Die Sicherungsverwahrung im englischen und deutschen Strafrecht: Ein Beitrag zur Behandlung und Bestrafung der Rezidivisten [1 ed.] 9783428419050, 9783428019052


125 91 22MB

German Pages 222 Year 1967

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Die Sicherungsverwahrung im englischen und deutschen Strafrecht: Ein Beitrag zur Behandlung und Bestrafung der Rezidivisten [1 ed.]
 9783428419050, 9783428019052

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

WERNER GEISLER

Die Sicherungsverwahrung im englischen und deutschen Strafrecht

KRIMINOLOGISCHE FORSCHUNGEN Herausgegeben von Professor Dr. Hellmuth Mayer

Band 5

Die Sicherungsverwahrung im englischen und deutschen Strafrecht Ein Beitrag zur Behandlung und Bestrafung der Rezidivisten

Von

Dr. jur. Werner Geisler

DUN C K ER & H UM B L 0 T I BE R LI N

Alle Rechte vorbehalten

© 1967 Duncker & Humblot, Berlin

Gedruckt 1967 bei F. Zimmermann & Co. , Berl!n 30 Prlnted ln Germa ny

Meinen Eltern

Vorwort Die folgende Arbeit hat im Jahre 1965/66 der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel als Dissertation vorgelegen. Spätere Veröffentlichungen sind für die Drucklegung eingearbeitet worden, soweit dies erforderlich erschien. Während der Drucklegung der Arbeit ist mit Inkrafttreten des Criminal Justice Act (1967) am 1. Oktober 1967 die preventive detention in England und Wales abgeschafft und durch die im Text schon berücksichtigte Möglichkeit der Strafschärfung bei bestimmten Rezidivisten ersetzt worden. Für den Inhalt der Arbeit trägt der Verfasser allein die Verantwortung. Herrn Professor emeritus Dr. jur. et rer. pol. Hellmuth Mayer danke ich für die Überlassung des Themas, die Aufnahme der Arbeit in die "Kriminologischen Forschungen" und zusammen mit Dr. Nigel Walker, M. A. (Oxon), Reader an der Universität Oxford, für die Anregungen und die stete Förderung meiner Arbeit. Gleichfalls ist hier des verstorbenen Professor emeritus Dr. jur. Max Grünhut, O.B.E., M. A. (Oxon) zu gedenken, der die Vorarbeiten in England mit Anregung und Kritik gefördert hat. Nur auf Grund der bereitwilligen Unterstützung der früheren Prison Commission für England und Wales, der hamburgischen und bayerischen Gefängnisverwaltungen und der nachstehenden Persönlichkeiten konnte das Material für diese Arbeit zusammengetragen werden: Prof. A. R. N. Cross, D.C.L., Dr. jur. J. Engelhardt, R. D. Fairn, B.Sc., Giegerich, Prof. Dr. jur. J. Hellmer, Hörnemann, W. A. Holman, A. Packharn, Riehl, Dr. jur. Sinke, A. Straker, R. S. Taylor, M.A., A.B.Ps.S., Dr. jur. Wagner, D. J . West, M.A., M.D., D.P.M., Dr. jur. Wilfert. Ihnen zu danken ist mir ein besonderes Anliegen. Dem Evangelischen Studienwerk e. V. danke ich für ein Promotionsstipendium und der Stiftung Volkswagenwerk für einen Zuschuß zu den Druckkosten. W erner GeisZer

Inhaltsverzeichnis Einleitung I. Die Aufgaben der Untersuchung

15 15

1. Die Untersuchung der Behandlung der als "gefährliche Gewohn-

heitsverbrecher" geltenden Rezidivisten im englischen und deutschen Strafrecht . . . . . . . . . .

15

2. Die Untersuchung der als "gefährliche Gewohnheitsverbrecher" verurteilten Rezidivisten . . . . . . . . . . . . .

17

3. Die Untersuchungen der praktischen Durchführung und der Ergebnisse des gegenwärtigen Vollzugs der Verwahrung .

18

II. Das Material .

18

1. Die deutschen Untersuchungen über die Sicherungsverwahrten .

18

2. Die englischen Untersuchungen über die Sicherungsverwahrten und Rezidivisten

21

3. Die Anstaltsbesuche

23

III. Die Problematik

24

1. Die Straftheorien

24

2. Die Straftheorien und der Rezidivist .

26

Erster Teil Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten im deutschen und englischen Strafrecht I. Die historische Entwicklung bis zur Einführung des geltenden Rechts 1. Die Entwicklung in Deutschland

29 29 29

a) Die Entwicklung bis zum Beginn des Schulenstreites . b) Die Entwürfe zur Strafrechtsreform bis zur Einführung des Gewohnheitsverbrechergesetzes . . . . .

31

2. Die Entwicklung in England bis zu den Reformarbeiten am Prevention of Crime Act, 1908 . . .

33

II. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte 1. Das geltende deutsche Recht und seine gerichtliche Auslegung

29

43 43

Inhaltsverzeichnis

10

a) Die §§ 20 a, 42 e ff. des Deutschen Strafgesetzbuches . b) Die Rechtsprechung zu §§ 20 a, 42 e StGB . . . . . a) Historisches . . . . . . . . . .

ß> Die objektiven Voraussetzungen . . y)

Die Merkmale des "gefährlichen Gewohnheitsverbrechers" und die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Interesse der öffentlichen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . (1) (2) (3) (4)

Die zur Aburteilung stehende Tat Frühere Taten und Strafen . . Das Verhalten in der Freiheit. Der Schutz der Allgemeinheit.

c) Die neue Rechtsentwicklung . . . . 2. Der Criminal Justice Act (1948) und seine Anwendung durch die Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die legislative Neuregelung der preventive detention b) Die Verurteilungspolitik insbesondere des Court of Criminal Appeal . . . . . . . . . a) Das Alter der Verurteilten . . . ß> Die Höhe des Urteils . . . . . y) Die zur Aburteilung stehende Tat o) Frühere Taten und Strafen . e) Das Verhalten in Freiheit Cl Der Schutz der Allgemeinheit

43

47 47 48 51

54 54 57 57 60

63 63 69

70 72 72

73 75 76

c) Die Reformvorschläge des Beratenden Ausschusses für die Behandlung Straffälliger . . . . . . . . . . . . . . . .

78

III. Abschließende Bemerkung zu den englischen und deutschen Lösungsversuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

Zweiter Teil

Die Verwahrten

85

. .

86

1. Die Kriminalität der Verwahrten .

86

I. Die Verwahrten in Deutschland.

a) Die Straftat, die zur Sicherungsverwahrung führte b) Das Alter der Verwahrten c) Die Vorbestraftheit a) Straftaten . . . . . . ß> Vorstrafen d) Der Beginn der Kriminalität . e) Die straffreien Perioden . .

86 88

88

89 93 94 96

Inhaltsverzeichnis

11

2. Die soziale Persönlichkeit der Verwahrten

97

a) Die physischen und geistigen Merkmale

97

a) Physische Merkmale . . . . . . . Geistig-seelische Merkmale . . . .

97 99

ß>

b) Der soziale Hintergrund und die Lebensverhältnisse a) Entwicklungsbedingungen ß> Existenzbedingungen

106 106 110

li. Die Verwahrten in England .

116

1. Die Kriminalität der Verwahrten

119

a) Die Straftat, die zur Sicherungsverwahrung führte b) Das Alter der Verwahrten . c) Die Vorbestraftheit a) Straftaten Vorstrafen

119 121 122 122 124

ß>

d) Der Beginn der Kriminalität. e) Die straffreien Perioden . .

125 126

2. Die soziale Persönlichkeit der Verwahrten

127

a) Die physischen und geistigen Merkmale

127

a) Physische Merkmale . . . . . . . ß> Geistig-seelische Merkmale . . . .

127 128

b) Der soziale Hintergrund und die Lebensverhältnisse a) Entwicklungsbedingungen ß> Existenzbedingungen .

131 131 133

III. Vergleichende Betrachtung der Verwahrten in England und in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 IV. Die allgemeine Rückfallwahrscheinlichkeit der Rezidivisten .

142

Dritter Teil

Der Vollzug der Verwahrung I. Der Vollzug der Verwahrung in Deutschland

. .

1. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung in Harnburg . 2. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung in Straubing 3. Die Entlassung . . . . . . . . . . . . .

II. Der Vollzug der Preventive Detention in England .

147 149 151 161 167 170

12

Inhaltsverzeichnis 1. Die erste Stufe .

2. 3. 4. 5. 6.

Die zweite Stufe Die Entlassung . Der Preventive Detention Advisory Board Die dritte Stufe und die Entlassungsvorbereitung . Die Kontrolle und Unterstützung nach der Entlassung .

III. Vergleichende Betrachtung der Vollzugspraxis in England und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . .

171 174 179 180 182 185 186

Schlußfolgerungen und Vorschläge

190

Anhang A

203

Anhang B

205

Anhang C

211

Literaturverzeichnis .

217

Abkürzungsverzeichnis All.E.R. ALR Arch.Krim. BayOblGSt. BGH BGHSt. CACA CCA Crim.App.R. Crim.L.R. DJ DR DRiZ DRZ DVollzO GA GG Handw.Krim. HRR JGG JR JW KRG L.C.J. LM MDR Moschr.Krim. NJW OLG RGBl. RGSt. RJM SJZ StGB Z.f.Strafvollz. ZStW

All England Reports

= Preußisches Allgemeines Landrecht = Archiv für Kriminologie

Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen = Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Central After-Care Association: Organisation der Entlassenenfürsorge Court of Criminal Appeal Criminal Appeal Reports Criminal Law Review Deutsche Justiz Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung = Deutsche Rechts-Zeitschrift Dienst- und Vollzugsordnung vom 1. 12. 1961 i. d. F. v. 1. 1. 1966 Archiv für Strafrecht, begründet von Goltdammer Banner Grundgesetz Handwörterbuch der Kriminologie, 2 Bände, Berlin 1933 und 1936 Höchstrichterliche Rechtsprechung Jugendgerichtsgesetz Juristische Rundschau Juristische Wochenschrift Kontrollratsgesetz Lord Chief Justice Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs = Monatsschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Neue Juristische Wochenschrift Oberlandesgericht Reichsgesetzblatt = Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Reichsjustizministerium = Süddeutsche Juristenzeitung Strafgesetzbuch Zeitschrift für Strafvollzug Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einleitung I. Die Aufgaben der Untersuchung 1. Die Untersucllung der Behandlung der als ,.gefährliche Gewohnheitsverbrecher" geltenden Rezidivisten im englischen und deutschen Strafrecht

Bevor die Aufgaben der vorliegenden Arbeit kurz dargelegt werden können, müssen der Gegenstand der Untersuchung fest umschrieben und einige grundlegende Begriffe definiert werden. Gegenstand ist nicht oder nicht an erster Stelle die Sicherungsverwahrung (preventive detention) als solche, sondern die Gruppe von Menschen, gegen die auf Grund ihrer wiederholten Straftaten nach dem geltenden Recht in beiden Ländern die Sicherungsverwahrung angeordnet wird. Alle Personen, die einmal rechtskräftig zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind, werden als Sicherungsverwahrte (Verwahrte) oder preventive detainees (detainees) bezeichnet.

Straftat oder Delikt sind Handlungen, die nach dem jeweils geltenden Recht strafbar sind. Straftäter ist eine Person, die eine Straftat begangen hat. Sobald der Täter rechtskräftig schuldig gesprochen ist, handelt es sich um einen Verurteilten. Die Begriffe Verbrechen, Vergehen und Übertretung werden wie in § 1 StGB verwendet, dabei werden die petty offences des englischen Strafrechts den Übertretungen gleichgestellt'. Für den wiederholt rückfälligen Straftäter erscheint im Schrifttum eine Vielzahl von Bezeichnungen, die teilweise in die Gesetzgebung und Rechtsprechung Eingang gefunden haben. Sie werden als Gewohnheitsverbrecher, habitual criminals3 , Hangtäter4, Berufsverbrecher5 , Zustandsverbrecher6 etc. bezeichnet. Alle diese Bezeichnungen sind Ver1 Die Gleichstellung kann hier wegen des geringen kriminellen Gehalt:;: dieser Taten erfolgen, obwohl gewisse sachliche Unterschiede vorliegen. 2 § 20a StGB. 3 Part II, s. 10 des Prevention of Crime Act, 1908 (8 Edw. 7., Ch. 59). 4 E 1962 § 85 und Begründung, S. 214; so auch schon das RG in laufender Rspr. 5 Für viele Seelig, E.,!BeUavic, H., Kriminologie, 3. Aufl., Darmstadt 1963, s. 69ff. 6 Exner, F., Kriminologie, Berlin-Göttingen-Heidelberg, 1949, S. 203 ff. (206/207).

16

Einleitung

suche inhaltlicher Definition und beruhen auf speziellen theoretischen Ansichten, die bisher nicht bewiesen sind. Vorerst ist nur bekannt, daß gewisse Straftäter ständig rückfällig werden7 • Daher sollen derartige Bezeichnungen nur dort gebraucht werden, wo sie in Gesetz oder Rechtsprechung verwendet werden8 • Z. B. sind Gewohnheitsverbrecher danach nur Täter, die nach § 20 a StGB rechtskräftig verurteilt worden sind. Im Anschluß an H. Mayeri bezeichnet das Wort Rezidivist den rückfälligen Täter10• Im Gesetz ist nicht einheitlich geregelt, was man unter Rückfall zu verstehen hat, auch geht es hierbei nicht um eine Bindung an formale juristische Tatbestände. Unter Rückfall wird hier die Begehung wenigstens dreier selbständiger Straftaten verstanden, unabhängig davon, ob sie gleichartig waren oder nicht. Dabei wollen wir geringfügige Straftaten, wie Landstreicherei und Bettel, ausschließen. Ihre besondere kriminologische Natur führt dazu, daß sie weder im deutschen noch im englischen Recht Anlaß zur Sicherungsverwahrung geben. Ein Rezidivist ist daher ein Straftäter, der wenigstens dreimal nicht ganz unerhebliche Straftaten begangen hat11 • Wie ist nun das Verhältnis zwischen Rezidivist und Sicherungsverwahrtem? Der Rezidivist stellt einen Generaltypus (einen Sozial- oder Betätigungstypus)12 dar, der sich nach der hier verwandten Beschreibung allein an der Zahl der begangenen, nicht ganz unerheblichen Straftaten orientiert. Sicherungsverwahrte bilden nur eine kleine Gruppe der Rezidivisten, die sich nach einer zweifachen Auswahl ergibt. Erstens hat der Gesetzgeber strengere objektive Maßstäbe festgelegt, die erfüllt sein müssen, bevor die Verwahrung angeordnet werden kann13• Alle Rezidivisten, die die objektiven Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erfüllen, werden Verurteilbare (liables) genannt. 7 Dazu ausführlich Mayer, H., Typologie der Gewohnheitsverbrecher oder Rezidivisten, in: Kriminalpolitische Gegenwartsfragen, Stuttgart 1962, S. 135 ff. 8 Section 21 des Criminal Justice Act, 1948, (11 & 12 Geo. 6., c. 58), verwendet bezeichnenderweise keinen solchen Begriff, sondern zählt eine Reihe qualifizierender objektiver Merkmale auf. e Typologie der Gewohnheitsverbrecher, insbes. S. 138. 10 Auch die Bezeichnungen Rezidivist und Rezidivismus werden in einigen Rechtssystemen als Fachausdrücke gebraucht. 11 Morris, N., The Habitual Criminal, London 1951, S. 3f. (4), verwendet eine engere Beschreibung des Rezidivisten, wenn er ihn charakterisiert "as one who having previously served a term of penal servitude, imprisonment, or Borstal training, is sentenced to a term of penal servitude or imprisonment". Eine so enge Umschreibung ist hier nicht möglich, da § 20a II StGB keine Vorstrafen voraussetzt und danach Verurteilte nicht ausgeschlossen werden dürfen. 12 Siehe Mayer, H., Typologie der Gewohnheitsverbrecher, S. 138. 13 Dazu unten 1. Teil II 1 a.

I. Die Aufgaben der Untersuchung

17

Trotz dieser Auswahl kann die Gruppe der Verurteilbaren als hinreichend repräsentativ für die Gruppe der in Deutschland über 18jährigen, in England über 30jährigen Rezidivisten angesehen werden, bezüglich der die Gesellschaft besondere verwahrende Maßnahmen zu erwägen berechtigt sein mag. Zweitens werden Sicherungsverwahrte aus der Gruppe der Verurteilbaren durch das Urteil des Gerichts bestimmt. Ihre Auswahl ist durch all die Faktoren beeinflußt, die ein Gericht veranlassen, die Sicherungsverwahrung anzuordnen oder davon abzusehen oder, in England, zwischen verschiedenen möglichen Strafen und der preventive detention zu wählen14• Aus diesen Gründen sind Verwahrte nicht notwendigerweise für alle Rezidivisten repräsentativ. Die erste Aufgabe der Untersuchung ist die Darstellung der Mittel, über die das englische und deutsche Strafrecht verfügt, um die Gesellschaft vor denjenigen erwachsenen Rezidivisten zu schützen, die als unerziehbar und für die Allgemeinheit gefährlich gelten. Die Entstehung, der Inhalt und die gerichtliche Auslegung des geltenden Rechts sollen als Beispiele praktischer Lösungsversuche des Rezidivistenproblems dienen. 2. Die Untersuchung der als "gefährliche Gewohnheitsverbrecher"

verurteilten Rezidivisten

Die zweite Aufgabe der Arbeit besteht in der Untersuchung der Rezidivisten, die tatsächlich in die Sicherungsverwahrung verbracht worden sind. Es soll festgestellt werden, in welchem Umfang die durch die Verwahrung erfaßten Täter die Allgemeinheit gefährdeten, vor welchen Rezidivisten die Allgemeinheit geschützt worden ist. Gleichzeitig wird das empirische Material erarbeitet, auf Grund dessen die beiden hier zu untersuchenden Regelungen beurteilt und mögliche Reformvorschläge diskutiert werden können. Die Zahl der weiblichen Sicherungsverwahrten ist in beiden Ländern niemals sehr groß gewesen15 • Die Problematik dieser Gruppe unterscheidet sich von der der männlichen Verwahrten möglicherweise so erheblich, daß eine undifferenzierte Einbeziehung in diese Untersuchung nicht zweckmäßig ist. Die weiblichen Verwahrten wurden daher aus den empirischen Untersuchungen und bei der Darstellung des Vollzugs völlig ausgeschlossen. 14 1956 wurden in England 1/s der Verurteilbaren zu preventive detention verurteilt. 15 Die Zahl der Frauen, gegen die die Sicherungsverwahrung seit ihrer Einführung angeordnet wurde, ergibt sich z. T. aus den Statistiken in Anhang

Bl-3.

2 Geister

18

Einleitung 3. Die Untersuchungen der praktischen Durchführung und der Ergebnisse des gegenwärtigen Vollzugs der Verwahrung

Schließlich ist die praktische Durchführung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung zu untersuchen und nach ihren Ergebnissen zu fragen. Dafür ist eine eindeutige Konzeption erforderlich. Die Sicherungsverwahrung ist unter Gesichtspunkten kriminalpolitischer Zweckmäßigkeit eingeführt worden. Ihre Durchführung und ihre Ergebnisse sind folglich nach rationalen Gesichtspunkten zu beurteilen. Der Vollzug wird nur für die Zeit nach 1945 in Deutschland16 und nach 1949 in England17 behandelt.

II. Das Material 1. Die deutschen Untersuchungen über die Sicherungsverwahrten

Empirische Untersuchungen an Gruppen von Sicherungsverwahrten sind in Deutschland mehrfach mit dem Ziel durchgeführt worden, herauszufinden, ob es Merkmale außerhalb des wiederholten Verstoßes gegen die Strafgesetze gibt, die diese oder wenigstens erhebliche Gruppen von ihnen kennzeichnen. Daher genügt es, das vorliegende neue Material für eine Gesamtdarstellung zu verwerten. J. Hellmer1 hat an Hand von 250 Akten2 über Sicherungsverwahrte aus den Vollzugsanstalten Werl, Straubing, Rendsburg und Harnburg ein möglichst repräsentatives Bild der Sicherungsverwahrten erarbeitet, über die von der Einführung dieser Maßregel im Jahre 1934 bis zum Kriegsende die Sicherungsverwahrung verhängt worden ist3 • Die Arbeit beruht grundsätzlich auf der biographischen Methode, nimmt aber, wo das zweckmäßig erscheint, auch statistische Mittel zur Hilfe. 1s Für den Vollzug zwischen 1934-1945 siehe Hellmer, J., Die Gewohnheitsverbrecher und die Sicherungsverwahrung 1934-1945, S. 339ff. und dort zitierte Literatur. n Der englische Vollzug vor 1949 stand unter anderen rechtlichen Voraussetzungen. Außerdem war seit 1925-1930 die Zahl der Verwahrten so gering, daß völlig gesonderte Vollzugsvorkehrungen nicht mehr möglich waren. Siehe dafür Foltin, E., Die chronisch erhöht Gefährdeten, Wien, 1927, S. 39ff.; Morris, N., S. 70ff. 1 Der Gewohnheitsverbrecher und die Sicherungsverwahrung 1934-1945. 2 Zur Abrundung und Erklärung einiger Gesichtspunkte hat Hellmer noch 20 Akten von Rezidivisten herangezogen, die erst nach 1945 zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind. a Bei der Auswahl der Akten ist darauf geachtet worden, daß die Zahl der Verwahrten aus den einzelnen Ländern etwa im Verhältnis zu deren Bevölkerung stand und daß die Zahl der Verurteilten etwa im Verhältnis zu der Zahl der in jedem einzelnen Jahr insgesamt so Verurteilten stand.

II. Das Material

19

Hellmer untersuchte sowohl die Kriminalität der Verwahrten, als auch die sozialen, biologischen und psychologischen Verhältnisse. Während die Kriminalität der Verwahrten an Hand der Akten sehr genau nachgezeichnet werden konnte, weist die Darstellung ihrer Persönlichkeitsmerkmaleund sozialen Verhältnisse Lücken auf, denen eine Arbeit, die allein auf der Auswertung von Akten verschiedener Anstalten, nicht aber auf unmittelbarem Kontakt mit den Verwahrten und einheitlichen medizinischen, psychiatrischen und psychologischen Untersuchungen, beruht, notwendig ausgesetzt sein muß4• Diese Grenzen der diesbezüglichen Feststellungen Hellmers müssen beachtet werden. Hellmers Untersuchung ist die repräsentativste und umfassendste über die Verwahrten zwischen 1934 und 19455 • Sie soll in dieser Arbeit allein für diese Periode stehen. Engelhardt6 hat eine Gruppe von 239 Verwahrten untersucht. Als Ausgangsmaterial dienten alle Akten von Rezidivisten, die sich zwischen Kriegsende und dem 31. 12. 1960 in niedersächsischen Vollzugsanstalten in Sicherungsverwahrung befunden haben, noch befanden oder die bereits angeordnete Verwahrung "in nächster Zeit" antreten sollten. Jedoch waren von 315 in diesem Zeitraum verwahrten Personen (einige wurden mehrfach auf Grund verschiedener Urteile verwahrt) nur in 239 Fällen (75,9 Ofo) die Anstaltspersonalakten zugänglich. Bei den fehlenden 76 Akten handelte es sich größtenteils um die der kurz nach dem Krieg entlassenen Verwahrten. Das Material ist geeignet, einen Eindruck von den nach dem Krieg in Niedersachsen verwahrten Rezidivisten zu vermitteln. Die Arbeit ist hauptsächlich den Schwierigkeiten der Prognose bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung und bei der Entlassung aus der Verwahrung gewidmet, sie enthält aber auch ein Kapitel, das sich weitgehend auf statistischer Basis mit der Kriminalität, den biologischen, sozialen und psychologischen Verhältnissen der 239 Verwahrten befaßt. Dieser Teil der Arbeit wird in Ausschnitten verwertet. Die Angaben zu den biologischen, sozialen und psychologischen Fragen sind in vielen Punkten so allgemein gefaßt, daß sie für den Vergleich mit den Ergebnissen anderer Arbeiten nicht geeignet sind. 4 Hinsichtlich der sozialen Verhältnisse sind die Akten meist nicht ausführlich genug und bei den genannten Untersuchungen fehlt es am einheitlichen Maßstab. 5 Daneben gibt es aus den 30er Jahren noch die Arbeiten von Lotz, L., Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher, Kriminalistische Abhandlungen, Heft 41, 1939, Leipzig und Möller, H., Die Entwicklung der Lebensverhältnisse von 135 Gewohnheitsverbrechern, Kriminalistische Abhandlungen, Heft 38, 1939, Leipzig. 6 Engelhardt, J., Die Erfahrungen mit der Durchführung der§§ 20a, 42eff. StGB im Bereich des OLG Celle ..., Diss. Kiel 1963.

2*

20

Einleitung

Schacherts ArbeW ist eine Untersuchung von 140 Personalakten Sicherungsverwahrter, die nach 1945 in Niedersachsen verwahrt und bis 1959 wieder entlassen worden sind. Sie umfaßt nur einen Teil des Materials, das auch der Arbeit von Engelhardt zugrundelag und braucht daher nicht gesondert berücksichtigt zu werden. Lemberger8 hat sich auf Grund der Akten von 156 Rezidivisten, gegen die im Bereich des Oberlandesgerichts München in der Zeit vom 1. Januar 1946 bis zum 31. Dezember 1959 die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist9, mit der Kriminalität und der Persönlichkeit dieser Verwahrten beschäftigt. Auch diese Arbeit ist eine reine Aktenstudie. Immerhin bieten die Feststellungen zur Persönlichkeit der Verwahrten hier den Vorteil, daß alle Verwahrten in der Vollzugsanstalt Straubing untergebracht worden waren und somit wahrscheinlich einheitlicher beurteilt worden sind. Lernherger hat insbesondere die Kriminalität der Verwahrten ausführlich dargestellt. Daneben hat er die Persönlichkeit der Verwahrten fast ausschließlich unter soziologischen, aber kaum medizinischen und psychologischen Aspekten gesehen. Von den drei für unseren Zweck verwendbaren Arbeiten ist die von Hellmer die umfassendste, sowohl in der Darstellung der Probleme der Sicherungsverwahrten als in der des empirischen Materials. Sie dient daher als Grundlage der Beschreibung der Verwahrten in Deutschland. Engelhardts und Lernhergers Untersuchungen runden Hellmers Feststellungen ab und erhärten sie. Wo diese aber infolge der heute restriktiven Anwendung der Maßregel gegenüber der extensiven während der nationalsozialistischen Herrschaft für die Nachkriegssituation nicht mehr repräsentativ sind, geben sie das heutige Bild10• Da es sich in allen drei Arbeiten ausschließlich um Sicherungsverwahrte handelt, können wir über die Rezidivisten überhaupt nur mit größter Vorsicht etwas aussagen. 7 Schachert, D. G., Kriminologische Untersuchungen an entlassenen Sicherungsverwahrten, Diss. Göttingen, 1963. 8 Lemberger, F ., Die kriminologische Wirklichkeit des Begriffs des gefährlichen Gewohnheitsverbrechers, Diss. Kiel, 1962. 9 Insgesamt wurde in diesem Zeitraum in 164 Fällen die Sicherungsverwahrung angeordnet. 8 Fälle schieden aus, weil die erforderlichen Akten nicht greifbar waren. 19 Es muß besonders darauf hingewiesen werden, daß nicht nur die Zahl der Anordnungen der Sicherungsverwahrung nach 1945 erheblich zurückgegangen ist, sondern daneben anders als in der Zeit 1934-1945 (HeHmer, Gewohnheitsverbrecher, S. 329) nach 1945 auch nicht alle nach § 20a StGB als gefährliche Gewohnheitsverbrecher Verurteilten zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind. 1960 400 nach § 20 a StGB und 199 nach § 42 e StGB.

II. Das Material

21

2. Die englischen Untersuchungen über die Sicherungsverwahrten und Rezidivisten

Auch in England konnte ich selbst keine hinreichend repräsentative Gruppe von preventive detainees untersuchen, sondern nur das schon vorliegende Material sichten. Innerhalb der letzten 15 Jahre sind auf diesem Gebiet drei Arbeiten erschienen, eine vierte ist leider nur auszugsweise veröffentlicht. Alle Arbeiten haben eine gemeinsame Begrenzung; bei den untersuchten Gruppen von Rezidivisten und/oder preventive detainees handelte es sich um Gefangene, die das 30. Lebensjahr überschritten hatten. N. Morris11 hat 1947/48 in seiner Arbeit zwei Gruppen von Gefangenen berücksichtigt: 1. "32 preventive detainees, also alle diejenigen männlichen Gefangenen, die

als ,habituelle Kriminelle' verurteilt worden waren und sich während der mit dem 16. Oktober 1948 endenden Woche tatsächlich in Verwahrung befanden."

2. "270 männliche Zuchthausgefangene12, die bei ihrer Aufnahme zwischen dem 1. Juli 1946 und dem 30. September 1948 in das Wandsworth Gefängnis über 30 Jahre alt waren, und die seit Vollendung des 17. Lebensjahres sechs oder mehrmals wegen ,indictable offences' (Vergehen oder Verbrechen), die mit wenigstens zwei Jahren Gefängnis bestraft werden können, verurteilt worden sind und die wenigstens viermal anläßlich einer solchen Verurteilung zu Borstal detention oder Freiheitsstrafe verurteilt worden sind13." Diese Gruppe wird mit "confirmed recidivists" bezeichnet. Die Gruppe der detainees war sehr klein, da sich zu jener Zeit nur wenige Rezidivisten in England und Wales in Verwahrung befanden. Die Untersuchungsergebnisse können daher vom Zufall abhängen. Die gesetzlichen Anforderungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung sind geringer als Morris sie für seine Einstellung in die Gruppe der "confirmed recidivists" voraussetzt1 4 • Bedeuten diese Tatsachen für sich allein betrachtet schon einen Nachteil, so liegt das Hauptargument gegen die Verwendung dieser Untersuchung für unsere Arbeit in der Tatsache, daß sie für die heutigen Rezidivisten nicht so repräsentativ wie spätere Untersuchungen sein kann und für pretentive detainees, die unter dem Gesetz von 1948 verurteilt worden sind, keinen Aussagewert haben. The Habitual Criminal. Convicts, d. h. Gefangene, die eine drei oder mehrjähr. Zuchthausstrafe (penal servitude) verbüßten. Penal servitude wurde durch den Criminal Justice Act, 1948 (11 & 12 Geo. 6. C. 58 s. 1) abgeschafft. u Morris, N., S. 265 f. 14 Siehe dazu S. 44f. und 67. 11

12

22

Einleitung

Die drei folgenden Untersuchungen beziehen sich auf Gefangene, die sich um das Jahr 1956 in Vollzugsanstalten befanden. Der Bericht der Wissenschaftlichen Abteilung des Innenministeriums15, der von 1384 Fällen ausgeht. Er umfaßt alle Straftäter, die im Jahre 1956 nach Section 21 (2) des Criminal Justice Act von 1948 die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Verwahrung erfüllten. Nur in 178 Fällen wurde die Verwahrung tatsächlich angeordnet. Der Bericht behandelt hauptsächlich zwei Fragen: 1. den Vergleich der preventive detainees mit denjenigen, die zur Verwah-

rung verurteilt werden konnten, aber anderweitig verurteilt wurden, 2. die sozialen und psychologischen Verhältnisse der preventive detainees.

Im ersten Teil enthält der Bericht die besten zur Zeit verfügbaren Erhebungen über aktenkundige Tatsachen, d. h. Verurteilungen und Bestrafungen etc., weil es sich um eine große Gruppe von Fällen handelt und alle überhaupt verfügbaren Akten herangezogen worden sind16. Gleiches trifft aber nicht für die soziologischen und psychologischen Erhebungen zu, die besonders in zwei Punkten nicht zuverlässig erscheinen: Einmal waren die Unterlagen über die elterliche Familie und die Kindheit der Rezidivisten sehr unbefriedigend. Zum anderen haben nicht durchgängig dieselben Personen die psychologischen und psychiatrischen Untersuchungen durchgeführt, so daß dafür keine einheitlichen Kriterien verwandt wurden. Sie sind folglich für unsere Arbeit nur mit Vorbehalt verwendbar17. Die Erhebung, die D. J. West durchgeführt hat, ist besonders mit Rücksicht auf den soeben berührten Punkt am zuverlässigsten, da West in ihr neben den aktenmäßig erfaßten Tatsachen einheitlich durchgeführte psychologische Tests und Interviews zur Aufhellung der sozialen und psychologischen Situation der Untersuchten verwendet hat. Leider umfaßt sie nur eine Gruppe von 50 preventive detainees und 50 "intermittent" Rezidivisten18. Auch besteht kein Anlaß anzunehmen, daß die 50 15 Hammond, W. H. u. Chayen, F., Persistent Criminals, London 1963, in dieser Arbeit nur unter dem ersten Autor zitiert. ts Akten der Kriminalpolizei, der Sozial- und Fürsorgeeinrichtungen und der Strafvollzugsanstalten. 17 Diese Mängel ergaben sich aus der Zielsetzung der Untersuchung, die darin lag festzustellen, ob die Berichte und Beurteilungen, die dem Preventive Detention Advisory Board (s. dazu 3. Teil 11 4) vorgelegt wurden, dessen Entscheidungen beeinflußt hatten oder überhaupt haben konnten. 18 The Habitual Prisoner, London, 1963, S. 3: "intermittent" (aussetzende) Rezidivisten sind Rezidivisten mit Unterbrechungen in der Folge ihrer Verurteilungen. "Für diesen Zweck werden Unterbrechungen als mindestens vierjährige straffreie Perioden, die in Freiheit verbracht worden sind, definiert, denen wenigstens zwei strafgerichtliche Verurteilungen im Gericht für Erwachsene (nach Vollendung des 17. Lebensjahres) vorausgegangen und wenigstens zwei weitere Verurteilungen gefolgt sind."

II. Das Material

23

"intermittent" Rezidivisten für die Rezidivisten allgemein repräsentativ sind, da sie von West nach einem vorgegebenen speziellen Gesichtspunkt ausgewählt worden sind. Diese Arbeit dient als Grundlage der Ausführungen über die soziale Persönlichkeit der Verwahrten in England. Die vierte Quelle ist eine nicht veröffentlichte Erhebung von R. S. Taylor19 über die ersten 100 preventive detainees, die das Wandsworth Allocation Centre20 nach dessen Eröffnung im Jahre 1956 durchlaufen haben. Sie wird zur Abrundung der Feststellungen zur sozialen Persönlichkeit verwendet, da auch hier für die diesbezüglichen Untersuchungen einheitliche Maßstäbe zur Anwendung gekommen sind. Hinsichtlich der Verhältnisse im Elternhaus und der Umwelt der Verwahrten hat sich Taylor nur auf die Akten gestützt. 3. Die Anstaltsbesuche

Der dritte Teil der Untersuchungen ist dem Vollzug der Verwahrung gewidmet. Gerade auf diesem Gebiet fehlt es an eingehenden Darstellungen, die die praktische Durchführung des Vollzugs und seine rechtlich dogmatische wie kriminologische Bedeutung durchleuchten. Im Gegensatz zu den anglo-amerikanischen und skandinavischen Ländern steht die Pönologie in Deutschland nicht im Zentrum kriminologischer Untersuchungen auf empirischer Grundlage. Daher wird hier der Versuch unternommen, an Hand der Beobachtungen, die bei drei Studienaufenthalten in englischen und deutschen Vollzugsanstalten, in denen sich Sicherungsverwahrte befinden, gesammelt werden konnten, den derzeitigen Vollzug dieser Maßregel darzustellen und Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Mein erster Studienaufenthalt fand in der Zeit vom 9. bis 23. Dezember 1962 in Parkhurst (Isle of Wight) statt, wo ich größte Freizügigkeit und Unterstützung genoß. Ich wohnte außerhalb der Anstalt im Hause des Assistant Governors, der sich jederzeit zu Gesprächen und Auskünften bereit erklärte. Fast die ganze Zeit, in der dieGefangenen außerhalb ihrer Zellen waren (6.35 Uhr Aufschluß bis 20.30 Uhr Einschluß), verbrachte ich innerhalb der Anstalt. Dazu kamen noch zwei Nachtvisiten. Ich konnte auch in Abwe19 An dieser Stelle soll Mr. R. S. Taylor, Principal Psychologist des Gefängnisses in Wakefteld für das Gespräch zur Erörterung von Fragen bezüglich der Verwahrten, das er mir im April 1963 gewährte und für die freundliche Zurverfügungstellung seiner Arbeit gedankt werden. Seine Untersuchungsergebnisse hat er teilweise in den beiden im Literaturverzeichnis aufgeführten Aufsätzen erörtert. 20 Siehe S. 173.

24

Einleitung

senheit der Gefängnisbeamten mit den Verwahrten sprechen, und zwar sowohl, wenn ich sie zufällig traf, als auch in vorbereiteten Einzelgesprächen, für die eine besondere Zelle bereitgestellt wurde. Ebenso war es möglich, mit Beamten aller Stufen zu sprechen, an verschiedenen Sitzungen teilzunehmen und unbeschränkt Einsicht in Akten zu nehmen. Zu einem zweiten Studienaufenthalt war ich vom 1. bis 10. Juni 1964 in der Sicherungsverwahranstalt (Anstalt VIII) Hamburg-FuhlsbütteP, davon einen Tag in der halboffenen Anstalt Neuengamme bei Bergedorf. Ich konnte während der Bürozeit der Verwaltung von 8Uhr bis 16.30Uhr in der Anstalt sein, unbegrenzt Akten der Verwahrten einsehen, mit den Beamten sprechen und einige Male den Zellenbau und die Werkstätten besichtigen. Der Anstaltsleiter erteilte mir in Gesprächen während des Aufenthalts bereitwillig Auskünfte. Vorführungen Verwahrter vor den Anstaltsleiter konnte ich beiwohnen und dabei Fragen an sie richten. Der dritte Aufenthalt fand vom 17. bis 22. August 1964 in der Vollzugsanstalt Straubing in Bayern statt. Ich konnte mich in der Anstalt während des ganzen Tages frei bewegen. Es war mir möglich, mit den Beamten die Probleme des Vollzugs zu erörtern, unbeschränkt Akten der Verwahrten einzusehen und mit Verwahrten in Abwesenheit des Anstaltspersonals zu sprechen. In allen drei Anstalten wurde die Verwahrung unterschiedlich vollzogen. Deshalb können die gewonnenen Erfahrungen zusammengenommen als repräsentativ für die gegenwärtige Vollzugspraxis gelten. Sie können die Grundlage für die Beurteilung möglicher Reformvorschläge bilden. 111. Die Problematik I. Die Straftheorien

Es gilt heute den meisten als selbstverständlich, daß sich die Gesellschaft vor einzelnen Gliedern mit den Mitteln des Strafrechts schützen darf. Bei tieferem Nachdenken ist dies aber keineswegs so, denn die als Schutzstrafe aufgefaßte Strafe fördert das Wohl der Gesellschaft oder des Staates, indem sie zwangsläufig die Grundrechte einzelner Mitglieder der Gesellschaft aufopfert, insbesondere die Freiheit. Eine Stellungnahme zu diesem Gedanken kann nicht frei von der straftheoretischen Überzeugung des Beurteilenden sein. Sie ist deshalb kurz darzulegen. 21 Seit dem 1. 11. 1965 befinden sich die Sicherungsverwahrten in einem größeren Gebäude, das als Sicherungsverwahranstalt eingerichtet worden ist, in Hamburg-Fuhlsbüttel.

III. Die Problematik

25

Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, den Rechtsgrund (nicht Zweck) für die Strafe und ihre Anwendung gegenüber dem Einzelnen darzulegen. Hierbei geht es nicht um den Zweck oder den Inhalt positivrechtlicher Regelungen, sondern um die sittliche Begründung der Strafe. Die absoluten Theorien sehen den Grund der Strafe im Ausgleich geschehener Rechtsverletzung, sei es als Vergeltung oder als Sühne (punitur, quia peccatum est). Damit ist nichts über die Nützlichkeit der Strafe ausgesagt. Rechtsgrund der staatlichen Strafe kann allein die Gerechtigkeit sein. Die relativen Straftheorien gehen von einem utilitaristischen Standpunkt aus, indem sie die Nützlichkeit der Strafe, "die Gesellschaft vor Schaden zu bewahren" 1 , als hinreichenden Grund staatlicher Strafen ansehen. Die Strafe ist geeignet, general- und spezialpräventive Wirkung zu entfalten und damit das geordnete Zusammenleben der Gesellschaft zu fördern und zu erhalten. Bei dieser Theorie rechtfertigt schon der Zweck der Staats- und Gesellschaftserhaltung das Mittel Strafe. Wenn auch aus dieser Zweck-Mittel Relation nicht notwendig jedes Mittel, jede als Strafe dekl:o.rierte Aktion des Staates zu rechtfertigen ist2 , so ist der Schritt zur Auffassung, daß der Zweck alle Mittel rechtfertigt, sehr klein. Nach den Erfahrungen mit den möglichen Folgen aus diesem Gedankengut während des Nationalsozialismus wird diese Auffassung kaum noch in der Bundesrepublik vertreten. Die Vereinigungstheorien beruhen auf der Verbindung von absoluter und relativer Theorie zur Begründung der Strafe (punitur, quia peccatum est, ne peccetur). Für die Vereinigungstheorien reicht die Gerechtigkeit als Grund der Strafe nicht aus, vielmehr muß die so begründete Strafe auch tatsächlich erforderlich sein. Hiermit wird eindeutig gegen Kants Forderung nach der Hinrichtung auch des letzten eingekerkerten Mörders vor der Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft Stellung bezogen. Die Strafe ist nicht Selbstzweck, sondern nur dort zulässig, wo staatliche Notwendigkeit sie erfordert. Diese Folgerung ist das konse1 Hart, H. L. A., "Murder and the Principles of Punishment; England and the United States", Northwestern University Law Review, 1957, Chicago, Bd. 52,4, S. 433 ff. 2 So begründet neuerdings Hart auf rein utilitaristischer Ebene die Begrenzung der Strafe auf Schuldhaftes Tun ("Murder and the Principles of Punishment" S. 453, "Prolegomenon to the Principles of Punishment" Proc. of the Aristotelian Soc., new ser. Bd. IX, London, 1960, S. 9), die Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle und die Notwendigkeit der Anpassung der Schwere der Strafe an die Schwere der Straftat ("Prolegomenon to the Principles of Punishment", S. 23f.).

26

Einleitung

quente Ergebnis der Erkenntnis, daß der Mensch nicht in der Lage ist, endgültige Gerechtigkei t herzustellen3 • Vereinigungstheorien berücksichtigen somit nicht nur Zwecksetzungen der Strafe, die allein durch Vergeltung oder Sühne begründet wird - denn dabei würde es sich lediglich um eine besondere Form der absoluten Theorie handeln - sondern die Strafe ist für sie allein dort gerechtfertigt, wo sie nicht nur angemessene Vergeltung oder Sühne darstellt, sondern auch erforderlich ist. Es leuchtet ein, daß die Beurteilung der Sicherungsverwahrung von der Stellungnahme zu den Strafrechtstheorien abhängt. Ich schließe mich der dargestellten Vereinigungstheorie in dieser Form an. Im Fortgang der Arbeit wird die Bedeutung dieser grundsätzlichen Stellungnahme und der bekannten für die Vereinigungstheorie geltendgemachten Gründe ersichtlich werden. 2. Die Straftheorien und der Rezidivist

Die strafrechtliche Behandlung der Rezidivisten stellt für die hier akzeptierte Begründung der strafrechtlichen Reaktionen ein besonderes Problem dar, da der Gedanke ihrer Verwahrung im Interesse der öffentlichen Sicherheit nicht allein von der konkreten, zur Aburteilung stehenden Straftat ausgeht, sondern von ihrer Gefährlichkeit in der Zukunft, einer Prognose. Die Gefährlichkeit des Rezidivisten ist es gerade, die eine über die im Regelfalle für die abzuurteilende Tat zu verhängende Schuldstrafe hinausgehende Verwahrung erforderlich erscheinen läßt4 • Die herrschende Lehre in Deutschland sieht in der Sicherungsverwahrung eine Maßnahme des Strafrechts ohne Strafcharakter, durch die das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit erfüllt werde, eine Maßnahme, die grundsätzlich neben der Strafe stehe und folglich auch nicht derselben Begründung wie die Strafe bedürfe5 • Ihr geht es ausschließlich um die Reinerhaltung des Gedankens der Strafe, während es ihr möglich erscheint, die Sicherungsmaßnahmen 3 Ebenso Grünhut, M., ZStW 53, S. 1 ff. (8): "Aber wer vermißt sich als menschlicher Richter im Namen des Staates und der Gerechtigkeit über Menschen ein Leid zu verhängen, das nicht nur um eines irdischen Zweckes willen notwendig ist." Siehe auch Mayer, H., Strafrecht, Stuttgart-Köln, 1953, S. 33; Strafrechtsreform, Berlin, 1962, S. 43. 4 Im deutschen Strafrecht steht die Sicherungsverwahrung als zusätzliche Maßnahme neben der für die Tat verwirkten Freiheitsentziehung, im englischen anstatt der für nicht ausreichend erachteten, sonst verwirklichten Strafe. 5 Z. B. Maurach, R., Strafrecht, Allgem. Teil, 3. Aufl., Karlsruhe 1965, S. 66 f. Auf sozialethischen Gründen fußt die Rechtfertigung bei W elzel, H., Das deutsche Strafrecht, 9. Aufl., Berlin 1965, S. 222 ff.

III. Die Problematik

27

gegen Rezidivisten - sie stellen im Falle der Sicherungsverwahrung einen Freiheitsentzug dar - allein mit ihrem Zweck zu begründen. Damit wird der Einzelne zum bloßen Mittel der Zwecke anderer gebraucht. Das Verdammungsurteil Kants über die Herabwürdigung des einzelnen zur bloßen Sache, die für Zwecke anderer benutzt werde, gilt auch gegenüber diesem Gedanken. Der Zweckgedanke reicht folglich zur Begründung der Freiheitsentziehung nicht aus. Ist aber schuldhaftes Tun innerhalb der Grenze der Erforderlichkeit der Grund der Strafe, so kann das Sicherungsinteresse, das sich aus der Gefährlichkeit ergibt, nicht hinreichend erfüllt werden6 . Die Höhe der Strafe ist aus dem Schuldgrundsatz herzuleiten7 • Dabei kommt es nicht allein auf die Schwere des Schadens wie beim Talionsprinzip an, vielmehr muß die Höhe der Strafe der Schwere des Rechtsbruchs entsprechen. Daraus ergeben sich zwei Grundsätze: Erstens müssen gleiche Fälle gleich behandelt werden. Zweitens muß die Schwere des Rechtsbruchs in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Strafe nach ihrer Bedeutung innerhalb des Strafensystems stehen8 • Unter Berücksichtigung der von mir oben vertretenen Ansicht ist damit aber die zu verhängende Strafe noch nicht bestimmbar, da weiterhin zu prüfen ist, ob die sich nach den obigen Gesichtspunkten ergebende Strafe notwendig ist. Dadurch kann der erste Grundsatz beeinträchtigt werden. Inwieweit das vertretbar ist, ist im Rahmen der Notwendigkeit zu prüfen. Die notwendige Strafe mag geringer sein als die unter Berücksichtigung des zweiten Grundsatzes verwirkte, niemals aber kann sie diese übersteigen. Der Freiheitsentzug, der auf Grund der Sicherungsverwahrung erfolgt, übersteigt aber regelmäßig diese Grenze und stellt auch eine schwere Verletzung des ersten Grundsatzes dar. Der Versuch, die Sicherungsverwahrung als eine von der Schuld gedeckte Zweckstrafe zu erklären9, löst dieses Problem nicht. Wird sich schon der Wille eines Rezidivisten, "sein Leben überhaupt außerhalb der Rechtsordnung zu führen" 10, schwer beweisen lassen, es 8 Zur Verdeutlichung dieser These brauchen wir nicht auf die Tatsache Bezug zu nehmen, daß es bei 35 Ofo der im Jahre 1956 in England und Wales wegen Vermögensdelikten zu preventive detention Verurteilten um Vermögenswerte unter f. 10 (etwa 110,- DM) ging (s. Hammond, S. 32). In diesen Fällen dürfte ein Sicherungsbedürfnis nicht gegeben sein. 7 So auch Maurach, S. 63f., 66f.; Mayer, H., Strafrecht, S. 33. 8 Dies geht von dem Grundgedanken aus, daß wir den verschieden schweren Formen des Rechtsbruchs ein entsprechend abgestuftes Sanktionssystem gegenüberstellen können. Zu beiden Prinzipien kommt Hart, H. L. A., "Prolegomenon", S. 23f., von einem rein utilitaristischen Ausgangspunkt. 9 Mayer, H., Strafrecht, S. 39 f.; Strafrechtsreform, S. 166, J escheck, H.-H., Das Menschenbild unserer Zeit und die Strafrechtsreform, Tübingen, 1957, s. 22f. to Mayer, H., Strafrecht, S. 40.

28

Einleitung

sei denn man indiziert ihn bei einer gewissen Anzahl "schwerwiegender Rechtsbrüche" - dieser soll danach die schwere Schuld darstellen, die eine zeitlich unbegrenzte Strafe rechtfertige - , so wird doch gerade auch in der Kriminologie immer wieder von Fällen gesprochen, in denen mit großer Sicherheit angenommen werden kann, daß ein derartiger Wille nicht hinter deren schweren Rechtsbrüchen zu sehen ist. Vielmehr scheinen unglückliche Konstellationen, abartige Triebe (ohne daß von geistigen Störungen gesprochen werden könnte) gelegentlich den Weg zu diesen Taten zu eröffnen. Das Ergebnis dieser Darlegungen können wir wie folgt zusammenfassen: Die schwere Freiheitsbeeinträchtigung, die eine Verwahrung im Interesse der öffentlichen Sicherheit darstellt, können wir meist nicht als durch die Schuld des potentiellen Verwahrten gedeckt ansehen. Im Konflikt der Interessen des Individuums und der Gesellschaft, genauer der Glieder der Gesellschaft, die als potentielle Opfer der Rezidivisten in Frage kommen, stellt eine jede bloße Verwahrung die Entscheidung für letztere dar. Eine solche Entscheidung läßt sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn wir uns der Meinung anschließen, daß das individuelle Leben des Menschen nur in der sittlichen Gemeinschaft freier Menschen denkbar ist. Dann stellt sich eine von dem Rezidivisten ausgehende sehr erhebliche Gefahr für die Gemeinschaft -sowohl als ganze als auch als Summe ihrer Glieder - gleichzeitig als Selbstgefährdung des Rezidivisten dar. Sofem diese Gefahr ganz außergewöhnlich groß wäre11 , müßte unter geringstmöglicher Verletzung der Individualinteressen des Rezidivisten das Interesse der Gesellschaft vorgehen. Diese Schlußfolgerung führt zu einem begrenzten Notrecht der Gesellschaft oder des Staates zugunsten der besonders gefährdeten Personengruppen und unterscheidet sich damit von der oben verworfenen Zweckrechtfertigung der Sicherungsverwahrung erheblich. Damit haben wir einen Maßstab gewonnen, unter dem die Anwendung und Handhabung des Sicherungsrechts gegen Rezidivisten in England und Deutschland beurteilt werden kann.

11 Aus Wahrscheinlichkeit des Eintritts und Schwere der zu erwartenden Rechtsgutsverletzung müßte sich eine konkretisierbare Gefahr ergeben, die weit über das hinausgeht, was an krimineller Gefährdung in jeder Gesellschaft erwartet und getragen werden muß.

Erster Teil

Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten im deutschen und englischen Strafrecht I. Die histodsehe Entwicklung bis zur Einführung des geltenden Rechts 1.

Die Entwicklung in Deutschland

a) Die Entwicklung bis zum Beginn des Schulenstreits Straftäter, die durch ihre wiederholt begangenen Straftaten die Gemeinschaft gefährdeten, waren schon im Mittelalter in Deutschland bekannt. Die schweren Leibes- und Lebensstrafen verhinderten aber weitgehend den Rückfall des einmal Bestraften. Erst mit der Humanisierung des Strafrechts im achtzehnten Jahrhundert konnte der Rezidivist zu einem selbständigen Gegenstand der Kriminalpolitik werden, denn die Strafe schützte die Gesellschaft nicht mehr endgültig vor ihm. Eine begrifflich scharfe Trennung zwischen Strafe und Sicherungsmaßnahme nahm Klein am Ende des achtzehnten Jahrhunderts vor!, die er als Bearbeiter des strafrechtlichen Teils des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 darin verankerte. § 5 II 20 ALR enthielt eine reine Sicherungsmaßnahme gegen "Diebe und Verbrecher, welche, ihrer verdorbenen Neigungen wegen, dem gemeinen Wesen gefährlich werden könnten, . . . " 2 , die im Anschluß an die Strafe vollstreckt werden sollte. Diese klare Trennung wurde durch eine Verordnung vom 26. 2. 1799 zugunsten einer einheitlichen Sicherungsstrafe von unbestimmter Dauer aufgegeben8 . Das Vordringen liberaler Ideen vom Ende des 18. Jahrhunderts an brachte einen eindeutigen Sieg der Schuldstrafe4 • Es herrschten die ab1 Liszt, F. v., Aufsätze Bd. 2, Berlin 1905, S. 133 ff. (151); Liszt-Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts Bd. 1, 26. Aufl., Berlin-Leipzig 1932,

s. 366. 2

Für die Zeit seines Lebens darinnen gefänglichen enthalten; dazu §§ 1023/

1024, 1160 II 20 ALR.

3 Handbuch des Preußischen Strafrechts, hrsg. von einem praktischen Juristen, Leipzig 1830, unter § 1160. 4 Diese Entwicklung setzte in Preußen schon während der Zeit der Geltung

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

soluten und die Vereinigungstheorien. Der Sicherungsgedanke als selbständiger Grund strafrechtlicher Reaktionen war im Preußischen Strafgesetzbuch von 1851 und im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 nicht mehr enthalten. Wiederholte Kriminalität wurde nunmehr nur noch in den besonderen Rückfallvorschriften (§§ 244, 245, 250 Ziff. 5, 261, 264 StDB) berücksichtigt5 • Diese Strafschärfung dürfte allein durch die erhöhte Schuld desjenigen begründet sein, der sich durch die vorherigen Bestrafungen hat nicht warnen lassen. Der Sicherungsgedanke hat dabei keine besondere Bedeutung6. Jedoch im Jahre 1882 griff F. von Liszt mit der Veröffentlichung des Marburger Universitätsprogramms7 das herrschende System der Schuldstrafen grundsätzlich an und eröffnete damit den Schulenstreit. Er stellte fest, daß 70% der im Jahre 1880/81 eingelieferten Strafgefangenen (Gefängnis- und Zuchthausgefangene) in Preußen bereits früher wegen Verbrechens oder Vergehens bestraft worden waren. 24,5% der rückfälligen Strafgefangenen waren bereits sechsmal oder öfter bestraft worden8. Darauf stützte er seine Behauptung, "daß unsere gegenwärtige Behandlung der Rückfälligen durchaus verkehrt und unhaltbar ist" 9 • Während vonLiszt eine"Einsci'lließung auf unbestimmte Zeit" inForm einer "Strafknechtschaft" für Rezidivisten bei der dritten Verurteilung wegen bestimmter Delikte gefordert hatte10, sich damit völlig von der Schuldstrafe löste und die abzuurteilende Straftat allein zum Anlaß der anzuordnenden Maßnahme werden ließ, ging der Schweizer C. Stooss in seinem Vorentwurf von 1893 von der Trennung von Strafen und sichernden Maßregeln aus (zweispuriges System). Er trennte beide Mittel dadurch, daß er u. a. eine Bestrafung wegen des abzuurteilenden Verbrechens zur Voraussetzung eines besonderen Sicherungsverfahrens machte, das eine 10 bis 20jährige Verwahrung des Rezidivisten vorsah. Im Falle der Anordnung der Verwahrung sollte diese an die Stelle der Strafe treten. Im Endergebnis sollte eine einheitliche Maßnahme zum des ALR ein, indem die erstmalige Verwahrung für den Fall guter Führung in der Vollzugsanstalt auf 2 Jahre beschränkt wird, selbst wenn der Gefangene keine Möglichkeit nachweisen konnte, die ihm ein Leben ohne erneute Straftaten ermöglichen könnte, Handbuch des Preußischen Strafrechts, Leipzig 1830, unter § 1160. 5 Auch hier war eine Einschränkung im Vergleich zum Preußischen Strafgesetzbuch von 1851 eingetreten, das nach den §§ 58-60 den gleichartigen Rückfall bei jedem Vergehen oder Verbrechen strafschärfend wirken ließ. 6 Siehe dazu Mayer, H., Strafrecht, S. 62 mit N. 9-11. 7 Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge I, 1905, Berlin, S. 126ff. "Der Zweckgedanke im Strafrecht". 8 A.a.O., S. 168. g Ebenda. 10 A.a.O., S. 170

I. Die Entwicklung bis zur Einführung des geltenden Rechts

31

Vollzug kommen, so daß der Eindruck einer einspurigen Lösung entstand.11.

b) Die Entwürfe zur Strafrechtsreform bis zur Einführung des Gewohnheitsverbrechergesetzes Die nach der Jahrhundertwende stärker werdenden Bemühungen zur Reform des Reichsstrafgesetzbuch führten zu einer Reihe von Entwürfen. Obwohl Klassiker und Moderne ihre unterschiedlichen Ansichten beibehielten, arbeiteten sie gemeinsam an der Strafrechtsreform12• Der 1909 veröffentlichte Vorentwurf enthielt in § 89 nur eine allgemeine Rückfallbestimmung. Danach sollte derjenige, der mindestens fünfmal wegen Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens mit Freiheitsstrafe (darunter mindestens einmal mit Zuchthaus) bestraft worden war, für ein Verbrechen zu Zuchthaus nicht unter fünf Jahren, für ein vorsätzliches Vergehen zu Zuchthaus zwischen zwei und zehn Jahren verurteilt werden können, wenn er die letzte Strafe vor nicht länger als drei Jahren verbüßt hatte und ihn die neuen Delikte der oben genannten Art als gewerbs- oder gewohnheitsmäßigen Verbrecher erscheinen ließen. Dieser Vorentwurf stand straftheoretisch weiterhin auf dem Boden der Schuldstrafe, die nur innerhalb dieses Rahmens Präventionsgesichtspunkten zugänglich sein sollte13• Obwohl der Vorentwurf von 1909 als brauchbare Diskussionsunterlage angesehen wurde14, empfand man unter anderem die Lösung des Rezidivistenproblems nicht allgemein als befriedigend. Der von vier Professoren15 1911 vorgelegte Gegenentwurf enthielt eine Regelung, die als Kompromißlösung im Schulenstreit angesehen werden kann. § 96 gab die Möglichkeit der härteren Bestrafung des rückfälligen Täters. § 97 stellte nicht vorbestrafte gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Täter den Rückfalltätern gleich. Die mögliche Straferhöhung bei Rezidivisten wurde als Schuldstrafe angesehen. Außerdem wurde die Unterbringung in einer zu schaffenden Verwahranstalt neben der Strafe (§ 98) unter den Voraussetzungen vorgeschlagen, die im Vorentwurf 1909 für den 11 Stooß, Vorentwurf zu einem Schweizerischen Strafgesetzbuch, BaselGenf, 1893, Art. 23 und 40 und Motive, S. 49 ff. n Dahm, G., Deutsches Recht, 2. Aufl., Stuttgart 1963, S. 505 f.; Mayer, H., Strafrecht, S. 31. 18 Siehe Begründung zum VE 1909, S. 360ff. Der Vorwurf der Inkonsequenz in dieser Hinsicht, den Bernhardt, S. 4f. gegen den Entwurf erhoben hat, ist nicht überzeugend begründet. 14 Siehe Gegenentwurf 1911, Vorwort. 15 W. Kahl, K . von Lilienthal, Franz von Liszt, J. Goldschmidt. Es handelte sich dabei um Vertreter b eider Richtungen im Schulenstreit.

