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German Pages 198 Year 1993
HANS-PETER TRAMPLER Verfassungs- und unternehmensrechtliche Probleme der bundesdeutschen Flugsicherung
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 626
Verfassungs- und unternehmensrechtliche Probleme der bundesdeutschen Flugsicherung
Von Hans-Peter Trampler
Duncker & Humblot * Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Trampler, Hans-Peter: Verfassungs- und unternehmensrechtliche Probleme der bundesdeutschen Flugsicherung / von Hans-Peter Trampler. — Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 626) Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07635-4 NE: GT
η2 Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Computer College, Hamburg 13 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07635-4
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1991 von der Wirtschaftsund SQzialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertationsschrift angenommen. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. K.A. Schachtschneider (Lehrstuhl für öffentliches Recht), danke ich an dieser Stelle für die großzügige und selbstlose Förderung meiner wissenschaftlichen Ausbildung und der vorliegenden Arbeit. Aufrichtiger Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. J.G. Helm für die Mühe des Zweitgutachtens. Für die materielle Förderung zur Erstellung dieser Arbeit gebührt meinen Eltern besonderer Dank, und auch das großzügige Stipendium der 'Flughafen Frankfurt Main Stiftung' sei hier dankend erwähnt. Auch den am Gesetzgebungsverfahren zur BFS-Privatisierung beteiligten Behörden und den luftfahrtlich interessierten Stellen danke ich für ihre freundlich gewährten und praxisnahen, förderlichen Auskünfte. Hamburg, im April 1992
Hans-Peter Trampler
Inhalt Einleitung und Gegenstand der Untersuchung
15
A. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
17
I. Die Anfänge des Luftverkehrs/-rechts bis 1918 II. Die Entwicklung des Luftverkehrs/ -rechts von 1918 bis 1933
17 20
1. Das erste Reichsluftamt und die Weimarer Verfassung
20
2. Der Versailler Vertrag von 1919
22
3. Die Entwicklung der Polizeiflugwachen
22
4. Gestaltung des deutschen Luftverkehrsrechts unter dem Vorbehalt des Versailler Vertrages
23
a) Der Rapallo-Veitrag
25
b) Das erste Luftverkehrsgesetz
25
c) Die Pariser Vereinbarungen
26
d) Die Luftfahrt-Verwaltungskompetenz
26
5. Beginn des Linienflugverkehrs in Deutschland
27
6. Erster Flugsicherungsdienst als Reichsbehörde
28
7. Erste Luftverkehrs-Ordnung von 1930
29
III. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1933 bis 1945 1. Die Reichs-Luftfahrtverwaltung a) Die Luftpolizei b) Verordnung über den Aufbau einer Reichsluftfahrtverwaltung 2. Das Luftaufsichtsgesetz
30 31 31 32 33
3. Schlußbetrachtung der historischen Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts bis 1945 IV. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart
34 35
1. Auflösung der deutschen Luftfahrtverwaltung
35
2. Besatzungsstatut und deutsche Luftfahrt als Vorbehaltsgebiet der Alliierten .
35
3. Aufbau der bundesdeutschen Luftfahrtverwaltung
36
a) Erste Schritte zur bundesdeutschen Lufthoheit
38
b) Gründung der Bundesanstalt für Flugsicherung
39
c) Flugsicherung und Flughafenuntemehmer
41
d) Das Bundes-Luftfahrtamt
42
e) Ablösung des Besatzungsregimes
43
f) Neufassung der Luftverkehrsnormen
43
8
Inhalt g) Art. 87 d GG und die Zuordnung der Kompetenzen in der Luftverkehrsverwaltung 4. Das EUROCONTROL-Übereinkommen
44 46
a) Organe der EUROCONTROL-Organisation
46
b) Aufgaben der EUROCONTROL
47
c) Das Änderungsprotokoll
47
d) Aussicht einer Neugestaltung von EUROCONTROL
49
5. Die Luftverkehrspolitik von 1953 bis zur Gegenwart
49
B. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Zehnten Änderung des Luftverkehrsgesetzes I. Zielsetzung des Gesetzentwurfes
52 52
II. Aufbau der neuen Flugsicherungs-GmbH
53
1. Die Rechtsform
53
2. Die Aufgaben der Flugsicherungs-GmbH
54
3. Die beliehene Flugsicherungs-GmbH als Behörde und ihr Personal
55
4. Die Finanzierung
55
5. Sonstige Rechte der neuen GmbH
56
6. Zivile und militärische Flugsicherung
56
III.
Die Aufhebung des BFS-Gesetzes und analoge Anpassungen diverser Rechtsnormen
57
IV.
Das Gesetz zur Übernahme der BFS-Mitarbeiter
57
1. Personalkosten der geplanten Umwandlung
58
C. Kritik der Fiskustheorie und der formellen Privatisierung bei Schachtschneider
...
I. Kritik der Fiskustheorie
60 60
II. Institutioneller Begriff des Staatlichen statt des dezisionistischen funktionalen Begriffes der Fiskustheorie
61
III.
Anwendung der Fiskuskritik Schachtschneiders auf das zu untersuchende Gesetzes vorhaben: Materielle statt formeller BFS-Privatisierung
62
IV.
Weitere Prüfung des Gesetzentwurfs
63
D. Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters I. Die Aufgaben der BFS gemäß BFS-Gesetz a.F 1. Die Flugsicherungsbetriebsdienste der BFS
. .
65 65 66
a) Flugverkehrskontrolldienst
67
b) Fluginformationsdienst
68
c) Übrige Flugsicherungsbetriebsdienste
69
d) Flugsicherungstechnischer Dienst
69
II. Die Kompetenzen des Bundesministers für Verkehr (BMV)
70
Inhalt III. Die Kompetenzen der BFS und die Rechtsgrundlagen des Vollzugs ihrer Verfügungen 1. Luftaufsichtsrechüiche Verfügungen
71
2. Vollzug der luftaufsichtsrechtlichen Verfügungen durch die BFS
73
a) Selbständige Vollstreckung
73
aa) Rechtsgrundlagen
73
bb) Bewertung
75
b) Amtshilfe zum Vollzug der BFS-Verfügungen
76
aa) Polizei- und Ordnungskräfte der Länder
76
bb) Streitkräfte
77
3. Trennung von militärischer und ziviler Luftveikehrsverwaltung
78
IV. Delegation von Aufgaben der Luftaufsicht auf andere Behörden und auf Private . 1. Auftragsverwaltung der Länder 2. Beleihung Privater mit Aufgaben der Luftaufsicht VI. Ordnungswidrigkeiten und Straftaten gemäß den Vorschriften des LuftVG
79 79 80
V. Die Abwicklung der Flugsicherung VII.
71
81 ...
82
Flugsicherung als polizeiliche Aufgabe ?
84
1. Voibemerkung
84
2. Die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffes der 'Polizei'
85
3. Polizei ist auch Gefahrenabwehr
86
4. Begriff der Flugsicherung in der Rechtslehre
87
5. Unvergleichbarkeit der Tätigkeit von Fluglotsen und Seelotsen
89
6. Zwischenergebnis
91
7. Der Flugsicherungsdienst und insbesondere seine Fluglotsen in der Rechtsprechung
92
a) Bundesverfassungsgericht
92
b) Bundesverwaltungsgericht
92
c) Bundesgerichtshof
92
8. Abschließende Bewertung des Charakters der Flugsicherungsaufgaben . . . .
E. Prüfung der grundgesetzlichen Kompetenz des Bundes zur Errichtung der Flugsicherungs-GmbH I. Vorbemerkung . .
1. Entstehung und Zweck des Art. 87 d G G 2. Die Begriffe "Luftverkehr" und "Luftverkehrsverwaltung" der Art. 73 Nr. 6 und Art. 87 d G G 3. Die "Luftverkehrsverwaltung" des Art. 87 d GG umfaßt insbesondere die Flugsicherung IV. Zusammenfassung
95 95
II. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Luftverkehr nach Art. 73 Nr. 6 GG ΙΠ. Verwaltungskompetenz des Bundes für den Luftverkehr nach Art. 87 d GG
93
96 97 97 100 101 102
10
Inhalt
F. Verfassungsgemäßheit einer mitbestimmten Flugsicherungs-GmbH als 'bundeseigene Luftverkehrsverwaltung'des Art 87 dGG? I. Vorbemerkung
103
II. Läßt die bundeseigene Luftverkehrsverwaltung neben der unmittelbaren auch die mittelbare Verwaltung zu? 1. Die 'bundeseigene Verwaltung* des Art 87 d GG 2. Die Unzulässigkeit mittelbarer Luftverkehrsverwaltung im Schrifttum
103 103
. . . .
3. Der fehlende 'eigene Verwaltungsunterbau* des Art 87 d GG
104 106
4. Mittelbare Verwaltung als zulässige bundeseigene Luftverkehrsverwaltung III. Ingerenzpflichten des Bundes bei mitbestimmter Flugsicherungs-GmbH
103
107
. . . .
1. Mangelhafte Eindeutigkeit des Gesetzentwurfes 2. Streitiges Verhältnis der Mitbestimmungsgesetze zum Gesellschaftsrecht
109 109
. .
109
3. Weisungs-und Eingriffsrechte des Bundes
110
4. Die Gesellschaftsorgane der Flugsicherungs-GmbH
111
a) Die Gesellschafterversammlung
111
b) Der Aufsichtsrat
112
aa) Zusammensetzung des Aufsichtsrates
112
bb) Aufgaben des Aufsichtsrates
113
cc) Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
115
dd)Beschlußfassung des Aufsichtsrates
115
c) Die Geschäftsführer aa) Funktion der Geschäftsführer bb) Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung d) Der Arbeitsdirektor 5. Zweifelhafte S icherung der Ingerenzpflichten des Bundes gegenüber der Flugsicherungs-GmbH
116 116 116 117 118
a) Die eindeutige Gesetzeslage
118
b) Arbeitnehmermitbestimmung reduziert die gebotene Vormachtstellung des Bundes
119
c) Weitere Hinweise auf die gefährdete Sicherung der Ingerenzpflichten des Bundes
120
aa) Machtbewußte Fluglotsen
120
bb) Weisungsunabhängigkeit des Aufsichtsrates
121
cc) Private Anteilseigner der Flugsicherungs-GmbH und die Bildung von Beiräten 6. Zusammenfassung und Ausblick
G. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen Art 33 Abs. 4 GG ? I. Gegenstand der Untersuchung II. Beamtenvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG
122 122
125 125 125
Inhalt
III.
1. Auslegungsprobleme
125
2. Dynamische Auslegung des Art 33 Abs. 4 GG
126
3. Art 33 Abs. 4 GG als Bestandsgarantie des Berufsbeamtentums
127
4. Beamte sichern die Erfüllung staatlicher Aufgaben
128
'Hoheitsrechtliche Befugnisse* zur inhaltlichen Bestimmung des Funktionsvorbehaltes
129
1. Auslegung des Vorbehaltes im Schrifttum a) Eingriffs-und Leistungsverwaltung
129 130
b) Obrigkeitliches Handeln
132
c) Kriterium der vom Bund gewählten Rechtsform
133
2. Aufgabenmäßige Bestimmung des Funktionsvoibehaltes des Art 33 Abs. 4 GG 3. Flugsicherung als ein Element der 'hoheitsrechtlichen Befugnisse1 IV. Die Einschränkungen des Art. 33 Abs. 4 GG
134 136 137
V. Die Beleihung als grundsätzlich zulässige Ausnahme vom Beamtenvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG
138
1. Das Institut der Beleihung
138
2. Intention einer Beleihung
140
3. Kriterien einer zulässigen Beleihung
140
4. Die Übertragung von Hoheitsbefugnissen
141
5. Beispiele der Beleihung mit Hoheitsbefugnissen VI. Zwischenergebnis: Beleihbarkeit der Flugsicherungsaufgaben VII. Flugsicherungs-GmbH als zulässige Ausnahme zum Beamtenvorbehalt ? . . . . 1. Unzureichende quantitative Betrachtung der Ausnahmen vom Regelvorbehalt im Schrifttum 2. Qualitative Betrachtung der Flugsicherungs-GmbH als Ausnahme vom Regelvorbehalt und Prüfung der legitimierenden Gründe
143 144 145 146 147
a) Sachliche Begründung als erste Stufe der Zulässigkeitsprüfung
147
b) Begründung gemäß Gesetzentwurf
148
c) Kritik der Begründung und Ergebnis
149
3. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip ? a) Notwendigkeit der Verhältnismäßigkeitsprüfung
151 151
b) Prüfung der Geeignetheit der Flugsicherungs-GmbH
152
aa) Verbesserungspotentiale im Personalbereich
153
(aa)
Entlohnungs-und Personalbeurteilungssysteme
154
(bb)
Motivations-und Leistungssteigerung
154
(cc)
Aufhebung der Beamten-Altersruhegrenze
155
(dd) Fragliche tarifvertragliche Realisierung der richtigen Maßnahmen
155
bb) Verbesserungspotentiale im Technikbereich
156
cc) Geeignetheit der Flugsicherungs-GmbH
157
c) Prüfung der Erforderlichkeit der Flugsicherungs-GmbH aa) Alternative privatrechtliche Modelle
158 159
Inhalt
12 (aa)
Der eingetragene Verein (eV)
(bb) Die Aktiengesellschaft (AG) bb) Alternative öffentlich-rechtliche Organisationsformen (aa)
Vorbemerkung
160 164 166 166
(bb) Rechtsfähige Flugsicherungs-Anstalt
167
(cc)
168
Vorbild Poststrukturgesetz ?
(dd) EUROCONTROL-Modell cc) Ergebnis der Untersuchung alternativer Organisations- und Rechtsformen c) Prüfung der Verhältnismäßigkeit
171 173 174
aa) Untersuchung der Verhältnismäßigkeit des Mittels 'FlugsicherungsGmbH'
175
(aa)
175
Mangelhafte Staatlichkeit der Flugsicherungs-GmbH
(bb) Flugsicherungs-GmbH als Privatisierungs-Vorbild für andere Verwaltungszweige ? (cc) Aufhebung des Streikverbotes (dd)
Unternehmerische Mitbestimmung der Mitarbeiter der Flugsicherungs-GmbH
(ee) Auswirkung auf die Flugtarife
175 176 177 177
bb) Verhältmsmäßigkeitsprüfung verneint die ' Insich-Beleihung ' der BFSPrivatisierung
179
cc) Die Organisationsprivatisierung der BFS deckt allgemeine Verwaltungsmängel auf
180
H. Zusammenfassung und Schlußbemerkung I. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse II. Schlußbemerkung
Literaturverzeichnis
183 183 188
190
Abkürzungsverzeichnis ABl.
Amtsblatt
AB1AHK
Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission
ALR
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (1794)
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts
AR
Aufsichtsrat
ArG
Arbeitsgericht
AVV
Allgemeine Verwaltungsvorschrift
BAT
Bundes-Angestelltentarifvertrag
BayVBl.
Bayerische Verwaltungsblätter, München
BAnz.
Bundesanzeiger
BArbG
Bundesarbeitsgericht
BBesG
Bundesbesoldungsgesetz
BBG
Bundesbeamtengesetz
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BFS
Bundesanstalt für Flugsicherung
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BHO
Bundeshaushaltsordnung
BMV
Bundesminister für Verkehr
BR
Bundesrat
BR-Drucks.
Drucksache des Deutschen Bundesrates, Wahlperiode und Nummer
BRRG
Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz)
BT
Bundestag
BT-Drucks.
Drucksache des Deutschen Bundestages, Wahlperiode und Nummer
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
BVM
Bundesministerium für Verkehr
CAB
Civil Aviation Board
DAG
Deutsche Angestellten Gewerkschaft
ECV
EUROCONTROL-Vertrag
EWGV
Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
FS
Flugsicherung
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
14
Abkürzungsverzeichnis
HGB
Handelsgesetzbuch
HStR
Handbuch des Staatsrechts
ICAO
Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (International Civil Aviation Organization)
JöR n.F.
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Neue Fassung
KRABI.
Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland
LBA
Luftfahrt-Bundesamt
LFZ
Luftfahrzeug
LuftVG
Luftverkehrsgesetz (neu)
LVG
Luftverkehrsgesetz (alt)
LuftVO
Luftverkehrsordnung (neu)
LuftVZO
Luftverkehrszulassungsordnung
LVO
Verordnung über Luftverkehr (alt)
MBliV
Ministerialblatt für die innere preußische Verwaltung
MitbestG
Mitbestimmungsgesetz
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
ÖTV
Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport urd Verkehr
OLG
Oberlandesgericht
OWiG
Ordnungswidrigkeitengesetz
PAG
Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei in Bayern
PoststruktG
Poststrukturgesetz
(Polizeiaufgabengesetz) PostVerwG
Postverwaltungsgesetz
PrPolVG
Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz (1931)
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGZ.
