürftigkeit des Berechtigten mindern oder aufheben. Andererseits kann sich die Diskrepanz zwischen sozialrechtlich, insbesondere sozialhilferechtlich und unterhaltsrechtlich relevantem Bedarf 1 dahingehend auswirken, daß im Unterhaltsrecht nach und nach auch solche Bedarfe Anerkennung finden, die bisher dort nicht berücksichtigt wurden. Die Leistungsfähigkeit als Voraussetzung der Unterhaltsverpflichtung ist Ansatzpunkt für die im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Beziehungen, weil Sozialleistungen die Leistungsfähigkeit ihrer Empfänger steigern bzw. aufrechterhalten können.

14. Kapitel

Die Auswirkungen der Sozialleistungen auf die Leistungsfähigkeit des Empfängers Bei den Auswirkungen der Sozialleistungen auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sind in zweierlei Hinsicht Unterscheidungen notwendig: einmal von der Bestimmung der Leistung her: ob sie einen bestimmten, genau spezifizierbaren Bedarf sei es des Empfängers oder eines seiner Angehörigen anzielt, oder ob sie unabhängig von einem konkreten Bedarf gewährt wird; zum andern von der Leistungsfähigkeit her: ob sie durch die in Frage stehende Sozialleistung gegenüber allen (absolute -) oder nur gegenüber bestimmten Personen (relative Leistungsfähigkeit) herbeigeführt wird.

1

s. o. 6. Kap., sub 11.

14. Kap.: Sozialleistungen und Leistungsfähigkeit

187

1 Die Auswirkungen zweckbestimmter Leistungen auf die Leistungsfähigkeit des Empfängers 11 Unmittelbar zweckbestimmte Leistungen

Sozialleistungen, die einen bestimmten, genau spezifizierbaren Bedarf dessen, der sie erhält, abdecken sollen (unmittelbar zweckbestimmte Leistungen), steigern die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Empfängers nicht. Die Zweckbestimmung der Leistung muß von dem Gesetzgeber ausdrücklich genannt sein, d. h. sie muß sich aus der Vorschrift selbst eindeutig ergeben1 • Die Leistung muß eines konkreten Bedarfs wegen gewährt werden; ein bloß typisierter Bedarf - wie etwa bei Unterhaltsersatzleistungen - ist nicht ausreichend. Dagegen steht der Annahme einer solchen Zweckbestimmung nicht entgegen, daß der Bedarf typisiert wird, wie etwa bei der Sozialhilfe, deren Höhe sich nach Regelsätzen bestimmt. Werden die Leistungen nicht ex ante, sondern ex post gewährt, wie regelmäßig bei der Beihilfe, und hat der Berechtigte die notwendigen Kosten aus seinen Mitteln vorgelegt, dann sind die Leistungen trotz ihrer Zweckbestimmung bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit wie die sonstigen Mittel des Empfängers zu berücksichtigen, die sie in diesem Falle substituieren. Solche Leistungen, die auf einen genau spezifizierbaren Bedarf abzielen, sind z. B. Sozialhilfeleistungen. Soweit es sich um Hilfe zum Lebensunterhalt handelt, wird der individuelle, allerdings typisierte Mindestbedarf gedeckt. Sowohl von der Zweckbestimmung als auch vom Ausmaß dieser Hilfe her kann sie nicht zu Unterhaltsleistungen befähigen2 • Empfänger der Hilfe zum Lebensunterhalt sind demnach insoweit nicht unterhaltspflichtig. Dementsprechend sieht auch das Pfändungsverbot für Sozialhilfeleistungen keine Ausnahme zugunsten der Unterhaltsansprüche vor 3 • Sollen jedoch mit der Hilfe zum Lebensunterhalt auch einzelne Bedarfe Dritter befriedigt werden, zu erinnern ist an den erhöhten Regelsatz für den Haushaltsvorstand, mit dem bestimmte Leistungen für die allgemeine Haushaltsführung (Kochfeuerung, Beschaffung und Instandsetzung von Hausrat, Beleuchtun~)4 abgegolten werden sollen, dann ist in Höhe der Differenz zwischen allSchellhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 77 III 2 c. Bayer. LSG, Breith. 1961, 107; Leistungen der Sozialhilfe können demnach bei der Frage, wer die Familie überwiegend unterhalten hat, nicht als Unterhaltsbeiträge einzelner Familienmitglieder zugunsten anderer gewertet werden, vgl. BSG, Sozialrichter 1971, 17 (20). 3 Vgl. !i 4 Abs. 1 S. 2 BSHG. 4 Vgl. §§ 2 Abs. 1,2; 1 Abs. 1 RegelsatzVO. 1 2

188

H. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhalts recht ergebenden Beziehungen

gemeinem und erhöhtem Regelsatz die Leistungsfähigkeit des Haushaltsvorstandes zu bejahen. Sie ist allerdings relativ und besteht nur gegenüber den Personen, die zur Zeit der Festsetzung der Sozialhilfe zum Haushalt gehörten und bei der Festsetzung berücksichtigt wurden. Auch "Hilfen in besonderen Lebenslagen" muß der Unterhaltspflichtige nicht als Einkommen einsetzen. Diese Leistungen sind ebenfalls zweckgebunden, ansonsten würde ihr Empfänger erneut hilfsbedrüftig, so daß die Sozialhilfe ein zweites Mal leisten müßte. Dadurch würden dann entweder andere - u. U. nicht sozialhilfe bedürftige - Unterhaltspflichtige auf Kosten der Sozialhilfe entlastet oder der auf diese Weise Unterhaltsberechtigte würde über den Unterhalt mittelbar Sozialhilfe erhalten. Eine Bestätigung dafür, daß auch die Hilfen in besonderen Lebenslagen kein zum Unterhalt verpflichtendes Einkommen sind, ist auch hier das uneingeschränkte Pfändungsverbot für Sozialhilfeleistungen. Allerdings besagt die Tatsache, daß jemand Hilfe in besonderen Lebenslagen erhält, nicht, daß er überhaupt nicht unterhaltspflichtig sein könnte. Wegen der relativ hohen Einkommensfreigrenzen kann - ungeachtet der Hilfe in besonderen Lebenslagen - eine Unterhaltspflicht zu bejahen sein. Davon geht auch das Gesetz aus, wenn es einen Familienzuschlag u. a. für die Personen vorsieht, die dem Hilfesuchenden gegenüber nach der Entscheidung über die Gewährung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werdenS'. Weitere zweckbestimmte Leistungen lassen sich in Anlehnung an § 77 BSHG6 finden. Der Gedanke dieser Vorschrift, daß zweckbestimmte Leistungen nur auf gleichartige Leistungen der Sozialhilfe angerechnet werden dürfen, um zu verhindern, daß die besondere Zweckbestimmung, die der Gesetzgeber diesen Leistungen zugedacht hat, durch eine Heranziehung zu andersartigen Maßnahmen der Sozialhilfe verfälscht würde 7 , gilt auch im Unterhaltsrecht8 und steht einem Einsatz dieser Leistungen als Unterhalt - auch im Rahmen einer gesteigerten Unterhaltspflicht - entgegen. Diese zweckbestimmten Leistungen zielen ebenso wie die Hilfen in besonderen Lebenslagen - auf den erhöhten Eigenbedarf des Empfängers und sind zur Abdeckung dieses Bedarfs zu verwenden unabhängig davon, ob das Unterhaltsrecht diesen Son5

§ 79 Abs. 1 Ziff. 3; Abs. 2 Ziff. 3 BSHG.

"Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt werden, sind nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient", s. a. § 267 Abs. 2 Ziff. 2 LAG. 7 Schellhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 77 I. 8 Daß zweckbestimmte Leistungen zur Unterhaltsgewährung nicht eingesetzt werden müssen, ist grundsätzlich anerkannt, vgl. B.rühl, Unterhaltsrecht, S. 107, 177. 8

14. Kap.: Sozialleistungen und Leistungsfähigkeit

189

derbedarf anerkennt oder nicht. Es wäre beispielsweise sinnwidrig, wenn Beinamputierte den ihnen gewährten Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges 9 für Unterhaltsleistungen verwenden müßten und dadurch die Beschaffung des Fahrzeuges gefährdeten, auf das sie angewiesen sind und dessen Kauf ihnen ermöglicht werden sollte - all das letztlich nur, um sonstige Unterhaltspflichtige oder die Sozialhilfe zu entlasten. Gegenüber dieser Zweckbestimmung kann nicht entscheidend sein, ob auch Unter halts ansprüchen gegenüber ein ausdrückliches Pfändungsverbot besteht oder nicht10 , denn der Gesichtspunkt der Zweckgebundenheit von Leistungen ist darüber hinaus auch im Zwangsvollstreckungsrecht zu beachten11 • Weitere zweckbestimmte Leistungen sind beispielsweise: -

Ausbildungsförderungs-, Graduiertenförderungs- und Berufsausbildungsleistungen, entsprechend die finanziellen Hilfen im Rahmen der Berufsfürsorge (§ 26 BVG); soweit allerdings diese Leistungen ausnahmsweise einen Zuschlag für den Ehegatten oder die Kinder vorsehen, sind sie mittelbar zweckbestimmt, d. h. sie führen insoweit zu einer relativen Steigerung der Leistungsfähigkeit;

-

Bestattungs- oder Sterbegeld;

-

Zuschüsse zu orthopädischen oder sonstigen Hilfsmitteln, wie etwa Kraftfahrzeuge, Blindenhunde usw. (§§ 564 RVO; 13, 14 BVG; 137 Abs. 1 Ziff. 2 BBG);

-

Ersatz der Kosten für Kleider- und Wäscheverschleiß (§§ 15 BVG; 564 RVO; 137 Abs. 4 BBG);

-

Zuschüsse zu den Kosten einer Krankheit oder einer Kur;

-

Leistungen der Mutterschaftshilfe (§ 195 RVO), soweit sie kein Einkommensersatz sind;

-

das Pflegegeld nach § 558 Abs. 3 RVO für Unfallverletzte; Pflegezulagen für Kriegsbeschädigte nach § 35 BVG; Leistungen bei Hilflosigkeit für Beamte, die einen Dienstunfall erlitten haben, nach § 138 BBG;

-

Sonderleistungen nach § 7 USG

-

und schließlich auch das Wohngeld, das den Empfänger allerdings verpflichtet, den Angehörigen Unterkunft zu gewähren, die bei Festsetzung des Wohngeldes zu seinen Gunsten berücksichtigt wurden. 9

§ 5 DVO zu § 11 Abs. 3, §§ 13, 15 BVG.

In dem genannten Beispiel besteht ein solches ausdrückliches Pfändungsverbot nicht, vgl. § 67 Abs. 4 BVG. 11 LG Lübeck, JW 1937, 2611. 10

190

II. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhalts recht ergebenden Beziehungen 12 Mittelbar zweckbestimmte Leistungen

Eine Zweckbestimmung sozialer Leistungen kann es auch sein, sie Dritten zukommen zu lassen, um entweder zu deren allgemeinem Lebensbedarf beizusteuern oder um bestimmte Sonderbedarfe dieser Personen zu befriedigen (mittelbar zweckbestimmte Leistungen). Insoweit eine solche Zweckbestimmung vorliegt, steigert oder begründet diese Sozialleistung die Leistungsfähigkeit des Empfängers nur im Verhältnis zu dem der Zweckbestimmung nach Begünstigten. Die Leistungsfähigkeit anderen Personen gegenüber wird durch solche Leistungen nur indirekt berührt und dies auch nur dann, wenn die Sozialleistung nicht einen bestimmten Sonderbedarf des Begünstigten, sondern seinen allgemeinen Lebensbedarf (teilweise) befriedigen soll. In diesem Fall kann die Sozialleistung, da mit ihr nicht auch eine Steigerung des Unterhaltsbedarfs des Begünstigten verbunden ist12., den Unterhaltsträger befähigen, auch einem anderen, nachrangig Berechtigten Unterhalt zu leisten, demgegenüber er sonst, wenn sich seine Leistungsfähigkeit in der Unterhaltsleistung an den Begünstigten erschöpft hätte, nicht mehr unterhaltspflichtig gewesen wäre. Abgesehen von dieser Folgewirkung ist die Steigerung der Leistungsfähigkeit relativ. Solche mittelbar zweckbestimmten Leistungen sind z. B. Ausbildungsförderungsleistungen, soweit sie dem Unterhaltspflichtigen zustehen (z. B. § 27 BVG); Leistungen der Familienmutterschaftshilfe (§ 205 a RVO); Sonderleistungen nach § 7 USG, soweit sie über Dritte erbracht werden13 , und Sozialhilfeleistungen, soweit sie an den gesetzlichen Vertreter ausgezahlt werden. Diese Leistungen darf der Empfänger weder zu seinem eigenen Unterhalt noch zum Unterhalt für Dritte verwenden. Zu diesen Leistungen zählen nach h. M. auch das Kindergeld und die Kinderzuschläge14, wobei gelegentlich zwischen Leistungen des allgemeinen Familienlastenausgleichs und sonstigen Leistungen für Kinder15 unterschieden wird16 • Diese Auffassung wird jedoch durch die neueste Rechtsprechung modifiziert17 • Auszugehen ist davon, daß zwischen den Sozialleistungen zum Ausgleich normaler Unterhaltsbelastungen und dem familiären Unterhalt s. u. Anm. 32. Vgl. § 9 Abs. 1 USG. 14 LG Köln, FamRZ 1970, 91; LG Itzehoe, SchI. H. A. 1965, 16; AG Ulm, MDR 1960, 58; LSG Hamburg, Breith. 1970, 42 (44); Bursch, NJW 1968, 429 (430); KZeinheyer, FamRZ 1958, 402 (402, 404); Staudinger - Gotthardt, § 1603 Anm. 14 a; vgl. auch BayObLG, NJW 1959, 1277. 15 Zu dieser Unterscheidung o. 8. Kap., sub 21. 16 Brühl, Unterhaltsrecht, S. 165; ScheffZer, in: RGRK, § 1603 Anm. 6; a. A. LG Itzehoe, SchI. H. A. 1965, 16; Bursch, NJW 1968, 429 (430); KZeinheyer, FamRZ 1958, 402 (404); nach OVG Berlin, NJW 1959, 1383 ist die familienbezogene Steuerermäßigung nicht zweckgebunden. 12 13

14. Kap.: Sozialleistungen und Leistungsfähigkeit

191

ein Ursache-Folge Verhältnis besteht. Leistungen des Familienlastenausgleichs werden gewährt, wenn Personen Dritte unterhalten. Diese Sozialleistungen setzen die Unterhaltsleistung des Berechtigten voraus. Sie knüpfen an seine Unterhaltsleistung und nicht an das Unterhaltsbedürfnis des Unterhaltsempfängers an, das sie - zieht man das Ausmaß der Leistungen mit in Betracht - alleine auch nicht zu decken im Stande wären. Es sind ihrer Zielsetzung nach Leistungen zugunsten des Unterhaltsträgers l8 , die, was nicht vergessen werden darf, den durch Unterhaltsleistungen beeinträchtigten Lebensstandard der gesamten Familie anheben sollenl9 • Während die übrigen Ausgleichsleistungen, wie Ortszuschlag oder Erhöhung des Krankengeldes, entsprechendes gilt auch für die durch die Steuerverschonungen belassenen Einkommensbeträge, sich von dem (übrigen) Einkommen, dessen Bestandteil sie sind, nicht unterscheiden, also ebenso wie es z. B. der Pfändung unterliegen, heben sich die Leistungen des allgemeinen Familienlastenausgleichs, also Kindergeld und Kinderzuschläge, davon ab. Sie setzen keinen Einkommensbezug voraus und können auch jeweils den Personen ausgezahlt werden, die den Unterhalt des Kindes tatsächlich bestreiten20 • Das trifft selbst für die Zuschläge zu, die von dem Bezug anderer Sozialleistungen abhängig sind, wie z. B. die Kinderzuschläge zu Sozialversicherungsrenten21 • Der Anspruch auf das Kindergeld kann auch, trotz dieser Möglichkeit der Auszahlungsanordnung, von dem Kind gepfändet werden; das Pfändungsverbot steht dem nicht entgegen22 • Das alles zeigt, daß die Leistungen des allgemeinen Kinderlastenausgleichs einen weiteren Zweck verfolgen. Sie sollen nicht nur dem Unterhaltsträger ein Ausgleich für die Unterhaltsbelastung, sondern auch ein Zuschuß zu dem Unterhalt des Kindes sein23 , und sollen ihm, trotz ihrer Ausgestaltung, die nicht unmittelbar auf das Unterhaltsbedürfnis des Kindes gerichtet ist, doch mittelbar zu Gute kommen. Wenn als Träger des Kindergeldanspruches die Eltern bestimmt worden sind, so beruht dies - wie der BGH ausgeführt hat24 - auf der Erwägung, daß das Kindergeld nach dem BKGG z. B. nicht für alle Kinder gezahlt wird, wohl aber für alle Kinder bestimmt ist, und daß daher durch die Eltern eher eine gerechte Verteilung erzielt wird als durch eine bürokratische Organisation. Vgl. LG Berlin, FamRZ 1970, 595. Vgl. LG Berlin, FamRZ 1970, 595; s. a. Bayer. LSG, ZfS 1971,378. 19 Vgl. LG Verden, FamRZ 1967, 636: "Die Zahlungen nach der Kindergeldmit mehreren Kindern - nicht bloß einzelner Kinder - dar"; s. a. Bayer. LSG, ZfS 1971, 378. 20 s. o. 8. Kap., Anm. 44. 21 Vgl. § 1262 Abs. 8 RVO. 22 § 12 Abs. 2 BKGG; BGH, FamRZ 1958, 102; LG Bonn, FamRZ 1955, 269. 23 BAG, AP Nr. 15 zu Art. 3 GG; s. a. § 1615 g BGB. 24 BGHZ 33, 130 (134). 17 18

192

H. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhalts recht ergebenden Beziehungen

Kindergeld steht also dem Bezugsberechtigten nicht für andere Zwecke als für den Unterhalt der Kinder zur Verfügung 25 . Es ist insoweit eine zweckbestimmte Leistung. Die Eltern, haben das Kindergeld, auch wenn es von dem zweiten Kind erst an gezahlt wird, allen Kindern, insbesondere auch den sog. "Zählkindern"26, gleichmäßig zu Gute kommen zu lassen27 , sie müssen es also nicht an das Kind weiterleiten, dessentwegen ihnen der Anspruch zusteht 28 . Kindergeld ist also nicht ausnahmslos rechnerisch nach der Kopfzahl der Kinder zu verteilen29 . Aber die Gesamtsumme der Zuwendungen, die der Unterhaltsverpflichtete im Rahmen des Familienlastenausgleichs erhält, stellt den Mindestbetrag des den Kindern insgesamt geschuldeten Unterhalts dar 30, wobei diese Leistungen allerdings, soweit sie versteuert werden müssen, nur mit dem Nettobetrag anzusetzen sind31 • Diese Leistungen führen wegen der mit ihnen verbundenen Steigerung der Leistungsfähigkeit zu einer Erhöhung des Unterhaltsanspruches des Kindes 32 . Dieser erhöht sich jedoch nicht um den vollen Betrag der Ausgleichsleistungen3S , denn das würde alledem, was eben dargelegt wurde, widersprechen, sondern nur in dem Maße, in dem das gesamte Familieneinkommen durch sie aufgestockt wird. Besonders bei diesen (mittelbar) zweckgebundenen Leistungen stellt sich in den Fällen, in denen sie für Personen erbracht werden, denen der Empfänger nicht oder nicht mehr unterhaltspflichtig ist, die Frage, ob der Empfang etwa von Kindergeld zumindest in dessen Höhe zum Unterhalt verpflichtet. Dieses Problem tauchte früher auf, wenn der Vater eines unehelichen Kindes für dieses Kindergeld erhielt, ohne ihm jedoch, weil es die den Unterhaltsanspruch zum Erlöschen bringende LSG Hamburg, Breith. 1970, 42 (44). Bursch, NJW 1968, 429 (430); Köhler, S. 26; Scheffler, in: RGRK, § 1603 Anm. 6; Soergel - Siebert - Lange, § 1603 RdNr. 3. 27 Vgl. § 12 Abs. 4 BKGG; s. a. BGH, LM KGG § 8 Nr. 2; OLG Schleswig, NJW 1957, 189; aus diesem Grunde soll der Erzeuger dem Ersatzanspruch 25

26

des Ehemannes (Scheinvater) nicht entgegenhalten können, daß dieser für das Kind Kindergeld bezogen und eine steuerrechtliche Kinderermäßigung genossen habe, so BGH, FamRZ 1968, 76. Dem kann nicht zugestimmt werden, zumindest der auf das uneheliche Kind entfallende Anteil hätte angerechnet werden müssen. 28 LG Berlin, FamRZ 1970, 595 (596); LSG Hamburg, Breith. 1970, 42 (44); Brühl, Unterhaltsrecht, S. 166; Bursch, NJW 1968, 429 (430). 29 OLG Frankfurt, RPfl. 1960, 338; abgeschwächt: Scheffler, in: RGRK § 1603 Anm. 6; aus diesem Grunde plädiert Jung, S. 103 ff., dafür, ein Gesamtkindergeld einzuführen. 30 Kleinheyer, FamRZ 1958, 402 (402, 404). 31 Bursch, NJW 1968, 429 (430). 32 So auch BVerfG, SGb 1971,263 (266). 33 So wohl auch Kleinheyer, FamRZ 1964, 113 (114); Schulte-Langforth, Unterhalt, S. 81.

14. Kap.: Sozialleistungen und Leistungsfähigkeit

193

Altersgrenze von 16 Jahren34 überschritten hatte, unterhaltspflichtig zu sein. Sie stellt sich heute, wenn der Stiefvater Kindergeld für sein "in den Haushalt aufgenommenes" Stiefkind bezieht, dem er dem Gesetz nach nicht unterhaltspflichtig ist, oder wenn ein ehelicher Vater für sein Kind, das nach dem Tode seines Stiefvaters Waisenrente bezieht und daher nicht mehr bedürftig ist, Kindergeld erhält35 • Sie stellt sich weiter dann, wenn Eltern Kindergeld auch wegen solcher Kinder gezahlt wird, die das 18. Lebensjahr überschritten haben, sich in der Ausbildung befinden, verheiratet sind und von ihrem Ehegatten ausreichend unterhalten werden und somit ihren Eltern gegenüber nicht mehr unterhaltsberechtigt sind36 • Während das frühere Recht37 den Konflikt dadurch zu lösen glaubte, daß es den Kindergeldanspruch versagte, wenn der Berechtigte nicht leistete38, wird er heute weitgehend dadurch gelöst, daß das Kindergeld der Person ausgezahlt wird, die das Kind ganz oder überwiegend unterhält39 • Die angeschnittene Frage stellt sich daher nur noch dann, wenn eine solche Anordnung über die Auszahlung nicht ergeht oder wenn niemand dem Kind Unterhalt leistet, weil es nicht bedürftig ist. Im letzteren Fall hat das LG Dortmund40 entschieden, daß der Bezug von Kindergeld nicht zu einer weitergehenden, zusätzlichen Unterhaltspflicht führt 41 , und dies damit begründet, daß, wenn Kindergeld ohne Rücksicht auf tatsächliche Unterhaltsleistungen erbracht werde, solche Unstimmigkeiten unvermeidbar seien. Den anderen Fall, daß nicht zum Unterhalt verpflichtete Personen, z. B. Stiefeltern, Kindergeld oder ähnliche Leistungen erhalten, ohne aber tatsächlich Unterhalt leisten zu wollen, hat man - allerdings nicht unwidersprochen4 2. - damit versucht zu lösen, daß man in der Inanspruchnahme von sozialen Vorteilen durch den Stiefvater die übernahme einer Unterhaltsverpflichtung sah43 • 34

§ 1708 BGB a. F.

So der Fall des LG Dortmund, FamRZ 1958, 421. s. o. 12. Kap., Text zu Anm. 60, 61. 37 Vgl. Kleinheyer, FamRZ 1958,402 (403) mit Nachw. 38 Dagegen zu Recht Kleinheyer, ebd. 39 Vgl. z. B. § 12 Abs. 3 BKGG; in diesem Zusammenhang auch BGHZ 33, 130 (135). 40 FamRZ 1958, 421; a. A. Kleinheyer, FamRZ 1958, 402 (404); "wo der Gesetzgeber eine Beihilfe zubilligt, da begründet er zugleich eine unwiderlegbare Vermutung, daß in dieser Höhe das Kind der Alimentation bedarf"; dagegen auch Gernhuber, Familienrecht, S. 447 (Anm. 7). 41 Vgl. auch BayObLG, NJW 1959, 1277. 4! OVG Berlin, NJW 1959, 1383. 4S Vgl. BVerwG, NDV 1968, 25; Bursch, NJW 1968, 429 (432); Empfehlungen, a.a.O. S. 39; ähnlich C 111 1 Abs. 1 "Honnefer Modell". 35

38

13 Ruland

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H. 2. Absch.n.: Die sich aus dem Unterhalts recht ergebenden Beziehungen 2 Die Auswirkung nicht zweckbestimmter Leistungen auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen 21 Allgemein

Nicht zweckbestimmte Leistungen sind - gleich aus welchem Grunde sie bezogen werden - von dem Unterhaltspflichtigen zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht einzusetzen. Dies gilt für Renten und Pensionen44 ebenso wie für Unterhalt ersetzende Hinterbliebenenrenten45 , als auch für Leistungen, die aus ganz persönlichen Gründen, etwa Verstümmelung46 , erbracht werden. Zugunsten unterhaltsrechtlicher Forderungen ist das zum Schutz dieser Leistungen bestehende Pfändungsverbot47 durchbrochen 48 • Die nicht subsidiären Sozialleistungen ermöglichen so die Unterhaltsgewährung durch den Empfänger, bedeuten daher auch eine Sicherung der auf diesen Unterhaltsträger angewiesenen Angehörigen. Sie bringen aber auch eine Aufrechterhaltung der innerfamiliären Rollenverteilung in "Unterhaltsträger" und "Unterhaltsempfänger" mit sich. 22 Die Auswirkung von Unterhaltsersatzleistungen

Das Ergebnis bedarf bei Unterhaltsersatzleistungen einer Überprüfung. Im Unterhaltsrecht kommt "Unterhaltsersatz-" und "Unterhaltsleistungen" verschiedene Bedeutung zu. Während der Unterhalt - vom Taschengeld abgesehen49 - nur zur Deckung des persönlichen Bedarfs dient und somit kein eine Unterhaltspflicht begründendes Einkommen darstellt50 , muß eine als "Unterhaltsersatz" gewährte Hinterbliebenenrente zur Erfüllung von Unterhaltsverbindlichkeiten eingesetzt werden5!. Insoweit ist auch ihr Pfändungsschutz eingeschränkt52 • Die Folge davon ist, daß eine Witwe, die von ihrem Vater Unterhalt in der ihrer Lebensstellung entsprechenden Höhe erhält, oder eine geschiedene Frau, die von ihrem ehemaligen Ehegatten unterhalten wird, ihrem minderjährigen, unverheirateten Kind trotz der ihr oblieVgl. Brühl, Unterhaltsrecht, S. 165; Köhler, S. 26. Dazu im Anschluß unter 22. 48 RG, LZ 1916, 878. 47 Vgl. §§ 119 RVO; 76 AVG; 92 RKG; 262 LAG; 67 Abs. 1 BVG; 4 Abs. 1 Satz 2 BSHG; s. aber §§ 48 SVG; 14 BEG; s. dazu zuletzt BVerfG, ZfS 1972, 220. 48 Vgl. §§ 850 d ZPO; 119 Abs. 1 Ziff. 2 RVO; 76 AVG; 92 RKG; 67 Abs. 2 Ziff. 2 BVG. 49 Vgl. Z. B. OLG Bremen, FamRZ 1958, 227; a. A. Brühl, Unterhaltsrecht, S.170. 50 Brühl, Unterhaltsrecht, S. 170. 51 BSG, SGb 1972, 177 mit Anm. von Gudohr; Brühl, ebd. S.165. 52 Vgl. z. B. § 119 Ziff. 2 RVO. 44

45

14. Kap.: Sozialleistungen und LeistungsfähigkeIt

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genden gesteigerten Unterhaltspflicht nichts abzugeben braucht53 , während sie ihre Hinterbliebenenrente mit ihm teilen muß54. Dieser Gegensatz verliert zwar weitgehend dadurch an Schärfe, daß in der Regel der Fälle die der Witwe gegenüber Unterhaltsberechtigten selbst Hinterbliebenenrente erhalten, etwa die ehelichen Kinder. Er wird aber z. B. bei dem Kind der Ehefrau aus einer anderen Ehe akut, das der Versicherte nicht "in seinen Haushalt aufgenommen" hatte und das daher keine Waisenrente bezieht55 . Die Unterhaltsleistung an dieses Kind läßt die Diskrepanz zwischen dem Lebensstandard der Witwe vor und nach dem Tod des versicherten Ehemannes, die die Hinterbliebenenrenten ohnedies kaum verhindern können, nur noch größer werden und das Ziel der Rente, die Aufrechterhaltung des früheren Lebensstandards, in noch weiterer Ferne entschwinden. Eine Änderung des jetzigen Rechtszustandes dahin, daß empfangene Unterhaltsleistungen Unterhaltsverbindlichkeiten begründen, würde zu einer dem Unterhaltsrecht fremden mittelbaren Unterhaltspflicht führen. Wollte man andererseits in Hinterbliebenenrenten kein eine Unterhaltspflicht auslösendes Einkommen sehen, so hätte dies u. U. zur Folge, daß Kinder an der Rente ihrer Mutter nicht partizipieren könnten und weiterhin auf Unterhalt von dritter Seite angewiesen wären. Ganz abwegig erschiene ein solches Ergebnis jedoch nicht, weil ansonsten die Angehörigen des Kindes, die ihm zu der Zeit Unterhalt gewähren mußten, als seine an sich vorrangig zum Unterhalt verpflichtete Mutter selbst noch Unterhalt erhielt, dadurch von ihrer Unterhaltslast auf Kosten der Mutter frei würden, daß diese durch den Tod ihres Unterhaltsträgers statt Unterhalt "Unterhaltsersatz" erhält. Andererseits wäre es in einem solchen Fall unbillig, die Unterhaltspflicht bei den Verwandten zu belassen, wenn die Mutter des Kindes mehr Rente bezieht, als ihr vorher als Unterhalt zustand, dies möglicherweise auch nur deshalb, weil sie eben dieses Kind zu versorgen hat 56 • Befriedigend lösen läßt sich diese Frage, indem man grundsätzlich davon ausgeht, daß auch "Unterhaltsersatzleistungen" bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit als Einkommen einzusetzen sind, daß aber sonstigen Personen gegenüber, die dem Unterhaltsberechtigten nachrangig unterhaltspflichtig sind, eine Unterhaltspflicht des Empfängers der Unterhaltsersatzleistungen nur insoweit besteht, als ihr angemessener Unterhalt, für dessen Ausmaß die früheren Unterhaltsleistungen maßgebend sind, nicht gefährdet wird. 63

54 65

56

13*

Beispiel von Brühl, Unterhaltsrecht, S. 170. Hiervon geht z. B. auch § 127 Abs. 7 BBG aus. s. auch den Fall des BSG, SGb 1972, 177. Vgl. etwa § 1268 Abs. 2 Ziff. 2 RVO.

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II. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhalts recht ergebenden Beziehungen 3 Die Verpflichtung zur Geltendmachung von Sozialleistungen

Soweit Sozialleistungen eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen herbeiführen und er sonst nicht in der Lage ist, Unterhalt zu gewähren57 , muß dieser, da er verpflichtet ist, alle ihm zustehenden Ansprüche soweit wie möglich zu realisieren 58, auch die ihm zustehenden Sozialleistungen geltend machen und als Unterhalt einsetzen59 • Er darf insbesondere nicht auf ihre Geltendmachung verzichten60 • Insoweit führt bereits der Anspruch auf (realisierbare) Sozialleistungen zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit. Nach einer Entscheidung des LG Düsseldorf61 soll der Unterhaltspflichtige allerdings nicht verpflichtet sein, ein Studiendarlehn aufzunehmen, um den Unterhalt seines Kindes zu decken.

15. Kapitel

Die Auswirkungen der Sozialleistungen auf die Bedürftigkeit des Empfängers 1 Minderung oder Beseitigung der Bedürftigkeit 11 Die Auswirkung subsidiär-familienabhängiger Sozialleistungen auf die Bedürftigkeit 111 Allgemein

Bei der Frage, ob Leistungen der sozialen Sicherheit die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit mindern oder beseitigen, muß zwischen subsidiär-familienabhängigen und nicht subsidiären Sozialleistungen unterschieden werden. Der Anspruch auf subsidiär-familienabhängige Sozialleistungen läßt den (vorrangigen) Anspruch auf familiären Unterhalt unberührt, soweit die Sozialleistung famiIienabhängig ist, denn er beseitigt die Bedürftigkeit nicht. LG Münster, FamRZ 1956, 155. Brühl, Unterhaltsrecht, S. 176 f. 59 BayObLGSt. 1961, 85; OLG Köln, ZBlJR 1958, 237 (238); Knorn, FamRZ 1964, 618; Schönke - Schröder, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 16. AufI. 1972, § 170 b Anm. 16. GO s. Gevatter, Kann der Arbeitslose auf Familienzuschlag verzichten?, SozSich. 1961, 42 und LG Münster, FamRZ 1956, 155: .. Ein Verzicht des Be57

58

rechtigten auf das Kindergeld ist dann unbeachtIich, wenn er das Wohl der Kinder gefährdet; das ist nur dann der Fall, wenn der unbedingt erforderliche Unterhalt für die Zukunft ohne das Kindergeld nicht gesichert ist. In einem solchen Fall kann das Vormundschaftsgericht anordnen, daß das Kindergeld an eine andere Person oder Stelle gezahlt wird". 61 FamRZ 1966, 246 mit abI. Anm. von Bosch; vgI. grundsätzlich auch Brühl, Unterhaltsrecht, S. 177.

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

197

Das ist für die Sozialhilfe in § 2 Abs. 2 BSHG gesetzlich verankert, der besagt, daß "Verpflichtungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger ... durch dieses Gesetz nicht berührt" werden. Der Grundsatz der Subsidiarität hat also zur Folge, "daß niemand, der dem Hilfesuchenden zu einer Leistung verpflichtet ist, sich darauf berufen kann, daß eine gleichartige Verpflichtung nach dem BSHG besteht"1. Das gilt grundsätzlich z. B. auch dann, wenn einem geschiedenen Ehegatten eine wiederaufgelebte, dem Unterhaltsanspruch gegen den zweiten Ehegatten gegenüber subsidiäre Hinterbliebenenrente zusteht. Dieser Anspruch ändert diesen Unterhaltsanspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach2 • Die Entscheidung des LG Stade, wonach der unterhaltspflichtige Ehegatte in solchen Fällen im Hinblick auf die wie~ deraufgelebte Hinterbliebenenrente nur insoweit Unterhalt zu leisten habe, als sein angemessener Unterhalt nicht gefährdet werde 3, ist mit der z. B. in § 1291 Abs. 2 RVO festgelegten Rangfolge zwischen Unterhalt und Hinterbliebenenrente nicht zu vereinbaren'. Dementsprechend berührt auch die Aussicht des Kindes, im Falle unzureichenden Einkommens der Eltern subsidiärfamilienabhängige Ausbildungsförderung zu erhalten, nicht seinen Unterhaltsanspruch, der unabhängig von dieser Förderungsmöglichkeit zu ermitteln ists. Die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit besteht selbst dann dem Grundsatze nach fort, wenn der Träger der subsidiären Sozialleistung diese erbrachte, obwohl ein vorrangig zum Unterhalt Verpflichteter vorhanden war. Das ist bei den Sozialhilfeleistungen allgemein anerkannt6, gilt aber auch bei der Arbeitslosenhilfe 7 , der Ausbildungsförderung 8 oder bei den Leistungen der Kriegsopferfürsorge, jeweils soweit diese Leistungen dem Unterhaltsanspruch gegenüber subsidiär sind9 • 1 Begründung des Entwurfs des BSHG, BT-Dr. III/1799, 8. 32; Schellhorn Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 2 III, 2; so auch schon RGZ 17,223 (226); s. a. Mayer, 8. 267. 2 Gloede, MDR 1971, 807; Petermann, RPfl. 1972, 157. 3 FamRZ 1963, 256 ebenso Gernhuber, Familienrecht, 8. 307 (Anm. 1); Habscheid, Die Rechtsprechung zum Eheauflösungsrecht, FamRZ 1964, 60

(64); differenziert: Gloede, MDR 1971, 807. 4 Wie hier: B8G, NJW 1972, 735; Engel, Wiederaufleben, 8. 86 f.; Verbandskommentar, § 1291 Anm. 12. 5 AG Göttingen, FamRZ 1966, 245; vgl. auch Oster. OGH, FamRZ 1967, 160. 6 RGZ 72, 199; OLG Hamburg, OLG-Rspr. 26, 240 (241); L8G Bad.-Württ., 8Gb 1968, 40; Erman - Wagner, § 1602 Anm. 1 (a. E.); Staudinger - Gotthardt, § 1602 RdNr. 35. 1 B8G, FamRZ 1967, 672; OLG 8chleswig, FamRZ 1957, 219; a. A. OLG Bremen, NJW 1952, 1102. 8 Vgl. Schwab, FamRZ 1971, 1 (11). g Das soll nach L8G Bad.-Württ., 8Gb 1968, 40 auch für die Unterhaltshilfe nach dem LAG gelten. Dieser Entscheidung zufolge soll diese den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau gegen ihren früheren Ehegatten nicht berühren. Dem kann im Hinblick auf § 267Abs. 2 Ziff. 1 LAG nicht zugestimmt werden (ebenso: B8GE 9,13 [15]; VG Hannover, FamRZ 1967, 160).

198

II. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhaltsrecht ergebenden Beziehungen

Ein dem Empfänger dieser Leistungen zum Unterhalt Verpflichteter bleibt weiter verpflichtet10 • Allerdings wird in aller Regel der Unterhaltsanspruch auf den Sozialleistungsträger übergeleitetl1 • Diese überleitung berührt den Charakter des Unterhaltsanspruches als solchen nicht, er wird insbesondere nicht zu einem öffentlich-rechtlichen Anspruch12 • Auch bleibt das Pfändungsvorrecht nach § 850 d ZPO nach der überleitung bestehen13.

112 Die "Reflexwirkungen" insbesondere der sozialhilfe rechtlichen Verschonungen auf das Unterhaltsrecht Wie bereits ausführlich dargelegt, sehen die überleitungsbestimmun~ gen - ganz besonders im Sozialhilferecht, von dem im folgenden beispielhaft ausgegangen wird - von einer schematischen, streng an das Unterhaltsrecht gebundenen Inanspruchnahme des vorrangig zum Unterhalt Verpflichteten ab, so daß für die Entscheidung, ob und inwie~ weit der Unterhaltspflichtige herangezogen werden soll, weitgehend soziale Gesichtspunkte entscheidend geworden sind14. Das hat zur Folge, daß Unterhaltspflichtige nicht in dem Ausmaß in Anspruch genommen werden, wie sie nach Unterhaltsrecht eigentlich verpflichtet wären. Das wirft die Frage auf, ob diese Diskrepanz zwischen Sozialhilfe- und Unterhaltsrecht "Reflexwirkungen"15 im Unterhaltsrecht entfaltet. Als "Reflexwirkungen" dieser Diskrepanz kommen in Betracht: a) Wenn der Unterhaltsberechtigte, der keine Sozialhilfe erhalten oder beantragt hat, in voller Höhe den nach dem Unterhaltsrecht errechneten Unterhaltsanspruch geltend macht, kann sich der Unterhaltspflichtige auf die sozialhilferechtlichen Verschonungen berufen; b) dies zumindest dann, wenn der Unterhaltsempfänger, der Sozialhilfe erhalten hat und dessen Unterhaltsanspruch teilweise übergeleitet wurde, einen Anspruch in Höhe des nicht übergeleiteten Unterhaltsanspruches geltend macht. In jedem Fall können aber, um dies von vornherein klarzustellen, die sozialhilfe rechtlichen Verschonungen - wenn überhaupt - nur dann "Reflexwirkungen" hervorrufen, wenn Unterhalt begehrt wird, der seinem sachlichen Inhalt nach der Sozialhilfeleistung entspricht, für die diese Verschonungen auch vorgesehen sind. Die besonderen Ein~ kommensfreigrenzen der Blindenhilfe können also jedenfalls dann Vgl. § 2 Abs. 2 BSHG; s. a. Soergel- Siebert - Lange; § 1602 RdNr. 2. Hierzu insbes. o. 6. Kap., Text zu Anm. 45-49. 12 ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 90 III 4 a; Mayer, S.276. 13 BArbG, MDR 1972, 696; OLG Celle, FamRZ 1968, 329. u s. o. 6. Kap., Text nach Anm. 59. 15 Ausdruck des LG Oldenburg, ZfF 1964, 24; übernommen von ScheHhornJirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 III 4 d. 10 11

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

199

keine "Reflexwirkung" entfalten, wenn der Unterhaltspflichtige nor· malen Unterhalt zu leisten hat. In einem solchen Fall kommen nur die für die "Hilfe zum Lebensunterhalt" vorgesehenen Verschonungen in Betracht. Ist der Unterhaltsberechtigte allerdings blind und macht er dem Unterhaltspflichtigen gegenüber den durch seine Blindheit verursachten Mehrbedarf geltend, dann kann die Einkommensfreigrenze der Blindenhilfe "Reflexwirkungen" hervorrufen. Die Frage nach den "Reflexwirkungen" hat sich bisher insbesondere bei dem Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Vater gestellt, da dieser Anspruch nach altem Recht weitgehend von der Leistungsfähigkeit des Vaters unabhängig war16 • Ihr kommt aber darüber hinaus grundsätzliche Bedeutung zu, denn die Diskrepanz zwischen sozialhilferechtlicher Inanspruchnahme und unterhaltsrechtlicher Verpflichtung betrifft nicht nur diese Beziehung. So könnte auch der vieldiskutierte Unterhaltsanspruch auf Ausbildung11 durch "Reflexwirkungen" der Einkommensfreigrenze der sozialhilferechtlichen Ausbildungshilfe derart modifiziert werden, daß er in jedem Fall ein Einkommen des Unterhaltspflichtigen oberhalb der Einkommensfreigrenze des § 79 BSHG voraussetzte. Die beiden möglichen "Reflexwirkungen" stehen in engem Zusammenhang miteinander. Bejaht man die erste, dann bedeutet das, daß auch im Unterhaltsrecht die sozialhilferechtlichen Verschonungen Geltung gefunden haben, so daß schon aus diesem Grund auch die zweite "Reflexwirkung" bejaht werden muß. Verneint man die erste und bejaht die zweite mögliche "Reflexwirkung", dann würden die sozialhilferechtlichen Verschonungen nur dann eingreifen, wenn Sozialhilfe geleistet und der Unterhaltsanspruch übergeleitet worden ist. Dies brächte eine Ungleichbehandlung der Unterhaltspflichtigen mit sich, je nachdem ob Sozialhilfe geleistet worden ist oder nicht. Der Unterhaltspflichtige stünde sich besser, wenn der Unterhaltsberechtigte zuerst die Sozialhilfe in Anspruch nehmen würde. Er würde dann - insbesondere wenn dieser "Hilfe in besonderen Lebenslagen" erhält entweder gar nicht oder nur zu einem im Vergleich zum Umfang der Unterhaltspflicht geringeren Ausmaß herangezogen. Hinzu kommt, daß, würde man dem Unterhaltsberechtigten das Recht einräumen, von dem Unterhaltspflichtigen ohne Rücksicht auf die sozialhilferechtlichen Verschonungen vollen Unterhalt verlangen zu können, dies zur Folge hätte, daß der Unterhaltsberechtigte es in der Hand hätte, ob dem Unterhaltspflichtigen die diesem eingeräumten Verschonungen zu Gute kommen oder nicht. Würde er sich zuerst an die Sozialhilfe wenden, dann würden die Vermögensverschonungen und Einkommensfreigren18 17

s. o. § 1708 a. F. BGB.

s. 0.2. Kap., Text nach Anm. 17.

200

II. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhalts recht ergebenden Beziehungen

zen eingreifen; würde er zuerst den Unterhaltspflichtigen in Anspruch nehmen, dann käme dieser nicht in ihren Genuß. Verneint man jegliche "Reflexwirkung" der sozialhilferechtlichen Verschonungen, dann bedeutete dies letzten Endes, daß, da der Unterhaltsberechtigte den nicht übergeleiteten Teil des Unterhaltsanspruches geltend machen könnte, er entweder sowohl Unterhalt als auch Sozialhilfe erhielte, oder er den erwirkten Unterhalt im Wege des Kostenersatzes einzusetzen hätte. In dem ersten Fall hätte der Unterhaltsberechtigte mehr als ihm der Sache nach zusteht, im zweiten Fall hätte er weder mehr noch weniger erhalten, in beiden Fällen aber wären dem Unterhaltspflichtigen die Verschonungen nicht zu Gute gekommen. Ein großer Teil des Schrifttums verneint unter Hinweis auf die Subsidiarität und insbesondere auf § 2 Abs. 2 BSHG, der besagt, daß Verpflichtungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger durch dieses Gesetz nicht berührt werden, jegliche "Reflexwirkungen" der sozialhilferechtlichen Verschonungen18 • Einer sich immer mehr durchsetzenden Meinung zufolge, die in der Begründung jedoch variiert, kann sich der Unterhaltspflichtige auch dem Unterhaltsberechtigten gegenüber auf die sozialhilferechtlichen Verschonungen berufen19 • Anderen Auffassungen nach soll sich der Unterhaltspflichtige nur dann auf die Verschonungen berufen können, wenn dem Unterhaltsberechtigten Sozialhilfe geleistet und der Unterhaltsanspruch nicht in voller Höhe übergeleitet wurde. So besteht nach einer neuerdings von dem BVerwG vertretenen Ansicht20 der Unterhaltsanspruch fort, soweit ihn der Sozialhilfeträger nicht auf sich übergeleitet hat21 • Damit aber zum einen der Unterhaltspflichtige in den Genuß der sozialhilferechtlichen Verschonungen kommt, zum anderen der Unterhalts- und Hilfeberechtigte nicht sowohl Unterhalt als auch Sozialhilfe erhält, hat nach Meinung des BVerwG der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch des Hilfeberechtigten in voller Höhe auf sich überzuleiten. Er soll jedoch den übergeleiteten Anspruch nur in dem Maße geltend machen dürfen, als es die auch zugunsten des Unterhaltspflichtigen wirkenden Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen bzw. die Härteklausel erlauben. 18 So OVG Lüneburg, ZfF 1953, 316; LG Braunschweig, NJW 1965, 351; AG Celle, FamRZ 1963, 374; Dölle, S. 38; Jehle, ZfF 1959, 292 (293); Kursawe, Bl. der Wohlfahrtspflege 1969, 136 (138); Schellhorn, NDV 1967, 35 (38, 40); WehZitz, SozArb. 1964, 11. 19 LG Oldenburg, ZfF 1964, 24; dass., FamRZ 1965, 339 (340); Brühl, NDV 1963, 305 (310); ders., Unterhaltsrecht, S. 172; ders., Anm. zu LG München I, FamRZ 1964, 644 (645); Empfehlungen, S. 67 ff.; Knopp - Fichtner, § 91 Anm. 3; Staudinger - Göppinger, § 1708 Anm. 106--109; Weinbrenner, FamRZ 1963, 269 (271 f.). 20 BVerwG, DöV 1970, 282 (283). 21 Insoweit ebenso Oestreicher, § 91 Anm. 1.

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

201

Einer weiteren Meinung zufolge soll dem Unterhaltspflichtigen die "Einrede" des Verstoßes gegen Treu und Glauben zustehen, wenn der Unterhaltsberechtigte, dessen Bedarf durch Sozialhilfeleistungen gedeckt wurde, den von dem Sozialhilfeträger nicht übergeleiteten aber dieser Meinung nach insoweit an sich fortbestehenden - Unterhaltsanspruch geltend machen will2!. Schließlich soll die Geltendmachung des durch den Träger der Sozialhilfe nicht überleitungsfähigen Teils des Unterhaltsanspruches direkt durch den Hilfeempfänger schon deshalb regelmäßig nicht mehr möglich sein, weil ein Unterhaltsanspruch insoweit nicht mehr besteht, da er durch die insoweit dem betreffenden Unterhaltsschuldner gegenüber vorrangige Sozialhilfe abgedeckt wird23 • Bei der Beurteilung all dieser Meinungen ist von der grundsätzlichen Frage auszugehen, ob sich der Unterhaltspflichtige dem Unterhaltsberechtigten gegenüber auf die sozialhilferechtlichen Verschonungen berufen kann, wenn dieser keine Sozialhilfe beantragt oder erhalten hat und in voller Höhe den nach dem Unterhaltsrecht errechneten Unterhaltsanspruch begehrt. Dies wäre dann zu bejahen, wenn der Unterhaltspflichtige den Unterhaltsberechtigten auf die primäre Geltendmachung der Sozialhilfe verweisen könnte. Der Unterhaltsverpflichtete käme dann bei dem Rückgriff des Sozialhilfeträgers in den Genuß der Verschonungen. Diesen Weg hat zuerst Brühl aufgezeigt24. Dieser Auffassung nach widerstreitet es dem im Sozialhilfe recht verwirklichten Gedanken des gesellschaftlichen Lastenausgleichs, wenn der Unterhaltspflichtige durch den Berechtigten privat in Anspruch genommen werden könnte und er dadurch "einer ihm vom Gesetz zugedachten Vergünstigung beraubt würde"251. "Mit guten Gründen" lasse "sich der Standpunkt vertreten", bei der privaten Heranziehung des Verpflichteten "liege ein Rechtsmißbrauch vor"26. Diese Ansicht kann sich darauf stützen, daß der Hilfesuchende, wendet er sich zunächst an die Sozialhilfe, nur selten einen nutzlosen Umweg machen wird, denn die Sozialhilfeträger machen von ihrem Recht, den Hilfesuchenden zunächst auf die Geltendmachung des familiären Unterhalts anspruches zu verweisen, nur selten Gebrauch 27 • Schulte-Langforth, Unterhalt, S. 117. LG Kempten, FamRZ 1967, 635 (das über weitergehende Reflexwirkungen nicht zu befinden hatte); ScheZlhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 III 4 d. 24 NDV 1963, 305 (310); ders., Unterhaltsrecht, S. 172; ebenso Weinbrenner, FamRZ 1963, 269 (271). 25 So Wein brenner, FamRZ 1963, 269 (271). 28 So B.rühl, Unterhaltsrecht, S. 172. 27 s. o. 6. Kap., Anm. 30. !2 23

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II. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhalts recht ergebenden Beziehungen

Um auf dem von Brühl aufgezeigten Weg zu einer Einschränkung der Unterhaltspflicht zu gelangen, müßte jedoch das Hindernis der Subsidiarität überwunden werden. Denn, würde dem Unterhaltspflichtigen dieses Recht eingeräumt, so bedeutete dies eine Umkehrung des gesetzlich festgelegten Nachrangs der Sozialhilfe 28 . Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete sich der Unterhaltspflicht letztlich nicht entziehen, sondern den Anspruch erst nach erfolgter überleitung befriedigen will. Ansonsten würde der Unterhaltsberechtigte auch soweit ein Unterhaltsanspruch besteht, zur Annahme von Sozialhilfeleistungen gezwungen sein, was nach gegenwärtigem Recht grundsätzlich ausgeschlossen sein so1l29. Dem Unterhaltspflichtigen kann daher nicht das Recht eingeräumt werden, den Berechtigten auf die primäre Geltendmachung der Sozialhilfe zu verweisen. Zu fragen ist jedoch, ob sich das Unterhaltsrecht nicht dem Sozialhilferecht angepaßt hat. Einer Anpassung des Unterhaltsrechts an die Sozialhilfe stünde die Subsidiarität der Sozialhilfe nicht entgegen, denn sie würde zu einer Verschiebung der Grenzlinie zwischen familiärem Unterhalt und Sozialhilfe führen. Soweit im Sozialhilferecht abweichend vom Unterhaltsrecht Verschonungen eingeräumt sind, hätte die Sozialhilfe als "Reflexwirkung" ihre Subsidiarität verloren. Der grundsätzliche Vorrang des Unterhaltsrechts bliebe gewahrt. Eine Anpassung des Unterhaltsrechts an die Sozialhilfe wäre dann erfolgt, wenn die sozialhilfe rechtlichen Verschonungen auch im Unterhaltsrecht Geltung erlangt hätten. Dies kann, da das Unterhaltsrecht nicht formell geändert wurde, wenn überhaupt, nur durch veränderte Begriffsinterpretation geschehen sein. In Betracht kommt lediglich eine Anpassung des Unterhaltsrechts an die sozialrechtlichen Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen, nicht jedoch an den im Einzelfall auf § 91 Abs. 2 BSHG gestützten Verzicht der Sozialhilfeträger, Unterhaltspflichtige in Anspruch zu nehmen. Die unmittelbare Geltung der sozialhilferechtlichen Verschonungen im Unterhaltsrecht wird damit begründet, daß der Gesetzgeber mit diesen Verschonungen Maßstäbe gesetzt und damit den Begriff der Bedürftigkeit näher umschrieben habe 30 • Da die Unterhaltspflichtigen gern. § 1603 Abs. 1 BGB durch die Unterhaltsleistung nicht selbst bedürftig werden dürften, müßten sie sich auch dem Unterhaltsgläubiger gegenüber auf die Freigrenzen berufen können. Diese Lösung hat jedoch einen entscheidenden Mangel. Wenn das Sozialhilferecht die Bedürftigkeitsgrenze tatsächlich nach oben verscho28 29 SO

Schellhorn, NDV 1967, 35 (38).

Ebd. So LG Oldenburg, ZfF 1964, 24 (25); Mayer, S. 280.

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

203

ben hätte, dann profitierte zwar auch der Unterhaltspflichtige davon. Aber - und darin läge der entscheidende Nachteil für ihn - seine Unterhaltspflicht käme auch früher zum Tragen, denn dann richtete sich auch die zivilrechtliche Unterhaltsbedürftigkeit nach sozialhilferechtlichen Maßstäben. Da die Verschonungen bei der "Hilfe in besonderen Lebenslagen" am stärksten ausgeprägt sind, hätte die oben vorgeschlagene Lösung zur Folge, daß der Unterhaltspflichtige in "besonderen Lebenslagen" verstärkt zum Unterhalt herangezogen würde, d. h. gerade in den Fällen, in denen der Staat seine besondere Verpflichtung zur Hilfe anerkannt hat. Das Unterhaltsrecht kann auch die im Sozialhilferecht aus sozialpolitischen Gründen getroffene Unterscheidung zwischen "Hilfen in besonderen Lebenslagen" und "Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht übernehmen, denn in ihm stehen sich gleichgelagerte, private Interessen gegenüber, denen die individuelle Finanzierung staatlicher Sozialpolitik nicht zugemutet werden kann31 . Eine weitere Meinung schließlich32 gesteht dem Unterhaltspflichtigen das Recht zu, sich auf die Verschonungen des Sozialhilferechts zu berufen und nur in dem Ausmaß Unterhalt zu leisten, in dem er von dem Sozialhilfe träger in Anspruch genommen würde. Für diese Möglichkeit spricht, daß sie den Widerspruch beseitigt, der sich daraus ergibt, daß der Unterhaltsberechtigte nach der geltenden Rechtslage zwar nicht verpflichtet ist, sich trotz seines Unterhaltsanspruches auf die Sozialhilfe verweisen zu lassen, daß er andererseits auch nicht berechtigt sein kann, durch die private Geltendmachung seines Unterhalts anspruches dem Unterhaltsberechtigten die diesem aus sozialen Gründen eingeräumten Verschonungen zu nehmen. Dieser Widerspruch erledigt sich, wenn die Unterhaltspflicht auf das Maß der sozialhilferechtlichen Inanspruchnahme beschränkt wird. Diese Beschränkung ergibt sich aus dem Sinn und dem Zweck der Verschonungen, die das Sozialhilferecht dem Unterhaltspflichtigen gewährt. Dementsprechend steht dieser Beschränkung des Unterhaltsanspruches auch § 2 Abs. 2 BSHG nicht entgegen, der bestimmt, daß "Verpflichtungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger ... durch dieses Gesetz nicht berührt (werden)". Die daraus abgeleitete Folgerung, "daß das BSHG in das primär maßgebende Unterhaltsrecht des BGB nicht eingreift"33, erscheint als zu weit gehend. § 2 Abs. 2 BSHG bringt den grundsätzlichen Vorrang des Unterhaltsrechts zum Ausdruck. Er regelt aber das Verhältnis des Sozialhilferechts zum Unterhaltsrecht nicht abschließend, wie es sich schon aus der Existenz der überleitungsvorschriften, der §§ 90 ff. BSHG, ergibt. Diese Bestimmungen spezialisieren 31 Vgl. Empfehlungen, S. 46. 32 33

LG Oldenburg, ZfF 1964, 24 (25); dass. FamRZ 1965, 339 (340). AG Celle, FamRZ 1963,374; Dälle, S. 38.

204

11. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhaltsrecht ergebenden Beziehungen

die allgemeine Subsidiaritätsklausel des § 2 BSHG und schränken sie, soweit sie sie durchbrechen, ein. § 2 Abs. 2 BSHG kann daher nur im Zusammenhang mit den §§ 90 ff. BSHG gesehen werden. Die Verschonungen zugunsten des Unterhaltspflichtigen sollen verhindern, daß die sozialen Vergünstigungen, die das BSHG dem Hilfsempfänger gewährt, über die Heranziehung Unterhaltspflichtiger sich einseitig zu deren Lasten auswirken34 . Deshalb werden dem Unterhaltspflichtigen die gleichen Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen wie dem Hilfeempfänger zugebilligt. Damit sollten "Unbilligkeiten"35 des Unterhaltsrechts beseitigt und das "als zu streng"36 empfundene Unterhaltsrecht "aufgelockert"37 werden. Diese Bestrebungen enthalten, worauf Schellhorn - Jirasek - Seipp 38 zu Recht hinweisen, einen generellen Grundsatz, der nicht nur bei dem Rückgriff, sondern nach einhelliger Meinung z. B. auch bei der Verweisung des Hilfesuchenden auf den familiären Unterhalt zu beachten ist39, der im Gesetz jedoch am falschen Ort seinen Niederschlag gefunden hat. Systematisch richtiger wäre es gewesen, wenn dieser Grundsatz in § 2 BSHG zum Ausdruck gekommen wäre und so die durch ihn bewirkte Einschränkung der Subsidiarität verdeutlicht hätte. Es entspricht weder dem in den Verschonungen enthaltenen generellen Grundsatz der eingeschränkten Subsidiarität noch der Absicht, das "als zu streng" empfundene Unterhaltsrecht "aufzulockern", wenn seine "Unbilligkeiten" nur partiell beseitigt werden, indem die Verschonungen zugunsten der Unterhaltspflichtigen dann nicht eingreifen, wenn die Sozialhilfe als filterndes Zwischenglied zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen fehlt. Eine Beseitigung der Ungleichbehandlung von Unterhaltspflichtigen durch eine übernahme der Verschonungen in das Unterhaltsrecht trüge demgegenüber den in den Vergünstigungen zum Ausdruck gekommenen Intentionen des Gesetzgebers Rechnung. Dies entspräche dem Interesse der Unterhaltspflichtigen. Ihnen kämen die Vergünstigungen in jedem Falle zu Gute. Diese Lösung stünde auch mit den Interessen des Unterhaltsberechtigten nicht in Widerspruch. Heute ist die Inanspruchnahme der Sozialhilfe, die sich von dem diskriminierten Armenwesen und der Wohlfahrtspflege noch zu Anfang dieses Jahrhunderts 40 zu einem sozialstaatlich geprägten System sozias, ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 III 1 a. S5 So die amtl. Begründung zu § 91 Abs. 3 BSHG, BT-Dr. III/1799, S. 55. so Weinbrenner, FamRZ 1963, 269. S7 Mayer, S. 289; s. a. S. 279: "Der Wille des Gesetzgebers, die bürgerlich-

rechtliche Unterhaltspflicht einzuschränken ... ". sa Bundessozialhilfegesetz, § 91 III 1 b. so s. o. 6. Kap., Anm. 31. 40 Vgl. dazu etwa Scharpff, Handbuch des Armenrechts, 1896, S. 233 ff.

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

205

ler Sicherung entwickelt hat, zumal nach sovielen gesellschaftlichen Katastrophen und wirtschaftlichen Zusammenbrüchen nicht mehr entehrend oder unzumutbar41 • Aber auch soweit dieses Gefühl besteht - ganz scheint es noch nicht abgebaut zu sein -, kann ihm auf Dauer sozialpolitische Relevanz nicht zugesprochen werden. Andererseits sei auch hier an die bereits zitierte 42 Untersuchung von v. Friedeburg - Weltz erinnert, wonach sich auf die Frage: "Wenn jemand im Alter mit seiner Rente nicht auskommt, wer sollte ihm dann helfen: die Kinder oder der Staat?" 73 Ofo für den Staat und nur 19 Ofo für die Kinder - und damit für den Unterhalt - entschieden. Es läßt sich also feststellen, daß das Verlangen, familiären Unterhalt statt Sozialhilfe zu erhalten, unbeachtlich ist, zumal der Sozialhilfeempfänger nur noch in Ausnahmefällen zum Kostenersatz herangezogen wird 4s • Der Unterhaltsberechtigte würde durch eine solche Anpassung auch nicht mit einem Risiko belastet. Soweit die Anpassung Unterhaltspflichten zum Erlöschen bringen würde, wäre er sozialhilferechtlich hilfsbedürftig und der Sozialhilfeträger müßte einspringen. Folge einer solchen Anpassung wäre es allerdings, daß der ursprünglich nur gegen eine Person gerichtete Anspruch gespalten würde in einen Unterhaltsanspruch und einen Anspruch auf Sozialhilfe. Die damit für den Unterhaltsbedürftigen verbundene Erschwerung kann jedoch als nicht so wesentlich angesehen werden, daß sie das finanzielle Interesse des Unterhaltspflichtigen überwiegen würde. Die gleiche Doppelung der Ansprüche tritt bei jeder nicht subsidiären Sozialleistung ein, die den Bedarf nicht völlig abdeckt und durch familiären Unterhalt ergänzt werden muß. Gegen die Zulassung der Berufung des Unterhaltspflichtigen auf die sozialhilferechtlichen Verschonungen könnte sprechen, daß nur die Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen sich aus dem Gesetz unmittelbar entnehmen lassen, während der Verzicht der Sozialhilfeträger, bestimmte Unterhaltspflichtige in Anspruch zu nehmen, auf einer Prüfung des Einzelfalles dahingehend beruht, ob eine "besondere Härte" im Sinne des § 91 Abs. 3 BSHG vorliegt. Bei den §§ 91 Abs.2 BVFG und 19 Abs. 2 BEvG, die Vertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge und Evakuierte "in der Regel" vor einer Inanspruchnahme durch den Sozialhilfeträger schützen sollen, geht die Prüfung dahin, ob Gründe vorliegen, die eine Ausnahme von der Regel rechtfertigen44 • 41

42 43 44

So auch Brühl, NDV 1963, 305 (310). s. 0.1. Kap., Anm. 14; vgl. a. v. Friede burg, S. 27. § 92 Abs. 2 BSHG. Vgl. BVerwGE 34,260; LG Stuttgart, Praktische Sozialhilfe IV, E 18/201.

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II. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhaltsrecht ergebenden Beziehungen

Stellt der Sozialhilfe träger eine "besondere Härte" fest, so soll er auf die Inanspruchnahme verzichten "können". Diese Bestimmung ist jedoch mißverständlich. Die auf diese Prüfung hin ergehende Entscheidung stellt keine Ermessensentscheidung dar. Der Begriff der "besonderen Härte" in § 91 Abs. 3 BSHG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, so daß der Sozialhilfeträger keinen Ermessensspielraum mehr hat 45 • Wird die "besondere Härte" oder das Nichtvorliegen besonderer Ausnahmegründe bei den §§ 91 Abs. 2 BVFG und 19 Abs. 2 BEvG festgestellt, dann muß auf die Inanspruchnahme verzichtet werden, denn es ließe sich mit der sozialen Aufgabenstellung der Sozialhilfeträger46 , die auch bei der Heranziehung Unterhaltspflichtiger nicht außer Acht gelassen werden darf, nicht vereinbaren, wenn sie trotzdem die Heranziehung vornehmen würden47 • Insoweit wird die "kann"-Formulierung in § 91 Abs. 3 BSHG zu einer "muß"-Vorschrift für die Verwaltung 48 • Die Einzelfallentscheidung der Sozialhilfeträger braucht, da es sich um keine Ermessensentscheidung handelt, der "Einrede" des Unterhaltsschuldners nicht im Wege zu stehen. Diese nach der hier vertretenen Auffassung somit zulässige "Einrede" ist, weil sie rechtsvernichtend (Einwendung) ist, im Prozeß von Amts wegen zu beachten49 • Erforderlich ist nur, daß die betreffenden tatsächlichen Umstände vorgetragen werden, welche die Schlußfolgerung auf das Vorliegen der Voraussetzungen sozialhilferechtlicher Verschonungen erlauben. Zur Klärung der Frage, ob und in welchem Ausmaß der Träger der Sozialhilfe den Unterhaltsberechtigten in Anspruch nehmen würde, kann das Gericht bei dem Träger eine entsprechende Auskunft einholen50 • Von diesem Ergebnis ausgehend kann die Frage, ob sich der Unterhaltspflichtige auf die sozialhilferechtlichen Verschonungen berufen kann, wenn dem Unterhaltsberechtigten Sozialhilfe erbracht wurde und dieser Ansprüche in Höhe des nicht übergeleiteten "Unterhaltsanspruches" geltend machen will, einfach beantwortet werden. In Höhe der sozialhilferechtlichen Verschonungen zugunsten des Unterhaltspflichtigen besteht kein Unterhaltsanspruch mehr, da insoweit der Sozial~ 45 Gross, Verwaltungshandeln im Bereich der Sozialhilfe, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz des Einkommens und Vermögens, NDV 1963, 313 (318); Schellhorn, NDV 1967, 35 (40); unklar: Schellhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 III 6 a. 46 Für die Träger der Jugendwohlfahrt gilt entsprechendes, vgl. § 91 Abs. 2 Satz 2 BVFG. 47 OVG Berlin, DVBl. 1971, 926 (928); Schellhorn, NDV 1967, 35 (40). 48 Schellhorn, NDV 1967, 35 (40); Schellhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 III 6 a. 49 Staudinger - Göppinger, § 1708 Anm. 108. 50 § 272 b Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

207

hilfeträger vorrangig verpflichtet ist, und der Anspruch auf Sozialhilfe insoweit die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten beseitigt51 . Die Entscheidung des BVerwG52 kommt zu dem gleichen Ergebnis. Ihr kann aber in der Begründung nicht zugestimmt werden. Es schlägt, um eben dieses Ziel zu erreichen, einen anderen Weg vor. Seiner Ansicht nach muß der Sozialhilfe träger in jedem Fall den Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers auf sich überleiten. Er soll jedoch, würde die Inanspruchnahme eine besondere Härte bedeuten, den übergeleiteten Anspruch nicht geltend machen dürfen. Gegen diese Auffassung spricht einmal der klare Wortlaut des § 91 Abs. 1 BSHG, wo es heißt: "Der Träger der Sozialhilfe darf den übergang eines Anspruches nach § 90 ... nur in dem Umfange bewirken, ... ". Demnach gibt es keine überleitung "dem Grunde nach"53. Das BVerwG verweist demgegenüber auf § 91 Abs. 3, der bestimmt, daß der Träger der Sozialhilfe davon absehen kann, "einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen in Anspruch zu nehmen". Die von ihm aus der unterschiedlichen Formulierung in den beiden Absätzen des § 91 herausgelesene Trennung zwischen überleitung und Inanspruchnahme könnte auch nur in dem Fall des § 91 Abs. 3 eingreifen. Bei den Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen versagt die von dem BVerwG vorgeschlagene Lösung jedoch. Die vorrangige grundsätzliche Frage, ob sich aus den sozialhilferechtlichen Verschonungen "Reflexwirkungen" im Unterhaltsrecht ergeben, hat sich das BVerwG nicht gestellt. Vom Detail her läßt sich die Frage nicht einheitlich und nicht befriedigend lösen. 12 Die Auswirkungen nicht subsidiärer Leistungen auf die Bedürftigkeit

121 Allgemein

Sozialleistungen, die dem Unterhalt gegenüber nicht subsidiär sind, beseitigen in ihrer Höhe die Bedürftigkeit des Empfängers54 . Dies gilt Ebenso im Ergebnis die o. in Anm. 19 und 23 Genannten. DöV 1970, 282. 53 Brühl, Unterhaltsrecht, S. 283; ders., NDV 1963, 305 (306); vgl. auch LG Hagen, MDR 1956, 227; ebenso Empfehlungen, S. 68. H Grundsätzlich: Soergel - Siebert - Lange, § 1602 RdNr. 2; Renten aus der Sozialversicherung: BSGE 1, 184; VG Hannover, FamRZ 1957, 160; (speziell:) Invalidenrenten: OLG Celle, OLG-Rspr. 18, 276; Unfallrenten: RG, WarnR 1908, Nr. 221; OLG Hamburg, OLG-Rspr. 26, 240 (241); Hinterbliebenenrenten (insgesamt): Soergel- Siebert - Vogel, § 70 EheG RdNr. 7; Reich, Anm. zu BGH, NJW 1963, 579, a.a.O. S. 949 (950); Waisenrenten: LG Dortmund, FamRZ 1958, 421; Arbeitslosengeld: LSG NRW, ZfS 1964, 184 (nicht: Arbeitslosenhilfe, soweit sie subsidiär ist; aber für den Fall, daß der Unterhaltsanspruch nicht übergeleitet wurde: OLG Bremen, NJW 1952, 1102); Krankengeld: LSG NRW, ZfS 1969, 184; Pensionsansprüche: Staudinger - Gotthardt, § 1602 51 52

208

Ir.

2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhaltsrecht ergebenden Beziehungen

bereits für den realisierbaren AnspruchSl1• Die Inanspruchnahme familiären Unterhalts wird durch sie insoweit ausgeschlossen. An sich zum Unterhalt verpflichtete Personen werden frei 56 , 57. Familienunabhängige Sozialleistungen schließen aber nur insoweit die Bedürftigkeit des Berechtigten aus, als sie ihm persönlich zustehen und nicht zweckbestimmt sind. So beseitigt das Kindergeld, das der Empfänger nicht für seinen, sondern letztlich für den Unterhalt seiner Kinder verwenden muß, grundsätzlich nicht die Bedürftigkeit des Empfängers 58 • Nur dann, wenn diesen Leistungen keine entsprechende Unterhaltspflicht gegenüberstehtSg, mindern sie seine Bedürftigkeit, da er sie für seinen Unterhalt verwenden kann. Kindergeld und ähnliche Leistungen schließen aber auch wegen der Mittlerfunktion der Empfänger nicht unmittelbar die Bedürftigkeit des Kindes aus, dessentwegen sie gewährt werden60 • Das ist vor allem für den Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes mehrfach hervorgehoben worden61 , gilt aber auch für den des ehelichen Kindes 62 • Soweit aber dem Kind gesetzliche oder vertragliche Unterhaltsansprüche gegen den Empfänger zustehen, ist das Kindergeld zumindest Anm. 6; Unterhaltsbeitrag für geschiedene Ehefrauen: Soergel - SiebertVogel, a.a.O.; Versorgungsrenten: BayObLGZ 28, 63; Unterhaltshilfe und Entschädigungsrenten nach dem LAG: BSGE 9, 13 (15); VG Hannover, FamRZ 1967, 160, a. A. LSG Bad. Württ., SGb 1968,40 (s. o. Anm. 9); Sozialhilfeleistungen, soweit sie nicht subsidiär-familienabhängig sind: LG Kempten, FamRZ 1967, 635; Ausbildungsförderungsleistungen, soweit wie nicht subsidiärfamilienabhängig sind: AG Göttingen, FamRZ 1966, 245. 55 Zwischenzeiten etwa zwischen Versicherungsfall und Beginn der Rentenzahlung - stellen ein gesondertes Problem dar, vgI. z. B. BayVGH, FEVS 11, 290: "Ein gesetzlich Unterhaltspflichtiger kann die Unterhaltsgewährung nicht mit dem Hinweis auf Renten oder sonstige Ansprüche verweigern. Solange diese Ansprüche nicht durchgesetzt sind, bleibt die gesetzliche Unterhaltspflicht und Unterhaltsberechtigung unberührt." 56 s. Schmitz-Peitter, NJW 1969, 1890. 57 Dies gilt grundsätzlich auch zugunsten "Wiederaufgetauchter" Verschollener: "Stellt sich heraus, daß der Verschollene noch lebt, so gelten (diese) Leistungen als auch zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen gewährt; er ist von dem Zeitpunkt an zum Ersatz nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet, von dem an er seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht nachgekommen ist", § 52 Abs. 1 S. 2 BVG; zu dieser Frage auch: BGHZ 30, 162; BGH, NJW 1963, 579 mit Anm. von Reich, a.a.O. S. 949 und von von Caemmerer, a.a.O. S. 1402; BGH, NJW 1959, 382 mit Anm. von von Schuch, a.a.O. S. 1725; LG Berlin, NJW 1958, 831; Leuze, FamRZ 1963, 157; Selb, NJW 1963, 2056 ff. 58 A. A. wohl Staudinger - Gotthardt, § 1602 Anm. 6. 59 S. o. 14. Kap., Text zu Anm. 34-36. 80 Staudinger - Gotthardt, § 1602 Anm. 6. 61 BayObLG, NJW 1963, 1359; LG Berlin, FamRZ 1970, 595 (596); LG Stade, FamRZ 1964, 160; LG Ravensburg, FamRZ 1964, 160; LG Lübeck, SchI. H. A. 1959,122 mit zust. Anm. von Gernhuber; AG Konstanz, FamRZ 1967, 636. 62 LG Berlin, FamRZ 1970, 595 (596); LG Tübingen, MDR 1958, 523; Soergel - Siebert - Lange, § 1602 Anm. 2.

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

209

teilweise auf seinen Unterhaltsanspruch gegen sonstige Personen anzurechnen63 • Wird das Kindergeld dritten Personen gern. § 12 Abs. 3 BKGG ausbezahlt, dann wird es bei Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten, dem es eigentlich zusteht, als Einkommen angerechnet. Andererseits aber werden die ausgezahlten Beträge als Teilerfüllung des Unterhaltsanspruches angesehen64 •

122 Kindergeld und Nichtehelichen-Unterhalt "Unbilligkeiten"65 für den außerehelichen Vater ergaben sich in der Vergangenheit manchmal bei dem Zusammentreffen von Kindergeld und Unterhalt des nichte he lichen Kindes 66 • Problemlos war es, wenn das Kindergeld dem Vater zustand und diesem auch ausbezahlt wurde. In diesem Fall konnte er es ganz für seine Unterhaltsleistung verwenden67 • Wurde das Kindergeld, obwohl es dem Vater zustand, gern. § 12 Abs. 3 BKGG einer anderen Person oder Stelle ausbezahlt, so wurde es einer Zahlung des Vaters gleichgesetzt68 und auf den Unterhaltsanspruch angerechnet 69 • Erfüllten aber Vater und Mutter in ihrer Person die Anspruchsvoraussetzungen und wurde es nur oder nur zu einem Teil der Mutter gewährt7°, so minderte es nach ganz herrschender Meinung die Unterhaltsschuld des Vaters nicht71 • Speziell diese Regelung war es, die als "unbillig" empfunden wurde. Vgl. LG Braunschweig, MDR 1970, 681. BGH, NJW 1961, 1573 mit Anm. von Nirk; LG Aachen, MDR 1969, 144; dies gilt auch für den nichtehelichen Vater, s. u. Anm. 69. 65 So die amtliche Begründung zu § 1615 g RegE, abgedruckt bei JansenKnöpfel, S. 207. 66 Vgl. die zusammenfassende übersicht bei Jansen - Knöpfel, S. 203 ff.; Kleinheyer, FamRZ 1964, 113 ff. 67 Kleinheyer, FamRZ 1964, 113 (114 f.); Schulte-Langforth, Unterhalt, S. 81 m.w.Nachw. 68 BGH, NJW 1961, 1573 mit Anm. von Nirk. 69 AG Düsseldorf, NJW 1959, 632; Brühl, Unterhalts recht, a.a.O. S. 168; vgl. auch BayObLG, FamRZ 1958, 285; a. A. Lindinger, Darf der uneheliche Vater das Kindergeld auf die Unterhaltsrente anrechnen?, ZBlJR 1957, 293. 70 Vgl. § 3 Abs. 3 BKGG. 71 LG Hamburg, FamRZ 1961, 35; LG Lübeck, SchI. H. A. 1959, 122 mit zust. Anm. von Gernhuber; LG Verden, FamRZ 1957, 636; Kleinheyer, FamRZ 1964, 113 (116); Schulte-Langforth, Unterhalt, a.a.O. S. 81; a. A. LG Aachen, MDR 1969,144; s. a. LG Tübingen, MDR 1958, 523. Die Bestimmung des § 89 Abs. 4 AV AVG i. d. F. vom 3. April 1957 (BGBL I 321) war in Vergessenheit geraten. Satz 2 lautete: "Beziehen der Vater und die Mutter eines unehelichen Kindes gleichzeitig Arbeitslosengeld, so steht der Familienzuschlag der Mutter zu, wenn sich das Kind in ihrer Obhut befindet; der Vater wird in diesem Falle in Höhe des Familienzuschlages von seiner Unterhaltspflicht befreit". Warum die "vernünftige und sozial begrüßenswerte Vorschrift" (so Schieckel, AVAVG, § 84 Anm. 4, S. 112) aufgehoben wurde, konnte trotz Heranziehung der Materialien (BT-Dr. VI1279, 1240, zu 1240; BT-Sten. Ber. 84. und 95. Sitzung) nicht festgestellt werden. 63

64

14 Ruland

210

H. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhalts recht ergebenden Beziehungen

Erfüllte der Vater die Anspruchsvoraussetzungen nicht, wohl aber die Mutter oder z. B. der Stiefvater und wurde diesen Personen das Kindergeld ausbezahlt, dann kam es ihm nicht zu Gute 72 . Dieser gesamte Fragenkomplex hat nun in § 1615 g BGB seine gesetzliche Regelung gefunden73 . Danach werden Kindergeld, Kinderzuschläge und ähnliche regelmäßig wiederkehrende Geldleistungen, die einem anderen als dem Vater zustehen, dann auf den Regelbedarf zur Hälfte angerechnet, wenn auch der Vater die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ihm aber das Kindergeld nicht gewährt wird, weil ein anderer vorrangig berechtigt ist (Abs. 1 Satz 1 und 2). Eine Leistung, die zwar dem Vater zusteht, aber einem andern ausbezahlt wird, ist in voller Höhe anzurechnen (Abs. 2). Diese Lösung wird nunmehr auch dann angewandt, wenn einem Kind gegenüber mehrere Personen unterhaltspflichtig sind, aber nur eine von ihnen das Kindergeld ausbezahlt bekommt, so etwa wenn die Eltern getrennt leben74 , 75.

123 Der "Anspruch auf Entbindungskosten", die "Sechswochenkosten" und Sozialleistungen Gern. § 1615 k BGB76 hat der außereheliche Vater der Mutter die Kosten der Entbindung zu erstatten. Außerdem hat er ihr gern. § 16151 BGB Unterhalt für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt zu gewähren. Andererseits kann die außereheliche Mutter gern. §§ 195 ff. RVO und 13 MuSchG "Mutterschaftshilfe" , d. h. sowohl ärztliche Betreuung als auch Mutterschaftsgeld beanspruchen. Auf den Sozialleistungsträger geht der Anspruch der Mutter aus §§ 1615 k, 16151 BGB nicht über (§ 1542 Abs. 1 Satz 2 RVO). Die Frage, ob diese Sozialleistungen auf den Unterhaltsanspruch der Mutter angerechnet werden, war umstritten77 . Sie ist inzwischen durch 72 Bei Zahlung an die Mutter: BayObLG, NJW 1959, 1277; LG Mannheim, MDR 1962, 904; LG Ravensburg, FamRZ 1964, 158; LG Verden, ZBIJR 1966, 134; AG Konstanz, FamRZ 1967, 636; KZeinheyer, FamRZ 1964, 113; vgl. jedoch BayObLG, NJW 1963,1360: "In diesem Fall kann das Vormundschaftsgericht anordnen, daß das der unehelichen Mutter zustehende Kindergeld zur Deckung der Unterhaltsschuld des unehelichen Vaters zu verwenden ist." Kritisch dazu KZeinheyer, a.a.O.; SchuZte-Langforth, Unterhalt, S. 81 m. w. Nachw.; bei Zahlung an den Stiefvater: LG Oldenburg, MDR 1968, 498; bei Zahlung an den Scheinvater: BGH, FamRZ 1968, 76. 73 Materialien bei Jansen - KnöpfeZ, S. 203 ff.; s. dazu auch KnöpfeZ, FamRZ 1967, 581 (586); kritisch dazu u. a. Bosch, Unehelichen recht als Diskussionsoder Streitgegenstand, FamRZ 1967, 517 (519): "eine der erschreckend zahlreichen Verschlechterungen der Rechtslage im RefE"; Müller, Kindergeld und Unterhalt, ZBIJR 1966, 313 (314); ders., Nichtehelichen-Unterhalt und Sozialleistungen, DAVorm. 1970, 2 ff. 74 Vgl. LG Braunschweig, MDR 1970, 681. 75 Zu § 1615 g BGB ausführlich neuerdings: Jung, (Zusammenfassung), S. 182 ff.; Odersky, FamRZ 1971, 563. 78 Früher § 1715 BGB.

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

211

die Neufassung des Nichtehelichen-Rechts geklärt worden. § 1615 k Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt, daß der Vater für die Kosten nicht aufkommen muß, die durch Versicherungsleistungen gedeckt werden. § 16151 Abs. 3 BGB verweist hinsichtlich der "Sechswochenkosten" auf die allgemeinen unterhaltsrechtlichen Vorschriften, so daß auch für die "Sechswochenkosten" Leistungsfähigkeit des Vaters und Bedürftigkeit der Mutter Voraussetzungen sind78 , mit der Folge, daß die nicht-subsidiäre Mutterschaftshilfe dem Vater zu Gute kommt, da sie die Bedürftigkeit der Mutter, wenn auch nicht aufhebt, so doch mindert79 • 13 Kumulation von Unterhalt und Sozialleistungen Das Verhältnis von Waisenrente zum Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes gegen die Erben seines Vaters

Soweit Sozialleistungen subsidiär-familienabhängig sind, werden sie durch den familiären Unterhalts anspruch ausgeschlossen. Nicht subsidiäre Sozialleistungen kumulieren deshalb nicht mit dem familiären Unterhalt, weil sie dessen Voraussetzung, die Bedürftigkeit, beseitigen. Dieses "Entweder-Oder" zwischen dem familiären Unterhalt und den Sozialleistungen wird in Frage gestellt, wenn familiärer Unterhalt nicht von einer Bedürftigkeit des Empfängers abhängig ist. Nach bisherigem Recht 80 war der Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes gegen seinen Vater durch zwei Besonderheiten gekennzeichnet: Er war nicht von der Bedürftigkeit des Kindes abhängig 81 und erlosch nicht mit dem Tode des Vaters, sondern richtete sich gegen dessen Erben82• Letzteres gilt auch heute noch für den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten83 , dem ebenso wie dem nichtehelichen Kind regelmäßig Anspruch auf Hinterbliebenenrente eingeräumt ist. Da der Unterhaltsanspruch des (damals noch!) "unehelichen" Kindes jedoch - im Gegensatz zu dem des geschiedenen Ehegatten - von einer Bedürftigkeit unabhängig war, fehlte das Korrektiv, das die Kumulation beider Leistungen verhinderte. 77 Für eine Anrechnung war LG Karlsruhe, MDR 1953, 43; dagegen waren: LG Bochum, NJW 1954, 838; LG Hagen, MDR 1956,295; Schultz, Anrechnung der Leistungen aufgrund § 195 a RVO und § 13 MuSchG auf Ansprüche der Mutter gem. § 1715 BGB, MDR 1953, 278; Palandt - Lauterbach, BGB, 25. Aufl., 1966, § 1715 Anm. 1; Scheffler, in: RGRK § 1715 Anm. 6; Erman - Hefermehl, § 1715 Anm. 2; s. a. Osterr. OGH, FamRZ 1970,421. 78 So auch Göppinger, Die Neuregelung der rechtlichen Stellung der nichtehelichen Kinder, DRiZ 1970, 141 (149). 79 Vgl. B-rüggemann, Die Ansprüche der Mutter gegen den außerehelichen Schwängerer, FamRZ 1971, 140. 80 Heute §§ 1615 a i. V. m. 1602 BGB. 81 § 1708 BGB a. F. 82 § 1712 Abs. 1 BGB a. F. 83 § 70 Abs. 1 EheG.

212 Ir. 2. A!bschn.: Die sich aus dem Unterhaltsrecht ergebenden Beziehungen

Die Lösung der sich daraus ergebenden Frage war überaus umstritten. Eine Entscheidung des BVerfG84 brachte eine Vorabklärung. Das neue Nichtehelichenrecht beseitigte das Problem, indem es in § 1615 a BGB die Unterhaltsbeziehung zwischen dem nichtehelichen Kind und seinem Vater dem sonstigen Unterhaltsrecht weitgehend anglich und die Besonderheiten dieser Beziehung, wie Vererblichkeit und Unabhängigkeit von der Bedürftigkeit des Kindes beseitigte 85'. Der Streitfrage, ob die Erben des Vaters dessen nichtehelichem Kind auch dann Unterhalt zahlen müssen, wenn es Waisenrente bezieht, oder ob die Rente auf diesen Unterhaltsanspruch angerechnet wird, kommt also nur noch historische Bedeutung zu. Dennoch sollen wegen der Intensität des Streites die wesentlichen Argumente beider Seiten kritisch betrachtet werden86 . Nach Ansicht derjenigen, die eine Anrechnung der Waisenrente aus den gegen die Erben gerichteten Unterhaltsanspruch ablehnten87 , unterschieden sich der Anspruch auf Waisenrente und der auf Unterhalt gegen die Erben vor allem dadurch, daß sie völlig verschiedenen Zwekken dienten. Die Sozialleistungen hätten den durch den Tod des Vaters weggefallenen Unterhalt des Kindes zu ersetzen. Der Unterhaltsanspruch gegen die Erben des Vaters sei hingegen ein Ausgleich dafür gewesen, daß dem unehelichen Kind weder Erbrecht noch Pflichtteil zustanden. Die Verfechter der Anrechnung 88 meinten demgegenüber, der Sozialleistungsträger erfülle durch die Zahlung der Rente (Pension) gern. § 267 BGB89 die Unterhaltsschuld des verstorbenen Versicherten oder BVerfGE 25, 168. Vgl. Knöpfet, FamRZ 1967, 581 (586). 86 Die gleiche Frage tauchte auch bei dem Unterhaltsbeitrag des unehelichen Kindes auf, vgl. FreundHeb, Der Unterhaltsbeitrag des unehelichen Kindes gern. § 126 Abs. 3 BBG, DöD 1961, 149 f. 87 BVerfGE 25, 168 (188 ff.); BGHZ 44, 312 (317 f.); 30, 162 (172); LG Berlin, JR 1963, 303; LG Stuttgart, NJW 1962, 2303; FamRZ 1954, 258; LG Coburg, ZfF 1958, 136; LG Koblenz, FamRZ 1956, 322; LG Heilbronn, NJW 1953, 1791; s. a. BSGE 10, 189 (192); Braekmann, S. 689; Beitzke, Rentenforderungen und Unterhaltsansprüche des unehelichen Kindes, NJW 1960, 2228; ders., Rentenforderungen und Unterhaltsansprüche des unehelichen Kindes, in: Amtsvormundschaft - heute, Schriften des deutschen Instituts für Vormundschaftswesen, 1964, S. 78 ff.; ders., Anm. zu LG Göttingen, JZ 1952, 32; ders., Anm. zu LG Köln, FamRZ 1960, 449; Dölle, Bd. II, S. 416; Hüskes, Der Anspruch des unehelichen Kindes gern. § 844 Abs. 2 BGB bei Tötung seines Erzeugers, VersR 1961, 397 (398); Seheffler, in: RGRK § 1712 Anm. 4; Selb, NJW 1963, 2056 (2058 f.); Staudinger - Göppinger, § 1712 Anm. 18 (m. w. Nachw.). 88 OLG Hamm, DR 1945, 53; LG Heilbronn, NJW 1962, 2304; LG Aachen, MDR 1962, 133; LG Berlin, FamRZ 1961, 83; LG Köln, FamRZ 1960, 449; LG Hagen, MDR 1959, 760; LG München II, NJW 1953, 304; LG Göttingen, JZ 1952, 32; LG Görlitz, DR 1943, 1107; Leuze, FamRZ 1963, 157; SehmitzPeiffer, NJW 1960, 1890 f. 84

85

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

213

seiner Erben, weil die aufgrund der Vorsorge des Gesicherten gewährte Waisenrente im Interesse des Gesicherten und seiner Angehörigen gezahlt werde 90 • Ohne auf die schuldrechtliche Problematik im einzelnen einzugehen91, läßt sich sagen, daß die Motive 92 denen, die eine Anrechnung der Rente ablehnten, zwar insoweit Recht gaben, als die Vererblichkeit der Unterhaltspflicht ein Ersatz dafür war, daß das uneheliche Kind kein Erboder Pflichtteilsrecht zugestanden bekam. Dennoch kann der aus der Gegenüberstellung ,Sozialleistung gleich Unterhalt' und ,Unterhalt von den Erben gleich Ersatzerbrecht' abgeleiteten Funktionsverschiedenheit beider Leistungen nicht zugestimmt werden93 • Ist den Vertretern der Kumulation beider Ansprüche auch zuzugeben, daß der von den Erben geleistete Unterhalt seiner gesetzgeberischen Zielsetzung nach im Erbrecht anzusiedeln war, so wäre dennoch zu fragen gewesen, ob die nach dem Tode des Versicherten gezahlte Waisenrente nicht ebenfalls dorthin gehört. Wenn ja, dann hätte die Waisenrente angerechnet werden müssen, denn das uneheliche Kind hatte nach früherem Recht z. B. dann keinen Unterhaltsanspruch gegen die Erben mehr gehabt, wenn ihm zur Sicherstellung seiner Bedürfnisse ein ausreichendes Vermächtnis zugewendet worden war 94 • Das System sozialer Sicherung hat eine neue Art von Eigentum entstehen lassen, den Anspruch auf Renten95 • Die auf der Vorsorge des B9 Bzw. entsprechend den Grundsätzen des Wegfalls des Gläubigerinteresses wegen anderweitiger Zweckerreichung, so z. B. LG Berlin, FamRZ 1961,83. 90 Insoweit auch in übereinstimmung mit BVerfGE 17, 1 (35): "Im übrigen soll die Sozialversicherung den Versicherten und seine nächsten Angehörigen beim Eintritt des Versicherungsfalles gerade durch die Rentenzahlung 'gegen solche zusätzlichen Belastungen schützen." Im Widerspruch dl!zu stellt BVerfGE 25, 168 (195) fest: "Diese (Waisen-)Rente wird unbeschadet ihrer allgemeinen Unterhaltsersatzfunktion nicht gezahlt, um die auf Verwandtschaft beruhenden konkreten Unterhaltspflichten bestimmter Personen zu erfüllen und diese Unterhaltspflichtigen entsprechend zu entlasten." In diesem Sinne auch BGHZ 30, 162 (167). 91 s. dazu etwa SeZb, NJW 1963, 2056 (2058 f.). 92 Es heißt dort: "Die rechtliche Natur des hier fraglichen Anspruches als eines auf der Vaterschaft beruhenden familienrechtlichen Anspruches weist an sich darauf hin, den letzteren ... mit dem Tode des unehelichen Vaters erlöschen zu lassen. Allein bei einer solchen Gestaltung kann das uneheliche Kind erheblich leiden, und zwar namentlich dann, wenn der vermögende Vater frühzeitig stirbt. Das Kind solchenfalls leer ausgehen zu lassen, widerstreitet dem Rechtsgefühl und dem Interesse der öffentlichen Armenpflege. Man würde dazu gedrängt werden, dem unehelichen Kind zur Ausgleichung ein Erbrecht gegenüber dem Vater einzuräumen, ein Ausweg gegen welchen ebenfalls erhebliche Bedenken sprechen." (Motive zum BGB, Bd. IV S. 902). 93 Kritisch gegen die Argumentation von der "Unterhaltsersatzfunktion" her a. SeZb, NJW 1963, 2056 (2058). 94 Staudinger - Göppinger, § 1712 Anm. 6. 95 S. O. 4. Kap., Text zu Anm. 113.

214 H. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhalts recht ergebenden Beziehungen Verdieners beruhende Hinterbliebenensicherung ist Teil dieses Eigentums 96 • Dieser Teil steht - vergleichbar dem Erbrecht - im Falle des Todes des Versicherten seinen Angehörigen zu. Nicht zu Unrecht ist daher von einer neuen Form des Erbes, von einem "sozialen Erbe"u7 gesprochen worden. Dieses "soziale Erbe" verdrängt, weil durch Sozialversicherungsbeiträge die Möglichkeit privaten Sparens eingeengt wird, weitgehend das herkömmliche Erbe, insbesondere bei den von der Sozialversicherung erfaßten Personenkreisen. Gerade deshalb war auch das Ergebnis, zu dem die Kumulation der Ansprüche in der Person des unehelichen Kindes führte, so befremdend. Schlugen die Erben des versicherten Vaters des unehelichen Kindes, die in aller Regel selbst Rente bezogen, die Erbschaft nicht aus, so konnte es sein, daß sie mit ihrer Rente den Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes erfüllen mußten, der dann zur Rente des unehelichen Kindes hinzutrat9s • Hinzu kommt, daß das Argument, die Rente könne deshalb nicht angerechnet werden, weil der Unterhaltsanspruch gegen die Erben ein Erbrechtsersatz sei, auch deshalb wenig überzeugend ist, weil - wie oben gezeigt - im Falle der geschiedenen Ehefrau die Rente ohne weiteres auf den Unterhaltsanspruch angerechnet wird, obwohl auch in diesem Falle der gegen die Erben des früheren Ehemannes gerichtete Unterhaltsanspruch als Ersatz dafür gedacht war, daß der früheren Ehefrau kein Erbrecht zugestanden worden war 99 • Eine Anrechnung der Rente des unehelichen Kindes auf seinen Unterhaltsanspruch gegen die Erben seines Vaters wäre daher die wohl richtigere und angemessenere Lösung des inzwischen überholten Problems gewesen100• 2 Einwirkung der Sozialleistungen auf Voraussetzung und Umfang der Bedürftigkeit 21 Unterhaltsbedürftigkeit trotz der Innehabung bestimmter Vermögenswerte

Das bürgerliche Unterhaltsrecht und das Sozialhilferecht weisen bei der Frage des Einsatzes von Einkommen und Vermögen in einigen Fällen erhebliche Unterschiede auf. Während die sozialhiIferechtlichen s. o. 14. Kap., sub 212.5. Alvin, Salaire et securite sociale, 1947, S. 12 f. "l'heritage social". 98 Insoweit wären diese Renten auch pfändbar, vgl. §§ 119 Ziff. 2 RVO, 76 AVG, 92 RKG, 67 Abs. 2 Ziff. 2 BVG. 96

97

99 "Dafür kann man anführen, daß wenngleich auch ohne die Scheidung mit dem Tode des verpflichteten Ehegatten der Unterhalts anspruch des anderen Ehegatten weggefallen wäre, doch an die Stelle des Unterhaltsanspruchs das Erbrecht des überlebenden Ehegatten getreten sein würde." (Motive zum BGB, Bd. IV, S. 619). 100 Zu ähnlichen Kumulationsfällen, Lohmann, Das Problem der "scheinehelichen" Kinder, SozVers. 1961, 42 (44 f.).

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

215

Einkommensfreigrenzen nur dann gelten, wenn "Hilfe in besonderen Lebenslagen" erbracht wurde, greifen die Vermögensverschonungen auch zugunsten der Personen ein, die "Hilfe zum Lebensunterhalt" beziehen101 • Diese sozialhilferechtlichen Verschonungen üben nach der auch hier vertretenen Auffassung im Unterhaltsrecht zugunsten des Unterhaltspflichtigen "Reflexwirkungen" auf die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht aus. Im folgenden soll nun der Frage nachgegangen werden, ob diese Verschonungen sich nicht auch auf die Voraussetzungen der unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit auswirken. Hierzu war schon ausgeführt worden, daß die besonderen Verschonungen zugunsten der Empfänger von "Hilfen in besonderen Lebenslagen" im Unterhaltsrecht für die Frage, unter welchen Voraussetzungen Bedürftigkeit anzunehmen ist, keinen Anhaltspunkt bieten können, weil mit ihnen besondere sozialpolitische Zielvorstellungen verwirklicht werden sollen, die dem Unterhaltsrecht fremd sind102 • Eine andere Frage ist es, ob nicht immer schon dann, wenn im Sozialhilferecht die Bedürftigkeitsvoraussetzungen der "Hilfe zum Lebensunterhalt" gegeben sind, auch die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit zu bejahen ist. Damit ist insbesondere die Frage angeschnitten, ob die sozialhilferechtlichen Vermögensverschonungen, die bei dieser Hilfe den Bedürftigkeitsbegriff mitbestimmen, im Unterhaltsrecht als "Reflexwirkung" Geltung erlangt haben. Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Auch hier ist die unterschiedliche AufgabensteIlung von Unterhalt und Sozialhilfe zu bedenken. Die Sozialhilfe ist Ausdruck des sozialen Gestaltungswillens des Staates103 • Indem der Staat die Kriterien der sozialhilferechtlichen Bedürftigkeit bestimmt, setzt er zugleich die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht fest. Werden an die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit geringere Anforderungen gestellt, dann berührt dies auch nur die Interessen des staatlichen Leistungsträgers. Die Kriterien der unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit bestimmen dagegen die Voraussetzungen der Leistungspflicht eines Dritten. Dieser muß eher und mehr leisten, wenn die Anforderungen an die Bedürftigkeit gemildert werden. Werden sie zudem aus sozialpolitischen Gründen gesenkt, dann wird Sozialpolitik auf dem Rücken dieser Dritten betrieben. Trotz dieses Unterschiedes der Interessenlage zwischen Sozialhilfe und Unterhalt wird der übernahme der sozialhilferechtlichen Vermögensverschonungen in das Unterhaltsrecht das Wort geredet. Man verweist darauf, daß die Verschonungen insbesondere bei der Hilfe zum 101 102 103

Vgl. einerseits § 79, andererseits § 88 BSHG. s. o. Text zu Anm. 30 und 31. Schellhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 111 2 a.

216

II. 2. Abschn.: Die sich aus dem Unterhaltsr,echt ergebenden Beziehungen

Lebensunterhalt der allgemeinen Aufgabenstellung der Sozialhilfe, dem Hilfeempfänger ein der Würde des Menschen entsprechendes Leben zu sichern, entsprächen, und folgert daraus, daß diese Verschonungen auch im Unterhaltsrecht als unterer Maßstab der Bedürftigkeit akzeptiert werden müßten, da dieses zumindest die Führung eines der Würde des Menschen gerecht werdenden Lebens zu garantieren habe 104 . Diese Folgerung ist nicht zwingend, denn nach Auffassung des BVerwG105 sollen die Vermögensverschonungen gewährleisten, daß die Sozialhilfe nicht erst nach einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlage, nach einem wirtschaftlichen Ausverkauf gewährt wird, der zu einer Lähmung des Willens zur Selbsthilfe geführt hat. Diese Gesichtspunkte lassen sich als Leitprinzip nur für eine auf sozialrechtlicher Regelung beruhende Gemeinschaftshilfe vertreten, nicht aber unbedingt auch für eine Hilfe von Person zu Person108 . Eine Auseinanderentwicklung der sozialhilferechtlichen und unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit ist schon aus diesem Grunde unvermeidbar 107 . Insoweit kann und soll das Unterhalts recht nicht "elastisch genug sein"108, um die Vermögensverschonungen des Sozialhilferechts schematisch zu übernehmen. Von einem Dritten über die konkrete Bedürfnisbefriedigung hinaus Hilfe zur Selbsthilfe zu verlangen, geht nur dann an, wenn dieser Unterhaltspflichtige selbst davon begünstigt wird, etwa wenn dadurch mit Sicherheit weitere Unterhaltslasten vermieden werden. Das läßt sich - um auf die sozialhilferechtlichen Vermögensverschonungen zurückzukommen - hinsichtlich des Schutzes eines kleinen Hausgrundstückes 109 bejahenllo . Zwar ist im Unterhaltsrecht grundsätzlich Bedürftigkeit zu verneinen, solange der Unterhalt aus dem Stammwert des Vermögens entnommen werden kann, ohne daß der Berechtigte voraussichtlich eines Tages völlig mittellos würde 1ll . Aber die Verwertung eines kleinen Hausgrundstücks würde bedeuten, daß der Unterhaltsberechtigte später Miete zahlen müßte. Das kleine Hausgrundstück kann daher als Stammkapital angesehen werden, das ständig "Erträgnisse" in Form von Einsparungen abwirft. Seine Verwertung könnte also später zu einer völligen Mittellosigkeit des Berechtigten und zu einer Steigerung der Unterhaltslast des Pflichtigen führen. 104

105 106 107

108 HHl

110 111

Mayer, S. 280. BVerwGE 23, 149; ebenso etwa Knopp - Fichtner, § 88 RdNr. 17. WehHtz, Diskussionsbeitrag in: Fürsorge im Spannungsfeld, S. 296. WehHtz, ebd.; kritisch: Hofstetter, an gleicher Stelle, S. 299. So aber Brühl, ebd. S. 264. § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG.

Ebenso Empfehlungen, S. 45. Brühl, Unterhaltsrecht, S. 115.

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

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Ein anderes Beispiel soll zeigen, daß eine schematische übernahme der Verschonungen nicht möglich ist. Auch wenn man den sozialhilferechtlichen Schutz kleinerer Barbeträge112 , der dem Hilfsbedürftigen einen Rest materieller Freiheit sicherstellen so1l113, auf die Pflicht zurückführte, die Würde des Menschen zu wahren, läßt sich eine übertragung dieser Verschonung auf das Unterhaltsrecht nicht vertreten114 • Das läßt sich zwar nicht mehr damit begründen, daß es sich hierbei um eine sozialpolitische Maßnahme handele, deren Finanzierung dem Unterhaltspflichtigen nicht zugemutet werden könne 115 , wohl aber damit, daß zum unterhaltsrechtlichen Lebensbedarf auch ein Taschengeld gehört, das ebenso wie die Freibeträge dem Berechtigten einen Bereich privater Gestaltung sichern soll. Dem Berechtigten aber zusätzlich zu dem Taschengeld noch diese Verschonung zukommen zu lassen, geht nicht an116 • 22 Der Anspruch auf Vorsorge

Grundsätzlich ist der Unterhaltspflichtige nur gehalten, den jeweiligen Bedarf des Berechtigten zu decken. "Die Sorge für die Zukunft ist nicht seine Sache"117. Dennoch umfaßt der Unterhalts anspruch nach neuerer Rechtsprechung118 auch die Beiträge für eine gesetzliche oder private Krankenversicherung, soweit der Berechtigte nicht ohnehin mittelbar oder unmittelbar durch die gesetzliche Krankenversicherung gesichert ist llD • Diese Rechtsprechung trägt nicht nur den heutigen tatsächlichen Verhältnissen und der allgemeinen übung Rechnung120 , sondern sichert auch den Unterhaltspflichtigen selbst in Krankheitsfällen des Unterhaltsberechtigten vor dem dann anfallenden Mehrbedarf. Damit wird zugleich auch der Unterhaltsberechtigte vor der Leistungsunfähigkeit des Unterhaltspflichtigen geschützt, ohne daß dieser über Gebühr belastet bzw. in seiner Vermögensverwaltung eingeschränkt würde. Der Unterhalts anspruch dient nach herrschender Meinung seinem Wesen nach weder zur Schaffung von Vermögensansammlungen noch § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG. Empfehlungen, S. 46. 114 Ebenso Empfehlungen, S. 46. 115 So aber Empfehlungen, S. 46. 116 Denkbar wäre es, den Anspruch auf Taschengeld gegen die übernahme dieser sozialhilferechtlichen Verschonung "einzutauschen". 111 Brühl, Unterhaltsrecht, S. 63. 118 OLG Hamm, NJW 1960, 2191; LG Bonn, FamRZ 1971, 198; LG Hagen, DAVorm. 32, 293; Brühl, ebd. 119 Das ist bedeutsam insbesondere für § 313 Abs. 4 S. 2 lit. b. RVO: Weiterversicherung des geschiedenen Ehegatten. 120 Vgl. die statistischen Angaben des Familienberichts, S. 126/127 über den Umfang der Krankenversicherung. 112

113

218

H. 2. AJbschn.: Die sich aus dem Unt~rhaltsrecht ergebenden Beziehungen

von Geldrücklagen121, so daß der Lebensbedarf des Berechtigten nicht die Schaffung von Ersparnissen mitumfaßt1 22 • In der neueren Rechtsprechung bahnt sich jedoch eine Entwicklung an, die die Gegenwartsbezogenheit des Unterhalts zugunsten eines Anspruches auf Vorsorge durchbricht. So hat der BGH in mehreren Entscheidungen festgestellt, daß zu der Unterhaltspflicht des Ehemannes auch die Alterssicherung der Ehefrau gehört123 • Er hat in dem Urteil vom 29. April 1960 124 hervorgehoben, daß der Arbeitnehmer oder Beamte "gerade aufgrund der Unterhaltspflicht" gehalten ist, seine Arbeitskraft auch zur Alterssicherung der Ehefrau auszunutzen, insbesondere ihr eine Altersversorgung im gesetzlichen Rahmen der RVO bzw. der Beamtengesetze zu verschaffen. Ob jedoch die Rechtsprechung den Standpunkt Brühls 125 bereits teilt, daß der Unterhaltspflichtige grundsätzlich dem Berechtigten - in Betracht kommt außer dem Ehegatten nur der frühere Ehegatte - eine Alterssicherung ermöglichen müsse, erscheint jedoch zweifelhaft. Der BGH hat immer nur Ehefrauen einen Anspruch auf Alterssicherung zudem nur gegenüber Dritten zugebilligt, die wegen Tötung des Ehemannes Schadensersatz wegen weggefallenen Unterhalts zu leisten hatten. Außerdem ist das Schrifttum fast geschlossen gegen eine solche Ausweitung der Unterhaltspflicht. Insbesondere der geschiedenen Frau wird kein auch eine Altersversorgung umfassender Unterhaltsanspruch zuerkannt126, wie es auch früher von dem RG vertreten wurde 127 • Diese Meinung beruft sich darauf, daß die Unterhaltspflicht mit dem Tode endet und daß ein Anspruch auf Altersversorgung sich über diesen Zeitraum hinaus erstrecken würde. Dieser Einwand wird jedoch dadurch entkräftet, daß der Unterhaltsbegriff des BGB nicht ein für allemal feststeht, sondern zeitbedingten Wandlungen und sozialen Veränderungen unterliegt1 28 • Heute zählt eine angemessene soziale Sicherung nach allgemeiner Auffassung zu den Grundbedürfnissen des einzelnen. Das wird nicht nur daraus deutlich, daß die übernahme Brühl, Unterhaltsrecht, S. 63; Staudinger - Gotthardt, § 1610 Anm. 28. RGZ 165, 219 (221); 164, 65 (71); 152, 356 (359). 123 Vgl. insbes. BGH, FamRZ 1960, 225; s. a. BGH, VRS 4, 97 (100); BGH, MDR 1954,472; BGH, VersR 1956,38; BGHZ 26, 217 (220); 39, 249 (254); ebenso OLG Braunschweig, FamRZ 1963, 376; OLG Düsseldorf, VRS 3, 329; kritisch: Höring, Anspruch der Witwe auf Entschädigung für entgangene Zukunftssicherung, VersR 1955, 72. 124 FamRZ 1960, 225; s. aber auch schon RGZ 159, 23 (24): "denn die Lei121 122

stungen der Sozialversicherung, die der Getötete seinen Familienmitgliedern durch seine versicherungspflichtige Tätigkeit verschafft haben würde, bilden einen Teil des gesamten Lebensunterhalts, zu dessen Gewährung er verpflichtet gewesen wäre". 125 NDV 1963,305 (311); s. a. dens., Unterhaltsrecht, S. 63. 128 FurIer, S. 32; Gernhuber, Familienrecht, a.a.O. S. 192; Palandt - Lauterbach, § 58 EheG Anm. 3; ebenso Wüstenberg, in: RGRK § 58 EheG, Anm. 28. 127 RGZ 152, 349 (359); RG, JW 1906, 570. 128 OLG Hamm, NJW 1960, 2191; Brühl, NDV 1963, 305 (311).