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

32

Rückfall festgelegt worden waren. Weiter war vorgesehen, daß eine zweijährige Anhaltung im Arbeitshaus einer Zuchthausstrafe gleichstehen sollte und daß der Rezidivist für die Rechtssicherheit gefährlich sein müsse. Die Dauer der Unterbringung und die vorläufige Entlassung sollte von der Landespolizeibehörde unter der Einschränkung bestimmt werden, daß nach jeweils zweijährigen Intervallen ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden konnte. Damit war das zweispurige System in die Vorarbeiten zur Strafrechtsreform aufgenommen. Außerdem deutete die Gleichstellung einer zweijährigen Arbeitshausverwahrung mit einer Zuchthausstrafe an, daß auch harmlose, wiederholt Rückfällige in die Sicherungsverwahrung gebracht werden sollten. Für die weitere Rechtsentwicklung war besonders der Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs aus dem Jahre 1927 wichtig, weil er nach eingehender Beratung im Reichsrat dem Reichstag zur Beschlußfassung vorgelegen hat. Die einzelnen Entwürfe unterschieden sich: 1. In den Voraussetzungen, unter denen die Anordnung der Sicherungsverwahrung möglich sein sollte, vor allem schwankte die Zahl und die Schwere der erforderlichen Vorstrafen; 2. in der Beziehung, die zwischen der Verurteilung wegen Rückfalls und der Anordnung der Verwahrung bestand. Nach den Entwürfen von 1913 (§ 106) und 1919 (§ 100) mußte neben der Verurteilung wegen Rückfalls die Verwahrung angeordnet werden. 3. In der Art und Häufigkeit der gerichtlichen Nachprüfung der Fortsetzung oder Aufhebung der Verwahrung. 4. Im Entwurf 1925 war sogar das Vikariieren von Strafe und Maßnahme vorgesehen16 • Aber diese Forderung der moderneren Schule stieß auf so viel Widerstand, daß der Entwurf 1927 wieder zur kumulativen Lösung zurückkehrte. Von besonderem Interesse ist neuerdings wieder die Frage, ob die Prognose künftiger Gefährlichkeit, die das Gericht im Falle der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu prüfen hat, für den Zeitpunkt des Urteils oder aber der StrafverbüBung gestellt werden soll 17 • Das Problem konnte für die Entwürfe von 1909, 1913 und 1919 nicht entstehen, da in ersterem eine Verwahrung nicht vorgesehen, in letzteren deren Anordnung aber bei Verurteilung wegen Rückfalls bindend vorgesehen war, folglich der Zeitpunkt des Urteils gelten mußte. Die Bestimmungen des Gegenentwurfes 1911 reichen nicht aus, um diese Frage zu beantworten. Dagegen wandte sich die Begründung zum Ent16

§§ 47/48.

Im geltenden Recht ist eine Prognose für den Zeitpunkt der Strafverbüßung zu stellen, während der E 1962 diese für den Zeitpunkt des Urteils vorschreibt. 17

I. Die Entwicklung bis zur Einführung des geltenden Rechts

33

wurf 192518 gerade mit dem Argument gegen die automatische Koppelung von Rückfallverurteilung und Sicherungsverwahrung, daß die Höhe der Strafe in manchen Fällen ausreichen könnte, um das Sicherungsbedürfnis zu erfüllen, eine anschließende Verwahrung daher nicht erforderlich sein würde. Diese Argumentation, der sich der Entwurf 192719 anschloß, weist darauf hin, daß eine Prognose für den Zeitpunkt der StrafverbüBung bei der Urteilsfällung gestellt werden sollte. Die unsicheren Mehrheitsverhältnisse im Reichstag während der Weimarer Zeit verhinderten den Abschluß des Reformwerks und damit die Lösung des Rezidivistenproblems. Eines der ersten Strafrechtsprobleme, das der nationalsozialistische Staat gesetzgeberisch in seiner Weise löste, war das Maßnahmenrecht im Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933. 2. Die Entwicklung in England bis zu den Reformarbeiten am Prevention of Crime Act, 1908

Der Rezidivismus wurde in England erst im 19. Jahrhundert, also relativ spät, als besonderesProblern desStrafrechts behandelt20 • DerGrund dafür mag einmal darin zu sehen sein, daß vor dieser Zeit infolge der schweren Strafen ein einmal Bestrafter keine Möglichkeit mehr hatte, eine weitere Straftat in England zu begehen, zum anderen waren die Möglichkeiten der Identifikation so mangelhaft, daß Rezidivisten kaum erkannt werden konnten. Die Frage der rückfälligen Straftäter wurde, wie in vielen anderen Ländern, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stärker diskutiert. Aber während diese Frage auf dem Kontinent einen Hauptgegenstand des grundsätzlichen Schulenstreits bildete, wurde sie in England empirisch behandelt21 • Die englische Entwicklung zeigt sehr eindrucksvoll, wie die englische Denkweise langsam das Problem immer besser erfaßt und praktisch nach den geeigneten staatlichen Reaktionsmitteln sucht. Obwohl nach einem Gesetz von 182722 ein Täter, der zum zweiten Male wegen Verbrechens (felony) verurteilt wurde, zu lebenslänglicher Deportation23 verurteilt werden konnte2 4, stellten die Mitglieder einer Begründung, S. 41. u Begründung, S. 48. 20 Anfänglich gab es keine genauere Unterscheidung auf diesem Gebiet, so daß der Rezidivismus als einheitlicher Begriff behandelt werden muß. 21 Grünhut, M., Journal of Criminal Science, 1950, Bd. 2, S. 65. 22 7 & 8 George IV, c. 28, s. 11. 23 Die im englischen Recht transportation genannte Strafe bedeutete die Verschickung in eine Strafkolonie. 24 Foltin, E. M., S. 34, sieht darin den ersten Versuch, mit den rückfälligen Tätern fertig zu werden. ts

3 Geisler

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

34

Untersuchungskommission im Jahre 186325 eine bedeutende Milderung in der Schwere der Urteile während der letzten 20 bis 30 Jahre fest. In ihrem Bericht wird weiterhin ausgeführt: Es gebe "... in der Hauptstadt und anderen großen Städten eine Klasse von Personen, die so hartnäckig an Vermögensdelikte gewöhnt und so arbeitsscheu sind, daß keine Hoffnung besteht, daß sie aufhören, ihren Unterhalt mittels Plünderung der Allgemeinheit zu decken, es sei denn, man hielte sie zwangsweise für geraume Weile von ihrer gewohnten Umgebung fern 26." Die Kommissionsmitglieder stellten fest, daß solche Personen manchmal nur kleinere Straftaten begingen, daß ihre Gefährlichkeit aber in der raschen Folge ihrer Straftaten und in der Schwierigkeit liege, sie zu bessern. Daher seien sie gefährlicher als Menschen, die unter großer Versuchung ein schweres, aber einmaliges Verbrechen begingen. So kann es nicht überraschen, daß die Kommissionsmitglieder schwere Strafen für wieder verurteilte Strafentlassene forderten und vorschlugen, die Mindeststrafe bei Zuchthaus auf sieben Jahre (penal servitude) festzulegen27. Zur seihen Zeit stellte ein besonderes Committee des House of Lords28 fest, daß, während eine Verminderung der Strafhöhe stattgefunden hatte, die Zahl der Erstverurteilungen abnahm, die Wiederverurteilungen für dritte und weitere Straftaten aber erheblich zunahmen. Diese Beobachtung verursachte Zweifel an dem Wert des herrschenden Strafsystems. Aber die Zeit für die Ersetzung der reinen Freiheitsstrafe durch andere Methoden der Behandlung Straffälliger war noch nicht reif. Der Penal Servitude Act von 186429 folgte dem oben erwähnten Vorschlag bezüglich der Erhöhung der Mindestzuchthausstrafe wieder verurteilter Straftätex-3°. Dieser Versuch, die Richter zur Verhängung längerer Freiheitsstrafen zu zwingen, erwies sich jedoch als Fehlschlag31 • Vielmehr scheint die Tendenz, sich mit kürzeren Strafen zu begnügen, mit der Ersetzung der Deportation durch das Zuchthaus verstärkt worden zu sein, da nunmehr die Gefängnisse für den gewöhnlichen Staatsbürger 25

1863 Reports from Commissioners, 9, XXI, Sess. 1863, para. 36, pp. 25 Seq.

in the metropolis and other !arge towns a class of persons who are so inveterately addicted to dishonesty, and so averse to labour, that there is no chance of their ceasing to seek their existence by depredations on the public, unless they are compulsorily withdrawn, for a very considerable time from their accustomed haunts.", ebenda. 27 Ebenda, para. 46, p. 37. 28 Reports from Commissioners, 4 IX Sess., 1863, Minutes of Evidence 2886 and 2918. 29 27 & 28 Vict. (1864) c. 47, s. 2. 30 Die Zuchthausstrafe penal servitude - war durch die beiden Penal Servitude Acts von 1853-1857 an die Stelle der TransportaUon getreten. 31 Grünhut, Journal of Criminal Science, 1950, Bd. 2, S. 66. 26

". • •

I. Die Entwicklung bis zur Einführung des geltenden Rechts

35

sichtbar waren und deren Verhältnisse bekannt wurden. Die Criminal Code Bill Commission von 187932 und die Pernal Servitude Commission33 vom selben Jahre wiesen darauf hin, daß als Folge der Erhöhung der Mindestlänge für Zuchthausstrafe bei rückfälligen Tätern die Richter, nicht gewillt schwere Zuchthausstrafen zu verhängen, es vorzogen, eher kürzere Gefängnisstrafen anzuwenden. Folglich wurde die Reduzierung der Mindestzuchthausstrafe von sieben Jahren auf das normale Minimum von fünf Jahren empfohlen34 und bald danach gesetzgeberisch verwirklicht35• Gleichzeitig versuchte man auf einem anderen Weg weiterzukommen, nämlich durch die Einführung der Polizeiaufsicht für entlassene Rezidivisten36. Die Polizeiaufsicht war schon früher gegen aus der Deportation entlassene Verbrecher verwandt worden37. Theoretisch betrachtete man sie als zusätzliche Strafe, die für höchstens sieben Jahre verhängt werden konnte38• Ihre Funktion war, die Sicherheit der Gesellschaft zu fördern, so daß wir in ihr eine frühe vorbeugende oder sichernde Maßregel sehen können39• Es dauerte nunmehr längere Zeit, bis in England dem Rezidivismus erneut Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die theoretischen Fragen, die im Anschluß an Darwin und besonders nach dem ·Marburger Programm F. v. Liszt auf dem Kontinent zu Kontroversen führten, fanden in England bemerkenswert wenig Widerhall. 1895 veröffentlichte das Gladstone-Committee40 seine Untersuchungen und Vorschläge, die Strafrecht und Strafvollzug in England nachhaltig beeinflussen sollten. Das Committee fand, daß die Zahl der Wiederverurteilungen ständig im Steigen begriffen war und daß mehr als dreiviertel derjenigen, die fünfmal verurteilt worden waren, erneut vor die Schranken des Gerichts kommen würden. Reports from Commissioners, 6, XX, Ssess. 1878--9, p. 16 f. Reports from Commissioners, 23 & 24, XXXVII & XXXVIII, Sess. 1878-9-III Minutes 11, 609. 34 Ebenda, paras. 67/68, p. XXVI; para. 85, p. XXXII. 35 Prevention of Crime Act, 1879, 42 & 43 Vict., c 55, s. 1. 38 Habitual Criminal Act, 1869, 32 & 33 Vict. c. 99 s. 8; geändert durch Prevention of Crime Act, 1871, 34 & 35 Vict. c. 112 s. 8; ergänzt durch Prevention of Crime Act, 1879, 42 & 43 Vict. c. 55 s. 2. n "Ticket of release". 38 Es handelt sich hierbei um sec. 8, Prevention of Crime Act, 1871. 39 Die Polizeiaufsicht (police supervision) geriet außer Gebrauch, da sie sich nicht als geeignetes Mittel zur Verhinderung des Rückfalls herausstellte; s. Foltin, S. 27. 40 Reports from Commissioners 43, LVI, 1895. 32 33

36

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten Statistik 1

Prozentzahlen der Straftäter, die nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis erneut verurteilt wurden, wie sie das Gladstone-Committee beobachtetea)

Von den aus Strafanstalten entlassenen wurden nach dem ersten Mal nach dem zweiten Mal nach dem dritten Mal nach dem vierten Mal nach dem fünften Mal

300/o 480fo 64 0/o erneut mit Freiheitsstrafe bestraft 710/o 790fo

a) Ebenda, para. 28, p. 11.

Obwohl der Report mit der Möglichkeit rechnete, daß die Steigerung durch bessere Identifikationsmethoden seit 1870 zu erklären sei41 , weckte die hohe Rückfallquote Zweifel hinsichtlich des damaligen Strafsystems und Strafvollzugs. Das Committee hielt weitere Untersuchungen für unerläßlich, insbesondere hinsichtlich des "physischen und moralischen Effekts (der Freiheitsstrafe) auf Gefangene allgemein" 42 • Der Begriff "habitueller Krimineller" wurde zwar nicht definiert, scheint aber für Straftäter verwendet zu werden, die das Verbrechen als ständige Einkommensquelle zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts betrachten und die ins Gefängnis mit dem Vorsatz gehen, mit ihren Straftaten fortzufahren, sobald sie entlassen sind43. Es ist zu bezweifeln, ob die Zahl derartiger "Berufsverbrecher" groß genug ist, um für sie eine strafrechtliche Sonderregelung zu erwägen44 • Außerdem machte das Committee auch auf diejenigen Rezidivisten aufmerksam, die fortwährend eine große Zahl kleinerer Straftaten begehen und damit keine größeren Schäden anrichten, aber andere durch ihr schlechtes Beispiel korrumpieren45 • So zeichnete sich schon frühzeitig bei der Diskussion über den Rezidivismus in England die Tendenz ab, die Gesellschaft sowohl vor der schweren Kriminalität als auch vor der häufigeren leichten Kriminalität, die meist gegen das Vermögen gerichtet ist, zu schützen. Zwei Neuregelungen wurden vorgeschlagen: 1. Das Committee stellte fest: Ebenda, para. 28, pp. 9-11. Ebenda, para. 18, p. 5. 41 Ebenda, para. 85, p. 31. " Mayer, H., Strafrechtsreform, S. 153f. 45 Report 1895, Minutes of Evidence 7071. 41

42

I. Die Entwicklung bis zur Einführung des geltenden Rechts

37

"Es ist sicher, daß das Alter, in dem sich die Mehrheit der habituellen Kriminellen entwickelt, zwischen 16 und 21 liegt." Das Committee wundert sich, daß frühere Untersuchungen weder diese Tatsache erkannt, noch bemerkt hätten, daß eine Verminderung der habituellen Kriminalität von deren Bekämpfung an den Anfängen abhänge48• Das führte zur Schaffung des Borstal Systems im Jahre 1908. War schon dieser Vorschlag neu und umwälzend, so zeigte der zweite einen vollkommenen Wandel in der Einstellung gegenüber den Rezidivisten. "Sie für die konkrete Straftat zu bestrafen, ist beinahe zwecklos . .. das wirklich Strafwürdige ist das willentliche Verharren in der bewußt angeeigneten Gewohnheit an die Straftat." 2. Daher hielten die Mitglieder des Committees "weitere korrektive Maßnahmen" für erforderlich und führten aus: "Wir wagen die während dieser Untersuchung gewonnene Überzeugung zu äußern, daß den Richtern eine neue Art von Urteil zur Verfügung gestellt werden sollte, wodurch diese Täter für lange Verwahrungsperioden abgesondert werden könnten, während der sie nicht unter derselben Strenge wie im Zuchthaus behandelt würden, aber gezwungen wären, unter weniger schweren Bedingungen zu arbeiten47." Hiermit wurde die bis dahin allein verbindliche absolute Straftheorie teilweise aufgegeben. Besserung und Sicherung wurden als geeignete Strafzwecke angesehen, um besondere strafrechtliche Reaktionen zu rechtfertigen. Das Committee führte nicht aus, welche Form seine Vorschläge in der Praxis erlangen sollten. Dennoch erscheint die Annahme gerechtfertigt, daß es an eine fortschreitende Erhöhung der Strafe für nachfolgende Delikte dachte, während die Bedingungen, unter denen die zusätzliche Strafe zu verbüßen wäre, im Vergleich zu Zuchthausstrafen gemildert werden und den Gefangenen sinnvolle Arbeit aufgetragen werden sollte. Diesen neuen Ideen wurde in England ebenfalls widersprochen, wenn auch nicht mit straftheoretischen Argumenten. Die Prison Commissioners unter Du Cane forderten dagegen "eine harte und zweckentsprechende Anwendung des Rechts", "Strenge und verstärkte Überwachung des Mannes bei seiner Entlassung". Du Cane's Vorstellungen waren in sich widersprüchlich. Einmal sagte er, daß, falls "die kriminelle Tendenz eingewurzelt ist und sowohl die Möglichkeiten des Rechts als auch menschliche Bemühungen versagt haben", die Gerichte die Macht haben sollten, unbestimmt zu verurteilen und den Verurteilten in ein besonderes Gefängnis zu schicken48 • Andererseits bezweifelte er, als er von dem Committee gehört wurde, ob es möglich sein würde, eine un46 47

48

Reports from Commissioners 43, LVI, 1895, para. 29, p. 11. Ebenda, para. 85. p. 31. Reports from Commissioners, 30, XLIV, Sess. 1896, p. 29.

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

38

bestimmte Verurteilung zu vollziehen, die den Charakter einer nicht strafenden Verwahrung haben sollte49 • Innerhalb weniger Jahre wandelte sich die Meinung der Prison Commissioners. In einem Vortrag im Jahre 1900 vor dem Internationalen Gefängniskongreß in Brüssel schlug ihr neuer Chairman, Sir Evelyn Ruggles-Brise ein System vor, das eine vergeltende Strafe für die begangene Straftat und eine zusätzliche Strafe für "habituelle Verbrecher" enthielt50, d. h. eine Verwahrung auf unbestimmte Dauer für diejenigen, die Verbrechen zu ihrem Lebensinhalt gemacht hätten. Die obere Grenze des gesetzlichen Strafrahmens für die entsprechende Straftat sollte in England die obere Grenze der Verwahrung markieren51 • Wohl wissend, daß diese Verwahrung einen erhöhten Freiheitsverlust für solche Täter bewirken würde, versuchte er mit dem Vorschlag einer Höchstgrenze den Widerstand der Gerichte und der öffentlichen Meinung zu beschwichtigen. Tatsächlich gewannen diese Ideen in der öffentlichen Meinung langsam an Boden52 • Die im Jahre 1903 im Unterhaus eingebrachte Penal Servitude Bill53 wurde zurückgezogen, um einer breiteren öffentlichen Diskussion Raum zu geben. Eine inhaltsgleiche Bill54, die im Jahre 1904 eingebracht wurde, kam im Unterhaus bis zur zweiten Lesung; da die Regierung aber nicht bereit war, sie mit Nachdruck durchzusetzen und die Opposition dagegen, besonders wegen einiger unklarer Formulierungen in der Bill, stark war, mußte sie zurückgezogen werden55. Die Materie geriet nun für einige Jahre in Vergessenheit. Im Jahre 1908 brachte Gladstone, nunmehr Innenminister, die Prevention of Crime Bill ein, die das englische Strafrecht hinsichtlich der Rezidivisten für die nächsten 40 Jahre bestimmen sollte. Der erste Teil der Gesetzesvorlage führte dasBorstal-System56 ein, die erste Maßnahme mit vornehmlich besserndem Charakter, die in das englische Strafsystem Eingang fand. Für den zweiten sich auf "habituelle Verbrecher" beziehenden Teil der Bill, unterschied er zwischen zwei Klassen von Straftätern, auf die die herkömmlichen Strafen keinen Eindruck machten. Gladstone Committee, Minutes of Evidence 10, 946-50. Actes du Congres Penitentiaire Internationale de Bruxelles, 1900 (1901) II, 569-584. 51 Die Höchststrafen lagen damals allgemein sehr hoch. 52 Morris, N., S. 35; Grünhut, The Treatment, S. 69f.; Foltin, S. 32. u Bill No. 318 of 1903. 6 ' Bill No. 86 of 1904. 55 Parliamentary Debates, 4th ser., vol. 135, cols. 772-70. 58 Borstal ist eine freiheitsentziehende, bessernde Maßnahme des Jugendstrafrechts. 49

50

I. Die Entwicklung bis zur Einführung des geltenden Rechts

39

Die erste ist "eher eine Störung als eine Gefahr für den Staat". Die zweite, eine "wesentlich kleinere Gruppe der Gefangenen, setzt sich aus geschickteren Straftätern zusammen, Männern, die physisch gesund sind, die ein kriminelles Leben vorziehen, die Arbeit ablehnen, wenn sie ihnen angeboten wird". Gladstone beabsichtigte, die vorgeschlagene preventive detention (Sicherungsverwahrung) nur gegenüber dieser zweiten Gruppe anzuwenden57. Daraus können wir schließen, daß er mit seinem Vorschlag gegen die schwere Kriminalität vorgehen wollte. Die höheren Gerichte sollten ermächtigt werden, neben der Strafe auf preventive detention von unbestimmter Dauer zu erkennen, die von der Exekutive ("His Majesty's pleasure") terminiert werden sollte58• Das Parlament stimmte den Zielen der Vorlage zu, aber in zwei Punkten traf die Regierung auf hartnäckigen Widerstand. Der eine war die unbestimmte Verurteilung, zu der einer der gemäßigten Kritiker, Lord Robert Cecil, meinte, daß in diesem Versuchsstadium manches dafür angeführt werden könne, daß diese Maßnahme nicht zehn oder fünfzehn Jahre übersteigen solle59• Während der Ausschußberatungen zwischen der zweiten und dritten Lesung wurde eine Ergänzung vorgenommen, die ein parlamentarisches Prüfungsrecht für jeden Einzelfall nach Verbüßung von zehn Jahren preventive detention vorsah. Auch dagegen war die Opposition so stark, daß Gladstone vorschlug, die unbestimmte Verwahrung durch eine untere Grenze von fünf und eine obere von zehn Jahren zu beschränken60 • Selbst dieser Vorschlag fand keine Billigung. Die verabschiedete Fassung des Gesetzes ermächtigte die Gerichte, im einzelnen Urteil auf eine bestimmte Dauer der Verwahrung, die zwischen fünf und zehn Jahren betragen konnte, zu erkennen. Damit war der Versuch, eine unbestimmte Verwahrung von Rezidivisten zum Schutze der Allgemeinheit einzuführen, fehlgeschlagen. Der zweite Angriffspunkt der Opponenten war die Kumulation von Strafe und Maßnahme. Einige Parlamentarier meinten, daß die Verurteilung zu einer dreijährigen Zuchthausstrafe, wie sie in der Bill als objektive Bedingung vorgesehen war, die Anordnung der Verwahrung erschweren und viele Rezidivisten vor der preventive detention schützen werde61 • Das war durchaus beabsichtigt worden, da nur gefährliche "habituelle Verbrecher" von dieserneuen Maßnahme betroffen werden soll57

58 58 60

61

Parliamentary Debates, 4th ser., vol. 189, col. 1122; vol. 190, col. 499. 8 Edw. 7 Bill 242 of 1908 para. 42 clause 8. Parliamentary Debates, v. 190, c. 513. Parliamentary Debates, v. 198, c. 110. Pickersgill, Parliamentary Debates, v. 190, c. 464.

40

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

ten. Im übrigen ging es um die bei jeder Diskussion der Ein- oder Zweispurigkeit des Strafen- und Maßregelsystems üblichen Fragen. Die Tatsache, daß die vorgesehene Lösung formal den Eindruck einer doppelten Bestrafung erweckte, machte sie besonders unwillkommen. Die Regierung und ihr Innenminister waren diesbezüglich zu keinem Zugeständnis bereit62• Das Gesetz wurde so verabschiedet. Das Gesetz von 1908 und seine praktische Anwendung sind in den Büchern von E. Foltin und N. Morris ausführlich behandelt, so daß hier nur die Verbindung zum Criminal Justice Act von 1948 hergestellt zu werden braucht. Der Prevention of Crime Act (1908) ermächtigte die Gerichte, neben der regulären Schuldstrafe die Verwahrung von bestimmter Dauer zwischen fünf und zehn Jahren zu verhängen. Die Bedingungen, unter denen ein solches Urteil gefällt werden konnte, ergeben sich aus Teil II Sektion 10 des Gesetzes. Es sind folgende: 1. Die Verurteilung wegen eines Verbrechens oder Vergehens (crime), dessen

er angeklagt ist (indictment) 83,

2. ein Geständnis des Angeklagten oder ein Schuldspruch der Jury, daß er ein "habitueller Verbrecher" (habitual criminal) ist, vorausgesetzt, a) daß er seit Vollendung des sechzehnten Lebensjahres wenigstens dreimal wegen eines Verbrechens oder Vergehens (crime) verurteilt worden ist, ohne die jetzt anstehende Straftat, und daß er beharrlich ein unehrliches (dishonest) oder verbrecherisches Leben führt oder b) daß er schon einmal als "habitueller Verbrecher" zu preventive detention verurteilt worden ist; 3. die Anklage muß den Angeklagten als "habituellen Verbrecher" anklagen, und zwar a) kann eine solche Anklage nur mit Zustimmung des Direktors "of Public Prosecutions" erhoben werden, b) wenn sowohl das Gericht, vor dem das Verfahren stattfinden soll, als auch der Angeklagte wenigstens sieben Tage vorher über die Art der Anklage unterrichtet worden sind. c) Dem Angeklagten muß gleichzeitig mitgeteilt werden, auf welche früheren Verurteilungen und anderen Gründe sich die Anklage stützt. 4. Die Verurteilung zu wenigstens drei Jahren Zuchthaus (penal servitude) im anhängigen Verfahren. 5. Das Gericht muß davon überzeugt sein, "daß es aufgrund der kriminellen Gewohnheiten und Lebensweise des Angeklagten im Interesse des Schut82 Gladstone: "Ich bin verpflichtet zu sagen, daß es notwendig werden würde, diesen Teil der Gesetzesvorlage zurückzuziehen", Parliamentary Debates, v. 198, c. 133. 11 Das Wort "crime" wird hier entsprechend der Definition gebraucht, die im Prevention of Crime Act, 1871 enthalten ist.

I. Die Entwicklung bis zur Einführung des geltenden Rechts

41

zes der Allgemeinheit angebracht ist, daß der Täter für eine längere Periode von Jahren verwahrt werden sollte"84• Die Form der preventive detention, wie sie durch den zweiten Teil des Prevention of Crime Act (1908) eingeführt wurde, blieb bis Ende 1948 geltendes Recht. Für die Beurteilung der Bedeutung dieser neuen gesetzlichen Regelung in England muß kurz ein Blick auf den Stand der Gesetzgebung hinsichtlich des Sicherungsrechts gegen Rezidivisten in einigen anderen Ländern geworfen werden. Frankreich machte im Jahre 1885 mit der Einführung einer besonderen Strafe für bestimmte Gruppen von Rezidivisten als einer "peine complementaire coloniale perpetuelle" den Anfang. Dieser Versuch, das Problem durch Deportation in die Kolonien zu lösen, war historisch verspätet und hat auch kein weiteres Interesse erregt65 • Norwegen führte als erstes europäisches Land mit § 65 des Norwegischen Strafgesetzbuches eine reine Sicherungsmaßregel im modemen Sinne ein. Der Widerstand dagegen war aber so groß, daß sie in den nächsten 20 Jahren nur zweimal angewandt wurde66 • Tatsächlich Anwendung fand die im Jahre 1906 in Neu-Süd-Wales/ Australien eingeführte Regelung67 • Der Habitual Criminal Act nennt fünf Gruppen von Delikten, deren wiederholte Begehung zu einer zusätzlichen Strafe führen soll. In den Gruppen eins bis vier sind gegen die Person im weitesten Sinn gerichtete Delikte aufgezählt, vor allem die Gefährdung von Leib und Leben, die Androhung von Körperverletzungen, gewisse Sexualdelikte und einige Delikte im Zusammenhang mit der Abtreibung. Die fünfte Gruppe besteht aus einer langen Liste von Vermögensdelikten, jedoch muß eine Straftat aus den Gruppen eins bis vier hinzukommen. Hinsichtlich der fünften Gruppe unterscheidet sich das Gesetz in bemerkenswerter Weise von den später in Europa eingeführten Regelungen. Das bedeutet, daß Vermögensdelikte niemals allein ausreichen, einen Täter für diese Strafe zu qualifizieren. Hätte es in England oder in Deutschland ein entsprechendes objektives Erforder64 Eine ausführliche Wiedergabe des Gesetzes findet sich in der Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher, No. 27, S. 89 ff. 65 Für Einzelheiten s. Morris, S.175f. Auch R. Heindl, Meine Reise nach den Strafkolonien, Berlin-Wien 1913, bes. S. 209ff., sah die Deportation sehr kritisch; siehe auch Heindl, R., "Straftheorie und Praxis" im Jb. d. Charakterologie, Bd. 1, Berlin 1924, S. 91 ff. ee Ebenda. 67 Morris, S. 87 ff.

42

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

nis gegeben, so wäre der größte Teil der Kleinkriminellen unter den Verwahrten niemals in die Verwahrung gelangt68 • Deutschland befand sich zu diesem Zeitpunkt mitten in der Diskussion um das Maßnahmerecht Das Strafgesetzbuch enthielt einige wenige spezielle Rückfallvorschriften, die durchaus auf dem Boden des reinen Schuldstrafrechts standen. Gemessen an dem Stand der Gesetzgebung in anderen europäischen Ländern übernahm England mit der Verabschiedung des Prevention of Crime Act (1908) die Führung in der Entwicklung eines stärker am Strafzweck, besonders der Vorbeugung, orientierten Strafsystems. Für eine abschließende Beurteilung des zweiten Teiles dieses Gesetzes könnten noch mehrere Gesichtspunkte als Maßstab dienen. Einige sollen im nächsten Abschnitt Berücksichtigung finden. Hier seien nur zwei kriminalpolitische Gesichtspunkte kurz erwähnt, einmal die Auswirkung auf die in England und Wales begangenen Straftaten und zweitens die Auswirkung auf das strafbare Tun entlassener preventive detainees. Ob die preventive detention eine generalpräventive Wirkung gehabt hat, läßt sich nicht feststellen. Die Kriminalstatistik weist kein Absinken der Straftaten aus. Das konnte bei der durchschnittlichen Dauer und dem Umfang der Anwendung dieser Maßnahmen auch nicht erwartet werden69. Nach wenigen Jahren verringerte sich die Zahl der dazu Verurteilten drastisch, so daß es im Jahre 1946 nur noch 36 detainees beiderlei Geschlechts in England und Wales gab70 • Die geringe Zahl der Rezidivisten, die als "habituelle Verbrecher" angeklagt und zu preventive detention verurteilt wurden, mag sich daraus erklären, daß die Zweispurigkeit als "doppelte Bestrafung" allgemein mißbilligt wurde. Hinzu kommt die Tatsache, daß es im Interesse des Schutzes des einzelnen einige verfahrenstechnische Komplikationen gab, die der Polizei als dem Ankläger Schwierigkeiten machten, so insbesondere die einzuholende Genehmigung des Director of Public Prosecutions für eine solche Anklage und die rechtzeitige Information des Gerichts und des Angeklagten71 • Hinsichtlich des zweiten Gesichtspunktes stimmen alle Beobachter darin überein, daß 80 bis 90% der entlassenen oder vorläufig entlassenen detainees erneut verurteilt wurden72 • 68 Weitere Literatur bei Grünhut, The Treatment, S. 68, N. l und Morris, Kapitel III und IV. 68 So auch Grünhut, The Treatment, S. 74. 70 Report of the Prison Commissioners 1947, S. 32; Statistik der Verurteilten unter diesem Gesetz im Anhang B 2. 71 In England erfolgt auch in schweren Straffällen die Hauptverhandlung regelmäßig sehr bald nach der Ergreifung des Täters. 72 Grünhut, The Treatment, S. 74ff.; Morris, S. 78.

II. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte

43

Die hohe Straffälligkeitsquote entlassener Verwahrter ist jedoch kein Beweis für das Versagen der preventive detention. Sie ist eingeführt worden, um weitere Straftaten solcher Menschen durch Einsperrung zu verhindern, die vorher aus dem normalen Vollzug nach Verbüßung der Strafe entlassen werden mußten, obwohl zu erwarten war, daß sie bald erneut straffällig werden würden. Dieses Ziel hat sie erreicht. Eine weitergehende spezialpräventive Wirkung war und ist von der Verwahrung nicht zu erwarten. Die entscheidende und, wie wir am Ende dieser Arbeit sehen werden, zum Teil positiv zu beantwortende Frage ist vielmehr: Gibt es nicht ebenso wirksame, die persönliche Freiheit weniger beschränkende und billigere Mittel zur Bekämpfung des Rezidivismus? Der wichtigste Fehler des Gesetzes war, daß trotz der vermeintlich strengen Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel, ein großer Teil der Verwahrten aus häufig rezidivierenden Kleinkriminellen bestand. Die weitere Entwicklung dieser ersten Verwahrung in England ergibt sich aus den Reformarbeiten, die schließlich zu einer vollständigen Umgestaltung der preventive detention im Criminal Justice Act (1948) führten.

II. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte 1. Das geltende deutsche Rerht und seine gerirhtliche Auslegung

a) Die §§ 20 a, 42 e ff. des Deutschen Strafgesetzbuches Das heute in Deutschland gültige Sicherungsrecht gegenüber Rezidivisten ist durch das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 19331 zusammen mit einer Reihe anderer bessernder und sichernder Maßregeln in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. Das Gesetz folgt dem dualistischen Prinzip des Entwurfes 1927, in dem es eine straferschwerende Rückfallvorschrift (§ 20 a StGB) und darauf aufbauend die Sicherungsverwahrung (§ 42 e StGB) einfügt2 • Daß die Strafschärfung und die Sicherungsverwahrung in der Idee keine spezifisch nationalsozialistischen Gedanken sind, wird schon durch ihre lange 1 Reichsgesetz vom 24. 11. 1933 gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln zur Sicherung und Besserung (RGBL I, 995; mit dem Ausführungsgesetzdazu vom 24. 11. 1933- RGBL I 1.000). 2 Daneben wurde für gefährliche Sittlichkeitsverbrecher die zwangsweise Entmannung eingeführt, die durch Art. I KRG Nr . 11 aufgehoben worden ist.

44

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

Vorgeschichte deutlich3 • Ob jedoch das damalige politische Gedankengut die konkrete Ausgestaltung der Paragraphen beeinflußt hat, ist damit noch nicht gesagt. Für die Beantwortung dieser Frage ist ein Vergleich der Bestimmungen des Gewohnheitsverbrechergesetzes mit denen des amtlichen Entwurfs 1927 aufschlußreich. Dabei haben wir von § 20 a StGB auszugehen, weil die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 42 e StGB eine Verurteilung danach voraussetzt. § 20 a StGB4 ist eine Strafverschärfungsvorschrift5. Die gesetzlich vorgesehene Strafe für das konkrete Delikt, daß der Rezidivist begangen hat, ist nach Abs. 1 zu erhöhen, wenn der Täter: 1. schon zweimal wegen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehens rechtskräftig zum Tode, zu Zuchthaus oder Gefängnis von mindestens 6 Monaten verurteilt worden ist,

2. durch eine neue vorsätzliche Tat eine Freiheitsstrafe verwirkt hat, 3. die Gesamtwürdigung der Taten ergibt, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, 4. zwischen dem Eintritt der Rechtskraft der früheren Verurteilung und der folgenden Tat nicht mehr als fünf Jahre vergangen sind. Die Zeit einer Strafverbüßung oder Verwahrung auf behördliche Anordnung wird nicht mitgerechnet; kann nach Abs. 2 erhöht werden, wenn der Täter: 1. mindestens drei vorsätzliche Taten begangen hat,

2. die Gesamtwürdigung der Taten ergibt, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist und 3. zwischen der früheren Tat oder der Rechtskraft des auf sie folgenden Urteils und der folgenden Tat nicht mehr als fünf Jahre vergangen sind. Die Zeit der Strafverbüßung oder Verwahrung in einer Anstalt auf behördliche Anordnung wird nicht mitgerechnet. Soweit die neue Tat nicht mit schwererer Strafe bedroht ist, ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren und, wenn die neue Tat auch ohne die 3 Siehe oben 1. Teil I 1 b, dazu auch die Beschlüsse der deutschen Landesgruppe der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung von 1922 und 1931 - im Arch.Krim. Bd. 74, S. 287 ff., Bd. 89, S. 76 ff.; so auch § 42 e BGH LM 3 - Urt. v. 5. 3. 51 - 3 StR 33/51 - . ' Für den vollständigen Wortlauts. Anh. A 1. 5 Auf das umstrittene Problem, ob der Grund der Straferhöhung in erhöhter Schuld oder in der Gefährlichkeit des Rezidivisten zu sehen ist, soll hier nicht eingegangen werden. Für Literaturnachweise s. Maurach, Allgemeiner Teil, S. 727 f.

II. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte

45

Strafverschärfung ein Verbrechen wäre, auf Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen. § 42 e StGB bestimmt: "Wird jemand nach§ 20 aalsein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert." Für die Anordnung der Sicherungsverwahrung müssen folglich zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Der Rezidivist muß: 1. nach § 20 a StGB als ein "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher" verurteilt worden sein (damit werden alle Voraussetzungen des § 20a auch zu Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung), und

2. die öffentliche Sicherheit muß seine Verwahrung neben der Strafe erfordern. Das Gewohnheitsverbrechergesetz knüpft, wie auch schon der Entwurf von 19276 , die Anordnung der Sicherungsverwahrung an die Verurteilung als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher nach der allgemeinen strafschärfenden Rückfallsvorschrift7 •

§ 20 a Abs. 1 StGB und § 78 Abs. 1 des Entwurfs 1927 entsprechen sich beinahe wörtlich und dennoch ist ihr Sinn völlig verschieden. Während im Entwurf 1927 die Voraussetzungen Mindestvoraussetzungen waren, bei deren Vorliegen das Gericht die Strafe schärfen konnte, ist das Gericht nach § 20 a Abs. 1 bei deren Vorliegen zur Strafschärfung verpflichtet. Einem fähigen Richter wird es allerdings immer möglich sein, die "Gewohnheitsverbrechereigenschaft" oder die Gefährlichkeit zu verneinen, wenn er eine Strafschärfung im konkreten Fall für unangebracht hält. Daher ist diese im § 20 a Abs. 1 StGB eingeführte Verschärfung nicht so gravierend8 • Für§ 20 a Abs. 2 StGB, der das gesetzliche Mindesterfordernis auf drei vorsätzliche Taten- möglicherweise auch drei Übertre59 und § 78. Diese Verkoppelung ist von verschiedenen Seiten kritisiert worden. So etwa Exner, F., ZStW., 53, S. 629 ff. (655). Geht man von einer strengen Zweispurigkeit aus, so wird man Exner zugeben müssen, daß eine solche Verquickung entweder zur Einengung der Strafschärfung für den Rückfall oder zur Ausweitung der Anwendung der Sicherungsverwahrung führen muß. Soll die erhöhte Rückfallstrafe durch erhöhte Schuld gedeckt sein, so kommt es allein auf die Verwerfbarkeit des Rückfalls an, für die Sicherungsverwahrung ist aber die Gefährlichkeit eines Täters maßgebend, die sich um des Schutzes der Freiheit des Individuums willen stark manifestiert haben muß. Es handelt sich um zwei Dinge, die sachgemäßer getrennt behandelt werden, zumal die Anordnung der Sicherungsverwahrung als einer außerordentlichen Maßnahme des Strafrechts an besonders strenge Voraussetzungen zu binden ist. 8 So auch Gerland in Festschr. für Hübner, S. 20, Exner, ZStW., 53, S. 651. o §

7

46

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

tungen9 - herabsetzt, gibt es im Entwurf 1927 kein Gegenstück. Die Festlegung einiger Mindestvoraussetzungen haben den Zweck, die richterliche Freiheit bei der strafschärfenden Verurteilung als "Gewohnheitsverbrecher" und besonders der Anordnung der Sicherungsverwahrung einzuschränken und damit die Freiheit des Individuums zu schützen. Dieser Zweck ist mit dem Erfordernis dreier vorsätzlicher Straftaten nicht erreicht, insbesondere kann nicht mit hinreichender Sicherheit von einem Angeklagten, der noch nie eine Strafe verbüßt hat, gesagt werden, daß eine strenge Strafe ihn nicht an weiteren Straftaten hindern werde und daher seine Verwahrung im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich seP 0 • Der wesentliche Unterschied zwischen dem Entwurf 1927 und den durch das Gewohnheitsverbrechergesetz eingeführten Paragraphen 20 a, 42 e StGB liegt in der fast völligen Vernachlässigung des Schutzes des Individuums, insbesondere durch die Herabsetzung der Mindesterfordernisse, und in der Betonung des Interesses der Gemeinschaft. Darin liegt eine kollektivistische Tendenz, die dem nationalsozialistischen Gedankengut, wenn auch nicht nur diesem, entspricht, dagegen zum Geist des Grundgesetzes nicht paßt. Noch stärker trat diese Tendenz in den Bestimmungen über die Anordnung der Sicherungsverwahrung - in schon abgeurteilten Fällen, dem Art. 5 Ziff. 2 des Gewohnheitsverbrechergesetzes in Verb. mit Art. 14 des Ausführungsgesetzes hervor11 . Danach konnte die Sicherungsverwahrung auch gegen solche Rezidivisten angewendet werden, die nach dem 1. Januar 1934 aufgrund einer früher verhängten Strafe noch in Haft waren. Das Gesetz war insoweit rückwirkend, weil dadurch die Rechtsfolgen für vor seinem Inkrafttreten begangene und abgeurteilte Taten verschärft wurden. Zur Dauer der Verwahrung, die, wie schon in dem Entwurf 1927, vom Gericht erster Instanz zu überprüfen ist, brachte das Gesetz eine wesentliche in der Sache wohl richtige Neuerung. Obwohl nach dem Entwurf die Sicherungsverwahrung so lange dauern sollte, wie es ihr Zweck erfordert, war durch § 60 Abs. 3 des Entwurfs vorgesehen, daß sie drei Jahre nur übersteigen dürfe, "wenn das Gericht sie vor Ablauf dieser Frist von Neuern für zulässig erklärt oder anordnet". Dagegen geht§ 42f. Abs. 3 StGB von einer unbegrenzten Dauer aus und fordert mindestens alle drei Jahre eine gerichtliche Überprüfung, ob der Zweck der Maßg

10

Exner, ZStW 53, S. 652. So auch schon Exner, F., ZStW 53, S. 651 ff. (54). Dagegen läßt sich nicht

einwenden, daß kein Richter die Sicherungsverwahrung anordnen würde, wenn der Angeklagte nur drei vorsätzliche Bagatelldelikte begangen habe und nicht vorbestraft sei. Durch das Gesetz ist diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen worden. 11 RGBl. I, S. 1.000.

II. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte

47

nahme erreicht ist. Das ist nach der bisher herrschenden Meinung nicht nur eine formelle Veränderung, sondern hat die Bedeutung der Umkehrung der Beweislast12.

b) Die Rechtsprechung zu den §§ 20a, 42e StGB a) Historisches

Seit der Einführung der Sicherungsverwahrung vor reichlich 30 Jahren sind etwa 18.000 Rezidivisten13 dazu verurteilt worden, davon 15.000 bis 16.000 vor 194514. Die Verurteilungsstatistik bezüglich der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat großen Schwankungen unterlegen15, die hier nur in groben Zügen dargestellt werden können18. Nach der ersten großen Verurteilungswelle, die sich aus einem vermeintlich großen Nachholbedürfnis17 und aus Verurteilungsfreudigkeit der unteren Gerichte erklärt, sank die Zahl der jährlichen Anordnungen der Sicherungsverwahrung bis 1937. Das Reichsgericht war über die hohen Verurteilungsziffern beunruhigt. Es trat für eine restriktive Anwendung des Gesetzes ein, indem es eine ganze Reihe von Entscheidungen aufhob18. Wenn die Zahl der Verurteilungen ab 1938, besonders aber ab 1939 bemerkenswert stieg, so kann man dies nicht damit begründen, daß damals schon entlassene Sicherungsverwahrte wiederverurteilt wurden, obwohl solche Fälle ungefähr zu dieser Zeit erstmalig auftreten konnten. Vielmehr ist anzunehmen, daß die 1938 seitens des Staates verstärkte Kampagne gegen die restriktive Praxis der Justiz ihren Eindruck nicht verhehlt hat. Nachdem sich das Reichsjustizministerium kritisch geäußert hatte19, und mit der Ausführungsverordnung über "Strafsachen gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher"20 zu rücksichtslosem 12 Siehe auch die Begründung zum Entwurf 1927, S. 48, dazu näher unten 3. Teil I 3 (bes. N 76). 1a Hellmer, J., ZStW 73, S. 441. 14 Ebenda, S. 442. 15 Siehe Anh. B 1 und 2. 16 Ausführlicher dazu: Hellmer, Gewohnheitsverbrecher, S. 293ff. 17 Das Nachholbedürfnis wurde einmal durch die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung bei nach dem 1. Jan. 1934 noch eine Freiheitsstrafe verbüßenden Rezidivisten und bei der erneuten Verurteilung früher nur zu kurzen Freiheitsstrafen Verurteilter im Jahre 1934/35 befriedigt. 1s So etwa RGSt. 68, 149 ff. 19 Freissler, R., Fragen der Sicherungsverwahrung, in: DJ.l938, S. 626ff., (626, 627). 20 Strafsachen gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher, A.V. d. R.J.M. vom 3. 3. 1938 (4012-IIa2 239), D.J. 1938, S. 323.

48

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

Kampf gegen das Gewohnheitsverbrecherturn aufgefordert hatte, nahm die Verurteilungsbereitschaft der Gerichte zu21 • Nach 1945, als die Weitergeltung des Gesetzes zweifelhaft war und die Gerichte aus rechtsstaatliehen Bedenken gegenüber der Maßregel in ihren Urteilen mehr Zurückhaltung übten22 , wurde das Gesetz wenig angewandt23. Seitdem steigen die Verurteilungen langsam wieder, aber sie bleiben dennoch weit unter den Verurteilungszahlen während der ersten fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Gewohnheitsverbrechergesetzes. Die großen Schwankungen in der Verurteilungspraxis der Gerichte waren weitgehend von politischen und anderen außerstrafrechtlichen Momenten abhängig24 • Diese Möglichkeit beruht vor allem auf der unzulänglichen Begrenzung der Anwendbarkeit der Sicherungsverwahrung im Gewohnheitsverbrechergesetz. Der § 20 a erfaßt schon an seinen formellen Voraussetzungen gemessen, einen zu weiten Täterkreis, dazu war und ist nicht geklärt, was ein "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher" ist25, welche kriminologischen Typen damit gemeint sind. Folglich unterlag die Anwendung der Sicherungsverwahrung dem äußeren Stimmungswandel besonders. Diese rechtsstaatliche Unsicherheit scheint zwar im Augenblick nicht gefährlich zu sein, aber sie enthält eine latente Gefahr26 .

ß) Die objektiven Voraussetzungen Die Rechtssprechungspraxis der unteren Gerichte läßt sich hier nicht auswerten, ihre Ergebnisse können wir aber durch Untersuchungen größerer Gruppen von Verwahrten beurteilen27• Hier soll vornehmlich die heute gültige oder doch wenigstens herrschende Ansicht bei der gerichtlichen Anwendung der §§ 20 a, 42 e StGB dargestellt werden. Dafür wird auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs 21 Hinzu kommt auch, daß nun mit der Schutzhaft in solchen Fällen gearbeitet wurde, wo die Gerichte sich weigerten, die Sicherungsverwahrung anzuordnen oder kriminelles Verhalten nur vermutet wurde, aber nicht nachweisbar war. 22 Nach Wahl, DRiZ.1951, S. 97, gab es 1951 im ganzen Bundesgebiet nur 150 Sicherungsverwahrte. 28 So auch Hellmer, ZStW 73, S. 441 ff. (445) und Hall, ZStW 70, S. 41 ff. (42). 24 Ebenso HellmeT aa.O. 25 Der "gefährliche Gewohnheitsverbrecher" hat als kriminologischer Typus niemals existiert, s. Hellmer, ZStW. 72, S. 397 ff. (400), Seelig-Bellavic, S. 63 ff. (64). 26 Dazu auch Schmidt, Eb., Kriminalpolitische und strafrechtsdogmatische Probleme der dt. Strafrechtsrefonn, in: ZStW 69, S. 359. Er weist darauf hin, daß nach den Erfahrungen der Vergangenheit die Beschäftigung mit den rechtsstaatliehen Problemen im Strafrecht erforderlich sei. 27 Dazu 2. Teil.

II. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte

49

und soweit erforderlich auch Äußerungen in der einschlägigen Literatur eingegangen. Auf Grund der früheren Feststellung, daß die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen für die Verurteilung als "gefährliche Gewohnheitsverbrecher" und die Anordnung der Sicherungsverwahrung nur ganz minimal sind, brauchen von der dazu vorliegenden Rechtsprechung nur einige wenige Probleme angeschnitten zu werden. Die Verurteilung nach § 20a StGB muß klar ergeben, ob sie nach Abs.l oder dem subsidiären28 Abs. 2 erfolgt29 • Bei der Verurteilung nach Abs. 1 muß - meist handelt es sich ohnehin um erheblich mehr als drei Straftaten und Verurteilungen- die zweite und dritte Straftat, auf die sich das Urteil stützt, jeweils nach rechtskräftiger Verurteilung wegen der vorhergehend begangenen Straftat begangen sein30, und bei zwei Vortaten jeweils auf Todesstrafe oder Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten erkannt worden sein3 t, damit der Rezidivist schon Erfahrungen mit dem Ernst des Strafrechts gemacht hat. Die Strafen brauchen allerdings nicht verbüßt worden zu sein32 • Eine Verringerung der Mindesterfordernisse wird man darin sehen müssen, daß die Rechtsprechung mit Unterstützung der überwiegenden Lehre eine Gesamtstrafe von mindestens sechs Monaten als hinreichende Vorstrafe angesehen hat, wenn wenigstens eine der abgeurteilten Taten ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen war33 , denn damit kann eine Serie von Bagatelldelikten dadurch, daß eines formal ein Vergehen ist, eine ausreichende Vorstrafe ergeben, auch wenn die Einsatzstrafe für dieses wesentlich unter sechs Monaten lag. Auch die zur Aburteilung stehende neue Straftat muß, obwohl das in § 20a Abs. 1 nicht wörtlich gesagt ist, ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen sein3', für das Freiheitsstrafe verwirkt RG JW 1934, S. 3201; RGSt 76, 323. RG DR 1940, S. 682. 80 RGSt. 68, 149 (151), 427 (428); BGHSt. 7, 179; BGH NJW 1955, S. 799, Schönke-Schröder, 13. Aufl., 20 a, N 13, Jagusch im Leipziger Kommentar, § 20 a, Anm. III 1 a, anders nur Schäfer-Schafheutte, in: Pfundtner - Neubert Ilc 10, S. 4. 31 Eine Maßnahme wie die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt reicht nicht aus, RG DJ. 1939, S. 479, wohl aber Jugendgefängnis (§ 4 RJGG) oder Jugendstrafe (§§ 17 bis 19 JGG, BGHSt. 12, 129, Bay.ObLGSt. 1960, 271 (272), offen gelassen in BGHSt. 21, 11). Im englischen Recht gelten als Vorstrafen nur solche Strafen, die nach Vollendung des 17. Lebensjahres verhängt worden sind. 82 RG JW 1939, S. 29. 88 RGSt. 68, 145 (151); Schönke-Schröder § 20a, Nr. 14; Jagusch in: Leipziger Kommentar § 20 a Anm. III 1 a. 84 Das ergibt sich sowohl aus den erforderlichen Vortaten als auch aus Abs. 4, wonach ausländische Verurteilungen deutschen gleichstehen, wenn die 28

2&

4 Ge1sler

50

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

ist. Ob eine Freiheitsstrafe verwirkt ist, hat das Gericht durch "hypothetische Strafenbildung" ohne Berücksichtigung des § 20 a festzustellen35• Formelle Voraussetzung für eine Verurteilung nach § 20 Abs. 2 sind nur drei vorsätzliche Taten. Theoretisch könnten es auch drei vorsätzliche Übertretungen sein36• Eine Einschränkung läßt sich dadurch erreichen, daß man den unzulänglichen Gesetzestext aus seinem Sinn - den Rezidivisten nicht dafür zu prämiieren, daß er es verstanden hat, sich für längere Zeit dem Zugriff der Justiz zu entziehen37 - ergänzt. Danach dürften dann entsprechend der Regelung in Abs. 1 nur Verbrechen und vorsätzliche Vergehen gerechnet werden, die das Gericht bei "hypothetischer Strafenbildung" mit mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe ahnden würde. Rechtsprechung und herrschende Lehre haben für eine Verurteilung nach§ 20a Abs. 2 drei Verbrechen oder vorsätzliche Vergehen verlangt88, aber ein Feriensenat des Reichsgerichts entschied, daß gegen die Zählung einer mit Geldstrafe geahndeten Tat keine rechtlichen Bedenken bestünden39, d. h. daß geringfügige Vergehen ausreichen sollen. Die §§ 20 a, 42 e StGB enthalten selbst keine untere Altersgrenze ihrer Anwendbarkeit. Ob ein Heranwachsender als Gewohnheitsverbrecher nach § 20 a zu behandeln sei, ist vom Reichsgericht widersprüchlich entschieden worden40 • Mit Rücksicht auf die Folgen einer solchen Klassifiabgeurteilten Taten nach deutschem Recht vorsätzliche Vergehen oder Verbrechen wären, RGSt. 73, 321; s. auch Hellmer, Gewohnheitsverbrecher, S. 29, Nr.2. 35 RGSt. 76, 310 (312); Schönke-Schröder, § 20 a Nr. 15, J agusch, in: Leipziger Kommentar, 8. Aufl. § 20a Anm. III 1 d; anders Schäfer-Schafheutle, in: Pfundtner-Neubert II c-10, S. 5, diese Ansicht widerspricht aber der gesetzlichen Regelung, wonach eine Freiheitsstrafe, die aufgrund der Tat verwirkt ist, erhöht wird. 36 Worauf Exner, F., ZStW, 53, S. 652 hinweist. 37 So der damalige Reichsjustizminister Dr. Gürtner in Arch. Krim. 93, s. 197 ff. (199). 38 RGSt. 73, 321 nimmt ausdrücklich gegen die Einbeziehung von Übertretungen in die drei Straftaten Stellung. Der Senat beruft sich darauf, daß eine andere Auslegung nicht dem Zweck des § 20 a entspreche und weist darauf hin, daß einmal ausländische Verurteilungen nur zählen, wenn die Straftaten in Deutschland Verbrechen oder Vergehen wären(§ 20a Abs. 4), daß außerdem bei der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung (Art.5 Nr. 2 S. 2 Gewohnheitsverbrechergesetz) drei Verurteilungen wegen Verbrechens vorliegen müßten. So auch die herrschende Lehre; anders Katter, JW 1934, S. 85, 86, der Übertretungen ausreichen lassen will, wenn wenigstens zwei, evtl. auch nur ein Vergehen dabei ist. Erneut bestätigt in BGHSt. 19, 98 (101). 3 9 RG JW 1934, S. 2691 mit Anm. Hafner; deshalb ist es mit Einschränkung richtig, daß Hellmer, ZStW 73, S. 441 ff. (449) ausführt, daß RG und BGH keine einheitlichen Maßstäbe erarbeitet hätten. 40 RG HRR 1940 Nr. 33 für Behandlung als gefährliche Gewohnheitsverbrecher; RG DR 1943, S. 747 lehnt es im gegebenen Fall ab.

II. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte

51

zierung ist eine derartige Verurteilung abzulehnen. Die Sicherungsverwahrung ist durch § 7 JGG. für Jugendliche unter 18 Jahren ausgeschlossen. Danach hat auch die Rechtsprechung die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht einzuengen vermocht. Bei einer sehr großen Zahl von Rezidivisten liegen sie vor. 1956 gab es im Bundesgebiet 41.747, 1960 sogar 49.893 Verurteilte über 21 Jahre, die mindestens viermal zuvor wegen Verbrechens oder Vergehens verurteilt worden waren. Somit hängt die Anordnung der Sicherungsverwahrung hauptsächlich von den Kriterien ab, bei deren Vorhandensein die Rechtsprechung einen Rezidivisten zum "gefährlichen Gewohnheitsverbrecher" erklärt hat und die dessen Verwahrung neben der Strafe im Interesse der öffentlichen Sicherheit notwendig erscheinen lassen. y) Die Merkmale des "gefährlichen Gewohnheitsverbrechers"

und die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Interesse der öffentlichen Sicherheit

Formal handelt es sich dabei um drei Elemente: 1. die Eigenschaft, Gewohnheitsverbrecher zu sein,

2. die Gefährlichkeit, 3. die Erforderlichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Interesse der öffentlichen Sicherheit. Schon früher haben wir darauf hingewiesen, daß das Wort Gewohnheitsverbrecher keinen kriminologischen Typus repräsentiert, sondern eine der vielen Bezeichnungen ist, mit denen man versucht hat, Rezidivisten oder Gruppen daraus zu umschreiben41 • Gewohnheitsverbrecher werden den Gelegenheitsverbrechern gegenüber gestellt. Exner hat das Begriffspaar in folgender Weise zu kennzeichnen versucht: "Innerhalb der weit größeren Gruppe der Zustandsverbrecher, die sich alle durch eine in der Persönlichkeit begründete Neigung zum Verbrechen auszeichnen, hebt sich der Gewohnheitsverbrecher dadurch heraus, daß die Neigung bereits zum eingewurzelten Hang geworden ist42 . " "Der Gewohnheitsverbrecher hat die inneren Hemmungen schon überwunden, die für den Gelegenheitsverbrecher bezeichnend sind43." 41 Dazu Mayer, H., Typologie der Gewohnheitsverbrecher, in: Kriminalbiologische Gegenwartsfragen, Heft 5, 1962, S. 135 ff. (137 ff.). 42 Kriminologie, S. 289. 43 Ebenda, S. 290.