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
RLA
Reichsluftamt
RLAD
Reichsluftaufsichtsdienst
RLM
Reichsluftfahrtministerium
RMdL
Reichsminister der Luftfahrt
RMinBl.
Reichsministerialblatt
RVM
Reichsverkehrsminister
Rz(n).
Randziffer(n)
StGB
Strafgesetzbuch
TVG
Tarifvertragsgesetz
VG
Verwaltungsgericht
VO
Verordnung
VV
Versai Her Vertrag
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer, Berlin
VwVfG
Verwaltung sverfahrensgesetz
VwVG
Verwaltungsvollstreckungsgesetz
WRV
Weimarer Reichsverfassung
ZDV
Zentrale Dienstvorschrift
ZfF
Zentralstelle für Flugsicherung
ZLR
Zeitschrift für Luftrecht (1952-1959), Köln
ZLW
Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen (1960-1974); Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht (ab 1975), Köln
Einleitung und Gegenstand der Untersuchung Die vorliegende Arbeit untersucht die verfassungs- und die unternehmensrechtlichen Fragen, die sich bei der Prüfung der geplanten Organisationsprivatisierung der 'Bundesanstalt für Flugsicherung'(BFS) ergeben. Dieses Gesetzesvorhaben der Bundesregierung wurde von einer vehement und nicht immer sachgerecht geführten Diskussion um die bundesdeutsche 'Flugsicherungskrise' begleitet Die Auswirkungen in Form von Flugverspätungen, Kapital- und Kraftstoffmehrverbrauch gaben der von luftfahrtlichen Institutionen geführten Diskussion ständig neue Impulse und erweiterten den Kreis der Betroffenen. Der entscheidende Schritt zur Lösung der Flugsicherungskrise wird übereinstimmend in der formellen Privatisierung der BFS-Aufgaben gesehen. Auf diese Weise soll die bundesdeutsche Flugsicherung dem Prokrustesbett der öffentlichrechtlichen Dienst-, Besoldungs- und Haushaltsvorschriften entsteigen. Über eine größere Dispositionsfreiheit in den personellen und wirtschaftlichen Bereichen der Flugsicherungs-GmbH und ein dem Stand der Technik entsprechendes Flugsicherungssystem, soll das stetig zunehmende Luftverkehrsaufkommen in dem stark belasteten bundesdeutschen Luftraum bei geringem Unfallrisiko zukünftig besser bewältigt werden. Zudem soll die Überführung der BFS-Beamten in die privatrechtliche Organisations- und Rechtsform des Flugsicherungsunternehmens eine deutlich höhere Bezahlung ermöglichen und somit den erheblichen Motivationsproblemen und dem Nachwuchsmangel an Flugsicherungspersonal begegnen. Diese Privatisierung der nach h.M. hoheitlichen, sonderpolizeilichen Flugsicherungsaufgaben wird allein nicht ausreichen, den Ansprüchen des Luftverkehrs der nahen Zukunft effizient zu genügen. Sie ist vielmehr nur ein erster, in der vorliegenden Arbeit zu untersuchender, von vielen notwendigen1 Schritten, hin zu einer national und international leistungsfähigen Flugsicherung, die vor dem Hintergrund der deutschen Wiedervereinigung, der Öffnung Osteuropas und der geplanten Deregulierung des europäischen Flugverkehrs, im Rahmen der Libera-
1 Stichpunkte zu weiteren Engpässen der Flugsicherung: sechs bundesdeutsche Flugsicherungszentralen arbeiten mit fünf verschiedenen Betriebskonzepten Trennung von militärischer und ziviler Flugsicherung und sehr große militärische Luftkorridore starre Sektorenstruktur der Flugsicherung fehlende Abfertigungskapazitäten für Flugzeuge am Boden und fehlende Radar-Rollfeldüberwachung - quasi gescheiterter Aufbau einer supranationalen europäischen Flugsicherung (EUROCONTROL)
-
16
Einleitung und Gegenstand der Untersuchung
lisierung des EG-Binnenmarktes 1993, dringend geboten ist Das allgemein unerwartet starke Wachstum des Luftverkehrs läßt eine Verdoppelung des heutigen Aufkommens bis zur Jahrtausendwende erwarten. Diese Zunahme des Luftverkehrs und seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung scheint nur durch infrastrukturelle Beschränkungen am Boden und in den Bereichen der Flugsicherung und der übrigen Luftverkehrsverwaltung zu bremsen zu sein. Gegen ein unbegrenztes Wachstum des Luftverkehrs stellen sich zunehmend auch betroffene und interessierte Bürger, die gegen die Schaffung neuer Flughafenkapazitäten agieren, auf die Umweltbelastung durch Flugzeugkraftstoff verweisen und auf die Verwirklichung alternativer Verkehrskonzepte drängen. Der Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt auf dem Gesetzentwurf der Bundesregierung 2 zum 'Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes'. Die geplante formelle BFS-Privatisierung wirft zahlreiche Fragen auf, deren Formulierung und Beantwortung das Ziel dieser Arbeit ist: Verfügt der Bund über die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz zur Einrichtung der Flugsicherungs-GmbH? Verstößt dieses Unternehmen gegen das Gebot der bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung des Art.87 d GG? Kann der Bund seinen Ingerenzpflichten genügen? Ist Flugsicherung eine bedenkenlos an Private übertragbare Dienstleistung oder eine hoheitsrechtliche Befugnis im Sinne des Art.33 Abs.4 GG? Ist die Trennung von polizeilicher Kompetenz und ihrer Aufgabendurchführung und damit die vorgesehene Beleihung der GmbH zulässig? Ermöglicht die Privatisierung die beabsichtigte flexiblere Unternehmensführung und leistet einen wirksamen Beitrag zur Lösung der Flugsicherungsprobleme? Ist die Herauslösung der nach h.M. sonderpolizeilichen BFS-Aufgaben aus dem öffentlichen Dienst- und Haushaltsrecht und die somit zugelassene Mitbestimmung und Streikfreiheit der GmbH-Angestellten verhältnismäßig? Machen Flugsicherungsinitiativen der EG zu einer gesamteuropäischen Luftverkehrsflußregelung oder ein erweitertes EUROCONTROL-Übereinkommen das bundesdeutsche Flugsicherungsunternehmen entbehrlich?
2 BR-Drucks 80/90 vom 7.2.90 und Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drucks 80/90 (Beschluß) v. 5.3.90)
A. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts I. Die Anfänge des Luftverkehrs/-rechts bis 1918 Die Entwicklung des Luftverkehrs und des Luftiechts nahm bis in die zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts hinein einen ruhigen Verlauf 1. Erst nachdem die wirtschaftliche Bedeutung und die Möglichkeiten des Luftverkehrs, verstärkt durch die Erfahrungen und technischen Entwicklungen der beiden Weltkriege, erkannt worden sind, entfaltete das Wachstum des Luftverkehrs eine enorme Dynamik, die bis zur heutigen Zeit anhält. Dem letztendlich gescheiterten Flugversuch des Ikarus, der gemäß der griechischen Mythologie, mit aus Vogelfedern und Wachs nachgebildeten Flügeln, zusammen mit seinem Vater Dädalus aus einem Labyrinth entkommen konnte, folgten viele Jahre später, um das Jahr 1500 herum, die ersten Konstruktionsversuche, den ewigen Traum des Menschen vom Fliegen zu realisieren. Leonardo da Vinci entwarf Fluggeräte mit Schwingenflächen, die nach dem Vorbild des Fledermausfluges von menschlicher Muskelkraft angetrieben werden sollten 2 . Der Schritt von solchen zeichnerischen Entwürfen hin zu den ersten erfolgreichen, nicht motorisierten Flügen fast drei Jahrhunderte später ist als der Beginn des Zeitalters der Luftfahrt zu sehen. Dieses begann am 5. Juni 1783 mit dem ersten erfolgreichen, noch unbemannten Flug eines mit Heißluft gefüllten Ballons der Brüder Montgolfière in ihrem Heimatort Annonay/Frankreich. Der erste bemannte Flug in einem Heißluftballon gelang den Franzosen de Rozier und dem Marquis d'Arlades am 21. November desselben Jahres in Paris. Die Flugdauer betrug 25 Minuten 3 . Erst dieses neue Medium der Heißluft 4 beendete vorläufig die lange Zeit erfolgloser Entwicklungsversuche, Flugzeuge mit Schwebe- oder Tragflächen zu konstruieren 5.
1
A.Meyer\ Rückschau, Z L W 1974, S. 230 weist auf die ersten luftrechtlichen Abhandlungen z.B. Diss, aus dem Jahre 1687, welche die Frage nach der Staatsgewalt im Luftraum erörterte- und Schriften- z.B. die Überlegungen Rousseaus, noch vor dem ersten erfolgreichen Ballonflug, die Rechtsfragen des Luftverkehrs analog den Seeverkehrsvorschriften zu regeln - hin. 2 Wissmann, Geschichte der Luftfahrt, S. 40ff. 3
Lochner, Weltgeschichte der Luftfahrt, S. 38 Parallel entwickelten die Brüder Charles einen mit Wasserstoffgas gefüllten Ballon, der unter dem Jubel von 300.000 Pariser Zuschauern einen Jungfemflug über eine Distanz von 40 Kilometern absolvierte; Wissmann, ebenda, S. 89. 4
2 Trampler
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
18
In den folgenden 120 Jahren nahm die Anzahl der Ballonflieger zu und nach seiner technischen Neuentwicklung durch Lilienthal im Jahre 1891 fand der Gleitflug mit unmotorisierten Segelflugzeugen seine Verbreitung. Der Freiballon konnte bis zum Jahre 1905 sein Monopol als einziges Luftverkehrsmittel im Deutschen Reich behaupten, wobei die Entwicklung der Luftfahrt in dieser Pionierzeit durch die unzureichenden Entwicklungsressourcen, die nur von Privatpersonen aufgebracht wurden, charakterisiert war 6 . Die zunehmende Bedeutung der Luftfahrt als Verkehrsmittel machte im Deutschen Reich die ersten Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Luftrechts notwendig, um die Gefahren des Luftverkehrs zu begrenzen. Diese Vorschriften hatten primär die Aufirechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sowie den Schutz der nichtfliegenden Bevölkerung vor den Luftfahrzeugen zum Ziel: So erließ der Polizeipräsident von Berlin im Jahre 1886 die Anordnung, daß jeder Start eines Luftfahrzeuges einer polizeilichen Erlaubnis bedurfte. Am 4.9.1892 erging ein 'Circular des Ministers des Innern über Vorschriften betr. den Betrieb der Luftfahrt' 7 . Diese und andere damalige Anordnungen sind Hinweis auf den im preußischen Polizeirecht liegenden Ursprung des Luftrechts 8 . Im Jahre 1906 hatte Graf Zeppelin's weltweit erstes lenkbares Luftschiff seinen erfolgreichen Jungfemflug. Es folgte eine Periode der ständigen Weiterentwicklung der Motorisierung, Lenkbarkeit und Nutzlast der Luftschiffe, die zwar auch das Interesse des Militärs gefunden hatten, im Ersten Weltkrieg jedoch nicht überzeugen konnten. Erst der katastrophale Absturz des Zeppelins 'LZ Hindenburg' in Lakehurst bei New York im Mai des Jahres 1937 und die Nachfrage der Luftpassagiere nach höheren Reisegeschwindigkeiten ließ die Popularität dieser, mit Helium oder Wasserstoff gefüllten und von bis zu sechs Motoren angetriebenen, Luftschiffe zurückgehen 9. Motorisierte Flugzeuge konnten zunehmend diese Anforderungen erfüllen und die Luftschiffe ersetzen. So bedeuteten die ersten Motorflüge des deutschstämmigen Flugpioniers Gustav Weißkopf im Jahre 1901 10 und der Brüder Wright im Jahre 1903 in Amerika den Beginn der motorisierten Luftfahrt, die aber erst einige Jahre später auch zur Überwindung größerer Distanzen technisch in der Lage war, wie die erste Überquerung des Ärmelkanals per Motorflugzeug durch den Franzosen Bleriot im Jahre 1909 und der erste Atlantiküberflug - nonstop - durch C. Lindbergh per Eindecker im Mai 1927, bewiesen 11 . Solche grenzüberschreitenden
5
S.a. Riese , Luftrecht, S. 5
6
Vgl. a. Wissmann, ebenda, S. 14
7
(MB1IV, S. 211)
8
Türk, Das öffentliche Recht der Luftfahrt, S. 4 Darstellung der Entwicklung der Luftschiffahrt bei Wissmann, ebenda, S. 152ff.
9 10 11
Brockhaus-Enzyklopädie, 20.Bd., 17.Aufl., 1974, S. 157 S.a. Lochner t ebenda, S.127
I. Die
nng
des Luftverkehrs/-rechts bis 19
19
Flüge machten internationale Verträge zur Klärung der Fragen des öffentlichen Luftverkehrsrechts, z.B. Überflug - und Landungsrechte in Drittstaaten, notwendig. Die im Jahre 1910 in Paris abgehaltene erste internationale diplomatische Luftfahrtkonferenz mit den Delegierten von 19 europäischen Ländern hatte diese Fragen zum Gegenstand. Die Konferenzteilnehmer konnten sich zwar, wegen ihrer gegensätzlichen Auffassungen über die Lufthoheits- und Luftfreiheitstheorie 12 , nicht auf international anerkannte Regeln des freien Luftverkehrs einigen, aber es wurde erstmals die Notwendigkeit überstaatlicher Luftverkehrsregeln anerkannt 1 3 . Auch eine reichsgesetzliche Regelung dieser Fragen fehlte bislang: So gewährte der Art.4 (Angelegenheiten der Reichsgesetzgebung) der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16.04.1871 dem Reich noch keine Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Luftfahrt, wie etwa für das Eisenbahnwesen (Nr.8) und den Schiffahrtsbetrieb (Nr.9). Diese Zurückhaltung des Reichs im Bereich der Luftfahrt ist verständlich, da der Ballonflug um 1871 zwar technisch realisiert war, aber noch keine Bedeutung als Verkehrsmittel erlangt hatte. Vielmehr hatten die Länder die ausschließliche Luftrechtskompetenz, sowie die Verwaltung und Beaufsichtigung inne 1 4 . In Preußen bestimmte das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) von 1794 in seinem 'II.Theil, 17.Titer § 10 lediglich die allgemeine polizeiliche Generalklausel 15, die auch für das Luftfahrtwesen galt, wie folgt: "Die Nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publiko, oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu treffen, ist das Amt der Policey. " Diese Lücke reichsgesetzlicher Vorschriften füllte mit Billigung des Reichs teilweise der 'Deutsche Luftfahrerverband', der als privater Verein durch die Entwicklung von Flugverkehrsregeln, Verordnungen 16 und Tauglichkeitsprüfungen für Luftfahrgeräte und Piloten maßgeblichen Einfluß auf die Gestaltung und Definition des Luftverkehrsrechts 17 nahm. Zur reichseinheitlichen Regelung des Luftverkehrs wurde dem Deutschen Reichstag im Januar 1914 der erste Entwurf eines Luftverkehrsgesetzes vorgelegt.
12 13 14
Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 5 Faller , The historical significance of a diplomatic failure: The Paris Air Navigation Conf., S. 83
Vgl.a. H. Busse, Die L u f t a u f s i c h t S . 12 In dieser Generalklausel des ALR wurde erstmals der Begriff der Gefahrenabwehr, als das entscheidende Merkmal polizeilicher Tätigkeit, definiert. 16 Z.B. Verordnung bzgl. Flugplätze und Flugfelder vom 15.12.1912 und Luftverkehrs-Verordnung vom 20.12.1913 17 V. Unruh, Flughafenrecht, S. 11 Anm.15 15
20
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
Der Entwurf gelangte jedoch bis zum Kriegsbeginn nicht über das Beratungsstadium hinaus. Der erste Weltkrieg verlagerte dann die technische Entwicklung der Luftfahrt auf ihre militärische Nutzbarmachung, wobei mit enormen Entwicklungs- und Kapitalressourcen eine rasche Höherentwicklung des technischen Standes der Luftfahrt erreicht wurde 18 . Mit diesem wirtschaftlichen Engagement sicherten sich die militärischen Reichsbehörden maßgeblichen Einfluß auf die gesamte deutsche Luftfahrt und übernahmen auch die polizeiliche Regelung der Luftfahrt, die gemäß Verfassungslage bis zum Kriegsbeginn Ländersache gewesen war. Während der Kriegsjahre erfuhr das zivile Luftrecht keine Ausgestaltung, da alle Luftfahrzeuge unter Kriegsrecht gestellt und somit kein Zivilflugverkehr möglich war.