15. Kap.: Sozialleistungen und Bedürftigkeit

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der Kosten der Alterssicherung Bestandteil der "Hilfe zum Lebensunterhalt" ist129, es ergibt sich auch daraus, daß heute nur noch wenige Personen für ihr Alter keine Sicherungsmaßnahmen ergriffen haben130 • Davon, daß der Unterhaltsanspruch des einen gegen den anderen früheren Ehegatten auch den Anspruch auf Altersvorsorge mitumfaßt, wird als mehr oder weniger selbstverständlich auch in der Diskussion um die Reform der sozialen Sicherung der Frau ausgegangen131 • Sowohl der Reform-Diskussionsentwurf als auch der Entwurf des 1. EheRG132 sehen vor, daß der Unterhalts anspruch des geschiedenen Ehegatten, der nach der Scheidung nicht oder nicht voll in das Erwerbsleben eingegliedert werden kann, bei dem aber die begründete Erwartung besteht, daß er sich später voll eingliedern und dann für seine Alterssicherung selbst Vorsorge treffen wird, auch die Kosten der Alterssicherung beinhaltet. 23 Unterhalt zum Ausgleich von Versorgungsnachteilen

Die gesamten Entwürfe 133 wollen darüber hinaus zugunsten des geschiedenen Ehegatten, der deshalb keine oder geringere Versorgungsansprüche erhält, weil er während der Ehe nicht oder nicht voll erwerbstätig war, als Ausgleich dieses "ehebedingten Nachteils" einen Unterhalts anspruch einführen. Dieser "Unterhaltsanspruch zum Ausgleich von Versorgungsnachteilen" soll dem geschiedenen Ehegatten auch insoweit zustehen, als eine Benachteiligung in Versorgungs ansprüchen dadurch eintritt, daß er nach der Scheidung eine zumutbare Erwerbstätigkeit nicht gefunden hat oder wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nicht oder nicht voll erwerbstätig sein konnte. Mit diesem Anspruch kann der Unterschiedsbetrag zwischen der tatsächlich erlangten und derjenigen Versorgung geltend gemacht werden, die der Berechtigte erreicht haben würde, wenn er die zuvor ausgeübte Erwerbstätigkeit fortgesetzt oder eine seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Erwerbstätigkeit aufgenommen hätte. Dieser Ausgleich soll nicht nur Nachteile des Berechtigten in Versorgungsansprüchen des öffentlichen Rechts - wie Sozialversicherungsrenten oder beamtenrechtlichen Ruhegehaltsansprüchen sondern auch Nachteile in privatrechtlichen Ansprüchen - etwa bei betrieb129 § 14 BSHG, das alleine wäre aber nicht ausreichend s. o. Text zu Anm. 104-108. 130 Vgl. die Angaben o. 5. Kap., Text zu Anm. 10. 131 Vgl. Krause - Ruland, ZSR 1969, 260 (268); Schrader, ZSR 1970, 405 (407); Sozialenquete, Ziff. 119 Anm. 13, S. 56; s. a. Nr. 345, S. 125. 132 § 14 Abs. 2 S. 1; s. a. S. 102; im RE: § 1578 Abs. 2 S. 1; s. a. S. 176 f.; EheRG: § 1579 Abs. 3; s. dort a. S. 80. 133 § 12 DE, hierzu S. 94; § 1576 RE, hierzu S. 163; § 1577 Entwurf des 1. EheRG.

220 II. 2. Abschn.: Die sich auS' dem Unterhaltsrecht ergebenden Bez.Lehungen lichen Ruhegehaltszusagen - ausgleichen. Er ist, soweit er dem Ehegatten nach der Scheidung zusteht, im Zusammenhang mit den vorgesehenenl34 Bestimmungen zu sehen, die es dem geschiedenen Ehegatten gestatten, die Kosten einer Alterssicherung mit als Unterhaltsbedarf geltend zu machen. Wegen dieses Anspruches, der den Ehegatten in die Lage versetzen soll, selbst für eine angemessene Zukunftssicherung zu sorgen, käme dem Unterhaltsanspruch zum Ausgleich versorgungsrechtlicher Nachteile in diesen Fällen nur dann Bedeutung zu, wenn der andere Unterhaltsanspruch seinerzeit nicht oder nicht voll durchgesetzt werden konnte 135 • Der Anspruch zum Ausgleich von Versorgungsnachteilen soll erst dann entstehen, wenn der Berechtigte die Versorgungsleistungen erhält oder erhalten hätte. Das kann, wenn der Berechtigte sozialversichert war, etwa dann sein, wenn er berufs- oder erwerbsunfähig wird oder wenn er die Altersgrenze erreicht hat, wobei die Möglichkeit des vorzeitigen Altersruhegeldes mitzubeachten ist. Der Anspruch setzt weiter voraus, daß sich der Berechtigte nicht aus seinem Einkommen und Vermögen selbst unterhalten kann. Die Einführung dieses Unterhalts anspruches innerhalb der geplanten Scheidungsreform ist als Beitrag zur besseren sozialen Sicherung der Hausfrau gedacht. In diesem Zusammenhang wird auf ihn besonders zurückzukommen sein136 •

unter 22. RE, S. 168; DE, S. 97; Entwurf des 1. EheRG, S. 77. S. u. 27. Kap., Text nach Anm. 80.

134 S. O. 135 136

Dritter Abschnitt

Die sich aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung ergebenden Beziehungen Alle bisher besprochenen Beziehungen ergeben sich letztlich daraus, daß familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit Bereiche eines Gesamtsystems sozialer Sicherung sind. Von diesen unterscheiden sich die nunmehr zu besprechenden Beziehungen dadurch, daß sie ihren Ausgangspunkt nicht in einem der beiden Bereiche haben, sondern sich aus dem "Entweder - Oder" von Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit oder aus deren Zusammenspiel in dem Gesamtsystem ergeben. Diese Beziehungen basieren auf den bisher besprochenen, sind ihre Konsequenzen und beruhen teilweise auf einer umfassenderen und insoweit auch zusammenfassenden Betrachtungsweise. Sie bestehen nicht so sehr zwischen einzelnen Leistungen der sozialen Sicherung oder familiären Unterhalts als vielmehr zwischen den Institutionen, die Unterhalt bzw. Leistungen der sozialen Sicherheit gewähren. Es sind Beziehungen vorwiegend also zwischen Familie und Staat. Wie schon angedeutet sind Ausgangspunkt dieser sich aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung ergebenden Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit einmal das "Entweder - Oder", d. h. das sich gegenseitige Ausschließen dieser Leistungen, zum andern das Zusammenspiel beider Bereiche in dem Gesamtsystem. Das auf Familie und Staat als den jeweiligen Leistungsträgern übertragen ergibt: Familie und Staat als Konkurrenten im Gesamtsystem sozialer Sicherung bzw. Familie und Staat als einander ergänzende Träger sozialer Sicherung.

222 II. 3. Abschn.; Beziehungen aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung 16. Kapitel

Die sich aus dem "Entweder - Oder" von Unterhalt oder Leistungen der sozialen Sicherheit ergehenden Beziehungen Das "Entweder - Oder" im Verhältnis von Unterhalt und Sozialleistungen beruht darauf, daß familiärer Unterhalt nicht verlangt werden kann, wenn nichtsubsidiäre Sozialleistungen beansprucht werden können, und daß subsidiär-familienabhängige Sozialleistungen dann nicht gewährt werden, wenn familiärer Unterhalt realisiert werden kann. Die Entscheidung, daß eine Sozialleistung dem Unterhalt gegenüber subsidiär sein soll, beläßt die Unterhaltspflichtigen in ihrer Verantwortung, umgekehrt tritt die nicht subsidiär-familienabhängige Sozialleistung an die Stelle von Unterhaltsleistungen. Wird die familiäre Unterhaltspflicht ausgeweitet, dann schränkt dies die Pflicht des Staates ein, subsidiär-familienabhängige Sozialleistungen zu erbringen. Dort, wo Unterhaltsbeziehungen aufgehoben oder eingeschränkt werden, wachsen insbesondere der Sozialhilfe neue, eigenständige Aufgaben zu. 1 Unterhalt oder subsidiär-familienabhängige Sozialleistungen Verschiebungen des Verlaufs der Grenzlinie zwischen Unterhalt und Sozialhilfe verlagern entsprechende finanzielle Verpflichtungen. Eine Erweiterung des Unterhalts rechts führt zu einer Entlastung der Sozialhilfe-(Fürsorge-)träger und zu einer Belastung des familiären Unterhaltsverbandes. 11 Die Berücksichtigung der Fürsorge bzw. der Sozialhilfe bei der Ausgestaltung des Unterhaltsrechts

Dieses Zusammenhangs war man sich bei der Kodifikation des BGB und auch später wohl bewußt. Das fiskalische Interesse wurde mitherangezogen, um den Funktionsbereich zwischen Unterhalt und Sozialhilfe abzugrenzen. So heißt es in den Motiven der ersten Kommission zum BGB gleich im ersten Satz des die Unterhaltspflicht betreffenden 2. Titels des zweiten Abschnitts 1 ; "Wenngleich bei der Regelung der Unterhaltspflicht der Verwandten, namentlich wegen der subsidiären Armenpflege, vielfach das öffentliche Interesse zu berücksichtigen ist, so hat jene Unterhaltspflicht doch vermöge ihres Rechtsgrundes einen privatrechtlichen Charakter und ist im BGB zu regeln." 1

Mugdan, Materialien, Bd. IV S. 359 (676).

16. Kap.: Entweder-Oder von Unterhalt und Sozialleistungen

223

Die Motive sahen ursprünglich in § 1480 eine gegenseitige Unterhaltspflicht für Geschwister vor. Die Begründung hierfür verdient ausführlich zitiert zu werden2 : "Abweichend von der herrschenden gemeinrechtlichen Ansicht ... , von dem Code ... , dem sächsischen Gesetzbuch ... und dem österreichischen Gesetzbuch ... aber in übereinstimmung mit dem ALR hat der Entwurf die gegenseitige Unterhaltspflicht ... auch für Geschwister anerkannt. Das die Grundlage der Unterhaltspflicht bildende Familienband ist zwar bei Geschwistern häufig nicht ein so enges, daß lediglich von dieser Grundlage aus die Ausdehnung gerechtfertigt werden könnte, zumal nach dem Entwurf den Geschwistern untereinander auch ein Pflichtteilsrecht nicht zusteht. Es ist ferner zuzugeben, daß die gesetzliche Unterhaltspflicht der Geschwister in denjenigen Gebieten, in welchen sie schon gegenwärtig anerkannt ist, erfahrungsmäßig zu vielen Prozessen Veranlassung gibt und daß sie unter Umständen, auch wenn man sie auf die Gewährung des notdürftigen Unterhaltes beschränkt (§ 1489), zu großen Härten führen kann. Diesen Erwägungen gegenüber muß jedoch die Rücksicht auf die öffentliche Armenpflege als durchschlagend erachtet werden. Berücksichtigt man, in welchem Maße die öffentliche Armenlast zugenommen hat, so muß man Bedenken tragen, die Unterhaltspflicht der Geschwister in denjenigen großen Gebieten, in welchen sie gegenwärtig zu Recht besteht, zu beseitigen und dadurch die öffentliche Armenlast noch zu erhöhen .... Vom Standpunkt des öffentlichen Interesses aus, das namentlich in dieser Materie in erster Linie maßgebend sein muß, ist es weit weniger bedenklich, die Unterhaltspflicht der Geschwister da, wo sie gegenwärtig nicht besteht, einzuführen, als umgekehrt da, wo sie gegenwärtig besteht, zu beseitigen." Die Beschränkung des Unterhaltsanspruches des unschuldig geschiedenen Ehegatten auf "den Fall der Not ... trägt" - nach Ansicht der MotiveS - "der Rücksicht auf die Billigkeit und dem öffentlichen Interesse ... in genügender Weise Rechnung". Da sich dem geschiedenen, unterhaltsberechtigten Ehegatten durch Wiederheirat "eine neue Quelle der Lebensversorgung eröffnet, und unter diesen Umständen die Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung durch Rücksichten der Billigkeit und des öffentlichen Interesses nicht geboten ist"4, kann seine Unterhaltsberechtigung gegenüber dem früheren Ehegatten erlöschen. Die Unabhängigkeit des Unterhaltsanspruches von der Frage, ob der Berechtigte seine Hilfsbedürftigkeit selbst verschuldet hat, "war durch Rücksicht auf die öffentliche Armenlast geboten"5. Die Weitergeltung der Einrede des Mehrverkehrs brächte, so wurde - allerdings ohne Erfolg - vorgebracht, die Gefahr mit sich, "daß es eine Vielzahl unehelicher Kinder geben wird, für welche es an einem 2

3 4

5

Ebd. S. 360 (679). Ebd. S. 331 (618). Ebd. Ebd. S. 361 (680).

224

II. 3. Abschn.: Beziehungen aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung

Ernährer fehlt, (und) ... die der öffentlichen Armenpflege zur Last fallen"6. Da die Verfasser des BGB dem unehelichen Kind ein Erbrecht nicht zugestehen wollten, sahen sie sich genötigt, die Unterhaltspflicht seines Vaters auf die Erben übergehen zu lassen, denn "das uneheliche Kind leer ausgehen zu lassen, widerstreitet dem Rechtsgefühl und dem Interesse der öffentlichen Armenverbände"7. Die Abfindung des unterhaltsberechtigten unehelichen Kindes wurde zugelassen, da "der Umstand, daß die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich ist und die Verwaltung der Abfindungssumme nicht der Mutter, sondern dem Vormund des Kindes zusteht, dafür bürgt, daß das Interesse des Kindes und der subsidiär verpflichteten mütterlichen Verwandten sowie das der öffentlichen Armenpflege gewahrt wird"8. Gegen den gänzlichen Ausschluß der Unterhaltspflicht in Fällen, in denen der Berechtigte sich gegen den Verpflichteten so betragen hat, daß ihm dieser den Pflichtteil zu entziehen berechtigt sein würde, fiel "die Rücksicht auf die öffentliche Armenlast entscheidend ins Gewicht"9. Es ist sogar, wegen der großen Bedeutung, die dem Erbgut für den Unterhalt des Erbberechtigten zukommt, "geprüft worden, ob ein Bedürfnis bestehe, zu Gunsten der Armenverbände oder Armenpflegeanstalten oder des Staates, welchem der Berechtigte, dem der Pflichtteil entzogen ist, zur Last fällt, dahin vorzusehen, daß diese (von den Erben) Ersatz ihrer Aufwendungen fordern können bis zur Höhe des Betrages, welcher dem Berechtigten zugefallen sein würde"lO. Man kann daher insgesamt der 1899 getroffenen Feststellung von SCh epp ll nur zustimmen: "Die Rücksicht auf die öffentliche Armenpflege mit ihrer lediglich subsidiären Verpflichtung hat aber das BGB auch bei der Begrenzung und inneren Ausgestaltung der Unterhaltspflicht der Verwandten nirgends außer Acht gelassen." Auch die Notwendigkeit der Einführung eines § 1360 c BGB12, der eine eingeschränkte Unterhaltspflicht für Verschwägerte vorsah, wurde Ebd. S. 468 (882). Ebd. S. 479 (902). 8 Ebd. 9 Mugdan, S. 372 (700); hierzu auch OLG Dresden, OLG-Rspr. 39, 4 (6). 10 Mugdan, Bd. V, S. 238 (447). 11 S. 97; vgl. a. Schmid, S. 1: " ... umfassende Regelung der privatrechtlichen Unterhaltsverpflichtung, deren Richtlinien durch die Armenpolitik bestimmt sind. Daß die gesetzliche Normierung derselben, wie sie im BGB stattgefunden hat, von Rücksichten auf die öffentliche Armenpflege geleitet und beherrscht ist, ... ". 12 BT-Dr. II/224, S. 31; Wortlaut des Entwurfs 0.2. Kap., Anm. 98. 6

1

16. Kap.: Entweder-Oder von Unterhalt und Sozialleistungen

225

damit begründet, daß die bedürftigen Angehörigen der Frau manchmal trotz ausreichenden Einkommens des Ehemanns darauf angewiesen wären, die öffentliche Fürsorge in Anspruch zu nehmen. Diese Bestrebungen hatten jedoch zum Teil keinen Erfolg. Die Unterhaltspflicht zwischen Geschwistern wurde nicht eingeführt, weil sich in der (zweiten) Kommission die Auffassung durchsetzte, "daß die in den Motiven zur Rechtfertigung des Entwurfs hervorgehobene Rücksicht auf die öffentliche Armenpflege ... für die Frage, ob zwischen den Geschwistern eine gesetzliche Unterhaltspflicht bestehen solle, allerdings nicht entscheidend sein (könne) "13. Der auf die Streichung des geplanten § 1360 c BGB zielende Änderungsvorschlag des Bundesrates14 beanstandete die "zu starke Berücksichtigung fiskalischer Gesichtspunkte, besonders die (angestrebte) Kürzung der Fürsorgeleistungen mit Rücksicht auf eine solche Unterhaltsverpflichtung". Der Widerstand gegen die geschilderten Versuche, das Unterhaltsrecht auszudehnen, um Sozialhilfekosten einzusparen, rührt aus der rein familienbezogenen Natur des Unterhaltsrechts her. "Es läßt sich", so schreibt Gernhuber zu Recht, "kaum leugnen, daß der fiskalische Gesichtspunkt innerhalb des Familienrechts ein sachfremdes Argument ist"15. Dieser Auffassung hat sich nunmehr, d. h. seit dem Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes, auch der Gesetzgeber angeschlossen, da er in § 1611 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmte, daß die Unterhaltsverpflichtung ganz wegfällt, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten aus besonderen Gründen grob unbillig wäre. Auch im Rahmen der Scheidungsreform ist man sich darüber im Klaren, daß eine lebenslängliche Unterhaltsberechtigung des geschiedenen Ehegatten nicht schon deshalb in Frage kommen muß, weil "eine Vermehrung der öffentlichen Armenlast tunlichst zu vermeiden" sei. Zu Recht wird festgestellt, daß "diese überlegungen heute nicht mehr maßgeblich sein" können16 . 12 Öffentlich-rechtliche Unterhaltspflichten im Fürsorge- bzw. Sozialhilferecht

Abgesehen von diesen Versuchen, die Grenzlinie zwischen Unterhalt und Sozialhilfe durch Ausweitung des Unterhaltsrechts zu verschieben, lassen sich auch, größtenteils historische, Bestrebungen feststellen, im 13 Mugdan, Bd. IV, S. 947 (5821). Dennoch ist auch später noch eine subsidiäre Unterhaltspflicht der Geschwister empfohlen worden, um Fürsorgebedürftigkeit abzuwenden, vgl. "Die Familiengemeinschaft nach der RFV", NDV 1935, 252 (254). 14 Vgl. BT-Dr. III224, S. 84. 15 FamRZ 1955, 193 (198); vgl. a. Beitzke, Besprechung von Hübner, Die künftige Rechtsstellung des unehelichen Kindes, AcP 154, 53 (54); Muthesius, NDV 1929, 4 (5, 7). 16 DE S. 79; RE S. 124. 15 Ruland

226 II. 3. Abschn.: Beziehungen aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung Fürsorge- bzw. später im Sozialhilferecht zusätzliche Unterhaltspflichten zu statuieren. über das Fürsorgerecht sollte das Unterhaltsrecht durch Einführung neuer - möglicherweise öffentlich-rechtlicher Unterhaltspflichten korrigiert werden17 •

121 Die Familiennotgemeinschaft Diese Zielsetzung wird deutlich ausgesprochen in einer Entscheidung des BAR vom 5. April 1937 18 • Dort heißt es: "Bei der wesentlich veränderten Auffassung der den neuen Staat beherrschenden Weltanschauung des Nationalsozialismus von der Familie als der Keimzelle des Staates und damit dem kleinsten Teile der Volksgemeinschaft kann die Frage der Hilfsbedürftigkeit eines in einer Familie lebenden Volksgenossen nicht lediglich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Unterhaltspflicht beurteilt werden. Leben Familienangehörige in einer Haushaltsgemeinschaft zusammen, so besteht eine über das bürgerliche Unterhaltsrecht hinausgehende und aus den nationalsozialistischen Grundsätzen der Volksgemeinschaft und damit des deutschen Sozialismus heraus sich ergebende weitergehende Verpflichtung zu gegenseitiger Hilfe." Auf der 3. Internationalen Konferenz für Soziale Arbeit in London 1936 führte der deutsche Vertreter Dr. Zeitler aus 19 : "Nach dem BGB sind in Deutschland nur Verwandte aufund absteigender Linie unterhaltsverpflichtet, so daß Geschwister, Schwäger, Onkel, Tanten u. a. m., auch soweit sie einen gemeinschaftlichen Haushalt führen, nicht unterhaltspflichtig sind. In einem Staat, in dem die Idee der Familiengemeinschaft eine herrschende Rolle spielt, in dem alles auf die innere Einheit der Familie aufgebaut werden soll, muß eine solche Auffassung als Unmöglichkeit empfunden werden. Der schon in der Notzeit gebildete Begriff der Familiennotgemeinschaft ist zum allgemein anerkannten Prinzip erhoben worden. Unter ,Familiennotgemeinschaft' wird die selbstverständliche Hilfsbereitschaft der Großfamilie, bevorzugt also der Familienmitglieder, die einen gemeinschaftlichen Haushalt führen, verstanden und an sie das Verlangen gestellt, in erster Linie und vor Einsetzen der öffentlichen Fürsorge ihre gesamten Mittel und Kräfte zusammenzunehmen, um es nicht zur Hilfsbedürftigkeit eines Familienmitgliedes kommen zu lassen. Wenn unter dem Druck dieser ,Familiennotgemeinschaft' vor 1933 gelegentlich 17 Gelegentlich ist auch versucht worden, den einzelnen Unterhaltsanspruch auszuweiten, so war z. B. die Spruchkammer für Arbeitslosenversicherung bei dem LAA Württemberg-Baden (Breith. 1951, 211) der Auffassung, daß es im öffentlichen Interesse liege, den Begriff des standesgemäßen Unterhalts dann eng auszulegen, wenn unterhaltspflichtige Angehörige aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden müssen. 18 BAH 91, 47 (51); vgl. auch MüHeT, S. 120. 19 Zitiert nach Baath - Kneip, S. 353.

16. Kap.: Entweder-Oder von Unterhalt und Sozialleistungen

227

eine Auflösung der Haushaltsgemeinschaft, um der Unterstützungspflicht zu entgehen, zu spüren war, so wird der heutige Staat für eine solche Haltung, die der seinen genau entgegengesetzt ist, kein Verständnis aufbringen20 ." Gestützt wurde diese Auffassung durch § 12 des Familienunterstützungsgesetzes vom 30. März 193621 . Dieser lautete: (1) Ist ein Unterstützungsberechtigter Mitglied einer Familiengemeinschaft (Haushaltsgemeinschaft), so sollen die übrigen Mitglieder ihre Mittel und Kräfte im Rahmen des ihnen Zumutbaren zur Deckung seines notwendigen Lebensbedarfs zur Verfügung stellen, auch soweit sie nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts nicht verpflichtet sind, ihm Unterhalt zu gewähren. Der so gewährte Unterhalt ist bei Bemessung der Unterstützung zu berücksichtigen. (2) Zur Familiengemeinschaft (Haushaltsgemeinschaft) im Sinne des Absatzes 1 gehören Ehegatten, Verwandte, Verschwägerte und Personen, die dem Unterstützungsberechtigten gegenüber eine sittliche Pflicht zur Unterhaltsgewährung haben22 •

Bei dieser Bestimmung "handelt(e) es sich ... nicht um eine ausnahmsweise Verpflichtung der Angehörigen einer Familiennotgemeinschaft, sondern um die gesetzliche Festlegung eines allgemein geltenden Grundsatzes für besondere Verhältnisse auf einem abgegrenzten Gebiet"23. über ihn war eine vom BGB abweichende zusätzliche Unterhaltspflicht eingeführt worden24 . Von ihr wurden aufgrund der Rechtsprechung des BAH25 erfaßt26 : Geschwister, auch wenn sie nicht in Haushaltsgemeinschaft lebten27 , insbesondere jedoch dann, wenn eine solche 20 Vgl. a. Hilgenfeldt, ZAkDR 1936, 871 (872): "Unter bewußter Außerachtlassung der enggesteckten Grenzen des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrechts"; s. a. Gropp, Das Fürsorgerecht des nationalsozialistischen Staates, in: Frank, Nationalsozialsozialistisches Handbuch für Recht und Gesetzgebung,

1935, S. 802 (809). 21 RGBl. I, 329; vgl. auch den Erlaß des Reichsarbeitsministers und des Reichsinnenministers vom 8.1.1938; RABl. 1938 I, 14; s. dazu: Die gemeindliche Hilfsbedürftigkeitsprüfung in der Arbeitlosenunterstützung, NDV 1938, 55 (56).

22 Die Vorschrift war jedoch nur auf solche Angehörigen eines Einberufenen anzuwenden, die dauernd in die Familiengemeinschaft (Haushaltsgemeinschaft) aufgenommen waren, vgl, "Das Familienunterhaltswesen und seine praktische Handhabung", Heft 6 der Veröffentlichungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, 3. Auf!. 1943, S. 236.

23 U

Müller, S. 121.

Wein brenner, Familienverantwortung, S. 117; vgl. insbesondere BAH 91,

47 (52).

25 Vgl. zum Folgenden insbesondere Weinbrenner, Familienverantwortung, S. 118; s. a.: Müller, S. 121; "Der Gedanke der Familiennotgemeinschaft in der Rechtsprechung des BAH", NDV 1937,182 f. 25 Vgl. zur übrigen Rechtsprechung: "Anerkennung der Familiennotgemeinschaft durch das LG Duisburg und das OLG Düsseldorf", NDV 1938,282 und "Die Familiennotgemeinschaft im Vollstreckungsrecht", NDV 1939, 213. 27 BAH 65, 94.

228 11. 3. Abschn.: Beziehungen aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung

vorlag28 ; Schwäger, auch ohne Haushaltsgemeinschaft29 ; der Stiefvater dem Stiefkind gegenüber in der Haushaltsgemeinschaft30 , insbesondere, wenn er ihm seinen Namen erteilt hatte 31 ; Onkel und Tanten gegenüber ihren - auch unehelichen32 - Neffen und Nichten33 ; Schwiegerkinder den Schwiegereltern gegenüber34 und schließlich die Partner der eheähnlichen Gemeinschaft35'. Diese Hilfspflicht war jedoch keine positive Verpflichtung im Sinne des BGB. Sie war vielmehr zunächst "negativer Art, indem dem Hilfsbedürftigen nichts gewährt (wurde), weil der zum Beistand Verpflichtete so angesehen (wurde), als habe er diesen Beistand geleistet"36. Dieser Rechtsgrundsatz entsprang der damals als unannehmbar empfundenen Diskrepanz zwischen Recht und MoraP7, ohne allerdings die Moral in den Rang durchsetzbaren Rechts zu erheben. Man tröstete sich damit, daß "Fälle, in denen bei Abweisung des Unterstützungsantrages die Gefahr bestünde, daß die nicht hilfsbedürftigen, Einkommen beziehenden Familienmitglieder ihre sittliche Unterhaltspflicht nicht erfüllten und das hilfsbedürftige Glied Not leiden ließen, in einer Zeit selten sein (dürften), die in einer Pflichtverletzung des einzelnen gegenüber seiner Familie auch zugleich eine Verletzung der Forderungen der Volksgemeinschaft sieht"38. Dennoch führte die fehlende Durchsetzbarkeit immer wieder zu Bestrebungen, den Grundsatz der Familiennotgemeinschaft auch gesetzlich zu verankern39 . Als letzter - gescheiterter - Versuch kann der geplante § 1360 c BGB angesehen werden40 . An der fehlenden gesetzlichen Grundlage des Instituts der "Familiennotgemeinschaft" entzündete sich insbesondere nach 1945 die Kritik41 . 28 29 30

31 32 33 34

35

BAH 86, 82 (84 f.). BAH 78, 97 (101). BAH 91, 45. BAH 92, 29 ff. BAH 95, 118 ff. BAH 96, 112 ff. BAH 91, 47; 94, 217 ff. BAH 90, 103 (108).

in: Fragen der Unterhaltsreform, insbesondere Verwirklichung der Familiennotgemeinschaft, NDV 1938, 2. 37 Vgl. den Ausspruch HiHers, auf dem NS-Juristentag 1933: "Der totale Staat wird keinen Unterschied dulden zwischen Recht und Moral", zitiert von Hilgenfeldt, ZAkDR 1936, 871. 38 Vgl. MüHer, S. 127. 39 Vgl. "Fragen der Unterhaltsreform, insbesondere Verwirklichung der Familiennotgemeinschaft", NDV 1938, 2 (3); vgl. auch "Vorschlag für eine gesetzliche Festlegung der Familiennotgemeinschaft" , NDV 1938, 274 f.; s. a. Gropp, (0. Anm. 20). 40 s. dazu o. Anm. 12. 41 BVerwG, NDV 1957, 274 (275); BVerwG, NJW 1955, 1571 (1572); OVG Münster, MDR 1953,444 (445); OVG Lüneburg, DVBl. 1952, 505; LVG Minden, DVBl. 1951, 89 (90); Baath - Kneip, S. 353; Beschlüsse des Arbeitsausschusses 36

Zeitler,

16. Kap.: Entweder-Oder von Unterhalt und Sozialleistungen

229

Sie läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß der Anspruch des Hilfsbedürftigen auf öffentliche Fürsorge nicht unter Umgehung einer gesetzlich gebotenen Fürsorgepflicht auf einen dem Gesetz nach nicht zum Unterhalt Verpflichteten durch erzwungene sittliche Hilfsverpflichtung abgewälzt werden dürfe. Wenn auch nach 1945 die Rechtsprechung den Rahmen der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsverpflichtungen nicht überschritt, so hat sie doch versucht, in den Grenzen des bestehenden Rechts den Gedanken der "Familiennotgemeinschaft" zu verwerten. Sie vertrat zwar die Auffassung, daß es für die Feststellung der Hilfsbedürftigkeit nach § 5 RGr. nicht darauf ankomme, ob ein rechtlicher oder sittlicher Unterhaltsanspruch bestehe, sondern daß es entscheidend sei, ob der Hilfsbedürftige aufgrund eines solchen Anspruches Leistungen tatsächlich erhalte 42 • Aufgrund dieser Rechtsprechung war aber von Amts wegen zu ermitteln43 , ob der Lebensbedarf nicht von dritter Seite gegeben wurde. Für diese Ermittlung von Amts wegen kam der Tatsache, daß ein Dritter sittlich verpflichtet war, den Lebensbedarf des Hilfsbedürftigen zu decken, mittelbare Bedeutung zu, denn das Bestehen dieser Verpflichtung wurde als Anzeichen dafür gewertet, daß der Dritte im Rahmen des Zumutbaren tatsächlich Unterhalt leistete 44 • Der VGH Rh.-Pf. 45 stellte eine Art Primafacie-Beweisregel auf: Habe die Fürsorgebehörde ermittelt, daß der um Fürsorgeleistungen Nachsuchende mit nahen Verwandten in einer mehr oder weniger engen Gemeinschaft zusammenlebt, dann dürfe sie davon ausgehen, daß die Verwandten eine wirtschaftliche Gemeinschaft bilden, die man als ,tatsächliche Familiennotgemeinschaft' bezeichnen könne. Das nahe Zusammenleben von Verwandten begründete so eine Vermutung dafür, daß sie tatsächlich eine Familiennotgemeinschaft bildeten. Dies ist in § 16 BSHG Gesetz geworden. Diese Bestimmung beinhaltet die gesetzliche Vermutung dafür, daß, wenn ein Hilfesuchender in einer Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten lebt, er von ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach für Fragen der Fürsorge beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zur Fürsorgerechtsreform, NDV 1958, 301 (303); Jehle, Fürsorgerecht, S. 130; ders., Alte und neue Grundsätze im Fürsorgerecht, DVBl. 1951, 65 (65 f.); Mayer, S. 267; Petersen, S. 382 f.; Scheffler, Neuordnung, S. 24; Weinbrenner, Familienverantwortung, S. 119; Werdermann, BABl. 1957, 665 (667). Vgl. jedoch noch: Gutachten des Deutschen Vereins, NDV 1947, 80; "Familiennotgemeinschaft bei Vertriebenen und Schwerstbombenbeschädigten", NDV 1949, 71; "Der rechtliche Gehalt des fürsorgerischen Grundsatzes der Familiennotgemeinschaft", NDV 1950, 281. 42 Statt aller OVG Münster, MDR 1955, 444 f. 43 Vgl. OVG Hamburg, VerwRspr. 3, 606. 44 OVG Hamburg, VerwRspr. 3, 606 (612 f.). 45 FEVS 1, 195 (197).

230 11. 3. Abschn.: Beziehungen aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung

ihrem Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. § 16 BSHG geht damit als Vermutung über die gesetzliche Unterhaltspflicht hinaus 46 • Da diese Vermutung widerlegbar ist, begründet § 16 BSHG keine eigene, über das bürgerliche Recht hinausgehende öffentlich-rechtliche UnterhaItsverpflichtung47. 122 Die eheähnliche Gemeinschaft

Früher wurden auf Personen, die in einer ehe ähnlichen Gemeinschaft lebten, die Grundsätze der Familiennotgemeinschaft angewendet48 • Nunmehr bestimmt § 122 Satz 1 BSHG, daß sie hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden dürfen als Ehegatten. § 122 Satz 2 BSHG verweist jedoch auf die entsprechende Anwendung des § 16 BSHG, so daß auch § 122 BSHG keine öffentlich-rechtliche Unterhaltspflicht schafft49 • 123 Die Bedarfsgemeinschaft

Die Unterhaltspflicht der in die Bedarfsgemeinschaft einbezogenen Personen wird - wie im einzelnen schon dargelegt wurde 50 - gewissermaßen "überspielt"51 durch die in diesen Bestimmungen statuierte öffentlich-rechtliche Verpflichtung52 , füreinander unmittelbar, im Wege einer Berücksichtigung des gemeinsamen Einkommens einzustehen. Diese überlagerung der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht durch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung ändert zwar den Rechtscharakter der Beistandspflicht, aber dies stellt keinen Nachteil für die in die Bedarfsgemeinschaft einbezogenen Personen dar, weil die öffentlich-rechtliche Verpflichtung in ihrem Ausmaß53 nicht über deren gesteigerte - bürgerlich-rechtliche Unterhaltsverpflichtung hinausgeht54• Da - worauf ebenfalls schon hingewiesen wurde 55 - der Sozialhilfeträger wegen der Hilfe, die er einem nur aufgrund der Einkommensgesamtberechnung hilfsbedürftig Gewordenen gewährt, nicht dessen unterhaltspflichtige Verwandte gern. §§ 90, 91 BSHG in Anspruch nehmen kann, ist auch insoweit keine öffentlich-rechtliche Unterhaltspflicht statuiert worden. 46

41 48 U

50 51 52 58 54

55

SchelZhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 16 I. Ebd. § 16111 2 c. BAH 90, 103 (108). Unklar: BVerwG, ZfS 1972, 245 (246). s. o. 6. Kap., Text zu Anm. 34-40. Keese, NDV 1963, 295 (297). Ebd.; SchelZhorn, NDV 1966, 335 (337). Vgl. §§ 76 ff., 88 ff. BSHG. Keese, NDV 1963, 295 (297); vgl. auch BVerwGE 38, 205 zu § 43 BSHG. s. o. 6. Kap., Text zu Anm. 52, 53.

16. Kap.: Entweder-Oder von Unterhalt und Sozialleistungen

231

13 öffentlich-rechtliche Unterhaltspflichten in sonstigen Gesetzen

Wie oben ausführlich dargelegt, werden z. B. in der Arbeitslosenfürsorge Einkommen bestimmter Personen angerechnet, ohne daß es darauf ankommt, ob in dem konkreten Fall eine entsprechende Unterhaltspflicht besteht56 • Jedoch wird sich, wenn Einkommen des Ehegatten oder der Eltern dem (minderjährigen) Arbeitslosen angerechnet wird, wegen der gesteigerten Unterhaltspflicht dieser Personen im Ergebnis keine Abweichung vom Unterhaltsrecht feststellen lassen, insbesondere nachdem mit der Einführung des AFG die Freibeträge erheblich erhöht wurden. Die Anrechnung kann jedoch dann das Ausmaß der Unterhaltspflicht übersteigen, wenn Einkommen von Eltern zugunsten volljähriger Kinder oder Einkommen von Kindern zugunsten ihrer Eltern angerechnet wird, denn in diesen Fällen besteht eine Unterhaltspflicht der Eltern bzw. der Kinder nur dann, wenn ihr standesgemäßer Unterhalt dadurch nicht gefährdet wird. In diesen Fällen kann es trotz der Subsidiarität der Leistung zu Abweichungen von dem Unterhaltsrecht kommen57 • In der Rechtsprechung58 und in der Literatur59 ist vereinzelt angenommen worden, daß diese Vorschriften des Arbeitslosenhilferechts das Unterhalts recht des BGB abgeändert hätten. Dem Unterhaltspflichtigen, dessen Einkommen angerechnet werde, versagten diese Bestimmungen die Berufung auf die Gefährdung des standesgemäßen Unterhalts. Eine solche Auslegung berücksichtigt jedoch nicht, daß die Anrechnung von Einkommen einerseits und die Pflicht, das angerechnete Einkommen dem Arbeitslosen auch zukommen zu lassen, andererseits zwei verschiedene Dinge sind, die einander nicht notwendig entsprechen müssen. Das Nichtvorhandensein von anrechenbarem Einkommen ist eine Voraussetzung, unter der Arbeitslosenhilfe gewährt wird, deren Bezug für den Empfänger vorteilhafter ist als die (allgemeine) Sozialhilfe. Kommt eine Bewilligung von Arbeitslosenhilfe nicht in Frage, dann führt die Diskrepanz zwischen der Anrechnung des Einkommens einerseits und der nicht bestehenden Pflicht, das angerechnete Einkommen dem Arbeitslosen auch zukommen zu lassen, andererseits zwar dazu, daß der Arbeitslose zwischen zwei Stühlen sitzt. Ihm bleibt aber s. o. 6. Kap., Anm. 99. Vgl. Draeger - Buchwitz - Schönefelder, § 149 Anm. 20: "der Gesetzgeber hat hier ... eine - über die Normen des BGB u. U. hinausgehende - Heranziehung der Verwandten unter dem Gesichtspunkt der Familiennotgemeinschaft beabsichtigt". 58 (zu ähnlichen landesrechtlichen Bestimmungen): Hess. LSG, Breith. 1955, 177 (182); OVA Dortmund, AA 1954, 84; OVA Hamburg, AA 1951,151; Spruchkammer für Arbeitslosenversicherung beim LAA Württemberg-Baden, Breith. 1951, 211. 50 Im Ergebnis Krebs, Arbeitslosenversicherung, § 149 Anm. 7, S. 425; Würbach, SGb 1956, 216 (217). 58

57

232 Ir. 3. Abschn.: Beziehungen aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung die Möglichkeit, Sozialhilfe zu beantragen. Die Vorschriften des Arbeitslosenhilferechts konkretisieren daher lediglich die Voraussetzungen der Arbeitslosenhilfe. Sie berühren das zivile Unterhaltsrecht nicht, insbesondere sind sie keine es abändernde Spezialvorschriften60 • Entsprechendes gilt auch für die Anrechnung des Einkommens bestimmter Angehöriger im Ausbildungsförderungsrecht (Graduiertenförderungsrecht). Sie entspricht ebenfalls nicht in allen Fällen dem Ausmaß der Unterhaltspflicht der Personen, deren Einkommen berücksichtigt wird. Den Eltern gegenüber besteht zwar grundsätzlich ein Ausbildungsanspruch 61 • Dieser geht aber - auch bei minderjährigen Kindern - nicht soweit, daß die Eltern verpflichtet sind, unter Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts eine gehobene Ausbildung ihres Kindes (mit-)zufinanzieren62 • Auch dem Ehegatten gegenüber besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Ausbildung, soweit ihm die Kostentragung zumutbar ist 63 • In jedem Fall kann wegen der "Reflexwirkungen" der bei der sozialhilferechtlichen Ausbildungshilfe geltenden Einkommensfreigrenzen ein Unterhaltsanspruch auf Ausbildung nur dann bejaht werden 64 , wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen diese Einkommensfreigrenze ü bersteigt65 • Dem tragen jedoch die Vorschriften, die das Einkommen der Eltern oder des Ehegatten ab sehr niedrig gehaltenen Freigrenzen66 schematisch anrechnen, nicht Rechnung. Auch in der Ausbildungsförderung können sich somit Abweichungen von dem Unterhaltsrecht ergeben. Sie begründen aber keine zusätzliche Unterhaltspflicht der Personen, deren Einkommen angerechnet wird. Das zeigt sich deutlich, wenn man die in dem BAföG vorgesehene überleitung des Unterhaltsanspruches 67 mit heranzieht. Sie kann nach dem Grundsatz "nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet" auch nur den tatsächlich bestehenden Unterhaltsanspruch betreffen68 • In den Fällen, in denen die Härteklauseln nicht eingreifen und für die keine überleitungsvorschriften existieren - wie z. B. bei Unterhaltsansprüchen gegen den Ehegatten - besteht eine Diskrepanz zwischen Ausbildungsförderung und Unterhaltsrecht zu Lasten der Jugendlichen, die durch die Ausbildungsförderung begünstigt werden 60 LSG Celle, Breith. 1955, 1190 (1191); Draeger - Buchwitz - Schönefelder, § 149 Anm. 16; Werdermann, BABl. 1957, 665 (669). 61 s. O. 2. Kap., sub 21. 62 s. 0.2. Kap., Text zu Anm. 27-37. 63 s. O. 2. Kap., Text zu Anm. 10 und 11. 64 s. 0.15. Kap., Text nach Anm. 17. 65 Vgl. § 79 Abs. 1 BSHG, hierzu o. 6. Kap., Text zu Anm. 11. 66 S. O. 6. Kap., sub 3. 67 § 37 BAföG. 68 So auch Blanke, FamRZ 1969, 394 (399).

16. Kap.: Entweder-Oder von Unterhalt und Sozialleistungen

233

sollen69 . Diese Diskrepanz wird gesehen70 . Anerkannt wird auch, daß der mittellose Student, dessen Eltern, obwohl sie es könnten, für seinen Unterhalt nicht aufkommen, weil sie rechtlich nicht dazu verpflichtet sind, in ähnlicher Weise bedürftig ist wie das Kind, dessen Eltern das Studium nicht finanzieren können. Jedoch wird von der Rechtsprechung zwischen beiden Fällen differenziert71 • In dem Fall der reichen Eltern beruhe die Bedürftigkeit des Studenten auf ihrem "Nicht-Wollen"72, im Falle der armen Eltern auf ihrem "Nicht-Können". Diese Differenzierung sei sachgerecht, denn der Staat dürfe davon ausgehen, daß in erster Linie die Angehörigen für den Unterhalt eines Studenten aufkommen und daß sie sich ihrer "sittlichen Pflicht" nicht allein wegen des Fehlens einer rechtlichen Verpflichtung entziehen werden73 . Die Rechtsprechung sucht die Lücke zwischen Ausbildungsförderungsrecht und Unterhaltsrecht mit einer "sittlichen"74 Unterhaltspflicht auszufüllen; ein Versuch, der den betroffenen Studenten allerdings nicht viel nützt, da die "sittliche" Pflicht nicht durchsetzbar ist7 5 • Abhilfe kann zur Zeit nur über den sozialhilfe rechtlichen Anspruch auf Ausbildungshilfe erzielt werden.

2 Unterhalt und nicht subsidiärfamilienabhängige Sozialleistungen Die Gewährung nicht subsidiär-familienabhängiger Sozialleistungen verdrängt regelmäßig familiären Unterhalt, da diese die Voraussetzung des Unterhalts, die Bedürftigkeit, aufheben. Dieses Ergebnis bedarf aber noch einer Erläuterung. Leistungen an Hinterbliebene machen Unterhaltsleistungen sonstiger Verwandter überflüssig. Insoweit läßt sich auch bei der Versorgung Hinterbliebener feststellen, daß mit dem Aufkommen der Sozialleistungen die Zahl derer, die durch Unterhalt versorgt werden mußten immer mehr zurückging76 . Insoweit ist also auch die Bedeutung des familiären Unterhalts geringer geworden. 89 Nicht ganz zu Unrecht meint Kießling, JuS 1971, 285 (286), daß die Ausbildungsförderung wegen ihrer Familienabhängigkeit zu einer Förderung der Eltern geworden sei. 70 Vgl. BVerwGE 32, 16; OVG Bremen, NJW 1970, 293; OVG Hamburg, MDR 1967, 617; Stephany, S. 109 f.; Waibet, WissR 1972, 78; Kritisch: VG Braunschweig, NdsRpfl. 1970, 120; Kießling, ebd.; manke, FamRZ 1969, 394 (399). 71 Vgl. den überblick bei Waibet, WissR 1972, 78. 72 OVG Bremen, NJW 1970, 293 (295): auf ihrem "Unverständnis". 73 Ebd. 74 Das OVG Hamburg, MDR 1967, 617 spricht von einer aus Art. 6 Abs. 2 GG abgeleiteten "Gewissensverpflichtung auf Grund unserer Sittenordnung"; zustim. Waibet, WissR 1972, 78. 75 Daran entzündet sich auch die Kritik an dieser Regelung, vgl. Kießling, JuS 1971, 285 ff.; s. a. u. 23. Kap., sub 12. 76 Symptomatisch für diese Entwicklung ist der von Oekinghaus, Die gesellschaftliche und rechtliche Stellung der deutschen Frau, 1925, S. 66,

234 II. 3. Abschn.: Beziehungen aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung Andererseits muß aber in Betracht gezogen werden, daß der verstorbene Versicherte, nach dessen Tod diese Leistungen gewährt werden, gerade auf Grund seiner Unterhaltspflicht gehalten war, seine Arbeitskraft auch zur Sicherung seiner Hinterbliebenen auszunutzen, insbesondere ihnen eine Sicherung im Rahmen der RVO bzw. der Beamtengesetze zu verschaffen77 • Der Unterhaltsträger der Kernfamilie wird gezwungen, für den Fall seiner Leistungsunfähigkeit bzw. für seinen Wegfall als Unterhaltsträger vorzusorgen. Seine Vorsorge erübrigt die Sicherung, die das Unterhaltsrecht für den Ausfall seiner Leistungsfähigkeit vorgesehen hatte: die Reihe der nachfolgend zum Unterhalt verpflichteten Personen. Die Unterhaltssicherung konzentriert sich immer stärker auf die in der Kernfamilie primär Unterhaltspflichtigen, d. h. auf die Ehegatten. Ihre Unterhaltspflicht wird auf die Zeit nach ihrem Tode ausgedehnt, indem sie sich durch Sozial- oder Privatversicherungen absichern müssen. Das Sozialrecht und das Unterhaltsrecht, das zumindest in Bezug auf die Kernfamilie den Anspruch auf Vorsorge anerkennt, führen dazu, daß die Unterhaltsbeziehungen in der Kernfamilie mehr und mehr die übrigen Unterhaltsbeziehungen verdrängen, eine Entwicklung, die von dem Trend zur Kernfamilie her gesehen, nur folgerichtig isF8. Der Zurückdrängung des Unterhalts von seiten der entfernteren Verwandten steht also eine Intensivierung der Unterhaltsbeziehungen innerhalb der Kernfamilie gegenüber. Unterhaltsleistungen werden also nicht verdrängt, sondern, wenn man die Vorsorge mit berücksichtigt, die den Sozialleistungen zu Grunde liegt, ausgetauschF9. Das Gewicht des Unterhaltsrechts hat sich nur verlagert. gebrachte Vergleich der Versorgung der Witwen in den Jahren 1895 und 1907:

1907

durch Pensionen und Renten versorgt ............. . 35,3 0/0 als Angehörige versorgt ........................... . 17,3 Ofo erwerbstätig ..................................... . 41,1 Ofo sonstige (Selbst.) ................................. . 6,3 Ofo

1895 23,9 0/0

26,10f0 44,10f0

5,9 Ofo

Zum heutigen Zustand: o. 1. Kap., Text zu Anm. 10-12. 77 BGH, FamRZ 1960, 225; s. o. 15. Kap., sub 22. 78 s. o. 1. Kap., sub 11. 79 Daher kann der Feststellung Mayers (Generationen, a.a.O. S. 288), daß die Bedeutung des Unterhaltsrechts durch die "anonymen Kräfte" zurückgedrängt würde, die im Wege der Umverteilung der Einkommen die Aufgabe übernehmen, den Unterhalt von Angehörigen zu sichern, nicht zugestimmt werden. Das gleiche gilt für die Aussage des BVerfG (E 6, 55/77), wonach der soziale Rechtsstaat "die früheren Fürsorgepflichten der Großfamilie" übernehme. Kritisch hierzu a. Zacher, AöR Bd. 93, 341 (362 f.).

17. Kap.: Zusammenspiel von Unterhalt und Sozialleistungen

235

17. Kapitel

Die sich aus dem Zusammenhang von Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit ergebenden Beziehungen 1 Die Funktionsteilung bei der Umverteilung zwischen den Generationen Die sich immer mehr durchsetzende Konzentration des familiären Unterhalts auf Beziehungen innerhalb der Kernfamilie wird ganz besonders dann deutlich, wenn man die Umverteilung zwischen den Generationen, also zwischen den Generationen der Kinder, Eltern und Großeltern, betrachtet. Sie wird gemeinsam von dem System des familiären Unterhalts und dem der Leistungen der sozialen Sicherheit bewältigt. Dabei besteht zwischen ihnen eine Funktionsteilung. Faßt man die Rentenversicherungen, Verfolgtenversorgung, Kriegsopferversorgung, Lastenausgleich, Beamtenversorgung und die Versorgung freier Berufe zusammen, so bestreiten etwa 90 % der Alten ihren Lebensabend mit Sozialleistungen, die ihnen über die gesellschaftliche Umverteilung zukommen 1 • Nur 5 % der Alten erhalten von ihren Kindern noch Unterhaltsbeihilfen 2 • Angesichts dieser Zahlen liegt es nahe, von einer Vergesellschaftung der Altersversorgung zu sprechen. Die Versorgung der Kinder erfolgt demgegenüber nach wie vor im (kern-)familiären Unterhaltsverband. Durch die Ausgliederung der Altengeneration aus dem effektiven Unterhaltsverband beschränkt sich die Sicherungsfunktion der Kernfamilie nur noch auf den Kreis der Personen, die auch der Kernfamilie angehören, also auf den Ehegatten und die Kinder. Die Ausgliederung der Altengeneration aus dem familiären Unterhaltsverband hat die Partner der Umverteilung innerhalb der (drei) Generationen geändert. Die Umverteilung zwischen den Erwerbstätigen und den Alten geschieht nicht mehr im innerfamiliären Rahmen. Sie vollzieht sich heute über die einzelnen Alterssicherungssysteme als gesellschaftliche Umverteilungs. Ihre Partner sind jeweils die Generationen der Kinder und ihrer Eltern. Dadurch, daß die Sicherung der Alten "vergesellschaftet" worden ist und nicht mehr im jeweiligen Unterhaltsverband gewährt wird, ist die gesamte Umverteilung zwischen den Generationen, also auch zwischen 1 Allein die Rentenempfänger machen etwa 79 Ofo aus, vgl. a. die weiteren Angaben bei Blume, Altenhilfe, S. 40; s. o. l. Kap., Text zu Anm. 10-12. 2 Blume, Altenhilfe, S. 40. 3 Vgl. Zacher, DöV 1970, 1 (12, Anm. 131).

236 II. 3. Abschn.: Beziehungen aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung Eltern und Kindern aus der Abgeschlossenheit des Unterhaltsverbandes herausgelöst worden. Im reinen Urrterhaltssystem, in dem sie sich nur im Rahmen des Unterhaltsverbandes vollzog, wirkte sich die Kinderzahl eines Unterhaltsverbandes weder positiv noch negativ auf andere aus. Der, der keine Kinder hatte, erhielt im Alter keinen Unterhalt. Der, der viele Kinder hatte, hatte dafür um so größere Aussicht, im Alter versorgt zu sein. Heute erhält auch der, der keine Kinder aufzog, im Alter Sozialleistungen, "Unterhalt" von der ihm nachfolgenden Generation. Die dadurch bewirkte Änderung liegt im wesentlichen darin, daß sich der Ausgleich zwischen den drei Generationen - Kindern, Berufstätigen, Alten - nicht mehr einheitlich in einem Solidarverband vollzieht, sondern daß zwei verschiedene Solidarverbände diesen Ausgleich vornehmen. Die Kinder werden im Rahmen des familiären Unterhaltssystems versorgt, die Alten mittels Sozialleistungen. Trotz dieser Funktionsteilung besteht aber zwischen dem Unterhalt an Kinder und den Sozialleistungen an die Altengeneration ein enger Zusammenhang. Folgendes Schaubild soll verdeutlichen, daß die Funktionsteilung die Zahl der Leistungsströme gegenüber dem früheren, im Unterhaltsverband vollzogenen Ausgleich zwischen den Generationen4 nicht verändert hat. 3. Generation 2. Genemtion 1.

Generation

.

-

__

d

~ . -----~ ----~~ --~~~---~.

________

Kinder

- - - ___c

~

Berufstätige

- ---Ar.

Alte

Unterhaltsleistungen Sozialleistungen

Jede Generation empfängt nach wie vor zwei Leistungen, in ihrer Jugend (a) und in ihrem Alter (d). Die Verschiedenheit der Solidarverbände macht aber für den Einzelnen den Erhalt dieser beiden Lei-: stungen nicht mehr davon abhängig, daß auch er zwei Leistungen gewährt hat. Diejenigen, die keine Kinder aufziehen und sich daher die Leistungen an die dritte Generation (b) ersparen, haben nur einmal zu leisten (c) und genießen insoweit einen Vorteil; ebenso wie die, die weniger Kinder als der Durchschnitt haben. Den entsprechenden Nachteil haben die zu tragen, die überdurchschnittlich viele Kinder aufzuziehen haben. 4

s. o. 2. Kap., sub 23.

17. Kap.: Zusammenspiel von Unterhalt und Sozialleistungen

237

Der Zusammenhang zwischen dem Unterhalt an Kinder und den Sozialleistungen an die Altengeneration wird nun dadurch hervorgerufen, daß diese Sozialleistungen im Umlageverfahren finanziert werden, also auf einer interpersonalen Umverteilung, auf einer Solidarität der Generationen beruhen5, und daß daher die Ehepaare, die die Kinder, d. h. die nachfolgende Generation, aufziehen, die "Kosten" der Alterssicherung ihrer Generation alleine tragen 6 , und daß die Kinderlosen oder -armen, die zu ihrer Alterssicherung die Kinder anderer Leute benötigen, diese Alterssicherung somit auf Kosten der Kinderreichen erhalten7 • Dabei kann offen bleiben, ob die spätere Versorgung der Altengeneration mehr von der Zahl der dann Aktiven8 oder mehr von der Höhe der dann erzielbaren Einkommen beeinflußt wird, die nicht von der Zahl der dann Erwerbstätigen abhängen muß9. Fest steht zumindest, daß die Sozialversicherung auf der "Gewißheit der Kontinuität des Volksdaseins" beruhtl°. Wird diese Gewißheit - wie derzeit durch einen auffallenden Geburtenrückgang nur ein wenig angerüttelt, dann hebt sofort auch eine öffentliche Diskussion um die weitere Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung anl l . Von dem Extrem her argumentiert: Wenn überhaupt keine Kinder mehr geboren würden, gäbe es niemanden mehr, der die Renten für die jetzt Erwerbstätigen finanzierte. Kinder sind das "Deckungskapital" der Sozialversicherung. Dieses "Deckungskapital" wird ausschließlich von denen aufgebracht, die Kinder großziehen, d. h. ihnen Unterhalt gewähren. Die anderen, die keine Kinder haben, profitieren lediglich davon. Dieser Zusammenhang zwischen dem Unterhalt an Kinder und den Sozialleistungen an die Altengeneration ist denn auch eines der wesentlichen Argumente, die zugunsten eines "Kinderlastenausgleichs" vorgebracht werden. Bezieht man diesen Ausgleich in die Betrachtung der Umverteilung zwischen den Generationen mit ein, dann gibt es einen weiteren Leistungsstrom. Er fließt von den Kinderlosen oder Kinderärmeren zu den Kinderreichen und stellt innerhalb des Solidarausgleichs zwischen den drei Generationen die Symmetrie zwischen Geben und Nehmen wieder her, da nun auch diejenigen, die keine oder wenio. 4. Kap., sub 212.4. Vgl. dazu insbesondere Achinger, Höffner, Muthesius, Neundörfer, S. 126; Bünger, S. 35 ff.; 80 ff.; Dreier, Sicherung von Ehe und Familie, S. 200 ff.; ders., Familienprinzip, S. 93 f.; Oeter, S. 66 ff.; Stein, Der Familienlohn, 1956, S. 73 ff. 7 Vgl. dazu jedoch neuerdings DiehL, Umverteilungswirkungen im Familienlastenausgleich, 1971. 8 So Bünger, S. 80 f. 9 So Sozialenquete, Nr. 872 S. 310 (s. aber auch S. 309 unten). 10 Schreiber, Existenzsicherheit (Il), S. 89. 11 Löwe, Auswirkungen des Geburtenrückganges in der BRD auf die finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherungen, BABl. 1971, 344. 5 S.

6

238 H. 3. Abschn.: Beziehungen aus dem Gesamtsystem sozialer Sicherung ger Kinder haben, den beiden Leistungen, die sie erhalten (Unterhalt in der Jugend, Renten im Alter) zwei Leistungen gegenüberstellen müssen, die sie zu gewähren haben ("Kinderlastenausgleich" und z. B. Sozialversicherungs bei träge). 2 Die Bedeutung des familiären Unterhalts für die Umverteilung von Sozialleistungen Sozialrecht und Unterhaltsrecht ergänzen einander nicht nur bei der Umverteilung zwischen den Generationen. Das Sozialrecht ist auch auf die von und innerhalb der Familie vollzogene weitere Umverteilung der Sozialleistungen angewiesen12 • Soweit es sich um Leistungen der "gehobenen" sozialen Sicherung (Versicherung, Versorgung) oder um "gehobene" Hilfsleistungen (z. B. Arbeitslosenhilfe) handelt, ist ausschließlich der Ge- oder Versicherte Leistungsempfänger. Insoweit steht das Sozialeinkommen dem Arbeitseinkommen gleich. Ebenso wie das Arbeitseinkommen ist aber auch das Sozialeinkommen von dem Empfänger im Rahmen seiner Unterhaltspflichten einzusetzen13 • Auch in den Fällen, in denen die Angehörigen eines unmittelbar Gesicherten dessen sozialer Sicherung nur mittelbar zugeordnet sind, beruht ihre Sicherung - etwa im Krankheitsfalle - auf einem Ineinandergreifen von Sozialleistungen und Unterhalt. Sie erhalten die Sozialleistungen nur über familiären Unterhalt. Der unmittelbar gesicherte Unterhaltsträger empfängt die Sozialleistung und muß sie über den Unterhaltsanspruch an den Angehörigen weiterleiten. Die Sozialleistung kommt dem Angehörigen so als Unterhaltsleistung zu Gute. Die Familie ist, worauf schon hingewiesen wurde, bei der Gewährung des Kindergeldes ganz bewußt als "Umverteilungsgemeinschaft"l( eingesetzt worden, weil man sich von ihr eher eine gerechte Verteilung des für alle Kinder bestimmten Kindergeldes versprach als von einer notwendigerweise sehr umfangreichen bürokratischen Organisation15 • Aber selbst dann, wenn die einzelnen Familienmitglieder dem Sozialleistungssystem unmittelbar zugeordnet sind, wie z. B. bei der Sozialhilfe, auf die jeder, unabhängig von seiner familiären Rolle, einen Anspruch hat1 6 , verliert die Familie ihre Bedeutung für die Umverteilung 12 Zacher, DöV 1970, 1 (12), spricht von einer Art "Umverteilungsgemeinschaft", in der ein Mitglied häufig für andere "Umverteilungsmittler" ist. 13 s. o. 14. Kap., sub 21. 14 15 IG

s. o. Anm. 12.

BGHZ 33, 130 (134 f.); s. 0.14. Kap., Text zu Anm. 24. s. o. 4. Kap., Text zu Anm. 18.

17. Kap.: Zusammenspiel von Unterhalt und Sozialleistungen

239

der Sozialleistungen nicht. Zwar ist im Sozialhilfe recht der Unterhaltsanspruch als Mittler zwischen der dem Haushalt zufließenden Sozialleistung und dem einzelnen Haushaltsangehörigen der rechtlichen Ausgestaltung nach überflüssig geworden, denn sein Unterhalts bedürfnis wird durch die Sozialleistung - ohne Zwischenschaltung des Unterhalts - befriedigt. Das BSHG konnte und wollte jedoch eine völlige Auflösung des Unterhaltsverbandes nicht anstreben17 . Wenn auch grundsätzlich die Einzelperson im Vordergrund steht, so bedingt doch die "natürliche Ausgleichsfunktion"18 innerhalb von Ehe und Familie z. B. die besondere Bedürfnisprüfung im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft (§§ 11 Abs. 1 Satz 2, 28 BSHG). Außerdem ist bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt "zwangsläufig eine Gesamtbetrachtung der Familie (notwendig)"19, da eine völlige Aufgliederung der Sozialhilfe auf das einzelne Familienmitglied, d. h. auf den einzelnen Anspruchsberechtigten, nicht durchführbar ist. So sind im sozialhilferechtlichen Regelsatz für den Haushaltungsvorstand bestimmte Bedürfnisse der gesamten Familie mit abgegolten20 • Aber trotz der vom rechtlichen Standpunkt her dennoch weitgehenden Auflösung des Unterhaltsverbandes besteht dieser innerhalb der zusammenlebenden Familie faktisch fort. Die verschiedenen - meist zusammen ausbezahlten - Sozialhilfeleistungen ergeben gemeinsam hin durch das Vertretungs- und Sorgerecht der Eltern Grenzen gezogen. das Familieneinkommen, das gemeinschaftlich verbraucht wird. Der sozialrechtlichen Verselbständigung minderjähriger Kinder sind ohneDer Erziehungsberechtigte (gesetzliche Vertreter) des minderjährigen, bedürftigen Unterhaltsberechtigten hat dessen Anspruch auf Sozialhilfe geltend zu machen21 . Er bestimmt auch letztlich über die konkrete Verwendung der Leistung22 . Der Unterhaltsverband gewinnt so seine Mittlerrolle de-facto wieder zurück und es be mißt sich der Anteil des einzelnen an dem so gebildeten Familieneinkommen letztlich doch nach familiär-unterhalts rechtlichen Gesichtspunkten. Lediglich in einer "kranken" Ehe oder Familie verbessert der eigene Anspruch wesentlich die Position des Familienangehörigen. Dann ent17 Vgl. § 2 BSHG. 18 ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 11 III 1 a. 19 Ebd. § 11 III 2 a. 20 s. o. 4. Kap., Text zu Anm. 8. 21

Oestreicher, § 11 Anm. 8.

Eingeschränkt wird die elterliche Verfügungs gewalt in der Praxis allerdings durch die Ausgabe von Sachgutscheinen, die die Abdeckung ganz konkreter Bedürfnisse sicherstellen. 22

240 H. 3. Absclm.: ,Bez'iehungen aus dem Ges,amtsystem sozialer Sicherung

spricht er der Individualisierung der Person und der dadurch bedingten Individualisierung des Bedarfs. Man kann zusammenfassend - und etwas vergröbert - sagen, daß die Sozialleistungen die Versorgung der Haushalte sicherzustellen haben und daß sie innerhalb des Haushaltes durch den familiären Unterhalt verteilt werden23 •

23 In diesem Sinne wohl auch Jansen - Knöpfel, S. 205: "Das öffentliche Sozialrecht hat nur zu bestimmen, wem eine Leistung zustehen soll; dagegen sind die Auswirkungen der Sozialleistungen auf Unterhaltsansprüche zwischen Privatpersonen allein vom bürgerlichen Recht zu regeln".

Vierter Abschnitt

Zusammenfassung und Ergebnisse 18. Kapitel

Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und den Sachsystemen sozialer Sicherung Nachdem bisher die Arten der einzelnen Beziehungen zwischen dem familiären Unterhalt und den Leistungen der Sozialen Sicherheit im Vordergrund gestanden haben, soll nunmehr von den einzelnen Sachsystemen sozialer Sicherung ausgegangen und die zwischen ihnen und dem familiären Unterhalt jeweils bestehenden Beziehungen zusammengefaßt dargestellt werden. An Sachsystemen war, um das in Erinnerung zu rufen, unterschieden worden zwischen Ausgleichs-, Vorsorge- und Entschädigungssystemen. Den Ausgleichssystemen waren die Sozialhilfe, die Jugendhilfe, die Ausbildungsförderung, das Wohngeld und der (allgemeine) Familienlastenausgleich zugezählt worden. Kranken-, Renten-, Arbeitslosenversicherung und die Beamtenversorgung, mit Ausnahme der Unfallfürsorge, sind die wesentlichen Vorsorgesysteme. Der Bereich der Entschädigungssysteme gliedert sich vornehmlich in Unfallversicherung, Unfallfürsorge, Kriegsopfer- und Verfolgtenversorgung. Die Arbeitslosenhilfe und die Kriegsopferfürsorge bilden die Mischsysteme der "gehobenen" Hilfsleistungen.

1 Die Beziehungen zwischen dem familiären Unterhalt und den Ausgleichssystemen 11 Unterhalt und Sozialhilfe

Die Beziehungen zwischen dem familiären Unterhalt und den Ausgleichssystemen, um mit ihnen zu beginnen, sind entsprechend der Vielfalt der Funktionen, die diesen Systemen zukommen, nicht einheitlich. Es muß daher von den einzelnen Ausgleichssystemen ausgegangen werden. Die Beziehungen zwischen dem familiären Unterhalt und der Sozialhilfe werden durch zweierlei bestimmt: einmal durch die Stellung der Sozialhilfe im Gesamtsystem sozialer Sicherung, in dem sie die Position 16 Ruland

242

H. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Ergebnisse

eines Ausfallbürgen einnimmt, und zum anderen durch ihre Aufgabe, dem Hilfeempfänger ein der Würde des Menschen entsprechendes Leben zu ermöglichen. Ausfallbürge ist die Sozialhilfe auch gegenüber dem familiären Unterhalt. Von ihm aus gesehen sichert sie den, der wegen seiner Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, auf familiären Unterhalt angewiesen ist, gegen den Wegfall des (gesamten) Unterhalts. Die Sozialhilfe ist somit auch eine Sicherung gegen den Ausfall des an sich vorrangig verpflichteten familiären Unterhaltsverbandes. Dem entspricht einmal beinahe "zwangsläufig" der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe, der auch gegenüber familiärem Unterhalt besteht ("familienabhängige Sozialhilfe") und der besagt, daß Sozialhilfe grundsätzlich nur dann gewährt wird, wenn der Hilfsempfänger keinen familiären Unterhalt erlangen kann. Dem entspricht zum andern der Grundsatz der Minimalsicherung, d. h. der Beschränkung der Sozialhilfe auf das konventionelle Existenzminimum, das zugleich das Minimum eines jeden Unterhaltsbedürfnisses ausmacht. Die Sozialhilfe ist aber mehr als nur eine Sicherung bei Anfall des familiären Unterhaltsverbandes. Ihr Ausgangspunkt ist ein anderer als der der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht!. Das Unterhalts recht regelt die Haftung des Familienverbandes für ein bedürftiges Mitglied. Es muß Rücksicht nehmen auf die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und auf die "Verkehrsanschauung", die das Maß dessen bestimmt, "was im intakten Familienverband eingesetzt wird"2. Die Sozialhilfe ist demgegenüber "Ausdruck des sozialen Gestaltungswillens des Staates .... Sie ist dem Fortschritt verhaftet und hat den Schritt nach vorwärts auch dann zu tun, wenn er sich in der gesamtgesellschaftlichen Auffassung noch nicht vollzogen hat"3. Die Sozialhilfe soll entsprechend dem Ziel, dem Hilfebedürftigen die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht, gesellschaftlichen Unterhalt gewähren, der sich nicht nur in dem erschöpft, was bürgerlich-rechtlich Unterhaltspflichtigen zugemutet werden kann und Inhalt des Unterhaltsanspruches geworden ist. Diese Aufgabe hat ganz deutlich in den "Hilfen in besonderen Lebenslagen" ihren Niederschlag gefunden. Für diese Hilfen gilt dem familiären Unterhalt gegenüber der Grundsatz der Subsidiarität nur eingeschränkt, weil einigen dieser Hilfen eine Entsprechung im unterhaltsrechtlichen Leistungskatalog fehlt. Außerdem wird, soweit diese Voraussetzung der Subsidiarität gegeben ist, der Grundsatz des Nachranges durch Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen, die sowohl zugunsten des Hilfe1 Vgl. auch zum Folgenden ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 III 2 a; s. a. KoH, S. 340. Z ScheHhorn - Jirasek - Seipp, Bundessozialhilfegesetz, § 91 III 2 a. 3 Ebd.

18. Kap.: Unterhalt und Sachsysteme sozialer Sicherung

243

empfängers als auch des ihm Unterhaltspflichtigen gelten, durchbrochen. Gelockert ist bei diesen Hilfen auch die Ausrichtung der Leistungen an das konventionelle Existenzminimum. Sozialhilfe ist also, wie diese Diskrepanzen zum Unterhaltsrecht zeigen, mehr als nur "Unterhaltsersatz"4. Sie ist daher in ihren Voraussetzungen und ihrem Umfang auch nicht an den Bestand einer Unterhaltsbeziehung gebunden5 • Nur soweit sich gesellschaftlicher und familiärer Unterhalt decken, ist die Sozialhilfe "Unterhaltsersatz" und subsidiär-familienabhängig. Die Familienabhängigkeit der Sozialhilfe wird mittels verschiedener Methoden realisiert. So werden Unterhaltspflichtige ohne Rücksicht auf den Umfang ihrer Verpflichtung mit dem Hilfesuchenden zu einer Bedarfsgemeinschaft zusammengefaßt und es wird Sozialhilfe nur dann gewährt, wenn trotz der Zusammenrechnung aller Mittel die Hilfsbedürftigkeit, dann allerdings der Bedarfsgemeinschaft, weiterhin bejaht werden muß. Der Unterhaltsanspruch kann, wenn Sozialhilfe bereits erbracht worden ist, auf den Leistungsträger übergeleitet werden, soweit es die auch zugunsten des Unterhaltspflichtigen geltenden Verschonungen zulassen6 • Der Hilfsbedürftige kann auf die Geltendmachung realisierbarer Unterhalts ansprüche verwiesen werden, eine Methode, von der nur selten Gebrauch gemacht wird und die nicht dazu führen darf, daß die sozialhilfe rechtlichen Verschonungen zugunsten des Unterhaltspflichtigen umgangen werden. Schließlich kann unter erschwerten Voraussetzungen der Unterhaltspflichtige auch zum Kostenersatz herangezogen werden. Das Sozialhilferecht hat davon abgesehen, über die zivilrechtlichen Pflichten hinausgehende öffentlich-rechtliche Unterhaltspflichten zu statuieren7 • Der besonders während des "Dritten Reiches" stark propagierte Gedanke der "Familiennotgemeinschaft", wonach auch nicht unterhaltspflichtige Haushaltsangehörige einem anderen bedürftigen Mitglied der Haushaltsgemeinschaft beizustehen hätten, ist im geltenden Recht nur noch insofern anzutreffen, als bei Hilfesuchenden, die mit Verwandten oder Verschwägerten in einer Haushaltsgemeinschaft oder die mit einem Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenleben, vermutet wird, daß sie von diesen Personen ausreichenden Unterhalt beziehen. Da diese Vermutung widerlegbar ist, begründet sie keine zusätzliche Unterhaltspflicht; sie schafft aber auch keine Sicherungslücke zwischen Sozialhilfe und Unterhalt. Die Unterhaltspflicht der in die Bedarfsgemeinschaft einbezogenen FamilienmitglieVgl. BVerwGE 23, 149 (154); Koll, S. 340. Dazu auch Koll, S. 340. 6 Vgl. BVerwGE 38, 205: überleitung führt zur nachträglichen Herstellung der Subsidiarität. 7 Ebd. 4

5

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H. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Erg,ebnisse

der wird zwar durch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung überlagert, füreinander unmittelbar im Wege einer Berücksichtigung des gemeinsamen Einkommens einzustehen. Diese Verpflichtung geht aber in ihrem tatsächlichen Ausmaß nicht über die - in allen in Betracht kommenden Fällen - gesteigerte bürgerlich-rechtliche Verpflichtung dieser Personen hinaus. Das Sozialhilfe recht hat auch nicht indirekt über die Einkommensfreigrenzen und Vermögensverschonungen zugunsten des Hilfeempfängers zu einer Erweiterung der zivil rechtlichen Unterhaltspflicht geführt, denn diese Verschonungen beeinflussen den zivilrechtlichen Begriff der Bedürftigkeit nicht, da die unterschiedliche AufgabensteIlung von Unterhalt und Sozialhilfe einer übernahme dieser Verschonungen in das bürgerliche Unterhaltsrecht entgegensteht. Soweit das Unterhaltsrecht dennoch in Einzelfällen ähnliche Verschonungen aufweist, sind sie rein unterhaltsrechtlich motiviert und stellen keine "Rezeption" des Sozialhilfe rechts dar. Das Sozialhilferecht hat nicht nur die Unterhaltspflicht nicht erweitert, es hat vielmehr über die "Reflexwirkungen" der sozialhilferechtlichen Verschonungen zugunsten des Unterhaltspflichtigen zu einer Einschränkung der Unterhaltspflicht geführt. Diese Verschonungen, die der gesetzgeberischen Intention nach das bürgerliche Unterhaltsrecht "auflockern" sollten, schränken den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität ein und weisen der Sozialhilfe die primäre Verpflichtung gegenüber entsprechenden Unterhaltspflichten zu. Hat der Unterhaltspflichtige Tatsachen vorgetragen, die auf das Vorliegen der Verschonungen schließen lassen, dann sind diese im Unterhaltsprozeß von Amts wegen zu beachten. Weder der Anspruch auf subsidiär-familienabhängige Sozialhilfeleistungen noch ihre Gewährung schließen die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit aus. Wurde allerdings Sozialhilfe geleistet, ohne daß der Sozialhilfeträger von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Unterhaltsanspruch auf sich überzuleiten, dann besteht insoweit keine unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit mehr, da die Sozialhilfe durch den Verzicht der Geltendmachung des Unterhaltsanspruches ihren Nachrang verloren hat. Sozialhilfeleistungen sind zweckbestimmte Leistungen, die der Empfänger im Rahmen seiner Unterhaltsverpflichtungen nicht einsetzen muß. In den Fällen, in denen - wie etwa bei dem erhöhten Regelsatz für den HaushaI tsvorstand - die Sozialhilfeleistungen an eine Person auch anderen Personen zu Gute kommen soll oder in denen Sozialhilfeleistungen für andere Personen gewährt werden, sind diese Leistungen dann auch entsprechend ihrer Zweckbestimmung zu verwenden. Dabei handelt es sich aber um Ausnahmefälle, denn der Anspruch auf Sozial-

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hilfeleistungen ist individualisiert worden, so daß - zumindest bei rein rechtlicher Betrachtung - der Familie die Funktion als "Umverteilungsgemeinschaft" von Sozialleistungen, die sie sonst innehat, nicht zukommt. Jedoch kann bei einem intakten Familienverband davon ausgegangen werden, daß die einzelnen Sozialhilfeleistungen zu sammengefaßt und gemeinsam verbraucht werden. Tatsächlich wird die Familie in der Mehrzahl der Fälle doch ihre Rolle als "Umverteilungsmittler" ausüben. 12 Unterhalt und Jugendhilfe

Zwischen der Jugendhilfe und dem familiären Unterhalt bestehen nur insoweit Beziehungen, als die unterhaltspflichtigen Eltern des Minderjährigen, dem Jugendhilfe zuteil wurde, zur Kostentragung herangezogen werden, soweit es ihnen zumutbar ist. 13 Unterhalt und Ausbildungsförderungsleistungen

Familienabhängigkeit kennzeichnet auch die Beziehungen der Ausbildungsförderungsleistungen zum familiären Unterhalt. Familie und Staat sind, jeweils aus verschiedenen Motivationen heraus, an der Ausbildung der Heranwachsenden interessiert. Der Staat übernimmt die Ausbildungskosten, wenn sie die Familie nicht aufbringen kann, bzw. wenn ihr die Aufbringung nicht zugemutet wird. Einkommensfreigrenzen typisieren diese Voraussetzung. Was eben für die Sozialhilfe ausgeführt wurde, gilt hier entsprechend: Ausbildungsförderungsleistungen sind nur in begrenztem Sinne "Unterhaltsersatzleistungen"8; es sind staatliche Leistungen, die von dem Bestand einer Unterhaltsbeziehung unabhängig, staatliche Sozial- und Bildungspolitik verwirklichen sollen und auf die, weil die finanziellen Mittel zur familienunabhängigen Förderung fehlen bzw. fehlten 9, Leistungen von Familienangehörigen angerechnet werden. Während man bei der Sozialhilfe noch sagen kann, daß sich ihre subsidiäre Beziehung zum familiären Unterhalt aus ihrer Stellung im Gesamtsystem sozialer Sicherung beinahe zwangsläufig ergibt, trifft das für Ausbildungsförderungsleistungen nicht zu. Setzten sich die Forderungen nach einer familie nun abhängigen Ausbildungsförderung durch10, dann würde vom Ausbildungsförderungsrecht ausgehend, ähnlich wie heute bei den Leistungen zur Förderung der beruflichen Fortbildung, keine Beziehung mehr zum familiären Unterhalt bestehen. So Blanke, FamRZ 1969, 394 (395). Vgl. die erste Beratung eines AusbFG, BT.-Sten. Ber. V/10 948 ff.; insbes. 10949 D., 10956 C. 10 Vgl. Neuhaus, Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, 1961, S. 614 f.; s. a. Kießling, JuS 1971, 285 (288). 8

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H. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Ergebnisse

Die die Beziehungen des derzeit geltenden Ausbildungsförderungsrechts zum familiären Unterhalt insgesamt prägende Familienabhängigkeit wird in der Regel durch eine schematische Anrechnung des Einkommens der Eltern bzw. des Ehegatten verwirklicht, unabhängig davon, ob ein kongruenter zivilrechtlicher Unter halts anspruch besteht oder nicht. Die - mögliche - Diskrepanz zur unterhaltsrechtlichen Verpflichtung begründet wohl eine "sittliche" aber keine entsprechende öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Im AusbFG wird diese Diskrepanz durch die Möglichkeit überbrückt, die Ausbildungshilfe voll zu gewähren und den Unterhaltsanspruch, soweit er besteht, überzuleiten. Da die Ausbildungsförderungsleistungen subsidiärfamilienabhängig sind, berührt die Möglichkeit, eine solche Leistung zu erhalten, nicht den jeweiligen Unterhaltsanspruch auf Ausbildung. Das Bestehen eines solchen Anspruches ist unabhängig von dieser Möglichkeit zu ermitteln. Ausbildungsförderungsleistungen sind zweckbestimmte Leistungen, die keine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit begründen. Zuschläge, die dem Unterhaltsträger eines Auszubildenden dessentwegen gewährt werden, führen zu einer relativen Steigerung der Leistungsfähigkeit, d. h. zu einer Leistungsfähigkeit, die ausschließlich dem Auszubildenden gegenüber zu bejahen ist. 14 Unterhalt und Wohngeld

Das Wohngeld, das den Familien auch bei unzureichendem Einkommen einen angemessenen Wohnraum sichern soll, steht mit dem familiären Unterhalt nur insoweit in Beziehung, als die durch wachsende Familiengröße steigenden Aufwendungen für einen angemessenen Wohnraum durch ein erhöhtes Wohngeld aufgefangen werden. Das erhöhte Wohngeld knüpft an einen bestimmten Inhalt der Unterhaltsverpflichtung an, nämlich an die Verpflichtung, den Unterhaltsberechtigten Unterkunft zu gewähren. Es steigert die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und ermöglicht diesem, den Wohnbedarf der Unterhaltsberechtigten zu befriedigen. Es ist eine zweckbestimmte Leistung, die für sonstige Unterhaltspflichten nicht einzusetzen ist. 15 Unterhalt und allgemeiner Familienlastenausgleich

Der allgemeine Familienlastenausgleich tritt in zwei Erscheinungsformen auf: als einheitliches, nur nach der Kinderzahl gestaffeltes, somit auch von dem Einkommen des Empfängers unabhängiges Kindergeld und als familienbezogene Steuerermäßigungen, die sich um so mehr auswirken, je höher die Steuerbelastung ist. Ausgangstatbestand des Kindergeldes ist die Belastung, die dem Empfänger dadurch entsteht, daß er seinen Kindern Unterhalt gewährt und daß dadurch sein

18. Kap.: Unterhalt und Sachsysteme sozialer Sicherung

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und seiner Familie Pro-Kopf-Einkommen sinkt. Ausgangstatbestand ist dabei, auch wenn die Leistung nur wegen eines von mehreren Kindern gewährt wird, wie z. B. das Kindergeld, das erst ab dem zweiten oder dritten Kind gezahlt wird, nicht der diesem einen Kinde, sondern der allen Kindern, also auch den sog. Zählkindern geleistete Unterhalt. Die familienbezogenen Steuerermäßigungen knüpfen ebenfalls dar an an, daß - in diesem Zusammenhang - der Steuerpflichtige Angehörigen Unterhalt gewährt. Dem Kindergeld und den familienbezogenen Steuerermäßigungen liegen aber unterschiedliche Motivierungen zu Grunde. Das Kindergeld ist insbesondere im Zusammenhang mit der Umverteilung zwischen den Generationen der Kinder, der Erwerbstätigen und der Alten zu sehen. Die Versorgung der Altengeneration geschieht über Sozialleistungen, sie ist" vergesellschaftet" worden. Da die jeweilige Altengeneration im Wege des Umlageverfahrens von der jeweiligen Generation der Erwerbstätigen "unterhalten" wird, da somit die heranwachsende Generation, die später einmal die Versorgung ihrer Elterngeneration übernehmen wird, das "Deckungskapital" der Versorgungsansprüche ihrer Elterngeneration ist, und da daher diejenigen, die keine Kinder aufziehen, einen entsprechenden Vorteil genießen, der darin besteht, daß sie ihre Alterssicherung zu Lasten derjenigen erhalten, die Kinder haben, soll das Kindergeld diese Benachteiligung Kinderreicher und die entsprechende Begünstigung Kinderarmer oder Kinderloser ausgleichen. Die familienbezogenen Steuerermäßigungen lassen sich auf den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zurückführen und berücksichtigen die durch Unterhaltsleistungen geminderte steuerliche Belastbarkeit. Bei beiden Formen des Familienlastenausgleichs handelt es sich um Leistungen an den Unterhaltsträger. Im Gegensatz zu den familienbezogenen Steuerermäßigungen ist jedoch das Kindergeld eine zweckbestimmte Leistung, da es zu nichts anderem als zu dem Unterhalt der Kinder zu verwenden ist. Kindergeld ist die Mindestsumme des den Kindern insgesamt geschuldeten Unterhalts. Das hat zur Folge, daß einmal Kindergeld grundsätzlich keinen Einfluß auf die Bedürftigkeit des Empfängers ausübt und daß zum andern Kindergeld eine nur relative, d. h. nur den Kindern gegenüber zu bejahende Steigerung der Leistungsfähigkeit herbeiführt. Kindergeld beseitigt andererseits aber, da es nicht den Kindern unmittelbar ausgezahlt wird, auch nicht die Bedürftigkeit des Kindes. Allerdings wird das Kindergeld auf den Unterhaltsanspruch des Kindes, den dieses gegen Dritte hat, zumindest teilweise angerechnet. Der Unterhaltsanspruch wird insoweit durch den vorrangigen Anspruch gegen den Empfänger des Kindergeldes ausgeschlossen.

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H. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Ergebnisse

2 Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und den Vorsorge systemen 21 Die Ausgangstatbestände

Die Vorsorgesysteme - d. h. also die Sozialversicherung mit Ausnahme der Unfallversicherung und die Beamtenversorgung mit Ausnahme der Unfallfürsorge - sichern die ihnen über die versicherungspflichtige Tätigkeit bzw. über das beamtenrechtliche Dienstverhältnis unmittelbar Zugeordneten gegen bestimmte typische Risiken wie Alter, Berufs-, Erwerbsunfähigkeit, Krankheit und - insoweit nur die Sozialversicherung - auch gegen Arbeitslosigkeit. Die Sicherung besteht entweder darin, daß das Diensteinkommen weiterhin gezahlt wird oder daß Sozialeinkommen gewährt werden, die das weggefallene Arbeitseinkommen substituieren. In Krankheitsfällen werden für die Sozialversicherten Sach- und Dienstleistungen, innerhalb der beamtenrechtlichen Beihilfe mit wachsender Familiengröße progressive Zuschüsse erbracht. Zu den das Arbeitseinkommen substituierenden Leistungen werden meistens Kinderzuschläge gezahlt, die jedoch, auch wenn sie von den Leistungsträgern der Vorsorgesysteme erbracht werden, Bestandteil des allgemeinen Familienlastenausgleichs sind und das allgemeine Kindergeld verdrängen. Nur vereinzelt sind bei diesen Leistungen zusätzliche Erhöhungen vorgesehen, wenn der Leistungsempfänger Angehörige unterhält. Diese Erhöhungen sollen Familien den für sie im Vergleich zu Ledigen deutlicher spürbaren Wechsel vom Arbeitseinkommen zu in der Regel erheblich niedrigerem Sozialeinkommen erleichtern. "Unterhaltsbedingte" Risiken liegen den Leistungen an Hinterbliebene des unmittelbar Gesicherten und den Leistungen zu Grunde, die diesem bei Krankheit seiner Angehörigen gewährt werden. Die Hinterbliebenenleistungen knüpfen an den durch den Tod des unmittelbar Gesicherten eingetretenen Verlust des Unterhaltsträgers an und ersetzen dem Hinterbliebenen diesen Unterhalt. Dabei wurden, wie auch sonst in den Vorsorgesystemen, bis zu dem Erlaß des Gleichberechtigungsgesetzes nur finanzielle Leistungen als "Unterhalt" anerkannt. Das Außerachtlassen des persönlichen Unterhalts wurde auch später noch mit der Systematik der Vorsorgesysteme verteidigt, da sie dem unmittelbar Gesicherten nur das z. B. in der Sozialversicherung mit Beiträgen belegte Arbeitseinkommen trotz des Eintritts bestimmter typischer Risiken erhalten sollten. Dennoch ist auch in den Vorsorgesystemen persönlicher Unterhalt dem finanziellen Unterhalt gleichgestellt worden. Soweit jedoch Leistungen in Folge des Wegfalls auch

18. Kap.: Unterhalt und Sachsysteme sozialer Sicherung

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persönlichen Unterhalts erbracht werden, ist die Einkommensorientierung der Vorsorgesysteme nicht - oder nur dem Scheine nach - durchbrochen, denn die Höhe der gewährten Leistung bestimmt sich in jedem Falle nur nach dem versicherten Einkommen. Die Hinterbliebenenleistungen ersetzen also den aus dem Arbeitseinkommen gewährten Unterhalt. Sie sind daher als Unterhaltsersatz Ersatz fremden Einkommens. Die Leistungen, die im Krankheitsfalle eines Angehörigen dem ausschließlich anspruchsberechtigten unmittelbar Gesicherten gewährt werden, tragen seiner in diesen Fällen erhöhten Unterhaltspflicht Rechnung und übernehmen, soweit Leistungen der Familienhilfe der Krankenversicherung in Frage stehen, diesen Unterhaltsmehrbedarf bzw. gewähren, soweit es sich um Leistungen der Beihilfe handelt, einen Zuschuß. Die Leistungen der Vorsorgesysteme sind abgesehen von den wiederaufgelebten Hinterbliebenenleistungen nicht subsidiär. Diese werden an Hinterbliebene gezahlt, deren nach dem Tode des unmittelbar Gesicherten geschlossene weitere Ehe aufgelöst wurde. Auf die wiederaufgelebten Leistungen werden u. a. Unterhaltsleistungen angerechnet, die dem Hinterbliebenen infolge Auflösung der weiteren Ehe gegen den (zweiten) Ehegatten zustehen. 22 Auswirkungen der Leistungen auf die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit

Soweit einer Person Leistungen der Vorsorgesysteme zustehen, ist sie nicht mehr bedürftig. Sie hat diese Leistungen auch im Rahmen ihrer Unterhalts verpflichtungen einzusetzen, grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich um einkommensersetzende oder um unterhaltsersetzende Leistungen handelt. Dies gilt ausnahmsweise nicht bei zweckbestimmten Leistungen. 23 Die Unterhaltsberechtigung als Kriterium der abgeleiteten bzw. abgeleitet-mittelbaren Zuordnung der Angehörigen

Auf Leistungen der Vorsorgesysteme ist, solange er lebt, grundsätzlich ausschließlich der unmittelbar Gesicherte anspruchsberechtigt. Dies trifft selbst für die Leistungen zu, die ihm im Hinblick auf eine Krankheit eines Angehörigen gewährt werden. Lediglich für bestimmte Ausnahmesituationen sind den Angehörigen eigene Bezugsberechtigungen eingeräumt. Erst nach dem Tode des unmittelbar Gesicherten wächst ihnen ein eigener Anspruch auf die Hinterbliebenenleistungen zu.

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11. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Ergebnisse

Die Sicherung, die die Vorsorge systeme den Angehörigen der unmittelbar Gesicherten gewähren, ist in zweifacher Weise von diesen abhängig. Sie ist grundsätzlich sowohl abgeleitet wie auch, solange der unmittelbar Gesicherte, und das heißt regelmäßig der Verdiener, lebt, mittelbar. Es ist eine abgeleitete Sicherung, da die Angehörigen nur deshalb gesichert sind, weil sie Angehörige eines Gesicherten sind. Das "Ob" der Sicherung liegt nicht in ihrer Person, sondern in der des Verdieners. Steht er in einem Beschäftigungsverhältnis und ist er daher sozial versicherungspflichtig, dann genießen auch seine Angehörigen den Schutz der Sozialversicherung. Steht er in einem beamtenrechtlichen Dienstverhältnis, dann sind über ihn seine Angehörigen in die beamtenrechtliche Versorgung mit einbezogen. Wechselt er etwa vom Angestellten- in das Beamtenverhältnis über, dann bringt dies auch für seine Angehörigen den gleichen Wechsel ihrer Sicherung mit sich. Ist er gar nicht gesichert, so sind auch seine Angehörigen ungesichert. Die abgeleitete Sicherung ist, solange der Verdiener lebt, auch mittelbar, d. h. sie wird erst über den Unterhaltsanspruch gegen den unmittelbar Gesicherten realisiert. Diese Mittelbarkeit der Sicherung wird auch bei der "Allokation der Risiken"ll deutlich. Bei der erst nachträglichen Einbeziehung der Angehörigen in das jetzige System gehobener sozialer Sicherung ging man davon aus, daß die "Ur"risiken der Angehörigen, wie die Bedürfnisse nach Verpflegung, Kleidung, Heilmitteln usw., abgedeckt werden durch ihre unterhaltsrechtlich gesicherte Teilhabe am Einkommen des Verdieners. Die Sicherung dieses Einkommens - auch für die Zeit nach seinem Tode - erschien als Schutz der Angehörigen grundsätzlich ausreichend, zumal die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Verdieners durch Leistungen der Familienhilfe der Krankenversicherung bzw. der Beihilfe oder durch Zuschläge auch bei den durch Angehörige verursachten Mehrbelastungen aufrecht erhalten werden sollte. So erscheint in den Vorsorgesystemen selbst der durch den Tod des Gesicherten eintretende Unterhaltsverlust zu Lasten der Angehörigen als Risiko des Gesicherten. Die Hinterbliebenensicherung knüpft an seine Sorge an, für den Ausfall seines Unterhalts zu Gunsten der Angehörigen vorzusorgen l 2.. Sie will ihn davon "freistellen"13, sie soll, wie es das RG formulierte l 4, "die sonst übliche Fürsorge des Ehemannes für seine künftige Witwe ersetzen".

Zum Ausdruck vgl. Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 17. Vgl. Rohwer-Kahlmann, Sozialversicherung, S. 120; Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 17. 13 BVerfGE 21, 329 (346). 14 RGZ 151, 187 (189). 11

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18. Kap.: Unterhalt und Sachsysteme sozialer Sicherung

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Die Sicherung der Angehörigen ist daher eng an die Person des Einkommensbeziehers geknüpft. Sein soziales Schicksal bestimmt weitgehend das der Angehörigen. Ihre persönlichen Risiken verblassen gegenüber der risikobehafteten - da vom persönlichen Schicksal des Verdieners und von dem Schicksal ihrer Beziehung zum Verdiener abhängigen - Sicherung durch Unterhalt. Die "Einkommensrisiken" des Verdieners, die zur Einkommenslosigkeit und zum Verfall des Lebensstandards führen können, also z. B. Krankheit, Invalidität und Arbeitslosigkeit, bedrohen nicht nur den Verdiener sondern auch seine Angehörigen. Ihre über den Unterhalt vermittelte Sicherung ist daher ebenso unsicher wie der Unterhalts träger seinen Risiken gegenüber anfällig ist. Dieses Risiko der Angehörigen ist jedoch in dem Ausmaß, wie der Verdiener an Stelle von Arbeitseinkommen Sozialeinkommen bezieht, entschärft. Die Sicherung des Verdieners gegen seine "Einkommensrisiken" bedeutet daher auch eine Sicherung der Angehörigen. Daher gibt es in der gehobenen sozialen Sicherung zu ihren Gunsten keinen Ausgangstatbestand: "Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsträgers" . Die "Allokation" der Risiken bei dem Verdiener läßt nicht der Einkommenslosigkeit des Angehörigen soziale Relevanz zukommen, sondern nur dem Verlust oder dem (drohenden) Ungenügen familiären Unterhalts, obgleich dieser Verlust oder das Ungenügen nur das bis dahin gesättigte Unterhaltsbedürfnis der Angehörigen als "Ur "risiko wieder aufleben läßt. Nicht die Einkommenslosigkeit sondern die Unterhaltslosigkeit ist das Risiko der Angehörigen. Ihre soziale Sicherung hat in den heutigen Vorsorgesystemen die Aufgabe, die unterhaltsrechtliche Sicherung durch den Verdiener abzusichern. Das Risiko, daß die unterhaltsrechtliche Sicherung versagt, ist in ihnen bei dem Verdiener und nicht bei den Angehörigen angesiedelt worden. Die doppelte Abhängigkeit der Sicherung der Angehörigen von dem unmittelbar Gesicherten beeinflußt auch das Ausmaß ihrer Sicherung. Soweit die Höhe der Leistungen nicht durch äußere Umstände, wie z. B. Krankheitskosten, bestimmt wird, richtet sie sich, insbesondere bei den Leistungen an Hinterbliebene, nach dem Sozialeinkommen, das dem unmittelbar Gesicherten zustand oder zugestanden hätte. Die Angehörigen erhalten jeweils einen bestimmten prozentualen Anteil hiervon, der Ehegatten in der Regel 60 %, die Kinder als Halbwaisen 10 bzw. 12 Ufo, als Vollwaisen 20 Ufo. Hält man sich diese Bestimmung des Ausmaßes der Leistungen an Hinterbliebene vor Augen, so kann man zusammenfassend für die durch den Unterhalt vermittelte soziale Sicherung der Angehörigen die

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II. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Ergebnisse

gleiche Feststellung treffen, mit der die rein unterhaltsrechtliche Sicherung gekennzeichnet worden war: Auch sie ist eine Funktion fremder Leistung. Diese Ausgestaltung der Sicherung führt zu einer weiteren Beziehung zwischen familiärem Unterhalt und Vorsorgesystemen. Die vorsorgende soziale Sicherung - dies gilt sowohl für die Sozialversicherung wie zeitlich früher auch für die Beamtenversorgungl 5' - beschränkte sich zunächst auf die Sicherung des Verdieners. Ihn schützte sie gegen die Risiken, die ihn in dieser Rolle gefährdeten. Daher ist die Auswahl der Ausgangstatbestände durch die Anknüpfung der "gehobenen" sozialen Sicherung an die entgeltliche Tätigkeit geprägt worden. Ziel der Sicherung war es, wenn man von der Krankenpflege absieht, dem Verdiener trotz des Eintritts typischer Risiken sein Einkommen zu erhalten. Insoweit war die Sicherung einkommensorientiert16 . Später, als die gehobene soziale Sicherung auf die Angehörigen ausgedehnt wurde, wurde ihre einkommensorientierte Konzeption beibehalten, so daß "die Sicherung der Familienangehörigen zu einem Annex einer am Einkommen orientierten Sicherung wurde"17. Die Einbeziehung der Angehörigen und die Aufrechterhaltung der Einkommensorientierung der Vorsorgesysteme wurde dadurch auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, daß man von der Funktion des Einkommens als Basis des familiären Unterhaltsverbandes ausging. Die Angewiesenheit der Angehörigen auf das Einkommen, ihre "Unterhaltsberechtigung gegenüber einem durch ein System gehobener sozialer Sicherung gesicherten Ehemann oder Vater" wurde, wie Zacher 18 es ausdrückt, neben der Rolle als "Verdiener" "zu einem (weiteren) personellen Konstitutionsprinzip gehobener sozialer Sicherung". Dieser Abhängigkeit der Sicherung der Angehörigen von dem Verdiener steht allerdings gegenüber, daß dieser unterhaltsrechtlich nicht nur verpflichtet ist, an Leistungen, soweit sie ihm zustehen, auch die Angehörigen teilhaben zu lassen, sondern daß er darüber hinaus auch für das Bestehen einer solchen Sicherung Sorge zu tragen hat. 15 Vgl. §§ 7, 69 ReichsbeamtenG. vom 31. März 1873 die erste umfassende Kodifikation des Beamtenrechts - s. a. Jacob, ZBR 1971, 68 (69 f.); Planken, S. 37; ausführlich nunmehr: Jacob, Witwenschaft, S. 29 ff. 16 Vgl. Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (141). 17 Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (141); s. a. Achinger, Sozialpolitik, S. 41: " ... die ganze ursprüngliche Konzeption erscheint durch eine ausgesprochene Familienfremdheit gekennzeichnet. Nur in Gestalt der ,Angehörigen' des Hauptverdieners und erst nachträglich, ja als unliebsame Störung der versicherungsmathematischen Rechnung tritt die Familie in die soziale Sicherung ein". 18 Sicherung der Frau, S. 0 9.

18. Kap.: Unterhalt und Sachsysteme sozialer Sicherung

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3 Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und den Entschädigungssystemen 31 Die Ausgangstatbestände

Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und den Entschädigungssystemen ähneln den eben besprochenen zwischen familiärem Unterhalt und den Vorsorgesystemen. Doch liegen ihnen trotz ihrer Ähnlichkeit im Detail, z. B. bei den Voraussetzungen der Hinterbliebenenrenten, zum Teil unterschiedliche Konzeptionen zu Grunde. Ausgangstatbestände der Entschädigungssysteme sind sozial relevante und als solche auch anerkannte Schäden, die der Allgemeinheit oder wie in der Unfallversicherung bestimmten Dritten zugerechnet werden19 • Solche Schäden können auch "unterhaltsbedingt" sein. So knüpfen z. B. einzelne Leistungen der Entschädigungssysteme an das durch die Schädigung eingetretene Unvermögen des Geschädigten an, seinen Angehörigen bestimmte Unterhaltsleistungen zu erbringen. Ihm wird beispielsweise, soweit er selbst im Krankheitsfalle gesichert wird, Krankenhilfe auch für seine Angehörigen gewährt. Während die Ausbildungsförderung sonst unmittelbar dem Auszubildenden selbst erbracht wird, gibt es einzig bei den Entschädigungssystemen mittelbare Ausbildungsförderungsleistungen, die dem geschädigten Elternteil des Auszubildenden zustehen. Im übrigen wird das durch die Schädigung verursachte Unvermögen, Unterhalt zu leisten, nicht gesondert berücksichtigt. Ihm wird in aller Regel durch die Entschädigungsleistungen an den Gesicherten vorgebeugt. Jedoch sind Familienzuschläge, die den Wechsel vom Arbeits- zum Sozialeinkommen mindern sollen, innerhalb der Entschädigungssysteme häufiger anzutreffen als innerhalb der Vorsorgesysteme. Ein weiterer "unterhaltsbedingter" Schaden ist der durch die Schädigung unmittelbar oder später eingetretene Verlust des Trägers finanziellen oder persönlichen Unterhalts. Dabei wird als Schaden nicht nur der Unterhalt gewertet, der während der vermutlichen Lebensdauer des Getöteten geleistet worden wäre, wie es z. B. im zivilen Schadensersatzrecht der Fall ist20 , sondern die Dauer der Leistungen ist hiervon grundsätzlich unabhängig. Sie werden den Hinterbliebenen mit Ausnahme der Kinder bis an ihr Lebensende gewährt. Eine Parallele hierzu besteht inzwischen auch im zivilen Schadensersatzrecht insoweit, als nach der Rechtsprechung als Schaden auch geltend gemacht 19 Vgl. Zum Verlust eines Unterhaltsanspruches als Vertreibungsschaden, BVerwGE 3, 13. 20 Vgl. § 844 Abs. 2 BGB.

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II. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Ergebnisse

werden kann, daß der Getötete entweder nicht oder nur in geringerem Maße für seine Angehörigen Vorsorge treffen konnte, wozu er unterhaltsrechtlich auch verpflichtet gewesen wäre. Die Leistungen der Entschädigungssysteme sind, abgesehen von denen der Kriegsopferfürsorge, nicht subsidiär-familienabhängig21 • Als weitere Ausnahme seien auch hier die wiederaufgelebten Hinterbliebenenleistungen genannt. 32 Auswirkungen der Leistungen auf die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit

Die Auswirkungen der Leistungen der Entschädigungssysteme auf die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit sind die gleichen wie die der Leistungen der Vorsorgesysteme. Soweit sie nicht subsidiär-familienabhängig sind, schließen sie die Bedürftigkeit aus. Sie sind im Rahmen der Unterhaltsverpflichtungen des Empfängers voll einzusetzen, sofern sie nicht ausnahmsweise zweckbestimmt sind. Dies gilt wiederum grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich um einkommens- oder um unterhaltsersetzende Leistungen handelt. 33 Die Unterhaltsberechtigung als Zuordnungskriterium

Die dem unmittelbar Geschädigten gegenüber bestehende Unterhaltsberechtigung ist das Zuordnungskriterium der Angehörigen auch zu den Entschädigungssystemen. Dabei gilt, was oben zur Zuordnung der Angehörigen zu den Vorsorgesystemen gesagt wurde. Sie erfolgt über den Unterhaltsanspruch gegen den Geschädigten. Sie ist abgeleitet-mittelbar. Auch die Hinterbliebenen eines an den Folgen der Schädigung Verstorbenen sind den Entschädigungssystemen abgeleitetunmittelbar zugeordnet. Kriterium ihrer Zuordnung ist ebenfalls wieder die Unterhaltsberechtigung. Der Verlust des Unterhaltsträgers führt zwar ebenso unmittelbar in die Entschädigungssysteme ein wie z. B. der Schaden am Eigentum oder an der Gesundheit. Aber der Schaden, den die Hinterbliebenen haben, resultiert aus der Schädigung des Unterhaltsträgers, es ist ein abgeleiteter, ein Folge-Schaden.

4 Die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und den Mischsystemen Als Mischsysteme können die Arbeitslosenhilfe und die Kriegsopferfürsorge angesehen werden. Die Arbeitslosenhilfe ist der Arbeitslosen21 u. U. kann jedoch der Erwerb eines Unterhaltsanspruches infolge Eheschließung zu einer Aussteuerung führen, vgl. zu § 13 Abs. 1, 3 BVFG BVerwGE 21, 75.