4*

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

52

Diese Definition enthält keine an Tatsachen ohne Gutachten nachprüfbaren Elemente. Auch die für die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs grundlegende Umschreibung liegt auf dieser Ebene, indem ausgeführt wird: "Gewohnheitsverbrecher ist also eine Persönlichkeit, die infolge eines auf Grund charakterlicher Veranlagung bestehenden oder durch Übung erworbenen Hanges wiederholt Rechtsbrüche begeht und zur Wiederholung von Rechtsbrüchen neigt"." Diese Formulierung enthält nur ein objektiv feststellbares Merkmal, nämlich die wiederholt begangenen Straftaten. Der innere Hang und die Erwartung weiterer Straftaten für die Zukunft - eine Prognose müssen aus feststellbaren Tatsachen und dem im Verfahren gewonnenen persönlichen Eindruck von dem Angeklagten erschlossen werden45 • Da sich die Definition des Gewohnheitsverbrechers nicht nur auf eine Reihe schon begangener Rechtsbrüche bezieht, sondern die Erwartung weiterer Delikte impliziert, muß mit dem Wort "gefährlich" des § 20a StGB etwas gemeint sein, das darüber noch hinausgeht. Die Rechtsprechung hat von Anfang an die Gefährlichkeit in einer zu erwartenden erheblichen Störung des Rechtsfriedens gesehen46 • Der dritte Gesichtspunkt: Erforderlichkeit im Interesse der öffentlichen Sicherheit, enthält keinerlei Anhaltspunkte für eine Auslegung. Die Definition, die das Reichsgericht für diesen Begriff gefunden hat, besagt folgendes: Die Gefahr, die von dem Verurteilten ausgehe, müsse so groß sein, daß dadurch der Bestand der die öffentliche Sicherheit gewährleistenden Rechtsordnung unmittelbar bedroht werde und eine wirksame Abhilfe für die Zukunft im Interesse ihrer Aufrechterhaltung geboten und auf andere Weise als durch die Sicherungsverwahrung nicht zu erreichen sei47 • Diese Definition genügt nicht, um zu zeigen, daß für § 42 e irgendetwas über § 20a Hinausgehendes erforderlich ist. Nach der von der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre gegebenen Erklärung über die Gefährlichkeit, müßte jeder als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher abgeurteilte Täter auch die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung RGSt. 68, 149 (157); ebenso 72, 259 (260). Wie noch zu zeigen ist, ist durch die Annahme eines "inneren Hanges" - Hangtäter im Entwurf 1962- eine den Sachverhalt nicht treffende Formulierung. 46 RGSt. 72, 356 (357); nach BGHSt. 1,99 müssen sowohl die abgeurteilten als die zu erwartenden Taten eine erhebliche Verletzung des Rechtsfriedens darstellen. 47 RGSt. 68, 150 (157). 44 45

II. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte

53

erfüllen 48 • Der einzige Gesichtspunkt, der für neue Differenzierungen Raum gibt, liegt darin, daß die Frage nach der Gefährlichkeit im Rahmen des§ 20a StGB im Zeitpunkt des Urteils gestellt ist49 , während für die Frage, ob ein Angeklagter zur Sicherungsverwahrung verurteilt werden soll, die voraussichtliche Gefährlichkeit zum Zeitpunkt des Endes der StrafverbüBung bei Urteilsfällung gewertet werden muß50• Der Grund für diese Ansicht des Reichsgerichts, der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat, ist darin zu sehen, daß die Anordnung der Sicherungsverwahrung als reine Sicherungsmaßnahme für die Zeit nach der StrafverbüBung erforderlich sein muß. Da die Anordnung schon im Strafurteil zu erfolgen hat, muß die Erforderlichkeit für die Zukunft, den Zeitpunkt, in dem die Strafe verbüßt ist, antizipiert werden51 • Wie die Gerichte zu den drei Merkmalen im Einzelfall entschieden haben, wollen wir an einer Reihe von Urteilen prüfen, die nach folgenden Gesichtspunkten geordnet sind: die zur Aburteilung stehende Tat, frühere Taten und Strafen, das Verhalten in der Freiheit, der Schutz der Allgemeinheit. Hier werden nur besonders bemerkenswerte Entscheidungen beispielhaft erwähnt. Häufig haben mehrere der angegebenen Gesichtspunkte einen Einfluß auf die Entscheidung gehabt. 48 Die Urteile, die sich mit der Erforderlichkeit vom Gesichtspunkt der Gefährlichkeit aus befassen, zeigen auch die gleichen Probleme wie diejenigen zur Gefährlichkeit eines Gewohnheitsverbrechers. S. auch Exner, F., ZStW 53, 629ff. 48 Dieser Zeitpunkt ist im Schrifttum umstritten. Diejenigen Autoren, die auf dem Boden der Schuldstrafe stehen (Tatschuld), halten den Zeitpunkt der letzten Tatbegehung für maßgebend. So Bockelmann, Studien zum Täterstrafrecht, 2 S. 56; Nagler in: Leipziger Kommentar, 6. Aufl., § 20 a Anm. II 4; Niethammer, Anm. DRZ 1950, S. 330. Zum gleichen Ergebnis kommt auch H. Mayer, Strafrecht, S. 63. Diejenigen, die den Tatschuldgedanken mehr oder weniger aufgeben, stellen auf den Zeitpunkt der Verurteilung ab, so Mezger, Studienbuch I, S. 275; Schönke-Schröder, § 20a, N. 47, RG. und BGH. 50 RGSt. 68, 150 (157), 385; 72, 356 (357); 73, 303; RG DJ. 1939, S. 269. 51 Häufig wird sich kein Unterschied in der Bewertung der beiden Fragen ergeben (so auch Exner, ZStW 53, S. 653). Diese Tatsache darf aber nicht dazu führen, leicht zu Ungunsten des Angeklagten mit der Begründung zu entscheiden, daß die Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung ja gleich nach Beginn der Verwahrung gerichtlich neu überprüft werden könne (RGSt. 68, 271, (272)) oder gar die Gefährlichkeit für den Zeitpunkt der Strafentlassung als selbstverständlich zu vermuten und den negativen Beweis zu fordern (so RGSt. 72, 356 (357 f.); 73, 303 (305); 74, 217 (219) ). Gegen diese Rechtsprechung, die als Durchbrechung des Grundsatzes: in dubio pro reo, anzusehen ist, hat sich der BGH mit Entschiedenheit gewandt und verlangt, daß mit den Mitteln des ordentlichen Verfahrensrechts die Erforderlichkeit der Sicherungsverwahrung für den Zeitpunkt der StrafverbüBung besonders begründet werden

54

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

(1) Die zur Aburteilung stehende Tat Die Gefährlichkeit eines Rezidivisten kann sich aus der Art seiner Straftaten, die er regelmäßig begeht, sie kann sich aber auch aus den Begleitumständen der Tatbegehung ergeben, selbst wenn der Schaden im konkreten Fall gering sein sollte. So hat der Bundesgerichtshof die Gefährlichkeit in einem Falle bejaht, indem ein wiederholt wegen Betruges, einfachen und schweren Diebstahls Vorbestrafter wegen Betruges im Werte von 50,- DM verurteilt worden ist, weil der fortgesetzte Betrug eine ständige Einkommensquelle werden sollte und schon während der VerbüBung der letzten Zuchthausstrafe geplant und eingeleitet worden waz-52. (2) Frühere Taten und Strafen Für die Begründung der Annahme, daß bei einem Rezidivisten ein verbrecherischer Hang vorliege, sind eine Reihe von subjektiven Merkmalen herangezogen worden; menschliche Uneinsichtigkeit, gemeinschaftswidrige Gesinnung und starke verbrecherische Energien sind besonders erwähnt63• Diese Gesichtspunkte haben gleichfalls zur Begründung der Gefährlichkeit des Angeklagten gedient54• Hinsichtlich der Beurteilung der inneren Einstellung zur Tat sind die beiden folgenden Fälle wichtig: Das Reichsgericht55 verwies den Fall einer Frau, die nach zweimaliger rechtskräftiger Verurteilung wegen Kindestötung (§ 217 StGB) erneut wegen eines gleichen Deliktes verurteilt worden war, ohne daß das Gericht die Anwendung des §§ 20 a, 42 e StGB erörtert hatte, zur Neuverhandlung an das Landgericht zurück, da, obwohl § 217 StGB von einer besonderen psychologischen Situation ausgehe, nach seiner Meinung in einem Ausnahmefall die Voraussetzungen der §§ 20a, 42e StGB vorliegen könnten. Der Bundesgerichtshof56 hat einen Mann als gefährlichen Gewohnheitsverbrecher angesehen, der, unter Alkoholeinfluß (§51 Abs. 2 StGB wurde angenommen) und in der Affektsituation, aus einer Dorfwirtschaft von den Dorfbewohnern hinausgeworfen worden zu sein, sich an denLeuten in der Dorfwirtschaft unter Gebrauch einer Pistole rächte und auch auf einen Polizisten schoß, und müsse (BGH JZ 1953, S. 673; BGH NJW 1953, 1559, ebenso auch schon RGSt. 68, 150 (157) ). Dieses Problem entsteht bei dem einspurigen englischen System nicht. 52 BGHSt. 1, 95 (99). 53 RGSt. 72, 356 (357); RG DJ 1938, S. 1158. 54 RGSt. 72, 356 f . 55 RGSt. 77, 243. 56 BGHSt. 3, 169.

li. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte

55

der darauf wegen dreifachen Mordes, viermal versuchten Mordes und Totschlags verurteilt worden war. Dabei hat das Gericht besonders auf die labile seelische Verfassung des Täters hingewiesen. Vorstrafen lagen offenbar nicht vor. Beide Entscheidungen sind abzulehnen. Die erste deswegen, weil eine "gewohnheitsmäßige Kindestötung" kaum denkbar ist, jedenfalls aber das Fehlen der besonderen psychologischen Umstände, die Grundlage des § 217 StGB sind, nicht nachzuweisen ist. Im zweiten Fall nähert sich die Entscheidung auf bedenkliche Weise dem Versuch, eine gefährliche Rückfallneigung aus der ersten Straftat ablesen. zu wollen; denn es handelte sich um eine Serie von Taten, die alle zur selben Zeit, am selben Ort aus einer einheitlichen Krisensituation entstanden sind. Bei strengeren objektiven Voraussetzungen für die Verurteilung nach§ 20a hätte das Gericht diese Entscheidung nicht fällen können57 • Die drei Taten, auf die nach § 20 a besonders Bezug genommen wird, müssen alle auf demselben Hang beruhen58, sie müssen "Symptomtaten" sein. Symptomtat heißt aber nicht notwendigerweise Erfüllung desselben Tatbestandes59• Das Reichsgericht hat daher abgelehnt, einen Diebstahlsrezidivisten, der gleichzeitig wegen Paßvergehen verurteilt worden war, auch bezüglich des Paßvergehens als Gewohnheitsverbrecher zu verurteilen, ohne daß einschlägige Vortaten vorlagen~10 • Eine derartige Verurteilung bei Straftaten, die sich gegen völlig verschiedene Rechtsgüter richteten, scheidet folglich aus. Eine Ausnahme bilden aber diejenigen Fälle, in denen es sich um mehrere parallele oder sich ablösende Hauptrichtungen der Kriminalität handelt11 \ deren jede allein die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigt. Dennoch hat der Bundesgerichtshof kürzlich die Entscheidung eines Landgerichts bestätigt, das einen Täter wegen sechs Fällen fortgesetzten Betruges, drei von diesen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und fortgesetzter Blutschande, in Tateinheit mit Unzucht mit Abhängigen, als gefährlichen Gewohnheitsverbrecher verurteilt hatte und alle Taten als symptomatisch 57 Eine zeitlich unbegrenzte Einsperrung war auch zu erreichen, wenn das Schwurgericht von der Milderungsmöglichkeit nach §51 Abs. 2 StGB keinen Gebrauch gemacht hätte. Man konnte die Gefährlichkeit, auf die sich die Argumentation des BGH weitgehend bezieht, als ein Element in den Strafzumessungsgründen hinreichend berücksichtigen. 58 RGSt. 68,150 (156); 72,356 (357); KG JR 1948, S. 164; ausdrücklich vom BGH übernommen in BGH 7 StR 136/54 bei Herlan, W.: Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, in: MDR 1954, S. 528; so auch Exner, ZStW 53, S. 637 ff.; Maurach .I, S. 734. 58 Schönke-Schröder, § 20 a, N. 45. 60 RGSt. 70,214. 61 RG DJ 1934, S. 1351; RGSt. 73, 277; die Tatsache ist neuerdings bestätigt durch Lemberger, S. 38ff.

56

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

für den Hang angesehen hatte, obwohl bei Blutschande nur eine Strafe vorlag. Der Bundesgerichtshof führte dazu aus: "Daß ein Angeklagter als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt wird, setzt nicht voraus, daß die Straftaten, aus denen die Eigenschaft abgeleitet wird, in ihrem Wesen und ihrem inneren Ursprung nach gleichartig sind oder sich gegen dasselbe Rechtsgut richtenß2." Diese Entscheidung geht aus zwei Gründen zu weit. Einmal ist bisher nicht erwiesen, daß es einen einheitlichen Hang zum Verbrechen gleich welcher Art gibt. Es sind nur Rezidivisten bekannt, die in einer oder mehreren Hauptrichtungen immer wieder strafbare Handlungen begehen63 • Daneben mögen noch vereinzelte, ganz andersartige Delikte stehen64 • Auch kann aus Gründen der Rechtssicherheit und des Schutzes der Freiheit des Individuums für die Strafschärfung und besonders die Anordnung der Sicherungsverwahrung doch nur eine einigermaßen bestimmt voraussehbare Gefahr die Begründung abgeben, nicht aber eine völlig vage Möglichkeit wie irgendwelche nicht spezifizierte Delikte. Daher hätte das Gericht die Blutschande weder für die Strafschärfung noch bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung in die Gründe einbeziehen dürfen65 • Die Gefährlichkeit des Rezidivisten wird sowohl in der Art der von ihm begangenen und zu erwartenden Delikte gesehen als auch in den Modalitäten der Deliktsbegehung. Die Tatschwere ist nicht nur nach den Tatbeständen des Gesetzes zu bemessen, sondern auch nach der Schwere der vom Täter zu erwartenden Verstöße66 • Das Reichsgericht hat den Hang zu kleineren Diebstählen und Betrügereien für ausreichend gehalten87• Dagegen hat die Rechtsprechung und die herrschende Lehre heute Stellung genommen. Dennoch hat der Bundesgerichtshof ez BGHSt. 16, 296 (297). 63 Schon Lange, R., Täterschuld und Todesstrafe, in: ZStW 62, S. 175 ff., hat dargetan, was auch die neueren Untersuchungen bestätigen, daß es keinen einheitlichen kriminologischen Typ des "gefährlichen Gewohnheitsverbrechers" gibt. Exner, ZStW 53, S. 652 ff.: "Der Hang muß ein spezifischer sein, ein Hang zu Verbrechensbegehung bestimmter Richtung. Es gibt keinen Hang zu Verbrechen schlechtweg, . . .... 64 Lemberger, S. 38 f. es Die Entscheidung ist von J. Hellmer, NJW 1962, S. 543 vorsichtig kritisiert worden, ebenso Schönke-Schröder, § 20 a, N. 45. Das gleiche Problem stand in R. v. Crehan [1962] All. E. R. I 608 im CCA. zur Entscheidung. Lord Parker, L.C.J., hielt die Anordnung der preventive detention für angemessen, obwohl die neue Straftat (Sexualdelikt)) mit den früheren in keinem Zusammenhang stand, siehe u. 1. Teil II 2 b c5. 88 Schönke-Schröder, § 20 a, N. 34. 87 Für Diebstahl RG DJ 1938, S. 1597; RG JW 1939, S. 87; kleine Betrügereien (z. B. Zechprellereien), RGSt. 68, 98; RG JW 1934, S. 1496; RG HRR 1942, Nr.l2().

li. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte

57

die Gefährlichkeit bei einem Rezidivisten angenommen, der nur wegen Vergehens nach§ 24 StVG (Fahren ohne Führerschein) vor Gericht stand, weil der Täter schon vielfach wegen gleicher Delikte vorbestraft war, mehrfach versucht hatte, sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen und dabei Leben und Gesundheit anderer gefährdet hatte68• (3) Das Verhalten in der Freiheit Die Erwartung der Begehung weiterer Straftaten ist besonders mit der Häufigkeit und schnellen Folge der begangenen Straftaten69 , der Wirkungslosigkeit früherer Freiheitsstrafen -gelegentlich sogar erheblicher Zuchthausstrafen70 - und der Nicht-Ausnutzung vorhandener Arbeitsmöglichkeiten71 begründet worden. Dagegen kann die Tatsache, daß ein Angeklagter Reue zeigt und versucht hat, den angerichteten Schaden wiedergutzumachen auf seine Zugänglichkeit für den Schuldgedanken und eine Besserungsmöglichkeit hinweisen, so daß die Sicherungsverwahrung nicht erforderlich ist72• (4) Der Schutz der Allgemeinheit Die Sicherungsverwahrung darf nach § 42 e StGB nur angeordnet werden, wenn die öffentliche Sicherheit dies erfordert. Dies ist in jedem Einzelfall nachzuprüfen. Da aber während der Zeit, in der der Rezidivist die Strafe verbüßt, Umstände eintreten können, die die von ihm ausgehende Gefahr erheblich mindern könnten, hat dieser Punkt gelegentlich Anlaß zu besonderen Erwägungen gegeben. Die verhängte Strafe mag spezialpräventive Wirkung haben73 • Eine Besserungsmöglichkeit wird man besonders bei jungen Tätern annehmen können74 - es ist dabei an eine Spätreife zu denken- aber auch bei Tätern, die noch nicht oder nur geringfügig Strafen oder Maßnahmen unterzogen worden sind76 • Jedoch sind nur die erzieherischen Wirkungen der verhängten Strafe zu 69 BGHSt. 17,213, abgesetzt gegen BGH NJW 1960, S. 2300, wo das Fahren ohne Führerschein als solches keine erhebliche Gefahr hervorrief; bestätigt und klarer begrenzt in BGHSt. 19, 98; weitere Fälle RGSt. 68, 150 (156); RG JW 1934, S. 2335. Eine teilweise ähnliche Problemstellung enthält der Fall R. v. Higginbothan [1961], Crim. L.R. 723. 80 RGSt. 72, 356 (357); RG JW 1938, S. 2890 Nr. 2; BGHSt. 1,99. 70 RGSt. 72, 356 (357); BGHSt. 1,94 (99). 71 BGHSt. 1,94 (100) RG JW 1938, S. 2890 Nr. 2. 72 RGSt. 68, 174 (175); 68, 150 (157); RG JW 1934, S. 3202. 73 RGSt. 68, 150 (157 f .); 68, 358; 68, 385 (387); RG JW 1934, S. 3200. 74 RG DR 1940, S. 363; BGH MDR 1956, S. 143. 75 Das RG hat (RG JW 1939, S. 29) für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht gefordert, daß schon früher eine Freiheitsstrafe verbüßt worden ist.

58

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

berücksichtigen, nicht die einer in Aussicht genommenen schweren Bestrafung für zu erwartende weitere Straftaten78, da die Sicherungsverwahrung gerade weitere erhebliche Straftaten verhindern soll. Selbst bei Rezidivisten, bei denen das Gericht keine Besserungsmöglichkeiten sah, hat es die Maßregel dann nicht für erforderlich gehalten, wenn Krankheit, Gebrechen oder Rückbildungserscheinungen des Alters sie an der Ausführung weiterer Straftaten voraussichtlich hindern würden77. Die persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die der Verurteilte am Ende seiner Strafe voraussichtlich vorfinden wird, sind berücksichtigt worden78. So hat das Reichsgericht die Aussicht eines Angeklagten, nach der Entlassung zu heiraten, als mögliche Garantie für künftiges Wohlverhalten angesehen79 und auch geeignete Überwachungsmaßnahmen der Polizei oder Familienrückhalt wohlwollendberücksichtigt80. Dagegen ist eine vom Täter während der Hauptverhandlung angebotene freiwillige Reduzierung der Gefährlichkeit (Sterilisierung von Sittlichkeitsverbrechern81 ; Angebot, sich nach der Strafentlassung in ein Blindenheim zu begeben, Deutschland zu verlassen82 ) nicht als hinreichende Sicherung anerkannt worden, da es an einer rechtlichen Möglichkeit, ein solches Verhalten zu erzwingen, fehle. Die Erforderlichkeit der Sicherungsverwahrung ist auch unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob eventuell andere Maßnahmen wie Polizeiaufsicht, Arbeitshaus oder die Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt, milder oder im konkreten Fall angemessener sein können und erstere erübrigen. In der Frage, ob die Anordnung der Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt oder der Sicherungsverwahrung die mildere Maßnahme sei, ist die Rechtsprechung nicht einheitlich. Grundsätzlich werden beide Maßnahmen auf die gleiche Stufe zu stellen sein83. 78 RG HRR 1935 Nr. 1345. Andererseits geht das RG zu weit, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch dann verlangt, wenn das Gericht davon überzeugt ist, daß dadurch die letzte Besserungsmöglichkeit verloren geht, RGSt. 73, 154. 77 RG JW 1934, S. 2058; RGSt. 72, 356 (358). 78 RGSt. 68, 150 (157 f.); 72, 285; RG DJ 1939, S. 269; BGH NJW 1953, S. 673. 79 RGSt. 68,174 (175). Ob die Aussicht- eine Möglichkeit- auf eine Eheschließung schon als ausreichend angesehen werden sollte, muß bezweifelt werden. 80 RGSt. 72, 356 (358), dazu auch die ähnlichen Stellungnahmen des CCA., siehe unten 1. Teil II 2 b C. 81 RG DR 1943, S. 137 Nr. 2; BGHSt. 1, 66 = § 42 e BGH LM. 2. 82 RG HRR. 1939, Nr. 652. 83 BGHSt. 5, 313; OLG Celle, SJZ 1950, S. 510 mit Anm. Sieverts; Anders OGHSt. 1, 190; siehe auch Rechenberg, H., Die Unterbringung der vermindert

II. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte

59

Im Einzelfall kann sich die eine oder andere Maßnahme bei Abwägung ihrer Vor- und Nachteile für den Rezidivisten als milder und auch ausreichend herausstellens4• Die einzelnenhier erörterten Gesichtspunkte sind nur partielle Aspekte einer Persönlichkeit. Für die Entscheidung, ob ein Rezidivist als "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher" anzusehen ist, ist auf Grund gesetzlicher Bestimmungenes eine Gesamtwürdigung der Taten und auf Grund ständiger Rechtsprechung86 eine Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Täters vorzunehmen. Gleiches gilt für die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Die Würdigung führt zu einer Prognose über das zukünftige Verhalten des Rezidivisten. Die damit verbundenen schwierigen Probleme können wir im Rahmen dieser Arbeit nicht eingehend behandeln87 • Die Prognose muß sehr vorsichtig verwendet werden88• Mehr oder weniger genaue Angaben über die Vorstrafen, Lebensbedingungen und Entwicklungsverhältnisse eines Angeklagten können dem Richter unter Zuhilfenahme von Vergleichsfällen immer nur Auskunft darüber geben, wie hoch die Rückfallswahrscheinlichkeit bei Rezidivisten mit solchen Faktoren durchschnittlich ist, aber niemals darüber, ob der vor ihm stehende Angeklagte rückfällig werden wird. Das Gericht muß auf Grund der Prognose und seiner eigenen Menschenkenntnis- beides soll durch die Gesamtwürdigung ermöglicht werden - seine Entscheidung treffen. Die Durchsicht der Rechtsprechung zu den §§ 20 a, 42 e StGB vermittelt den Eindruck, daß es ihr nur in wenigen Punkten gelungen ist, die viel zu weite gesetzliche Regelung klar zu begrenzen. Dadurch steht dem richterlichen Ermessen ein so weiter Spielraum offen, daß eine uneinheitliche gerichtliche Praxis bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung die Folge sein muß89 • zurechnungsfähigen gefährlichen Gewohnheitsverbrecher, Diss. Harnburg 1966, s. 7ff. 8 4 OLG Freiburg i. Breisgau, DRZ. 1949, S. 117 gegen RGSt. 73, 101 (103); das RG war für die Anordnung der Sicherungsmaßnahme, selbst wenn sie die härtere Maßnahme darstellte, RGDJ 1938, S.ll56; RGSt.69, 31 (32). 85 § 20 a, I und II StGB "... und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, ... " 88 RGSt. 68, 385 (389f.), die Ansicht hat auch im Schrifttum Unterstützung gefunden, so: Maurach, R., Allg. Teil, S. 733 f., Schönke-Schröder, § 20 aN. 36 ff. 87 Engelhardt hat in seiner Arbeit die im Rahmen der Sicherungsverwahrung vorkommenden Prognosen einer ausführlichen Untersuchung unterzogen. 88 Kritische Bemerkungen bei H. Meyer, Strafrechtsreform, S. 123. 88 Untersuchungen liegen darüber nicht vor. Anläßlich meiner Aufenthalte in den Vollzugsanstalten konnte ich feststellen, daß die Zahl der Verwahrten aus den einzelnen Landgerichtsbezirken sehr unterschiedlich war.

1. Teil: Die Regelung der Verwahrung von Rezidivisten

60

c) Die neue Rechtsentwicklung Das Problem des Rezidivismus hat nach 1945 weiterhin die Legislative beschäftigt. Dabei ist die Entwicklung in zwei völlig getrennten Richtungen verlaufen. Es ist einmal im Rahmen des Fürsorgerechts, zum anderen in dem der Reformarbeiten für das Strafrecht behandelt worden. Besonders bemerkenswert ist die mit dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom 30. Juni 1961 eingeleitete Entwicklung90 , da hierin erstmalig das Gesamtproblem der Gefährdeten, zu denen grundsätzlich auch die Mehrheit der Rezidivisten zählt, als soziale Aufgabe im Sinne der Wohlfahrtspflege aufgegriffen wird91 • Die Paragraphen 72ff. BSHG sehen eine Hilfe für Gefährdete, d. h. "Personen, die das 20. Lebensjahr vollendet haben und dadurch gefährdet sind, daß sie aus Mangel an innerer Festigkeit ein geordnetes Leben in der Gemeinschaft nicht führen können", vor. Nach § 73 Abs. 2 ist unter besonderen Voraussetzungen auch eine zwangsweise Unterbringung in einem Heim möglich, die einer gerichtlichen Anordnung bedarf, § 73 Abs. 3. Es handelt sich hierbei um eine reine Sozialmaßnahme im Interesse des Betroffenen, nicht um die Sicherung der Allgemeinheit, obwohl nicht geleugnet werden kann, daß damit auch der Allgemeinheit gedient wird. Ohne die Ergebnisse der empirischen Untersuchung der Verwahrten (s. u . 2. Teil) abwarten zu müssen, lassen sich an diesem ersten Ansatz zwei Fehler feststellen. Erstens sieht das Gesetz zwar Hilfen bis zur Einweisung in ein Heim vor, aber keine Änderung des Personenstatus der Gefährdeten. Daher sind sie weiterhin im Rahmen des allgemeinen Strafrechts für eventuelle weitere strafbare Handlungen zu bestrafen. Dies kann zu einer ungünstigen Wechselbeziehung zwischen Strafverbüßung und Heimunterbringung führen. Eine Änderung des Personenstatus würde die Möglichkeit eröffnen, kleinere Kriminalität, für die viele Gefährdete anfällig sind, disziplinarisch zu ahnden und die volle Verantwortlichkeit für den Gefährdeten bei einer einzigen Institution zu belassen92 • Die andere Schwäche des BSHG liegt in der Kostenregelung. Eine Heimunterbringung ist häufig mit erheblichen Kosten verEGEL I, S. 815, berichtigt S. 1875. H. Mayer, Das Strafrecht des Deutschen Volkes, Stuttgart 1936, S. 143ff. (155 ff.), hat schon 1936 darauf hingewiesen ,daß das Haltlosenproblem durch Änderung des Personenstatus der Haltlosen, damit innerhalb des Sozialrechts und nicht des Strafrechts zu lösen ist; s. a. ders., Strafrecht, S. 395 f., Strafrechtsreform, S. 153 ff. 92 § 154 StPO, auf Grund dessen die Staatsanwaltschaften Verfahren gegen Sicherungsverwahrte wegen kleinerer Delikte einstellen, führt innerhalb des Strafvollzugs zu einem ähnlichen Ergebnis. Er ist aber nicht zugunsten von Sozialhilfemaßnahmen anwendbar. 90

91

II. Das geltende Recht und seine Anwendung durch die Gerichte

61

bunden. Für die uns interessierenden Gefährdeten, die bisher als Rezidivisten der Strafrechtspflege zur Last fielen, kommt regelmäßig nur eine Heimunterbringung in Frage, für die sie meist nicht finanziell aufzukommen vermögen. Die Kosten müssen folglich von den Trägern der Sozialhilfe, den Kreisen oder kreisfreien Städten93 übernommen werden, wogegen die Kosten der Strafvollstreckung von den Ländern getragen werden. Das könnte aus rein fiskalischen Gesichtspunkten dazu führen, daß die Sozialbehörden gerade in den schwereren Fällen die Gefährdetenhilfe nicht einsetzen, sondern die Begehung strafbarer Handlungen durch den Gefährdeten abwarten, um den Fall dann der Justiz überlassen zu können. Trotzdem ist § 72 ff. BSHG als erster Ansatz zu begrüßen. Die strafrechtlichen Reaktionsmittel gegen Rezidivisten sind in den Vorarbeiten zur Strafrechtsreform neu bearbeitet worden. Der Entwurf 1962, der bezüglich der uns interessierenden Bestimmungen dem Entwurf 1960 weitgehend entspricht, sieht für geistig gesunde Rezidivisten neben den allgemeinen Strafbestimmungen eine Rückfallstrafschärfung (§ 61), die Sicherungsaufsicht (§ 91 ff.), die vorbeugende Verwahrung (§ 86) und die Sicherungsverwahrung (§ 85) vor. Die vorbeugende Verwahrung ist eine Maßnahme, die der Entwicklung eines jungen Rezidivisten zum "Hangtäter" entgegenwirken soll. Sie hat eher erzieherische als sichernde Funktion und scheidet folglich hier aus94 • Die Sicherungsverwahrung kann ohne Rücksicht darauf angeordnet werden, ob der Rezidivist auch wegen Rückfalls (§ 61) verurteilt wird. Damit ist die nicht sinnvolle Koppelung von Strafverschärfung und Sicherungsverwahrung de lege ferenda aufgegeben95 • Auf die Rückfallvorschrift brauchen wir daher nicht weiter einzugehen. Der Entwurf 1962 behält für die Sicherungsverwahrung das System der Zweispurigkeit von Strafe und sichernde Maßnahme bei96 • In die Bestimmung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 85) sind einige durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erarbeitete Grundsätze aufgenommen wor Kriminalität der Eltern extreme Armut der Eltern

Hellmer

Lernberger

250

130

25 22

21

(10 °/o) ( 8,8 °/o) ( 8,4 °/o)

17 (13,1 °/o) 17 (13,1 O/o)

?

a) Engelhardt fand 11 von 239 untersuchten Verwahrten (4,6°/o), deren Vater trunksüchtig war. Die Zahlen sind alle erheblich niedriger als bei früheren Untersuchungen, zit. bei HeUmer, s . 233.

Interessant ist, daß Hellmer in keinem Falle ein schwerkriminelles Milieu (Berufs- oder Gewaltverbrechertum) feststellen konnte, dagegen aber in einigen Fällen eine ausgesprochene Armutskriminalität117 • prägten Begriff der Verwaisung, der aber nicht übernommen werden kann, da er in den anderen hier herangezogenen Arbeiten nicht vorkommt. 115 Siehe ebendaS. 218f.; in gehobenen Kreisen wirkt sich die Verwaisung nicht so unmittelbar aus. 116 Für einzelne Untersuchungsergebnisse siehe Engelhardt, S. 26 ; Hellmer, S. 22lff.; Lemberger, S. 106ff. m Ebenda, S. 234 ff.

I. Die Verwahrten in Deutschland

109

Die Armut hat vor allem zwei Wirkungen: Sie deklassiert den Einzelnen und seine Familie, weil das vorgegebene soziale Ideal von Tüchtigkeit und Unabhängigkeit nicht erfüllt wird, und sie führt meist zum Mitverdienen der Kinder, die keine Berufsausbildung durchlaufen haben. Der Abschnitt über die Entwicklungsbedingungen kann nicht ohne einen knappen Blick in eine allgemeine Bewertung der Bedingungen abgeschlossen werden, unter denen die Erziehung erfolgte118• Für die Erziehung sind zwei Dinge entscheidend: die erziehende Person und die Erziehungswelt. "Die Erziehungswelt ist die Gesamtheit der Tatsachen, Vorstellungen und Eindrücke, die den jungen Menschen auf seinem Wege in die soziale Gemeinschaft begleiten119 ." Nach den Erkenntnissen der modernen Pädagogik kann eine vollständige Erziehung nur in der naturgegebenen Familie als dem "Totum der Beziehungen" erfolgen120 • Dazu muß die Erziehung stetig sein, das Kind darf nicht fortwährend in verschiedene Hände kommen. In Hellmers Material sind die beiden Eltern nur in 118 Fällen (47,20/o) alleinige erziehende Personen gewesen121 • In allen übrigen Fällen sind andere Personen oder der Staat zu den oder gar an die Stelle der Eltern getreten. Aus allen drei Untersuchungen ergibt sich, daß weniger als die Hälfte der Verwahrten überhaupt die Voraussetzungen für eine vollständige Erziehung hatte. Damit ist aber noch nichts über die Qualität der Erziehung, die im Einzelfall sogar bei anderen erziehenden Personen besser gewesen sein kann als bei den Eltern, gesagt. Auch die unter der "Erziehungswelt" von Hellmer zusammengestellten Gesichtspunkte zeigen eine Häufung der negativen Faktoren. Nur bei 61 Verwahrten (24,4 Ofo) ist ein gutes Wertklima festgestellt, dagegen aber in 102 Fällen (40,8 Ofo) ein wertneutrales und in 87 Fällen (34,8 Ofo) ein schlechtes Wertklima. Dazu sind 138 Verwahrte (55,2 Ofo) mindestens für längere Zeit negativen Eindrücken ausgesetzt gewesen122 • 114 Verwahrte (45,6 Ofo) sind bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres endgültig aus dem Elternhaus ausgeschieden und haben daher zu einem Zeitpunkt 118 Die große Bedeutung, die der Erziehung zukommt, betont Hellmer mit Recht mehrfach; siehe S. 241 ff., ders. Erziehung und Strafe, 1961, Berlin und weitere Literaturnachweise daselbst.

m

Hellmer, S. 241.

Ebenda unter Berufung auf Nohl, Jugendwohlfahrt, S. 75 f. Bei Lemberger, S. 112, sind zwar 94 von 130 Verwahrten (72,30/o) im Elternhaus aufgewachsen, aber er unterscheidet nicht die Fälle, wo ein natürlicher Elternteil gefehlt hat oder auch andere Personen dazugetreten sind. 122 Einmalige negative Erlebnisse, die möglicherweise einen viel nachhaltigeren Eindruck hinterlassen haben, konnten bei diesen Aktenuntersuchungen und lange nach Verlassen des Elternhauses nicht mehr nachgeprüft werden. 120

121

2. Teil: Die Verwahrten

110

für sich die volle Verantwortung übernommen- nicht nur ihren Unterhalt zu bestreiten gehabt- zu dem auch normal entwickelte Jugendliche mit Einschränkungen dazu noch nicht in der Lage sind. Die völlig unzureichende Erziehung von mehr als der Hälfte der Verwahrten123 kann eine der Ursachen für ihre Persönlichkeitsabweichung sein. Sie sind als unfertige Menschen ins Leben getreten und haben sich nicht mehr weiter entwickelt. Die erste Bestrafung folgte häufig bald nach dem Verlassen des Elternhauses oder einer anderen schützenden Sphäre124• Das Zusammentreffen von Verwahrlosung und Frühkriminalität führt dann leicht zu Rezidivismus im Erwachsenenalter125.

ß)

Existenzbedingungen

Die Existenzbedingungen werden anhand der Bildung und Berufsausbildung, des Militärdienstes, des Familien- und Sozialverhaltens, der Lebenskrise und der Kriminalität erörtert. Die Unterscheidung zwischen Bildung und Berufsausbildung ist in der Pädagogik üblich, dabei wird unter Bildung mehr die Hervorbringung charakterlicher, menschlicher Qualitäten, der Aufbau einer Welt der Werte in der Persönlichkeit, unter Ausbildung die Vermittlung von Kenntnissen, häufig sehr spezialisierter Art, und Fertigkeiten verstanden, die meist der unmittelbaren beruflichen Tätigkeit dienen. Die Bedeutung der Bildung für die Bewährung des Menschen126 liegt im Finden eines eigenen Standpunktes, im Sich-Einordnen in die vielfältigen materiellen und geistigen Spannungen und Beziehungen menschlichen Seins. In unserem Zeitalter mit seinen rationellen Arbeitsmethoden hat das Gewicht der Ausbildung erheblich zugenommen127• Von der Bildung wird vor allem die Vermittlung des Arbeitsethos erwartet1 28 • Eine Schulbildung haben fast alle Verwahrten nur bis zur Grenze der Schulpflicht (Volksschule oder Mittel- und Oberschule bis zur Tertia) 123 Nur 41 von 115 Verwahrten (36,5 0/o) bei Lemberger, S. 113, haben gute bis schlechte Erziehungsverhältnisse genossen. Engelhardt, S. 29, hält 119 von 239 Verwahrten (49,7 0/o) für jugendverwahrlost. 1u HeHmer, S. 249f. 125 Frey, E., S. 62ff.; Engelhardt, ebenda. Freys weiterer Schluß, daß es sich hier um ein endogene, biologische Bedingtheit handle, ist nicht zwingend. Die Umweltfaktoren, offenes Elternhaus (offen für fremden Einfluß auf die Erziehung) und frühe Selbständigkeit hat er nicht hinreichend berücksichtigt. 126 Dazu HeHmer, S. 257; ders., Kriminalpädagogik, S. 94ff., 117ff. 127 Die daraus resultierende Problematik hat HeHmer, S. 258, aufgezeigt. 128 H. Mayer, Strafrecht, S. 22 e) vermutet, daß ein Teil der Kriminalität durch die Existenz einer Pariaschicht zu erklären sei, die gerade das Arbeitsideal der modernen Welt ablehne.

I. Die Verwahrten in Deutschland

111

durchlaufen. 72 Ofo (179 von 249 Fällen) in Hellmers Gruppe haben normale oder bessere Leistungen erbracht. Bei Lernherger sind es 67 Ofo (104 von 148 Verwahrten), wenn man nur die als sitzengeblieben oder Hilfsschüler bekannten Fälle ausschließt129• Die Zahl der Verwahrten, die eine weitergehende Schulbildung (Mittel-, Ober-, Fortbildungs- oder Fachschule) erfolgreich abgeschlossen haben, ist verschwindend gering. Als Gesamteindruck ist festzustellen, daß in Hellmers Gruppe der Schulerfolg bis zur Erreichung der Schulpflichtgrenze recht günstig war, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß viele Verwahrte um oder kurz nach der Jahrhundertwende im schulpflichtigen Alter waren und zum Teil durch Arbeit zum Familienunterhalt mit beizutragen hatten130• Lernherger scheint negativere Beobachtungen gemacht zu haben131 • Die Tatsache, daß ein Viertel bis ein Drittel der Verwahrten nicht einmal das normale Volksschulziel erreicht hat, läßt sich zur Beantwortung der Frage nach dem Ausmaß von Schwachsinn und niedriger Intelligenz unter den Verwahrten nicht ohne weiteres heranziehen. Für die Normalbevölkerung könnten die Verhältnisse ebenso ungünstig sein132• Wie schon früher (s. o. S. 101) dargelegt, besteht außerdem ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Intelligenz und Leistung. Soweit die Verwahrten das Volksschulziel nicht erreicht haben, haben sie die notwendigen Mindestleistungen nicht erbracht. Der Grund dafür kann u. a. zu geringe Intelligenz gewesen sein. Die Berufsausbildung steht allgemein unter einem ganz anderen Vorzeichen. Sie ist nicht vorgeschrieben und hängt folglich sowohl von der Zielstrebigkeit des Einzelnen als auch von den sozialen Vorbildern ab133• Eine abgeschlossene Berufsausbildung (in dem zur Verfügung stehenden Material handelt es sich mit wenigen Ausnahmen um den Abschluß einer Lehre) hat nur ein kleiner Teil der Verwahrten erreicht. Es sind 180fo (45 von 250 Verwahrten) bei Hellmer, 5,1 Ofo bei Engelhardt und nur bei Lernherger ist es ein erstaunlich hoher Anteil von 380fo (57 von 150 Verwahrten); dazu kommen noch 6 Verwahrte, die die höhere Schule erfolgreich abgeschlossen haben. Wie dieser große Anteil zu erklären ist, hat Lernherger nicht gesagt. Es ist möglich, daß in den vor 40 bis 50 Jahren 128 130

Über den Schulerfolg von 22 Verwahrten ist nichts bekannt.

Hellmer, S. 259.

1 3 1 Hier macht sich der Mangel an Vergleichsmaterial aus der normalen Bevölkerung besonders bemerkbar. 132 Eine diesbezügliche Statistik ist nicht veröffentlicht. Nach Auskunft des Schleswig-Holsteinischen Kultusministeriums erreichen heute etwa 300/o der Volksschüler das Schulziel nicht. 133 Z. B. war es während des 1. Weltkrieges für die Familien häufig wirtschaftlich schwierig, die Kinder erst eine lange Lehre durchlaufen zu lassen, abgesehen von dem kriegsbedingten Mangel an Lehrstellen.

112

2. Teil: Die Verwahrten

noch nicht stark industrialisierten südbayrischen Gebieten, die den größten Teil des Oberlandesgerichtsbezirkes München ausmachen, noch ältere soziale Leitbilder vorgeherrscht haben, die das Erlernen eines Berufes als notwendig und selbstverständlich erscheinen ließen. Abgesehen davon, daß ein Fünftel (bei Lemberger) bis ein Drittel (bei Hellmer) der Verwahrten gar keine Berufsausbildung angefangen hat, fällt der außerordentlich hohe Anteil derjenigen auf, die eine Lehre begonnen, aber nicht abgeschlossen haben (480fo bei Hellmer, 65,60fo bei Engelhardt, 35 Ofo bei Lemberger134). Hier scheint sich die Persönlichkeitsverfassung der Verwahrten ausgewirkt zu haben. Der Lehrling muß sich unterordnen, Eifer und Interesse zeigen und auf ein fernes Ziel hinarbeiten, kann aber nicht mit einer guten Entlohnung in naher Zukunft rechnen135. Diese Haltung fällt der ganzen Gruppe der Persönlichkeitsabweichenden außerordentlich schwer. Daher sind so viele Verwahrte an der Lehre als der ersten PrüfWlg im Leben gescheitert136. Bei einem Teil von ihnen dürfte auch die erste frühe Straftat zur Auflösung des Lehrverhältnisses geführt haben1s7. Nachdem schon über 800fo der Verwahrten (etwa 600fo bei Lemberger) keinen Beruf erlernt hatten, waren ihre Chancen im Arbeitsleben nicht sehr groß. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind sie in die Schicht der Hilfsund Gelegenheitsarbeiter abgesunken. Sie wechselten häufig ihre Stellen, hatten eine schlechte Arbeitsmoral und sind oft arbeitslos gewesen. Sicherlich haben die zu geringe AusbildWlg und wechselnde wirtschaftliche Verhältnisse, wie auch die länger werdende Vorstrafenliste den Abstieg mitverursacht. Aber der eine, immer wieder hervortretende Faktor ist die persönliche Indisposition der Mehrzahl der Verwahrten. Ein Mangel an Seßhaftigkeit und Konzentration auf eine Sache wird hier besonders deutlich1ss. Welchen Einfluß hat nun der Militärdienst auf die Verwahrten gehabt, die zu einem hohen Anteil als nicht diszipliniert, nicht einordnungsfähig und nicht zielbewußt geschildert worden sind. Gerade dem Militärdienst 134 Folge der hohen Zahl von Lehrabschlüssen. 135 Siehe auch Lemberger, S. 116. 136 Die kriminogen wirkende Tatsache mangelnder Berufsausbildung ist wiederholt betont worden, Hellmer, S. 262. 137 Die diskriminierende Wirkung auch der Bestrafung als Jugendlicher ist schon früher erwähnt worden; siehe auch unten am Ende dieses Abschnitts. 138 Hier ist der Mangel an Bildung in dem von H ellmer verdeutlichten Sinn der Seßhaftmachung und Personalisierung bedeutsam, Kriminalpädagogik, S. 117/120. Zum Gesamtproblem Engelhardt, S. 35; Hellmer, S. 260ff.; Lemberger, S. 117 f f .

I. Die Verwahrten in Deutschland

113

wird als "Schule der Nation" eine besondere disziplinierende Bedeutung zugesprochen. Danach müßten die Verwahrten nicht oder mit völlig negativem Ausgang beim Militär gewesen sein. Von 119 Wehrpflichtigen (Geburtsjahr 1900) haben 99 als Soldat gedient138. Sie fielen dort nicht durch besondere negative Eigenschaften auf. 20 haben besondere Auszeichnungen oder Beförderungen (ab Unteroffizier) erlangt. 24 Verwahrte (25%) sind während der Dienstzeit straffällig geworden, 7 davon wegen Entfernung oder Fahnenflucht, also nicht kriminellen Handlungen. Daß nur 17% kriminell geworden sind140, fällt besonders dann auf, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß eine ganze Anzahl der späteren Verwahrten schon vor ihrer Einberufung Straflisten hatte und andere unmittelbar nach ihrer Entlassung straffällig wurden. Die militärische Disziplin scheint kein geeignetes Mittel für die Erziehung haltloser Persönlichkeiten zu sein. Sie vermag ihnen andererseits im Zusammenhang mit der klaren sozialen Aufgabenstellung Halt zu geben, so daß sie nicht straffällig werden. Hellmer hat das Problem des Familienverhaltens und der sozialen Kontaktfähigkeit von dem entscheidenden Gesichtspunkt aus aufgegriffen, nämlich dem des Personseins141 • Das Personsein fordert Besinnung zur Selbstbildung und Selbstbestimmung, zur Reifung einer seelischgeistigen Konstitution, die den einz.e lnen nicht zum Spielball von Versuchungen und Einflüssen der Umwelt werden läßt. Diese Formung der inneren Konstitution kann sich nur in einer nicht fortwährend den äußeren Reizeinflüssen aussetzenden Atmosphäre vollziehen, die heute fast nur noch in der Familie gegeben ist142• Aus den bisherigen Erörterungen ergibt sich, daß die elterliche Familie der Verwahrten diese Aufgabe größtenteils nicht erfüllt hatte, teils weil die Familie nicht richtig funktionierte, teils weil der zukünftige Verwahrte das "schwarze Schaf" in der Familie war. Somit konnte diese Aufgabe nur noch von der durch den Verwahrten selbst zu gründenden Familie erfüllt werden. Der Familienstand der Verwahrten ist aus der folgenden Statistik ersichtlich. Nur HeHmer, S. 273 ff., behandelt diese Frage. In zwei Fällen lagen Körperlichkeitsdelikte vor, die möglicherweise keine kriminelle Bedeutung haben. 139

14o

141 142

HeHmer, S. 277. Wurzbacher, G.,

Leitbilder gegenwärtigen deutschen Familienlebens,

2. Aufl. 1954, Stuttgart, S. 242 ff. 8 Gelsler

2. Teil: Die Verwahrten

114

Statistik 5

Der Familienstand der Verwahrten zum Zeitpunkt der letzten Verurteilunga>

Familienstand

Engelhardt

Hellmer

Lernherger

Ledig geschieden verwitwet verheiratet

(41 %) (400/o) ? ?

142 70 7 31

81 43 6 25

Gesamtzahl

239

250

(56,8 Ofo) (28,0 Ofo) ( 2,80/o) (12,4 Ofo)

(52,20/o) (27,7 Ofo) ( 3,9 Ofo) (16,1 °/o)

155

a) Die Angaben wurden übernommen von: Engethardt, S. 35; Hettmer, S. 278; Lem-

berger, S. 120.

Die Hälfte der Verwahrten ist niemals eine Ehe eingegangen, obwohl ihr durchschnittliches Alter über 35 Jahre bei der letzten Verurteilung betrug. Sowohl aus Hellmers als auch aus Lernhergers Ausführungen geht jedoch hervor, daß den Verwahrten nicht das Interesse am weiblichen Geschlecht fehlt. Sie hatten wechselnde "Bräute" und flüchtige Beziehungen zu Frauen. Oft lebten sie auch, wenn sie in Freiheit waren, mit Dirnen, von denen sie sich aushalten ließen. Nur feste Bindungen mit der daraus resultierenden Verantwortung scheuten sie. Diese Feststellungen treffen auch für viele Geschiedene zu. Eine Erklärung hierfür läßt sich nur vermuten, wenn man D. J . Wests Beobachtungen hinzunimmt, daß passiv-inadäquate Verwahrte mit persönlichkeitsstarken reifen Frauen zusammenleben können und durch diese auf einem einigermaßen geordneten Lebensweg gehalten werden können. Danach ist anzunehmen, daß sie nicht dazu in der Lage sind, einen mitverantwortlichen oder gar führenden Ehepartner abzugeben, vielmehr brauchen sie einen Partner, der sie verständnisvoll leitet. Das ist eine schwierige und aufopferungsvolle Aufgabe für eine Frau. Dies wird sie, wenn sie die Aufgabe erkennt, meistens nicht in ihrem Willen bestärken, einen solchen Rezidivisten zu heiraten. Die Ehen schienen oft Zweckverbindungen zu sein; in wenigen Fällen führten sie zu einem Intervall in der Kriminalität. Am beständigsten waren noch die Ehen, in denen die Frau auch asozial war, als Dirne lebte oder an den Straftaten irgendwie partizipierte. Die Verwahrten haben, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, in den von ihnen gegründeten Familien keinen Rückhalt und Ruhepunkt gefunden. Das wird auch noch dadurch unterstrichen, daß die noch bestehenden Ehen häufig schon Zweitehen waren und daß zwischen ganz wenigen Ehepartnern wirklich enge Beziehungen bestanden, zum Teil fehlte jede Verbindung. Ein ähnliches Bild ergibt das Verhältnis der Verwahrten zu ihren (vorzugsweise ehelichen) Kindern. Von 70 geschiedenen und 31 noch verhei-

I. Die Verwahrten in Deutschland

115

rateten Verwahrten hatten 65 insgesamt 150 eheliche Kinder143 • Nur in etwa der Hälfte der Fälle waren die Kinder dem Vater gegenüber positiv eingestellt (damit ist nicht gemeint, daß sie sein kriminelles Verhalten unbedingt decken). Am stabilsten war das Mutter-Sohn-Verhältnis und, wenn auch etwas schwächer, dasjenige von Schwester zu Bruder. Sie sind am ehesten bereit, die Kriminalität zu verzeihen oder zu übersehen und kennen auch den Lebenslauf des Verwahrten mit allen Schwierigkeiten am besten. Von den Verwahrten in Hellmers Gruppe hatten nur 141 (56,4%) Kontakt zu Verwandten, 109 (43,6%) waren völlig isoliert, sie müssen als außerordentlich kontaktschwach oder nur oberflächlich kontaktfähig angesehen werden. Nur einige Verwahrte glitten aus Anlaß einer aktuellen, nachweisbaren Krise, einer Lebenssituation, die den angehenden Sicherungsverwahrten vor besondere, ihn überfordernde Schwierigkeiten stellte, in die Kriminalität ab. Hellmer verdeutlicht Art und Bedeutung der Krise an sieben Beispielen144• Das einheitliche Merkmal dieser Fälle ist ihre Spätkriminalität und außerdem die durchweg ordentlichen Verhältnisse, in denen sie bis zum Zeitpunkt der Krise Halt gefunden hatten. Hier scheint sich eine Gemeinsamkeit zwischen einem großen Teil der Frühkriminellen und diesen Spätkriminellen anzudeuten. Es handelte sich jeweils um äußeren Haltverlust oder -mange!, der das Abgleiten in die Kriminalität begünstigte. Das Leben in guten, geordneten Verhältnissen hat die Spätkriminellen für den Lebenskampf nicht besser vorbereitet145 , sondern ihnen nur länger den Halt gewährt, dessen sie bedurften. Sobald dieser entfiel, trieben sie abwärts. Die Vorbestraftheit eines Menschen hat mindestens zwei Wirkungen, eine psychische und eine soziale. Die psychische Wirkung ist kaum erforscht und soll daher nicht weiter erwähnt werden146• Die soziale Wirkung liegt in der allgemein bekannten Aversion unserer Gesellschaft gegen Strafentlassene wie gegen andere, die die Normen der Gesellschaft nicht erfüllen. 99 Verwahrte (400fo) aus Hellmers Gruppe waren vor Vollendung des sechzehnten Lebensjahres in einer diskriminierenden Anstalt (Fürsorgeerziehung oder Strafanstalt). Bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres waren es 143 Fälle (57,2 Ofo). t 4a

Hellmer, S. 284ff. Außerdem noch 23 Verwahrte mit 26 unehelichen

Kindern.

267ff. Es ist nicht ausgeschlossen, daß em1ge Spätkriminelle schon früher straffällig wurden, ihre Familien aber die Aufdeckung eine gewisse Zeit verhindert hatten. ua Siehe Hellmer, S. 254. tu Hellmer, S. 145

116

2. Teil: Die Verwahrten

II. Die Verwahrten in England Wie schon in der Einleitung dieser Arbeit erwähnt, werden in den Arbeiten von Harnmond und Chayen1 und von West2 die Sicherungsverwahrten jeweils mit einer Kontrollgruppe anderer Rezidivisten verglichen, um so einzelne Probleme besser untersuchen zu können11• Während die von West gewählte Gegenüberstellung zur Klärung einer wichtigen Einzelfrage des Rezidivistenproblems dienen kann, ist die von Harnmond gewählte Konfrontation der "Verurteilbaren" 4 mit den zur Sicherungsverwahrung Verurteilten geeignet, den Rezidivismus in einem größeren Rahmen zu beleuchten und unsere Kenntnisse von den Anordnungsmaßstäben englischer Gerichte zu vertiefen. Auch aus folgendem Gedankengang ergibt sich, daß es zweckmäßig ist, die "Verurteilbaren" in die nachfolgenden Erörterungen einzubeziehen. Die Sicherungsverwahrung ist nur einer der Wege, die beschritten worden sind, um den von den erwachsenen Rezidivisten ausgehenden Gefahren zu wehren. Wir dürfen aber andere Lösungsmöglichkeiten für das Problem des Rezidivismus Erwachsener nicht aus dem Auge verlieren und unsere Beobachtungen nicht vorzeitig beschränken. "Verurteilbare" stellen zwar nur einen Teil aller Rezidivisten dar und müssen nicht notwendigerweise für letztere charakteristisch sein, aber es handelt sich immerhin um eine im englischen Recht eindeutig begrenzte Gruppe5 • Sie umfaßt alle Rezidivisten, die das dreißigste Lebensjahr vollendet haben, wenigstens dreimal wegen mit zwei oder mehr Jahren Gefängnis strafbarer Verbrechen oder Vergehen verurteilt worden sind, dabei wenigstens zweimal zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden und die erneut eines solchen Deliktes schuldig befunden worden sind6 • Dennoch scheint diese Gruppe mit Ausnahme aer altersmäßigen Begrenzung nach unten für den Teil der Rezidivisten einigermaßen r epräsentativ zu sein, für den die Gesellschaft besondere vorbeugende oder abwehrende Maßnahmen mit Recht erwägen kann. Die Sicherungsverwahrten bildeten 1956 den achten Teil aller "Verurteilbaren". Sie könnten eine untypische Gruppe sein, die durch die Gesichtspunkte bestimmt ist, die englische Gerichte bei der Wahl zwischen der Sicherungsverwahrung und anderen Rechtsfolgen beeinflussen mögen. 1 Hammond, W. H., u. Chayen, F., Persistent Criminals, 1963 London; später zitiert unter Hammond. 2 West, D. J., The Habitual Prisoner, London 1963. 3 Dazu näher Einleitung II 2. 4 "Verurteilbar" sind Rezidivisten, die durch ihr kriminelles Vorleben und die zur Aburteilung stehende(n) Tat(en) die formellen Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung erfüllen; s. Einleitung I 1. 5 Siehe dazu oben, S. 67. 6 Weitere Voraussetzungen ebenda.

Il.

Die Verwahrten in England

117

Eine übersichtliche Wiedergabe der Ergebnisse der drei englischen Untersuchungen ist besonders schwierig, weil zu ihrem Verständnis vielfach Ausführungen über das englische Recht und englische Institutionen erforderlich sind. Sie werden, soweit dies nach den nunmehr folgenden einleitenden Bemerkungen noch nötig ist, in den Fußnoten gegeben. In England und Deutschland besteht, von wenigen Ausnahmen abgesehen, im Bereich der klassischen Kriminalität Einigkeit darüber, welche Handlungen strafbar sein sollen. Die vielfach abweichenden Tatbestände auf den Gebieten des Staatsschutzes und des Verwaltungsunrechts können unberücksichtigt bleiben. Sie berühren unser Problem kaum. Als Beispiel für auftretende Unterschiede seien die schwere Unzucht zwischen Männern, § 175 a StGB, und die Schändung von Kindern, §§ 176 Absatz 1 Ziffer 3, 182 StGB, mit den entsprechenden englischen Sanktionen verglichen. § 175 a StGB umfaßt als schwere Unzucht einen größeren Bereich der Homosexualität als Section 15 des Sexual Offences Act (1956)7. In England ist nur der jugendliche Partner unter 16 Jahren besonders geschützt. Für die gewerbsmäßige Homosexualität gibt es keine erhöhte Strafe. Der strafrechtliche Schutz für Mädchen unter 16 Jahren ist in beiden Ländern sehr unterschiedlich geregelt. Der Beischlaf mit einem Mädchen unter 16 Jahren ist in England strafbar8• Eine Einwilligung ist ausgeschlossen, während in Deutschland die Strafverfolgung solcher Taten gegenüber Mädchen, die über vierzehn aber unter sechzehn Jahre alt sind, nur auf Antrag der Eltern oder des Vormundes erfolgen kann9 • Ebenso sind unzüchtige Handlungen gegenüber einem Mädchen unter sechzehn Jahren nach Section 11 (2) Sexual Offences Act (1956) ohne Rücksicht auf eine Einwilligung strafbar, während der strafrechtliche Schutz nach§ 176 Absatz 1 Ziffer 3 nur bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensjahres gewährt wird. Im Gegensatz zu § 176 Absatz 1 Ziffer 3, 2. Alternative StGB ist es in England nicht strafbar, eine Person unter vierzehn Jahren ohne Berührung derselben zu verleiten, unzüchtige Handlungen vorzunehmen10• Aber auch sonst gibt es bei grundsätzlicher Übereinstimmung des Bereichs strafbaren Verhaltens theoretische und praktische Unterschiede. Insbesondere weichen die einzelnen strafrechtlichen Tatbestände in ihren Grenzen voneinander ab. Durch Zusammenfassung größerer Deliktsgruppen, die dem Schutz im wesentlichen gleicher Rechtsgüter dienen, wird versucht, möglichst vergleichbare Begriffe zu erhalten. Die Begrenzungen der einzelnen Deliktsgruppen 7

8 9

4 & 5 Eliz. 2, c. 69. Sections 5 und 6 des Sexual Offences Act, 1956. § 182 Absatz 2 StGB.