II. Die Entwicklung des Luftverkehrs/ -rechts von 1918 bis 1933 Die zuvor beschriebenen ersten Erfahrungen mit den verschiedenen Luftfahrzeugen bildeten lediglich die technische Grundlage für den Luftverkehr heutiger Qualität. Ihren bedeutsamen, weil dem modernen Linienflugverkehr grundsätzlich ähnlich, Aufschwung nahm die Entwicklung des Luftverkehrs und seines materiellen Rechts erst mit dem Ende des ersten Weltkrieges und dem international verstärkten Aufkommen zivilen Luftverkehrs 19 . Für die deutsche militärische Luftfahrt jedoch bedeutete das Kriegsende im November 1918 das vorläufige Ende, verbunden mit der Auflösung der zuständigen militärischen Behörden. Dennoch bedurfte es luftverkehrsrechtlicher Normen zur gesetzlichen Regelung des aufkommenden zivilen Luftverkehrs innerhalb Deutschlands und zur Regelung der Überflüge der Siegermächte und anderer Staaten über deutsches Gebiet.
1. Das erste Reichsluftamt und die Weimarer Verfassung Bevor die gesetzgeberische Arbeit an dem schon 1914 dem Reichstag vorgelegten LuftVG-Entwurf beendet werden konnte, wurden Verordnungen als notwendige Rechtsgrundlage im Bereich des Luftverkehrsrechts erlassen, um das Fehlen jeder zivilen und militärischen Luftfahrtverwaltung zu ersetzen 20. 18 19 20
Vgl.a. Bredow / Müller, Das Luftverkehrsgesetz, S. 1 Vgl.a. Abraham, Das Recht der Luftfahrt, 1960, S. 3 Bredow / Müller, ebenda, S. 1
II. Die Entwicklung des Luftverkehrs/ -rechts von 1918 bis 1933
21
Die gewachsene Bedeutung des Luftverkehrs spiegelte sich in der Zuordnung der Luftverkehrskompetenz als Aufgabe des Reiches wider: Die Verordnung "betreffend die vorläufige Regelung der Luftfahrt" vom 26.11.1918 21 bestimmte, daß das Reichsamt des Innern "provisorisch die Verhältnisse der Luftfahrt" zu regeln und zur Ausführung dieser Aufgabe ein Reichsluftamt (RLA) zu errichten habe. Per Erlaß vom 4.12.1918 22 wurde das Reichsluftamt, zur selbständigen Bearbeitung der "Angelegenheiten der Luftfahrt", unter der Maßgabe errichtet, daß das Luftfahrtrecht unter Mitwirkung des Reichsluftamtes vom Reichsamt des Innern geordnet würde. Als Unterbau für seine Tätigkeit diente dem RLA die Verordnung betr. "die vorläufige Regelung des Luftfahrtrechts" vom 7.12.1918 23 , welche eine gekürzte und dadurch verschlechterte 24 Fassung des LuftVG-Entwurfes vom 31.1.1914 war. § 12 der VO erteilte dem RLA die "ausschließliche Befugnis, nach seinem Ermessen im Einzelfall Luftfahrt zuzulassen". Diese Einzelzulassung war notwendig, solange das RLA keine allgemein gültigen Bestimmungen über Prüfung, Zulassung und Kennzeichen der Luftfahrzeuge, sowie Luftverkehrsregeln gemäß § 10 Nrn. 1 4 VO erlassen hatte. In der Weimarer Verfassung vom 11.8.1919 erhielt diese Zuständigkeit des Reiches für den Bereich der Luftfahrt, gemäß Art.7 Nr. 19 W R V 2 5 in Verbindung mit Art. 12 WRV Verfassungsrang. Danach oblag dem Reich die Gesetzgebung über den "... Verkehr mit Kraftfahrzeugen 26 zu Lande, zu Wasser und in der Luft..., soweit es sich um den allgemeinen Verkehr und die Landesverteidigung handelt". Die Art.90, 91 und 97 WRV regeln die Ausübung der Polizeigewalt durch Reichsbehörden für die diversen Bereiche des Verkehrswesens. So ist neben der Eisenbahnpolizei und der Strom- und Schiffahrtspolizei für das Gebiet der Luftfahrt die Luftpolizei auf den Flughäfen für die ordnungsgemäße Durchführung des Luftverkehrs verantwortlich 27 . Diese Kompetenzzuordnung bestand im wesentlichen bis zum Inkrafttreten der Verordnung über Luftverkehr 28 vom 19.07.1930 fort 2 9 .
21 22 23 24 25
RGBl., S. 1337 RGB1.,S. 1400 RGBl.,S. 1407 So: v. Unruh, Flughafenrecht, S. 25 RGBl.II, S. 1383; vgl.a. R. Schleicher, LuftVG, S. 1
26
Anm. d. Verf.: Die Gesetzgebung für Ballone und Segelflugzeuge als nicht motorisierte Kraftfahrzeuge lag in der Kompetenz der Länder; vgl. a. H. Busse, ebenda, S. 20 27 S.a. Drews / Wacke / Vogel, Gefahrenabwehr, S. 9, § 1 28
RGB1.I, S. 363
29
A. We gerät, Deutsche Luftfahrtgesetzgebung, 1930, S. 13
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
22
2. Der Versailler
Vertrag von 1919
Während der Jahre zwischen den beiden Weltkriegen nahm der am 28. Juni 1919 zwischen den alliierten und assoziierten Siegermächten und dem Deutschen Reich unterzeichnete Versailler Vertrag ( W ) 3 0 maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der deutschen Luftfahrt und des Luftverkehrsrechts: Teil V Abschnitt 3 Versailler Vertrag (Art. 198-202) enthielt die vernichtenden Vertragsbestimmungen bezüglich der deutschen Heeres- und Marineluftfahrt: So verbot Art. 198 W die Unterhaltung von Luftstreitkräften zu Lande und zu Wasser als Teile des Heeres. Vorhandene deutsche Luftfahrzeuge mußten an die Alliierten ausgeliefert oder zerstört werden, neue Flugzeuge durften nicht gebaut werden. Art.202 W bestimmte die Auslieferung und Zerstörung des gesamten Heeresund Marineluftfahrzeuggerätes, wozu auch ortsfeste Anlagen, wie z.B. Flugzeughallen zählten. Teil X I (Art.313-320) W 3 1 regelte die Luftfahrt der Verbandsmächte auf deutschem Gebiet: Die Art. 313ff. W räumten den Militärflugzeugen der Verbandsmächte im gesamten Reichsgebiet bis zur Räumung desselben freies Überflug- und Landerecht ein. Die strikten Bestimmungen des Versailler Vertrages wurden durch das 'Londoner Ultimatum' vom 5.5.1921 teilweise verschärft. So wurde auch das Bau verbot für Luftfahrzeuge bis zum 5.5.1922 verlängert 32 .
3. Die Entwicklung der Polizeiflugwachen Besonders die Entwicklung der Polizeiflugwachen in dieser Nachkriegszeit läßt den starken Willen der Deutschen erkennen, sich von den Bestimmungen des Versailler Vertrages, gerade auf dem technisch anspruchsvollen Gebiet der Luftfahrt, nicht den Anschluß an die Weiterentwicklung nehmen zu lassen. Der Versailler Vertrag verbot zwar jegliche militärische Luftfahrt, untersagte aber nicht ausdrücklich eine Ausrüstung der Polizei mit Flugzeugen: So wurden die Polizeiflieger-Staffeln der Fliegertruppe, deren Stärke gemäß Verordnung vom 26.11.1918 33 auf 1000 Soldaten festgelegt war, in die Polizei der Länder überführt und mit unbewaffheten Flugzeugen des ersten Weltkrieges ausgerüstet, um ihrem Auftrag der Regelung und der Kontrolle des Luftverkehrs bestmöglich nachkommen zu können. Diese Staffeln bestanden jeweils aus zehn Flugzeugen mit
30 RGBl.II 1919, S. 687ff.; Das 'Gesetz über den Friedensschluß zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten' enthielt auch die Bestimmungen des Versailler Vertrages. 31 RGBl., S. 687ff. 32 33
R. Schleicher, Luftverkehrsgesetz, S. 7 RGBl.,S. 1337
II. Die Entwicklung des Luftverkehrs/ -rechts von 1918 bis 1933
23
Besatzung and sicherten gemäß §§ 313ff. W die Luftverkehrsrechte der alliierten und assoziierten Mächte. Befürchtungen der Alliierten jedoch, diese Luftpolizeiabteilungen könnten sich zu einer getarnten Fliegertruppe entwickeln, führten auf der Botschafterkonferenz vom 8.11.1920 zum Einsatzverbot von Flugzeugen bei Polizeieinheiten 34 . Per Erlaß vom 30. Juni 1921 wurden die Luftpolizeiabteilungen infolge des Verbotes der Polizeiflugzeuge zu einem 'luftpolizeilichen Überwachungsdienst' herabgesetzt 35 . Da aber die Siegermächte sogar diese schlecht ausgerüsteten Formationen beanstandeten, wurde die Personalstärke reduziert, bis der Dienst nach einer weiteren Umgestaltung den sogenannten Flugwachen weichen mußte. Die Flugwachen hatten keinen verwaltungsmäßigen Unterbau und bestanden auf jedem öffentlichen Flughafen aus jeweils zehn polizeilich und technisch vorgebildeten Schutzpolizeibeamten36. Den Polizeibeamten der Flugwachen oblag neben der Kontrolle der Luftfahrzeuge und ihrer Passagiere am Boden auch die Flugverkehrsleitung 37 , d.h. Flugverkehrsregelung auf dem Rollfeld und die Überwachung der Luftveikehrsregeln bei Starts und Landungen 38 . Die wechselhafte Geschichte dieser von Polizeibeamten wahrgenommenen Überwachung des Luftverkehrs ist ein deutlicher Hinweis auf die Bedenken der Alliierten, das besiegte Deutsche Reich könnte wieder in irgendeiner Form Streitkräfte aufbauen. Trotz dieser Befürchtungen jedoch zweifelten die Alliierten nicht an der Notwendigkeit, den Flugsicherungsdienst von Polizeibeamten ausführen zu lassen.
4. Gestaltung des deutschen Luftverkehrsrechts Vorbehalt des Versailler Vertrages
unter dem
Am 3.1.1920 erging das Gesetz betr. die vorläufige Regelung der Luftfahrt 39 , welches die Reichsregierung ermächtigte, die Bearbeitung der Luftfahrtangelegenheiten auch anderen Behörden als nur dem Reichsluftamt zu übertragen. Im Januar 1920 nutzte die Reichsregierung diese Befugnis zur Errichtung eines
34 35
H.Busse, Die Luftaufsicht ...,S.27ff. R. Busse, Luftrecht, S. 81
36 Vgl.a. R.Schleicher, LuftVG, S. 191: "Die mit der Wahrung der öffentlichen Sicherheit betrauten Organe der Polizei sind die besonders ausgebildeten Beamten der Ortspolizeibehörden, die in Polizeiflugwachen zusammengefaßt und der Landesbehörde unterstellt sind". 37 Weitere Aufgaben des polizeilichen Überwachungsdienstes waren die Kontrolle der Luftwerften und Flugschulen, die Anfertigung von Statistiken über die Flugbewegungen, um die Entwicklung des Luftverkehrs zu verfolgen, die Untersuchung von Flugunfällen und die Wetterberatung. Sehr detaillierte Beschreibung der Entwicklung von Luftpolizei und Luftrecht bei H. Busse, ebenda, S. 40ff. 38 Tanneberger, Die Luftfahrt und ihre polizeiliche Überwachung, in: Die Polizei, 1926, S. 556ff. 39 RGBl., S. 14
24
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
Reichs Verkehrsministeriums. Das ehemalige Reichsluftamt ging dabei als 'Reichsamt für Luft- und Kraftfahrwesen' in der 'Abteilung für Luft- und Kraftfahrwesen' des neu geschaffenen Reichsverkehrsministeriums auf 4 0 . Am 31. März 1920 wurde die 'Verordnung betr. der vorläufigen Regelung des Luftverkehrs' 41 erlassen. Primäres Ziel der Verordnung war die gesetzliche Gewährleistung des Rechts der vollen Flug- und Landungsfreiheit für die Flugzeuge der Alliierten: So schrieb § 1 der VO aber auch eine Ausweis- und Bordpapierkontrolle für Piloten und Luftfahrzeuge vor. § 4 der VO bestimmte, daß jeder Eigentümer einer Landungsfläche der Polizeibehörde von jeder Landung eines Luftfahrzeuges Mitteilung zu machen habe. Solche Regelungen überbrückten als Interimslösungen die Zeitspanne bis zum Inkrafttreten eines deutschen Luftverkehrsgesetzes. Die Zeit für ein solches LuftVG war jedoch noch nicht gekommen, wie das am 29.6.1921 vom Reichstag beschlossene 'Gesetz über die Beschränkung des Luftfahrzeugbaues' 42 zeigt. Dieses Gesetz sah in Anwendung der Bestimmungen des Versailler Vertrages im § 1 ein Verbot der Herstellung und Einfuhr von Luftfahrzeugen, Luftfahrzeugmotoren und sonstiger Teile des Flugzeugbaus vor. § 2 dieses Gesetzes ermächtigte die Reichsregierung auf dem Gebiet der Luftfahrt diejenigen "Maßnahmen zu treffen, die zur Erfüllung der in der Erklärung der alliierten Regierungen vom 5. Mai 1921 dem Deutschen Reiche auferlegten Verpflichtungen erforderlich werden". Am 5.5.1922 konnte die Reichsregierung das strikte Verbot der Herstellung und der Einfuhr von Flugzeugen zwar mit der 'Verordnung über Luftfahrzeugbau' aufheben, die Luftfahrzeuge mußten jedoch strengen Auflagen 43 genügen und ihr Bau und Inbetriebnahme dem Reichsverkehrsminister angezeigt werden 44 . Die Beschränkung auf die Herstellung schwach motorisierter Flugzeuge ließ keinen Passagiertransport zu und war somit ein großes Hemmnis für die zügige technische Weiterentwicklung des Flugzeugbaus und den Aufbau eines wirtschaftlichen Luftfahrtverkehrsnetzes in Deutschland 45 .
40 Erlaß, betr. die Einrichtung und den Geschäftskreis des Reichsverkehrsministeriums. Nicht veröffentlicht, zitiert aus Bredow / Müller, ebenda, S. 359 41 4 2
RGBl., S. 455; vgl. a. Bredow / Müller, ebenda, S. 7ff. RGBl., S. 789
43 Gem. Anlage dieser V O war die Leistung der Flugzeugmotoren auf 60 PS begrenzt, die Flugzeuge durften weder gepanzert sein noch führerlos zu fliegen sein. Auch die maximale Geschwindigkeit, Gipfelhöhe, Nutzlast war vorgeschrieben und der Einsatz von Kompressoren, zur Leistungssteigerung der Motoren, war untersagt. 44 45
RGBl. 1922, S. 476: Vorgänger der heutigen, vom LBA geführten Luftfahrzeugrolle. S.a. 'Verordnung über Herstellung und Einfuhr von Luftfahrzeugen', RGBl. 1922, S. 927.
II. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1918 bis 1933
25
a) Der Rapallo-Vertrag Die Ambition des Deutschen Reiches und seiner Flugzeugindustrie, ihre ehemalige Bedeutung im Bereich des Flugzeugbaus, trotz des verlorenen Krieges und des Versailler Vertrages, wiederzuerlangen, wurde teilweise im befreundeten Ausland realisiert: Der Rapallo-Vertrag 46 vom 17.7.1922 zwischen dem Deutschen Reich und der Russischen, Sozialistischen, Föderativen Sowjetrepublik ermöglichte dem Deutschen Reich, im Rahmen der in ArL5 des Vertrages vereinbarten wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die Entwicklung und den Bau von Flugzeugen auf sowjetrussischem Gebiet und die Ausbildung von Piloten. Im Gegenzug partizipierten die Sowjets an den Ergebnissen der deutschen Entwicklungsarbeit, die in Deutschland verboten war 4 7 .
b) Das erste Luftverkehrsgesetz Als Rechtsgrundlage für die deutsche48 Luftfahrt tritt am 1.10.1923 das L u f t V G 4 9 in Kraft, nachdem es am 10. August 1922 vom Reichsverkehrsminister unterzeichnet und verkündet wurde 5 0 . Das neue LuftVG enthielt für das materielle Luftverkehrsrecht 51 nur Rahmenbestimmungen, die von der in § 17 Nr.3 LuftVG in Aussicht gestellten, LuftVO ausgestaltet werden sollten 52 . Neben den Luftverkehrsvorschriften enthielt das LuftVG im zweiten Abschnitt auch spezielle Haftungsbestimmungen für den Luftverkehr und löste damit das BGB als einzige Rechtsgrundlage im Bereich des Lufthaftungsrechts ab. Der dritte Abschnitt des neuen LuftVG füllte durch die Festsetzung von Strafbestimmungen für Zuwiderhandlungen gegen das LuftVG eine vielfach empfundene Lücke aus 53 .