18. Kap.: Unterhalt und Sachsysteme sozialerS'icherun-g

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versicherung angeschlossen und ergänzt diese. Ihre Finanzierung beruht jedoch nicht auf Beiträgen der Begünstigten sondern ausschließlich auf staatlichen Mitteln. Die Kriegsopferfürsorge unterscheidet sich von der übrigen Kriegsopferversorgung durch ihre Aufgabenstellung. Sie soll zu den vorwiegend monetären, typisierten Hilfen der Kriegsopferversorgung zusätzliche, auf den Einzelfall abgestellte Hilfen, vornehmlich in besonderen Lebenslagen aber auch zum Lebensunterhalt gewähren22 • 41 Die Familienabhängigkeit der Leistungen

Abgesehen von diesen Unterschieden sind die Leistungen der beiden Mischsysteme auch subsidiär-familien abhängig, d. h. zu den übrigen Voraussetzungen wird auch gefordert, daß derjenige, der die Leistung begehrt, nicht von Angehörigen entsprechende Unterhaltsleistungen erhält bzw. erhalten kann. Im Arbeitslosenhilferecht wird die Subsidiarität zudem dadurch verwirklicht, daß die Einkommen der übrigen Mitglieder der Kernfamilie zusammengerechnet und Arbeitslosenhilfe nur dann gewährt wird, wenn die Gesamtsumme der Einkommen die Einkommensgrenzen nicht übersteigt. Diese Anrechnung setzt nicht voraus, daß die Angehörigen in dem Ausmaß, in dem ihr Einkommen berücksichtigt wird, unterhaltspflichtig sind. Soweit sich jedoch dadurch Abweichungen zum Unterhaltsrecht ergeben, führt dies nicht zu zusätzlichen Unterhaltspflichten der Angehörigen, sondern allenfalls dazu, daß der Arbeitslose weder Arbeitslosenhilfe noch Unterhalt erhält und u. U. auf Sozialhilfe angewiesen ist. In den Fällen, in denen Einkommen der Angehörigen nicht angerechnet wird, kann - und das trifft auch für die Kriegsopferfürsorge zu - die Leistung zunächst unabhängig von dem Bestehen eines Unterhalts anspruches gewährt und dieser, falls er besteht, auf den Leistungsträger übergeleitet werden. 42 Die Auswirkungen der Leistungen auf die unterhaItsrechtliche Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit

Soweit die Leistungen der bei den Mischsysteme subsidiär-familienabhängig sind, schließen sie die Bedürftigkeit nicht aus. Der Unterhaltsanspruch wird vielmehr auf den jeweiligen Sozialleistungsträger übergeleitet. Die nicht subsidiären Leistungen mindern oder beseitigen die Bedürftigkeit. Arbeitslosenhilfe ist von ihrem Empfänger im Rahmen seiner Unterhaltspflichten ebenso wie das Einkommen einzusetzen, das sie surrogieren. Die Leistungen der Kriegsopferfürsorge sind zweckbestimmte Leistungen, die bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit 22

Zur "Unterhaltsersatzfunktion" der KOF, BVerwGE 28, 318 (321).

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Ir. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Ergebnisse

des Empfängers außer Anrechnung bleiben. Sie führen allenfalls dann zu einer relativen Steigerung der Leistungsfähigkeit, wenn es sich wie z. B. bei der Erziehungsbeihilfe, um mittelbar zweckbestimmte Leistungen handelt.

19. Kapitel

Der Unterhaltsverhand und die Leistungen der sozialen Sicherheit Aus dem gleichen Grunde, aus dem eine (zusammenfassende) Betrachtung der Beziehungen zwischen den einzelnen Sachsystemen sozialer Sicherung zum familiären Unterhalt notwendig erschien, soll nun auch eine (zusammenfassende) Betrachtung des sozialrechtlich-relevanten Unterhaltsverbandes erfolgen, denn bisher ist der Kreis der als Angehörige berücksichtigten Personen immer nur im Zusammenhang mit den einzelnen Arten der Beziehungen zwischen Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit erörtert worden. Bei der Betrachtung des sozialrechtlich-relevanten Familienverbandes stehen zwei Gesichtspunkte im Vordergrund: einmal der sozialrechtlich-relevante Unterhaltsverband und zum andern die Einwirkung des Sozialrechts auf den familiären Unterhaltsverband.

1 Der sozialrechtlich-relevante Unterhaltsverband Die Frage nach dem im Sozialrecht relevanten Unterhaltsverband läßt sich in zwei Unterfragen aufgliedern, in die Frage nach dem in den Einzelsystemen relevanten Unterhaltsverband und in die Frage nach seinen einzelnen Mitgliedern. Da von einem "Unterhaltsverband" gesprochen wird, ist es, da das bürgerliche Recht Unterhaltsbeziehungen nur zwischen einzelnen Personen, nicht aber im eigentlichen Sinne einen "Unterhaltsverband" kennt, notwendig, diesen Begriff näher zu bestimmen. Der Unterhaltsverband setzt sich aus den Personen zusammen, die zu der Person, von der sozialrechtlich auszugehen ist, etwa weil sie Sozialhilfe beantragt hat oder weil sie alleine unmittelbar gesichert ist, in einer Unterhaltsbeziehung stehen, wobei diese Beziehung (a) fiktiv, d. h. rechtlich oder tatsächlich nur möglich, (b) rechtlich, aber nicht tatsächlich vorhanden, oder (c) tatsächlich vorhanden sein und (aa) auf rechtlicher Verpflichtung oder (bb) auf freiwilliger Basis beruhen kann.

19. Kap.: Unterhaltsverband und Sozialleistungen

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11 Der in den Einzelsystemen relevante Unterhaltsverband

Im Sozialrecht haben wir es mit in ihrer Zielsetzung grundverschiedenen Sozialleistungssystemen zu tun. Allein die Ausgleichssysteme sind ein Bündel verschiedener Zielsetzungen. So soll die Sozialhilfe "Ausfallbürge" des gesamten Systems sozialer Sicherung sein; die Jugendhilfe das Recht auf Erziehung gewährleisten, das Wohngeld das Mindestmaß an Wohnraum sicherstellen, die Ausbildungsförderung gleiche Ausbildungschancen eröffnen und der Familienlastenausgleich familienbedingte Lasten ausgleichen. Die Vorsorgesysteme sollen gegen typische Risiken absichern und im Risikofall den Lebensstandard erhalten. Entschädigungssysteme sollen gesellschaftlich bedingte Schäden ausgleichen. Von dieser Zielsetzung abhängig ist der jeweils relevante Familienverband.

111 Ausgleichssysteme Bei der subsidiär-familienabhängigen Sozialhilfe wird zumindest der rechtlichen Ausgestaltung nach der Ausfall des gesamten Unterhaltsverbandes vorausgesetzt, bevor sie einspringt. Das sich aus ihrer Abhängigkeit von dem Unterhalt ergebende "Entweder - Oder" zwischen diesen beiden Leistungen führte in der Vergangenheit häufig zu Bestrebungen, das Unterhaltsrecht auszuweiten, um auf diese Weise Sozialhilfe einzusparen. Wenn sich auch diese Bestrebungen nicht alle durchgesetzt haben, wie etwa der Versuch, eine Unterhaltspflicht zwischen Geschwistern einzuführen, kann doch festgestellt werden, daß die Ausgestaltung des Unterhaltsrechtes die Interessen der Fürsorge bzw. der Sozialhilfe in einem hohen Maße berücksichtigt hat. Heute verläuft die Entwicklung jedoch eher in umgekehrter Richtung. Es ist inzwischen fast allgemein anerkannt, daß die Interessen der Sozialhilfe für die Beantwortung der Frage, ob zwischen zwei Personen Unterhaltsbeziehungen bestehen sollen, nicht maßgeblich sein können. Die Praxis der Sozialhilfeträger mißt der Tatsache, daß dem Gesetz nach zwischen zwei Personen Unterhaltsbeziehungen bestehen können, nicht mehr allein entscheidende Bedeutung zu. Die Inanspruchnahme muß auch zumutbar sein, sie darf keine unbillige Härte darstellen. So konzentriert sie sich mehr und mehr auf die Personen, die der Gesetzgeber im BSHG zur "Bedarfsgemeinschaft" zusammengefaßt hat und deren gesteigerte Verpflichtung auch im Unterhaltsrecht statuiert ist. Dies sind die Ehegatten untereinander 1 und die Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern!. Auch nach der Scheidung. s. a. Landfermann, Der Kreis der unterhaltspflichtigen Personen im europäischen Familien- und Sozialhilferecht, RabelsZ 1971, 505 ff. 1

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17 Ruland

258

Ir. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Ergebnisse

Im Jugendhilferecht werden lediglich die Eltern, soweit es ihnen zumutbar ist, zu den Kosten der Jugendhilfe herangezogen. Auch die Leistungen der Ausbildungsförderung sind fast ausschließlich subsidiär nur gegenüber Unterhaltsleistungen der Eltern bzw. des Ehegatten des Auszubildenden. Bei der Graduiertenförderung wird nur Einkommen des Ehegatten angerechnet. Das Wohngeldrecht hat den wohl umfassendsten Familienbegriff, der Verschwägerte bis hin zum dritten Grad in der Seitenlinie erfaßt. Dem liegt das Ziel zu Grunde, möglichst in jedem Falle den Haushaltsgemeinschaften den notwendigen Mindestbedarf an Wohnraum zu sichern, unabhängig davon, ob diese in ihrer Zusammensetzung typisch oder atypisch sind. Den allgemeinen Familienlastenausgleich kann man als "Kinderlastenausgleich" apostrophieren, denn er gewährt nur Leistungen für Kinder und ihnen gleichgestellte Personen. Familienbezogene Erhöhungen von Sozialleistungen, die meistens den Wechsel von Arbeitszu Sozialeinkommen auffangen sollen, sind je nach System wegen verschiedener Personen vorgesehen. Das Krankengeld beispielsweise erhöht sich für jeden "Angehörigen", den der Gesicherte unterhält bzw. zu unterhalten hat. Dabei zählen zu den Angehörigen außer dem Ehegatten alle Verwandten und Verschwägerten. Im übrigen werden bei solchen Erhöhungen nur der Ehegatte und die Kinder berücksichtigt. Im Steuerrecht ist der Kreis der relevanten Unterhaltsbeziehungen wieder weiter gezogen. Ehegatten können in den Genuß des SplittingEffektes bei der Zusammenveranlagung kommen. Der Kinder wegen sind Freibeträge eingeräumt. Sonstige Unterhaltsleistungen auf Grund rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung führen zu Einkommensfreibeträgen. Darüber hinaus können Unterhaltsleistungen gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen grundsätzlich nicht von der Steuer abgezogen werden; Unterhaltsleistungen an sonstige Personen überhaupt nur dann, wenn sie Leibrenten gleichgestellt werden können.

112 Vorsorgesysteme Der Kreis der berücksichtigten Angehörigen wird in den Vorsorgesystemen durch deren Beschränkung auf typische Risiken begrenzt. Die Notwendigkeit der Typisierung ergibt sich einmal allgemein daraus, daß der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität der Gesetze Typen bilden mußa, zum andern bei der Sozialversicherung etwa speziell daraus, daß sie sich als Pflichtversicherung auf sozialtypische "gängige"4 Risiken beschränken muß, deren Absicherung dem Gesi3 Vgl. dazu etwa Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 29 f., 40; Zacher, AöR Bd. 93, 341 (377); s. hierzu u. 20. Kap., Text zu Anm. 39. 4 Achinger, Sozialpolitik, S. 117.

19. Kap.: Unterhaltsverband und Sozialleistungen

259

cherten gegenüber, der ja die Kosten zu tragen hat, auch zumutbar sein muß. Daraus folgt, daß z. B. die Hinterbliebenensicherung nicht jeden nur möglichen Unterhaltsverlust auffangen kann und soll. So wurde gegen die Einführung einer Elternrente in der Rentenversicherung, die als Anpassung der RVO an die gesetzliche Unterhaltspflicht gefordert wurde 5 , vorgebracht, daß der Tod von Söhnen, welche bis dahin ihre Eltern unterhalten haben, in normalen Zeiten, mit denen die Rentenversicherung - im Gegensatz zur Kriegsopferversorgung - zu rechnen habe, nur selten vorkomme 6 • Andererseits rechtfertigt die Häufigkeit bestimmter, rechtlich nicht gebotener, tatsächlich aber erbrachter Unterhaltsleistungen die Einbeziehung ihrer Empfänger in den Kreis der zu berücksichtigenden Angehörigen. Zu denken ist hier vor allem an Stief- und Pflegekinder1 • In den Vorsorgesystemen ergibt sich die Beschränkung auf bestimmte Angehörige auch noch daraus, daß diese Systeme von den einzelnen Generationen in ihrer zeitlichen Abfolge durchlaufen werden und daß daher die unterhaltsberechtigten Verwandten aufsteigender Linie regelmäßig selbst versorgt und - so schließt sich der Kreis - daher auch nicht mehr typische Mitglieder des Unterhaltsverbandes sind. Betrachtet man den Kreis der in den Vorsorgesystemen mittelbar gesicherten Angehörigen, dann stellt man auch hier fest, daß es sich ausschließlich um gesteigert unterhaltsberechtigte Personen handelt, d. h. um den Ehegatten und um unterhaltsberechtigte Kinder, denen Stief- und Pflegekinder gleichgestellt sind. Hinzu kommt in der Hinterbliebenensicherung noch der geschiedene Ehegatte8 • Abg. Friese-Korn, BT-Sten. Ber. II/lO 349 A. Vgl. BT-Dr. II/ zu 3080 - Bericht des Abg. SchüttZer, zu § 1267 - S. 14; aus diesen Gründen wurde auch ein Antrag der BHE-Fraktion auf Einführung einer Geschwisterrente (vgl. Abg. FinseZberger, BT-Sten. Ber. II/lO 350 B) abgelehnt (vgl. BT-Dr. II/ zu 3080, S. 14); s.a. Abg. Friese-Korn, BTSteno Ber., II, 10 350: "Aber weil wir keine Ausweitung der gesetzlichen Unterhaltspflicht wollen, können wir uns dem Antrag des BHE nicht anschließen". 1 Vgl. etwa BVerfGE 17, 38 (46): "Hingegen ist die Abgrenzung des Kreises der Berechtigten folgerichtig, ... , denn berechtigt sind neben den gesetzlich Unterhaltsberechtigten nur Stief- und Pflegekinder, die meist (Hervorhebung vom Verfasser) tatsächlich unterhalten werden". 8 Vgl. Z. B. BVerwGE 32, 99 (100): "In die beamtenrechtliche Alimentierung ist aber grundsätzlich nur die Kleinfamilie einbezogen; ein Beitrag zum Unterhalt anderer Personen kann grundsätzlich nicht von dem Dienstherrn verlangt werden. Welche Personen in die zu alimentierende Kleinfamilie einzubeziehen sind, steht grundsätzlich im Ermessen des Gesetzgebers".; S. a. Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 25: "Bei der Abgrenzung (des Kreises der Hinterbliebenen) muß der Gesetzgeber die Strukturen der Gesellschaft, die er vorfindet, berücksichtigen. Er muß funktionsgerecht handeln. Funktionsgerecht handeln heißt natürlich, daß der Staat sich grundsätzlich darauf beschränken kann, die Angehörigen der Kleinfamilie zu berücksichtigen" . 5

6

17'

260

H. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Er,gebnisse

Die spezielle agrarpolitische Zielsetzung9 des GAL hat diesen Kreis noch weiter verengt. Altersgeld erhalten nur die Witwen und Witwer ehemaliger landwirtschaftlicher Unternehmer10 • Dies deshalb, weil das Gesetz bezweckt, durch die materielle Besserstellung der Altenteiler einschließlich ihrer Witwen - den landwirtschaftlichen Unternehmern den Entschluß zu erleichtern, den Betrieb an Jüngere abzugeben, um so einer überalterung der landwirtschaftlichen Unternehmerschaft entgegenzuwirken.

113 Entschädigungssysteme In den Entschädigungssystemen hingegen ist der Kreis der begünstigten Personen weiter gezogen. Ein Beispiel hierfür liefert die Unfallversicherung. Sie soll auch Haftpflichtansprüche gegen die versicherten Unternehmer ablösen, und ist für diese so auch eine Haftpflichtversicherungl l . Diesem Zweck und dem Ausschluß der Geltendmachung von Ersatzansprüchen einerseits entspricht andererseits ein weiter gezogener Kreis potentieller Leistungsempfänger. So können auch Verwandte der aufsteigenden Linie, Stief- und Pflegeeltern, die der Verstorbene aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall unterhalten hätte, Hinterbliebenenrente erhalten. Das Beamtenrecht weist für den Dienstunfall ähnliche Regelungen auf 12 , ebenso das Verfolgtenversorgungsrecht13 • Noch weiter ist der Kreis der im Kriegsopferversorgungsrecht begünstigten Personen gezogen. Abgesehen von der auch hier vorgesehenen "Elternrente" kann auch Verlobten im Wege des Härteausgleichs gern. § 89 BVG eine sogenannte Bräuteversorgung gewährt werden. Eine Versorgung der Lebensgefährtin kennt, anders z. B. als das österreichische Kriegsopferversorgungsrechtt4, das BVG nicht. Die in § 25 BVG umrissene Aufgabe der Kriegsopferfürsorge, wonach diese sich der Beschädigten und Hinterbliebenen in allen Lebenslagen anzunehmen und ihnen behilflich zu sein hat, die Folgen der erlittenen Schädigung oder des Verlustes des Ernährers nach Möglichkeit zu überwinden oder zu mildern, hat zu der generalklauselartigen Bestimmung des § 4 Abs. 1 Ziff. 5 der KOF-VO geführt, nach der als "Familienmitglieder von Beschädigten ... Personen gelten, deren Ausschluß eine offensichtliche Härte bedeuten würde". 9 S. o. 4. Kap., 10 § 1 Abs. 1

Text zu Anm. 69. GAL; nicht mehr die geschiedenen Ehegatten, s. o. 10. Kap., Anm. 55; dazu LSG SchI. Holst., SGb 1968,258; s. jedoch Einleitung! 11 Vgl. §§ 636, 637 RVO. 12 Einerseits § 151 Abs. 2 BBG (Ausschluß der Ersatzansprüche), andererseits § 145 BBG (Unterhaltsbeitrag für Verwandte aufsteigender Linie). 13 § 17 Abs. 1 Nr. 5, 6 BEG. 14 Vgl. WUke, § 38 Erl. I, 2.

19. Kap.: Unterhaltsverband und Sozialleistungen

261

12 Die einzelnen Mitglieder

des sozialrechtlich-relevanten Unterhaltsverbandes 121 Die Ehegatten

Die Ehegatten sind in allen Fällen Mitglieder des sozialrechtlichrelevanten Unterhaltsverbandes. Das gilt sowohl dann, wenn Sozialleistungen an oder für sie gewährt werden, wie auch dann, wenn ein Ehegatte Sozialhilfe oder eine andere subsidiäre Sozialleistung erhält bzw. erhielt. In diesem Falle gehört der andere Ehegatte zu den gesteigert vorrangig Verpflichteten, die entweder mit dem Bedürftigen zu einer Bedarfsgemeinschaft zusammengefaßt werden oder deren Einkommen, weitgehend unabhängig davon, ob eine entsprechende Unterhaltspflicht besteht, angerechnet wird. Leben die Ehegatten getrennt, dann entfällt die qualifizierte Verpflichtung. An ihre Stelle tritt, sofern trotz des Getrenntlebens eine Unterhaltsbeziehung besteht, die Inanspruchnahme etwa nach überleitung des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger. Werden an oder für den Ehegatten Leistungen gewährt, dann kann die Zugehörigkeit des Ehegatten zu dem sozialrechtlich-relevanten Unterhaltsverband alternativ oder auch kumulativ auf vier Kriterien beruhen: -

auf einer typisierten Unterhalts beziehung, d. h. unabhängig davon, ob er unterhaltsberechtigt ist oder war und ob er Unterhaltsleistungen tatsächlich erhielt oder erhält;

-

auf der Tatsache, daß die Ehegatten nicht getrennt leben, wobei die Frage der Unterhaltsberechtigung und des tatsächlichen Erhalts von Unterhaltsleistungen unerheblich ist;

-

auf der rechtlichen Verpflichtung, Unterhalt zu leisten, wobei wegen der Gegenseitigkeit der Unterhaltsbeziehungen zwischen den Ehegatten das Vorliegen einer solchen Verpflichtung durch Saldierung ermittelt wird, d. h. der Ehegatte, der bei der Gegenüberstellung der jeweils zu leistenden Unterhaltsbeiträge einschließlich des persönlichen Unterhalts weniger zu leisten hat als der andere, ist unterhaltsberechtigt;

-

und schließlich auf einer zwischen den Ehegatten tatsächlich bestehenden Unterhaltsbeziehung, deren Vorliegen ebenfalls durch Saldierung festgestellt wird und an deren Ausmaß bestimmte weitere Voraussetzungen geknüpft sein können, die aber in aller Regel unabhängig ist von einer entsprechenden rechtlichen Verpflichtung.

Die Voraussetzungen insbesondere der Hinterbliebenenrenten bzw. -pensionen unterscheiden zwischen den Ehegatten. Hinterbliebenen-

262

H. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Erg,ebnisse

leistungen an die Ehefrau werden, obwohl ihnen Unterhaltsersatzfunktion zukommt, beinahe ausnahmslos auf Grund einer typisierten Unterhaltsbeziehung gewährt, d. h. also unabhängig davon, ob der Tod des Ehemannes für die Frau einen Verlust an Unterhalt mit sich brachte oder nicht, d. h. weiter unabhängig auch davon, ob sie ausreichendes eigenes Einkommen hat oder ob sie z. B. ungerechtfertigt getrennt lebte. Nur in der Beamtenversorgung ist der Witwer der Witwe gleichgestellt. Im übrigen werden Leistungen für den Witwer nur dann gewährt, wenn die Ehefrau ihn bzw. die Familie überwiegend unterhalten hatte. Leistungen im Krankheitsfalle werden in den meisten Systemen ohne Rücksicht darauf erbracht, ob der Ehegatte unterhaltsberechtigt ist. Vorausgesetzt ist nur, daß er keine eigene Sicherung für den Krankheitsfall hat. Wichtigste Ausnahme ist hierzu die Familienhilfe der gesetzlichen Krankenversicherung, die nur den unterhaltsberechtigten Ehegatten mitsichert. Vereinzelt nur beruhen die Zuschläge, die wegen des Ehegatten eingeräumt sind, auf einer typisierten Unterhaltsbeziehung, so z. B. der Ehegattenzuschlag für Schwerbeschädigte im Kriegsopferversorgungsrecht oder die Erhöhung der Altersrente für verheiratete Landwirte. Allein die Tatsache des Zusammenlebens der Ehegatten entscheidet darüber, ob sie durch die steuerliche Zusammenveranlagung in den Genuß des Splittings kommen können und ob für den Ehegatten Zuschläge zum Arbeitslosengeld bzw. zur Arbeitslosenhilfe oder zur Unterhaltshilfe nach dem LAG gezahlt werden. Ehegatten, die getrennt leben, zwischen denen aber dennoch eine Unterhaltsbeziehung besteht, kommen nicht in den Genuß dieser Zuschläge. Auf die Unterhaltsberechtigung des Ehegatten wird nur relativ selten abgestellt. Beispiele dafür sind die Familienhilfe in der Krankenversicherung und das USG, das für Leistungen an den Ehegatten entweder dessen Unterhaltsberechtigung oder Unterhaltsleistungen an ihn voraussetzt. Tatsächliche, überwiegende Unterhaltsleistungen der Ehefrau sind mit Ausnahme der Beamtenversorgung Voraussetzung der Leistungen an den Witwer. Ansonsten wird lediglich für die Erhöhung des Krankengeldes die überwiegende Unterhaltsgewährung durch den Versicherten gefordert.

122 Die Kinder Kinder gehören maximal bis zu ihrem 25. bzw. 27. Lebensjahr ebenfalls in allen Systemen bis auf eines zu dem sozialrechtlich-relevanten

19. Kap.: Unterhaltsverband und Sozialleistungen

263

Familienverband. Diese Ausnahme ist die Altershilfe für Landwirte. In ihr sind Leistungen für Waisen nicht vorgesehen. Wenn im Sozialrecht von Kindern die Rede ist, ist es immer ein Sammelbegriff. Kinder sind die Personen, die als Kinder "gelten" und das sind außer den ehelichen die für ehelich erklärten, die adoptierten, die nichtehelichen Kinder sowohl im Verhältnis zur Mutter als grundsätzlich auch zum Vater; in den meisten Fällen auch Stief- und Pflegekinder, Geschwister und Enkel. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr werden Leistungen für oder an die ehelichen, die für ehelich erklärten und die adoptierten Kinder in fast allen Fällen ohne weitere Voraussetzung gewährt, wobei es unerheblich ist, ob unmittelbar gesichert der Vater oder die Mutter ist bzw. war. Das gleiche gilt bei nichtehelichen Kindern im Verhältnis zu ihrer Mutter. Wichtigste Ausnahme ist die Familienhilfe der Krankenversicherung, in der die mittelbare Sicherung von der Unterhaltsberechtigung abhängig ist. Lediglich dort, wo entweder ein Verwandtschaftsverhältnis nicht besteht, wie bei dem Stiefkind, dem Pflegekind oder - wie bisher - bei dem "unehelichen" Kind im Verhältnis zu seinem Vater, oder wo verwandtschaftliche Beziehungen zwar bestehen, ihnen aber keine sozialtypischen Unterhaltsbeziehungen entsprechen, wie bei Geschwistern oder Enkeln, wird fast immer auf das Bestehen einer tatsächlichen Unterhalts be ziehung abgestellt. Dies erfolgt uneinheitlich sowohl hinsichtlich der einzelnen Kindschaftsverhältnisse als auch hinsichtlich der einzelnen Systeme. Doch läßt sich insgesamt etwa folgende Abstufung erkennen: Bei dem Stief- und Pflegekind genügt regelmäßig die Aufnahme in die Wohnung, aus der allerdings von vielen eine vertragliche Unterhaltsbeziehung gefolgert wird; Enkel und Geschwister müssen in den Haushalt des unmittelbar Gesicherten aufgenommen und von diesen ganz oder überwiegend unterhalten worden sein. Zu bemerken ist noch, daß das Beamtenversorgungsrecht Stief- und Pflegekinder überhaupt nicht berücksichtigt. Die Voraussetzungen, unter denen Leistungen an oder für nichteheliche Kinder im Verhältnis zu ihrem Vater gewährt werden, reichen von der Feststellung der Unterhaltspflicht des Vaters bis hin zur Gewährung des vollen Unterhalts. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres zählen die "Kinder" nur noch dann zu dem Unterhaltsverband ihrer Eltern, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden oder aus sonstigen sozial anerkannten Gründen an einer Erwerbstätigkeit gehindert sind. Dabei ist neuerdings bei den Kindern, für oder an die Leistungen auf Grund der typisierten Unterhaltsbeziehung erbracht werden, nicht einmal entscheidend, ob sie verheiratet sind, und wenn ja, ob ihr Ehegatte zur Unterhaltsleistung imstande ist.

264

H. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Ergebnisse

Das Sozialhilferecht faßt minderjährige, unverheiratete Kinder mit ihren Eltern zu einer Bedarfsgemeinschaft zusammen und es gewährt Sozialhilfe nur dann, wenn das gemeinsame Einkommen nicht ausreicht, den gemeinsamen Bedarf zu decken. Die Einbeziehung der Eltern in die Bedarfsgemeinschaft erfolgt bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nur, wenn die Kinder dem Haushalt ihrer Eltern angehören. Sind die Kinder volljährig, dann entfällt deren qualifizierte Inanspruchnahme. Im Ausbildungsförderungsrecht und im Arbeitslosenhilferecht wird - unabhängig von dem jeweiligen Ausmaß der Unterhaltspflicht - Einkommen der Eltern auf die Sozialleistung angerechnet; dies auch dann, wenn die Kinder volljährig sind. Soweit die Inanspruchnahme von Großeltern nicht schon gesetzlich ausgeschlossen ist, wie im Ausbildungsförderungsrecht, wird sie kaum noch praktiziert. 123 Die Eltern

Soweit zwischen Eltern und Kindern rechtliche Unterhaltsbeziehungen bestehen, können Kinder, wenn ihre Eltern subsidiäre Sozialleistungen bezogen bzw. beziehen, als vorrangig Verpflichtete in Anspruch genommen werden. Besondere Berücksichtigung finden sie allerdings nur im Arbeitslosenhilferecht. In ihm wird das Einkommen des Kindes zu bestimmten Sätzen auf die Arbeitslosenhilfe der Eltern oder des Elternteils angerechnet. Im übrigen stehen die Kinder rechtlich den spruch genommen werden. Besondere Berücksichtigung finden Sie allerdings häufiger als diese herangezogen. Erhalten Großeltern oder noch weiter entfernte, aber dennoch unterhaltsberechtigte Verwandte subsidiäre Sozialleistungen, dann wird auf die rechtlich mögliche Inanspruchnahme der Enkel regelmäßig verzichtet. Leistungen für oder an Eltern sind relativ selten. Elternrenten sehen lediglich die Entschädigungssysteme unter erschwerten Voraussetzungen vor. Zu den gegen Krankheit mitgesicherten Angehörigen zählen die Eltern fast nie. Die Belastung, die der den Eltern gewährte Unterhalt mit sich bringt, wird im Steuerrecht durch einen Freibetrag und im Krankenversicherungsrecht durch eine Erhöhung des Krankengeldes berücksichtigt. Sie führt bei Beamten zu einer Erhöhung des Ortszuschlages.

124 Der frühere, insbesondere der geschiedene Ehegatte Dem geschiedenen Ehegatten sind im gesamten Sozialrecht die Ehegatten aus nichtigen oder aufgehobenen Ehen gleichgestellt. Das Sozialrecht reagiert auf die Scheidung in zweifacher Weise. In der Krankenversicherung werden - unabhängig von einer fortbestehenden Unterhaltspflicht - beide frühere Ehegatten verselbständigt.

19. Kap.: Unterhaltsverband und Sozialleistungen

265

Der geschiedene Ehegatte kann seine Mitgliedschaft wie ein Mitglied fortsetzen; dafür steht dem unterhaltspflichtigen Ehegatten für ihn kein Anspruch auf Familienhilfe oder Beihilfe zu. In den Alterssicherungssystemen ist hingegen die unterhaltsrechtliche Bindung des geschiedenen Ehegatten maßgeblich, d. h. er erhält regelmäßig ohne daß zwischen "Witwe" oder "Witwer" unterschieden würde - nur dann Hinterbliebenenrente, wenn er von dem früheren Ehegatten Unterhalt beanspruchen konnte oder bezogen hatte. Nur wenn keine Witwenrente zu gewähren ist, kann er in den Rentenversicherungen auch ohne diese Unterhaltsbeziehung Rente erhalten, wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Leistungsunfähigkeit des Versicherten nicht bestand. Im übrigen sind Unterhaltsleistungen an den früheren Ehegatten sozialrechtlich irrelevant, mit Ausnahme des Steuerrechts. Ihretwegen wird ein Einkommensfreibetrag eingeräumt. Leistungen an den nicht unterhaltsberechtigten Ehegatten können, wenn sie einer Leibrente gleichkommen und durch gerichtlich oder notariell beurkundeten Vertrag auf längere Zeit zugesichert sind, als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden. Von dieser einen Ausnahme abgesehen, kann man sagen, daß der geschiedene Ehegatte im Sozialrecht zwar nicht zu den "Angehörigen" i. S. der RVO wohl aber zu den Hinterbliebenen rechnet11i•

125 Nicht unterhaltsberechtigte oder -verpflichtete Personen Die Gewährung subsidiärer Sozialleistungen wird in keinem Fall von Unterhaltsleistungen überhaupt nicht dazu Verpflichteter abhängig gemacht. Das trifft auch für die Sozialhilfe zu. Zwar spricht eine gesetzliche Vermutung dafür, daß Hilfsbedürftige, die mit Verwandten oder Verschwägerten in einem Haushalt oder die in einer ehe ähnlichen Gemeinschaft leben, von den Partnern der Haushaltsgemeinschaft die notwendige Hilfe erhalten. Diese Vermutung ist aber widerlegbar. Allerdings werden tatsächlich erbrachte Unterhaltsleistungen insbesondere dann, wenn sie auf vertraglicher oder sittlicher Verpflichtung beruhen, als eigenes Einkommen des Berechtigten berücksichtigt16. Tatsächlich erbrachte Unterhaltsleistungen oder Unterhaltsverträge sind denn auch die einzigen Kriterien, auf Grund derer Leistungen an oder für nicht unterhaltsberechtigte Personen gewährt werden. An Per15 Der geschiedene Ehegatte zählt jedoch nicht zu den "echten Hinterbliebenen". Sie konnten daher keine Mitgliedschaft nach Art. 2 § 4 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Rentner begründen, vgl. SG Darmstadt,

ZfF 1965, 154. 18

Vgl. BVerwGE 23, 255 (257).

266

H. 4. Abschn.: Zusammenfassung und Ergebnissi!

sonen, die in Betracht kommen, waren bereits genannt worden: Stiefund Pflegekinder, die bei Aufnahme in die Wohnung, und Geschwister, die bei Aufnahme in die Wohnung und überwiegender Unterhaltsgewährung als "Kinder" gelten, außerdem der frühere, nicht unterhaltsberechtigte Ehegatte. Im übrigen werden nicht unterhaltsberechtigte Personen nur in Ausnahmefällen berücksichtigt, so etwa bei dem Krankengeld, das für jeden "Angehörigen", den der Versicherte überwiegend unterhält, erhöht wird, wobei als "Angehörige" alle Verwandten und Verschwägerten verstanden werden, oder im Steuerrecht, in dem Unterhaltsleistungen, denen sich der Steuerpflichtige aus sittlichen Gründen nicht entziehen kann, zu Einkommensfreibeträgen führen. Sittliche Unterhaltspflichten bestehen insbesondere gegenüber nicht unterhaltsberechtigten Verwandten und gegenüber Verschwägerten. Der Partner der eheähnlichen Gemeinschaft wird in keinem Fall zu den Angehörigen gezählt. Die Verlobte, deren Bräutigam im Krieg gefallen ist, kann, wenn ihre soziale Lage der einer Witwe gleicht, im Wege des Härteausgleichs eine sog. Bräuteversorgung erhalten. 2 Die Einwirkungen des Sozialrechts auf den familiären Unterhaltsverband

Wenn man ein Resumee aus den Ausführungen über die einzelnen Mitglieder des sozialrechtlich-relevanten Familienverbandes ziehen will, dann kann man sagen, daß in den Vorsorgesystemen, auf die die übergroße Mehrzahl der Bevölkerung angewiesen ist und denen daher im System sozialer Sicherung eine entscheidende Rolle zukommt, nur die Angehörigen mitgesichert sind, die zur Kernfamilie gehören, also der Ehegatte und die Kinder. Diese Angehörigen sind auch in den sonstigen Systemen, etwa den Entschädigungssystemen bevorzugt, soweit diese überhaupt andere Personen berücksichtigen. Das Unterhaltssicherungsrecht beispielsweise unterscheidet sie als "Familienangehörige im engeren Sinne" von den übrigen Angehörigen. Die Reduktion auf die Kernfamilie macht sich auch bei der Inanspruchnahme vorrangig Verpflichteter durch die Sozialleistungsträger deutlich bemerkbar. Wenn die Angehörigen der Kernfamilie nicht die einzig Verpflichteten sind, so trifft sie doch in aller Regel eine qualifizierte Inanspruchnahme. Der Trend zur Kernfamilie hat sich somit auch im Sozialrecht niedergeschlagen, bzw. das Sozialrecht hat ihm Rechnung getragen, indem es als sozialtypische Unterhaltsbeziehungen nur die innerhalb der Kernfamilie anerkannte. Aber nicht nur das, denn es hat dadurch, daß es die Versorgung der Alten vergesellschaftet hat, die Ausgliederung der somit wirtschaftlich selbständig gewordenen Altengeneration aus dem familiären Unterhaltsverband eigentlich erst ermöglicht. Das min-

19. Kap.: Unterhaltsverband und Sozialleistungen

267

dert aber nicht die Bedeutung des familiären Unterhaltsverbandes, denn andererseits hat das Sozialrecht zu einer Intensivierung der Unterhaltsbeziehungen in der Kernfamilie geführt, da der Unterhaltsträger verpflichtet ist, für die Zeit, in der er nicht mehr arbeiten kann, und für die nach seinem Tode vorzusorgen. Das Sozialrecht hat das Unterhaltssystem in seiner Bedeutung belassen, es hat nur die Gewichte von der Großfamilie zur Kernfamilie verlagert.

DRITTER TEIL

Kritische Betrachtung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit In dem nachfolgenden 3. Teil sollen die bislang nur dargestellten Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Das setzt methodisch zunächst voraus, daß über die Maßstäbe der Kritik Klarheit besteht. Ihnen wird sich daher der 1. Abschnitt zuwenden. Die sich daran anschließende Kritik (2. Abschnitt) beschränkt sich vorwiegend auf Beispiele und Schwerpunkte. Sie soll aber konstruktiv sein, d. h. wenn und soweit sie sich als begründet herausstellt, sollen im 3. Abschnitt Reformpläne dargestellt und behandelt und eigene Reformvorschläge entwickelt werden.

Erster Abschnitt

Die Maßstäbe der Kritik Die Kritik an der Ausgestaltung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit kann von zwei Maßstäben her erfolgen: dem rechtlichen und dem sozialpolitischen. Rechtlicher Maßstab ist primär die Vorordnung der genannten Beziehungen durch das GG. Unvereinbarkeiten mit ihm führen zur Nichtigkeit oder Unanwendbarkeit der betreffenden Bestimmung. Außer dem GG sind als Maßstäbe der Kritik vor allem noch zu berücksichtigen: -

-

-

-

-

die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 (AEMR) ergänzt durch den "Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" und den über "staatsbürgerliche und politische Rechte" jeweils vom 16. 12. 19661, die trotz ihrer Unverbindlichkeit eine weltweite Diskussionsgrundlage für die Gewährung und Verwirklichung klassischer und sozialer Grundrechte sind2,; die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952 (MRK) und ihre Zusatzprotokolle, die ebenso wie die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 (EuSCh), die Bundesrepublik völkerrechtlich verpflichten und die zu innerstaatlichem Recht mit Gesetzesrang transformiert wurden3 ; das am 27. April 1955 in Kraft getretene übereinkommen Nr. 102 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit4, auf das die Europäische Sozialcharta verweist5 • Zu nennen sind schließlich auch noch die Verfassungen der einzelnen Bundesländer, die aber, da Bundesrecht Landesrecht, auch Lan-

1 Dazu Menzel, Die Sozial-Charta der Vereinten Nationen und ihre Bedeutung für die BRD, ZSR 1972, 1 ff. 2 Za;cher, Sozialpolitik, S. 27. 3 Vgl. hierzu Menzel, Die Wirksamkeit der Europarats-Konventionen, DöV 1967, 109 ff. 4 Vgl. Internationale Arbeitsorganisation, übereinkommen und Empfehlungen 1919-1966, Genf 1966, S. 920 ff. s Art. 12 Ziff. 2 EuSCh.

20. Kap.: Vorordnungder Beziehungen durch das Grurrdg'esetz

271

desverfassungsrecht, bricht (Art. 31 GG), und sowohl Unterhaltsrecht wie auch Sozialrecht fast ausschließlich Bundesrecht sind, in diesem Zusammenhang weitgehend unergiebig sind. Sozialpolitischer Maßstab sind die Risiken, denen sich das System sozialer Sicherung gegenüber sieht und die es abzudecken gilt, soweit sie sozial relevant sind. Im Rahmen dieser Arbeit sind es insbesondere die unterhaltsbedingten Risiken, d. h. die Risiken, die sich aus der Einordnung einzelner in familiäre Unterhaltsverbände ergeben. An diesen Maßstäben der Kritik ist aber nicht nur das geltende Recht zu messen. Auch Reformvorhaben und eigene Reformvorschläge müssen mit ihnen vereinbar sein.

20. Kapitel

Die Vorordnung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit insbesondere durch das Grundgesetz Bei der Betrachtung der rechtlichen Vorordnung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit sind drei Aspekte zu unterscheiden: das Verhältnis des einzelnen zum Staat; das Verhältnis der Familie zum Staat und Aussagen insbesondere des GG zur Ausgestaltung des Systems sozialer Sicherung.

-

1 Das Verhältnis des einzelnen zum Staat Ausgangspunkt aller Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit ist der einzelne Mensch, der Mitglied sowohl der Familie als auch der staatlichen Gemeinschaft ist. Im Brennpunkt dieser Beziehungen steht er aus zweierlei Gründen. Weder die Familie noch der Staat sind Selbstzwecke. "Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen." So hat der Herrenchiemseerentwurf eines GG das Verhältnis von Individuum und Staat gekennzeichnet1 • Auch die Familie ist für den einzelnen da und nicht umgekehrt. Familie und Staat leiten ihren Eigenwert 1

Vgl. Entstehungsgeschichte der Artikel des GG, JöR Bd. 1 (1951), S. 48.

272

UI. 1. Abschn.: Die Maßstäbe der Kritik

von der Bedeutung ab, die ihnen jeweils zugunsten des Individuums zukommt. Mittelpunkt dieser Beziehungen ist der einzelne aber auch noch aus einem zweiten Grunde. Familiärer Unterhalt ist die Leistung eines Individuums an ein anderes, das im gleichen Unterhaltsverband lebt. Leistungen der sozialen Sicherheit sind ebenfalls Leistungen von Individuen mittelbar oder unmittelbar an andere. Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit leiten ihre Zielsetzung von dem einzelnen ab, dem sie zu Gute kommen sollen. Sie führen aber auch zu einer Interessenkollision, da ein anderer verpflichtet wird, etwas zu leisten. Der einzelne steht sowohl bei der Familie, als dem Träger des familiären Unterhalts, als auch bei dem Staat, als mittelbarem oder unmittelbarem Träger der Leistungen der sozialen Sicherheit, auf beiden Seiten des Interessenkonflikts: er ist "Nehmensbetroffener" und "Gebensbetroffener"2. Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit sind also Querverbindungen zwischen einzelnen Menschen, sind überschneidungen, überlagerungen zweier Individualsphären. Diese überschneidungen können aber nicht beliebig ausgestaltet werden. Die insbesondere von dem GG dem einzelnen gewährten Rechte setzen der Ausgestaltung der Beziehungen sowohl zu Gunsten der "Gebensbetroffenen" als auch der "Nehmensbetroffenen" Grenzen. 11 Menschenwürde, Rechtsstaat und Sozialstaat

Art. 1 Abs. 1 GG deklariert die Würde des Menschen für unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Ausfluß der Menschenwürde sind die im GG statuierten Grundrechte, die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden (Art. 1 Abs. 3 GG). Die Grundrechte lassen sich, wenn man von der Zusicherung von Verfahrensrechten absieht, einteilen in Freiheits- und Gleichheitsrechte. Die Freiheitsrechte des einzelnen, die in den Schranken der Rechtsordnung gewährte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und die speziellen Freiheitsverbürgungen, wie z. B. das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), das Recht auf Eigentum (Art. 14 GG), die positive oder negative Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) oder die Berufsfreiheit (Art. 12 GG), die auch die Freiheit von Dienstleistungspflichten mitumfaßt, werden, ebenso wie die Gleichheitsrechte zunächst "nur abstrakt gewährt"3. Sie stehen dem einzelnen !

3

Zur Terminologie Zacher, DöV 1970, 1 (3). Vgl. auch zum Folgenden Zacher, Sozialpolitik, S. 28.

20. Kap.: Vorordnung der Beziehungen durch das Grundg'esetz

273

zu unabhängig davon, ob er sie realisieren kann oder nicht. Als klassische, d. h. primär gegen den Staat gerichtete Grundrechte wirken sie vor allem zu Gunsten des "Gebensbetroffenen", den sie vor staatlichen Eingriffen oder Beeinträchtigungen schützen sollen. In dieser klassischen Zielrichtung sind sie Fundament des Rechtsstaates. Das GG versteht die Bundesrepublik aber nicht "nur" als Rechtsstaat. Nach seinen Maximen ist sie zudem ein Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1; 28 Abs. 1 S. 1 GG), und muß als solcher "für ein menschenwürdiges Dasein aller sorgen, sich um Milderung und Abbau der W ohlstandsdifferenzen und ökonomisch bedingter Abhängigkeiten bemühen und eine gerechte Teilhabe aller an den Gütern der Gemeinschaft und ein menschenwürdiges Dasein für alle und somit insbesondere für die wirtschaftlich schwächeren Schichten sichern"4. Das Sozialstaatsprinzip des GG ist zu allgemein gehalten, um außer der Zusicherung des zur Existenz Notwendigen 5, als Garantie dafür zu gelten, daß der einzelne das Mindestmaß an Wohlstand hat, das die Grundrechte brauchen6 , um verwirklicht werden zu können7 • Es schränkt aber den Freiheitsraum, den die Grundrechte als klassische Abwehrrechte eröffnen, über den Gesetzesvorbehalt einS, unter dem insbesondere die allgemeine Handlungsfreiheit steht, bzw. über die Gemeinwohlbindung, die für alle Grundrechte gilt und die besagt, daß Grundrechte "soweit eingeschränkt werden dürfen, als es zum gemeinen Wohl unerläßlich ist"9. 12 Die Freiheitsrechte

121 Die Abwehrrechte Das trifft besonders die klassischen Freiheitsrechte, da "der Einzelne ... sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen muß, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, daß dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt"10. So kann beispielsweise der Staat den Freiheitsraum des einzelnen dadurch einengen, daß er - entsprechend dem objektiv bestehenden und subjektiv auch empfundenen Sicherungsbedürfnis diejenigen, die wegen ihrer wirtschaftlichen , Zacher, Bayern als Sozialstaat, BayVBl. 1962, 257; ders., DöV 1970, 1. 5 Maunz - Dürig - Herzog, Art. 1 Abs. 1 Rd. Nr. 44; Zacher, Sozialpolitik,

S.29. 6 Vgl. Fechner, Die soziologische Grenze der Grundrechte, Recht und Staat Heft 177, 1954, S. 18; Zacher, Freiheitliche Demokratie, S. 113 ff. 7 Entsprechendes gilt auch für Art. 22, 28 AEMR; s. aber Art. 25 AEMR. 8 Vgl. Maunz - Dürig - Herzog, Art. 2 Abs. 1 Rd. Nr. 24. 9 BVerfGE 7, 377 (405). 10 BVerfGE 4, 7 (16). 18 Ruland

274

IIr. 1. Abschn.: Die Maßstäbe der Kritik

Schwäche zu eigener Lebensvorsorge nicht fähig sind und die deshalb einer Sicherung gegen die Wechselfälle des Lebens bedürfenl l , oder solche Personenkreise, die bisher nicht zwangsweise sozial gesichert waren, die aber im Wandel der Verhältnisse und Anschauungen ebenfalls sozial schutzbedürftig geworden sind, in folgerichtiger Weiterentwicklung der Sozialgesetzgebung in Zwangsversicherungssysteme einbezieht1 2 • Dieser regelmäßig mit einer Beitragspflicht verbundenen Einbeziehung steht auch nicht der Schutz des Eigentums entgegen13 , denn dieser entfaltet sich primär zugunsten des bereits von dem einzelnen konkret Erworbenen und setzt der Auferlegung von Geldleistungspflichten nur insoweit Grenzen, als diese nicht konfiskatorisch wirken dürfen14 . Daher verstießen auch die Beitragsleistungen zu den Familienausgleichskassen nach dem ersten Kindergeldgesetz nicht gegen Art. 14 GG15. Die Grundrechte als Abwehrrechte wirken aber nicht nur zugunsten des "Gebensbetroffenen". Sie verfestigen auch die soziale Position des "Nehmensbetroffenen", z. B. wenn dieser an sozialrechtlichen Ansprüchen Eigentum erwirbt, etwa an dem Stammrecht auf Rente 16.

122 Die sozialen Grundrechte Aber den Freiheitsrechten kommt darüber hinaus kein unmittelbarer Anspruchscharakter zu. Sie sind keine sozialen Grundrechte im eigentlichen Sinne. Sie gewähren keinen Anspruch auf das Mindestmaß an Wohlstand, das zu ihrer Ausübung notwendig ist. Verbürgt ist lediglich das Existenzminimum17 . Mittelbar ist der Gesetzgeber jedoch durch die Maxime der Sozialstaatlichkeit verfassungs rechtlich zu sozialer Aktivität verpflichtet. So hat er sich nach einer Entscheidung des BVerfG18 um einen erträglichen Ausgleich für die zu bemühen, die durch die Folgen des Dritten Reiches in Not geraten sind. Aber nur dann, wenn der Gesetzgeber diese Pflicht willkürlich versäumte, könnte dem einzelnen hieraus ein mit der Verfassungsbeschwerde verfolgbarer Anspruch erwachsen. Art. 6 Abs. 4 GG räumt jeder Mutter einen Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft ein. Dieser Anspruch ist unmittelbar durchsetzbar. Er wird aber durch einfaches Recht - etwa durch das MuSchG - konkretisiert. Er steht jeder Mutter zu ohne Rücksicht zuBVerfGE 18, 257 (267). BVerfGE 10, 354 (368). 13 Ebd. S. 371. 14 BVerfGE 4, 7 (17); st. Rspr. 23, 288 (314); Maunz - Dilrig - Herzog, Art. 14 Rd. Nm. 50 f. m. w. Nachw.; Zacher, DöV 1970, 1 (6). 15 BVerfGE 11, 105 (126). 18 s. O. 4. Kap., Anm. 113. 17 s. o. Anm. 5. 18 BVerfGE I, 97 (105). 11

12

20. Kap.: Vorordnung der Beziehungen durch das Grundgesetz

275

nächst auf ihre Vermögenslage, denn Ziel dieser Norm ist es nicht, eine Hilfsbedürftigkeit zu beheben, sondern das Mutter-Kind-Verhältnis zu schützen. Doch wird es als zulässig angesehen, wenn die einfache Gesetzgebung materielle Hilfen nur dann gewährt, wenn die eigenen Mittel und die Möglichkeit, Unterhalt zu erlangen, nicht ausreichen19 • Nicht nur der ehelichen, auch der nichtehelichen Mutter kommt dieses Recht zu Gute. Es beschränkt sich auch nicht nur auf die werdende Mutter20 • Ebensowenig wie aus den klassischen Freiheitsrechten ein Recht hergeleitet werden kann, nicht in ein System sozialer Sicherung einbezogen zu werden, gibt das Sozialstaatsprinzip einen Anspruch darauf 21 , es sei denn, die soziale Schutzbedürftigkeit macht eine solche Einbeziehung unbedingt erforderlich. Grundsätzlich hat der Gesetzgeber jedoch bei dem Abwägen zwischen individueller und kollektiver Sicherung für den einzelnen einen breiten Spielraum. Da die sozialen Grundrechte im GG nur sehr schwach ausgeprägt sind, kommt den sozialen Grundrechten, zu deren Verwirklichung sich die Bundesrepublik insbesondere durch die Ratifizierung der EuSCh verpflichtet hat oder die internationale Geltung beanspruchen, besondere Bedeutung zu. Diese zielen auf die positive staatliche Förderung der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 22 AEMR) , besonders zu Gunsten der Behinderten (Art. 15 EuSCh). Hierzu gehören unter anderem der Mindestlebensstandard für jedermann (Art. 25 AEMR; 13 EuSCh); Hilfe für die Gesundheit (Art. 11 EuSCh) und der Anspruch auf Bildung (Art. 26 AEMR; Art. 2 des Zusatzprotokolls zur MRK) und Berufsausbildung (Art. 10 EuSCh). Besondere Rechte sind dabei Frauen (Art. 2 Nr. 1 AEMR; Art. 8 EuSCh), insbesondere Müttern eingeräumt (Art. 25 Nr. 2 AEMR; 8,17 EuSCh)22. 13 Der Gleichheitssatz

Die Freiheitsrechte werden durch den Gleichheitssatz ergänzt. Er besagt in seiner allgemeinen Ausformung (Art. 3 Abs. 1 GG), daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Er verbietet, "daß wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen, daß wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich behandelt wird. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß"2."I. Maunz - Dürig - Herzog, Art. 6 RdNr. 42. OVG Hamburg, MDR 1952, 764. 21 BVerfGE 18, 257 (267). 22 Ähnliche soziale Grundrechte sehen teilweise auch die einzelnen Landesverfassungen vor; überblick bei Zacher, Sozialpolitik, S. 1l. 23 BVerfGE 1, 14 (52). 19

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276

III. 1. A!bschn.: Die Maßstäbe der Kritik

Besondere Gleichheitssätze enthalten bestimmte Differenzierungsverbote, von denen im Rahmen dieser Arbeit die Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) und der Verfassungs auftrag an den Gesetzgeber interessieren, den unehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen, wie ehelichen Kindern (Art. 6 Abs. 5 GG)24.

131 Der angemeine Gleichheitssatz Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet willkürliche Differenzierung. Jedoch beschränkt sich das BVerfG darauf, zu prüfen, ob die äußersten Grenzen des von dem Willkürverbot eingegrenzten Bereichs überschritten sind 25 , bzw. ob die "Unsachlichkeit der getroffenen Regelung evident" ist26 . Dabei entscheide grundsätzlich der Gesetzgeber, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse maßgebend dafür sind, sie im Recht als gleich oder ungleich zu behandeln 27 . Dabei dürften jedoch Gesetzlichkeiten, die in der Sache selbst liegen, und die fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht mißachtet werden28 . Das Prinzip der Systemgerechtigkeit ist verletzt, wenn eine Bestimmung auch von ihrem eigenen System her nicht mehr sinnvoll ist29 , bzw. wenn der Gesetzgeber seine das Gesetz rechtfertigende Motivation nicht folgerichtig durchführt30 • Auch der Gleichheitssatz wird durch das Sozialstaatsprinzip beeinflußt. Da "Sozialstaatlichkeit ... auf gerechte Güter- und Chancenverteilung durch den Staat zielt und ihm Identifizierung mit partikularen Interessen der Gesellschaft verwehrt, kann ihr Gebot zur Inhaltserfüllung des Gleichheitssatzes vornehmlich im ökonomischen Bereich beitragen"31. Doch kann der Gleichheitssatz der Sozialpolitik kaum mehr als Impulse geben, insbesondere lassen sich sozialpolitische Strukturfragen mit seiner Hilfe alleine nicht beantworten32,. Die Rechtsprechung des BVerfG, die die Gleichheitskontrolle auf "evidente" Unsachlichkeiten33 "minimalisierte"34, gesteht dem Gesetzs. a. Art. 2 AEMR. BVerfGE 3, 58 (153); st. Rspr. 26 BVerfGE 12, 326 (333); 18, 121 (124). 27 BVerfGE 3, 225 (240); st. Rspr. !8 BVerfGE 9, 338 (349). 29 BVerfGE 11, 283 (293). 30 BVerfGE 19, 101 (116); Kritisch zu dieser Rechtsprechung Zacher, AöR Bd. 93, 341 (352 ff.). 31 Ipsen, Gleichheit, in: Neumann, Nipperdey, Scheuner, Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 1954, S. 111 (173). 32 Zacher, Sozialpolitik, S. 34. 33 BVerfGE 12, 326 (335); 18, 121 (124). 34 So Zacher, AöR Bd. 93, 341 (357 ff.). 24

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20. Kap.: Vorordnung der Beziehungen durch das Grundgesetz

277

geber im Rahmen der darreichenden Verwaltung, der sie beispielsweise die Sozialversicherung nicht aber die Beamtenversorgung zuzählt 35 , eine größere Gestaltungsfreiheit zu als in der Eingriffsverwaltung36 • Er bleibt aber trotz dieser größeren Gestaltungsfreiheit und trotz seiner "grundsätzlichen Freiheit ... , darüber zu entscheiden, ob bestimmte soziale Leistungen gewährt werden sollen"37, "an die Verfassung, insbesondere an den Gleichheitssatz gebunden"38, so daß er die Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten verteilen darf. Gleichheit zu verwirklichen ist gerade im Sozial recht schwer, das sich mit einer Vielzahl von Ausgangstatbeständen und von im einzelnen doch wieder unterschiedlich Betroffenen auseinanderzusetzen hat, und dennoch vor allem im ~eistungsrecht ohne Generalklauseln auskommen, vielmehr die Leistungsvoraussetzungen genau präzisieren muß. Der Gesetzgeber darf "gewisse Härten für einzelne in Kauf nehmen, da ein Gesetz, das seiner Natur nach typisieren muß, nicht alle Einzelfälle berücksichtigen kann und fast immer mit anderen Interessen in Konflikt gerät; es genügt, wenn es eine für möglichst viele Tatbestände angemessene Regelung schafft"s9. Auch hier unterscheidet das BVerfG zwischen eingreifender und leistender ("darreichender") Verwaltung. So heißt es: "Bei der Typisierung ... besteht ein Unterschied in der Gestaltungsfreiheit, je nachdem ob es sich um eine ,Bevorzugung' oder um eine ,Benachteiligung' handelt. . .. Bei einer an der Gerechtigkeit im allgemeinen und an den Wertentscheidungen des GG im besonderen orientierten Betrachtung" ist es "leichter erträglich, wenn gelegentlich auch Personen in den Genuß von Vorteilen kommen, die ihnen nicht gebührten, als wenn Personen davon ausgeschlossen werden, denen die Vorteile nach dem Zweck des Gesetzes zukämen. Benachteiligung wird auch bei Typisierung nur in Einzelfällen hinzunehmen sein"40. Dabei ist "die eigentliche Domäne zulässiger ,Bevorzugung' kraft Typisierung ... die darreichende Verwaltung"41.

132 Besondere Gleichheitssätze Während der allgemeine Gleichheitssatz in der für das Rechtsleben entscheidenden verfassungsgerichtlichen Praxis als "kleine Münze" erBVerfGE 21, 329 (352); s. dazu u. 24. Kap., Text zu Anm. 32-41. BVerfGE 6, 55 (76 f.); st. Rspr. 17, 210 (216); zur Kritik, vgl. etwa Zacher, AöR Bd. 93, 341 (376 f.). S7 BVerfGE 17, 1 (23). 38 BVerfGE 17, 210 (216). SB BVerfGE 13, 230 (236); s. a. Zacher, AöR Bd. 93, 341 (377 f.). 40 BVerfGE 17, 1 (23,24); 210 (221); 19, 101 (116). 41 BVerfGE 17, 1 (24). S5 M

278

III. 1. Abschn.: Die Maßstäbe der Kritik

scheint 42, trifft das nicht für die besonderen Gleichheitssätze zu, von denen hier insbesondere die Gleichberechtigung von Mann und Frau interessiert, die in Art. 3 Abs. 2 GG als echte Rechtsnorm, nicht bloß als Programmsatz statuiert ist 43 , und über die das BVerfG in das gesamte Sozialrecht zum Teil einschneidend eingegriffen hat. Die Unterschiedlichkeit der Geschlechter gibt danach keinen beachtlichen Grund mehr für rechtliche Differenzierungen ab. "Gleichberechtigung" der Geschlechter bedeutet aber nicht "Gleichmacherei"44. Besondere Regelungen, die den objektiven biologischen oder funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschieden zwischen Mann und Frau Rechnung tragen, sind nicht nur erlaubt, sondern u. U. auch notwendig45 • Sie müssen aber in jedem Falle von der Gleichwertigkeit von Mann und Frau ausgehen. . Das bedeutet etwa im Unterhaltsrecht, daß die Arbeit der Hausfrau als Unterhaltsbeitrag dem Beitrag des Mannes gleichwertig ist, d. h. "Art. 3 Abs. 2 GG gebietet, die Arbeit der Frau als Mutter, Hausfrau und Mithelfende mit ihrem tatsächlichen Wert als Unterhaltsleistung zu berücksichtigen"46. Demnach ist es unzulässig, die Unterhaltsleistung der Hausfrau lediglich in ihrem Arbeitsverdienst zu sehen47 • Zur Gleichwertigkeit von Mann und Frau gehört weiter, daß sie die gleiche Möglichkeit haben müssen, erwerbstätig zu sein und Einkommen zu erzielen48 , und ihre Kinder 49 bzw. den Ehegatten sozial zu sichernso. Darüber hinaus statuiert Art. 16 Ziff. 1 S. 1 AEMR ausdrücklich, daß Mann und Frau bei der Eheschließung, während der Ehe und bei deren Auflösung die gleichen Rechte haben müssen. Art. 6 Abs. 5 GG, der dem Gesetzgeber gebietet, den unehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern5t, hat nach Ablauf der 5. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages (Herbst 1969) aufgehört, nur ein nicht justiziabler Verfassungs auftrag zu sein52 . Seitdem entfaltet er derogierende Kraft gegenüber entgegenstehendem Recht. Die Schutznorm zugunsten des unehelichen - oder mit dem neue ren Sprachgebrauch - des nichtZacher, Freiheitliche Demokratie, S. 107. BVerfGE 3, 225 (239). 44 Dazu Leibholz - Rinck, Art. 3 Anm. 34. 45 BVerfGE 3, 225 (242); 5, 9 (12); st. Rspr. 11, 277 (281). 4e BVerfGE 17, 1 (1, 12 ff.). 47 BVerfGE 17, 1 (12); 38 (50 f.); 86 (92). 48 BVerfGE 6, 55 (82). 4g BVerfGE 17, 1 (12). 50 BVerfGE 21, 329 (350). 51 s. a. Art. 25 Ziff. 2 AEMR. 52 BVerfGE 25, 167 (173 ff.).

42

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20. Kap.: Vorordnung der Beziehungen durch das Grundgesetz

279

ehelichen Kindes bedeutet auch wiederum nicht, daß der Gesetzgeber für das nichteheliche Kind die gleichen Rechtssätze erlassen muß, wie für das eheliche, denn es ist nicht Gleichheit, sondern die Schaffung gleicher Bedingungen angeordnet53 , mit dem Ziel, die Lage der nichtehelichen der der ehelichen Kinder möglichst anzugleichen54 • 2 Das Verhältnis der Familie zum Staat Familie und Staat sind als Träger des familiären Unterhalts bzw. der Leistungen der sozialen Sicherheit eng ineinander verzahnt. Sie ergänzen sich durch ihre jeweiligen Leistungen. Diese schließen einander aus, wenn entweder nur familiärer Unterhalt oder nur Leistungen der sozialen Sicherheit gewährt werden. Familiärer Unterhalt wird durch Sozialleistungen ermöglicht oder die durch ihn entstehende wirtschaftliche Belastung teilweise ausgeglichen. Andererseits lassen sich z. B. einige Leistungen der Vorsorgesysteme als indirekte Unterhaltsleistungen qualifizieren. Schließlich kann selbst in der Einräumung eines gerichtlich durchsetzbaren Unterhaltsanspruches gegen Familienangehörige durch den Staat eine "Sozialleistung" gesehen werden55 • So stehen auch in dem Gesamtsystem sozialer Sicherung Familie und Staat in einem vielschichtigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander. In diesem Verhältnis sind jedoch die Gewichte ungleich verteilt. Das übergewicht liegt bei dem Staat. Ihm kommt die letztlich entscheidende Rolle sowohl bei der Gesetzgebung, die die soziale Verantwortung zwischen Familie und Staat verteilt, als auch als Solidarbasis des Gesamtsystems sozialer Sicherung zu. Oder von der Umverteilung ausgehend: Die familiäre Umverteilung ist nicht mehr - wie etwa in der sog. vorindustriellen Zeit - die einzige, sondern eine von drei Verteilungsformen, zudem eine unselbständige, sekundäre Verteilungsform, da sie voraussetzt, daß die über den Unterhalt zu verteilenden Mittel über die beiden anderen Verteilungsformen (Einkommensverteilung, Einkommensumverteilung durch Sozialleistungen) erworben werden. Die Stellung der Familie im Gesamtsystem sozialer Sicherung hat sich im Vergleich zur vorindustriellen Zeit - gewandelt. Die Familie ist nicht mehr nur Träger sozialer Sicherung, sie ist in immer stärkerem Maße auch ihr Gegenstand geworden. So hat das heutige Gesamtsystem sozialer Sicherung dem Verhältnis Familie - Staat neue Dimensionen, Beziehungen hinzugefügt; Beziehungen, deren Ausgestaltung an der grundgesetzlichen Vorordnung 53

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Maunz - Dürig - Herzog, Art. 6 RdNr. 49; Leibholz - Rinck, Art. 6 RdNr.

BVerfGE 8, 210 (215). s. O. 3. Kap., Text nach Anm. 24.

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IH. 1. Abschn.: Die Maßstäbe der Kritik

gemessen werden muß. Art. 6 Abs. 1 GG bestimmt, daß Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Diese wertentscheidende Grundsatznorm 56 hat drei Aspekte: - Sie sichert als Institutsgarantie, daß Ehe und Familie als wesentliche Einrichtungen der Rechtsordnung erhalten bleiben57 ; - sie enthält als solche das Verbot, Ehe und Familie zu beeinträchtigen oder zu benachteiligenS8 , - und sie statuiert das Gebot, Ehe und Familie aktiv zu fördern 5v ein Gebot, das in Art. 16 EuSCh dahin exemplifiziert ist 60 , daß, um die erforderlichen Voraussetzungen für die Entfaltung der Familie als einer Grundeinheit der Gesellschaft zu schaffen, der wirtschaftliche und soziale Schutz des Familienlebens zu fördern ist, insbesondere durch Sozial- und Familienleistungen, steuerliche Maßnahmen, Förderung des Baues familiengerechter Wohnungen, Hilfe für jüngere Eheleute und andere geeignete Mittel jeglicher Art. 21 Die Institutsgarantie

211 Der allgemeine materielle Gehalt der Institutsgarantie Als Institutsgarantie sichert Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie "lediglich in ihrer wesentlichen Struktur, so daß insoweit seine juristische Wirkungskraft in der Rechtswirklichkeit nur darin besteht, einen Normenkern des Ehe- und Familienrechts verfassungsrechtlich zu gewährleisten"61. "Ehe" als Gegenstand des staatlichen Schutzes ist die grundsätzlich lebenslange Verbindung eines Mannes und einer Frau zur Lebensgemeinschaft62 , die auf einer Eheschließung beruht. Lebensgemeinschaften ohne Eheschließung - ehe ähnliche Gemeinschaften sind durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht verboten, er enthält auch keinen Verfassungs auftrag, solche Gemeinschaften, etwa durch Vorenthaltung von Sozialleistungen, zu bekämpfen63 • Sie dürfen der Ehe gegenüber jedoch nicht begünstigt werden 64 • Gegenstand des staatlichen Schutzes ist weiter die regelmäßig in der Haushaltsgemeinschaft geeinte, engere "Familie", d. h. die Verbindung von Eltern und Kindern in den von der Rechtsordnung bestimmten 56 57

58 59 00

61

62 63

208. 84

BVerfGE 6, 55 (71). BVerfGE, 6, 55 (72). BVerfGE 6, 55 (76); BVerwGE 5,148 (152). BVerfGE 6, 55 (76); 28, 104 (113). s. a. Art. 16 Ziff. 3 AEMR. BVerfGE 6, 55 (72). BVerfGE 10, 59 (66); BGHZ 30, 1 (4). BVerfGE 9, 20 (34 f.); BVerwGE 15, 306 (316); OVG Hamburg, DVBl. 1956, BVerfGE 9, 20 (34); BVerwGE 15, 306 (316).

20. Kap.: Vorordnung der Beziehungen durch das Grundgesetz

281

oder anerkannten Lebensbereichen65 . Dabei sind Kinder nicht nur die, die der Ehe entstammen; auch adoptierte Kinder z. B. führen zum Bestand einer Familie. Ebenso gehören volljährige Kinder zur Familie, solange sie nicht selbst eine eigene gegründet haben. Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG beschränkt sich nicht auf die Vollfamilien. Auch unvollständige Familien, "Restfamilien", unterfallen ihm, ebenso wie die Verbindung der nichtehelichen Mutter zu ihrem Kind66 • Geschützt sind lediglich die Fundamentalstrukturen von Ehe und Familie 67 • Dazu gehören die Normen, die für ihren Bestand unerläßlich sind.

212 Die Funktionen von Ehe und Familie Um diesen Normenkreis, insbesondere im Unterhaltsrecht, abgrenzen zu können, ist es notwendig, sich über die Funktionen Klarheit zu verschaffen, die heute Ehe und Familie zukommen und deretwegen Ehe und Familie garantiert sind. Diese Funktionen müssen im Zusammenhang mit den Strukturwandlungen gesehen werden, denen die Familie infolge der Industrialisierung unterworfen wurde. Sie sollen hier nur angedeutet werden. Ihre Darstellung ist Gegenstand umfangreicher soziologischer und sozialpsychologischer Literatur68 • Obwohl die Industrialisierung ihr einen weitgehenden Funktionsverlust brachte, war sie im Grunde die "große Erlösungstat"69 für die Familie. Sie hat nicht nur die mit der vorindustriellen Gesellschaftsstruktur verbundenen Nachteile beseitigt, indem sie durch Einführung der Lohnarbeit auch nachgeborenen Kindern eine eigenständige Existenzgrundlage schuf und ihnen die Familiengründung und ein selbstbestimmbares Leben ermöglichte. Sie hat auch bewirkt, daß die Familie ihre "uneigentlichen und nicht spezifisch familiären Funktionen" wie z. B. Produktion, Sicherung der wirtschaftlich Schwachen und 65 VGH Bad. Württ., DöV 1972, 322 (323); Gernhuber, Familienrecht, S. 29; v. Mangoldt - Klein, Art. 6 UI 5; Maunz - Dürig - Herzog, Art. 6 RdNr. 16; Seheffler, Ehe und Familie, S. 252. 66 BVerfGE 8, 210 (216); Maunz - Dürig - Herzog, Art. 6, RdNr. 16; Seheffler, Ehe und Familie, S. 252; a. A. BVerwGE 14, 21 (30); v. Mangoldt - Klein, Art. 6 IU 5. 67 Maunz - Dürig - Herzog, Art. 6, RdNr. 17; daher kann dem weiten Angehörigenbegriff von Schmieta, S. 65 (alle in gerader Linie verwandte Perso-

nen, die in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenleben oder gelebt haben), nicht zugestimmt werden. 68 Vgl. etwa die zusammenfassende Darstellung von König, Familie und Familiensoziologie, in: Bernsdorf, Wörterbuch der Soziologie, 2. Auf!. 1969, S. 247 ff.; neuerdings Lüsehen und Lupri (Hrsg.), Soziologie der Familie, KZfSS, Sonderheft 14/1970; an älterer Literatur: Claessens, Familie und Wertsystem, 1962; Goode, a.a.O.; König, Materialien; Parsons, Soziologische Theorie, 1964, S. 110 ff.; Sehelsky, a.a.O. 69 Schreiber, Existenzsicherheit, S. 6.

III. 1. .A!bschn.: Die Maßstäbe der Kritik

282

Berufsausbildung70 - "an andere Institutionen der Gesellschaft und des Staates hat abgeben müssen"71, und dadurch Zeit für ihre eigene, spezifische Funktion gewann. König sieht diese Funktion in der "Entwicklung der sozial-kulturellen Persönlichkeit des Menschen im Kraftfeld einer kleinen Gruppe, die sich ... dadurch auszeichnet, daß die Menschen in ihr durch intime und stärkste Gefühle verbunden sind"72. Die Kernfamilie als "Intimgruppe" zeichnet sich durch eine in anderen sozialen Gruppen in diesem Umfang nicht anzutreffende Totalität der Beziehungen aus. Sie bildet die Sphäre der Privatheit, der die Gesellschaft, der Staat als die Öffentlichkeit gegenübersteht. Sie ist eine im umfassenden Sinne zu verstehende Lebensgemeinschaft, in der sich die unmittelbarsten personalen Beziehungen untereinander entwickeln. Sie ist ein Gegengewicht zu den versachlichten Beziehungen, die in der Welt des Berufs besonders deutlich werden; sie ist nach MackenToth73 "der letzte große Gegenspieler der modernen Kollektivierungstendenzen". Die Bedeutung des familiären Unterhalts erschöpft sich daher nicht in dem Geben und Nehmen zwischen den Familienmitgliedern. Er schafft vielmehr die ökonomische Grundlage dieser engen Lebensgemeinschaft und soll sie ermöglichen. Die Familie ist weiter die Institution, in der Kinder aufgezogen werden, und die so den Bestand der Gesellschaft sichert. Der Familie kommt aber mehr als nur eine rein biologische Funktion zu. Sie hat nach der physischen Geburt des Kindes gleich zwei neue Aufgaben zu leisten: einmal das Leben des Kleinkindes durch Ernährung und Pflege zu erhalten, zum andern das Kind als sozial-kulturelle Person zu entwickeln; das bedeutet, es muß in die Gesellschaft und Kultur durch Vermittlung von Werten und Werthaltungen eingeführt werden. Erziehung und Ausbildung des Kindes werden zwar in zunehmendem Maße von staatlichen Institutionen übernommen. Aber die Familie trägt dennoch bei der Sozialisation die wesentliche Verantwortung. Sie prägt Charakter und Persönlichkeit des Kindes in der ersten und entscheidenden Entwicklungsphase, in der die Weichen für sein späteres Leben gestellt werden. Zumindest in dieser Phase benötigt die Sozialisation das "Kraftfeld der Familie". Hier wird eine Querverbindung zwischen dem Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 GG) und der Unterhaltsgewährung sichtbar. Wenn 70 Im einzelnen von Friede burg, Generationsproblem, S. 11; König, Materialien, S. 78. 71 König, Sozialpsychologie der gegenwärtigen Familie, in: ders., Soziologische Orientierungen, S. 110.

72 73

Ebd.

Bevölkerungslehre, 1953, S. 376.

20. Kap.: Vorordruung der Beziehungen durch das Grundgesetz

283

auch Unterhalt und Erziehung des Kindes zwei unterschiedliche Funktionen der Familie sind, die von jeweils verschiedenen Personen ausgeübt werden können, so ist es - unabhängig von der Frage nach einem gemeinsamen Ursprung in der Elternschaft und von allen emotionalen Bindungen - für die Gesellschaft zunächst einmal "einfacher, ein Kind in den gleichen sozialen Einrichtungen zu unterhalten, in denen es sozialisiert wird"74. Unterhalt und Sozialisation können als Funktionen der Familie nicht voneinander getrennt werden.

213 Die Institutsgarantie des familiären Unterhaltsverbandes Als "Normenkern" des familiären Unterhaltsrechts muß dementsprechend die grundsätzliche Verpflichtung der Ehegatten angesehen werden, einander und den Kindern Unterhalt zu gewähren. Insoweit schält er sich auch durch seine besondere Funktion aus dem großfamiliären Unterhaltsrecht heraus. Während die Unterhaltsbeziehungen außerhalb der Kernfamilie, also außerhalb des "Normenkerns", mehr den Charakter von ausnahmsweise eingreifenden Hilfspflichten tragen, stellen die Unterhaltsbeziehungen innerhalb der zusammenlebenden Kernfamilie die ökonomische Basis der· ehelichen oder familiären Lebensgemeinschaft dar. Es sind die Unterhaltsbeziehungen, die notwendig sind, damit die Familie ihre heutigen Funktionen erfüllen kann. Diese Unterhalts beziehungen können von dem Gesetzgeber im einzelnen ausgestaltet, aber in ihrem Kern dürfen sie nicht angetastet werden. Eine Aufhebung der Unterhaltspflicht zwischen den Ehegatten oder zwischen Eltern und minderjährigen Kindern würde gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen. Die Familie wäre an ihrer ökonomischen Basis entscheidend getroffen. Die Solidarität der Ehegatten, Kennzeichen ihrer Lebensgemeinschaft, wäre beseitigt. Die in der Gewährleistung des unterhaltsrechtlichen "Normenkerns" zum Ausdruck kommende Anerkennung sozialer Verantwortung stellt aus diesem Gesichtspunkt heraus auch einen Schutz der Familie dar. Die Unterhaltsbeziehungen außerhalb der Kernfamilie sind nicht in den unterhaltsrechtlichen "Normenkern" eingelagert und werden somit auch von der "Institutsgarantie" des Art 6 Abs. 1 GG nicht erfaßt und geschützt.

214 DasSubsidiaritätsprinzip - Die Aushilfsfunktion des Staates Die genannten essentiellen Funktionen von Ehe und Familie bestimmen den Verlauf der "Demarkationslinie"75, die den familiären Bereich vor staatlichem Eingriff und Einfluß sichert. Die "Demarkationslinie" 74 75

Goode, S. 37. Nawiasky, II 1, S. 185.

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IH.

1.

A>bschn.: Die Maßstäbe der Kritik

hindert aber nicht staatliches Handeln in dem familiären Bereich; dies auch dann nicht, wenn man sie mit dem Subsidiaritätsprinzip76 rechtfertigt. Dieses besagt heute wegen der geänderten Stellung der Familie im Gesamtsystem sozialer Sicherung nur, daß der Staat die Familie insbesondere mittels Sozialleistungen in den Stand setzen muß, die Funktionen zu erfüllen, die von ihr wahrgenommen werden müssen bzw. sollen. Es enthält eine Aussage darüber, wer unmittelbar handeln muß, es schließt nicht nur nicht aus, daß der Staat der Familie die unmittelbare Erfüllung ihrer Funktion wirtschaftlich ermöglicht, es erfordert dies vielmehr. Die "Demarkationslinie" ist dem Staat auch nur für den (Normal-) Fall gesetzt, daß die Familie ihre Aufgaben auch wahrnehmen kann und wahrnimmt77 • Die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit der Familie alleine ist jedoch - zumindest dann, wenn sie von den Eltern nicht absichtlich herbeigeführt wurde7 8 - für den Staat noch kein Grund, die Grenzlinie zu überschreiten. Er kann durch monetäre Leistungen an die Familie deren Funktionsfähigkeit wieder herstellen. Vernachlässigt diE: Familie jedoch ihre spezifischen Funktionen, wie z. B. die "Sozialisation" ihrer Kinder, so muß der Staat, wenn auch Versuche, die Familie zur Erfüllung ihrer Funktionen anzuhalten, gescheitert sind, selbst diese Funktionen übernehmen. Daher hat das Sozialleistungssystem, um für einen Ausfall der Familie gewappnet zu sein, in seinem Leistungskatalog auch die Leistungen bereitzustellen, die gewöhnlich die Familie erbringt. Soweit ihr entsprechend der "Demarkationslinie" der Vorrang zukommt, ist der Staat demnach trotzdem nicht von seiner allumfassenden Garantenpflicht befreit. Er muß, obwohl er die Familie als Mitträger sozialer Sicherung neben sich weiß, sein Leistungsangebot so vollständig ausgestalten, als gäbe es die Familie nicht. Erst bei den einzelnen Leistungsvoraussetzungen kann und muß er ihren Vorrang berücksichtigen. 22 Das Verbot der Benachteiligung von Ehe und Familie

Der in Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie zugesicherte besondere Schutz umschließt positiv die Aufgabe für den Staat, sie vor Beeinträchtigungen zu schützen, und, was in dieser Arbeit mehr interessiert, das Verbot, sie zu benachteiligen. Dieses Verbot ist verletzt, wenn die in Ehe und Familie Eingeordneten schlechter gestellt werden als Dritte, besonders Ledige. Eine SchlechtersteIlung ist insbesondere dann ge76 Hierzu allgemein Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 282; speziell: Scheffler, Ehe und Familie, S. 254 ff. 77 Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG. 78 Vgl. §§ 1666 BGB; 170 b StGB.

20. Kap.: Vorordnrung der Beziehungen durch das Grundgesetz

285

geben, wenn Ehegatten oder Familienmitglieder alleine deshalb im Vergleich zu anderen entweder stärker belastet werden, etwa durch Steuern oder Versicherungsbeiträge 79 , oder wenn sie niedrigere LeistungE:n erhalten, insbesondere Sozialleistungen8o . Das schließt nicht schlechthin eine Differenzierung etwa zu Lasten Verheirateter aus 81 . Diese darf jedoch nicht alleine auf Grund des Verheiratet-Seins best~­ hen und muß sich "aus einleuchtende(n) Sachgründen ergeben"82. Sie darf niCht als Diskriminierung anzusehen sein83 . So widerspricht es nach Auffassung des BVerfG Art. 6 Abs. 1 GG nicht, wenn der Staat dort, wo er lediglich fördert oder hilft, die normalerweise vorauszusetzende Lebens- und Interessengemeinschaft der Ehegatten in der Weise berücksichtigt, daß er das Ausmaß einer finanziellen Zuwendung ihrer besonderen wirtschaftlichen Situation und der dadurch etwa geminderten Hilfs- und Förderungsbedürftigkeit anpaßt84 , zudem es dem Gedanken des sozialen Rechtsstaates widerspricht, daß Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, auch in Fällen in Anspruch genommen werden könnten, in denen wirkliche Bedürftigkeit nicht vorliegt85 . Das BSHG verstößt nach Auffassung des BVerwG gegen Art. 6 Abs. 1 GG nicht, wenn es die in die Bedarfsgemeinschaft einbezogenen Kinder, bevor ihnen Sozialhilfe gewährt wird, zunächst auf das Einkommen der Eltern verweist86 . Verfassungs gemäß sind schließlich auch solche Vorschriften, die nur in bestimmten Fällen unbeabsichtigt als Nebenfolge Ehe oder Familie beschweren87 . Das Diskriminierungsverbot erstreckt sich nicht nur auf bestehende Ehen. Art. 6 Abs. 1 GG ist bereits verletzt, wenn die Bereitschaft zur Eheschließung gefährdet wird, insbesondere dann, wenn an die Eheschließung Nachteile geknüpft werden 88 . 23 Das Gebot der Förderung von Ehe und Familie

Das Gebot, Ehe und Familie zu fördern, besagt nicht, daß die Familie als solche bereits einen Anspruch auf angemessene Versorgung durch den Staat hätte 89 , es besagt auch nicht, daß der Staat gehalten ist, jeg70 BVerfGE 6, 55 (77); st. Rspr. 13, 290 (299); 29, 104 (112). 80 BVerfGE 17,210 (217); st. Rspr. 28, 324 (347). 81 Dazu neuerdings BVerfG, Betrieb 1972,416 (417). 82 BVerfGE 28, 324 (347). 83 BVerfGE 6, 55 (77); st. Rspr. 28, 324 (347). 8. BVerfGE 12, 180 (190); 17,210 (220). 85 BVerfGE 9, 20 (35). 88 BVerwGE 23, 149 (152 ff.). 87 BVerfGE 6, 55 (77). 88 BVerfGE 12, 151 (167); 28, 324 (347); Seheffler, Ehe und Familie, S. 255; s. a. Art. 12 MRK. 88 BVerwGE, NJW 1955, 1571.

III. 1. .A!bschn.: Die Maßstäbe der Kritik

286

liche die Familie betreffende Belastung - auch Unterhaltsiasten90 auszugleichen91 . Aber ihre typischen Benachteiligungen, insbesondere die wirtschaftliche Belastung durch Kinder, müssen einem Ausgleich zugeführt werden92 . Art. 6 Abs. 1 GG sagt allerdings nichts darüber aus, wie ein Familienlastenausgleich durchzuführen ist bzw. wie er durchgeführt werden darf us• Der Ausgleich muß jedoch in einem den Ledigen und Kinderärmeren gegenüber vertretbaren Ausmaß erfolgen und darf nicht zu einer "Bestrafung" der Kinderlosigkeit führen 94 . Zudem sei vermerkt, daß das GG im Gegensatz zur Weimarer Verfassung95 weder die Vermehrung der Nation noch die kinderreichen Familien besonders erwähnt, so daß Art. 6 Abs. 1 GG zumindest nicht gebietet, "Schutz der Familie mit Prämierung des Kinderreichturns gleichzusetzen"98. Auch haben bevölkerungspolitische Erwägungen als "dem Wesen der Ehe fremde Elemente"97 für die Auslegung des Art. 6 Abs. 1 GG außer Betracht zu bleiben9B . 3 Die Vorordnung der Ausgestaltung des Systems sozialer Sicherung insbesondere durch das Grundgesetz Das GG enthält keine spezifischen Aussagen über die Ausgestaltung des Systems sozialer Sicherung. Zwar sind öffentliche Vorsorgesysteme für bestimmte typische Risiken, etwa des Alters oder der Invalidität, elementare Notwendigkeiten des Sozialstaates99, aber mehr als irgendeine Form der Existenz einer solchen Sicherung kann dem Sozialstaatsprinzip nicht entnommen werden. Das Prinzip des sozialen Rechtsstaates fordert nur, daß für Schäden, die von der Gemeinschaft zu verantworten sind, in irgendeiner Form ein Ausgleich gewährt werden muß100. Das GG spricht zwar im Rahmen der Bestimmungen über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz einzelne Bereiche sozialer SicheBVerfGE 28, 104 (113). n BVerfGE 23, 258 (264); 28, 104 (113). 92 Maunz - Dürig - Herzog, Art. 6 RdNr. 17; s. a. Krause, FamRZ 1969, 617 90

(621).

BVerfGE 11, 105 (126). Der Abg. Heuss hat im ParI. R. darauf hingewiesen, daß Art. 6 GG es verbiete, kinderlose Ehen als Ehen minderen Rechts zu behandeln; ParI. R. Grundsatzausschuß, Steno Prot. S. 45. vs Vgl. dort Art. 119 Abs. 1. 98 Seheffler, Ehe und Familie, S. 272. G7 BGHZ I, 87 (91); S. a. Maurer, Ehe und Familie II, in: Evangelisches Staatslexikon, 1966, Sp. 361. .8 Seheffler, Ehe und Familie, S. 272. GG Zacher, Freiheitliche Demokratie, S. 206; S. a. Krause - Ruland, ZSR 1969, 93

H

129 (136 f.). 100

Vgl. BVerfGE I, 97 (105); S. dazu

O.

Text zu Anm. 18.

20. Kap.: Vorordnung der Beziehungen durch das Grundgesetz

287

rung an, wie z. B. die öffentliche Fürsorge (Art. 74 Nr. 7 GG), die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung (Art. 74 Nr. 12 GG), die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen (Art. 74 Nr. 10 GG), die Ausbildungshilfen (Art. 74 Nr. 13 GG) und schließlich die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser (Art. 74 Nr. 19 a GG). Diese Bestimmungen besagen zunächst jedoch nur, wer handeln darf, wenn überhaupt gehandelt wird, nicht aber, daß gehandelt werden mußI0l. Sie verweisen aber auch auf historisch gewachsene Institutionen innerhalb der Beziehungen zwischen dem sich sozial verantwortlich fühlenden Staat und dem einzelnen Bürger. Diesen Zuständigkeitsregelungen wird daher im Zusammenhang mit dem Sozialstaatsprinzip eine Institutsgarantie für Sozialversicherung, Fürsorge und Versorgung entnommen102.. Konkretere Aussagen macht das GG nur über die Beamtenversorgung. Art. 33 Abs. 5 GG bestimmt, daß das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln ist. Damit ist jener Kernbestand von Strukturprinzipien des Beamtentums geschützt, die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraumes, mindestens unter der Weimarer Reichsverfassung als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind103 . So sichern die Grundsätze des Beamtentums zunächst einmal, daß die Besoldung und Versorgung den Mindestanforderungen genügen müssen, die sich aus dem Sozialstaatsprinzip ergeben104. Nach Art. 33 Abs. 5 GG hat der Dienstherr dem Beamten und seiner Familie den nach Dienstrang und Bedeutung des Amtes und entsprechend der Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren und auch durch die vornehmlich nach dem Familienstand erbrachten besonderen Zuschläge (Kinderzuschlag, Teile des Ortszuschlages) zur Unabhängigkeit der Bediensteten im Interesse der Funktionsfähigkeit des Beamtentums beizutragen 105 . Die Verpflichtung zur "Alimentation der Beamtenfamilie" dient dazu, den Beamten "von der der ... Familiengemeinschaft entspringenden natürlichen Sorge um das wirtschaftliche Wohl seiner Angehörigen freizustellen"106. Außerdem gehört es zur rechtlichen und wirtschaftlichen Sicherung der Beamten, daß das überkommene Versorgungssystem Sozialenquete, Nr. 110, S. 53; Zacher, Freiheitliche Demokratie, S. 201. Bogs, Einwirkung, S. G 13 f.; Köttgen, Der soziale Bundesstaat, in: Neue Wege der Fürsorge, S. 34 ff. m. w. Nachvi. lOS BVerfGE 8, 332 (343); 15, 167 (195). 104 BVerfGE 8, 1 (16 f.); 17, 337 (355). 105 BVerfGE 21, 329 (345). lOS BVerfGE 21, 329 (346). 101

10%

288

IH. 1. .Albsehn. : Die Maßstäbe der Kritik

und die Grundsätze, die es prägen, gewahrt bleiben107 • Zu dem überkommenen Versorgungssystem gehören insbesondere die Hinterbliebenenversorgung 108 , und der Grundsatz, daß das Ruhegehalt - und dementsprechend auch die Hinterbliebenenversorgung109 - aus dem letzten Amt des Beamten zu berechnen sind. Im Gegensatz zum GG enthält die EuSCh vor allem110 dadurch, daß sie in Art. 12 auf das übereinkommen Nr. 102 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit verweist111 , detaillierte Angaben über die Ausgestaltung des Systems sozialer Sicherung. In diesem ist unter anderem vorgeschrieben, -

daß im Falle der Krankheit ein System sozialer Sicherung bereitstehen muß, das sich auf einen bestimmten, in seinem Mindestumfang prozentual genau vorgeschriebenen Personenkreis (einschließlich der Ehefrauen und Kinder) erstreckt (Art. 7 ff.);

-

daß bei Einkommenslosigkeit infolge von Krankheit oder Arbeits~ losigkeit Einkommenssurrogate zu gewähren sind (Art. 13, 19);

-

daß ein Alterssicherungssystem existieren muß (Art. 25 ff.);

-

daß Familienleistungen die Pflicht, Kindern Unterhalt zu gewähren, für bestimmte Personenkreise, insbesondere Arbeitnehmer und Minderbemittelte (Art. 41) als Ausgangstatbestand zu nehmen und die Belastungen auszugleichen haben (Art. 40), wobei der Gesamtwert aller Leistungen genau vorgeschrieben ist (Art. 44);

-

daß "den gesicherten Personen Leistungen an Hinterbliebene" (Art. 59), insbesondere an Ehefrauen und Kinder von Erwerbstätigen (Art. 61), zu gewähren sind, die den Verlust der Unterhaltsmittel zu umfassen haben, den die Witwe oder die Kinder infolge des Todes des Unterhaltspflichtigen erleiden; bei der Witwe kann der Leistungsanspruch davon abhängig gemacht werden, daß sie als unfähig gilt, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen (Art. 60).

BVerfGE 11, 203 (217). Vgl. BVerfGE 21, 329 (345); s. a. Jacob, ZBR 1971, 68 (69 ff.); ders., Witwenschaft, S. 169 ff. 109 BVerfGE 11, 209 (214); 21, 329 (347). 110 Siehe Art. 12 EuSCh. 111 s. a. Art. 25 AEMR. 107 108

21. Kap.: Die Risiken

289

21. Kapitel

Die Risiken 1 Der weitere - nun sozialpolitische - Maßstab der Kritik ergibt sich aus der Frage, inwieweit das System sozialer Sicherung, oder, wenn man den Unterhalt auch mit einbezieht, das Gesamtsystem sozialer Sicherung ausreichend ist, um die Notlagen, in die der einzelne geraten kann, zu beseitigen oder mindestens zu mildern. Wie immer das Gesamtsystem sozialer Sicherung ausgestaltet ist, hat es seine Aufgabe, die in der umfassenden und sozial gerechten Sicherung des einzelnen besteht, nur dann erfüllt, wenn das Netz seiner Sicherung so engmaschig ist, daß es niemanden gibt, dem niemand helfen muß, und daß es keine Not gibt, in der Hilfe ausbleibt. Darüber hinaus hat es sich der Sozialstaat zur Aufgabe zu machen, in jedem Falle das Existenzminimum zu sichern, in bestimmten Fällen den Lebensstandard der von Notlagen Betroffenen aufrecht zu erhalten 2 • So hat er für bestimmte typische Risiken dem einzelnen die Möglichkeit der Vorsorge zu eröffnen3 • Er kann es außerdem z. B. nicht hinnehmen, daß Familien, dadurch daß sie Kinder aufziehen und gesellschaftlich Notwendiges leisten, besonderen Risiken und Lasten ausgesetzt sind, die zu sozialen Benachteiligungen führen 4 • Die Frage, ob der Gesetzgeber dem Rechnung getragen hat, ist wegen seines weiten Ermessensspielraums bei sozialpolitischen Aktivitäten nur in den Randbreiten des Ermessensmißbrauchs eine juristische. Sie ist vorwiegend eine sozialpolitische, denn sie zielt darauf, Lösungen zu finden, die den sozialen Sachstrukturen u. U. besser entsprechen als die, die zur Zeit Gesetz sind. Die Sachstrukturen des Systems sozialer Sicherung sind die Risiken, von denen in dieser Arbeit besonders die interessieren, die in irgendeiner Weise unterhaltsbedingt sind. Die Darstellung kann sich jedoch auf diese Risiken nicht beschränken. Täte sie es, würde sie die Sicherungsfunktion des Unterhalts verkennen. Familiärer Unterhalt ist eine der Sicherungsformen des Gesamtsystems sozialer Sicherung. Er kann - ebenso wie Sozialleistungen - allgemeine Risiken des einzelnen abdecken. Sein Wegfall läßt die bis dahin durch ihn gesicherten Risiken als solche wieder aufleben. Sie müssen daher mit ihren Folgen in die Betrachtung einbezogen werden. 1

Dazu neuerdings Krause, Die sozialen Risiken und Gefahrenlagen, ZSR

1972, 385 ff., 509 ff . .

2

3

4

Vgl. zum Folgenden: Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (136). s. o. 20. Kap., Anm. 5 und 99. . S. o. 20. Kap., Text zu Anm. 90-93.

19 Ruland

290

!Ir.

1. Ahschn.: Die Maßstäbe der Kritik

1 Die allgemeinen Risiken 11 Die Ursachen

111 Typische Ursachen Die "soziale Biographie" eines Menschen läßt sich vergröbert in drei große Phasen einteilen: in Kindheit, Erwerbstätigkeit und Alter. Nur in der Phase der Erwerbstätigkeit ist der Mensch grundsätzlich in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Die Kindheit ist eine naturbedingte totale Hilflosigkeit, die sich mit dem Älterwerden des Kindes immer mehr abschwächt, bis es in die Phase der Erwerbstätigkeit hineinwächst. Das Risiko "Kindheit" ist in seiner zeitlichen Ausdehnung gewachsen. Dazu haben sowohl der Jugendarbeitsschutz5 , der ein bestimmtes Alter für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit überhaupt vorsieht, als auch die immer mehr Zeit in Anspruch nehmende Ausbildung beigetragen. 1961 waren von den 1,9 Millionen 15-18jährigen nur 400000 Erwerbspersonen im eigentlichen Sinne6 • Von den 20-25jährigen Männern waren immer noch 13 % nicht berufstätig, im Wesentlichen deshalb, weil sie sich noch in Ausbildung befanden7 • Die typischen Risiken während des Erwerbslebens sind Krankheit, Schwangerschaft, Invalidität und Arbeitslosigkeit. Krankheit ist ein mehrschichtiges Risiko: Wegen der Arbeitsunfähigkeit kann - bei bestimmten Einkommensbeziehern erst nach Ablauf von sechs Wochen, während derer der Lohn fortgezahlt wird8 - der Einkommensbezug unterbrochen sein. Die Heilungskosten können bestimmte Aufwendungen verursachen, die entweder das Einkommen belasten oder zu dem Einkommensverlust hinzutreten. Schließlich kann persönliche Hilfe oder Pflege erforderlich werden. Das Risiko Krankheit ist in seiner heutigen Breite erst durch den Fortschritt der Medizin entstanden, der für viele Krankheiten Heilungsmöglichkeiten schuf'. Mit dem Risiko "Krankheit" verwandt ist das der Schwangerschaft. Während bestimmter Zeiten vor und nach der Geburt kann die Frau ihrer Arbeit nicht nachgehen. Sie darf während dieser Zeit auch nicht beschäftigt10 , der schwangeren Arbeitnehmerin darf andererseits grundVgl. §§ 2, 7 Jugendarbeitsschutzgesetz. Sozialenquete, Nr. 41 S. 26; der Statistik nach sind in dieser Altersklasse 1, 3 Millionen berufstätig. Aber davon sind rund 870 000 Personen Lehrlinge, d. h. Erwerbstätige, die Teilzeitschulen besuchen. 7 Ebd. Nr. 27 S. 21. 8 Vgl. §§ 1 LohnfortzahlungsG; 616 BGB, 63 HGB; s. auch Sozialenquete, Nr. 717 ff., S. 255. 9 Vgl. Achinger, Soziale Sicherheit, S. 92. 10 Vgl. § 3 Abs. 3 MuSchG. 6

6

21. Kap.: Die Risiken

291

sätzlich auch nicht gekündigt werdenl l • Nur in bestimmten Fällen bezieht die Frau während der durch die Schwangerschaft bedingten Arbeitsunterbrechung ihr Arbeitseinkommen weiter12 •

Als weiteres Risiko droht dem einzelnen die Arbeitslosigkeit. Hierbei handelt es sich um einen von den persönlichen Eigenschaften des Betroffenen weitgehend unabhängigen Zustand, der primär durch die Lage des Arbeitsmarktes und d. h. letztlich durch die Wirtschaftspolitik bestimmt wird: Der einzelne kann auf dem Arbeitsmarkt seine Arbeitskraft nicht verwerten, obwohl er arbeitswillig und arbeitsfähig ist. Arbeitslosigkeit kann zu einem völligen oder in Form der Kurzarbeit nur zu einem teilweisen Einkommensverlust führen. Die Phase der Erwerbstätigkeit wird in erster Linie durch das Alter beendet, bei dem keine Erwerbstätigkeit mehr erwartet und außerdem mit Erwerbsfähigkeit nicht mehr gerechnet wird. Auch das Risiko Alter hat sich verlängert. Die Lebenserwartung ist in Deutschland von 35 Jahren (1875) auf 67 Jahre (1960) gestiegen13 • Dies ist nur ein Grund der Verlängerung des Risikos "Alter". Der andere ist darin zu finden, daß der Arbeitsprozeß Alte allgemein und unabhängig von ihrer Konstitution aussondert, und daß der Zeitpunkt der Aussonderung immer mehr vorverlagert wird14 • Wenn sich im Alter Siechtum und Gebrechen einstellen, tritt neben die Einkommenslosigkeit noch der Bedarf an persönlicher Hilfe. Auch das Alter kann ebenso wie die Krankheit ein doppelschichtiges Risiko für den einzelnen werden. Mit dem Risiko "Alter" hängt das der Invalidität eng zusammen. "Alter" ist ein typisierter Fall der dauernden Invalidität. Unter Invalidität wird die vorübergehende oder dauernde "Minderung der körperlichen und/oder geistigen Kräfte und die dadurch in der Regel eingetretene Unfähigkeit, Einkommen zu erwerben", verstanden15•

112 Atypische Ursachen Neben diesen typischen Risiken steht die Fülle der atypischen. Sie können in der Person des Betroffenen ihren Grund haben und physisch oder psychisch bedingt sein. Angeborene Gebrechen etwa Blindheit, Suchtkrankheiten oder auch schlicht Arbeitsscheu seien als Beispiele genannt. Atypische Risiken können sich auch auf politische Umstände zurückführen lassen, so z. B. Eingliederungsschwierigkeiten bei VerVgl. § 9 MuSchG. Vgl. §§ 11, 13 MuSchG. 13 Vgl. Sozialbericht 1970, S. 8. 14 Zu der nunmehr eingeführten "flexiblen" Altersgrenze, § 1248 RVO i. d. F. des RRG. 15 Vgl. Sozialenquete, Nr. 121 S. 64. 11

12

19'

292

IH.

1.

A!bschn.: Die Maßstäbe der Kritik

triebenen oder Flüchtlingen. Ein atypisches Risiko ist es weiter, daß das bei voller Verwertung der Arbeitskraft erzielte Einkommen nicht ausreicht, um entweder den allgemeinen Lebensbedarf oder um atypische Sonderbedarfe zu bestreiten. Eine abschließende Aufzählung ist, gerade weil es sich um atypische Risiken handelt, nicht möglich. 12 Die Folgen

Im wesentlichen haben diese Risiken zwei Folgen: Bedarf an Einkommen und an persönlicher Hilfe. Einkommenslosigkeit bedroht die Existenz des Betroffenen, denn Einkommen ist für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Voraussetzung dafür, daß die notwendigen Unterhaltsmittel beschafft werden können. Die meisten Menschen haben kein so großes Vermögen bilden können, daß sie den Verlust des Einkommens auffangen könnten. Einkommenslosigkeit läßt, da sofort oder, war Vermögen vorhanden, nach und nach die Quelle der Kaufkraft versiegt, die einzelnen Unterhaltsbedürfnisse aufleben, deren jeweilige Befriedigung bei ausreichendem Einkommen nur in Ausnahmesituationen, wie z. B. Kriegs- und Kriegsfolgezeiten, gefährdet war. Sie ist das den einzelnen am umfassendsten bedrohende Risiko. Es beinhaltet nicht nur eine Gefährdung der körperlichen Existenz, sondern führt zunächst auch zur Bedrohung des jeweiligen Lebensstandards, den der einzelne sich geschaffen hat. Sein Verlust bedeutet Herauslösung aus vertrauten und im bisherigen Verlauf des Lebens aufgebauten Beziehungen und für den einzelnen eine Deklassierungl8 • Einkommenslosigkeit bringt aber auch Einschränkungen der Freiheitsmöglichkeiten und -rechte mit sich. "Um frei zu sein, braucht der Mensch Sachgüter. Freiheit, die nicht nur die schlichte Freiheit des Gedankens und der Rede sein soll, wird begründet und begrenzt durch die Verfügbarkeit der Sachgüter, die ihr Gebrauch voraussetzt I7 ." Ein Erwerb der Sachgüter erfordert zunächst Einkommen. Es ist damit Voraussetzung der Ausübung der Freiheitsrechte. Und Freiheitsrechte sind nicht nur für den einzelnen wertlos, wenn sie nicht ausgeübt werden können. Der einzelne wird aber nicht nur durch Einkommenslosigkeit bedroht, sondern er kann auch durch einen Mangel an persönlicher Hilfe, hervorgerufen durch Krankheiten oder durch sonstige Pflegebedürftigkeit, gefährdet sein. Soweit diese Umstände nur das finanzielle Problem der - neben dem möglichen Einkommensausfall zusätzlichen - Belastungen durch finanzielle Mehrausgaben aufwerfen, soweit also die Pflege oder die ärztliche Hilfe durch Geld erworben werden können, 16 17

Vgl. Boettcher, S. 156. Vgl. Zacher, Freiheitliche Demokratie, S. 140.

21. Kap.: Die Risiken

293

genügen monetäre Hilfen oder Sachleistungen. Wenn aber wegen des physischen oder psychischen Zustandes des Betroffenen oder wegen eines mangelnden Angebots die notwendigen persönlichen Hilfen nicht "gekauft" werden können, dem Betroffenen die monetäre Hilfe alleine nichts nützt, stellt sich der Bedarf an persönlicher Hilfe als selbständiges Risiko ein. Und gerade dieses Risiko führt zu einer besonders engen Angewiesenheit des Betroffenen auf seine Mitmenschen, weil diese nicht nur - mehr oder weniger anonym - als Einkommensträger, die ihren finanziellen Beitrag zur Umverteilung zu leisten haben, angesprochen sind, sondern weil von ihnen ein persönlicher Einsatz erwartet und durch die Notlage gefordert wird. Ein Problem sei in dem Zusammenhang der persönlichen Hilfen noch gesondert angesprochen: die Erziehungsbedürftigkeit des Kindes. Die Bedeutung, die der Erziehung des Kindes nicht nur für späteres berufliches Fortkommen, sondern auch und insbesondere für die Ausbildung seiner Persönlichkeit zukommt, ist dadurch gekennzeichnet, daß gesagt wird18 , die physische Geburt des Menschen sei bei weitem nicht das Entscheidende, sondern erst seine "zweite" Geburt als sozialkulturelle Person. Diese eminent wichtige Bedeutung, die der Erziehung zukommt, fordert den Einsatz der gesamten Persönlichkeit des Erziehenden. 2 Die unterhaltsbedingten Risiken19 Die unterhaltsbedingten Risiken ergeben sich daraus, daß im familiären Unterhaltsverband Risiken seiner Mitglieder abgedeckt werden. Es lassen sich zwei Gruppen "abgeleiteter" Risiken feststellen: eine, die sich aus der Angewiesenheit auf Unterhalt ergibt; die andere, die sich auf die Unterhalts leistung zurückführen läßt. 21 Die Angewiesenheit auf Unterhalt

211 Familiäre Rollen und Angewiesenheit auf Unterhalt In dem Komplex des familiären Unterhaltsverbandes sind alle Mitglieder in irgendeiner Weise auf Unterhaltsleistungen anderer angewiesen. Diese Angewiesenheit ist aber je nach der eingenommenen familiären Rolle 20 unterschiedlich. Am stärksten von Unterhaltsleistungen abhängig sind die, die dem Unterhaltsverband nur passiv, d. h. nur als Leistungsempfänger angehören und deren Passivrolle, wie etwa bei Kindern, Alten oder dem 18 König, Familie, Gesellschaft, Jugend, Alter, in: ders., Soziologische Orientierungen, S. 111. 19 Vgl. hierzu insbes. Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (132-140). 20 Hierzu o. 1. Kap., sub 2.

294

IH. 1. Albsch:n.: Die Maßstäbe der Kritik

kranken Ehegatten, auf einer tatsächlichen Bedürftigkeit beruht. Der Wegfall des Unterhalts bedeutet für diese Personen sowohl Verlust des Lebensstandards als auch Einkommenslosigkeit und bzw. oder ungedeckten Bedarf an persönlicher Hilfe, ohne daß für sie die Möglichkeit besteht, aus eigener Kraft Abhilfe zu schaffen. Dies gilt aber nicht uneingeschränkt für alle Passivglieder eines Unterhaltsverbandes. Unterhaltsleistungen können in manchen Fällen auch nur dazu dienen, Einkommen des Empfängers auf das Maß eines früher innegehabten Lebensstandards aufzustocken. Beispielsweise seien Unterhaltsleistungen an getrenntlebende oder geschiedene erwerbsfähige Ehegatten genannt. In diesen Fällen kann der Unterhaltsverlust "nur" zu einem Verlust des Lebensstandards führen. Der Ehegatte, der die Haushaltsrolle übernommen hat, ist auf finanzielle Unterhaltsleistungen angewiesen, soll er seine Rolle weiter ausfüllen können. Dies ist um so mehr notwendig, je mehr persönliche Dienste im Haushalt, etwa zur Pflege von Kindern, Alten oder Kranken, erforderlich sind. Fällt der von dem Verdiener geleistete finanzielle Unterhalt weg, dann ist der Haushaltsrolle, die ja kein Einkommen vermittelt, der materielle Boden entzogen. Darüber hinaus ist die Hausfrau - um von ihr als dem typischen Inhaber der Haushaltsrolle auszugehen - ihren Kindern und dem Ehegatten gegenüber gesteigert unterhaltspflichtig und muß daher auch versuchen, finanziellen Unterhalt zu leisten. Sie wird durch den Ausfall des Verdieners in eine sie häufig überfordernde Doppel- oder Dreifachrolle gedrängt: in die Rollen als Hausfrau, Mutter und Verdiener. Zum andern bringt der auch nur zeitweise Rückzug auf den Haushalt berufliche und einkommensmäßige Nachteile21 und - soweit ihre Versorgung an das während des Erwerbslebens bezogene Einkommen geknüpft ist - auch Nachteile für die Altersversorgung mit sich. Wie sehr sich gerade dieses Risiko für die Frau auswirkt, hat die auf Seite 76 gebrachte Tabelle gezeigt, die Altersrenten von Männern und Frauen gegenüberstellte. Am wenigsten auf Unterhalt angewiesen ist der Verdiener. Aber auch er kann von Unterhaltsleistungen anderer abhängig sein, so z. B., wenn mehrere Mitglieder des Unterhaltsverbandes Einkommen beziehen, der weniger Verdienende, der über Unterhaltsleistungen an dem gemeinsamen Lebensstandard partizipiert, für dessen Höhe das Einkommen des Mehrverdienenden ausschlaggebend ist. Die mitverdienende Ehefrau war hierfür schon als typisches Beispiel gebracht worden. Ein Ausfall des Ehegatten, der im Rahmen der Auf teilung der familiären Pflichten den Haushalt betreute, trifft den verdienenden Eheu s. o. 1. Kap., Text zu Anm. 51 und 52.