Siehe zu den Einzelheiten dieser Delikte näher Radzinowicz, L., Sexual Offences, London 1957, S. 330 ff. 10

118

2. Teil: Die Verwahrten

ergeben sich aus den Fußnoten zum Anhang B 5. Der schwere Diebstahl, § 243 StGB des deutschen Strafrechts, ist in den englischen Untersuchungen nicht so eng begrenzt. Ihm entspricht die Gruppe "breaking and entering" bei Hammond, die aber neben § 243 StGB noch Sachverhalte des Hausfriedensbruchs, § 123 StGB, des Besitzes von Diebeswerkzeug, § 245 a StGB, des Raubes und der Erpressung, §§ 249 ff. StGB, umfaßt. Nach englischem Strafrecht beginnt die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Kindern mit Vollendung des achten Lebensjahres mit der Einschränkung, daß bis zum 14. Lebensjahr die Schuldfähigkeit besonders nachgewiesen werden muß11 • Die rechtliche Bedeutung der Straftat wird in einem englischen Urteil nicht so deutlich, wie das in deutschen Entscheidungen regelmäßig der Fall ist, weil in jenem nur eine Verurteilung wegen einer in ihrer tatsächlichen Qualität geschilderten Tat nach einer bestimmten Verbotsnorm erfolgt. Die im deutschen Strafrecht sehr wichtigen Konkurrenzfragen werden dabei nicht erörtert. Daher ist aus den Vorstrafenlisten nicht immer leicht die kriminologische Bedeutung der früheren Delikte zu erkennen. Im Gegensatz zur deutschen Strafverfolgung, die vom Legalitätsprinzip beherrscht ist, kennt das englische Recht einen Verfolgungszwang nur bei wenigen schweren Delikten gegen den einzelnen oder den Staat und seine Institutionen. Weitgehend ist die Entscheidung, ob Anklage erhoben werden soll oder nicht, der örtlichen Polizeibehörde oder dem Verletzten überlassen12 , es gilt das Opportunitätsprinzip. Daher können selbst manche Taten der Rezidivisten, die die Polizei aufgeklärt hat, nicht in den Vorstrafenlisten erscheinen. Weiterhin ist die Beurteilung der gesamten kriminellen Vergangenheit dieser Täter durch die prozessuale Einrichtung des "taking into consideration" erschwert. Diese Regel ermöglicht es dem Angeklagten, nach dem Schuldspruch des Gerichts, aber bevor eine Strafe ausgeworfen wird, weitere, von der Anklage nicht umfaßte Straftaten zu gestehen, die dann in dem anhängigen Verfahren bei der Strafbemessung berücksichtigt werden können und somit rechtskräftig abgeurteilt sind. Für das Strafverfahren bei Sittlichkeitsdelikten gegenüber Kindern, aber auch in einer Reihe anderer Fälle, ist zu beachten, daß das englische Recht strenge Beweisregeln kennt. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist teils durch Gesetze, teils durch eine ständige Rechtsprechung insofern eingeschränkt, als in bestimmten Fällen eine Zeugen11 Fitzgerald, P. J., Criminal Law and Punishment, Oxford 1962, S. 129. Des 10. Lebensjahres seit 1964. u Fitzgerald, S. 157 ff.

II. Die Verwahrten in England

119

aussage mittels weiterer Beweise erhärtet (corroborated) werden muß13. Danach ist grundsätzlich außer der Aussage des verletzten Kindes, ob vereidigt oder nicht, ein weiterer selbständiger Beweis für die unzüchtige Handlung nötig. Die uneidliche Aussage des verletzten Kindes kann weder durch eine weitere uneidliche Aussage eines Kindes erhärtet werden noch genügt es, wie im deutschen Prozeßrecht, über die geistige Reife und die Wahrheitsliebe dieses Zeugen geeignete Auskunftspersonen zu vernehmen14• Die Zahl strafrechtlicher Rechtsfolgen ist in England größer als in Deutschland15• Die Zuchthausstrafe ist 1948 abgeschafft worden. Neben diesen Unterschieden im geltenden Recht ist zu beachten, daß die englischen Akten die Jugendkriminalität und die Kleinkriminalität (delinquency) nicht vollständig enthalten. 1. Die Kriminalitit der Verwahrten

a) Die Straftat, die zur Sicherungsverwahrung führte aa) Die Verteilung der zur Aburteilung stehenden Delikte der Sicherungsverwahrten unterscheidet sich erheblich von der aller männlichen Straffälligen, die das 30. Lebensjahr vollendet haben und wegen "indictable" Straftaten16 verurteilt worden sind und von der aller "Verurteilbaren". Von den über 30 Jahre alten Männern wurden nur 7°/o wegen schweren Diebstahls17 verurteilt, dagegen waren es 48°/o bei den Verwahrten. Nur 120/o wurden wegen Hehlerei und Betrugs verurteilt, bei den Verwahrten aber 21 Ofo. Diesem Anstieg des Anteils der zum Teil schweren Vermögenskriminalität steht das Absinken des Anteils des einfachen Diebstahls18 von 62 Ofo auf 23 Ofo und der Sittlichkeitsdelikte von 8% auf 20/o gegenüber19 • Diese Aufstellung zeigt, daß der schwere Diebstahl (samt den in diesem Zusammenhang mitgezählten Delikten20) am häufigsten die letzte Straftat der Sicherungsverwahrten war (48,4%), danach folgten Diebstahl und Unterschlagung (230/o) und 13 Phipson on Evidence, 10. Aufl. bearb. v. Argyle, M. V., London 1963, paras. 1564, 1566-1570; Radzinowicz, L., Sexual Offences, London 1957, S. 370f. 14 BGHSt. 3, 27. 15 Fitzgerald, S. 216ff., 233ff.; Walker, N. D., Crime and Punishment in Britain, Edinburgh 1965, S. 145 ff. 16 "Indictable offences" können hier mit Vergehen und Verbrechen gleichgestellt werden. 11 Zur Deliktsgruppe "breaking and entering", s.o. Einführung zum 2. Teil II. 1s Die Gruppe setzt sich hauptsächlich aus Diebstahl und Unterschlagung zusammen. 19 Siehe Hammond, S. 22; ebenfalls Anhang B 6. 20 Siehe Fußnote 17.

120

2. Teil: Die Verwahrten

Betrug und Hehlerei (21,3 Ofo); dagegen waren Sittlichkeitsdelikte nur bei 2,2 Ofo und Straftaten gegen Leib und Leben nur bei 4,5 Ofo der Verwahrten letzte Straftat21 . Auch die "Verurteilbaren" haben größtenteils Vermögensdelikte begangen, aber 330fo beging einfachen Diebstahl und Unterschlagung, und dafür ist der Anteil bei den Gruppen des schweren Diebstahls und des Betruges entsprechend geringer. Bei der Zusammenstellung, je nach der zuletzt begangenen Straftat, wird die Tatsache vernachlässigt, daß fast ein Viertel aller Verwahrten (ein Fünftel der nicht zur Sicherungsverwahrung verurteilten "Verurteilbaren"22) im letzten Verfahren wegen zweier strafbarer Handlungen verurteilt wurde und ein weiteres Viertel wegen drei oder mehr strafbarer Handlungen (ein Achtel der nicht verurteilten "Verurteilbaren"). Selbst wenn die Delikte zu verschiedenen Gruppen gehören, wird jeder Rezidivist nur einmal und zwar in der Gruppe zu der sein schwerstes Delikt, gemessen am abstrakten Deliktcharakter, gehört, gezählt. Dazu kommt noch, daß beinahe die Hälfte der Verwahrten (46,2%, nur 22,7% der nicht verurteilten "Verurteilbaren") nach dem Schuldspruch darum baten, andere Delikte bei der Bestrafung gleich mit abzugelten23 , mehr als zehn Taten waren es bei einem Fünftel der Verwahrten (nur 1,9% der anderen "Verurteilbaren"). Aus diesen Feststellungen muß geschlossen werden, daß die Hälfte der Verwahrten während der letzten Periode in Freiheit eine ganz erhebliche Anzahl strafbarer Handlungen begangen hat, sehr viel mehr als die nicht verurteilten "Verurteilbaren", soweit bekannt geworden ist. bb) Ein Fünftel der Verwahrten und ebenfalls der "Verurteilbaren" war im letzten Verfahren zusammen mit Beteiligten angeklagt, meist handelte es sich um einen Beteiligten, aber in reichlich 5 Ofo der Fälle waren neben dem hier untersuchten Täter zwei oder mehr Personen an den strafbaren Handlungen beteiligt. Besonders wichtig ist Harnmonds Feststellung, daß die Beteiligten in der Regel jüngere Personen mit weniger 21 Schon Morris, S. 64f., hatte festgestellt, daß zur Zeit des zweispurigen Systems dieser Anteil sehr gering war. Von den 325 zwischen 1928 und 1945 zu Zuchthaus mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilten "habituellen Kriminellen" waren nur 7 anläßlich eines Gewaltverbrechens, der Drohung mit Gewaltanwendung oder der vorsätzlichen Gefährdung von Menschenleben verurteilt worden. 22 Die Gruppe derjenigen Rezidivisten, die die formellen Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach Section 21-2 ff. Criminal Justice Act, 1948, (siehe Anhang B 6) erfüllen ("Verurteilbare"), teilen sich in zwei Gruppen; erstens diejenigen, für die die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde (Verwahrte) und zweitens diejenigen, für die die Sicherungsverwahrung nicht angeordnet wurde (nicht verurteilte "Verurteilbare") -damit ist nichts darüber gesagt, ob andere Strafen verhängt wurden. Sie stehen im Verhältnis 178:1206 bei Hammond. n Zu dieser Möglichkeit (taking into consideration) s.o. Einführung zum 2. Teil II.

li. Die Verwahrten in England

121

gravierenden Straflisten waren24 • Folglich muß m . E. davon gesprochen werden, daß von den Verwahrten die Gefahr ausgeht, jüngere und labile Personen in das kriminelle Leben einzuführen. cc) Die Gefährlichkeit der Rezidivisten allgemein und besonders der Verwahrten können wir bis zu einem gewissen Grade an der Schwere der von ihnen begangenen Taten beurteilen. Einen Eindruck von der Schwere der den letzten Urteilen zu Grunde liegenden Vermögensdelikte vermittelt der Geldbetrag oder der Wert der Güter, um die es dabei gegangen ist2s. Für die folgende Auswertung hat Harnmond nur die Akten verwendet, die eindeutige Angaben enthielten, dabei handelt es sich um 75 OJo der Verwahrten und 46 Ofo der nicht zu Sicherungsverwahrung verurteilten "Verurteilbaren", die im letzten Verfahren wegen Vermögensdelikten vor Gericht standen. Der Wert beträgt bei 5 Ofo der Verwahrten weniger als 1 f, = 11,20 DM (100fo der "Verurteilbaren"), bei 300fo der Verwahrten zwischen 1 f, und weniger als 10 i = 11-112 DM (33 Ofo aller "Verurteilbaren"), bei 40°/o der Verwahrten zwischen 10 f, und weniger als 100 i = 1120 DM (380fo aller "Verurteilbaren"), um mehr als das geht es nur bei 250fo der Verwahrten (19% aller "Verurteilbaren"). Nur 40fo derVerwahrten (20fo aller "Verurteilbaren") hat mehr als 1000 i = 11.200 DM erlangt. Im Durchschnitt handelt es sich bei der letzten Verurteilung, die zur Anordnung der Sicherungsverwahrung führte, bei den wegen Vermögensdelikten verurteilten Verwahrten um einen Wert von 1.800DM in Harnmonds Gruppe, 1.450DM in Wests und rund 3.100DM in Taylors (letzterer hat einen Fall, in dem es um 37.000 i = über 400.000 DM ging, bei der Berechnung ausgeschlossen) 26 • Nach Harnmond erlangten die Täter bei Diebstahl und Unterschlagung allein nur etwa 920 DM, während es für alle Vermögensdelikte 1.800 DM waren. Zusammenfassend zeigt ein Vergleich zwischen den Verwahrten und den übrigen "Verurteilbaren", daß die Sicherungsverwahrten die schwereren Vermögensdelikte, sowohl nach der Deliktsart als nach dem Wert an Geld oder Gütern, begangen haben, daß sie häufiger mit anderen die Tat(en) begingen und daß die Zahl ihrer Delikte während der letzten Periode in Freiheit erheblich höher lag als bei den anderen "Verurteilbaren".

b) Das Alter der Verwahrten Das Alter der Verwahrten im Zeitpunkt der letzten Verurteilung ist wohl sichtbarer als irgend ein anderes der hier untersuchten Merkmale u

Hammond, S. 32.

Über 90°/o der "Verurteilbaren" und der Verwahrten wurden wegen Vermögensdelikten verurteilt; siehe Anhang B 6. 28 Siehe West, S. 115, Appendix 1!1, Table 1. 25

122

2. Teil: Die Verwahrten

von wechselnden Ansichten der Gerichte abhängig gewesen27. Daher müssen die folgenden Untersuchungsergebnisse aus Harnmonds Gruppe der 1956 in England und Wales zu Sicherungsverwahrung verurteilten Rezidivisten vorsichtig verwendet werden. Sie vertragen kaum eine Verallgemeinerung. Ganz im Gegenteil dazu ist die Zugehörigkeit zu der Gruppe der "Verurteilbaren" von dem Vorliegen bestimmter gesetzlich festgelegter Voraussetzungen abhängig, so daß keine Verzerrungen durch die Verurteilungspolitik der Gerichte entstehen konnten. Das Durchschnittsalter beträgt 42 Jahre in Hammonds, 40 in Taylors und WestsGruppen und 41Jahre bei den"Verurteilbaren". DiesesDurchschnittsalter unterscheidet sich erheblich von dem der Verwahrten während des bis 1948 in England gültigen zweispurigen Systems. Damals hatte N. Morris 51 Jahre als Durchschnittsalter der Verwahrten zum Zeitpunkt des letzten Urteils festgestellt, obwohl seine "verhärteten Rezidivisten"28, die sogar schwerer vorbestraft sein mußten als die "Verurteilbaren", ein Alter von 42 Jahren hatten; der Altersunterschied kann daher nicht auf eine andere Altersschichtung der Rezidivisten zurückgegeführt werden. Die neue Verurteilungspolitik, wie sie durch die schon erwähnte "Practice Direction" 29 vom Lord Chief Justice, Lord Parker, indiziert worden ist, könnte das Alter der Verwahrten wieder auf den früheren Stand anheben, da die jüngeren Rezidivisten zwischen 30 und 40 Jahren grundsätzlich nicht mehr zu Sicherungsverwahrung verurteilt werden sollen. Diese Gruppe stellte aber 1956 59 Ofo der "Verurteilbaren" und 550fo der Verwahrten dar.

c) Die Vorbestraftheit Die englischen Arbeiten enthalten keine ausführliche Erörterung der während des gesamten kriminellen Lebens begangenen Straftaten30, so daß nur einige knappe Informationen gegeben werden können. a) Straftaten Nach Harnmond haben die Verwahrten durchschnittlich 25 Taten begangen, aber in Wirklichkeit dürfte die Zahl noch höher sein. Diese Zahl liegt nur geringfügig über der durchschnittlichen Zahl der Schuldsprüche. 27 Siehe dazu 1. Teil II 2 b a. Harnmonds Meinung, daß die Verurteilungspolitik in diesem Punkt keinen Einfluß gehabt haben könne, ist insbesondere mit Rücksicht auf die "Practice Direction" von 1962 nicht zuzustimmen (Harnmond, S. 42). Siehe Fußnote 29. 28 Im Englischen "confirmed recidivists". 29 All. E. R. I [1962] S. 672; siehe Anhang A 3. 30 Die Ursachen dieser Tatsache sind oben in der Einführung zum 2. Teil II am Ende angeführt.

II. Die Verwahrten in England

123

Auch nach diesen Angaben haben weniger als 2% der Verwahrten weniger als zehn Taten begangen. Sicherer ist es, von der Zahl der mit einer Verurteilung endenden strafgerichtliehen Verfahren auszugehen, die notwendigerweise geringer ist, da häufig gleichzeitig die Aburteilung mehrerer strafbarer Handlungen erfolgte. Nur 11 OJo der Verwahrten (32 OJo der nicht verurteilten "Verurteilbaren") standen weniger als zehnmal vor Gericht und 21 OJo (9% der nicht verurteilten "Verurteilbaren") zwanzig- und mehrmaL Nur ein Drittel dieser Verfahren fand wegen Delikten statt, die schwer genug waren, um die gesetzlichen Voraussetzungen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung zu erfüllen. Wir müssen daraus schließen, daß zwei Drittel der Taten kleinkrimineller Natur waren. 12% der Verwahrten und ein Viertel der nicht verurteilten "Verurteilbaren" erfüllen gerade mit drei selbständigen qualifizierenden Verurteilungen vor dem letzten Verfahren die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Im Durchschnitt sind 16,5 Strafverfahren gegen Harnmonds Verwahrte gelaufen. Die Zahl der Straftaten und der Verurteilungen der Verwahrten ist im Durchschnitt höher als die der "Verurteilbaren". Einegenaue Eingruppierung der Verwahrten nach der Hauptrichtung ihrer Kriminalität in der Vergangenheit ergibt, daß von den 178 Verwahrten 40,5 OJo am häufigsten wegen schweren Diebstahls (Raub, Erpressung und ein Teil des Hausfriedensbruchs sind inbegriffen) 31 , 38,2% wegen einfachen Diebstahls und Unterschlagung, 16,8% wegen Betrugs und jeweils nur 0,6% wegen Sittlichkeitsverbrechen und Straftaten gegen Leib und Leben in der Vergangenheit bestraft worden sind. 3,5% der Verwahrten lassen sich in keine der Gruppen einordnen. Bei 60% der Verwahrten stimmt auch das letzte, der Anordnung der Sicherungsverwahrung zugrunde liegende Delikt mit der am häufigsten in der kriminellen Laufbahn auftretenden Deliktsart überein. Sie sind diesbezüglich viel stetiger als die "Verurteilbaren". Soweit verschiedene Deliktsarten während der kriminellen Laufbahn auftraten, lassen sich für die Hauptdeliktsgruppen auch typische Kombinationen feststellen, während dies für Sittlichkeitsverbrecher und gewalttätige Verbrecher nicht möglich ist, da diese Gruppen zahlenmäßig zu klein sind. Täter einfachen Diebstahls begingen häufiger auch schweren Diebstahl, seltener aber Betrug. In einigen Fällen ist ein Übergang vom einfachen Diebstahl zum Betrug festzustellen. Betrüger begingen häufiger auch Diebstahl, selten aber schweren Diebstahl. Täter schweren Diebstahls begingen häufiger auch einfachen Diebstahl32 • 31 32

Siehe oben die Einführung zum 2. Teil II. Dazu Hammond, S. 44.

2. Teil: Die Verwahrten

124

ß)

Vorstrafen

Im Englischen Strafrecht ist die Zahl der möglichen Reaktionen des Gerichts auf festgestellte strafbare Handlungen zwar größer als im deutschen Recht33• Aber viele dieser Möglichkeiten der Bestrafung, besonders jene, die mit sozialen, psychologischen und bildungsmäßigen Behandlungsformen verbunden sind, sind mit den Verwahrten niemals versucht worden. Nur 330fo der Verwahrten und ungefähr 300fo der anderen "Verurteilbaren" ist jemals zu "Probation" verurteilt worden. 40°/o der Verwahrten (37°/o der anderen "Verurteilbaren") waren in Jugenderziehungsschulen (approved schools) oder Jugendstraflagern (Borstals). Selbst Norval Morris' Erwartung, daß die Gerichte, sobald die 1948 eingeführte vorbeugende Verwahrung richtig arbeiten werde, zögern würden, die Sicherungsverwahrung für einen Verbrecher anzuordnen, ohne daß er vorher zu vorbeugender Verwahrung verurteilt gewesen ist, hat sich nicht bestätigt34 • Nur jeder siebente Verwahrte war vorher zu vorbeugender Verwahrung verurteilt. 1956 stand diese neue Maßnahme den Gerichten noch nicht lange genug zur Verfügung, um diese Feststellung zu erhärten. Aber auch aus späteren Berichten der Prison Commission geht hervor, daß der Anteil der Verwahrten, die zu vorbeugender Verwahrung verurteilt worden sind, niemals über 250fo gestiegen ist. Alle "Verurteilbaren" sind im Gefängnis gewesen, da dies zu den gesetzlichen Voraussetzungen der Verurteilbarkeit zu Sicherungsverwahrung gehört, aber die Verwahrten waren es öfter als die restlichen "Verurteilbaren". 70fo der Verwahrten waren drei- bis fünfmal im Gefängnis oder Borstal, 33 Ofo weniger als zehnmal, mehr als 50 Ofo zwischen zehnund siebzehnmal und 90fo noch häufiger. Die Verwahrten haben bis zur letzten Verurteilung durchschnittlich 11 Jahre im Gefängnis verbracht (demgegenüber die restlichen "Verurteilbaren" 7,8 Jahre) und 170fo sind schon einmal sicherungsverwahrt worden. Bemerkenswert ist, daß 1956 von 79 schon einmal sicherungsverwahrten "Verurteilbaren" nur 31 erneut dazu verurteilt wurden, die übrigen aber andere Urteile erhielten. Die Tatsache, daß die Verwahrten bei durchschnittlich 16,5 Strafverfahren gegen sie nur durchschnittlich 10,2 mal zu Gefängnis verurteilt worden sind, läßt darauf schließen, daß viele ihrer Straftaten nicht besonders schwer waren35 • 33 Insbesondere ist hier für das Jugendstrafrecht auf das "Attendence Centre" und das "Detention Centre" und für das allgemeine Strafrecht auf die vielseitigen Möglichkeiten im Rahmen der "Probation" und auf die vorbeugende Verwahrung (corrective training) hinzuweisen. 34

as

Morris, S. 247.

Ebenso Hammond, S. 28.

II. Die Verwahrten in England

125

d) Der Beginn der KriminaLität

Auch in England hatte man angenommen, daß eine Verbindung zwischen Frühkriminalität und Rezidivismus bestehe36• N. Morris stellte jedoch 1948 ein Erstverurteilungsalter von 19 Jahren 2 Monaten für seine "verhärteten Rezidivisten" und 20 Jahre 8 Monaten für die 32 damals in England und Wales Verwahrten fest 37• Das Erstverurteilungsalter lag doch erheblich höher als man nach der allgemeinen Annahme hätte erwarten sollen, da das Alter mit der größten Zahl von Erstverurteilungen für Vermögensdelikte immer unter 15 Jahre gelegen hat und die überwiegende Mehrheit der Rezidivisten und Verwahrten wegen dieser Delikte verurteilt worden ist. Morris Untersuchungsergebnisse sind durch spätere Arbeiten nicht bestätigt worden. In Harnmonds Gruppe beträgt das durchschnittliche Alter im Zeitpunkt der ersten Verurteilung 16,9 Jahre für die Verwahrten38 und 18,4 Jahre für die nicht zur Sicherungsverwahrung verurteilten "Verurteilbaren". Noch deutlicher wird der Zeitpunkt des Beginns der kriminellen Laufbahn durch eine Unterteilung in Altersgruppen. Fast ein Viertel der Verwahrten wurde vor Vollendung des 14. Lebensjahres erstmals verurteilt, ein weiteres Viertel vor Vollendung des 17. und ein weiteres vor Vollendung des 21. Lebensjahres. Nur 10,6% der Verwahrten stand nach Vollendung des 25. Lebensjahres erstmals vor dem Strafrichter und niemand nach Vollendung des 40. Lebensjahres. 17 OJo der nicht verurteilten "Verurteilbaren" gehörten zur letzten Gruppe, einige hatten das 40. Lebensjahr vollendet, und entsprechend weniger zu den jüngeren Altersgruppen. Ungefähr ein Viertel der Verwahrten (etwas mehr aller "Verurteilbaren") begann die kriminelle Laufbahn nach Erreichung der Volljährigkeit39. Dieser Anteil ist sicherlich zu hoch gegriffen. Denn einmal kann man die erste Verurteilung nicht mit der ersten begangenen Straftat gleichsetzen, weil manche Täter geschickt genug gewesen sind, nicht ermittelt zu werden oder wegen der ersten Tat nicht vor Gericht kamen40 , 36 So etwa N. Morris, S. 301. Hammond weist ohne nähere Angaben darauf hin, daß das Alter, mit dem ein Verbrecher seine erste Straftat begeht, für die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten prognostische Bedeutung habe, weniger aber die längere Fortsetzung der kriminellen Laufbahn (S. 28 ff. unter Berufung auf einen unveröffentlichten Bericht der Forschungsstelle des Innenministeriums). a1 Morris, S. 301/339. 38 Bei West und Taylor ist der Durchschnitt 18,3 bzw. 18,5. 39 Bei Taylor begannen 300/o erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres und entsprechend weniger in der jüngsten Altersstufe, Wests Ergebnisse lagen zwischen Harnmonds und Taylors. 40 Im englischen Strafrecht gilt grundsätzlich das Opportunitätsprinzip. Siehe oben die Einführung zum 2. Teil II.

126

2. Teil: Die Verwahrten

insbesondere vor der Einrichtung des Jugendgerichts41 • Außerdem können auch ältere Aktenstücke verlorengegangen sein42 • Dennoch kann man mit einem gewissen Anteil Spätkrimineller rechnen. Das Erstverurteilungsalter ist unterschiedlich für Täter verschiedener Deliktsarten bei der letzten Verurteilung. Wie schon in den deutschen Untersuchungen festgestellt worden ist, begannen auch hier die Betrüger ihre kriminelle Laufbahn am spätesten. Der Beginn liegt mit 20,6 Jahren etwa vier Jahre später als bei den Dieben48 • e) Die straffreien Perioden

Straffreie Perioden zwischen der letzten Verurteilung oder Strafentlassung und der erneuten Inhaftierung und Verurteilung haben in der Verurteilungspolitik des Court of Criminal Appeal eine erhebliche Rolle gespielt44• Ihr Auftreten und ihre mögliche Bedeutung sind daher von besonderem Interesse. 71 Ufo der Verwahrten (51 Ofo der nicht verurteilten "Verurteilbaren") waren weniger als ein Jahr in Freiheit, bevor sie die neuen Straftaten begingen und nur 10 Ofo (27 Ofo der anderen "Verurteilbaren") mehr als zwei Jahre. 9°/o aller "Verurteilbaren" waren mehr als vier Jahre in Freiheit. Wie West45 zeigt, hat nur ein Teil der Straftäter während des straffreien Intervalls keine strafbaren Handlungen begangen, andere haben es nur verstanden, nicht ermittelt zu werden. Von besonderem Interesse ist die Frage, wie und unter welchen Umständen die kleine Minderheit von Rezidivisten, bei der längere deliktfreie Intervalle auftreten, diese Zeit verbracht haben, da daraus möglicherweise Schlüsse auf die Art der Lebensverhältnisse gezogen werden können, die geeignet sind, eine weitere Rückfälligkeit zu verhindern. Die überwiegende Mehrheit dieser Rezidivisten lebte während der Zeit des Intervalls in besonders geschützten und geordneten Verhältnissen, etwa als Angehöriger der Streitkräfte, Patient eines Krankenhauses oder - und darauf muß besonders aufmerksam gemacht werden - in einer engen Bindung an einen willensstarken Menschen, meist eine Frau, der eine Art mütterlicher Sorge für den einzelnen Rezidivisten übernahm und ihn von krimineller Aktivität fern hielt. Bei einigen aktivaggressiven Rezidivisten treten solche deliktfreien Intervalle auf, ohne daß sich die geringste Erklärung dafür finden läßt. Sie unterbrechen ihre kriminelle Aktivität ohne erkennbare äußere Beeinflussung. 41

Eingeführt durch Section 45 ff. des Children and Young Persons Act,

42

Siehe West, S. 84. Ausführliche Aufstellung bei Hammond, S. 42, Tabelle 9. Siehe oben 1. Teil II 2 b e. West, S . 34 ff.

1933. 43

44

45

II. Die Verwahrten in England

127

2. Die soziale Persönlichkeit der Verwahrten

Der nun folgende Abschnitt enthält die biologischen, psychischen und soziologischen Untersuchungsergebnisse zur Persönlichkeit der Verwahrten in England. Auf Grund des vorhandenen Materials müssen die folgenden Ausführungen auf die Sicherungsverwahrten beschränkt werden. Nur von da aus mögen vorsichtige Schlüsse auf die entsprechenden Merkmale der "Verurteilbaren" möglich sein. Grundlage dieses Abschnitts sind die Arbeiten von R. S. Taylor und D. J. West. Schon bei den Ausführungen zur sozialen Persönlichkeit der deutschen Verwahrten ist darauf hingewiesen worden, daß ein Vergleich zwischen Verwahrten und solchen Straftätern, die nach ein oder zwei Verurteilungen lernen, sich von weiteren Delikten fernzuhalten, von besonderem Interesse wäre. Es gibt zwei neuere englische Untersuchungen über einund zweimal zu Freiheitsstrafe Verurteilte, die für einen solchen Vergleich verwendet werden können: "The Short-Term Prisoner" von R. G. Andry46 und "A sociopsychological study of primary recidivism" (Eine sozialpsychologische Untersuchung des primären Rezidivismus) von A. Straker47 • a) Die physischen und geistigen Merkmale

a) Physische Merkmale Die Verwahrten unterscheiden sich nach Körperbau und Erscheinung nicht von der übrigen Bevölkerung46. Auch sind keine sichtbaren angeborenen Mißbildungen feststellbar. Der Anteil an Krankheiten und Schädigungen - abgesehen von Geisteskrankheiten, die gesondert behandelt werden- bei den Verwahrten überschreitet das durchschnittliche Ausmaß solcher Erscheinungen in der arbeitenden Bevölkerung erheblich. Die schweren physischen Krankheiten reichen von Krebs (jeweils zwei Fälle bei West49 und bei Taylor), über Magengeschwüre (vier Fälle jeweils) bis zu Invalidität oder Semünvalidität. West fand neben den schon erwähnten Fällen einen Fall von Poliomyelitis (Krüppel) und fünf Semiinvaliden mit Lungenabszeß, Diabetis, Angina pectoris, Emphysem, Hyperpiesis. Neben diesen zwölf Fällen haben noch eine Anzahl 48

R. G. Andry, 1963, London.

Unveröffentlichter Beitrag zu einem Symposion über "Psychologische und soziale Faktoren kriminellen Verhaltens", veranstaltet von den soziologischen Sektionen der British Association for the Advancement of Science; in Aberdeen, 1963. 48 Das hat Straker auch für die Erstverurteilten und die zum zweiten Mal zu Gefängnisstrafe Verurteilten (primären Rezidivisten) festgestellt. 49 Die Ausführungen über physische Krankheiten bei West beziehen sich auf die ganze Gruppe von 100 Rezidivisten. Siehe West, S. 51 ff. 47

2. Teil: Die Verwahrten

128

Verwahrter geringere Schädigungen oder eine "Geschichte wiederkehrender Erkrankungen" 50 • Bei Taylor treten neben den schon erwähnten Krankheiten noch chronisches Asthma (1 Fall), Taubheit (1), Erblindung auf einem Auge (2), sehr schlechte Sehfähigkeit (1), infantile Paralyse eines Beines (2), Osteomyelitis eines Beines (1), Beinamputation als Folge einer Kriegsverwundung (1), Rückgratverlagerung (1), deformierter Brustkorb (1), rheumatisches Fieber (1) und zwei weitere Invaliden, deren Krankheitsbild nicht bekannt ist, auf. Insgesamt sind es 21 Fälle bei Taylor. Daneben sind in Taylors Gruppe zwei und in Wests fünf Fälle schwerer Kopfverletzungen während der Kindheit oder Jugend. In einem Fall hatte die Kopfverletzung zu einer völligen Paralyse geführt. Viele der Verwahrten haben in ihrem Leben nie eine schwere Krankheit erlebt, bei manchen stellen sich allerdings frühzeitig Alterserscheinungen ein.

ß)

Geistig-seelische Merkmale

Unter den Verwahrten sind außerordentlich viele Fälle geistig-seelischer Störungen. Eine ganze Reihe von Verwahrten litt möglicherweise an Gehirnschädigungen. West schildert zwei Fälle von Epilepsie (der eine davon war geheilt) und die fünf schon erwähnten Fälle von schweren Kopfverletzungen während der Kindheit und Jugend (in einem Fall hatte die Verletzung zu einer traumatischen Hemiplegie geführt). In Taylors Gruppe waren zwei Fälle mit epileptischen Anfällen in der Vergangenheit, ein Fall Jacksonscher Epilepsie, ein Fall von Meningitis und die zwei schon erwähnten Fälle mit Kopfverletzungen. Ganz besonders auffällig ist die Häufigkeit der Psychosen. Ein Drittel der von West untersuchten Verwahrten litt an oder war nicht völlig geheilt von einer schweren Geisteskrankheit, so daß sie, wären sie nicht Kriminelle gewesen, von einer Heilanstalt zur Behandlung aufgenommen worden wären, die Hälfte sogar hospitalisiert worden wäre 51 • Fünf Verwahrte hatten eine paranoische Schizophrenie, zwei weitere hatten andere Psychosen, sechs bis sieben Verwahrte litten unter starken Depressionen. Bei einem Teil der Verwahrten wird es sich um Haftpsychosen handeln, da sie alle schon sehr lange in Haftanstalten zugebracht hatten, bevor sie zur Sicherungsverwahrung verurteilt wurden. Ebenda. u Es ist zu beachten, daß West, der selbst Mediziner ist und sich bei seinen Untersuchungen nicht nur auf die Akten gestützt hat, besonders darauf hinweist, daß er nur solche psychotischen Erscheinungen berücksichtigt habe, von denen er annehme, daß sie von jedem Psychiater anerkannt würden. Siehe West, S. 52 ff. 50

II. Die Verwahrten in England

129

Taylors Verwahrte waren in dieser Hinsicht nicht so geschädigt52• Er gibt nur vier Psychotiker und eine Reihe von Verwahrten, die früher einmal wegen Symptomen von Geisteskrankheit in Behandlung gewesen sind, an, obwohl seine Gruppe doppelt so groß ist wie Wests53• 24 der 50 Verwahrten in Wests Gruppe klagten über Symptome, die auf eine Neurose hindeuten54• West hält die Klagen mit Ausnahme weniger Fälle für begründet. Kopfschmerzen und andere physische Beschwerden ohne organische Begründung, hypochondrische Furcht, irrationale Ängste, unerklärbare Depressionen und andere Beschwerden seien die typischen Merkmale der Neurosen.

Es ist auch im angelsächsischen Raum nicht unüblich, Rezidivisten als Psychopathen zu bezeichnen, über den Inhalt dieses Wortes besteht dort ebenfalls keine Einigkeit. Es ist daher erforderlich, den Begriff der Psychopathie zu erklären, den West in seinem Kapitel über .,psychopathische Charakterzüge" 55 verwendet. Er untersucht die Verwahrten nach drei Gesichtspunkten, die alle vorliegen müssen, um jemanden als Psychopathen bezeichnen zu können. Diese Merkmale sind: "eine schwere Verhaltensstörung unter Fehlen einer psychotischen oder neurotischen Krankheit, die schwer genug ist, diesenZustand zu erklären"; (ii) "Anfälligkeit für zügellose impulsive Angriffe bei leichter Provokation"; (iii) "antisoziales Verhalten, das auf eine inhumane Indifferenz gegenüber den Gefühlen anderer Menschen schließen läßt" 56• (i)

Durch das erste Merkmal werden die sieben Psychotiker und die 24 Neurotiker, die in Wests Gruppe sind, ausgeschlossen. Von den restlichen 19 Verwahrten erfüllen nur zwei das zweite Merkmal in einem Ausmaß, das West für erforderlich hält, um jemanden als Psychopath bezeichnen zu können; sie erfüllen aber nicht das dritte Merkmal. Bei zehn Verwahrten trat das dritte Merkmal außerordentlich stark in Erscheinung. Kein Verwahrter wies alle drei Merkmale in einem Ausmaß auf, das West für Psychopathen für erforderlich hält. Das Vorliegen des zweiten oder dritten Merkmales allein kann aber das kriminelle Verhalten der entsprechenden Verwahrten bestimmt oder mitbestimmt haben. Die Tatsache, daß bei der Verwendung einer klaren und strengen Definition der Eine Einzelauswertung ist hier nicht möglich. Es ist möglich, daß Taylors Untersuchung bezüglich der psychiatrischen Erhebungen nicht so gründlich durchgeführt worden ist. Auch Straker hat festgestellt, daß die geistig-seelischen Störungen bei "primären Rezidivisten" viel häufiger auftraten als bei Erstverurteilten. 54 Siehe die Erklärung der Neurose von Masserman, J. H., in The Encyclopedia of Mental Health, hrsg. Deutsch, A., 1963, New York. 55 West, S. 60 ff. 56 West, S. 61. 52

53

9 Gelsler

130

2. Teil: Die Verwahrten

Kriterien der Psychopathie kein Verwahrter als Psychopath bezeichnet werden kann, sollte die Skepsis gegenüber der Anwendung dieses Begriffes nur noch steigern. Der Begriff Psychopath erklärt häufig scheinbar einen Zustand, wo er nur eine neue Bezeichnung für einen immer noch ungeklärten Sachverhalt ist. In Taylors und Wests Gruppen war kein Schwachsinniger. Die Intelligenz der Verwahrten, beide Gruppen wurden getestet, war gut durchschnittlich im Vergleich zu der in der Normalbevölkerung. Auch andere Untersuchungen haben ergeben, daß es keinen Intelligenzunterschied zwischen Strafgefangenen und normaler Bevölkerung gibt57• Abgesehen von den Verwahrten, die zuletzt wegen Sexualdelikten verurteilt worden sind (zwei Fälle bei West und drei bei Taylor) traten bei vielen Verwahrten sexuelle Störungen auf, die einen weiteren Anhaltspunkt für psychiatrische Störungen bieten58• Ein Zehntel der Verwahrten in beiden Gruppen hat homosexuelle Erfahrungen, aber noch erstaunlicher ist, daß viele unverheiratete Männer niemals eine feste Freundin gehabt zu haben scheinen, daß sie niemals soziale oder sexuelle Beziehungen zu einer Frau hatten mit Ausnahme gelegentlicher unverbindlicher Sexualerlebnisse. West, der diese Tatsache sorgfältig erwogen hat, vertritt die Auffassung, daß es sich hierbei nicht so sehr um ein Zeichen sexueller Zerrüttung handle, sondern nur um eine Ausprägung der allgemeinen Unfähigkeit vieler Verwahrter zur Eingliederung in das soziale Leben59• Das Konzept der Persönlichkeitsabweichungist auf Seite 102 ff. ausführlich entwickelt worden. West sieht in 92% der Fälle (46 Verwahrte) eine Persönlichkeitsabweichung als gegeben an. Vier Verwahrte zeigten keine Besonderheiten, siebzehn waren aktiv-aggressive und 29 passiv-inadäquate Persönlichkeitsabweichende60. Die meisten Engländer, die mit den Verwahrten zu tun haben, stimmen darin überein, daß die Hälfte der Verwahrten inadäquat sei. Über ein weiteres Viertel gehen die Meinungen auseinander, aber ein Teil der Beobachter würde sie so bezeichnen61. 57 Siehe Hentig, H. v., The Criminal a. His Victim, 1948, New Haven, USA, S. 102; Straker hat diese Feststellung für die Erstverurteilten und die primären Rezidivisten gemacht. Bei Leistungstests, die nicht die Intelligenz, sondern den damit erzielten Leistungsstand messen, fielen beide Gruppen erheblich von der durchschnittlichen Bevölkerung ab. 58 West, S. 57. 58 West, S.58 unter Bezugnahme auf Gibbens, T.C.N., "The sexual behaviour of young criminals", Journ. Mental Science, 1957, 103, 527-540. 8o West, S. 60ff. 81 Meine diesbezüglichen Beobachtungen wurden mir durch Herrn R. S. Taylor, Principal Psychologist, bestätigt.

li. Die Verwahrten in England

131

b) Der soziale Hintergrund und die Lebensverhältnisse a) Entwicklungsbedingungen Einer der meistzitierten Gründe für die Kriminalität ist das Fehlen eines geordneten Elternhauses. Aber auch Taylor und West ist es nicht möglich gewesen, emotionale Störungen in den elterlichen Familien der Verwahrten zu rekonstruieren. Dafür liegen diese Dinge zu weit zurück. Die Zahl der unehelich geborenen Verwahrten (8 von 100 bei Taylor) ist nicht auffällig. Der Anteil der Verwahrten, die aus großen Familien stammten, ist groß. 46--47°/o hatten vier oder mehr Geschwister62 • Verwahrte waren nicht häufiger unter erst- und letztgeborenen Kindern zu finden als unter den mittleren Geschwistern. Einzelkinder und älteste Geschwister begingen ihre Taten allein, während die mittleren und letzten Geschwister eher mit anderen zusammenarbeiteten63• Die wirtschaftliche und soziale Stellung der elterlichen Familie (oder der Familie, in der die Verwahrten aufgewachsen sind) läßt sich zu einem gewissen Teil aus der beruflichen Stellung der Väter (auch Stiefund Pflegeväter) ersehen. Zwischen 40 und 50% arbeiteten in gelernten und angelernten Berufen. 130fo bei Taylor und 90fo bei West gehörten zu den Büroangestellten und Beamten. Zwischen 5 und 8% der Väter waren selbständig. Ein Viertel bei West und 11 Ofo bei Taylor waren ungelernte Arbeiter, wohl meist Hilfs-und Gelegenheitsarbeiter. Bei etwa einem Viertel der Gruppe Taylors ist keine Information vorhanden, weil die Väter nicht bekannt oder gestorben waren oder die vorhandenen Auskünfte der Verwahrten zu unzuverlässig erschienen. Die Hälfte der Verwahrten in Wests Gruppe kommt aus einem unvollständigen Elternhaus, das heißt, daß ein natürlicher Elternteil wenigstens für längere Zeit gefehlt hat, bevor sie das 15. Lebensjahr vollendet hatten. Diese Verwahrten sind von dem anderen Elternteil, Pflegeeltern, Verwandten oder in Heimen erzogen worden64 • Der Grund dafür ist regelmäßig der Tod eines oder beider Elternteile, Getrenntleben oder Scheidung der Eltern oder frühzeitiges problematisches Verhalten des späteren Verwahrten selbst, das zu seiner Einweisung in eine Erziehungseinrichtung geführt hat. Die Erziehung in einer unvollständigen Bei Taylor 40 von 100 Verwahrten, bei West 41 von 88 Rezidivisten. In Andrys Gruppe sind die ältesten und jüngsten Geschwister und die Einzelkinder überrepräsentiert. 84 300/o waren mit 15 Jahren Halb- oder Vollwaisen, 5Q-.900fo mehr als in der Durchschnittsbevölkerung, Taylors Ergebnisse für das Alter von 14 Jahren sind nur wenig besser und seine Kriterien sind nicht so streng. 60 Ofo lebte mit beiden Eltern, 23 Ofo mit einem Elternteil, möglicherweise neu verheiratet, 80fo bei Verwandten und 90/o bei Pflegeeltern oder im Waisenhaus. 62

88

go

132

2. Teil: Die Verwahrten

Familie muß nicht notwendigerweise unbefriedigend sein, weil die Pflegeeltem oder andere erziehende Personen auch ein herzliches und verständiges Verhältnis zu dem späteren Verwahrten gewonnen haben können, wenn solch ein Verhältnis auch kein vollwertiger Ersatz für ein wirkliches Eltemhaus sein kann115 • Die Häufigkeit eines unvollständigen Eltemhauses mag ein Grund für den hohen Anteil der Persönlichkeitsabweichungen unter den Verwahrten sein, da dieser Mangel zumindest die emotionale Entwicklung eines Menschen beeinträchtigt und oft zu einer frühzeitigen Entlassung in die Welt der Erwachsenen führt 88• Das Material über die biologischen und psychischen Eigenschaften der Eltern der Verwahrten, die sich als soziale Belastung ausgewirkt haben könnten, ist knapp. Von den 60 elterlichen Familien in Taylors Gruppe, die als heil bezeichnet werden können, war in elf wenigstens ein Elternteil schwerer Trinker und in drei war die Mutter Invalidin (beides traf bei einer Familie zusammen). Bei den 40 zerbrochenen Familien bestanden in 28 Fällen ungewöhnliche Verhältnisse im Hinblick auf die Eltem. In 19 Familien lebte nur noch ein Eltemteil, in einem Fall waren beide Eltem gestorben (in einem Fall hatte die Mutter Selbstmord begangen), in drei Fällen war ein Eltemteil in einer Heilanstalt für Geisteskranke, in drei Fällen war ein Eltemteil Invalide und eine Mutter war schwere Trinkerin. In der Gruppe der "heilen" elterlichen Familien waren nur wenige physische Schäden festzustellen, dafür aber ein recht hoher Anteil an Alkoholismus. In der anderen Gruppe waren neben den Fällen der Verwaisung physische Schäden häufig. Nur wenige Väter oder Mütter (2 von 50 bei West, 6 von 100 bei Taylor) und Brüder waren vorbestraft. Insgesamt haben 180fo der Verwahrten bei West und 14% bei Taylor mindestens ein vorbestraftes Familienmitglied in diesem engen Angehörigenkreis. Die überwiegende Mehrzahl der Väter und Brüder waren arbeitsame, ordentliche Bürger mit sozialem Verantwortungsbewußtsein. Die Verwahrten, die aus einem kriminellen Milieu stammten, schienen weniger persönlichkeitsabweichend zu sein als der Durchschnitt. Ob große Armut der elterlichen Familie der Verwahrten zu ihrer kriminellen Entwicklung beigetragen hat, haben beide Autoren für nicht untersuchenswert gehalten. Wenn man berücksichtigt, daß die Väter in allen Berufsgruppen tätig waren, nur etwa ein Viertel ungelernte Arbeiter waren und daß knapp die Hälfte der elterlichen Familien sehr groß waren, dann müssen wenigstens 20 Ofo von den Verwahrten in ihrer 85 In Andrys Gruppe ist die Verwaisung noch stärker. Straker fand, daß die primären Rezidivisten zum Zeitpunkt der Schulentlassung häufiger nur mit einem Elternteil oder ganz ohne Eltern lebten als die Erstverurteilten. 68 Siehe dazu auch 2. Teil I 2 b a.

Il. Die Verwahrten in England

133

Kindheit zeitweilig äußerste Armut erfahren haben. Die soziale Belastung durch dieEitern hinsichtlich derMerkmaleAlkoholismus-120/oKriminalität- 60/o- und Armut- 200/o- ist nicht sehr groß. Zum Abschluß der Ausführungen über die Entwicklungsbedingungen muß noch kurz das Erziehungsklima, die Erziehungswelt der Verwahrten bewertet werden. West67 und Taylor68 sehen reichlich die Hälfte der Elternhäuser als äußerst unbefriedigend an. Taylor hat die Elternhäuser, in denen es große Reibungen und Spannungen gab, als "gestört" und harmonische Elternhäuser als "nicht gestört" bezeichnet. Von den 60 vollständigen Elternhäusern waren 27 gestört, von den 40 zerbrochenen waren auch 27 gestört (3 lassen sich nicht klassifizieren). Daraus kann geschlossen werden, daß nicht im unvollständigen Elternhaus die Ursache für die Frühkriminalität zu sehen ist, sondern in einem emotional gestörten Elternhaus. Emotionale Spannungen und gestörte Familienbeziehungen in der Kindheit sind offenbar wichtiger für die Entwicklung des frühkriminellen Rezidivismus als der frühe Tod eines Elternteils69. West fand keine Erklärung für den Rezidivismus des Viertels der Verwahrten, die in sehr befriedigenden häuslichen Verhältnissen aufgewachsen zu sein schienen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch hier schwere emotionale Störungen vorlagen, die nur nicht mehr nachweisbar sind. Gerade die äußerlich ordentlichen und gepflegten Familien müssen ein Interesse daran haben, diese Dinge zu vertuschen. Einige kamen aus besseren häuslichen Verhältnissen. Eine Verbindung zwischen gestörten häuslichen Verhältnissen und den Formen der Persönlichkeitsabweichung hat West daher nicht festgestellt. Das Erlebnis aktiver Gewalttätigkeit und Grausamkeit während der Kindheit scheint sich in Aggressivität der Verwahrten niederzuschlagen70.

ß) Existenzbedingungen Drei Fünftel der Verwahrten haben regelmäßig die Elementarschule71 besucht und mit befriedigendem Ergebnis abgeschlossen. 14 Ofo haben Mittel- oder Oberschulen72 besucht. Ein Viertel hatte Schwierigkeiten in der Schule, meist waren es Disziplinschwierigkeiten, insbesondere Faul67

West, S. 84 ff.

Taylor, R. S., "The Habitual London, S. 21 ff. (28 f.). 69 Taylor, ebenda. 68

70

West, S. 90/91.

Criminal", Brit. Journ. of Criminology, 1960,

Die Elementarschulbildung endete mit der Vollendung des vierzehnten Lebensjahres und entsprach unserer Grundschulbildung. 72 Central, Grammar, Technical oder Public School, 71

2. Teil: Die Verwahrten

134

heit (hier sind alle, die in einem Waisenhaus aufgewachsen sind, eingeschlossen)13. Sowohl der Bildungsstand als auch die Intelligenz dieser Männer kann daher nicht der Grund für ihren Abfall von dem Standard an Berufsausbildung und Fertigkeiten, den ihre Väter erreicht hatten, gewesen sein. Fast zwei Drittel der Verwahrten in beiden Gruppen waren ungelernte Arbeiter (meist Gelegenheitsarbeiter), ein Viertel waren angelernte Arbeiter und nur 70fo bei Taylor, 120fo bei West hatten eine abgeschlossene Berufsausbildung (meist handwerklicher Lehrabschluß). Die Hälfte der Verwahrten arbeitete am Anfang normal und regelmäßig, fing auch meist eine Lehre an, fiel aber nach einem Jahr ab und wurde unregelmäßig. Sie wechselten dann ihre Arbeitsstelle häufig, manchmal wurden sie auch wegen zu langsamen Arbeitens oder Widersetzlichkeit und Unzuverlässigkeit entlassen. 44 Ofo in Taylors Gruppe haben nie in ihrem Leben über ein Jahr an einem Arbeitsplatz ausgehalten. 260fo hielten zwischen 3 und 27 Jahren denselben Arbeitsplatz74• Der Eindruck, daß die meisten Verwahrten sich nicht freiwillig einordnen können und unstet sind, wird dadurch unterstützt. Auch beim Militär haben viele Verwahrte versagt. Von Taylors 100 Untersuchten waren 80 beim Militär (größtenteils beim Heer, einige bei der Marine und einer bei der Luftwaffe). 37 waren als Freiwillige, 43 als Wehrpflichtige dabei. Schon der Anteil der Freiwilligen liegt bemerkenswert hoch. Es mag für viele nach einigen Fehlschlägen der letzte Versuch gewesen sein, in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Von den 80 Mann erhielten nur 19 nach befriedigend beendigtem Dienst eine ordentliche Entlassung. 27 sind aus medizinischen oder psychiatrischen Gründen entlassen worden und 34 vorzeitig wegen Straftaten, Desertierens oder schweren charakterlichen Mängeln. Bei West75 ist das Bild noch erheblich schlechter. Selbst in die klar strukturierte militärische Ordnung konnten sich die meisten Verwahrten nicht befriedigend einordnen, ganz im Gegensatz zu ihrem Verhalten in der Strafanstalt. Die 41 Fälle von Abwesenheit und Desertation sprechen besonders für das Umhergetriebensein vieler Verwahrter76• 73 In Strakers Gruppe sind die primären Rezidivisten viel häufiger auf eine Jugenderziehungsschule (Approved School) geschickt worden oder als faule Schiller bezeichnet worden als die Erstverurteilten. 74 Strakers Erstverurteilte hatten häufiger einen Beruf erlernt, wechselten nicht so oft die Stellung und waren viel häufiger in einem Arbeitsverhältnis, als sie die letzte Straftat begingen, als die primären Rezidivisten.

75

West, S. 21.

e Die primären Rezidivisten Strakers bestätigen dieses Bild, während es bei den Erstverurteilten viel günstiger aussieht. 7

II. Die Verwahrten in England

135

Eines der am stärksten hervortretenden Kennzeichen der Verwahrten ist die Unfähigkeit, zwischenmenschliche Bande zu knüpfen und zu erhalten. Ein Beweis dafür ist die folgende Statistik über den Familienstand. Statistik 6 Der Familienstand der Verwahrtena)

Der Familienstand der Verwahrtena) Familienstand Ledig Geschieden Getrenntlebendb) Verwitwet Verheiratet Gesamtzahl

Taylor

West

41 16

25 19d)

25C)

2 16e)

100

50

a) zusammengestellt nach Tay!or, unveröff. Untersuchung, und West, S. 118, Appendix III, Table 11. b) Getrenntlebend mit oder ohne EhetrennungsurteiL c) Ein Fall von Bigamie. d) Geschieden oder getrennt lebend. e) Nur, wo noch Lebensgemeinschaft bestand.

40 Ofo-50 Ofo haben niemals geheiratet und nur 8 Ofo bzw. 15 Ofo lebten vor der letzten Verhaftung mit ihrer Frau zusammen.

Die Verwahrten hatten wenige Kinder, die 50 Verwahrten bei West 38, bei Taylors 100 sind es 92 eheliche Kinder oder Kinder aus langen, nicht legalisierten eheähnlichen Verhältnissen (16 allein von einem Mann aus drei Ehen). Zu ihnen bestand in vielen Fällen kein Kontakt. Knapp die Hälfte der Verwahrten hält zum Teil recht engen Kontakt mit irgendwelchen Verwandten, während sie im Gefängnis waren. 400fo hatte praktisch kaum Kontakt nach außen und sehr viele von diesen Männem müssen als schon seit vielen Jahren völlig isolierte Einzelgänger bezeichnet werden. Wahrscheinlich sind sogar 50 Ofo als so vereinsamte Menschen anzusehen. Für eine besondere Krisensituation, die zum Anfang der kriminellen Karriere geführt haben könnte, geben die englischen Untersuchungen keine Anhaltspunkte. Wieweit die einmal vorhandenen Vorstrafen eine Resozialisierung verhindert haben, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Tatsache ist, daß die Verwahrten immer wieder Arbeitgeber fanden und nicht selten selber kündigten oder die Arbeitsstelle verließen. Auch wo ihre Vorstrafen als Kündigungsgrund genommen wurden, scheint das häufig nur ein bequemer Vorwand zu sein, einen Arbeiter loszuwerden, der durch Unzuverlässigkeit und Unregelmäßigkeit aufgefallen ist, bevor die Vergangenheit näher bekannt geworden ist77• 11

Ebenso West, S. 21.

2. Teil: Die Verwahrten

136

Nachdem alle Gesichtspunkte einzeln besprochen worden sind, ist eine Reihe von ihnen unter dem Merkmal der Persönlichkeitsabweichung zu folgender Tabelle zusammengestellt worden, die wohl infolge der kleinen Zahl keinen Anspruch auf Endgültigkeit erheben kann, aber doch einen recht aufschlußreichen Einblick in die Unterschiede der drei Gruppen erlaubt. Statistik 7 Zusammenstellung verschiedener Auffälligkelten bei 50 detainees unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeitsabweichunga)

Mehr als zehnmal verurteilt Vermögenswert der Delikte d. letzten Verurteilungb) a) unter f. 5 b) über f, 50 über %.300 Unverheiratet Einzelgänger lebt m. Ehefrau Zufriedenstellender Arbeitnehmer Zufriedenstellender Soldat Übermäßiger Trinker Mit psychiatrischen Symptomen VonEltern vor 15 getrennt Insgesamt

Nicht-

Zahlder passivaktivinadäquaten Insgesamt aggressiven Persönlichkeitsabweichenden

2

14

23

39

1 3 3 0 0 3

8

21

7

3 0

0 18 20 1

30C) 19C)

2

1

2

5

0

0

1

1

0

7

7

14

1

7

23

31

2

8

18

28

4

17

29

50

9 3

7

6

25 23 4

a) Zusammengestellt nach West, D. J., Appendix III, Table 12, 13, 14. (Die Gruppe Ist so klein, daß jede Schlußfolgerung daraus der Bestätigung durch weitere Untersuchungen bedarf). b) Ohne Straftaten ,taken into conslderatlon•, die nicht in der formellen Anklage enthalten waren, sondern nach dem Schuldspruch vom Angeklagten eingeräumt werden. c) Der fehlende Fall war ein Sittlichkeltstäter, dessen Tat kein Vermögen betraf. Ein weiterer Sittlichkeltstäter dieser Gruppe Ist mit eingeschlossen.