46 47
RGBl., S. 677 H. Busse, ebenda, S. 75
48 Auch im europäischen Ausland wurden zu der Zeit Luftverkehrsgesetze erlassen, was die internationale Entwicklung des neuen Verkehrszweiges 'Luftverkehr' belegt: - Französisches LuftVG 31.05.1924 - Italienisches LuftVG 22.08.1923 und LuftVO 1.11.1925 - Niederländisches LuftVG v. 30.7.1926, aber auch Japans erstes LuftVG v. 8.4.1921. Zitiert bei: v. Unruh, Flughafenrecht, S. 2 49
RGB1.I, S. 681
50
S. a. A. Wegerdt, Deutsche Luftfahrtgesetzgebung, 1930, S. 14. Schleicher / Reymann, Recht der Luftfahrt, S. 59f., bezeichneten das LuftVG als das "Grundgesetz" des Luftrechts, das auch nach seiner "kleinen Reform" im Jahre 1936 seinem materiellen Gehalt nach ein Luftpolizei- und Lufthaftungsgesetz war. Die 'Polizeiflugwachen' finden nur in § 9 LuftVG ausdrücklich Erwähnung: "Die zur Einrichtung von Polizeiflugwachen in Flughäfen erforderlichen Räumlichkeiten hat der Unternehmer unentgeltlich bereitzustellen und zu unterhalten." 51
52
V.Unruh, ebenda, S. 27
53
Bredow / Müller, ebenda, S. lOf.
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
26
c) Die Pariser Vereinbarungen Die zuvor beschriebenen Lockerungen der Luftfahrtrestriktionen anfangs der zwanziger Jahre erfuhren eine erhebliche Beschleunigung, als am 1.1.1923 das freie Überflug- und Landungsrecht der Siegermächte gemäß Art.320 W 5 4 außer Kraft trat. Die zentrale Lage Deutschlands in Europa und die erlangte Bedeutung Berlins als Luftverkehrsknotenpunkt ließen diese Situation für den zunehmenden zivilen Luftverkehr unerträglich werden und führten im Dezember 1925 zur Einleitung der Pariser Verhandlungen. Als Verhandlungsergebnis wurden am 22. Mai 1926 von der deutschen Reichsregierung und der Botschafterkonferenz die sogenannten Pariser Vereinbarungen über die Luftfahrt geschlossen. Die Verbote des Versailler Vertrages wurden mit dem Gesetz vom 8.7.1926 zur Durchführung der Art. 177, 178 und 198 des Vertrags von Versailles 55 weiter gelockert. Verboten blieben jedoch weiterhin der Bau, die Einfuhr und der Verkehr von gepanzerten, zum Tragen von Waffen 56 oder zum führerlosen Flug geeigneten Luftfahrzeugen 57 . Das Einflugverbot für deutsche Luftfahrzeuge in die Ententestaaten und die Flugbeschränkungen in der neutralen Zone wurden aufgehoben. Das Polizeifliegerverbot blieb in der Folgezeit grundsätzlich bestehen. Es durften jedoch 50 Polizeibeamte, verteilt auf die örtlichen Polizei-Flugwachen, eine Luftfahrtausbildung erhalten und den Flugführerschein erwerben, um die Flugsicherung der zivilen Verkehrsluftfahrt mit voller Sachkenntnis durchführen zu können 58 .
d) Die Luftfahrt-Verwaltungskompetenz Obwohl das LuftVG von 1922 nur für wenige Fälle eine Verwaltungszuständigkeit des Reiches bestimmte 59 und seine Durchführung gemäß Art. 14 WRV Ländersache gewesen wäre, blieb es faktisch bei der alten durch die Verordnung der Volksbeauftragten festgelegten Reichslösung: Die Länder hatten sich nämlich bereit erklärt, bis zum Erlaß einer Durchführungsverordnung zum LuftVG, die Verwaltung der Luftfahrt dem Reichsverkehrsministerium zuzugestehen60. Die
54
RGBl.II 1919, S. 1205
55
RGB1.I, S. 463f. Verordnung über Luftfahrzeugbau vom 13.07.1926, RGB1.I S. 463 Verordnung über führerlose Flugzeuge ..., vom 13.07.1926, RGB1.I, S. 463 Tanneberger, Die Luftfahrt und ihre polizeiliche Überwachung, in: Die Polizei, 1926, S. 556
56 57 58
59 So z.B. § 11 Abs.2 LuftVG: Genehmigung von Luftfahrtuntemehmen oder überregionaler Luftfahrtveranstaltungen.
II. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1918 bis 1933
27
schnelle und internationale Entwicklung der Luftfahrt, verbunden mit hohen Kosten für die Signalanlagen zur Unterstützung der Flugnavigation und die Einrichtungen für die Prüfung und Zulassung der Luftfahrzeuge ließen die Länder auf die Ausübung ihrer Luftverwaltungskompetenz verzichten 61 .
5. Beginn des Linienflugverkehrs
in Deutschland
Der sich langsam entwickelnde Linienflugverkehr stellte neue Anforderungen an die Funk- und Navigationstechnik, die auch Schlechtwetterflüge ermöglichen sollte. Noch im Jahre 1927 jedoch war etwa der Aufgabenschwerpunkt des ersten privatwirtschaftlichen Unternehmens in diesem Bereich ('Signaldienst für Luftverkehr GmbH*) die Einrichtung und Unterhaltung von einfachen Leucht- und Signalanlagen am Boden. Solange der Luftverkehr auf solche einfachen Bodenmarkierungen zur Orientierung angewiesen und somit wetterabhängig war, konnte sich im Deutschen Reich kein Luftverkehrsunternehmen am Markt durchsetzen. So mußten die ersten Flugverkehrsunternehmen, wie auch die im Jahre 1919 gegründete 'Deutsche Luftreederei', die die erste deutsche Luftverkehrslinie zwischen Berlin und Weimar bediente, und alle folgenden Unternehmen trotz Unterstützung durch das Reich aus wirtschaftlichen Gründen und wegen der Bestimmungen des 'Londoner Ultimatums' vom Mai 1921 ihren Betrieb nach kurzer Zeit einstellen 62 . Als "Exponent der gesamten deutschen Luftverkehrsbestrebungen" 63 ging dann am 6. Januar 1926 aus dem Zusammenschluß der beiden Fluggesellschaften 'Deutscher Aero Lloyd AG'und 'Junkers-Luftverkehr AG'die 'Deutsche Luft Hansa Aktiengesellschaft' hervor und nahm am 6. April 1926 den planmäßigen Flugdienst auf 6 4 . Damit war dem Deutschen Reich, welches über das Reichsverkehrsministerium als Aufsichtsbehörde maßgeblichen Einfluß auf das Unternehmen ausübte, endlich der Anschluß an den international zunehmenden Luftverkehr gelungen.
60
Über diese Lücken in der Gesetzgebung, die provisorischen Zuständigkeiten in der Luftverkehrsverwaltung und anderer, sich aus dem Fehlen einer LuftVO ergebenden, Probleme; vgl. a. Tanneberger, Luftfahrtbelange, in: Die Polizei, 1927, S. 89ff. 61 Darsow, Neuordnung der Luftverkehrsverwaltung, in: Z L W 4/1961, S. 222f.; und Schleicher, LuftVG, S. 2f. 62 A. Weger dl, Deutsche Luftfahrtgesetzgebung, 1955, S. 38 63 64
R. Busse, Luftrecht, S. 26f. Lufthansa Jahrbuch 1990, S. 184
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
28
6. Erster Flugsicherungsdienst
als Reichsbehörde
Das starke Wachstum des Linienflugverkehrs und des von ihm ausgehenden Gefahrenpotentials für Luftverkehrsteilnehmer und unbeteiligte Dritte ließ die erste gesetzliche Vorschrift über die verwaltungsmäßige Durchführung der Flugsicherung im Deutschen Reich entstehen. So wurden per Verordnung des Reichspräsidenten vom 23.7.1927 65 alle "örtlichen Flughafenfunkstellen ... zur einheitlichen Zusammenfassung des Flugsicherungsdienstes im Reiche" einer dem Reichsverkehrsministerium unterstellten Behörde, der 'Zentralstelle für Flugsicherung' (ZfF) zugeordnet Diese Zentralstelle für Flugsicherung war die erste Reichsbehörde, durch welche sich das Reich aktiv in die Luftverkehrsleitung einschaltete. Die damals schon erkannte Notwendigkeit eines zentralen und einheitlichen Aufbaus des deutschen Flugsicherungsdienstes erklärt den reichsbehördlichen Aufbau 66 . Eine nähere Ausgestaltung erfuhr die Reichsbehörde durch die 'Anordnung des RVM über Einrichtung, Gliederung und Aufgabenkreis der Zentralstelle für Flugsicherung' vom 24. November 1927 67 . Zu den Aufgaben dieser Behörde zählten 68 : - Unterstützung der Flugzeugnavigation durch Standort- und Kursbestimmung mittels Funkpeilung - Kontrolle der Luftfahrzeugbewegungen in sogenannten "Funkverkehrsbezirken" - Übermittlung wichtiger Wetter- und Sicherheitsmeldungen zwischen Flugwetterwarten, Polizeiflugwachen, Flugleitungen der Luftverkehrsunternehmen und den Flugzeugen selbst 1929 wurde der privatwirtschaftliche 'Signaldienst für Luftverkehr GmbH' in die Zentralstelle für Flugsicherung integriert. Damit wurden neben der Luftverkehrskontrolle, die Navigationsdienste und die Flugstreckenbefeuerungs-Einrichtungen erstmals in einer reichsbehördlichen Hand vereinigt 69 .
65 66
RGBl.I, S. 237 V. Unruh, Flughafenrecht, S. 38
67 RMinBl. 1927, S. 584: § 1 des Verwaltungserlasses: " Die Zentralstelle für Flugsicherung versieht den Flugsicherungsdienst im Reich und trifft zu diesem Zweck alle erforderlichen Maßnahmen". 68 E. Sommer, Rechtsgrundlagen des Flugsicherungsdienstes in der Bundesrepublik Deutschland, S. 18 69 E. Sommer, ebenda, S. 20
II. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1918 bis 1933
7. Erste Luftverkehrs-Ordnung
29
von 1930
Die schon im LuftVG von 1922 avisierte Luftverkehrs-Ordnung war dem Reichstag bereits 1923 als erster Entwurf vorgelegt worden, fand jedoch ihre Erledigung durch die Reichstagauflösung im Jahre 1924: Personalveränderungen im Reichsverkehrsministerium und die rasche Entwicklung der Luftfahrt ermöglichten erst im Jahre 1929 eine Wiedervorlage des LuftVO-Entwurfes, der nach einigen Änderungen am 19.7.1929 verkündet wurde 70 . Doch erst am 1.10.1930 trat die 'Verordnung über Luftverkehr' 71 , als verwaltungsmäßiger Unterbau zum LuftVG endlich in Kraft. Bis zum Erlaß dieser Verordnung war das LuftVG von 1922 eine lex imperfecta, deren Lücken durch Richtlinien des Reichsverkehrsministeriums sowie durch einzelne Polizeiverordnungen der Länder geschlossen wurden; außerdem übte der Reichs verkehrsminister im Rahmen einer Vereinbarung mit den Ländern die durch das LuftVG bedingte Verwaltungstätigkeit weitgehend allein aus 72 . Eine wesentliche Änderung zu der bisherigen Verwaltungspraxis war die weitgehende Übertragung der hoheitlichen Luftverkehrsverwaltung auf die Länder. Die luftpolizeilichen Aufgaben wurden eindeutig zur Reichsaufgabe erklärt. Hierzu zählten auch die enumerativ aufgeführten Aufgaben der Prüfung der Verkehrssicherheit, die amtliche Zulassung und die Eintragung der Luftfahrzeuge in die Luftfahrzeugrolle -§§ 2-4 LuftVO-. Die polizeiliche Überwachung des Luftverkehrs zum Schutze der "öffentlichen Sicherheit" wurde im § 70 LuftVO festgelegt, wobei Abs. 1 die polizeiliche Generalklausel ( § 4 1 Abs.2 PrPolVG) in ihrer Anwendung auf die Luftfahrt 73 enthielt. Zu den allgemeinen luftpolizeilichen Überwachungspflichten gehörte neben der Ausweis- und Bordpapierkontrolle, die Befugnis, bei Vorliegen eines evidenten Mangels am Luftfahrzeug den Zulassungsschein einzuziehen (§ 70 Abs.2 LuftVO) oder bei Schlechtwetterwarnung die Starterlaubnis zu versagen. § 84 LuftVO berechtigte die Polizei, Luftfahrzeuge über bestimmte Signale zur Landung aufzufordern. § 91 LuftVO definierte die Polizeiaufgabe der Luftverkehrsleitung als
7 0
R. Schleicher, LuftVG, S. 3f. RGBl. I, S. 363. Die LuftVO war in folgende Abschnitte gegliedert: A) Einteilung der Luftfahrzeuge, B) Zulassung und Eintragung der Luftfahrzeuge, C) Der Luftfahrer, D) Ausbildung von Luftfahrern, E) Flughäfen und Bodenorganisationen, F) Luftfahrtuntemehmen und Luftfahrtveranstaltungen, G) Landungsverbote und Luftsperrgebiete, H) Mitführung besonderen Geräts I) Verkehrsvorschriften, K) Haftpflichtversicherung, L) Gebühren, M ) Schlußbestimmungen. 71
7 2 73
Abraham, Das Recht der Luftfahrt, S. 7; Schleicher, ebenda, S. 2f.
So R. Schleicher, Luftverkehrsgesetz, S. 191. Die Polizeiorgane waren die in Polizeiflugwachen zusammengefaßten besonders ausgebildeten Beamten der Ortspolizeibehörden. § 70 Abs.l LuftVO: "Die Polizei kann den Abflug des Luftfahrzeugs verhindern, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. Sie hat das Recht, die vorgeschriebenen Ausweise zu prüfen."
30
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
"Die Regelung des Verkehrs auf dem Rollfeld eines öffentlichen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ..." 74.
Flughafens
Diese Begrenzung der Luftverkehrsleitung auf das Rollfeld öffentlicher Flughäfen belegt die damals noch nicht entwickelte Notwendigkeit einer Luftverkehrslenkung im gesamten - überwachten - Luftraum. § 92 LuftVO legte fest, daß auf öffentlichen Flughäfen nur die Polizei Abfluggenehmigungen erteilen durfte und § 98 LuftVO schrieb auf dem Flughafengelände die Ausweispflicht gegenüber der Polizei vor. Die Wahrnehmung der Luftverkehrsleitung durch die Luftpolizei wurde somit in der Luftverkehrs-Ordnung festgeschrieben, wobei den Flughafenunternehmern keine hoheitliche Befehlsgewalt, etwa zur Luftverkehrslenkung auf dem Rollfeld verliehen wurde. Die Start- und Landefreigaben, sowie die Flugkurse wurden zu dieser Vorkriegszeit von den privaten Flugleitern erteilt, die als Angestellte überwiegend Piloten - der 'Deutschen Luft Hansa AG' über die nötige Sachkenntnis und Erfahrung verfügten 75 .