21. Kap.: Die Risiken

295

gatten insbesondere dann, wenn in dem Haushalt Kinder oder sonstige Personen auf persönliche Hilfe angewiesen sind. Der verdienende Ehegatte muß die persönlichen Leistungen dann entweder selbst erbringen, wozu er häufig, auch wegen seiner beruflichen Pflichten, kaum in der Lage sein wird, oder er muß sie beschaffen, was erhebliche finanzielle Aufwendungen voraussetzt; Aufwendungen, denen nur dann, wenn der Ehegatte stirbt, Einsparungen an laufendem Unterhalt gegenüberstehen. Diese Einsparungen nehmen in der kinderlosen Ehe dem Tod des haushaltführenden Ehegatten den Charakter eines wirtschaftlichen Risikos, wenn man von dem durch den Tod verursachten einmaligen Aufwand absieht. 212 Die Risiken 212.1 Wegfall, Ungenügen oder Ausbleiben des Unterhalts In dem Maße, in dem die Unterhaltsempfänger auf Unterhalt angewiesen sind, ist sein Wegfall, sein Ungenügen oder sein Ausbleiben für sie ein Risiko. Dieses kann zeitlich begrenzt oder dauernd sein und finanziellen oder persönlichen Unterhalt betreffen. Der WegfaU des Unterhalts kann in der Person des Unterhaltsträgers begründet sein. Risiken, wie etwa Krankheit, Invalidität oder - soweit finanzieller Unterhalt in Frage steht - Arbeitslosigkeit gefährden seine Leistungsfähigkeit. Der Unterhaltsträger kann sterben. Sein Nachlaß ist in aller Regel zu gering, um auf Dauer seine Hinterbliebenen zu sichern. Seltener ist es, daß sich der Unterhaltsträger, um ein atypisches Risiko zu nennen, der Unterhaltsleistung entzieht, d. h. daß er zwar leistungsfähig aber nicht leistungswillig ist. Unterhalt fällt aber auch in den Fällen weg, in denen der Empfänger aus dem Unterhaltsverband ausscheidet. Ungerechtfertigtes Getrenntleben oder eine allein bzw. überwiegend verschuldete Scheidung bewirken ein solches Ausscheiden, zumindest dem geltenden Recht nach. Davon sind dann auch die einseitigen Kinder des jeweiligen Ehegatten betroffen, die in dem gemeinsamen Haushalt mitunterhalten wurden22 • Von dem Wegfall unterscheidet sich das Ungenügen des Unterhalts nur in der quantitativen Dimension: Der geleistete Unterhalt reicht nicht aus, um alle Unterhaltsbedürfnisse aller Unterhaltsempfänger zu decken. Ursächlich kann hierfür einmal sein, daß das Einkommen des Verdieners an sich schon ungenügend ist, den Normalbedarf der Familie zu decken. Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverbandes und damit auch der Anteil der Unterhaltsberechtigten am Familieneinkommen hängt außerdem von der Zahl der Familienmitglieder ab. Je größer sie bei gleichbleibendem Einkommen wird, desto geringer wird 22

s. 0.2. Kap., Text zu Anm. 102 und 103; auch 0.12. Kap., Text zu Anm. 18.

IH. 1. Abschn.: Die Maßstäbe der Kritik

296

das Ausmaß des Lebensstandards der gesamten Familie, einschließlich des Verdieners selbst. Diese Minderung der Quantität der Leistungsfähigkeit kann in die Qualität der Leistungsunfähigkeit umschlagen, wenn vorrangig Unterhaltsberechtigte das Leistungsvermögen des Verpflichteten voll beanspruchen. Das Ungenügen des Unterhalts kann auch durch einen erhöhten Mehrbedarf eines Unterhaltsempfängers hervorgerufen werden, wobei dies um so eher der Fall ist, je niedriger das der Familie zur Verfügung stehende Einkommen ist und je mehr Mitglieder in der Familie zu unterhalten sind. Krankheit und Ausbildung des Unterhaltsberechtigten bringen typischerweise solchen Mehrbedarf mit sich. Während der durch Krankheit und Tod (Beerdigungskosten) verursachte Mehrbedarf, um das vorwegzunehmen, heute weitgehend durch Leistungen der sozialen Sicherheit aufgefangen wird, sind die Ausbildungschancen noch großenteils von den genannten Umständen abhängig. Der Familienbericht faßt seine diesbezüglichen Feststellungen so zusammen 23 : "Mit zunehmender Größe der Familie sinkt regelmäßig der Anteil der Kinder, die weiterführende Schulen besuchen .... Bei den unvollständigen Familien ist dieser Rückgang noch stärker ausgeprägt .... Der Einfluß der Familiengröße auf die Bildungschancen der Kinder wird allerdings um so geringer, je gehobener die Sozialschicht ist, der die Familie angehört." Umgekehrt: Je niedriger die Sozialschicht, aus der die Familie kommt, um so geringer sind die Chancen der Kinder, eine qualifizierte Ausbildung zu bekommen24 • Der Unterhalt bleibt dann aus, wenn bei erstmaliger Unterhaltsbedürftigkeit ein Unterhaltsträger nicht vorhanden ist. Betroffen hiervon sind vorwiegend die Angehörigen eines Unterhaltsempfängers, die dessen Unterhaltspflichtigem gegenüber nicht selbst unterhaltsberechtigt sind, vornehmlich die Verwandten z. B. der Ehefrau. Gehören sie nicht einem anderen Unterhaltsverband an, wie z. B. häufig das Stiefkind, dann sind sie unterhaltsrechtlich ungesichert, weil weder die Ehefrau noch ihr Ehemann unterhaltspflichtig sind; jene nicht, weil sie nicht leistungsfähig ist, dieser nicht, weil weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Unterhaltspflicht zwischen Verschwägerten besteht. Doch werden ihnen häufig freiwillige Unterhaltsleistungen erbracht. Auf einen Fall des Ausbleibens familiären Unterhalts sei noch besonders hingewiesen, den der nichtehelichen Mutter. Sie hat, ebenso wie 23

S.78.

Vgl. auch Jürgens, Familiengröße . und Bildungsweg der Kinder, 1967, S. 24 ff. Die Arbeiterkinder etwa sind in Gymnasien und in Hochschulen unterrepräsentiert. Im Jahre 1966 betrug ihr Anteil in der Abgangsklasse der Gymnasien lediglich 6,4 010 (Sozialbericht 1970, S. 10). 24

21. Kap.: Die Risiken

297

die verheiratete Frau, Mutterpflichten zu erfüllen und ihr Rückzug auf den Haushalt wäre ebenso notwendig, doch steht diesen gleichen Pflichten nur ein beschränkter Unterhaltsanspruch gegenüber 25'. Das Risiko der nichtehelichen Mutter ist es, daß finanzieller Unterhalt ausbleibt, obwohl sie ihre Rolle als Mutter in der unvollständigen Familie wahrnehmen muß. 212.2 Die Abhängigkeit von dem Unterhaltsträger Der, der auf Unterhalt angewiesen ist, wird nicht nur durch die Möglichkeit des Wegfalls, Ungenügens oder Ausbleibens familiären Unterhalts gefährdet. Die Abhängigkeit von dem, der Unterhalt leistet, kann zu Einschränkungen der Freiheitssphäre führen. Die Orientierung jeder Leistung, auch der Unterhaltsleistung, am Bedarf des Berechtigten bringt für diesen notwendigerweise eine Einschränkung seiner Freiheitssphäre mit sich26 • Er kann nicht - zumindest nicht unbegrenzt das Ausmaß seines Bedarfs selbst bestimmen. Das Urteil hierüber muß von dem Träger der Hilfe mitbestimmt werden. Da der Bedarf mit der Entfaltung der Freiheit zusammenhängt, bedeutet seine Festsetzung von außen her immer ein Element der Fremdbestimmung. Die "Verteilungshoheit" , die im familiären Unterhaltsverband den Unterhaltsträgern zukommt, und die den Kindern gegenüber von dem Sorge- und Vertretungsrecht der Eltern flankiert wird, kann mit Freiheitsrechten des Leistungsempfängers kollidieren. So gibt es "ohne Zweifel ... Fälle, in denen ... bei der Unterstützung des weiteren Studiums darauf Wert gelegt wird, daß der Berufswunsch der Eltern für die Kinder respektiert wird. Es gibt auch Eingriffe von elterlicher Seite, nämlich Drohungen, etwa mit dem Entzug der finanziellen Unterstützung des Studiums bei einer politischen Betätigung, die nicht im Sinne des Vaters oder der Mutter liegt. Wir haben solche Fälle und auch solche Drohungen. Wie hoch der genaue Prozentsatz solcher Differenzen und Schwierigkeiten mit dem Elternhaus bei volljährigen Studenten ist, läßt sich schwer abschätzen "27. 22 Die Leistung von Unterhalt

Die Einordnung in den familiären Unterhaltsverband bedeutet für den Unterhaltsempfänger Abhängigkeit von Unterhalt und Unterhaltsträger; dem Unterhaltsträger bringt sie die Verpflichtung, Unterhalt leisten zu müssen. Daraus resultieren seine Risiken, die je nach der Art des geleisteten Unterhalts, d. h. je für Haushaltsrolle und VerdienerVgl. § 16151 BGB. Vgl. Zacher, Freiheitliche Demokratie, S. 140 f. 27 So der Abg. Moersch, BT.-Sten. Ber. V/I0949 D; Kießling, JuS 1971, 285 (287). 25

26

298

!Ir. 1. Abschn.: Die Maßstäbe der Kritik

rolle, d. h. wiederum, je nachdem ob persönlicher oder finanzieller Unterhalt geleistet wird, unterschiedlich sind. Der Inhaber der Haushaltsrolle ist insbesondere dann, wenn im Haushalt kleinere Kinder zu versorgen sind, häufig gezwungen, seine Erwerbstätigkeit aufzugeben28 , oder daran gehindert, eine solche aufzunehmen. Das bedeutet für die gesamte Familie einen Verzicht auf höheren Lebensstandard; ein Verzicht, der mit den dann hinzugekommenen Unterhaltsbelastungen durch die Kinder kumuliert. Außerdem gerät der Inhaber der Haushaltsrolle in die Abhängigkeit von dem Einkom~ men des Verdieners. Aus dieser Abhängigkeit ergeben sich dann die schon erörterten Risiken. Der Verdiener muß über den Unterhalt sein Einkommen auf die ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten umverteilen. Er kann daher nur einen - je nach Familiengröße kleineren oder größeren - Anteil an seinem Einkommen für sich verbrauchen, denn sein Arbeitseinkommen läßt das "soziale Gepäck"29 unberücksichtigt. Er steht sich schlechter als ein Lediger mit gleichem Einkommen. Dieses Risiko des Verdieners schlägt, je mehr Angehörige zu unterhalten sind, um so stärker auf diese selbst zurück, denn auch ihr Pro-Kopf-Anteil an dem Familieneinkommen sinkt. Unterhaltsbelastungen werden daher auch zu einem Risiko für die ganze Familie, deren Lebensstandard zurückbleibt, bzw. zu einem Risiko für bestimmte Unterhaltsempfänger, die wegen der überbelastung des Unterhaltsträgers und dessen dadurch eingetretener Leistungsunfähigkeit ihren Unterhalts anspruch verlieren30 •

28 2g

30

s. o. 1. Kap., Text zu Anm. 46-50. Schreiber, Existenzsicherheit, S. 7. S. z. B. o. 2. Kap., Text zu Anm. 61 und 62.

Zweiter Abschnitt

Kritische Betrachtung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit Die nachfolgende kritische Betrachtung ist auf die Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit beschränkt. Das bedeutet, daß sie von den Strukturdaten des heutigen Systems sozialer Sicherung, also seiner Einteilung in Fürsorge, Sozialversicherung und Versorgung, ausgeht, daß essentielle Prinzipien der einzelnen Systeme, soweit sie nicht unmittelbar Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit berühren, hingenommen werden, wie etwa die Berechnung der Leistungen in der Rentenversicherung nach dem Lebenseinkommen und in der Beamtenversorgung nach dem zuletzt bezogenen Diensteinkommen1 • Das bringt es auch mit sich, daß die Arbeit die Kumulation z. B. von Unfallversicherungs- und Rentenversicherungsleistungen als vorgegeben betrachtet, obwohl sich dagegen - auch von dem Standpunkt des Unterhaltsersatzprinzips aus - Kritik vorbringen ließe 2 • Die kritische Betrachtung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit geht von fünf Ansatzpunkten aus. Der erste betrifft die Sicherungslücken. Dabei interessieren die Fragen, ob das sich aus familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit zusammensetzende Gesamtsystem sozialer Sicherung eine umfassende Grundsicherung gewährleistet und ob und inwieweit die eben dargestellten Unterhaltsrisiken in der gehobenen sozialen Sicherung abgedeckt sind. Zweiter Ansatzpunkt ist die Effektivität der vorhandenen Sicherung. Hier soll geprüft werden, ob die vorhandene Sicherung so ausgestaltet ist, daß die von ihr grundsätzlich erfaßten Risiken ausreichend und zuverlässig abgesichert werden. Ungleiche Regelungen innerhalb der Systeme und zwischen den einzelnen Systemen aber auch zwischen Unterhalts- und Sozialrecht geben den dritten Ansatzpunkt der Kritik ab. Kritik kann sich auch dar an entzünden, daß der Staat - bewußt oder unbewußt - über die Gewährung oder den Entzug von Sozialleistungen auf höchstpersönliche Ent1 2

Hierzu ausführlich Liefmann-Keil, Altersvorsorge, S. 37 ff. Regelung der sozialen Hilfe, S. 79.

Braun,

300

IH. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

scheidungen Einzelner einwirkt. Schließlich soll die in dem Gesamtsystem sozialer Sicherung getroffene Verteilung der Hilfsverantwortung auf Staat und Familie einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. 22. Kapitel

Sicherungslücken Bei der Suche nach Sicherungslücken soll unterschieden werden zwischen -

Lücken in der Grundsicherung Lücken in der gehobenen Sicherung und Lücken in dem Familienlastenausgleich.

Dabei kommt, sofern vorhanden, Lücken in der Grundsicherung besondere Bedeutung zu. Sie müßten, wenn sie den Betroffenen in seiner physischen Existenz gefährdeten, notfalls durch unmittelbar aus dem GG abgeleitete Ansprüche geschlossen werden1 • Lücken in der gehobenen Sicherung oder in dem Familienlastenausgleich haben eine solche Folge nicht. Derjenige, der durch das Sieb gehobener Sicherung hindurchgleitet, fällt nicht in das Bodenlose, er fällt nur tiefer in das Netz der Sozialhilfe. Aber das ist wegen des damit meistens verbundenen Verlustes des Lebensstandards und der damit verbundenen Folgen ein nur sehr schwacher Trost. Unmittelbare Korrekturmöglichkeiten bestehen nicht, weil der Gesetzgeber bei der Frage, wen er der gehobenen sozialen Sicherung zuordnen2 und welche familienbedingten Lasten er ausgleichen wilP, einen großen Ermessensspielraum hat. Solche Lücken sollten jedoch den Gesetzgeber zu sozialer Aktivität veranlassen.

1 Lücken in der Grundsicherung Von den Ausgangstatbeständen her läßt sich, nachdem auch das BVerwG bekräftigt hat4 , daß die in dem BSHG aufgeführten Hilfsarten nicht abschließend, sondern nur beispielhaft genannt sind und daß darüber hinaus auch Leistungen in weiteren Fällen sozialer Notlagen 1 S. I S. 3 4

o. 20. Kap., Anm. 5.

o. 20. Kap., Anm. 21. s. o. 20. Kap., Anm. 93. BVerwGE 29, 235 (236).

22. Kap.: Sicherungslücken

301

zu erbringen sind, die eine Hilfe der Allgemeinheit erfordern5 , ein an sich lückenloses Grundsicherungssystem feststellen, das sowohl materielle wie immaterielle Nöte erfaßt. Und doch gibt es gerade bei der Durchführung der Hilfen Lücken. Sie zeigen sich besonders im Bereich persönlicher Hilfen'. Auch bei der Sozialhilfe läßt sich eine Bevorzugung finanzieller Leistungen erkennen. Ansätze zu persönlichen Leistungen sind vorhanden: etwa die Altenhilfe, die Hilfe für Gefährdete, einige Hilfen für Behinderte und die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts, die in der Mehrzahl der Fälle darin besteht, daß Kinder, deren Mutter ausgefallen ist, in einem Heim untergebracht werden, weil sonstiges Hilfspersonal fehlt7. Die Bevorzugung der Geldleistung im gesamten System sozialer Sicherung kann sich darauf stützen, daß monetäre Hilfen umfassende Hilfen sind, weil sie es ihrem Empfänger ermöglichen, seine jeweiligen Bedürfnisse in dem von dem Umfang der Sozialleistung gesteckten Rahmen nach freier Wahl zu befriedigen. Die Bevorzugung von Geldleistungen beruht auch darauf, daß sie dem Empfänger zu ,,(Sozial-) Einkommen" verhelfen und dem als Folge der Mehrzahl der Risiken eintretenden Einkommensbedarf entsprechen und daß nur Geldleistungen das Ziel der "gehobenen" sozialen Sicherung ermöglichen, den Lebensstandard des Leistungsempfängers aufrecht zu erhalten. Ihre Bevorzugung kann auch die Respektierung der Freiheitssphäre des Empfängers für sich ins Feld führen. Diese wird durch Geldleistungen nicht nur nicht berührt, sondern erst wieder eröffnet. Demgegenüber können Sachleistungen, weil sie die Möglichkeit des Leistungsempfängers, Bedarfsprioritäten zu setzen, verschließen, und persönliche Hilfen, weil sie zu einer Bevormundung des Hilfsbedürftigen führen können, die Freiheitssphäre doch - unter Umständen erheblich - einengen. Der Anspruch auf Geldleistungen ist von dem Empfänger auch leichter durchzusetzen. Er ist von "Angebotsschwankungen", die die Möglichkeiten persönlicher Hilfe so sehr einengen, unabhängig. Und schließlich sind gleichhohe Geldleistungen in der Sozialhilfe auch ein Indiz für die Gleichbehandlung der Empfänger. Die Bevorzugung finanzieller Leistungen läßt sich aber auch darauf zurückführen, daß sie am leichtesten zu erbringen sind. Von hier aus droht sie in eine "Einseitigkeit"8 monetärer Hilfen umzuschlagen, die die eigentliche Bedarfsstruktur mancher Risiken mit 5 S.

o. 4. Kap., sub 11.

e Hierzu Neundörfer, Die Vergessenen, S. 201 ff.; s. a. von Ferber, Sozial-

politik in der Wohlstandsgesellschaft, 1968, passim. 7 Zu diesem Notstand Liefmann-Keil, Dienstleistungen, S. 155 ff. S Ebd. S. 161, 168 f.; Zacher, Sozialpolitik, S. 42 (passim).

302

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

dem überall hinpassenden finanziellen Bedarf verdeckt und die zu Lasten derer geht, die mehr an Hilfe brauchen als Geld, insbesondere die Behinderten, die psychisch Kranken und die alleinstehenden Alten. Dem versucht zwar der allumfassende Ausgangstatbestand der Sozialhilfe Rechnung zu tragen. Seine Umsetzung in persönliche Leistungen scheitert aber weitgehend an dem Notstand im Bereich der persönlichen Dienstleistungen, z. B. an dem Fehlen von Sozialarbeitern9 • Die "Einseitigkeit" monetärer Hilfen ist bislang deshalb in dem Hintergrund sozialpolitischen Interesses geblieben, weil die Familien die dadurch entstandene Lücke an persönlicher Hilfe weitgehend geschlossen haben. Die persönliche Hilfe wurde von den Familien nicht nur innerhalb der Kernfamilie sondern insbesondere auch innerhalb der Drei-Generationen-Familie erbracht. Auch insoweit kam der Familie als Träger sozialer Sicherung eine hervorragende Bedeutung zu. Der Strukturwandel der Familie, die Reduktion der Großfamilie auf die Kernfamilie bringt es mit sich, daß viele bisher innerhalb der Familie erbrachten persönlichen Dienste entfallen, so z. B. die der Älteren für die Jüngeren (daher steigender Bedarf an Kindergärten und Ganztagsschulen) und die der Jüngeren für die Älteren (daher steigender Bedarf an Alters- und Pflegeheimen), und daß ein entsprechender Bedarf nach "Hilfe von außen" auftritt10 • Wenn auch - wie gesagt - in vielen Fällen heute noch innerhalb der Drei-Generationen-Familie persönliche Dienste ausgetauscht werdenl l , so muß "dieses Zurückgehen auf Eigen-Dienste (der Familie) ... einstweilen nur als unzureichende Alternative erachtet" werden12 • Die Eigen-Dienste werden innerhalb der Familie vorwiegend von den Hausfrauen erbracht, die dadurch häufig überfordert und nicht selten an einer Berufstätigkeit gehindert werden. Umgekehrt wird diese "Hilfsfunktion" der Familie um so mehr abnehmen, je mehr Frauen berufstätig werden, was in anderen Bereichen der Sozialpolitik angestrebt wird. Hinzu kommt, daß der durch solche Dienstleistungen bedingte Einkommensverzicht der Frau im sozialrechtlichen Leistungskatalog - wie noch zu zeigen sein wird13 keinen Ausgleich findet. Nicht zuletzt ist es auch auf diese Umstände zurückzuführen, daß die auf Hilfe angewiesenen Alten die Inanspruchnahme ihrer Kinder als eine für diese unangenehme Belastung empfing Vgl. dazu Zweiter Bericht über die Lage der Jugend und die Bestrebungen auf dem Gebiet der Jugendhilfe gern. § 25 Abs. 2 JWG - Jugendbericht -, ZSR 1969, 251. 10 Liefmann-Keil, Dienstleistungen, S. 168 f. 11 s. auch 1. Kap., sub 12. 12 Liefmann-Keil, Dienstleistungen, S. 168 f. 13 S. u. 23. Kap., sub 322.

22. Kap.: Skherungslücken

303

den und überwiegend der Ansicht sind, der Staat müsse ihnen in erster Linie helfen14 • Zur Zeit ist es jedoch zumindest so, daß der Staat aus Mangel an Dienstleistungskräften nicht einmal in all den Fällen den Bedarf an persönlicher Hilfe decken kann, in denen die Familie aus irgendeinem Grunde als Hilfsträger ausscheidet. Insofern muß in der Grundsicherung eine Lücke konstatiert werden - eine Lücke allerdings, der der Staat, da ihm durch Art. 12 GG die Auferlegung persönlicher Dienstpflichten untersagt ist, recht ohnmächtig gegenübersteht, und die er allenfalls durch attraktivere Ausgestaltung der Pflegeberufe schließen kann15 •

2 Lücken in der gehobenen Sicherung In diesem Punkt werden unter "gehobener" Sicherung sowohl die Vorsorge- und Entschädigungssysteme als auch die "gehobenen" Hilfssysteme, wie Arbeitslosenhilfe und Kriegsopferfürsorge, verstanden. Ihnen ist insgesamt gemeinsam, daß Lücken "nur" dazu führen, daß anstatt gehobener Sicherung Sozialhilfe in Anspruch genommen werden muß. All diese Sicherungssysteme erfassen nur einen bestimmten Personenkreis. Berücksichtigt man, daß über ihn, regelmäßig die Verdiener und als solche Ernährer ihrer Familien, bestimmte Familienangehörige mitgesichert sind, so ergibt sich daraus auch, daß eine Vielzahl von Familien insgesamt nicht in die Sicherung einbezogen ist. Zum anderen sind wegen der Begrenzung des mittelbar gesicherten Personenkreises Angehörige, die nicht zu diesem Kreis zählen, nicht gesichert. Das ist die eine Lücke im System gehobener Sicherung. Die andere hat ihre Ursache darin, daß sich die Sicherung nur auf bestimmte typische Risiken beschränkt und andere der Grundsicherung überläßt. 21 Die Begrenzung des gesicherten Personenkreises

211 Die Begrenzung des unmittelbar gesicherten Personenkreises In den Schutz der gehobenen sozialen Sicherung kommt nicht jedermann. In den Vorsorgesystemen sind nur die gesichert, die entweder versicherungspflichtig oder die versicherungsberechtigt sind und von dieser Berechtigung Gebrauch gemacht haben. Sie sind zudem nur dann gesichert, wenn sie die übrigen Voraussetzungen, wie z. B. das Erreichen der Wartezeit, erfüllt haben. Ohne auf die Versicherungspflicht Von Friedeburg - Weltz, Altersbild und Altersvorsorge, S. 29 f., 62 f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 26 (Anm.36). 14

15

304

II!. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

und -berechtigung im einzelnen eingehen zu wollen18, kann hier festgestellt werden, daß ein immer noch relativ großer Prozentsatz der Bevölkerung nicht von den Vorsorgesystemen erfaßt wird. Dieses Sicherungsmanko verliert zwar wegen der Ausdehnung der Versicherungspflicht, insbesondere durch die "Dynamisierung" der Versicherungspflichtgrenzen und die "Öffnung" der Versicherung für weitere Personenkreise, etwa durch das RRG, mehr und mehr an Bedeutung. Es bleibt jedoch insoweit bestehen, als dadurch nicht die grundsätzliche Beschränkung der Vorsorgesysteme auf gegen Entgelt Beschäftigte beseitigt wird, die zur Folge hat, daß insbesondere Hausfrauen nicht versicherungsberechtigt, geschweige denn versicherungspflichtig17 und daher auch nicht unmittelbar qualifiziert gesichert sind. Am Anfang staatlicher Sozialpolitik stand nur der gegen Entgelt Tätige im Vordergrund der Zielorientierung und der damals aus dieser Haltung heraus gewonnene Ansatz ist, obwohl schon früh auf seine Enge hingewiesen worden war18, bis heute beibehalten worden19 • Primäres - und vor Einbeziehung der Angehörigen einziges - Zuweisungskriterium zu den Vorsorgesystemen ist die entgeltliche Beschäftigung. Das Beschäftigungs- oder Dienstverhältnis ist hierfür sozusagen die "Eintrittskarte". Bei dem Bestreben, den Angehörigen ebenfalls den Schutz der Vorsorgesysteme zukommen zu lassen, stand man - nicht nur theoretisch - vor der Alternative, die personale Begrenzung der Vorsorgesysteme zugunsten einer jedermann erfassenden gehobenen sozialen Sicherung aufzugeben 20 , um auf diesem Wege dann auch die Angehörigen unmittelbar einzubeziehen oder die personale Begrenzung beizubehalten und die Sicherung der Angehörigen den schon bestehenden Sozialversicherungszweigen anzugliedern21 • Der zweite Weg wurde eingeschlagen und es stellte sich dann nur noch die Frage, welche Berufsklassen der Witwen- und Waisenversicherung zu unterwerfen seien22 • Man ging schon gar nicht mehr von den Angehörigen als den eigentlich zu Sichernden aus, sondern sah nur noch den Verdiener, über den die Angehörigen abgeleitet und mittelbar gesichert werden sollten. Siehe dazu die Angaben im 2. Abschnitt des 1. Teiles. Vgl. hierzu RVA, AN 1936,17; LSG Nds., Breith. 1970,493. 18 Vgl. etwa schon Baum, Die Stellung der Frau in der Reichsversicherungsordnung, in: Die Praxis der kommunalen und sozialen Verwaltung, H. Kursus: Die neuen Aufgaben der Sozialversicherung in der Praxis, 1913, S. 116 (120). 19 s. a. Neundörfer, Die Vergessenen, S. 203 ff. 20 Vgl. van Roy, Reformblatt für Arbeiterversicherung 1908, 149 (150); Vogel, S. 174 m. w. Nachw. !1 So z. B. von Loeper, S. 73 ff. 22 So z. B. von Loeper, ebd. 16

17

22. Kap.: Sicherungslücken

305

Die dann so erfolgte Ausgestaltung der Sicherung der Angehörigen ist - zumindest im Ansatz - konsequent. Wären die Angehörigen, obwohl die Beschränkung der Systeme gehobener sozialer Sicherung auf bestimmte Berufsklassen beibehalten wurde, nicht abgeleitet gesichert worden, dann hätte dies einen Widerspruch zu der personalen Beschränkung und eine so wesentliche Durchbrechung hiervon bedeutet, daß damit "unvermeidlich" die Frage nach dem Ausbau oder Umbau der Sozialversicherung zu einer Volksversicherung gestellt gewesen wäre 23 • Da man das nicht wollte, ist die "Unterhaltsberechtigung gegenüber einem durch das System sozialer Sicherung gesicherten Ehemann oder Vater" zu dem für die Angehörigen maßgeblichen "Konstitutionsprinzip gehobener sozialer Sicherung" geworden24 • Das bringt es mit sich, daß - entsprechend der personalen Begrenzung des unmittelbar gesicherten Personenkreises - auch nur die Angehörigen abgeleitet gesichert sind, deren Unterhaltsträger der gehobenen sozialen Sicherung zugeordnet ist. Die Sicherungslücken im Kreis der unmittelbar Gesicherten setzen sich im Kreis der abgeleitet Gesicherten fort. Ausdehnungen der Versicherungspflicht tragen zwar dazu bei, auch hier Sicherungslücken zu schließen, ganz beseitigt sind auch sie jedoch nicht. Der Umstand, daß Angehörige nicht unmittelbar, sondern nur abgeleitet gesichert sind, führt alleine jedoch nicht zu einer Sicherungslücke. Hier ist entscheidend, wie effektiv diese abgeleitete Sicherung ausgestaltet ist, eine Frage, der im nächsten Kapitel nachgegangen werden so1l25. In den Entschädigungssystemen werden nur die gesichert, deren Risiken sich auf bestimmte Ursachen, wie Krieg bzw. Kriegsfolgen und Berufs- bzw. Dienstunfall, zurückführen lassen. Diese Begrenzung folgt aus dem Zweck der Entschädigungssysteme und wird als solche soweit ersichtlich auch nicht in Frage gestellt.

212 Die Begrenzung des abgeleitet gesicherten Personenkreises Während in den Entschädigungssystemen ein relativ großer Kreis von Angehörigen abgeleitet mitgesichert ist, beschränkt sich die Möglichkeit der Mitsicherung von Angehörigen in den Vorsorgesystemen auf die Mitglieder der Kernfamilie und soweit die Hinterbliebenen23 So Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 85; s. a. Bogs, NJW 1968, 1649 (1653); Beitzke, RdA 1971, 99 (102). 24 Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 9; s. 0.18. Kap., Text zu Anm. 15-18. 25 s. u. 23. Kap., sub 21.

20 Ruland

306

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

sicherung in Frage steht, und das nicht einmal in allen Fällen26 auf den geschiedenen Ehegatten. Andere Unterhaltsempfänger werden, auch wenn sie in gleicher Weise wie die eben genannten Angehörigen auf den Unterhaltsträger angewiesen sind, nicht berücksichtigt. Auch das führt zu Sicherungslücken, die aber aus der Stellung der Vorsorgesysteme im System sozialer Sicherung und aus der Notwendigkeit, die Vorsorgesysteme als Zwangssicherungssysteme auf bestimmte "gängige" Risiken zu beschränken27 , heraus gesehen und akzeptiert werden müssen. Werden jedoch in einigen Systemen bestimmte Angehörige im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Systemen nicht mitgesichert, dann stellt sich die Frage der Gleichbehandlung. Genannt war bisher der geschiedene Ehegatte. Hinzugefügt werden können die Stief- und Pflegekinder, die lediglich im Beamten- und im Verfolgtenversorgungsrecht nicht als anspruchsberechtigte Waisen gelten28 • 22 Die Beschränkung der Sicherung auf bestimmte Risiken Das Risiko des "Ausfalls persönlichen Unterhalts"

221 Zur Notwendigkeit einer Unfallversicherung für Hausfrauen Die gehobene soziale Sicherung erfaßt nur bestimmte Risiken. Die Entschädigungssysteme sichern nur gegen Risiken infolge bestimmter Ursachen, wie Krieg bzw. Kriegsfolgen und Berufs- bzw. Dienstunfall. Zu diesen Risiken gehört auch der Verlust der Unterhaltsträger durch einen solchen Umstand. Dabei ist es bei den Kriegsentschädigungssystemen unerheblich, ob finanzieller oder persönlicher Unterhalt geleistet wurde. Anders ist es bei den Unfallentschädigungssystemen. Sie sind Vorsorgesysteme der Arbeitgeber zugunsten ihrer Arbeitnehmer und als solche im wesentlichen auf Betriebsunfälle beschränkt. Unfälle im Haushalt, also im Rahmen der Gewährung persönlichen Unterhalts, genießen keinen Unfallschutz, obwohl 1962 beispielsweise alleine von 26 Nicht im GAL; keine Hinterbliebenenversorgung erhalten außerdem unschuldig geschiedene Ehegatten von Bundestagsabgeordneten. (Vgl. § 9 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages [Diätengesetz 1968] vom 7. Mai 1968 [BGBl. I, 334]). Die Satzung der [öffentlich-rechtlichen] Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen schließt ebenfalls alle geschiedenen Ehefrauen von der Versorgung aus. (§ 33 Abs. 2 der Satzung [BAnz Nr. 51 vom 13.3. 1964, Seite 2]; dazu BVerwG, VersR 1968, 87). Entsprechendes gilt für die Versorgung der Hinterbliebenen von Kassenärzten, dazu BSG, Breith. 1971, 816; vgl. zum GAL nunmehr den Schluß der Einleitung! 27 s. o. 19. Kap., sub 112. 28 s. 0.12. Kap., Anm. 24; s. hierzu u. 24. Kap., Text zu Anm. 12.

22. Knp.: Sicherungslücken

307

8000 tödlichen Unfällen im Haushalt die Rede war 29 • So ist denn mehrfach eine Öffnung der Unfallversicherung auch für Hausfrauen gefordert worden30 • Im Anschluß an die Untersuchung von Lang1ceit31 kann auch festgestellt werden, daß es weder der Aufgabenstellung noch den Wesenselementen der gesetzlichen Unfallversicherung widerspräche, wenn auch die Hausfrauen dort ihren Platz neben Kleinunternehmern und deren mitarbeitenden Ehegatten fänden 32 • Es fragt sich jedoch, ob für eine solche Öffnung der Unfallversicherung ein Bedürfnis besteht33 • Ein Unfall bei der Hausarbeit hat drei mögliche Konsequenzen: Verletzungen der Hausfrau, die eine Heilung und u. U. eine Rehabilitation erfordern, und den kurz- oder langfristigen, möglicherweise dauernden Ausfall der Hausfrau in ihrer Rolle. Bei Frauen, die eine Doppelrolle in Haushalt und Beruf wahrnehmen, kann zudem noch der Verdienst wegfallen. Dagegen bestehen aber bereits folgende Sicherungen: -

Die berufstätigen Frauen, die krankenversicherungspflichtig sind, und die Frauen, die über ihren Mann Familien- oder sonstige Krankenhilfe erhalten, genießen bei Verletzungen den Schutz der Krankenversicherung;

-

der Ausfall des Einkommens wird bei der berufstätigen Frau, die krankenversicherungspflichtig ist, durch das Krankengeld, der dauernde Ausfall bei den Frauen, die die Voraussetzungen der Invaliditätsrenten erfüllt haben, durch eine solche Rente aufgefangen.

Nicht abgesichert ist das Risiko des Ausfalls der Hausfrauenarbeit. Die Haushaltshilfe in der Krankenversicherung34 ist ein zu schwacher Ansatz, um seiner Herr zu werden. Es fragt sich aber, ob die Unfallversicherung geeignet ist, es abzudecken, denn es handelt sich um ein Risiko, das immer dann auftaucht, wenn die Hausfrau ausfällt, unabhängig von der Ursache des Ausfalles. Dieses grundsätzliche Risiko kann auch nur grundsätzlich gesehen und in Angriff genommen werden. Eine Teillösung in der Unfallversicherung könnte außerdem den Zugang zu einer grundsätzlichen Lösung erschweren.

Vgl. Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 110 (Anm. 283). Bogs, NJW 1968, 1649 (1654); Eherechtskommission, Vorschläge (II), S. 35; Lohnes, JR 1968, 252 (256 f.); Tennstedt, SozSich. 1968, 39 ff.; Wannagat, Unzureichender Versicherungs schutz für Hausfrauen, ZfS 1956, 67 (68); vgl. auch Abg. Stingel, BT. Steno Ber. IV/233 A; 256 C; s. a. Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 112 Anm. 290. 31 Sicherung der Frau, S. F 110 ff. 32 Ebenso Bogs, BKK 1968, 78; a. A. Frauenenquete, S. 13l. 33 Das wird von Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 113, und der Frauenenquete, S. 131, verneint. U Eine aus § 185 RVO abgeleitete Hilfsart. !9 30

20·

308

111. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen 222 Die Beschränkung der Vorsorgesysteme auf bestimmte Unterhaltsrisiken

Die vorsorgende gehobene soziale Sicherung - Sozialversicherung und Beamtenversorgung - sichert gegen die Risiken, die die Arbeitskraft und die Möglichkeit ihrer Verwertung bedrohen. Ihre klassischen Ausgangstatbestände sind: Invalidität, Alter, Unfall, Krankheit (Schwangerschaft), Tod des Ernährers und Arbeitslosigkeit. Diese "typischen" Ausgangstatbestände spiegeln den "klassischen Anknüpfungspunkt"35 der "gehobenen" sozialen Sicherung wider: die entgeltliche Arbeit. "Klassischer Anknüpfungspunkt" ist das Arbeitsentgelt u. a., weil es die Möglichkeit bietet, Beiträge zur kollektiven Sicherung aufzubringen und weil es eine sachgemäße Größe darstellt, an der die Auswirkungen eines Risikofalles gemessen werden können36 . Schließlich darf auch nicht übersehen werden, daß es die ökonomische Basis des familiären Unterhaltsverbandes bildet und daß daher seine Sicherung auch eine Sicherung dieser Basis bedeutet und somit eine Sicherung der auf diese Basis angewiesenen Angehörigen. Entsprechend der Einkommensorientierung der Vorsorgesysteme, die lediglich durch Sachleistungen der Krankenversicherung durchbrochen wird, sind die Leistungen auch Surrogate des Einkommens, "Einkommensersatz" . Das gilt selbst für die sog. "Unterhaltsersatzleistungen"37. Diese Orientierung der Sicherung am Einkommen und damit an der Person des Verdieners versperrt den Blick auf die spezifische Eigenart der "unterhaltsbedingten" Risiken der Angehörigen. Ihre Allokation ausschließlich in der Person des unmittelbar gesicherten "Ernährers" oder "Verdieners" geht an der Tatsache vorbei, daß die ausbleibende oder unzureichende Befriedigung des Unterhaltsbedarfs zunächst das "grundlegende Risiko"38 derer ist, deren Unterhalt ausbleibtSG • Dieses Risiko wird jedoch von den heutigen Vorsorgesystemen nur in den Fällen erfaßt, in denen der Unterhalt infolge des Todes oder der Verschollenheit des Unterhaltsträgers wegfällt. Darüber hinaus bildet der Wegfall des Unterhalts aus Erwerbseinkommen infolge mangelnder Leistungsfähigkeit des Unterhaltsträgers in dem Maße kein Risiko mehr, in dem die Vorsorgesysteme Einkommenssurrogate gewähren. Der Wegfall des Unterhalts durch Unterhaltsentzug oder Ausscheiden aus dem Unterhaltsverband, der in seinen Folgen dem Verlust des Unterhalts durch Tod des Unterhaltsträgers gleichkommt, erfährt aber keine gehobene soziale Sicherung. 35 36 37

38 39

Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 8. Ebd. s. o. 18. Kap., sub 21. KTause - Ruland, ZSR 1969, 129 (133). ZacheT, Sicherung der Frau, S. 0 17.

22. Kap.: Sicherungslücken

309

Das ist nicht schlechthin ein Vorwurf gegen die Ausgestaltung der Vorsorgesysteme, denn es bleibt zu fragen, ob diese von ihnen nicht erfaßten Unterhaltsrisiken überhaupt einer auf Vorsorge beruhenden Sicherung zugänglich sind. Das ist zu verneinen. Ausgangstatbestände einer solchen Sicherung müssen dadurch gekennzeichnet sein, daß ihr Eintritt von Einwirkungsmöglichkeiten des Versicherten unabhängig ist40 , andernfalls der Manipulation Tür und Tor offen stünde. Unterhaltsverlust durch Ausscheiden aus dem Unterhaltsverband, selbst durch Scheidung41 , und mehr noch der Unterhaltsentzug beruhen auf solch subjektivem Verhalten und sind daher keine durch Vorsorgesysteme absicherbare Risiken.

223 Speziell: Keine Sicherung bei Ausfall des persönlichen Unterhalts Zum Unter halts begriff in den Vorsorgesystemen 42 Entsprechend der Sicherung des Verdieners ist auch ihr "Annex" die Sicherung der Angehörigen - am Einkommen orientiert. Sie erfaßt abgesehen von der Krankenhilfe nur die mit dem Einkommen verbundenen Risiken wie Wegfall, Minderung oder Mehrbelastung des Einkommens. Das Risiko des Wegfalls persönlichen Unterhalts - speziell des Wegfalls der Mutter -, das dem vor der RVO erlassenen BGB nicht unbekannt war43 , bleibt deshalb unberücksichtigt 44 • Einen kleinen Schritt zu seiner Abdeckung stellt die Durchbrechung des einkommensorientierten Systems dar, die das BVerfG gegen den Widerstand insbesondere des IV. Senats des BSG unterschiedslos im gesamten Sozialrecht durchgesetzt hat4 5 • Danach umfaßt der sozialrechtliche Unterhaltsbegriff nicht nur Unterhaltsleistungen aus dem Arbeitsverdienst sondern - entsprechend dem neuen zivilrechtlichen Verständnis - auch persönliche Leistungen. Der Wegfall persönlichen Unterhalts hat in den Vorsorgesystemen - in Betracht kommen hier nur die Hinterbliebenensicherungssysteme - zur Folge, daß eher Leistungen gewährt werden als früher, weil der Witwer unter Hinzurechnung des von seiner Frau geleisteten persönlichen Unterhalts eher "überwiegend unterhalten" wird. Allerdings bemessen sich auch in die-

40 41 42

4S U

Achinger, Sozialpolitik, S. 117. Hierzu Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 27.

Zum Folgenden vgl. Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (142 ff.). §§ 844 Abs. 2, 845 BGB. Die Haushaltshilfe in der Krankenversicherung (§ 185 RVO) ist ein prae-

ter legern gefundener, zu schwacher Ansatz, um dieses Risikos Herr zu werden. 45 s. o. 13. Kap., sub 13.

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In. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

sen Fällen die Leistungen nur nach dem (versicherten) Einkommen und lassen die personale Unterhaltsleistung völlig außer Acht46 . Schon dieses nur geringfügige Ergebnis zeigt, daß die Ausweitung des Unterhaltsbegriffes nicht geeignet ist, das Risiko des Ausfalls persönlichen Unterhalts zu decken. Sie ist außerdem mit der Systematik der Vorsorgesysteme nicht vereinbar. Sie kann weiter zu neuen, bedenklichen Sicherungslücken führen. Die Ausweitung des sozialrechtlichen Unterhaltsbegriffs auf persönliche Leistungen muß im Zusammenhang gesehen werden mit der Ausweitung, die er auch sonst erfahren hat. So werden heute finanzielle Leistungen, auch wenn sie nicht aus dem Arbeitsverdienst stammen, fast uneingeschränkt als Unterhalt im sozialrechtlichen Sinne anerkannt47 • Dies hält das BSG48 für unbedenklich, "weil bei dem Kreis der betroffenen Personen praktisch doch nur das Einkommen aus Erwerbstätigkeit eine Rolle spielt", das auch versichert ist. Jedoch kann der Wegfall der Einschränkung vom systematischen Standpunkt aus nicht überzeugen. Auch heute noch wäre die Anknüpfung der Leistungen an Hinterbliebene an "aus dem Arbeitsverdienst bestrittenen Unterhalt" vom System her richtiger49 , wobei unter "Arbeitsverdienst" das versicherte Einkommen zu verstehen ist50 • Es ist maßgeblicher Faktor bei der Berechnung des zu zahlenden Beitrages. Sein Wegfall, nicht der irgendeines anderen Einkommens, wird durch entsprechende Ersatzleistungen ausgeglichen. Und es widerspricht dem Prinzip der auf ein bestimmtes Einkommen bezogenen Vorsorge, wenn Unterhaltsleistungen aufgrund anderer Einkommen, für die keine Beiträge entrichtet wurden, im Ergebnis "Vorsorge"leistungen auslösen können. Daß dies nach heutigem Recht der Fall ist, soll folgendes Beispiel erläutern: Gem. § 1266 RVO erhält der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau Witwerrente, wenn sie den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten, d. h. lebte das Ehepaar alleine, wenn sie mehr als die Hälfte zum gemeinsamen Unterhalt beigetragen hatte s1 . In unserem Beispiel soll davon ausgegangen werden, daß der Ehemann zu Lebzeiten seiner Frau 500,- DM verdiente. o. 13. Kap., Text nach Anm. 23. s. o. 13. Kap., sub 11 und 12. 48 BSGE 12, 1 (3); 14, 129 (131). 49 Vgl. auch Dapprich, NJW 1959, 1708 (1709). 50 RVA, AN 1915, 386 (387); AN 1929, 162 (163): "Arbeitsverdienst (ist) das Ergebnis des Beschäftigungsverhältnisses, das die Versicherungspflicht begründet." 51 Ausführlich dazu o. 13. Kap., sub 214.2. 46 S. 47

22. Kap.: Sicherungslücken

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Fall 1: Verdiente die verstorbene Ehefrau aufgrund ihres versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses 900,- DM, dann hatte sie ihn überwiegend unterhalten und er bezieht Witwerrente. Fall 2: Verdiente sie aufgrund ihres versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses 450,- DM, dann hatte sie ihn nicht überwiegend unterhalten und er bezieht demzufolge keine Witwerrente. FaLL 3: Verdiente sie aufgrund ihres versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses 450,- DM, bezog sie außerdem ein Einkommen aus nicht versicherungspflichtiger Tätigkeit von ebenfalls 450,- DM, dann hatte sie ihren Mann überwiegend unterhalten. Er erhält Witwerrente auf der Basis der 450,- DM. Der Vergleich der Fälle 2 und 3 zeigt, daß bei gleichem versicherungspflichtigem Einkommen in einem Falle Rente gezahlt wird, im andern nicht. In dem Falle, in dem Rente gewährt wird, beruht dies nur darauf, daß die Ehefrau auch noch der Versicherungspflicht nicht unterliegendes Einkommen hatte. Wegen dieses Einkommens stellt zwar auch der Tod der Ehefrau im Falle 3 einen materiell größeren Verlust dar, als im Falle 2. Der Lebensstandard, den die Rente aufrechterhalten soll, ist im Falle 3 weitaus mehr von der Frau geprägt worden als im Fall 2. Aber dennoch erscheint die Rentengewährung im Falle 3 im Vergleich zum Falle 2 ungerechtfertigt. Die Sozialversicherung sichert nicht allumfassend, sondern beschränkt ihre Sicherung auf bestimmte Einkommensarten. Diese sind dann auch der Beitragspflicht unterworfen. Dementsprechend kommt einer durch den Tod der Versicherten z. B. hervorgerufenen Bedrohung des Lebensstandards der Angehörigen auch nur insoweit sozialversicherungsrechtliche Relevanz zu, als er auf versicherungspflichtigem Einkommen basiert. Wenn Einkommensarten bei der Versicherungspflicht außer Betracht bleiben, dann muß dies auch für die Leistungsvoraussetzungen gelten. Demgemäß sollte im Falle 3 - genauso wie im Falle 2 - keine Rente gewährt werden. Sicherlich birgt auch diese Auffassung Ungereimtheiten in sich. Etwa: Im Falle 3 zahlt die Frau von 450,- DM nicht versicherungspflichtigem Einkommen Beiträge für eine private Lebensversicherung und hat so im gleichen Umfang Vorsorge getroffen, wie die Frau im Falle 1. Dennoch würde der Ehemann im Falle 3 nur die private Lebensversicherung erhalten. Diese Ungereimtheiten liegen letztlich jedoch nicht in dem auf Leistungen aus dem versicherten Arbeitseinkommen beschränkten Unterhaltsbegriff begründet, sondern in den unterschiedlichen Voraussetzungen der Witwenrente einerseits und der Witwerrente andererseits 52 • Würden die Voraussetzungen der Witwerrente 52

Dazu o. 10. Kap., sub 22.

312

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

denen der Witwenrente angepaßt53 oder würden - für beide Rentenarten - neue gemeinsame Voraussetzungen bestimmt, wie sie unten noch vorgeschlagen werden54 , dann wären diese Ungereimtheiten beseitigt55 . Die Anerkennung als Unterhalt, die die persönlichen Leistungen im Unterhaltsrecht erfahren haben, im Sozialrecht nachzuvollziehen, stößt auf zwei Probleme. Das eine ergibt sich aus der einkommensorientierten Konzeption der Vorsorgesysteme und stellt sich daher auch nur in ihnen56 . Es gleicht dem soeben Erörterten57 . Das andere Problem folgt daraus, daß in einer Reihe von Fällen der Begriff der "Unterhaltsberechtigung" dazu dient, die finanzielle Angewiesenheit der Angehörigen zu umschreiben, um damit den Bereich der mittelbaren Zuordnung zu dem jeweiligen Leistungssystem abzustecken. Die Ausgangspunkte beider Probleme sind jedoch gleich. Die mit dem Wegfall der Einschränkung, daß der Unterhalt aus dem Arbeitsverdienst gewährt werden muß, begonnene Verwässerung der Konzeption der Vorsorgesysteme ist durch die Entscheidungen des BVerfG58 fortgesetzt worden, die die Erweiterung des familienrechtlichen Unterhaltsbegriffes auf das gesamte Sozialrecht erstreckten. Zur Begründung wird vornehmlich auf zwei Argumente verwiesen: Zum einen, das Sozialrecht habe von jeher keinen eigenen Begriff der Unterhaltsleistungen entwickelt, sondern den des Familienrechts vorausgesetzt, so daß die jeweiligen sozialrechtlichen Normen Blankettgesetze darstellten, die nach Maßgabe des jeweils geltenden bürgerlichen Rechts auszufüllen seien59 . Zum andern, da die Wandlung des Unterhaltsbegriffs nicht aus dem Familienrecht, sondern unmittelbar aus dem GG folge, könne auch nicht im Wege einer Interpretation ein-

Dazu u. 24. Kap., Text zu Anm. 21 und 44. u. 27. Kap., sub 33. 55 s. u. 27. Kap., Anm. 127. 56 Daher ist die Entscheidung des BVerfG (E 17, 38) richtig, in der personale Leistungen in Entschädigungssystemen Anerkennung als Unterhalt fanden. Das gleiche gilt für BSGE 28, 1, die diese Anerkennung im Kindergeldrecht durchsetzte. 57 Vgl. BSGE 14, 129 (130 f.). 58 S. o. 13. Kap., Anm. 17. 59 BVerfGE 17, 1 (12); 21, 329 (341); BSGE 6, 197 (203); 10, 28 (30); 11, 30 (33); 12, 38 (40); 19, 282 (283); 20, 148 (152); 28, 1 (2); BVerwGE 13, 343 (345); 20, 354; BGH, NJW 1966, 1319 (1320); so auch schon RVA, EuM Bd. 32, 503 (505); ebenso Albrecht, SozVers. 1961, 162 (163); Bogs, Einwirkung, S. G 41; Brühl, Anm. zu LSG Celle, FamRZ 1953, 503; Herrmann, Der Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes und das 8ozialrecht, Arb. Vers. 1961, 60 (61); Langkeit, 8Gb 1963, 289 (293); Sieg, S. 133; Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 40. 53

5(

22. Kap.: Sicherungslücken

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fachen Rechts der auf finanzielle Leistungen begrenzte frühere Unterhaltsbegriff im Sozialrecht "eingefroren" werden60 • Demgegenüber wurde für die sogenannte "Einfrierungstheorie" vorgetragen61 , daß zwar der bürgerlich-rechtliche Begriff des Unterhalts auch für das Sozialrecht grundsätzlich maßgebend sei, daß seine entsprechende Anwendung ihre Grenze jedoch dort finde, wo eigenständige sozialrechtliche Regelungen vorhanden oder doch zumindest ausreichend erkennbar seien. Eine solche eigenständige sozialrechtliche Regelung ist zu Recht in der Systematik der Vorsorgesysteme gefunden worden, derzufolge sich ihr Unterhaltsbegriff auf finanzielle Leistungen (aus dem Arbeitsverdienst) beschränkt, da - wie oben ausgeführt 62 - die Hinterbliebenenrenten primär Lohn- und erst sekundär Unterhaltsersatzfunktion haben. Aus der Tatsache, daß die Vorsorgesysteme auf den bürgerlichrechtlichen Unterhaltsbegriff verweisen, folgt daher nicht zwangsläufig, daß insoweit seine Ausweitung übernommen werden muß. Bleibt demnach die Frage, ob der Gleichberechtigungsgrundsatz des GG die übernahme des erweiterten zivilrechtlichen Unterhaltsbegriffes erzwingt. Auszugehen ist hierbei von der Absicht des Grundgesetzgebers, mit Art. 3 Abs. 2 GG der rechtlichen Unterbewertung der Arbeit der Frau in Haushalt und Familie ein Ende zu setzen und ihr eine gerechte Berücksichtigung in allen Rechtsbereichen zu sichern. Die soziologische Gleichwertigkeit 63 der Arbeit der Hausfrau ist die materielle Grundlage ihrer Gleichberechtigung sowohl mit dem Ehemann als auch mit berufstätigen Frauen. Ihre Arbeit ist dem regelmäßig finanziellen Beitrag des Mannes zum Unterhalt gleichwertig. Von der Gleichwertigkeit ist aber die Gleichartigkeit der Unterhaltsbeiträge zu trennen64 • Und hier bestehen die Unterschiede: Die Frau leistet im Haushalt unentgeltliche Arbeit, der Mann arbeitet außerhalb des Haus60 Außer den eben Genannten: Seheffler, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 53; Wannagat, ZfS 1953 161 (162). 61 VgI. BSGE 5, 17 (20); 9, 36 (39); insbes. 12, 1 (3); 14, 129 (130); BGH, VersR 1959, 633 (634); Hess. LSG, Breith. 1963, 886; Dapprieh, NJW 1959, 1708 (1709); Hett, SozSich. 1963, 74; Lohmann, SozVers. 1960, 190 (191); Nieolai, SozVers. 1959, 129 (130); Stötzner, Arb. Vers. 1962, 113 (127); wohl auch Beek, DVZ 1961, 70. 62 s. o. 18. Kap., sub 21. 63 Die Formulierung der Abg. SeIbert, ParI. R. Hauptausschuß S. 541: "Ich möchte aussprechen ... , daß die Arbeit der Hausfrau soziologisch der Arbeit der berufstätigen Frau gleichwertig ist" (ebenso Abg. Fecht, S. 543), wird von dem BVerfG (E 17, 1 [13]) zumindest ungenau wiedergegeben, wenn es dort heißt: "In dem Parlamentarischen Rat wurde ausdrücklich festgestellt, daß die Arbeit der Hausfrau der einer Geschäftsfrau, also einer selbständigen Erwerbstätigkeit gleichzustellen sei." Eine solche ausdrückliche Feststellung ist nicht getroffen worden. 64 So zu Recht BSGE 14, 129 (131); ebenso Dapprich, NJW 1959, 1708 (1709).

314

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

haltes gegen Entgelt. Dieser Verschiedenartigkeit der Unterhaltsbeiträge von Mann und Frau Rechnung zu tragen, bedeutet keinen Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip65. Läßt sich aber nur der finanzielle Unterhaltsbeitrag in die Systematik der einkommensorientierten Vorsorgesysteme einordnen, dann wird bei einer Nichtberucksichtigung persönlicher Leistungen der Frau das Gleichheitsprinzip nicht verletzt, denn Berücksichtigung einerseits und Nichtberücksichtigung andererseits folgen aus der Verschiedenartigkeit der Unterhaltsbeiträge. Gegen das Gleichheitsprinzip wird aber verstoßen, wenn die gleichwertige Tätigkeit der Frau nicht eine ihrer Natur entsprechende Sicherung erfährt66 • Mit einer fast zu keiner wesentlichen Änderung der Rechtslage führenden Anerkennung personaler Leistungen als Unterhalt kann zudem die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Sozialrecht nicht ihr Bewenden haben. Die Anerkennung personaler Leistungen in Vorsorgesystemen als Unterhalt führt auch fast nur zu fragwürdigen Konsequenzen. Als erste ist die Ungleichbehandlung von Hausarbeit zu nennen, je nachdem ob sie von einer Versicherten oder von einer Nichtversicherten geleistet wird. Nur bei der versicherten Ehefrau kann sie zu Leistungen an ihre Angehörigen führen, die sie dann aber - wie oben schon gezeigt67 - letztlich doch wieder außer Betracht lassen und nur ihrem (ehemaligen) Verdienst entsprechen. Diese Ungleichbehandlung läßt sich auch nicht auf Beiträge zurückführen, denn die Haushaltsleistung führt gerade beitragslos zu Leistungen, die sonst nicht gewährt würden68 . Die Haushaltsleistung versicherter Frauen wird also sowohl gegenüber der Haushaltsleistung nicht versicherter Frauen wie gegenüber der entgeltlichen Arbeit der Versicherten bevorzugt. Die Anerkennung als Unterhalt führt aber andererseits auch zu Ergebnissen, die genau dem zuwiderlaufen, was mit ihr gewollt war 69 • Wie oben70 dargelegt, verfährt das BSG bei der Prüfung, wer i. S. des § 205 RVO "unterhaltsberechtigt" ist, nach dem sogenannten "Saldierungsgrundsatz". Demnach ist nur der Ehegatte "unterhaltsberechtigt", der in geringem Umfange als der andere verpflichtet ist, zum ange65 66

s. o. 20. Kap., Anm. 45. Tennstedt, SozSich. 1968, 39 (41) weist nicht zu Unrecht darauf hin, daß

die Frau ihren Rückzug in den Haushalt und die Inkaufnahme der Unentgeltlichkeit ihrer Tätigkeit nicht über das Sozialrecht revidieren kann; vgl. auch BSG, MDR 1970, 87. 67 s. o. 13. Kap., Text nach Anm. 23. 68 Auch hier ließen sich - wie o. im Text zu Anm. 51 drei Beispielsfälle bilden, an denen sich diese Ungleichbehandlung deutlich darstellen ließe. 69 s. hierzu Albrecht, SozVers. 1961, 162 (163 f.); Langkeit, SGb 1963, 289 (294); ders., Sicherung der Frau, S. F 30 ff., 34; Nicolai, SozVers. 1959, 129 (130 ff.); atten, Die Unterhaltspflicht gleichberechtigter Ehegatten im geltenden Recht, FamRZ 1957, 73; Peters, Handbuch, S. 205 Anm. 8 b. 70 s. o. 13. Kap., sub 222.

22. Kap.: Sicherungs lücken

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messenen Unterhalt der Familie beizutragen71 • Vom Zweck der Vorschrift her wird der den Unterhaltsbegriff wieder einengenden Interpretation des BSG zuzustimmen sein72 . Sie bedeutet aber, daß für die Ehefrau, die nur unter Hinzurechnung ihrer Hausarbeit mehr zum Familienunterhalt beiträgt, als sie erhält, keine Familienhilfe mehr gewährt werden kann73 . Dieses Ergebnis träfe, wenn man (1967) mit Scheffler74 die Hausarbeit einer Ehefrau mit zwei Kindern mit "mindestens 957,- DM" bewertet, sogar für den Regelfall zu, denn zu dieser Zeit betrug die Jahresarbeitsverdienstgrenze75 nur 10800,- DM, d. h. monatlich 900,- DM. Die Abhängigkeit der Familienhilfe von der Unterhaltsberechtigung wird wegen der Änderung des Unterhaltsbegriffes allgemein als störend und unbrauchbar empfunden76 . Die vorgeschlagenen Änderungen77 sind insbesondere auch deshalb bemerkenswert, weil sie alle wieder auf das Einkommen der Ehegatten zurückgreifen und Familienhilfe dann vorsehen, wenn der Ehegatte des Versicherten weniger verdient als dieser. Einem weiteren fragwürdigen Ergebnis ist das BSG durch Abänderung seiner Rechtsprechung ausgewichen. Ein alleinstehender Witwer hatte mit der Begründung auf Zahlung einer Witwerrente nach dem Tode seiner früher einmal versichert gewesenen Frau geklagt, daß diese ihn - obwohl er der Alleinverdiener gewesen sei - nur auf Grund ihrer Haushaltsführung überwiegend unterhalten habe. Die Klage konnte sich auf die Rechtsprechung auch des BSG stützen, wonach die Unterhaltsleistung der Frau im Haushalt etwa mit dem Geldbetrag zu bewerten ist, der üblicherweise - etwa bei Einstellung einer Hausgehilfin - aufgewendet werden muß, um die Leistungen anderweit zu beschaffen78 . Dieser Klage hat das BSG79 jedoch nicht stattgegeben mit der Begründung, daß für die Bewertung der Unterhaltsleistung der Frau auch das Einkommen des Mannes ein maßgeblicher Bewertungsfaktor sei. Diese Entscheidung verhindert, daß ein alleinstehender Witwer zuzüglich zu seinem Einkommen, das er nun voll verbrauchen kann, auch noch Rente erhält. Insoweit kann ihr nur beigepflichtet werden. BSGE 10, 28 (31); etwas abweichend 11, 198 (202); 19, 282 (283). So auch Langkeit, SGb 1963, 289 (293); Sieg, S. 133 ff. 73 Vgl. Langkeit, SGb 1963, 289 (294 Anm. 52); dens., Sicherung der Frau, S. F 34 (Anm. 92). 74 ZSR 1967,24 (32). 75 § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO a. F. 70 Statt aller: Amtl. Begr. zu § 216 des Entwurfs eines Krankenversicherungsneuregelungsgesetzes, BT-Dr. IV!816, S. 86; BSGE 12,38 (42). 77 Vgl. § 216 ebd.; Sieg, 8.135; s. a. Nr. 2 Abs. 1 Nr. 1 b der BhV. 78 s. o. 13. Kap., Text zu Anm. 24. 79 B8G, 8Gb 1972. 221. 71

72

111. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

316

Sie ist hier außerdem von Interesse, da sie die Frage nach dem (jeweiligen) Bewertungsmaßstab für persönlichen Unterhalt aufwirft, denn für die Feststellung der überwiegenden Unterhaltsleistung einer durch den Krieg umgekommenen Frau kann sie nicht herangezogen werden. Sie ist nur in Vorsorgesystemen gerechtfertigt. Das Problem der Bewertung persönlicher Leistungen, das durch ihre Anerkennung als Unterhalt im sozialrechtlichen Sinne aufgeworfen worden ist, bringt zunächst die Schwierigkeit mit sich, daß "Leistungen in Beziehung gesetzt werden (müssen), die an sich nicht in Beziehung gebracht werden können"8o. Personale und finanzielle Leistungen müssen bei der Feststellung der Unterhaltsberechtigung des einen oder anderen Ehegatten zusammen "gezählt" werden81 , was voraussetzt, daß der wirtschaftliche Wert der Leistungen der Hausfrau in Geldbeträge umgerechnet werden muß. Das BVerfG hielt diese Schwierigkeit für "nicht unüberwindlich"82. Dennoch sind Lösungen kaum zu finden. Zunächst stellt sich die Frage, an Hand welchen Maßstabes die Leistungen bewertet werden sollen83 . Einen einheitlichen Maßstab gibt es nicht. Im Familienrecht sind der finanzielle Unterhaltsbeitrag des Mannes und der personale der Frau "gleichwertig". Maßstab des Familienrechts zur Bewertung der persönlichen Leistung der Frau könnte demnach der finanzielle Beitrag des Mannes sein84 . Das Schadensersatzrecht orientiert sich an den finanziellen Aufwendungen, die zur Beschaffung einer Ersatzkraft notwendig sind85 . Die Frage nach dem Maßstab zur Bewertung der persönlichen Leistung läßt sich ohne ein Zurückgehen auf den damit verfolgten Zweck nicht beantworten86 . Das Sozialrecht verfolgt aber mit der Anknüpfung an den Unterhalt keinen einheitlichen Zweck. Einmal will es den geleisteten "überwiePeters, Handbuch, § 205 Anm. 8 b; ähnlich Wussow, TZ 1071. Vgl. etwa SG Karlsruhe, SGb 1967, 641 mit Anm. von Schieckel. 82 BVerfGE 17, 1 (17); ebenso Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 13. 83 Vgl. hierzu Feaux de Za Croix, Anm. zu BGH, NJW 1965, 1710; KnärZ, SozVers. 1970, 89 (92); G. ScheffZer, ZSR 1967, 24 (25ff.); Zacher, ebd.; s.a. Wussow, TZ 1071; s. auch o. 1. Kap., Text zu Anm. 63. 84 Vgl. dazu Brühl, FamRZ 1957, 277 (279 Anm. 49); und hierzu dens., Zur Bewertung der Haushaltsarbeit, ZSR 1968, 261 (262). 85 Ausführlich hierzu EckeZmann, Schadensersatz bei Verletzung oder Tötung einer Ehefrau, NJW 1971, 355; ders., Der Schadensersatzanspruch bei 80 81

Verletzung oder Tötung der Mutter wegen Beeinträchtigung oder Ausfalles in der Haushaltsführung und Kinderbetreuung im Zeichen der Gleichberechtigung; o. J. Bonn, insbes. Anlage 1; Wussow, Die Höhe des Schadensersatzanspruches bei Verletzung oder Tötung einer Hausfrau und Mutter, NJW 1970,1393. 86

Deutlich wird dies bei Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 32 Anm. 85.

22. Kap.: Sicherungslücken

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genden Unterhalt"87 der verstorbenen Ehefrau des Witwers ersetzen. Hierfür scheint im Entschädigungsrecht der Maßstab des Schadensersatzrechts angebracht88 - in Vorsorgesystemen, wie die eben besprochene Entscheidung des BSG zeigt, nicht. Auch bei der Familienhilfe zugunsten des Ehegatten, der wertmäßig weniger zum Unterhalt der Familie beiträgt, ist der Maßstab des Schadensersatzrechts89 ungeeignet, weil er im Ergebnis in sehr vielen Fällen der Hausfrau den Schutz der Familienhilfe nimmt90 • Auch der Maßstab des Familienrechts ist gerade, weil er zu der Gleichwertigkeit der Unterhaltsbeiträge führt, ungeeignet, denn § 205 RVO z. B. setzt dem Sinn nach eine Wertdifferenz der Unterhaltsbeiträge voraus. Für die Familienhilfe müßte also ein neuer Wertmaßstab gefunden werden. Das gleiche gilt für all die Fälle, in denen eine Sozialleistung von der "überwiegenden" Unterhaltsleistung eines Ehegatten abhängig ist. Der von dem BSG hierfür neuerdings gewählte Maßstab, dessen Grundlage - und wohl auch obere Grenze - das Einkommen des Verdieners, typischerweise des Mannes, ist, verhindert zwar die mißlichen Ergebnisse, zu denen die ausschließliche Anwendung des Bewertungsmaßstabes des Schadensersatzrechtes führen würde. Er bringt es aber mit sich, daß gleiche Leistungen im Haushalt nicht nur entsprechend den jeweiligen familiären Einkommensverhältnissen im innerfamiliären Bereich ungleichwertig sind, sondern daß sie auch sozialrechtlich verschieden bewertet werden: Eine Hausfrau mit zwei Kindern leistet dann bei einem Einkommen ihres Mannes von 1 000,- DM weniger als eine solche bei einem Einkommen des Mannes von 1 500,DM. Das kann jedoch - wenn man schon persönliche Leistungen als "Unterhalt" im sozialrechtlichen Sinne wertet und bewertet - nicht befriedigen, da die Leistung im Haushalt auf diese Weise wieder in eine Abhängigkeit von der des Verdieners gezwängt wird. Aber abgesehen von der Wahl des Bewertungsmaßstabes bereitet die Bewertung der Arbeitsleistung der Hausfrau im Einzelfall nicht minder große Schwierigkeiten. Die Spanne reicht - wie gesagt 91 - von 74,DM bis zu 957,- DM. Zusammenfassend muß also festgestellt werden, daß nicht einmal die abzulehnende Ausweitung des Unterhaltsbegriffes in Vorsorge87

§ 1266 Abs. 1 RVO.

Dies aber auch nur solange, als lediglich die Witwerrente von der Unterhaltsberechtigung abhängig ist. 89 Für den Fall, daß lediglich die Frau versichert ist: Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 32. GO s. o. Text zu Anm. 73. G1 s. o. 13. Kap., Text zu Anm. 27 und 28. 88

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IH. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

systemen zu einer auch nur teilweisen Sicherung des Risikos "Ausfall des persönlichen Unterhalts" geführt hat und daß hiergegen in den Vorsorgesystemen auch darüber hinaus keine Sicherungen vorgesehen sind. Aber es fragt sich auch hier, ob nicht in dem Außerachtlassen dieses Risikos eine Beschränkung zu sehen ist, die zumindest in den Vorsorgesystemen angebracht ist. Von dem Risiko "Ausfall des persönlichen Unterhalts" betroffen sind primär die Familien mit Kindern und in diesen Familien vor allem die Kinder. Sie werden von dem Ausfall der Mutter um so härter betroffen, je kleiner sie sind. Das bedeutet, daß dieses Risiko in seiner eigentlichen sozialen Relevanz erst auftritt, wenn ein Ehepaar Kinder bekommt, und daß es mit zunehmender Kinderzahl anwächst. Diese Risikostruktur bringt es mit sich, daß, wollte man eine Sicherung im Rahmen der Vorsorgesysteme einführen und diese entsprechend dem Vorsorgeprinzip nur bei vorheriger Beitragszahlung gewähren, junge Familien dann zusätzlich zu allen übrigen Lasten, die mit Kindern und dem Rückzug der Mutter auf den Haushalt verbunden sind, auch noch diese Beiträge zu leisten hätten, eine Konsequenz, die sozialpolitisch unvertretbar erscheint. Eine solche Sicherung beitragsfrei zu gestalten, ist der einzig mögliche Ausweg, der aber nicht in die personal begrenzten Vorsorgesysteme führen darf, da die Bevorzugung etwa der Ehefrauen von Sozialversicherten oder von Beamten gegenüber anderen, deren Männer nicht den Vorsorgesystemen zugeordnet sind, gegen den Gleichheitssatz verstoßen würde. Eine beitragsfreie Sicherung gegen das Risiko des Wegfalls persönlichen Unterhalts kann vielmehr befriedigend nur im Rahmen des allgemeinen Familienlastenausgleichs durchgeführt werden. Somit erweist sich das Fehlen von Sicherungen gegen das Risiko des Wegfalls persönlichen Unterhalts in Vorsorgesystemen als sachlich vertretbar und ist insoweit auch kein Anlaß zur Kritik. 3 Lücken im Familienlastenausgleich 31 Keine Sicherung bei Ausfall persönlichen Unterhalts

Zur Kritik fordert es jedoch heraus, daß auch im Familienlastenausgleich außer bescheidenen Ansätzen eine Sicherung gegen dieses Risiko nicht vorgesehen ist. Die bescheidenen Ansätze sind die Gewährung des Kindergeldes an über 18 Jahre alte Kinder, die an Stelle der länger als 90 Tage arbeitsunfähigen Hausfrau den Haushalt des Berechtigten führen 92 , und die Weiteranwendung des Splittingverfahrens zugunsten 92

§ 2 Abs. 2 Nr. 5 BKGG.

22. Kap.: Sicherungslücken

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Verwitweter für Veranlagungszeiträume, in denen diese einen Kinderfreibetrag erhalten93 • Diese Lücke im Familienlastenausgleich ist sozial- - und, wenn man das trennen will, gesellschaftspolitisch - nicht zu verantworten. Die bedauernswerte Lage etwa der Witwer kinder ist schon früh erkannt und dargestellt worden94 • Ihre Ursachen liegen mehr im immateriellen als im materiellen Bereich. Den Verlust der Mütter können monetäre Sozialleistungen eigentlich gar nicht, persönliche Leistungen, etwa der Einsatz von Hilfskräften, nur schwer ausgleichen. Das ist aber andererseits kein Grund, solche Hilfen nicht vorzusehen, denn ein "Alles-oderNichts-Prinzip" ist hier fehl am Platze. Man wird wohl wegen der mangelnden Eignung materieller Hilfen einerseits und wegen der begrenzten Verfügbarkeit persönlicher Hilfskräfte andererseits eine Lösung akzeptieren müssen, die in der gruppenmäßigen Betreuung solcher Kinder liegt. Gedacht ist hier an Ganztagskindergärten insbesondere auch für Kleinkinder und an Ganztagsschulen. Aber auch diese außer halb des eigentlichen Sozialrechts liegenden - Lösungsmöglichkeiten sind in der Vergangenheit mehr oder weniger ganz vernachlässigt worden. 32 Zum fehlenden Muttergeld

Im Zusammenhang mit den von Müttern im Haushalt mit kleinen Kindern erbrachten persönlichen Leistungen wird dem Familienlastenausgleich eine weitere grundsätzliche Lücke nachgesagt. Das Risiko der Mutter, die sich gezwungen sieht, wegen der Kinder ihre Berufstätigkeit aufzugeben oder eine solche nicht erst aufzunehmen, und die sich auf den Haushalt zurückzieht, in dem sie ihre Arbeitskraft ohne "Entgelt" einsetzt und als Unterhaltsempfängerin den Familienetat belastet, statt ihm beizusteuern, und die sich darüber hinaus beruflicher Aufstiegschancen begibt, werde ebenfalls im geltenden Sozialrecht nicht berücksichtigt. Die Konsequenz hiervon ist die in der Vergangenheit bereits mehrfach95 und erst jüngst wieder 96 erhobene Forderung nach einem "Muttergeld" ("Herdgeld"). Im Gegensatz zu den bisherigen meist nur pauschalen Forderungen weist Schulte-Langforth zugleich § 32 a Abs. 3 Nr. 2 EStG; hierzu Pohmer, FinA 1968, 138 (161). Vgl. Schreiber, Witwerkinder, in: Dokumente des Fortschritts, 1910, S. 643; MüHer - Lyer, Die Familie, 5. Aufl. 1921, S. 330. 95 Vgl. Klaje, über die Notwendigkeit eines neuen Familienmodells in der industriellen Gesellschaft, 1964, S. 123; Ramm, JZ 1968, 90 (92); Schönbauer, Zum Thema: Mutter-Gehalt, ZSR 1968, 641; weitere Nachweise insbesondere zum ausländischen Recht bei Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (133 Anm. 3). 96 Vgl. SchuUe-Langforth, Muttergeld, S. 135 ff.; dies., Muttergeld, ZBlJR 1970, 312 ff.; dies. Muttergeld für Mutter mit Kindern unter drei Jahren, FamRZ 1971 556; dies., Muttergeld, in: Fürsorge im sozialen Rechtsstaat, S. 290 ff. 93 g4

320

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

ein Konzept auf, wie eine solche Leistung ausgestaltet und welches Ausmaß sie haben solle97 • Diesem Vorschlag zufolge sollen die Mittel für das "Muttergeld" insbesondere durch die Beseitigung des Ehegattensplittings für Personen, die keine Kinder haben, aufgebracht werden9s • Zu Recht wird jedoch darauf hingewiesen, daß das Risiko der Mutter dann zweispurig aufgegriffen werde, einmal durch das Muttergeld, zum andern durch die Einsparungen infolge des Splittings99 • Dieser Einwand zeigt aber zugleich, daß das geltende Recht dem Nachteil der Mütter und indirekt auch ihrer Familien insbesondere steuerliche Ausgleichsmöglichkeiten gegenüberstellt. Diesen liegt zwar eine andere Motivation zu Grunde - sie tragen der durch Unterhaltsleistungen geminderten Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen Rechnung. Das ist aber in diesem Zusammenhang nicht entscheidend, denn es kommt bei der Frage, ob Sicherungslücken bestehen, nicht auf die Motivation der Leistung, sondern zunächst nur auf ihre Existenz an. So gesehen, läßt es sich nicht leugnen, daß das angesprochene Risiko im geltenden Recht wenn auch unspezifisch - aufgegriffen ist. Es kann daher nicht von einer grundsätzlichen Sicherungslücke gesprochen werden. Eine andere Frage ist es, ob diese Sicherung auch effektiv ist. Ihr wird innerhalb des nächsten Kapitels nachgegangen werden10o •

23. Kapitel

Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Effektivität der vorhandenen Sicherungen. Mangelnde Effektivität unterscheidet sich von grundsätzlichen Sicherungslücken nur graduell. Während es im vorangegangenen Kapitel darum ging, grundsätzlich ungedeckte Risiken aufzuspüren, zielt die nachfolgende Betrachtung hauptsächlich darauf ab, festzustellen, welche Fälle trotz des grundsätzlichen Bestehens einer Sicherung von dieser nicht erfaßt werden, bzw. wenn die Sicherung eingreift, ob sie dann auch effektiv ist. Dabei werden unter effektiv mehrere Anforderungen verstanden. Die Sicherung muß zunächst ausreichend sein, d. h. sie hat das ihr gesteckte Ziel, etwa Grund- oder Lebensstandardssicherung, zu erreichen. Kritisch dazu Wingen, ZSR 1971, 268 ff.; Schulte-Langforth, Muttergeld, S. 152 f. 9V Wingen, ZSR 1971,268 (277). 100 s. u. 23. Kap., sub 322.

97 98

s. u. 22. Kap., sub 221.1.

23. Kap.: Die EfTektivität der vorhandenen Sicherungen

321

Sie steht andererseits unter dem "Verbot des übermaßes"1. Das bedeutet zweierlei: Sie soll nur in den Fällen eingreifen, in denen ein entsprechender (präsumtiver) Bedarf - nicht Bedürfnis - gegeben ist2 ; sie soll außerdem einen tatsächlichen Bedarf nicht "übersichern", insbesondere kein "unnützes Drohnendasein"3 ermöglichen. Die Sicherung muß so "verläßlich als möglich" sein, "denn nur so werden (die auf sie Angewiesenen) '" nicht abhängig und unsicher"4; das wiederum heißt, ihr Eingreifen darf nicht von dem Zufall abhängig sein, denn dieser gibt "im sozialen Bereich den schlechtesten Verteiler her"5. Die Sicherung sollte zudem berechenbar, d. h. das Ausmaß der zu beanspruchenden Leistung sollte vorhersehbar sein. Entsprechend der ThemensteIlung kann es nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, die Effektivität des gesamten sozialrechtlichen Leistungskataloges zu überprüfen. Es geht vielmehr nur darum, ob das Zusammenspiel von Unterhalt und Sozialleistungen in Form der Familienabhängigkeit der Sozialleistungen die Effektivität der Sicherung beeinträchtigt, und wie effektiv die vorhandene Sicherung gegen die Unterhaltsrisiken ist.

1 Die Effektivität subsidiärfamilienabhängiger Leistungssysteme 11 Die Effektivität der Sozialhilfe

Infolge dieser Beschränkung stellt sich bei der Grundsicherung (Sozialhilfe) nur die Frage, ob sie wegen ihrer Subsidiarität gegenüber familiärem Unterhalt Einbußen an Effektivität erleidet. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn die Sozialhilfe auch gegenüber Leistungen nicht zum Unterhalt Verpflichteter subsidiär wäre und somit (ungesicherte) Lücken zwischen familiärem Unterhalt und Sozialhilfe bestehen würden. Solche Lücken lassen sich jedoch nicht feststellen. Auf Sozialhilfeleistungen darf nur der Unterhalt angerechnet werden, der tatsächlich erbracht wird. Auf Unterhalt darf - wenn überhaupt nur dann verwiesen werden, wenn er alsbald realisierbar ist. Das Einkommen der in die Bedarfsgemeinschaft mit einbezogenen Personen wird zwar unabhängig von ihrer Unterhaltspflicht angerechnet. Aber auch dadurch entsteht keine Sicherungslücke. Der Hilfesuchende kann Zacher, DöV 1970,1 (7). Vgl. BVerfGE 9, 20 (35): "Es widerspricht dem Gedanken des sozialen Rechtsstaates, daß Mittel der Allgemeinheit '" auch in Fällen in Anspruch 1

2

genommen werden können, in denen wirkliche Bedürftigkeit nicht vorliegt"; s. a. BVerfGE 17, 1 (11). 3

4 5

Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (137). Zacher, DöV 1970, 1 (7). Von Altrock, Anm. zu BSG, SGb 1970, 26.

21 Ruland

322

III. 2. Absclm.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

den angerechneten Betrag als Unterhalt auch einfordern, denn, da alle in die Bedarfsgemeinschaft einbezogenen Personen gesteigert unterhaltspflichtig sind, übersteigt die Anrechnung des Einkommens, die unter Berücksichtigung der Freigrenzen erfolgt, nicht das Ausmaß ihrer Unterhaltspflicht. Auch die dem Gedanken der Familiennotgemeinschaft entsprungene gesetzliche Vermutung, daß Hilfesuchende, die mit Verwandten oder Verschwägerten in einem Haushalt leben, von diesen Personen ausreichend unterhalten werden, schafft keine Sicherungslücke. Die Vermutung ist widerlegbar. Allerdings trägt der Hilfesuchende die Beweislast. Da jedoch die Anforderungen an die Beweisführung nicht zu hoch gesetzt sind, besteht auch insoweit nicht die Gefahr, daß infolge eines Beweisnotstandes Sozialhilfe versagt würde, wenn Unterhalt nicht zu erlangen ist. Das gleiche gilt für die Vermutung, daß Personen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, auch in ihr versorgt werden. Es läßt sich somit feststellen, daß das Sozialhilferecht wegen seiner Subsidiarität gegenüber familiärem Unterhalt keinen Verlust an Effektivität erleidet. 12 Die Effektivität der Ausbildungsförderung

Das gilt jedoch nicht für die ebenfalls familienabhängige Ausbildungsförderung. Hier kann es trotz der überleitungsvorschriften6 wegen der schematischen Anrechnung von Einkommen der nur in begrenztem Maße unterhaltsrechtlich zur Finanzierung der Ausbildung verpflichteten Eltern bzw. Ehegatten Fälle geben, in denen der Auszubildende weder Leistungen nach dem BAföG noch Unterhalt erhälF. Damit wird das Ziel der Ausbildungsförderung gefährdet, denn "familienabhängige Förderung setzt sinnvollerweise voraus, daß das öffentliche Förderungsrecht und das bürgerliche Unterhaltsrecht nahtlos aneinandergefügt sind"8. Gegen das Ausbildungsförderungsrecht wird insoweit zudem noch der Einwand erhoben, es verstoße gegen den Gleichheitssatz9 • Dieser Verstoß wird darin erblickt, daß mittellose Studenten je nachdem unterschiedlich behandelt werden, ob ihre Eltern trotz des Nichtbestehens einer entsprechenden Unterhaltspflicht zur Finanzierung der Ausbildung im Stande wären oder nicht, ob also ihre Bedürftigkeit auf dem "Unverständnis" oder dem "Unvermögen" ihrer Eltern bzw. ihres Ehe8

418.

Kritisch dazu Riedel, Das neue Ausbildungsförderungsgesetz, JuS 1972,

Ausführlich o. 16. Kap., sub 13. FamRZ 1969, 394 (397/398); dies wird von Stephany, S. 109 bei ihrem Versuch, die Durchbrechung der Subsidiarität zu rechtfertigen, übersehen. g Kießling, JuS 1971, 285 (286). 7

8

Blanke,

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

323

gatten beruht. Diese Differenzierung hält in der Tat einer Nachprüfung nicht Stand. Die Ausbildungsförderung ist eine Förderung des Auszubildenden und nicht eine solche seiner Eltern lO • Sie knüpft an die Bedürftigkeit des Auszubildenden an. Für diese ist es unerheblich, ob sie darauf beruht, daß die Eltern nicht in der Lage sind, oder darauf, daß sie nicht willens sind, die Ausbildung zu finanzieren, wenn in diesem Fall der Auszubildende keinen entsprechenden Anspruch gegen seine Eltern hat. Im übrigen ist es ein im Sozialrecht durchwegs anerkannter Grundsatz, daß Sozialleistungen nur solchen Leistungen gegenüber subsidiär sind, die alsbald realisierbar sind. Dieser Grundsatz gilt sowohl bei der Sozialhilfell wie z. B. auch bei der Anrechnung von Unterhaltsansprüchen auf wiederaufgelebte Hinterbliebenenrenten12 • Die Bestimmungen über die Ausbildungsförderung können daher insoweit, als sie nicht auf die Leistungsfähigkeit des Auszubildenden abstellen, wozu auch realisierbare Unterhaltsansprüche gehören, sondern auf die Leistungsfähigkeit diesen gegenüber nicht zum Unterhalt verpflichteten Personen nicht mehr als systemgerecht, sondern müssen als gleichheitswidrig angesehen werden. An diesem Ergebnis ändert es auch nichts, daß der Gesetzgeber gezwungen ist, zu typisieren, denn, wenn eine Anrechnung der im Einzelfalle gegebenen Unterhaltspflicht wegen der dadurch eintretenden Verzögerungen bei der Bearbeitung ausgeschlossen sein sollte, dann sind zumindest die Freigrenzen so hoch anzusetzen, daß sich die Anrechnung auf jeden Fall im Rahmen der Unterhaltspflichten hä1t1 3 • Zumindest sollte, wenn die bisherigen Freigrenzen beibehalten werden, dem Auszubildenden in jedem Falle die Möglichkeit eingeräumt werden, den Nachweis zu führen, daß er entsprechende Leistungen seiner Eltern oder seines Ehegatten nicht erhält. Daß dadurch in Einzelfällen auch Personen in den Genuß der Ausbildungsförderung kommen, die realisierbare Unterhaltsansprüche gegen ihre Eltern haben, ist leichter erträglich, als wenn Personen davon ausgeschlossen würden, denen diese Leistungen nach dem Zweck des Gesetzes zukommen sollten14 • An dem Verstoß gegen den Gleichheitssatz ändert es auch nichts, daß in die Lücke zwischen familiärem Unterhalt und Ausbildungsförderung die sozialhilferechtliche Ausbildungshilfe treten kann. Hier ist außer den unterschiedlichen Voraussetzungen - die Ausbildungshilfe zum So mit Recht Kießling, JuS 1971, 285 (286). s. o. 6. Kap., Anm. 28. 12 s. O. 6. Kap., Text zu Anm. 128. 13 Wie hier Schwab, FamRZ 1971, 1 (9). 14 Zu diesem Grundsatz BVerfGE 17, 1 (23, 24); s. o. 20. Kap., Text zu Anm.40. 10 11

21·

324

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

Besuch einer Hochschule ist nur eine Ermessensleistung - auch die unterschiedliche Ausgestaltung der Hilfe in Betracht zu ziehen. So kann die gesamte Hilfe zum Besuch einer Hochschule nur als Darlehen gewährt werden15 • Hinzu kommt, daß der Hilfesuchende sozialhilferechtlich bedürftig nur dann ist, wenn er nachweist, daß er weder sonstige Ausbildungsförderung noch Unterhalt erhält. Diese Erschwerung der Hilfe ist ihm, da sie häufig mit erheblichen Zeitverlusten verbunden ist, nicht zumutbar. Auch das Bestehen der Härteklauseln mindert nicht die Systemwidrigkeit der Anrechnungsbestimmungen, da, wird der Auszubildende auf sie verwiesen, seine Rechtsposition verschlechtert wird. Er bekommt statt eines Anspruches auf die Leistungen nur die Möglichkeit, die Leistung trotz des zu hohen Einkommens seiner Eltern zu erhalten. 13 Die Effektivität der Arbeitslosenhilfe

Auch im Arbeitslosenhilferecht gibt es solche Diskrepanzen zu dem familiären Unterhalt. Sie sind, wie oben festgestellt wurde 16 , in den Fällen möglich, in denen Einkommen von Eltern zugunsten volljähriger Kinder oder Einkommen von Kindern zugunsten ihrer Eltern angerechnet wird. Auch diese Feststellung reizt zur Kritik. Die Durchbrechungen der Subsidiarität werden zwar durch die Sozialhilfe aufgefangen. Diese leistet jedoch weniger, als die Arbeitslosenhilfe. Der Arbeitslose, der mit Personen in einem Haushalt lebt, die nicht in dem Ausmaß zum Unterhalt verpflichtet sind, in dem ihr Einkommen angerechnet wird, wird benachteiligt gegenüber dem Arbeitslosen, der alleine lebt, denn dieser wird nicht auf nicht einklagbare Ansprüche verwiesen17 • Es erscheint daher zumindest die Einführung einer dem § 16 BSHG entsprechenden widerlegbaren Vermutung angebracht. Ohne sie muß der besprochenen Regelung ebenfalls der Vorwurf der Systemwidrigkeit gemacht werden.

2 Die Effektivität der Absicherung der Unterhaltsrisiken Im geltenden Sozialrecht werden bestimmte Risiken von Angehörigen - vornehmlich der Ehefrau und der Kinder - von der Sicherung ihres "Ernährers" miterfaßt. Gegen Krankheit sind sie abgeleitet-mittelbar gesichert, d. h. der unmittelbar Gesicherte erhält Leistungen der Krankenversicherung oder der Beihilfe für seine Angehörigen, um nur die Hauptbeispiele zu nennen. Sein Tod ist in seinem Alterssicherungssystem oder in Entschädigungssystemen Ausgangstatbestand von Hin15 16 17

Vgl. § 34 BSHG. s. o. 16. Kap., sub 13. Insoweit gilt auch heute noch die Kritik von Würbach, SGb 1956, 216.

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

325

terbliebenenleistungen, die den von ihm geleisteten Unterhalt ersetzen sollen. Kindergeld und familienbezogene Steuerermäßigungen sollen die materiellen Nachteile ausgleichen, die die Unterhalts gewährung für den Unterhaltsträger und dessen Familie mit sich bringt. Damit sind die wesentlichen Sicherungen der Unterhaltsrisiken genannt, deren Effektivität nun im folgenden untersucht werden soll. 21 Die Gefährdung der abgeleitet-mittelbar gesicherten Angehörigen im Krankheitsfalle durch die ausschließliche Anspruchsberechtigung des unmittelbar Gesicherten

Im Krankheitsfalle sind die mitgesicherten Angehörigen von dem unmittelbar Gesicherten abhängig, da diesem - wie oben gezeigt1S alleine der Anspruch auf die Familienhilfe oder die Beihilfe auch dann zusteht, wenn sie - wie etwa in der Krankenversicherung - dem Angehörigen selbst durch Sachleistungen erbracht werden. Lediglich für einige Fälle sieht das geltende Recht ausnahmsweise die Anspruchsberechtigung der Familienangehörigen vor19 • Diese Vorschriften tragen Sachverhalten Rechnung, bei denen der unmittelbar Gesicherte entweder gestorben ist, die Versicherung aber fortbesteht, oder er - wenn überhaupt - nur unter großen Schwierigkeiten imstande wäre, den Anspruch auf Familienhilfe für seine Angehörigen geltend zu machen. Eine Anspruchsberechtigung der Familienangehörigen, wie sie für Ausnahmesituationen der intakten Ehe vorgesehen ist, fehlt, wenn sich die Ehe oder der Unterhaltsverband selbst in Grenzsituationen befinden. Die Kritik an der ausschließlichen Anspruchsberechtigung des Versicherten stützt sich daher auch vornehmlich darauf, daß die getrennt lebende Ehefrau und das nichteheliche Kind auf die Geltendmachung der Familienhilfe durch den Ehemann bzw. Vater angewiesen sind20 , bzw. dessen Einverständnis bedürfen, wenn sie sie selbst geltend machen wollen. Solange diese Regelung besteht, läßt es sich nicht verhindern, daß der frühere Ehemann seiner inzwischen mit ihm verfeindeten, getrennt oder schon in Scheidung lebenden Ehefrau21 oder daß der außereheliche Vater seinem nichtehelichen Kind aus Verärgerung über die ihn sonst schon belastende Unterhaltsverpflichtung unter Umständen Nachteile zufügen will, indem er die Geltendmachung der Familienhilfe untero. 9. Kap., sub 1. Vgl. §§ 214 Abs. 2, 216 Abs. 2, 218, 219 Abs. 2 RVO. 20 Bogs, BKK 1968, 65 (72); Eherechtskommission, Vorschläge (11), S. 36 f.; Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 49; Reinhold, S. 83 (88). 21 Die Sicherung der geschiedenen Frau eines Versicherten im Krankheitsfalle ist von der Person des früheren Ehemannes völlig unabhängig, vgl. § 313 Abs. 4 Satz 2 lit. a RVO. 18 S. 19

326

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

läßt oder seine Genehmigung zur Geltendmachung verweigert, indem er es z. B. unterläßt, einen Krankenschein zu beantragen22 • Dazu ist er unterhaltsrechtlich zwar verpflichtet23 • Wenn er sich aber weigert, dieser Verpflichtung nachzukommen, dann setzt die Sicherung im Krankheitsfalle für die Angehörigen voraus, daß sie zunächst den Unterhaltsanspruch einklagen und sich den Anspruch des unmittelbar gesicherten Vaters oder Ehegatten gegen die Krankenkassen zur Einziehung überweisen lassen und diesen dann geltend machen müssen. Dieser Umweg über den Zivilprozeß kann nicht befriedigen. Er ist zeitraubend, wohingegen gerade im Krankheitsfalle die Sicherung rasch eingreifen muß. Er ist außerdem mit Prozeßkosten verbunden, die zwar im Endeffekt der sich weigernde Unterhaltspflichtige tragen muß, die aber die klagenden Unterhaltsberechtigten vorzustrecken haben, wenn sie nicht noch ein Armenrechtsverfahren vorschalten wollen. Außerdem nötigt dieser Umweg Familienangehörige, gegen andere Angehörige zu klagen - eine sozial in hohem Maße unerwünschte Folge 24 • Es bietet sich auch ein Umweg über die Sozialhilfe an, die, hat sie Krankenhilfe gewährt, einen eigenen Ersatzanspruch gegen die Krankenkasse des Ehemannes oder Vaters hat, ohne daß dieser die Leistung vorher beantragt oder auch nur sein Einverständnis zur Geltendmachung erklärt haben müßte 25 • Auch dies kann nur die Folgen einer unbefriedigenden Rechtslage verhindern, nicht aber diese beseitigen. Die Gefährdung der Angehörigen, die in der ausschließlichen Anspruchsberechtigung des unmittelbar Gesicherten liegt, könnte ausgeräumt werden, wenn man auch den Angehörigen einen Anspruch auf diese Leistungen geben würde, wie es auch vielfach gefordert wurde 26 • Eine Mitberechtigung der Angehörigen auf Leistungen der Krankenversicherung könnte aber mit dem Prinzip ihrer abgeleitet-mittelbaren Zuordnung unvereinbar sein. Die Angehörigen sind nur über den unmittelbar gesicherten Unterhaltsträger der Krankenversicherung oder der Beihilfe kraft ihrer Unterhaltsberechtigung zugeordnet. Dieser abgeleitet-mittelbaren Sicherung entspricht die "Brückenkopf-Funk22 Vgl. sowohl BSG, SozR Nr. 23 zu § 205 RVO; als a. SG Düsseldorf, BKK 1962,574; s. a. Eherechtskommission, Vorschläge (II) S. 36 f. 23 s. o. 14. Kap., sub 3. 24 s. o. 6. Kap., Anm. 32. 25 BSGE 14, 261 (266); BSG, SozR Nr. 23 zu § 205 RVO. 26 Bogs, Der med. Sachverständige 1968, 1 (4); ders., BKK 1968, Sp. 65 (71 ff.); Eherechtskommission, Vorschläge (II), S. 36 f.; Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 51; Lohnes, JR 1968, 252 (253); Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 33; vgl. auch die Beschlüsse des 47. DJT, Teil I Nr. 1 in Vhdlgen des 47. DJT, S. 0 163; weitergehend noch Dapprich, SGb 1968, 308 (309); auffallend

ist, daß sich diese Vorschläge ausschließlich auf die Krankenversicherung beziehen, nicht aber auf die sonstigen Fälle der abgeleitet-mittelbaren Sicherung der Angehörigen im Krankheitsfalle (überblick o. 9. Kap., sub 21).

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

327

tion" des unmittelbar Gesicherten zu den personal begrenzten gehobenen sozialen Vorsorgesystemen und seiner für diese gehobene Sicherung erbrachten Gegenleistung. Deswegen könnte man im Gegensatz zum Kommissionsbericht zum Entwurf einer RVO, in dem es als mit der Systematik der RVO verträglich angesehen wurde, daß Leistungen den Familienmitgliedern "aus eigenem, wenn auch aus der Person des Versicherten abgeleiteten Recht gewährt werden"27, folgern, daß eine solche Anspruchsberechtigung in die Systematik der RVO "nicht gepaßt"28 hätte 29 . Dies kann aber letztlich dahinstehen, denn in den Fällen, in denen schon heute den Angehörigen eigene Ansprüche eingeräumt sind, "hat der Gesetzgeber keine Bedenken getragen, der Notwendigkeit oder auch nur dem praktischen Bedürfnis Rechnung zu tragen und den Familienangehörigen ein eigenes Recht auf Familienhilfe zu verleihen"30. 22 Das Ungenügen der Hinterbliebenensicherung

Die Hinterbliebenensicherung hat als einkommensorientierte Sicherung zum Ziel, den Lebensstandard, der mit dem Einkommen des Verdieners geschaffen wurde, und an dem die Angehörigen über ihren Unterhaltsanspruch partizipiert haben, durch Gewährung von "Unterhaltsersatzleistungen" möglichst aufrecht zu erhalten. Die Frage, ob dieses Ziel erreicht ist, d. h. ob diese Sicherung effektiv ist, hat zwei Aspekte, zum einen gilt es festzustellen, ob das Ausmaß der Leistungen diesem Ziel entspricht, zum andern soll vor allem die Verläßlichkeit der Sicherung überprüft werden.

221 Das Genügen der Leistungen an Hinterbliebene Die Verwirklichung des Zieles, den durch den Tod des Verdieners bedrohten Lebensstandard der Angehörigen durch Hinterbliebenenrenten aufrecht zu erhalten, erscheint bei durchschnittlichen Witwenrenten von 197,30 DM für die Arbeiterrentenversicherung, 284,40 DM für die Angestelltenrentenversicherung und 345,80 DM für die knappschaftliche Rentenversicherung31 und bei einem Durchschnittseinkommen von ca. 800,- DM32 zumindest sehr zweifelhaft. 1960 waren 80 % aller Frauen, die weniger als 200,- DM Einkommen hatten, Rentnerinnen33 . 27 RT-Dr., Bd. 279 (Anlagen 1909-1911), Aktenstück Nr. 946 (2. Teil zu

§ 218) S. 4573.

So Peters, Handbuch, Teil II, Bem. 2 vor § 205. s. a. o. 9. Kap., Text zu Anm. 13. 30 Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 51. 31 s. 0.5. Kap., Text zu Anm. 17. 32 Vgl. Statistisches Jahrbuch für die BundesrepubIik Deutschland 1969, S. 453 (Angabe für 1967). 33 Euler, WiSta. 1960, 390. 28

29

328

IH. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

Ein Anteil, der in absoluten Zahlen ausgedruckt, etwa 530 000 Frauen ausmachte 34• Sicherlich sind die Renten seit 1960 gestiegen, doch die Relation zwischen Durchschnittseinkommen und Hinterbliebenenrente hat sich - wie die Zahlen aus dem Jahre 1967 zeigen - kaum wesentlich verändert 35 • Die Höhe der Hinterbliebenenrenten bietet zu Recht Anlaß zur Kritik und führte zu Reformvorschlägen etwa derart, den Witwenrentensatz von derzeit 60 auf 70 % oder mehr der Versichertenrente zu erhöhen36 • Es fragt sich jedoch, ob diese Unzulänglichkeit darauf beruht, daß die Hinterbliebenenrenten - was hier interessiert - durch den Verdiener vermittelt werden und von dessen Sicherung abhängig sind. Die Antwort hierauf kann nur allgemein gehalten sein und nur dem Durchschnittsfall gerecht werden. Sie hat zunächst zu berücksichtigen, daß durch das System der Zurechnungszeiten (§ 1260 RVO) die Auswirkungen der Abhängigkeit von dem Lebensschicksal des Verdieners erheblich gemildert wurden. Die Abhängigkeit der Hinterbliebenensicherung von dem Einkommen des Verdieners und damit von dessen Sicherung ist zur Erreichung des angestrebten Sicherungszieles sachgerecht. Die Höhe des Einkommens bestimmte den Lebensstandard der Familie, den es aufrechtzuerhalten gilt. Wollte man die Bindung der Alters- und Hinterbliebenensicherung auch der berufstätigen Frau von dem Einkommen des Ehemannes und sei es nur für die Zeit, in der die Frau eigenes Einkommen erzielt, lösen, dann gefährdete man die Sicherung des Lebensstandards der Frauen im Alter. Es darf hier die effektive Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau nicht vergessen werden37 , die insbesondere die verheirateten Frauen trifft3B • Je stärker sich die Lohnungleichheit im Einzelfall auswirkt, desto niedriger würde die von dem Einkommen der Frau allein abhängige soziale Sicherung gedrückt. Die Unzulänglichkeit der Höhe der Hinterbliebenensicherung kann daher nicht auf deren Abhängigkeit von dem Einkommen des Verdieners zurückgeführt werden; vielmehr erscheint gerade sie eine Garantie Ebd. Heftige Kritik an dem Ausmaß der Leistungen übt Neundörjer, Die Vergessenen, S. 209 f.; s. a. Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 10: "wie auch die typische Witwenrente daran zu erinnern scheint, daß Eva einst aus der Rippe des Adam geschaffen wurde". 36 Vgl. etwa Bogs, Der med. Sachverständige, 1968, 1 (5); Scheerer, Deutsche Rentenversicherung 1967, 1 (3); zu solchen Vorschlägen: Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 ff., 200, 203 ff. 37 Das Durchschnittseinkommen der Frau bleibt gegenwärtig noch immer um 40 Ofo hinter dem des Mannes zurück, vgl. die Zahlen bei Tietz, Ü 71 S. 2. 38 Vgl. Tietz, ebd.; Bahrdt, Die Frau im Wirtschaftsleben, FAZ vom 6.8. U

35

1960, Nr. 182 S. 5.

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

329

dafür zu sein, daß der Faktor ,Lebensstandard' bei der Bemessung der Hinterbliebenenrenten nicht ganz außer Acht bleibt39 • 222 Die bedingte Sicherung 40 Sieht man von den Kindern ab, dann gewährt die heutige Hinterbliebenensicherung nur eine bedingte, vielfach vom Zufall abhängige Sicherung. Bedingt gesichert sind der Ehemann, weil er nur dann Witwerrente erhält, wenn seine verstorbene Frau vor ihrem Tod den "Unterhalt der Familie überwiegend bestritten" hatte (§ 1266 Abs. 1 RVO); beide Ehegatten, weil ihre Sicherung im Falle der Scheidung labil wird. Dies trifft insbesondere die Ehefrau. Das im folgenden Ausgeführte gilt aber entsprechend auch für den geschiedenen Ehemann. Die schuldig geschiedene Ehefrau zählt zu den "Ungesicherten". Sie hat gegen ihren früheren Ehemann keinen Unterhaltsanspruch mehr, gehört also seinem Unterhaltsverband nicht mehr an. Dementsprechend erhält sie bei seinem Tode auch keine Hinterbliebenenrente41 oder -pension42 • Ausgehend von der Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrenten mag diese Regelung als sachgerecht43 , zumindest als systemkonform empfunden werden. Befriedigen kann sie keinesfalls. Da das geltende Recht im Falle der Scheidung nur dann einen Unterhaltsanspruch einräumt, wenn der bedürftige frühere Ehegatte diese nicht allein oder überwiegend verschuldete, hängt die Hinterbliebenensicherung von dem Schuldspruch ab. Dieser entscheidet darüber, ob die Frau, die vielleicht Kinder aufgezogen und jahrelang den Haushalt geführt und "die Arbeit ihres Mannes mitgetragen"44 hat, im Alter Sozialhilfe oder Rente bezieht. Mag das nacheheliche Unterhaltsrecht über die verflossene Zeit der Mitarbeit des schuldig geschiedenen Ehegatten hinwegsehen, weil es die Frage des zukünftigen Unterhalts zwischen zwei Personen interessengerecht zu entscheiden hat; das So39 Ebenso Staatssekretär Auerbach in Beantwortung einer mündlichen Anfrage im Bundestag, vgl. BABl. 1970, 415. 40 Vgl. zum folgenden auch: Beck, DVZ 1961, 70; Beitzke, RdA 1971, 99; H. Bogs, S. 100 ff.; Bogs, Rechtsstellung der geschiedenen Frau, S. 287 ff.; ders., SGb 1957, 353 ff.; Braeß, DVZ 1971, 54 (59 ff.); Braun, Regelung der sozialen Hilfe; Brocke, Die Rente an die geschiedene Frau, SGb 1961, 6 ff.; Burdenski, MDR 1965, 250 ff.; Eherechtskommission, Vorschläge (II), S. 16 ff.; Fenge, SozArb. 1970, 49 ff.; Heussner; Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (146 ff.); Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 77 ff.; Lohmann, SozVers. 1960, 190 ff.; Schewe, BABl. 1957, 248; Schneider - Danwitz, Stellung der geschiedenen Ehefrau, S. 125 ff.; Stölzner, Die Hinterbliebenenrente der früheren Ehefrau, DVZ 1958, 255 ff., 277 ff.; Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 10, 14. 41 Folge aus § 1265 RVO; anders jedoch, wenn der Ehemann trotz des Schuldausspruches Unterhalt geleistet hatte, s. o. 10. Kap., Text nach Anm. 55. 42 s. §§ 125 Abs. 2 BBG; 73 BRRG. 43 So LSG NRW, Soz. Entsch. § 1265 Nr. 9. u BVerfGE 21, 329 (348), s. u. Text zu Anm. 83-85.