111. Vergleichende Betrachtung der Verwahrten in England und in Deutschland Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, die in den beiden vorangehenden Abschnitten dargestellten Untersuchungsergebnisse möglichst vollständig zu vergleichen. Vielmehr sollen uns nur die Ähnlichkeiten und Unterschiede der Verwahrten interessieren, die für die Beurteilung

111. Vergleichende Betrachtung der Verwahrten

137

der Sicherungsverwahrung und denkbarer Alternativen zu ihr bedeutsam sein könnten. Ein Vergleich der Strafbarkeit zwischen Tätergruppenzweier Länder ist besonders schwierig. Ist man sich in England und Deutschland auch grundsätzlich darüber einig, welche Handlungen strafbar sein sollen, so ergeben sich in der theoretischen und praktischen Durchführung dieser gemeinsamen Überzeugung doch vielfältige Differenzierungen, die sich aus den unterschiedlichen Rechtsordnungen, dem Grad der Perfektion der Strafverfolgung und anderen Tatsachen begründen lassen1 • Bei dem Vergleich zwischen englischen und deutschen Verwahrten ist weiterhin zu beachten, daß in England das Mindestalter für die Anordnung der Maßnahme 30 Jahre ist, während in Deutschland theoretisch die Vollendung des 18. und praktisch meines Erachtens des 21. Lebensjahres ausreicht, so daß schon altersbedingte Unterschiede in Richtung und Schwere der Kriminalität auftreten könnten. Die letzten Straftaten der englischen Verwahrten waren fast ausschließlich Vermögensdelikte. Insbesondere Diebstahl, Unterschlagung und Raub waren um 17 °/o stärker vertreten als in Deutschland. Eine weitere Aufschlüsselung läßt den Unterschied erst richtig hervortreten. Während in Deutschland nur 5,5 Ofo zur Gruppe schwerer Diebstahl, Raub und Erpressung und weitere 49,1 Ofo zu der undifferenzierten Gruppe Rückfalldiebstahl gehörten, die etwa zu gleichen Teilen aus einfachem und schwerem Diebstahl besteht, waren in England 48,4 °/o der Taten Raub, schwerer Diebstahl und Erpressung und 23 Ofo einfacher Diebstahl und Unterschlagung. Schon dieser Vergleich zeigt uns, daß in England ein größerer Teil gefährlicher Vermögensverbrecher verwahrt wird. Ebenso führt die Gegenüberstellung von "Verurteilbaren" und wirklich zu Verwahrung Verurteilten zu dieser Erkenntnis, denn die englischen Gerichte lesen unter den "Verurteilbaren" eben die gefährlicheren aus. Dabei berücksichtigen sie neben der Höhe des Schadens und der Art der Tatausführung die Verführung jüngerer Mitbeteiligter als erschwerend. Wahrscheinlich gibt es in England auch eine größere Zahl Räuber und gefährlicher Einbrecher als in Deutschland, die außerdem auch weitgehend Banden angehören. In beiden Ländern wurde aber ein großer Teil der Vermögensverbrecher wegen wertmäßig kleiner Vermögensdelikte zu Sicherungsverwahrung verurteilt. In England war es ein Drittel bei einer Wertgrenze von 110,- DM, in Deutschland dürfte diese Gruppe noch größer gewesen sein. Sittlichkeitsdelikte waren mit 23 Ofo bei den deutschen Verwahrten reichlich zehnmal so oft letzte Straftat wie bei den englischen. Dieser auf1

Siehe insbesondere die oben S. 117 ff. dargelegten Unterschiede.

138

2. Teil: Die Verwahrten

fällige Unterschied kann nur auf dem sehr strengen englischen Beweisrecht beruhen. Einmal sind Sittlichkeitsdelikte in England nicht seltener als bei uns, andererseits weicht das materielle Strafrecht beider Länder bezüglich der schweren Homosexualität und der Kindesschändung, der typischen Delikte deutscher Sexualrezidivisten, nicht sehr erheblich voneinander ab2 • Demgegenüber führt die prozessuale Notwendigkeit, Aussagen des verletzten Kindes in diesen Fällen durch weitere Beweismittel erhärten zu müssen, wahrscheinlich zu der sehr niedrigen Verurteilungsziffer wegen dieser Delikte. Die Verletzung von Leib und Leben war in England bei 4,5 Ofo der Verwahrten und in Deutschland bei 1,8% letztes Delikt. Die Verteilung der Hauptrichtungen der Kriminalität in der Vergangenheit und die ihrer letzten Delikte waren nahezu gleich. Aber nicht alle Verwahrten wurden zuletzt wegen des Deliktes verurteilt, das ihrer Hauptrichtung entsprach. In England begingen 79 Ofo hauptsächlich Diebstahl3, in Deutschland waren es nur reichlich 500fo (jeweils etwa zu gleichen Teilen einfacher und schwerer Diebstahl), dagegen war Betrug nur bei 170fo der englischen, aber bei 30 Ofo der deutschen Verwahrten Hauptrichtung. Sittlichkeitsdelikte und Gefährdung oder Verletzung von Leib und Leben, die bei den englischen Verwahrten, von wenigen Fällen abgesehen, auch in der Vergangenheit keine Bedeutung als Hauptrichtung hatten, waren Hauptrichtung bei über 19°/o der deutschen Verwahrten. In beiden Ländern hatten die Verwahrten während ihres kriminellen Lebens durchschnittlich über 25 Straftaten begangen. Die englischen Verwahrten waren zwar ein- bis zweimal weniger mit Freiheitsstrafe vorbestraft, hatten aber mit 11 Jahren Freiheitsentzug vor ihrer letzten Verurteilung länger in Strafanstalten zugebracht. Allein aus diesem Vergleich ergibt sich nicht, daß ihre Delikte gravierender waren, weil dies eine gleiche Strafzumessungspraxis der Gerichte in beiden Ländern voraussetzen würde. Vergegenwärtigen wir uns, daß die Sicherungsverwahrung zum Schutz der Gesellschaft vor Rezidivisten, die eine echte Gefahr darstellen, als schuldüberschreitende Maßregel eingeführt worden ist, so wird an Hand der geschilderten Untersuchungsergebnisse deutlich, daß sie entweder exzessiv oder gegen die falschen Rezidivisten angewandt worden ist. Wenigstens ein Drittel der Verwahrten in beiden Ländern waren Rezidivisten, die mit ihren zahlreichen kleinen Vermögensdelikten keine 2 Siehe die Einführung zum 2. Teil li. Nur wegen der höheren Strafdrohung für homosexuelle Delikte mit Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren in Deutschland könnte sich ein Unterschied ergeben. 3 Unter Diebstahl sind hier schwerer Diebstahl mit Raub und Erpressung und einfacher Diebstahl mit Unterschlagung zusammengefaßt.

III. Vergleichende Betrachtung der Verwahrten

139

Gefahr für die Gesellschaft darstellten. Sie waren lästig. Aber auch gegenüber vielen, die bei Ausführung schwerer Vermögensdelikte niemand gefährdeten oder verletzten, war die Sicherungsverwahrung nicht gerechtfertigt. Unter den englischen Verwahrten waren immerhin mehr gefährliche Vermögensverbrecher als unter den deutschen, unter letzteren ein Teil gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher, gegenüber denen die Maßregel berechtigt war. Sowohl in England als auch in Deutschland wurden 75 Ofo der Verwahrten vor Vollendung des 21. Lebensjahres erstmals verurteilt. In England wurden aber 20 bis 250fo vor Vollendung des 14. Lebensjahres erstmals verurteilt, in einem Alter, in dem Kinder in Deutschland noch nicht strafrechtlich verantwortlich sind. Folglich lag auch das durchschnittliche ErstverurteilungsaUer in England um ein bis zwei Jahre niedriger als in Deutschland, obwohl in beiden Ländern reichlich 50 Ofo der Verwahrten vor Vollendung des 18. und jeweils 100fo nach Vollendung des 25. Lebensjahres ihre kriminelle Laufbahn begannen. Der Unterschied des durchschnittlichen Erstbestrafungsalters muß daher allein auf die unterschiedliche gesetzliche Regelung der kriminellen Verantwortlichkeit von Kindern zurückgeführt werden. Auf den ersten Blick scheint das Alter der Verwahrten im Zeitpunkt der letzten Verurteilung in beiden Ländern gleich gewesen zu sein. Während aber 10 bis 20% der deutschen Verwahrten unter 30 Jahre alt waren, konnte nach englischem Recht kein Rezidivist vor Vollendung des 30. Lebensjahres zu Sicherungsverwahrung verurteilt werden. Die Anordnungen der deutschen Gerichte verteilten sich auf eine größere Altersspanne, hauptsächlich auf die Jahre zwischen 25 und 60. In England verurteilte man dagegen besonders Täter zwischen dem 30. und dem 50. Lebensjahr zu Sicherungsverwahrung. Rezidivisten, die das 50. Lebensjahr überschritten haben, sind, mit Ausnahme einiger Sittlichkeitsverbrecher, normalerweise für das Leben und die Gesundheit anderer ungefährlich. Für die Anwendung der Maßregel besteht bei ihnen kein Grund. Das vorliegende Material läßt für die Ursachen der Kriminalität der Verwahrten keine allgemeingültige Erklärung zu. Bei den englischen Verwahrten waren physische Störungen und Krankheiten häufiger als bei den deutschen. Die meisten Verwahrten waren aber noch nie schwer krank. Geisteskrankheiten, im weitesten Sinne des Wortes, traten unter den englischen Verwahrten, insbesondere in Wests Gruppe\ sehr viel häufiger auf als unter den deutschen Verwahrten. Diese Tatsache ist darauf zurückzuführen, daß es im englischen 4 West ist Mediziner. Er hat außerdem die erforderlichen Untersuchungen selbst durchgeführt oder geleitet.

140

2. Teil: Die Verwahrten

Recht keine dem§ 51 StGB entsprechende Regelung gibt und daß die gesetzlichen Bestimmungen, die einzelne Fälle regeln, nicht ausschließen, daß ein erheblicher Teil von Geistesgestörten, der mit dem Strafrecht in Konflikt kam, seinen Weg in die Gefängnisse gefunden hat5 . Es besteht hinreichend Grund zu der Annahme, daß ebenso wie unter den englischen Verwahrten auch ein hoher Anteil der deutschen Verwahrten neurotische Symptome zeigte, die sein Wohlbefinden innerhalb und außerhalb der Gefängnisse beeinträchtigten. Unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeitsstruktur ließen die Verwahrten sich je nach der Art ihrer Persönlichkeitsabweichung in drei Deutungstypen unterteilen: die Nichtabweichenden, die aktiv-aggressiven und die passiv-inadäquaten Persönlichkeitsabweichenden. Die charakterlichen Unterschiede spiegelten sich in der Kriminalität dieser Rezidivisten wider. Die Ursachen für die Entstehung der Persönlichkeitsabweichung des größten Teils der Verwahrten sind zwar nicht geklärt, aber die uneheliche Geburt als soziale Belastung, gestörte Familienverhältnisse und ungünstige Erziehungsbedingungen könnten dazu beigetragen haben6 • Während die uneheliche Geburt keine große Bedeutung hatte, waren 250fo der deutschen und 500fo der englischen Verwahrten in einem unvollständigen Elternhaus aufgewachsen. Sie hatten schon vor Vollendung ihres 14. bzw. 15. Lebensjahres Mutter oder Vater verloren oder lebten von diesen getrennt. Hinzu kommt, daß bei etwa 200fo der Verwahrten die Persönlichkeitsentwicklung durch ein negatives Milieu, bedingt durch Alkoholismus, Kriminalität oder extreme Armut der Eltern, beeinträchtigt worden sein könnte. In beiden Ländern stammten fast 50 Ofo der Verwahrten aus sehr großen Familien (4 oder mehr Geschwister). Zwar kamen die Väter aus allen Berufsgruppen und höchstens 25 Ofo waren ungelernte Arbeiter, Rentner und Invaliden, aber dennoch dürfte wegen der Größe der Familien in 20 bis 25 Ofo der Fälle zeitweilig äußerste Armut geherrscht haben. Es ist danach nicht verwunderlich, daß nach West und Hellmer die Erziehungsbedingungen für 500fo der Verwahrten sehr unbefriedigend waren. 750fo der Verwahrten in beiden Ländern hatten mit befriedigenden Ergebnissen der gesetzlichen Schulpflicht genügt. Da sie auch im Ver5 Siehe oben 1. Teil II 2 b ~. Die Gerichte ordnen gelegentlich Sicherungsverwahrung an, wenn kein Platz in einer geschlossenen Heil- und Pflegeanstalt frei ist. 6 Wenn auch West keine unmittelbaren Beziehungen zwischen diesen und der Persönlichkeitsabweichung der Verwahrten festzustellen vermochte, so ist es doch sehr wahrscheinlich, daß eine solche besteht. Weitere Untersuchungen wären diesbezüglich erforderlich.

III. Vergleichende Betrachtung der Verwahrten

141

gleich zur Normalbevölkerung durchschnittlich intelligent waren7 , ist bemerkenswert, daß ungefähr 66 °/o ungelernte Arbeiter waren. Ihre Leistungen am Arbeitsplatz waren außerordentlich unbefriedigend, weniger quantitativ als wegen ihrer Unzuverlässigkeit. Diese Feststellungen sind ein weiteres Indiz dafür, daß ein sehr großer Anteil dieser Menschen einfach nicht dem Typ entspricht, den unsere Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung voraussetzt. Sie waren weitgehend nicht in der Lage, selbstverantwortlich und zielstrebig für ihre Existenz mit legalen Mitteln zu sorgen oder, wo sie es konnten, verdarben sie sich durch Aggressivität und Rücksichtslosigkeit das Wohlwollen ihrer Arbeitgeber und Mitmenschen. Die Rolle, die die Verwahrten, die gedient hatten, im Militär spielten, war in den beiden Ländern sehr verschieden. In Deutschland versagten sie nicht, 20 Ofo wurden sogar besonders ausgezeichnet oder befördert, während in England nur 25 Ofo nach befriedigender Dienstleistung entlassen wurden. Selbst wenn wir die Entlassungen aus medizinischen und psychiatrischen Gründen absondern, hat die Mehrheit der englischen Verwahrten versagt und ist vorzeitig ausgeschieden. Es gibt keine befriedigende Erklärung für diesen Unterschied. Zwar mögen in Hellmers Gruppe mehr Verwahrte passiv-inadäquate Persönlichkeitsabweichende gewesen sein, bei denen wir eine leichtere Eingliederung erwarten könnten, aber auch viele englische Verwahrte dieses Typs haben im Militär versagt. Die Familienverhältnisse der beiden Gruppen waren sehr ähnlich. Auch hier war eine soziale Eingliederung nicht erfolgt. Über 80 Ofo hatten nie geheiratet, waren geschieden oder lebten getrennt. Nur 15% lebten vor ihrer letzten Inhaftierung mit der Ehefrau zusammen. Fast 50 Ofo dieser Menschen waren völlig vereinsamt, hatte weder Verwandte noch Freunde, zu denen ein engerer Kontakt bestand. Die beiden wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchungen können wir wie folgt hervorheben: Über die Hälfte der Verwahrten war für die Gesellschaft nicht so gefährlich, daß wir ihre Verwahrung als berechtigt anerkennen können. Die Beobachtung der Persönlichkeitsstruktur und des Verhältnisses der Verwahrten zur Gesellschaft hat die Bildung von Deutungstypen unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeitsabweichung ermöglicht. Die Verwahrten konnten in drei Gruppen aufgeteilt werden: die Nichtabweichenden, die aktiv-aggressiven und die passiv-inadäquaten Persönlichkeitsabweichenden. 7 Für Deutschland liegen keine zuverlässigen Erhebungen über die Intelligenz vor.

2. Teil: Die Verwahrten

142

Bevor wir uns mit der Bestrafung und Behandlung dieser Typen befassen können, müssen wir die Rückfallwahrscheinlichkeit der Rezidivisten und die bisher geübte Praxis der Anstaltsverwahrung in England und Deutschland betrachten. Daraus lassen sich weitere Kenntnisse für das in Zukunft nötige und mögliche Verhalten des Staates gegenüber den Rezidivisten gewinnen. IV. Die allgemeine Rückfallwahrscheinlidtkeit der Rezidivisten

Der Grund für die vorbeugenden Maßnahmen des Strafrechts ist die Annahme, daß der Rezidivist auch in Zukunft weitere Straftaten begehen werde und daß er daran gehindert werden müsse, weiterhin die Rechte seiner Mitmenschen zu verletzen. Das ist der leitende Gedanke der Formulierung: " .. ., so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn es die öffentliche Sicherheit erfordert" 1 • Abgesehen von den rechtsphilosophischen Problemen, die eine solche Maßnahme aufwirft, entstehen daraus zwei Fragen, die einer empirischen Beantwortung bedürfen: 1. Wie groß ist die Rückfallwahrscheinlichkeit der Rezidivisten im allgemeinen? 2. Ist es möglich, die Anfälligkeit des einzelnen Angeklagten für die Begehung weiterer strafbarer Handlungen zu bestimmen? Die zweite Frage kann hier unmöglich aufgegriffen werden, da das in Ermangelung gesicherter Prognosemethoden, zumindest für den Bereich des Rezidivismus Erwachsener, eine gründliche Auswertung und Diskussion des bisher erzielten wissenschaftlichen Fortschritts in der Entwicklung von Prognosemethoden von den früheren Untersuchungen S. und E. T. Gluecks2 bis zu den augenblicklich laufenden Untersuchungen D. H. Stotts und anderer erfordern würde. Die Frage nach der Rückfallwahrscheinlichkeit der Rezidivisten im allgemeinen soll an Hand der von S. und E. T. Glueck, W. H. Harnmond und Sir George Benson geäußerten Ansichten unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Untersuchungsergebnisse erörtert werden. Das Ehepaar Glueck machte seine Nachuntersuchungen an jungen Straffälligen, die erstmals als Kinder oder Jugendliche kriminell auffällig wurden. Sie stellten fest, daß die meisten Täter, unabhängig von ihrem Alter bei Kriminalitätsbeginn, ungefähr die gleiche Zeitspanne 42e StGB. Für einen ausführlichen Literaturnachweis siehe S. u. E. T. Glueck, Afterconduct of Discharged Offenders, 1945, London, S. 1, N. 1; zum Gesamtproblem ebendaS. 63ff. Siehe auch Geerds, F., Zur kriminellen Prognose, in: Moschr. Krim. Jg. 43,1960, S. 92ff. (99ff.). 1

2

§

IV. Die allgemeine Rückfallwahrscheinlichkeit der Rezidivisten

143

bis zu ihrer endgültigen Besserung benötigten3 . Aber ein kleiner Teil setzte seine kriminelle Aktivität bis zum 30. Lebensjahr und darüber hinaus fort. Es ist gerade diese Gruppe, für die die Sicherungsverwahrung in Frage kommt. Die Erkenntnisse über die erste Gruppe sind nicht geeignet, diese Tatsache zu erklären, da selbst das Ehepaar Glueck nicht behauptet, daß ihre Feststellungen, wie sie hier wiedergegeben sind, Anhaltspunkte für ein mögliches Ende des strafbaren Verhaltens erwachsener Rezidivisten geben könnten. Die Kritik der Glueck'schen "Maturationstheorie", soweit sie den Gegenstand dieser Arbeit betrifft, kann daher kurz gefaßt werden. Diese Theorie soll begründen, warum selbst recht hartnäckige Rezidivisten nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne aufhören, rückfällig zu werden, sie erklärt nicht, warum ein kleiner Teil von Rezidivisten nicht nach einer durchschnittlichen Zeitspanne von elf Jahren gebessert ist, d. h. nicht reformiert ist. Wie aus der Darstellung der Sicherungsverwahrten hervorgeht, traten bei ihnen die "Wechseljahre" (die Periode des Wechsels von kriminellen Aktivitäten zu nicht strafbarem Verhalten) nicht in der von den Gluecks beobachteten Form ein, obwohl die Hälfte der Verwahrten in beiden Ländern im selben Alter ihre kriminelle Karriere anfingen wie die von den Gluecks untersuchten Fälle. Das bemerkenswerteste Ergebnis, das Harnmond bei der Untersuchung des Alters der Rezidivisten erzielt hat, ist seine Festellung: "Es gibt eine besondere Gruppe Krimineller, die (im kriminellen Sinne) zeitig gereift sind und die ungefähr im Alter von 40 Jahren aus dem einen oder anderen Grunde aufgehört haben, so häufig verurteilt zu werden wie die übrigen4 • Damit wird eine Wandlung des Verhaltens eines Teils der Rezidivisten im Alter von 40 Jahren behauptet. Statistik 8 Zu Sicherungsverwahrung verurteilbare Straffällige, dargestellt als Prozentsatz der männlichen Verurteilten, die das 30. Lebensjahr vollendet haben und von den höheren Gerichten verurteilt worden sind (nach Altersgruppen)a>

30-39

Prozentsatz "Verurteilbare" 23,6 (erwartet 18,5)

60 und darüber

22,3 27,3

Alter 40-49 50--59

Hammond, S. 20. 3 4

Glueck, S. 85.

Hammond, S. 21.

19,4

144

2. Teil: Die Verwahrten

Die Grundlage dieser Feststellung ist ein Vergleich der altersmäßigen Verteilung aller männlichen Verurteilten, die das 30. Lebensjahr vollendet haben und die von den höheren englischen Gerichten (Quarter Sessions und Assize Courts) verurteilt worden sind, mit der der zu Sicherungsverwahrung Verurteilbaren im Jahre 1956. Harnmond beobachtete, daß der Prozentsatz der "Verurteilbaren" der Altersgruppe 30-39 Jahre 50fo höher lag als unter der Annahme zu erwarten war, daß ihr Anteil mit fortschreitendem Alter regelmäßig ansteigen würde. Diese Annahme erscheint gerechtfertigt, da mit fortschreitendem Alter mehr Straffällige die erforderlichen Vorstrafen erhalten haben werden5 • Falls dieser Vergleich als gesichert angesehen werden könnte, wäre diese Feststellung in der Tat eine bemerkenswerte neue Erkenntnis. Zweifelhaft erscheint aber, ob die erste der beiden Gesichtspunkten klar genug abgegrenzte Gruppe darstellt. Die Gründe Gruppen (Verurteilungen durch höhere Gerichte) eine nach objektiven für den Zweifelleiten sich aus der Entstehungsweise dieser Gruppe her. Die Entscheidung, ob ein Angeklagter von den unteren Gerichten (Magistrates' Court)6 oder den höheren Gerichten abgeurteilt werden soll, hängt zu einem nicht unerheblichen Teil von der Meinung des Friedensrichters ab, vor dem der Angeklagte zuerst erscheint, da viele Delikte sowohl von den einen als auch von den anderen Gerichten verhandelt werden können. Es ist möglich, daß die Friedensrichter Angeklagte zwischen 30 und 40 Jahren seltener wegen mittlerer Delikte den höheren Gerichten überantworten, als das bei älteren Angeklagten geschehen mag. Gründe dafür wären, daß Angeklagte zwischen 30--40 Jahren gut arbeiten, eine Familie mit kleinen Kindern zu unterhalten haben oder ihre Delikte könnten eher als einmalige Fehltritte angesehen werden, die keine schwere Reaktion des Strafrechts erfordern. Falls diese Vermutungen zutreffen, würde dies künstlich die Zahl der Angeklagten, die vor die höheren Gerichte gekommen sind, verkleinert haben und damit den Prozentsatz derjenigen von ihnen erhöhen, die zur Sicherungsverwahrung verurteilbar waren. Die "Verurteilbaren" wurden, soweit die Behörden sie ermittelten, unabhängig davon, von welchem Gericht sie verurteilt worden sind, gezählt. Es spielt für die Zugehörigkeit zur Gruppe der "Verurteilbaren" keine Rolle, ob über die Verurteilten die Sicherungsverwahrung oder eine andere strafrechtliche Rechtsfolge verhängt worden ist. Somit hängt die Zugehörigkeit zu der 5 Im englischen Strafrecht gibt es keine dem § 20 a III StGB entsprechende Verj ährungsvorschrift. 8 Die Magistrates' Courts sind die unteren Gerichte, die in über 95 Ofo aller Strafsachen entscheiden. Sie sind durch nicht juristisch vorgebildete Friedensrichter (Justices of the Peace) besetzt.

IV. Die allgemeine Rückfallwahrscheinlichkeit der Rezidivisten

145

Gruppe der "Verurteilbaren" nicht vom persönlichen Urteil eines Richters, sondern vielmehr von der Erfüllung bestimmter gesetzlich festgelegter Bedingungen ab. Daraus folgt, daß Hammond, als er die Altersgruppen der Männer, die das 30. Lebensjahr vollendet hatten und von den höheren Gerichten verurteilt worden waren, mit den Altersgruppen derjenigen verglich, die die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erfüllten, nach objektiven Maßstäben gewonnene Zahlen mit Zahlen verglich, die nicht objektiv gesichert waren. Man kann nur das von ihm beobachtete Phänomen zur Kenntnis nehmen, die Folgerung, die er daraus gezogen hat, ist aber nicht zwingend. Sir George Bensan überprüfte das spätere kriminelle Verhalten von 606 Strafgefangenen, die während der Jahre 1924 und 1930 aus englischen Zuchthäusern (convict prisons) entlassen wurden7 • Bensan nahm für seine Untersuchungen die Strafentlassenen zwischen 25 und 30 und über 60 Jahren aus, um die Arbeit nicht unnötig zu komplizieren. Es blieben noch 528 Fälle, auf die er seine Untersuchung stützte. Wenn die Strafgefangenen nach ihrer Entlassung fünf Jahre lang straffrei blieben, hielt er das als Beweis dafür ausreichend, daß sie aufgehört hatten, rückfällig zu werden8 • Er fand, daß von 100 Häftlingen im Alter von 30 Jahren 22 auch noch im Alter von 60 Jahren Straftaten begehen werden. Unter Berücksichtigung der normalen Todesrate bedeutet das, daß 70 von 100 Häftlingen aufgehört haben werden, vor den Schranken der Strafgerichte zu erscheinen. Da aber dieser Vorgang sich über die ganze Periode von 30 Jahren erstreckt, ist es in jeder Altersstufe nur eine kleine Zahl, die nicht rückfällig werden wird. Diegenauen Zahlen ergibt die folgende Statistik, die sich auf 100 Häftlinge je Altersstufe bezieht. Statistik 9 Zahl der Haftentlassenen von 100 je Altersstufe, die in den nächsten fünf Jahren aufhören werden, Straftaten zu begehenal

Alter 30

35

Rohe Zahlen

Ausgeglichene Zahlen

18

18

45

20 22 23

55

25

40

50

30

20 22 25 26 27

a) Die Aufstellung ist dem zweiten Aufsatz von Sir George Benson entnommen. 7 Benson, Sir George, "A Note on the Habitual Criminal", in: The British Journal of Delinquency, 1953, London, Bd. 3, S. 198ff.; "A further note on the Habitual Criminal", in derselben Zeitschrift, 1954, Bd. 5, S. 138ff. 8 Diese Zeitspanne ist erfahrungsgemäß ausreichend, um eine solche Annahme zu rechtfertigen.

10 Geisler

2. Teil: Die Verwahrten

146

Diese Aufstellung ergibt kein Anzeichen krimineller "Wechseljahre", in denen ein besonders großer Teil der Rezidivisten endgültig seine kriminelle Aktivität aufgibt. Im Gegenteil muß davon ausgegangen werden, daß es sich dabei um einen langwierigen Prozeß des "Ausbrennens" handelt und daß von jeder gegebenen Gruppe von Rezidivisten eines bestimmten Alters, die die Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung erfüllen, nur zwischen 20 Ofo und 25 Ofo innerhalb der nächsten fünf Jahre aufhören werden, rückfällig zu werden. Hammond9 hat festgestellt, daß 730fo der Verwahrten, die vor Ende 1956 entlassen, aber unter dem Criminal Justice Act (1948) verurteilt worden waren, bis Ende 1959 erneut strafgerichtlich verurteilt worden waren (d. h., daß sie mindestens drei volle Jahre die Möglichkeit hatten, erneut straffällig zu werden). Er schätzt, daß die endgültige Rückfallsrate etwa bei 80 Ofo liegt. Da er nicht zwischen Altersgruppen unterschieden hat, kann dieses Ergebnis nur als Bestätigung der allgemeineren Feststellung Sir George Bensons gewertet werden, daß nur ein Fünftel bis ein Viertel derRezidivisten innerhalb der nächstfolgenden fünf Jahre seine kriminelle Aktivität aufgeben wird10• Aus Harnmonds Untersuchungen ergibt sich weiter11 , daß die Prognose, die der Preventive Detention Advisory Board 12 traf, um zwischen Verwahrten zu unterscheiden, die nur 2/s der vom Gericht festgelegten Verwahrungszeitverwahrt wurden und solchen, die 5 /s ihres Urteils in der Anstalt zu verbringen hatten, sich nur für die unmittelbar auf die Entlassung folgende Zeit bewährte. In den ersten Jahren nach der Entlassung aus der Anstalt lag die Rückfallquote der bevorzugten Gruppe niedriger, aber schon am Ende des dritten Jahres gab es kaum noch einen Unterschied. Diese Frage soll im folgenden Teil noch näher erörtert werden. Das Ergebnis dieser Ausführungen ist, daß der Anteil der Verwahrten jeder beliebigen Gruppe, die nach Verwahrungsentlassungen innerhalb von fünf Jahren erneut straffällig geworden sein werden, sehr hoch ist. Daher muß die Suche nach akzeptablen Methoden der Verhütung weiteren Schadens, der durch diese Menschen verursacht wird, fortgesetzt werden.

8

Hammond, S. 89 ff.

° Für die deutschen Verwahrten liegen vollständige Wiederverurteilungs-

1

ziffer nicht vor. Aus den Ausführungen Engelhardts, S. 89 ff., muß auf ähnliche Rückfallquoten geschlossen werden. 11

12

Hammond, S . 90.

Siehe unten 3. Teil II 4.

Dritter Teil

Der Vollzug der Verwahrung An der Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung entscheidet sich die Frage, ob die Verwahrung tatsächlich ein strafrechtliches Mittel eigener Art ist oder ob die häufig gebrauchte Kennzeichnung "Etikettenschwindel" der Wirklichkeit entspricht. M. Grünhut schrieb aus Anlaß der Einführung des neuen Systems in England: "Kein gegenwärtig praktiziertes System hat mit der Differenzierung zwischen der gewöhnlichen Gefängnisroutine und dem Regime, das in der Sicherungsverwahrung angewandt wird, Erfolg gehabt!." Ebenso führte 1952 der damalige Chairman der Gefängnisbehörde für England und Wales, Lionel W. Fox aus, daß das gegenwärtige System der Verwahrung sich sogar noch weniger von dem Vollzug einer langjährigen Gefängnisstrafe als das System von 1911 von der Zuchthausstrafe unterscheide2. Bevor aber die tatsächliche Durchführung des Vollzuges in beiden Ländern dargestellt wird, sind einige grundsätzliche Voraussetzungen zu klären. Entscheidend für die Art des Vollzuges sind drei Voraussetzungen: 1. die persönlichen Eigenschaften des Verwahrten, 2. der Zweck und das Ziel der Verwahrung, 3. die für die Verwahrung verfügbaren persönlichen und sachlichen Mittel. Zum ersten Punkt kann auf das im zweiten Teil Gesagte verwiesen werden, dessen Ergebnis die Darstellung dreier Deutungstypen unter den Verwahrten ist. Der Zweck der Sicherungsverwahrung ergibt sich schon aus dem Wort selbst. Er wird in der Dienst- u. Vollzugsordnung v. 1. 12. 196P dahingehend formuliert, daß die Allgemeinheit vor dem SicherungsverwahrPenal Reform, Oxford 1948, S. 399. The English Prison and Borstal System, London 1952, S. 305. 3 DVollzO v. 1. 12. 1961, nunmehr in der Fassung v. 1. 1. 1966, ist einheitlich im Bundesgebiet von den zuständigen Behörden der Länder in Kraft gesetzt worden. 1

2

10.

148

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

tendurch sichere Verwahrung zu schützen sei 4• Ob eine derartige "sichere Verwahrung", d. h. Einsperrung hinter Zuchthausmauern, im Falle aller drei Deutungstypen tatsächlich erforderlich ist, um die Allgemeinheit vor weiteren strafbaren Handlungen der Verwahrten zu schützen, soll später erörtert werden. Die Sicherungsverwahrung darf allein zum Schutze der Allgemeinheit angeordnet werden5 • Ist sie aber einmal angeordnet, so besteht die Verpflichtung, alles zu tun, um eine Besserung herbeizuführen, da das englische Recht die Entlassung der Verwahrten zu einem bestimmten Zeitpunkt vorsieht6 , und auch nach § 42 f. StGB die Möglichkeit der Entlassung bei Zweckerreichung vorgesehen ist. Die Verwahrung muß folglich neben der Sicherung auch noch ein pädagogisches Ziel haben. Sie muß, wie minimal die Erfolgsaussichten auch sein mögen, darauf ausgerichtet sein, eine innere Wandlung des Verwahrten anzuregen und zu fördern und ihn systematisch für ein künftiges Leben in Freiheit vorzubereiten. Die Rechtsgrundlagen dafür sind in den Vollzugsordnungen beider Länder nur sehr dürftig und allgemein niedergelegt7. Für eine Besserung bestehen nur geringe Möglichkeiten; denn einmal ist die Verwahrung angeordnet worden, weil bisher keine Strafe die weitere Kriminalität der Verwahrten zu verhindern vermochte, so daß man auch von einem erneuten Aufenthalt in einer Strafanstalt keinen großen Erfolg erhoffen kann8 • Außerdem muß gerade auf diejenigen Verwahrten, die noch moralischen Werten zugängig sind, das der Sicherungsverwahrung innewohnende Prinzip der Verwahrung ohne tatschuldgemäße zeitliche Begrenzung als nicht gerechtfertigt, also reine Gewaltmaßnahme des Staates erscheinen und daher der Besserung hinderlich sein9 • Schließlich hängt die Art des Vollzuges von den verfügbaren persönlichen und sachlichen Mitteln ab. In alten überbelegten Strafanstalten A.a.O. Nr. 145, Abs. 1. Die Verkehrung der Gesichtspunkte, d. h. die Anordnung der Sicherungsverwahrung als Besserungsmaßnahme, muß abgelehnt werden. 8 Rule 172 der Prison Rules (Gefängnisordnung) von 1949 mit späteren Änderungen. 7 Nummer 244, Abs. 2, 57 DVollzO; Rule 166 (2) der Prison Rules. 8 Wenn man davon ausgehen darf, daß eine Wandlung der Lebensauffassung der Gefangenen sich in ihnen selbst vollziehen muß, und daß der Strafund Verwahrungsvollzug nur äußere Bedingungen setzen kann, die dieser Wandlung förderlich sind (s. dazu Cornit, P., De la privation a la restriction de la liberte: Studies of Penology, Den Haag, 1964, S. 66 ff. (68) ), dann ist regelmäßig nicht anzunehmen, daß die Verwahrung der Wandlung förderlich sein werde, nachdem davor verbüßte Freiheitsstrafen es nicht waren, da sich der Vollzug beider nicht erheblich unterscheidet. ~ Hellmer, Gewohnheitsverbrecher, S. 361, betont diesen Gesichtspunkt mit Recht. Auch die Erfahrungen des Autors, die er bei den Anstaltsbesuchen sammeln konnte, entsprechen seinen Feststellungen. 4

5

I. Der Vollzug der Verwahrung in Deutschland

149

mit großen Gemeinschaftszellen ohne hinreichende Werkstätten, in denen die Verwahrten arbeiten können, sind ein möglichst gelockerter Vollzug, ein angespannter Arbeitseinsatz, sowie sportliche und andere Betätigungsmöglichkeiten in der Freizeit nicht durchführbar. Ebenso kann die Disziplin nur gelockert werden, wenn ausreichend Aufsichtsbeamte verfügbar sind, um dennoch Sicherheit und Ordnung in der Anstalt aufrecht zu erhalten und damit eine sichere Verwahrung durchführen zu können. DieArt des Vollzuges hängt daher auch von den haushaltsmäßig zur Verfügungstehenden Mitteln ab1o.

I. Der Vollzug der Verwahrung in Deutschland Die Sicherungsverwahrung wird heute in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland nach den Regeln der Dienst- und Vollzugsordnung v. 1. 12. 1961 11 vollstreckt, die die früheren landesrechtliehen Regelungen ersetzt hat12 • Die DVollzO enthält unter Nr. 245 ff. fünf Vorschriften, die Sonderregeln für die Sicherungsverwahrung festlegen. Daneben ist in Nr. 244 der allgemeine Grundsatz aufgestellt, daß nur Beschränkungen auferlegt werden, "die der Zweck der Maßregel, sowie die Sicherheit und Ordnung der Anstalt erfordern". Der zweite Absatz dieser Vorschrift lautet wie folgt: "(2) Soweit Eigenart und Zweck der Maßregel nicht entgegenstehen und im folgenden nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafen (Nr. 44-206) entsprechend." Damit ist die Gleichheit des Vollzuges von Strafe und Sicherungsverwahrung grundsätzlich festgelegt, denn die wenigen besonderen Regeln Nr. 245 ff. ergeben nur eine minimale Abwandlung der normalen Strafvollzugsregeln ts. 10 Hinsichtlich der finanziellen Aufwendungen wird der Ansicht J. Baumanns zu folgen sein, daß der Allgemeinheit das Opfer der höheren Kosten

wohl zurnutbar sein müsse, wenn der Mensch wegen der von ihm ausgehenden Gefahr seine Freiheit opfere; s. Die Dienst- und Vollzugsordnung v. 1. 12. 1961, Moschr.Krim., 1964, S. 57 ff. (59); so auch schon Foltin, S. 10. 11 Siehe dazu die rechtliche Würdigung von Baumann, J., Moschr.Krim., 1964, S. 57 ff., zur Sicherungsverwahrung bes. der 3. u. 4. Abschnitt. 12 Für die früheren Rechtsgrundlagen s. Eßig, W., Der Vollzug der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung gegenüber Antisozialen und Asozialen unter besonderer Berücksichtigung der Hamburger Verhältnisse, Diss. Hamburg, 1964, S. 7ff. Die DVollzO hat den Vollzug nicht wesentlich verändert, sondern das diesbezügliche Landesrecht nur vereinheitlicht, so daß es genügt, sich darauf zu stützen, um den Vollzug der Verwahrung nach dem Kriege zu schildern. Der Vollzug zwischen 1933 und 1945 stand unter ganz anderen Gesichtspunkten, auf die hier nicht eingegangen werden kann; s. dazu Hellmer, S. 330ff. · 13 Dies entspricht auch der Ansicht der Vollzugspraktiker, so Rudolph, DRiZ 1956, S. 176 ff. Dazu auch Krebs, Festschrift f. Mayer, S. 631.

150

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

Die Tatsache, daß die Sicherungsverwahrung wie eine Zuchthausstrafe vollzogen werde, ist von einem Verwahrten durch die Verfassungsbeschwerde gerügt worden. Daraufhin hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 20. 1. 195414 entschieden, daß ein solcher Vollzug weder gegen Art. 104, Abs. 1, Satz 1 GG (Verbot der Inhaftierung ohne gesetzliche Grundlage) noch gegen Art. 3 (Gleichheitsgrundsatz) verstoße. Wird man auch dieser Entscheidung im Ergebnis zustimmen können, d. h. daß die im Rahmen des Art. 104, Abs. 1 Satz 1 GG erforderliche Regelung der Sicherungsverwahrung gegeben ist und daß Art. 3 GG keine unmittelbare Rechtsgrundlage für einen Angriff auf den gegenwärtigen Vollzug der Maßregel bietet, so mögen gegen die Begründung des Beschlusses Bedenken bestehen, die eine genauere Stellungnahme zu vier teils kriminologischen, teils vollzugstechnischen Punkten erfordern. Der Senat hat behauptet 1. ,.Strafe und Sicherung können nur mit dem gleichen Mittel, nämlich der

Freiheitsentziehung durchgeführt werden."

2.

Die Freiheitsentziehung müsse im Interesse der Sicherheit mit gleicher Strenge wie die Strafe gehandhabt werdenu.

3. ,.Die Mittel der Ordnung und Disziplin müssen infolgedessen im wesent-

lichen die gleichen sein, weil es sich um den gleichen Täterkreis handelt."

4. Daher ergäben sich Pflichtarbeit und sparsamste Lebenshaltung zwangs-

läufig.

Unter diesen Umständen sei nur bescheidener Raum für eine Unterscheidung zwischen dem Vollzug der Sicherungsverwahrung und einem Vollzug der Strafe gegeben. Es wird später noch zu begründen sein, daß die Sicherung nicht notwendigerweise durch Freiheitsentziehung, sondern für die passiv-inadäquaten Rezidivisten möglicherweise auch durch Freiheitsbeschränkung erreicht werden kann16• Soweit eine Freiheitsentziehung erforderlich ist, die nur streng überwachte Beziehungen zur Außenwelt gestattet, hängen die Mittel der Disziplin, insbesondere die Straffheit und Kontrolle des allgemeinen Betriebs, nicht nur von dem zu erwartenden Täterkreis ab, sondern auch von den baulichen Verhältnissen der Anstalt - übersichtliche Anstalten mit starken Außensicherungen erlauben eine erhebliche Lockerung des inneren Betriebes - und der Zahl der verfügbaren Aufsichtsbeamten. BVerfG 2, 119ff. = NJW 1953, S. 577. s Unter Berufung auf Exner, F., Actes de Congres Penal et Penitentiaire International, Bern 1935, III, S. 276. 18 Siehe dazu 2. Teil II 1 e und S. 195 f . 14

1

I. Der Vollzug der Verwahrung in Deutschland

151

Pflichtarbeit und sparsamste Lebenshaltung erleichtern Ordnung und Disziplin in der Anstalt, die jedoch auch durch den Einsatz sachlicher und persönlicher Mittel garantiert werden kann17• Das Problem, das hier entschieden werden muß, ist, ob mit dem Prinzip der Verwahrung gefährlicher Menschen zum Schutze der Allgemeinheit wirklich nur dieser Schutz gemeint ist. Die Allgemeinheit wird in diesem Fall die Mittel zur Verfügung stellen müssen, die erforderlich sind, um jedes über die bloße Verwahrung hinausgehende Übel auf ein Minimum zu reduzieren. Kommt es dagegen nur darauf an, die die Gemeinschaft Gefährdenden möglichst effektiv unschädlich zu machen, dann mag die strafähnliche Verwahrung eine akzeptable Waffe sein. Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes ist daher nicht überzeugend. Dieser Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes hatte für den Vollzug grundlegende Bedeutung, denn er gab der strafähnlichen Verwahrung die Billigung des höchsten deutschen Gerichtes und hat so in der Folgezeit die Entscheidungen der für Vollzugssachen zuständigen Gerichte wesentlich beeinflußt18 • In dieser Grundhaltung zum Vollzug der Verwahrung von Rezidivisten müssen wir die Ursache dafür sehen, daß die Vollzugsvorschriften sich nicht an denjenigen für die Einschließung orientieren19 und daß die Verwahrung mit Ausnahme der der Entlassung unmittelbar vorausgehenden Zeit in einer geschlossenen Anstalt zu vollziehen ist2 o. Die nun folgenden Ausführungen beruhen auf den Erfahrungen und Beobachtungen des Verfassersanläßlich seiner Besuche in den Vollzugsanstalten Hamburg-Fuhlsbüttel, Hamburg-Neuengamme und Straubing/ Bayern im Juli und August 1964. Sie drücken nicht notwendigerweise die Meinung der für diese Anstalten zuständigen Behörden und Anstaltsleitungenaus und sind allein vom Verfasser zu verantworten. 1. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung in Harnburg

Nach dem Staatsvertrag zwischen Bremen, Harnburg und SchleswigHolstein wird der Strafvollzug für alle drei Bundesländer gemeinsam 17 In diesem Urteil kommt zum Ausdruck, was Blau, G., GA 1959, S. 141 ff. (143) als die fast ausnahmslose "Resignation der deutschen Strafrechts- und Strafvollzugswissenschaft vor der Aufgabe, eigenständige Vollzugsformen für die Verwahrung zu entwickeln", bezeichnet hat. 18 So BayVerfGH v. 20.1.1961 (Vf 101-IV-59) zit. Z. f. Strafvollz. 10, S. 369 ff.; OLG Harnburg v. 20. 9. 1963 (VAS 24163), zit. Z. f. Strafvollz. 13, S. 85 ff. 19 Baumann, J ., Entwurf e. Strafgesetzbuches, Allg. TL, 1963, Tübingen, sieht vor, daß sich d. Vollzug der Sicherungsverwahrung nach den Regeln des Vollzugs der von ihm vorgesehenen Festungsstrafe richten solle. 20 Nr. 245, Abs. 1 u. 3 DVollzO.

152

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

durchgeführt. Die Sicherungsverwahrung wurde seit 1960 in der VerwahranstaU - Anstalt VIII - Hamburg-Fuhlsbüttel vollzogen, nachdem die seit der Mitte der 50er Jahre dafür verwendete Anstalt Harnburg-Bergedorf nicht mehr ausreichte. Die Anstalt war, obwohl sie mit 3 Strafanstalten einen großen Komplex bildet, völlig isoliert21 • Da die Zahl der Verwahrten z. Zt. jährlich um 20 steigt, war ihre Verlegung dringend notwendig22 • Das kann zur Aufgabe der völlig getrennten Vollzugsanstalt führen. Die um die Jahrhundertwende erbaute Anstalt hat eine Belegungsfähigkeit von 96 Insassen, davon 60 in Einzelzellen. Am 1. 6. 1964 waren 132 Verwahrte in der Anstalt registriert, davon aber 8 zeitweilig abwesend. Trotz Überbelegung der Verwahranstalt konnten nur 103 Mann in der Anstalt selbst untergebracht werden, die restlichen 21 Verwahrten mußten in der Anstalt I-Aufnahmegefängnis-untergebracht werden. Ein Teil von ihnen arbeitete in der Verwahranstalt Die 21 Verwahrten waren von anderen in der Anstalt I befindlichen Gefangenen getrennt, wie Nr. 63 DVollzO vorschreibt, jedoch läßt sich eine völlige Isolierung zwischen verschiedenen, in einer Anstalt untergebrachten Gruppen praktisch nicht erreichen. Damit war das Prinzip der getrennten Anstalt teilweise aufgegeben. Die Sicherungsverwahrten haben regelmäßig eine Zuchthausstrafe, ausnahmsweise eine Gefängnisstrafe verbüßt, bevor sie vom Strafvollzug in den Verwahrungsvollzug überführt werden. Sie waren daher den Vollzugsbehörden bekannt und wurden bei der Aufnahme in die Verwahranstalt nicht medizinisch oder psychiatrisch untersucht. Ein Vollzugsplan (Nr. 58, Abs. 4 der DVollzO) wurde in Fuhlsbüttel nicht aufgestellt, nur bei der Verlegung in den noch zu behandelnden Erprobungsvollzug nach Neuengamme wurde dort ein Vollzugsplan aufgestellt. Nach§ 42i StGB23 sind die Verwahrten zu den in der Anstalt eingeführten Arbeiten verpflichtet. Die Arbeitszeit in der Verwahranstalt betrug nominell 48 Stunden - nach der Hausordnung 48 1/4 Stunden24 • Die Arbeitsmöglichkeiten waren aus räumlichen Gründen sehr eingeschränkt. Es gab nur für etwa 50 Verwahrte Arbeitsräume im Keller der Anstalt, aber mit Ausnahme einiger Nähmaschinen keinerlei mechanisierten Be21 Harnburg ist der einzige Ort in der Bundesrepublik, wo eine Anstalt eigens für den Zweck der Sicherungsverwahrung bereitgestellt worden ist. Nr. 63 DVollzO ordnet die Trennung von Strafgefangenen und anderen Gefangenen an. 22 Seit dem 1. 11. 1965 ist die Verwahranstalt in das größere Gebäude der früheren Aufnahmeanstalt verlegt. Die kleine Zahl dort vorläufig noch untergebrachter Strafgefangener ist von den Verwahrten durch Gitter getrennt. 23 Ebenso Nr. 247 DVollzO. 24 Für den vollen Zeitplan des Tagesablaufes s. Anhang C 1.

I. Der Vollzug der Verwahrung in

Deutschland

153

trieb, der einen rationellen Einsatz der Arbeitskräfte gestattet hätte. Verfügbar waren Auftragsarbeiten von Unternehmern, die auch in Heimarbeit verrichtet werden konnten. Zum Besichtigungszeitpunkt wurden Ventile für Sprühdosen und -flaschen zusammengesetzt, Taschen und Netze aus Plastikmaterial, zum Teil unter Mitverarbeitung von Stoffen, hergestellt und Tüten geklebt. Die Anstalt verfügte nicht über ein ausreichendes Angebot von Arbeiten, so daß die Tüten immer wieder den letzten Ausweg bildeten. 50 Verwahrte arbeiteten in den Arbeitsräumen, über 60 in ihren Zellen, zum Teil auch in Gemeinschaftszellen. 6 Verwahrte waren als Kalfaktoren oder Hausarbeiter beschäftigt. Das Problem der Arbeitsbeschaffung kann nicht als gelöst gelten, da in der Verwahranstalt wenig interessante und zu einem erheblichen Teil unproduktive Arbeit verrichtet wurde25 • Die Arbeitsmöglichkeiten der Verwahrten waren nicht besser, teilweise eher schlechter als die der Zuchthausgefangenen, da für diese zum Teil Werkstätten und Betriebe im Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel zur Verfügung standen. Die Arbeitsentlohnung war für Strafgefangene und Verwahrte gleich hoch. Es handelte sich um einen Leistungslohn; die durchschnittliche bis gute Arbeitsleistung wurde mit 0,60 DM pro Tag honoriert. Für sehr qualifizierte Arbeiten und bei besonderem Fleiß gab es eine Leistungsbelohnung, die den Verwahrten in den geeigneten Fällen regelmäßig zugestanden wurde, während sieStrafgefangenengewährt werden konnte26 . Dennoch erhielt nur eine Minderheit der Verwahrten diese Leistungsbelohnung. Obwohl folglich beide Gruppen im allgemeinen die gleiche Entlohnung erhielten, hatten die Verwahrten mehr Geld als die Strafgefangenen zur Verfügung. Während den Strafgefangenen die Arbeitsentlohnung zur Hälfte als Hausgeld und zur Hälfte als Rücklage angerechnet wurde 27 , konnten die Verwahrten zwei Drittel ihres Verdienstes als Hausgeld beanspruchen 28 . Die Leistungsbelohnung wurde dem Hausgeld zugeschrieben. Unterschritt ein Verwahrter die Hälfte der geforderten Durchschnittsleistung ohne besonderen Grund, so erhielt er keine Entlohnung und konnte disziplinarisch belangt werden29 . Der durchschnitt25 Ebenso Eßig, 38. Der Verrichtung produktiver Arbeiten stehen wenigstens zwei Hindernisse entgegen: einmal bedarf es größerer Anfangsinvestitionen, die ein unternehmerisches Risiko bedeuten und zum anderen regt sich gegen Anstaltsbetriebe in wirtschaftlich einträglichen Sektoren die Unternehmerschaft, der damit eine neue Konkurrenz erwächst, bei größerer Arbeitslosigkeit dazu noch die Gewerkschaften, da sie sich um die Arbeitsplätze ihrer nichtbestraften Mitglieder sorgen. 28 Nr. 96 Abs. 4 DVollzO. 27 Nr. 96 Abs. 3 DVollzO. 2B Nr. 248 DVollzO. 29 Diese Auskunft der Anstaltsleitung weicht von den Angaben bei Eßig, S. 40, ab.

i54

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

liehe Monatsverdienst lag bei 15,- bis 16,- DM mit Schwankungen zwischen 8,- und reichlich 30,- DM. Bei 25 Arbeitstagen wurden regelmäßig 5,- DM als Rücklage abgezogen, so daß die Verwahrten zwischen 5,- und 25,- bis 28,- DM, durchschnittlich 10,- DM, als Hausgeld zur Verfügnng hattenao. Das Hausgeld stand dem Verwahrten in vollem Umfang für Einkäufe nach einer Verschreibungsliste31 nnd weitere vom Anstaltsleiter genehmigte Anschaffungen zur Verfügung. Die Rücklage diente dazu, dem Gefangenen in der ersten Zeit nach Entlassung vor Not zu schützen32 • Sie durfte nur in den in Nr. 97, Abs. 1 DVollzO angegebenen Ausnahmefällen mit Zustimmung des Anstaltsleiters in Anspruch genommen werden33. Eigengeld34 durfte in ganz beschränktem Rahmen für Anschaffnngen des Verwahrten verwandt werden, wenn die Arbeitsbelohnung ohne sein Verschulden nicht ausreichte35 . Das wurde dahingehend ausgelegt, daß die Anschaffung grundsätzlich nicht das übersteigen sollte, was andere Verwahrte mittels ihrer Arbeitsbelohnung erreichen konnten. Diese Möglichkeit gibt es im normalen Strafvollzug nicht. Die Verpflegung entsprach den Anforderungen der Vollzugsordnung36, d. h. sie dürfte die für die Erhaltung der Gesundheit erforderlichen Nährstoffe enthalten haben. Die Verwahrten waren häufig damit nicht zufried~n. Das ist erklärlich, wenn man sich verdeutlicht, daß sie diese Kost für Jahre zu sich nehmen müssen, ohne wesentlich auf andere Verpflegung ausweichen zu können. Eine gewisse Erleichterung dieser Situation ergab sich daraus, daß je nach vorhandenem Hausgeld bis zum Betrage von 30,- DM einmal monatlich Lebens- und Genußmittel durch Vermittlung der Anstaltsleitung eingekauft werden durften37 • Dieses Privileg stand mit Einschränkungen in begrenzterem Umfang auch Strafgefangenen zu, Verwahrten wurde es aber grundsätzlich gewährt. Außerdem durften Verwahrte von Angehörigen zu Weihnachten und zum Geburtstag ein 5 kg schweres Paket mit Nahrungs- und Genußmit30 In Bergedorf war der Verdienst erheblich höher, oft zwischen 50 und 90 DM, was sowohl auf bessere Arbeitsmöglichkeiten als auch auf einen höheren Tagessatz zurückzuführen ist. 31 Die Verschreibungsliste ist eine von der Justizverwaltung erlassene Aufstellung der Artikel und Mengen einzelner Güter, die die Verwahrten regelmäßig bestellen dürfen. Sie soll zu einer Vereinfachung der Bestellungen und Verbilligung des Einkaufs führen. Siehe auch unten Nr. 39. 32 Nr. 97, Abs. 1 DVollzO. 33 Dazu weitere einzelne Vorschriften für besondere Fälle. 34 Geld, das der Verwahrte in die Anstalt mitgebracht hat oder das später von außerhalb der Anstalt in sein Eigentum gelangt ist. 35 Nr. 249 DVollzO. 36 Nr. 199, Abs. 1 DVollzO. 37 Nach Nummer 62, Abs. 2, 99, Abs. 2, 249, Abs. 1 der DVollzO.

I. Der Vollzug der Verwahrung in Deutschland

155

teln bekommen (Strafgefangene zum Geburtstag nur ein 2,5 kg schweres Paket) 38• Verwahrte, die kein Weihnachtspaket erhielten, bekamen eine bescheidene Verpflegungszulage von der Anstalt39. Der Vollzugsleiter der Verwahranstalt war auch bereit, über die Verschreibung Sonderwünsche zu berücksichtigen. Alle Wünsche wurden aber durch den Grundsatz begrenzt, daß sie sich im Rahmen einer "bescheidenen Lebensführung" halten müssen 40 • Die Verwahrten durften ihre Zellen, die mit einem Bett, Tisch und Stuhl, einem Hocker, einem Wandschrank und einer Lampe ausgestattet waren und in der sich ein Waschbecken mit fließendem Wasser und ein WC befand, weiter ausgestalten, kleinere Fenstervorhänge aufhängen, einen kleinen Teppich hinlegen. Letzteres war bei dem geringen Hausgeld, das den Verwahrten zur Verfügung stand, kaum möglich. Fünf Bilder oder anderer Wandschmuck konnten aufgehängt werden; die Regelung wurde großzügig gehandhabt. Das Ausschmücken des Haftraumes mit Bildern und Blumen kann auch Strafgefangenen gestattet werden41. Mit Rücksicht auf Nr. 130 DVollzO, wonach jeder Gefangene dazu anzuhalten ist "die Beziehungen zu seinen Angehörigen zu pflegen und erforderlichenfalls wieder anzuknüpfen" 42 , müßte das Ausschmücken der Hafträume mit Fotografien nicht Privileg sein, sondern bei allen Gefangenen unterstützt werden, da es den Familiensinn stärkt. Die Zellentüren waren von 6.30 bis 20.00 Uhr mit Ausnahme der Arbeitszeit grundsätzlich offen, und die Verwahrten durften sich in ihrer Freizeit auch in ihren Zellen gegenseitig besuchen, es mußten aber wenigstens drei gleichzeitig in einem Raum sein. Sie konnten den Gemeinschaftsraum benutzen, dort Radio hören, Tischtennis oder Schach spielen. Karten und Brettspiele ohne Einsatz waren auch auf den Zellen gestattet. Weiterhin durften die Verwahrten mit dem Hausgeld Radios kaufen, die sie in ihren Zellen hören konnten. Die Radios sind ein Beispiel für die Entwicklung der letzten Jahre in der Verwahranstalt. Anfänglich in Bergedorf, wo die Verwahrten mehr Hausgeld hatten, durften sie Transistorgeräte ohne Netzanschluß kaufen. Wohl um das Abhören des Deutschlandsenders oder anderer mitteldeutscher Stationen zu verhindern, wurde später nur noch ein sehr primitives Detektorgerät Ebenda. Für diese beiden Möglichkeiten sind detaillierte Verfügungen erlassen worden, die besonders den Bezug von Tabakwaren (nicht mehr als für 10,DM bei d. monatl. Verschreibung), Kaffee (500 g), Tee (50 g), Zucker (2000 g) beschränken. Für die Pakete sind kleinere Mengen festgelegt. 40 Entwickelt aus Nr. 249, Abs. 1 DVollzO. 41 Zu Bedenken gegen diese Vorschrift s. Baumann, S. 57 ff (72). 42 Baumann, S. 70, kritisiert mit Recht, daß der Gefangene zu diesen Kontakten .,anzuhalten" sei. 38

39

156

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

zur Neuanschaffung zugelassen, und das Radiobasteln völlig unterbunden. Mit diesemGerät läßt sich ohne dieverbotenen, aber dennoch immer wieder gefundenen selbstgebastelten Verstärker, nur der NDR Harnburg per Kopfhörer empfangen. Diese Verringerung der Freiheiten innerhalb der Anstalt läßt sich an vielen anderen Beispielen ebenfalls nachweisen. Sie wird immer mit der Notwendigkeit, Sicherheit und Ordnung in der Anstalt aufrecht erhalten zu müssen, begründet. In diesem Fall gründet das Argument im Politisch.e n. Es ist eine Tatsache, daß Sicherungsverwahrte, aber auch andere Rezidivisten, viel öfter als das sonst der Fall ist, gegen die herrschende Staats- und Gesellschaftsordnung eingestellt sind, und kommunistische Ideen deutlich auftreten können. Diese Tendenzen könnten durch das Abhören kommunistischer Rundfunksender verstärkt werden. Ob dadurch eine Gefahr für Sicherheit und Ordnung in der Anstalt hervorgerufen wird, die ein Verbot unerläßlich macht, mag dennoch bezweifelt werden. Diese Einschränkung lag möglicherweise in der Richtung des allgemeinen politischen Trends in der Bundesrepublik nach dem Verbot der KPD, der dahin ging, die Möglichkeiten der Beeinflussung durch kommunistische Propaganda weitgehend zu vermindern. Die Bewegungsfreiheit innerhalb des Anstaltsgebäudes führte zu besonderen Problemen für Sicherheit und Ordnung, die mit dem ständigen Steigen der Zahl der Verwahrten und mit einer sich verstärkenden Tendenz der Gerichte, die Sicherungsverwahrung auch gegen jüngere Rezidivisten anzuordnen, zumindest zu Modifikationen führen können. Die Gefahr der Bildung sehr integrierter Gruppen, die die Anstaltsordnung durch Widerstand gegen Aufsichtsbeamte, Ausbruchsversuche, die bisher keine Rolle spielten, und Schlägereien beeinträchtigen können, wird größer. Daneben treffen Personen zusammen, die sich gegenseitig negativ beeinflussen, insbesondere ist hier an Homosexuelle u . a. Sexualtäter zu denken. Dagegen war die Diebstahlsgefahr in diesem Zusammenhang kein besonderes Problem. Diese Schwierigkeiten könnten durch Einsatz von Aufsichtsbeamten weitgehend unter Kontrolle gehalten werden. Daneben wird die Aufgliederung der Anstalt in voneinander getrennte Abteilungen zu empfehlen sein. Entsprechende Vorschläge wurden von der Anstaltsleitung und der Gefängnisbehörden schon erwogen. Es sollte dabei aber grundsätzlich die Freizügigkeit innerhalb der Abteilung erhalten bleiben. Eine Einschränkung sollte abgesehen von Disziplinarmaßnahmen nur in besonders begründeten Fällen zulässig sein. Der Ausschluß aus der Anstaltsgemeinschaft dürfte dann nur mittels rechtsmittelfähiger Entscheidung der Gefängnisbehörde erfolgen4s. Anderer43 Demgegenüber gibt es in der Anstalt Stimmen, die die Freizügigkeit nur als eine Vergünstigung ohne Anspruch darauf wünschen. Das würde die Verwahrung noch mehr der Strafe annähern.