ΙΠ. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1933 bis 1945 Die weitere Entwicklung der Luftfahrtverwaltung und der mit ihr verbundenen Luftpolizei mündete nach Erlaß der LuftVO in die Reichsluftfahrtverwaltung und damit in eine reichseinheitliche polizeiliche Überwachung der Luftfahrt ein. Das LuftVG blieb trotz verschiedener Änderungen 76 in erster Linie ein Luftpolizei- und Haftungsgesetz 77. Die im Jahr des Umbruchs 1933 beschleunigte Zentralisierung auch der deutschen Luftverkehrsverwaltung hatte die gesetzliche Fixierung der faktischen Reichskompetenz in diesem Verkehrsbereich zur Folge. So leitete die Verordnung über den Reichskommissar für die Luftfahrt vom 2.2.1933 78 diese Bündelung der Kompetenzen der Luftverkehrsverwaltung in einer reichsbehördlichen Hand ein: Das Reichsverkehrsministerium mußte seine Luftfahrtkompetenzen, die es bei seiner Gründung im Jahre 1920 vom Reichsluftamt übernommen hatte, und das
74 Dieses Recht zur polizeilichen Verkehrsregelung sollte ursprünglich den privaten Flughafenunternehmen vorbehalten sein. Da aber dieses Recht weder im LuftVG von 1922 verankert war, noch eine Beleihung der Flughafenunternehmer mit diesem Hoheitsrecht vorgenommen wurde, ist diese Aufgabe von der Luftpolizei wahrgenommen worden; v. Unruh, Flughafenrecht, S. 61 75 Dazu Döring, Kommentar zum LuftVG, 1937, S. 38: Eine solche Beteiligung der Flughafenunternehmer war in den ersten Entwürfen der LuftVO vorgesehen. 76 RGB1.I 1935, S. 1516: Aufhebung des freien Landungsrechts außerhalb von Flughäfen u.a.; RGB1.1 1936, S. 582: Reduzierung des Mindestalters für Luftfahrer u.a. 77 78
Abraham, ebenda, S. 8 RGB1.I, S. 35
. Die Entwicklung des Luftvekehrs/-rechts von 19
bis
31
Reichsministerium des Innern seine Luftschutzkompetenz an den neu installierten Reichskommissar für Luftfahrt, dem auch die Zentralstelle für Flugsicherung unterstellt wurde, übertragen.
1. Die Reichs-Luftfahrtverwaltung Die am 5. Mai 1933 ergangene Verordnung über das Reichsluftfahrtministerium errichtete das Reichsluftfahrtministerium (RLM) als oberste Reichsbehörde für die Luftfahrt 79 und unterstellte dieser die Zentralstelle für Flugsicherung. Der Leiter des R L M führte die Bezeichnung 'Reichsminister der Luftfahrt' (RMdL) und übernahm den Aufgabenbereich und die Befugnisse des nun obsolet gewordenen Reichskommissars für die Luftfahrt. A r t 1 des am 15. Dezember 1933 in Kraft getretenen Gesetzes über die Reichsluftfahrtverwaltung definierte die dem Reichsminister für Luftfahrt unterstellte Flugsicherung als "die Sicherung der Luftfahrt durch Wetter-, Fernmelde- und Peildienst sowie durch Errichtung und Betrieb von Luftfahrtkennzeichen" und die Durchführung des Gesetzes, einschließlich der Überwachung der Luftfahrt (Luftpolizei) zur Reichsaufgabe, die dem Reichsminister der Luftfahrt übertragen ist 8 0 . Im Zuge dieses Gesetzes wurden alle Luftpolizeistellen der Länder in dem Reichsluftaufsichtsdienst (RLAD) zusammengefaßt und dem Reichsministerium der Luftfahrt - Amt für Zivile Luftfahrt -, unterstellt 81 .
a) Die Luftpolizei Mit dieser organisatorischen Neuerung wurde die Trennung der Luftpolizei von der allgemeinen Schutzpolizei vollzogen 82 . Diese Luftpolizei des Reiches war auch zum Vollzug ihrer luftaufsichtsrechtlichen Verfügungen befugt und zu diesem Zweck technisch mit Schußwaffen und Überwachungsflugzeugen ausgerüstet. Der durch Art.2. Nr. 6 des Gesetzes über die Reichsluftfahrtverwaltung in das LuftVG eingefügte § 16 a besagte, daß die Durchführung des LuftVG, einschließlich der Überwachung der Luftfahrt (Luftpolizei) nunmehr Aufgabe des Reiches war. Diese ausdrückliche Definition als Reichsaufgabe war notwendig, da gemäß Art. 14 WRV die Ausführung der Reichsgesetze, also auch die Verwal79
RGBl.I, S. 241
80
RGBl.I, S. 1077; s.a. A. Wegerdt, Luftrecht, 1936, S. 19
81
Ländeiberichte, in: Z L W 1953, S. 160
82
Die ehemaligen Luftpolizeibeamten der Länder sind bereits vor dem Aufbau der Reichspolizei zu sog. Reichspolizei-Sonderbeamten umgeordnet worden.
Α. Die historische Entwicklung des Luftvekehrs/-rechts
32
tung der Flugsicherung, den Ländern zustand, soweit nicht Reichsgesetze etwas anderes bestimmten. Das Reichsluftfahrtministerium als oberste Luftpolizeibehörde und der RMdL als Oberbefehlshaber der Luftwaffe übernahmen die bisherigen Hoheitsaufgaben der Landesbehörden und bedienten sich zur Ausführung ihrer luftpolizeilichen Befugnisse in der Regel der Landesbehörden 83. Diese Ausschaltung der Länder bei der Luftverkehrsverwaltung kann zwar als die gesetzliche Fixierung der bislang geübten Verwaltungspraxis gesehen werden 84 , jedoch war die Zurückhaltung der Länder ursprünglich zeitlich begrenzt bis zum Inkrafttreten der LuftVO als verwaltungsmäßigem Unterbau zum LuftVG von 1922. Mit dem Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. April 1934 85 übernahm das Reich schließlich alle Hoheitsaufgaben der Länder.
b) Verordnung
über den Aufbau einer Reichsluftfahrtverwaltung
Die Verordnung über den Aufbau einer Reichsluftfahrtverwaltung vom 18.4.1934 86 faßte die Luftaufsicht, den Flugwetter-, Flugsignal- und Flugfernmeldedienst in der Reichsluftfahrtverwaltung zusammen 87 . Als nachgeordnete Behörden des Reichsministers der Luftfahrt, wurden 14 Luftämter errichtet, denen die luftpolizeiliche Überwachung (Exekutive) und die Ausführung der Flugsicherung auf den Flughäfen, welche Außenstellen des Luftamtes unterhielten, oblag 8 8 . Da die auf den Flughafenwachen eingesetzten behördlichen Hauptpeilwachleiter nur funktechnisch und bezüglich der Betriebsführung der Wache ausgebildet waren, wurde die eigentliche Flugsicherung von den sogenannten Peilfunkflugleitern, die als Angestellte der 'Deutschen Luft Hansa AG' von derselben ernannt wurden, wahrgenommen 89. Diese Peilfunkleiter waren in der Regel Flugkapitäne mit flugtechnischen und navigatorischen Kenntnissen und den leitenden Offizieren oder Beamten des RLAD disziplinarisch unterstellt 90 . Ein am 11.10.1935 vom RMdL ergangener Erlaß belieh die Peilfunk-
83 84 85 86 87
Wegerdt, Luftrecht, S. 19; Giermdla, LuftVG, 278 d So Darsow, Neuordnung in: Z L W 1961, S. 223 RGB1.I, S. 75 RGB1.I, S. 310f.
Vgl. a. A. Wegerdt, Luftrecht, 1936, S. 34 Gemäß § 4 der V O traten die Luftämter an die Stelle der 'Landesbehörden' und der 'Polizei' i.S. der Verordnungen vom 19.07. (RGB1.I, S. 363) und vom 20.10.1930 (RGB1.I, S. 485). § 5 der VO billigte dem Luftamt die Befugnisse einer Landespolizeibehörde zu. 89 Bis zum Kriegsbeginn im Jahre 1939 wurden auch die Hauptpeilwachleiter der FS -Dienststellen von den Peilfunkflugleitern in der Bewegungslenkung des Luftverkehrs geschult, um einen einheitlichen Flugsicherungsdienst unter voller Kontrolle des Reiches zu gewährleisten; so H. Busse, Die Luftaufsicht, S. 303 90 //. Busse, ebenda, S. 303 88
. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 19
bis
33
leiter mit den hoheitlichen Befugnissen zur Erteilung fliegerischer Anweisungen an die Luftfahrzeugführer 91. Anfang des Jahres 1935 wurde vom RMdL die Schaffung einer deutschen Militärluftfahrt verkündet und im § 2 Wehrgesetz vom 1.5.1935 wurde die Luftwaffe als dritter Wehrmachtsteil neben dem Heer und der Marine installiert Im Zuge des Aufbaus der militärischen Luftwaffe wurden die Luftämter in die Verwaltung derselben eingegliedert und den örtlichen Luftkreisbefehlshabern unterstellt 92 . Am 21.08.1936 trat die Neufassung des L u f t V G 9 3 mit wesentlichen Änderungen in Kraft: §17 (1) LuftVG bestimmte nun, daß die Durchführung des LuftVG "einschließlich der Überwachung der Luftfahrt (Luftpolizei) Aufgabe des Reichs" ist.
2. Das Luftaufsichtsgesetz Am 1.2.1939 erging das Gesetz über die Befugnisse der Luftfahrtbehörden bei Ausübung der Luftaufsicht, sogenanntes Luftaufsicht-Gesetz 94. Das Fehlen eines reichseinheitlichen Luftpolizeirechts, der zunehmende Luftverkehr und insbesondere die Eingliederung Österreichs und der sudetendeutschen Gebiete in das Reich machten dieses Sondergesetz, zur Festlegung der Befugnisse der Luftpolizei und als einheitliche Rechtsgrundlage, notwendig 95 . Die Luftpolizeibehörden hatten nun als materielles Polizeirecht nicht mehr nur das LuftVG und die Verordnung über den Luftverkehr, sondern auch eigenes Verfahrensrecht anzuwenden. Mit dieser Neuregelung wurde die Luftpolizei auch begrifflich von der allgemeinen Polizei abgegrenzt, indem sie in Luftaufsicht umbenannt wurde 9 6 . Am 1.3.1939 erging die Verordnung des RMdL über das Verbot jeglichen Luftverkehrs über deutschem Hoheitsgebiet. Hiermit wurde, mit Ausnahme des deutschen Militär- und Regierungsflugverkehrs, der gesamte Luftverkehr mit in-
91 Zitiert bei E. Sommer, ebenda, S. 22 unter Hinweis auf LBV1 Nr. 12903/35: "... zur Minderung der Gefahr des Zusammenstoßes von Luftfahrzeugen und zur Erleichterung von Schlechtwetterlandungen, in- und ausländischen Luftfahrzeugen fliegerische Anweisungen zu erteilen." 92 93
Schleicher / Reymann, Recht der Luftfahrt, S. 4ff. RGB1.I, S. 653
94 RGB1.I, S. 131; die Durchführungs-VO zum Luftaufsichts-Gesetz ermächtigte den Reichsminister für Luftfahrt die zur Gesetzesdurchführung erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen (§ 1 VO); § 2 V O berechtigte die Luftfahrtbehörden, bei Gefahr im Verzug, zum Einsatz des unmittelbaren Zwanges, um die Befolgung einer Verfügung durchzusetzen; RGB1.I, S. 134. 95 96
H. Busse, ebenda, S. 130 Schwenk,, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 60
3 Trampler
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
34
und ausländischen Luftfahrzeugen über dem deutscher Lufthoheit unterliegendem Gebiet verboten. Der Reichsluftaufsichtsdienst wurde mit Kriegsbeginn aufgelöst; die Flugsicherungskräfte wurden bei den militärischen Flugleitungen eingesetzt bzw. infolge ihrer Luftwaffenzugehörigkeit zu den fliegenden militärischen Flugzeugbesatzungen oder zu anderen Formationen der Luftwaffe abgestellt 97 .
3.Schlußbetrachtung der historischen Entwicklung des Luftverkehrs!-rechts bis 1945 Die historische Betrachtung zeigt, daß die Luftveikehrsverwaltung von ihrem Beginn bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges grundsätzlich zentral vom Reich ausgeführt wurde, obgleich die Rechtsvorschriften gerade vor 1933 diese Zuständigkeiten nicht immer festlegten. In den Jahren von 1933 bis 1945 wurde der Reichsluftfahrtverwaltung als zentraler Reichsbehörde die gesamte Verwaltungskompetenz auf dem Gebiet der Luftverkehrsverwaltung übertragen; sie war dabei für den zivilen und den militärischen Luftverkehr zuständig. Die Regelung und Sicherung des Luftverkehrs wurde stets als hoheitliche Aufgabe der Gefahrenabwehr verstanden und als solche zunächst von den Landespolizeibehörden und später vom Reichsluftaufsichtsdienst wahrgenommen. Das LuftVG i.d.F. von 1936 definierte den Flugsicherungsdienst ausdrücklich als die Aufgabe der Luftpolizei, dem Vorläufer der späteren Luftaufsicht. Begünstigt wurde diese Kompetenzzuordnung im Bereich der Luftaufsicht durch die beiden Weltkriege und insbesondere durch die luftverwaltungsmäßige Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges. Mangelnde Ausbildung und Sachkenntnis der beamteten Flugsicherungskräfte ließ jedoch eine Beleihung der privaten Peilfunkflugleiter mit den hoheitlichen Befugnissen der Flugsicherung notwendig werden. Abschließend ist auf den damaligen Stand der technischen Entwicklung und auf die geringe wirtschaftliche Bedeutung der Luftfahrt hinzuweisen, die kaum einen Vergleich mit der Luftfahrt heutiger Bedeutung und Qualität zuläßt. Die Flugsicherung mußte in dieser luftfahrtlichen Aufbauphase mit sehr einfacher Funk- und Signalanlagentechnik, die gerade zur Sicherung des geringen Luftverkehrsaufkommens bei guten Sichtverhältnissen in Flughafennähe ausreichte, auskommen. Flugsicherung und Luftaufsicht bedeuteten damals insbesondere Lufttüchtigkeits- und Ausweiskontrolle der Luftfahrzeuge, ihrer Besatzungen und Passagiere am Boden, Unterhaltung des Wetterdienstes und Betrieb der Bodensignale als Orientierungshilfe auch bei Nachtflügen. Radartechnik heutigen Zu-
97
H. Busse, ebenda, S. 153
IV. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart
35
schnitts war damals nicht nur unbekannt 98 , sondern bei den Luftverkehrsverhältnissen bezüglich Anzahl, Reichweite und erreichbarer Fluggeschwindigkeiten der Flugzeuge sehr viel entbehrlicher als heute.
IV. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart 1. Auflösung der deutschen Luftfahrtverwaltung Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 übernahmen die vier Siegermächte mit ihrer Berliner Erklärung 99 die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. Diese Schloß neben den Befugnissen der deutschen Reichsregierung auch die Ausübung der deutschen Lufthoheit e i n 1 0 0 . Art.2 a der Berliner Erklärung verpflichtete den Verlierer Deutschland zur Entwaffnung sämtlicher deutscher oder von Deutschland kontrollierter Streitkräfte, indem alle Waffen und militärisches Gerät an die örtlichen alliierten Befehlshaber abzuliefern waren. Durch die Proklamation Nr.2 1 0 1 der alliierten Vertreter vom 20.9.1945 (Abschnitt VIII, Ziffer 30) wurden die Herstellung, der Besitz, die Unterhaltung oder der Betrieb von Flugzeugen aller Art oder irgendwelcher Bestandteile davon durch Deutsche verboten. Direktiven und Gesetze des Kontrollrats sicherten dieses grundsätzliche Verbot weiter ab. Das Gesetz Nr.34 1 0 2 des Kontrollrates vom 20.8.1946 über die "Auflösung der Wehrmacht" sah die Liquidation aller deutschen " Kriegsämter", des Reichsluftfahrt-Ministeriums (Art. 1 ) und jeglicher deutschen Luftfahrtverwaltung vor.
2. Besatzungsstatut und deutsche Luftfahrt
als Vorbehaltsgebiet
der Alliierten
Am 10.4.1949 wurde dem Parlamentarischen Rat in Bonn von den alliierten Kontrollbehörden das Besatzungsstatut für Westdeutschland und das Abkommen über Dreimächtekontrolle verkündet. Danach hörte mit Errichtung der Bundesrepublik die Militärregierung auf zu bestehen und die Kontrollbefugnisse wurden von den drei Hohen Kommissaren der Alliierten Hohen Kommission wahrgenom-
98
W. Kassebohm, Flugsicherung - gestern und heute -, in: Flug Revue 9/1978, S. 73f. Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands durch die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und durch die provisorische Regierung der Französischen Republik. 99
100
KRABI. Ergänzungsblatt Nr.l, S. 6-7
101
KRABI. Nr.l, vom 29.10.1945, S. 8ff.
102
KRABI. Nr.10, vom 31.8.1946, S. 172f.