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IH. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

zialversicherungsrecht, das Renten gewährt, die einen "Lebensrückblick"45' darstellen sollen, kann und darf die Anrechnung der Zeit einer auch durch eigenes Verschulden aufgelösten Ehe nicht verweigern. Dies gilt - geht man von der Funktion der Hinterbliebenenrente als Unterhaltsersatz aus - um so mehr dann, wenn die unschuldig geschiedene Ehefrau von ihrem früheren Ehegatten Unterhalt erhielt und dennoch für sie nach seinem Tode keine Hinterbliebenenrente vorgesehen ist. Aber auch soweit der unschuldig oder minderschuldig geschiedene Ehegatte dem Kreis der zu sichernden Hinterbliebenen grundsätzlich angehört, wird seine Sicherung durch die Verknüpfung mit dem Unterhaltsrecht unsicher und nicht vorhersehbar. Eine Wiederheirat läßt den Unterhaltsanspruch und damit die Berechtigung auf Hinterbliebenenrente nach dem früheren (ersten) Ehegatten endgültig erlöschen. Dies führt seit der Einführung des Wiederauflebens der Renten (§ 1291 Abs. 2 RVO), die bei der Wiederheirat in Wegfall geraten waren (§§ 1291 Abs. 1, 1292 Abs. 1 i. V. m. 1267 RVO), zu einem sehr fragwürdi-

gen Unterschied in der Behandlung ähnlich gelagerter Fälle. Während im Unterhaltsrecht eine nach der Scheidung geschlossene Ehe jede unterhaltsrechtliche Beziehung zum Erlöschen bringt (§ 67 EheG) , knüpft das Sozialrecht über eine weitere Ehe hinweg Bande zum ersten - verstorbenen - (früheren) Ehemann und übernimmt erneut die seinem Einkommen ehemals zugekommene Unterhaltsfunktion. Daß diese Bande zerrissen werden, wenn die Witwe eine dritte Ehe eingeht oder - im Sozialversicherungsrecht - wenn die weitere Ehe wegen Verschuldens des ehemaligen Rentenempfängers aufgelöst wird46 , ist nicht einzusehen. Die letztgenannte Regelung führt zu einer "Scheidungsstrafe" , die nicht einmal nach der Konzeption der Hinterbliebenenleistungen notwendig ist, wie auch die anders ausgestaltete Regelung im Beamtenversorgungsrecht zeigt. Auch der wiederaufgelebten Hinterbliebenenrente kommt "Unterhaltsersatzfunktion" zu. Sie knüpft an den Unterhaltsanspruch an, der in der ersten Ehe bestanden hat. Das Verschulden bei der Auflösung der zweiten Ehe berührt diesen einstigen Unterhaltsanspruch aber nicht. Der Anspruch auf grundsätzlich lebenslange Hinterbliebenenrente ist mit Auflösung der ersten Ehe entstanden. "Es ist nicht vertretbar, daß bestimmten Gründen der Auflösung der neuen Ehe rechtsverwirkende Kraft für einen Anspruch beigemessen wird, der mit dieser Ehe nichts zu tun hat"47. Systematisch

Zacher, Vhdlgen des 47. DJT, S. 0 128. Anders im Versorgungsrecht der Beamten und der Verfolgten, s. o. 9. Kap., Text zu Anm. 31-33. 4S

46

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

331

richtig ist daher - wenn man das heutige System der Hinterbliebenensicherung überhaupt beibehalten will - die beamtenrechtliche Regelung, nach der die Hinterbliebenenversorgung unabhängig vom Verschulden an der Auflösung der zweiten Ehe wiederauflebt48 • Die sich aus der verschiedenen Behandlung einer weiteren Ehe im Unterhalts- und Sozialversicherungsrecht ergebenden Ungereimtheiten lassen die Zufälligkeiten sichtbar werden, die die Verknüpfung der sozialen Sicherung mit dem Unterhaltsrecht mit sich bringt. Folgendes Beispiel soll sie aufzeigen. Heiratet eine geschiedene Frau wieder und wird diese Ehe vor dem Tode ihres früheren Ehemannes aufgelöst, so ist sie, auch wenn nun ihr erster Mann stirbt, keine "frühere Ehefrau" mehr und kann deshalb auch keine Geschiedenen-Witwenrente erhalten49 • Heiratet sie erst nach dem Tode ihres ersten Mannes wieder, so kann sie nach Auflösung der neuen Ehe die wiederaufgelebte Rente beanspruchen. Der geschiedene Ehegatte scheidet aber auch dann aus dem Unterhaltsverband des anderen früheren Ehegatten aus, wenn er entweder nicht bedürftig oder dieser nicht leistungsfähig ist. Er bezieht keine Geschiedenen-Hinterbliebenenrente, wenn der versicherte frühere Ehegatte in einem Zeitpunkt stirbt, in dem diese Voraussetzungen des Unterhaltsanspruches nicht gegeben sind50 • D. h. der zur Gewährung von Renten an geschiedene Ehegatten - entsprechendes gilt auch für Witwer 51 - notwendige Unterhaltsbezug oder Unterhaltsanspruch muß zur Zeit des Versicherungsfalles gegeben sein. Ein weiteres Beispiel läßt einen dem heutigen System der nur mittelbaren Sicherung der Angehörigen immanenten Mangel offenkundig werden: Wird eine geschiedene Frau erst nach dem Tode ihres früheren, schuldig geschiedenen Mannes bedürftig, so lebt dann zwar zu ihren Gunsten ein Unterhaltsanspruch auf (§ 70 Abs. 1 EheG), zu spät jedoch, um ihr eine sogenannte Geschiedenen-Witwenrente zu verschaffen52 • § 1265 Satz 2 RVO sieht allerdings vor, daß eine unschuldig oder minderschuldig geschiedene Ehefrau, deren Mann zur Zeit seines Todes zur Unterhaltsleistung unfähig war, dann eine Rente erhält, wenn

So mit Recht Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 100. Vgl. auch die Kritik von Bogs, NJW 1968, 1649 (1655); Abg. Schellenberg, BT-Sten. Ber. 11/8345, C. D.; s. nunmehr auch § 1291 Abs. 2 RVO i. d. F. des Entw. eines RRG, s. u. 27. Kap., Text zu Anm. 116. 49 s. O. 10. Kap., Anm. 51. 50 Ein latentes Bestehen der Unterhaltspflicht dem Grunde nach wird von der h. M. verneint; s. o. 2. Kap., Anm. 71. 51 Vgl. § 1266 RVO. 52 Vgl. BSGE 5, 276 (277); BSG, NJW 1966, 2138; BSG, FamRZ 1967, 624; BSG, SGb 1968,284; BSG, NJW 1968, 1351; vgl. hierzu 2. Dapprich, SGb 1968, 309 (312); anders im Beamtenversorgungsrecht, vgl. § 125 Abs. 2 Sat.z 2 BBG; dazu Lewer, ZBR 1965, 74. 47

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III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

"keine Witwenrente zu gewähren ist". Diese Anspruchsvoraussetzung ist nicht nur dann erfüllt, wenn der Versicherte keine Witwe hinterläßt, sondern auch dann, wenn die Witwenrente später infolge des Todes der Witwe wegfällt53 • Sie ist selbst dann gegeben, wenn bei Wiederheirat der Witwe des Versicherten und Gewährung einer Heiratsabfindung die Witwenrente nach Ablauf von fünf J ahren54 nicht wieder aufgelebt ist55 • Sie besteht dann solange fort, wie die Witwenrente nicht wieder auflebt. Auch hier treten die Zufälligkeiten, die die soziale Sicherung der unschuldig geschiedenen Frau kennzeichnen 56 , ganz kraß zu Tage: Die unterhaltsberechtigte geschiedene Frau bezieht im Zeitpunkt des Todes ihres Mannes keinen Unterhalt, weil dieser leistungsunfähig ist. Wenn nun der frühere Ehemann stirbt und eine zweite Frau als Witwe hinterläßt, dann bezieht diese - ganz gleich, wie lange sie mit ihm verheiratet war - allein die volle Hinterbliebenenrente, die sie andernfalls gern. § 1268 Abs. 4 RVO mit seiner geschiedenen ersten Frau im Verhältnis der jeweiligen Ehejahre hätte teilen müssen. Ein Jahr nach seinem Tode heiratet die Witwe wieder. Sie erhält das Fünffache der Jahresrente als Abfindung. überdauert ihre zweite Ehe diese fünf Jahre, dann wird die geschiedene (erste) Frau des Versicherten sechs Jahre nach dessen Tod mit der Geschiedenen-Witwenrente überrascht. Sie erhält die volle Hinterbliebenenrente und kann nur hoffen, daß die neue Ehe der zweiten Frau ihres verstorbenen früheren Ehemannes lange dauert. Wird diese Ehe aus Verschulden der zweiten Frau geschieden, dann kann unsere geschiedene (erste) Frau aufatmen, denn sie behält die Rente. Wird die neue Ehe der zweiten Frau des Versicherten aber ohne ihr Verschulden aufgelöst, etwa durch Tod oder durch unverschuldete Scheidung, dann bekommt unsere geschiedene Frau ihre Rente wieder aberkannt, da eine Witwenrente wieder zu gewähren ist (§ 1265 Satz 2 RVO). Sie kann jedoch das Glück haben, daß die zweite Frau ihres verstorbenen, früheren Ehemannes infolge Auflösung ihrer zweiten Ehe einen Versorgungs anspruch erwirbt. Denn um diesen mindert sich das Wiederaufleben der vor der Heirat von der o. 10. Kap., Anm. 58. Fünf Jahre deshalb, weil der Witwe, die wiederheiratet, gern. § 1302 RVO das Fünffache des Jahresbetrages der bisher bezogenen Rente gewährt wird; anders bei der Beamtenwitwe, sie erhält nur das Vierundzwanzigfache ihres Witwengeldes als Abfindung, s. § 124 a Abs. 2 BBG. 55 s. O. 10. Kap., Anm. 59. 56 Das beklagt auch von AZtrock, Anm. zu BSG, SGb 1970, 26, a.a.O., S. 27 (28): "Der Gesetzgeber hat die Härten im Bereich des § 1265 RVO eben gar zu unmethodisch bereinigt. Gerade das etwas wirre Nebeneinander von gesetzlicher, formaler und hypothetischer Unterhaltsberechtigung im Verein mit effektivem Unterhaltsbezug bietet ... ein allzu unregelmäßiges Netz; wer schließlich durch die Maschen fällt und nichts erhält, verdankt dies dem bloßen Zufall, der im sozialen Bereich den schlechtesten Verteiler hergibt." 63 S.

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23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

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zweiten Frau unseres Versicherten bezogenen Rente. Insoweit ist auch dann keine Witwenrente zu gewähren, so daß unsere geschiedene Frau in Höhe dieses anzurechnenden Versorgungsrechts weiterhin Rente bezieht. Betrachtet man dieses Ergebnis aber genauer, dann tritt man muß schon sagen - eine Kuriosität unseres Rentenrechts zu tage: Die geschiedene (erste) Frau des Versicherten erhält im Ergebnis die Rente, die der zweite Mann der zweiten Frau des Versicherten erarbeitet hat. Die zweite Frau bezieht die Rente, die ihr früherer Mann eben unser Versicherter - erarbeitet hat. Stirbt dann schließlich die zweite Frau des Versicherten, dann steht unserer geschiedenen Frau wieder die volle Hinterbliebenenrente zu, um die es anfangs ging. Die einzelnen Ergebnisse sind schlechterdings unverständlich, doch trifft die Schuld hieran nicht etwa die Rechtsprechung, die die Inkonsequenz des Gesetzgebers konsequent fortsetzt 57 • Die Inkonsequenz, die diesen Ergebnissen letztlich zugrunde liegt, ist in § 1265 Satz 2 RVO zu finden. Er räumt der geschiedenen Frau, wenn keine Witwenrente zu gewähren ist, auch dann einen Anspruch auf Rente ein, wenn sie zur Zeit des Todes ihres versicherten früheren Mannes von diesem wegen seiner Leistungsunfähigkeit keinen Unterhalt erlangen konnte. Zwischen dem "Unterhaltsersatzprinzip" und der Rentenberechtigung dieser geschiedenen Frau besteht eine deutliche Diskrepanz58 • Die soziale Sicherung der geschiedenen Frau wird weiter noch dadurch verschlechtert, daß der Unterhaltsbezug oder Unterhaltsanspruch, der ihre Rente auslösen soll, nach ständiger Rechtsprechung des BSG mindestens etwa 25 % des örtlich notwendigen Mindestunterhalts betragen muß59. Dem wird entgegengehalten60 , daß nach dem maßgeblichen familiären Unterhaltsrecht jeder Beitrag des Unterhaltsverpflichteten, der bestimmt und geeignet ist, den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten ganz oder teilweise zu decken, Unterhalt sei, unabhängig von der Höhe der Leistung61 • Dementsprechend genüge jede Unterhaltsleistung gleich welcher Höhe als Voraussetzung einer Geschiedenen-Hinterbliebenenrente. Das BSG verteidigt seine Rechtsprechung damit62 , daß es für die Gewährung eines "Unterhaltsersatzes" an einer Rechtfertigung fehle, 57 Vgl. Anm. zu BSGE 28, 88 von Ruland - Zacher, SGb 1969, 65; Gitter, S. 65; v. Altrock, Anm. zu BSG, SGb 1970, 26. 58 Vgl. Barnewitz, SozVers. 1967, 100 (102); Schröder, SGb 1968, 271 (272); Verbandskommentar, § 1265, Anm. 14; s. a. Friederichs, Anm. zu BSG, NJW

1965,990.

s. o. 13. Kap., Anm. 83. s. o. 13. Kap., Anm. 82. 61 Drastisch Friederichs, SozVers. 1964, 200 (201): "Schon der Betrag von 0,01 DM kann Unterhalt sein". 82 BSGE 22, 44 (46 f.). SG

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111. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

wenn der Betrag, der infolge des Todes des Versicherten nicht mehr geleistet werde, zu geringfügig war, als daß die frühere Ehefrau davon auch nur zu einem nennenswerten Teil hätte leben können. Deshalb müßten verschwindend geringfügige Unterhaltsansprüche als zur Auslösung der Rente ungeeignet ausscheiden. Diese Argumentation ist nicht stichhaltig, wie sich schon aus § 1265 Satz 2 RVO ergibt. Er räumt auch dann einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente ein, wenn, weil der Versicherte leistungsunfähig war, überhaupt kein Unterhalt geleistet wurde. Diese ge zielte Durchbrechung des Unterhaltsersatzprinzips zeigt, daß das Gesetz ihm keine entscheidende Bedeutung beimißt63 • Das BSG meint demgegenüber 64 , § 1265 Satz 2 RVO sei lediglich eine Durchbrechung eines sonst gültigen Prinzips. Hiergegen ist die Feststellung Langkeits in Erinnerung zu rufens5, wonach die Unterhaltsersatzfunktion wegen so häufiger Durchbrechungen nur noch in "Rudimenten" sichtbar seis6 • Außerdem ist § 1265 Satz 2 RVO nicht irgendeine Durchbrechung des Unterhaltsersatzprinzips, sondern eine einschlägige, mit der hier erörterten Frage in unmittelbarem Zusammenhang stehende. § 1265 Satz 2 RVO soll - wie das BSG selbst ausgeführt hat67 - die "Unbilligkeit beseitigen, die für die geschiedene Frau dann vorliegt, wenn sie gegen den Versicherten in der Zeit vor seinem Tode, z. B. wegen dessen Krankheit oder Arbeitslosigkeit oder weil er eine niedrige Rente bezog, keine Unterhaltsansprüche geltend machen konnte und aus diesem Grunde nunmehr nach seinem Tode ... auch des Rentenanspruchs verlustig geht". Dieselbe Unbilligkeit trifft die geschiedene Frau auch dann, wenn sie wegen einer zu geringen Unterhaltsleistung von seiten des Versicherten keine Rente bekommt. "Ist keine Witwenrente zu gewähren" (§ 1265 Satz 2 RVO), dann ist - weil es auf eine Unterhaltsleistung nicht ankommt - auch die Geringfügigkeit einer Unterhaltsleistung unbeachtlich. Damit wird schon das eigentliche Problem angeschnitten: die Kollision von Witwen- und Geschiedenen-Witwenrenten. Aus ihr leitet sich das zweite, maßgebliche Argument der von dem BSG getragenen herrschenden Meinung ab. Es lautet: "Wollte man jede geringfügige Unterhaltsleistung oder -verpflichtung zugunsten der früheren Frau genügen lassen, um die Voraussetzungen des § 1265 Satz 1 RVO zu erfüllen, so würde dadurch gegebenenfalls die Hinterbliebenenrente der Witwe 83 64 85

66 87

So zu Recht LSG NRW, SGb 1968, 420 (422). BSG, NJW 1969, 1924 (1925). Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 97. Dazu ausführlich o. 10. Kap., sub 31. BSG, SozR Nr. 31 zu § 1265 RVO; vgl. auch BT-Dr. 11/2437, zu § 1269.

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

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nach § 1268 Abs. 4 RVO in unbilliger Weise unter Umständen erheblich beschränkt68 •" Diese Interessenabwägung zugunsten der zweiten Frau des Versicherten und zuungunsten der unschuldig oder minderschuldig geschiedenen ersten Ehefrau 69 entspricht zwar der Absicht des Gesetzgebers, durch die Einführung des § 1265 Satz 2 RVO Rechte der Witwe nicht zu schmälern, ist aber dennoch bedenklichio . Die zweite Frau wußte, daß sie einen geschiedenen Mann heiratet71 • Auf ihr Unterhaltsbedürfnis, das nach Auffassung des BSG72 dem der geschiedenen Frau vorgeht, ist es sehr häufig zurückzuführen, daß der Mann zu seinen Lebzeiten der geschiedenen Frau keinen oder - worum es hier geht - nur geringfügigen Unterhalt mehr leisten und diese daraufhin die Voraussetzungen der Rente nicht mehr erfüllen kann. Hinzu kommt, daß die zweite Ehefrau des Versicherten erfahrungsgemäß jünger ist als die erste und somit auch bessere Chancen hat, wieder einen Beruf zu ergreifen73 . Schon gar nicht läßt sich die Bevorzugung der Witwe mit dem auch von dem BSG vertretenen Gedanken74 eines Mitverdienens und damit einer Teilhabe der früheren Ehefrau an der Versicherung des Mannes vereinbaren75 . Allerdings geht die Bevorzugung der Witwe und die Benachteiligung der geschiedenen, ersten Frau des Versicherten auf das Gesetz zurück. Der Rechtsprechung des BSG ist jedoch der Vorwurf zu machen, ohne Not die sozialrechtlich ohnehin schlechte Lage der Geschiedenen noch weiter verschlechtert zu haben. Der Wortlaut des Gesetzes erfordert 8S So BSGE 22, 44 (47); zustimmend: Barnewitz, SozVers. 1967, 100 (101); Frentzel, Anm. zu LSG NRW, SGb 1968, 420, dort S. 424 (425); Pappai, BABl. 1966, 23 (24). 89 Ebenso Beck, DVZ 1957, 248 (249); Ludwig, Zur Begrenzung der Witwenrente, SozVers. 1962, 306 (309); Stein, Erfahrungen mit § 1268 Abs. 4 RVO, SozVers. 1962, 201; die selbst die Regelung des § 1268 Abs. 4 RVO, die eine

nach Ehejahren berechnete Aufteilung der Hinterbliebenenrente unter die Witwe und die geschiedene Frau "sachlich einfach (für) eine Unmöglichkeit" (Beck) halten. Es sei "nicht einzusehen, warum die Leistung der Witwe deshalb gemindert werden solle, weil der Versicherte bereits früher einmal eine Ehe eingegangen war" (Ludwig). Diese Benachteiligung der Witwe "dürfte nach allgemeinen sittlichen Begriffen nicht vertretbar sein" (Beck). 70 Kritisch dazu Bogs, NJW 1968, 1649 (1655); Heussner, S. 7; Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (147, Anm. 34); Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 98; Wul!!, SozSich. 1963, 274 (275). 71 Wenn sie nicht sogar Scheidungsgrund war: vgl. VG Berlin, FamRZ 1956, 229 mit Anm. von Bosch. 72 BSG, Breith. 1966, 133; a. A. z. B.: Köhler, S. 76; s. o. 2. Kap., Text zu Anm. 62 und 63. 73 Worauf Wulff, SozSich. 1963, 274 (275) hinweist. 74 Vgl. BSGE 20, 252 (254); BVerfGE 22, 349 (368); s. a. u. Text zu Anm. 83 und 84. 75 So mit Recht Langkeit, Sicherung der Frau. S. F 98.

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111. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

die Auslegung, die das BSG ihm gegeben hat, nicht76 . Im Gegenteil, weil sie den Begriff "Unterhalt" i. S. des § 1265 Satz 1 RVO dem des "wesentlichen Unterhalts" angenähert hat77 , muß sie sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie sich mit dem Gesetz nicht vereinbaren läßt78, daß sie, obwohl sonst von der Verbindlichkeit des familienrechtlichen Unterhaltsbegriffs ausgegangen wird, ausschließlich in dieser Frage einen eigenen Unterhaltsbegriff 79 entwickelt, der in anderem aber ähnlichem Zusammenhang, etwa bei der Anrechnung des Unterhalts auf die wiederaufgelebte Rente nach § 1291 Abs. 2 RV080, nicht verwendet wird81 . All diese Punkte der Kritik zeigen, wie wenig befriedigend die soziale Sicherung der geschiedenen Frau ausgestaltet ist. Wird sie schuldig geschieden, dann wird die ganze hinter ihr liegende "soziale Biographie gelöscht"82. Wird sie unschuldig oder minder schuldig geschieden, dann hängt ihre soziale Sicherung im Alter von Zufälligkeiten ab. Die heutige soziale Sicherung der Ehegatten, die auf der Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrenten beruht, versagt gegenüber dem Phänomen der Scheidung. Das Ergebnis dieses Versagens sind Frauen, die im Alter sozial ungesichert sind, obwohl nach Auffassung der Rechtsprechung die heutige Hinterbliebenenrente eine Gegenleistung für die "Vorleistung" auch der geschiedenen Frau im Haushalt darstellen so1l83, obwohl die Versorgungsbezüge der geschiedenen Beamten"witwe" deshalb zugute kommen sollen, weil sie die Arbeit ihres Mannes mitgetragen hat84 . Diese Feststellungen sind für das heutige Recht unzutreffend, da entweder eine verschuldete Scheidung oder bei unverschuldeter Scheidung eine erneute Eheschließung oder das Fehlen eines Unterhaltsanspruches zur Zeit des Todes des Gesicherten die "Gegenleistung" ausschließen. Da scheint das BSG in seinem Urteil vom 23. 8. 195685 die Einstellung des Gesetzgebers zur sogenannten Geschiedenen-Witwenrente besser getroffen zu haben, wenn es erklärt, die Gewährung von solchen 78 Dies gesteht auch Frentzel, Anm. zu LSG NRW, SGb 1968, 420, dort S. 424 (425) zu. 77 Wie Sieg, S. 136 feststellt; s. o. 13. Kap., sub 213. 78 LSG NRW, SGb 1968, 420 (421); Heussner, S. 6. 79 Drossel, Diskussionsbeitrag, in: Ehe und Familie, S. 180; Friederichs, Anm. zu BSG, NJW 1965, 990. 80 BSG, NJW 1968, 1006 (1007) berichtet, daß 25,- DM monatlich angerechnet wurden und wirft die Frage, ob ein solcher Betrag überhaupt "Unterhalt" ist, nicht auf. 81 So auch LSG NRW, SGb 1968,420 (423); Heussner, S. 7. 82 Um einen Ausdruck von Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 20 zu gebrauchen. 83 BSGE 20, 272 (274); vgl. a. das Postulat in BSGE 5, 276 (282). 84 BVerfGE 21, 329 (348). 85 BSGE 3, 197 (200).

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Leistungen beruhe auf "sozialen Erwägungen", d. h. mehr auf Fürsorge denn auf "Gegenleistung". Das Verfehlen des Sicherungszieles läßt sich nicht durch eine andere Ausgestaltung der Voraussetzungen beheben; es ist vielmehr eine unabdingbare Folge seiner Grundkonzeption. Die Versuche, der geschiedenen Frau, obwohl sie keinen Unterhalt bezogen hat, eine "Unterhaltsersatz"-Rente zu gewähren, haben - wie § 1265 Satz 2 RVO und die oben gebrachten Beispiele deutlich werden ließen - zu unverständlichen und unerträglichen Ergebnissen geführt86 • Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die ausschließlich abgeleitet-mittelbare Sicherung der Angehörigen wegen der dann notwendigen Anknüpfung an den familiären Unterhalt ihre Sicherungs aufgabe dann nicht erfüllt, wenn der Angehörige aus dem Unterhaltsverband ausscheidet. Dies gefährdet insbesondere den Ehegatten im Falle der Scheidung. Der Mangel kommt aber immer dann zum Tragen, wenn der Rentenbezug nicht von einer typisierten Zugehörigkeit zum Unterhaltsverband des Gesicherten, wie etwa bei Witwen und Waisen, sondern von einem tatsächlich bezogenen oder von einem realisierbaren Unterhaltsanspruch abhängig gemacht wird, wie dies heute auch noch bei dem Witwer der Fall ist87 •

223 Das Übermaß an Sicherung Der frühere Ehegatte wird aber nicht nur benachteiligt. Andere allerdings relativ seltene Ergebnisse begünstigen ihn auch, wie z. B. in folgendem Fall: Ein Hilfsarbeiter mit einem Durchschnittseinkommen von 400,- DM läßt sich von seiner Frau scheiden. Kurze Zeit danach besucht er Fortbildungskurse und schafft es überraschend, Meister mit 1 200,- DM Einkommen zu werden. In Höhe dieses Einkommens ist er den überwiegenden Teil seines Arbeitslebens versicherungspflichtig, entsprechend ist die Höhe seiner Rente. Demzufolge bezieht auch die geschiedene Frau nach seinem Tod eine Rente, die auf einem Durchschnittseinkommen von 1200,- DM beruht. Ihr Unterhalt aber, den sie bis zu diesem Zeitpunkt bezogen hatte, war an den 400,- DM Hilfsarbeiterlohn ausgerichtet gewesen, denn an einer nicht mit Sicherheit voraussehbaren Erhöhung des Einkommens des anderen Ehegatten nimmt der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte nicht teil8s • Durch se Wie will man z. B., um an das oben nach Anm. 56 gebrachte Beispiel anzuknüpfen, der geschiedenen Frau verständlich machen, daß sie ihre Rente, die sie 6 Jahre nach dem Tode des Versicherten plötzlich erhalten hat, nicht mehr weiter beziehen kann, weil die zweite Ehe der zweiten Frau ihres Mannes aufgelöst wurde? 87 Hierzu nochmals u. 24. Kap., sub 12. 88 Vgl. RG, DJ 1942, 627; Dannehl, MDR 1955, 575 (576); Palandt - Lauterbach, § 58 EheG Anm. 3. 22 Ruland

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den Tod des Versicherten "schafft" seine vor langer Zeit geschiedene Ehefrau also den finanziellen Aufstieg zur Meister-"Witwe"89. Das eigentliche Problem der übersicherung stellt sich bei den "unbedingten Witwenrenten". Ausgangstatbestand aller Hinterbliebenenrenten ist der Verlust an Unterhalt. Er bedeutet aber nicht schon an sich ein Risiko für den Betroffenen. Er bedroht ihn nur dann, wenn dieser sich seine Unterhaltsmittel nicht selbst beschaffen kann. Dieser Risikostruktur trägt die Anknüpfung an den familiären Unterhalt zumindest insofern Rechnung, als die Bedürftigkeit Voraussetzung des Unterhaltsanspruches ist. Die Sicherung der Ehefrau unterscheidet sich aber von der der übrigen Angehörigen. Ihr Anspruch auf Witwenrente ist von einem Unterhaltsverlust unabhängig. Der Verlust des von dem Ehemann geleisteten Unterhalts bedeutet für die Ehefrau zwar allzu oft eine erhebliche wirtschaftliche Gefährdung. Soweit sie wegen ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes überhaupt arbeitsfähig ist, kann ihre Verweisung auf den Arbeitsmarkt unzumutbar sein, weil sie Kinder aufzuziehen hat. Soweit sie auf den Arbeitsmarkt verwiesen werden kann, wird es ihr häufig nicht möglich sein, Einkünfte zu erzielen, die ausreichen, um den früheren Lebensstandard aufrechtzuerhalten, sei es, weil das Durchschnittseinkommen der Frauen gegenwärtig noch immer um 40 0J0 hinter dem der Männer zurückbleibt90 , sei es, weil sie um so stärker dem Arbeitsleben entfremdet ist, je länger sie sich auf die Haushaltstätigkeit beschränkt hatte, und daher auch fast sämtlicher Aufstiegschancen beraubt ist. Es gibt aber andererseits auch Fälle, in denen der Unterhaltsverlust kein Risiko darstellt, dessen die Witwe nicht Herr werden könnte. Kann sie mit Erfolg auf den Arbeitsmarkt verwiesen werd.en, ohne einen sozialen Abstieg zu erleiden, so erscheint eine Sozialleistung, die nur materielle Nachteile ausgleichen soll, unangebracht. Allerdings kann bei der Vielzahl von Fällen auf eine Typisierung nicht verzichtet werden. Die unbedingte Witwenrente typisiert aber im übermaß, d. h. sie unterscheidet fast überhaupt nicht mehr91 . Insoweit enthielt z. B. § 1258 RVO in seiner ersten Fassung einen richtigen Kern, wenn er den Anspruch auf Witwenrente auf invalide Witwen beschränkte und damit den Ausgangstatbestand nicht allein in dem Tod des Verdieners sah, 89 Wäre der Mann Beamter geworden, dann wäre gern. § 73 Abs. 1 BRRG, bzw. § 125 Abs. 2 BBG nur ein Unterhaltsbeitrag in der Höhe zu gewähren gewesen, in der ihr der Verstorbene zur Zeit seines Todes Unterhalt zu leisten hatte. Ein ähnliches Beispiel bei Gitter, S. 67. 90 s. o. 1. Kap., Anm. 51. 91 Das geltende Recht trifft nur insoweit eine zudem noch wenig sinnvolle - Unterscheidung, als es der kinderlosen Witwe bis zu ihrem 45. Lebensjahr eine herabgesetzte Rente gewährt.

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sondern auch in dem (ursprünglichen) Risiko der Invalidität92 • Die heutige Regelung führt dazu, daß die "unbedingte Witwenrente" ungeschmälert kumulieren kann mit Renten aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Erwerbseinkommen. Das bedeutet häufig ein erhebliches "Zuviel an Sicherung". Die Hinterbliebenensicherung der Ehegatten in ihrer heutigen Unterhaltsersatz-Konzeption hat nur die Alternative, entweder auf Kosten der Effektivität der Sicherung den Rentenanspruch in Abhängigkeit von einem zur Zeit des Sicherungsfalles gegebenen (konkreten) Unterhaltsanspruch zu gestalten oder die Rente als "Urrterhaltsersatz" hiervon unabhängig zu gewähren und damit ein "Zuviel" an Sicherung in Kauf zu nehmen. Keine der beiden Alternativen kann aber befriedigen. Es kann somit weiter festgestellt werden, daß die abgeleitet mittelbare Sicherung der Angehörigen die Sicherung des hinterbliebenen Ehegatten nicht befriedigend lösen kann. Unter Einbeziehung der Kritik an der heutigen Sicherung des geschiedenen Ehegatten kann insgesamt zusammenfassend gesagt werden: Die über den Unterhalt vermittelte soziale Sicherung des Ehegatten versagt, wenn die Ehe durch Scheidung oder Tod aufgelöst wird. 3 Die Effektivität des Familienlastenausgleichs Das deutsche System des Familienlastenausgleichs ist durch seine Zweispurigkeit gekennzeichnet. Es werden, wenn man den allgemeinen Familienlastenausgleich betrachtet, auf den sich die nachfolgende Untersuchung weitgehend beschränkt, sowohl Kindergeld gewährt wie familienbezogene Steuerermäßigungen eingeräumt. Eine überprüfung der Effektivität des Familienlastenausgleichs kann daher nur von einer Gesamtbetrachtung der beiden Ausgleichsarten ausgehen. Sie setzt zunächst aber voraus, daß Klarheit darüber besteht, welche Unterhaltsrisiken einen Ausgleich rechtfertigen und erfordern. 31 Die auszugleichenden Unterhaltsrisiken

311 Der "Kinderlastenausgleich" - Zur Notwendigkeit eines "schich tenspezifischen" Kinder lastenausg leichs Aus der eingangs9S gebrachten Tabelle geht hervor, daß etwa ein Drittel der Ehen drei oder mehr Kinder hat. Dieses Drittel stellt rund 60 Ofo aller Kinder und trägt damit den wesentlichen Anteil an der Versorgung und Erziehung der nachfolgenden Generation. Aus dieser un92 Vgl. zu dieser Frage auch Achinger, Höffner, Muthesius, Neundörfer, S. 95; Braun, Motive, S. 59; Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 25 f. 93 s. O. 1. Kap., nach Anm. 64.

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III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

gleichen Kinderzahl ergibt sich für den einzelnen eine ungleiche Belastung, d. h. die Umverteilung über den familiären Unterhalt benachteiligt oder bevorzugt einzelne, je nachdem ob sie im Vergleich mit dem Durchschnitt mehr oder weniger Kinder aufzuziehen haben. Diese unterschiedliche Belastung wird bei der Bemessung der Einkommen nicht berücksichtigt, wenn man von der Erhöhung der Ortszuschläge im Besoldungsrecht absieht. Die geringen Löhne, die zu Beginn der Industrialisierung gezahlt wurden, verschärften die Folgen, die sich daraus ergeben, daß die Familiengröße bei der Einkommensbemessung unberücksichtigt blieb und ließen die Forderung nach einem Lohn aufkommen, der wenigstens für die Sicherung des Existenzminimums des Arbeiters und seiner Familie ausreicht. Der Gedanke des "living wage" hatte maßgeblichen Einfluß auf die Mindestlohngesetzgebung94 • Er wurde - vor allem in der katholischen Soziallehre9s - zum Gedanken des sogenannten "absoluten Familienlohns" fortentwickelt. Darunter wird ein Lohn verstanden, der es jedem erwachsenen, voll arbeitsfähigen und arbeitswilligen Arbeitnehmer, unabhängig von der tatsächlichen Größe seiner Familie, unter gewöhnlichen Bedingungen gestattet, den sozial-kulturellen Lebensbedarf einer Familie zu decken96 • Diesen Lohn soll auch der ledige Arbeiter erhalten, um sich auf die Familiengründung vorzubereiten, so daß der "absolute Familienlohn" einen "Ausgleich über die Zeit" innerhalb einer Familie ermöglichen könnte. Es soll hier nicht näher auf diesen Gedanken eingegangen werden97 • Er mag als Postulat einer unteren Grenze des Leistungslohns seine moralische Berechtigung gehabt haben98 • Der "absolute Familienlohn" würde jedoch, auch wenn er einen gewissen "Ausgleich über die Zeit" gestatten würde, seine eigentliche Aufgabe, die Anpassung des reinen Leistungslohns an den unterschiedlichen Familienbedarf nicht erfüllen. Er trüge der unterschiedlichen Kinderzahl, also der Tatsache, daß manche Einkommensbezieher viele und manche gar keine Kinder haben, keine Rechnung, erübrigte demnach einen Ausgleich nicht. Vgl. Wingen, Familienpolitik, S. 74. Vgl. Dreier, Familienprinzip, S. 129. 96 Wingen, Familienpolitik, S. 75. 97 Vgl. dazu Dreie1·, Familienprinzip, S. 127 ff.; ders., Sicherung von Ehe und Familie, S. 40 f.; Stein, Familienlohn, 1956. 98 Ein Aussagewert dieser Forderung überhaupt wird von von NeZZ-Breuning, Kapitalismus und gerechter Lohn, 1960, S. 176 bezweifelt: "Die Forderung des absoluten Familienlohns geht aus von der Voraussetzung eines anerkannten und feststehenden ,standesgemäßen' Lebensunterhalts. Das gibt es aber nur in einer im wesentlichen stationären Gesellschaft und Wirtschaft; unter Verhältnissen, wie denen unserer völlig dynamisierten Gesellschaft und Wirtschaft fehlt es an einem solchen Maßstab und ermangelt die Forderung des absoluten Familienlohns daher der erforderlichen Bestimmtheit und greift damit ins Leere." 9t

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Durch eine Anpassung der marktmäßig erzielten Einkommen an die unterschiedliche Kinderzahl kann ein Ausgleich nicht durchgeführt werden, weil eine solche "Verteuerung" der kinderreichen Arbeitskräfte diese im Spiel von Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften disqualifizieren würde. Es bietet sich lediglich ein Ausgleich über Sozialleistungen an. Eme Rechtfertigung, die unterschiedliche Belastung durch Kinder auszugleichen, hat sich - wie oben gezeigt99 - daraus ergeben, daß die Altenversorgung vergesellschaftet wurde und die Mittel dieser Versorgung von der nachfolgenden Generation aufgebracht werden, so daß Kinder das "Deckungskapital" der Alterssicherung ihrer Elterngeneration sind, und die Angehörigen dieser Generation, die keine Kinder aufziehen, ihre Alterssicherung "umsonst", d. h. auf Kosten derjenigen, die Kinder haben, erhalten würden. Kinderreichtum kann daher nicht mehr als "Privatvergnügen" abgetan werden. Kinderreiche können heute auch nicht mehr damit "abgespeist" werden, daß "Kinderlose und Familien mit Kindern der gleichen Einkommensschicht materiell gleichgestellt {sind)", daß "verschieden ... nur die Art der Einkommensverwendung (sei)", denn "die einen betrachten Kinder als Reichtum und leisten sie sich auch, die anderen ziehen den Götzen Lebensstandard vor oder müssen mit ihm vorlieb nehmen, weil sie keine Kinder haben können"!OO. Grundsätzlich rechtfertigen alle Unterhaltsleistungen an Kinder einen Ausgleich. Zwar sind die Eltern, die durchschnittlich viele Kinder haben, an sich weder begünstigt, noch benachteiligt!O!. Von ihnen, als dem Mittelwert, ausgehend, käme erst ein Ausgleich für die in Betracht, die überdurchschnittlich viele Kinder haben. Da die Kinderlosen oder Kinderarmen gegenüber denen, die durchschnittlich viele Kinder haben, dann aber begünstigt wären, müßten sie - gestaffelt - zum Ausgleich mit einem "malus" belegt werden. Wegen der Staffelung führte dies ausgehend von den Kinderlosen zu einer Begünstigung auch derjenigen, die nur ein Kind oder die durchschnittlich viele Kinder haben. Die nächste Frage ist die, in welchem Ausmaß Unterhaltsleistungen an Kinder einen Ausgleich rechtfertigen. Hier muß zunächst davon ausgegangen werden, daß nicht schlechthin alle mit Kindern zusammen" s. 0.17. Kap., sub 1. Aus einer Denkschrift des Bundes der Steuerzahler, zitiert nach Simon, in: Sinnvolle und sinnwidrige Sozialpolitik, S. 181. 101 Schreiber, Diskussionsbeitrag, in: Sinnvolle und sinnwidrige Sozialpolitik, S. 73 f.: "Zwei Kinder sind eigentlich, wenn ich so sagen darf, das, was der Mensch, das erwachsene Menschenpaar, in der Ehe der Gesellschaft schuldet, um sein gesellschaftliches Kontokorrentkonto glattzustellen." 100

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III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

hängenden materiellen Lasten ausgeglichen werden können102 . Eine solche Forderung wäre politisch nicht durchsetzbar, ganz abgesehen von der Frage, ob sie bestehenden Gerechtigkeitsvorstellungen entsprächelOS, bzw. ob sie sich mit der durch die Familienförderung angestrebten Ausgewogenheit von persönlicher und gesellschaftlicher Verantwortung vereinbaren ließe lO'. Ist daher ein Ausgleich der gesamten durch Kinder hervorgerufenen Unterhaltsbelastung undurchführbar, so fragt es sich weiter, ob von einem einheitlichen Bedarf oder von einem nach der Höhe des Einkommens des Unterhaltsträgers gestaffelten Bedarf ausgegangen werden soll. Hier ist zunächst zu bedenken, daß, da die Eltern unterhaltsrechtlich gehalten sind, die Kinder an ihrem Lebensstandard teilhaben zu lassenl05 , die Aufwendungen der Eltern für ihre Kinder eine Funktion ihres Einkommens sind. Sie steigen daher auch mit wachsendem Einkommen. Dabei kann jedoch unterstellt werden, daß sie nicht im gleichen Maße zunehmen, da ein Teil des (zusätzlichen) Einkommens zur Vermögensbildung usw. verwendet wird. Die Steigerung des elterlichen Aufwandes wird nicht zuletzt dadurch verursacht, daß in den meisten Fällen Vergünstigungen für Kinder - insbesondere Ausbildungsförderungen - mit steigendem Einkommen der Eltern abgebaut werden. Die Aufwandssteigerung läßt sich rechnerisch l06 , vereinfacht aber auch dadurch belegen, daß man das elterliche Einkommen nach einem Punktesystem auf die Familienangehörigen verteiltl°7 • Läßt sich der mit wachsendem Einkommen steigende Aufwand für Kinder ernstlich nicht bestreiten, so muß davon doch die Frage getrennt werden, ob der über das Mindestmaß hinausgehende elterliche Aufwand der Bemessung der Ausgleichsleistungen zu Grunde gelegt werden muß, soll oder kann. Es ist dies die Frage nach der Notwendigkeit oder aber auch der Zulässigkeit eines "schichtenspezifischen" ("horizontalen ") Familienlastenausgleichs l08 . 102 Vgl. Bünger, Familienpolitik, S. 58; Schreiber, Kindergeld, S. 39; Wingen, Familienpolitik, S. 262 f. 103 Dazu Schreiber, Kindergeld, S. 39. 104 Verneinend Wingen, Familienpolitik, S. 262 f. 105 Krause, FamRZ 1969, 617 (620); Pohmer, FinA 1968,139 (173). 106 Vgl. Jessen, S. 115. 107 Vgl. etwa Krause, FamRZ 1969, 617 (618); Wingen, Kinderfreibeträge,

S. 370; Beirat für Familienfragen, S. 16 ff.; s. a. 0.13. Kap., Anm. 65. 108 Gegen einen schichtenspezifischen Familienlastenausgleich haben sich ausgesprochen: Albers, Soz. Fortschritt 1967, 199 ff.; Bünger, S. 63; Fredersdorf, S. 12; Land Hessen, BR-Dr. 41/69, Begr. S. 26f.; Lang, S. 31; Molitior, überfällige Reform des Familienlastenausgleichs, SozSich. 1969, 66 ff.; Wingen, Kinderfreibeträge, S. 373; Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Materialien, S. 11; s. a. die Beschlüsse der Bundesregierung vom 11. Juni 1971 zur Steuerreform 1974, Bulletin 1971, 1019; Beirat BMWF, S. 70 f.; Beirat für Familienfragen, S. 8ff.; wohl auch Preller, S. 631; dafür sind: Dreier,

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

343

Gegen den "schichtenspezifischen" Kinderlastenausgleich, der im geltenden Recht über Steuerfreibeträge angestrebt wird, ist eingewandt worden, er sei, weil er einkommensstärkere Familien durch höhere Verschonungen begünstige, weder mit dem Gleichheitssatz noch mit dem Gedanken sozialer Gerechtigkeit vereinbar109 • Dies wird damit begründet, bei dem Kinderfreibetrag werde deutlich, "daß die gedachte Entlastung, die wegen des Unterhalts und der Berufsausbildung der Kinder notwendig wird, der sozialpolitischen Motivation nicht entspricht. Durch den Abzug des Kinderfreibetrages von der Bemessungsgrundlage verringert sich bei einem Steuerpflichtigen mit einem Einkommen, das mit dem Marginalsteuersatz von 53 v.H. belegt wird, die Steuerschuld um 630,- DM. Dagegen mindert der gleiche Freibetrag die Steuerschuld eines Steuerpflichtigen mit niedrigem Einkommen, das mit dem Proportionalsteuersatz von 19 v.H. besteuert wird, lediglich um 240,- DM"l1O. Dennoch ist der "schichtenspezifische" Kinderlastenausgleich nicht nur zulässig111, sondern darüber hinaus auch geboten. Dies vornehmlich aus zwei Gründen. Das gegen ihn erhobene Argument, er sei sozial ungerecht, weil er Bezieher höherer Einkommen gegenüber denen niedrigerer begünstige, ist unzutreffend. Es übersieht, daß Anknüpfungspunkt für die Besteuerung, solange der Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gilt, nur die Leistungsfähigkeit sein kann. In Höhe des Mindestbetrages, den die Eltern für den Unterhalt eines Kindes aufwenden müssen, sind sie jedoch nicht mehr belastbar, da sie "unter einem unmittelbaren Handlungszwang stehen, der ihnen keine Wahlmöglichkeit läßt"112. Die Meinung, die einen "Grundfreibetrag" für Kinder ablehnt, beruht auf einer falschen Vergleichsbasis, "denn die Basis für Belastungsvergleiche zwischen verschiedenen Steuerpflichtigen kann nur der Teil des Einkommens sein, das tatsächlich Leistungsfähigkeit mit sich bringt und somit belastbar ist"113. Das gilt aber gerade nicht für die Mindestaufwendungen an Kinderl14 •

Sicherung von Ehe und Familie, S. 116; HaUer, Finanzpolitik, 3. Auf!. 1965, S. 45; ders. Probleme, S. 10; Karl-Bräuer-Institut, S. 64 ff., 150; Krause, FamRZ 1969, 617 (621); Mackenroth, S. 61; Oeter, Familienpolitik, S. 107; Pohmer, FinA 1968, 139 (172 ff.); Schreiber, Kindergeld, S. 36 ff.; Steuerreformkommission, S. 204; wohl auch BVerfGE 18, 97 (107). 108 Land Hessen, BR-Dr. 41169, Begr. S. 27. 110 111 112

113 114

Lang, S. 31. BVerfGE 11, 105 (117).

Karl-Bräuer-Institut, S. 65. Ebd.; ebenso HaUer, S. 10; Krause, FamRZ 1969, 617 (619). Pohmer, FinA 1968, 139 (173).

344

II!. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

Eine Streichung der Kinderfreibeträge würde bedeuten, daß der Teil des Einkommens, der dem Steuerpflichtigen nach Abzug des Mindestunterhalts der Kinder verbleibt und der überhaupt nur belastbar ist, stärker belastet würde. Bei gleichem steuerpflichtigen Einkommen in Höhe von z. B. 20 000,- DM müßte dann der Steuerpflichtige, der zwei Kinder hat, wovon jedes mindestens 1800,- DM benötigt115 , bei einem letztlich belastbaren Einkommen von 16400,- DM gleichviel Steuern zahlen wie der, der über die gesamten 20 000,- DM verfügen kann. Zu Recht ist zu diesem Ergebnis gesagt worden, es "stelle in der Sache eine kalte Progression der Lohn- und Einkommensteuer für Einkommensbezieher mit Kindern dar"116. Diese Benachteiligung der Einkommensbezieher mit Kindern gegenüber solchen ohne Kinder verletzt Art. 6 Abs. 1 GG, der verbietet, daß Ehe und Familie gerade als solche benachteiligt werden. Der "schichtenspezifische" Kinderlastenausgleich, zu dem die Steuerfreibeträge führen, ist das Pendant der Progression, die Bezieher höherer Einkommen mit höheren Steuers ätzen belegt117 • Daher kann auch nicht gesagt werden, daß die wegen der Progression unterschiedlichen Auswirkungen der Steuerfreibeträge gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstießen118 • Der "schichtenspezifische" Kinderlastenausgleich läßt sich heute auch mit der zwischen den Generationen der Kinder, Erwerbstätigen und Alten stattfindenden Umverteilung rechtfertigen und fordern. Hierbei ist zunächst davon auszugehen, daß der Kinderlastenausgleich heute deshalb grundsätzlich notwendig ist, um sicherzustellen, daß auch die Kinderlosen bzw. die Kinderärmeren sich an den Kosten ihrer Alterssicherung beteiligen. Diese Kosten sind die Aufwendungen der Familien für ihre Kinder. Der Kinderlastenausgleich wird daher vor allem gerechtfertigt durch den Nutzen, den die Kinderlosen an den Kindern der anderen haben. Nun läßt sich zwar nicht leugnen, daß der Nutzen der Gesellschaft an einem Kind gleich groß ist, unabhängig davon, welche Aufwendungen für das Kind erbracht werden. Gesteht man einen größeren Nutzen bei besserer Ausbildung zu, weil das Kind später einen höheren Beitrag zum Bruttosozialprodukt leisten wird, dann kann dies auch nur die Konsequenz haben, über den Ausgleich der

s. u. Text zu Anm. 141. Karl-Bräuer-Institut, Steuersystem, S. 65. 117 Haller, S. 10; Karl-Bräuer-Institut, Steuersystem, S. 65; Krause, FamRZ 1969, 617 (619). 118 BFH, Betr. 1969, 2164; BFH, BStEl. 1960, II!, 102. Zu Recht hat das BVerfG (E 18, 97 [107]) festgestellt, daß es nicht angeht, begüterten Familien den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG zu versagen. 115

116

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

345

Mindestaufwendungen hinaus durch egalisierende Leistungen die Chancengleichheit der Kinder aus den verschiedenen sozialen Schichten herzustellen110 • Die Ausgestaltung des Kinderlastenausgleichs läßt sich aber nicht nur von dem Nutzen der Gesellschaft her bestimmen. Dieser Maßstab ist zu allgemein, um mehr als die grundsätzliche Rechtfertigung und Notwendigkeit des Kinderlastenausgleichs herzugeben. Maßstab kann nur der individuelle Nutzen der Kinderlosen bzw. Kinderärmeren sein. Auch dieser kann nur idealtypisch ermittelt werden. Die Kinderlosen oder Kinderärmeren beziehen ihre Altersversorgung, wie festgestellt wurde, ohne bzw. ohne entsprechende Gegenleistung. Da die Altersversorgung einkommensbezogen ist und daher mit wachsendem Einkommen zunimmt, ist der individuelle Nutzen von der Höhe ihres Einkommens abhängig, auch er nimmt mit wachsender Einkommenshöhe zu. Eine einheitliche Belastung der Kinderlosen bzw. Kinderärmeren entspräche dieser Progression des Nutzens nicht. Nutznießer wären vor allem die Bezieher höherer Einkommen ohne Kinder120 • Ein Ausgleich kann nur über eine der jeweiligen Einkommenshöhe angepaßte Belastung erzielt werden. Das führt dann aber andererseits dazu, daß die Personen, die viele Kinder haben, bei gleichem Einkommen einen mit wachsendem Einkommen progressiv gestaffelten Vorteil in Höhe der jeweiligen Belastung haben. Dieser "Vorteil" wird aber durch ihren Beitrag zur Alterssicherung ihrer Generation, d. h. durch die Unterhaltsleistung an ihre Kinder mehr als ausgeglichen. Es kann als Ergebnis daher festgehalten werden, daß der "schichtenspezifische" Kinderlastenausgleich verfassungsrechtlich121 geboten ist. Ohne ihn kämen gerade die, die es am wenigsten nötig haben, in den Genuß staatlicher Begünstigung: die kinderlosen Bezieher höherer und hoher Einkommen122..

110 Diese Forderung als Ziel des Kinderlastenausgleichs wird erhoben von Brauksiepe, Grundsatzfragen künftiger Familienpolitik, Bulletin 1969, 347; Fredersdorf, S. 12; Wingen, Kinderfreibeträge, S. 374. 120 Dieses Argument gilt auch für das geltende Rentenversicherungsrecht, obwohl das Einkommen, das über die Beitragsbemessungsgrenze hinausgeht, nicht zu einer (gesetzlichen) Alterssicherung führt, da es zumindest die Möglichkeit freiwilliger (zusätzlicher) (Höher-) Versicherung einräumt, und es der einzelne in der Hand hat, ob er hiervon Gebrauch macht oder nicht. 121 Auch die Grundsätze des Berufsbeamtentums schließen die Gewährung von Familienzulagen ein, die dem Beamten - ungeachtet seiner Kinderzahl - eine dem innegehabten Amt entsprechende Lebensgestaltung ermöglichen, vgl. BVerfGE 21, 329 (345); Krause, FamRZ 1969, 617 (621). 122 s. a. Schreiber, Kindergeld, S. 36: "Das einheitliche Kindergeld quer durch alle Einkommensschichten scheint der gefühlsseligen Auffassung ,Kind ist Kind' entgegenzukommen. Der Verfasser dieser Arbeit hält sie für Sozialkitsch ... ".

346

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

312 Der Ausgleich des dem Ehegatten erbrachten Unterhalts Ein weiteres Unterhaltsrisiko, das einen Ausgleich erfordert, ist die Schmälerung des Familieneinkommens, die dadurch eintritt, daß sich die Mutter ihrer Kinder wegen auf die Haushaltsrolle beschränkt und entweder auf weitere Erwerbstätigkeit oder auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, in jedem Falle aber auf Einkommen verzichtet. Auch diese Belastung steht in engem, notwendigem Zusammenhang mit der Leistung, die die kinderreichen Familien für die Alterssicherung der Elterngeneration erbringen. Dieser Zusammenhang besteht nicht nur bei den Familien mit überdurchschnittlicher Kinderzahl, er besteht auch bei Familien mit durchschnittlicher oder geringerer Kinderzahl. Nur ist das zeitliche Ausmaß des Nachteils im Vergleich zu kinderreichen Familien entsprechend geringer. Dem Rückzug der Mutter auf den Haushalt kann, was die Rechtfertigung eines Ausgleichs angeht, der einer kinderlosen Frau nur dann gleichgesetzt werden, wenn diese kranke Familienangehörige zu pflegen hat. Die Pflege dieser, meist älterer Personen, erfolgt häufig auch nur deshalb in den Familien, weil entsprechende gesellschaftliche Einrichtungen fehlen 123 • übernimmt aus diesem Grund die Familie die Pflege, dann sollte ihr daraus zumindest kein Nachteil erwachsen. Der Rückzug der Mutter auf den Haushalt hat zwei Konsequenzen: Er bringt zum einen in dieser Zeit Einkommensnachteile für die Frau und damit für ihre Familie mit sich, zum andern führt er wegen der Einkommensorientierung der Vorsorgesysteme zu einem Sicherungsverlust zu Lasten der Frau, der sich hauptsächlich bei den Altersrenten bemerkbar macht1 24 • Auch dieser Nachteil müßte einem Ausgleich zugeführt werden. In anderen als den genannten Fällen ist der Rückzug der Frau auf den Haushalt zwar legitim125, das bedeutet, daß an ihn keine nachteiligen Folgen geknüpft werden dürfen. Er entbehrt aber eines Grundes, dessentwegen die Nachteile, die er der Familie und der Frau bringt, ausgeglichen werden sollen. Gesellschaftliche Belange erfordern diesen Rückzug nicht, so daß er kein Opfer zugunsten der Allgemeinheit darstellt. Eine etwas anders akzentuierte Frage ist es, ob die durch einen solchen "freiwilligen" Rückzug notwendig gewordenen Unterhaltsleistungen des verdienenden an den haushaltführenden Ehegatten nicht zumindest dann berücksichtigt werden müßten, wenn den Ehegatten La123 124 125

s. o. 22. Kap., Text zu Anm. 10-14. s. O. 5. Kap., Tabelle nach Anm. 16. Vgl. Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 12.

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

347

sten auferlegt werden; die Frage anders formuliert lautet: Mindern solche Unterhaltsleistungen die Leistungsfähigkeit etwa des Steuerpflichtigen in einer sozial relevanten Weise? Diese Frage muß bejaht werden126 • Würde das Steuerrecht dem Steuerpflichtigen nicht einmal einen Grundfreibetrag für den einkommenslosen Ehegatten einräumen, dann würde es den Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit verletzten. Hier gilt das oben zu dem Kinderlastenausgleich Gesagte entsprechend. Die Verweigerung zumindest der Berücksichtigung der Mindestaufwendungen für den nicht erwerbstätigen Ehegatten verstieße daher aus dem gleichen Grunde gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Dies trifft unabhängig davon zu, ob der Ehegatte erwerbstätig sein kann, denn der Staat darf durch eine Verweigerung etwa eines Grundfreibetrages den nicht erwerbstätigen Ehegatten nicht zwingen, die von ihm gewählte familiäre Rolle aufzugeben, um Einkommen zu erzielen. Diese Wahl unterfällt dem Bereich der spezifischen Privatsphäre von Ehe und Familie, der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt ist127 • Ein weitergehender Ausgleich der durch den Ehegatten bedingten Unterhaltslasten ist - wenn keine Kinder oder sonstige Angehörige zu pflegen sind und den Ehegatten an einer Erwerbstätigkeit hindern nicht geboten und auch nicht erforderlich. Dies ist mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar, denn dieser enthält, worauf schon hingewiesen worden war, keine konkreten Angaben darüber, wie ein Familienlastenausgleich auszusehen hat1 28 • Eine Nichtberücksichtigung dieser Unterhaltsleistungen verstößt nicht gegen das Verbot, Ehe und Familie zu benachteiligen. Art. 6 Abs. 1 GG verbietet nur solche Regelungen, aus denen sich bei bisher ledigen Personen durch ihre Verheiratung Mehrbelastungen ergeben129 • Er gebietet nicht, Verheiratete auf jeden Fall zu begünstigen130 • Auch der den Ehegatten über die Zusammenveranlagung eingeräumte "Splitting-Vorteil" ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Diese Art der Zusammenveranlagung wurde zwar eingeführt, nachdem das BVerfG die frühere Zusammenveranlagung, die kein Splitting vorsah, für verfassungswidrig erklärt hatte 131 • Jedoch hat das BVerfG in dem genannten Beschluß durchblicken lassen, daß auch andere Besteuerungsformen für Ehegatten verfassungsmäßig sind, z. B. die Individualbesteuerung der Ehegatten mit Freibeträgen für den Fall, daß der andere kein Einkommen bezieht132 • A. A. wohl Schulte-Langforth, Muttergeld, S. 152. BVerfGE 6, 55 (81). 128 BVerfGE 11, 105 (126). m BVerfGE 6, 55 (77); 28, 324 (347). 130 BVerfGE 23,258 (264); s. 0.20. Kap., sub 22. 131 BVerfGE 6, 55 ff. 132 BVerfGE 6, 55 (80): "Will man aus dem Gesichtspunkt der Sozialstaatlichkeit und eies Schutzes von Ehe und Familie der besonderen Lage des 126

127

348

UI. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

313 Unterhaltsbelastungen durch sonstige Personen Unterhaltsleistungen an sonstige Personen mindern dann in gleicher Weise die Belastbarkeit des Steuerpflichtigen, wie z. B. die an Kinder oder den Ehegatten, wenn er sich ihnen aus rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Ist dies der Fall, dann müssen auch sie zu einem Steuerfreibetrag führen. Dieser Freibetrag käme jedoch nur denen zu Gute, die ihn, weil sie ein Einkommen haben, das über der Besteuerungsgrenze von derzeit 5160,- DM im Jahr (= 420,- DM im Monat) liegt, auch ausnützen können. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß bei einem Einkommen, das unterhalb dieser Grenze liegt, eine - nicht gesteigerte Unterhaltspflicht überhaupt nicht entstehen wird. 32 Die Effektivität der Ausgleichsleistungen 321 Die Effektivität des Kinderlastenausgleichs

Die Belastung der Familien durch den den Kindern gewährten Unterhalt versucht das geltende Recht durch Kindergeld bzw. entsprechende Zuschläge und durch Steuerfreibeträge auszugleichen. Dabei werden, um das in Erinnerung zu rufen, einheitlich, d. h. unabhängig von dem jeweils erzielten Einkommen, als Kindergeld für das zweite Kind bei Einkommensbeziehern unter 15 000,- DM jährlich monatlich 25,- DM, für das dritte und vierte Kind jeweils 60,- DM und für jedes weitere Kind 70,- DM gezahlt. Die wegen der Kinder eingeräumten Steuerfreibeträge betragen 1 200,- DM für das erste, 1 680,- DM für das zweite und 1 800,- DM für das dritte und jedes weitere Kind. Unter Berücksichtigung auch der übrigen wegen der Kinder gewährten Leistungen lassen sich folgende Auswirkungen des heutigen Kinderlastenausgleichs feststellen 133 :

Ehemannes und Familienvaters, der für mehrere Personen zu sorgen hat, Rechnung tragen, so gibt es dazu verschiedene in der Öffentlichkeit bereits erörterte Wege (Erhöhung der Freibeträge, Einführung des ,splitting')"; insbes. BVerfGE 9, 237 (243); Pauliek, S. 253 ff.; Scheffler, Ehe und Familie, S. 312 ff.; Schulte-Langforth, Muttergeld, S. 154; a. A.: Böttcher - Grass, Die Ehegattenbesteuerung, 1957, S. 29; Institut "Finanzen und Steuern", Ehegattensplitting, S. 9 ff. m. w. Nachw. 133 Vgl. Krause, FamRZ 1969, 617; die von ihm gebrachte Tabelle wurde unter Berücksichtigung der inzwischen erfolgten Erhöhung des Kindergeldes übernommen.

23. Kap.: Die Eff€ktivität der vorhandenen Sicherungen

Monatseinkommen 1 Kind

2

3

4

Kinder

5

349 6

a) bei Empfängern des allgemeinen Kindergeldes (€inschließlich der Steuervergünstigungen in der Steuerklasse III)a) 600,900,1 200,1 500,2000,2500,3 000,3 500,4 000,-

im Höchstfall

19,19,19,19,23,40 27,20 30,60 33,60 36,30 53,-

58,10 45,60 45,60 45,60 54,40 63,90 72,50 80,86,50 127,20

118,10 159,10 159,10 159,10 170,70 186,70 200,80 213,20 224,291,70

278,10 235,10 247,60 247,60 260,282,50 302,60 320,335,30 431,20

248,10 305,10 346,10 346,10 358,50 386,40 413,60 435,50 455,50 580,70

318,10 375,10 432,10 444,60 457,489,40 521,80 549,30 575,20 730,20

b) bei Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes (einschließlich der Steuervergünstigungen in der Steuerklasse III und der Erhöhung des Ortszuschlages) 600,1500,4000,-

90,90,92,-

192,192,203,-

297,297,316,-

402,402,432,-

496,540,576,-

600,619,665,-

c) bei Rentenempfängern in der allgemeinen Rentenversicherung einheitlich 81,50 163,244,50 326,407,50

489,-

a) In dieser Tabelle sind nicht sonstige familienbezogene Leistungen, wie erhöhte Ansprüche auf Sozialhilfe, Wohngeld, ErziehungsbeihIlfen, Stipendien und Prämien berücksichtigt, vgl. Krause, FamRZ 1969, 617 (618).

Dieser Ausgleich wird als ungenügend klassifiziert134• Außerdem wird ihm vorgeworfen, er begünstige in einer dem Sozialstaat widersprechenden Weise die Bezieher höherer Einkommen135 • Dieser Einwand ist jedoch - wie oben ausgeführt wurde - dem Grundsatze nach unzutreffend. Allerdings kann es nicht befriedigen, daß die zustehenden Steuerfreibeträge von einem großen Teil der Steuerpflichtigen nicht oder nicht ganz ausgeschöpft werden können, weil deren Einkommen nicht die Besteuerungsgrenzen138 überschreitet, ab der sich die Freibe~ träge auswirken können137 • Der Familienbericht138 hat dazu ausgeführt, daß 1961 von insgesamt rund 6,8 Mil!. Lohnsteuerpflichtigen mit Anspruch auf Kinderfreibeträge etwa 2,2 Mil!. unterhalb der Besteuerungsgrenze ihrer Steuerklasse lagen. Dabei hat es sich gezeigt, daß die Kinderfreibeträge um so weniger voll ausgeschöpft werden konnten, je größer die Zahl der Kinder ist, deretwegen Freibeträge eingeräumt Bünger, S. 153; Zacher, Sozialpolitik, S. 21, 30. o. Text zu Anm. 109. übersicht darüber in dem Familienbericht, S. 195; (Steuerklasse 111: 5 160,- DM zuzüglich Summe der Kinderfreibeträge). 137 Beirat für Familienfragen, S. 9. 134 135 S. 138

138

S.116.

350

111. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

sind139 . Da dies jedoch im System der Steuerfreibeträge begründet liegt, ist eine Abhilfe nur durch positive Ausgleichsleistungen möglich. Als nächstes stellt sich die Frage nach dem Genügen des Kinderlastenausgleichs. Die Antwort hierauf s611 durch eine Gegenüberstellung der "Sollbeträge" mit den "Istbeträgen" der Ausgleichsleistungen ermittelt werden. Die "Sollbeträge" wurden wie folgt festgesetzt: Nach einer Untersuchung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge betrugen die monatlichen Mindestaufwendungen der Eltern für den Lebensunterhalt eines Kindes ca. 120,- DM140. Wegen der inzwischen eingetretenen Preissteigerungen kann von dieser Basis ausgehend ein Mindestbedarf von 150,- DM angenommen werdenl4l . An der Abdeckung dieses Mindestbedarfs hat sich die Gesellschaft angemessen zu beteiligen. Dabei ist davon auszugehen, daß der Familie die Aufbringung eines um so größeren Teils dieses Mindestbedarfs zugemutet werden kann, je weniger Kinder sie hat. Umgekehrt wird der Anteil der Gesellschaft um so größer werden müssen, je mehr Kinder in einer Familie leben. Als Minimum staatlicher Leistung können daher angesehen werden: Zahl d. Kinder

Kindergeld")

Anteil des Kindergeldesb)

Gesamtleistung

Anteil der Gesamtleistungenc)

1 2 3 4 5 6

30 DM 60 DM 90 DM 120 DM 150 DM 150 DM

1/5 2/5 3/5 4/5 5/5 5/5

30 DM 90 DM 180 DM 300 DM 450 DM 600 DM

1/5 3/10 2/5 1/2 3/5 2/3

a) Für das jeweilige Kind. b) An den Aufwendungen für das jeweilige Kind. e) An den Gesamtaufwendungen der Eltern.

Zu diesen Mindestleistungen sei bemerkt, daß sie für das erste Kind relativ gering sind, obwohl seinetwegen die Mutter häufig ihre Erwerbsarbeit aufgeben wird. Die sich aus dem Rückzug der Mutter aus dem Erwerbsleben ergebenden Folgen stellen jedoch ein eigenständiges familiäres Risiko dar, das nicht über den Kinderlastenausgleich gedeckt werden kann142. Vgl. hierzu auch Sozialenquete, Nr. 883 f. (mit Tabelle 27) S. 316 f. Vgl. Sozialenquete, Nr. 877, S. 313 (Anm. 20); s. a. für 1955: Jessen, S. 116 ff., 120 f. 141 Vgl. Steuerreform 1974, Bulletin 1971, 1018; sowohl der Beirat für Familienfragen, S. 14 als auch der Beirat BMWF, S. 58 gehen für 1970 von einem Betrag von 140 DM aus. 142 s. o. 21. Kap., sub 211. 139

140

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

351

Der "schichtenspezifische" Kinderlastenausgleich kann in der Weise realisiert werden, daß der jeweilige Betrag der Mindestleistung (Kindergeld) mit dem Faktor 36 143 multipliziert die Summe des Kinderfreibetrages ergibt, der von dem zu versteuernden Einkommen abzuziehen ist. Der Kinderfreibetrag kann jedoch nur an Stelle des Kindergeldes beansprucht werden. Der "schichtenspezifische" Kinderlastenausgleich führt dann zu Steuerverschonungen, die bei einem Steuersatz von 50 Ofo das 1,5fache 40 Ofo das 1,2fache ca. 36 Ofo das 1,0fache der Kindergeldleistungen betragen. Von diesen "Soll-Leistungen" ausgehend kann nur festgestellt werden, daß das derzeitige System des Kinderlastenausgleichs nicht einmal in allen Fällen die Mindestleistungen erbringt. Sie werden für das erste Kind erst bei etwa 3 000,- DM monatlich, für das zweite Kind bei 4 200,- DM, für das dritte bei 2 600,- DM, für das vierte bei 3 000,DM, für das fünfte bei knapp 4 000,- DM und für das sechste schließlich erst bei etwa 4 400,- DM erreicht. Außerdem ist nicht einmal der bescheidene Ansatz eines schichtenspezifischen Kinderlastenausgleichs verwirklicht worden. Zwar liegen, um den Höchstfall herauszugreifen, die Leistungen des bisherigen Systems bei einem Kind (53,- DM statt 46,- DM) und bei drei Kindern (291,70 DM statt 278,- DM) über diesem Ansatz, bei Familien mit mehr Kindern ist der Abfall jedoch deutlich (bei sechs Kindern z. B. 730,20 DM statt 927,- DM). Zusammenfassend kann daher der Kinderlastenausgleich des geltenden Rechts nicht als ausreichend angesehen werden. Er versagt zudem gerade dort, wo er am notwendigsten wäre, nämlich bei den einkommensschwächeren Schichten und bei den Personen, die überdurchschnittlich viele Kinder haben.

322 Der Ausgleich zugunsten der Mütter Eine weitere familienbedingte Last, die einem Ausgleich zugeführt werden müßte, trifft, so war festgestellt worden, die Mutter, die sich ihrer Kinder wegen auf den Haushalt zurückgezogen hat und dadurch Einkommens- und Versorgungsnachteile hinnehmen muß. Ein allgemeiner Ausgleich hierfür kann lediglich in der im Steuerrecht eingeräumten Möglichkeit, sich zusammenveranlagen zu lassen, um damit in den Genuß des Splitting-Effektes zu kommen, gesehen werden. Dieser Ausgleich ist aber völlig unspezifisch. Er greift sowohl in den Fällen ein, 143 Der Faktor ist so bestimmt worden, daß schichten spezifische Aufwendungen maximal zu einer Erhöhung des Ausgleichs um etwa 50 Ofo führen. (s. dazu o. im Text).

352

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

in denen sich ein Ehegatte, ohne durch Kinder oder sonstige Umstände - etwa Pflegebedürftigkeit sonstiger Angehöriger - gezwungen zu sein, "freiwillig" auf den Haushalt zurückgezogen hat, als auch - zwar abgeschwächt - in den Fällen, in denen beide Ehegatten erwerbstätig sind und verschieden hohe Einkommen beziehen. Der Splitting-Vorteil setzt ebenfalls erst bei Einkommen ein, die über der jeweiligen Besteuerungsgrenze liegen. Er wirkt sich um so mehr aus, je höher das Einkommen ist. Im Höchstfall erreicht er 11 281,- DM. Diese Regelung kann nicht befriedigen. Die insgesamt durch den Splitting-Effekt für das Jahr 1966 bewirkte Steuerentlastung ist auf rund 10 Mrd. DM geschätzt worden144 • Sie war schätzungsweise zweieinhalbmal so hoch wie die Entlastung durch Kinderfreibeträge145 • Das ist ein unangebrachter sozialpolitischer LUXUS146 , denn 1961 waren von 11,3 Mill. Ehepaaren, die zusammenveranlagt worden waren, 4,6 Mill. ohne Kinder147 • Von den 10 Mrd. DM ergibt das einen Anteil von etwa 40 %, d. h. von rund 4 Mrd. DM. Berücksichtigt man weiter, daß bei den verbliebenen 6,7 Mill. Ehepaaren mit Kindern148 in vielen Fällen die Kinder das pflegebedürftige Alter, das bis zum 6.-8. Lebensjahr angesetzt werden kann, weit überschritten haben, dann ergibt sich, wenn man dies nur bei der Hälfte dieser Ehepaare annimmt, eine weitere "übersicherung" von etwa 3 Mrd. DM. In den Fällen, in denen der Splitting-Vorteil zu Recht gewährt wird, weil der Rückzug der Mutter auf den Haushalt gesellschaftspolitisch notwendig ist, kann er aber keinen effektiven Ausgleich schaffen. Er beträgt bei den Beziehern niedriger Einkommen, also bei Einkommen bis zu 10 000,- DM jährlich, die diesen Ausgleich am dringendsten brauchen, maximal 329,- DM im Jahr, d. h. kaum mehr als 26,- DM im Monat149 • Zudem sinkt er wegen der Kinderfreibeträge mit steigender Kinderzahl. So erspart ein kinderloses Ehepaar mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 6 000,- DM durch das Splitting 320,- DM. Bei einem vergleichbaren Ehepaar mit 2 Kindern schlägt es nur noch mit 273,- DM zu Buche. Ein Ehepaar mit 3 Kindern geht völlig leer aus 150. Hier bestätigt es sich, "daß das jetzige System (insoweit) eine Gruppe wirklich begünstigt, nämlich die kinderlosen Ehepaare"161. Familienbericht, S. 119. Ebd. 140 In diesem Sinne auch Krause, FamRZ 1969, 617 (620 m. w. Nachw.); Scheffler, Ehe und Familie, S. 313 ff.; Schulte-Langforth, Muttergeld, S. 120. 147 Familienbericht, S. 119; Schulte-Langforth, Muttergeld, S. 120 m. w. Nachw. 148 Einschließlich der in § 32 a EStG bezeichneten Verwitweten. 140 Familienbericht, S. 114 (Tabelle 19). I~O Ebd. 144 145

23. Kap.: Die Effektivität der vorhandenen Sicherungen

353

Einen speziellen Ansatz 152, das Risiko der Mutter auszugleichen, enthalten die Bestimmungen über die Berechnung der Witwenrenten in den gesetzlichen Rentenversicherungen153 . Sie sehen vor, daß die Witwe, die mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht, die "große Witwenrente"154 erhält. Die Auswirkungen dieser Begünstigung der Witwe mit Kindern mindern sich aber mit zunehmendem Alter des Versicherten und (damit) schwindender Zurechnungszeit. Dieser Ansatz kann auch, da nur auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt, einen allgemeinen Ausgleich nicht erübrigen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang die Zubilligung eines sozialhilferechtlichen Mehrbedarfs für solche Personen - insbesondere alleinstehende Mütter - zu erwähnen, die mit zwei oder mehr Kindern zusammenleben und alleine für deren Pflege und Erziehung sorgen15'5. Dieser Ansatz trägt zwar der Tatsache Rechnung, daß in diesen Fällen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unzumutbar ist und daß somit die Bedürftigkeit besondere gesellschaftspolitisch relevante Ursachen aufweist. Aber auch diese nur bei Bedürftigkeit gewährte Hilfe ist ein zu schwacher Ansatz. Insgesamt muß daher festgestellt werden, daß das Risiko der Mutter infolge des Rückzugs auf den Haushalt ihr tatsächliches oder potentielles Einkommen zu verlieren, äußerst unzulänglich abgesichert ist. Die Einbuße an Versorgungsansprüchen, die sie wegen ihres Verzichts auf Erwerbstätigkeit erleidet, bleibt im geltenden Recht völlig unberücksichtigt. Diese Lücke im System sozialer Sicherung muß im Zusammenhang mit der notwendigen Reform der sozialen Sicherung der Ehegatten, insbesondere der Ehefrau, geschlossen werden.

323 Der Ausgleich sonstiger Unterhaltslasten Sonstige Unterhaltsbelastungen, denen sich der Steuerpflichtige aus rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, werden im geltenden Recht durch einen Steuerfreibetrag in Höhe von 1 200,- DM jährlich berücksichtigt156 . Da jedoch der Mindestlebensaufwand heute auf jeden Fall monatlich 150,- DM beträgt, sollte der Freibetrag auf 1 800,- DM jährlich heraufgesetzt werden.

151 Zacher, Diskussionsbeitrag, in Vhdlgen des 47. DJT, S. 132; s. a. Pohmer, FinA 1968, 139 (160). 152 s. a. § 33 a BVG. 153 §§ 1268 Abs. 2 Ziff. 2, 3. Alternative RVO; 45 Abs. 2 Ziff. 2, 3. Alternative AVG; 69 Abs. 2 Ziff. 2, 3. Alternative RKG. 154 s. O. 10. Kap., Text zu Anm. 6. 155 § 23 Abs. 2 BSHG. 156 § 33 a Abs. 1 EStG.

23 Ruland

354

IH. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

24. Kapitel

Ungleiche Regelungen In dem folgenden Kapitel sollen ungleiche Regelungen in dem hier interessierenden Bereich des Gesamtsystems sozialer Sicherung aufgezeigt werden. Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: einmal ungleiche Regelungen innerhalb der Sozialleistungssysteme, zum andern ungleiche Regelungen zwischen Unterhalts- und Sozialrecht. Im ersten Teil dieses Kapitels soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit einzelne Regelungen innerhalb des Sozialrechts im Vergleich mit anderen sozialrechtlichen Regelungen in einer Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Weise ungleich sind. Des weiteren soll geprüft werden, ob im geltenden Sozialrecht die Gleichheit von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) voll verwirklicht ist. Im zweiten Teil werden Unterhaltsempfänger mit Sozialleistungsempfängern verglichen, deren Sozialleistungen entsprechenden Unterhalt "ersetzen" sollen, und es soll gefragt werden, ob sich bei diesem Vergleich Verletzungen des allgemeinen Gleichheitssatzes ergeben. 1 Ungleiche Regelungen innerhalb der Sozialleistungssysteme 11 Die unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen (allgemein)

Diese Betrachtung erhebt nicht den Anspruch vollständig zu sein. Sie versucht lediglich, an Hand einzelner Beispiele Probleme aufzuzeigen, die sich aus den Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit ergeben. So soll hier auch nur mittels einiger Fälle auf die Vielzahl von unterschiedlichen Voraussetzungen hingewiesen werden, unter denen in den einzelnen Systemen sozialer Sicherung Unterhaltsbeziehungen aufgegriffen werden. Dabei lassen sich verschiedene Vergleichsebenen aufzeigen, die an Hand der Beispiele verdeutlicht werden sollen. Unterhaltsbeziehungen zwischen gleichen Personen werden in den verschiedenen Systemen hinsichtlich verschiedener Sozialleistungen unterschiedlich berücksichtigt. Beispiel hierfür ist, daß der dauernd getrennt lebende Ehegatte im Sozialversicherungs- und im Beamtenversorgungsrecht ohne weiteres - also wie der nicht getrennt lebende Ehegatte - Rente bzw. Pension erhält!, während seinetwegen im Steuerrecht, sofern er unterhaltsberechtigt ist, nur wie für alle sonstigen 1

s. o. 10. Kap., sub 21.

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

355

Unterhaltsberechtigte ein Grundfreibetrag gewährt wird und der weitaus effektivere Splitting-Vorteil den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten vorbehalten bleibt2 • Die Ungleichbehandlung von dauernd getrennt und nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten wird von dem BFHs mit Hinweis darauf gerechtfertigt, daß der Staat durch Art. 6 Abs. 1 GG nur gehalten sei, die Ehe zu schützen, und daß unter "Ehe" die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur dauernden Lebensgemeinschaft zu verstehen sei4 • Wenn auch Art. 6 Abs. 1 GG verbiete, den Auflösungsprozeß einer Ehe zu beschleunigen5 , so gebiete er doch nicht, die Ehegatten dann noch steuerlich zu begünstigen, wenn sie die eheliche Lebensgemeinschaft freiwillig aufgegeben hätten6 • Die weitergehende Frage nach der unterschiedlichen Behandlung der dauernd getrennt lebenden Ehegatten in den einzelnen Systemen könnte aufgeworfen werden, weil es im geltenden Recht, das alle Unterhaltsrisiken in der Person des unmittelbar Gesicherten ansiedelt, eine Vergleichsbasis für diese Fälle gibt, denn sowohl die Leistungen an Hinterbliebene wie auch die Ausgleichsleistungen an den Unterhaltsträger knüpfen grundsätzlich an die Unterhaltsbeziehung an. Aber dennoch bestehen zwischen den einzelnen Systemen in ihrer Zielrichtung (Ausgleich des Unterhalts bzw. Unterhaltsersatz) und in der jeweiligen Leistungsmotivation so große Unterschiede, daß die Ausgestaltung des einen Systems nicht durch Einschränkung des grundsätzlich weiten gesetzgeberischen Ermessens die des anderen vorbestimmt hat. Als weitere Vergleichsebene läßt sich anführen: Gleiche Unterhaltsbeziehungen zwischen verschiedenen Personen werden in gleichen Systemen hinsichtlich gleicher Sozialleistungen unterschiedlich berücksichtigt. Beispielhaft hierfür ist, daß die von einem Sozialversicherten unterhaltenen Eltern - im Gegensatz etwa zu Kindern - bei dem Ausfall des Unterhaltsträgers keine Hinterbliebenenrente erhalten. Diese unterschiedliche Behandlung erklärt sich - wie oben dargelegt wurde 7 - aus der Zielsetzung der einzelnen Systeme. So haben die Vorsorgesysteme die Aufgabe, "gängige" typische Risiken zu sichern. Thieme 2 Wieder anders § 113 Abs. 1 Ziff. 1 AFG, wonach wegen des dauernd getrennt lebenden Ehegatten überhaupt kein Familienzuschlag gezahlt wird. 3 BB 1970, 1241. 4 s. o. 20. Kap., Anm. 62. 5 Vgl. BVerfGE 22, 93 (98). e So auch schon BFH, BStBl. III 1960, 103; Kritisch hierzu Osthövener, Einkommensteuerliche Behandlung dauernd getrennt lebender Ehegatten, FamRZ 1964, 411. 7 s. o. 19. Kap., sub 11.

23"

356

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

schreibt hierzu: "Bei der Abgrenzung (des Kreises der Hinterbliebenen, d. Verf.) muß der Gesetzgeber die Strukturen der Gesellschaft, die er vorfindet, berücksichtigen. Er muß funktionsgerecht handeln. Funktionsgerecht handeln heißt natürlich, daß der Staat sich darauf beschränken kann, die Angehörigen der Kleinfamilie zu berücksichtigen8 ." Die Eltern gehören nicht mehr zur Klein-(Kern-)familie des Sozialversicherten. Ihr Unterhaltsverlust bei seinem Tod ist kein "gängiges" Risiko, das einer Pflichtversicherung zugeführt werden könnte. Anders stellt sich die Lage in Entschädigungssystemen dar. In ihnen rechtfertigt die Tatsache, daß Eltern typischerweise nicht mehr zu dem Unterhaltsverband ihrer Kinder gehören, nicht, daß sie, sollten sie doch dazu gehören, den durch die Schädigung erlittenen Unterhaltsverlust nicht ersetzt erhalten. Die unterschiedliche Behandlung von Unterhaltsbeziehungen zwischen gleichen Personen in verschiedenen Systemen hinsichtlich gleicher Sozialleistungen gibt eine weitere Vergleichsebene ab. Dabei ist bei den verschiedenen Systemen zwischen gleichartigen - etwa Beamtenversorgung und Sozialversicherung als Vorsorgesystemen - und ungleichartigen - etwa Unfallversicherung als Entschädigungssystem und Rentenversicherung als Vorsorgesystem - zu unterscheiden. Die unterschiedliche Ausgestaltung der einzelnen Sicherungen ist solange sachgerecht, als sie systembedingt ist. Ein solcher systembedingter Unterschied ist etwa die Ausweitung des gesicherten Personenkreises in den Entschädigungssystemen im Vergleich zu den Vorsorgesystemen9 • Unterschiede in der Ausgestaltung sind jedoch problematisch, entweder wenn sie bei gleichartigen Systemen auftreten oder wenn sie zwischen zwar verschiedenartigen Systemen bestehen, aber nicht systembedingt sind. Für den ersten Fall seien als Beispiel die unterschiedlichen Voraussetzungen der Hinterbliebenenleistungen für frühere Ehegatten in den einzelnen Systemen genannt. Der frühere Ehegatte wird nicht einmal in allen Systemen berücksichtigt. Mag das bei der Altershilfe für Landwirte wegen ihrer speziellen agrarpolitischen Zielsetzung berechtigt erscheinen10 , so trifft dies für ein mit den Rentenversicherungen voll vergleichbares Vorsorgesystem, wie etwa für die (öffentlichrechtliche) Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen, die ebenfalls keine Leistungen für frühere Ehegatten gewährt, nicht zu l l . 8 Sicherung der Hinterbliebenen, S. 25; s. a. BVerwGE 32, 99 (100); s. o. 19. Kap., Text zu Anm. 6. 9 s. o. 19. Kap., sub 113; ein weiteres Beispiel zulässiger Differenzierung u. sub 122. 10 So LSG Schl.-Holst., SGb 1968,258; s. jedoch Einleitung! 11 A. A. BVerwG, VersR 1968, 87; entsprechendes gilt für die Versorgung der Kassenärzte, die ebenfalls keine Sicherung des geschiedenen Ehegatten kennt, dazu BSG, Breith. 1971, 816.

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

357

Um ein Beispiel für einen - trotz der Verschiedenartigkeit der einzelnen Systeme - nicht systembedingten Unterschied zu geben, sei hier nochmals darauf hingewiesen, daß Stief- und Pflegekinder im Beamtenversorgungsrecht und im Verfolgtenversorgungsrecht nicht als "Waisen" gelten, obwohl dies in allen übrigen Systemen der Fall ist und obwohl der Beamte für Stief- und Pflegekinder Besoldungszuschläge erhält12,. Auch dieser Unterschied entbehrt eines sachlichen Grundes. Er zeigt, wie notwendig es ist, den Kinderbegriff für das gesamte Sozialrecht einheitlich zu gestalten - eine Forderung, die mit der Kodifizierung eines Sozialgesetzbuches verwirklicht werden könnte 1s . 12 Speziell: Die unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen bei Ehegatten - Das Problem der Witwerrente

Eine Differenzierung sei gesondert herausgegriffen, weil ihr einmal - wie noch zu zeigen sein wird - im Rahmen der notwendigen Reform der Sicherung des hinterbliebenen Ehegatten große Bedeutung zukommt und zum andern weil im Zusammenhang mit ihr auf einzelne bisher mehr kursorisch behandelten Probleme ausführlicher eingegangen werden soll. Sie berührt sowohl den allgemeinen Gleichheitssatz wie auch die Gleichheit von Mann und Frau. Es ist dies die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Voraussetzungen der Witwerrente in den gesetzlichen Rentenversicherungen14 und in den Entschädigungssystemen15 mit Ausnahme der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. In diesen Systemen erhält der Witwer nur dann Hinterbliebenenleistungen 16 , wenn seine verstorbene - versicherte oder beschädigte bzw. verletzte - Frau "ihn" (Kriegsopferversorgung) oder "die Familie" (sonHierzu o. 12. Kap., Anm. 24. Wohl aber nicht wird, vgl. Färber, Zum Entwurf eines Sozialgesetzbuches, ZSR 1972, 141 (148). 14 §§ 1266 RVO, 43 AVG; 66 RKG. 15 §§ 593 Abs. 1 RVO; 17 Abs. 1, 41 a Abs. 3 BEG; § 43 BVG. 16 Ein weiteres Problem der Gleichstellung von Witwen und Witwern ergab sich aus § 1303 Abs. 5 RVO, wonach nur der Witwe ein Anspruch auf Rückerstattung von Beiträgen aus der Versicherung ihres Ehemannes zustand, der vor Erfüllung der Wartezeit für die Hinterbliebenenrente verstorben war. Dem Witwer stand ein solcher Anspruch überhaupt nicht zu. Diese Regelung hat das BVerfG ( E 31, 1 ff.) nunmehr für verfassungswidrig erklärt. Allerdings wird dies wahrscheinlich nicht zur Folge haben, daß die Witwer den Witwen gleichgestellt werden, denn das BVerfG hat es noch für verfassungsmäßig erachtet, wenn der Anspruch davon abhängig gemacht wird, daß der Witwer von der verstorbenen Versicherten überwiegend unterhalten wurde. Es stellt sich hierbei im Grunde also das gleiche Problem wie bei der Witwerrente. Der Ausschluß eines solchen Anspruchs zugunsten der Waisen ist jedoch verfassungsmäßig, vgl. BVerfGE 22, 349 (364 ff.). 12

13

358

IH. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

stige Systeme) überwiegend unterhalten hatte 17. Die Witwe genießt in all diesen Fällen eine weitgehend "unbedingte" Hinterbliebenensicherung. Im Beamtenversorgungsrecht ist durch eine Entscheidung des BVerfG18 der Witwer der Witwe gleichgestellt worden. Er bezieht nach dem Tode seiner beamteten Frau ein ebenfalls "unbedingtes" Witwergeld. Diese unterschiedliche Behandlung des Witwers hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in zweierlei Hinsicht aufkommen lassen. Zum einen fragt es sich, ob die unterschiedliche Behandlung von Witwer und Witwe gegenüber Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt ist; zum andern aus welchem Grunde zwischen Beamtenversorgung einerseits und Sozialversicherung bzw. entschädigender Versorgung andererseits differenziert wird (Art. 3 Abs. 1 GG). Bevor jedoch auf diese Frage eingegangen wird, sollen die tatsächlichen Auswirkungen der unterschiedlichen Behandlung von Witwen und Witwern anhand der sozialversicherungsrechtlichen Regelung aufgezeigt werden. Die Witwe erhält nach dem Tode ihres versicherten Ehemannes in jedem Falle Hinterbliebenenrente, ohne daß es auf eine tatsächliche Unterhaltsleistung des Ehemannes oder auf ihre Bedürftigkeit ankommt. Das hat zur Folge, daß die Witwe sowohl dann gesichert ist, wenn sie zur Zeit des Todes ihres Ehemannes auf dessen Unterhalt angewiesen war, wie auch dann, wenn sie erst nach dessen Tod bedürftig geworden ist. Es hat aber ebenfalls zur Folge, daß auch dann eine Rente als "Unterhaltsersatz" gewährt wird, wenn die Witwe durch den Tod ihres Mannes gar keinen Unterhaltsverlust erlitten hat. Der Witwer bekommt hingegen nur dann Hinterbliebenenrente, wenn seine versicherte Ehefrau "die Familie überwiegend unterhalten hatte". Diese Voraussetzung ermöglicht zwar durch sachgerechte Auslegung, einen durch den Versicherungsfall tatsächlich erlittenen Unterhaltsverlust durch Rente auszugleichen1D . Wird der Ehemann aber erst nach dem Tode seiner Frau bedürftig, so kann er, da die Voraussetzungen des Rentenbezuges zur Zeit des Versicherungsfalles gegeben sein müssen20 , keine Rente beanspruchen. Die Voraussetzung verhindert außerdem, daß ein Witwer Rente bezieht, ohne einen tatsächlichen Unterhaltsverlust erlitten zu haben. Das Fazit der Gegenüberstellung ist, daß die Witwe manchmal zuviel, der Witwer manchmal zu wenig an Sicherung erfährt. Und schon dieses Ergebnis läßt deutlich werden, daß eine schematische Gleichbehandlung des Witwers mit der Witwe nicht erstrebenswert ist, weil deren Sicherung ihrerseits auch nicht sachgerecht ist und daher nicht befriedigen kann21 . 17 18 19 20

21

Zu diesen Voraussetzungen o. 13. Kap., sub 214. BVerfGE 21, 329 ff.; a. A. noch BVerwGE 13, 343 (360). s. o. 13. Kap., sub 214.2. s. o. 13. Kap., Anm. 236 und 237. s. o. 23. Kap., sub 223.

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

359

Die Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Behandlung von Witwe und Witwer in den Rentenversicherungen, in der Unfallversicherung und in der Kriegsopferversorgung ist von der obergerichtlichen Rechtsprechung22 ebenso wie von einem Teil der Literatur 23 gegen eine in der Literatur ebenfalls stark vertretene Meinung24 bejaht worden. Das Problem läßt sich jedoch wegen der systematischen Unterschiede zwischen den beitragsgebundenen Rentenversicherungen und den Entschädigungssystemen (Unfallversicherung, Kriegsopferversorgung) nicht einheitlich behandeln. Daher soll zunächst die Stellung des Witwers in den Rentenversicherungen erörtert werden. 121 Die Witwerrente in den Rentenversicherungen Die Verfassungsmäßigkeit der erschwerten Voraussetzungen der Witwerrente wird vornehmlich damit begründet, daß aufgrund der typischen Rollenverteilung zwischen Mann (= Verdiener) und Frau (= im Haushalt Tätige) eine unterschiedliche Bedarfssituation eintrete, je nachdem ob der Mann oder die Frau verstorben ist, denn "nur für den verwitweten Mann, nicht für die verwitwete Frau geht mit dem Verlust an Unterhaltsleistungen in aller Regel ein wirtschaftlicher Ausgleich einher"25. Der Witwer könne den Wegfall des von seiner Frau insbesondere im Haushalt erbrachten Unterhalts dadurch ausgleichen, daß er, da seine Unterhaltsleistungen an sie weggefallen sind, nunmehr sein Einkommen für sich alleine verbrauchen könne. Bei der Witwe hingegen werde der Ausfall der Unterhaltsleistungen des Mannes - seiner Geldleistungen - wirtschaftlich nicht durch den Fortfall ihrer auch ihm erbrachten hausfraulichen Unterhaltsleistung ausgeglichen, denn sie könne ihre nunmehr freigewordene Arbeitskraft wegen langer durch die Haushaltsführung bedingter Unterbrechungen einer Berufstätigkeit nicht entsprechend auf dem Arbeitsmarkt einsetzen. Indem nun der "gerade unter dem für die Sozialversicherung maßgebenden 22 BVerfGE 17, 1 (17 ff.); BSGE 5, 17 (20) - Rentenversicherungen; BSGE 14, 203 (206 f.) - Unfallversicherung; BVerfGE 17, 38 (52); BSGE 5, 26 (30); 9, 36 (40) - Kriegsopferversorgung; BAG, AP Nr. 39 zu Art. 3 GG Betriebliches Ruhegehalt. 23 z. B. Derseh, S. 508 ff.; Ebert, S. 49 f.; Gross, ZfS 1953, 192 (194); Lohmann, SozVers. 1960, 190; Seheffler, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 55. 24 Dapprieh, NJW 1959, 1708 (1710 f.); Wannagat, ZfS 1953, 161 (163); Friederichs, SGb 1962, 33 (35); Krüger, NJW 1957, 1209 f.; dies., in: KrügerBreetzke - Nowack, Schluß Vorschr. 3/ Anm. 4; dies., Anm. zu BAG, AP Nr. 39 zu Art. 3 GG; von Schuch, ZfS 1953, 249 (250f.); Weidner, JZ 1959, 698 (710); Wertenbruch, Anm. zu BSG, AP Nr. 40 zu Art. 3 GG (= BSGE 9, 36); wohl auch Zacher, AöR Bd. 93 (1968), 341 (374); ders., Sicherung der Frau, S. 0 26; differenzierend Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 38 ff. (z. B. S. 41); vgl. auch Bogs, Einwirkung, S. G 40; Bulla, Anm. zu BAG, AP Nr. 1-3 zu Art. 3 GG; Kirchner, SozVers. 1954, 77. 25 BVerfGE 17, 1 (19).

360

111. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

Gesichtspunkt des ,Bedarfs' wesentlich ungleichen Situation (des Witwers) Rechnung getragen wird, ... bedeutet es keine Verletzung des Gleichheitssatzes, wenn die Witwerrente von dem überwiegenden Bestreiten des Lebensunterhalts durch die Frau abhängig gemacht wird"26. Zudem widerspräche es "dem Gedanken des sozialen Rechtsstaates, daß Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, ... auch in Fällen in Anspruch genommen werden können, in denen wirkliche Bedürftigkeit nicht vorliegt"27. Dieser Argumentation wird insoweit kaum zu widersprechen sein, als die "typische Rollenverteilung" zwischen Mann und Frau zwar nicht mehr in dem Maße wie früher, aber doch immer noch besteht28 . Auch wird man zugeben müssen, daß die Unterschiede zwischen der Bedarfssituation des verdienenden und des haushaltführenden Ehegatten so sind, wie sie das BVerfG beschrieben hat. Fraglich ist aber, ob es darauf überhaupt ankommt. In dem Urteil zum (beamtenrechtlichen) Witwergeld hat das BVerfG ausgeführt29 : "Entscheidend (für die Gleichstellung von Witwe und Witwer, d. Verf.) ist, daß aus beamtenrechtlicher Sicht die Versorgung des Bediensteten und seiner Familie in untrennbarem Zusammenhang mit seiner Besoldung und dem Dienstverhältnis steht - insoweit aber keinerlei Unterschiede zwischen der Situation des Beamten und der Beamtin zu erkennen sind, mit denen sich die gesetzliche Differenzierung der Witwenund Witwerversorgung rechtfertigen ließe." Auffallend ist, daß in dieser Entscheidung zum Beamtenversorgungsrecht - im Gegensatz zu der zum Rentenversicherungsrecht - nicht die Bedarfssituation des Hinterbliebenen, sondern das Sicherungsverhältnis des verstorbenen, beamteten Ehegatten als entscheidend angesehen wurde. Folgendes BVerfGE 17, 1 (22). Dieser in BVerfGE 9, 20 (35) ausgesprochene Gedanke ist in BVerfGE 17, 1 (11) aufgegriffen worden. 28 Folgende Tabelle vgl. Frauen-Enquete, S. 64 und Sozialenquete, S. 21 - läßt den Unterschied der Erwerbsquoten deutlich werden. 28

27

Alter

insgesamt

20-25 25-30 30-35 35-40 40-45 45-50 50-55 55-60 60-65

70 51 43 45 48 46 41 36 23

zu

BVerfGE 21, 329 (351).

Frauen (in Prozent)

verheiratet

52 41 37 38 41 39 35 29 19

Männer

87 94 98 99 98 97 95 91 78

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

361

Zitat verdeutlicht es noch: "Die Frage, ob und in welcher Höh~ im konkreten Falle Leistungen des Verstorbenen für den Familienhaushalt ausfallen, kann hier ebenso wenig Bedeutung erlangen, wie die nach Verschiedenheiten in der sozialen Position von Mann und Frau innerhalb der Familiengemeinschaft. Dies um so weniger, als gerade die Neuregelung des Familienunterhaltsrechts ... bestätigt hat, daß auch die Ehefrau aufgrund ihrer Eingliederung in die enge, alle Lebensbereiche umfassende Familiengemeinschaft ebenso wie der Ehemann um das Wohl ihrer Angehörigen und deren zukünftige wirtschaftliche Sicherung gegen die Wechselfälle des Lebens entsprechend ihrer Funktionswahl in der Ehe besorgt zu sein hat30 ." Diese Feststellungen treffen nach der Gegenmeinung31 entsprechend auch für die Witwerrente in den Rentenversicherungen zu. Unterschiedliche Voraussetzungen der Witwerrente einerseits und der Witwenrente andererseits führen dazu, daß die Rechtsfolgen der Beitragszahlung verschieden sind. Bei Lohngleichheit ist der Beitrag des Arbeiters ebenso hoch wie bei der Arbeiterin. Der Mann erwirbt durch seine Beitragsleistung eine der Ehefrau immer zu Gute kommende Anwartschaft auf (vorbehaltlose) Witwenversorgung, d. h. aus der Beitragsleistung des männlichen Arbeiters zieht die Ehefrau immer Nutzen. Die versicherte Arbeitnehmerin kann demgegenüber mit ihren gleich hohen Beiträgen ihrem Ehegatten nur dann eine Sicherung verschaffen, wenn sie vor ihrem Tode "den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hatte". Die von ihr erarbeitete Sicherung ihres Ehegatten aktualisiert sich nur, wenn diese Voraussetzung zur Zeit des Versicherungsfalles vorgelegen hat, sie versagt, wie anfangs gesehen, z. B. dann, wenn der Ehemann erst nach dem Tode seiner Frau bedürftig wird. Im Sozialversicherungsrecht wird also der Sorge der Ehefrau um die wirtschaftliche Sicherung der Angehörigen weniger Bedeutung zugemessen als im Beamtenversorgungsrecht. Sowohl die unterschiedliche Behandlung des gleichen sachlichen Problems als auch die ungleiche soziale Sicherung als Ergebnis einer gleichwertigen Arbeits- und Beitragsleistung, je nachdem ob sie von einer Frau oder einem Mann erbracht worden ist, wird in der Entscheidung des BVerfG zum Witwergeld im Beamtenversorgungsrecht32 wie auch in der zur Witwerrente 33 damit begründet, daß die Sozialversicherung nicht nur Elemente der Versicherung enthalte sondern auch solche der Fürsorge, was durch die Staats zuschüsse zur Sozialversicherung unter30

31 32

33

Ebd. S. 351/352. s. o. Anm. 24. BVerfGE 21, 329 (352 f.). BVerfGE 17, 1 (26).

362

111. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

strichen werde 34 • Daran "scheitert" nach Meinung des BVerfG auch "von vorneherein"35 ein Vergleich der Sozialversicherung mit der Beamtenversorgung. Rentenleistungen seien Leistungen der darreichenden Verwaltung, der die beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung nicht zugerechnet werden könne 36 . Darin liegt nach Auffassung des BVerfG der entscheidende Unterschied zwischen beamtenrechtlicher Versorgung (Witwergeld) und Rentenversicherung (Witwerrente); denn "wäre die Sozialversicherung - wie die Privatversicherung - ein rein wirtschaftliches Austauschverhältnis, bei dem mit bestimmten Beiträgen eine bestimmte soziale Sicherheit erkauft wird, dann wäre für eine Differenzierung der Versicherungsleistungen nach dem Geschlecht der Versicherten kein legitimer Grund erkennbar, jede solche Differenzierung also - ohne daß es weiterer Erwägungen bedürfte - mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar"37. Auch dieses letztlich gebliebene Argument ist nicht stichhaltig. Die Rentenversicherung wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert. Rente und Beitrag entsprechen einander zwar nicht unmittelbar, sind aber über die Lohnhöhe miteinander gekoppelt 38 • Die Staatszuschüsse, auf die sich diese Argumentation stützt, haben ihren Wohlfahrtscharakter - wie anfangs ausführlich gezeigt wurde 39 - längst verloren. Sie müssen heute im Zusammenhang mit den Kriegsfolgelasten der Sozialversicherungsträger gesehen werden, die dadurch nur etwa zur Hälfte abgedeckt werden. Es handelt sich demnach bei den Mitteln der Sozialversicherung nicht um "Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind". Die Rentenleistungen sind "gekaufte" Gegenleistungen der Versicherten4o • Dies gilt auch für die Hinterbliebenenleistungen41 • Es besteht demnach auch in der Rentenversicherung kein Anlaß, von dein Bedarf des Hinterbliebenen und nicht von der Beitragsleistung des Versicherten, sei es Mann oder Frau, auszugehen. Da die Hinterbliebenensicherung auch in der Rentenversicherung dem Versicherten zuzurechnen ist, ist für eine bedarfsorientierte Unterscheidung der Voraussetzungen der Hinterbliebenenrenten kein Raum. 34 BVerfGE 17, 1 (10); 21, 329 (352); BSGE 5, 17 (20); aber auch Dapprich, NJW 1959, 1708 (1710). 85 BVerfGE 21, 329 (352). 36 BVerfGE, a.a.O.; s. dazu Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 26: "Ihren (der

Entscheidung) sozialversicherungsrechtlichen Rückschlag kann seine (des BVerfG) dunkle Bemerkung, Sozialversicherung sei darreichende Verwaltung, Beamtenversorgung nicht, verzögern, aber nicht aufhalten". 87 BVerfG 17, 1 (8 f.). 38 s. o. 4. Kap., Text zu Anm. 92-99. 39 s. o. 4. Kap., Text zu Anm. 106--110. 40 Ebd. 41 s. o. 4. Kap., Text zu Anm. 120-126.

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

363

Als weiteres Argument gegen eine Gleichbehandlung von Witwe und Witwer tritt noch der Hinweis darauf hinzu, daß eine schematische Angleichung der Voraussetzungen der Witwerrente an die der Witwenrente, die zu einer "unbedingten" Witwerrente führen würde, das durch die "unbedingte" Witwenrente ohnehin schon bestehende Problem der Doppelsicherung 42 potenziert werden würde 43 • Damit kann jedoch die unterschiedliche Behandlung von Witwer und Witwe nicht gerechtfertigt werden, denn man könnte eine Bestimmung einführen, die - ähnlich wie §§ 158, 160 BBG im Beamtenrecht - die Kumulation von Einkommen bzw. eigener Rente und Hinterbliebenensicherung ausschließen würde. Da dem Gesetzgeber eine solche Möglichkeit zur Verhinderung einer Kumulation offensteht, wäre das BVerfG nicht gehindert, die Verfassungswidrigkeit der einschränkenden Voraussetzungen der Witwersicherung festzustellen - wie es in dem Urteil zur Beamtenversorgung auch geschehen ist. Die erschwerenden Voraussetzungen der Witwerrente in der Rentenversicherung sind daher verfassungswidrig.