I.

Der Vollzug der Verwahrung in Deutschland

157

seits muß die Möglichkeit im Vollzugsrecht vorgesehen sein, Verwahrte zu isolieren, die etwa einen besonders negativen Einfluß auf andere ausüben. Die Verwahrten wurden angehalten, täglich 45 Minuten, an Sonnabenden und an Sonntagen 60 Minuten, im bepflanzten Anstaltshof spazieren zu gehen (Freistunde) 44 • Sie konnten nach Wunsch gehen, stehen oder auf den vorhandenen Bänken sitzen. Es gab keine besondere Ordnung für diesen täglichen Aufenthalt an der frischen Luft, der nur aus besonderen Gründen entfiel. Auf ärztliche Anordnung hatten einige Verwahrte eine zweite Freistunde und, soweit genügend Aufsichtsbeamte zur Verfügung standen, wurde die Freistunde am Wochenende für alle verlängert. Hier war die praktische Handhabung erheblich liberaler als bei Strafgefangenen, obwohl die Vorschriften eine strengere Handhabung zulassen45 • Nach Nr. 249 Abs. 3 DVollzO ist der Briefverkehr zeitlich nicht beschränkt. Grundsätzlich durften nur mit Angehörigen und Personen, die vom Vollzugsleiter zugelassen worden waren, Briefe gewechselt werden46. Jedes andere Schreiben bedurfte der Genehmigung des Vollzugsleiters47. Sie konnten eigenes Briefpapier verwenden. Alle Post, mit Ausnahme der Briefe an Anwälte in Strafsachen eines Verwahrten, ging durch die Zensur; die Sonderbriefe an Gerichte, Behörden, Volksvertretungen in der Bundesrepublik und die Europäische Menschenrechtskommission konnten nicht angehalten werden, wogegen Privatbriefe aus in der Vollzugsordnung angeführten Gründen zurückgehalten und zu den Akten genommen werden konnten 48 • Viele Verwahrte waren völlig vereinsamt. Die Anstaltsleitung, teilweise unter Einschaltung der Fürsorgeeinrichtungen, versuchte zu Verwandten und Bekannten nach Möglichkeit wieder Kontakt zu gewinnen. Daneben gelang gelegentlich die Vermittlung eines Briefpartners über wohltätige Organisationen. Dennoch erhielten viele Verwahrte nie Post. Die Verwahrten konnten einmal wöchentlich besucht werden. Die Besuchsdauer betrug 30 Minuten und für entfernt wohnende Angehörige, die nicht regelmäßig kommen konnten, bis zu einer Stunde. Der Besuch wurde nicht sehr streng überwacht. Die Sitzordnung war nicht vorgeschrieben. Die Besucher durften Nahrungs- und Genußmittel zum sofortigen Verzehr mitbringen. Durch diese Vergünstigungen wirkten die Besuche bei Kaffee, Kuchen und Zigaretten sehr aufgelockert und familiär. Siehe Anhang C 1. Siehe Nr. 110 DVollzO. 4o Nr. 147 DVollzO. 47 Nr. 149 DVollzO. 48 Dazu näher Nr.153ff. DVollzO.; zur Postzensur s. die Entscheidungen in Z. f. Strafvollz. 13, S. 71 ff. 44

45

158

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

Der Brief- und Besuchsverkehr war gegenüber dem Strafvollzug erheblich erleichtert. Für Verwahrte aus Bremen oder aus Schleswig-Holstein, die ein Jahr lang keinen Besuch gehabt haben, gibt es die Möglichkeit, sie für nicht länger als 1 Woche in ein Gefängnis in diesen Ländern zu überstellen, damit sie dort einmalig besucht werden können. Die Hausstrafen, die gegen Verwahrte wegen Verstößen gegen ihre auf der Dienst- und Vollzugsordnung und der Anstaltsordnung beruhenden Pflichten verhängt werden können, unterscheiden sich theoretisch nicht von denen für Strafgefangene49 • Praktische Unterschiede ergaben sich aus zwei Gründen: Einmal wirkte der Entzug der Vergünstigungen, Erlaubnisse und Vertrauensbeweise härter, da der Verwahrte mehr zu verlieren hatte, zum anderen führte eine Hausstrafe, falls sie nicht ganz am Beginn der Verwahrung verhängt worden war, oft zu einer Verzögerung der Entlassung, weil aus unvorschriftsmäßigem Verhalten geschlossen wurde, daß der Verwahrte sich noch nicht gebessert habe. Neben diesen reinen- Disziplinarstrafen gab es noch im Rahmen besonderer Sicherungsmaßnahmen50 die Möglichkeit, die Verwahrung erheblich zu erschweren:.1 • Die tatsächliche Praxis bei der Anwendung dieser Bestimmungen ist weitgehend von der Persönlichkeit und den Anschauungen des Anstaltsleiters abhängig. Der Vollzugsleiter in Fuhlsbüttel, Oberinspektor Riehl, versuchte mit möglichst wenig Gewaltanwendung und dafür einem großen Maß an persönlichem Kontakt, die Verwahrung durchzuführen, eher zu überzeugen als anzuordnen. Hier ist durch die Vielzahl nicht zwingender Vorschriften, insbesondere auch im Bereich der Vergünstigungen, dem Vollzugsleiter soviel Entscheidungsspielraum gegeben, daß das Klima in der Verwahranstalt weitgehend von ihm bestimmt werden kann. Die überwiegende Mehrheit der Verwahrten verhielt sich unauffällig und machte keine Disziplinschwierigkeiten, vereinzelte kleine Verstöße gegen die Anstaltsordnung, wie etwa der Besitz nicht genehmigter Gegenstände ungefährlicher Art, können dabei übergangen werden. Teilweise war das Verhalten in der Verwahrung sogar besser, als dasjenige derselben Insassen während ihrer Zuchthauszeit52 • Die Geistlichen beider Konfessionen hielten 14-tägig Gottesdienst, dazu Bibelstunden und ermöglichten gelegentlich eine andere Veranstaltung, wie etwa eine Filmvorführung. Besonderer Unterricht oder eine Nr. 181 ff. DVollzO. Nr. 175ff. DVollzO. 51 Zur Anwendung der Strafgewalt und der Sicherungsmaßnahmen s. die Entscheidungen Z. f. Strafvollz. 13, S. 79 ff. 52 Während im Zuchthaus destruktives Verhalten kaum einen Einfluß auf die Lebensverhältnisse der Gefangenen hat, kann es in der Verwahrung zur Schmälerung der Vergünstigungen führen und u. U. die Entlassung verzögern. Dieser Unterschied dürfte bei willensstarken und anpassungsfähigen Tätern zu dem "positiveren" oder besser opportunistischen Verhalten geführt haben. 49

so

I. Der Vollzug der Verwahrung in Deutschland

159

berufliche Ausbildung fand in Fuhlsbüttel nicht statt53 • Auch die Freizeitgestaltung war sehr begrenzt. Eine sportliche Betätigung war, abgesehen vom Tischtennisspiel, aus räumlichen Gründen nicht möglichM Die Verwahrten konnten sich eine Tageszeitung halten und sie vom Eigengeld bezahlen. Alle anderen Zeitungen, Zeitschriften und Bücher mußten vom Hausgeld bezahlt werden. Die Möglichkeiten auf diesem Gebiet waren folglich sehr begrenzt. Daneben gab es als besonderen Vorzug für Verwahrte Lesemappen mit Illustrierten. Werken, Zeichnen und Malen wurden als Freizeitbeschäftigung nur bei Verwahrten unterstützt, die eine besondere Begabung dafür zeigten und mit Eifer unter persönlichen Opfern dabei waren. Die erforderlichen Materialien mußten vom Hausgeld erworben werden, daher ließ sich die Opferbereitschaft leicht nachprüfen. Für größere Materialbeschaffungen gewährte die Anstaltsleitung auch Vorschüsse auf das Hausgeld. In dem mit den nötigen Werkzeugen ausgestatteten Basteiraum konnten nicht mehr als 2-3 Verwahrte gleichzeitig arbeiten. Besonders gute Arbeiten wurden für den Verwahrten durch einen Auktionator versteigert und der Erlös dem Eigengeld gutgeschrieben. Hier sollte wenigstens die Möglichkeit eingeräumt werden, daß der Bastler von dem Erlös die Kosten für sein neues Material deckt, weil bei der gegenwärtigen Regelung gerade der, der mit viel Fleiß sich in der Freizeit sinnvoll beschäftigte, einen erheblichen Teil seines Hausgeldes für Material aufwenden mußte und daher auf viele kleine Vergünstigungen verzichten mußte, für die er sonst das Hausgeld verwenden könnte, obwohl sein Hobby sich eigentlich mehr als selbst bezahlte. Kurz vor dem Besuch in der Anstalt war das Sammeln von Briefmarken erlaubt worden. Es wurde von einigen Verwahrten mit Eifer betrieben. Monatlich wurde ein Spielfilm vorgeführt. Einen Fernsehapparat gab es nicht. Der Vollzugsleiter lehnte ihn aus pädagogischen Gründen ab 55 • Ein Teil der Verwahrten hatte keinerlei Interesse an den vorhandenen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung gezeigt56• Daneben zeigt die Gruppe der passiv-inadäquaten Verwahrten ein gleichbleibend mustergültiges Verhalten. Diese Angaben beruhen auf Auskünften des Vollzugsleiters. Ebenso auch Hellmer, Gewohnheitsverbrecher, S. 347 ff. 53 Wie verschieden gerade diesbezüglich in einzelnen Anstalten gearbeitet wird, zeigt ein Bericht von A. Hagel, 10 Jahre Betreuung von Sicherheitsverwahrten, in: Bewährungshilfe, 1962, S. 209ff. (222ff.). 5' Andres, G., "Die Freizeitbeschäftigung der Sicherungsverwahrten in der Anstalt Ziegenhain", Z. f. Strafvollz.13, S. 92ff., berichtet aus der Anstalt Ziegenhain, wo sehr günstige sportliche Möglichkeiten gegeben seien, daß 20 von 60 Verwahrten Interesse am aktiven Sport zeigen. 55 Dazu auch die englischen Erfahrungen, s. S.l78; s. auch Andres, S. 34. 58 Hagel, A., S. 23, berichtet, daß von 86 Entlassenen seiner Gruppe 36 an keiner Freizeitveranstaltung teilgenommen haben, die in großer Zahl in Bruchsal angeboten wurden.

160

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

Obwohl die Sicherungsverwahrung in Harnburg nicht im Stufenvollzug57 durchgeführt wird, gibt es seit 1956 einen einjährigen Erprobungsvollzug, den die überwiegende Mehrheit der Verwahrten unmittelbar vor ihrer Entlassung durchläuft58. Die Verlegung in den Erprobungsvollzug ist eine reine Vollzugsmaßnahme59 , trotzdem ist die Anhörung des für die Entlassung zuständigen Gerichts erforderlich, weil nur dieses bestimmen kann, ob die Entlassung bevorsteht. Der Erprobungsvollzug wird in der halboffenen Anstalt XII, Hamburg-Neuengamme, durchgeführt. Die Anstalt war am 9. 6. 1964 bei einer Belegungsfähigkeit von 594 Mann mit rund 600 Gefangenen belegt, davon 15 Verwahrte im Erprobungsvollzug, die in 2 Gemeinschaftszellen untergebracht waren, bei der Arbeit aber nicht völlig von den Strafgefangenen getrennt werden konnten. Für jeden Neuankömmling wurde ein Erprobungsplan aufgestellt, der neben den vierteljährlichen Terminen für die Berichterstattung an die Gefängnisbehörde und dem Berichtstermin an das Gericht nach einjährigem Aufenthalt in der Anstalt, vor allem den Arbeitseinsatz entsprechend der für den Zeitpunkt nach der Entlassung in Aussicht genommenen Beschäftigung regelte. Die Anstalt hatte eine Anzahl industrieller und handwerklicher Betriebe und eine größere Landwirtschaft60 • Besondere Kurse wurden im E-Schweißen und in Metallbearbeitung durchgeführt, an denen auch geeignete Verwahrte teilnehmen konnten. Die meisten Verwahrten wurden in der Gärtnerei und der Landwirtschaft beschäftigt. Sie arbeiteten möglichst das zweite Halbjahr ihres Aufenthaltes in der Anstalt Neuengamme auf einer freien Arbeitsstelle außerhalb des Anstaltsgeländes. Die Vermittlung von Arbeitsstellen für die Zeit nach der Entlassung war bei den meisten Verwahrten, da sie voll arbeitsfähig waren, nicht schwer. Ältere Verwahrte wurden häufiger in Heime oder Arbeiterkolonien vermittelt, meist handelte es sich dabei um kirchliche Heime. Die Verwahrten haben während des Jahres in Neuengamme die gleichen Rechte und Pflichten wie in der Verwahranstalt Fuhlsbüttel mit Ausnahme der Tatsache, daß sich die Arbeit mehr nach ihren Wünschen 57 Unter Stufenvollzug wird ein graduelles, grundsätzlich zeitlich bestimmtes Fortschreiten eines Gefangenen in Richtung größeren Vertrauens u. umfangreicherer Privilegien während der Vollzugszeit verstanden. 58 Zum Erprobungsvollzug auch Eßig, S. 61 ff. 59 Nr. 245 Abs. 3 DVollzO. 60 Die industriellen Betriebe waren mit folgenden Arbeiten beschäftigt: Mattenherstellung, Montage von Flaschenverschlüssen, Herstellung von Elektro-Artikeln, Herstellung von Betten und Campingliegen (Bettenbetrieb) und Betonsteinen. Außerdem gab es eine Metallwerkstatt, Schlosserei, Tischlerei und Gärtnerei.

I. Der Vollzug der Verwahrung in Deutschland

161

und späteren Möglichkeiten richtete und daß sie, wenn sie außerhalb der Anstalt auf freien Arbeitsstellen arbeiteten, eine Tabakzulage erhielten. Wenn sie draußen arbeiteten, bekamen sie kein Taschengeld und durften kein Geld von ihrem Arbeitgeber annehmen. Sie durften keine alkoholischen Getränke annehmen und hatten auf dem kürzesten Weg zwischen Anstalt und Arbeitsstelle zu fahren oder zu gehen, ohne dabei mit ihren Angehörigen in Kontakt zu treten. Sie waren weiterhin auf den von der Anstalt genehmigten Brief- und Besuchverkehr angewiesen. Damit wurden zum Teil Forderungen an sie gestellt, die selbst freien Bürgern nur unter erheblicher Selbstdisziplin zu erfüllen möglich wäre. Solche Forderungen an durch langjähriges Leben in der Anstalt den Versuchungen und Möglichkeiten der Freiheit nicht gewachsene, häufig passiv-inadäquate Menschen zu richten, mag als eine Überforderung angesehen werden. Verfehlungen galten als Versagen im Erprobungsvollzug und führten, so sie geahndet werden sollten, zur Rückverlegung in die Verwahranstalt Fuhlsbüttel. Damit war eine Verlängerung der Sicherungsverwahrung verbunden. An der praktischen Durchführung des Vollzuges in Neuengamme scheint daher manche Veränderung erforderlich. Die in freien Arbeitsstellen arbeitenden Verwahrten müßten die Möglichkeit haben, sich als normale Arbeiter unter Aufsicht der Anstalt zu bewähren. Sie sollten ein kleines Taschengeld erhalten, Kontakt mit Arbeitskollegen und Arbeitgeber auch außerhalb der Arbeitszeit pflegen dürfen und ungehindert mit Angehörigen und Freunden zusammenkommen können. Eine solche Lösung würde eine strikte Trennung dieser Verwahrten von allen anderen Anstaltsinsassen erfordern, um die Möglichkeit und Versuchung des Kassiberschiebens und anderer Mittelsmanntätigkeit für Anstaltsinsassen zu unterbinden. Eine derartige Lockerung des Vollzugs wäre im Rahmen der durch Nr. 245 Abs. 3 DVollzO eingeräumten Möglichkeit denkbar61 • 2. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung in Straubing

Die Darstellung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung in Straubing kann hinsichtlich vieler Einzelheiten kürzer gefaßt werden, da es hier nicht auf Vollständigkeit, sondern auf die Herausarbeitung der Differenzen zwischen dem Vollzug in Harnburg und Straubing ankommt. Die beiden Hauptzellengebäude der Strafanstalt Straubing sind vor der Jahrhundertwende nach dem Pennsylvanischen System errichtet worden. Sie dienen dem Vollzug langjähriger und lebenslänglicher Frei61

Siehe dazu auch S. 194 ff., 200.

11 Gelsler

162

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

heitsstrafen und der Sicherungsverwahrung. Gelegentlich werden dort auch Untersuchungsgefangene untergebracht, deren Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Mit Ausnahme der Untersuchungsgefangenen sind die Anstaltsinsassen nicht voneinander getrennt. Die Zellen der Sicherungsverwahrten dagegen liegen abgesondert auf zwei Flügeln der Anstalt; doch ihre Insassen treffen bei der Arbeit und anderen Gelegenheiten mit den übrigen Gefangenen zusammen62 • Insoweit kommt der Strafvollzug in Bayern der Nr. 63 DVollzO nicht nach. Straubing ist eine Anstalt für über 1000 Gefangene, die größtenteils in Einzelzellen untergebracht sind. Am 17. August 1964 waren 1024 Gefangene dort, davon waren 145 Sicherungsverwahrte und 122 Strafgefangene, deren anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet war. In Straubing ist schon in den dreißiger Jahren die Sicherungsverwahrung vollzogen worden. Heute ist sie die dafür allein zuständige Anstalt Bayerns. Auch werden regelmäßig die Strafen, die vor der Sicherungsverwahrung zu vollstrecken sind, in Straubing verbüßt. Die durchschnittliche Zahl der Verwahrten ist in den letzten Jahren fortwährend angestiegen. Da die Verwahrten bis auf wenige Ausnahmen alle schon in Straubing ihre Strafe verbüßt haben, bevor sie in die Sicherungsverwahrung überführt werden, wird eine besondere Untersuchung des Rezidivisten bei Verwahnmgsantritt nicht für erforderlich gehalten. Ein Vollzugsplan63 wird nicht aufgestellt. Allerdings haben Sicherungsverwahrte wie Strafgefangene die Möglichkeit, einen Beruf zu erlernen oder sich in ihrem Beruf weiterzubilden; damit soll eine Erwerbstätigkeitnach ihrer Entlassung vorbereitet werden. Es wird an fünf Wochentagen je acht und eine halbe Stunde gearbeitet. Berücksichtigt man dazu noch die kurzen Pausen am Vor- und Nachmittag, so bleibt eine Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche für diejenigen, die in den Betrieben arbeiten, bei anderen Arbeiten sind die Arbeitszeiten zum Teil länger. Die Zellenarbeit ist die Ausnahme, abgesehen von den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen und den Fällen, in denen sie aus disziplinarischen Gründen erforderlich wird. Straubing hat neben den Arbeitsplätzen, die nur der Anstaltsversorgung dienen (Bücherei, Garten, Holzhof, Heizung, Küche, Wäscherei, Reinigung und Hausarbeitsplätze) eine Anzahl von zum Teil sehr modern eingerichteten Betrieben64 • Die meisten Werkstätten befinden sich in geräumigen, übersichtlichen, nach dem Kriege errichteten Räumen, ein kleinerer Teil Siehe aber auch am Ende dieses Abschnitts. Nr. 58 Abs. 4 DVollzO. 64 Druckerei und Buchbinderei, Federkernherstellungsbetrieb und Sattlerei (Herstellung von Schlaraffiamatratzen), Strickerei, Weberei, 2 Schneidereien, Schuhmacherei, Korbmacherei, Schlosserei, Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt, 3 Tischlereien, Holzskibetrieb, Metallskibetrieb, Landwirtschaft und 112

63

I. Der Vollzug der Verwahrung in Deutschland

163

im Keller der Zellengebäude. Es ist grundsätzlich möglich, einen jeden Gefangenen seiner Leistungskraft und Fähigkeit entsprechend sinnvoll und produktiv einzusetzen, da bisher für alle Betriebe hinreichend Aufträge vorhanden sind. Hierbei muß darauf hingewiesen werden, daß dennoch die Produktivität der Gefangenen nicht immer sinnvoll ausgeschöpft werden kann, da die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt und die Ziele des Strafvollzuges manchmal einen vom Produktionsergebnis her gesehen unzweckmäßigen Einsatz erfordern. Bezüglich des Arbeitseinsatzes gibt es keinen Unterschied zwischen Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen mit der Einschränkung, daß die Verwahrten auf Wunsch Zellenarbeit erhalten und dann nicht an der Gemeinschaftsarbeit teilzunehmen brauchen. Die fehlende vollzugstechnische Trennung zwischen Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen wird auch bei der Bezahlung deutlich. Es gibt in der Anstalt fünf Lohngruppen66 , deren zahlenmäßiges Verhältnis in einem Quotensystem vorgegeben ist. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Lohngruppe hängt sowohl von der Länge der Zeit ab, die sich der Gefangene bereits in der Anstalt befindet, als auch von seiner Qualifikation und Leistung und von dem Vorhandensein freier Plätze in einer Lohngruppe. Die Sicherungsverwahrten sind, da sie schon lange Strafen vor der Verwahrung verbüßt haben, häufig in die oberen Lohngruppen eingestuft. In diesen konkurrieren sie insbesondere mit den zu lebenslänglichem Zuchthaus Verurteilten. Daneben kann bei guter Leistung in den von Unternehmern unterhaltenen Betrieben eine monatliche Prämie bis zu 15,- DM, in den anstaltseigenen Betrieben eine Prämie bis zu 8,- DM erreicht werden. Dieser Unterschied ist sehr unbefriedigend, weil er dazu führt, daß qualifiziertere Gefangene nur deswegen schlechter bezahlt werden als andere, weil sie in einem anstaltseigenen und nicht in einem Unternehmerbetrieb eingesetzt werden. Der Lohn wird zu zwei Dritteln dem Hausgeld und zu einem Drittel der Rücklage gutgeschrieben, die Prämie ganz dem Hausgeld. Monatlich dürfen Verwahrte Lebensmittel, Toilettenartikel, Tabak und andere Verbrauchsgüter bis zu einem Wert von 18,- DM bestellen. Bei Strafgefangenen mit Strafen über fünf Jahren ist der Einkauf nur bis zu 12,- DM, unter fünf Jahren bis zu 10,- DM gestattet. Ist der Hausgeldbetrag eines Gefangenen höher, so kann er sich Sonderwünsche erfüllen, die jedoch vorher genehmigt werden müssen. Viele Verwahrte können den vollen Einkaufssatz nicht ausschöpfen, da ihr Verdienst nicht ausreicht. Mengenmäßiger Beschränkung unterliegt der monatliche Einkauf hinVersandabteilung. Auch in diesen Betrieben werden z. T. Arbeiten für die Anstalt verrichtet. 65 30, 40, 50, 60 und 80 Pfennig pro Tag.

164

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

sichtlich Tabak - 6 Päckchen zu 50 g für Sicherungsverwahrte, 4 für Strafgefangene - und Seife - nur ein Stück. Bei anderen kosmetischen Artikeln und Lebensmitteln gibt es keine mengenmäßige Beschränkung, aber aus organisatorischen Gründen eine gewisse Standardisierung. Schreibmaterial, abgesehen von dem regelmäßig zur Verfügung gestellten Briefpapier, muß gesondert beantragt werden und wird gelegentlich nur zögernd bewilligt. Zur Verbesserung des Essensgeschmacks dürfen die Verwahrten einmal im Vierteljahr ein flüssiges Gewürz kaufen. Die Rücklage darf, ähnlich wie in der Verwahranstalt Hamburg, nur in Ausnahmefällen für Anschaffungen verwandt werden. Eigengeld darf in der Straubinger Strafanstalt in größerem Umfang als in der Hamburger Verwahranstalt zu Anschaffungen mit herangezogen werden. Dazu dürfen die Verwahrten eigene Bücher besitzen und Bücher unterhaltenden und fortbildenden Inhalts und eine Zeitung von Eigenoder Hausgeld kaufen. Die Verpflegung ist gut zubereitet und abwechslungsreich. Sie wird von mehreren leitenden Beamten täglich überprüft. Es ist den Gefangenen erlaubt, ein 2 kg schweres Geburtstagspaket und ein 3 kg schweresWeihnachtspaket zu empfangen. Ersatzweise ist ein Sondereinkauf für sechs Mark zum Geburtstag und zwölf Mark zu Weihnachten gestattet. Die Sicherungsverwahrten haben hinsichtlich der Pakete keine Sonderrechte. Nach Nr. 249 Abs. 3 DVollzO ist der Briefverkehr zeitlich unbeschränkt. Das wird von der Anstaltsleitung dahingehend ausgelegt, daß den Verwahrten ungestempeltes Papier für zwei Privatbriefe an für den Briefverkehr zugelassene Personen pro Woche ausgehändigt wird. Strafgefangene erhalten gestempeltes Papier für einen Brief 14tägig. Weitere Briefe werden auf Antrag meist genehmigt. Ebenso wie in Harnburg haben in Straubing viele Verwahrte keinerlei Kontakt mehr zu Angehörigen oder Freunden. Der hauptamtliche Psychologe der Anstalt bemüht sich um die Wiederherstellung einer Verbindung zu noch vorhandenen Angehörigen und um die Vermittlung von Briefpartnern. Die Verwahrten dürfen zweimal im Monat für 30 Minuten Besuch empfangen, der an keinen Besuchstermin gebunden ist. Dagegen haben Strafgefangene nur alle sechs Wochen das Recht, einen Besuch zu empfangen, der 15 Minuten bleiben darf. Soweit die Besucher einen langen Anreiseweg haben und daher nicht regelmäßig kommen können, wird die Besuchszeit nach Möglichkeit verlängert. Die Verwahrten erhalten grundsätzlich die geräumigen Zellen an der Süd- oder Westseite der Zellengebäude. Die Zellen sind wie die der Strafgefangenen mit einem Bett, einem Tisch und Stuhl und einem Wandschrank, an dem sich Kleiderhaken befinden, ausgestattet, dazu ein WC und eine Waschschüssel. In den Zellen, die nur einen Wandklapptisch

I. Der Vollzug der Verwahrung in Deutschland

165

enthalten, wird den Verwahrten noch ein weiterer Tisch zur Verfügung gestellt. Die Sicherungsverwahrten dürfen sich ein Kopfkissen und eine Tischdecke kaufen. Es ist ihnen erlaubt, sechs eigene Fotos aufzuhängen - in der Regel werden auch mehr Bilder geduldet - , den Strafgefangenen hingegen sind nur vier Fotos gestattet. Sie können in ihrer Zelle zwei Blmnentöpfe aufstellen und einen Singvogel - Kanarienvogel - halten ebenso wie die zu lebenslänglichem Zuchthaus Verurteilten. Die Vorschriften über die Ausgestaltung der Zellen werden nicht streng gehandhabt, so daß es den Verwahrten möglich ist, ihre Zellen individuell auszugestalten. Die Verwahrten genießen nicht mehr Bewegungsfreiheit in der Anstalt als die Strafgefangenen mit der Ausnahme, daß sie sich alle 14 Tage zwei Stunden am Sonntagnachmittag in Gruppen von 30 bis 40 Mann in einem Gemeinschaftsraum ohne Aufsicht aufhalten dürfen. Dort können sie ein für sie ausgesuchtes Radioprogramm- meist Unterhaltungsmusik - hören, ausliegende Zeitungen und Zeitschriften lesen und Brettspiele spielen. Wenn nicht ein besonderer Grund wie Arbeit, Hofgang oder Kurse vorliegt, haben sich die Gefangenen in ihren Zellen aufzuhalten. Für körperliche Bewegung wird durch täglich eine Stunde Spaziergang im Freien und zweimal wöchentlich Ballspiel oder Schwimmen in dem in der Anstalt befindlichen Freibad gesorgt. In der Handhabung der Disziplinarmaßnahmen zeigt sich ein deutlicher Unterschied zu der Hamburger Verwahranstalt Es wird bei Sicherungsverwahrten ebenso wie bei Strafgefangenen häufig mit Disziplinarstrafen gearbeitet, auch bei geringeren Verstößen gegen die Anstaltsordnung, bei denen der Vollzugsleiter der Anstalt VIII in Fuhlsbüttel eine persönliche Rücksprache mit dem Verwahrten als ausreichend ansehen würde. Das ergibt sich daraus, daß in der großen Straubinger Anstalt mit über 1000 Gefangenen- in der Verwahranstalt Harnburg waren es etwa 130 Verwahrte - nicht in gleichem Umfang Kontakt zu jedem Gefangenen hergestellt werden kann und daß sich unter den Verwahrten eine größere Anzahl geistig-seelisch stark gestörter Persönlichkeiten befindet, die in der Eingliederung besonders schwierig sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß für die Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Anstaltsinsassen, Strafgefangene und Sicherungsverwahrte, schwierig ist. Ein Unterschied in der Führung der Strafgefangenen und der Verwahrten ist nicht beobachtet worden. Die Geistlichen beider Konfessionen halten wöchentliche Gottesdienste und Abendkurse. Besonders wichtig im Hinblick auf die Entlassung der Verwahrten ist es, wie in der Anstalt ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft vor-

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

166

bereitet wird. In der Anstalt arbeiten ein Psychiater und ein Psychologe, die, wenn es nötig ist, eine Untersuchung vornehmen. Allerdings fehlt es beiden an geschulten Hilfskräften, die für die Durchführung moderner Behandlungsmethoden unbedingt erforderlich sind. Die Anstalt arbeitet mit der Gefangenenentlassenenfürsorge und karitativen Organisationen zusammen. Es gibt eine Vielzahl von Kursen, die mit der Einschränkung, daß sie eine Teilnehmerzahl von 20 bis 40 Personen, je nach Art des Kurses, nicht überschreiten, für alle Gefangenen zugänglich sind. Die Kurse, an denen von den durchschnittlich 1000 bis 1100 Gefangenen 689 Gefangene im Jahr 1963/64 teilgenommen haben, lassen sich unter drei Gesichtspunkten zusammenfassen: a) berufsfortbildende Kurse, b) allgemeinbildende Kurse, c) Freizeitkurse". Neben diesen Kursen gibt es eine allgemeinbildende Tagesschule mit den Fächern Deutsch, Rechnen und Gemeinschaftskunde, die von 200 Gefangenen in sechs bis acht Klassen besucht wird. In der Tagesschule wird hauptsächlich Volksschulwissen vermittelt, da ein großer Teil der Gefangenen, 60 Ofo nach Schätzung des Oberlehrers der Anstalt, wissensmäßig unter dem Volksschulniveau liegt. Für musikinteressierte Gefangene gibt es die Möglichkeit, am Instrumentalunterricht teilzunehmen, im kleinen und großen Orchester der Anstalt mitzuwirken und im Vorbereitungschor, der gleichzeitig musikalischer Grundunterricht ist, oder großen Chor zu singen. Der Unterricht wird neben den beiden hauptamtlich in der Anstalt tätigen Lehrkräften von fachkundigen Beamten, Lehrern an allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen und von Künstlern erteilt. In der Regel wird der Unterricht von männlichen Lehrkräften gegeben, jedoch wird das Fach Kunstgewerbe von einer Frau erteilt, ohne daß es zu Schwierigkeiten kommt. Neben diesem Freizeitprogramm kann der Gefangene aus der Anstaltsbibliothek, die 13 000 Bände enthält, Bücher entleihen. Die Sicherungsverwahrten erhalten vier, die Strafgefangenen nur zwei Unterhaltungsbücher in einer Woche und dazu nach Wunsch fachliche und religiöse Literatur. Außerdem kann in den Zellen manueller Beschäftigung in 28 Materialrichtungen nachgegangen werden. Das nutzen etwa 55 Ofo der Gefangenen. Einmal im Monat wird für alle Gefangenen ein Unterhaltungsfilm vorgeführt. 86

Für die einzelnen Kurse siehe Anhang C 3.

I. Der Vollzug der Verwahrung

in Deutschland

167

Sobald die Anstaltsleitung voraussieht, daß ein Verwahrter in absehbarer Zeit entlassen werden wird oder wenn das zuständige Gericht seine Absicht, einen Verwahrten zu entlassen, rechtzeitig bekannt gibt, wird mit der Vorbereitung des Verwahrten auf die Entlassung begonnen. Falls der Verwahrte für zuverlässig angesehen wird und keine Fluchtgefahr besteht, wird er in den außerhalb der Anstalt befindlichen großen Landwirtschaftsbetrieb verlegt. Er wohnt in besser eingerichteten Gemeinschaftszellen und arbeitet in der Landwirtschaft unter stark reduzierten Sicherheitsvorkehrungen. Er bleibt dort nach Möglichkeit wenigstens sechs Monate. Da die Landwirtschaft, abgesehen von der kleinen Zahl von Außenarbeitsstellen, die einzige Station mit reduzierten Sicherheitsvorkehrungen ist, die von der Außenwelt weniger abgeschnitten liegt, dient sie auch als Übergangsstation für langjährige Zuchthausgefangene. Die Plätze reichen daher nicht aus. Daneben gibt es einen zwei- bis dreimonatigen Entlassungskurs, in dem die notwendigsten Hinweise gegeben werden, die die langjährigen Gefangenen für ihre Rückkehr in die Gesellschaft brauchen. Dazu werden auch Vertreter des Arbeitsamtes und anderer Einrichtungen herangezogen. Die Entlassenen werden häufig unter Mitwirkung der Geistlichen oder des Anstaltspsychologen in Übergangsheime vermittelt. Die Gerichte legen den Verbleib in dem Heim dann meist als Auflage der bedingten Entlassung fest. Der Vollzug von Strafe und Sicherungsmaßnahme unterscheidet sich in Straubing nur in Einzelheiten, nicht aber im Grundsätzlichen. Zum Teil ist das die notwendige Folge des Vollzuges der Sicherungsverwahrung in einer Anstalt, die auch mit Strafgefangenen belegt ist, obwohl gewisse Konzessionen, wie die Genehmigung eigener Rundfunkgeräte in den Zellen, des Aufenthaltes in einem Gemeinschaftsraum in der Freizeit, eventuell auch offene Zellentüren in nur von Sicherungsverwahrten belegten, durch Gitter getrennten Teilen der Anstalt durchaus denkbar wären. Der Vorteil des Vollzuges der Sicherungsverwahrung in einer Anstalt mit Strafgefangenen besteht in den besseren Arbeitsmöglichkeiten und der umfangereicheren Auswahl an Freizeitgestaltung in einer großen Anstalt. Sicherungsanstalten auf Landesebene werden auch in den nächsten Jahren mit unter 200 Verwahrten belegt sein, und daher wird es schwierig sein, in ihnen die Variationsbreite der Arbeitsmöglichkeiten und Freizeitbeschäftigungen zu erweitern. 3. Die Entlassung

Die Sicherungsverwahrung ist in Deutschland eine zeitlich unbestimmte Maßregel. Sie dauert grundsätzlich so lange, wie ihr Zweck es

168

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

erfordert67 • Die Entlassung erfolgt aufgrund eines Gerichtsbeschlusses68, sie gilt als "bedingte Aussetzung der Unterbringung" 69 , die zu widerrufen ist, wenn der Entlassene durch sein Verhalten in der Freiheit zeigt, daß der Zweck der Unterbringung eine erneute Verwahrung erfordert und noch nicht 10 Jahre seit der bedingten Entlassung vergangen sind70• Das Gericht hat wenigstens alle 3 Jahre zu prüfen, ob der Zweck der Verwahrung erreicht ist71 • Obwohl diese Prüfung von amtswegen zu erfolgen hat, richten die Verwahrten wenigstens in diesen Zeitabständen, häufig auch schon erheblich eher, ein Entlassungsgesuch an das zuständige Gericht- das Vollstreckungsgericht72 • Die Anstaltsleitung bzw. der Vollzugsleiter der Anstalt VIII in Harnburg fügt diesen Gesuchen eine Stellungnahme seitens der Anstalt bei, die unter Bezugnahme auf alle der Anstalt über den Verwahrten bekannten Tatsachen eine Beurteilung seines Charakters und eine Prognose73 hinsichtlich seines zukünftigen Verhaltens, sowie die Ansicht der Anstaltsleitung zu einer möglichen Entlassung enthält. In geeigneten Fällen wird auch ein psychiatrisches Gutachten beigefügt. Aufgrund dieser Unterlagen nimmt die Staatsanwaltschaft zu der Frage der EntlassungStellung und stellt ihreAnträge74 • Über die bedingte Entlassung entscheidet das Vollstreckungsgericht -das Gericht erster Instanz- ohne mündliche Verhandlung75• Bei dieser Entscheidung wird davon ausgegangen, daß die im Strafurteil festgestellte Erforderlichkeit der Verwahrung im Interesse der Öffentlich&7

68

e& 70

71 72

73

§ 42 f Abs. 1 StGB. §§ 42 f Abs. 3 Satz 3 StGB, 463 Abs. 3, 462 Abs. 1 StPO. § 42 h Abs. 1 Satz 1 StGB. §§ 42 h Abs. 1 Satz 2, 70 Abs. 2 StGB. § 42 f Abs. 3 Satz 4 StGB. §§ 463 a Abs. 3, 462 Abs. 1 StPO. Dazu EngeZhardt, S. 89 ff. Selbst wenn man die sehr niedrig erscheinen-

den Rückfallziffern Engelhardts annimmt, wird die knappe Hälfte der Prognosen nachträglich als unrichtig erwiesen. 74 Die Staatsanwaltschaft hat ebenso wie der Gefangene aufgrund der §§ 463 a, Abs. 3, 462, Abs. 2 StPO ein Recht zur Stellungnahme, bevor das Gericht über die Entlassung entscheiden darf. Wegen des Grundsatzes, daß jedermann vor Gericht rechtliches Gehör zusteht, Art. 103 Abs. 1 GG, muß nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß v. 15. 10. 1963, zit. Z. f. Strafvollz. 13, S. 93 ff.) dem Verwahrten grundsätzlich die Stellungnahme der Anstaltsleitung bekannt gegeben werden und die Möglichkeit eingeräumt werden, sich dazu zu äußern. Ist auch gegen diesen Beschluß nach dem geltenden Recht kein Einwand möglich, so erscheint er doch, vom Standpunkt der Vollzugspraxis gesehen, unhaltbar. 75 Dagegen wendet sich RöhZ, JZ 1955, S. 145 ff. In einigen Bundesländern ist lt. Röhl eine ministerielle Empfehlung dahin gegeben worden, daß wenigstens der Berichterstatter des Gerichts den Verwahrten anhören sollte. Nach dem geltenden Prozeßrecht kann das Gericht auch aufgrundmündlicher Verhandlung entscheiden.

I. Der Vollzug der Verwahrung

in Deutschland

169

keit solange fortbesteht, wie keine Umstände bewiesen werden können, die eine weitere Verwahrung nicht mehr erforderlich erscheinen lassen. Der Zweifel fällt bei dieser Entscheidung anders als im Strafverfahren dem Verwahrten zur Last76 • Methoden, die eine zuverlässige Prognose gestatten, sind bisher nicht entwickelt worden77 • Diese Tatsache hat dazu geführt, daß die Gerichte durchschnittlich nach 3-4jährigem Vollzug der Sicherungsverwahrung die bedingte Entlassung anordnen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht zulässig78 • Die Entlassung aus der Verwahrung kann mit Auflagen verbunden werden 79 • Häufig wird dem Entlassenen auferlegt, seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort oder in einem Heim zu nehmen und einen bestimmten Arbeitsplatz beizubehalten. Solche Pflichten können auch nachträglich auferlegt oder geändert werden. Wie später noch im einzelnen darzulegen sein wird, reichen die Vorbereitungen auf die Entlassung und die nach dieser getroffenen Vorkehrungen nicht aus, um die Wiedereingliederung der Verwahrten in die soziale Gemeinschaft sicherzustellen, so daß viele Verwahrte rückfällig werden und entweder die bedingte Entlassung widerrufen wird oder aber eine erneute Verurteilung möglicherweise unter Anordnung der Sicherungsverwahrung erfolgt80• Von der Möglichkeit, die vorläufige Entlassung nach § 42 h StGB zu widerrufen, wird durch die Gerichte häufig in einer Weise Gebrauch gemacht, die mit den rechtsstaatliehen Grundprinzipien unseres Strafverfahrens nicht vereinbar ist. Die Gerichte widerrufen die vorläufige Entlassung auf Grund der ihnen vorliegenden staatsanwaltschaftliehen Ermittlungsakten über eine neue Straftat des vorläufig Entlassenen unter gleichzeitiger Einstellung des neuen Verfahrens nach§ 154 Absatz 1 StPO ohne mündliche Verhandlung. Dieses Verfahren verstößt gegen den 78 So die herrschende Lehre, Bruhns, JZ, 1958, S. 651 (653), Rudolph, DRiZ, 1956, S. 179, J agusch i. Leipziger Kommentar 8. Aufl., § 42 f, Anm. 2; a. A. Schönke-Schröder 13. Aufl., § 42 f, Rdn. 7 entgegen den Vorauflagen bis 10. Auf!.; für die Rechtsprechung da selbst. 77 Siehe auch d. Ergebnisse bei Engelhardt, S. 89 ff. 78 §§ 463 Abs. 3, 462 Abs. 4 StPO. 7 9 § 42 h Abs. 1 Satz 2 StGB. 80 Eine zuverlässige Statistik liegt nicht vor. Engelhardt, S. 89ff., hat festgestellt, daß etwa 50 Ofo der Entlassenen in die Sicherungsverwahrung zurückkehren. Dieses Ergebnis liegt zu niedrig, soweit daraus geschlossen wird, daß die anderen 50 Ofo nicht mehr erheblich straffällig geworden sind. Die niedrige Rückfallquote ergibt sich vermutlich nur dadurch, daß der Strafanstalt, in der er seine Untersuchungen vorgenommen hat, nicht alle Fälle bekannt geworden sind, in denen der Entlassene in einem anderen Bundesland erneut straffällig geworden ist.

170

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

Grundsatz der mündlichen Verhandlung, von dem sonst nur ausnahmsweise und meist nicht gegen den Willen des Angeklagten abgewichen werden darf. Außerdem fühlen sich die Verwahrten nach einem solchen Verfahren besonders ungerecht behandelt. In ihrer Sicht hat das Gericht ihnen keinen Schuldvorwurf gemacht, sondern das Verfahren eingestellt. Dies führt im Vollzug zu weiteren und vermeidbaren Unzuträglichkeiten81. II. Der Vollzug der Preventive Detention in England Für die Beantwortung der Frage, inwieweit sich die preventive detention von anderen Freiheitsstrafen unterscheidet und ob sie ihr Ziel erreicht, ist nicht nur eine Darstellung des Verwahrungsvollzuges erforderlich, sondern auch ein knapper Überblick über den Vollzug der Freiheitsstrafen1 bei langjähriger Gefängnisstrafe für Gefangene der gewöhnlichen und der Starklasse2 in England. Die englischen Strafvollzugsanstalten für Erwachsene sind grob in Zentralgefängnisse (central prisons), Bezirksgefängnisse (regional prisons) und Ortsgefängnisse (local prisons) unterteilt. Die Zentralgefängnisse sind für Verurteilte mit 3 und mehrjährigen Strafen bestimmt, jedoch werden wegen der herrschenden Raumknappheit Strafgefangene der gewöhnlichen Klasse dort nur eingeliefert, wenn ihre Strafe wenigstens 5 Jahre beträgt. Bezirksgefängnisse sind mit besonderen Ausbildungseinrichtungen ausgestattet und dienen für ausgesuchte Gruppen von Verurteilten, die mehr als 12 Monate verbüßen müssen: die Starklasse, zu corrective trainingVerurteilte und eine ausgewählte Anzahl der gewöhnlichen Klasse. Die Ortsgefängnisse dienen den Gerichten. Ihnen werden daher die unterschiedlichsten Gefangenen zugeführt: Untersuchungsgefangene und Verurteilte, dazu alle, die aus persönlichen Gründen oder wegen der kurzen Dauer ihrerStrafe nicht für andere Vollzugsanstalten in Frage kommen. Besondere Ortsgefängnisse stehen für Zivilgefangene und Strafgefangene der Starklasse zur Verfügung, die nicht in andere Gefängnisse überführt werden können. 81 1964 befand sich in einer der besuchten Anstalten ein Verwahrter, der nach wiederholten Entlassungen und Widerruf derselben noch immer auf Grund eines Urteils aus dem Jahre 1942 verwahrt wurde. 1 Freiheitsstrafe ist in England Gefängnisstrafe. Daneben gibt es noch das Borstal training (siehe auch S . 37), das corrective training (siehe auch S. 65) und die preventive detention. 2 Zur Auswahl der Starklasse siehe Prison Rules 9 (3 und 4). Hauptsächlich handelt es sich um diejenigen, die erstmals zu Freiheitsstrafe verurteilt sind.

Il. Der Vollzug der Preventive Detention in England

171

Alle drei Gefängnisarten sind weiterhin in sichere (geschlossene) und offene, dazu eine kleinere Zahl halboffene Anstalten unterteilt3 . Der Innenminister hatte bei der Ausnutzung der Ermächtigung, den Vollzug der preventive detention im Verordnungswege zu regeln4 , innerhalb dieser Möglichkeiten zu wählen. Für den größten Teil der Dauer eines so langjährigen Freiheitsentzuges wie der Verwahrung schien ihm allein eine sichere, für langjährigen Strafvollzug geeignete Vollzugsanstalt brauchbar zu sein. H. M. Prison Parkhurst auf der Isle of Wight, in dem schon die wenigen männlichen Verwahrten untergebracht waren, die noch nach dem Gesetz von 1908 verurteilt worden waren, wurde die erste Vollzugsanstalt für diese Maßregel. L. W. Fox schreibt, daß das neue System auf zwei Annahmen fußte: 1. daß es weder prinzipiell nötig noch praktisch möglich wäre, daß es

durchgängig vom Vollzug einer langjährigen Freiheitsstrafe getrennt und unterschieden sein sollte und 2. daß anstatt eines normalen Stufenvollzuges, der bei einer Maßregel von dieser Dauer unangebracht erschien, eher ein Fortschritt durch eine Reihe von verschiedenartigen Vollzugsanstalten mit dem Ziel, die Monotonie der langjährigen Verwahrung aufzubrechen, notwendig sei5 • Die Prison Rules von 1949 enthielten 14 Sonderbestimmungen über den Vollzug der preventive detention6 . Ein 3stufiges System wurde eingeführt. Die dritte Stufe entfiel im März 19637 • 1. Die erste Stufe

Die erste Stufe, die ein bis zwei Jahre dauern soll und regelmäßig ein Jahr dauert, wird für 10 bis 11 Monate in einem Bezirks- oder Ortsgefängnis vollzogen8 • Danach wird der Verwahrte nach dem Gefängnis Wandsworth überführt, von wo die Überstellung in die für ihn geeignetste Anstalt der zweiten Stufe erfolgt. Der Gefangene der ersten Stufe "wird in jeder Beziehung gemäß den für eine Gefängnisstrafe verbüßenden Gefangenen geltenden Vorschriften behandelt" 9 • 3 Zum Ganzen auch Grünhaut, M., Englands Gefängniswesen, Z. f . Strafvollz. 5, S. 321 ff. ' Aufgrund der Sektion 47 des Prison Act, 1952, (15 & 16 Geo. VI und 1 Eliz. Il, c 52) ergänzt durch Sektion 41 des und Liste 4 zum Criminal Justice Act, 1961 (9 & 10 Eliz. Il, c. 39), früher Sektion 52 Criminal Justice Act, 1948. s Fox, S. 316. 8 Die Rules 160-173 der Prison Rules, 1949, sind erheblich abgeändert worden durch die Prison Rules, 1952, 1956 und 1963. 7 Durch die Prison Rules, 1963. 8 Die Vollzugspraxis ist zeitweilig unterschiedlich gewesen, nach Prisons und Borstals, 4th ed. 1960, p. 47, waren es 9 Monate. 9 Die Regeln 43 (2) (b) und 44 (3) (b) -Verlust von Strafnachlaß bei disziplinarischen Strafmaßnahmen- sind auf ihn nicht anwendbar; Rule 161 (2).

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

172

Im Vergleich dazu sind wegen der fortwährenden Raumknappheit in den Zentralgefängnissen langjährige Strafgefangene - 5 Jahre und mehr - der gewöhnlichen Klasse für wenigstens 1 Jahr in einem Ortsgefängnis unterzubringen oder, soweit das aus Sicherheitsgründen erforderlich ist, im C-Flügel des Zentralgefängnisses Parkhurst. Nach Ablauf eines Monats werden den Gefangenen der Starklasse alle in der betreffenden Anstalt verfügbaren Privilegien gewährt. Insoweit werden die Verwahrten benachteiligt, denn sie sind während der ersten vier Monate "out of stage" und genießen folglich keinerlei Vertrauen und kaum Kontakt mit anderen.

L. W. Fox gab zwei Gründe für die Art des Vollzuges der ersten Stufe an: 1. Soll damit Zeit für eine gründliche Untersuchung und, soweit möglich, Klas-

sifizierung der Verwahrten gewonnen werden, um sie in geeigneten Fällen einer speziellen Behandlung unterziehen und auf die verfügbaren Vollzugsanstalten verteilen zu können; 2. hob er hervor, daß "dies dazu dient, eine gewisse Bescheidenheit hervorzurufen und die unter derartigen Leuten vorherrschende Ansicht auszutreiben, daß sie eine bevorrechtigte Klasse sind, berechtigt, besondere Rücksichtnahme und besondere Vorrechte zu verlangen und ihnen dafür klarzumachen, daß sie verdientermaßen wegen ihrer schlechten Vergangenheit eine lange Strafe erhalten haben, und obwohl sie in kurzer Zeit die wesentlich anderen Bedingungen der zweiten Stufe erlangen werden, werden sie das nicht als ein ihnen zustehendes Recht tun, sondern indem sie sich diese verdienen ... "10• Gegen die zweite Begründung bestehen Bedenken. Falls die preventive detention, wie oben dargestellt, als Maßregel des Strafrechts eingeführt wurde und im konkreten Fall angewandt wird, die den durch die Schuld gedeckten Strafrahmen übersteigt, dann hätten die Verwahrten mit ihrer Ansicht recht, daß sie nur im Interesse des Schutzes der Öffentlichkeit verwahrt werden und daß ihnen daher während der ganzen Dauer ihrer Verwahrung alle nur möglichen Vergünstigungen eingeräumt werden müßten11 . Möglicherweise gibt es aber einen anderen Grund für das strenge Regime am Anfang des Vollzugs. Einige englische Vollzugsbeamte haben mir die Ansicht vorgetragen, daß ein straffer Anfangsvollzug erforderlich sei, um die Autorität in der Anstalt aufrecht zu erhalten und Unruhe zu vermeiden. Soweit dies tatsächlich erforderlich ist, was von

°

1

Fox, S. 317.

Mr. Yates wandte sich im Unterhaus gegen die erste Stufe des Systems mit dem Argument, daß mit der Einführung des Criminal Justice Act, 1948, dies nicht beabsichtigt worden sei; Hansard 5th s. 1953--4, vol. 533, c. 556. 11

li. Der Vollzug der Preventive Detention in England

173

einem Außenstehenden schwerlich beurteilt werden kann12 , läßt sich diese Regelung bruchlos in das Prinzip der sicheren Verwahrung eingliedern. Damit soll nur ein Einwand gegen die Bedingungen in der ersten Stufe der Verwahrung geltend gemacht werden, nicht aber gegen den Gedanken, die Monotonie der langjährigen Verwahrung durch einen Vollzug in verschiedenen Anstalten aufzulockern. Vor 1956 wurden die Verwahrten regelmäßig auf Empfehlung des Leiters des betreffenden Bezirks- oder Ortsgefängnisses nach 12 Monaten in die zweite Stufe überführt. Falls der Anstaltsleiter die Verlegung nicht empfehlen konnte, hatte er von da an alle drei Monate der Gefängnisbehörde über den Fall zu berichten. Seit 1956 werden die männlichen Gefangenen kurz vor Ende der ersten Stufe in das Verteilungszentrum Wandsworth (Allocation Centre) überführt 13• Das Zentrum ist mit einem Assistenten des Anstaltsleiters (Assistant Governor), einem erfahrenen Anstaltsarzt (Senior Medical Officer), zwei Psychologen, einem psychologischen Versuchsleiter und Vollzugsbeamten besetzt, die Interviews und Tests durchführen. Die Untersuchungen werden mit dem Ziel vorgenommen, festzustellen, welche der vier verfügbaren Anstalten der zweiten Stufe für den Verwahrten am geeignetsten ist und ob er einer besonderen Behandlung bedarf. Die vier für männliche Verwahrte zuständigen Anstalten waren Anfang 1963 Chelmsford, Eastchurch, Nottingham und Parkhurst. Nunmehr sind es Blundeston, Nottingham und besondere Abteilungen in Eastchurch und Parkhurst. Nottingham war früher eine Borstal-Anstalt und dann für corrective training zuständig. Seit 1954 wird sie für den Vollzug der preventive detention gebrauchtt 4 • Dieses Gefängnis, in dem es einen angespannten achtstündigen Arbeitstag gibt, ist für seine ausgezeichneten industriellen Ausbildungsmöglichkeiten bekannt und soll viel von dem Regime, das früher dort üblich war, beibehalten haben. Nur einsatz- und ausbildungsfähige Verwahrte wurden dorthin eingewiesen. Parkhurst ist ein Gefängnis größten Sicherheitsgrades15 mit einem sehr gut eingerichteten Krankenhaus, aber geringen Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten16 • 12 Rudo~ph, DRiZ 1956, S. 176 (177), vertritt gerade vom Standpunkt des Vollzugspraktikers her die Ansicht, daß beim Anstaltsgewohnten besser am Anfang nicht Härte sondern Milde stehe. 13 Preventive Detention, para. 26, p.10; Prisons and Borstals para. 17, p. 47; Report of the Commissioners of Prisons, 1956, para. 38, p. 69. 14 Report Prison Commissioners, 1954, S. 1 und 32; 1956, S. 56. u In englischen Strafanstalten gibt es keine Waffen. In Notfällen kann aber Militär herangezogen werden. 16 Der Bericht F. Hauptvoge~s, Blätter für die Gefängniskunde, Bd. 32, Sonderheft 1931, S. 184, ist hinsichtlich vieler Einzelheiten der Einrichtungen nicht überholt.

174

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

Deswegen kommen die wenig begabten, schlecht ausgebildeten, alten und kranken Verwahrten dorthin, dazu diejenigen, für die besondere Sicherheitsvorkehrungen erforderlich erschienen. In Chelmsford17 wurde früher corrective training vollzogen. Dort bestehen einige Ausbildungsmöglichkeiten. Die Anforderungen an Intelligenz und Fertigkeiten sind geringer als in Nottingham, auch hinsichtlich der geforderten Arbeitsleistung, aber höher als in Parkhurst. Eastchurch ist eine offene Anstalt mit geringen industriellen Arbeitsmöglichkeiten, in der wegen der kleinen Zahl von Insassen eine sorgfältige Beschäftigung mit einzelnen Verwahrten möglich ist18• Ursprünglich sollten dorthin besonders ältere, über 45 Jahre alte Verwahrte kommen, bei denen Ausbruchsversuche und größere Verstöße gegen die Anstaltsordnung nicht erwartet wurden und für die eine Ausbildung nicht mehr sinnvoll erschien. Nach den Ergebnissen der neueren Untersuchungen zu urteilen, werden in Zukunft auch viele der bisher in Parkhurst Verwahrten dorthin kommen, da Fluchtgefahr und Disziplinschwierigkeiten bei sehr vielen Verwahrten kein besonderes Problem darstellen. Inzwischen ist Parkhurst fast vollständig von Verwahrten geräumt worden. Ein Teil dieser Verwahrten ist in das neue Gefängnis in Blundeston/Suffolk, der Rest in die anderen Anstalten überführt worden. 2. Die zweite Stufe

"Die zweite Stufe ist in einem Zentralgefängnis zu verbüßen. Die Behandlung in dieser Stufe darf sich von der Behandlung gewöhnlicher, in einem Zentralgefängnis ihre Strafe verbüßender Gefangener nicht zu Ungunsten der Gefangenen der zweiten Stufe unterscheiden19." Der weite Rahmen dieser Bestimmung, der durch die folgenden Regeln20 nur unerheblich eingeschränkt ist, läßt der Gefängnisbehörde genügend Raum für die Anpassung des Vollzuges an die tatsächlichen Gegebenheiten. Die folgenden Ausführungen beruhen hauptsächlich auf meinen Untersuchungen und Beobachtungen anläßlich eines Aufenthaltes in dem Gefängnis Parkhurst auf der Isle of Wight in der Zeit vom 9.-23. Dezember 1962. Sie geben, soweit nicht auf anderes verwiesen ist, die Meinung des Verfassers wieder. 17 Chelmsford wird nicht mehr für den Vollzug der preventive detention benutzt. 18 Report Prison Commissioners, 1958, S. 50. 19 Rule 163; der Zusatz "soweit sie sich nicht in der Strafstufe befinden" ist 1956 gestrichen worden. 20 Rule 164, 165, 169 gelten noch in der Form, wie sie in den Materialien zur Strafrechtsreform, Bd. 9, vorliegen. 166-168 sind außer Kraft getreten, dafür ist eine neue Rule 166 eingefügt worden.