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
36
men. Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24.05.1949, trat mit der Konstituierung der Bundesregierung am 20.9.1949 das Besatzungsstatut in Kraft und stellte die Bundesrepublik Deutschland unter die Kuratel der Alliierten 1 0 3 . Um die Erreichung der Besatzungsziele sicherzustellen, erklärte Art.2 a des Besatzungsstatuts104 die Zivilluftfahrt zum 'Vorbehaltsgebiet' der drei westlichen alliierten Mächte. Gemäß A r t 4 des Statuts hatte die Bundesrepublik nach Mitteilung an die Alliierten auf diesen voibehaltenen Gebieten "Gesetze zu erlassen und Maßnahmen zu ergreifen", nur unter der Einschränkung, daß die Besatzungsbehörden nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmten 105 . Die Flugsicherung und Luftverkehrsverwaltung wurde von den Alliierten mit eigenen Dienst- und Verwaltungsstellen durchgeführt. Oberstes Amt für die Flugsicherung im Bereich der drei westlichen Siegermächte war ab 1949 das 'Civil Aviation Board' (CAB). Diese Behörde übernahm die Flugsicherung entsprechend den Bestimmungen und Empfehlungen des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) v. 10.12.1944 106 .
3. Aufbau der bundesdeutschen Luftfahrtverwaltung Das Petersberger Abkommen vom 22.12.1949 107 war der Beginn der vorsichtigen Lockerung des Besatzungsstatuts, das in der Folgezeit über diverse Gesetze und Durchführungsverordnungen von den Alliierten aufgehoben wurde. Von besonderer Bedeutung war die Durchführungsverordnung Nr.12 1 0 8 zu Gesetz Nr.24 ('Luftschiffahrt') der Alliierten Hohen Kommission vom 30.3.1950 109 : Art.3 dieser Verordnung erlaubte zwar den Erwerb, Bau und Betrieb von Flughäfen, verbot jedoch ausdrücklich jede deutsche Betätigung auf den Gebieten des Flugsicherungsdienstes und des Luftfahrtfernmeldedienstes. Lediglich der Betrieb von meteorologischen und nicht-militärischen Ballons wurde den Deutschen wieder erlaubt. M i t der Freigabe dieser Luftfahrzeuge, waren nun die 103 Mußgnug, Zustandekommen des Grundgesetzes und Entstehen der Bundesrepublik Deutschland, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.l, S. 249ff. 104 AB1AHK vom 23.9.1949, S. 13: "In order to ensure the accomplishment of the basic purposes of the occupation, powers in the following fields are specifically reserved, including the right to request and verify information and statistics needed by the occupation authorities: a)., civil avitation ..". 105 Gemäß Nr.l des Besatzungs statuts hatten Bund und Länder für die verbleibende Zeit der Besatzung, auf den nicht den Alliierten vorbehaltenen Gebieten, volle gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt gemäß GG und Länderverfassungen. Dabei waren sie lediglich den Beschränkungen des Besatzungsstatuts unterworfen. 106 Vgl.a. E. Sommer, Rechtsgrundlagen ..., S. 27 107 108
BGBl., S. 9 AB1AHK Nr.32 v. 5.9.1950
109 ABlAHKv. 29.8.1951,S. 1047: Gemäß Art. 1 Abschnitthdes Gesetzes unterlagen "Betätigungen auf dem Gebiet des Luftfahrtwesens" der Überwachung durch die Alliierte Hohe Kommission.
IV. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart
37
materiell-rechtlichen Bestimmungen des LuftVG und der LuftVO zur Regelung der Zulassungsverfahren und des Betriebes der Luftfahrzeuge wieder anwendbar Die im Mai 1945 geltende deutsche Luftfahrtgesetzgebung, insbesondere LuftVG und LuftVO, war weder durch Gesetze des Alliierten Kontrollrats, noch durch Bestimmungen des Besatzungsstatuts jemals außer Kraft gesetzt 110 und galt nach Inkrafttreten des Grundgesetzes gemäß Art. 123, 124 i.V.m. Art.73 Nr.6 GG als Bundesluftrecht fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widersprach 111 . Eine Neufassung der 12. Durchführungsverordnung 112 vom 23.1.1951 zu Gesetz Nr.24 erlaubte deutschen Staatsangehörigen, die zum zivilen Flugdienst im Gebiet der Bundesrepublik berechtigt waren, als Flugsicherungspersonal tätig zu werden; gemäß Art.4 dieser VO sollte das Amt für Zivile Luftfahrt den Umfang dieser Tätigkeit bestimmen. Die Befugnisse dieses Amtes für Zivile Luftfahrt wurden in Art.1 des Gesetzes Nr.24 1 1 3 v. 21.12.1950 festgelegt; so sollte es Verordnungen über die betriebliche und technische Überwachung der zivilen Luftfahrt, sowie über die verwaltungsmäßige Überwachung der mit der zivilen Luftfahrt verbundenen Betätigungen erlassen. Im Laufe des Jahres 1951 wurden dann auch Modellflugzeuge und Segelflugzeuge 114 wieder zugelassen. Als vorbereitende Maßnahme für die zu erwartende Wiedererlangung der Verantwortung für den Luftverkehr in Deutschland wurde im Jahre 1951 eine Abteilung 'Luftfahrt' im Bundesverkehrsministerium eingerichtet 1 1 5 . Bundesrechtliche Berücksichtigung fand der deutsche Luftverkehr erst wieder im Art.73 Nr.6 GG, welcher dem Bund das ausschließliche Gesetzgebungsrecht über "den Luftverkehr" zuordnet. Die Ausübung dieser Befugnis war jedoch nach der Bestimmung unter Ziffer 2 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12.5.1949 116 nur unter dem Vorbehalt des Besatzungsrechts möglich. Die Verwaltungszuständigkeiten konnten wegen der Vorbehalte der Alliierten zu diesem Zeitpunkt noch nicht grundgesetzlich geregelt werden 117 .
110 111
So A. Wegerdt, Deutsche Luftfahrtgesetze, S. 9 Abraham., Das Recht der Luftfahrt, S. 9
112
AB1AHK Nr.47, v. 14.2.1951
113
AB1AHK Nr.44, v. 10.1.1951
114
Durchführungsverordnung Nr. 16 zu Gesetz Nr. 24, in: AB1AHK Nr. 57, v. 28.06.1951 115 Ebenfalls im Jahre 1951 wurde vom Bundesminister für Verkehr ein * Vorbereitungsausschuß Luftverkehr' eingerichtet; Lufthansa Jahrbuch '90, S. 187 116 VOB1.BZ 1949, S. 416 117 V. Mang oidi / Klein, Das Bonner GG, Bd.3, Art.87 d, S. 2370 b); Hübener y Welche Möglichkeiten gibt das Grundgesetz für den Aufbau einer zivilen Luftfahrtverwaltung, in: DÖV 1951, S. 202
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
38
Erst im Deutschlandvertrag vom 26.5.1952 118 , wurde das Besatzungsstatut von einer Zusammenarbeit der Alliierten mit der Bundesrepublik Deutschland, zur Sicherung des Friedens in Europa und zur Integration einer gleichberechtigten Bundesrepublik Deutschland in die europäische Staatengemeinschaft, abgelöst. Das Fehlen von Kompetenz-Zuordnungen für die Luftverkehrsverwaltung wurde am 31.12.1952 zunächst - bis zur Einfügung des Art.87 d GG - durch eine Verwaltungsvereinbarung über die "Abgrenzung der Verwaltungsbefugnisse zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiete der zivilen Luftfahrt" 119 zwischen dem B M V und den jeweils zuständigen obersten Landesbehörden vorgenommen. Für jeden der in dem LuftVG und in der LVO in Betracht kommenden Fälle wurde die Zuständigkeit des Bundes oder des Landes festgeschrieben, um die vor der Einführung des Art.87 d GG bestehende Regelungslücke mit dieser Form der "Misch- oder Mitverwaltung" zu füllen 1 2 0 . Diese Festlegung war notwendig, um die auf eine einheitliche Reichsluftfahrtverwaltung mit ihren nachgeordneten Reichsbehörden zugeschnittene Luftfahrtgesetzgebung auf das GG zu übertra-
a) Erste Schritte zur bundesdeutschen Lufthoheit Im Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen 122 Überleitungsvertrag -, der die Ablösung des Besatzungsstatuts regelte, wurde der Bundesrepublik Deutschland im 12. Teil Art. 1 ('Zivile Luftfahrt') die "volle Verantwortung" für den Bereich der zivilen Luftfahrt im Bundesgebiet zum 31.3.1953 übertragen 123 . Art.2 des Vertrages bestimmte den Beitritt der Bundesrepublik zum Chicagoer Abkommen 1 2 4 über die internationale Zivilluftfahrt. Mit diesem Vertrag erlangte das gesamte deutsche materielle Luftrecht, soweit es durch Gesetze oder Verordnungen verkündet war, wieder Gültigkeit 1 2 5 . 118 'Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten', BGBl.II 1954, S. 59ff. In diesem Vertrag wurde auch der Abschluß eines Friedensvertrages von der endgültigen Festlegung der Grenzen eines wiedervereinigten Deutschlands abhängig gemacht. Art. 2 Abs.l des Vertrages nahm Berlin von diesen Festlegungen aus. 119
Verkehrsblatt 1955, S. 379
120
Jess, in: Bonner Kommentar, Art.87 d, S. 3, S. 10; v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87d, S. 2376 A. Weger dl, Deutsche Luftfahrtgesetzgebung, 1955
121
122 Vertrag vom 26.5.1952, BGB1.II 1954, S. 227; dazu auch H. Hofmann, Die Entwicklung des Grundgesetzes nach 1949, in: HStR, S. 281 Rdnr.28 123 Nach Art.6 des Vertrages sollten im bundesdeutschen Luftraum nur die Luftfahrzeuge der Sowjetunion von den drei westlichen alliierten Mächten kontrolliert werden. 124 BGBl.II, S. 411: Chicagoer Abkommen räumt zwei der sog. fünf Freiheiten der Luft ein; das Recht zum Ein- und Überflug und zu Landungen im nichtgewerblichen Verkehr. S.a. Schwenk, Grundlagen des Luftrechts, in: Z L W 1977, S. 107 125 A. Wegerdt, ebenda, S. 9
IV. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart
39
Diese Rückübertragung der Lufthoheit war vor dem Hintergrund des von den Alliierten großzügig gewährten Luftverkehrs geboten; so operierten 1953 bereits 28 ausländische Fluggesellschaften im bundesdeutschen Luftraum. Der Überleitungsvertrag machte die Schließung der besatzungsrechtlich bedingten, grundgesetzlichen Lücke über die Zuweisung der Verwaltungszuständigkeiten notwendig126.
b) Gründung der Bundesanstalt für Flugsicherung Die Wurzeln der bundesdeutschen Flugsicherung sind die Flugsicherungsdienste der Alliierten, die in der Nachkriegszeit in den Besatzungszonen zur Sicherung des Luftverkehrs der ausländischen Fluggesellschaften, ab 1946 errichtet wurden. Das im Jahre 1949 errichtete 'Alliierte Luftamt' signalisierte zwei Jahre nach seiner Gründung durch Amerikaner, Engländer und Franzosen seine Bereitschaft, neben anderen Aufgaben der Luftfahrtverwaltung auch die Flugsicherung auf die Bundesrepublik Deutschland zu übertragen. Die neugegründete 'Vorbereitungsstelle des Bundesverkehrsministeriums zur Übernahme der Flugsicherung in deutsche Verwaltung' nahm am 1.12.1951 ihre Tätigkeit auf 1 2 7 . Als rechtliche und verwaltungsmäßige Grundlage für die Übernahme der alliierten Flugsicherungsdienste durch die Bundesrepublik wurde am 23.3.1953, gemäß Art. 73 Nr.6 GG und Art. 87 Abs.3 Satz 1 GG, das Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS-Gesetz) erlassen 128 . Am 7. Juli 1953 wurde der BFS durch den Bundesverkehrsminister die volle Verantwortung für die Durchführung des Flugsicherungsdienstes übertragen 129 . Das BFS-Gesetz ging auf Vorschläge des Fachausschusses der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen e.V. zurück 130 .Diesem Ausschuß gehörten Vertreter der Länder, der Flughäfen, Fachleute des Flugsicherungsdienstes und der Luftfahrtindustrie an 1 3 1 . Folgende Organisationsformen der Flugsicherung wurden damals erörtert 132 : - Die Errichtung einer Bundesoberbehörde nach Art.87 Abs.3 Satz 1 GG.
126 127
So H. Hofmann, ebenda, S. 259ff. Vierheilig, Rechtsgrundlagen..., in: Die Polizei 12/1964, S. 363
128
BGB1.I, S. 70. Dieses BFS-Gesetz begründet als Verwaltungsvorschrift die Anstalt und legt ihre Aufgaben fest. Der Vollzug dieser Aufgaben richtet sich nach den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des B M V vom 18.4.1961 (BAnz. Nr.74); so Schwenk, Hdb., S. 10 129
Vierheilig,
130
Darstellung der Entstehungsgeschichte des BFS-Gesetzes bei E. Sommer, Rechtsgrundlagen,
ebenda, S. 363
S. 45ff. 131 132
Länderberichte, in Z L W 2/1953, S. 159f. Länderberichte, ebenda, S. 160
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
40
- Die Angliederung des Flugsicherungsdienstes in Form einer Betriebsabteilung an die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen e.V. - Die Errichtung einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts nach Art.87 Abs.3 Satz 1 GG: a) mit eigener Rechtspersönlichkeit und einem beschliessenden Verwaltungsrat b) ohne eigene Rechtspersönlichkeit und einem beratenden Verwaltungsrat Die Bundesanstalt wurde als bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts ohne Rechtspersönlichkeit geschaffen, wobei diese Rechtsform den an der Flugsicherung beteiligten Flughafenunternehmern eine beratende Mitwirkung im Verwaltungsbeirat der BFS ermöglicht 133 . Dieser, gemäß § 3 Abs.2 BFS-Gesetz gebildete, Verwaltungsbeirat setzt sich aus sechs Vertretern der Bundesministerien und jeweils drei Vertretern des Bundesrates, der Flughafenunternehmer und Mitarbeitern der BFS (§ 5 Abs.l Satz 1 BFS-Gesetz) zusammen und hat die Aufgabe, die BFS bei der Durchführung ihrer Aufgaben zu unterstützen, insbesondere aber die wirksame Zusammenarbeit aller an der Flugsicherung Beteiligten zu fördern und den B M V und den Präsidenten der Anstalt in allen wichtigen Fragen zu beraten ( § 6 BFS-Gesetz) 134 . Begründet wird diese staatliche Einrichtung der BFS - mit dem Verwaltungsbeirat als nur beratendem Organ - mit der solchermaßen erfolgten Berücksichtigung des überregionalen 135 und internationalen Charakters der Flugsicherung 136 und die überwiegende finanzielle Beteiligung des Bundes. Die Kompetenz des Bundes auch für die notwendige international einheitliche Befolgung der Flugsicherungsvorschriften und Empfehlungen ergab sich aus Art.32 G G 1 3 7 . Berlin war von dem Gesetz ausgenommen, da die drei alliierten Mächte in Art5 des 12. Teils des Überleitungsvertrages für sich das Recht vorbehalten hatten, jeglichen Luftverkehr von und nach Berlin über alliierte Luftschneisen zu regeln 1 3 8 . Diese Berlin-Vorbehaltsrechte der Alliierten wurden nach den erfolgreichen '2 plus 4-Verhandlungen' im Zuge der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 endgültig aufgegeben. Die BFS mit Sitz in Frankfurt/Main untersteht dem Bundesminister für Verkehr. Zu ihren Aufgaben zählt der wirtschaftliche Betrieb eines leistungsfähigen Flugsicherungssystems - durch die BFS-Außenstellen - und damit verbundene Aufgaben, die in verschiedenen Referaten der Abteilungen 'Betrieb', 'Technik' und
133
Darsow, Gesetz über die BFS, in: ZLW 1953, S. 297
134
Vgl.a. Vierheilig, ebenda, S. 368. Jess, in: BK, Art.87 d,S. 9
135 136 137
V. Mangoldt / Klein, GG, Art.87 d, S. 2378 Länderberichte, in : Z L W 2/1953, S. 160; s.a. Rojahn, in: v. Münch, GG Bd.2, Art.32 Rdnr.16
138 S.a. § 1 LuftVG Anm.5 und § 45 LuftVO Berlin-Klausel: "Diese Verordnung gilt wegen der Beschränkungen der Lufthoheit im Land Berlin nicht im Land Berlin."