Das bedeutet jedoch nicht, daß die Witwer ebenso wie die Witwen ohne jede weitere Voraussetzung Hinterbliebenenrente erhalten sollen. Die Angleichung wird hier dadurch zu erfolgen haben, daß sowohl die Voraussetzungen der Witwen- wie auch die der Witwerrente geändert werden müssen44 •

122 Die Witwerrente in Entschädigungssystemen In Entschädigungssystemen, besonders in der Kriegsopferversorgung, weist das Problem der unterschiedlichen Behandlung von Witwe und Witwer besondere Akzente auf45 • Diese liegen nicht so sehr in der verschärften Voraussetzung des § 43 BVG, wonach der Witwer wie eine Witwe nur dann Versorgung erhält, wenn die an den Folgen einer Schädigung gestorbene Ehefrau "ihn" überwiegend unterhalten hat, weil seine Arbeitskraft und seine Einkünfte hierzu nicht ausreichten4s • Die besonderen Akzente rühren vielmehr aus der Natur des Entschädigungsrechts her. Sein Leistungsmotiv ist die Verletzung oder die Beschädigung, die von der Allgemeinheit oder von bestimmten Dritten auszugleichen ist. Da Entschädigungssysteme Beitragsleistungen nicht s. o. 23. Kap., sub 223. Aus diesem Grunde scheut sich auch Bogs, Einwirkung, S. G 40, die Verfassungswidrigkeit des § 1266 RVO zu konstatieren; s. a. Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (149). 44 Ähnlich Kirchner, SozVers. 1954, 77. 45 Vgl. Ebert, S. 56 ff.; Gross, ZfS 1953, 192; von Schuch, ZfS 1953, 249; Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 42 ff. 48 Hierzu s. o. 13. Kao .. sub 214.1. 42

43

364

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

kennen, sticht das Argument der Ungleichwertigkeit der Beiträge von Ehemann und Ehefrau bei ihnen nicht. Als weiterer Unterschied tritt hinzu, daß das Kriegsopferversorgungsrecht zwischen Grund- und Ausgleichsrente unterscheidet47 . Insbesondere diesem Unterschied kommt, folgt man der Auffassung, daß die von einem effektiven wirtschaftlichen Schaden unabhängige Grundrente auch immateriellen Schaden ausgleichen soll48, entscheidende Bedeutung zu. Denn dann ist, weil der Krieg sich wahllos Männer und Frauen als Opfer aussuchte und demnach der Tatbestand des kriegsbedingten Opfers von dem Geschlecht unabhängig ist49 , eine Differenzierung nach dem Geschlecht des Opfers schon aus diesem Grunde sachwidrig. Dieser Auffassung kann jedoch - wie oben dargelegt50 - nur bedingt gefolgt werden, denn auch im Versorgungsrecht haben die Hinterbliebenenrenten "Unterhaltsersatzfunktion", so daß insoweit zu den sonstigen Hinterbliebenenrenten kein für die hier interessierende Frage relevanter Unterschied besteht. Auch im Entschädigungsrecht hängt die Verfassungsmäßigkeit der erschwerenden Voraussetzungen der Witwerrente davon ab, ob man von der Bedarfssituation des Hinterbliebenen oder von der Leistungs-, hier wohl besser: Opfersituation des verstorbenen Ehegatten ausgeht, denn ein typischer Unterschied zwischen der Bedarfssituation des Witwers und der der Witwe kann - und das gilt auch hier - grundsätzlich noch bejaht werden, ein Unterschied des Opfers, je nachdem ob es sich hierbei um einen Mann oder um eine Frau handelt, muß jedoch verneint werden. Das BVerfG51 hat, weil es sich seiner Meinung nach bei der Kriegsopferversorgung um "staatliche Hilfe" handelt, seiner Entscheidung den Unterschied der Bedarfssituationen zugrunde gelegt und die Verfassungsmäßigkeit der Differenzierung bestätigt. Dieser Entscheidung kann - zumindest im Ergebnis - kaum widersprochen werden. Zwar ist das Leistungsmotiv nicht eine "staatliche Hilfe" (Fürsorge) sondern eine - nicht nur moralisch-sittliche52 - Verpflichtung, die einem öffentlich-rechtlichen Entschädigungstatbestand entspringt53 . Vgl. §§ 40, 41 BVG. BGHZ 30, 162 (171); Rohwer-Kahlmann, ZSR 1968, 577 (580 ff.); Thieme, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 43, 46. 49 Krüger, NJW 1957, 1209 (1211), weist in diesem Zusammenhang auf das Schicksal der Zivilbevölkerung bei der Zerstörung Dresdens und Kölns hin; Gross, ZfS 1953, 192, z. B. übersieht die Aufgabe des Kriegsopferversorgungsrechts, auch diesen Schaden auszugleichen. 50 s. o. 10. Kap., sub 33. 51 BVerfGE 17,38 (56); s. a. 21, 329 (349). 52 So ScheffIer, Sicherung der Hinterbliebenen, S. 54. 53 Glage, S. 152 f.; Obermayer, S. 4, 15; s. 0.3. Kap., Anm. 10. 41 48

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

365

Doch kann das BVerfG für seine Meinung in Anspruch nehmen, daß die von dem Gesetzgeber gewährten Leistungen "nur teilweise als Entschädigungsleistungen ausgestaltet" sind und im übrigen "entsprechend dem Fürsorgerecht subsidiär die notwendige Lebensgrundlage für die Kriegsopfer sicherstellen"54 sollen. Diese am Bedarf orientierte Entschädigung der Kriegsopfer läßt sich nur aus dem Gedanken heraus rechtfertigen, daß bei der "Massenkatastrophe des Krieges" nur eine "pauschale Schadensabgeltung" möglich ist, "die den Charakter der Angemessenheit nicht erreichen wird"55. Die pauschale Schadensabgeltung ist begrenzt durch die finanzielle Leistungskraft des Staates56 . Da die vorhandenen Mittel nicht voll ausreichen, um alle Schäden zu dekken, entspricht es geradezu einer Forderung des Sozialstaatsprinzips, dann primär die zu entschädigen, die es am notwendigsten haben57 , so daß eine bedarfsorientierte Differenzierung trotz einer Parallelität der Schadenstatbestände an sich zulässig ist. Das kann aber nicht vorbehaltlos gelten, denn trotz dlcm bleibt die Bindung an den Gleichheitssatz bestehen58 . Differenzierungen sind daher nur dann zulässig, wenn sie nicht willkürlich sind. Da die Regelung jedoch an den Unterschied anknüpft, der typischerweise zwischen der Bedarfssituation des Witwers und der der Witwe besteht, kann ihr Willkür nicht nachgesagt werden. Die Regelung muß somit, obwohl sie nicht befriedigen kann, weil sich gleichheitsgemäßere Lösungen511 denken lassen 6o , als verfassungsmäßig akzeptiert werden. Im sonstigen Entschädigungsrecht entfällt, da es sich bei den Schäden nicht um Massenerscheinungen sondern um Einzelfälle handelt, die im Kriegsopferversorgungsrecht gebotene Rücksicht auf die staatliche Leistungskraft. In diesen Fällen ist eine Unterscheidung nach der typischen Bedarfssituation des Witwers einerseits und der Witwe andererseits nicht zulässig. Dementsprechend sieht z. B. das BSeuchG61 eine geschlechtsneutrale Hinterbliebenenrentenregelung vor. Soweit Regelungen noch eine Differenzierung vorsehen - etwa in der Unfallversiche-

55

Glage, S. 152 f. Obermayer, S. 20.

58

Krüger, NJW 1957, 1209 (1212); Weidner, JZ 1959, 698 (710).

54

56 Die finanzielle, staatliche Leistungskraft gehört zu den den Interessen des Einzelnen übergeordneten öffentlichen Interessen, vgl. BVerfGE 3, 4 (11); s. a. RGZ 156, 305 (312). 57 Ebenso Obermayer, S. 20.

Etwa in Analogie des auf S. 420 ff. gemachten Vorschlages. Solange sich für die Entscheidungen des Gesetzgebers ... ein vernünftiger Grund angeben läßt, kann dem nicht mit der überlegung entgegengetreten werden, daß eine andere Abgrenzungsregelung zweckmäßiger und gerechter wäre oder dem Art. 3 GG besser entspräche", BVerfGE 17, 319 (330); BVerfG, DVBl. 1970, 354 (355). 61 § 53 Abs. 5 Satz 1. 59

60

366

111. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

rung 62 oder im BEG63 - müßten sie durch Witwer und Witwe gleich behandelnde verfassungskonforme Regelungen abgelöst werden. 13 Die .;übersteigerung der Verdienerrolle" Gleichheitswidrige Ausgestaltung der Sicherung des nicht-erwerbstätigen Ehegatten

Abgesehen von dem inzwischen bestätigten Mangel an Effektivität erfährt die über den Unterhaltsträger vermittelte soziale Sicherung der Angehörigen Kritik auch wegen eines "Mangels der Rechtsform"64. Ihr ist, weil ihrer Ausgestaltung nach selbst nach dem Tode des unmittelbar Gesicherten den Angehörigen Sozialleistungen als "Unterhaltsersatzleistungen" zu Gute kommen, entgegen gehalten worden, sie "übersteigere die Verdienerrolle". Diese vermittle "der Familie soziale Leistungen, gerade weil und wenn Verdiener und Verdienst das für die Familie notwendige und angemessene nicht bereitstellen können"65. Außerdem sei die "Zurechnung der Hinterbliebenenversorgung (in Vorsorgesystemen) zum ausgefallenen Unterhaltsträger ... hypothetischer Natur". Sie bedeute "meist Unterhalt, der von seiner Leistungskraft und Vorsorge nicht erwartet werden konnte. Und sie (sei) auch insofern nicht auf seine Vorsorge zurückzuführen, als der Sozialversicherung Familienbeiträge fremd sind"66. Der Sicherung der Angehörigen wird schlechthin zum Vorwurf gemacht, sie sei "patriarchalisch konzipiert"67 und entspreche nicht mehr den gesellschaftlichen Verhältnissen, die sich maßgeblich gewandelt hätten68 . Insbesondere werde die Hausfrauentätigkeit, wenn nicht ignoriert69 , so doch viel zu gering gewürdigt70, so daß "die nicht-erwerbstätige Frau in dem augenblicklich geltenden Recht der sozialen Sicherung zweifellos einen untergeordneten Platz ein(nehme)"71, der - insbesondere im Vergleich zur berufstätigen Frau - das Verfassungsgebot der Gleichheit provoziere72. Als Konsequenz dieser Kritik hat man dem heutigen Recht Vorschläge einer zwar abge62

63 64 65 66

§ 593 RVO. § 17 Abs. 1 Ziff. 2. Bogs, Der med. Sachverständige 1968, 1 (3). Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 10.

Ebd. S. 017.

Frandsen - Daldrup, S. 27; Lohnes, FamRZ 1969, 177 (182). Frandsen - Daldrup, ebd. 69 So Za;cher, Sicherung der Frau, S. 0 10. 70 Bogs, NJW 1968, 1649 (1650). 71 Planken, S. 7. 72 Ramm, JZ 1968,41 (46); Zacher, Sicherung der Frau, S. 010. 73 Eherechtskommission, Vorschläge (11), S. 19 ff.; Hansen-Blancke, S. 292 ff.; Planken, S. 89 ff.; Schneider-Danwitz, Inf. f. d. Frau 1971, 3, vgl. Zacher, ebd.; s. a. "Vorschläge zur sozialen Sicherung der Frau", ZSR 1970, 229 (232 ff.). 67 68

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

367

leiteten aber doch "eigenständigen" sozialen Sicherung der Hausfrau entgegengesetzt73 • Dieser Kritik kann ebenso wie diesen Vorschlägen - auf die später noch ausführlich eingegangen werden wird74 - nur teilweise zugestimmt werden. Sie ist insoweit zutreffend, als der Ehegatte nach Auflösung des Unterhaltsverbandes durch Tod oder Scheidung sozialrechtlich weiterhin als Unterhaltsempfänger gilt und Renten als "Unterhaltsersatz" bezieht. Die Auflösung des Unterhaltsverbandes müßte die Beziehung des Ehegatten zur Rente bzw. zu dem Rentenanspruch des anderen früheren Partners verändern, denn - so zunächst als These der Rentenanspruch, das Stammrecht, gehört zum Vermögen des Verdieners, an dem der Ehegatte nach Auflösung der Ehe durch Tod oder Scheidung entsprechend den Grundsätzen über den Zugewinnausgleich zu beteiligen ist. Dies gilt zunächst in den Vorsorgesystemen, trifft aber auch für Entschädigungsleistungen zu, soweit diese einen durch die Schädigung bedingten Mangel an Vorsorge ausgleichen sollen. Vergleicht man Arbeitseinkommen mit Sozialeinkommen, so ist zunächst festzustellen, daß beiden Einkommensarten eine Gegenleistung zugrunde liegt, mit dem Unterschied, daß Arbeitsleistung und Arbeitseinkommen in den gleichen Zeitraum fallen, während Sozialeinkommen und Gegenleistung in verschiedene, zeitlich aufeinanderfolgende Zeiträume fallen. Das fortlaufende Sozialeinkommen beruht auf einem bereits erarbeiteten Stammrecht. das dieses Sozialeinkommen abwirft. Das Stammrecht ist dem Vermögen des Verdieners zuzuzählen75 • Seine rechtliche Wertung als Eigentum76 bestätigt insoweit die Richtigkeit der oben aufgestellten These. Dieses Anspruchsvermögen des Verdieners umfaßt auch ein in seiner weiteren Ausgestaltung modifizierbares Stammrecht auf Versorgung seiner Angehörigen. Nicht einmal hieran wird die Ehefrau des Verdieners bei Auflösung der Ehe immer beteiligt. So verliert die schuldig geschiedene Ehefrau jeden Anspruch aus der Sicherung ihres früheren Mannes. Die Anwendung des güterrechtlichen Zugewinngedankens auf die Rente ist bislang de lege lata - zu Recht - verneint worden77 • Die Bestimmungen über die Renten an Hinterbliebene gehen von seiner Nichtanwendung aus. Im Gegensatz hierzu unterfällt die private Les. u. 27. Kap., sub 212. Vgl. Stein, Unterhalt als Leistungsvoraussetzung, S. 153. 76 s. o. 4. Kap., Anm. 113. 77 OLG Karlsruhe, FamRZ 1961, 317; Erman - Bartholomeyczik, § 1376 Anm. 4; Lohnes, JR 1968, 252 (253). 74

75

368

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

bensversicherung dem Zugewinnausgleich7S , wobei sie mit dem Zeitwert anzusetzen ist. Diese Differenz zwischen der privaten Lebensversicherung einerseits und der Sozialversicherung bzw. Pension andererseits ist sachlich ungerechtfertigt. Die Beteiligung des Ehegatten am Zugewinn des Partners ist Ausdruck einer Gemeinsamkeit der Ehegatten auch im wirtschaftlichen Bereich. Sie realisiert den Gedanken der Teilhabe beider Ehegatten an dem, was während der Ehe an Vermögen von dem einen oder anderen Ehegatten erworben worden ist7 9 • Die "Gemeinsamkeit des Erwerbs", die nach verbreiteter MeinungSO nur einen Zugewinnausgleich rechtfertigen soll, kann schon von dem Typ der Hausfrauen-Ehe her, deretwegen die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand hauptsächlich gefordertS1 und eingeführt wurde, nicht zu eng verstanden werden. Gerade die Hausfrau hilft in der Regel nicht in direkter Weise mit, Vermögen zu erarbeiten. Auch kann nicht angenommen werden, daß ihre Tätigkeit, wenn sie auch den Vermögenserwerb erleichtertS2 , in gleicher Weise zu ihm beiträgt, wie das Einkommen des Ehemannes S3 • Die Solidarität der Ehegatten auch im wirtschaftlichen Bereich überspielt jedoch diese Folgen der FunktionsverteilungS4 • Wertet man das Stammrecht auf Sozialleistungen zutreffend als Eigentum, dann muß dieses Recht, das heute bei vielen das einzig nennenswerte "Vermögen" ist, dem Zugewinnausgleich wie jedes andere Vermögen unterfallen, soweit diese Ansprüche während der Ehe entstanden sind bzw. - bei Entschädigungsleistungen - einen entsprechenden Vorsorgenachteil ausgleichen sollen. Die Ehegatten sind daher bei Auflösung der Ehe jeweils an dem Rentenstammrecht des anderen Ehegatten gemäß dem Grundgedanken des Zugewinnausgleichs zu beteiligen. 78 Erman - Bartholomeyczik, § 1376 Anm. 4; Mohr, Die Lebensversicherung als Familiengut, VersR 1955, 723; Palandt - Lauterbach, § 1376 Anm. 2. 79 Bogs, Diskussionsbeitrag, Vhdlgen des 47. DJT, S. 0 68. 80 Beitzke, Familienrecht, S. 81; Gernhuber, Familienrecht, S. 338. 81 Drastisch Ullmer, In welcher Weise empfiehlt es sich, gern. Art. 117 GG das geltende Recht an Art.3 Abs.2 GG anzupassen?, Vhdlgen des 38. DJT, S. B 33 f.: "Der innere Grund dafür ist, daß die Tätigkeit der Frau als Hausfrau ihre Erwerbsmöglichkeit einschränkt. Zum Ausgleich dafür soll sie am Manneserwerb beteiligt werden. Daß die Beteiligung an der Errungenschaft auch einmal dem Manne zugute kommen kann, ist die Folge des Prinzips, nicht der tragende Grund. Um der Männer willen würden wir keine Zugewinngemeinschaft vorschlagen". 82 BVerfGE 21, 329 (348); 22, 349 (368); BSGE 5, 276 (282); 20, 252 (254); Beitzke, Familienrecht, S. 81; Beveridge, S. 74. 83 Gernhuber, Familienrecht, S. 338. 84 Zu Recht ist auch darauf hingewiesen worden, daß die Beiträge zur Rentenversicherung den Familienetat schmälern und damit auch der Ehefrau wirtschaftliche Einschränkungen auferlegen, vgl. Stein, S. 153; Wulff, SozSich. 1963, 274 (275).

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

369

In dem Maße nun, wie die einzelnen Systeme den nicht-erwerbstätigen Ehegatten, also in aller Regel die Frau, bei Auflösung der Ehe, sei es durch Scheidung oder durch Tod, in der Rolle des Unterhaltsempfängers belassen, wird die "Verdienerrolle" überbetont und die versicherungsrechtliche Position des überlebenden Ehegatten durch die Bindung der Versicherungsleistungen an hypothetische oder tatsächliche Unterhaltsansprüche "eingeengt"85. Diese überbetonung bedeutet im Falle der Witwe lediglich einen "Mangel der Rechtsform". In den Fällen der geschiedenen Frau und des Witwers aber ist sie Ursache all der Sicherungslücken, die oben86 aufgezeigt worden waren. Gerade diese Lücken machen ein Abschleifen der "überbetonung" dringend erforderlich. 14 Die nach dem Tode des Verdieners eintretende Individualisierung des Unterhaltsverbandes

Die Stellung der Angehörigen in den Vorsorge- und Entschädigungssystemen ändert sich, wenn der unmittelbar Gesicherte stirbt. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand der Unterhaltsverband fort, d. h. der "Ernährer" erhielt eine Rente, von der alle leben mußten. Ab diesem Zeitpunkt ist der Unterhaltsverband, zumindest was den Bezug von Sozialleistungen anbetrifft, zerbrochen. Der hinterbliebene Ehegatte erhält eine Rente für sich. Die auch ihm gegenüber unterhaltsberechtigt gewesenen Kinder erhalten jeweils eine Waisenrente, die ihren Unterhaltsanspruch gegen den überlebenden Elternteil - wenigstens teilweise zum Er löschen bringt. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Unterhaltsverband mit dem Tode des Verdieners aufzulösen und die Unterhaltsbedürfnisse seiner Angehörigen jeweils individuell zu befriedigen, erklärt sich daraus, daß früher der Ehefrau im Unterhaltsrecht nur die gleiche Position zukam wie ihren Kindern, nämlich die, Unterhaltsempfängerin zu sein. Es müßte aber heute, da sich das Unterhaltsrecht gerade im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung des Beitrages der Frau geändert hat, insbesondere in Vorsorgesystemen in Erwägung gezogen werden, der hinterbliebenen Mutter eine Rente zu gewähren, die für die gesamte Familie bestimmt ist und die sich aus den heutigen Witwen- und Waisenrenten zusammensetzt87 . Dementsprechend ist auch schon vorgeschlagen worden, der hinterbliebenen Familie eine "Familienrente" zu gewähren88 . 85 88 87 88

Wul!!, ebd.

s. o. 23. Kap., sub 222.

Kritisch zum heutigen Rechtszustand auch Planken, S. 8. Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 37.

24 Ruland

370

IU. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

Dem kann nur zugestimmt werden, denn, wenn auch im Verhältnis der Ehegatten zueinander trotz der binnenfamiliären Gleichheit der Unterhaltsbeiträge von Mann und Frau die am Einkommen orientierte Vorsorge primär dem Verdiener zugeordnet werden kann, so kann die Rolle der Hausfrau wegen ihrer Leistung nicht der im wesentlichen nur passiven und empfangenden Rolle der Kinder gleichgesetzt werden. Die Mutter gewährt mit dem Manne zusammen den Kindern Unterhalt; sie hat die gesamte Unterhaltslast dann zu tragen, wenn der Mann aus irgendeinem Grunde ausfällt. Schon aus dem Vergleich zu dieser bürgerlich-rechtlichen Regelung wird deutlich, daß die in den Vorsorgesystemen heute noch vollzogene Gleichstellung der Frau mit den Kindern sich nicht nur nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen, sondern sich auch rechtlich nicht mit der Gleichwertigkeit der Unterhaltsbeiträge der Ehegatten vereinbaren läßt. Die Forderung, die verwitwete Mutter solle eine Rente für sich und die minderjährigen Kinder erhalten, wird noch durch eine andere überlegung gestützt. Die Mutter ist nach dem Tode des Vaters Alleininhaber der elterlichen Gewalt über das Kind. Das Kind kann daher auch nach heutigem Recht - über die ihm zustehende Rente ohne die Mutter oder ohne ihre Zustimmung ohnehin nicht verfügen. Eine eigene Rente des Kindes ist daher nur dann sinnvoll, wenn dem hinterbliebenen Elternteil das Sorgerecht nicht zukommt oder wenn es sich um ein eheliches Kind handelt, das in einer anderen Familie lebt.

2 Ungleiche Regelungen zwischen Unterhalts- und Sozialrecht 21 Die "Reflexwirkungen" der sozialhilferechtlichen Verschonungen als unzulängliche Korrektur

Wie oben ausführlich dargelegt wurde, weicht das Sozialhilferecht bei der überleitung von Unterhaltsansprüchen u. U. erheblich von dem bürgerlichen Unterhaltsrecht ab s9 • Diese Abweichungen führen jedoch zu den ebenfalls bereits besprochenen "Reflexwirkungen" des Sozialhilferechts im Unterhaltsrecht. Sie bedeuten, daß sich der Unterhaltspflichtige auch dem Unterhaltsgläubiger gegenüber auf diese Verschonungen berufen darf, da er ansonsten schlechter stünde, als wenn er über die Sozialhilfeträger in Anspruch genommen würde 90 • Das heißt, die Abweichungen des Sozialhilferechts vom Unterhaltsrecht korrigieren sich wegen dieser "Reflexwirkungen" zu Verschiebungen in der Rangfolge. o. 6. Kap., sub 12. s. o. 15. Kap., sub 112.

89 S. 90

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

371

Dennoch muß an diesen Abweichungen Kritik geübt werden. Sie lassen die Frage, wer nun eigentlich leistungspflichtig ist, unklar werden. Das sehr umstrittene Ergebnis zeigt es. Auch ist die Querverbindung vom Unterhalts- zum Sozialhilferecht noch zu unbekannt, um überall samt ihren Folgen Beachtung zu finden. Hinzu kommt der grundsätzliche Einwand, daß der Weg, das Unterhaltsrecht durch Änderungen des Sozialhilferechts "aufzulockern", ein - nicht notwendiger - Umweg ist, der nur Rechtsunsicherheit verursacht. Die Tatsache, daß die Verschonungen des Sozialhilferechts im Unterhaltsrecht Geltung erlangt haben, kann daher die Bedenken gegen die Durchbrechungen der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht völlig ausräumen. Will man das Unterhaltsrecht "auflockern", dann ist es der einfachste, sicherste und ehrlichste Weg, wenn man das Unterhaltsrecht selbst ändert. Dieser Weg führt nicht nur zu einer eindeutigen Rechtslage, sondern er entspricht auch der Priorität des Unterhaltsrechts gegenüber dem Sozialhilferecht. 22 Die Notwendigkeit differenzierender Heiratswegfallklauseln bei Kindern bzw. Waisen

Wie oben berichtet91 , sind die Heiratswegfallklauseln bei Kindern und Waisen ohne jede Differenzierung gestrichen worden. Diese Streichung läßt sich mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbaren92 • Sie hätte sich ein Koordinatensystem einfügen lassen müssen, das sich aus zwei hier relevanten Vergleichspaaren ergibt: Es sind dies einmal die Ausbildungsförderungsleistungen im Vergleich zur "verlängerten" Waisenrente (als Prototyp der wegen der Ausbildung des Kindes über das 18. Lebensjahr hinaus fortgezahlten Leistungen an und für Kinder); es ist zum andern das Vergleichspaar "Waise - Nicht-Waise". In jedem der beiden Vergleichspaare ruft die undifferenzierte Streichung der Heiratswegfallklauseln aber Ungleichheiten hervor. Die Ausbildungsförderung, sei es nach dem BAföG, sei es nach sonstigen Vorschriften wird nur familienabhängig gewährt. Das hat zur Folge: Der Ehegatte, der Ausbildungsförderungsleistungen begehrt, muß sich u. a. bestimmte Beträge des Einkommens seines Ehegatten anrechnen lassen. Der Ehegatte, dessen Waisenrente fortgezahlt wird, weil er noch in der Ausbildung ist, erhält die Rente ohne Rücksicht auf das Einkommen des anderen Ehegatten. Er steht sich - um zu dem zweiten Vergleichspaar zu kommen - damit auch besser als das eben12. Kap., Text zu Anm. 60 und 61. Vgl. zum folgenden Ruland, FamRZ 1970, 467; dens., FamRZ 1970, 631. Letzterem sind die nachfolgenden Ausführungen weitgehend entnommen; s. a. o. 12. Kap., Anm. 61. 91

~2

372

111. 2. Abschr•.. Kritische Betrachtung der Beziehungen

falls in Ausbildung befindliche Kind, dessen Eltern noch leben und das ebenfalls geheiratet hat. Es muß sich, will es von den Eltern Unterhalt haben, zunächst auf seinen Unterhaltsanspruch gegen den Ehegatten verweisen lassen, der dem der Eltern vorgeht 93 . Die Waise aber bekommt nunmehr eine den Unterhalt der Eltern ersetzende Waisenrente unabhängig von der primären Unterhaltspflicht des Ehegatten. Die Ehe der Waise steht sich so rechtlich und das heißt in diesem Zusammenhang insbesondere auch wirtschaftlich besser sowohl als die Ehe der "Nicht-Waise" als auch als die Ehe des Kindes, das auf Ausbildungsförderung angewiesen ist. Diese Ungleichbehandlungen verletzen den Gleichheitssatz, der verbietet, "daß wesentlich Gleiches ungleich ... behandelt wird"94. Die beiden Vergleichspaare, die zum einen aus der Waise und dem Kind, dessen Eltern noch leben, zum andern aus der Waise und dem Kind, das auf Ausbildungsförderung angewiesen ist, gebildet werden, sind insoweit, als die Ausgestaltung der Waisenrente oder des Kindergeldes in Frage steht, auch als "wesentlich gleich" zu werten. Zwar kann grundsätzlich der Gesetzgeber darüber entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse maßgeblich dafür sind, sie im Recht als gleich oder ungleich zu behandeln95 , aber er darf "Gesetzlichkeiten, die in der Sache selbst liegen, ... nicht mißachten"96. Das "Postulat der Systemgerechtigkeit"97 erfährt in der Rechtsprechung des BVerfG allerdings insofern eine Einschränkung, als Systemabweichungen nach Art. 3 Abs. 1 GG zulässig sind, soweit ein sachlicher Grund dafür vorliegt98. Die völlige Streichung der Heiratswegfallklauseln verstößt aber gegen das "Postulat der Systemgerechtigkeit" , ohne das dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt wäre. Die "in der Sache selbst liegenden Gesetzlichkeiten" ergeben sich für Änderungen des Waisenrenten- und des Kindergeldrechts aus der Funktion dieser Leistungen. Die wegen der Ausbildung der Waisen über deren 18. Lebensjahr hinaus gezahlte Waisenrente hat zwei Funktionen. Beiden Funktionen läuft die völlige Streichung der Heiratswegfallklauseln zuwider. Die Waisenrente soll einmal den durch den Tod des versicherten Elternteils weggefallenen Unterhalt ersetzen und die Waise wirtschaftlich in etwa so stellen, als ob der von dem Versicherten ehemals geleistete Unterhalt weiter93 Zur Frage, ob und inwieweit zwischen Ehegatten überhaupt ein Unterhaltsanspruch auf Ausbildung besteht, o. 2. Kap., Text zu Anm. 10 und 11. 94 BVerfGE 1, 14 (52). 95 BVerfGE 3, 225 (240); 6, 273 (280); st. Rspr. - hierauf beruft sich insbesondere Schmitz-Peiffer, FamRZ 1970, 630. 96 BVerfGE 9, 338 (349). 97 Zacher, AöR Bd. 93, 341 (354). 98 BVerfGE 4,219 (243 f.); 9, 20 (28); 13, 31 (38).

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

373

hin erbracht würde. Diese "Unterhaltsersatzfunktion" kommt der Waisenrente wie allen anderen Hinterbliebenenrenten ZU99 • Sie ist zwar nur noch in "Rudimenten"100 sichtbar; das liegt aber nur daran, daß bei ehelichen Waisen etwa die Zugehörigkeit zum Unterhaltsverband des gesicherten Verdieners verallgemeinernd unterstellt wurde 101 • -Die "Unterhaltsersatzfunktion" behält die Waisenrente auch dann bei, wenn sie nur deshalb über das 18. Lebensjahr der Waise hinaus fortgezahlt wird, weil sich diese noch in der Ausbildung befindet. Da die staatliche Ausbildungsförderung nur familienabhängig erfolgt, soll die Hinterbliebenensicherung, als Sicherung für den Fall des Verlustes des von dem Versicherten geleisteten Unterhalts, die im Verhältnis zur subsidiären Ausbildungsförderung vorrangige Unterhaltspflicht des Versicherten zugunsten des Auszubildenden übernehmen. Die Rente ist ein Ersatz für den Unterhalt, den der Versicherte, hätte er weitergelebt, während der Ausbildung des Berechtigten an diesen hätte leisten müssen. Die "Unterhaltsersatzfunktion" stellt die Beziehung zwischen der Waisenrente und dem Unterhaltsrecht her. Die Ausgestaltung der Waisenrente ist daher durch die des Unterhaltsrechts weitgehend vorbestimmt. Das ist nichts Neues, denn es war z. B. ein wesentliches Argument gegen die absoluten Heiratswegfallklauseln, daß diese der Unterhaltspflicht der Eltern, die auch dem verheirateten Kind gegenüber wenn auch nur subsidiär besteht, nicht Rechnung getragen hätten102 . Die völlige Streichung der Heiratswegfallklauseln weicht nun in anderer Weise von dem Unterhaltsrecht ab: Sie ignoriert die vorrangige Unterhaltspflicht des Ehegatten. Sie ersetzt den durch die Leistungsunfähigkeit des Ehegatten bedingten Unterhaltsanspruch gegen die Eltern durch eine unbedingte Rente. Der Unterhaltsersatzfunktion der Rente würde nur durch differenzierende Klauseln Rechnung getragen, die Leistungen nur für den Fall vorsehen, daß der Ehegatte zur Unterhaltsleistung unfähig ist, wenn also die Unterhaltspflicht der Eltern, würden sie noch leben, eingreifen würde. Die "verlängerte" Waisenrente gewinnt zudem, da sie nur solange gewährt wird, wie der Berechtigte sich in Ausbildung befindet, eine weitere Funktion: die der Ausbildungsförderung. Die "verlängerte" Waisenrente und die Ausbildungsförderung sind in ihrer Zwecksetzung identisch: Beide Leistungen sollen bei dem Ausbleiben ausreichenden familiären Unterhalts die Ausbildung des Berechtigten sicherstellen. 99 Vgl. etwa BVerfGE 17, 1 (26 ff.); Jung, S. 22 f.; Sieg, Anm. zu BVerfG, SGb 1970, 335 (= BVerfGE 28, 324), dort S. 346 (347). 100 Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 97. 101 Vgl. auch Sieg, Anm. zu BVerfG, SGb 1970, 346 (347). 10% s. o. 12. Kap., Anm. 53.

374

IH. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

Da die Ausbildungsförderung wegen der von dem Gesetzgeber getroffenen Entscheidung aber auch wiederum nur subsidiär familienabhängig erfolgt, kann die "verlängerte" Waisenrente trotz der zur Unterhaltsersatzfunktion hinzutretenden Aufgabe der Ausbildungsförderung nicht von der Ausgestaltung des Unterhaltsrechts losgelöst werden. Entsprechendes gilt für das Kindergeld bzw. für den Kinderzuschlag. Diese Leistungen kommen unmittelbar dem Unterhaltsträger, in der Regel den Eltern, und nur - über einen Unterhaltsanspruch - mittelbar den Kindern zu Gute 103 • Das Kindergeld soll unterhaltsbedingte Benachteiligungen des Unterhaltsträgers ausgleichen. Diese Ausgleichsfunktion setzt sinnvollerweise voraus, daß der Unterhaltsträger auch tatsächlich Unterhalt leistet. Ansonsten bekäme er einen Ausgleich für eine Leistung, die er gar nicht erbracht hat. Das zeigt, daß auch die Regelung des "Kinderlastenausgleichs" gerade wegen dieser seiner Funktion eng an die Ausgestaltung des Unterhaltsrechts gebunden ist. Diese Bindung ist nunmehr gelöst, da infolge der völligen Streichung der Heiratswegfallklauseln die Ausgestaltung des Kindergeldrechts von der des Unterhaltsrechts abweicht. Diese Systemabweichung ist auch nicht durch sachliche Gründe geboten. Ein solcher Grund könnte etwa die insbesondere im Sozialrecht bestehende Notwendigkeit sein, Ausgangstatbestände sozialer Leistungen zu typisieren. Diese Notwendigkeit erfordert aber die in der völligen Streichung der Heiratswegfallklauseln liegende Systemabweichung nicht. Die Gegenmeinung beruft sich darauf, daß dem Zwang, zu typisieren, die Rücksicht auf die Funktion der Leistung allemal gewichen sei. An dieser Argumentation ist soviel richtig, daß die verallgemeinernd unterstellte Zugehörigkeit der (nicht verheirateten) ehelichen Waisen zum Unterhaltsverband des gesicherten Verdieners auf dem "Regelsachverhalt"lo4 beruht, daß in der Ausbildung stehende Kinder kein von der Ausbildung losgelöstes Einkommen beziehen. Insoweit wird auch nach bisherigem Recht die Unterhaltsersatzfunktion typisiertl°5 • Damit begründete der 2. Senat des BVerfG seine Entscheidung, in der er die Heiratswegfallklauseln im Besoldungsrecht für nichtig erklärt. Es heißt dort 106 : Die Versagung des Kinderzuschlags könne auch "nicht damit gerechtfertigt werden, daß das verheiratete Kind von Vgl. hierzu o. 14. Kap., sub 12. So auch Schmitz-Peiffer, FamRZ 1970, 630. 105 So ist die Unterhaltsersatzfunktion auch insoweit durch die Typisierung überlagert worden, als verheiratete Kinder unter 18 Jahren ohne Rücksicht auf die Unterhaltspflicht ihres Ehegatten Rente bekommen, vgl. hierzu Ruland, FamRZ 1970, 467 (468). 100 BVerfGE 29, 1 (9). 103 104

24. Kap.: Ungleiche Regelungen

375

seinem Ehepartner ... möglicherweise Unterhaltsleistungen oder Zuwendungen erhält, da nach geltendem Recht auch sonst wegen Einkommen des Kindes von dritter Seite ... ohne Zusammenhang mit seiner Ausbildung der Zuschlag nicht versagt" werde. Der 2. Senat hat aus der Tatsache, daß Einkommen des Kindes bei der Zahlung des Kinderzuschlages nicht berücksichtigt wird, den Schluß gezogen, auch der Unterhalt des Ehegatten des Kindes dürfe nicht berücksichtigt werden und hat so den von dem Ehegatten des Kindes zu leistenden Unterhalt mit "sonstigem" Einkommen des Kindes gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung ist jedoch zu einfach. Etwas wesentliches ist dabei übersehen worden: die unterschiedliche Häufigkeit der Fälle, in denen das in der Ausbildung stehende Kind eigenes Einkommen zur Verfügung hat, und der Fälle, in denen es Unterhalt von seinem Ehegatten bezieht. Der Gesetzgeber konnte und kann, um die den Kinderzuschlag regelnde Vorschrift praktikabel zu gestalten, als "Regelsachverhalt" typisieren, daß in der Ausbildung stehende Kinder kein davon unabhängiges Einkommen beziehen. Man kann aber nicht - auch nicht bei verheirateten Studenten - davon ausgehen, daß die gesetzliche Unterhaltspflicht des Ehegatten im Regelfall nicht erfüllt wird. Zum Regelfall wird die Nichterfüllung nur dann, wenn beide Ehegatten studieren. Dieser Fall ist aber wiederum nicht der Regelfall, da die Zahl der Studentenehen im Verhältnis zur Zahl der verheirateten Studenten nur 18 % ausmacht107 • Weil der Bezug einer Unterhaltsleistung von dem Ehegatten in der Mehrzahl der Fälle zu erwarten ist108, das in der Ausbildung stehende Kind aber nur in den wenigsten Fällen Einkommen bezieht, ist gerade dann, wenn typisiert werden muß, eine unterschiedliche Behandlung von Einkommen und Unterhalt angebracht. Ein Außerachtlassen der Unterhaltsleistung des Ehegatten bei einer solchen Typisierung würde den Ausnahmefall zum Regelfall erklären109 • Der von der Gleichsetzung Unterhalt - Einkommen ausgehenden Argumentation des BVerfG kann daher nicht gefolgt werden. Die Behauptung, eine Unterhaltsleistung des Ehegatten lasse sich im Rahmen der notwendigen Typisierung wenn überhaupt dann nur unter unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand berücksichtigenllO , ist ebenfalls nicht stichhaltig. So hat Ema Scheffler1ll die in den absoluten Heiratswegfallklauseln liegende Typisierung mit dem Hinweis darauf in Vgl. Information - Bildung - Wissenschaft, Nr. 1/72. In 64,5 Ofo der Fälle trägt der Ehegatte mehr als 50 Ofo der Kosten des Studiums, ebd. 109 Vgl. insoweit auch die von Wellmann, Anm. zu BVerfG, NJW 1970, 1679, dort S. 2015 an der Entscheidung des BVerfG geübte Kritik. 110 So die von Schmitz-Peiffer zustimmend zitierte Begr. des Regierungsentwurfs, BR-Dr. 456170, S. 4. 111 Fortfall von Waisengeld, S. 139 f. 107 108

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III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

Frage gestellt, daß differenzierende, d. h. die Unterhaltsleistung des Ehegatten des Kindes berücksichtigende Klauseln sowohl dem geltenden als auch dem früheren Recht nicht unbekannt sind. So besagten die Ausführungsbestimmungen zum Reichsbesoldungsgesetz vom 16. 12. 1927112 in Nr. 65 Abs. 3 113 , daß für ein verheiratetes Kind kein Kinderzuschlag gewährt werde, es sei denn, der Ehegatte könne es nicht unterhalten114 • Entsprechende Regelungen enthalten auch die Landesbesoldungsgesetze von Hamburg, Bremen und Rheinland-Pfalz 115 • Diese Bestimmungen sind bzw. waren deutlich auf den Einzelfall abgestellt und haben kaum typisiert. Und selbst eine solche Lösung scheint die Verwaltung ohne unverhältnismäßigen Aufwand zu verkraften. Wenn dennoch ein größeres Maß an Typisierung verlangt werden sollte, dann bietet das Ausbildungsförderungsrecht Beweise dafür, daß Bestimmungen möglich sind, die gleichzeitig typisieren und dem Vorrang des Unterhalts Rechnung tragen 116 • Man versteht es nicht ganz, warum der Gesetzgeber eher bereit war, 62,4 Mill. DM jährlichll7 nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen als auf diese schon erprobten Vorbilder zurückzugreifen. Mit der Notwendigkeit, zu typisieren, läßt sich jedenfalls die Systemabweichung nicht rechtfertigen. Allein eine differenzierende Heiratswegfallklausel derart, daß die Rente oder das Kindergeld nach der Heirat des Berechtigten nur dann fortgezahlt werden, wenn der Ehegatte der Waise oder des Kindes zur Unterhaltsleistung nicht imstande ist, entspricht sowohl dem Unterhaltsrecht als auch dem Ausbildungsförderungsrecht. Die Leistungsfähigkeit des Ehegatten könnte dabei wie im Ausbildungsförderungsrecht typisiert werden. Nur eine solche Regelung erfüllt den in der Begründung des Regierungsentwurfs geäußerten Wunsch, mit einer Neuregelung der Heiratswegfallklauseln "einer besseren Harmonisierung des Sozial- und des Beamtenrechts mit dem Ausbildungsförderungs- und dem Unterhaltsrecht" zu dienen118 • Allein eine solche Regelung verhindert die oben gezeigten Ungleichbehandlungen, nur sie entspricht der Funktion der jeweiligen Leistung. Darüber hinaus wäre sie auch die einzige Regelung, die sachwidrige Ergebnisse vermeidet. DieRGBl. I, 349. Reichsbesoldungsblatt 1928, 33. 114 Diese Bestimmungen sollten auch in das BBesG aufgenommen werden, vgl. BT-Dr. II/1993, § 16 Abs. 5, Begründung auf S. 45; sie ist jedoch nicht wegen einer Inpraktikabilität gestrichen worden, vgl. BT-Dr. III zu 3638 (zu § 16 Abs. 5). 115 § 15 Abs. 5 LBesG Rh.-Pf. (GVBl. 1963, 21); § 15 Abs. 7 LBesG Hamburg (GVBl. 1963, 147); § 16 Abs. 6 LBesG Brem. (GVBl. 1964, 159). 116 s. o. 6. Kap., sub 3. 117 Kosten des Bundes, der Länder und der Sozialversicherungsträger laut Begr. des Regierungsentwurfs, S. 6 f. 118 S.4. 112 113

25. Kap.: Sozialleistungen und Privatsphäre

377

ses Gesetz hat - ebenso wie die Entscheidung des 2. Senats des BVerfG - als Ergebnis zur Folge, daß Eltern, die ihrem verheirateten Kind, dessen Ehegatte leistungsfähig ist, keinen Unterhalt mehr schulden und dementsprechend auch keinen Unterhalt mehr leisten, dennoch Kindergeld oder -zuschlag beziehenllu • Ein so eklatant widersinniges Ergebnis hätte, zumal es möglich war, verhindert werden sollen120 • Zusammenfassend läßt sich sagen, daß im Waisenrentenrecht differenzierende Klauseln solange notwendig sind, als die Ausbildungsförderung nicht generell familienunabhängig erfolgt. Im Kindergeldrecht sind sie, da die Leistung dem Unterhaltsträger zu Gute kommt, immer notwendig. Die heutige Regelung verletzt den Gleichheitssatz. Sie wird auch nicht - wie noch zu zeigen sein wird - durch Art. 6 Abs. 1 GG gefordert 121 • 25. Kapitel

Einwirkungen des Sozialrechts auf höchstpersönliche Entscheidungen der Empfänger von Sozialleistungen Das Sozialleistungsrecht darf zwar grundsätzlich auf verfassungsrechtlich zulässige Handlungsformen Einfluß nehmen!, besonders wenn es darum geht - wie z. B. bei Rehabilitationsmaßnahmen - den zur Erforderlichkeit der Sozialleistung führenden Umstand zu beseitigen. Dieser grundsätzlich zulässigen Einflußnahme sind jedoch dann Grenzen gesetzt, wenn sie in den höchstpersönlichen Bereich des Menschen eindringen und daher seine Würde verletzen würde 2 • Solche Einflußnahmen sind in zweierlei Arten denkbar. Sie können, wenn der Staat gewisse Verhaltensweisen inhibieren will, in der Vorenthaltung von Sozialleistungen bestehen. Der Staat kann aber auch, um gewisse Verhaltensweisen zu fördern, zu "subventionieren", Sozialleistungen für den Fall der Vornahme der Handlung in Aussicht stellen, bzw. für den Fall der Nichtvornahme kürzen oder streichen. Einwirkungen des Sozialrechts auf höchstpersönliche Entscheidungen der Empfänger von Sozialleistungen können aber auch unbeabsichtigt erfolgen. Vgl. o. 14. Kap., Text zu Anm. 34-43. Wie wenig die undifferenzierte Streichung der Heiratswegfallklauseln mit dem sonstigen Recht koordiniert wurde, zeigt der Umstand, daß nunmehr Waisen- und Witwen-(Witwer-)Renten kumulieren können. 121 s. u. 25. Kap., sub 112. 1 Vgl. etwa §§ 624 RVO; 45 BSHG; s. dazu Bogs, Einwirkung, S. G 36 f.; Zacher, Sozialpolitik, S. 53 f. 2 BGH, DöV 1959, 946 (947); Krüger, in: Krüger - Breetzke - Nowack, Einl. Nr. 261; s. a. Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 (137). 119 120

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III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

1 Einwirkung durch Vorenthaltung von Sozialleistungen Der Wegfall von Hinterbliebenenleistungen bei HeiratS und die Nichtanerkennung des Unterhaltsverzichts gegenüber bestimmten subsidiär-familienabhängigen Sozialleistungen sollen als Beispiele dafür erörtert werden, wie das Sozialleistungsrecht - bewußt oder unbewußt - durch Vorenthaltung von Sozialleistungen auf höchstpersönliche Entscheidungen Einfluß nimmt bzw. nehmen kann. Versuche, die eheähnlichen Gemeinschaften über das Sozialleistungsrecht zu bekämpfen, sind von den Gerichten durchweg zurückgewiesen worden 4 • Die Entscheidung des BVerwG5, nach der ein tatsächlich getrennt lebender Ehegatte einen selbständigen Anspruch auf Unterhaltshilfe (§ 261 LAG) nur dann geltend machen können soll, wenn ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten - sei es auch nur zum Zwecke der gemeinsamen Versorgung - nicht zuzumuten ist, darf wegen späterer, allerdings in anderem Zusammenhang ergangener Entscheidungen des BVerwG6 wohl als überholt angesehen werden. 11 Der Wegfall von Sozialleistungen infolge (Wieder-)Heirat

Nachdem Waisenrenten nunmehr unabhängig davon fortgezahlt werden, ob die Waise geheiratet hat7 , stellt sich im geltenden Recht die Frage, ob der Wegfall von Sozialleistungen bei Heirat des Berechtigten gegen das Verbot des Art. 6 Abs. 1 GG verstößt, an die Eingehung einer Ehe nachteilige Folgen zu knüpfen8 , nur hinsichtlich der Vorschriften, die dies bei Wiederheirat des hinterbliebenen Ehegatten vorsehen9 • Da aber hier differenzierenden Heiratswegfallklauseln zu Lasten der Waisen das Wort geredet wurde, müssen auch sie noch auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 1 GG überprüft werden. 111 Der Wegfall von Sozialleistungen infolge Wieder heirat des hinterbliebenen Ehegatten Wegen der "Heiratswegfallklauseln" muß der hinterbliebene Ehegatte, nur weil er wiedergeheiratet hat, den Rentenanspruch gegen einen Unterhaltsanspruch gegen den neuen Ehegatten eintauschen. Das ist eine Verschlechterung seiner versorgungsrechtlichen Lage und von 3 Zur Frage der Aussteuerung von Flüchtlingen nach § 13 Abs. 1, 3 BVFG bei Heirat, vgl. BVerwGE 21, 75. 4 s. o. 20. Kap., Anm. 63, 64. 5 BVerwGE 4, 20 (22), dazu o. 6. Kap., Text zu Anm. 171. 6 z. B. BVerwG, DöV 1959, 946. 7 s. hierzu 0.12. Kap., Text zu Anm. 61, 62; 24. Kap., sub 22. 8 s. o. 20. Kap., sub 22. 9 s. o. 10. Kap., Text zu Anm. 30-34.

25. Kap.: Sozialleistungen und Privatsphäre

379

vielen auch als solche empfunden worden. Um ihr zu entgehen, haben sie es vorgezogen, auf eine Eheschließung zu verzichten und ohne sie zusammenzuleben. Um den unerwünschten "Rentenkonkubinaten" entgegenzuwirken10 , sind als "Starthilfen"l1 Abfindungen und als "Mindestversorgungsgarantie"12 das Wiederaufleben der Leistungen bei (unverschuldeter) Auflösung der neuen Ehe eingeführt worden. All dies kann aber nur die Verschlechterung der Situation des Berechtigten mildern nicht jedoch aufheben. Dauert die neue Ehe länger als die Abfindungszeit von fünf (Rentenversicherung) bzw. zwei Jahren (Be amtenversorgung), dann wird der verbleibende Nachteil spürbar. Die Heirat zweier Hinterbliebenenrentenempfänger ist ausgeschlossen, weil der neuen Ehe - von den Abfindungen abgesehen - die gesamte materielle Grundlage in Gestalt der beiden Renten entzogen wird. Dieses Ergebnis verstößt auf jeden Fall gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Aber auch der Wegfall der Rente in den anderen Fällen ist problematisch. Der mögliche Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG kann nicht schon damit ausgeräumt werden, daß z. B. die Witwe durch ihre Wiederheirat ihre Rechtsstellung als Witwe verliere und daß damit eine allgemeine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung ihrer Rente entfalle 13 , denn all dies beruht gerade auf der Tatsache ihrer Wiederheirat. Von dem Unterhaltsersatzprinzip ausgehend, läßt sich der Wegfall der Rente damit rechtfertigen l 4, daß sie ihren Sinn verlöre, wenn der verwitwete Berechtigte wieder heiratet und durch die neue Ehe eine neue Versorgung erlangt. Die Parallele zum Unterhaltsrecht drängt sich auf, da z. B. der frühere Ehegatte seine Unterhaltsberechtigung verliert, wenn er erneut heiratet. So hat denn auch das RG in diesem Zusammenhang ausgeführt1 5': "Die staatliche Witwenversorgung soll also die sonst übliche Fürsorge des Ehemannes für seine künftige Witwe ersetzen. Diese ehemännliche Fürsorge beschränkt sich in aller Regel auf die Dauer des Witwenstandes der Frau, d. h. solange die Witwe dem Verstorbenen ,die Treue hält' und damit nach allgemeiner Anschauung mit ihm über den Tod hinaus verbunden bleibt. Solange bleibt die ,Beamtenwitwe' auch noch mit dem Staat verbunden. Mit der Eingehung einer neuen Ehe zerreißt sie dieses Band. Die Witwe tritt in die Familie des neuen Ehemannes ein; dieser übernimmt die gesetzliche Unterhaltspflicht und zugleich die sittliche Pflicht, Vorsorge zu treffen für den Fall, daß die Frau abermals Witwe werden sollte." 10 11

12 13

14

Vgl. Trolldenier, NJW 1972, 1453; Verbandskommentar, § 1291 Anm. 1. Verbandskommentar, § 1291 Anm. 1. s. o. 6. Kap., Text zu Anm. 131. So Bogs, Einwirkungen, S. G 43 (Anm. 109). Vgl. Gesamtkommentar, § 1291 Anm. 1; so auch noch Krause - Ruland,

ZSR 1969, 260 (271). 15 RGZ 151, 187 (189).

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III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

Wäre die Versorgung des hinterbliebenen Ehegatten zudem nur staatliche Fürsorge, eine freiwillige Hilfsmaßnahme des Staates, dann wäre Art. 6 Abs. 1 GG durch den Wegfall der Sozialleistungen infolge Wiederheirat nicht verletzt, weil die "normalerweise vorauszusetzende Lebens- und Interessengemeinschaft der Ehegatten in der Weise berücksichtigt (wurde), daß das Ausmaß einer finanziellen Zuwendung ihrer besonderen wirtschaftlichen Situation und der dadurch etwa geminderten Förderungsbedürftigkeit" angepaßt wurde 16 • Bei der Versorgung des hinterbliebenen Ehegatten handelt es sich aber nicht um staatliche Fürsorge sondern vielmehr um einen Bestandteil der Alterssicherung des unmittelbar Gesicherten, den dieser zusammen mit seiner, d. h. ebenso wie seine Rente erworben hat17 • Die Versorgung des hinterbliebenen Ehegatten ist zwar nach geltendem Recht Unterhaltsersatz. Demgegenüber ist aber der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit erhoben worden, weil der hinterbliebene Ehegatte statt an dem sozialen Zugewinn beteiligt zu werden, weiterhin in der Rolle des Unterhaltsempfängers gehalten wird18 • Die Rente an den hinterbliebenen Ehegatten unterscheidet sich demnach qualitativ nicht von der des unmittelbar gesicherten (verstorbenen) Ehegatten. Daher läßt sich auch nicht einwenden, das Stammrecht auf Hinterbliebenenversorgung sei von vorneherein nur mit der Einschränkung erworben, daß diese bei Wiederheirat wegfalle, denn die Rente des unmittelbar Gesicherten unterliegt einem solchen Vorbehalt auch nicht. Stellt die Versorgung des hinterbliebenen Ehegatten den von diesem erworbenen sozialen Zugewinn dar, dann besteht kein Anlaß, dieses Recht nur infolge einer Wiederheirat zu beschneiden19 • Auch der privatrechtliche Zugewinn verbleibt dem überlebenden Ehegatten ohne jede Schmälerung, wenn dieser wiederheiratet. Es muß daher gesagt werden, daß der Wegfall der Sozialleistungen den überlebenden Ehegatten allein wegen seiner Wiederheirat ungerechtfertigt benachteiligt. Der somit festgestellte Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG wird auch nicht durch die gezahlten Abfindungen beseitigt. Da diese aber als "Starthilfen" einen guten Sinn haben, kann man dem rentenberechtigten Ehegatten, der wiederheiratet, ein Wahlrecht einräumen, ob er die Abfindung statt des weiteren Rentenbezugs wählt. Ihn ausschließlich auf die Abfindung zu verweisen, geht jedoch nicht an. BVerfGE 12, 180 (190); 17, 210 (220); s. a. BVerfGE 21, 75 (78). s. o. 4. Kap., sub 212.5. 18 s. o. 24. Kap., sub 13. 19 Vgl. Krause - Ruland, ZSR 1969, 260 (270): "Der Eheschluß verändert das Risiko der Erwerbsminderung und des Alters nicht. Daher kann auch der eigene Rentenanspruch durch ihn nicht berührt werden". 16 17

25. Kap.: Sozialleistungen und Privatsphäre

381

Dieses Ergebnis hat zwar nach geltendem Recht zur Folge, daß eine junge Witwe, die sich wiederverheiratet, einen Unterhaltsanspruch gegen den neuen Ehegatten hat, außerdem arbeiten gehen und Einkommen erzielen kann und schließlich noch Rente bezieht. Diese übersicherung hat aber ihre Ursache in der "unbedingten" Witwenrente, die unabhängig von jedem konkreten Bedarf gewährt wird. Stellt auch die Hinterbliebenenrente einen Teil des erdienten "Lebensrückblicks" und zwar des Hinterbliebenen dar 20 , dann ist es nicht nur geboten sondern auch sinnvoll, dem Hinterbliebenen diese Rente trotz einer Wiederheirat dann zu geben, wenn er alt oder invalide ist. Kumulationen von eigenen und fremden Zurechnungs- und Ausfallzeiten könnten durch Anrechnungsvorschriften ausgeräumt werden. Da sich die im geltenden Recht ergebenden übersicherungen ausräumen lassen, sind auch sie kein Grund, die Hinterbliebenenleistungen bei Wiederheirat wegfallen zu lassen. Die hier vertretene Auffassung, wonach die von dem Hinterbliebenen kraft Zugewinns miterdienten Leistungen bei Wiederheirat nicht wegfallen dürfen, gilt aber nur für die Fälle, in denen die Leistungen auch dem Zugewinnausgleich unterfallen. Das ist der Fall bei allen Vorsorgeleistungen und bei den Entschädigungsleistungen, die einen schädigungsbedingten Nachteil an Vorsorge ausgleichen sollen. Sie trifft jedoch nicht für den Fall zu, daß die unterhaltsberechtigte frühere Ehefrau eine Entschädigungsleistung dafür erhält, daß ihr ihr früherer, von einer Schädigung betroffener Ehemann keinen Unterhalt mehr leistet. Diese Leistung hat Unterhaltsersatzfunktion. Ihr Wegfall bei Wiederheirat ist analog der unterhaltsrechtlichen Regelung gerechtfertigt.

112 Der Wegfall der Sozialleistungen bei Heirat der Waisen Die Antwort auf die Frage, ob differenzierende Heiratswegfallklauseln zu ungunsten der Waisen gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen, kann nicht mit den gleichen Argumenten gefunden werden, da diese Hinterbliebenenleistungen keinen "Zugewinn" darstellen sondern in der Tat echte Unterhaltsersatzfunktion haben. Differenzierende Heiratswegfallklauseln bei Leistungen an Waisen, wie sie hier befürwortet wurden, führen zu einer konsequenten Gleichsetzung von Unterhalt und Unterhaltsersatz. Die durch sie hervorgerufene unterschiedliche Behandlung von verheirateten und ledigen Waisen entspricht und rechtfertigt sich aus der unterhaltsrechtlichen Regelung, wonach der Ehegatte primär vor den nur subsidiär haftenden Eltern zum Unterhalt verpflichtet ist. Ein Verstoß dieser dem Vorrang der Ehegemeinschaft 20

s. o. 24. Kap., Text zu 79-84.

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IH. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

vor der Verwandtschaft Rechnung tragenden unterhaltsrechtlichen Regelung gegen das Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG, an die Eingehung einer Ehe keine nachteiligen Folgen zu knüpfen, ist - soweit erkennbar noch nicht behauptet worden21 • 12 Der Unterhaltsverzicht

Nach bürgerlichem Recht können die Ehegatten über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung der Ehe Vereinbarungen treffen (§ 72 Satz 1 EheG). Auch ein Unterhaltsverzicht ist möglich. Eine solche Vereinbarung vor Rechtskraft des Urteils ist nicht schon deshalb nichtig, weil sie die Scheidung erleichtert oder ermöglicht (§ 72 Satz 2 EheG). Der Unterhaltsverzicht wird subsidiär-familien abhängigen Sozialleistungen gegenüber - wie oben gezeigt wurde 22 - verschieden behandelt, je nachdem, um was für ein Sozialleistungssystem es sich handelt. Im Sozialhilferecht schafft er nach der wohl herrschenden Meinung eine unterhaltsrechtliche Position, an die auch die Sozialhilfeträger gebunden sind. Nur dann, wenn er ausschließlich oder überwiegend in der Absicht vereinbart worden ist, die Unterhaltslast von dem Ehegatten auf den Sozialhilfeträger abzuwälzen, soll er wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein. Im Sozialversicherungsrecht herrscht Einmütigkeit darüber, daß der Unterhaltsverzicht gegenüber dem Anspruch auf wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente unbeachtlich ist. Im Beamten- und im Verfolgtenversorgungsrecht werden Unterhaltsansprüche, auf die verzichtet wurde, grundsätzlich nicht auf die wiederaufgelebte Hinterbliebenenleistung angerechnet. Im Kriegsopferversorgungsrecht erfolgt gern. § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG eine solche Anrechnung nur dann nicht, wenn der Unterhaltsverzicht aus "verständigem Grunde" vereinbart wurde, wobei aber die Rechtsprechung den Begriff des "verständigen Grundes" wieder sehr eingeengt hat. Allein schon die Unterschiedlichkeit der gefundenen Lösungen provoziert im Hinblick auf die gleiche Sach- und Interessenlage Kritik. Ihr werden die meisten Lösungen auch nicht gerecht. Zu bemerken ist jedoch, daß sich das Problem des Wiederauflebens der Leistungen bei Unterhaltsverzicht nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung, wonach die Hinterbliebenenleistungen überhaupt nicht erst bei Wiederheirat wegfallen dürfen, nur dann stellt, wenn sie nicht miterdient sind, z. B. wenn die unterhaltsberechtigte frühere Ehefrau eine Entschädigungsleistung dafür erhält, daß ihr ihr früherer, von einer Schädigung betroffener Ehemann keinen Unterhalt mehr 21 22

Vgl. zum Vorstehenden bereits Ruland, FamRZ 1970, 467 (468). s. o. 6. Kap., sub 91.

25. Kap.: Sozialleistungen und Privatsphäre

383

leistet. Dennoch soll das Problem grundsätzlich angegangen werden. Dies kann nur von der Sach- und Interessenstruktur her erfolgen. Die Mißbrauchsmöglichkeit, die ein Unterhaltsverzicht bietet, liegt auf der Hand. Der Unterhaltspflichtige könnte im Einvernehmen mit dem Unterhaltsberechtigten seine Leistungspflicht auf den Sozialleistungsträger abwälzen. Der Unterhaltsverzicht kann daher zu Lasten des Sozialleistungsträgers gehen und widerspricht dessen fiskalischen Interessen und nicht zuletzt auch der gesetzlich festgelegten grundsätzlichen Rangfolge der Leistungen. Dem stehen jedoch Interessen der (ehemaligen) Ehegatten gegenüber 23 • Diesen ist - trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes24 - eine weitgehende Möglichkeit eingeräumt, den Ablauf des Scheidungsprozesses zu bestimmen. Sie können den Antrag auf einen von mehreren Scheidungsgründen stützen und die übrigen Gründe nicht zur Sprache bringen25 ; dies ist selbst dann zulässig, wenn dadurch der Schuldausspruch unrichtig wird26 • Damit bestimmen die Ehegatten den Prozeßstoff. Sie können - wenn sie wollen - die Scheidung, wenn ein Scheidungsgrund vorliegt, weitgehend einverständlich gestalten. Der Scheidungsstreit soll nicht in einer haßvollen Atmosphäre durchgeführt werden, die die Beziehung der Ehegatten weiter belastet. Diese haben ein Interesse daran, daß bestimmte Eheverfehlungen nicht an die Öffentlichkeit geraten, dort "durchgesprochen" werden oder bzw. und sich beruflich und gesellschaftlich nachteilig auswirken2.7 • All dies kommt letztlich auch ihren Kindern zu Gute. Da der Scheidungsprozeß sehr häufig an Unterhaltsfragen sich zu einem "Streit" entzündet, liegt es im Interesse der Ehegatten, diese Fragen einverständlich zu lösen; und diese Lösung ist in einigen Fällen der Unterhaltsverzicht. Er kann der Schlüssel zu immateriellen Zugeständnissen des Ehepartners sein und daher insbesondere den persönlichen Interessen der Ehegatten entsprechen28 • Diesem höchstpersönlichen Interesse der Ehegatten die gesetzlich nur dem Grundsatze nach festgelegte Rangfolge der Leistungen und das fiskalische Interesse der Sozialleistungsträger grundsätzlich überzuord23 2(

25

Ausführlich hierzu Reinhardt, S. 121 ff. §§ 617, 622 ZPO. BGHZ 28, 45 (50 f.); BGH, NJW 1964, 1073 (1074); BSG, FamRZ 1969, 539

(541).

RGZ 168, 269 (275). Vgl. Bayer. LSG, Breith. 1967, 579: "Es kann den Parteien im Scheidungsverfahren nicht zugemutet werden, sich - etwa im Interesse Dritter - gegenseitig über Gebühr zu belasten". 28 Sollte im Scheidungsrecht das Schuldprinzip durch das Zerrüttungsprinzip ersetzt werden, dann werden diese Interessen vielfach an Bedeutung verlieren. 2ft

27

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111. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

nen, wie es häufig vertreten wird29 , erscheint jedoch verfehlt. Das fiskalische Interesse ist - so war festgestellt worden30 - ein sachfremdes Argument in unterhaltsrechtlichen Fragen. Das gilt dem Grundsatze nach nicht nur für die gesetzgeberische Ausgestaltung, sondern auch im Hinblick auf die grundsätzliche gegebene Zulässigkeit privater Ausgestaltung der Unterhaltsbeziehungen. Verfassungsrechtlich zulässige Handlungen, die den höchstpersönlichen Bereich des einzelnen gestalten, muß das Sozialleistungsrecht grundsätzlich auch dann respektieren, wenn sie im Einzelfall zu einer Abänderung der Grenze zwischen Unterhalt und Sozialleistungen führen. Fiskalische Interessen rechtfertigen keinen Eingriff in höchstpersönliche Verhältnisse der Ehegatten, rechtfertigen daher auch keine grundsätzliche Unbeachtlichkeit des Unter haItsverzich ts. Eine andere Auffassung würde ein zutiefst unsoziales Recht schaffen, denn sie würde im Ergebnis den Begüterten die Wahrung ihrer Intimsphäre im Scheidungsrecht erlauben, während die Ärmeren zur rücksichtslosen Prozeßführung gezwungen WÜrden31 • Der Unterhaltsverzicht schafft daher grundsätzlich eine unterhaltsrechtliche Position, an die die Sozialleistungsträger gebunden sind. Diese Grundsätze haben bisher nur für das Verhältnis Unterhaltsverzicht und Sozialhilfe Geltung erlangt. Im Beamtenversorgungsrecht wird die Nichtanrechnung der Unterhaltsansprüche, auf die verzichtet wurde, damit begründet, daß der (ehemals) Hinterbliebene selbst dann, wenn die Ehegatten eigens zu diesem Zweck die Scheidung betrieben habens2 , wiederaufgelebtes Hinterbliebenengeld erhalte. Das wiederum wird daraus gefolgert, daß das Wiederaufleben des Hinterbliebenengeldes - anders als im Sozialversicherungsrecht - von dem Verschulden bei Auflösung der zweiten Ehe unabhängig istss • Die sozialversicherungsrechtliche Lösung der Anrechnung dieser Unterhaltsansprüche 34 wird damit begründet, daß es dem Sinn z. B. des § 1291 Abs. 2 RVO widerspräche, "wenn die ,Witwe' selbst eine Versors. o. 6. Kap., Anm. 144. s. o. 16. Kap., Text zu Anm. 15-16. 31 Vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1955, 293 (294); Brühl, Unterhaltsrecht, S. 252; Empfehlungen, S. 43; Gernhuber, Familienrecht, S. 235; abzulehnen daher BGHZ 20, 127 (134): ,,§ 72 EheG gewährt nicht jedem - notfalls auf Kosten der Allgemeinheit - ein unveräußerliches Recht auf eine Ermöglichung oder Erleichterung der Scheidung seiner Ehe"; ebenso BSGE 21, 279 (281); Riedel, ZfF 1960, 3 (4). 32 So BVerwGE 31, 197; 11, 350. 33 Vgl. §§ 88 Abs. 3 BRRG; 164 Abs. 3 BBG; 59 Abs. 3 SVG; 23 BEG. 34 Zu weit gehend jedenfalls Stoetzner, SGb 1962, 107 (109). Ihm zufolge soll auch in der gehobenen sozialen Sicherung der Unterhaltsverzicht, der durch das zu erwartende Wiederaufleben der Rente motiviert wurde, sittenwidrig und nichtig sein. Diese Lösung schießt jedoch, da die Sittenwidrigkeit auch gegenüber dem Verzichtsempfänger wirken würde, über die ihr gesetzte 29

30

25. Kap.: Sozialleistungen und Privatsphäre

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gungslücke schaffen und auf diese Weise die vom Gesetzgeber vorgesehene ,Rangfolge' der für ihre Versorgung heranzuziehenden Ansprüche umstoßen" könne. "Ein solches Verhalten der Witwe" dürfe "nicht durch Gewährung einer ungekürzten Witwenrente ,honoriert' werden"35. Diese Auffassung, so heißt es, stehe auch nicht im Widerspruch zu den Erwägungen, aus denen heraus § 72 EheG Unterhaltsvereinbarungen zulasse, denn "die Witwe wird nicht schlechter gestellt als andere Frauen, die keine Anwartschaft auf eine wiederaufgelebte Witwenrente haben; sie wird vielmehr genau so behandelt, wenn sie wie jene - die Folgen eines Unterhaltsverzichts selbst tragen muß"36. Außerdem habe der Unterhaltsverzicht möglicherweise einen Scheidungsausgang (z. B. den Schuldausspruch zu Lasten der Frau) verhindert, bei dem die Witwe nach dem EheG gar keinen Unterhaltsanspruch und damit auch keinen Anspruch auf wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente gehabt hätte 37 . Diese Argumentation widerspricht aber der in § 44 Abs. 5 Satz 2 BVa gefundenen gesetzlichen Lösung des Problems, nach der ein "aus verständigem Grund" erklärter Unterhaltsverzicht beachtlich ist. Dies ist nach dem oben Ausgeführten dahin zu verstehen, daß das finanzielle Interesse des Sozialleistungsträgers der Respektierung nur solcher Unterhaltsverzichte entgegensteht, die ausschließlich dem Zweck dienen sollen, den an sich unterhaltspflichtigen früheren Ehegatten von seiner Verpflichtung auf Kosten des Sozialleistungsträgers zu entbinden. Ein solcher Unterhaltsverzicht ist dem Sozialleistungsträger gegenüber unbeachtlich38 , mit der Folge, daß der Unterhaltsbetrag, der an sich hätte geleistet werden müssen, auf die wiederaufgelebte Rente angerechnet wird. Erfolgt der Unterhaltsverzicht aus anderen Gründen, also insbesondere um eine Konventionalscheidung zu ermöglichen, dann ist er aus einem "verständigen Grund" erfolgt und damit von dem Sozialleistungsträger zu respektieren. Die aus erster Ehe stammende Hinterbliebenensicherung lebt nach Auflösung der weiteren Ehe voll wieder auf, ohne daß ein Unterhalts anspruch angerechnet wird. Damit wäre zumindest für Sozialhilfe und Sozialversicherung - eine einheitliche Lösung des gleichen Problems gefunden. Aufgabe hinaus, eine Interessenkollision zwischen dem Sozialleistungsträger und dem auf Unterhalt Verzichtenden zu beseitigen. Der Interessenkollision trägt eine Anrechnung des Unterhalts trotz des Unterhaltsverzichts hinreichend Rechnung. 35 BSGE 21, 279 (281). 38 BSG, ebd.; Bei dieser Argumentation wird jedoch Ungleiches gleich behandelt. Die eine Frau hat eine Anwartschaft auf Rente, die andere nicht. Kraß formuliert: Man kann einem Beamten nicht die Pension absprechen mit der Begründung, andere bekämen auch keine. 87 Hierzu auch BSG, FamRZ 1969, 539 (541). 38 Ebenso He/eIe - Schmidt, Art. 177 Anm. 13 b, S. 387. 25 Ruland

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III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

Jedoch auch diese Lösung kann nicht voll befriedigen. Die Ehegatten können durch einen manipulierten Ausgang des Scheidungsprozesses das Entstehen eines Unterhaltsanspruches überhaupt verhindern39 • Dies führt im Beamten- und im Sozialhilferecht zur Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers, denn dieser ist an das Urteil gebunden 40 • Die Ehegatten könnten also durch eine Verlagerung der Scheidungsschuld von dem einen Gatten zum andern die Rangfolge zwischen Unterhalt und Sozialleistung vereiteln41 . Zum andern kann die Lösung deshalb nicht befriedigen, weil bei der Nachprüfung, ob ein "verständiger Grund" zu dem Unterhaltsverzicht geführt hat, gerade die Umstände aufgerollt werden müßten, die nicht nach außen dringen zu lassen, Zweck des Unterhaltsverzichtes war. Das würde den Sozialbehörden "die ihnen wesensfremde Aufgabe aufnötigen, in der privaten Lebenssphäre der Eheleute Ermittlungen anzustellen"42. Will man dieser Konsequenz ausweichen, dann müßte schon die Behauptung des Ehegatten genügen, ihn habe ein "verständiger Grund" zu dem Unterhaltsverzicht bewogen. Dann sollte man aber lieber schon gleich, unter bewußter Inkaufnahme der Mißbrauchsmöglichkeit, von der Beachtlichkeit jedes UnterhaItsverzichts ausgehen. Solange man den "gordischen Knoten", zu dem sich Unterhalt und Achtung der Intimsphäre einerseits und Nachrang der Sozialleistung und fiskalische Interessen andererseits in dieser Frage verwickelt haben, nicht mit dieser drastischen Lösung durchschlagen will, solange sollte man ihn zumindest generell in der Weise aufzuknoten versuchen, die in § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG schon eine gesetzliche Sanktionierung gefunden hat, ohne allerdings dabei durch allzu enge Auslegung des Begriffs "verständiger Grund" die beachtlichen Privatinteressen zu kurz kommen zu lassen. 2 Einwirkung durch Gewährung von Sozialleistungen Zur Zulässigkeit eines "Kinderlastenausgleichs" Bei der Erörterung der Problematik der staatlichen Einwirkung auf höchstpersönliche Entscheidungen des einzelnen mittels Sozialleistungen sei auch auf Bedenken eingegangen, die gegenüber dem "Kinderlastenausgleich" erhoben wurden. So wurde geltend gemacht, über ihn werde, wenn auch versteckt, Populationspolitik betrieben. "Die Vgl. z. B. BVerwGE 11,350 (352 f.); BSG, FamRZ 1969, 539 (541). BSGE 27,256; ausführlich dazu o. 13. Kap., sub 321.3. 41 Im Sozialversicherurrgsrecht besteht diese Möglichkeit nicht, da die Renten nur dann wieder aufleben, wenn den Hinterbliebenen an der Auflösung dieser weiteren Ehe kein alleiniges oder überwiegendes Verschulden trifft. Kritisch hierzu 0.23. Kap., sub 222. 4! So in ähnlichem Zusammenhang BVerwG, NJW 1970, 441. a~

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25. Kap.: Sozialleistungen und Privatsphäre

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Kindergelder seien Kinderprämien und begünstigten diejenigen, die hemmungslos Kinder in die Welt setzten"43, ein Vorwurf der aus der Erinnerung an die übersteigerte 44 nationalsozialistische Bevölkerungspolitik gespeist wurde. Weiter wurde davor gewarnt, das Kindergeld zur "Kopfprämie" ausarten zu lassen45 . Ganz abgesehen davon, daß die Erfolgsaussichten einer mit einkommenssteigernden Mitteln betriebenen Bevölkerungspolitik ziemlich ungewiß sind46, kann wegen der oben festgestellten Unzulänglichkeit gegen den heutigen Familienlastenausgleich ein solcher Einwand ernstlich nicht erhoben werden. Aber auch wenn Bevölkerungspolitik nicht in so exzessiver Form betrieben wird, bleibt dennoch zu fragen, "ob es überhaupt angeht, daß man versucht, durch Politik systematisch auf die intimen Vorgänge Einfluß zu nehmen, die die Entwicklung der Bevölkerung bestimmen"47. Dieser Einwand trifft aber auch nur einen Aspekt des Kinderlastenausgleichs. Der andere Aspekt ist, ob der Staat es hinnehmen kann und darf, daß wirtschaftliche Nachteile, die die Unterhaltsbelastung durch Kinder mit sich bringt, in negativer Weise auf die Entscheidung der Ehegatten einwirkt, ob sie Kinder haben wollen oder nicht. Der Staat gewährt den Familien mit Kindern durch den Kinderlastenausgleich kein "Mehr" im Vergleich zu sonstigen Familien, er gleicht nur ihr "Weniger" aus. Deshalb ist es auch nicht richtig, daß er über den Kinderlastenausgleich in die private Sphäre der Familien eingreift, um sie in einer bestimmten Weise zu beeinflussen. Richtig ist vielmehr, daß der Staat der von dem Verfall ihres Lebensstandards bedrohten Familie die Entscheidung, ob sie die Aufzucht von Kindern auf sich nehmen will, soll oder kann, über den Kinderlastenausgleich wieder zu eröffnen sucht - eine Maßnahme, die sowohl das Gebot, Ehe und Familie zu fördern (Art. 6 Abs. 1 GG) als auch das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) erfordern.

Aus der Zusammenfassung dieser Kritik in der Sozialenquete, Nr. 871, Vgl. hierzu Nawiasky, II 1 S. 186; Schelsky, S. 33, 85. S.309. 45 Nawiasky, II 1 S. 186. 48 Ausführlich dazu Bünger, S. 105 ff. (122). 47 Schreiber, WaUraff, Bevölkerungspolitik, in: Herders Staatslexikon, 6. Aufl., Bd. 1, 1957, S. 1234. 43

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III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

26. Kapitel

Die Verteilung der Verantwortung zwischen Staat und Familie In dem letzten Kapitel der kritischen Betrachtung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit soll nun die in dem Gesamtsystem sozialer Sicherung erfolgte Verteilung der Verantwortung zwischen Staat und Familie gestreift werden, und zwar soll den Auswirkungen für die "Nehmens-" und "Gebensbetroffenen" nachgefragt werden. Kennzeichnend für das Gesamtsystem sozialer Sicherung ist die Konzentration der Verantwortung auf die Kernfamilie mit der die Vergesellschaftung der Altenversorgung Hand in Hand geht. Die staatliche Verantwortung beschränkt sich weitgehend auf die Organisation individueller gesetzlich vorgeschriebener oder vorgesehener Vorsorge. Dem Staat kommt überwiegend nur eine Speicher- und Verteilungsfunktion zu l • Nur dann, wenn er der Allgemeinheit zuzurechnende Opfer zu entschädigen hat oder wenn er als subsidiärer Ausfallbürge in Notsituationen eingreifen muß, handelt er in eigener Hilfsverantwortlichkeit. Der Staat hat im Vergleich zu früher, etwa zur sog. vorindustriellen Zeit, der Familie keine soziale Verantwortlichkeit entzogen - auch nicht durch die Vergesellschaftung der Altenversorgung -, er hat die Verantwortlichkeit innerhalb der Familie entsprechend dem Wandel von der Groß- zur Kernfamilie verlagert.

1 Die Vergesellschaftung der Altenversorgung Vergleicht man die heutige sozialrechtliche Bewältigung des Problems der Altenversorgung mit der im Unterhaltssystem erzielten Lösung, so ist zunächst festzustellen, daß die grundsätzliche Methode die gleiche ist. Nach Mackenroth kann es auch gar nicht anders sein2 • Die inzwischen erwerbstätig gewordenen Kinder unterhalten ihre aus dem Produktionsprozeß ausgeschiedenen Eltern. Diese sind von der Produktivität ihrer Kinder abhängig; die verschiedene Stärke der Generationen führt zu unterschiedlichen Belastungen der jeweils nachfolgenden Generation. Geändert haben sich die Partner der Umverteilung. Sie vollzieht sich nicht mehr im innerfamiliären Rahmen. Es sind nicht mehr der einzelne Vater oder die einzelne Mutter, die von ihren jeweiligen Kindern unterhalten werden. Die Umverteilung zwischen den Erwerbstätigen und den Alten vollzieht sich heute nicht mehr im familiären, unterhaltsrechtlichen Bereich, sondern über die einzelnen AI1 2

Vgl. Zacher, DöV 1970, 1 (2). s. o. 4. Kap., Text zu Anm. 103.

26. Kap.: Staat und Familie - Verteilung der Verantwortung

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terssicherungssysteme als gesamtgesellschaftliche Umverteilung. Ihre Partner sind jeweils die Generation der Kinder und die ihrer Eltern3 • Damit sind wesentliche Verbesserungen in der Versorgung der Alten gewonnen worden. Das "Ob" ihrer Sicherung hängt nicht mehr nur von der Produktivität der jeweiligen Kinder ab, sondern von der Produktivität der gesamten nachfolgenden Generation. Infolgedessen sind die zufälligen Benachteiligungen oder Begünstigungen weggefallen, die sich aus dem frühzeitigen Versterben eines der Partner der Unterhaltsbeziehung ergaben. Der Sohn, der früh seine Eltern verliert, hat heute die Eltern der anderen mitzuunterhalten; die Eltern, deren Kind umkommt, werden heute von den Kindern anderer Eltern mitunterhalten. Die Sicherung der Alten wird gewährleistet durch die Gewißheit der Kontinuität des Volksdaseins 4 und der Kontinuität der Existenz - nicht so sehr des Ausmaßes - einer gesellschaftlichen Produktivität. Auch das "Wie" der Sicherung der Alten hat sich verbessert. Die Leistung im Alter bemißt sich, obwohl sie aufgrund ihrer Abhängigkeit von der jeweiligen Produktivität als "Unterhalt" der nachfolgenden erwerbstätigen Generation angesehen werden kann, auch nach der Lebensleistung des einzelnen5 • Er kann durch sie die ihm zugedachte Sozialleistung weitgehend selbst bestimmen. Gerade diese Veränderung hat einen wesentlichen "moralischen Kern"6. Sie ist aber auch ein Anreiz zur Leistung. Demgegenüber ist die unterhaltsrechtlich gewährleistete Sicherung, wie oben festgestellt wurde 7, ausschließlich eine Funktion fremder Leistung. Die Ausgestaltung der Sicherung ist weiter dadurch verbessert worden, daß durch die Dynamisierung der Renten auch die Alten an der gesellschaftlichen Entwicklung teilnehmen, was nur im Rahmen staatlicher sozialer Sicherungssysteme - nicht aber im Unterhaltsrecht gewährleistet ist8 • Die Sicherung ist anonym geworden9 • Doch auch dies entspricht dem Streben der Alten nach Selbständigkeit, da sie die Hilfe ihrer Kinder als unangenehme Beanspruchung ansehen10 • Die Sicherung hat, weil der Anspruch auf sie sich nicht mehr gegen eine Person richtet und deren Lebensstandard möglicherweise mindert, den Beigeschmack des Almosens verloren. Sie wird als das angesehen, was sie auch ist: als ein durch eine Vorleistung wohl erworbenes Recht. 3 Ausführlich o. 17. Kap., sub 1. 4 Schreiber, Existenzsicherheit (11), S. 89.

5 Im Beamtenversorgungsrecht bemißt sich die Sozialleistung nach dem zuletzt erzielten Gehalt, im Versorgungsrecht nach dem insgesamt erzielten Einkommen (vgl. hierzu Liefmann-Keil, Altersvorsorge, S. 57 ff.). e Achinger, Soziale Sicherheit, S. 116. 7 s. o. 1. Kap., sub 23. 8 s. Rytfet, Der Staat Bd. 9, 1 (13). g Ebd. S. 4, 10. 10 s. 0.1. Kap., Text zu Anm. 14 und 15.

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III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

Im Gegensatz zum Unterhaltsrecht ist, weil die Basis der Sicherung durch ihre Verlagerung auf eine gesamte Generation eine unvergleich',bare Verfestigung erfahren hat, die soziale Sicherung in ihrem "Ob" und - wenn auch nicht in dem Ausmaß - in ihrem "Wie" voraussehbar geworden. Sie hat der Angst vor dem Alter die Ungewißheit um die dann gegebene wirtschaftliche Situation weitgehend genommen. 2 Die Unterhaltspflicht gegenüber Aszendenten

Die Vergesellschaftung der Altenversorgung läßt die Frage aufkommen, ob und inwieweit heute die Unterhaltspflicht gegenüber Aszendenten noch gerechtfertigt ist. Sie ist bereits durch die Einführung der neuen - außerfamiliären - Formen sozialer Sicherung fast völlig ausgehöhlt. Nur etwa 5 Ofo der Alten einer durchschnittlichen Großstadt beziehen noch, wie bereits berichtetl1 , von ihren Kindern Unterhaltsbeiträge. Dieser Prozentsatz ist jedoch noch verhältnismäßig hoch. Das beruht im wesentlichen darauf, daß das System sozialer Sicherung zu der Zeit, als die jetzigen Alten berufstätig waren, noch nicht so viele Personenkreise umschloß wie es heute der Fall ist und daß gerade die von der sozialen Sicherung nicht erfaßten Personenkreise von der durch den 2. Weltkrieg ausgelösten wirtschaftlichen Katastrophe besonders hart getroffen wurden. Ihr Verlust an Sachwerten war gleichzeitig der Verlust ihrer Sicherung. Die Frage nach der Beibehaltung dieser Unterhaltspflicht stellt sich deshalb, weil sich heute der Ausgleich zwischen den drei Generationen in der ersten Phase (Eltern-Kind-Verhältnis) über den Unterhalt und in der zweiten Phase (Kindergeneration-Elterngeneration) über die sozialen Alterssicherungssysteme vollzieht. Jeder erhält zweimal Leistungen und jeder hat zweimal Leistungen zu gewähren12 • Diese Symmetrie zwischen Geben und Nehmen wird gestört, wenn als dritte Leistung noch familiärer Unterhalt an die Eltern zu gewähren ist. Der betroffene Unterhaltspflichtige müßte seiner Eltern-Generation zweimal leisten: einmal zugunsten der gesamten ElterngeneratiQn in Form z. B. des Sozialversicherungsbeitrages, zum andern speziell seinen Eltern in Form des familiären Unterhalts. Die Unterhaltspflicht den Eltern gegenüber kann heute daher auch nicht mehr damit gerechtfertigt werden, daß im Unterhaltsrecht ein ausgleichender Kreislauf herrsche, denn dieser ist in der Wirklichkeit schon fast völlig zum Erliegen gekommen. Das, was die Eltern ihren Kindern gewährt haben, haben sie selbst in ihrer Jugend als - wie Schreiber es nennt13 - "Darlehen" 11

l!

13

s. o. 1. Kap., Text zu Anm. 10. Kinderlose werden zum Familienlastenausgleich herangezogen. Schreiber, Kindergeld, S. 23.

26. Kap.: staat und Familie - Verteilung der Verantwortung

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erhalten, das sie mit der Unterhaltsleistung an ihre Kinder "zurückzahlen". Fichtner14 hat daher zu erwägen gegeben, "ob die wirtschaftliche Grundsicherung aller Bürger nicht durch einen Verzicht auf den Vorrang der einfachen15 Unterhaltspflicht in der Sozialhilfe erreicht werden kann. Schon heute entfällt ... die Versorgung der ersten Generation durch die zweite weitgehend. Die Angehörigen der zweiten Generation haben so gut wie keinen Einfluß darauf, ob just ihre Verwandten in der ersten Generation zur übergroßen Mehrzahl der im Alter Gesicherten oder zur kleinen Minderheit der Unterhaltsbedürftigen zählen werden. Die Unterhaltspflicht konkretisiert sich für den einzelnen unbeeinflußbar, unvorhersehbar und willkürlich. Unter der Voraussetzung einer Beibehaltung des Kindergeldes, ... , einer Ausdehnung der Versicherungspflicht auf alle Berufsgruppen und einer Einbeziehung der Familienangehörigen ... würde ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Rückwirkung auf allgemein Unterhaltsverpflichtete ... eine Koordinierung der ... Alterssicherungen ... erleichtern." Der Vorschlag SchefflerslG geht nicht soweit. Er meint: "Es würde ... aber zu Recht der Entwicklung der öffentlichen Meinung Rechnung getragen, wenn die Unterhaltsverpflichtung von Großeltern, Enkeln und entfernteren, nach bürgerlichem Recht unterhaltspflichtigen Verwandten für das Fürsorgerecht aufgelockert würde 17 ." Dieser Gedanke ist bei der Diskussion um eine neuerliche Reform des BSHG aufgegriffen worden18 •

Entsprechendes gilt für die (einfache) Unterhaltspflicht der Großeltern ihren Enkeln gegenüber. Wenn Großeltern solche Unterhaltsleistungen zu erbringen haben, dann bedeutet dies, daß sie im Ausgleich zwischen den (drei) Generationen statt zwei Leistungen - dem Unterhalt ihrer Kinder und den Sozialversicherungsbeiträgen - drei Leistungen zu erbringen haben, denen nur zwei empfangene Leistungen gegenüber stehen. Die Symmetrie zwischen Geben und Nehmen ist auch hier gestört. Die Mehrbelastung der Großeltern scheint ebenso ZSR 1967, 385 (391); vgl. auch Fichtncr, Forderungen, S. 42. Sperrung nicht im Original. 18 Neuordnung S. 24. 17 s. a. Mayer, S. 289: "Wenn wir heute feststellen können, daß Spannungen auf unterhalts rechtlichem Gebiet in aller Regel nicht auf das Generationsproblem zurückzuführen sind ... , so ist dies neben dem weitreichenden System sozialer Sicherungen nicht zuletzt Folge einer Fürsorgepraxis, die den veränderten soziologischen Verhältnissen Rechnung tragend die Unterhaltspflicht des BGB aufgelockert und damit vor allem der jungen Generation die Unterhaltslast weitgehend abgenommen hat". 18 Vgl. Gossrau, Aktuelle Aufgaben der Abteilung Sozialwesen im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, NDV 1971, 7 (10); Kritisch: Kalt, S. 338 ff. 14 15

392

III. 2. Abschn.: Kritische Betrachtung der Beziehungen

unbillig wie die Mehrbelastung der Kinder durch Unterhaltsleistungen an ihre Eltern. Die Forderung nach einer Minderung dieser Unterhaltspflicht ist in Wirklichkeit nur halb so "revolutionär" wie sie sich anhört, denn schon heute wird der materielle Unterhalt der ganz überwiegenden Mehrzahl der Waisen durch die Sozialleistungen gedeckt. Die Unterhaltspflicht der Großeltern läuft also heute schon weitgehend ins Leere. Diese bei den Punkte zeigen, daß das Unterhaltsrecht durch die Herausbildung eines gesamtgesellschaftlichen Solidaritätsbewußtseins und eines umfangreichen Systems sozialer Sicherung revisionsbedürftig geworden ist19 • Das erfordert Änderungen im Unterhaltsrecht, die dieses den veränderten sozialen Verhältnissen und der veränderten Lebensform der Familie anpassen sollen. "Die Gesetzgebung einer beliebigen Zeit wird ... gut daran tun, bei Regelungen familienrechtlicher Fragen auf jener Lebensform der Familie aufzubauen, die gerade in der betreffenden Zeit vorherrschend ist20 ." Die strenge Konsequenz aus der gestörten Symmetrie zwischen "Geben" und "Nehmen" wäre die gänzliche Abschaffung der Unterhaltsbeziehungen zwischen Erwachsenen und ihren Eltern und zwischen Großeltern und ihren Enkeln. Eine solche gänzliche Abschaffung widerspräche aber dem allgemeinen Rechtsempfinden, nach dem sich die Unterhaltspflichten aus dem "Blutsband" und der "familiären Treuepflicht" ergeben21 • Die Richtigkeit dieser Ansicht kann zwar infolge der geschilderten Wandlungen bezweifelt werden. Das Rechtsempfinden als solches ist aber ein Faktum, das zumindest rechtspolitisch in Rechnung gestellt werden muß. Die Verweisung von Eltern vermögender Kinder auf die Sozialhilfe würde als unbillig empfunden werden, obwohl bei der Ausgestaltung der (heutigen) Sozialhilfe22 nicht zu befürchten ist, daß dem Bedürftigen durch die Aberkennung von Unterhaltsansprüchen die Mittel zu seiner Existenz entzogen würden23 • Insoweit a. A. Brühl, Generationen, S. 264. Sperl, JurBl. 1970, 225. U Vgl. BGHSt. 5, 106 (108); Becker, Die strafbare Verletzung der Unterhaltspflicht, NJW 1955, 1906; beide im Anschluß an Rietzsch, Die Verordnung zum Schutze von Ehe, Familie und Mutterschaft, DJ 1943, 228 (229); s. a. Mugdan, Bd. IV, S. 359 (677). lD

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22 Solange die Familie der einzige Träger sozialer Sicherung war, solange war es notwendig, den Einzugsbereich des familiären Unterhaltsverbandes großräumig zu fassen. Die Armenpflege zur Zeit der Kodifikation des BGB hatte diesen Zwang noch nicht beseitigt. So stellte die 2. Kommission fest, daß es "eine nicht zu rechtfertigende Härte" wäre, "den geschiedenen, geisteskranken Ehegatten etwa der öffentlichen Armenpflege anheimfallen zu lassen" (Mugdan, ebd. S. 928). Z8 Ganz ähnlich die amtliche Begr. des Nichtehelichen-Gesetzes zu § 1611 Abs. 1 S. 2 BGB, abgedruckt bei Jansen - Knöpfet, S. 165.

26. Kap.: sta'at und Familie - VerteUung der Verantwortung

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Die für notwendig gehaltenen Änderungen könnten jedoch zumindest darin bestehen, daß die heute ohnehin schon eingeschränkte Subsidiarität der Sozialhilfe gegenüber Leistungen nicht gesteigert unterhaltspflichtiger Angehöriger 24 aufgegeben würde 25 • Diese Lösung würde dazu führen, daß die nicht gesteigert Unterhaltspflichtigen nur die Differenz zwischen dem Unterhalts anspruch und der Leistung der Sozialhilfe aufzubringen hätten. Die Gesellschaft würde dann für das allgemeine Mindestmaß, der Unterhaltspflichtige für den individuellen Mehrbedarf des insoweit dann Unterhaltsberechtigten aufkommen. Diese Reduktion des Unterhaltsrechts entspräche nicht nur der Entwicklung zur Kernfamilie, sie käme dieser auch bei der Erfüllung ihrer Funktionen zustatten.

Nicht also des früheren Ehegatten! Im Anschluß an den zitierten Gedanken von Fichtner, ZSR 1967, 385 (391) und Fichtner, Forderungen, S. 42. !4

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Dritter Abschnitt

Vorschläge zur Reform Die Ausgestaltung der Beziehungen zwischen familiärem Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit hat bei ihrer überprüfung in vielen Fällen Kritik erfahren. Diese hat sich jedoch nur in zwei Fällen an den Grundsätzen entzündet, nach denen diese Beziehungen ausgestaltet wurden. Es wurde festgestellt, daß die Sicherung des nicht erwerbstätigen (oder weniger verdienenden) Ehegatten wegen ihrer Konzeption als "Unterhaltsersatz" weder effektiv ist noch die Gleichheit von Mann und Frau realisieren kann. Der Familienlastenausgleich, der im geltenden Recht bereits bei kinderlosen Ehepaaren einsetzt, verfehlt seine eigentliche Aufgabe, zwischen Kinderreichen und Kinderarmen bzw. Kinderlosen auszugleichen. In diesen beiden Fällen erscheinen grundsätzliche Änderungen erforderlich - Änderungen, die an dem System und nicht nur an seiner Ausgestaltung einsetzen. Die übrigen Ansatzpunkte der Kritik lassen sich systemimmanent, also durch Korrekturen der Ausgestaltung des Systems ausräumen. So bereitet es z. B. keine großen Schwierigkeiten, die Stief- und Pflegekinder auch im Beamtenversorgungsrecht zu berücksichtigen. Eine Aufhebung der Familienabhängigkeit der Sozialhilfe gegenüber Unterhaltsleistungen nicht gesteigert Unterhaltspflichtiger wäre ebenfalls nur eine punktuelle Änderung des Unterhaltsrechts. Höhere Freibeträge im Ausbildungsförderungs- und im Arbeitslosenhilferecht würden die dort konstatierten Lücken zwischen familiärer und sozialer Sicherung schließen. Die Einführung der auch in dieser Arbeit geforderten differenzierenden Heiratswegfallklauseln im Waisenrenten(-geld-) und im Kindergeldrecht würde die Ungleichbehandlung der Waisen gegenüber Nicht-Waisen beenden. Der nun nachfolgende dritte Abschnitt soll sich daher nur mit den für erforderlich gehaltenen grundsätzlichen Reformen befassen: der Reform der Sicherung des nicht erwerbstätigen Ehegatten und der des Familienlastenausgleichs.

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

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27. Kapitel

Die Reform der Sicherung der Ehegatten 1 Aufgaben der Reform Die Aufgaben, die der Reform der Sicherung des nicht erwerbstätigen Ehegatten gestellt sind, lassen sich aus der Kritik ableiten, die an der heutigen Ausgestaltung dieser Sicherung geübt wurde. Mit der Reform sollten folgende Postulate verwirklicht werden: -

Die Sicherung des Ehegatten soll entsprechend seiner "sozialen Biographie"1 erfolgen. Das besagt, die Lebensphasen, in denen z. B. die Frau erwerbstätig war, und die, in denen sie sich auf den Haushalt zurückgezogen hatte, müssen in eine einheitliche Sicherung münden.

-

Die notwendige Reform muß der Gleichheit von Mann und Frau Rechnung tragen. Das gilt sowohl im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod als auch durch Scheidung (s. unten). Die Ungleichbehandlung von Witwe und Witwer muß beseitigt werden. Die gleichheitsgemäße Ausgestaltung der Sicherung von Witwe und Witwer darf aber nicht zur Folge haben, daß die bei der Sicherung der Witwe anzutreffenden übersicherungen durch übertragung auf die des Witwers potenziert werden. Das kann nur bedeuten, daß die unbedingte Witwensicherung wegfällt. Dieser Wegfall ist der "Preis der Gleichberechtigung"2.

-

Die Ehegatten sollen, was ihre Sozialleistungsansprüche insgesamt angeht, durch die Scheidung nicht benachteiligt werden. Der Schuldausspruch im Falle der Scheidung darf z. B. nicht dazu führen, daß, um an den ersten Punkt anzuknüpfen, ganze Phasen der "sozialen Biographie der Frau gelöscht werden"3.

-

Der Gedanke des Zugewinnausgleichs muß auch auf sozialrechtliche Leistungsansprüche ausgedehnt werden, soweit diese während der Dauer der Ehe entstanden sind.

-

Damit soll der durch die Scheidung ausgesprochenen Trennung der Ehegatten Rechnung getragen und ihre soziale Sicherung ab dem Zeitpunkt der Scheidung von einander unabhängig gestaltet werden.

Bei der notwendigen Reform dürfen aber folgende grundsätzliche Ziele der gehobenen sozialen Sicherung nicht aufgegeben werden: -

Sie soll weiter eine Lebensstandardssicherung sein, 1 !

3

Ausdruck von Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 19. Ebd. S. 0 25. Ausdruck von Zacher, ebd. S. 0 20.

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III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

-

sie soll weder unter- noch übersichern, insbesondere kein Risiko doppelt abdecken,

-

sie soll von einer Bedürftigkeitsprüfung völlig unabhängig sein.

Die Reform darf desweiteren insbesondere folgende Realitäten nicht außer acht lassen: -

Solange die Ehe besteht, wirtschaften die Ehegatten aus einem Topf. Dieser Topf wird, ist nur ein Ehegatte erwerbstätig, durch dessen Einkommen gespeist. Es wird weder von der Gleichheit von Mann und Frau gefordert noch verträgt es sich mit der Funktion der Sozialleistungen als Einkommensersatz, hieran etwas zu ändern, wenn dem Ehegatten statt Arbeitseinkommen sein erdientes Sozialeinkommen zufließt. Der Gleichheitssatz erfordert nur die Beteiligung des anderen Ehegatten an dem "Sozialvermögen" im Falle der Auflösung der Ehe.

-

Eine weitere Realität ist, daß mit den Beiträgen der Versicherten auch die Sicherung der Hinterbliebenen finanziert wird4 • Die auch von dem BVerfG aufgestellte Behauptung, gerade die Hinterbliebenensicherung werde durch die Staatszuschüsse finanziert, ist unrichtig5 • Da in der Rentenversicherung der Anteil der Renten an den hinterbliebenen Ehegatten etwa ein Drittel der gesamten Rentenbelastung ausmacht6 , kann man sagen, daß mit den Beiträgen neben dem Guthaben in Form des jeweils eigenen Rentenanspruchs des unmittelbar Gesicherten auch noch ein Guthaben in Form des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente zugunsten des überlebenden Ehegatten erworben wurde, dessen Wert etwa halb so hoch ist, wie der des Rentenanspruchs des unmittelbar Gesicherten7 •

-

Eine weitere Realität ist das bestehende Recht. Änderungen haben sich ihm möglichst anzupassen, um seiner Systematik (im übrigen) gerecht zu werden und um eine Flut diffizilster übergangsregelungen zu vermeiden. 2 Die Vorschläge zur Reform

Im Zusammenhang mit der Scheidungsreform steht die Reform der Sicherung des nicht erwerbstätigen Ehegatten im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Dieser Zusammenhang führt aber, das sei hier bereits kritisch angemerkt, häufig zu einer Verkürzung des Problems, s. o. 4. Kap., sub 212.5. Hierzu o. 4. Kap., Text nach Anm. 119. 8 Vgl. den Sachverständigen Heubeck, in: Protokolle der 37. und 38. Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik, S. 6 C. 7 Krause - Ruland, ZSR 1969, 260 (267); so nun auch H. Bogs, Eherecht und Sozialversicherung, S. 116. 4

5

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

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da entweder allein dem Fall der Scheidung oder allein der Sicherung der Ehefrau erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt wird, wobei die anderen notwendigen Aufgaben der Reform - etwa gleichheitsgemäße Ausgestaltung der Sicherung - in den Hintergrund gedrängt, wenn nicht überhaupt verdrängt werden. Die heutige sozialrechtliche Diskussion dieses Fragenkomplexes8 ist durch die Thesen von Hansen-Blancke 9 1960 eingeleitet worden. Ein Jahr später erschien die Arbeit von Planken 10 • Die danach ins Stocken geratene Diskussion flammte heftig auf, als der 47. DJT sich mit der Frage beschäftigte: "Empfiehlt es sich, die gesetzlichen Vorschriften tiber die soziale Sicherung der nicht berufstätigen Frau während und nach der Ehe, insbesondere im Falle der Scheidung zu ändernl l ?" Inzwischen ist die Literatur zu diesem Fragenkomplex fast unübersehbar geworden12 • Der Gesetzgeber ist mit ihm über den Entwurf eines 8 Zur früheren vgl. etwa von Loeper; von Roy, Reformblatt für Arbeiterversicherung 1908,149; s. a. Baum (0. 22. Kap., Anm. 18). g Selbständige Sozialversicherung für jede Frau. 10 Sicherung der Frau. 11 Vgl. Langkeit, Sicherung der Frau (Gutachten); Zacher, dass. (Referat); s. a. Diskussion und Beschlüsse der sozialrechtlichen Arbeitsgemeinschaft, Vhdlgen des 47. DJT, S. 041 (Diskussion), 0163 f. (Beschlüsse). 12 Außer den eben Genannten sei hingewiesen auf: Albers, in: Protokolle der 37. und 38. Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik, S. 10 C, D; 23 B; insbes. S. 91 ff.; ders., überlegungen zur sozialen Sicherheit der Frau, Soz. Fortschritt 1971, 265 ff.; Beirat BMWF, S. 26 ff.; Beitzke, RdA 1971, 99 ff.; Bericht der Bundesregierung zur Frage der Rentenversicherung vom 31. 8. 1970, BT-Dr. VI!1126 S. 12; von Bethusy-Huc, Alternativen, S. 35 f.; H. Bogs, Eherecht und Sozialversicherung, S. 96 ff.; W. Bogs, Rechtsstellung der geschiedenen Frau, S. 287 ff.; ders., Zur Reform der sozialversicherungsrechtlichen Stellung der nichtberufstätigen Frau (Hausfrau), Soz. Fortschritt 1969, 241 ff.; 272 ff.; ders., BKK 1968, 65 ff.; ders., NJW 1968, 1649 ff.; ders., Der med. Sachverständige 1968, 1 ff.; Bosch, FamRZ 1971, 57 (59 f.); Braess, DVZ 1971, 54 ff.; Dapprich, SGb 1968, 309 ff.; Eherechtskommission, Vorschläge, S. 86 f.; dies., Vorschläge (11), S. 16 ff.; Fenge, Soz. Arb. 1970, 49 ff.; Glatzel, NO 1971, 112 ff.; Glücklich, Anm. zu BSG, SGb 1968, 497 (498 f.); Grunsky, FamRZ 1969, 522 (524); Held, Gedanken zur Reform des Ehescheidungsrechts, FamRZ 1970, 298 (300); Heydt, BlStSozArbR 1968, 266; Hirsch, ZRP 1969, 246; Holler, Erwerbstätige Frauen nicht länger benachteiligen!, SozSich. 1968, 310 f.; ders., Zur sozialen Sicherung der nichtberufstätigen Frau, SozSich. 1969, 33; ders., in: Protokolle der 37. und 38. Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik, S. 12 C; Jahn, Notwendige Reform des Ehescheidungsrechts, Bulletin 1970, 125 ff.; Junker, S. 103 ff.; Krause, Soziale Sicherung der Frau, Politische Akademie Eichholz, Tagungsbeiträge 5/71 S. 18 ff.; Krause - Ruland, ZSR 1969, 129 ff.; 200 ff., 260 ff.; Lange, FamRZ 1972, 225 ff.; Lohnes, FamRZ 1969, 177 ff.; ders., JR 1968, 252 ff.; Lüderitz, S. B 119; März, Die "ehebezogene" Witwenrente, ein Lösungsvorschlag zum Problem der "vergessenen Witwen", SozVers. 1970, 287 ff.; Maier-Danne, Rentensplitting - Der Versorgungsausgleich bei Ehegatten, AngVers. 1972, 85 ff.; Maier-Reimer, S. A 97 ff.; Ramm, JZ 1968, 41 ff., 90 ff.; Rohwer-Kahlmann, ZSR 1970, 389 ff.; Scheerer, Deutsche Rentenversicherung 1967, 1 (3); Schneider-Danwitz, S. 125 ff.; dies., Eigenständige soziale Sicherung der Frau, Inf. f. d. Frau 1971, 3 ff.; Schönbauer, Soziale Sicherung der "nicht berufstägigen" Frau in zeitgemäßer Sicht, ZSR 1969, 449; Schrader, ZSR 1970, 405 ff.; Sozialbericht 1970,

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IH. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

1. EheRG13 befaßt worden, das die Grundzüge der Neugestaltung der sozialen Sicherung der Ehegatten im Falle der Scheidung vorsieht. Außerdem liegt inzwischen der Entwurf eines "Gesetzes zur weiteren Reform der gesetzlichen Rentenversicherung" (Rentenreformgesetz RRG) vor14 , dessen Bestimmungen, soweit sie die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von geschiedenen Ehegatten betreffen, als übergangslösung bis zum Inkrafttreten der in dem Entwurf eines EheRG vorgesehenen Regelung gedacht sind15 •

Trotz dieser Gesetzentwürfe kann aber die Diskussion nicht als abgeschlossen angesehen werden. Da sie auf den Fall der Scheidung bezogen sind, treffen sie überhaupt nur einen Teil der hier angeschnittenen Probleme. Außerdem müssen die in ihnen vorgesehenen Regelungen einer kritischen überprüfung unterzogen - und dem Vergleich mit anderen, in der Literatur gemachten Vorschlägen ausgesetzt werden. Für alle Vorschläge gilt, daß sie daran gemessen werden müssen, wie sie der oben skizzierten Aufgabenstellung der Reform der Sicherung des nichterwerbstätigen Ehegatten gerecht werden. 21 Die in der Literatur gemachten Vorschläge

211 Vorschläge im Rahmen des bisherigen Systems 16 Gemessen an dieser Aufgabenstellung kann eine Erhöhung des Witwenrentensatzes von 60 auf 70 Ofo oder mehr der Versichertenrente 17 weder als Lösung noch als Teillösung der aufgeworfenen Probleme angesehen werden. Es geht auch nicht nur darum, die Renten dem unterschiedlichen Bedarf von Ehepaaren oder Alleinstehenden anzupassen, wie es sich der Vorschlag von Albers zum Ziel gesetzt hat18 • Er will keine LeiS. 25; Sozialbericht 1972, S. 5 ff.; Sozialenquete, Nr. 58, S. 32; SpitzmüUer, BT-Sten. Ber. V/4039 C, D; Tennstedt, SozSich. 1968, 39 ff.; "Vorschläge zur sozialen Sicherung der Frau", ZSR 1970, 229 ff.; Wannagat, SozSich. 1967, 161 (164); ders., ZfS 1956, 67 ff.; Zacher, NO 1971, 1 ff.; Zur Diskussion im Ausland: Färber, ZSR 1971,257 ff., 460 ff.; Fulpius, Le conjoint survivant en droit national et successoral suisse, Genf 1969; Höter, a..a.O.; Schranz, Die Sonderrechte der Frau in der österreichischen Sozialversicherung, SozSich. 1971, 334. 13 BR-Dr.266171. 14 BR-Dr. 566/71 (vom 28. 10. 1971). 15 Ebd. S. 38. lS Das Nachfolgende weitgehend im Anschluß an Krause - Ruland, ZSR 1970, 200 (203 ff.). 11 Bogs, Der med. Sachverständige 1968, 1 (5); Scheerer, Deutsche Rentenversicherung 1967, 1 (3). 18 In: Protokolle der 37. und 38. Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik, a.a.O., S. 91 ff.; dieser Vorschlag wird von v. Bethusy-Huc, Alternativen, S. 35 f. unterstützt.