II. Der Vollzug der Preventive Detention in England

175

In der Anstalt befanden sich zu diesem Zeitpunkt etwa 500 preventive detainees und 60 Strafgefangene, die darauf warteten, nach Dartmoor überführt zu werden. Die Gruppe der detainees setzte sich aus 12-14 Mann der damals noch nicht abgeschafften dritten Stufe, etwa 55 Krankenhausfällen und Verwahrten der zweiten Stufe zusammen. Davon gehörten einige zu einer kleinen, besonders bewachten Gruppe von Ausbrechern (escapers). Die detainees waren in Einzelzellen in diesem als besonders sicher geltenden Gefängnis, das vor über 100 Jahren, als völlig andere Maximen im Strafvollzug galten, gebaut worden ist, untergebracht. Für den größten Teil der Verwahrten sind derart straffe Sicherheitsvorkehrungen nicht erforderlich. Der Beratende Ausschuß für die Behandlung Straffälliger vertritt in seinem Bericht die Ansicht, daß derartige Regelungen nur für gewalttätige Verwahrte21 - eine Minderheit22 -nötig seien, man mag dem noch einen Teil der jüngeren energischeren Täter hinzufügen. Die Vergünstigungen, die den Verwahrten gewährt wurden, ermöglichten ihnen, ihre Zellen mit selbstgebastelten Gegenständen auszustatten - die in den Basteikursen verarbeiteten Materialien mußten von dem durch Arbeit in der Anstalt verdienten Geld bezahlt werden -, sich von ihrem Verdienst oder anderem Geld einen Teppich oder ein Tischtuch und seit 1956 auch ein Koffer-Radio zu kaufen. Nur wenige Insassen hatten die Möglichkeit, ihre Zellen freundlicher gestalten zu können, genutzt. Es scheint ihnen an Initiative und Vorstellungsvermögen zu fehlen. Die Vergünstigung, ein Rundfunkgerät besitzen zu dürfen, wurde allgemein begrüßt und genutzt. Ihre Einführung wirkte sich günstig auf das Anstaltsklima aus2s. Langjährige Strafgefangene der gewöhnlichen Klasse können diese Vergünstigungen nach längerer Zeit auch erlangen. EinRadiogerät ist für sie in der vierten Stufe erreichbar, in die sie erst nach 4 Jahren kommen können. Eines der schwierigsten Probleme für die Anstaltsleitung war die Beschaffung ausreichender interessanter Arbeit für die Verwahrten. Folglich wurden, um für alle Arbeit zu haben, Tätigkeiten in handwerklicher Arbeit ausgeführt, die bei Einsatz entsprechender Maschinen durch wenige Männer hätten bewältigt werden können. Damit wird eine wichtige Aufgabe das Vollzuges, nämlich Männer, die größtenteils unfähig oder unwillig sind, für längere Zeit einer geregelten Arbeit nachzuge21 22 23

Preventive Detention, para. 28, p. 11. Siehe dazu S. 123. Report Prison Commissioners, 1956, S. 56.

176

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

hen, an sinnvolle Arbeit zu gewöhnen, undurchführbar24 • Eines der negativsten Beispiele der Beschäftigung war der "tagsshop", wo 70 Mann mit der Herstellung von "tags" (ein etwa 3 cm langes Stück Bindfaden mit einem kleinen Stück festen Bleches an jedem Ende - benutzt zum Zusammenheften von Akten) beschäftigt waren. Selbst wo die Gefängnisbehörde innerhalb der ihr gesetzten engen Grenzen bemüht war, zu besseren Ergebnissen zu gelangen, hat sie nur wenig Erfolg gehabt. Schuld daran haben zu einem großen Teil die Gewerkschaften u. a. in der Wirtschaft einflußreiche Gremien. Das ergibt sich daraus, daß, falls es beispielsweise trotz der ungünstigen Verhältnisse gelingt, Gefangene für einen Beruf auszubilden, äußerst unwahrscheinlich ist, daß sie nach ihrer Entlassung als qualifizierte Arbeitskräfte anerkannt werden. Dadurch fehlt für die Verwahrten der Anreiz. Außerdem treten auch hier die Probleme auf, die sich aus der Konkurrenz mit der freien Wirtschaft und den Arbeitslosen ergeben25 • Gute Arbeitsmöglichkeiten bestanden in der Schneiderei, der Schuhmacher- und Tischlerwerkstatt, der Wäscherei und einigen Hausdiensten, wo insgesamt 140 Mann beschäftigt wurden. Besser waren diesbezüglich, nach den offiziellen Berichten zu urteilen, sicher die Verhältnisse in den Anstalten Chelmsford und N ottingham. Die Gefangenen der Starklasse haben hier einen Vorteil, da sie häufig in Ausbildungsund offenen Anstalten untergebracht sind, wo günstigere Arbeitsmöglichkeiten bestehen. Die Arbeitsentlohnung war höher als bei jeder anderen Klasse von Gefangenen26 • Sie erhielten 500fo mehr Grundvergütung und einen Schilling 6 Pence (ca. 0,85 DM) Zulage für Verwahrte, so daß sie auf 10-15 Sh. pro Woche, durchschnittlich 11 Sh. (6,- DM) kommen konnten. Wie in jeder Gemeinschaftsverpflegung, insbesondere aber in Strafanstalten, gab es auch in Parkhurst Beschwerden über die Qualität und Zusammensetzung des Essens. Es muß angenommen werden, daß es nichts eingewandt werden, zumal die Verpflegung im allgemeinen gut frieden zu stellen, dennoch ist besondere Sorgfalt schon deshalb angebracht, weil Gefangene für Jahre kaum eine Ausweichmöglichkeit haben. Gewisse Nahrungsmittel, etwa Eier, auf die man in England besonderen Wert legt, standen nie auf dem Speisezettel, sondern wurden durch gleichwertige, aber preisgünstigere Produkte ersetzt. Dagegen kann nichts eingewandt werden, zumal die Verpflegung im allgemeinen gut war. Eine gewisse Wiederholung ließ sich nicht vermeiden. Zusätzlich konnten sich die Verwahrten Süßigkeiten von ihrem Verdienst kaufen 24 25

26

Siehe auch Preventive Detention, para 30, p. 11 und para 69, pp. 27/8. Siehe auch oben 3. Teil I N 25. Rule 165 (a).

Il. Der Vollzug der Preventive Detention in England

177

und Obst und Gemüse auf einer ihnen zugeteilten Gartenparzelle innerhalb der Anstaltsmauer anbauen27 • Letzteres ist eine nur in der preventive detention gewährte Vergünstigung. Die Verwahrten konnten sich, abgesehen von kurzen Unterbrechungen, zwischen 6 Uhr 35 und 20 Uhr 30 außerhalb ihrer Zelle aufhalten, durften sich aber nicht gegenseitig in den Zellen besuchen28 • Außer dem Frühstück und dem Kakao vor dem Einschluß am Abend wurden die Mahlzeiten in Eßräumen eingenommen. Jeder konnte selbst bestimmen, ob er in den Speiseräumen (diningout) oder in seiner Zelle (dining-in) essen wollte und seine Wahl von Monat zu Monat ändern. Diejenigen, die in ihren Zellen aßen, waren gleichzeitig vom größten Teil der gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung ausgeschlossen. Es ist nicht ganz einzusehen, warum die Teilnahme an den gemeinsamen Mahlzeiten in Gruppen zu etwa 40 Mann zur Voraussetzung für die Teilnahme an anderen gemeinschaftlichen Aktivitäten wie Unterhaltung und Fernsehen gemacht wurde. Ein Verwahrter mag sich nicht an den gemeinschaftlichen Mahlzeiten beteiligen, aber dennoch an der Freizeitgestaltung teilnehmen wollen. Das sollte nicht verwehrt werden, obwohl eingeräumt werden muß, daß dadurch eine Mehrbelastung für die Aufsichtsbeamten entstehen würde. Für die Mehrzahl der Verwahrten in Parkhurst waren strenge Sicherheitsvorkehrungen nicht erforderlich. Sie mußten wegen einer kleineren Anzahl detainees, die nicht abgesondert werden konnten, durchgeführt werden. Für die Freizeitgestaltung waren Fernseh- und Rundfunkgeräte, Spiele wie Billard, Tischtennis und Schach, Zeitungen und Zeitschriften in den Gemeinschaftsräumen vorhanden. Einmal wöchentlich wurde ein Film vorgeführt, und eine Anzahl Verwahrter hatte sich zu einem beitragspflichtigen Filmklub zusammengeschlossen, so daß sie einen weiteren Film sehen konnten. Sonnabend und Sonntag konnten die Insassen 90 Minuten im "Compound", einem innerhalb der Mauer liegenden großen Areal mit Sportplatz, den erwähnten Gartenparzellen und Wegen spazieren gehen, Sport treiben und ihr Beet bestellen. Während der hellen Jahreszeit durfte jeweils die Hälfte der Verwahrten auch an den Abenden zwischen 18 und 20 Uhr dort verweilen. Bei meinem Aufenthalt in der Vollzugsanstalt konnte ich mehrfach beobachten, daß sich im Compound mehrere hundert Insassen unter Aufsicht nur weniger Beamter aufhielten, ohne daß es jemals zu ernsten Zwischenfällen oder Ausbruchsversuchen gekommen wäre, die unter den gegebenen Umständen kaum unter Kontrolle zu bringen wären. Diese Beobachtung wurde auch vom Anstaltsleiter bestätigt29 • 27 28

2u

Rule 165 (b) und (c). Für den gesamten Tagesablauf siehe Anhang C 2. Die Insassen sind sich des Entgegenkommens der Anstaltsleitung wohl

12 Gelsler

178

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

Die detainees durften wöchentlich einen Brief schreiben und erhalten und einmal monatlich Besuch empfangen. Da die Verwandten und Freunde meist zu weit entfernt lebten, um zu den Verwahrten zu reisen (wenn überhaupt jemand Interesse zeigte), konnten die Verwahrten sich die Besuche aufsparen und sich einmal jährlich in das zuständige Ortsgefängnis überführen lassen, wo sie unter Verlust ihrer Vergünstigungen in kurzen Abständen besucht werden durften. Die Hausstrafen waren im Verhältnis zu Strafgefangenen gemildert. Dafür aber konnten die Verwahrten durch zeitweiligen Verlust ihrer umfangreichen Vergünstigungen härter getroffen werden. Der Anstaltsleiter konnte jedem Verwahrten zeitweise den Aufenthalt in den Gemeinschaftsräumen verbieten, ohne daß es eines disziplinarischen Vergehens bedurfte, falls das im Interesse des Gefangenen oder der Anstaltsleitung erforderlich erschien30 • In besonderen Fällen konnte ein Verwahrter sogar in die erste Stufe zurückverlegt werden31 • Gottesdienste und Bibelstunden fanden wöchentlich statt. Außer dem Anstaltsgeistlichen der englischen Kirche hatten alle Geistlichen Zutritt zu der Anstalt, die ein Glied ihrer Kirche oder Glaubensrichtung dort besuchen wollten. Die rehabilitativen Methoden, auf die im englischen Strafvollzug besonderer Wert gelegt wird, sind Berufsausbildung, Fürsorge nach der Entlassung (after-care), allgemeinbildender Unterricht und Gruppenarbeit (group-counselling). Die Gruppenarbeit war noch nicht eingeführt und konnte bei der bestehenden Personalknappheit auch kaum eingeführt werden. Bildung und Ausbildung fanden ihre Grenze nicht nur an den verfügbaren Mitteln, sondern auch an der Art der Verwahrten. Die Mehrheit der Verwahrten in Parkhurst waren unterdurchschnittlich bis durchschnittlich intelligent und sehr begrenzt arbeitsfähig. Die wenigen positiven Ausnahmen befanden sich aus Sicherheitsgründen dort. Folglich war ihr Interesse an der Bildung und Ausbildung trotz des guten Willens der Anstaltsleitung gering. Mit der Einführung des Fernsehens ist das Interesse weiter gesunken. Eine Ausbildung wurde für Maurer, Tischler und Maler durchgeführt. Abendkurse fanden auf den verschiedensten Gebieten, von Erster Hilfe, politischen Tagesfragen bis zu technischem Zeichnen statt32 • Nicht alle Kurse wurden in jedem Trimester gehalten. Bei Sonderbegabungen wurde auch Einzelunterricht erteilt. Als Lehrkräfte wirkten sowohl Anstaltsbeamte als auch freie bewußt und achten untereinander darauf, daß nicht durch ernstere Zwischenfälle dieser Einrichtung ein Ende bereitet werden muß. 30 Rule 165. 81 Die Voraussetzungen ergeben sich aus Rule 169. 32 Für eine Aufstellung der Kurse siehe Anhang C 4.

II. Der Vollzug der Preventive Detention in England

179

männliche Mitarbeiter mit. Selbst eine Frau hat in dieser Männerstrafanstalt erfolgreich unterrichtet. Zeitungen wurden täglich in den Gemeinschaftsräumen ausgelegt, aber die Anstaltsleitung bestritt nicht, daß Verwahrte, die in ihren Zellen aßen und somit nicht zu den Gemeinschaftsräumen kamen, diese möglicherweise nicht regelmäßig erhielten. Es gab eine umfangreiche Bibliothek mit Büchem und Zeitschriften, die auch aus der örtlichen Leihbücherei ergänzt werden konnte. Die Verwahrten durften wöchentlich bis zu sieben Bücher - die Regel wurde nicht streng gehandhabt- entleihen. Daneben muß hier auch das Femsehen erwähnt werden, da es für die Gefangenen die Verbindung mit dem normalen Leben erhält, die in der Anstalt leicht entstehende Verklärung der Wirklichkeit vermindert und folglich ihre Wiedereingliederung nach der Entlassung erleichtem kann. Die Bildungsmöglichkeiten schienen denjenigen für langjährige Strafgefangene der gewöhnlichen Klasse in den oberen Stufen und sicherlich denen für die Starklasse zu entsprechen. Die allgemeine Bildung war eher darauf ausgerichtet, dem Gefangenen eine neue Haltung zum Leben in Freiheit zu vermitteln und seinen Charakter zu stärken, da die Mehrzahl ohnehin nie in der Lage sein wird, für längere Zeit eine Arbeitsstelle als gelemte Kraft zu halten. 3. Die Entlassung

Bis März 1963 gab es eine dritte Stufe im System des Verwahrungsvollzuges33, in die besonders ausgewählte detainees kamen. Die Auswahl wurde von einem Beirat (Preventive Detention Advisory Board) vorgenommen. Beide sind auf die Empfehlung des Unterausschusses des Beratenden Ausschusses für die Behandlung Straffälliger, der unter der Leitung des Bischofs von Exeter stand, aufgehoben worden34 • Alle Verwahrten verbleiben nunmehr in der zweiten Stufe und werden wie normale Strafgefangene nach Ablauf von zwei Dritteln ihrer Verwahrungszeit entlassen. Nach der neuen Rule 166 der Gefängnisordnung35 ist die Gefängnisverwaltung ermächtigt, für einen Teil der zweiten Stufe besondere Vorkehrungen innerhalb oder außerhalb der Anstalt zu treffen, die den Verwahrten die Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtem können. Das bedeutet für die Praxis, daß die Übergangsheime (hostels), die früher für Verwahrte der dritten Stufe bestimmt waren, nunmehr für ausgewählte Verwahrte der zweiten Stufe verwandt wer33 34

35

12.

Aufgehoben durch die Prison Rules, 1963. Preventive Detention. Ist in d. Materialien zur Strafrechtsreform, Bd. 9, nicht enthalten.

180

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

den. Somit scheint der Vorteil einer gründlichen Entlassungsvorbereitung der früheren dritten Stufe in die reformierte zweite Stufe übernommen worden zu sein. Obwohl der Preventive Detention Advisory Board und die dritte Stufe nicht mehr zum geltenden Recht gehören, sollen sie mit den damit gesammelten Erfahrungen hier eingeschlossen werden. 4. Der Preventive Detention Advisory Board

Ein Preventive Detention Advisory Board bestand bei jeder der vier Verwahranstalten fürMännerund an der Frauenstrafanstalt Holloway. Seine Hauptaufgabe war, darüber zu entscheiden, ob ein Verwahrter von der zweiten zur dritten Stufe zugelassen werden sollte36• Er ist von Anfang an umstritten gewesen, zumal die Verlegung in die dritte Stufe, wenn diese erfolgreich absolviert wurde, mit einem Verwahrungserlaß von einem Drittel verbunden war, wogegen sonst nur ein Sechstel erlassen wurde. Der Beirat bestand aus drei vom Innenminister bestätigten Mitgliedern des bei jeder Anstalt bestehenden Besuchskollegiums (Board of Visitors) und vier weiteren vom Innenminister ernannten Mitgliedern. Vom Innenminister ernannter Vorsitzender aller Beiräte war während der letzten Jahre ein früherer Londoner "Justice of the Peace" (Friedensrichter), Mr. Bertram Reece. Außerdem waren Mitglieder der für das Gebiet zuständige leitende Bewährungshelfer, der Leitende Direktor der Gefängnisbehörde, im Beirat des Frauengefängnisses Holloway vertreten durch die ranghöchste Beamtin (Assistant Commissioner) der Gefängnisbehörde und jeweils ein weiteres Mitglied. Der Beirat erörterte jeden Fall reichlich 12 Monate vor Ablauf von zwei Dritteln der Verwahrungszeit, um zu entscheiden, ob er davon überzeugt ist, "daß der Gefangene mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht wieder straffällig werden wird" 37• Für die Entscheidung zog der Beirat Unterlagen über die Lebensführung der Verwahrten innerhalb und außerhalb der Anstalt, über seinen physischen und geistigen Gesundheitszustand, seine Intelligenz und Bildung, seine Stetigkeit bei der Arbeit, seine Beziehungen werden auch für langjährige Strafgefangene durchgeführt, von denen Mitglieder des Beirats erhielten im voraus einen Bericht (Formular 1140), in dem alle den Gefängnisbehörden bekannten diesbezüglichen Einzelheiten verzeichnet waren38• Besondere Berücksichtigung fanden eventuell vorliegende Briefe von Angehörigen oder zukünftigen Arbeitgebern, falls sie dem Verwahrten Unterstützung nach seiner Entlassung as 37

38

Frühere Rule 166, siehe Materialien Bd. 9. Frühere Rule 172 (3). Siehe auch Hammond, S. 122; für d. Inhalt des Formulars 1120, S. 123.

li. Der Vollzug der Preventive Detention in England

181

zusicherten. Außerdem kam dazu noch die Stellungnahme des Anstaltsleiters, des Stellvertreters, des Geistlichen, des Arztes und des Chief Offteers über die soziale Anpassung und die Entlassungsfähigkeit des detainees3 &. Der Gefangene hatte das Recht, vor dem Ausschuß persönlich zu erscheinen und sich darauf vorzubereiten. Die Entscheidung des Beirats aus der, wie schon erwähnt, die weitere Entscheidung über die Entlassung nach zwei Dritteln oder fünf Sechstel des Vollzuges der Verwahrung folgte, war von Anfang an umstritten40 • Die Mitglieder des Beirats fühlten selbst, daß ihre Prognosemethoden unzuverlässig waren und daß sie für ihre Aufgabe, aus einer kaum zu günstigen Erwartungen Anlaß gebenden Gruppe von Gefangenen die günstigeren Fälle herauszufinden, nicht hinreichend ausgerüstet waren. Wie die Rückfallstatistik zeigt41 , bestätigten sich die Entscheidungen der Beiräte über eine längere Zeit hinweg nicht. Das vorübergehend günstigere Ergebnis der Rückfallstatistik für diejenigen, die die dritte Stufe durchlaufen hatten, kann das Ergebnis der sorgfältigeren Vorbereitung dieser auf die Entlassung gewesen sein, möglicherweise lag es aber auch nur am größeren Geschick der Gruppe, sich der Strafverfolgung zu entziehen42 • Der Unterausschuß des Bischofs von Exeter nannte eine weitere auch schon früher bekannte Schwierigkeit, die Haltung der Verwahrten gegenüber den Beiräten43 • Die Verwahrten wandten sich gegen die Ungewißheit über den Tag ihrer Entlassung, insbesondere weil sie sich den größeren Erlaß der Verwahrungszeit nicht durch gute Führung verdienen konnten, da dieser vielmehr von einer günstigen Prognose abhängig gemacht wurde. Dies hatte zu einer gewissen Unruhe unter den Verwahrten geführt. Die vor dem Beirat erscheinenden Verwahrten waren häufig so aufgeregt, daß eine sachliche Unterhaltung mit ihnen kaum 38 Im Bericht des Beratenden Ausschusses, Preventive Detention, wird noch eine Stellungnahme der CACA erwähnt. Diese Tatsachen waren schon in den Akten in Parkhurst enthalten. 4° F. Brockway, Hansard 5th ser., 1953---4, vol. 527, col. 1428; Yates, vol. 533, col. 5567; ebenso erwähnt in Report Prison Commissioners, 1951, para. 37, p. 30, 1952, para. 39, p. 30; Preventive Detention, p. 13 ff. paras. 34-37. Schon die Tätigkeit des Advisory Committee, das unter dem Prevention of Crime Act, 1908, das Ende der Verwahrung zu bestimmen hatte, wurde ebenso attackiert, Morris, S. 66 ff. 41 Für die Verwahrten, die bis Ende 1956 entlassen worden waren, lag die Rückfallquote Ende 1959 bei 73,6 Ofo für die nach 5/6n Entlassenen und 70,1 O/o für die nach 2/3n ihrer Verwahrung Entlassenen, Hammond, S. 90, siehe auch unten 3. Teil II 5. 42 Diese Möglichkeit läßt sich nach den Untersuchungen von West über straffreie Intervalle, S. 40, nicht ausschließen. 43 Preventive Detention, para. 35, p. 13.

182

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

möglich war44 • Diese Tatsache allein hätte kaum gegen den Beirat eingewandt werden können, wenn es ihm gelungen wäre, eine Gruppe von Verwahrten herauszufinden, deren Rückfallquote wesentlich unter dem Durchschnitt gelegen hätte. Unter den gegebenen Umständen empfahl der Untersuchungsausschuß die Beendigung der Unterscheidung zwischen Entlassung mit Erlaubnisschein nach zwei Dritteln und der nach fünf Sechsteln der Verwahrungszeit und folglich die Aufhebung der dritten Vollzugsstufe und des Preventive Detention Advisory Board45 • Der Innenminister, diesen Vorschlägen folgend, bestimmte, daß die Verwahrten regelmäßig nach Vollzug von 2 /s der im Urteil bestimmten Verwahrungsdauer entlassen werden sollen und löste den Preventive Detention Advisory Board auf. Die Auswahl für die Übergangsheime erfolgt seitdem durch die Anstaltsleitung46 • Man kann sich der Logik dieser Argumentation kaum entziehen. Sie hat zur Aufgabe des letzten, ohnehin sehr geringen, unbestimmten Moments der Verwahrung geführt. Damit wird die Dauer der preventive detention, einer in ihrer Intention nicht vergeltenden, sondern sichernden Maßregel des Strafrechts bei der Urteilsfällung festgelegt. Die logische Konsequenz dieser Argumentation muß sich dann aber ebenso gegen diese Fristbestimmung richten. Selbst wenn man einmal davon absieht, daß während des Vollzugs dieser Maßregel Umstände eintreten können, die eine künftige Rückfälligkeit eines Rezidivisten mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen, ist dem Richter im Zeitpunkt der Entscheidung auch keine bessere Prognosemöglichkeit gegeben als dem Preventive Detention Advisory Board. Denn in der Regel werden ihm noch weniger Fakten über den Angeklagten bekannt sein als dem Board über den Verwahrten. Bei Strafgefangenen tritt dieses Problem nicht auf, da sie bei guter Führung nach VerbüBung von 2/3 ihrer Strafe entlassen werden47• 5. Die dritte Stufe und die Entlassungsvorbereitung

Die Zahl der Verwahrten, die in die dritte Stufe verlegt wurden, war sehr gering: 44 Hetlmer, Gewohnheitsverbrecher, S. 358, berichtet ebenfalls von einer ,nervösen Spannung', die unter d. Verwahrten wegen der Unbestimmtheit d. Verwahrung geherrscht habe. 45 Preventive Detention, paras. 78, 79, p. 30. 46 Prison Rules, 1963. 47 Eine wesentlich ausführlichere Beschreibung der Tätigkeit des Preventive Detention Advisory Board gibt Hammond, S. 177 ff., die sich mit den

II. Der Vollzug der Preventive Detention in England

183

Statistik 10

Die Zahl der Männer, die aus der preventive detention entlassen wurde, nach Entlassungsjahr und Anteil der vollstreckten Verwabrunga)

2/3b) 5/6

1952

1953

1954

13

18 82

13 83

1955

1956

1957

1958

1959

1960

1961

11

22 97

15

23 146

41 150

45 173

46 154

88

115

a) Preventive Detention, Table III. b) Die Zahl der Beförderungen in die dritte Stufe lag etwas höher, da einige in dieser Stufe versagten, in die zweite zurückversetzt wurden und aus dieser entlassen wurden.

Dadurch entstand für die Gefängnisbehörde die Möglichkeit, in kleinem Rahmen ein "Haus auf halbem Wege" zwischen dem straffen Anstaltsreglement traditioneller Gefängnisse und der ungeschützten Freiheit des Lebens und der Gesellschaft zu etablieren. Das war schon in anderen Ländern bekannt. In England gab es vor 1953 nur den kurzfristigen Heimaturlaub für Gefangene der Starklasse als das erste "höstel" für Preventive Detention im Gelände des Gefängnisses Bristol eröffnet wurde 48• 1957 wurde ein ähnliches Hostel im Gefängnis Nottingham für Verwahrte eingerichtet, für die in Bristol keine Arbeit gefunden werden konnte. In dieser Stufe wurde jeder Versuch unternommen, "durch besondere industrielle und soziale Ausbildung und auf andere Weise den Gefangenen zu befähigen, bei der Entlassung seinen Platz im normalen sozialen Leben einzunehmen49 • Unmittelbar nach seiner Zulassung zur dritten Stufe wurde der Verwahrte in einem besonderen, möglichst weit von den übrigen Insassen getrennten Teil der Anstalt untergebracht, wo größere Freizügigkeit und Selbstverantwortung möglich war. Er arbeitete regelmäßig unter Aufsicht außerhalb der Anstalt. Führte er sich dort gut und war er in der Lage, eine normale Arbeitsstelle einzunehmen, so wurde er nach etwa 3 Monaten in eines der beiden hostels überführt. Obwohl diese innerhalb der Gefängnismauern lagen, war dort das Regime völlig verändert. Die Verwahrten arbeiteten auf einem normalen Arbeitsplatz in der Wirtschaft und erhielten die übliche Entlohnung, die sie selbst der Gefängnisverwaltung zu übergeben hatten. Davon wurde ihnen ein Betrag für Unterkunft und Verpflegung abgezoErfahrungen des Verfassers weitgehend deckt, die er bei der ihm freundlicherweise durch den Vorsitzenden, Mr. Bertram Reece, gestatteten Teilnahme an einer Sitzung in Parkhurst gewonnen hat. 48 Report Prison Commissioners, 1953, para. 34, p. 27; eine kurze Beschreibung von Herzog, J ., Das Preventive Detention Hostel in Bristol, Z. f . Strafvollz. 10, S. 26 ff. 48 Frühere Rule 168 (2).

184

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

gen50• Sie mußten ihre Angehörigen, die während der Verwahrung regelmäßig von National Assistance (entspricht etwa der Sozialhilfe) gelebt hatten, unterhalten und erhielten selbst einen hinreichenden Betrag für Fahrgeld, Mahlzeiten und persönliche Ausgaben. Der Rest wurde gespart und ihnen bei ihrer Entlassung ausgehändigt. Sie hatten keinerlei Kontakt zu anderen Gefangenen. Sie gingen in die Stadt, um Fußballspiele zu sehen, das Kino zu besuchen oder einzukaufen und durften auch Einladungen ihrer neuen Bekannten annehmen. Die einzige Strafe für ein Fehlverhalten in dieser Stufe war die Rückverlegung in die zweite Stufe mit der Folge, daß die Entlassung erst nach 5/6 n der Verwahrungszeit möglich war. In dieser Stufe, besonders während der ersten drei Monate im Zentralgefängnis, fanden Gruppendiskussionen mit anstaltsfremden Personen statt, um den Verwahrten zu helfen, sich aus der Anstaltsgewöhnung zu befreien. Seit 1955/56 wurde ihnen gestattet, an öffentlichen Feiertagen nach Hause zu fahren51 • Der Unterausschuß des Bischofs von Exeter kritisierte nur wenige Details52, nicht aber die Eignung dieses Vollzuges für die Verwahrten überhaupt. Die Mehrheit der Verwahrten verblieb auch, als es die dritte Stufe noch gab, in der zweiten Stufe. Auch für sie wurden entlassungsvorbereitende Vorträge und Diskussionen durchgeführt. Einschließlich einiger Gefangener von Parkhurst wurden sie sechs Monate vor ihrer Entlassung in besondere Unterkünfte in den Gefängnissen Chelmsford oder Nottingham verlegt, wo sie weiterhin dem allgemeinen Gefängnisregime unterworfen waren. Sie arbeiteten in Gruppen außerhalb der Anstaltsmauern, und während der drei letzten Monate gingen sie auch in Begleitung von Aufsichtsbeamten Sport- und Kinoveranstaltungen besuchen und in die Stadt einkaufen53• Ähnliche Entlassungsvorbereitungen werden auch für langjährigeStrafgefangene durchgeführt, von denen einige hostels von der Art wie das in Bristol durchlaufen. Etwa 8 Wochen vor dem frühesten Zeitpunkt ihrer Entlassung erhielten die Verwahrten der zweiten Stufe einen 5tägigen Heimaturlaub, damit sie mit Verwandten und Freunden Kontakt aufnehmen konnten und sich soweit möglich eine Arbeitsstelle suchen konnten. Dieser Urlaub wurde durch die Gefängnisleitung und den zuständigen Beamten der Entlassenenfürsorge gründlich vorbereitet. 50 Es waren zwei Pfund (22,-DM) pro Woche i. Jahre 1956; siehe Report Prison Commissioners, para. 42, p. 70. 51 Report Prison Commissioners, 1955, para. 68, p. 25; 1956, para. 42, p. 70. sz Preventive Detention, para. 40, p. 10. 53 Report Prison Commissioners, 1955, para. 69, p. 25; 1956, para. 43, p. 70. Zuerst eingeführt 1955.

Il. Der Vollzug der Preventive Detention in England

185

Die Entlassungsvorbereitungen waren, insbesondere wenn wir berücksichtigen, daß auch der Unterausschuß des Bischofs von Exeter die "unkonstruktive und primitive Arbeit, die geringen oder gar keinen Wert als Entlassungsvorbereitung hatte" 5 4, kritisiert, für die Mehrheit der Verwahrten unzulänglich. Dabei muß besonders berücksichtigt werden, daß sie viele Jahre in Vollzugsanstalten verbracht haben. Dieses Problem kann nicht als befriedigend gelöst angesehen werden. 6. Die Kontrolle und Unterstützung nach der Entlassung

Die Verpflichtung, den Verwahrten zu überwachen, falls er vor Ablauf der Zeit seiner Verwahrung entlassen wird, beruht auf Sektion 21 (2) des Criminal Justice Act (1948). Die bedingte Entlassung kann widerrufen werden, was praktisch selten vorkommt, obwohl viele vorläufig Entlassene innerhalb dieser Zeit erneut verurteilt werden. Seit 1957 gibt es in Chelmsford ein Zentrum, in dem diejenigen vorläufig aus der preventive detention oder dem corrective training Entlassenen, deren Entlassung widerrufen worden ist, einer gründlichen Untersuchung unterzogen werden55 • Während der Zeit der bedingten Entlassung untersteht der frühere Verwahrte der Aufsicht der Central After-Care Association (Zentralgesellschaft für die Fürsorge nach der Entlassung) und muß deren Anordnungen folgen. Regelmäßig hat er die Pflicht, in gewissen Zeitabständen dem Beamten der Gesellschaft zu berichten, den von ihm genehmigten Wohn- und Arbeitsplatz beizubehalten, ein arbeitsames und rechtschaffenes Leben zu führen und sich nicht in kriminelle Kreise zu begeben. Die Gesellschaft besorgt ihm Unterkunft und Arbeitsplatz, falls er diese benötigt und beurteilt die Tauglichkeit vorhandener Möglichkeiten. Er wird auch gelegentlich besucht, aber häufiger haben die Beamten mehr Fälle als sie bei sorgfältiger Bearbeitung bewältigen können. Wie schon bei der empirischen Untersuchung ausgeführt worden ist, ist ein großerTeil derVerwahrten passiv-inadäquat, aktiv-aggressiv und außerdem anstaltsgewohnt. Daher reichen die geschilderten Vorkehrungen nicht, um sie von weiteren Straftaten fernzuhalten. Sie bedürfen einer Aufmerksamkeit, die nur von Heimen oder ähnlichen Einrichtungen mit einer familiären Atmosphäre geboten werden kann36 • Preventive Detention, para. 41, p. 16. Report Prison Commissioners, 1957, para. 26, p. 48; 1958, para. 18, p. 50. 56 West, S. 104ff., Turner, M., Safe Lodging, 1961 London, ders., Norman Hause, London, 1961. 54

55

186

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung 111. Vergleichende Betrachtung der Vollzugspraxis in England und Deutschland

Bei der Bestimmung eines geeigneten Vollzugs für die Sicherungsverwahrung ging man in beiden Ländern von der als gesichert angesehenen Prämisse aus, daß für die dazu verurteilten Rezidivisten, sowohl wegen der potentiellen Gefahr, die sie für die Öffentlichkeit darstellen, als auch der Fluchtgefahr, die sich aus der Dauer der Maßregel ergebe, nur eine geschlossene Anstalt relativ hohen Sicherheitsgrades geeignet sei. Dieser Grundsatz wurde nur zögernd eingeschränkt, indem in England ausgesuchte ältere Verwahrte seit den 50er Jahren in die halboffene Anstalt Eastchurch verlegt wurden und in beiden Ländern Übergangsstufen modifizierter Sicherheit der bedingten Entlassung vorangestellt wurden. Daß diese Prämisse nicht allgemein zutrifft, wird schon durch den Vollzug in Eastchurch bewiesen1 • Ihre Grenzen werden noch zu erörtern sein. Der Vollzug innerhalb der geschlossenen Anstalt ist sehr unterschiedlich. Während in England ein Auswahlzentrum die Verwahrten gemäß ihrer charakterlichen Qualität und ihrer Fähigkeiten einer von vier verfügbaren Anstalten zuweist, insoweit eine Individualisierung vorgenommen wird, gibt es in Deutschland in einem bestimmten Gebiet2 jeweils nur eine Vollzugsanstalt für Sicherungsverwahrte. Die Einweisung in eine Anstalt erfolgt somit nicht danach, ob die Anstalt für einen Verwahrten besonders geeignet ist, sondern nach der Gebietszugehörigkeit des im Einzelfall entscheidenden Gerichts erster Instanz. Mit Ausnahme der Verwahranstalt Harnburg wird die Verwahrung in Deutschland in Strafvollzugsanstalten, teilweise in besonderen Abteilungen, vollzogen, so daß sie sich schon aus praktischen Gründen nur unwesentlich vom Strafvollzug unterscheiden kann3 • Unterschiede, die dennoch vorliegen, treten eher von Anstalt zu Anstalt auf als zwischen Strafgefangenen und Verwahrten in einer Anstalt. In England wird jeder Verwahrte einer gründlichen medizinischen, psychiatrischen und psychologischen Untersuchung unterzogen, während in Deutschland regelmäßig nur eine praktisch-medizinische Aufnahmeuntersuchung vorgenommen wird und weitere Untersuchungen bei besonderen Auffälligkeiten während des Vollzugs möglich sind4• Obwohl auch in England bisher noch keine einer neuen Straffälligkeit entgegenwirkenden Behandlungsmethoden entwickelt werden konnten, zeigt Zweifel auch bei B~au, GA 1959, S. 141 ff. (143). Jeweils ein Bundesland oder mehrere, den Vollzug gemeinsam durchführende Bundesländer. a Ebenso Eßig, S. 20f. • Das Erscheinen jedes Neuzuganges in die Vollzugsanstalt vor einem Aufnahmeausschuß, auf das sich wohl auch Rudo~ph, DRiZ 1956, 176 ff., bezieht, kann dem nicht gleichgestellt werden. 1

1

III. Vergleichende Betrachtung des Vollzugs

187

diese Praxis doch, daß wenigstens der Versuch unternommen wird, die Problematik der Rezidivisten unter Einsatz moderner Untersuchungsmethoden zu erkennen und den Vollzug darauf einzustellen. Ebenso kann die Einrichtung des Untersuchungszentrums für bedingt Entlassene, deren Entlassung widerrufen worden ist, gewertet werden. Das Ausmaß an besonderen Rechten und Vergünstigungen, die den Verwahrten im Vergleich zu Strafgefangenen oder wenigstens Gruppen von Strafgefangenen in beiden Ländern eingeräumt worden sind, ist sehr begrenzt. Überall ist die Arbeitsvergütung und die Möglichkeit, davon bescheidene Wünsche des täglichen Lebens zu erfüllen, geringfügig erhöht. Die Zellen können nur in England weitgehend nach eigenen Wünschen eingerichtet werden. Ebenso sind dort die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung (Fernsehen, Rundfunk, Zeitungen und Zeitschriften, Spiele und Sport) am größten. In Straubing ist das Basteln besonders vielseitig und in Harnburg gibt es eine größere Bewegungsfreiheit innerhalb des Anstaltsgebäudes. Die strikte Ablehnung des Fernsehens in Fuhlsbüttel und Straubing steht der freieren Auffassung der englischen Gefängnisverwaltung gegenüber. Der Hauptgrund für die Haltung der beiden deutschen Gefängnisverwaltungen ist anscheinend der, daß sie eine Beeinträchtigung der ohnehin geringen Initiative vieler Verwahrter befürchten. Dieses Problem ist aber für das normale Fernsehpublikum ebenso gegeben, ohne daß der Staat daraus die Konsequenz ziehen würde, das Fernsehen zu unterbinden. Als Argument für die grundsätzliche Einführung des Fernsehens für Sicherungsverwahrte ist anzuführen, daß dadurch ein besserer Kontakt zur Außenwelt erhalten werden kann, in die fast alle Verwahrten irgendwann zurückkehren. Daneben spricht auch die Tatsache, daß die Sicherungsverwahrung vornehmlich Sicherungsaufgaben hat, dafür, das Fernsehen zuzulassen, soweit es vollzugstechnisch möglich ist. In Fuhlsbüttel, wo ohnehin kaum Freizeitveranstaltungen stattfanden, kann praktisch kaum eine Beeinträchtigung der Sicherungsverwahrten durch Einführung des Fernsehens erfolgen, vielmehr sind dort überwiegend Vorteile zu erwarten. Sinnvolle und auslastende Arbeit wird in Straubing sowohl Verwahrten als auch Strafgefangenen geboten. Parkhurst war diesbezüglich für den englischen Vollzug nicht repräsentativ, weil nach den offiziellen Berichten zu urteilen, in Chelmsford und Nottingham bessere Arbeitsmöglichkeiten bestehen sollen5 • Eine zufriedenstellende Regelung kann hier 5 Ebenso dürften in dem neuen Gefängnis in Blundeston, in dem seit 1963 ein großer Teil der detainees untergebracht ist, die Arbeitsmöglichkeit besser sein. Eine vorsichtige Kritik an der Art der verfügbaren Arbeiten findet sich auch bei Rudolph, DRiZ 1956, S. 178.

188

3. Teil: Der Vollzug der Verwahrung

nur durch gleichzeitige Beschaffung vollwertiger Arbeitsplätze und entsprechender Entlohnung erwartet werden. Die Erziehung zu beständiger Arbeitswilligkeit und Einsatzbereitschaft, an denen es sehr vielen Verwahrten fehlt, und die für die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft von erheblicher Bedeutung ist, läßt sich nicht durch eine Gewöhnung an irgend eine dauernde Beschäftigung, durch Suggestion, erreichen, sondern sie muß dem Verwahrten ein Ziel setzen, das Schöpferische seiner Persönlichkeit erfassen6 • Weit über die Hälfte der Verwahrten in beiden Ländern zeigte ein mustergültiges Verhalten in den Anstalten. Sie verstießen nie oder nur geringfügig gegen die Hausordnung und erfüllten die ihnen übertragenen Aufgaben. Es handelt sich dabei überwiegend um die sich aus der Anpassungsfähigkeit an eine schützende und stützende Ordnung, in der die Aufgaben und Forderungen eindeutig vorgegeben sind, eine selbstverantwortliche Entscheidung nie gefordert wird- nicht um die kalkulierte Mustergültigkeit willensstarker Persönlichkeiten7 - ergebende Verhaltensweise. Der bei Hellmer8 zitierte Aktenvermerk über einen Verwahrten "tadelloser Gefangener- völlig freiheitsunfähig" kennzeichnet den Zustand dieser Verwahrten. Die unmittelbare Entlassungsvorbereitung ist in beiden Ländern, abgesehen von der kleinen Zahl englischer Verwahrter, die durch die hostels in Bristol und Nottingham gehen, etwa gleich unzulänglich. Die beschränkte Freiheit, die bei Arbeiten in Gruppen außerhalb der Anstalt oder auf Arbeitsstellen, die von Neuengamme aus beschickt werden, vorliegt, ist so verschieden von dem, was die bedingt Entlassenen erwartet, daß sie nicht geeignet erscheint, eine reale Beurteilungsgrundlage für das mögliche Verhalten nach der Entlassung abzugeben und die Verwahrten gründlich für die Freiheit vorzubereiten. Soweit durch die unbestimmte Dauer der Verwahrung eine Entscheidung über den Zeitpunkt der Entlassung erforderlich wird, ist die frühere englische Lösung mit einem für die Anstalt zuständigen Beirat (Preventive Detention Advisory Board) aus zwei Gründen der deutschen Lösung vorzuziehen. Einmal kann ein einziges, für eine Anstalt zuständiges Gremium eine einheitliche Entlassungspraxis garantieren und mit den Beurteilungsmaßstäben der Anstaltsleitung vertraut sein. Beides ist in Deutschland, wo das jeweils erstinstanzliehe Gericht zuständig ist, nicht möglich. Zum anderen kann ein solches Gremium ohne Schwierigkeiten in der Vollzugsanstalt zusammentreten und sich jeden Verwahr8 Mayer, H., ZStW 57, S. 1 ff. (10); Hellmer, Erziehung und Strafe, S. 41 f.; zur Notwendigkeit sinnvoller Arbeit, s. a. Eßig, S. 33 f. 7 Ebenso Hellmer, J ., ZStW 73, S. 441 ff. (455 f.). 8 Gewohnheitsverbrecher, S. 348, der diesen Eindruck voll bestätigt.

III. Vergleichende Betrachtung des Vollzugs

189

ten, über dessen Entlassung zu entscheiden ist, persönlich vorführen lassen. Dieser Vorteil kann nicht dadurch ausgeglichen werden, daß das Gericht erster Instanz den Verwahrten vom Strafverfahren her kennt. Muß häufiger schon bezweifelt werden, daß das Gericht den Fall nach vielen Jahren des Straf- und Verwahrungsvollzuges noch in allen Einzelheiten kennt, so ist noch weniger sicher, daß das Gericht noch mit denselben Richtern besetzt ist. Daneben kann sich das Persönlichkeitsbild des Verwahrten während des langjährigen Freiheitsentzuges so verändert haben, daß es auf den persönlichen Eindruck von dem Verwahrten entscheidend ankommt9 • Diese Frage ist unabhängig davon, ob das Gremium ein Gericht oder ein teilweise aus nichtrichterlichen Persönlichkeiten bestehender Entlassungsausschuß sein soll10 . Am Schluß der Untersuchung des Vollzuges der Verwahrung muß die zu Anfang gestellte Frage, ob sich die Sicherungsverwahrung und die Freiheitsstrafe in der Praxis wesentlich unterscheiden, verneint werden. Aus dieser negativen Beurteilung des gegenwärtigen Vollzugs der Sicherungsverwahrung folgen für die abschließende Bewertung der Ergebnisse unserer Untersuchung zwei Hauptfragen: 1. Ob und gegebenenfalls inwieweit ist eine Verwahrung von Rezidivisten im Interesse der öffentlichen Sicherheit anhand der bisherigen Erfahrungen gerechtfertigt? Wie hat der Vollzug einer derartigen Maßregel auszusehen?

2. Wie müßte die Gesellschaft Rezidivisten behandeln und bestrafen, deren Verwahrung nicht vertreten werden kann?

Zum Ganzen auch Röhl, JZ 1955, 145 ff. Siehe dazu den Kompromißvorschlag des XII. Internationalen Kongresses für Strafrecht und Gefängniswesen in Haag 1950, Bericht von Würtenberger, Th., ZStW 64, 82 ff. (90). 9

10

Schlußfolgerungen und Vorschläge In den drei Hauptteilen der Untersuchung ist die Entwicklung und die gegenwärtige Ausprägung der Sicherungsverwahrung in England und Deutschland dargestellt und gezeigt worden, gegen welche Rezidivisten sie angewendet wird. Jede Kritik ist nur auf besonders problematisch erscheinende einzelne Punkte konzentriert worden, so daß nunmehr die Kritik der Gesamterscheinung der Sicherungsverwahrung unter dem in der Einleitung entwickelten Gesichtspunkt eines beschränkten Notrechts anhand des ausgebreiteten Materials zu erfolgen hat und die mögliche Regelung de lege ferenda zu erwägen ist. Die Entwicklung der Sanktionen des englischen und deutschen Strafrechts gegen erwachsene Rezidivisten ist in den letzten einhundert Jahren in zwei Etappen verlaufen. Zunächst wurden die Strafrahmen für Rückfalltäter-inDeutschland nur im Rahmen der Vermögensdelikteerhöht. Die erhöhte Strafe läßt sich als gerechte Sühne oder Vergeltung rechtfertigen. Eine krasse Straferhöhung zum Zwecke des Schutzes der Allgemeinheit ohne Verhältnis zur Schuld des Rezidivisten scheiterte aber in der Praxis, soweit sie gesetzlich möglich oder gar intendiert war, am Widerstand der Gerichte. Daraufhin wurde in England 1908 durch den Prevention of Crime Act und in Deutschland 1933 durch das Gewohnheitsverbrechergesetz die neben die Strafe tretende Sicherungsverwahrung eingeführt, die zusätzlich zu der wegen der abgeurteilten Straftat verhängten Strafe gegen Rezidivisten angeordnet werden konnte. Nach dem völligen Versagen des zweispurigen Systems in England wurde es 1948 durch ein einspuriges System ersetzt, das eine vom Gericht im Urteil zu limitierende Verwahrung zwischen fünf und vierzehn Jahren anstatt einer verwirkten Strafe zuläßt. Die rechtspolitische Konsequenz des Gedankens der Verwahrung von Rezidivisten im Interesse der öffentlichen Sicherheit ist eine unbestimmte, zeitlich nicht begrenzte Verwahrung mit periodischer Überprüfung der Erforderlichkeit der Fortdauer dieser Maßnahme in jedem einzelnen Falle. In England scheiterte diese ursprünglich beabsichtigte Lösung schon 1908 am Widerstand des Parlaments1 , in Deutschland, wo die Einführung einer solchen Regelung 1933 nicht mehr durch das Parlament verhindert werden konnte, am Widerstand der Gerichte, die die Ent1

Siehe oben S. 39 und 67.

Schlußfolgerungen und Vorschläge

191

lassung nach 3--4jähriger Verwahrung regelmäßig anordnen2 • Die Verletzung der individuellen Freiheit, die durch eine langdauernde unbestimmte Verwahrung verursacht werden würde, muß als zu hoher Preis angesehen worden sein. Somit handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung praktisch um eine in ihrer Höhe nicht durch die Schuld gedeckte, zeitweilige Eliminierung bestimmter Rezidivisten. Sie ist in England seit der Aufhebung der dritten Vollzugsstufe nicht mehr unbestimmt, in Deutschland führt ihre Unbestimmtheit in Ausnahmefällen zu sehr langen (9-10 Jahre war gelegentlich aus den Akten ersichtlichaußer der verbüßten Strafe) Verwahrungszeiten3 • Die rein eliminierende Lösung des Rezidivistenproblems ist unter zwei für gesichert erachteten Voraussetzungen gewählt worden: 1. daß die betreffenden Rezidivisten äußerst gefährlich seien und daher im Interesse des Schutzes der Gesellschaft für lange Zeit von ihr ferngehalten werden müßten; 2. daß alle besonderen strafrechtlichen Reaktionsmittel versagt hätten und folglich keine Methode bekannt sei, die geeignet wäre, mit Aussicht auf Erfolg angewandt zu werden. Beide Voraussetzungen sind aufgrund der neuen Untersuchungsergebnisse auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen. Die Zugehörigkeit eines Straftäters zur Gruppe der Rezidivisten reicht für die Begründung der hier zu fordernden Gefährlichkeit nicht aus. Eine weitere Untergliederung ist erforderlich, um diese Entscheidung sinnvoll treffen zu können. Eine auf Grund der Untersuchung der Verwahrten entwickelte Typologie könnte dazu beitragen4 • Die Untersuchung hat eine Vielzahl von Eigenschaften und AuffäHigkeiten der Verwahrten ergeben. Es ist jedoch nur eine deutende Typologie möglich, die zu drei Persönlichkeitsgruppen führt: 1. nicht persönlichkeitsabweichende Verwahrte,

2. aktiv-aggressive Verwahrte, 3. passiv-inadäquate Verwahrte5• z Nach Hellmer, Gewohnheitsverbrecher, S. 344, 3 Jahre auch schon vor 1945, ausgenommen für die Zeit während des Krieges, in der Entlassungen grundsätzlich nicht zulässig waren u. d. Entscheidung über d. Entlassung seit 1941 den Generalstaatsanwaltschaften oblag. 3 Von 133 Verwahrten in Fuhlsbüttel z. Zt. meines Besuches waren 14 zwischen 4 und 6 Jahren und 7 zwischen 6,1 und 9,5 Jahren in Sicherungsverwahrung. Ebenso die Entlassungspraxis in Dänemark, s. Hoeck-Gradenwitz, Die unbestimmte Internierungszeit und ihre Bedeutung für die Resozialisierung, in: Z. f. Strafvollz. 12, S. 322 ff. (322, 324). 4 Wenn auch das Gesetz nicht mit Typen arbeiten kann, weil diese zu unbestimmt sind. 5 Siehe oben 2. Teil I 2 a ß zweite Hälfte.

192

Schlußfolgerungen und Vorschläge

In jeder Gruppe befindet sich ein Teil gefährlicher Täter, die aber insgesamt nicht die Mehrheit der Verwahrten darstellen. Die erste sehr kleine Gruppe besteht aus Tätern, die schwere Vermögensdelikte begehen, und von denen schwere Angriffe gegen Leib und Leben erwartet werden müssen, falls sie sich nur so aus einer gefährlichen Situation befreien können. Ein Teil der aktiv-aggressiven Persönlichkeitsabweichenden begeht Großbetrügereien und impulsive Gewalttaten. Der Großbetrug wird üblicherweise als besonders gefährlich angesehen, reicht aber nach der Überzeugung des Verfassers für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht aus. Unter den passiv-inadäquaten Verwahrten befindet sich eine kleine Zahl von Sittlichkeitstätern. Es ist zu wiederholen, daß unter Harnmonds zu preventive detention Verurteilbaren nur ungefähr 10 Ofo wegen Taten gegen Leib und Leben oder Sittlicheitsdelikten verurteilt worden waren. In Deutschland war 1956 bei 230fo derVerwahrten Sittlichkeitsdelikt und 1,8 Ofo Gewalt gegen Leib und Leben letztes Delikt. Andererseits handelt es sich bei einem großen Teil des dritten und einem kleineren Teil des zweiten Typs in beiden Ländern um Täter kleiner, wenn auch häufiger Vermögenskriminalität. Die die Anwendung des Notrechts der Gesellschaft begründende Gefährlichkeit ist nur in Fällen anzunehmen, in denen die Begehung von Sexualdelikten unter Ausschluß der einfachen Homosexualität und von schweren Angriffen gegen Leib und Leben erwartet werden muß. Danach würde die Zugehörigkeit zur ersten Gruppe die Gefährlichkeit begründen, die zur zweiten oder dritten allein aber noch nicht. Die in den Gesetzen zwingend festgesetzten Voraussetzungen und deren Auslegung durch die Gerichte haben ebenfalls nicht zu einer Ausscheidung der ungefährlichen Kleinkriminellen geführt, vielmehr befinden sich in beiden Ländern unter den Verwahrten Rezidivisten, deren Kriminalität sich auf kleinere Vermögensdelikte, Diebstahl und Betrug, bei denen in jedem Einzelfall kleine Vermögenswerte betroffen werden, in rascher Folge beschränkt. Für die formellen Voraussetzungen reicht es nicht aus, daß die zur Aburteilung stehende Tat ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen sein muß oder daß für sie eine zwei- oder mehrjährigeGefängnisstrafe verhängt werden kann, daß zwei oder drei solche Taten begangen worden sind und wegen dieser Strafen verhängt wurden. Die formellen Voraussetzungen müssen so definiert sein, daß sie die kleine, tatsächlich besonders gefährliche Gruppe von Rezidivisten umfassen, für die besondere Maßregeln gerechtfertigt sein können, nicht abertausende andere Straftäter miterfassen8 . 8 Deswegen war die Verbindung der§§ 20a, 42e StGB eine Fehlentscheidung, s.o. 1. Teil II N 7. Die Trennung von Rückfallbestimmungen und Sicherungsverwahrung im Entwurf 1962 ist zu begrüßen.

Schlußfolgerungen und Vorschläge

193

Auch die Gerichte haben den zu weiten gesetzlichen Rahmen in diesem Punkte nicht zu beschränken vermocht. Hierbei ist besonders zu betonen, daß die neuere englische Praxis der Rechtsprechung, die die Anordnung der Verwahrung für Rezidivisten unter 40 Jahren auszuschließen sucht7, gerade die besonders aktiven Straftäter zwischen 25 und 40 Jahren, die häufiger Gewalt gegen Leib und Leben üben- insbesondere auch bei der Ausführung größerer Vermögensdelikte- von der Verwahrung ausschließt, verfehlt ist und in der Praxis nur deswegen nicht zu Schwierigkeiten führt, weil die englischen Gerichte nicht vor der Anwendung sehr hoher Freiheitsstrafen in diesen Fällen zurückschrecken8. Das Kriterium der straffreien Intervalle, deren Vorliegen ein Grund für die Nichtanwendung der preventive detention ist9 , führt dazu, die passiv-inadäquaten Persönlichkeitsabweichenden, die fortwährend straffällig werden, deren Straftaten meist aber nicht erheblich sind, nicht von der Verwahrung auszuschließen. Die Untersuchung hat den Beweis dafür erbracht, daß, obwohl die Existenz gefährlicher Rezidivisten nicht bestritten werden kann, die Sicherungsverwahrung in der Mehrzahl der Fälle gegen Personen angeordnet wird, deren Kriminalität keine solche Gefahr für die Gesellschaft darstellt, daß ihre Verwahrung gerechtfertigt sein könnte. Die Diskussion der zweiten Voraussetzung, nämlich daß keine bessernden Reaktionsmittel des Strafrechts bekannt seien, die geeignet wären, weitere Straftaten dieser Rezidivisten zu verhindern, muß nach meinen Beobachtungen während der Anstaltsbesuche und unter Berücksichtigung des hohen Prozentsatzes der entlassenen Verwahrten, die erneut straffällig werden, mit der Wiederholung einer früheren Feststellung beginnen. Die derzeitige Behandlung der Sicherungsverwahrten in beiden Ländern verfehlt nicht nur, weitere Straftaten seitens der Verwahrten-abgesehen von der Zeit, die sie sich in Verwahrung befindenwirksam zu verhindern, sondern kann sogar noch eine Verschlechterung verursachen; sie versäumt auch, den Verwahrten die resozialisierende Behandlung zuteil werden zu lassen, deren viele Verwahrte bedürfen10 • Der gegenwärtige Vollzug verstärkt die Gewöhnung an dasAnstaltsleben und damit die Unfähigkeit vieler Verwahrter, in Freiheit zu leben. Für den Einzelfall kommt in Deutschland zu dieser Feststellung noch hinzu, daß im Zeitpunkt der Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht einSiehe oben 1. Teil II 2 b a. 7 Teilnehmer am Postraub v. August 1963 wurden im April 1964 durch den Assize Court in Aylsbury wegen gemeinschaftlichen bewaffneten Raubes zu je 30 Jahren Gefängnis verurteilt. 9 Siehe oben 1. Teil II 2 b e. 10 So auch das Departmental Committee von 1932, s. o. 1. Teil II 2 a am Anfang. 7

8

13 G e l sl e r

194

Schlußfolgerungen und Vorschläge

mal der Beweis für die Wirkungslosigkeit einer längeren Freiheitsstrafe durch erfolglose VerbüBung einer solchen erbracht zu sein braucht, da weder die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen noch die Rechtsprechung wenigstens eine einmalige Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe zur unerläßlichen Bedingung für die Anordnung der Verwahrung bestimmt haben11 • Da der Vollzug der Verwahrung grundsätzlich zu keiner Besserung der Sicherungsverwahrten führt, soll anhand der drei herausgearbeiteten Deutungstypen geprüft werden, ob eine nach dem Typ unterschiedliche Behandlung zu günstigeren Ergebnissen führen könnte. Das kriminelle Verhalten der kleinen Gruppe der nicht persönlichkeitsabweichenden Verwahrten muß auf deren Willen, von den Früchten ihres illegalen Tuns zu leben, zurückgeführt werden. Für eine Einwirkung auf diesen Willen kann nur auf die abschreckende Wirkung harter Strafen gehofft werden. Diese Wirkung ist jedoch nur zu erwarten, wenn eine Bestrafung überhaupt befürchtet werden muß, d. h. die Zahl der unaufgeklärten Taten gering ist. Kann eine Abschreckung nicht erzielt werden und soll die Öffentlichkeit vor diesen gefährliehen Tätern geschützt werden, so läßt sich dies nur durch die unbestimmte Verwahrung erreichen. Die Gründe der wiederholten Straftaten der aktiv-aggressiven Verwahrten sind möglicherweise in ihrer Gesellschaftsfeindlichkeit, ihrem Mangel an tiefen sozialen Bindungen und ihrer emotionalen Indifferenz zu sehen12• Zuverlässige Behandlungsmethoden sind nicht bekannt. Soweit sie wegen der Art der von ihnen begangenen und zu erwartenden Delikte als gefährlich angesehen werden müssen, kann auch vor ihnen nur eine unbestimmte Verwahrung schützen. Die Gruppe der passiv-inadäquaten Rezidivisten ist eher eine Belastung als eine Gefahr für die Gesellschaft, ausgenommen sind einige Sexualtäter, deren Taten gegen Kinder und Jugendliche gerichtet sind oder die Gewalt anwenden. Aus Wests Untersuchungen über deliktsfreie Intervalle ergibt sich, daß sie in einer schützenden Umgebung, so wie sie in Krankenhäusern, mit Einschränkungen beim Militär oder aber- das ist hier von besonderem Interesse - in stabilen zwischenmenschlichen Beziehungen, etwa mit einer charakterfesten und willensstarken Frau, die bereit ist, den Rezidivisten mit all seinen Eigenarten aufzunehmen und für ihn mütterlich zu sorgen, vorliegen, leben zu können, ohne kri11 Siehe oben S. 62; die englische Rechtsprechung fordert, daß der Angeklagte, bevor er zu preventive detention verurteilt werden kann, eine längere Freiheitsstrafe verbüßt haben müsse, s. o. S. 66 mit 1. Teil II 2 b ~. 12 Siehe oben, S. 103 f.