IV. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart
41
'Verwaltung', sowie einigen Sonderstellen, z.B. Erprobungsstelle und FS-Schule, erfüllt werden 1 3 9 . Die ersten Fluglotsen der BFS wurden von den Alliierten ausgebildet und verrichteten den Flugsicherungsdienst zunächst als Angestellte des öffentlichen Dienstes. Die ersten Streiks der Fluglotsen zu Beginn der sechziger Jahre führten, zur zukünftigen Vermeidung solcher Streiks 1 4 0 , zu einer Überführung der BATDienstverhältnisse der Fluglotsen in das politisch gewünschte Beamtenverhältnis. Nicht wechselwillige Fluglotsen wurden mit der Aussicht auf verbesserte berufliche Aufstiegschancen zum Übertritt in das Beamtenverhältnis gedrängt oder mußten anderenfalls zugunsten ihrer beamteten Kollegen erhebliche Verzögerungen und damit auch materielle Nachteile bei ihrer Aus- und Weiterbildung in Kauf nehmen. Im Jahre 1989 beschäftigte die BFS 3673 Mitarbeiter mit einem Anteil von 2794 Beamten 141 , die im Laufe des Bestehens der BFS viele Herausforderungen der Entwicklung des Luftverkehrs erfolgreich, gerade im Sinne einer geringen Unfallhäufigkeit im Luftverkehr, angenommen haben 142 .
c) Flugsicherung und Flughafenunternehmer Bestrebungen des privaten Verbandes Deutscher Flughafenunternehmer, die Flugsicherungsaufgaben in ihren Aufgaben- und Kompetenzbereich zu legen, wurden gerade in der Nachkriegsphase der luftverkehrsrechtlichen Neuordnung stark diskutiert, konnten sich aber nicht durchsetzen. Die Flughafenunternehmer konnten zur Begründung ihrer Mitwirkungsbestrebungen auf die Erfahrungen der Vorkriegszeit verweisen; so gestattete § 3 Abs.2 der Durchführungsverordnung zum Luftaufsichtsgesetz zur Wahrnehmung der Luftaufsichtsaufgaben auch andere Personen "... als den RLAD ..." zu bestellen.
139
Vgl.a. Mensen, Moderne Flugsicherung ..., S. 20ff.
140
Streitgegenstand waren keine spezifischen Forderungen der Fluglotsen, sondern Verbesserungen des Β AT-Manteltarifvertrages. 141
Jahresbericht 1989 BFS, S. 43 Zu den von der BFS gelösten Schwierigkeiten gehören: Wachstum des Luftverkehrs, Zusammenarbeit mit den militärischen Flugsicherungsdiensten, Sektorierung des Luftraumes, Entwicklung und Einführung neuer Flugsicherungstechniken um den nach Kriegsende entstandenen Anforderungen der modernen Luftfahrt, bzgl. stark unterschiedlicher Geschwindigkeiten und Steig-/Sinkraten der Flugzeuge, Aufkommen des Luftsports u.a., zu genügen. Vgl.a. W. Kassebohm, Flugsicherung gestern und heute -, in: Flug Revue 9/1978, S. 74 142
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
42
Was als Ausnahmeregelung für den Vollzug gedacht war, wurde damals von den Landesbehörden genutzt, die Übertragung bestimmter Luftaufsichtsaufgaben auf einzelne Angehörige der privaten Flughafenverwaltungen per entsprechender Verpflichtung und Beleihung zu übertragen 143 . Schon in den ersten Entwürfen zu einer LuftVO war eine umfassende Ausstattung der privaten Flughafenunternehmer auch mit Luftaufsichtsrechten vorgesehen: So sollte die luftpolizeiliche Verkehrsregelung auf den Flughäfen von den Flughafenunternehmern vorgenommen werden. Da im LuftVG kein Recht zur Verkehrsregelung auf dem Flughafen selbst vorgesehen war und die diesbezüglichen Regelungen auch in der LuftVO nicht berücksichtigt waren, konnte jedoch die Luftpolizei unter Hinweis auf die polizeiliche Generalklausel des § 10 Abs.2, 17 ALR diese Aufgabe an sich ziehen 1 4 4 . Auf Flug- und Landeplätzen ohne Dienststellen des Flugsicherungs- und Wetterdienstes waren die privaten Flugleiter auch mit der Luftaufsicht betraut Heute unterliegt der reguläre Luftverkehr gemäß § 2 Abs.II Nr.l BFS-Gesetz notwendig der Überwachung durch die BFS.
d) Das Bundes-Lujtfahrtamt Wie die Bundesanstalt für Flugsicherung, so wurde auch das Bundes-Luftfahrtamt als selbständige Bundesbehörde, mit Sitz in Braunschweig, unter Berufung auf Art.87 Abs.3 Satz 1 GG errichtet 145 . Das Gesetz über das Bundes-Luftfahrtamt 146 trat am 30.11.1954, als Grundlage für diese vom Bundesministerium für Verkehr abgesetzte zentrale Dienststelle mit breitem Aufgabenkatalog gemäß § 2 LBA-Gesetz, in Kraft: Die Einrichtung von Prüfstellen für Luftfahrzeuge, ihre Zulassung, das Führen der Luftfahrzeugrolle, die Fluglizenz-Erteilung und andere Kompetenzen fallen dieser obersten Behörde für die Zivilluftfahrt zu. Das Luftfahrt-Bundesamt ist also in erster Linie eine technische Prüfungs- und Zulassungsbehörde 147.
143 So H. Busse, Die Luftaufsicht, S. 209: Es wurden jedoch nicht die Aufgaben der aktiven Flugsicherung delegiert, sondern die folgenden: - Prüfung der Flugpapiere und der Funkausrüstung - Überwachung von Flugbeschränkungen im Flughafenbereich, genehmigten Sonderflügen, Einweisungs- und Prüfungsflugbetrieb. - Zollfahndung auf Landes- oder Bundesersuchen 144
So H. Busse, ebenda, S. 47
145
V. Mangoldt / Klein, GG, Art.87, S.2375
146
BGB1.I, S. 354
147
Vgl.a. Giernulla, LuftVG, § 13, Rdnrn.41ff.
IV. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart
43
e) Ablösung des Besatzungsregimes Die volle Souveränität und Wiedererlangung der Lufthoheit wurde der Bundesrepublik Deutschland - mit Ausnahme Berlins - erst mit der Aufhebung des Besatzungsregimes, aufgrund des Deutschlandvertrages und seiner diversen Zusatzverträge und des Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland v. 23.10.1954 148 , am 5.5.1955 149 zuteil 1 5 0 . Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung übertrugen die Alliierten im 'Zweiplus-Vier-Vertrag' 151 alle Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf "Berlin und Deutschland als Ganzes" 152 auf die Bundesrepublik Deutschland. Die alten Berlinvorbehalte der Alliierten wurden aufgegeben und das vereinte Deutschland erlangte "demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten" 153 .
f) Neufassung der Luftverkehrsnormen Am 10.1.1959 erfolgt die Verabschiedung der Neufassung 154 des LuftVG, welche auf den bewährten Grundzügen des alten LuftVG aufbaut und die Entwicklung auf technischem, politischem und staatsrechtlichem Gebiet berücksichtigt 155 . Das Luftaufsichtsgesetz von 1939 fand nach 1955 in der Bundesrepublik Deutschland keine Anwendung mehr, aber der im Luftaufsichtgesetz definierte Begriff der 'Luftaufsicht' wurde in dieser Neufassung von 1959 analog im § 29 L u f t V G 1 5 6 (§ 17 a.F. LuftVG), als der grundlegenden luftverkehrsrechtlichen Vorschrift über die Luftaufsicht 157 , übernommen. Ein Vergleich des Rechtszustan-
148
BGBl.II 1955, S. 215
149
Proklamation betr. die Aufhebung des Besatzungsstatuts und die Auflösung der Alliierten Hohen Kommission und der Länder-Kommissariate vom 5. Mai 1955 (AB1AHK. S. 3272) 150 Im Jahre 1955 nimmt die 'Deutsche Lufthansa AG* als erste deutsche Luftverkehrsgesellschaft der Nachkriegszeit ihren planmäßigen Linienverkehr auf, nachdem die Gründung der Aktiengesellschaft bereits am 6.1.1953 erfolgt war. Vgl.a.: Giemulla, Öffentliche Verkehrsinteressen in privater Hand, in: Z L W 2/1987, S.123ff.; und Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 85ff.; Lufthansa Informationen, S. 4Qf. 151 BGBl.II, S. 1318: Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland. 152 Art.7 Abs.l Vertrag 153 154 155
Art.7 Abs.2 Vertrag BGB1.I, S. 9 Wegerdt / Reuss, Deutsche Luftfahrt-Gesetzgebung, S. 15
156
§ 29 Abs. 1 LuftVG definiert die Luftaufsicht als die " Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt". Auch hier die zwei Komponenten der Luftaufsicht: 1. Gefahrenabwehr für die Sicherheit des Luftverkehrs. 2. Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung 157
M. Hofmann, LuftVG, S. 338
44
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
des nach dem Lufiaufsichtsgesetz mit § 29 LuftVG n.F. ergibt somit materiellrechtlich keinen Unterschied 158 . Das LuftVG n.F. gibt den Luftfahrtbehörden, bis auf den Bundes-Verkehrsminister selbst 1 5 9 , nicht mehr das Recht, Verordnungen, sondern nur noch Verfügungen zu erlassen. Die neu gefasste Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) von 1963 tritt an die Stelle der Verkehrsvorschriften der früheren Verordnung über Luftverkehr (LVO) von 1936 und der Verordnung über Luftverkehrsregeln vom 4.10.1953. Hiermit wurden alle Luftverkehrsvorschriften in fünf Abschnitten -'Pflichten der Teilnehmer am Luftverkehr', 'Allgemeine Regeln', 'Sichtflugregeln', 'Instrumentenflugregeln' und 'Bußgeld- und Schlußvorschriften'- zusammengefaßt 160. Weitere Luftverkehrs-Verordnungen sind die Luftverkehrszulassungsordnung, Prüfordnung für Luftfahrtpersonal, Prüf-, und Betriebsordnung für Luftfahrtgerät, Kostenordnung der Luftfahrtverwaltung.
g) Art.87 d GG und die Zuordnung der Kompetenzen in der Luftverkehrsverwaltung Durch das am 16.02.1961 in Kraft getretene Gesetz zur Einfügung eines Artikels über die Luftverkehrsverwaltung in das GG vom 6.2.1961 161 , wurde als 11. Änderung des Grundgesetzes der Art.87 c (heute Art.87 d) eingefügt Nach seinem Abs.l wird die Luftverkehrsverwaltung grundsätzlich in bundeseigener Verwaltung geführt. Diese besteht seit 1961 aus dem Bundesverkehrsministerium als zentraler Behörde, sowie aus der Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS) und dem Luftfahrt-Bundesamt (LBA). Art.87 d Abs.2 GG enthielt als Neuerung die Zulassung der Auftragsverwaltung, womit den Ländern Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung durch Bundesgesetz, welches der Zustimmung des Bundesrates bedarf, übertragen werden können. Von dieser Möglichkeit macht das am 16.3.1961 in Kraft getretene Gesetz über Zuständigkeiten in der Luftverkehrsverwaltung 162 vom 8.2.1961 Gebrauch: Das Gesetz, das § 31 LuftVG i.d.F.v. 10.1.1959 163 neu gefaßt h a t 1 6 4 , grenzt als
158
Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 60; zustimmend Ronellenfitsch, in: VerwArch. 1986,
S. 445 159
§ 32 Abs.5 LuftVG n.F.
160
M. Hofmann, Luftverkehrs-Verordnungen, S. 1
161
BGB1.I, S. 65 BGB1.I, S. 69
162 163 164
BGB1.I, S. 9 Giemulla, LuftVG, § 29, Rdnr.8
IV. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart
45
wichtigste Änderung des LuftVG nach 1945 die Aufgaben der Lufiverkehrsverwaltung zwischen Bund und Ländern ab. Als Aufgaben der Länder, welche diese im Auftrage des Bundes auszuführen haben, sind folgende aufgeführt 165 : - Ausübung der Luftaufsicht, soweit sie nicht der Bundesanstalt für Flugsicherung oder dem Luftfahrt-Bundesamt übertragen i s t 1 6 6 . Die Länder wirken mit diesen beiden Behörden bei der Auftragsverwaltung zusammen. - Verkehrszulassung bestimmter Luftfahrgeräte - Erteilung der Erlaubnis für Luftfahrer bestimmter Klassen, einschließlich der Erlaubnis zur Ausbildung dieser Personen - Genehmigung von Flugplätzen und Erlaß der hiermit in Zusammenhang stehenden Verwaltungsakte - Genehmigung bestimmter Luftfahrtunternehmen und Luftfahrtveranstaltungen - Erteilung der Erlaubnis auf den Gebieten der Außenlandung, der Mitführung von Fluggerät, des Luftbildwesens und der besonderen Benutzung des Luftraumes - Aufsicht innerhalb dieser Verwaltungszuständigkeiten Die Bundesauftragsverwaltung der Länder trat hiermit an die Stelle der Verwaltungsvereinbarung über die Abgrenzung der Verwaltungsbefugnisse zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der zivilen Luftfahrt vom 31.12.1952 167 . Aufgabe der Luftverkehrsverwaltung sei insgesamt die Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs. Dieses Ziel würde insbesondere durch die Abstimmung und Überwachung der Luftveikehrsströme, durch die Luftaufsicht, innerhalb der Bundesrepublik und über ihre Grenzen hinaus, mit dem Ziel bester Förderung des Luftverkehrs erreicht 168 . Die heutige Organisation der Luftverkehrsverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland ist ein Kompromiß aus den beiden gegensätzlichen Strömungen der Genese der deutschen Luftverkehrsverwaltung: Bis zur Weimarer Reichsverfassung wurden die Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung grundsätzlich von den Ländern wahrgenommen (vgl. heute A n 3 0 , 83 GG), um dann vom Reich und später vom Bund, als dem umfassenden Hoheitsträger übernommen zu werden. Diese Kompetenzverschiebung hat ihre Ursache in der schnellen technischen Weiterentwicklung und internationalen Verbreitung des Luftverkehrs, die eine bundeseinheitliche Luftverkehrsverwaltung notwendig machten.
165
Dar sow, Neuordnung der Luftverkehrsverwaltung, in: Z L W 4/1961, S. 221
166
§ 31 Abs.l Nr. 18 Gesetz über Zuständigkeiten in der Luftverkehrsverwaltung Verkehrsblatt 1955, S. 379; s.a.: M. Hofmann, LuftVG, S. 380; v. M an g oìdi / Klein, GG, Art.87 d, S. 2376 167
168
So Darsow, ebenda, S. 229
46
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
4. Das EUROCONTROL-Übereinkommen Der zunehmende Einsatz von Düsenflugzeugen Anfang der sechziger Jahre ließ die Fluggeschwindigkeiten und Reiseflughöhen höher und somit die Reaktionsund Bearbeitungszeit für die Flugsicherung am Boden kürzer werden. Diesen Herausforderungen der schnellen technischen Entwicklung und des gestiegenen Luftverkehrsaufkommens wollten einige europäische Länder durch die Errichtung einer internationalen Flugsicherungsorganisation für die Luftverkehrskontrolle im oberen 169 Luftraum begegnen. Als Ergebnis dieser gemeinsamen Absicht trat am 1.3.1963 das Internationale Übereinkommen über Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt 1 7 0 'EUROCONTROL' für die Dauer von 20 Jahren in Kraft 1 7 1 . Hiermit wurde eine supranationale Flugsicherungsbehörde mit Sitz in Brüssel geschaffen, die auf Teilgebieten Zuständigkeiten der Flugsicherung der Vertragsstaaten 172 wahrzunehmen hatte und eigene, nichtdeutsche öffentliche Gewalt ausübte 173 . Nach Art.4 des Übereinkommens besitzt die Organisation "die weitestgehende Rechtsfähigkeit, die juristischen Personen nach innerstaatlichem Recht zuerkannt wird."
a) Organe der EUROCONTROL-Organisation Zur Wahrnehmung der Aufgaben wurden zwei Organe geschaffen. Neben der 'Ständigen Kommission zur Sicherung der Luftfahrt' als leitendem Organ, das die Strategie und die Richtlinien der gemeinsamen EUROCONTROL-Arbeit festlegt, ist die 'Agentur für die Luftverkehrs-Sicherungsdienste' 174 als Exekutivorgan für die Flugsicherung im oberen Luftraum der beteiligten Staaten und für das Funktionieren der übrigen Einrichtungen, z.B. Aus- und Weiterbildung des Flugsicherungspersonals und Untersuchung der verfügbaren Flugsicherungssysteme auf ihre Geeignetheit für einen EUROCONTROL-Einsatz, verantwortlich 175 . Die Agentur vertritt die Organisation und handelt in deren Namen 1 7 6 . 169
D.h.: 7500 m - 14000 m
170
BGBl.II 1962, S. 2273
171 Gemäß Art.39 EUROCONTROL-Übereinkommen; dazu auch Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 77ff. 172 Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Vereinigtes Königreich und ab 1965 auch Republik Irland. 173 BVerfGE 58, 1 (31); vgl.a. Giemulla, LuftVG, Kommentar zu § 29 LuftVG, S. 8; Rojahn, Der Gesetzesvorbehalt für die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen, in: JZNr.4 1979, S. 118ff. 174 Gemäß Art.1 Abs.2 EUROCONTROL-Übereinkommen; zur Zusammensetzung der Kommission s. Art.5, zur Aufgabenstellung s. Art.6 und zu Verfahrensfragen der Kommission s. Art.7, 8 u.a. des Übereinkommens 175 S.a. Mensen, Moderne Flugsicherung, 1989, S. 9ff.