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

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stungsvoraussetzungen geändert wissen, sondern bei Beibehaltung der nur mittelbaren Zuordnung der Angehörigen zur gehobenen Sicherung die Bemessung der Leistungen einer grundlegenden Revision. unterziehen. Dieser Vorschlag überlagert das heutige System mit dem Bedarfsdeckungsprinzip. Der alleinstehende Versicherte und der überlebende Ehegatte sollen eine gleich hohe Rente erhalten; die Rente für ein Ehepaar soll höher sein als die für einen Alleinstehenden. Albers schlägt eine Relation von 1 (Alleinstehender) zu 1,7-1,8 (Ehepaar) vor. Ausgehend von der heutigen Rentenhöhe (= 100 %) möchte Albers dem Ehepaar eine Rente von 118 %, dem Alleinstehenden jedoch nur eine von 67 % zubilligen. Dieser Vorschlag - wegen der Benachteiligung der Alleinstehenden, die gleich hohe Beiträge zahlen und dafür eine erheblich niedrigere Rente erhalten, schon problematisch19 - beseitigt jedoch ebenfalls nicht die grundlegenden Mängel des heutigen Systems Insbesondere bietet er keine Lösung für den Fall der Auflösung der Ehe durch Scheidung. Mittelpunkt der Reform der sozialen Sicherung der einkommenslosen Angehörigen kann auch nicht allein die Witwe mit Kindern sein, wie es Junker sieht20 • Sein Vorschlag besteht in der Einführung einer zusätzlichen21 , selbständigen Pflichtversicherung für den Fall der Witwenschaft. Diese Versicherung sollte die Rentenversicherung ergänzen. Junkers Vorschlag ist von der Absicht getragen, eine Garantie dafür zu schaffen, daß die Witwe mit Kindern nicht zu arbeiten braucht. Diese Garantie rechtfertigt sich seiner Meinung nach aus dem Interesse der Gesellschaft an einer guten Entwicklung der Kinder. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber er engt das Problem zu sehr ein, denn die Versorgung der Witwe mit Kindern stellt nur eine der Aufgaben der sozialen Sicherung dar. Sie hat die Frau nicht nur für die Zeit der Mutterschaft sondern auch für die des Lebensabends zu sichern. Beide Aufgaben dekken sich nicht, wenn auch ihr Unterschied im geltenden Recht verwischt ist. Die Sicherung des Lebensabends der Frau beruht auf der Anerkennung ihrer gesellschaftlichen Leistung, ihrer "tätigen" Vorsorge. Die Sicherung während der Mutterschaft wird wegen des Interesses der Gesellschaft an einer engen Mutter-Kind-Beziehung gewährt. Die Mutter soll dieser Beziehung wegen nicht auf den Arbeitsmarkt verwiesen werden. Während die Alterssicherung gewährleistet wird, weil die Vgl. Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 92 f. S. 103; ebenso auch Achinger - Höffner - Muthesius - Neundörfer, S. 93 f. Eine zusätzliche Versicherung als Ergänzung der Rentenversicherung eine sog. Hausfrauenversicherung - hat sich als wenig praktisch erwiesen. Italien (Gesetz vom 5. März 1963, Nr. 389) führte sie mit geringstem Erfolg (bis zum 31. 12. 66 nur 17255 Versicherte) ein (ausführlich dazu Höfer, S. 118 ff.). Zu ähnlichen deutschen Plänen, Kahlberg, Viel Arbeit - aber keine Rente, Das freie Wort vom 3. August 1963. 19

20 21

400

III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

Frau etwas geleistet hat, wird die Sicherung bei fortdauernder Mutterschaft gewährt, weil die Mutter, ohne Entgelt zu beziehen, während dieser Zeit etwas leistet. Aufgabe einer Reform der Hinterbliebenensicherung ist, das geltende System auch dort zu ändern, wo es der grundsätzlichen Forderung nach einer der Leistung des haushaltführenden Ehegatten gerecht werdenden, den Lebensstandard erhaltenden sozialen Sicherung nicht entspricht. Dies ist im geltenden Recht besonders bei der Behandlung geschiedener Ehegatten der Fall. Ihre unzulängliche Sicherung beruht im wesentlichen auf der Grundkonzeption des geltenden Rechts, der ausschließlich mittelbaren Sicherung, die auch nach der Scheidung beibehalten wird. Unter grundsätzlicher Beibehaltung der nur mittelbaren Sicherung der Hinterbliebenen versucht Langkeit in seinem Gutachten zum 47. DJT22 diesen Mangel zu beheben. Nach ihm bleibt die Rentenberechtigung der nichtberufstätigen Frau - auch der geschiedenen Frau abhängig von dem Versicherungsverhältnis ihres (früheren) Ehemannes. Die Versichertenrente des Ehemannes einschließlich des neu einzuführenden "Frauenzuschlags", der beitragsgerecht abgestuft werden kann, bildet die Ausgangsbasis der Witwenrente, die bei der "sachgerechten"23 Höhe von 60 Ofo der so gebildeten Gesamtrente verbleiben soll, die aber wegen der Einführung des "Frauenzuschlags" im Ergebnis verglichen mit der heutigen Witwenrente erhöht wird. Die sich bei Auflösung der Ehe aus anderen Gründen als dem des Todes ergebenden nachteiligen Folgen der Abhängigkeit ihrer Rentenberechtigung vom Versicherungsverhältnis des früheren Ehemannes sollen durch einen unbedingten Anspruch auf Geschiedenen-Witwenrente ausgeräumt werden. Die Hinterbliebenenrenten sollen bei Auflösung einer weiteren Ehe ohne Rücksicht auf ein Verschulden hieran wiederaufleben.

Langkeit selbst ist sich darüber im klaren, daß dieser Vorschlag die "Labilität" der Sicherung der auf das Versicherungsverhältnis des Ehemannes angewiesenen Frau nicht beseitigt24 • Sein Vorschlag der "kleinen Schritte" stellt seiner Meinung nach keinen Ersatz einer weitergehenden Reform dar. Aber diese "kleinen Schritte" können widerspruchsvolle Konsequenzen nicht verhindern. Die schuldig geschiedene Frau, die auf Grund des geltenden Unterhaltsrechts von ihrem frühe!2 Sicherung der Frau, Zusammenfassung S. F 116 ff.; s. a. Grunskv, FamRZ 1969, 522 (524); in diese Richtung ging auch ein Antrag der SPD-Bundestagsfraktion, vgl. BT-Dr. IV/ zu 3233 (§ 1265) S. 6; ähnlich auch der Entw. des RRG, s. dazu u. sub 222. !3 S. F 94. ft S. F 99.

27. Kap.: Refonn der Sicherung der Ehegatten

401

ren Manne nichts zu ihrem Unterhalt erhielt, bezieht nun plötzlich bei dessen Tod Rente, ohne durch diesen materiell berührt zu sein. Das läßt sich nicht als "Unterhaltsersatz" rechtfertigen, aber auch nicht, wie Langkeit es sieht, als "miterdiente Rentenberechtigung". Denn diese müßte dann schon zu Lebzeiten des früheren Gatten und nicht erst bei dessen Tod effektiv werden. Außerdem kommt diese "Mitberechtigung" nicht jeder geschiedenen Frau zugute. Die geschiedene Frau, die wegen einer erneuten Heirat ihren Status als "frühere Ehefrau" verliert 25 , kommt nicht in den Genuß einer solchen Rente, auch dann nicht, wenn ihre neue Ehe bei dem Tode ihres ersten Mannes wieder aufgelöst ist.

Langkeits Vorschlag führt zwar dazu, daß die meisten geschiedenen Frauen Rente erhalten würden. Aber die "unbedingte" GeschiedenenWitwenrente würde bei sonstiger Beibehaltung des heutigen Systems noch weitaus häufiger als bisher zu einer Teilung der Witwenrente unter die Witwe und die frühere(n) Ehefrau(en), und damit zu Teilrenten führen, die regelmäßig unter dem Sozialhilfesatz liegen26 • Für diesen Vorschlag spricht, daß er sich sicherlich leicht und ohne schwierige überleitungsvorschriften realisieren ließe. Im Endergebnis jedoch kann aber auch er der im Haushalt erbrachten Leistung keine entsprechende und unbedingte soziale Sicherung gegenüberstellen. Trotz vieler Verbesserungen bleibt die soziale Sicherung insbesondere der geschiedenen Frau problematisch. Dies deshalb, weil ihre soziale Sicherung auch nach der Scheidung von der des früheren Ehegatten abhängt, durch die sie vermittelt wird.

212 Vorschläge mit Alternativen zum heutigen System Als Alternative zur heutigen Konzeption der sozialen Sicherung des haushaltführenden Ehegatten bietet sich zunächst die Möglichkeit einer unmittelbaren - auch vom Verdienereinkommen unabhängigen sozialen Sicherung an 27 • Eine solche Sicherung läßt sich im Rahmen einer allgemeinen Staatsbürgerversorgung oder -versicherung verwirklichen 28 • In ihr ist die Frau, sei es als Hausfrau oder Mutter oder als Berufstätige ebenso gesichert wie jeder andere (Staatsbürger). Dabei kann, wie etwa im Beveridge-Plan, die Sicherung modifiziert sein. BSG, SozR Nr. 30 zu § 1265 RVO. Ebenso H. Bogs, Eherecht und Sozialversicherung, S. 112. Gegen diesen Vorschlag spricht aber nicht, daß die Witwenrente geschmälert würde (so aber BT-Dr. lVI zu 3233; S. 6 [zu § 1265]); vgl. mit überzeugender Begründung Langkeit, S. F 99; s. a. 0.23. Kap., Text nach Anm. 68. 27 Vgl. Sozialenquete, Nr. 58 S. 32; s. a. Liefmann-Keil, Altersvorsorge, S. 50, 116 ff. 28 Vgl. etwa Beveridge, S. 16 ff., 74 ff., 192 f.; 203 ff.; zum heutigen englischen Recht: Färber, ZSR 1971, 257 ff.; 460 ff. 25 26

26 Ruland

In. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

402

Eine Staatsbürgerversorgung oder -versicherung mit einheitlichen Leistungen würde die anstehenden Fragen nicht voll lösen können. Kann sie und will sie nur eine Mindestversorgung gewährleisten, so stellt sich das Problem der Sicherung der einkommenslosen Hausfrau wenn auch entschärft - bei der Frage nach einer Zusatzversicherung. Eine Staatsbürgerversorgung als Grund- oder Sockelrente zu gewähren 29 , erscheint bei einem Rechtsanspruch auf Sozialhilfe, der dem haushaltführenden Ehegatten ebenso zusteht, wie jedem anderen, entbehrlich. Diese Vorbehalte gelten auch gegenüber Vorschlägen, eine allgemeine Hausfrauenrente einzuführen30 , denn auch diese wäre, da man schwerlich Unterscheidungen nach dem jeweiligen Wert der Hausfrauentätigkeit treffen kann3 1, eine Einheitsleistung, die an die Sicherung der Einkommensbezieher nicht heranreichte und die eine weitergehende Sicherung nicht erübrigen würde. Eine eigene soziale Sicherung des nicht erwerbstätigen Ehegatten ist auch als Mischung von Versorgung und Versicherung denkbar. Ein solches Mischsystem schlägt Wann ag at vor 32 , der die Zeit der Hausfrau, während der sie ein oder mehrere erziehungsbedürftige Kinder versorgt, als Ausfallzeit anrechnen will, falls dadurch eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen wird. Dieser Vorschlag verbessert die sozialrechtliche Stellung der Frau und Mutter, indem er als Ausgleich für ihre familienbedingte Belastung eine Anhebung ihrer eigenen Leistungsansprüche gewährt. Diese als Familienlastenausgleich gedachte Verbesserung kommt der Frau auch im Falle der Auflösung der Ehe zu Gute. Die eigentlich angeschnittenen Probleme, wie die Beteiligung des nicht erwerbstätigen Ehegatten am sozialen Zugewinn des anderen und die gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Hinterbliebenensicherung greift er weder auf noch erledigen sie sich seinetwegen33 • Eine im Rahmen des Vorsorgeprinzips 34 bleibende Alternative kann zwar eine unmittelbare Sicherung für den nichterwerbstätigen Ehegatten einführen, diese aber wegen seiner Einkommenslosigkeit einer29

Vgl. dazu etwa Sozialenquete, Nr. 514ff. S. 179; und den Vorschlag von

Mischnik, zitiert bei v. Bethusy-Huc, Sozialleistungssystem, S. 121 f. 30 So Lüderitz, S. B 119; Maier-Reimer, S. A 97; von Roy, Reformblatt für

Arbeiterversicherung, 1908, 149; Sozialbericht 1970, S. 25; hierzu kritisch

Beitzke, RdA 1971, 99 (100); Bosch, FamRZ 1971, 57 (59 f.).

o. 22. Kap., Text zu Anm. 83-91. SozSich. 1967, 161 (164); ders., in: Protokolle der 37. und 38. Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik, a.a.O. S. 6 B; ebenso Eherechtskommission, Vorschläge, S. 87; HoHer, Protokolle ..., S. 12 C. 33 Bei Erörterung der Vorschläge zum Familienlastenausgleich wird auf diesen Vorschlag zurückgekommen werden, s. u. 28. Kap., sub 223. 34 Dazu o. 4. Kap., sub 2. 31 S. 32

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

403

seits und der Beitragsaufbringung andererseits nicht voll von dem Einkommen des anderen Ehegatten, das auch den zu erhaltenden Lebensstandard bestimmt, lösen. Eine solche, eigene, unmittelbare, wenn auch von dem Einkommen des verdienenden Ehegatten teilweise abhängige Sicherung strebt der Vorschlag von Planken35 an. Der Grundkonzeption nach zielt er auf eine "Zugewinn-Rente", d. h. Mann und Frau nehmen an den jeweilig erworbenen Rentenberechtigungen teil, von denen jeweils der andere die Hälfte gutgeschrieben erhält. Die beiden Rentenberechtigungen werden zu einer dem Ehepaar gemeinsam zustehenden Gesamtrente zusammengefaßt, von der der überlebende grundsätzlich 60 Ofo erhält. Bei Auflösung der Ehe aus anderen Gründen als dem des Todes eines Ehegatten behält jeder Ehepartner den ihm gutgeschriebenen Teil des Sicherungsanspruches. Der Vorschlag Planken verzichtet auf Hinterbliebenenrenten zugunsten der eigenen Sicherung der Ehegatten. Die dadurch erzielte Besserstellung gerade der Frau würde auf Kosten des Ehemannes erreicht. Selbst ein verwitweter Versicherter würde eine niedrigere Rente beziehen als ein im übrigen mit ihm voll vergleichbarer lediger Versicherter, und darin liegt der entscheidende Mangel dieses Vorschlags 36 • Dieser Mangel geht darauf zurück, daß nach dem Vorschlag von Planken für Verheiratete von vorneherein zwei selbständige Rentenkonten geführt werden37 , daß also der sozialrechtliche Zugewinn permanent ausgeglichen wird. "Ist weder die stets berufstätige Frau noch auch die Scheidung als Regelfall gesellschaftliches Leitbild, so sind zwei selbständige Rentenkonten nicht familienkonform38 ." Zwar beziehen nach diesem Vorschlag auch geschiedene Versicherte niedrigere Renten als vergleichbare ledige Versicherte. Dies ist aber im Falle der Scheidung gerechtfertigt, weil der geschiedene Versicherte dadurch, daß sein ehemaliger Ehegatte eine eigene Rente erhält, insoweit von der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht frei wird. Das Rentensplitting, das sich im Anschluß an die Arbeit von Planken nahezu allgemein durchgesetzt hat, ist daher sinnvoll nur im Falle der Scheidung. Das Rentensplitting im Falle der Scheidung auf der Basis 50 : 50 ist nicht schon deshalb abzulehnen, weil die nach dem Splitting gezahlten Renten dann sehr niedrig sind39 , denn dies wäre nur dann der Fall, wenn die Altersrente für die geschiedenen Ehegatten allein in den 50 Ofo 35 S. 89 ff.; s. a. Heydt, BlStSozArbR 1968, 226; Schneider-Danwitz, S. 125 ff.; Spitzmüller, BT-Sten. Ber. V/4039 C, D. 36 Vgl. auch Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 91. 31 Ebenso Heydt, BIStSozArbR 1968, 226. 38 Beitzke, RdA 1971, 99 (105). 39 So Rohwer-Kahlmann, ZSR 1970, 403; wie hier: H. Bogs, Eherecht und Sozialversicherung, S. 117.

26*

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IIl. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

einer einzigen Rente bestehen würde. Dann allerdings wäre diese Rente mit 50 Ofo noch niedriger als die derzeitige Rente an den hinterbliebenen Ehegatten. Es muß und kann jedoch davon ausgegangen werden, daß in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle die Rentenanwartschaft, die dem geschiedenen Ehegatten über das Splitting zukommt (bzw. verloren geht), nur eine Phase seiner sozialen Biographie entspricht, wohingegen ihm die in den übrigen Phasen erworbenen Rentenanwartschaften ungeschmälert zukommen. Das gilt auch für geschiedene Ehegatten, die während der Ehe den Haushalt geführt haben, typischerweise also für die Frau, denn die Erwerbstätigkeit geschiedener Frauen ist, selbst wenn sie Kinder haben, bis zum Alter von 55 Jahren nahezu die Regel40 • Gegen das Splitting auf der Basis 50 : 50 der Verdienerrente spricht jedoch, daß dabei übersehen wird, daß der Wert der zu verteilenden Rentenberechtigungen nicht nur die Versichertenrenten- sondern auch die heutigen Hinterbliebenenrentenansprüche umfaßt, die sich wegen des Wegfalls der Hinterbliebenensicherung für den geschiedenen Ehegatten erledigt haben41 • Berücksichtigt man diesen Wegfall und bedenkt man, daß für die Sicherung des hinterbliebenen Ehegatten etwa ein Drittel des Versicherungsbeitrages benötigt wurde, dann kann man wie noch zu zeigen sein wird42 - von etwa 120 Ofo des Anspruches auf Verdienerrente ausgehen und ein Splitting auf der Basis 60: 60 durchführen. Damit ist selbst dann eine ausreichende Sicherung gewährleistet, wenn außer den gesplitteten Rentenanwartschaften keine sonstigen hinzukommen. Während der Vorschlag Planken die Arbeit der Frau nur einkalkulierte und ihr nur bei entgeltlicher Verwertung Einfluß auf das Ausmaß der sozialen Sicherung einräumte, stellt insbesondere der Vorschlag von Zacher 43 die Arbeitsrolle der Frau in ihrer sozialen Biographie in den Vordergrund. Diese soziale Biographie setzt sich aus den möglicherweise verschiedenen Phasen von Erwerbstätigkeit und Haushaltstätigkeit zusammen. Die Hausfrauenzeit wird in der "sozialen Biographie" als Versicherungszeit gutgebracht. Die quantitative Basis dafür ist das Einkommen des Mannes. Für die Hausfrauenjahre wird jedoch ein anderer Wachstumskoeffizient44 der Rente angesetzt als für Verdienerjahre. Er soll statt 1,0 0,8 betragen. Die gesamte "soziale Biographie" zusammengesetzt aus Berufs- und Hausfrauenzeiten - hat die SicheVgl. die Zahlen bei Adams - Gendriesch, WiSta. 1965, 703. Ebenso nun auch H. Bogs, a.a.O. S. 116. (2 s. u. sub 332. 43 Sicherung der Frau, S. 024 ff.; ders., NO 1971, 1 (12 ff.); ähnlich HansenBlancke, S. 292 ff.; Eherechtskommission, Vorschläge (Il) S. 18, 19 ff. 44 1. S. der §§ 1253, 1254 Abs. 1 RVO. 40 41

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

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rung der Frau im Alter zu gewährleisten, da Hinterbliebenenrenten in Wegfall geraten. Im Alter erhält das Ehepaar jeweils die eigenen Renten. Allerdings bezieht die Hausfrau in ihrem Alter nur einen Teil, und zwar 26,6 0J045 ihrer während der Hausfrauenjahre verdienten Rente als Zuschlag zur Mannesrente 46 • Die klassischen Problemfälle der Sicherung der nicht erwerbstätigen Frau nach Auflösung der Ehe durch Tod oder Scheidung nehmen in diesem System keinen einheitlichen Platz ein. Wird die kinderlos verheiratete Frau verwitwet, so entfällt ihre Arbeitsrolle als Hausfrau und sie wird grundsätzlich wie jeder auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen, der Anspruch auf soziale Sicherung erhebt. Kann sie nicht in das Erwerbsleben eintreten, weil sie invalide oder zu alt ist und steht sie am Ende ihres Arbeitslebens, dann bekommt sie die Rente, die ihrer sozialen Biographie entspricht. Hat die Witwe dagegen für Kinder zu sorgen, dann soll ihre Sicherung durch eine "Familienrente" erreicht werden, die sich entweder nach der "sozialen Biographie" der Frau richtet oder, wenn dies günstiger sein sollte, nach der des verstorbenen Vaters der Kinder. Wird die kinderlose Ehefrau geschieden, dann wird sie grundsätzlich auf den Arbeitsmarkt verwiesen oder sie ist als invalide oder zu alt aus ihrer Rentenversicherung versorgt. Die Hausfrauenzeit aus der geschiedenen Ehe käme ihr in diesem Fall als Bestandteil ihrer eigenen Rente voll zu Gute. Ansonsten wird die Scheidung nicht gesondert berücksichtigt. Die so reformierte Rentenversicherung der Frau setzt einen Beitrag der Frau voraus. Allerdings sollen nur kinderlose Ehepaare den Beitrag aufzubringen haben. Wenn Kinder da sind, soll die Beitragspflicht ruhen und der Frau ein entsprechender Betrag zu Lasten der Versichertengemeinschaft oder des Familienlastenausgleichs gutgebracht werden. Gegen diesen Vorschlag47 ist zunächst einzuwenden, daß er zu einer übersicherung der Ehegatten führt, von denen nur einer ständig oder meistens alleine verdient. Die Altersrente dieser Ehepaare würde statt bisher 100 126,6, rund also 130 Ofo betragen. Bei einem entsprechenden Beitrag von 30 0J0 für die Hausfrauenrente, für den jedoch keine Arbeitgeberanteile gezahlt werden48 , ergäbe sich folgende Rechnung: 45 Das sind ein Drittel der 80 010 Hausfrauenrente im Vergleich zur Verdienerrente. 46 Anders insoweit: Eherechtskommission, Vorschläge (II) S. 22 f. Danach wird die Ehefrau auf der Basis von 30 0/0 des Arbeitsentgelts des Mannes versichert. 47 Entsprechendes gilt auch für den neuen Vorschlag der Eherechtskommission.

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II!. 3. Abschn.: Vorschläge zur Refonn

Ein Versicherter, der im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand tritt, erhält ein Altersruhegeld in Höhe von 49 Jahre (65 - 16) X (0,015 X Jahresarbeitsverdienst) = 73,5 % seines Arbeitsverdienstes.

Macht seine Rente jedoch 130 % aus, dann beläuft sich das Sozialeinkommen auf 95,55 % seines Jahresarbeitsverdienstes. Dieser ist bzw. wäre jedoch mit folgenden Abzügen belastet: -

Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von derzeit. Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von etwa . Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von derzeit Steuern in Höhe von durchschnittlich . . . . . . . . . . . . . des Bruttoarbeitsverdienstes50 Beiträge seiner Frau zur Rentenversicherung, 17 Ofo von 30 Ofo seines Arbeitseinkommens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

-

8,5 0/0 4,5 Ofo 1,0 Ofo 11,0 0f04D

5,10f0

Addiert man diese Prozentzahlen und zieht sie von den 100 Ofo seines Jahresarbeitsverdienstes ab, so erhält der Versicherte (mit seiner Frau) nach diesem Vorschlag eine Rente, die um rund 26 010 über seinem bisherigen Nettoeinkommen liegt! Der Vorschlag Zacher, der von der Arbeitsrolle der Frau ausgeht, birgt weitere Probleme: Für eine Frau, die nur Hausfrau war, bringt er Vorteile. Ihre Rente wird von 60 Ofo auf im Ergebnis 80 Ofo der Mannesrente heraufgesetzt51 • Aber eine berufstätige Frau wird während der Zeit, in der sie gegen Entgelt arbeitet, nur entsprechend ihrem Einkommen gesichert. Und hier muß nochmals auf die effektive Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau hingewiesen werden, die besonders die berufstätigen verheirateten Frauen trifft52• Je stärker sich die Lohnungleichheit im Einzelfall auswirkt, desto niedriger wird die vom Einkommen der Frau allein abhängige soziale Sicherung gedrückt5~. Die Beitragsaufbringung bringt erhebliche Verwaltungsprobleme mit sich, insbesondere dann, wenn die Frau - möglicherweise häufig wechselnd - ein eigenes, vielleicht nur geringfügiges Einkommen bezieht. Zacher, Diskussionsbeitrag, Vhdlgen des 47. DJT, S. 0 132. Diese 11 Ofo des Bruttoarbeitsverdienstes entsprechen 19 Ofo des steuerpflichtigen Einkommens (untere Proportionalzone). 50 Vgl. Schewe - Nordhorn, S. 33. 61 Die 80 Ofo der Witwenrente beruhen darauf, daß der Wachstumskoeffizient der Hausfrauenrente mit 0,8 angesetzt werden soll. G! s. o. 1. Kap., Text zu Anm. 51 und 52. _ 63 Planken glich diese Lohnungleichheit durch Gewährung einer Rente aus, die 60 Ofo der Gesamtrente betragen soll. Auch Zacher muß die "soziale Biographie" des Vaters der Kinder hinzunehmen, um dem Fall der verwitweten Mutter in allen Fällen gerecht werden zu können (S. 0 27). 48

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27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

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Ein weiterer Vorschlag ist von dem Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie und Jugend vorgelegt worden 54 . Er erstrebt die Verwirklichung eines Familienprinzips in der sozialen Sicherung und stellt im Anschluß an den Vorschlag von Albers55 daher den Bedarf als das maßgebliche Kriterium in den Vordergrund. Im Einzelnen sieht dieser Vorschlag, der sich ausdrücklich nur auf die Sozialversicherung bezieht56 , vor: Die einkommensbezogenen Rentenleistungen sollen nach dem Familienstand differenziert werden, so daß also ein Rentnerehepaar eine höhere Rente erhält als der alleinstehende Versicherte. Der überlebende Ehegatte und der alleinstehende Versicherte sollen gleich hohe Renten erhalten, "denn in beiden Fällen handelt es sich um Alleinstehende mit gleichem Bedarf"57. Wegen der höheren Ansprüche des Ehepaares an die Alterssicherung sollen verheiratete Versicherte einen höheren Sozialversicherungsbeitrag zahlen als Ledige - gedacht war jeweils an das 1,5fache. Während der Zeit aber, in der die Frau Kinder zu erziehen hat, soll die erhöhte Beitragspflicht des Mannes entfallen, die Rente aber dennoch gesteigert werden. Die erhöhte Altersrente sollen die Ehegatten grundsätzlich nur dann erhalten, wenn beide die Voraussetzungen hierfür erfüllen. Erfüllt nur ein Ehegatte die Voraussetzungen und bezieht der andere noch Leistungseinkommen, dann soll nur die Rente für den Alleinstehenden gezahlt werden. Bezieht der andere Ehegatte kein Leistungseinkommen, dann soll die volle Familienrente schon fünf Jahre vor Erreichen der altersmäßigen Rentenberechtigung durch den jüngeren Ehepartner gezahlt werden. Dieser Vorschlag sieht keine Hinterbliebenenrente für Ehegatten mehr vor. Er empfiehlt eine verstärkte Eingliederung der Witwen in das Berufsleben. Ist dies nicht mehr möglich, dann soll die Witwe ihre Altersrente erhalten, die erworben wurde mit den Beiträgen aus eigener Versicherung, dem Zuschlag zum Beitrag des Mannes und den Zugewinnausgleich zwischen ihren während der Ehe erworbenen Ansprüchen und denen ihres Mannes. Im Falle der Scheidung werden die sonst in die gemeinsame Familienrente einbezogenen Ansprüche aus der Zeit vor der Ehe wieder gesondert dem Geschiedenen zugerechnet. Außerdem findet zwischen den Ehegatten auch hinsichtlich ihrer während der Ehe erworbenen Rentenansprüche ein Zugewinnausgleich statt. Dieser Vorschlag sieht auch vor, daß die Frau, wenn sie invalide werden sollte, ihre Rente erhält.

54 55 56 57

Vorschläge zur sozialen Sicherung der Frau, ZSR 1970, 229. s. o. Text zu Anm. 18. Vgl. ZSR 1970, 229 (233) [unter IV. 3].

Ebd. S. 233.

408

IIr. 3. Abschn.: Vorschläge zur Refonn

Gegen diesen Vorschlag ist zunächst zu sagen58, daß er zu noch größeren übersicherungen führt als der Vorschlag Zacher, es sei denn die Renten für Alleinstehende würden so tief gesenkt werden, daß sich die Renten für Verheiratete etwa in der Höhe der heutigen (durchschnittlichen) Verdienerrenten einpendeln würden. Die Sozialversicherung soll dadurch, daß sie mit dem ihr bisher fremden Bedarfsprinzip überzogen wird, zu einem Instrument des Familienlastenausgleichs werden. Der Vorschlag führt aber, weil der Familienlastenausgleich zu einem völlig unspezifischen Zeitpunkt einsetzt, zu teilweise genau konträren Ergebnissen. Die Diskrepanz zwischen dem Lebensstandard des Alleinstehenden und dem des Verheirateten wird während des Erwerbslebens noch vergrößert, denn der Alleinstehende muß weniger als bisher, der Verheiratete mehr als bisher an Sozialversicherungsbeiträgen leisten. Diese unterschiedliche Beitragsgestaltung läßt sich auch nicht mit der erklärten Absicht vereinbaren, bei den Beiträgen die unterschiedliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen59 , denn der ledige Versicherte, der am leistungsfähigsten ist, braucht am wenigsten zu zahlen. Im Alter wird dann auf den Bedarf Rücksicht genommen. Das Ehepaar bekommt eine Sozialleistung, die seinen Lebensstandard steigert, der Alleinstehende eine solche, die den seinen drückt. In jedem Fall verfehlt die Sicherung ihren Zweck. Benutzt der Alleinstehende die durch die Senkung seines Beitrages freigewordenen Mittel, um sich höher zu versichern oder um sich einer privaten Rentenversicherung anzuschließen, dann bekommt er im Alter möglicherweise eine gleich hohe Rente wie ein Rentnerehepaar. Der Vorschlag hätte mit seinem Abzielen auf den unterschiedlichen Bedarf also nur bewirkt, daß die höheren Beiträge der allgemeinen Sozialversicherung entzogen würden. Im übrigen erscheint es im Hinblick auf die Tatsache, daß die ganz überwiegende Mehrzahl der Ledigen heiraten wird 60 , auch nicht sinnvoll, die Sicherung für die zukünftigen Angehörigen erst mit der Heirat beginnen zu lassen, da dadurch wertvolle Versicherungszeit - etwa zugunsten junger Witwen mit Kindern - verloren geht. Der Vorschlag ist auch deshalb unpraktikabel, weil er zu einer Umgestaltung der gesamten Sozialversicherung führen würde. Gegen ihn spricht auch, weil er einseitig auf die Sozialversicherung bezogen ist, daß er Wechsel - auch der Angehörigen der unmittelbar Gesicherten - zwischen den Vorsorgesystemen, also zwischen Sozialversicherung und Beamtenversorgung, nahezu unmöglich macht. 68 Der Verfasser wiederholt hier seine Kritik, die er bereits dem Wissenschaftlichen Beirat vortragen durfte. 69 Ebd. S. 233 (unter IV. 4). 00 s. o. 4. Kap., Text zu Anm. 122.

27. Kap.: Refonn der Sicherung der Ehegatten

409

22 Gesetzentwürfe Drei Gesetzentwürfe befassen sich inzwischen mit der sozialrechtlichen Behandlung geschiedener Ehegatten. Sowohl der Entwurf eines 1. EheRG61 als auch der eines Gesetzes zur weiteren Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz - RRG)62. sollen erste Schritte auf dem Weg zu einer "von den Unsicherheiten des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruches unabhängigen sozialen Sicherung" des Ehegatten sein, der in der Ehe nicht oder nicht voll erwerbstätig war, und zwar eine Sicherung für das Alter sowie für den Fall der Berufsoder Erwerbsunfähigkeit63 . Das Verhältnis der beiden Entwürfe untereinander ist dadurch gekennzeichnet, daß das RRG - wie bereits erwähnt - eine übergangslösung auf dem sozialversicherungsrechtlichen Sektor bis zu dem Inkrafttreten der gesamten Ehereform schaffen soll. Das RRG kann daher nur im Hinblick auf die von dem EheRG angestrebte Lösung verstanden und gewürdigt werden. Das 2. EheRG64 enthält die infolge des 1. EheRG notwendig gewordenen ergänzenden Maßnahmen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts. 221 Die Ehereformgesetze (EheRG)

Das 1. EheRG, vorbereitet durch den Reform-Diskussionsentwurf und den Referentenentwurf 65', sucht die soziale Situation des nichterwerbstätigen Ehegatten nach der Scheidung durch Änderungen des Unterhaltsrechts wie auch durch Einführung eines Versorgungsausgleichs66 zu verbessern. Dieser Versorgungsausgleich ist Kernpunkt der Reform67 . Er soll grundsätzlich in der Weise vorgenommen werden 68 , daß die während der Dauer der Ehe jeweils begründeten Anwartschaften der Ehegatten auf Sozialleistungen gegenübergestellt werden und der zugunsten eines Ehegatten errechnete Mehrbetrag je zur Hälfte aufgeteilt wird. Allerdings soll der Ausgleich je nach Art der auszugleichenden Versorgung in verschiedener Weise stattfinden. Soweit für den ausgleichspflichtigen Ehegatten während der Ehe Anwartschaftsrechte in einer gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden sind, deren Wert den Gesamtwert der Anrechte und Aus61 BR-Dr. 266/71. 62 BR-Dr. 566/71. 63 Vgl. BR-Dr. 266/71, S. 36. 64 BR-Dr.77/72. 65 Jeweils a.a.O. 66 Seine Ausgestaltung im sozialrechtlichen Detail erfolgte im 2. EheRG. vgl. §§ 1304 ff. RVO i. d. F. des 2. EheRG. 67 Vgl. §§ 1587-1587 r Entw. EheRG; 1587-1587 j RE; 27-32 DE; §§ 1304 ff. RVO i. d. F. des 2. EheRG. 68 Vgl. Begr. zum EheRG, BR-Dr. 266/71 S. 36.

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III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

sichten des anderen Ehegatten auf eine ausgleichspflichtige Versorgung übersteigt, sollen an den ausgleichsberechtigten Ehegatten Anwartschaftsrechte der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechend der Hälfte des Wertunterschiedes übertragen werden 69 • Das soll jedoch nicht gelten, wenn im Zeitpunkt der Scheidung der ausgleichspflichtige Ehegatte eine Versorgung bereits erlangt hat7°. Soweit der Ausgleich nicht in dieser Weise durch Aufteilen der Anwartschaften erfolgt, hat nach dem Entwurf der ausgleichspflichtige Ehegatte für den ausgleichsberechtigten durch Nachentrichtung von Beiträgen zu einer gesetzlichen Rentenversicherung eine Rentenanwartschaft zu begründen, die der Hälfte des Wertunterschiedes der auszugleichenden Versorgung entspricht71 • Diese Ausgleichspflichten sollen insbesondere dann nicht bestehen, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs in der Ehe, grob unbillig wäre 72 • Die Verpflichtung zur Nachentrichtung von Beiträgen zu einer gesetzlichen Rentenversicherung ruht, solange und soweit der Verpflichtete dadurch unbillig belastet, insbesondere außerstande gesetzt würde, sich selbst zu unterhalten und seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber dem geschiedenen Ehegatten und den mit diesem gleichrangig Berechtigten nachzukommen73. Soweit schließlich die Nachentrichtung von Beiträgen entweder nicht möglich ist oder nicht erfolgt, sind die Ehegatten zu einem "schuldrechtlichen Versorgungsausgleich" verpflichtet. Danach hat der versorgungsmäßig besser stehende Ehegatte dem anderen als Ausgleich eine Rente in Höhe der Hälfte des Mehrbetrages seiner Versorgung zu zahlen, sobald für beide Ehegatten der Versorgungsfall eingetreten ist oder Verhältnisse bestehen, die einem Versorgungsfall gleichzusetzen sind74 • Zur Sicherung dieses Anspruches kann der Berechtigte von dem Verpflichteten in Höhe der Ausgleichsrente Abtretung von Versorgungsansprüchen verlangen75 • Auch diese (schuldrechtliche) Ausgleichsverpflichtung soll insbesondere dann nicht bestehen, wenn der Berechtigte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinen Einkünften und seinem Vermögen bestreiten kann und die Gewährung des Versor69 70

71 72

73 74

75

§ 1587 b Abs. 1 Entw. EheRG. § 1587 b Abs. 3 Entw. EheRG. § 1587 b Abs. 2 Entw. EheRG. § 1587 c Nr. 1 Entw. EheRG. § 1587 d Entw. EheRG. §§ 1587 f, g, i Entw. EheRG. § 15871 Abs. 1 Entw. EheRG.

27. Kap.: Refonn der Sicherung der Ehegatten

411

gungsausgleichs für den Verpflichteten bei Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte bedeuten würde 76 • Der Ehegatte kann auch verlangen, wegen seines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs abgefunden zu werden, wenn der Verpflichtete hierdurch nicht unbillig belastet wird. Dabei kann die Abfindung nur innerhalb von zwei Jahren nach der Scheidung der Ehe begehrt77 und zur Sicherung des Versorgungszweckes nur in Form der Zahlung von Beiträgen zu einer privaten Lebens- oder Rentenversicherung verlangt werden78 • Komplizierte Vorschriften sowohl im 1. als auch im 2. EheRG, auf die hier nur verwiesen werden soll, regeln, wie die Werte der einzelnen Versorgungsanwartschaften ermittelt werden sollen79 • Die Bestimmungen über den Versorgungsausgleich werden ergänzt durch unterhaltsrechtliche Regelungen. Der Versorgungsausgleich bezieht sich nur auf die Zeit während der Ehe. Dem Versorgungsnachteil der Frau, der nach der Scheidung dadurch entsteht, daß sie nicht erwerbstätig sein kann, entweder weil sie Kinder zu versorgen hat oder keine ihr angemessene Erwerbstätigkeit findet, wird dadurch vorgebeugt, daß ihr durch Unterhalt abzudeckender Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit umfaßt80 • Desweiteren sieht der Entwurf in § 157781 den Unterhaltsanspruch zum Ausgleich von Versorgungsnachteilen vor 82 • Danach kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit er keine oder eine geringere Versorgung wegen Alters oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit erhält, weil er entweder während der Ehe nicht oder nicht voll erwerbstätig war oder weil er nach der Scheidung eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht gefunden hat oder wegen der Pflege eines gemeinschaftlichen Kindes nicht oder nicht voll erwerbstätig sein konnte. Dieser Unterhaltsanspruch hat gegenüber dem Versorgungsausgleich in vier Fällen eine eigenständige Funktion: -

Er schützt den Berechtigten, sofern dieser auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen ist, der grundsätzlich erst dann ein-

§ 1587 k Entw. EheRG. § 1587 g Entw. EheRG. 78 § 1587 0 Entw. EheRG. 79 §§ 1587 a (allgemein); 1587 h (schuldrechtlicher Versorgungsausgleich) ; 1587 p (Abfindung) Entw. EheRG; §§ 1304 ff. ZVO i. d. F. des 2. EheRG. 80 §§ 1579 Abs. 3 Entw. EheRG; 1578 Abs. 2 RE; 12 Abs. 2 DE. 81 §§ 1576 RE; 12 DE. 76 77

82

s. hierzu o. 15. Kap., sub 23.

412

-

-

IH. 3. Abschn.: Vorschläge zur Refonn

greift, wenn bei beiden Ehegatten der Versorgungsfall gegeben ist8S , bis zum Eintritt des Versorgungsfalles bei dem Verpflichteten84 j er sichert den auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich angewiesenen Ehegatten im Falle des Todes des Verpflichteten85 j er sichert den berechtigten Ehegatten in dem Fall, in dem der an sich Verpflichtete keinen zureichenden Versorgungsanspruch erworben hat - der Versorgungsausgleich würde dieses Risiko mangelnder Vorsorge nicht abdecken, und er sichert schließlich den Ehegatten, der nach der Scheidung keine ihm angemessene Erwerbstätigkeit findet oder dem eine Erwerbstätigkeit wegen der Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nicht zumutbar war. Dieses Risiko ist allerdings doppelt86 abgesichert, denn der berechtigte Ehegatte kann in dieser Zeit als Lebensbedarf auch die Beiträge zu einer Alterssicherung einfordern87 • Der Unterhalts anspruch zum Ausgleich von Versorgungsnachteilen bleibt trotzdem von Bedeutung, da er in den Fällen einen Ausgleich schaffen kann, in denen der Unterhaltsanspruch auf Zahlung der Beiträge zur Alterssicherung nicht oder nicht in vollem Umfange durchgesetzt werden konnte 88 •

Entsprechend seiner Funktion werden auf den Unterhalts anspruch zum Ausgleich von Versorgungsnachteilen Leistungen auf Grund des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs angerechnet89 • Der Entwurf des 1. EheRG stellt gegenüber dem Reform-Diskussionsentwurf und dem Referentenentwurf eine wesentliche Verbesserung dar. Beide Vorentwürfe sahen - in der Terminologie des Entwurfs des 1. EheRG -lediglich einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vor, der vorgenommen werden sollte, wenn beide Ehegatten eine Versorgung erlangt haben90 • Abweichend hiervon soll nach dem geplanten EheRG, soweit Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen sind, der Versorgungsausgleich sofort mit der Scheidung durchgeführt werden91 • Diese Regelung entspricht dem Grundgedanken Vgl. § 1587 g Entw. EheRG. s. a. Begr. zum Entw. EheRG, BR-Dr. 266/71 S. 92. 85 Vgl. § 1586 b Entw. EheRG, wonach mit dem Tode des Verpflichteten die Unterhaltspflicht auf die Erben als Nachlaßverbindlichkeit übergeht. 88 Findet der Ehegatte keine Erwerbstätigkeit, dann kann ihm diese Zeit u. U. auch als Ausfallzeit angerechnet werden (§ 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO). Insoweit stellt dies dann allerdings keinen Versorgungsnachteil mehr dar. 87 s. o. 15. Kap., sub 22 und o. Text zu Anm. 80. 88 Vgl. Begr. Entw. EheRG, BR-Dr. 266/71, S. 77. 89 § 1587 m Entw. EheRG. 80 Vgl. §§ 1587 RE; 27 DE. 91 § 1587 b Abs. 1 Entw. EheRG. 83

84

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

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des Entwurfs 92 , die Ehe mit der Scheidung auch als Wirtschaftsgemeinschaft zu beenden und über diesen Zeitpunkt hinaus allenfalls Unterhaltsansprüche zum Ausgleich ehebedingter Nachteile zu gewähren. Dieses Ziel wird durch den Versorgungsausgleich bei Rentenanwartschaften, das einem Splitting entspricht, voll realisiert. Kritisch sei lediglich bemerkt, daß bei der Berechnung des Wertes der Anwartschaften der Wegfall der Hinterbliebenensicherung nicht in Ansatz gebracht worden ist, so daß das Splitting nur auf der Basis 50: 50 erfolgt93 • Der Entwurf verfehlt dieses Ziel aber in all den Fällen, in denen der Versorgungsausgleich nicht im Zeitpunkt der Scheidung durchgeführt wird, d. h. also z. B. immer dann, wenn es gilt, Versorgungsrechte eines Versorgungsempfängers, beamtenrechtliche Versorgungsansprüche, Ansprüche aus Zusatzversorgungen oder auf betriebliche Ruhegelder auszugleichen. In diesen Fällen soll zwar nach den Vorstellungen des Entwurfs der ausgleichspflichtige Ehegatte dem anderen durch Nachentrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung eine dem Wert des Ausgleichsbetrages entsprechende Sicherung schaffen94 • Berechnungen des BMA haben aber ergeben95 , daß die Nachversicherung heute für 15 Ehejahre auf der Grundlage von 75 Ofo des Durchschnittsentgelts aller Versicherten (10318,- DM für 1970) etwa 25000,- DM, für dreißig Jahre das Doppelte erfordern würde. Die sich daraus ergebenden Altersruhegelder würden 145,- bzw. 290,- DM betragen. Bei diesen Zahlen ist es verständlich, daß der Entwurf selbst zur Ausgleichsregelung des § 1587 b Abs. 2 erklärt96 , daß sie nur "in den Fällen praktisch werden (könne), in denen der Ausgleichspflichtige in gesunden und mehr als nur hinreichenden wirtschaftlichen Verhältnissen lebt". Die Möglichkeit der Nachversicherung ist also weitgehend unrealistisch, zumal die Verpflichtung hierzu davon abhängt, daß die Inanspruchnahme nicht "grob unbillig" ist. Entsprechendes gilt auch für die Abfindung der Ansprüche aus dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich97 • Das Splitting zur Zeit der Scheidung wird also in der Tat nur bei Rentenanwartschaften vollzogen werden. In den anderen Fällen wird der Versorgungsausgleich erst im Alter der geschiedenen Eheleute durchgeführt. Durch diese Regelung werden sie bis in das hohe Alter wirtschaftlich aneinander gebunden. Dies steht zu der Konzeption des Unterhaltsrechts im Entwurf in geradem 92 Er fand in § 8 Abs. 1 DE noch seine unverfälschte Ausprägung, s. o. 2. Kap., Text zu Anm. 87. 93 s. hierzu u. sub 332. u § 1587 b Abs. 2 Entw. EheRG. 95 Unveröffentlichtes Material der Eherechtskommission. 98 BR-Dr. 266/71, S. 106. 97 Hierzu DE, S. 152.

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III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

Gegensatz, denn diese zielt darauf ab, die Unterhaltsbeziehung zwischen den Ehegatten möglichst rasch nach der Scheidung zu lösen98 • Ihre sozialrechtlichen Ansprüche sollen sie jedoch erst im Alter - eventuell Jahrzehnte nach der Scheidung - gegeneinander realisieren können, ja, sie werden sogar gezwungen, den Lebensweg des anderen zu verfolgen, um ihren Anspruch auf Versorgungs ausgleich rechtzeitig gerichtlich geltend zu machen, da er für die Vergangenheit ansonsten nicht verlangt werden kann99 • Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich verschlechtert die soziale Lage des ausgleichsberechtigten Ehegatten im Vergleich zu seiner Lage bei einem sofortigen Splitting nach der Scheidung. Erhielte er, wie bei dem Rentensplitting, Versorgungsanwartschaften übertragen, dann hätte er im Versorgungsfalle Anspruch auf öffentlich-rechtliche Sozialleistungen, deren Garant der jeweilige Sozialleistungsträger wäre. Bei dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich dagegen muß er seine Versorgungsansprüche, den Unterhaltsanspruch zum Ausgleich von Versorgungsnachteilen und den eigentlichen (schuldrechtlichen) Versorgungsausgleich gegen den anderen Ehegatten durchsetzen, von dessen Leistungsfähigkeit sie zudem abhängen. Im Gegensatz zum Rentensplitting, das dem ausgleichsberechtigten Ehegatten eine stabile Sicherung gewährleistet, führt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich allenfalls zu einer labilen, daher uneffektiven Sicherung1oo • Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich benachteiligt darüber hinaus den ausgleichsberechtigten Ehegatten. Bekäme er im Zeitpunkt der Scheidung den sozialrechtlichen Zugewinn als Bestandteil seiner eigenen Versorgung gutgebracht, dann würden die entsprechenden Leistungen nur von seiner eigenen Versorgungsberechtigung abhängig sein. Sie wären also unabhängig von der des Ausgleichspflichtigen und von dessen Lebenserwartung. Sie würden außerdem möglicherweise über den Tod des Ausgleichsberechtigten hinaus als Waisenrenten z. B. für ein nicht gemeinschaftliches Kind fortwirken. Da all dies für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht zutrifft, kürzt er Versorgungsanwartschaften des ausgleichsberechtigten Ehegatten. Andererseits kommen z. B. einseitige Kinder des ausgleichspflichtigen Ehegatten in den Genuß von vollen Hinterbliebenenleistungen auf Grund solcher Anwartschaften, die dem (schuldrechtlichen) Ausgleich unterfallen waren. Das Problem der Auswirkungen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs auf die Hinterbliebenensicherung der Angehörigen von Ehegatten ist ungelöst und wohl auch kaum lösbar. Kritisch insoweit auch Beitzke, RdA 1971, 99 (101). §§ 1587 n Abs. 1 i. V. ffi. 1585 b Abs. 2 Entw. EheRG. 100 Insbesondere daran entzündet sich die Kritik von Zacher, NO 1971, 1 (9). 98 99

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

415

Der uneffektive schuldrechtliche Versorgungsausgleich ist auch nicht sachlich geboten. Die sofortige Aufteilung des Versorgungsanspruches nach der Scheidung ist auch bei beamtenrechtlichen Versorgungsansprüchen möglich. Als Lösung bietet sich hier eine Nachversicherung des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu Lasten der Versorgungsberechtigung des ausgleichspflichtigen, beamteten Ehegatten antOt. Dieser Möglichkeit steht auch nicht das "Alimentationsprinzip" des Beamtenrechts entgegen, wonach der Staat seinen Beamten eine der jeweiligen Dienststellung angemessene Versorgung zu gewähren hat. Die Versorgung des Beamten wird in jedem Falle durch die Scheidung geschmälert. Ob nun der ausgleichsberechtigte Ehegatte Abtretung eines Teils der Pensionsansprüche im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs verlangen kann102 , oder ob diese Ansprüche direkt kraft Nachversicherung in der Person des Ausgleichsberechtigten entstehen, macht im Ergebnis für den ausgleichspflichtigen Beamten keinen Unterschied aus. Das ohnehin umstrittene "Alimentationsprinzip"103 sollte einer notwendigen - und notwendigerweise auch einheitlichen - Reform nicht entgegenstehen. Die betriebliche Altersversorgung stellt wegen der in gewissem Maße doch bestehenden Labilität der durch sie vermittelten Sicherung im Rahmen eines Versorgungsausgleichs schon einen Unsicherheitsfaktor dar. Diesem könnte aber durch Rückübertragungsklauseln hinreichend Rechnung getragen werden. Im übrigen wird die Labilität, die der Sicherung anhaftet, die die betriebliche Altersversorgung vermittelt, dadurch abgeschwächt oder ganz beseitigt werden, wenn diese - wie geplantl° 4 - mobilitätsgerecht gestaltet wird, wenn also vor allem die Verfallbarkeit der Versorgungsansprüche bei Betriebswechsel, betrieblicher Insolvenz und bei Kündigung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen wird. Problematisch an diesem Entwurf sind auch die Härteklauseln, wenn sie auch im Hinblick auf einige Fälle von einem anzuerkennenden rechtspolitischen Bedürfnis getragen werden, wie z. B. wenn wegen des Güterstandes der Gütertrennung der eine Ehegatte seine Ersparnisse, mit denen er seine Zukunft sichern wollte, ungeschmälert mitnimmt, ohne Härteklausel trotzdem aber an der Versorgung des anderen Ehegatten teilhätte, die dieser im Laufe der Ehe erworben hat105. Da aber nach dem Entwurf der Versorgungsausgleich auch aus anderen Gründen als dem beiderseitigen Vermögenserwerb der Ehegatten tOl Vgl. Krause - Ruland, ZSR 1969, 260 (273); nun auch H. Bogs, Eherecht und Sozialversicherung, S. 119. 102 Vgl. § 15871 Abs. 1 Entw. EheRG. 103 s. o. 4. Kap., Anm. 140. 104 Vgl. Sozialbericht 1970, S. 26. 105 In diesem Sinne wohl § 1587 c Entw. EheG; der Versorgungsausgleich ist von dem Güterstand unabhängig, vgl. BR-Dr. 266/71, S. 104.

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III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

während der Ehe als "grobe Härte" angesehen werden kann, etwa wenn der Ausgleichsberechtigte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinem Einkommen und Vermögen bestreiten kann, der Ausgleichspflichtige aber, würde er den Ausgleich vollziehen müssen, seinen angemessenen Unterhalt gefährden würdelos, fragt es sich zunächst, wie sich solche Regelungen überhaupt mit dem den Versorgungsausgleich rechtfertigenden Gedanken des "Mitverdienens" der Versorgung des jeweils anderen Ehegatten vereinbaren lassen. Ist die auszugleichende Versorgung wirklich mitverdient, dann müßte der Ausgleich in jedem Falle durchgeführt werden, es sei denn, es liegt einer der oben beschriebenen Fälle der Gütertrennung vor. Die Härteklauseln bergen darüber hinaus die Gefahr in sich, daß mit ihnen häufig das gesamte Institut des Versorgungsausgleichs umgangen wird. Sie sind ein weiteres Kriterium, das der Qualifizierung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs als selbständiger Sicherung der Frau entgegenstehtlo7 . Gegen den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich spricht außerdem noch, daß die geschiedenen Ehegatten die hierfür notwendigen Berechnungen selbst anstellen müssen. Sie sind damit ebenso wie die Zivilgerichte, die diese Berechnungen zu überprüfen haben, einfach überfordert. Die Vorschriften sind so daher kaum l08 oder überhaupt nicht praktikabel. Zumindest sollte man eine entsprechende Beratungs- und Auskunftspflicht der jeweiligen Sozialleistungsträger vorsehen lo9 . Die letzten Punkte betrafen nur Randfragen, die sich systemimmanent beseitigen bzw. ändern ließen. Was bleibt, sind die grundsätzlichen Einwände, daß die Ehegatten soweit sie auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich angewiesen sind, obwohl geschieden wegen ihrer AIterssicherung lebenslänglich aneinander gebunden bleiben, und daß man den ausgleichs berechtigten Ehegatten auf labile schuldrechtliche Ansprüche gegen den ausgleichspflichtigen Ehegatten verweist, wobei man ihm den einzig - im Vergleich hierzu - relativ stabilen Teil seiner Sicherung - die Geschiedenenhinterbliebenenrente - noch nimmt, statt ihm in Höhe des Ausgleichs stabile öffentlich-rechtliche Sicherungsansprüche zu gewähren, was durchführbar gewesen wäre. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich kann nicht als befriedigende Lösung akzeptiert werdenllO • Es muß daher bedenklich stimmen, daß er in der Übergangszeit bis 1979 als einzige Ausgleichsregelung vorgesehen ist111 • 108 107 108 100 110 111

Vgl. § 1587 k Ziff. 1 Entw. EheRG; Begr. hierzu S. 109. Ebenso Beitzke, RdA 1971, 99 (101). Ebd. Vgl. dazu § 1325 RVO i. d. F. des Entw. RRG. Kritisch zum 1. EheRG auch Lange, FamRZ 1972, 225 ff. Vgl. Begr. zum Entw. des 2. EheRG, S. 94.

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

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222 Das Rentenreformgesetz (RRG) Das RRG will als übergangslösung für Scheidungsfälle vor Inkrafttreten des im Rahmen der Eherechtsreform vorgesehenen Versorgungsausgleichs die Voraussetzungen für die Gewährung von Renten an den geschiedenen Ehegatten erleichtern. Gleichzeitig soll ein erster Schritt zum Versorgungsausgleich hin getan und die notwendigen Konsequenzen aus der Aufgabe des Verschuldensprinzips im Scheidungsrecht gezogen werden112.. Voraussetzung für die Rente an den geschiedenen Ehegatten soll sein, daß in die Ehezeit anrechnungsfähige Versicherungsjahre oder Rentenbezugszeiten fallen113 • Unter dieser Voraussetzung sollen in Zukunft alle geschiedenen Ehegatten eines verstorbenen Versicherten für die Dauer der Invalidität oder der Kindererziehung nach dem Tode des Versicherten einen Anspruch auf Geschiedenenhinterbliebenenrente haben. Diese Rente soll nach dem Tode des Versicherten weiter dem Ehegatten gewährt werden, der im Zeitpunkt der Aufli;>sung der Ehe oder bei Beendigung einer sich anschließenden Kindererziehung 45 Jahre alt war. Im übrigen sollen alle geschiedenen Ehegatten die Rente ab der Vollendung des 60. Lebensjahres erhalten. Diese Renten sollen entsprechend dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs auch anders als bisher berechnet werden. Sie sollen gern. § 1268 Abs. 2 ades Entwurfs114 60 Ofo des auf die Ehe entfallenden Teils der Versichertenrente betragen. Dieser Teil soll in der Weise ermittelt werden, daß die Versichertenrente nach dem Verhältnis der in die Ehe fallenden Versicherungsjahre und Rentenbezugszeiten zu den insgesamt angerechneten Versicherungsjahren und Rentenbezugszeiten aufgeteilt wird. Ausfallzeiten werden entsprechend dem Verhältnis der übrigen Zeiten in Ansatz gebracht. Sind jedoch eine Witwe bzw. ein Witwer und ein geschiedener Ehegatte vorhanden, dann ist die (Gesamt-)Hinterbliebenenrente wie bisher zu berechnen. So dann sind die Witwen- bzw. Witwerrente und die Rente an den früheren Ehegatten - ebenfalls wie bisher - nach dem Verhältnis der jeweiligen Dauer der Ehe mit dem bzw. der Versicherten aufzuteilen (§ 1268 Abs. 4 RVO). Ergibt jedoch die Berechnung der Rente nach dem geplanten Abs. 2 ades § 1268 RVO des Entwurfs einen geringeren Betrag, dann erhält der frühere Ehegatte nur diesen. Um den Differenzbetrag wird die Rente an die Witwe bzw. an den Witwer aufgestockt. Hierzu ausführlich Bogs, Soz. Fortschritt 1969, 241 ff., 272 ff. Vgl. § 1265 RVO i. d. F. des Art. 1 § 1 Nr. 13 Entw. RRG und des 2. EheRG; entsprechende Änderungen sind jeweils für das AVG und RKG vorgesehen. 114 Art. 1 § 1 Nr. 14 b Entw. RRG; § 1268 RVO i. d. F. des 2. EheRG. 112

113

27 Ruland

418

III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

Der Entwurf des RRG sieht desweiteren eine Änderung des § 1291 Abs. 2 RVO vor115, der bisher das Wiederaufleben der infolge Wiederheirat weggefallenen Hinterbliebenenrente bei Auflösung der neuen Ehe davon abhängig gemacht hatte, daß den Rentenberechtigten an der Auflösung der neuen Ehe kein Verschulden traf 116 • Diese Verschuldensklausel soll wegen des übergangs zum Zerrüttungsprinzip aufgegeben werden. Die Stellungnahme zu dieser übergangslösung kann nur zwiespältig sein. Unbedingt zu begrüßen ist, daß damit in den meisten Fällen den Ehegatten die Zeiten einer aufgelösten Ehe in ihrer "sozialrechtlichen" Biographie erhalten bleiben. Dies trifft allerdings nicht in allen Fällen zu, denn der frühere Ehegatte, der zu Lebzeiten des Versicherten wiedergeheiratet hat und der nach der Rechtsprechung des BSG daher kein "früherer Ehegatte" mehr ist117, wird auch dieser Regelung zufolge nach dem Tode seines (ersten) Ehegatten keine Rente beziehen, obwohl er sie "mitverdient" hat. Diese übergangslösung ist zudem nur auf Sozialversicherte beschränkt, doch kann davon ausgegangen werden, daß auch im Beamtenversorgungsrecht ähnliche Lösungen gefunden werden. Die Ablösung des Schuldprinzips durch das Zerrüttungsprinzip macht sie unausweichlich118• Kritisch ist zu dieser Lösung weiter anzumerken, daß die soziale Sicherung zugunsten des früheren Ehegatten in sehr vielen Fällen erst zu spät einsetzen wird, denn Leistungen werden erst gewährt, wenn der Versicherte verstorben ist, nicht schon dann, wenn der frühere Ehegatte, weil alt oder invalide, versorgungs be dürftig geworden ist. Bis zu dem Tod des unmittelbar Gesicherten ist der frühere Ehegatte auf Unterhaltsansprüche angewiesen. Gilt im Zeitpunkt des Inkrafttretens des RRG das bisherige Unterhaltsrecht noch, dann ist in der Zwischenzeit überhaupt nur der unschuldig geschiedene Ehegatte gesichert. Der schuldig geschiedene erhält keinen Unterhalt - wohl aber nach dem Tode des früheren Ehegatten Rente. Aus welchem Grund diese Rente gewährt wird, ist bei dieser Ausgestaltung nicht einzusehen. Gegen diese Lösung - auch nur als übergangslösung - sprechen dann die gegen den Vorschlag Langkeits vorgebrachten Bedenken119 • Gilt bei dem Inkrafttreten des RRG das Unterhaltsrecht des 1. EheRG - was sehr fraglich ist -, dann hat die nach dem Tode des unmittelbar Gesicherten gezahlte Rente Unterhaltsersatzfunktion, denn sie tritt Art. 1 § 1 Nr. 17; entsprechendes gilt für AVG und RKG, s. nun o. S. 7. Kritisch hierzu o. 23. Kap., Text zu Anm. 46--48. BSG, SozR Nr. 30 zu § 1265 RVO. 118 Vgl. Bogs, Soz. Fortschritt 1969, 241 ff.; Eherechtskommission, Vorschläge, S. 120. 119 s. o. Text zu Anm. 24-26. 115

118 111

27.

Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

419

an die Stelle des Unterhaltsanspruches zum Ausgleich von Versorgungsnachteilen. Insofern wäre diese Lösung zumindest systemkonform und die übergangslösung kurzfristig akzeptabel. Bemerkt sei zu dem RRG noch, daß die verschiedenen Arten der Berechnung der Rente für den geschiedenen Ehegatten sich diesem gegenüber als eine Meistbenachteiligungsklausel auswirken. 3 Ein Vorschlag zur Reform 31 Die Grundsätze

Auf Dauer muß jedoch eine familiengerechte, den Risiken gerecht werdende, Mann und Frau gleichbehandelnde soziale Sicherung des nicht-erwerbstätigen Ehegatten erreicht werden. Unter Berücksichtigung der Aufgaben der Reform120 , der im positiven wie im negativen Sinne geübten Kritik an den in Literatur und Gesetzgebung gemachten Vorschlägen soll nachstehender Vorschlag unterbreitet werden121 • Er stellt kein Prinzip in den Vordergrund, das er zu verwirklichen sucht. Er geht - um dem Zweck sozialer Sicherung gerecht zu werden - von den Risiken des nichterwerbstätigen Ehegatten, typischerweise der Frau aus, die es abzudecken gilt. Er strebt, schon um die Anknüpfung an das geltende Recht zu erleichtern, nicht für alle Fälle eine eigenständige Sicherung der Hausfrau an. Solange die Ehe besteht, wird sie als Familienangehörige über ihren Unterhalts anspruch gegen ihren Ehemann versorgt. Es macht hierfür keinen Unterschied, ob der Unterhaltsverband Arbeitseinkommen oder Sozialeinkommen bezieht. Solange also die Ehe besteht, bleibt die Hausfrau nur mittelbar gesichert. Wird die Ehe durch Scheidung aufgelöst, dann verselbständigt sich das soziale Schicksal der Frau. Dementsprechend wird ab diesem Zeitpunkt auch ihre soziale Sicherung von der des früheren Ehemannes gelöst. Nach diesem Vorschlag ist die Hausfrau dem Grundsatz nach nicht eigenständig, sondern abgeleitet gesichert. Aber ihre Sicherung kann zu jeder Zeit bei Auflösung der Familieneinheit verselbständigt werden. Der Vorschlag sieht das grundsätzliche Risiko der Hausfrau als Familienangehörige darin, daß ihr Unterhalt von dem dem Unterhaltsverband zufließenden Einkommen - regelmäßig des Ehegatten - abhängig ist und daß diese Leistungen wegfallen können. Ist die Frau jedoch durch Scheidung aus dem Familienverband ausgeschieden, dann wird sie von den Individualrisiken, insbesondere dem des Alters, bedroht. 120 S.

o. sub 1.

Er schließt sich eng an den von Dr. Peter Krause und mir in ZSR 1969, 260 ff. veröffentlichten Vorschlag an. Einzelne Passagen wurden übernommen. 121

27'

420

III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

32 Die Sicherung der vollständigen Familie

In der vollständigen Familie wird die Hausfrau auch im Alter durch Unterhaltsleistungen des versicherten Ehemannes versorgt, dessen altersbedingte Leistungsunfähigkeit - wie z. B. auch im Falle der Krankheit oder der Arbeitslosigkeit - durch Lohnersatzleistungen abgedeckt wird. Ob wegen der Einbuße an sozialer Sicherung, die dadurch eingetreten ist, daß die Mutter ihrer Kinder wegen auf Erwerbsarbeit verzichten mußte, ein Ausgleich etwa in Form eines Frauenzuschlages gewährt werden soll, soll im Rahmen der überprüfung der Vorschläge zum Familienlastenausgleich erörtert werden122 • In den Bereich dieser Erörterungen gehört es auch, ob dann, wenn in der Familie Kinder zu versorgen sind, Leistungen bei Ausfall des Ehegatten gewährt werden sollen, der den persönlichen Unterhalt erbringt123 • 33 Die Auflösung der Ehe

331 Die Auflösung durch Tod

Im Falle des Todes des anderen Ehegatten sollte dem überlebenden Ehegatten durch entsprechende Leistungen der sozialen Sicherheit zumindest die Aufrechterhaltung des Lebensstandards ermöglicht werden, den die Eheleute gemeinsam innegehabt hätten, wenn sie in diesem Zeitpunkt auf Sozialleistungen angewiesen gewesen wären. Zunächst ist der hinterbliebene Ehegatte jedoch auf eigene Erwerbstätigkeit zu verweisen. Ist ihm diese nicht möglich, so treten an deren Stelle die entsprechenden Surrogate des Erwerbseinkommens 124 ; erst wenn diese Einkünfte nicht ausreichen, besteht für weitergehende Leistungen der sozialen Sicherheit speziell für den hinterbliebenen Ehegatten ein Bedürfnis, das sozial Anerkennung verdient. Das Risiko des Ausfalls der Haushaltstätigkeit beim Tode des haushaltführenden Ehegatten wird schon dadurch ausgeglichen, daß der überlebende nunmehr sein Einkommen bzw. den entsprechenden Einkommensersatz voll zur eigenen Verfügung hat. Es sollte daher nicht durch Sozialleistungen aufgefangen werden. 331.1 Der alte oder erwerbsunfähige Ehegatte Der hinterbliebene, alte oder erwerbsunfähige Ehegatte soll eine Gesamt-Rentenleistung erhalten, die 60 Ofo der Rentensumme beträgt, S. u. 28. Kap., sub 223. m s. u. 28. Kap., sub 23; für den Fall, daß keine Kinder zu versorgen sind:

122

u. im Text.

124 z. B. Leistungen wegen Arbeitslosigkeit; zur Anspruchsberechtigung der Ehegatten nach Auflösung der Ehe, vgl. § 4 der 5. DVO zum AVAVG i. V. m. § 137 AFG (gilt fort gem. §§ 145 AVAVG; 242 Abs. 37 AFG).

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

421

welche beiden Ehegatten jeweils unter Berücksichtigung der Zurechnungs- und Ausfallzeiten im Zeitpunkt des Todes zugestanden hätte. übersteigt die eigene Rente des hinterbliebenen Ehegatten diese 60 %, so bleibt diese - höhere - Rente unberührt, schon urn eine Benachteiligung im Vergleich zu dem nicht Verheirateten zu vermeiden. Dieser Vorschlag gewährt dem nennenswert mehr verdienenden Ehegatten grundsätzlich keine Hinterbliebenenrente. Er begünstigt die Geschlechter in gleicher Weise, ohne materiell zu einer Benachteiligung des nicht (voll) erwerbstätig gewesenen Ehegatten zu führen, die als unsozial empfunden werden müßte. Er kann durch Beispiele, die ihn mit dem geltenden System vergleichen, verdeutlicht werden. Haben die Ehegatten zeitlebens das gleiche - versicherungspflichtige - Einkommen erzielt, so beträgt ihre eigene Rente jeweils 50 Ufo der Gesamtsumme beider Renten, erreicht also den als angemessen angesehenen Anteil für sich alleine nicht. Sie wird daher nach diesem Vorschlag beim Tode des anderen Ehegatten um 10 Ufo der bei den gemeinsam zustehenden Renten auf 60 Ufo dieser Renten aufgestockt. Nach geltendem Recht erhält der Mann dagegen keine Witwerrente, weil die Familie von der verstorbenen Frau nicht überwiegend unterhalten wurde 1lUi • Er bleibt also auf die eigene Rente angewiesen. Dagegen erhält die Frau in jedem Fall eine Hinterbliebenenrente in Höhe von 60 Ufo der (allerdings je nach den Gegebenheiten unterschiedlich berechneten126) Mannesrente, insgesamt also eine Rente, die 80 Ufo (50 + 30 Ufo) der Renten beider Ehegatten erreicht. Hat der überlebende Ehegatte mehr als der verstorbene verdient, so soll er nach diesem Vorschlag seine eigene Rente behalten, es sei denn, der Unterschied sei so geringfügig gewesen, daß diese Rente nicht 60 Ufo der beiden gemeinsam zustehenden Renten erreicht. Das geltende System begünstigt in diesem Fall wiederum die Witwe unverhältnismäßig; sie erhält eine Hinterbliebenenrente in Höhe von 60 Ufo der Mannesrente ohne Rücksicht auf ihren eigenen Rentenanspruch. Dagegen erhält der Witwer, der - wenn er mehr verdient hat - nicht überwiegend unterhalten wurde, keine Rente. Hat der überlebende Ehegatte weniger als der verstorbene verdient, so erhält er nach dieser Konzeption zusätzlich zu seiner eigenen Rente eine Hinterbliebenenrente, die seine Versorgung auf 60 Ufo der Renten aufstockt, die beiden gemeinsam zugestanden hätte. Nach geltendem Recht erhält die Witwe die eigene Rente und 60 Ufo der Mannesrente; der Mann dagegen nur dann eine zusätzliche Witwerrente, wenn die Familie im Zeitpunkt des Versicherungsfalles von seiner Frau über125 128

Dazu o. 13. Kap., sub 214.2. Vgl. § 1268 Abs. 1, 2 RVO.

422

III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

wiegend unterhalten wurde 127 • Der Vorschlag zeichnet sich also nicht allein durch seine Geschlechtsneutralität aus; er beschränkt zugleich die Rente an den hinterbliebenen Ehegatten auf ein vertretbares Maß und beseitigt die "Alles oder Nichts-Klausel" der Ausgestaltung der Rente an den hinterbliebenen Ehegatten im geltenden Recht. Die Erwerbsunfähigkeit des hinterbliebenen Ehegatten müßte wie bislang nach den allgemeinen Maßstäben beurteilt werden. Mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten, auf die eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben im höheren Alter stößt, sollte die Altersgrenze für die Hinterbliebenenrente jedoch niedriger angesetzt werden; zu denken ist an 50-55 Jahre. Für die jeweils eigenen Rentenansprüche sollte es dagegen bei der allgemeinen Altersgrenze bleiben, auch wenn sie in Verbindung mit einer Rente an den hinterbliebenen Ehegatten gewährt werden. Ist der hinterbliebene Ehegatte nicht mehr erwerbsunfähig, so fällt neben der "eigenen" Rente auch die "Rente an den hinterbliebenen erwerbsunfähigen Ehegatten" weg, es sei denn, er habe inzwischen die Altersgrenze (50 oder 55 Jahre) erreicht; in diesem Fall ist sie weiter zu gewähren. Ist er im Anschluß an die Erwerbsfähigkeit berufsunfähig, so ist die Rente in eine Rente an den berufsunfähigen hinterbliebenen Ehegatten umzuwandeln. 331.2 Der berufsunfähige Ehegatte

Der berufsunfähige Ehegatte sollte eine Rente erhalten, die dem gegenüber der Erwerbsunfähigkeit geminderten Risiko der Berufsunfähigkeit angemessen ist, d. h. seine eigene Rente wegen Berufsunfähigkeit ist durch die Rente an den hinterbliebenen Ehegatten nur auf den angemessenen Anteil (60 0/0) der beiden gemeinsam unter Berücksichtigung der jeweiligen Zurechnungs- und Ausfallzeiten zustehenden Berufsunfähigkeitsrenten zu erhöhen. An der Gleichsetzung der Berufs127 Mit diesem Vorschlag ließe sich auch das oben im 22. Kap., sub 223 angeschnittene Problem des Zusammentreffens von privater und gesetzlicher Vorsorge befriedigend lösen, auch wenn man als Unterhalt in Vorsorgesystemen nur Leistungen aus dem "Arbeitsverdienst" versteht. An das dort gebrachte Beispiel samt seinen Zahlen wird angeknüpft. Bei einem Anteil von 60 010 ergäbe dies im Falle 1 eine Gesamtrentenleistung auf der Basis (300 + 900 = 1200, davon 60 Ofo =) 720,- DM. Im Falle 3 ergäbe es eine Gesamtrentenleistung auf der Basis (300 + 450 = 750, davon 60 Ofo =) 450,- DM. Hinzu kommt die Vorsorge aufgrund des nicht versicherungspflichtigen Einkommens von 450,- DM. Eine Hinterbliebenenversorgung in Höhe von 60 Ofo dieser Basis - das Einkommen des Ehemannes dürfte nicht noch einmal in Anrechnung gebracht werden -, betrüge dann 270,- DM. Zusammengenommen ergibt dies wieder 720,- DM wie im Falle 1. Im Falle 2 ergäbe es eine Gesamtrentenleistung von (500 + 450 = 950, davon 60 Ofo =) 570,- DM (nach heutigem Recht erhielte der Ehemann lediglich seine Rente auf der Basis 500).

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

423

unfähigkeit und der Erwerbsunfähigkeit des hinterbliebenen Ehegatten im geltenden Recht (vgl. § 1268 Abs. 2 Nr. 2 RVO) sollte nicht festgehalten werden. 331.3 Der voll erwerbsfähige Ehegatte Der voll erwerbsfähige hinterbliebene Ehegatte sollte nur dann eine Rente erhalten, wenn sie notwendig ist, um einen sozialen Abstieg durch die Verwitwung zu verhindern. Es kann davon ausgegangen werden, daß ein solcher Abstieg droht, wenn der verstorbene Ehegatte erheblich mehr als der überlebende verdient hat. Die Rente sollte sich daher an der Differenz der während der Ehe erworbenen Rentenansprüche orientieren. Die Rente an den hinterbliebenen, voll erwerbsfähigen Ehegatten sollte dementsprechend in Höhe des Betrages gewährt werden, um den der während der Ehe erworbene eigene Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente durch den während der gleichen Zeit erworbenen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente des anderen Gatten überstiegen wird. Zurechnungszeiten sind in diese Berechnung nicht einzubeziehen. Haben Witwer oder Witwe im Anschluß an den Tod des anderen Ehegatten eine Hinterbliebenenrente wegen Erwerbsminderung bezogen, die weggefallen ist, so ist der Zeitpunkt ihres Wegfalls als Versicherungsfall der "Rente an den voll erwerbsfähigen Ehegatten" zu betrachten. Um der längeren Entfremdung aus dem Berufsleben Rechnung zu tragen, sind bei dieser Rentenberechnung die zwischen Tod und Wegfall verstrichenen Zeiten bei beiden Ehegatten als Ausfallzeiten zu bewerten, soweit sie sich mit einer Zurechnungszeit decken. 331.4 Nachträgliche Erwerbsunfähigkeit und nachträgliches überschreiten der Altersgrenze Setzt die Erwerbsunfähigkeit ein oder wird die Altersgrenze überschritten, nachdem der andere Ehegatte bereits verstorben ist, so reicht die bislang gezahlte Rente an den hinterbliebenen Ehegatten auch zusammen mit der eigenen Rente nicht aus, um das volle Risiko zu decken. Sie verhindert den sozialen Abstieg nur, solange der Hinterbliebene noch weiterarbeiten kann, trägt aber der Minderung des Anspruchs auf Rente aus eigener Erwerbstätigkeit, die dadurch bedingt ist, daß dieser Anspruch während der Ehezeit nicht durch eine eigene volle Erwerbstätigkeit gesteigert wurde, nicht voll Rechnung. Dennoch ist die im geltenden System übliche schematische Umwandlung in die "große Witwenrente" nicht gerechtfertigt. Einmal ist die Altersgrenze zu niedrig angesetzt; sie berücksichtigt nicht, daß der hinterbliebene Ehegatte inzwischen wieder berufstätig geworden ist und daß kein Grund besteht, ihn vorzeitig von der übernommenen Erwerbsarbeit

424

111. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

freizusetzen. Zum anderen wird - wie überhaupt im geltenden Recht - nicht beachtet, daß der Hinterbliebene sich durch die eigene Arbeit inzwischen eine eigene soziale Sicherung aufgebaut hat, so daß er nur in geringerem Maße auf die Hinterbliebenenrente angewiesen ist. Die Lücke, die in seiner Versorgung während der Ehezeit eingetreten ist, kann am einfachsten dadurch geschlossen werden, daß die ohnehin gewährte Rente an den hinterbliebenen Ehegatten bei Verschärfung des Risikos angemessen erhöht wird. Bei Eintritt z. B. der Erwerbsunfähigkeit oder bei überschreiten der - allgemeinen - Altersgrenze sollte sie auf den Satz der Erwerbsunfähigkeitsrente, nämlich um das 1,5fache, erhöht werden. 331.5 Die kurzfristige Ehe Bei kurzer Ehedauer ist der Lebensstandard des überlebenden Ehegatten nicht nachhaltig durch den gemeinsamen Lebensstandard der Eheleute geprägt. Die Wiedereingliederungsnachteile sind gering. Die Vorsorge für die soziale Sicherung des anderen Ehegatten wurde nur während eines kleinen Zeitraumes mitgetragen. Das rechtfertigt es, eine Rente an den hinterbliebenen Ehegatten von einer bestimmten Ehezeit abhängig zu machen und an ihre Stelle bei kurzzeitiger Ehe den Rentenausgleich treten zu lassen, wie er für den Fall der Scheidung vorgeschlagen wird. Etwas anderes gilt, wenn aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind, die versorgt werden müssen. 331.6 Der hinterbliebene Ehegatte mit Kindern Da einerseits der Tod des Ehegatten im Rahmen der eigenen Sicherung des hinterbliebenen Ehegatten keinen Ausgangstatbestand sozialer Leistungen darstellen kann, dies auch dann nicht, wenn er für Kinder zu sorgen hat, andererseits das Splitting aber erst im Zusammenspiel mit Leistungen auf Grund eigener Sicherung zu befriedigenden Sozialleistungen führt, empfiehlt es sich, in dem Falle, daß der hinterbliebene Ehegatte für Kinder zu sorgen hat, wie im geltenden Recht ganz an das Einkommen des verstorbenen Ehemannes anzuknüpfen, auf welches die Familie auch bei Weiterleben des Vaters angewiesen gewesen wäre, wenn sich die Mutter ganz auf den Haushalt beschränkt hätte. Solange die Witwe waisenrentenberechtigte Kinder allerdings nur bis zum Alter von 18 Jahren erzieht, sollte sie daher eine "Mutterrente" in Höhe von 60 Ofo der Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten, die dem verstorbenen Ehegatten im Zeitpunkt seines Todes zugestanden hätte. Die Mutterrente setzt sich zusammen aus einer Grund- und einer Ausgleichsrente. Die Grundrente beträgt 20 010, die Ausgleichsrente 40 010

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

425

der Erwerbsunfähigkeitsrente des verstorbenen Ehegatten im Zeitpunkt seines Todes. Da die Mutterrente es der Mutter ermöglichen soll, sich ganz dem Kind zu widmen, ohne erwerbstätig sein zu müssen, wird auf die Ausgleichsrente Einkommen der Mutter zu 50 % angerechnet. Als Einkommen gelten nicht Unterhaltsansprüche der Mutter. Die Mutterrente schließt die übrigen Renten an den hinterbliebenen Ehegatten grundsätzlich aus, es sei denn, daß diese höher wären. In diesem Fall wird nur die höhere Rente gewährt. Endet die Zeit der Kinderversorgung, so tritt die "Rente an den hinterbliebenen Ehegatten" ein und die "Mutterrente" fällt weg. Dieser Zeitpunkt gilt als Versicherungsfall; dabei wäre zu fingieren, daß der Verstorbene bis zu diesem Zeitpunkt weitergearbeitet hat, soweit sich die Zwischenzeit mit einer möglichen Zurechnungszeit deckt. Damit wäre auch das Problem der Vorsorge für die Alterssicherung der verwitweten Mutter während der Zeit der Kindererziehung gelöst. 331.7 Die Familienrente Werden außer der Rente an den hinterbliebenen Ehegatten auch Waisenrenten an minderjährige Kinder gewährt, die mit dem hinterbliebenen Ehegatten in einem gemeinsamen Haushalt leben, dann werden diese Hinterbliebenenrenten dem hinterbliebenen Ehegatten grundsätzlich als eine einheitliche "Familienrente" gezahlt. 331.8 Hinterbliebenenrente und eigene soziale Sicherung Das Problem der Kumulation von Hinterbliebenensicherung und eigener sozialer Sicherung ist durch die Berechnung der Hinterbliebenenrenten gelöst. Die Bemessung der Leistungen an den verwitweten Ehegatten und der Rentenausgleich tragen dem Wechsel in der sozialen Biographie der Frau zwischen Erwerb und Haushalt und zwischen verschiedenen Ehen hinreichend Rechnung. Zur vollen Realisierung der Einheit dieser Biographie bedarf es noch einiger kleiner weiterer Korrekturen. Die Zeit der Erwerbstätigkeit des Ehegatten, der die Haushaltsrolle übernimmt, kann zu kurz sein, um die Wartezeit zur Begründung eines eigenen Rentenanspruchs zu erfüllen. Um dem vorzubeugen, sollte die Ehezeit von der Wartezeit abgezogen werden, soweit in ihr ein Anspruch auf Rente an den hinterbliebenen Ehegatten erworben wurde. Es kann ferner geschehen, daß derjenige, der wegen der Ehe eine Erwerbstätigkeit aufgibt oder nicht aufnimmt, deswegen die Voraussetzungen der Anrechnung von Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten verliert128 • Daher sollte zumindest die Zeit, in der pflegebedürftige Kinder zu versorgen waren, insofern es für die Anrechnung dieser 128

§§ 1251 Abs. 3, 1259 Abs. 3, 1260 Abs. 1 S. 2 RVO.

426

III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

Zeiten von Bedeutung ist, als Versicherungszeit fingiert werden. Sonstige Rentensteigerungen sollen dadurch jedoch nicht eintreten, es soll damit nur die Realisierung von Rentenanwartschaften erleichtert werden.

332 Die Auflösung der Ehe durch Scheidung Wird eine Ehe aufgelöst, ohne daß der sozial weniger gesicherte Ehegatte eine Hinterbliebenenrente erhält, so muß er für den Fall seines Alters und seiner Erwerbsminderung durch eine zureichende Beteiligung an der von dem anderen Ehegatten erworbenen sozialen Sicherung geschützt werden. Das erscheint auf dem Wege eines Rentenausgleichs (Splitting) möglich. Bei dem Rentenausgleich ist zu berücksichtigen, daß der jeweilige Beitrag neben der Vorsorge für die eigene soziale Sicherung auch der sozialen Sicherung des anderen Ehegatten im Fall des Vorversterbens des unmittelbar gesicherten Ehegatten dient. Gegenwärtig werden nur zwei Drittel der Beiträge für die Sicherung der Erwerbstätigen aufgewendet, ein Drittel dient der Witwenversorgung. Auch dieser Anteil muß in den Rentenausgleich mit einbezogen werden, wenn die Ehegatten wegen der Scheidung nicht benachteiligt werden sollen. Fraglich ist aber, ob dieses Drittel voll den zu verteilenden Rentenansprüchen zugezählt werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich das versicherungstechnische Risiko durch ein Splitting mindert, weil die Anwartschaften auf Hinterbliebenensicherung aus den in das Splitting einbezogenen Rentenansprüchen damit abgegolten sind, und weil der ausgleichspflichtige Ehegatte, auch wenn er den ausgleichsberechtigten überlebt, nur seine durch das Splitting geminderte Sozialleistung bezieht. Außerdem kommt der ausgleichsberechtigte Ehegatte nicht schon dann in den Genuß von Sozialleistungen, wenn der frühere Ehegatte verstirbt, sondern erst dann, wenn in seiner eigenen Person ein Versicherungsfall eintritt. Gerade dies kann sich aber auch zu seinen Gunsten auswirken, wenn er früh invalide und/oder der ausgleichspflichtige Ehegatte sehr alt wird und die Hinterbliebenenrente also erst spät einsetzen würde. Es erscheint gerade wegen dieser letzten überlegung angebracht, das zu verteilende Rentenvolumen nicht um 40 0/0129 , sondern lediglich um 20 % aufzustocken, was gleichzeitig auch den Vorteil hat, daß die Leistung an den geschiedenen Ehegatten in keinem Fall höher ist als die an den Ehegatten, der mit dem Versicherten bis zu dessen Tod verheiratet war. Diese Regelung bietet auch verheirateten Rentenbeziehern keinen Anreiz, sich nur wegen dieser Aufstockung scheiden zu lassen in der 129 So noch der Vorschlag in ZSR 1969, 260 (267); dazu H. Bogs, Eherecht und Sozialversicherung, S. 116: "vorsichtige Schätzung".

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

427

Hoffnung also, gemeinsam 120 statt 100 Rentenpunkte verleben zu können. Da das Splitting überhaupt nur die Ansprüche erfaßt, die während der Zeit der Ehe erworben wurden, auch nur diese Ansprüche die Aufstockung erfahren, ist der vermeintliche Gewinn allenfalls sehr gering. Ihm steht zudem gegenüber, daß, stirbt der ausgleichspflichtige Ehegatte zuerst, der ausgleichsberechtigte Ehegatte, auch wenn er nie erwerbstätig war, keine Hinterbliebenenrente auf der Basis der vollen Verdienerrente, sondern nur Leistungen auf Grund der 60 Ofo der in das Splitting einbezogenen Ansprüche erhält. Stirbt der ausgleichsberechtigte Ehegatte zuerst, dann bezieht der ausgleichspflichtige nicht die volle, sondern nur die um das Splitting geminderte Rente. Die Rechnung, sich nur wegen des Splitting-Effekts scheiden zu lassen, wird also in keinem Falle aufgehen. Der Rentenausgleich soll auf folgende Weise durchgeführt werden. Die während der Ehe erworbenen Rentenansprüche werden voneinander abgezogen, die gleich hohen Sockelbeträge bleiben beiden Ehegatten erhalten, und nur der mit 1,2 vervielfältigte halbe überschießende Betrag wird jeweils beiden Ehegatten (bzw. dem überlebenden Ehegatten im Fall der kurzlebigen Ehe) gutgeschrieben. Da in den Rentenausgleich auch der Anteil einbezogen wurde, der für eine Rente an den hinterbliebenen Ehegatten bestimmt war, kann aus dem in dem Rentenausgleich verteilten und multiplizierten Unterschiedsbetrag keine derartige Rente an den hinterbliebenen Ehegatten mehr gewährt werden, gleichviel ob er dem mehrverdienenden Ehegatten erhalten geblieben ist, oder ob er dem anderen übertragen wurde. Zur Verdeutlichung des Rentenausgleichs soll folgendes Beispiel dienen. Der eine Ehegatte hat in der Ehe einen Rentenanspruch von 100 (bzw. 70, 60, 50) Punkten erworben, der andere einen solchen von 0 (20, 30, 40). Dann betragen - der Sockel, der bei der Berechnung der Hinterbliebenenrenten zugrundegelegt werden kann, 0 (20, 30, 40), d. h. so viel wie der minderverdienende Ehegatte erreicht hat; - der zur Verteilung kommende Unterschied, der zu halbieren und mit 1,2 zu vervielfältigen ist, 100 (50, 30, 10) und - die im Rentenausgleich zu verteilende und gutzuschreibende Summe 60 (30, 18,6); damit hat nach dem Rentenausgleich jeder Ehegatte aus der Ehe einen Rentenanspruch von 60 (50, 48, 46) Punkten erreicht. Dem mehrverdienenden Ehegatten bleiben für eine Hinterbliebenensicherung zugunsten eines neuen Ehegatten Anwartschaften in Höhe des der Berechnung des Splittings zugrunde gelegten Sockels von o (20, 30, 40) Punkten.

428

IH. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

Geschiedenenhinterbliebenenrenten werden nicht mehr gewährt. Für den geschiedenen Ehegatten gelten die allgemeinen individuellen Versicherungsrisiken, d. h., er bezieht nur dann Rente, wenn er alt oder erwerbsgemindert ist. Versicherungszeiten während der Dauer der Ehe, die in dem entsprechenden Zeitraum von nur einem der Ehegatten erfüllt wurden, gelten auch zugunsten des anderen Ehegatten als Versicherungszeiten.

333 Das Getrenntleben Die faktische Auflösung der Ehe bildet ein besonderes Problem. Leben die Ehegatten getrennt oder wenden sie sich gegenseitig und den Kindern keine Unterhaltsleistungen zu, so sind zwei Momente zu bedenken. Die Ehe besteht rechtlich noch und kann jederzeit wieder volle Realität gewinnen; sie kann aber auch so weit zerrüttet sein, daß nicht mehr zu erwarten ist, daß die Familie je wieder einen intakten Unterhaltsverband bilden wird. Man wird daher zu differenzierenden Lösungen kommen müssen. Die aktuellen Sozialleistungsansprüche sollten in entsprechender Anwendung des § 1361 BGB nach Billigkeit verteilt werden. Dabei besteht allerdings kein Grund, den Ehegatten prinzipiell zu begünstigen, der zufällig als Inhaber des Anspruchs hervortritt. Leben die Ehegatten jedoch über längere Zeit getrennt oder kommt ein Ehegatte beharrlich seiner Unterhaltspflicht nicht nach, so sollte der betroffene Ehegatte das Recht erhalten, den (vorzeitigen) Rentenausgleich zu fordern, um eine effektive soziale Sicherung zu erlangen und um eine Verschlechterung der eigenen sozialen Sicherung durch die Teilhabe des sich ehewidrig verhaltenden anderen Ehegatten zu verhindern.

334 Die Wiederheirat Die Wiederheirat geschiedener Ehegatten läßt deren Rentenansprüche, auch insoweit, als sie durch das Splitting erworben wurden, unberührt. Dem neuen Ehegatten stehen allerdings nur noch auf Grund der Rentenansprüche Hinterbliebenenleistungen zu, die nicht in ein Splitting einbezogen worden sind. Heiratet der hinterbliebene 130 Ehegatte wieder, dann ist zu modifizieren. Die Renten an den alten, erwerbs- oder berufsunfähigen Ehegatten werden unabhängig von einer Wiederheirat gezahlt. Abfindungen in Höhe von fünf Jahresbeträgen können auf Antrag gewährt werden; sie lassen die Rentenzahlung in Wegfall geraten. Bei Auflösung der neuen Ehe lebt die ursprüngliche Hinterbliebenenrente wieder auf, 130 S.

o. 25. Kap., sub 1.

27. Kap.: Reform der Sicherung der Ehegatten

429

wobei die Abfindung angemessen angerechnet wird, wenn die Ehe weniger lang als fünf Jahre gedauert hat. Die Rente an den vollerwerbstätigen Ehegatten, die nur den sozialen Abstieg verhindern soll und der auch nach diesem Vorschlag Unterhaltsersatzfunktion zukommt, erlischt endgültig. Dem Berechtigten wird zum Ausgleich eine Abfindung gewährt. Wird der wiederverheiratete Berechtigte später berufsoder erwerbsunfähig bzw. überschreitet er die Altersgrenze, dann erhält er die entsprechende Rente, die ihm zugestanden hätte, wenn er im Zeitpunkt des Todes des ersten Ehegatten berufs- oder erwerbsunfähig gewesen wäre oder die Altersgrenze überschritten hätte. Auf die Mutterrente wirkt sich die Wiederheirat des verwitweten Ehegatten in der Weise aus, daß das Einkommen des neuen Ehegatten zu einem Drittel als Einkommen des verwitwet gewesenen Ehegatten gilt und als solches auf die Ausgleichsrente angerechnet wird, der nach diesem Vorschlag ebenfalls Unterhaltsersatzfunktion zukommt. Ansonsten gelten die allgemeinen Regeln. Die Mutterrente fällt insgesamt weg, wenn die Zeit der Kinderversorgung endet. Wird dann die Berechtigte berufs- oder erwerbsunfähig oder überschreitet sie die Altersgrenze, dann bezieht sie die entsprechende Hinterbliebenenrente nach dem ersten Ehegatten. Die Ausgleichsrente lebt nach Auflösung der zweiten Ehe wieder auf. Realisierbare Unterhaltsansprüche gegen den zweiten Ehegatten oder Ansprüche auf Hinterbliebenenrente wegen dessen Tod sind jedoch anzurechnen. Die Rechtsfolgen der Auflösung der neuen Ehe sind grundsätzlich die gleichen, wie die bei Auflösung der ersten Ehe. Erfolgt die Auflösung durch eine Scheidung, dann wird ein Splitting durchgeführt. Wenn sich jedoch bei Berechnung der Hinterbliebenenrente aus der ersten Ehe berücksichtigte Zurechnungszeiten mit Zeiten decken, während derer die zweite Ehe dauerte, dann ist die Hinterbliebenenrente aus der ersten Ehe ohne Berücksichtigung dieser Zurechnungszeiten neu zu berechnen. Ist der zweite Ehegatte verstorben, dann werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, Hinterbliebenenrenten gewährt. Dabei gelten jedoch, wenn auch die erste Ehe durch Tod aufgelöst wurde und ein entsprechender Anspruch auf Hinterbliebenenrente besteht, folgende Besonderheiten: Soweit sich Versicherungs-, Ausfallund Zurechnungszeiten in den Versicherungen des ersten und des zweiten Ehegatten decken, werden sie gegeneinander angerechnet, so daß also nur die günstigste in Ansatz gebracht wird. Beide Hinterbliebenenrenten werden zu einer einheitlichen Rente zusammengefaßt. Ist die erste Ehe des hinterbliebenen Ehegatten geschieden worden, dann erübrigen sich solche Kumulationsvorschriften wegen der Vor-

430

III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

schriften über die Berechnung der Hinterbliebenenrenten, nach denen die durch ein Splitting aus einer früheren Ehe erhöhte eigene Sicherung des verwitweten Ehegatten angemessen berücksichtigt wird. 34 Realisierung des Vorschlages im Beamtenrecht

Die Verschiedenheit der Vorsorgesysteme (Rentenversicherung, Beamtenversorgung) bildet kein Hindernis für die einheitliche Durchführung dieses Vorschlages. Das kann am Beispiel des Wechsels von Beamtenversorgung zur Rentenversicherung dargetan werden. Bei der Durchführung des Rentenausgleichs sind die Summen der jeweils erworbenen Renten- und Versorgungsansprüche ebenso wie bei der Berechnung der Leistungen an den hinterbliebenen Ehegatten gegenüberzustellen. Beim Scheidungsausgleich ist der Ehegatte des Beamten nachzuversichern, soweit eine Differenz zu seinen Gunsten auftritt. Die für die Nachversicherung aufzuwendenden Beiträge bemessen sich nach der Höhe der halben Wertdifferenz und sind in gleicher Weise wie beim Rentenausgleich mit dem 1,2fachen zu bewerten. Entsprechend zu dem oben Ausgeführten sind das Ruhegehalt des Beamten und die Versorgung eventueller späterer Witwen zu kürzen. Entsprechendes gilt für die sonstigen öffentlich-rechtlichen Alters- und Hinterbliebenensicherungssysteme. Der wegen der Einkommensstrukturen sehr seltene Ausgleich von der Rentenversicherung hin zur Beamtenversorgung ist schwieriger, weil es dort bisher weder eine "Höherversorgung" noch eine "Zusatzversorgung" gibt. Den Ausgleichsbetrag in der Rentenversicherung zu belassen, ist in den meisten Fällen wenig sinnvoll, weil der ausgleichsberechtigte Beamte die Wartezeit nicht erfüllen wird. Es wird daher vorgeschlagen, die bisher für Angestellte im öffentlichen Dienst bestehenden Zusatzversorgungssysteme auch für Beamte zu öffnen, damit sie sich durch freiwillige Beiträge oder mit Gutschriften infolge eines Scheidungsausgleichs eine höhere Alterssicherung ermöglichen können. 35 Die Finanzierung des Vorschlages

Die Kosten dieses Vorschlages abzuschätzen, ist wegen des Fehlens geeigneter Daten fast unmöglich. Daher sei mit allem Vorbehalt nur folgendes bemerkt: Das Rentensplitting alleine wird trotz des Wegfalls der Hinterbliebenenrente an den geschiedenen Ehegatten zu geringen Mehrbelastungen der Sozialversicherungsträger führen, da den geschiedenen Ehegatten die während der Beitragszeiten erworbene Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente in jedem Falle zu Gute kommen wird, nicht nur, wie im geltenden Recht, dann, wenn der abgeleitet-gesicherte Ehegatte an der Scheidung unschuldig oder minderschuldig war. Diese

28. Kap.: Die Reform des Familienlastenausgleichs

431

Mehrbelastung ergäbe sich aber auch dann, wenn der Entwurf des RRG Gesetz würde, denn auch dieser sieht in jedem Falle für den geschiedenen Ehegatten eine Hinterbliebenenrente vor, deren Berechnung dem Splitting nahekommt131 • Sie scheint aber so geringfügig zu sein, daß in der Begründung zu diesem Entwurf festgestellt wird132 , es entstünden keine Mehrbelastungen. Neue Kosten werden jedoch auf die Sozialleistungsträger dadurch zukommen, daß infolge des Splittings und der Anrechnung der Ehejahre auf die Wartezeit mancher geschiedene Ehegatte eher eine eigene Rente beziehen wird als bisher. Einsparungen werden sich vor allem aus der Neuberechnung der Hinterbliebenenrenten, insbesondere aus der Berücksichtigung der eigenen Renten, ergeben. Falls also nach diesem Vorschlag überhaupt Mehrbelastungen entstehen sollten, werden sie relativ zu den Gesamtaufwendungen der Sozialleistungsträger kaum ins Gewicht fallen.

28. Kapitel

Die Reform des Familienlastenausgleichs 1 Aufgaben der Reform Aufgabe des Familienlastenausgleichs ist es, zwischen den Belastungen derer, die Kinder aufziehen, und dem Vorteil derer, die keine Kinder haben, auszugleichen. Diese Aufgabe hat entsprechend den vielfältigen Auswirkungen, die sich aus diesen Belastungen ergeben, mehrere Aspekte. Es gilt, die Minderung des familiären Pro-KopfEinkommens auszugleichen. Diese Minderung hat zwei Ursachen. Der Unterhalt an Kinder belastet das Familieneinkommen. Die Mutter ist wegen der Kinder häufig gezwungen, sich auf den Haushalt zurückzuziehen und auf bereits bezogenes oder mögliches Erwerbseinkommen zu verzichten. Wegen des Rückzugs auf den Haushalt erleidet sie zudem einen Versorgungsnachteil, den im Alter wegen der dann niedrigeren Gesamtsumme beider Altersleistungen aber auch ihr Mann zu spüren bekommt. Dieser Versorgungsnachteil ist nicht nur auf die Zeit der durch den Rückzug auf den Haushalt bedingten Einkommenslosigkeit beschränkt. Die niedrigen Löhne insbesondere an verheiratete Frauen, die zeitweise den Beruf mit dem Haushalt vertauschen mußten, schreiben ihn ebenso fort, wie die verpaßten Aufstiegschancen der Frau. Der Ausfall der Mutter, die der Familie kaum bezahlbare persönliche o. Text zu Anm. 114. BR-Dr. 566/71, S. 69.

181 S. 132

432

IH. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

Leistungen erbringt, stellt die Familie gerade wegen der Kinder vor fast unlösbare Probleme. Diese Belastungen sind, das sei in Erinnerung gerufen, keine rein interne Angelegenheit der Familien, sind nicht ihr "Privatvergnügen", sondern sind Folge einer gesellschaftspolitisch unersetzlichen Aufgabe, die die Familien erbringen. Sie sichern den Fortbestand der Bevölkerung und sichern damit auch schlechthin alle Alterssicherungssysteme von dem privaten Sparen bis zur Sozialversicherung. Deshalb ist es nicht nur gerechtfertigt, es ist vielmehr geboten, daß die, die keine Kinder haben, denen, die viele Kinder haben, helfen, die Belastungen zu tragen, die mit dem Aufziehen der Kinder verbunden sind und die das Deckungskapital der Alterssicherung der Elterngeneration insgesamt darstellen. Um nicht mißverstanden zu werden, sei betont, daß der Familienlastenausgleich kein Instrument zur Prämierung des Kinderreichturns sein soll. Er soll die Eltern nicht belohnen, er soll lediglich Nachteile ausgleichen. Damit ist ihm die oberste Grenze gesetzt. Aber auch diese Grenze ist, nicht nur von der heutigen Ausgestaltung des Familienlastenausgleichs her, sondern auch von den finanziellen Möglichkeiten seiner Reform her betrachtet, utopisch. Kann der Familienlastenausgleich zwar nicht erreichen, daß bei gleichem Einkommen ein Ehepaar mit oder ohne Kinder einen gleich hohen Lebensstandard hat, dann sollte er wenigstens versuchen, diesem Ziel möglichst nahe zu kommen. Die verfügbaren Mittel müssen zielgerecht eingesetzt und dürfen beispielsweise nicht für eine sozialpolitisch unmotivierte Förderung kinderloser Ehen verwandt werden. Der Familienlastenausgleich muß allumfassend sein. Grundsätzlich müssen alle Familien in den Genuß jeder seiner Leistungen kommen, denn jede Familie erfüllt den Ausgleichstatbestand unabhängig davon, ob der Elternteil, der verdient, oder der, der sich auf den Haushalt zurückzieht, nun sozialversichert, Beamter oder freiberuflich tätig ist oder war. Die Beschränkung von Ausgleichsrnaßnahmen auf einzelne personal begrenzte Systeme sozialer Sicherung schließt andere, ebenso berechtigte, aus. Am Beispiel der Sozialversicherung verdeutlicht: Maßnahmen des Familienlastenausgleichs, die nur Familien von Sozialversicherten zu Gute kommen, werden von der Gesamtheit der Aktiven der Versichertengemeinschaft finanziert. Diejenigen, die nicht sozialversichert sind, beteiligen sich nicht an den Kosten. Diese personal begrenzte Verpflichtung der aktiv Sozialversicherten, bestimmte Familienlasten Sozialversicherter auszugleichen, wäre nur dann sinnvoll, wenn sichergestellt wäre, daß das Kind, dessentwegen die Leistungen gewährt werden, später auch in der Sozialversicherung als Beitrags-

28. Kap.: Die Reform des Familienlastenausgleichs

433

zahler an der Mittelaufbringung für die Renten beteiligt wäre. Das ist wegen der Ausdehnung der Versicherungspflicht zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher. Das Zusammenspiel mit der Alterssicherung, das den Familienlastenausgleich denen gegenüber rechtfertigt, die ihn finanzieren, ist nicht sichergestellt. Umgekehrt sind, wenn bestimmte Leistungen nur an Familien von Sozialversicherlen erbracht werden, manche Kinder, etwa die kleinerer Kaufleute, von dem Bezug der Vergünstigungen ausgeschlossen, obwohl sie sehr wahrscheinlich später, weil versicherungspflichtig geworden, die Renten für die Angehörigen der Generation ihrer Eltern mit aufzubringen haben, die sozialversichert waren. Auch hier ist der Kreislauf zwischen Familienförderung und Alterssicherung nicht geschlossen. Solange kein allumfassendes Alterssicherungssystem existiert, kann der Familienlastenausgleich nur mit Hilfe solcher (zusätzlicher) Systeme realisiert werden, die allumfassend sind. Nicht zuletzt deshalb bietet sich heute das Steuerrecht als Instrument des Familienlastenausgleichs an. Hinzu kommt noch, daß das Einkommensteuerrecht wegen des es beherrschenden Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen geradezu prädestiniert ist, familiär bedingte Lasten auszugleichen. Das Steuerrecht kann jedoch nur Einkommensnachteile ausgleichen. Es bedarf aber auch insoweit noch eines allgemeinen Korrektivs, als sich Steuerverschonungen erst oberhalb bestimmter Steuerfreigrenzen auswirken und somit den Personen, deren Einkommen unterhalb dieser Grenzen liegt, mit Hilfe des Steuerrechts ein Ausgleich nicht gewährt werden kann. In diesen Fällen müssen die Verschonungen durch positive Leistungen ersetzt werden. Ausführlich wurde oben schon dargelegt, daß es verfassungsrechtlich nicht nur zulässig sondern darüber hinaus auch geboten ist, den Kinderlastenausgleich schichtenspezifisch auszugestalten1 • Auch soweit im Rahmen des Familienlastenausgleichs persönliche Hilfen erbracht werden müssen, erscheint ein einheitliches System auch deshalb notwendig, um den möglichst effektiven Einsatz der ohnehin nur wenigen Helfer sicherzustellen!..

2 Vorschläge zur Reform Zwei größere Reformvorhaben berühren den Bereich des Familienlastenausgleichs. Es sind dies die Steuerreform und die Reform der Sicherung der nicht-erwerbstätigen Ehefrau. Jeweils in diesem Zusammenhang ist der Familienlastenausgleich auch Gegenstand der öffent1

!

s. o. 23. Kap., sub 31l. Vgl. Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 23.

28 Ruland

434

III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

lichen Diskussion geworden. Daher beschränken sich die meisten Vorschläge aber auch nur auf bestimmte Teilaspekte des Familienlastenausgleichs. 21 Vorschläge zur Verbesserung des Kinderlastenausgleichs Das familiäre Einkommen kann durch zwei sozial relevante Faktoren erheblich belastet werden, durch den Unterhalt an Kinder und durch den Einkommensverlust infolge des Verzichts der Mutter auf (weiteres) Erwerbseinkommen. Im geltenden Recht werden als Ausgleich Kindergeld, Steuerfreibeträge für Kinder und der "Splitting-Vorteil" infolge der Zusammenveranlagung der Ehegatten gewährt3 • Dieser Ausgleich war als uneffektiv qualifiziert worden, weil die, die ihn am notwendigsten brauchen, zu wenig, und die, die ihn nicht brauchen, nämlich die kinderlosen Ehepaare, durch das in jedem Fall gewährte Splitting zu viel erhalten4 •

211 Die Einführung eines einheitlichen Kindergeldes Fast alle Reformerwägungen sind von der Absicht getragen, das Nebeneinander steuerlicher Begünstigung und positiver Förderungsmaßnahmen durch einheitliche Leistungen zu beseitigen. Auch der Bundestag hat sich in einer Entschließung für eine Zusammenfassung der steuerlichen Erleichterungen und der unmittelbaren Zahlungen "in einem einheitlichen, gerechten System" ausgesprochen 5 • Die bisher gemachten Vorschläge sehen vorwiegend entweder die ausschließliche Zahlung eines erhöhten Kindergeldes unter Einbeziehung des ersten Kindes 6 oder einen einheitlichen Steuerabzugsbetrag7 a

Im einzelnen s. o. 8. Kap., sub 12 und 22.