Schlußfolgerungen und Vorschläge

195

minell auffällig zu werden13 • Diese Beobachtung findet ihre Bestätigung in den Erfahrungen, die M. Turner in dem von ihm gegründeten N orman House in London gesammelt hat. Danach ist es möglich, passiv-inadäquate Rezidivisten für lange Zeiträume in einem Heim mit einem toleranten und verständisvollen Leiter von Straftaten fernzuhalten14 • Sowohl West als auch Turner haben festgestellt, daß auch diese schützende Umgebung nicht zu einer Steigerung der Lebenstüchtigkeit einer größeren Zahl passiv-inadäquater Rezidivisten geführt hat und daß sie daher nach Verlassen der schützenden Umgebung wieder straffällig werden. Daraus folgt, daß bei diesen Rezidivisten die Verwahrung nicht unbedingt nötig ist, um deren weitere Straftaten zu verhindern. Die angemessene Alternative wäre eine Beaufsichtigung dieser in der Freiheit unserer Gesellschaft überforderten Menschen in Form einer Schutzhilfe 15• Die Schutzhilfe soll nicht einseitig die Gesellschaft schützen, sondern als soziale Maßnahme dem passiv-inadäquaten Rezidivisten einen ihm angemessenen Lebensraum schaffen. Sie kann, je nach den Erfordernissen des Einzelfalles, in ambulanter Betreuung, Anweisung eines Aufenthaltsortes und Arbeitsplatzes oder Einweisung in ein Heim oder eine Siedlung, mit der Möglichkeit einer normalen Beschäftigung nachzugehen oder dort anfallende Arbeiten zu tun, bestehen. Die Sorge für diese Menschen mag es erfordern, daß die Verwendung ihres Arbeitslohnes bis auf ein angemessenes Taschengeld überwacht wird. Die Durchführung der Schutzhilfe in Gemeinschaften (Heimen, Siedlungen und Arbeiterkolonien) begegnet einer Anzahl von Schwierigkeiten. Erstens wird tolerantes und verständnisvolles Personal benötigt. Zweitens müssen in derartigen Einrichtungen größere Gruppen solcher Menschen zusammen leben, falls sie nicht hoffnungslos unwirtschaftlich sein sollen. Diese könnten sich gegenseitig ungünstig beeinflussen und den Bemühungen der Leitung entgegenwirken; Turner scheint es gelungen zu sein, dieses Problem unter Kontrolle zu halten16• Drittens wäre die Zahl der für diesen Zweck zu eröffnenden Einrichtungen sehr groß. Nicht nur etwa die Hälfte der Sicherungsverwahrten gehört zur Gruppe der passiv-inadäquaten Rezidivisten, sondern diese stellen nur einen kleinen Teil der Rezidivisten dar17 • Folglich ist die Zahl dieser Menschen, 13

West, S. 42ff.

Turner, M., Safe Lodging; ders. Norman House. S. auch Hellmer, J ., Das Ricklinger Modell eines Übergangsheimes für Sicherungsverwahrte, Z. f. Strafvollz. 8, S. 304ff.; ders. Gewohnheitsverbrecher, S. 273ff., (276), 370f. Turner hatte keinen Erfolg bei Homosexuellen. 15 Siehe Mayer, H., Strafrechtsreform, S. 168 f. 18 Norman House. 17 In England und Wales wurden 1956 nur 13 0/o derjenigen, die die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der preventive detention erfüllten, so verurteilt. 14

13•

196

Schlußfolgerungen und Vorschläge

die auch wiederholt straffällig werden, sehr viel größer. Berücksichtigt man die Zahl der Rezidivisten, die vermutlich der Schutzhilfe zu unterstellen wären, und die lange Dauer, die diese Maßnahme in der Regel annehmen würde, so mögen die ihr entgegenstehenden Schwierigkeiten fast unüberwindbar scheinen. Dennoch ist als Ergebnis dieser Ausführungen festzuhalten, daß für einen Teil der Rezidivisten die Sicherungsverwahrung nicht erforderlich, also auch nicht gerechtfertigt ist, um zu verhindern, daß sie weitere Straftaten begehen. Die Untersuchung hat ergeben, daß die gesetzlichen Regeln über die Anordnung der Sicherungsverwahrung in beiden Ländern dazu geführt haben, daß diese Maßnahme u. a. auch gegen Straftäter angewandt worden ist und werden kann, die - gemessen an den hier zugrunde gelegten Maßstäben- nicht gefährlich waren und deren weitere Straftaten auch durch andere, bisher mit Einschränkungen noch nicht gesetzlich geregelte Maßnahmen verhindert werden könnten. Es wird daher vorgeschlagen, die Bestimmungen§§ 42eff. StGB- soweit sie die Sicherungsverwahrung betreffen- aufzuheben und durch die unten darzulegende Regelung zu ersetzen. Ebenso wäre die Aufhebung der Sektion 21 (2) ff. des Criminal Justice Act (1948) und seine Ersetzung durch neue Vorschriften vorzuschlagen. Dieses Problem, das wegen der vielfältigen rechtlichen Unterschiede zwischen England und Deutschland nicht zusammen mit einer für das deutsche Recht vorzuschlagenden Neuregelung erörtert werden kann, wird hier nicht weiter verfolgt. Der§ 85 des Entwurfs 1962 kann nicht als Grundlage der hier vorzuschlagenden Neuregelung dienen, da dort, wie schon de lege lata die zwingend festgelegten Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung so gering sind18, daß sie von einer sehr großen Zahl der Rezidivisten erfüllt werden, deren Mehrheit nicht als gefährlich bezeichnet werden kann. Weiterhin hat die Auswertung des empirischen Materials im zweiten Teil ergeben, daß nicht nur der Begriff "Gewohnheitsverbrecher", sondern auch der des "Hangtäters" eines an den Tatsachen nachprüfbaren Inhalts entbehrt und daher für eine gesetzliche Regelung unbrauchbar ist. Die Anwendung der Sicherungsverwahrung ist nur erforderlich, wenn die Gefahr besteht, daß der Rezidivist auch in Zukunft schwere Gefährdungen oder Verletzungen von Leib und Leben durch vorsätzliche Handlungen oder Sittlichkeitsdelikte gegen Kinder, Jugendliche oder unter Gewaltanwendung oder Ausnutzung eines den Widerstand des Opfers ausschließenden Zustandes begehen wird10, und eine Bestrafung nach Siehe oben 1. Teil II 1 c. Das sind m. Einschränkungen auch die Voraussetzungen, die in NewSouth-Wales/Australien eine Verurteilung zu erhöhter Freiheitsstrafe rechtts

19

Schlußfolgerungen und Vorschläge

197

den allgemeinen Regeln des Strafrechts die Gefahr nicht beheben kann. Letzteres muß durch den Vollzug einer früher verhängten, erheblichen Strafe bewiesen sein. Rezidivisten, die in der angegebenen Weise gefährlich sind, befinden sich unter allen drei Deutungstypen. Sie stellen bei den Persönlichkeitsabweichenden aber nur eine kleine Minderheit dar, so daß diese Typen nicht als Grundlage der Bestimmungen de lege ferenda dienen können. Unter Anlehnung an§ 85 des Entwurfs 1962 ist der Vorschlag wie folgt zu formulieren: I. Hat jemand durch mindestens 3 Verbrechen oder vorsätzliche Vergehen,

von denen er wenigstens eines nach Vollendung des 25. Lebensjahres bebangen hat, jeweils Zuchthaus, Gefängnis von mindestens 9 Monaten oder Jugendstrafe verwirkt, mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe verbüßt und durch wenigstens eine der Straftaten Leib oder Leben eines anderen schwer gefährdet oder verletzt oder ein Sittlichkeitsdelikt gegen Kinder, Jugendliche oder unter Gewaltanwendung gegen den Verletzten oder unter Ausnutzung eines den Widerstand des Verletzten ausschließenden Zustandes begangen, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, daß von ihm weitere Straftaten der angegebenen Art gegen Leib und Leben oder die Sittlichkeit zu erwarten sind. II. Die Sicherungsverwahrung darf nur angeordnet werden, wenn Strafen oder mildere Maßnahmen nicht ausreichen, um die drohende Gefahr abzuwenden. III. Die Absätze 3 und 4 müßten aus § 85 Abs. 2 und 3 Entwurf 1962 übernommen werden. Die Neuregelung der Bestimmung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung wird dazu führen, daß diese Maßregel gegen die Mehrzahl der Rezidivisten nicht mehr angewendet werden kann. Gegen diese Täter werden in Zukunft nur die normalen Sanktionen des Strafrechts verfügbar sein. Die restlichen nicht-persönlichkeitsabweichenden und die aktiv-aggressiven Rezidivisten bedürfen nur einer strengen Bestrafung, die als Rückfalltatbestand zu regeln ist. Im gegenwärtigen Zeitpunkt ist zumindest kein anderer Vorschlag möglich. Die Rückfallbestimmungen gehören nicht zum Gegenstand dieser Untersuchung und sind daher nicht im einzelnen zu erörtern. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen von H. Mayer20 verwiesen. Die passiv-inadäquaten Rezidivisten werden größtenteils die zwingend festgelegten Voraussetzungen einer Verurteilung wegen Rückfalls erfüllen, obwohl häufig die geringe kriminelle Bedeutung ihrer Delikte fertigen, die in etwa unserer Sicherungsverwahrung nahekommt; s. MoTTis, N., S.86 und oben S. 41 f. 20 Strafrechtsreform, S. 166 ff.

198

Schlußfolgerungen und Vorschläge

eine hohe Rückfallstrafe nicht rechtfertigen kann. Eine Lösung des Problems, das sie für die Gesellschaft darstellen, ist mit den Mitteln des herkömmlichen Strafrechts nicht zu erreichen. Es bedarf der Einführung der Schutzhilfe21 , deren Ausgestaltung schon weitgehend angedeutet worden ist (s. o. S. 195 f.). Die Schutzhilfe soll nicht nur die Gesellschaft sichern, sondern dem passiv-inadäquaten Menschen gerade den seinen Kräften angemessenen Lebensraum schaffen22• Voraussetzung der Schutzhilfe ist, daß der Täter wenigstens drei vorsätzliche Straftaten begangen hat, daß er drei Monate Freiheitsstrafe verbüßt hat und daß sein Charakter und seine Fähigkeiten ihm das Leben in der Gesellschaft so erschweren, daß von ihm weitere Straftaten zu erwarten sind. Die im einzelnen Fall erforderlichen Maßnahmen innerhalb der Schutzhilfe müssen einer dafür zuständigen Behörde vorbehalten bleiben. In der Regel wird eine ambulante Betreuung nicht ausreichen, sondern eine Heim- oder Siedlungsunterbringung erforderlich sein. Die Teilnahme am normalen Arbeitsleben sollte aber auch dann die Regel sein, wie die Möglichkeit der Freizeitgestaltung außerhalb der Einrichtung23 • Die Unterstellung eines Menschen unter die Schutzhilfe ist im Grunde eine Veränderung seines Status, die dazu führen sollte, daß diese Menschen für danach begangene, kleinere Delikte strafrechtlich nicht mehr verantwortlich sein sollten; denn eine kleine Strafe würde die Durchführung der Schutzhilfe nur stören. Solche Taten müßten unter Wahrung der rechtsstaatliehen Garantien von der für die Schutzhilfe zuständigen Behörde mit disziplinarischen Mitteln erledigt werden. Nach den Erfahrungen Turners bei der Leitung des ersten Norman Houses ist die Schutzhilfe in offenen Heimen für Homosexuelle und eine kleinere Gruppe anderer, emotional stark Gestörter nicht geeignet. Die Schutzhilfe sollte daher in diesen Fällen nicht angewandt werden24• Ein formulierter Gesetzesvorschlag ist hier noch nicht möglich, da die ganze Materie unter Berücksichtigung der dem Autor nicht in vollem Umfange bekannten praktischen Möglichkeiten geregelt werden muß. Die Vorschriften des Sozialhilfegesetzes müßten denen der Schutzhilfe angeglichen werden25 • Im Rahmen der Schutzhilfe zu schaffende Heime, Siedlungen und Arbeitskolonien müßten auch denjenigen, deren Schutzhilfe aufgehoben worden ist, offenstehen, wenn sie in dieser schützenden Umgebung ver21 Das Wort wird im Anschluß an Mayer, H., Strafrechtsreform, S. 168 f. gewählt. 22 Siehe ebenda. 23 ZumProblem derHeimunterbringung s.Hammond, S.189; West, S.104ff.; Walker, N. D., The Habitual Criminal, Public Administration, 1963, S. 265ff. 24 Turner, Norman House, S. 22 f. 25 Insbesondere auch hinsichtlich der Finanzierung; s. o. 1. Teil li 1 c.

Schlußfolgerungen und Vorschläge

199

bleiben wollen, da es nicht sinnvoll erscheint, sie zu zwingen, ihr Leben wieder voll in die eigene Hände zu nehmen, wenn sie sich dazu nicht in der Lage fühlen. Solange die Schutzhilfe aus praktischen Gründen noch nicht eingeführt werden kann, ist für passiv-inadäquate Rezidivisten ein Urteil vorzuschlagen, das sich aus Freiheitsstrafe und Überwachung zusammensetzt26. Der erste Teil wäre eine Gefängnisstrafe, die nach einer kurzen Zeit in einer halboffenen oder offenen Anstalt vollzogen werden sollte, da, soweit eine Freiheitsstrafe nicht vermieden werden kann, der Vollzug in einer geschlossenen Anstalt nicht erforderlich ist, weil diese Rezidivisten kein Sicherheitsrisiko darstellen. Danach hätte ein Aufenthalt in einem Übergangsheim zu folgen, der in eine längere Periode der ambulanten Überwachung, etwa der Form der Sicherungsaufsicht27 übergehen würde, die fünf Jahre nicht überschreiten sollte. Die Verurteilung zu Freiheitsstrafe und Überwachung läßt sich ohne besondere Schwierigkeiten bei der Strafrechtsreform berücksichtigen, weil sie einerseits hinsichtlich der Freiheitsstrafe im Rahmen des Schuldstrafrechts bleibt, andererseits der Aufenthalt im Übergangsheim nicht länger als ein Jahr dauern sollte, so daß die dafür erforderliche Zahl an Heimen nicht sehr groß sein würde. Dieser Vorschlag kann aber nur als Übergangslösung angesehen werden, denn er wird dem Grundproblem dieser Rezidivisten, ihren Schwierigkeiten, unter den Bedingungen der vollen Freiheit ein geordnetes Leben zu führen, nicht gerecht, bedeutet andererseits aber eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation, in der ein Teil dieser Straffälligen in die Sicherungsverwahrung kommt und nach langjährigem Aufenthalt in geschlossenen Vollzugsanstalten unzulänglich vorbereitet wieder in die Freiheit entlassen wird. Bei der Anwendung der Rückfallbestimmungen oder der Schutzhilfe bzw. der Verurteilung zu Freiheitsstrafe und Überwachung werden die Gerichte nicht ohne ein Gutachten über die Persönlichkeit des Angeklagten entscheiden können28 , da die Kriminalität der aktiv-aggressiven und der passiv-inadäquaten Rezidivisten äußerlich sehr häufig ähnlich aussehen kann, so daß die Art der Verurteilung weitgehend von der Persönlichkeitsbeurteilung des Angeklagten abhängen kann29. 28 Walker, N. D., The Sentence of the Court, in: The Listener, 28. 6. 1962, hat die Verurteilung zu "custody and supervision" für eine viel größere Gruppe von Tätern angeregt. 21 § 91 ff., Entwurf 1962. 28 Darauf weist Hellmer, J., ZStW 73, 441 ff. (450) hin. 29 Ebenso kann dadurch die Überzeugung begründet werden, daß ein passiv-inadäquater Rezidivist trotz der einmaligen Begehung eines Sittlichkeitsdeliktes der Schutzhilfe unterstellt werden sollte u. daher die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht erforderlich sei.

200

Schlußfolgerungen und Vorschläge

Die Darstellung der gegenwärtigen Vollzugspraxis enthält schon eine diskussionsartige Erörterung vieler Einzelprobleme, so daß für die Schlußfolgerungen eine Beschränkung auf wenige besonders bedeutsame Gesichtspunkte möglich ist30• Der Vollzug der Sicherungsverwahrung unterscheidet sich nur in wenigen Einzelheiten von dem einer Freiheitsstrafe31. Das wird besonders an der beschränkten oder völlig ausgeschlossenen Bewegungsfreiheit- eine positive Ausnahme bildete diesbezüglich die Verwahranstalt Hamburg-Fuhlsbüttel- und an der Beschränkung der Lebenshaltung der Verwahrten- die weitesten Konzessionen wurden in England festgestellt- erkennbar. Eine Neuregelung des Vollzugs der Verwahrung muß davon ausgehen, daß es sich dabei um eine durch die Schuld der Betroffenen nicht gedeckte Maßnahme handelt und folglich jede dem Zweck dieser nicht entgegenstehende Vergünstigung zu gewähren ist32 . Bei der gegenwärtigen Zusammensetzung der Verwahrten ist daher nicht in allen Fällen der Vollzug in geschlossenen Anstalten erforderlich33 . Für diejenigen Rezidivisten, die nach der vorgeschlagenen Neufassung der Bestimmungen in die Sicherungsverwahrung kommen würden, kommt dagegen nur eine geschlossene Anstalt in Betracht. Innerhalb der Anstalt sollten die Verwahrten sich mit Einschränkungen während des Tages frei bewegen können und nur aus Gründen der Sicherheit in der Anstalt in Gruppen zu je 30--40 Mann getrennt sein. Sie müssen auslastende und produktive Arbeit erhalten und dafür ordnungsgemäß entlohnt werden34 • Von ihrem Lohn hätten sie dann einen angemessenen Betrag für Unterkunft und Verpflegung zu entrichten, zum Unterhalt ihrer Angehörigen beizutragen und eine Rücklage für den Zeitpunkt ihrer Entlassung zu ersparen. Der Restbetrag sollte ihnen für ihre persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung stehen. Ebenso sollten sie berechtigt sein, privates Vermögen für Anschaffungen im Rahmen der in einer Anstalt gegebenen Möglichkeiten zu verwenden. Die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung sollten vielseitig sein. Dabei ist auch das Fernsehen nicht auszuschließen. Eine Auflockerung des Vollzugs durch Verlegung in eine andere Anstalt nach gewissen Zeitabständen ist, soweit praktikabel, zu befürworten, weil sich der Verwahrte dadurch in längeren Abständen auf etwas veränderte Verhältnisse umstellen muß. Diese Vorschläge lassen sich teilweise nur 30 Siehe insbesondere 3. Teil III. 31 Krebs, A., Aus der Praxis des Vollzugs der Sicherungsverwahrung, in: Festschrift für H. Mayer, S. 631. 32 Ebenso Eßig, S. 49 f. 33 Die gegenteilige Ansicht Eßigs, S. 34ff., wird durch die Erfahrungen in der halboffenen englischen Anstalt Eastchurch nicht bestätigt. 34 Dazu auch Grünwald, G., Sicherungsverwahrung, Arbeitshaus, vorbeugende Verwahrung und Sicherungsaufsicht im Entwurf 1962, in: ZStW 75,

s. 633ff. (647f.).

Schlußfolgerungen und Vorschläge

201

verwirklichen, wenn der Vollzug der Sicherungsverwahrung für alle Bundesländer, oder aber wenigstens für eine nördliche und eine südliche Gruppe, in wenigen Anstalten gemeinsam und vom Strafvollzug getrennt durchgeführt wird. Die Vorbereitung auf die Entlassung ist nicht ausreichend. Bevor langjährige Gefangene in die volle Freiheit entlassen werden können, müssen sie, soweit sie arbeitsfähig sind, grundsätzlich eine Übergangsstation von der Art der hostels in Bristol und Nottingham durchlaufen, damit sie unter Aufsicht und Anleitung lernen, sich in den teilweise auch veränderten Verhältnissen zurechtzufinden35 • Diese Station kann entweder vor der Entlassung liegen oder ein erstes Stadium der bedingten Entlassung darstellen. Dabei kann es einige praktische Schwierigkeiten geben, weil mangels einer sorgfältigen Auswahl der Verwahrten, die in Übergangsheimen unter normalen Arbeitsbedingungen leben, nicht verhindert werden kann, daß einige von diesen schon zu diesem Zeitpunkt erneut Straftaten begehen, die wiederum die Beschaffung von Arbeitsplätzen erschweren können36• Für die Entlassung aller in einer Anstalt Verwahrten sollte nur eine Stelle zuständig sein und grundsätzlich nur nach mündlicher Verhandlung entscheiden. Abschießend können wir die de lege ferenda wichtigen Ergebnisse und Vorschläge der Arbeit wie folgt zusammenfassen: 1. § 42eff. StGB und die Vollzugsbestimmungen, soweit sie die Siche-

rungsverwahrung betreffen, sind aufzuheben. 2. Eine neue Bestimmung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist so zu fassen, daß sie sich nur gegen tatsächlich gefährliche Rezidivisten richtet. 3. Eine mit der Veränderung des Status verbundene Schutzhilfe ist einzuführen. Solange die Einführung der Schutzhilfe noch nicht möglich ist, sollte eine Verurteilungsmöglichkeit zu Freiheitsstrafe und Überwachung geschaffen werden. 4. Der strafgerichtliehen Verurteilung eines jeden Rezidivisten sollte eine psychiatrische und psychologische Untersuchung des Angeklagten vorausgehen. 5. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung ist neu zu gestalten. 6. Die Entlassung aus der Sicherungsverwahrung sollte für jede Anstalt nur von einer Stelle vorgenommen werden. Siehe oben 3. Teil I 1 a. E. Daß diese Station notwendigerweise in einer der Justiz unterstehenden Einrichtung durchlaufen werden müsse, ist von Rudolph, DRiZ. 1956, S. 176 ff. gefordert, aber nicht überzeugend begründet worden, da auch von kirchlichen as

36

202

Schlußfolgerungen und Vorschläge

Eine völlig befriedigende Lösung des Problems, das die Rezidivisten für die Gesellschaft darstellen, ist beim gegenwärtigen Stand, insbesondere der menschlichen Verhaltensforschung, nicht möglich. Durch die Verwirklichung der hier entwickelten Vorstellungen könnte aber eine im Vergleich zur gegenwärtigen strafrechtlichen Behandlung dieses Problems bessere Lösung gefunden werden.

und karitativen Stellen Heime geschaffen werden könnten. Fragwürdig ist, insoweit muß Rudolph zugestimmt werden, ob es zweckmäßig ist, jemanden in diesem Stadium in ein nicht besonders der Entlassungsvorbereitung dienendes Heim zu geben.

Anhang A Anhang A 1 § 20 a StGB lautet:

I 1 Hat jemand, der schon zweimal rechtskräftig verurteilt worden ist, durch eine neue vorsätzliche Tat eine Freiheitsstrafe verwirkt und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so ist, soweit die neue Tat nicht mit schwererer Strafe bedroht ist, auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren und, wenn die neue Tat auch ohne diese Strafschärfung ein Verbrechen wäre, auf Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen. 2 Die Strafschärfung setzt voraus, daß die beiden früheren Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens ergangen sind und in jeder von ihnen auf Todesstrafe, Zuchthaus oder Gefängnis von mindestens sechs Monaten erkannt worden ist. II Hat jemand mindestens drei vorsätzliche Taten begangen und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so kann das Gericht bei jeder abzuurteilenden Einzeltat die Strafe ebenso verschärfen, auch wenn die übrigen in Absatz I genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. III Eine frühere Verurteilung kommt nicht in Betracht, wenn zwischen dem Eintritt ihrer Rechtskraft und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. 2 Eine frühere Tat, die noch nicht rechtskräftig abgeurteilt ist, kommt nicht in Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. 3 In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in der der Täter eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. IV Eine ausländische Verurteilung steht einer inländischen gleich, wenn die geahndete Tat auch nach deutschem Recht ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen wäre. Anhang A 2 § 85 Entwurf 1962 lautet:

(1) Hat jemand mindestens drei vorsätzliche Straftaten, davon wenigstens eine nach Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres, begangen und dadurch jeweils Zuchthaus, Gefängnis von mindestens sechs Monaten oder Jugendstrafe verwirkt, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, daß er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit oder für einzelne andere gefährlich ist (Hangtäter). (2) Eine frühere Tat bleibt, ob abgeurteilt oder nicht, außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. In

204

Anhang A

die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. (3) Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereiches abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen wäre.

Anhang A 3 Auszug aus der Practice Dlrection (Practice Note)!, die Lord Parker, L.C.J., am 28. Februar 1962 im Court of Criminal Appeal verkündet hat

(Übersetzung) "In letzter Zeit hat die Erfahrung dieses Gerichts gezeigt, daß von der Möglichkeit, die preventive detention anzuordnen, zu viel Gebrauch gemacht wird. Tatsächlich sind in 30 Prozent der Appellationsentscheidungen Verurteilungen zu preventive detention durch Gefängnisstrafen ersetzt worden. Es gibt offenbar eine Tendenz, gegen dreißig- bis fünfunddreißigjährige Angeklagte die preventive detention anzuordnen. Obwohl es abgesehen von dem gesetzlichen Minimum von dreißig Jahren nicht möglich ist, ein bestimmtes Alter festzulegen, unterhalb dessen die preventive detention nicht angeordnet werden darf, muß beachtet werden, daß ein Gefangener nach einem solchen Urteil wahrscheinlich institutionsgewohnt ist und seine Rehabilitationschancen (Resozialisierung)2 stark reduziert worden sind. Ein solches Urteil sollte deswegen allgemein nur als letztes Mittel und gegenüber denen angewendet werden, die sich dem vierzigsten Lebensjahr nähern oder dieses überschritten haben. Ferner muß bedacht werden, daß im Falle einer schweren Straftat häufig eine Gefängnisstrafe von ausreichender Dauer gerechterweise verhängt werden kann, die sowohl der Allgemeinheit angemessenen Schutz als auch dem Angeklagten gerechte Bestrafung zuteil werden läßt. Endlich wird häufig die Tatsache nicht hinreichend beachtet, daß ein Gefangener gezeigt haben kann, daß er dazu fähig war und tatsächlich für längere Zeit einen festen Arbeitsplatz gehabt hat, bevor er die Straftat beging, wegen der er nun verurteilt wird. Wiederum kann man nur verallgemeinern, wo jedoch so eine Zeitspanne mehr als zwölf Monate beträgt, sollte preventive detention regelmäßig nicht angeordnet werden."

1

All. E. R. I [1962] S. 672. Vom Verfasser eingefügt.

Anhang B Anhang B 1

Zahl der Verurteilten, gegen die die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist Jahr

1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 (1-III) b)

Zahl der Anordnungena>

3.723 1.464 946 765 964 1.827 1.916 1.651 1.095

Jahr

Zahl der Anordnungenc)

1950

130

davon Männer Frauen

d)

1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964

95 118 95 133 173 176 188 208 230 199 222 225 204 206

127 163 169 181 200 218 184 213 214 195 193

6 10 7 7 8 12 15 9 11 9 13

a) Die Statistik für die Jahre 1934-1942 wurde von Hellmer, J ., ZStW 73, S. 441 ff. (443) übernommen. b) Ab 1. 10. 1942 bis Kriegsende sind keine Zahlen aufflndbar. Nach Hellme r, ebenda, ist von der Sicherungsverwahrung während des Krieges weiterhin erheblich Gebrauch gemacht worden. c) Entnommen aus der Statistik der Bundesrepublik Deutschland 110, S. 29, 49; 129 S. 21, 41; 158, S. 69; 172, s. 77; 210, S . 63; 229, s . 63; 251, S. 67; Bevölkerung und Kultur, Reihe 9, Rechtspflege 1959, s. 67; 1960, S. 38; 1961, S. 46; 1962, s. 40; 1963, s . 44; 1964, S. 43. d) Für die Zeit vom Kriegsende bis 1949 sind keine Zahlen aufflndbar.

AnhangE

206

Anhang B 2

Zahl der Verurteilten, gegen die die preventive detention nach dem Prevcntion of Crime Act, 1908 angeordnet worden ista> Jahr 1909b) 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928

Insgesamt Männer 46 178 57 89 67 43 11

21 22 20 20 44 61 35 27 38 27 23 41 31

45 177 55 88 64 42

Frauen

Jahr

1 1 2 1 3 1

1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948

11

21 20 20 19 41 58 33 27 38 27 22 39 31

2 1 3 3 2

1 2

Insgesamt Männer Frauen 29 37 20 39 21 22 31 21 13 17 9 9 7 11

13 8 3 17 16 10

a) Die Statistik wurde von Morris, N., s. 62, und für die Jahre minal Statistics for England and Wales, 1946-1948, übernommen. b) August-Dezember.

29 37 20 37 19 21 28 20 13 17 9 8 6 10 11

8 3 17 16 9 1946-1948

2 2 1 3 1

1 1 1 2

1

aus den Cri-

AnhangB Anhang B 3

Die zwischen 1949 und 1961 in England und Wales zu preventive detention Verurteilten (einschließlich der Höhe des Urteils der männlichen Verurteilten) a) Männer

Frauen

Jahr

Insgesamt

5 Jahre

1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964

244 221 211 240 237 268 197 176 215 189 215 214 237 151 75 40

148 54 16 21 12 6 6 6

19 4 11 6 9 8 7 6

Mehr als Mehrals 5 Jahre 7 Jahre und bis und bis 10 Jahre 7 Jahre 72 96

64 62 54 65 58 55 45 34 81 94 100 60

28 9

22 69 127 152 163 188 129 111 142 145 115 110 124 77 33 24

Mehr als 10 Jahre und bis 14 Jahre 2 2 4 5 8 9

4 4 9

6 8 4 4 6 7 1

10 4 6 6 3 8 8 5 3 7 4 8 3 4 2

a) Aus den Criminal Statlstlcs - England and Wales, 1949-1963, Annual Tables, Table V, Cols. 16-20, 1964, Annual Tables, Table III, Cols. 16-20 entnommen.

208

AnhangB

Anhang B 4 Die zwischen 1949 und 1961 ergangenen, die Sicherungsverwahrung betreffenden Appellationsentscheidungen, soweit durch sie die erstinstanzliehe Entscheidung bei aufrechterhaltenem Schuldspruch geändert wurdea) Jahr

1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961

Zahl der Verurteilungen zu preventive detention

Insgesamt

Herabset- Erhöhung zung der Dauer der preventive detention

I

II

III

IV

254 225 217 246 240 276 205 181 218 196 219 222 240

22 14 14 19 9 15 12 20 6 20 23 28 39

16 1 4 1 0 2 4 1 2 3 3 2 3

3 1 1 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0

Ersetzt durch andere Reaktionsmittel (regelm. Gefängnisstr.) V 3 12 9 18 8 13 7 19 4 17 20 26 36

a) Spalte I Ist den Crlmlnal Statistics- England and Wales, 1949-1961, Annual Tables, Table V, die Spalten II-V Hammond, W. H., S. 5 entnommen.

209

AnhangB

Anhang B 5 Die Verteilung der männlichen Verurteilten, der von deutschen Gerichten mehr als viermal wegen Vergehens oder Verbrechens Verurteilten, der gefährlichen Gewohnheitsverbrecher nach § 20 a StGB und der zu Sicherungsverwahrung Verurteilten über 21 im Jahre 1956 im Bundesgebiet ohne Berlin (West) und ohne das Saarland auf 6 Hauptgruppen von Vergehen und Verbrechena) Deliktsgruppenb) Verurteilte

Vondeut. Gerichten mehrals4X wegen Verbrechens o. Vergehens verurteilt

/o

/o

Gewohnheitsverbrecher nach§ 20a StGB

%

Sieherungsverwahrung angeordnet

No.

0

No.

0

1. Verletzung u. Gefährdung von Leib und Lebenc>

26.531

20,0

2.433

10,5

8

2,7

3

1,8

2. Sittlichkeitsdelikted)

6.772

5,1

866

3,8

54

18,5

39

23,1

36.090

27,2

8.538

37,0

63

21,6

34

20,1

7,1

1.467

6,3

18

6,2

9

5,3

5,4

4.657

20,1

146

50,0

83

49,1

26,2

3.969

17,2

2

0,7

0

0

8,9

1.168

5,1

1

0,3

1

0,6

3. Hehlerei u . Betruge)

4. Schw. Diebstahl, Raub, räub. Diebstahl und Erpressungfl 9.431 Rückfalldiebstahlg) 7.181 5. Einfacher Diebstahl u. Unterschla gungh) 34.675 6. Sonstige!) 11.797 Alle Delikte

132.477

23.098

No.

292

No.

%

169

a) Zusammengestellt aus Statistik der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 210, Abgeurteilte und Verurteilte im Jahre 1956, 1958, Stuttgart, Tabelle B 2, Spalten 2, 6-8, Tabelle B 4, Spalte 9. b) Die Deliktsgruppen sind so zusammengestellt worden, daß sie mit Einschränkungen mit denen der entsprechenden englischen Statistik vergleichbar sind. c) Gruppe 1 enthält die unter Nr 2/21/24/62/85---103 b/105/107/153/155/166/167 in der oben zitierten Statistik geführten Delikte. d) Gruppe 2 enthält die unter Nr. I 63/65---68/7(}-74/76 angeführten Delikte. e) Gruppe 3 enthält die unter Nr. I 124--130/132 angeführten Delikte. f) Gruppe 4 enthält die unter Nr. I 28/113/115/12(}-122 angeführten Delikte. g) Beim Rückfalldiebstahl Nr. I 114 ließen sich die Gruppen 4 und 5 nicht trennen. h) Gruppe 5 enthält die unter Nr. I 112/116/119/II 11/12 angeführten Delikte. i) Gruppe 6 enthält die unter Nr. I 1/3-15/25---27/29/32/ 33/41/45---53/133-135/148-1521154/ 157/168-170 angeführten Delikte. 14 Geisler

AnhangB

210

Anhang B 6

Die Verteilung der männlichen Verurteilten im Alter von 30 Jahren und darüber, die wegen "indictable" Straftaten verurteilt worden sind, aller Verurteilten, die zu Sicherungsverwahrung verurteilbar waren und derjenigen, die zu Sicherungsverwahrung im Jahre 1956 verurteilt worden sind, aufgegliedert nach sechs Hauptdeliktsgruppena> Delikte

AlleMänner im Altervon 30 J. und darüber, verurteilt wegen "indictable" Straftaten

Männliche Verurteilte, zu Sicherungsverwahrung verurteilbar

Männliche Verurteilte, Sieherungsverwahrung angeordnet

No.

%

No.

%

No.

%

5,7 8,3 12,4

78 51 196

5,6 3,7 14,1

8 4 38

4,5 2,2 21,3

6,9

597

43,0

86

48,4

62,1 4,5

456 6 1.384

33,1 0,4

41 1 178

23,0 0,6

1. Verletzung u. Gefährdung von Leib und Leben 1.737 2.517 2. Sittlichkeitsdelikte 3. Hehlerei u. Betrug 3.750 4. Schw. Diebstahl, Raub, räub. Diebstahl und Erpressung 2.086 5. Einfacher Diebstahl u. Unterschlagung 18.772 6. Sonstige 1.364 Alle Delikte 30.226

a) Entnommen von Hammond, Persistent Crlmlnals, S. 22, Table 2.

Anhang C Anhang C 1

Tagesablauf in der Anstalt VIII- VerwahranstaltHamburg-Fuhlsbüttel Montag-Freitag 615 630 635

700-U30 1135 1215-1300 1300-1715 1730 2000 2200

Wecken Aufschluß Ausgabe der Morgenkost Arbeitszeit Ausgabe der Mittagskost Freistunde (Bewegung im Freien) Arbeitszeit Ausgabe der Abendkost Einschluß Löschen der Unterkunftsbeleuchtung -

Nachtruhe

Wecken Aufschluß Ausgabe der Morgenkost Arbeitszeit- Gruppen gehen baden Ausgabe der Mittagskost Freistunde Ausgabe der Abendkost Einschluß Löschen der Unterkunftsbeleuchtung -

Nachtruhe

Sonnabend 615

630 635

700-1130 U35 1300-1400 1730 2000 2200

Sonntag 700 715 900-1000 1015-1145 1130 1400-1500 1730 2000 2200 14.

Wecken und Aufschluß Ausgabe der Morgenkost Gottesdienst - vierzehntägig Freistunde Ausgabe der Mittagskost Freistunde (gelegentlich schon ab Mittag) Ausgabe der Abendkost Einschluß Löschen der Unterkunftsbeleuchtung - Nachtruhe

Anhange

212

Anhang C 2

Der Tagesablauf Im H.M. Centrat Prlson, Parkhurst, soweit er die Gefangenen betraf, die sich in der preventive detention befanden Für die Aufsichtsbeamten gab es zwei Schichten in Parkhurst. Aus diesen wurden die Beamten für den Nachtdienst bestimmt. Eine kleine Gruppe der Aufsichtsbeamten hatte besondere Aufgaben wie Zensor, Bibliothekar, Verwaltungsdienst etc. Zeit 630

Beamte

Gefangene

1. Schicht Dienstbeginn

Wecken um

Bemerkungen 600

635

Verteilen auf Gänge, Anwesenheitskontrolle

635- 655

Krankmeldungen, Aufsicht, Aufschluß

655- 710

Frühstücksausgabe

715

Anwesenbeitskontrolle, gehen zum Frühstück

Eingeschlossen

Hallen werden v. je einem Beamten überwacht, der im Notfall eine Zelle öffnen kann

755

Rückkehr in die Hallen

Nachttöpfe leeren

Rasierklingen eingesammelt

820

Sicherheitsposten einnehmen

825

Aufschluß, Kontrolle

Gehen zu verschiedenen Höfen

Kranke bleiben in Zellen bis Arzt kommt

goo

Aufsicht

Bewegung im Freien

Nicht Sitzende und Außenarbeiter nehmen nicht teil zur Arbeit

900-1200

Aufsicht

Arbeit

Sicherheitsposten einnehmen, Aufsicht

Rückkehr in die Hallen

830-

1200

Nachttöpfe leeren

Rasierklingen verteilt

Keine Anwesenheitskontrolle

Anhange Zeit

Beamte

Gefangene

1210-1220

Zu d. Gemeinschaftsräumen, Essensausgabe für ,diners in •I

Zu den Gemeinschaftsräumen oder Zellen Essen

1225

Anwesenheitskontr.

1230

Dienstbeginn 2. Schicht

1245

213

Bemerkungen

1/4 h. Doppelbesetzung Anwesenheitsliste übergeben

2. Schicht Dienstschluß 1. Schicht

1245-1300

Aufschluß für ,diners in'

Nachttöpfe leeren

1310

Aufsicht

Rückkehr zu Zellen v. Gemeinschaftsraum

1320

Sicherheitsposten einnehmen

1325

Aufschluß, Kontrolle

Gehen zu verschiedenen Höfen

1330-1400

Aufsicht

Bewegung im Freien

1400-1700

Aufsicht

Arbeit

Aufsichtsbeamte werden für Nachmittagstee abgelöst

1700

Sicherheitsposten einnehmen

Arbeitsschluß, Rückkehr zu den Hallen

Im Winter liegt der Arbeitsschluß früher

1710

Anwesenheitskontr.

1730-2QOO

Aufsicht in Zu den GemeinHallen u. Gemein- schaftsräumen o. schaftsräumen u . Zellen - AbendVeranstaltungen essen, nehmen teil an Kursen, Baden, Einkauf; Filme, Bibliothek etc.

,Diners in' können teilnehmen

1 ,Diners in' sind diejenigen Verwahrten, die alle Mahlzeiten in ihren Zellen einnehmen.

214

Anhange

Zeit

Beamte

Gefangene

2000

Aufsicht

Rückkehr zu den Hallen

2015

Kakaoausgabe, Annahmev. Anträgen

,Diners in' Nachttöpfe leeren

2040

Anwesenheitskontr., Einschluß Eine kleine Anzahl von Beamten bleibt auf Nachtdienst

2050

Zum Tor, Schlüsselkontrolle

2100

Dienstschluß 2. Schicht

Bemerkungen

Licht um 2000 gelöscht Radio aus

Anderungen an Sonnabenden -

825

Wie an Wochentagen

830-1200

Arbeit

1215-1330

Essen in Gemeinschaft

1330-1400

in verschlossenen Zellen

1400-1530

In Gemeinschaftsräumen Fernsehen o. im "compound" im Freien

1530-1550

In verschlossenen Zellen

1550-2000

Abendessen, in Gemeinschaftsräumen -Filme

2000-2100

Auch für ,diners in'

,Diners in' können Filme besuchen

Wie an Wochentagen

Sonntags -

500

500- goo

Wie an Wochentagen Nachttöpfe leeren

Ausgabe von Kleidung u . Wäsche

Rest des Vormittags durch Gottesdienste, Zellenreinigung etc. gefüllt. Nachmittag und Abend verläuft wie am Sonnabend.

215

Anhang C Anhang C 3

Liste der Kurse, die in der Vollzugsanstalt Straubing im Herbst 1964 durchgeführt wurden a) Berufsfortbildende Kurse Metallkurs Baukurs Fachliches Zeichnen Buchbinderkurs b) Allgemeinbildende Kurse Schachkurse1 : Anfänger Fortgeschrittene Turnier Evangelischer Kurs über Fragen der Lebensführung Katholischer Kurs über Fragen der Lebensführung c) Freizeitwerkkurse 2 Basteikurse Graphikkurs (Grundarbeit) Intarsienkurs Kunstgewerbekurs Kunstgewerbliches Flechten Mosaikkurs Schnitzkurs Zeichenkurs2 Knüpfkurs (wird demnächst neu eingeführt) Töpferkurs (im Stadium der Vorplanung) Kunstschmieden (im Stadium der Vorplanung) Anhang C 4

Liste der Kurse, die während des Herbst-Trimesters 1962 (24. September-21. Dezember 1962) im H.M. Centrat Prison, Parkhurst durchgeführt wurden Montag Bildende Filme (nur für ,diners in')l Bildende Kunst Holzarbeiten (praktisch)

Tutor Organiser2 Lehrer' Lehrer

630-ßOO

615-ß15 615-815

1 Schachspiele werden auch zur Lösung von Aufgaben mit in die Zellen genommen. 2 In Kursen, in denen der Gefangene selbst gestaltend tätig werden muß, macht sich bei vielen der fehlende Bezug zur Wirklichkeit bemerkbar. 1 ,Diners in' sind diejenigen Verwahrten, die alle Mahlzeiten in ihrer Zelle einnehmen und von einem großen Teil der Freizeitgestaltung ausgeschlossen sind. 2 Entspricht dem Oberlehrer in deutschen Vollzugsanstalten. 3 Als Lehrer werden hier diejenigen bezeichnet, die nicht zum Anstaltspersonal gehörten, sondern nur den Unterricht erteilten.

216

Anhange

Dienstag

Besonderer Unterricht (allgem. bild.) Holzarbeiten (Oberstufe) Handwerk

Mittwoch

Church of England, Gottesdienst Musik (allgem. Grundlagen) Handwerk Maurer Quäkerzusammenkunft

Lehrer Lehrer Anstaltsbeamte

230-430 615.-815 615.-815

Anstaltsgeistlicher Lehrer Anstaltsbeamte Lehrer Geistlicher

615.-700 715-ß15 615-815 615-815 700-800

Lehrer Anstaltsbeamte Lehrer Lehrer H. A.-Offizier

230-430 715-815 615-ß15 615.-815 545-645

Donnerstag

Besonderer Unterricht (allgem. bild.) Erste Hilfe Holzarbeiten (Theorie) Radiobasteln Heilsarmee, Zusammenkunft Freitag

Schiedsrichterunterricht Anstaltsbeamte 715-815 Holzarbeiten (Theorie - Oberstufe) 4 Lehrer 615-815 Schneiderarbeiten Lehrer 615-815 Methodistische Diskussion Geistlicher 600-700 Diese Aufstellung ist ein Auszug aus der offiziellen Liste, die alle für preventive detainees stattfindenden Kurse enthält.

' Vorbereitung auf eine Abschlußprüfung.

Literaturverzeichnis Aufsätze und Werke, die nur einmal zitiert sind und den Inhalt dieser Arbeit nicht weiter beeinfiußt haben, erscheinen nicht im Literaturverzeichnis. Sie sind mit allen bibliographischen Daten in der entsprechenden Fußnote zitiert. Amtlicher Entwurf: s. Entwürfe. Andres, G.: Die Freizeitbeschäftigung der Sicherungsverwahrten in der An-

stalt Ziegenhain, in: Zeitschr. f. Strafvollz., 1964, S. 32 ff.

Andry, R. C.: The Short-Term Prisoner, London, 1963. Baumann, J.: Die Dienst- und Vollzugsordnung vom 1.12. 61, in: Monatsschrift

f. Kriminologie u. Strafrechtsreform, 1964, S. 57 ff.

Benson, Sir George: A Note on the Habitual Criminal, in: The British Journal

-

of Delinquency, Bd. III, 1953, S. 198ff. A Further Note on the habitual Criminal, ebenda, Bd. V, 1954, S. 138 ff.

Bernhardt, M.: Die Sicherungsverwahrung, Diss. Marburg, 1934.

Bill in: Parliamentary Papers (Bills), Jg. der Bill. Birnbaum, K .: Die Psychopathischen Verbrecher, 2. Aufl., Leipzig 1926. Blau, G.: Recht und Unrecht beim Straf- und Maßregelvollzug, in: Goltdammer's Archiv, 1959, S. 141 ff. Bockelmann, P.: Studien zum Täterstrafrecht, Teil2 = Abhandl. d. Krimi-

nalistischen Instituts a. d. Univ. Berlin, 4. Folge, Bd. IV, 5. Heft, Berlin 1940. Criminal Justice Act, 1948: s. Gesetzestexte. Criminal Statistics: Criminal Statistics-England and Wales, 1931-1961, London, H.M.S.O. Dienst- u. Vollzugsordnung: Dienst- und Vollzugsordnung vom 1. Dez. 1961, in der Fassung vom 1. 1. 1966, Anrath. Engelhardt, J.: Die Erfahrungen mit der Durchführung der §§ 20 a, 42 e ff. StGB im Bereich des OLG Celle seit 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen mit der Prognose, Diss. Kiel 1963. Entwürfe: Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch mit Begründung, Berlin 1909. - Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuchs, Berlin 1911. - Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, enthält die Entwürfe 1913 und 1919, Berlin 1920. - Entwurf zu einem Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch nebst Begründung, Berlin 1925. - Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs, Berlin 1927. - Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs 1930 (Nachdruck) - Materialien zur Strafrechtsreform, Bd. V. Bann 1954.

Literaturverzeichnis

218

Entwürfe: Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB), Bann 1960. - Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB), Bann 1962. - Siehe auch Stooss. Eßig, W.: Der Vollzug der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln

der Sicherung und Besserung gegenüber Antisozialen und Asozialen unter besonderer Berücksichtigung der Hamburger Verhältnisse, Diss. Harnburg 1964. Exner, F.: Das System der sichernden und bessernden Maßregeln nach dem Gesetz v. 24. November 1933, in: Zeitschr. f. d. gesamte Strafrechtswissenschaft, Bd. 53, S. 629 ff. - Kriminologie, Berlin-Göttingen-Heidelberg 1949. - Wie erkennt man den gefährlichen Gewohnheitsverbrecher?, in: Deutsche Justiz, 1943, S. 277 ff. Foltin, E. M.: Die chronisch erhöht Gefährlichen, Wien 1927. Fox, L. W.: The English Prison and Borstal System, London 1952. Frey, E.: Der frühkriminelle Rückfallverbrecher, Basel 1951. Gegenentwurf: s. Entwürfe. Gerland, H.: Die Sicherungsverwahrung des § 42e StGB und ihre Voraussetzungen, in: Festschr. f. R. Hübner, Jena 1935, S. 19 ff. Gesetzestexte: außer den geläufigen Sammlungen wurden verwendet: Handbuch des Preußischen Strafrechts, herausgegeben von einem praktischen Juristen, Leipzig 1830, Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher, Nr. 27, Prevention of Crime Act, 1908- Verbrechenverhinderungs-Gesetz vom Jahre 1908, Berlin 1909, Nr. 55, Das englische Gesetz über die Kriminalrechtspflege von 1948 (Criminal Justice Act, 1948), Berlin 1952, Schäfer, Schafheutle, Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung, in: (H) Pfundtner- (R) Neubert, Das neue Deutsche Reichsrecht, Berlin 1933 ff, II c 10, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten und Gesetz über die Einführung desselben vom 14. 4. 1851 -Amtliche Ausgabe, Berlin 1851. Glueck, S. & E. T.: Afterconduct of Discharged Offenders, 1. Aufl., London

1945.

Grünhut, M.: Kriminalpolitische Wandlungen, in : Zeitschr. f. d. Gesamte Straf-

rechtswissenschaft, Bd. 53, S. 1 ff. Moderne Arbeitsmethoden der Kriminologie, in: Zeitschr. f. d. gesamte Strafrechtswissenschaft ,Bd. 72, S. 267 ff. (Mitt. d . Fachgr. Strafr., S. 5 ff.). - Penal Reform, Oxford 1948. - The Treatment of Persistent Offenders, in: The Journal of Criminal Science, London 1950, Bd. II, S. 65 ff. Gruhle, H . W .: Artikel: "Kriminalpsychologie" in: Handwörterbuch der Kriminologie, I. Band, S. 907 ff., hrsg. von A. Elster, H . Lingemann, Berlin und Leipzig 1933. Hagel, A.: Zehn Jahre Betreuung von Sicherungsverwahrten der Landesstrafanstalt Bruchsal, in: Bewährungshilfe, 1962, S. 209 ff.

-

Hammond, W. H. & Chayen, F.: Persistent Criminals, London 1963.

Handbuch des Preuß. Strafrechts : s. Gesetzestexte.

Literaturverzeichnis

219

Hart, H. L. A .: Murder and the Principles of Punishment; England and the

United States, in: Northwestern University Law Review, Bd. 52, 4, S. 433ff., Chicago 1957. - Prolegomenon on the Principles of Punishment, Presidential Address, Aristotelian Society, in: Proc. of the Aristotelian Soc., new. ser. Bd. IX, London 1960. Hellmer, J.: Erziehung und Strafe, Berlin 1957. - Kriminalpädagogik, Berlin 1959. - Der Gewohnheitsverbrecher und die Sicherungsverwahrung Kriminologische Forschungen, hrsg. von H. Mayer, Bd. II, Berlin 1961. - Das Ricklinger Modell, in: Zeitschrift f. Strafvollzug, 1958/59, S. 304. - Hangtäterschaft und Berufsverbrechertum, in: Zeitschr. f. d. gesamte Strafrechtswissenschaft, Bd. 73, S. 441 ff. - Rückfallverbrecherturn und Frühkriminalität, in: Zeitschr. f. d. gesamte Strafrechtswissenschaft, Bd. 72, S. 397 ff.

=

Herzog, J.: Das Preventive Detention Hostel in Bristol, in: Zeitschr. f. Straf-

vollz., 1961, S. 26 ff.

Hippel, R. v.: Deutsches Strafrecht -

Handbuch - , Bd. I, Berlin 1925.

Hoeck-Gradenwitz, E.: Die unbestimmte Internierungszeit und ihre Bedeu-

tung für die Resozialisierung, in: Zeitschr. f. Strafvollz. ,1963, S. 322ff.

Jagusch, H.: in: Leipziger Kommentar, begr. v. Ebermayer, Lobe, Rosenberg,

8. Aufl., Berlin 1957.

James, T. E.: Preventive Detention in 1961 in the Court of Criminal Appeal,

in: Criminal Law Review 1962, London, S. 352ff.

Kranz, H.: "Anlage" und "Belastung" als persönliche Eigenschaften im Sinne

des§ 32 des Ehegesetzes, in: Neue Juristische Wochenschrift, 1959, S. 793ff.

Krebs, A.: Aus der Praxis des Vollzugs der Sicherungsverwahrung, in: Fest-

schrift für Hellmuth Mayer, hrsg. von Geerds, F. und Naucke, W., Berlin 1966, s. 629 ff.

Lemberger, F.: Die kriminologische Wirklichkeit des Begriffs des gefährlichen

Gewohnheitsverbrechers, Diss. Kiel 1962.

Liszt, F. v.: Der Zweckgedanke im Strafrecht, in: Strafrechtliche Aufsätze

und Vorträge, Bd. I, S. 126 ff., Berlin 1905.

Maurach, R.: Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl., Karlsruhe 1965. Mayer, H.: Kriminalpolitik als Geisteswissenschaft, in: Zeitschr. f. d. gesamte

-

Strafrechtswissenschaft, Bd. 57, S. 1 ff. Strafrecht, Stuttgart und Köln 1953. Strafrechtsreform für heute und morgen Kriminologische Forschungen, hrsg. von H. Mayer, Bd. I, Berlin 1962. Typologie der Gewohnheitsverbrecher oder Rezidivisten, in: Kriminalbiologische Gegenwartsfragen, Heft 5, S. 135 ff., Stuttgart 1962.

=

Mezger, E.: Kriminologie, München und Berlin 1951. Morris, N.: The Habitual Criminal, London 1951. Morrison, A. C. L & Hughes, E .: The Criminal Justice Act, 1948, 2. Aufl., Lon-

don 1952.

220

Literaturverzeichnis

Observations: s. Reports. Oppen, D. v.: Das Personale Zeitalter, Stuttgart 1960. Parliamentary Debates: The Parliamentary Debates (Authorised Edition), 4th. ser., London. Parliamentary Debates (Hansard), 5th. ser., London. Preventive Detention: s. Reports. Prison Rules: The Prison Rules, 1949, Statutory Instruments, 1949/1073, London. The Prison Rules, 1952, Statutory Instruments, 1952/1405, London. The Prison Rules, 1956, Statutory Instruments, 1956/1986, London. The Prison Rules, 1962, Statutory Instruments, 1962/1471, London. The Prison Rules, 1963, Statutory Instruments, 1963/468, London. Übersetzt in: Materialien zur Strafrechtsreform, Bd. IX, S. 19ff., Bonn 1960 (ohne die Änderungen von 1962 und 1963). Prisons and Borstals: s. Reports. Rechenberg, H. v.: Die Unterbringung der vermindert zurechnungsfähigen gefährlichen Gewohnheitsverbrecher, Diss. Harnburg 1966. Rechtsprechung: Die Entscheidungssammlungen sind im Abkürzungsverzeichnis angegeben. Rees, T. & Graham, E.: The Criminal Justice Act, 1948, London 1949. Reports: Report of the Commissioners appointed to enquire into the Operation of the Acts relating to TransportaUon and Penal Servitude, 1863, Reports from Commissioners, 9, XXI, Sess. 1863. - Report of the Select Committee of the House of Lords on the Present State of Discipline in Gaols and Houses of Correction, 1863, Reports from Commissioners, 4; IX, Sess. 1863. - Report of the Royal Commission appointed to consider the Law relating to lndictable Offences, 1879, Reports from Commissioners, 6; XX, Sess. 1878-79. - Report of the Commissioners appointed to enquire into the Working of the Penal ServitudeAct, 1879, Reports fromCommissioners, 23 and 24; XXXVII & XXXVIII, Sess. 1878-79. - Report from the Departmental Committee on Prisons, 1895, Reports from Commissioners, 43; LVI, Sess. 1896. - Observation of the Prison Commissioners on the Recommendations of the Departmental Committee on Prison, 1896, Reports from Commissioners, 30; XLIV, Sess. 1895. - Report of the Departmental Committee on Persistent Offenders, 1932, London, H. M. S. 0 ., Cmd. 4090. - Preventive Detention, Report of the Advisory Council on the Treatment of Offenders, 1963, London, H . M. S. 0. - Prisons and Borstals, Statement of Policy and Practice in the Administration of Prisons and Borstal Institutions in England and Wales, 4th. ed., 1960, London, H. M. S. 0. - Report of the Commissioners of Prisons, 1949---1961, London, H. M. S. 0. - The Adult Offender, 1965, London, H. M. S. 0., Cmnd. 2852. Riedl, M.: Studie über Verbrecherstämmlinge, Spätkriminelle und Frühkriminelle, in: Archiv f. Kriminologie, Bd. 93, S. 7ff., 125ff., 238ff.

Literaturverzeichnis

221

Röhl, H.: Fragen und Fragwürdigkeit der Sicherungsverwahrung, in : Juristen-

zeitung, 1955, S. 145ff.

Rudolph: Zum Vollzug und zur bedingten Entlassung aus der Sicherungsver-

wahrung, in: Deutsche Richterzeitung, 1956, S. 176ff.

Schäfer-Schafheutle: s. Gesetzestexte. Schönke-Schröder: Strafgesetzbuch, Kommentar, 13. Aufl., Berlin-München

1967.

Seelig, E., BeHavic, H.: Lehrbuch der Kriminologie, 3. Aufl., Darmstadt 1963. Sieverts, R.: Die englische Denkschrift über die Behandlung hartnäckiger

Verbrecher, in: Zeitschr. f. d. gesamte Strafrechtswissenschaft, Bd. 53, s. 676.

Sprang er, E.: Pädagogische Perspektiven, 6. Aufl. Heidelberg 1960. Stooss, C.: Vorentwurf zu einem Schweizerischen Strafgesetzbuch, Allgemei-

ner Teil, Basel-Genf 1893.

Tayler, R. S.: The Chronic Offend er, in: Proc. of the Royal Society of Medicine,

Bd. 56, 5, S. 367 ff., 1963. The Habitual Criminal, in: The British Journal of Criminology, 1960, S. 21 ff., London. The Adult Offender: s. Reports.

-

Turner, M.: Norman House, London 1961. - Safe Lodging, London 1961. Vorentwurf: s. Entwürfe. Walker, N. D.: The Habitual Criminal: An Administrative Problem, in: Public

Administration, 1963, S. 265 ff., London.

-

The Sentence of the Court, in: The Listener, London, 28. 6. 1962.

Wetzet, H.: Das deutsche Strafrecht, 9. Aufl., Berlin 1965. West, D. J.: The Habitual Prisoner, London 1963. WiHiams, J. F. H.: The Sentencing Policy of the Court of Criminal Appeal,

in: The Howard Journal, Bd. X, 3, S. 201 ff., London 1960.

Würtenberger, Th.: Die geistige Situation der deutschen Strafrechtswissen-

schaft = Freiburger Rechts- und Staatswissenschaftliche Abhandlungen, Bd. VII, hrsg. von der rechts- und staatsw. Fakultät der Universität Fn~i­ burg/Br., Karlsruhe 1957.