« s. o. 23. Kap., sub 321. 5 BT-Sten. Ber. V/12477 C; sowie Anlage zum steno Bericht, S. 12487 C;

vgl. auch die Entschließung des Bundesrates zur Finanzplanung des Bundes 1968-1972, BR-Dr. 499/68; S. auch Sozialenquete, Nm. 889 ff., S. 321 ff. G So sieht der Vorschlag der Steuerreformkommission bei dem Parteivorstand der SPD ("Eppler-Kommission") (Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Materialien, S. 10) vor, daß ein Kindergeld von monatlich 60,- DM für das erste und zweite, von 90,- DM für das dritte und von 120,- DM für jedes weitere Kind gewährt werden soll. Mit diesen Kindergeldzahlungen sollen der Kinderfreibetrag, das bisherige Kindergeld und die Kinderzuschläge in den Bereichen des öffentlichen Dienstes abgegolten werden. Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung sollen jedoch unberührt bleiben. Allerdings verdrängen sie das Kindergeld. Vgl. auch Albers, Soz. Fortschritt 1967, 199 ff. 7 Es wäre also kein Freibetrag mehr, der die Steuerbemessungsgrundlage ändert, sondern ein Freibetrag, der die Steuerschuld mindert, ohne zu einer Degression zu führen.

28. Kap.: Die Refonn des Familienlastenausgleichs

435

vor, der für alle Kinder gleich hoch sein kanns und bei denjenigen Steuerzahlern, die keine oder geringe Einkommensteuer (Lohnsteuer) zu zahlen haben, zur Negativsteuer, also zur Erstattung, führt 9 • Abweichend von dem letztgenannten Vorschlag ging der Entwurf eines Zweiten Steueränderungsgesetzes, den das Land Hessen im Bundesrat eingebracht hatte 10 , noch von einem zweispurigen System aus, wollte aber ein Ansteigen der Steuerersparnis mit steigendem Einkommen verhindern, indem lediglich die bisherigen Freibeträge des zu versteuernden Einkommens ersetzt werden sollten durch die Steuerschuld mindernde einheitliche Steuerabzüge in Höhe der bisher in der unteren Proportionalstufe möglichen Steuerersparnisl l . Die von der Bundesregierung im Juni 1971 verabschiedeten12 und Ende Oktober 1971 13 revidierten "Eckwerte" sehen eine Einheitslösung außerhalb des Besteuerungsverfahrens vor l 4, und zwar soll ein Kindergeld gewährt werden in Höhe von 50,- DM für das erste, 70,- DM für das zweite und von 90,- DM für das dritte und jedes weitere Kindl5 • Allerdings sollen Kinderzuschüsse aus den gesetzlichen Rentenversicherungen und Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung unberührt bleiben. Kindergeld wird in diesen Fällen jedoch nicht noch zusätzlich gewährt1 6 • Die Kinderzuschläge im öffentlichen Dienst sollen wegfallen. Zum Ausgleich ist jedoch eine Verbesserung des Ortszuschlages vorgesehen l7 • Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Reform des Kinderlastenausgleichs würde eine Mehrbelastung von 4 Mrd. DM bedeuten1s. Diese Reform brächte für Familien mit kleinem und mittlerem Einkommen zum Teil erhebliche Verbesserungen l9 • Mehrkinderfamilien mit gehobenem Einkommen würden sich jedoch verschlechtern. Diese Auswirkungen der Eckwerte sollen durch einige Beispiele verdeutlicht 8 Anders: Beirat für Familienfragen, S. 31, der Steuerabzugsbeträge von 45, 70, 90 und 105 DM (für 1970) vorschlug. 9 Vgl. Beirat BMWF, S. 71; Fredersdorj, S. 12; Lang, S. 31. 10 BR-Dr. 41/69. 11 19,- DM für das erste, 26,60 DM für das zweite, 28,50 DM für das dritte und jedes weitere Kind; vgl. hierzu auch Krause, FamRZ 1969, 617. 12 Vgl. Bulletin 1971, 994 ff. 13 Vgl. Bulletin 1971, 1696 ff. 14 Begr., Bulltin 1971, 1018 ff. (1019). 15 Bulletin 1971, 1696; die Eckwerte vom Juni 1971 (a.a.O., S. 1003, 1019) sahen ein einheitliches Kindergeld von 60,- DM monatlich je Kind und

zwar ab dem ersten Kind und einen Familienzuschlag für Familien mit vier oder mehr Kindern von 60,- DM monatlich vor. 16 Bulletin 1971, 1003. 17 Bulletin 1971, 1696. 18 Ebd. Die Eckwerte vom Juni 1971 hätten insoweit demgegenüber "lediglich" 2,8 Mrd. DM erfordert (Bulletin 1971, 1003). 19 Kritisch: Becker, Steuerrefonn und Familienlastenausgleich, NO 1972, 28"

436

III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

werden: Eine Familie, zwei Kinder, mit 1500,- DM Monatseinkommen erhielt bisher lediglich die Steuerfreibeträge von 1 200,- DM für das erste und von 1 680,- DM für das zweite Kind. Da das Einkommen die Grenze von 1 100,- DM überschreitet, wird für das zweite Kind Kindergeld nicht gezahlt. Die Steuerfreibeträge bewirken eine Steuerermäßigung von 45,60 DM monatlich 20 . Würden die Eckwerte Gesetz, dann beliefe sich die Familienförderung auf 120,- DM pro Monat, d. h. es träte eine Verbesserung von 74,40 DM ein. Eine Familie mit drei Kindern und einem Einkommen von 2 000,- DM (monatlich) erhält bisher 170,70 DM (Kindergeld sowie Kinderfreibeträge)2t, sie soll in Zukunft insgesamt 210,- DM erhalten. Die finanzielle Verschlechterung setzt bei Familien mit drei Kindern ab einem Monatseinkommen von 3 500,- DM ein. Der bisherigen Ersparnis einschließlich des Kindergeldes von 213,40 DM steht ein künftiges Kindergeld von 210,- DM gegenüber. Bei Familien mit vier Kindern beginnt die Verschlechterung schon bei einem Monatseinkommen von 3000,- DM. 300,- DM (künftiges) Kindergeld ersetzen eine bisherige Förderung von 302,60 DM. Eine Familie mit vier Kindern und einem Einkommen von 4 000,- DM wird statt 335,30 DM nur 300,- DM beziehen. Familien mit sechs Kindern verschlechtern sich bereits ab einem Monatseinkommen von 2 500,- DM. Sie werden statt 489,40 DM nur noch 480,- DM erhalten. Es fällt schwer, die Eckwerte, die für die meisten Familien wesentliche Verbesserungen bringen werden, zu kritisieren. Sie können aber gleichwohl nicht voll gutgeheißen werden 22 . Die Eckwerte tragen bewußt der Forderung nach einem schichtenspezifischen Familienlastenausgleich keine Rechnung. Das ist jedoch kaum Anlaß zur Kritik, weil der Besitzstand derjenigen, die bisher den Progressionsvorteil genossen, in den meisten Fällen gewahrt, wenn er nicht sogar selbst bei ihnen noch verbessert wurde. Kritik ruft aber hervor, daß der Ausgleich zugunsten der Mehrkinderfamilien in sehr vielen Fällen nicht nur nicht verbessert sondern sogar verschlechtert wurde 23 . Bedenkt man, daß es das Drittel der Mehrkinderfamilien ist, das 60 % aller Kinder aufzieht24, das also die Hauptlast der Unterhaltsleistungen an Kinder trägt und dem der Ausgleich wegen der überdurchschnittlichen Kinderzahl am ehesten zukommt, dann wird deutlich, daß die Eckwerte gerade wegen 40 ff.; Eggersiecker, Kinderfreibeträge, außergewöhnliche Belastungen und "Steuervergünstigungen in der Steuerreform, FinR 1971, 450 ff.; Ftume, FamRZ 1972, 124; Laux, Betrieb 1971, 1833 ff.; 1878 ff. 20 s. o. 23. Kap., sub 321 (Tabelle). 21 Ebd. 22 Vgl. auch Flume, FamRZ 1972, 124; Laux, Betrieb 1971, 1878 (1883). 23 So auch Laux, ebd., mit weiteren Beispielen. 24 s. o. 22.

28.

Kap.: Die Reform des Familienlastenausgleichs

437

dieses Ergebnisses nicht .zu einem gezielten und effektiven Familienlastenausgleich führen werden.

212 Die Einführung eines Familienvollsplittings Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium hat in seinem Gutachten zur Reform der direkten Steuern vom 11. Februar 1967 25 einen ganz anderen Weg vorgeschlagen. Er empfiehlt, das Ehegatten-Splitting durch Einbeziehung der Kinder - wie auch in anderen Ländern26 - zu einem Familienvollsplitting (Familien-Splitting) zu erweitern. Dieses werde dem Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit am ehesten gerecht. Diesem Vorschlag zufolge soll das Familieneinkommen nicht nur auf die Ehegatten sondern auch auf die Kinder aufgeteilt werden. Zur Abschätzung des je Person zu berücksichtigenden Einkommensteils soll von dem "konsumtiven Bedarf"27 ausgegangen werden. Dabei sollen für Kinder in unterschiedlichen Lebensaltern verschieden hohe Anteile angesetzt werden. Entsprechend diesen Anteilen soll der Splitting-Divisor, der bei Ehegatten wegen der bisher nicht berücksichtigten Haushaltsersparnis von bislang 2 auf 1,8 reduziert werden so1l28, erhöht werden, und zwar für Kinder bis zu 6 Jahren um 0,3, für Kinder von 7-14 Jahren um 0,6 und für Kinder über 14 Jahren um 0,9 29 . Im Falle eines Ehepaares mit zwei Kindern zwischen 7 und 14 Jahren wären nach diesem Vorschlag die einzelnen Elemente des Divisors von 1,8 ("Grunddivisor für Ehegatten") und 2 X 0,6 ("Kinderadditive") zu einem Gesamtdivisor von 3 zusammenzuzählen. Das zu versteuernde Familieneinkommen wäre dementsprechend durch 3 zu teilen, die sich für diesen Betrag dann ergebende Einkommensteuerschuld mit 3 zu vervielfältigen. Dieser Vorschlag wird dadurch ergänzt, daß der Grundfreibetrag des Existenzminimums auf 3 000,- DM gehoben werden so1l30. Da es im Wesen des Splittingverfahrens liegt, daß sich ein in den Tarif eingearbeiteter Freibetrag nicht nur in der nominell festgelegten Höhe sondern auch in dem Splitting-Divisor auswirkt, kommt die Familie wegen der Kinder zusätzlich zu dem durch die Erhöhung des Splitting-Divisors bewirkten Progressionsvorteil noch in den Genuß von Freibeträgen 25 Gutachten, S. 31 ff.; Krumsiek, S. 113 ff.; Lang, S. 33; Pohmer, FinA 1968, 139 (171); allgemein hierzu: Winckler, Probleme der Familienbesteuerung, Versicherungswirtschaft 1968, 404 ff. 26 Z. B. Frankreich, vgl. Röfer, S. 59; Steuerreformkommission, S. 948 (Anlage 8); Luxemburg, Steuerreformkommission, S. 949. Z7 Gutachten, S. 37. 28 Ebd. S. 34. 29 Ebd. S. 37; diese "Kinderadditiven" sollen mit steigendem Einkommen allerdings abgebaut werden, ebd. S. 38. 30 Ebd. S. 42.

438

111. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

entsprechend der Höhe der jeweiligen Kinderadditive, d. h. in Höhe von 900,-, bzw. 1 800,-, bwz. 2 700,- DM pro Kind. Mit Einführung des Familienvollsplittings soll das Recht, getrennte Veranlagung zu wählen, beseitigt werden. Soweit Kinder Einkommen beziehen, wird dieses Einkommen dem zu versteuernden Familieneinkommen zugeschlagen. Eine Ausnahme hiervon soll nur gemacht werden, wenn die Kinder über 18 Jahre alt sind und ein Einkommen beziehen, aus dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Da das Familiensplitting sich überhaupt nur bei den Steuerpflichtigen auswirkt, deren Einkommen über den Steuerfreigrenzen liegt, kann und soll es nach der Absicht des Beirates einen umfassenden Kinderlastenausgleich nicht ersetzen. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Familiensplittings steht nicht entgegen3t, daß das BVerfG32 die Zusammenveranlagung von Eltern und Kindern nach § 27 EStG 1951 (1953, 1955, 1958) für mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar erklärte, denn diese brachte der Familie infolge der ungehemmten Progression ausschließlich erhebliche Steuermehrbelastungen. Nach diesem Vorschlag führt jedoch die Erhöhung des Splitting Divisors um die "Kinderadditive" in der Mehrzahl der Fälle zu einer steuerlichen Begünstigung der Familie. Zwar lassen sich auch bei einem solchen Familiensplitting noch Fälle denken, in denen die Zusammenveranlagung der Eltern mit ihren Kindern zu einer beträchtlichen Steuermehrbelastung der Familie führen kann. Ein solcher Fall wäre z. B. gegeben, wenn ein dreijähriges Kind beträchtliche Einkünfte aus ererbtem Vermögen hat. Dieses Einkommen würde dem Familieneinkommen zugeschlagen. Der sich daraus ergebenden Progressionswirkung stünde jedoch nur die "Kinderadditive" zum Splitting-Divisor in Höhe von (höchstens) 0,3 gegenüber. Diese Einzelfälle, in denen die Familie stärker als alleinstehende Steuerpflichtige belastet würde, könnten aber als Nebenfolgen einer die Familie vorwiegend begünstigenden Regelung gesehen werden und wären als solche kein Grund, die Verfassungswidrigkeit des Familiensplittings zu bejahen33 . Auch weitere Bedenken34 , etwa daß eine Zusammenfassung und fiktive Aufteilung des Familieneinkommens nach Splitting-Divisoren ohne Rücksicht auf die Einkommensbezieher und die Einkommensverwendung zu innerfamiliären Auseinandersetzungen darüber führe, wer die Steuerlast im Ergebnis zu tragen habe, und daher einen durch Ebenso Gutachten, S. 33; Pohmer, FinA 1968,139 (162). BVerfGE 18, 97; vgl. auch BFH, BStBl. III 1962, 369; 372; 375; a. A. jedoch noch BFH, BStBl. 111 1957,408 (409); FG München, EFG 1958,171. 33 Vgl. BVerfGE 6, 55 (77). 34 Vgl. hierzu Steuerreformkommission, S. 196; dazu selbst auch das Gutachten, S. 33 f.; s. a. Karl-Bräuer-Institut, S. 148 f. 31

32

28. Kap.: Die Reform des Familien1astena usgleichs

439

Art. 6 Abs. 1 GG verbotenen Eingriff in das Leben der Familie darstelle35', ließen sich dadurch, daß die getrennte Veranlagung als Wahlmöglichkeit zugelassen würde, beseitigen38 • Ein solches Recht würde auch Bedenken gegen die mit den Haushaltsersparnissen motivierte Senkung des Splitting-Divisors von 2 auf 1,837 ausräumen. Diese Senkung brächte es mit sich, daß zwei verheiratete Steuerpflichtige mit gleichhohem Einkommen mehr Steuern zahlen müßten als zwei sonst vergleichbare ledige Steuerpflichtige. Dennoch bestehen gegen ein solches Familiensplitting durchschlagende Einwände 38 • Die Steuerreformkommission hat sich in ihrem Gutachten eingehend mit diesem Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirates auseinandergesetzt 39 und hat die Auswirkungen eines Familiensplittings errechnet, wobei allerdings bei Ehegatten von einem Divisor 2 und von einer Kinderadditive von jeweils 0,5 ausgegangen wurde 40 • Dabei haben sich folgende Beträge ergeben: (Divisor 2,5) 2 Kinder (Divisor 3) Ein- 1 Kind kombisbisd) f) here) FaSpl.c) men a) herb) FaSpl.c) 8210 21500 31500 41500 51500 91500

228 272 350 412 455 544

157 274 623 1023 1448 2612

360 + 20 + 960 +1840 +2600 +3560

320 364 474 566 634 762

158 171 406 712 1042 2208

840 900 210 + 380 +1200 +3300

3 Kinder (Divisor 3,5) bish) herg) FaSpl.c) 342 364 490 590 668 810

160 160 276 518 792 1857

960 -1080 - 750 - 150 + 420 +2400

a) Steuerpflichtiges Jahreseinkommen. b) Auswirkungen des Steuerfrei betrages in Höhe von 1200,- DM gegenüber der SplittIngtabelle. c) Familiensplitting. d) Entspricht einer Veränderung des Freibetrages von 1200,- DM. e) Auswirkungen des Steuerfreibetrages in Höhe von 1680,- DM gegenüber SplittIngtabelle. f) Entspricht einer Veränderung des Freibetrages von 1680,- DM. g) Auswirkungen des Steuerfreibetrages in Höhe von 1800,- DM gegenüber SplittIngtabelle. h) Entspricht einer veränderung des Freibetrages von 1800,- DM.

Diese Zahlen lassen deutlich werden, daß das Familiensplitting, gleich wie hoch man die Kinderadditive ansetzt, zwangsläufig zu einer erheblichen Degressionswirkung führt und daß es für Bezieher niedriger Einkommen eine spürbare Verschlechterung mit sich bringen würde. Dieses Ausmaß der Degressionswirkung erscheint selbst dann unvertretbar, wenn man, wie hier in dieser Arbeit, einen schichtenspezifiHierzu BVerfGE 18, 97 (110). Pohmer, FinA 1968, 139 (153). 37 Dazu Pohmer, ebd. S. 150, 152. 38 Vgl. Littmann, Kritische Marginalien zur Kontroverse "Individuelle Veranlagung oder Haushaltsbesteuerung" , FinA 1968, 174 ff.; Karl-BräuerInstitut, S. 148 f.; Steuerreformkommission, S. 196. 39 S. 195 ff. 40 S.956. 35

36

440

III. 3. Abschn. : Vorschläge zur Reform

schen Familienlastenausgleich vertritt, denn das Sozialstaatsprinzip gebietet auch 41 , Wohlstandsdifferenzen zu mildern bzw. abzubauen. Die Wohlstandsdifferenz würde aber weder gemildert noch abgebaut, sondern sie würde noch verstärkt, wenn man einem Steuerpflichtigen, der ein Jahreseinkommen von 8100,- DM hat, einen Steuerfreibetrag für sein Kind in Höhe von nur 840,- DM einräumte, aber dem, der 91500,- DM im Jahr verdient, einen von 5760,- DM gewährte. Eine solchermaßen unterschiedliche Entlastung wird auch nicht von dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gefordert. Ihm tragen Freibeträge, die von dem zu versteuernden Einkommen abzuziehen sind, hinreichend Rechnung. Die Degressionswirkung der Freibeträge führt auch zu einem in jeder Hinsicht sozialpolitisch tragbaren schichtenspezifischen Familienlastenausgleich. Durch eine Senkung der Kinderadditive ließe sich zwar die Kluft zwischen den (entsprechenden) Freibeträgen mindern, nicht aber beseitigen. Sie hätte außerdem zur Folge, daß die Bezieher niedrigerer Einkommen selbst gegenüber dem heute bestehenden System nochmals benachteiligt würden.

213 Verbesserung des heutigen Systems Aus diesem Grunde hat die Steuerreformkommission42. das Familiensplitting abgelehnt. Sie empfiehlt die Beibehaltung des bisherigen Systems, schlägt aber eine Erhöhung der Kinderfreibeträge von 1 200,auf 1 500,-, von 1 680,- auf 1 980,- und von 1 800,- auf 2 400,- DM vor 43 • Der sich daraus ergebende Steuerausfall ist mit 760 Millionen DM geschätzt worden. Diese Erhöhung kann die gegen die Effektivität des geltenden Systems vorgebrachten Bedenken nicht ausräumen. Außerdem bleibt der Vorschlag im Effekt weit hinter der in den Eckwerten bekundeten Bereitschaft der Bundesregierung zurück, für den Kinderlastenausgleich 4 Mrd. DM mehr zur Verfügung zu stellen.

214 Eigener Vorschlag zur Reform Diese Mittel gilt es, entsprechend den in dieser Arbeit entwickelten Zielvorstellungen des Kinderlastenausgleichs gerechter zu verteilen. Der eigene Vorschlag besteht darin, die oben 44 angegebenen "Soll-Leistungen" des Kinderlastenausgleichs zu gewähren, d. h. es sollen alternativ entweder Kindergeld gezahlt oder bei der Heranziehung zur o. 20. Kap., Anm. 4. S. 198. 43 S. 206; ähnlich Karl-Bräuer-Institut, S. 150, das jedoch einen Mindestfreibetrag von 1 800,- DM für erforderlich hält. 44 S.350. 41 S. 42

28. Kap.: Die Reform des Familienlastenausgleichs

441

Steuer Einkommensfreibeträge eingeräumt werden, und zwar jeweils in Höhe von: Kinder

1

3

Kindergeld

30

60

Einkommensfreibetrag 1 080

2160

2

4

5

6

90

120

150

150 DM/monatlich

3240

4320

5400

5400 DM/jährlich

Die von dem zu versteuernden Einkommen abzuziehenden Kinderfreibeträge führen zu Steuerverschonungen, die bei einem Steuers atz von ca. 36 Ofo dem Kindergeld entsprechen und die bei einem von 40 Ofo das 1,2fache und bei einem Steuersatz von 50 Ofo das 1,5fache der Kindergeldleistungen ausmachen. Auf das Kindergeld soll eigenes steuerpflichtiges Einkommen des Kindes zur Hälfte angerechnet werden. Entsprechendes gilt für den Betrag der Steuerverschonung. Als Einkommen sind nach diesem Vorschlag auch alle Ausbildungsförderungsleistungen anzusehen, die an oder für das Kind gezahlt werden, desgleichen alle (sonstigen) Sozialleistungen (Renten). Der Kinderlastenausgleich wird einheitlich durchgeführt, d. h. entsprechende Leistungen, die bisher von anderen Sozialleistungsträgern erbracht wurden (z. B. Zuschläge bzw. Zuschüsse zu den Renten oder Gehältern, Erhöhung des Ortszuschlages)45, entfallen .. Dieser Vorschlag, der Familien mit weniger Kindern weniger und Familien mit mehr Kindern mehr gibt, als es die Eckwerte vorsehen, hält sich auch in den Grenzen des finanziell Möglichen. Die Kosten der Eckwerte werden - wenn überhaupt - nur geringfügig überschritten. Das kann durch folgende überschlägige Rechnung belegt werden. In ihr sind die Prozentzahlen der Ehen mit ein, zwei, drei, vier, fünf und mehr Kindern46 multipliziert worden mit dem ihnen zustehenden Gesamtbetrag des Kindergeldes sowohl nach den Vorstellungen der Eckwerte als auch nach diesem Vorschlag. Zahl der Ehen mit 1 Kind 2 Kindern 3 Kindern 4 Kindern 5 Kindern (und mehr)

(in %)

Ehen

Eckwerte Kindergeld

Kosten

Vorschlag Kindergeld

Kosten

21,1 35,4 19,6 8,4

50 120 210 300

1 055 4 248 4116 2 520

30 90 180 300

633 3 216 3 634 2 520

7,7

390

3003

450

3465

14942 45

48

s. O. 8. Kap., sub 2. Vgl. O. 1. Kap., Tabelle zu Anm. 64.

13468

442

ur.

3. Abschn.: Vorschläge zur Refonn

Rechnet man zu den Kosten des hier vorgeschlagenen Kindergeldes noch die Kosten hinzu, die dadurch entstehen, daß Steuerpflichtige mit einem Steuers atz von über 36 % in den Genuß von Steuerverschonungen kommen, die über dem Betrag des Kindergeldes liegen, dann wird sich im Vergleich zu den Eckwerten sicherlich eine Steigerung der Gesamtkosten ergeben. Dieser wird jedoch durch eine entschieden strengere Anrechnung des Kindeseinkommens entgegengewirkt. 22 Vorschläge zur Durchführung eines Ausgleichs zugunsten der Mütter

Der Ausgleich zugunsten der Mütter muß - wie eingangs nochmals dargelegt wurde - zwei Aspekte haben. Er hat sowohl den aktuellen Einkommensausfall, den der Rückzug der Mutter auf den Haushalt mit sich bringt, als auch den Versorgungsnachteil auszugleichen, der mit dem Einkommensausfall einhergeht. Das geltende Recht räumt den Ehegatten von denen sich einer der Kinder wegen auf den Haushalt zurückgezogen hat, nur insofern einen - allerdings völlig unspezifischen - Ausgleich ein, als sie wie alle übrigen Ehepaare auch in den Genuß der Steuerverschonung infolge der Zusammenveranlagung (Splitting) kommen können. Den Versorgungsnachteil gleicht das geltende Recht so gut wie gar nicht aus47 . 221 Vorschläge zur Durchführung eines Einkommensausgleichs zugunsten nicht-erwerbstätiger Mütter 221.1 Einführung eines "Muttergeldes"

Vorschläge, Müttern, die kleine Kinder zu versorgen haben und deswegen auf Erwerbsarbeit verzichten, einen Einkommensausgleich zu gewähren, sind schon mehrfach gemacht worden48 • Teils wird für jede Mutter, die wegen der Kindererziehung einen Erwerbsausfall erleidet, ein "Herdgeld"4U, ein "Muttergeld"50, ein "Mutter-Gehalt"51, ein "Ausgleichsgeld"52 bzw. ein "Mutterpflegeausgleichsgeld"53 gefordert; teils wird die Forderung nur für einen bestimmten Zeitraum erhoben, z. B. Ausführlich o. 23. Kap., sub 322. s. o. 22. Kap., Anm. 95. 40 So Brockmölter, Gesellschaftliche Funktionen der Frauen besser honorieren, Gewerkschaftliche Rundschau für die Bergbau- und Energiewirtschaft 1968, 110 (116). 50 Klaje, über die Notwendigkeit eines neuen Familienmodells in der industriellen Gesellschaft, 1964, S. 123. 51 Schönbauer, Zum Thema: Mutter-Gehalt, ZSR 1968, 641. 52 Pfeil, Die Frau in Beruf, Familie und Haushalt, in Oeter (Hrsg.), Familie und Gesellschaft, 1966, 141 (172). 53 Harmsen, in: Dokumentation über den Gesundheitszustand der Frauen in der BRD, 1966, S. 118. 47

48

28. Kap.: Die Reform des Familienlastenausgleichs

443

für die ersten drei Jahre 54 bzw. wenigstens für das erste Lebensjahr des Kindes 55 ; auch soll nach manchen Vorschlägen der Ausgleich auch nur Müttern aus den unteren Einkommensschichten zu Gute kommen56 • Diese Vorschläge sind allerdings wenig detailliert 57 , sie enthalten meist weder Angaben über Voraussetzungen und Höhe der Ausgleichsleistungen58 , noch lassen sie jeweils erkennen, ob die Leistung allen Müttern zustehen soll oder nur denen, die vor oder noch während der Schwangerschaft erwerbstätig waren. In jüngster Zeit ist jedoch von Schulte-Langforth59 eine konkrete Konzeption eines solchen Vorschlages vorgelegt worden. Danach sollen Mütter, die mit ihrem leiblichen (ehelichen, nichtehelichen) Kind unter drei Jahren in demselben Haushalt leben und keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder nicht und ob sie vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren oder nicht, als regelmäßige monatliche Leistung ein Muttergeld beziehen. Dieses soll nur für die Betreuung des ersten, zweiten und dritten Kindes, und längstens für die Dauer von acht Jahren gewährt werden. Die Berechnung des Muttergeldes soll je nach den Umständen des Einzelfalles von dem letzten Nettoerwerbseinkommen oder der Schul- bzw. Berufsausbildung ausgehen, wobei im letzteren Falle bestimmte Ausbildungsstufen zur Einordnung in bestimmte Einkommensklassen führen 60 • Alleinstehende Mütter sollen 90 010, verheiratete 60 010 des Ausgangsbetrages erhalten. Der Betrag ändert sich nicht, wenn eine Mutter gleichzeitig mehrere Kinder zu versorgen hat. Das Muttergeld ist steuerfrei. Es soll entsprechend den Leistungen in der Rentenversicherung dynamisiert werden. Muttergeld soll jedoch nur bis zu einer Einkommensgrenze von 1000,- DM (brutto)61 gewährt werden. Während nach diesem Vorschlag Ehepaare mit Kindern begünstigt werden, soll den Ehepaaren ohne Kinder der Splitting-Vorteil entzoHasselmann - Kahlert, Das entwurzelte Kind, 1955, S. 31. Hinze, Lage und Leistung erwerbstätiger Mütter, Ergebnis einer Untersuchung in Westberlin, 1960, S. 266, 289 f. 56 Schulte-Langforth, Maßnahmen zugunsten erwerbstätiger Mütter, Soz. Fortschritt 1959, 138 (139); zu ihrem jüngsten Vorschlag u. im Text. 57 Vgl. Schulte-Langforth, Muttergeld, S. 120; Wingen, ZSR 1971, 268. 58 Anders z. B. Harmsen, in: Dokumentation über den Gesundheitszustand der Frauen in der BRD, 1966, S. 118, dessen "Mutterpflegeausgleichsgeld" 150,- DM betragen sollte. 5G Muttergeld, S. 135 ff.; dies. Muttergeld, ZBIJR 1970, 312 ff.; dies., dass., FamRZ 1971, 556; dies., in: Fürsorge im sozialen Rechtsstaat, S. 290 ff. 60 Muttergeld, S. 147; z. B. Stufe 1 (Volksschulabgang): 350,- DM (Einkom54 55

mensklasse, nicht Muttergeld) ; Stufe 7 (Ablegung eines zur vollen Berufsausübung erforderlichen zweiten Staatsexamens nach mindestens zweijährigem Vorbereitungsdienst): 850,- DM. 61 Ab dem dritten Kind erhöht sich die Grenze um 100,- DM pro Kind. es sei denn, das Kind hat eigenes Einkommen.

444

'lU. 3. Absdm.: Vorschläge zur Reform

gen werden. Mit den Steuermehreinnahmen, die auf 3,7 Mrd. DM geschätzt wurden, sollen die mit 3,2 Mrd. DM angegebenen Kosten des Muttergeldes finanziert werden 62 . Dieser Vorschlag von Schulte-Langforth ist mit ,geringfügigen Abweichungen in einer Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge aufgegriffen worden63 . Er kann aber nicht in allem befriedigen64 • So hat es Kritik hervorgerufen, daß der Ausgleich nur den Müttern zukommen soll, die in Familien leben, deren Einkommen 1000,- DM im Monat nicht übersteigt. Diese Kritik ist zwar insofern berechtigt, als es hier nicht nur darum geht, jeder Mutter den Rückzug von dem Erwerbsleben auf den Haushalt wirtschaftlich zu ermöglichen65 ,aber sie ist deshalb nur teilweise begründet, weil den Familien mit über 1 000,- DM Monatseinkommen nach diesem Vorschlag der Splitting-Vorteil verbleibt. Aller:dings werden nach diesem Vorschlag die Familien in mittleren Einkommensschichten benachteiligt. Sie sind von dem Bezug des Muttergeldes ausgeschlossen und der Splittingvorteil, der bei höheren Einkommensklassen den Betrag des Muttergeldes weit übersteigt, erreicht bei ihnen noch keine entsprechende Höhe. Dies zeigt bereits, daß der Vorschlag von Schulte-Langforth in einem stärkeren Maße, als er es vorsieht, mit den steuerrechtlichen Maßnahmen zugunsten der Ehegatten abgestimmt werden muß. Problematisch erscheint es auch, daß das Muttergeld nur für höchstens drei Kinder gewährt wird. Darin liegt eine Benachteiligung kinderreicher Familien, also gerade der Familien, die den Ausgleich am dringendsten benötigen. Die Beschränkung wird von Schulte-Langforth damit motiviert, daß das Muttergeld nicht "zu einer überdurchschnittlichen Zunahme der Geburten führt"66. Dieses Motiv rechtfertigt die Beschränkung jedoch nicht. Erstens kann und soll das Muttergeld das Erwerbseinkommen nie voll ausgleichen. Ein Einkommensverzicht ist daher in jedem Fallealleine schon mit dem Rückzug auf den Haushalt verbunden. Zweitens werden die durch Kinder entstehenden Kosten selbst nach dem oben unterbreiteten Vorschlag wohl in keinem Falle auch nicht bei kinderreichen Familien - voll durch das Kindergeld abgedeckt. Drittens fragt es sich, ob bei dem heutigen Rückgang der Geburten nicht auch eine Maßnahme angebracht wäre, der in den 62 S. 152 ff.; An den Steuermehreinnahmen sollen entgegen Art. 106 Abs. 3 GG die Länder nicht beteiligt werden. Ga ZSR 1971, 562 ff. 64 Vgl. auch die Kritik von Wingen, ZSR 1971, 268 (272 ff.). 65

86

Ebd. Muttergeld, S. 140.

28. Kap.: Die Reform des Familienlastenausgleichs

445

Grenzen des Ausgleichs geburtenfreundliche Tendenz nachgesagt werden könnte 67 . Wenn auch Schulte-Langforth insoweit zugestimmt werden muß, als sie das Splitting zugunsten kinderloser Ehepaare aufheben Will68 , weil dieses zu letztlich unmotivierten Begünstigungen führte, so muß andererseits doch festgestellt werden, daß sie in dem Abbau der Begünstigungen für kinderlose Ehepaare zu weit geht, da sie zugunsten des einkommenslosen Ehegatten nicht einmal einen Freibetrag vorsieht, der der geminderten steuerlichen Belastbarkeit des verdienenden Ehegatten Rechnung trägt 69 • Aus diesen Gründen kann daher dem Vorschlag von Schulte-Langforth nicht voll zugestimmt werden. 221.2 Beschränkung des Splittings

Im Zusammenhang mit den Reformvorschlägen zum Ausgleich des Einkommensverlustes der Mütter sei auch auf Vorschläge zur Begrenzung des Ehegattensplittings hingewiesen. So hat der Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie und Jugend 70 empfohlen, die sich innerhalb der Einkommensteuer für die Bezieher höherer Einkommen durch das Splitting-Verfahren ergebende Steuerermäßigung für Ehegatten einzuschränken, und zwar sollte sie auf den Betrag begrenzt werden, der sich bei einem Jahreseinkommen von 32 000,DM ergibt. Ein gewisser Ausgleich hierfür sollte jedoch durch einen erhöhten Freibetrag geschaffen werden. Das dabei anfallende Mehraufkommen an Einkommensteuer71 sollte zu einer verstärkten steuerlichen Entlastung der Familien mit Kindern verwendet werden. Ein ähnlicher Vorschlag ist von der sog. Eppler-Kommission gemacht worden72 . Nach diesem soll der Splittingvorteil bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 40000,- DM voll mit dem Divisor 2 gewährt werden. Bei darüber liegenden Einkommen soll er durch einen ständig fallenden Divisor kontinuierlich verringert und ab einem zu versteuerndem Einkommen von 80 000,- DM auf 5 000,- DM begrenzt werden. An Steuermehreinnahmen erhofft man sich 550 MillionenDM73. 67 So meint Ina PhUipps, Hausfrauenarbeit als Beruf, Saarbrücker Zeitung vom 12. März 1971, Nr. 60 S. 9, die Frauen hätten eine neue Art des Widerstandes gegen ihre soziale Diskriminierung entdeckt: "Sie bekommen ganz einfach weniger Kinder". 68 Ähnlich Pauliek, S. 269. 69 Hierzu o. 23. Kap., Text zu Anm. 126. 70 Vgl. Bulletin 1968, 590 ("Heck-Plan"); die Grundgedanken dieses Vorschlages finden sich bereits in dem Familienbericht, S. 112. 71 Geschätzt wurde es auf 770 Millionen DM. 72 Vgl. Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Materialien, S. 10. 73 Eine vergleichbare Lösung beinhaltet auch Fredersdorfs Minderheitsgutachten, S. 12.

446

III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

Ein entsprechender Vorschlag, die Auswirkungen des Splittings auf einen "abzusplitternden Betrag" von 8000,- DM zu begrenzen74 , fand in den parlamentarischen Beratungen des Steueränderungsgesetzes 1958 nicht die Zustimmung der Mehrheit des Bundestages75 • Die "Eckwerte" der Bundesregierung sehen, dem Vorschlag der Steuerreformkommission folgend 76 , die Beibehaltung des unbegrenzten Splittings vor77 • Dies kann wegen der Einwände, die oben bei der Kritik an diesem Verfahren vorgebracht wurden 78 , nicht befriedigen. Wie auch die Steuerreformkommission einräumt79 , bestehen gegen eine Begrenzung des Splittings keine verfassungs rechtlichen Bedenken80 , obschon dann bei Anwendung des Splitting-Tarifs Eheleute mit gleichhohem Einkommen ab der festgesetzten Einkommensgrenze höher besteuert würden als Nichtverheiratete; dies deshalb nicht, weil die Ehegatten die getrennte Veranlagung wählen können. Die Bundesregierung hat sich gegen eine Limitierung des Splittings ausgesprochen, weil diese zu Manipulationen der Steuerpflichtigen, etwa zu Scheinarbeitsverhältnissen zwischen den Ehegatten führe, deren Prüfung eine Mehrbelastung für die Finanzämter bedeuten würde 81 und wegen derer der Gesetzgeber 1958 von der getrennten Veranlagung der Ehegatten abgegangen sei82 • Außerdem stünden diese Manipulationsmöglichkeiten nur bestimmten Steuerpflichtigen, nämlich den Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen, ZU83 • Diese Gesichtspunkte können jedoch nicht als durchschlagend angesehen werden. Wenn schon eine getrennte Veranlagung der Ehegatten mit dem GG vereinbar ist84 , dann gilt dies auch für eine Begrenzung des Splittingvorteils auf einen bestimmten Höchstbetrag, da dies die 74 Vgl. Abg. Seuffert, BT-Sten. Ber. III/1761; Abg. Harm, dort S. 1764, 1788; a. A. Abg. Eckhardt, dort S. 1790. 7S Ebd. S. 1794; die Bundesregierung hatte in dem Entwurf hierzu ausgeführt, daß sie Bedenken habe, die Wirkung des Splittings auf einen bestimmten Höchstbetrag zu begrenzen, um nicht in zahlreichen Fällen gegen die Grundsätze des BVerfG (sc. BVerfGE 6, 55) zu verstoßen, vgl. BT-Dr. III/260 S.34. 78 S.194. 77 Bulletin 1971, 993 (1003, 1019). 78 s. o. 23. Kap., sub 322. 79 S. 194. 80 Anders: Karl-Bräuer-Institut, S. 145; Institut "Finanzen und Steuern", Ehegatten-Splitting, S. 24 ff., 36 ff.; s. a. die Begr. zum SteuerÄndG 1958, BT-Dr. III/260, S. 34 (s.o. Anm. 75). 81 Bulletin 1971, 992 (1019); s. a. Steuerreformkommission, S. 194. 82 Vgl. BT-Dr. 111/260 S. 33; s. schon BT-Dr. II/1866, S. 51, 55; vgl. dazu BFH, BStBl. III 1957, 433; Institut "Finanzen und Steuern", EhegattenSplitting, S. 16. 83 Steuerreformkommission, S. 190; auch hierzu BFH, BStBl. III 1957,433. 84 BVerfGE 9, 237 (242 ff.); s. o. 23. Kap., Text zu Anm. 131, 132.

28. Kap.: Die Reform des Familienlastenausgleichs

447

Ehegatten nur in Einzelfällen zur getrennten Veranlagung nötigt. Einzuräumen ist erstens, daß verheiratete Steuerpflichtige die Möglichkeit haben, ihre Einkünfte durch Verträge untereinander so zu verteilen, daß hierdurch die Summe der von beiden Ehegatten insgesamt zu zahlenden Einkommensteuer möglichst gering ist, und zweitens, daß diese Möglichkeit auch nur zugunsten bestimmter Steuerpflichtiger besteht. Hierzu ist aber festzustellen, daß der allgemeine Gleichheitssatz nicht schon dadurch verletzt wird, daß die Möglichkeit solcher Verträge nur einem Teil der Steuerpflichtigen offen steht, denn hierbei handelt es sich um "tatsächliche Ungleichheiten"S5 zwischen den Situationen der einzelnen Steuerpflichtigen. Außerdem weist das BVerfG darauf hin s6 , daß die Gefahr eines Mißbrauchs solcher Verträge durch Ehegatten häufig überschätzt werde. Sie bestehe bei fundiertem Einkommen allgemein und sei nicht auf Vereinbarungen zwischen den Ehegatten beschränkt. Die steuerrechtliche Anerkennung entsprechender Verträge zwischen Eltern und Kindern habe nicht zu einer "augenfällig" hohen Zahl von Mißbrauchsfällen geführt. Außerdem könne der Gesetzgeber, um Manipulationen entgegen zu wirken, zwar nicht schlechthin allen Ehegatten-Arbeitsverhältnissen steuerrechtlich die Anerkennung versagenS7 , wohl aber an den Beweis des Abschlusses und die Ernstlichkeit von Verträgen zwischen Ehegatten strenge Anforderungen stellenss • Dementsprechend können Ehegatten-Arbeitsverhältnisse nur dann berücksichtigt werden, wenn sie ernsthaft vereinbart und tatsächlich durchgeführt werden, d. h. wenn die Arbeit geleistet und der Lohn tatsächlich gezahlt wirds9 • Dies festzustellen wird bei einem limitierten Splitting häufiger notwendig werden und für die Finanzbehörden neuen Arbeitsaufwand mit sich bringen. Diesem Aufwand stünden aber so erhebliche steuerliche Mehreinnahmen gegenüber, daß er in Kauf genommen werden müßte 90• Eine Begrenzung des Splittingvorteils auf einen bestimmten Höchstbetrag wäre somit verfassungsrechtlich zulässig, doch soll ihm hier nicht das Wort geredet werden. Auch das limitierte Splittingverfahren brächte keinen spezifischen Ausgleich für die Familien, in denen sich ein Elternteil der Kinder wegen auf den Haushalt zurückgezogen und auf Erwerbseinkommen verzichtet hat. Kinderlose Ehepaare und EheBVerfGE 9, 237 (244). Ebd. 87 Vgl. BVerfGE 13, 290 (299); 318 (326 ff.); 9, 237 (244); BFH, BStE!. In 1962, 217; 218; unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung, BFH, BStE!. 85 86

In 1958, 27; 70 (71); 1959, 329; 331; 1960, 159. 88 BVerfGE 13, 290 (316); 9, 237 (245); 6, 55 (83, 84). 8g Dazu BFH, BStB!. In 1962, 217; 218.

gO Im übrigen hat sich selbst der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Steuerbeamter, Fredersdorf, S. 12, für diesen Vorschlag ausgesprochen.

448

111. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

paare mit Kindern würden auch im Rahmen des limitierten Splittingverfahrens gleich behandelt, ein Ausgleich fände also nicht statt.

222 Eigener Vorschlag zur Durchführung eines Einkommensausgleichs zugunsten nicht-erwerbstätiger Mütter Der Vorschlag, der nun unterbreitet werden soll, geht davon aus, daß der Mutter, die sich ihres Kindes wegen auf den Haushalt zurückgezogen hat, für ihren Ausfall an Erwerbseinkommen ein Ausgleich gewährt wet:den soll. Dieser Ausgleich kann schon aus finanziellen Gründen nur bis zu einem bestimmten Alter des Kindes gewährt werden. Dies kann auch deshalb hingenommen werden, weil den Eltern, insbesondere der Mutter, gerade in den ersten Lebensjahren des Kindes für dessen Sozialisation die entscheidende Bedeutung zukommt. Eine Altersgrenze als Begrenzung des Ausgleichs zugunsten der Mütter ist aber nur dann sinnvoll, wenn der Ausgleichstatbestand ab diesem Alter entfallen ist, d. h. konkret, wenn ab diesem Alter des Kindes die Mutter tatsächlich auch in das Erwerbsleben zurückkehren kann. Die Rückkehr steht ihr aber nur dann offen, wenn das Kind ganztägig in Kindergärten oder Schulen betreut wird. Die Einführung von Ganztags-Kindergärten und Ganztags-Schulen stellt eine der wichtigsten Voraussetzungen nicht nur einer durch eigene versicherungspflichtige Tätigkeit verbesserten sozialen Sicherung der Frau dar, sondern sie schafft erst die Grundlagen für eine tatsächliche Gleichberechtigung von Mann und Frau". Solange solche Einrichtungen nicht bestehen, muß jede Altersgrenze als mehr oder weniger willkürlich erscheinen. Doch soll sie in dem nachfolgenden Vorschlag vertreten werden, allerdings in der Hoffnung und ergänzt durch die Forderung, daß diese Einrichtungen endlich geschaffen werden. Der Vorschlag sieht vor, daß Mütter, bis ihre Kinder das dritte Lebensjahr vollendet haben, ein Muttergeld erhalten, wenn sie mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben und keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Das Muttergeld ist subsidiär gegenüber Einkommensersatzleistungen nach dem MuSchG oder vergleichbaren Leistungen. Die Bezugsdauer des Muttergeldes erhöht sich mit jedem Kind um zwei Jahre. Bei schwerer Krankheit des Kindes kann, wenn eine Krankenhauspflege nicht möglich oder nicht ratsam ist, das Muttergeld für die Dauer der Krankheit wiederaufleben. Eine entsprechende Regelung ist angezeigt, wenn sonstige nahe Angehörige pflegebedürftig werden. 91 Auf den Zusammenhang zwischen mangelnden Kindergärten, Ganztagsschulen und Halbtagsarbeitsstätten und "ökonomischer Krüppelexistenz" der Frau weist inzwischen auch. zu Eecht Stöc~er,NJW 1972, 553 (557) hin.

28. Kap.: Die Reform des Familienlastenausgleichs

449

Das Muttergeld soll 300,- DM monatlich betragen. Der Betrag ist unabhängig von der Zahl der zu betreuenden Kinder. Das Muttergeld ist steuerfrei. Es begründet keine Versicherungspflicht. Auf das Muttergeld wird arbeitsloses Einkommen zur Hälfte angerechnet. Das gilt auch für Sozialleistungen an hinterbliebene Mütter. Anstatt des Muttergeldes können die Ehegatten unter den gleichen Voraussetzungen bei ihrer Heranziehung zur Steuer die Zusammenveranlagung beantragen. Der Splitting-Divisor ist mit 2 anzusetzen. Die durch das Splitting bewirkte Steuerverschonung soll im Höchstfalle 6 000,- DM jährlich betragen. Zugunsten der erwerbstätigen Mütter soll ein Ausgleich nicht stattfinden, weil es an dem Ausgleichstatbestand fehlt. Verkürzt die Mutter ihre Erwerbstätigkeit jedoch auf eine Teilzeitbeschäftigung und geht damit ein entsprechender Einkommensverlust einher, dann kann das Muttergeld zur Hälfte gewährt werden. Auch in diesem Fall können die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen, doch reduziert sich der Höchstbetrag des Splittingvorteils auf 3 000,- DM im Jahr. Soweit die Ehegatten nicht zusammenveranlagt werden, werden sie individuell besteuert. Doch wird ein Ehegattenfreibetrag in Höhe von 2 000,- DM jährlich gewährt, wenn der Ehegatte nicht selbst Einkommen bezieht. Das Muttergeld gilt in diesem Falle nicht als Einkommen, d. h. Muttergeld und Einkommensfreibetrag kumulieren. Das Muttergeld wird jeder Mutter unabhängig von ihrem Familienstand gewährt. Um auch der alleinstehenden Mutter (nichteheliche Mutter, geschiedene Mutter, verheiratete Mutter bei Unterhaltsentzug) den Rückzug auf den Haushalt zu ermöglichen, muß die sozialhilferechtliche Mutterhilfe92 ausgebaut und ergänzend zum Muttergeld eine Alternative zum Erwerbseinkommen bieten. Die sozialhilferechtliche Mutterhilfe sollte subsidiär-familienabhängig nur gegenüber Unterhaltsleistungen des (früheren) Ehemannes bzw. des Vaters der Kinder sein. Auf die Finanzierung dieses Vorschlages soll im Zusammenhang mit dem Vorschlag zum Ausgleich des Versorgungsnachteiles der Mutter eingegangen werden93 •

223 Vorschläge zur Durchführung eines Ausgleichs des Versorgungsnachteiles nicht-erwerbstätiger Mütter Den Grundzügen nach sind bisher drei Vorschläge zur Durchführung eines Ausgleichs des Nachteiles gemacht worden, den nicht-erwerbstätige Mütter durch ihren Rückzug auf den Haushalt bisher hinnehmen 92

93

§ 23 Abs. 2 und 3 BSHG; vgl. auch Krause - Ruland, ZSR 1969, 260 (268).

s. u. Text zu Anm. 103-110.

29 Ruland

450

III. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

mußten. Der erste Vorschlag steht im Sachzusammenhang mit dem auf Einführung einer eigenständigen sozialen Sicherung der Frau, die grundsätzlich mit Beiträgen des Mannes finanziert werden soll. übereinstimmend beinhalten diese Vorschläge jedoch, daß für die Zeit, während der die Frau im Haushalt kleine Kinder zu versorgen hat, die Beiträge für ihre soziale Sicherung aus Mitteln des Familienlastenausgleichs bestritten werden sollen94 • Andere Vorschläge sehen die Einführung eines "Frauenzuschlages" vor 95 , wenn ein Ehepaar mehrere Kinder aufgezogen hat90 • Dieser sollte 10-20 0J0 der Mannesrente betragen.. AIs dritter Lösungsweg wird schließlich· vorgeschlagen, die Mutterjahre als Ausfallzeiten97 bzw. als Ersatzzeiten98 innerhalb des Versicherungsverhältnisses der Frau zu berücksichtigen. In ähnliche Richtung geht der Vorschlag der Bundesregierung99 , der zum Ausgleich der Nachteile, die Frauen durch die Geburt eines Kindes in ihrem Versicherungsleben erleiden, die Anrechnung des sog. BabyJahres vorsieht100 , d. h. für jedes lebend geborene Kind erhöht sich die Rente der Mutter um einen dynamisch gestalteten Betrag, der dem durchschnittlichen Rentenzuwachs einer Frau für ein Versicherungsjahr entspricht. Bei der Ermittlung der Erhöhungsbeträge wird davon ausgegangen:; daß die persönliche Bemessungsgrundlage einer Frau für ein Versicherungsjahr im Durchschnitt 70 0J0 der allgemeinen Bemessungsgrundlage beträgt. Die Kosten des Baby-Jahres sind für 1973 mit 48,9 Millionen DM, für 1974 mit 137,5 Millionen DM angegeben worden101 • Zu diesen Vorschlägenbzw. zu diesem Gesetzentwurf läßt sich sagen, daß sie alle im wesentlichen· ein Ziel verfolgen, die Aufstockung der Altersrenten der Mutter bzw. des Elternpaares. Soweit die Vorschläge jedoch nicht von einer eigenständigen sozialen Sicherung der Frau ausgehen, benachteiligen sie die Mütter, die wegen der Kinder ent~ weder überhaupt nicht erwerbstätig waren bzw. es zu kurz waren, um die Wartezeit für den Bezug einer Rente zu erfüllen, bzw. die Mütter, 94 Vgl. Eherechtskommission, Vorschläge (II), S. 20 ff.; "Vorschläge zur sozi!ilen Sicherung der Frau", ZSR 1970, 229 (232); Zacher, Sicherung der Frau, S. 0 32. 95 Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 94; Krause - Ruland, ZSR 1969, 260 (261). 98 Langkeit, Sicherung der Frau, S. F 94, will den Zuschlag jedoch in jedem Falle gewähren. 97 Wannagat, SozSich. 1967, 161 (164); ders. in: Protokolle der 37. und 38. Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik, S. 6 B; ebenso Holler, an gleicher Stelle, S. 12 C. D8 S'Chulte-Langforth, Muttergeld, S. 148. D9 Vgl. §§ 1260 c RVO, 37 c AVG, 58 c RKG jew. i. d. F. des Entw. eines RRG, BR-Dr.566/71; s. a. § 1259 Abs. 3ut. e RVO a.a.O. 100 Begr. S. 41. 101 Ebd. S. 59.

28. Kap.: Die Refonn des Familienlastenausgleichs

451

die vor oder nach der Mutterzeit nicht versicherungspflichtig tätig waren. Sie alle kämen nicht in den Genuß der Ausgleichsleistungen. Gerade die Regelung des "Baby-Jahres" kommt Müttern mit vielen Kindern nicht zu Gute, die wegen der häufigen Mutterschaft die Wartezeit nicht erfüllen konnten. Die Vorschläge, die eine Erhöhung der Altersrente des Ehepaares vorsehen, tragendem schon eher Rechnung. Sie können aber in den Fällen, in denen die Mutter nie erwerbstätig war, zu erheblichen übersicherungen führen 102,.

224 Eigener VorschLag zur Durchführung eines AusgL'eichs des VersorgungsnachteiLes nicht-erwerbstätiger Mütter Der eigene Vorschlag zur Durchführung eines Ausgleichs des Versorgungsnachteils nicht-erwerbstätiger Mütter geht davon. aus, daß zwischen zwei Fällen zu unterscheiden ist. In dem einen Fall unterbricht eine Frau ihre zu einer sozialen Sicherung führende Tätigkeit, um sich ganz dem Kind zu widmen. In dem anderen Falle war die Frau entweder gar nicht oder allenfalls kurzfristig erwerbstätig. Ihr Rückzug auf den Haushalt entspricht, mag er auch wegen des Kindes erfolgt sein, der Normalsituation. In dem ersten Fall ist der durchschnittliche Lebensstandard des Ehepaares, den die Alterssicherung gewährleisten soll, durch den Verdienst bei der Ehegatten geprägt worden. In dem zweiten Fall war der doppelte Verdienst eine sporadische Ausnahme, die auf den durchschnittlichen Lebensstandard der Ehegatten keine oder nur geringfügige Auswirkungen hatte. Jedoch ist entsprechend dem eben unterbreiteten Vorschlag für ein Muttergeld zu berücksichtigen, daß eine Familie mit vielen Kindern u. U. lange Zeit hindurch Muttergeld bezogen hat, das sich dann daher auch in dem durchschnittlichen Lebensstandard niedergeschlagen hat. Als Versuch, diesen unterschiedlichen Ausgangssituationen gerecht zu werden, soll daher vorgeschlagen werden: -

Die Mutter, die in den letzten 18 Monaten vor der Geburt des Kindes 9 Monate lang erwerbstätig war, wird während der Dauer des Muttergeldbezugs in ihrer jeweiligen Rentenversicherung mit Mitteln des Familienlastenausgleichs versichert und zwar auf der Basis des Durchschnittsentgelts aller weiblichen Versicherten. Erfüllt die Mutter diese Voraussetzungen nicht, dann wird sie für die Zeit, während der sie Muttergeldbezogen hat, entsprechend nachversichert, wenn sie nach dieser Zeit eine versicherungspflichtige Tätigkeit (wieder) aufnimmt. 102 S.

o. 27. Kap., Text zu Anm. 47-50.

111. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

452

Ist die Mutter Beamtin, dann gilt die Zeit, während der sie Muttergeld bezogen hat, als ruhegehaltsfähige Dienstzeit. Eine Mutter, die weder als Beamtin versorgt ist, noch der Sozialversicherung zugehört, kann beantragen, daß die Beiträge, die ansonsten der Sozialversicherung ausbezahlt werden, zu ihren Gunsten einer privaten Rentenversicherung überschrieben werden. -

Hat eine Frau 9 Jahre oder mehr Muttergeld bezogen, dann wird sie, auch wenn sie sonst nicht erwerbstätig war, zu Lasten des Familienlastenausgleichs in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, allerdings auf der Basis des Muttergeldes. Die Versicherungsdauer, die der Nachversicherung zu Grunde zu legen ist, beträgt bei neun Jahren, während der die Frau Muttergeld bezogen hat, fünfzehn Jahre. Sie erhöht sich mit jedem weiteren Jahr des Muttergeldbezuges entsprechend, d. h. um zwanzig Monate. Erfüllt eine Frau, die Beiträge aus eigenem sozialversicherungspflichtigem Einkommen geleistet hat und die auf der Basis des Durchschnittsentgelts aller weiblichen Versicherten für die Dauer des Muttergeldbezugs (nach)versichert wurde, die Voraussetzungen der Wartezeit für den Bezug einer Rente nicht, dann kann sie beantragen, daß sie unter Verrechnung der Beiträge, die während des Muttergeldbezugs für sie gezahlt wurden, auf der Basis des MuttergeIdes versichert wird. Auch hier sollen der Frau pro Jahr des Muttergeldbezugs zwanzig Versicherungsmonate gutgebracht werden.

-

Dem Muttergeldbezug steht es gleich, wenn die Ehegatten statt des Muttergeldes die (steuerrechtliche) Zusammenveranlagung gewählt haben. Ist ein Muttergeld wegen der Anrechnung von (arbeitslosem) Einkommen nicht gewährt worden, dann gelten die Zeiten, soweit die Versicherung der Mutter in Frage steht, gleichwohl als Muttergeldzeiten. Ist das Muttergeld z. B. wegen einer Teilzeitarbeit der Frau gekürzt worden, dann mindern sich die Versicherungsbeiträge entsprechend.

Die Finanzierung der hier vorgeschlagenen Ausgleichsleistungen zugunsten der Mütter dürfte kein unüberwindliches Problem darstellen. Nach Schätzungen von Schulte-Langforth wäre etwa eine Million Mütter mit Kindern unter drei Jahren muttergeldberechtigtl°3• Das ergäbe bei einer monatlichen Leistung von 300,- DM 3,6 Mrd. DM. Hinzu kämen infolge der Möglichkeit, die Zusammenveranlagung zu wählen, schätzungsweise weitere 600 Millionen DM an Steuermindereinnahmen - allerdings nicht gegenüber dem heute geltenden Recht, sondern nur lOS

Muttergeld, S. 151.

28. Kap.: Die Reform des Familienlastenausgleichs

453

gegenüber den Steuermehreinnahmen bei einer grundsätzlichen Abschaffung des Splittings. Die Gesamtsumme von 4,2 Mrd. DM ermäßigt sich aber um sicherlich 0,4 Mrd. DM, da das Muttergeld gegenüber dem Wochengeld nach dem MuSchG und der RVO subsidiär istl° 4 • Eine weitere Ermäßigung tritt dadurch ein, daß auf das Muttergeld arbeitsloses Einkommen, z. B. also Renten, zu 30 010 angerechnet werden. Diese Einsparung kann auf mindestens 0,5 Mrd. DM geschätzt werdenl05 • Zu den Kosten des Muttergeldes von rund 3,3 Mrd. DM kämen jedoch noch die Kosten für die Versicherung der Mütter während der Zeit des Muttergeldbezugs hinzu. Ausgehend von einem Durchschnittsentgelt der weiblichen Versicherten von 10000,- DM/Jahrl08 muß hierfür bei einem Beitragssatz von 18 Ofo mit 1,8 Mrd. DM gerechnet werden, wenn alle Muttergeldbezieherinnen auf der Basis des Durchschnittsentgelts aller weiblichen Versicherten versichert würden. Da das jedoch wegen der Voraussetzung der früheren oder späteren Erwerbstätigkeit nicht der Fall sein wird, kann mit etwa 1,5 Mrd. DM an Kosten gerechnet werden. Kosten für eine Krankenversicherung entstehen nach diesem Vorschlag nicht l07 , weil eine Krankenversicherung deshalb für überflüssig erachtet wird, weil ohnehin fast alle Frauen irgendwie - und sei es nur abgeleitet-mittelbar - krankenversichert sindl08 • Den Gesamtkosten des Ausgleichs für die Mütter in Höhe von rund 4,3 Mrd. DM stünden die Steuermehreinnahmen gegenüber, die sich aus der völligenl09 Abschaffung des Splittings ergäben. Da die Steuermindereinnahmen infolge des Splittings sich bisher auf rund 10 Mrd. DM belaufenllo , kann nach diesem Vorschlag unter Berücksichtigung der mit ca. 5 Mrd. DM geschätzten Auswirkungen des erhöhten Freibetrages mit rund 5 Mrd. DM Steuermehreinnahmen gerechnet werden, womit die Kosten gedeckt wären. Wingen lll weist zwar nicht zu Unrecht darauf hin, daß die Steuer-

mehreinnahmen, die durch eine Abschaffung des Splittings zu erzielen wären, nur einmal zur Verfügung stehen, und daß ihr Einsatz im Rah104 Die Kosten hierfür beliefen sich 1970 auf 705 Millionen DM, vgl. Sozialbericht 1970, S. 83; davon kann jedoch wegen des geringeren Betrages des Muttergeldes nur ein Teil in Ansatz gebracht werden. 105 Das sind nur ca. 5 % der Barleistungen der Rentenversicherung der Arbeiter und der der Angestellten an Witwen, vgl. Sozialbericht 1970, S. 62 (übersicht 11), S. 67 (übersicht 14). 108 Ende 1969 belief sich der durchschnittliche Monatsverdienst z. B. von Industriearbeiterinnen nur auf 743,- DM (rund 8900,- DM/Jahr), vgl.

BABI. 1970, 353.

Anders nach dem Vorschlag von Schulte-Langforth, Muttergeld, S. 148. Vgl. die Angaben in der Frauenenquete, S. 126/127. 109 Bei der Berechnung der Kosten ist bereits die Möglichkeit berücksichtigt worden, statt des Muttergeldes das Splitting zu wählen. 110 Familienbericht, S. 119. 111 ZSR 1971, 268 (272). 107

108

454

IH. 3. Abschn.: Vorschläge zur Reform

men des Familienlastenausgleichs der Konkurrenz anderer Reformvorhaben ausgesetzt ist. Nach der hier vertretenen Auffassung sollten jedoch Mittel, die bisher für den Familienlastenausgleich eingesetzt wurden, auch einem reformierten Ausgleich weiterhin zur Verfügung stehen. Auch müßte sichergestellt werden, daß die Steuermehreinnahmen entweder entgegen Art. 106 Abs. 3 GG alleine dem Bund zufließen oder daß die Länder entsprechend ihren Mehreinnahmen an der Finanzierung des Ausgleichs beteiligt werden. 23 Der Ausfall des Trägers persönlichen Unterhalts

Ebenso wie eine Reihe anderer Vorschläge ll2 sieht auch der hier unterbreitete Vorschlag eine Sicherung für den Fall vor, daß der Träger persönlichen Unterhalts - regelmäßig also die Frau - invalide wird und ihrer Rolle als Mutter nicht mehr gerecht werden kann. Da sie während der Zeit, in der sie Muttergeld bezieht, sozial gesichert wird, stellt eine Invalidität der Mutter im Rahmen dieser Sicherung einen Ausgangstatbestand sozialer Leistungen dar. Die Leistungen werden auf das Muttergeld angerechnet, es aber nur dann ganz verdrängen, wenn sie doppelt so hoch sind wie dieses. Wird die Mutter nachversichert, dann gilt als Versicherungsfall der Zeitpunkt, in dem die Mutter nachversichert wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt bezieht sie ihr Muttergeid weiter. Da monetäre Hilfen aber, wie schon ausgeführt, nicht ausreichen, um das eigentliche Risiko, das die Invalidität der Mutter mit sich bringt, nämlich den ungedeckten Bedarf der Kinder an persönlicher Betreuung abzudecken, sei wegen des Mangels an persönlichen Hilfen und Helfern nochmals die Forderung erhoben, Ganztags-Kindergärtenund Ganztagsschulen zu schaffen.

112 z. B. alle Vorschläge, die auf eine eigenständige soziale Sicherung der Frau hinauslaufen, s. 0.27. Kap., sub 212.

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* In das Literaturverzeichnis sind grundsätzlich nur mehrmals zitierte Veröffentlichungen aufgenommen worden. Zur übrigen Literatur muß auf die Anmerkungen verwiesen werden. In Zeitschriften veröffentlichte Aufsätze werden mit dem Nachnamen des Verfassers und der Fundstelle, sonstige Veröffentlichungen werden mit dem Nachnamen des Verfassers und der Seitenzahl bzw. - bei Kommentaren - mit der jeweiligen FundsteIle zitiert. Soweit zur Vermeidung von Verwechselungen eine Titelangabe erforderlich war, ist der Titel gekürzt worden. Die Abkürzungen sind hier durch Klammem gekennzeichnet worden.

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Register Abänderungsklage (§ 323 ZPO) 176, 178 Abfindung - des Ehegatten im Unfallversicherungsrecht 102, 127 - des geschiedenen Ehegatten 34, 173 - des unehelichen Kindes 173, 224 - bei Wiederheirat 127 f., 131, 379, 428 Abschnittdeckungsverfahren 59 Adoption 28, 36, 134, 135 Adoptiveltern 99, 135 ff. Adoptivkinder 13, 134, 145 f., 281 Alimentationsprinzip 41, 65, 111, 139, 259, 287, 415 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) 45, 270, 275 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Feststellung der Unterhaltsbedürftigkeit 170 f. Altengeneration 12, 20, 266, 293 Altenhilfe 48, 82, 301 Alter 291, 390 Altersgeld für Landwirte 44, 112, 125 f., 129 Altersgrenze - Erreichen der - 56,66,291,407 - der "großen Witwenrente" 125 f., 338, 432 - für Leistungen an bzw. für Kinder 124, 148 f., 263 - für Muttergeld-Leistungen 443, 448 Altershilfe für Landwirte (GAL) 8, 55, 63, 75, 130, 260 Alterssicherung - sozialhilferechtliche Beitragsübernahme für eine - 82, 219 - durch Unterhalt 12, 390 f. - Unterhaltsanspruch auf - 217 ff., 220, 234, 266 f., 411, 412 - Vergesellschaftung der - 12, 235f., 247, 341, 388 ff., 390 ff. Alterssicherungssysteme - Notwendigkeit von -n 286, 288 - Zusammenhang mit dem Kinderlastenausgleich 111, 235 ff., 247, 341,344 ff., 432 Angehörige - s. Familienmitglied

-

Allokation ihrer Risiken 121 f., 250 f., 304, 308 - sozialrechtlicher Begriff des -n 117 - Effektivität ihrer Sicherung 324 ff. - mitgesicherte - 3, 16, 53, 122, 152, 249 ff., 256 ff., 266, 304 f., 308 ff. - "sonstige -" im Unterhaltssicherungsrecht 132, 136 - i. S. des Wohngeldrechts 112 Annahme an Kindes Statt - s. Adoption Anonymität der Sicherung 234, 389 Anrechnung - von Einkommen und Vermögen - - im Arbeitslosenhilferecht 95 ff., 110, 231 ff., 255 - - im Ausbildungsförderungsrecht 50, 92 f., 110, 246 - - in der Kriegsopferversorgung 98,110,255 - - im Sozialhilferecht 85 f., 110, 230, f., 244, 321 - von Kindergeld auf den Unterhaltsanspruch 208 ff., 247 - von Unterhalt - - bei subsidiären Sozialleistungen 84, 96, 100 f., 169, 181 - - bei Unterhaltsverzicht 102 ff., 384f. - von Unterhaltsersatzleistungen auf das übergangsgeld 180 - der Waisenrente des unehelichen Kindes auf den Unterhaltsanspruch gegen die Erben des Vaters 211 ff. Anspruchsberechtigung auf Sozialleistungen 49, 120 ff., 249, 325 ff. Arbeitslosengeld 64, 112 f. Arbeitslosenhilfe 43, 64, 112, 231 f., 254 f., 324, 394 - Diskrepanz zwischen -recht und Unterhalt 95 f., 324 - Familienabhängigkeit 64, 95 ff., 231 f., 255, 324 Arbeitslosenversicherung 52, 63 f., 77, 288 Arbeitslosigkeit 63, 291 Arbeitsverdienst 64, 153 f., 308, 310 - s. a. Unterhalt aus dem ,,-" Aufnahme in die Wohnung (Haushalt) 38, 157, 193

Register

473

-

Ausbildungsbeihilfe 49 Ausbildungschancen 296 Ausbildungsförderung 44, 46, 49 ff., 77 f., 109, 112,287,372 ff., 376 ff. - abgeleitet-mittelbare 120f., 124ff., 190, 253 - Diskrepanz zwischen - und Unterhaltsrecht 93, 322 ff. - Familienabhängigkeit 2, 25, 50, 92 ff., 197, 232 f., 258, 322 ff., 371 f., 394 - verlängerte Waisenrente als - 373 - als zweckbestimmte Leistung 189 Ausbildungshilfe 47, 49, 199, 233, 323 Ausbildungskosten - Ausgleich der - 119, 120, 124 - und Unterhalt - - des Ehegatten 23 ff., 36, 199, 232, 375 - - der Kinder 25 ff., 199, 232, 296 Ausbildungszulage 120 Ausfallzeit 57 - Zeit der Mutterschaft als - 402, 450 Ausgleich von Unterhaltsbelastungen 108 ff., 110 ff., 119 ff., 246 ff., 285 f., 288, 297 f., 319 f., 339 ff., 348 ff., 431 ff. Ausgleichsrente - im Kriegsopferversorgungsrecht 68, 98, 112,364 - als Teil der (vorgeschlagenen) Mutterrente 424, 429 Ausgleichssysteme 42, 46 ff., 241 ff., 257 f. Außerehelicher Vater - Kindergeld und Unterhaltspflicht des -s 30, 209 - Leistungen an den - 123, 192 f. - Unterhaltspflicht des -s 29 f., 192 f., 210, 211 - Verweigerung der Namensnennung des -s 106 außergewöhnliche Belastung 52, 118, 123

Auswirkungen der Sozialleistungen auf - 196 ff. - als Unterhaltsvoraussetzung 21, 24, 28, 33, 34, 35, 167, 170 ff., 177, 184, 186, 196 ff., 202, 211 ff., 215 f., 223, 233, 244, 247, 249, 254, 255 f. - als Voraussetzung der Sozialhilfe 83, 202 Behinderte 47, 301 Beihilfe - beamtenrechtliche 3, 53, 65 f., 120, 124, 187, 325 ff. - an Hinterbliebene - - im Kriegsopferversorgungsrecht 102, 127 - - im Verfolgtenversorgungsrecht 102, 127, 129 - zum Lebensunterhalt 70 f., 99, 109 Beiträge - der Arbeitgeber 54, 58 f. - zur Krankenversicherung 54 f. - zur Rentenversicherung 58, 261 f. - Rückerstattung 357 - zur Sozialversicherung und Unterhalt 217 Beitrag zum Unterhalt 33 f., 100, 131, 168 f., 177 f. Bergmannsprämien 44 berufliche Fortbildung 50 Berufsbeamtentum - s. Beamtenversorgung - hergebrachte Grundsätze des -s 287 f. Berufssoldaten 65 Berufsunfähigkeit 56 "Besondere Härte" bei der Inanspruchnahme von Unterhaltspflichtigen 90 f., 206 betriebliche Altersversorgung 8, 413, 415 Beveridge-Plan 20, 401 Bevölkerungspolitik 286, 386, 342, 444 Bezugsberechtigung von Angehörigen auf Sozialleistungen 81, 143 f., 151, 249 Blindenhilfe 48, 83

"Baby-Jahr" 8, 450 f. Beamtenversorgung 40 ff., 42, 53, 65 ff., 77, 111, 139 f., 260, 277, 287 f., 360,362,376,408,415,430 Bedarfsdeckungsprinzip 399, 408 Bedarfsgemeinschaft 84, 85 f., 230, 239, 243, 257, 264, 285, 321 Begrenzung der sozialen Sicherungssysteme 303 ff., 432 f. Bedürftigkeit - und Anspruch auf familienabhängige Sozialleistungen 197 ff.

Dienstunfallversorgung 53, 73 Doppelsicherung der Ehegatten 363 f. "Drei-Phasen-Theorie" 17 f. Durchführungshinweise zur Feststellung der Unterhaltsbedürftigkeit 170 f. "Dynamisierung" - der Renten in der Kriegsopferversorgung 68 - der Renten in der Rentenversicherung 58, 389 - der Versicherungspflichtgrenzen 304

474

Regist-er

"Eckwerte" 435 ff., 440, 441 Ehe 280, 355 Ehe und Familie - FUhktion von - 281 ff. - Institutsgarantie von - 280 ff. - Schutz von - 32, 45, 280 ff., 355 eheähnliche Gemeinschaft 10, 13, 38, 86,117,228,230,266,280,378

Ehedauer - vor Scheidungen 14 :-- bestimmte - als Voraussetzung von Sozialleistuhgen 126 f., 131, -

332, 424

als Verteilungsmaßstab für mehrere Witwenrenten 137, 335, 417 Ehegatte(n) - Ausgleich von Unterhaltsleistungen an - 111 ff., 319 f., 346 ff. - früherer - 8, 21, 117, 123, 130, 259, 264 f., 337, 356 - geschiedene- - allgemein 14, 117, 167 - - Effektivität ihrer Sicherung 329 ff., 337 ff. - - Leistungen an - 130 f., 264 f., 305 f.

-

-

-

-

-

getrennt lebende - 15, 261, 295, 354 f., 428 - Unterhaltsbeziehung zwischen

-

nicht dauernd getrennt lebende -

-

Reform ihrer Sicheruhg 395, 400, 417 f., 426 ff. Unterhaltsbeziehung zwischen - 31 ff., 118, 167, 211, 214, 218, 219 f.

30

84,97,109,261,354

nichterwerbstätiger - 23, 294, 319,

346, 431

-

-

als Mitglied des sozialrechtlich relevanten Familienverbandes

-

Sicherung des -

5, 220, 366 ff.,

-

394,395 ff. 261 ff.

Passivrolle eines - 20, 294, 369 f. Sicherung bei Ausfall des Unterhaltsträgers 125 ff., 143, 261 f., 329 ff., 366 ff., 380, 395 ff. Sicherung bei Krankheit 122, 262; 325 ff. im Sozialhilferecht 84, 88, 257, 393 Unterhaltsbeziehung zwischen 11, 22 ff., 111 ff., 261, 283, 371 ff., 381 f.

Ehegattenfreibetrag - bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen 109 - im Steuerrecht 113, 346 f., 445, 449 Ehegattenzuschlag 68, 111 f., 115, 262 - s. a. "Frauenzuschlag"

Eheliche Lebensgemeinschaft 22, 285, 355

--'- Verweigerung der Herstellung der -

30, 107,378

Ehereformgesetz (EheRG) - und nachehelicher Unterhalt 34 f., -

418

Reform der· Sicherung der Ehegatten im - 398, 409 ff. Eheschließungsfreiheit 285, 379 . Eigentum - Renten . (Sozialleistungen) als 61, 63, 213, 274, 367

- Schutz des -s 274 "Einfrierungstheorie" 313 Eingliederungshilfe 47, 82 Einkommensersatz 53, 252, 308, 309 Einkommensfreigrenzen bei subsidiären Sozialleistungen - in der Ausbildungsförderung 50 - in der Kriegsopferfürsorge 97 f. -- in der Sozialhilfe 83, 87 ff., 89, 215, 242, 244

-

-

Beachtung bei überleitung des Unterhaltsanspruches 85, 243 --'- - Reflexwirkungen auf das Unterhaltsrecht 198 ff., 244, 370 f. - zugunsten des Unterhaltspflichtigen 86 ff., 198 ff., 243 - im Wohngeldrecht 50 f. Einkommenslosigkeit 292 Einrede des Mehrverkehrs 223 Eltern - Inanspruchnahme von - bei subsidiären Sozialleistungen 84, 88 f., 92 ff., 96, 264, 391 f; -Sozialleistungen an - 68,98 f., 106, 135 f., 137, 138, 143, 158, 162, -

174, 259, 260, 264, 355 f. 12, 28, 91, 172 f., 390 ff.

Unterhalt an -

Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 87, 90 Enkel 36, 91, 138, 146, 148, 162, 181, 183, 263, 391 f.

Entbindungskosten 37, 210 f. Entschädigungsrente '70 . Entschädigungssystem 42, 66 ff., 173, 183, 253 ff., 260, 305, 306, 356, 363 "Entweder-Oder" zwischen Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit 2, 211, 221 ff. . . Erhöhungen von Sozialleistungen (familienbedingte)· 111 f., 113 ff., 118, 181, 191, 248, 258

Ersatzzeit 57, 61 Erwerbstätigkeit - von Frauen 17, 22, 302, 360

Register - von Kindern 18, 290 - von Männern 17, 360 Erwerbsunfähigkeit 56 Erziehungsbedürftigkeit des Kindes 293 Erziehungsrecht der Eltern 282 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) 270,275 Europäische Sozial charta (EuSCh) 45, 270, 275, 288 Evakuierte 67, 205 Familie 280 f. - finanzielle Basis der - 19 - als Objekt sozialer Sicherung 4, 279 - Sicherungsfunktion 1, 279, 302 - und Staat 2, 221 ff., 271, 279 H., 388 ff. - Struktur- und Funktionswandel 1, 11,16,281,302,388 - als Umverteilungsgemeinschaft 16, 191, 238 f., 245 - überwiegender Unterhalt der 160 - unvollständige - 12, 13 H., 281, 296 Familienabhängigkeit 80, 81 ff., 151, 196 ff., 222 - der Arbeitslosenhilfe 64, 95 ff., 231, 255, 324 - der Ausbildungsförderung 2, 51, 92 ff., 232, 322 ff. - der Ausgleichsrente in der Kriegsopferversorgung 68, 98 - der Beihilfe an Hinterbliebene 102 - der Elternrente in der Kriegsopferversorgung 68, 98 - der Graduiertenförderung 92 - der Jugendhilfe 92 - der Kriegsopferfürsorge 97 f., 255 - der Kriegsschadenrente 99 ~ der Sozialhilfe 2, 49, 198 ff., 242, 257, 321 f., 391, 394 -Verwirklichung der - 84 ff., 243 - wiederaufgelebter Hinterbliebenenleistungen 99 f., 106, 128, 197, 249,254 . Familienausgleichskassen 274 Familieneinheit, Grundsatz der - 88 Familieneinkommen 19, 51 Familienhilfe 3, 53, 120, 121, 155, 163 f., 182, 314 f., 317, 325 ff. Familienlastenausgleich 4, 246, 258, 286, 288, 318, 347, 387, 394, 402, 408, 431 ff. - s. Kinderlastenausgleich - Ausgleich zugunsten der Mütter 319 f., 346 f., 351 ff., 402, 442 ff.

475

- Effektivität 5, 339 ff.; 348ff.· - Lücken im - 318 ff. Familienlohn 340 Familiennotgemeinschaft 26 ff., 243, 322 Familienprinzip in der Sozialversicherung 407 Familienrente 369, 405, 425 Familienunterhalt - s. Unterhalt der Familie Familienvollsplitting im Steuerrecht 437 fr. Familienzuschlag 64, 83, 112, 113, 115, 188, 189, 253 Finanzierung . - der Arbeitslosenhilfe 64 - der Arbeitslosenversicherung 64 - der Ausgleichssysteme 46 - der Krankenversicherung 54 - der Reformvorschläge 430f., 452 ff. - der Rentenversicherung 59 f. Fiskalische Interessen - und Ausgestaltung des Unterhaltsrechts 222 ff. - und Unterhaltsverzicht 383 f. Flüchtlinge 67, 91, 205, 292, 378 "Frauenzuschlag" 400, 420, 450 Freibeträge zugunsten Unterhaltspflichtiger - bei der Anrechnung ihrer Einkommen auf subsidiäre Sozialleistungen 80, 87 ff., 92 ff., 108 ff. - im Steuerrecht - - zugunsten des Ehegatten 113, 347,445,449,453 . - - s. Kinderfreibetrag - - zugunsten anderer Unterhaltsempfänger 118, 258, 348, 353 Fürsorge 39, 60, 62, 70, 287 - s. Sozialhilfe "Das ganze Haus" 1,11 Ganztagsschulen und -kindergärten 302,319,448,454 Geltendmachung - von Sozialleistungen - - durch minderjährige Berechtigte 239 - - Pflicht zur - 196, 326 - gerichtliche - des Unterhalts 43, 85, 105, 167, 172, 175, 199 ff., 279, 326 Gesamtsystem sozialer Sicherung 2, 9, 221 ff., 289 Geschiedenen-Hinterbliebenenrente - Änderungen durch das RRG 6, 417 - Kritik an der Ausgestaltung der 6 f., 329 ff. - Reformvorschläge 395 ff.

476

Register

-

Voraussetzungen 130 f., 138, 162 L, 183 f. Geschwister 37, 117, 136, 143, 146, 148, 179, 181, 183, 223, 225, 226, 227, 257, 259, 263 Getrennte Veranlagung von Ehegatten 347 f., 446 Gleichheit von Mann und Frau 153, 278, 313 f., 357 ff., 366, 395, 396, 448 Gleichheitssatz 272, 275, 354 ff. - und Anrechnung von Unterhalt im Ausbildungsförderungsrecht 354 ff. - und Streichung der Heiratswegfallklauseln 371 ff. - und übersteigerung der "Verdicncrrolle" 366 ff. - und unterschiedliche Leistungsvoraussetzungen 354 ff. - und (erschwerte) Voraussetzungen der Witwerrente 357 ff., 395 Graduiertenförderung 51, 92, 189, 232 f., 258 Großeltern 11, 36, 91, 117, 264, 391 Großfamilie 1, 11, 16, 226, 267, 302 Grundrechte 272 ff. - Freiheitsrechte 272, 273 f. - Gleichheitsrechte 272, 275 ff. - soziale Grundrechte 273, 274 f. Grundrente - im Kriegsopferversorgungsrecht 68, 112, 141 f., 364 - als Teil der (vorgeschlagenen) Mutterrente 424 Grundsatz des Nachrangs - s. Subsidiarität Grundsicherung 2, 391 - s. Fürsorge, Sozialhilfe - Effektivität der - 321 ff. - Lücken der - 300 ff. Häftlinge (politische) 70 f., 99, 109 Härteausgleich in der Kriegsopferversorgung 69, 136 Haft 144 Hausfrauen 19 ff., 294, 297, 302, 368, 419 Haushalt - Hilfe zur Weiterführung des 48,301 - Rückzug der Frau auf den - 17 f., 346, 350 Haushaltsführerin 143 Haushaltsgemeinschaft 86, 226, 229, 243 Haushaltshilfe in der Krankenversicherung 307 Haushaltsrolle 19 ff., 294, 297 f., 366, 370,404f. Haushaltstätigkeit - Bewertung 20, 155 f., 278, 313, 315 ff.

Funktionen 19 f. und bzw. als Unterhalt 20, 155, 294 Renten als Gegenleistung für die - 336 f., 401 Heirat 13, 15, 63 - zweier Hinterbliebenenrentenempfänger 379 - des Kindes und Unterhaltspflicht der Eltern 28, 149, 381 f. Heiratswegfallklauseln 149, 371 fr., 378 ff., 394 Hilfe - zum Ausbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage 47,82 - Grundsatz familiengerechter - 85 - in besonderen Lebenslagen 46 ff., 85, 86 f., 89, 109, 110, 188, 203, 242 - zum Lebensunterhalt 46 f., 85, 86 f., 110, 187, 203, 215 f., 239 - persönliche - 85, 290, 292 f., 301 ff., 433, 454 Hinterbliebene - Effektivität der Sicherung für 327 ff., 339 56 f., 58, 76, - Leistungen an 125 ff., 288, 362 - Lücken ihrer Sicherung 303 ff. Hinterbliebenenrenten - Höhe 58, 76, 251, 327 ff. - Effektivität der - 329 ff. - als "soziales Erbe" 214 - Genügen der - 327 ff. - Unterhaltsersatzfunktion (s. dort) - Voraussetzungen 56 f., 125, 248, 253, 306, 309 f. - als Vorsorgeleistungen 61 ff., 396 - Wegfall der - 99,332,378 ff. - Wiederaufleben der - (s. dort) Honnefer Modell 49, 92 ff. -

Individualbesteuerung der Ehegatten 347 f. Individualisierung des Unterhaltsverbandes 239, 369 ff. Individualprinzip in der Sozialhilfe 47 Industrialisierung 1, 11, 16, 281 Internationaler Pakt über staatsbürgerliche und politische Rechte 270 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 270 Invalidität 291 "Jahr vor dem Tode" 184 f. Jugendhilfe 46, 49, 92, 245, 258 Kapitalisierung des Unterhalts 173 Kernfamilie 10 ff., 234, 235, 266, 282, 283, 302, 305, 356, 388 ff.

Register Kind 18, 144 ff., 262 ff., 281, 290, 390 f. - eheliches - 145 - für ehelich erklärtes - 146 - Erziehungsbedürftigkeit des - 293 - Geschwister als -er 136, 148 - nichteheliches 21, 138, 146 f., 209 f., 211 ff., 263, 278 f. - - Unterhaltsbeziehung des 29 f., 199, 211, 224 - - als Vollwaise 134 - über 18 Jahren 148 ff., 263 - verheiratetes - 28, 84, 264, 371 ff., 381 f. Kinder - Ausgleich der Unterhaltsleistungen an - s. Kinderlastenausgleich - als "Deckungskapital" der Alterssicherung 237,247 - als Inhaber von Passivrollen 20, 293 - Sicherung bei Ausfall des Unterhaltsträgers 133 ff., 143, 259 - Sicherung bei Krankheit 122,325 ff. - im Sozialhilferecht 84, 88, 257, 264 Kinderfreibetrag 51, 78, 116, 124, 181, 258, 343, 352, 440, 441 Kindergeld 46, 51, 110 f., 113, 115, 155, 190 ff., 208, 209 f., 246 ff., 318, 348 ff., 361 ff., 387, 434 ff., 440 Kinderlastenausgleich - Effektivität 339 ff., 348 ff. - Leistungen des -s 113 ff., 181, 190 ff., 258, 394 - Notwendigkeit eines -s 286, 288, 289 - Reform des -s 431 ff., 434 ff., 440 ff. - schichtenspezifischer - 341 ff., 351, 434 ff., 441 - Sollbeträge eines -s 350 - Zulässigkeit eines - 386 f. - Zusammenhang mit der Alterssicherung 111, 235 ff., 237 f., 247, 344f., 432 Kinderlose 286, 341, 344, 352, 432, 443 ff., 447 Kinderzahl 21 f., 339 Kinderzulagen 73,114 Kinderzuschlag - im Beamtenbesoldungsrecht 65, 66, 114, 190, 287, 374 - im Versorgungsrecht 114, 190, 374 Kinderzuschuß 58,114,248 Kindheit 290 Kostenersatz (sozialhilferechtlicher) 84, 91 f., 205 Krankengeld 53 f., 111, 115, 117, 181, 183,258 Krankenhilfe - krankenversicherungsrechtliche 53

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- sozialhilferechtliche 47 Krankenpflege 53 f., 124 Krankenversicherung 52, 53 ff., 74, 288 Krankheit 52, 119, 120, 290 Kriegsopferfürsorge 43, 69, 78, 97 f., 121, 254, 260 Kriegsopferversorgung 40, 42, 67 ff., 77, 97, 306, 363 f. Kriegsschadenrente 70, 99, 109 Kumulation - von Anspruchsberechtigten - - auf Hinterbliebenenleistungen 137, 334 f., 363, 417 - - auf Kindergeld 115 - von Unterhalt und Sozialleistungen 135, 211 ff. Lastenausgleich 67, 69 ff., 77, 99 Landabgabenrenten 44 Lebensunterhai t - Mindestaufwendungen zum - 350 - notwendiger - 47 Lebensversicherung 367 Leistungen der sozialen Sicherheit - Bedeutung der - 73 ff. - Begriff 43 ff. - mittelbar zweckbestimmte 187 ff. - unmittelbar zweckbestimmte 190 ff. Leistungsfähigkeit - als VoraUssetzung der Besteuerung 51, 111, 343, 347 - als Unterhaltsvoraussetzung 21, 24, 28, 32, 33, 80, 170 ff., 184, 186, 249, 254, 255 f., 295 - - absolute 186 - - infolge des Bezugs von Sozialleistungen 186 ff. - - relative 186, 188, 190, 246, 247, 256 letzter wirtschaftlicher Dauerzustand vor dem Versicherungsfall 182, 183 f. Lohnungleichheit von Männern und Frauen 18, 328, 338, 406 Menschenwürde 272 f. Monetäre Hilfen 301,309 Mutter 17, 19, 275, 294, 309, 319 f., 346 f., 351 ff., 399, 424, 431 ff., 442 ff. - nicht-eheliche - 29 f., 36, f. 106, 209, 210, 275, 296, 353, 443, 449 Muttergeld 319 f., 442 ff., 448 f., 451 ff. "Mutterrente" 424 f., 429 Mu tterschaftshilfe - krankenversicherungsrechtliche 53 f., 121, 189, 190, 210 - sozialhilferechtliche 47, 449 Mutterschutz 274, 290 f.

478

R€gistet

Nachversicherung 40, 415,430 Nationalsozialismus 26 ff., 387 Neffen 117 Onkel 226, 228 Orientierungsfamilie 13 Ortszuschlag 65, 111, 115, 116, 191, 287, 340, 435 Passivrollen 20 ff., 293 ff. Pfändungsverbote zugunsten von Sozialleistungen 187, 188 f., 191, 194 Pfändungsvorrecht nach § 850 d ZPO 198 Pflege 33, 36, 155, 292, 302, 346, 411, 425, 448 - Hilfe zur - 48 Pflegeeltern 118, 135, 136, 137, 260 Pflegekinder 13, 38, 117, 134, 138, 146 f., 148, 157, 181, 183, 259, 263, 266, 357, 394 PIlegezulagen 189 Privatsphäre 106 ff., 377 ff. Progression 344 Rangfolge - der Anspruchsberechtigten bei Kindergeld 115 - zwischen Familie und Staat 2, 13, 221 ff. - zwischen Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit 2, 102, 196 ff., 222 ff., 371 - der Unterhaltsberechtigten 31 f., 296 Realisierbarkeit des Unterhalts anspruchs als Voraussetzung seiner Anrechnung 84, 96, 100 f., 165, 323 Rechtsstaat 272 Reform - des Familienlastenausgleichs 431 ff. - - Aufgaben 431 ff. - - Reformvorschläge 433 ff., 442 ff., 449 ff. - - (eigene) Vorschläge 440 ff., 448 f., 451 ff. - der Sicherung der Ehegatten 395 ff. - - Aufgaben 395 ff. - - Reformvorschläge 396 ff. - - (eigener) Vorschlag 419 ff. - des nachehelichen Unterhaltsrechts 34f. Regelbedarf 30, 210 Regelsätze der Hilfe zum Lebensunterhalt 47, 187 Regelunterhalt 30 Renten - Höhe 57, 76, 327 f.

-Berechnung 57 f., 417 Rentenkonkubinat 100, 379 Rentenreformgesetz (RRG) 6, 304, 409, 417 ff. Rentensplitting 403 f., 407, 409 f., 413, 424, 426 ff., 430 Rentenversicherung 42, 52, 55 fi., 75 ff., 359 ff. Richtbedarf für Verheiratete 112 Richtlinien zur Feststellung der Unterhaltsbedürftigkeit 170 f. Risiken 271, 289 ff. - der Angehörigen 251, 293 ff. - atypische - 291 f. - Folgen der - 292 ff. - typische - 290 f. - unterhaltsbedingte 253, 271, 293 ff., 308, 319, 339 ff., 419, 431 f. Saldierungsgrundsatz 164, 261, 314 Scheidung 14, 32, 295, 309 Scheidungsrecht - geltendes - 14, 31 - Reform des - 34 Scheidungsstrafe 330 Scheidungsurteil - Verbindlichkeit der -e 169 f. - Schuldausspruch im - 14, 34, 169, 330 Schwangerschaft 47, 120,275,290 f. Schwerbeschädigte 47, 69, 73, 112, 115, 123 "Sechswochen"-Kosten 36 f., 210 f. Sicherung - abgeleitete - 119, 305 - abgeleitet mittelbare - 119 f., 238, 250, 325 ff., 337 - abgeleitet unmittelbare - 119 f., 254 - Begriff "soziale -" 39 ff. - Effektivität 299, 320 ff. - einfache - 39, 300 ff. - - s. Fürsorge, Sozialhilfe - gehobene - 39, 300, 303 ff. - mittelbare - 120 - übermaß an - 321, 337 Sicherungslücken 299, 300 ff. Solidarverband - familiärer - 26, 28 ff., 390 - gesellschaftlicher - 59 f., 237, 388, 390 f. Sonderausgaben 124 sozialer Ausgleich - in der Krankenversicherung 54 f. - in der Rentenversicherung 60 ff. Soziales Erbe 214 Sozialhilfe 2, 32, 39, 40,42, 46 ff., 77, 82 ff., 103, 109, 187 f., 197, 215, 232, 238, 241 ff., 257, 300, 321 f., 323, 324, 326, 391, 402

Register -

Familienabhängigkeit 2, 49, 198, 242,257, 32lf;, 391, 394 - -rechtliche Verschonungen 83, 85 ff., 89 f. - - "Reflexwirkungen"der-198ff., 215,370f. Sozialisation des Kindes 282, 293 Sozialstaat 272 f., 275, 276, 286, 289, 365 Sozialversicherung 40, 277, 287, 304 f., 311,362 Splitting - s. Rentensplitting - s. Zusammenveranlagung von Ehegatten Splitting-Effekt 113, 352 - Begrenzung des -s 445 ff., 449 Staat - Aushilfsfunktion des -es 284 - und Familie 2, 221, 279 ff., 388 ff. Staatsbürgerversorgung 401 f. Staatszuschuß - zur Krankenversicherung 54 - zur Rentenversicherung 58, 60 f., 62, 362, 396 Statusurteil 176 Steuerabzugsbetrag (familienbezogener) 434 Steuerermäßigung (familienbezogene) 46, 51, 78, 111, 112 ff., 116, 118, 120, 123, . 124, 191, 246 ff., 258, 339 ff., 348 ff., 433 Steuerrecht als Instrument des Familienlastenausgleichs 433 Steuerreform 433 ff. Sterbegeld 189, 296 Stiefeltern 135, 136, 137, 228, 260 Stiefkinder 13, 134, 138, 146 f., 157, 179, 193, 228, 259, 263, 266, 296, 357, 394 - eheliches - 146 - Unterhaltsanspruch des -s 37, 38 Studentenehepaare 13, 375 Subsidiarität 81 ff. - s. Familienabhängigkeit - der Arbeitslosenhilfe 95 - der Ausbildungsförderung 50, 92 - der Beihilfe an Hinterbliebene im Verfolgtenversorgungsrecht 102 - der wiederaufgelebten Hinterbliebenenleistungen 99 ~ der Kriegsopferfürsorge 97 - der Sozialhilfe 48, 82 ff. Subsidiaritätsprinzip 283 Subvention 44, 55, 377 Tanten 226, 228 Tod - des Ehegatten 15, 24, 34 - des Gesicherten 56, 125, 143 Typisierung 258, 277, 323, 338, 374

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übereinkommen Nr. 102 der IAO 45, 270, 288 übergangsgeld (§ 1241 RVO) 180 überleitung des Unterhaltsanspruches 77, 84, 86 ff., 94, 97, 101, 105, 198, 200, 207, 230, 232, 243, 321 Umverteilung 28 f., 60, 73 f., 235 ff., 344f., 388 Unentgeltlichkeit der Unterhaltsgewährung 167 Unfall-Hinterbliebenenversorgung 73, 306 Unfallversicherung 52, 72, 75, 260 - für Hausfrauen 306 ff. Unterhalt - Angewiesenheit auf - 293 ff. - aus dem "Arbeitsverdienst" 130, 153 f., 310 ff. - Ausbleiben des - 296 - Begriff des -s 10, 162, 272 - - sozialrechtlicher - 162 f., 309 ff., 312 ff., 333 ff. - nach Billigkeit 30, 34, 169 - der Familie 22 f., 25, 30, 282, 283 - Funktion fremder Leistung 21, 252 - hypothetischer - 165 f. - notdürftiger - 24, 34 - persönlicher ("personaler") - 20, 154.ff., 248, 278, 306 ff., 309 ff., 370 - Sicherungsfunktion des - 1, 250, 289 f., 293 - im Sinne des § 1265 RVO 162 f., 333 ff. - und Sozialhilfe 215 - tatsächlicher - 165, 259, 265 - "überwiegender -" 158, 310 f., 316 f. - Ungenügen des -s 251, 295 - Unterhaltsersatzleistungen als 179 f. - Voraussetzungen für Leistungen der sozialen Sicherheit 3, 151 ff. - Wegfall des -s 125, 294, 295, 306 ff., 308, 338 - "wesentlicher -" 158 - "zum - nicht unerheblich beitragen" 157 f. . Unterhaltsanspruch - auf Ausbildung 199, 296 - - des Ehegatten 23 f., 36, 232, 375 - - der Kinder 25 ff., 232 - zum Ausgleich von Versorgungsnachteilen 36, 219 f., 411 f., 419 - (gerichtliche) Geltendmachung des -es 43, 85, 105, 167, 172,175,199 ff., 326 - latenter - 33, 331 - Verweisung auf den - 84, 85, 243 -Verwirkung des. -,.es 27, 34, 108, 224

480 -

Register

auf Vorsorge 217 ff., 234, 266 f., 411, 412 - Umfang des -es 37 Unterhalts beitrag - an den geschiedenen Ehegatten 33 f., 100, 131, 168 f., 177 f. - an den Ehegatten im Beamtenversorgungsrecht 126 - an Verwandte der aufsteigenden Linie im Beamtenversorgungsrecht 135 Unterhaltsberechtigung - als Kriterium der Zuordnung der Angehörigen - - zu Entschädigungssystemen 254, 305 - - zu Vorsorgesystemen 249 ff., 304f. - i. S. des § 205 RVO 163 f., 171, 314, 317 Unterhaltsbeziehungen - (vorausgesetzte) Dauer der - 184 f. - zwischen Ehegatten 22 ff., 111 ff., 261, 283, 371 ff., 381 f. - zwischen früheren Ehegatten 31 ff., 172, 223, 393, 413 f. - zwischen getrennt lebenden Ehegatten 30 - zwischen Eltern und Kindern 24 ff., 27 ff., 113 ff., 283, 381 f. - zwischen Eltern und nichtehelichen Kindern 29 f. - zwischen Enkeln und Großeltern 36,391 f. - gesetzliche - 168 ff. - zwischen Geschwistern 37, 223, 225 - außerhalb des Haushaltes 21 - hypothetische - 165 f., 173 f., 183 - zwischen Kind und Eltern 28, 91, 172 f., 390 ff. - sittlich gebotene - 165, 178 ff. - typisierte - 138,142,337 - tatsächliche - 10, 165 ff. - zwischen Verschwägerten 11, 37, 179,228 - vertragliche 177 f. - zwischen nicht zum Unterhalt verpflichteten Personen 10, 37 ff. Unterhaltsempfänger - Risiken der - 293 ff. - Status der - 16 Unterhaltsersatzfunktion - der Ausbildungsförderung 245 - der Grundrente an Hinterbliebene im Versorgungsrecht 141 f., 364 - der Hinterbliebenenrenten (allgemein) 6, 138 ff., 175 f., 212 ff., 299, 308, 313, 329, 333 ff., 366 ff., 372 f., 379 f., 394

der Hinterbliebenensicherung im Beamtenversorgungsrecht 179 f. - der Sozialhilfe 243 - der Waisenrenten 372 f. Unterhaltsersatzleistungen 161 ff., 179, 182, 187, 194 f., 243, 245, 249, 254 Unterhaltshilfe im Lastenausgleichsrecht 70, 77, 112, 115 Unterhaltsleistung - als außergewöhnliche Belastung 118 -- freiwillige - 37, 84, 99, 296 - Funktion von -en 293 ff. - der Hausfrau 19 f., 154 ff., 248, 278, 309 ff., 370 - Voraussetzung von Sozialleistungen 115, 152 ff. Unterhaltsmehrbedarf 119 ff., 294, 296 Unterhaltsnachzahlungen 166 Unterhaltsrecht - Anpassung an das Sozialhilferecht 198 ff., 214 ff., 244, 370 f., 390 ff. - Diskrepanz zwischen - und Arbeitslosenhilferecht 95 f., 324 - Diskrepanz zwischen - und Ausbildungsförderungsrecht 93, 322 ff., 376 - Normenkern des -s 281 ff. Unterhaltsrisiken 253, 271, 293 ff., 308, 319, 339 ff., 419, 431 f. Unterhaltssicherung 67, 71, 122, 125 Unterhaltstitel 89, 167, 175 Unterhaltsträger - Abhängigkeit vom - 297 - Risiken des -s 297 f. - Verteilungshoheit des -s 297 Unterhaltsurteil - Bindung der Sozialbehörden an 175 f. - als "sonstiger Grund" i. S. des § 1265 S. 1 RVO 175 Unterhaltsverband 10 ff., 17, 252, 256 ff., 266 ff., 283, 293, 297, 369 ff. Unterhaltsvergleich 178 Unterhaltsvermutung 86, 229 f., 243, 265,322 Unterhaltsverpflichtung - steuerliche Behandlung - infolge des Bezugs von Sozialleistungen 192 f. - aus dem Deliktsrecht herrührende -10,168 - gerichtliche - 89, 98 - gesetzliche - 168 ff. - gesteigerte - 23, 25, 87, 89, 91, 110, 230, 231, 257, 259, 393 - latente - 33, 184 - mittelbare - 37,195 - als Nachlaßverbindlichkeit 34, 211 ff. -

481

Register -

öffentlich-rechtliche - 86, 226 ff., 243 - sittliche - 165, 227, 229, 233 - Verletzung der - 91, 144, 172, 174, 309, 428, 449 - vertragliche - 10, 177 f. Unterhaltsvertrag 10, 34, 38, 172 f., 177 f., 265, 382 Unterhaltsverzicht 6, 102 ff., 173, 378, 382 ff. - Zulässigkeit des -s 24, 102 - und Familienabhängigkeit von Sozialleistungen 102 ff., 108, 382 ff. "Vaterschaft festgestellt" 176 Verdienerrolle 3, 16 ff., 294, 297 f., 366 ff. Verdienstausfallentschädigung 71,112, 115 Verfassungen der Bundesländer 280 f. Verfolgtenversorgung 40, 56, 71, 121, 260 Verletztengeld 72, 112, 115, 117 Verlobte 117, 136, 260, 266 Vermögensverschonungen - in der Ausbildungsförderung 94 - in der Sozialhilfe 83, 215 - - Reflexwirkungen auf das Unterhaltsrecht 198 ff. Verschollenheit 56, 125, 208 Verschuldensprinzip 14 Verschwägerte 11, 37, 117, 179, 226, 227, 228, 258, 266 Versorgung 39,40 Versorgungsausgleich 409, 417 Versorgungsehe 126 ff., 182 f. Versorgungseinrichtungen der freien Berufe 52 Versorgungsnachteile - der verheirateten Frauen 76, 294, 346, 351, 368, 425, 431 f., 442, 449 ff. - Unterhaltsanspruch zum Ausgleich von -n 219, 411 ff. "verständiger Grund" (§ 44 Abs. 5 S. 2 BVG) 104,382,385 Vertriebene 67, 91, 205, 291 f. Verwandte 10, 117, 266, 296 Verweisung auf den Unterhaltsanspruch 84, 85, 243 Verzicht auf Sozialleistungen 196 Vorsorgesysteme 42, 52 ff., 55, 61, 248 ff., 258 ff., 266, 286, 303 ff., 308 ff., 356 f. Vollwaise 134 Waisen - Ausgleichsrente für 68, 133

nach BVG

Grundrente an - nach BVG 68. 133 - Leistungen an - 133 ff., 138, 371 ff., 381 f. Waisenbeihilfe 68, 134 Waisengeld 66, 133 Waisenrente 58, 133, 211 ff., 372 - verlängerte - 373 Wartezeit 56 Wegfall - der Leistungen an Hinterbliebene 99, 332, 378 ff. - des Unterhalts 24, 330, 379 Wehrdienst 125 "wenn eine Witwenrente nicht zu gewähren ist" (§ 1265 S. 2 RVO) 131 332 ff. ' Wiederaufleben - der Hinterbliebenenleistungen - - Abhängigkeit vom Schuldausspruch 7, 128, 330 f., 384, 400, 418 - - der Bräuteversorgung 136 - - Familienabhängigkeit 99 f., 106, 128, 197, 249, 254 - - bei Geschiedenen-Hinterbliebenenleistungen 132 - - und Geschiedenen-Hinterblie~:~enrente aus der 2. Ehe 128, -

und 3. Ehe des Berechtigten 129,330 - - Voraussetzungen 128 - - und Unterhaltsverzicht 104, 382 ff. - des Unterhalts 34, 36 Wiederheirat 15, 34, 127, 130, 131, 136, 330 f., 378, 428 ff. Witwen 15, 261 f., 359, 369, 395 f. - Leistungen an - 58, 66, 68, 75, 77, 125 ff., 138, 183, 358, 369 Witwenbeihilfen 60, 102,127,129 Witwengeld 66, 126 Witwenrente 76, 125, 334 f., 338 ff., 353, 381 Witwer 41, 129 ff., 262, 329 ff., 337, 395 Witwergeld 41, 66, 130, 140, 360 Witwerrente 5, 42, 62, 129, 138, 155, 159, 160, 162, 163, 165, 182, 183, 262, 309 ff., 315 f., 329, 357 ff., 421 f. Wohngeld 46, 50, 78, 109, 114, 117, 189, 246, 258 Wohnverhältnisse 12 -

-

"Zählkinder" 192, 247 Zerrüttungsprinzip 14 Zugewinnausgleich 32, 367, 381, 395, 407

482

Register

"Zugewinn-Rente" 403 - s. Rentensplitting "ZUm Unterhalt'nicht unerheblich beitragen" 157 f. Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit 31,32,172,338,353 Zurechnungszeit 57, 61, 328, 353 Zusammenspiel von Unterhalt und Sozialleistungen 221, 235 ff. Zusammenveranlagung von Ehegat', ten - mit Splitting 51, 78, 112 f., 116, 181,

258, 262, 318, 320, 347 f., 351 ff., 355, 437,442,443,445 ff., 449, 452 f. - ohne Splitting 347, 438 Zusatzversorgungen 53, 430 Zweckbestimmung von Sozialleistungen 188, 208, 244, 246 f. - mittelbare 190 ff. - unmittelbare 187 H. Zweitehe - sozialrechtliche Behandlung 131, 137, 332 f., 334 ff., 427, 428 - unterhaltsrechtlicher Vorrang 31