IV. Die Entwicklung des Luftvekehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart
47
b) Aufgaben der EUROCONTROL Wesentliches Element der Tätigkeit von EUROCONTROL war und ist, unter starker Einschränkung, bis heute die Durchführung des Flugsicherungsdienstes im oberen Luftraum der Mitgliedstaaten und in dem oberen Luftraum außerhalb ihres Hoheitsbereiches, für welchen den Mitgliedstaaten durch internationale Vereinbarung die Sicherung des Luftverkehrs übertragen worden i s t 1 7 7 . Zu den Hoheitsbefugnissen der EUROCONTROL gehörten nicht nur die Verwaltungsbefugnisse, sondern auch Rechtsetzungsbefugnisse, wie etwa die Regelung über die Gebührenerhebung für Streckennavigationsdienste. Die Agentur stellt der Kommission gemäß Art. 11 des Übereinkommens "das Personal und die sächlichen Mittel zur Verfügung, derer sie für ihre Tätigkeit bedarf'. Die Leitung der Agentur obliegt einem 'Geschäftsführenden Ausschuß\ der von einem Direktor geleitet w i r d 1 7 8 . Ein für die inneren Zwecke der Agentur bestimmtes Personalstatut enthält auch die Regelungen über die Staatsangehörigkeit des Personals und die "Stetigkeit des Dienstes" (Streikverbot) 179 . Nach Art.15 Satzung der Agentur ist die Agentur zur direkten Personaleinstellung nur befugt, wenn die Vertragsstaaten kein qualifiziertes Personal aus ihrer innerstaatlichen Verwaltung zur Verfügung stellen können.
c) Das Änderungsprotokoll In den siebziger Jahren wurde in der Diskussion über die weitere Entwicklung der EUROCONTROL deutlich, daß einige Mitgliedstaaten, insbesondere England und Frankreich, nicht mehr zur Übertragung ihrer nationalen Flugverkehrskontrolle an die EUROCONTROL bereit waren. Um das gemeinsame Abkommen nicht vollständig scheitern zu lassen, wurde die EUROCONTROL durch das
176
Art.4 EUROCONTROL-Übereinkommen Art.38 EUROCONTROL-Übereinkommen: " Die Agentur übt die Luftverkehrs-Sicherungsdienste aus a) im oberen Luftraum der ... Hoheitsgebiete sowie in dem angrenzenden Luftraum, für den die Luftverkehrs-Sicherungsdienste den Vertragsparteien durch internationale Vereinbarungen übertragen sind,.... b) in dem nach Art.2 bestimmten unteren Luftraum". S.a.: Schwenk, ebenda, S. 78; zur Haftungsordnung des EUROCONTROL-Übereinkommens s.a. A. Rudolf \ Die außervertragliche Haftung der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (EUROCONTROL); in: Z L W 19/1965, S. 44ff. 178 Gemäß Ait.3 der Satzung der Agentur, in: Anlage I zum EUROCONTROL-Übereinkommen, BGB1.II 1962, S. 2302. 177
179
Art. 14 Satzung der Agentur
48
Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
Änderungsprotokoll von 1981 1 8 0 mit Wirkung zum 1.1.1986 umgestaltet und in einem stark reduzierten Umfang bis heute fortgeführt 181 . Die neue Zielsetzung des Änderungsprotokolls sah die Förderung und gemeinsame Planung von Flugsicherungsbetriebskonzepten v o r 1 8 2 . Die EUROCONTROL-Kontrollstelle Karlsruhe wurde in der Folgezeit von der BFS übernommen. Der obere Luftraum in Norddeutschland wird noch heute von der EUROCONTROL-Kontrollzentrale in Maastricht/Niederlande kontrolliert 1 8 3 . Dieses Änderungsprotokoll ist als das Scheitern des europäischen Versuchs einer gemeinsamen Flugverkehrskontrolle zu bewerten. Gerade die kleinen nationalen Lufträume in Europa machen eine überstaatliche Zusammenarbeit zur Lenkung und Kontrolle der zunehmenden internationalen Luftverkehrsströme notwendig. Nationaler Eigennutz und Souveränitätsvorbehalte 184 jedoch ließen nicht nur EUROCONTROL scheitern, sondern behindern bis heute die Entwicklung von kompatiblen Flugsicherungssystemen, die einen grenzüberschreitenden Flug reibungslos, d.h. über online-Systemschnittstellen, abwickeln könnten 1 8 5 .
180
Vom 12.2.1981, BGB1.II 1984, S. 69
181
H. Graumann, Flugsicherungsgebühren und Zahlungsmoral, in: Z L W 3/1987, S. 244ff. Die jüngste EUROCONTROL-Initiative der Bundesregierung ist das vom Bundesrat beschlossene Gesetz zu der Vereinbarung vom 25. November 1986 über die Bereitstellung und den Betrieb von Flugsicherungseinrichtungen und -diensten durch EUROCONTROL in der Bezirkskontroll zentrale Maastricht, BR-Drucks. 513/88 und 513/88 (Beschluß). ls l
Giemulla, Luftverkehrsgesetz, § 31 Rdnr. 38: Nur Belgien, Luxemburg und teilweise die Bundesrepublik haben tatsächlich Exekutivaufgaben an die EUROCONTROL-Organisation übertragen. In dem Änderungsprotokoll wurde die obligatorische Übertragung von Kontrollaufgaben beseitigt; EUROCONTROL übt keine Flugverkehrskontrolle mehr aus eigenem Recht aus, sondern verrichtet diese nur für einzelne Staaten in deren Namen und Auftrag, wobei jetzt auch der untere Luftraum der Mitgliedstaaten von EUROCONTROL kontrolliert wird. Gültig ist weiterhin die völkerrechtliche Übertragung der Befugnis gemäß Art.24 Abs.l GG die Streckennavigationsgebühren festzulegen, zu berechnen und für die EUROCONTROL-Mitgliedstaaten einzuziehen; s.a. Graumann, ebenda, S. 244 183
H. Mensen, ebenda, S. 15
184
So sollen wohl die jeweiligen nationalen Hersteller von elektronischen Datenverarbeitungs- und Radaranlagen zur Luftverkehrskontrolle, nach dem Verständnis der EUROCONTROL-Mitgliedstaaten, vor Konkurrenz geschützt werden (s.a. Kassebohm, Flug Revue 1/1980, S. 34); zudem scheuten sich die Mitgliedstaaten zunehmend, ihre hoheitlichen Luftfahrtkompetenzen auf EUROCONTROL zu übertragen. 185 Der Engpaß bei dem Weiterreichen eines Flugzeuges von Staat zu Staat ist die Übermittlung und Koordination der spezifischen Flugdaten, wie etwa Flugzeugtyp, Flugziel, -höhe, -geschwindigkeit u.ä. Bei nicht kompatiblen Datenverarbeitungssystemen müssen diese Daten jeweils femmündlich, per Telex oder per Fax von der Luftverkehrskontrollstelle des Landes A an die Kontrollstelle des Landes Β übermittelt werden. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, daß die 'europäische Flugsicherung* bei Abwicklung internationaler Flüge immer nur so leistungsfähig, d.h. Anzahl der simultan kontrollierten Flüge pro Zeiteinheit, wie das schwächste Land sein kann.
IV. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart
49
d) Aussicht einer Neugestaltung von EUROCONTROL Auch das Europäische Parlament bedauert das Scheitern des EUROCONTROL· Abkommens und setzt auf eine Wiederbelebung des Gedankens einer europaweit einheitlichen Flugsicherung. Es fordert in diversen Entschließungen den Beitritt aller EG-Mitgliedstaaten zum EUROCONTROL-Abkommen, um die Flugsicherung einer Europa-Behörde übertragen zu können 1 8 6 . Für die Organisationsstruktur dieser Europäischen Flugsicherungsagentur stehen drei Modelle zur Diskussion 187 ; neben einer Regierungsorganisation oder einer privatrechtlich gestalteten Organisation ist auch eine mit Elementen dieser beiden versehenen gemischte Organisation möglich. Die Kompetenz der EG zur Harmonisierung und organisatorischen Vereinheitlichung des Flugsicherungswesens, wird in Art. 235 i.V.m. Art. 84 Abs.2 EWGV gesehen 188 .
5. Die Luftverkehrspolitik
von 1953 bis zur Gegenwart
Die Betrachtung der Entwicklung der deutschen Luftverkehrspolitik soll auch erste Hinweise auf die Klärung der Frage geben, ob die in der öffentlichen Diskussion als Argumente für eine Privatisierung des Flugsicherungsdienstes angeführten Mißstände im Luftverkehr, tatsächlich nur über die geplante Flugsicherungs-GmbH zu lösen sind. Der Neuanfang des deutschen Luftverkehrs nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist in der Konstituierung der 'Lufthansa AG' im Jahre 1953 zu sehen. Fehlendes Interesse privater Investoren an diesem Verkehrszweig hat die Ausgestaltung der Lufthansa als ein Unternehmen, mit dem Bund als alleinigem Anteilseigner, bedingt 1 8 9 . Erst in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre wurde der Bundesanteil am Aktienkapital der Lufthansa AG, die heute wie damals den deutschen Luftverkehrsmarkt dominiert, auf rund 52 von Hundert 1 9 0 reduziert.
186 Bothe / Hohmarut / Schmidt (Möglichkeiten einer Reform der europäischen Flugsicherung?, in: ZLW 1/1990, S. 45) nennen folgende Entschließungen des Europa-Parlaments: - v. 8.5.1979, Nr.26, AB1.C 140/20 v. 5.6.1979 - v . 15.9.1987, Nr. 10, AB1.C 281/51 v. 19.10.1987 -EG-Bulletin Beilage 5/79, S. 25f., para.86 -EG-Bulletin 5/79, 2.3.88, S. 118f.; weitere diesbezügliche Belege bei Bothe / Hohmann / Schmidt, Rechtliche Möglichkeit und drängende Notwendigkeit einer EG-Initiative zur Reform der europäischen Flugsicherung, in: RIW 3/1990, S. 202 187 188 189 190
Bothe / Hohmann / Schmidt, in: Z L W 1/1990, S. 49ff. Bothe / Hohmann / Schmidt, in: RIW 3/1990, S. 200ff. So E. Giemulla, öffenUiche Verkehrsinteressen in privater Hand ?, in: Z L W 2/1987, S. 129f. Lufthansa Informationen, 1989, S. 30
4 Trampler
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Α. Die historische Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts
Die Zeit des Wiederaufbaus einer deutschen Luftverkehrsverwaltung stand nicht nur im Zeichen eines raschen Wachstums dieses Verkehrszweiges, sondern auch die schnelle Höherentwicklung der Technik der Luftfahrt und der Flugsicherung ließ die Deutschen gerade im Bereich der Flugsicherung quasi bei Null anfangen. So war nach Kriegsende die internationale Luftfahrtsprache Englisch auch die Betriebssprache der deutschen Flugsicherung, die MittelweÜen-Funktelegrafie war dem Sprechfunkverkehr auf Ultrakurzwellen gewichen, neue Funknavigationsanlagen, Sende- und Empfangstechniken bildeten neben dem Radar die Flugsicherungstechnik der fünfziger Jahre 191 . Vbn deutscher Seite waren erhebliche Investitionen in Technik und Flugsicherungspersonal, das seinen \forkriegs- und Kriegsstand der FS-Technik kaum verwerten konnte, notwendig. Teilweise konnten FS-Einrichtungen und technisches Personal der Alliierten übernommen werden. Die Luftverkehrspolitik und insbesondere die Flugsicherung haben seit der Nachkriegszeit größere Herausforderungen, wie den Wiederaufbau der Luftwaffe, das Entstehen modernen Charterflugverkehrs, der das Verkehrsmittel 'Flugzeug' allen Bevölkerungskreisen erschloß, das Aufkommen privater Sport- und Geschäftsfliegerei, sowie den Luftfrachtverkehr bislang erfolgreich gemeistert Mit zunehmendem zivilen und militärischen Luftverkehr wurde der bundesdeutsche Luftraum sektorisiert, um, trotz der steigenden Ansprüche an eine möglichst große Bewegungsfreiheit im Luftraum, auch seitens der Flugsicherung eine zügige und sichere Kontrolle der Luftverkehrsbewegungen zu gewährleisten. Die zuvor beschriebene Entwicklung der EUROCONTROL ist nur ein Beispiel für die zögerliche und nicht konsequent zukunftsgerichtete Luftverkehrspolitik auch der Bundesregierung: So waren schon die rechtswidrigen Fluglotsenstreiks im Jahre 1973192 (ii e z u r vorübergehenden Sperrung einiger Flughäfen für den gesamten Luftverkehr geführt hatten 193 , deutliche Hinweise auf bis heute ungelöste Probleme im Bereich der Flugsicherung und seiner beamteten Fluglotsen. Die Wurzeln dieser Probleme liegen in der vom Bundesminister für Verkehr angeordneten Verbeamtung der BFS-Mitarbeiter zu Beginn der sechziger Jahre 194 . Aber auch die Organisation der bundesdeutschen Flugsicherung ist uneinheitlich und damit ineffizient: Flugsicherungsaufgaben werden nicht nur von der BFS und von EUROCONTROL wahrgenommen, sondern auch von den militärischen Flugsicherungseinheiten der Luftwaffe, des Heeres und der Marine, von der Luftverteidigung und von amerikanischen, englischen und kanadischen Flugsicherungsstellen der
191 192
W. Kassebohm, Flugsicherung - gestern und heute -, in: Flug Revue 9/1978, S. 73ff. BGHZ 69,18, (128,140) und BGHZ 70, 39, (277ff.)
193 Achtnich / Meyer, Staatshaftung für Schäden aus dem Flugsicherungs-Bummelstreik 1973..., in: Z L W 1977, S. 119-121 194 So das Ergebnis mehrerer Gespräche des Verfassers mit pensionierten und aktiven Fluglotsen; femer gelangt der Verfasser zu dem Eindruck, die negativen Erfahrungen der 'Flugsicherungs-Gründerzeit* würden von einer Fluglotsengeneration an die folgende weitergegeben und lieferten einen soliden Beitrag zur Demotivierung des Flugsicherungspersonals von Anbeginn ihrer BFS-Tätigkeit.
IV. Die Entwicklung des Luftverkehrs/-rechts von 1945 bis zur Gegenwart
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Streitkräfte 195. Alle genannten Flugsicherungsstellen beanspruchen spezifische Zuständigkeiten und Lufträume zu den verschiedensten Zwecken. Der süddeutsche Luftraum um Stuttgart wird gar von 'swisscontrol' einer schweizerischen juristischen Person des Privatrechts, überwacht 196 . Die dringend notwendige Zusammenarbeit von militärischer und ziviler Flugsicherung ist ungenügend und wird von den militärischen Stellen unter Hinweis auf ihren geheimen Verteidigungsauftrag auch nicht gefördert. Lediglich in Bayern wird die Flugsicherung - 'Münchener Modell' - von zivilen und militärischen Flugsicherungsstellen erfolgreich gemeinsam wahrgenommen; dabei führt die zivile Flugsicherung die Militärmaschinen in zivilen und auch in militärischen Luftkorridoren. Vor diesem Hintergrund kann die geplante Organisationsprivatisierung der BFS-Flugsicherungsaufgaben nur bedingt zur Lösung der Probleme am deutschen Himmel beitragen. Wesentliche organisatorische Maßnahmen zur Vereinheitlichung und Reduzierung der an der Flugsicherung beteiligten Stellen sind notwendig; diese und andere Lösungsmaßnahmen werden aber im Zuge der deutschen Einheit und der wiedererlangten Lufthoheit auch Berlins leichter zu realisieren sein. Ein weiterer Gesichtspunkt der geplanten Privatisierung der BFS ist die Möglichkeit verbesserter Einflußnahme auf die Fragen der Flugsicherung und der Flugplankoordination durch die großen Luftverkehrsgesellschaften. Leidtragende einer solchen Entwicklung wäre vermutlich die sogenannte 'Allgemeine Luftfahrt', welche auch die Sportfliegerei und den wachsenden Regionalflugverkehr umfasst 197 . Aus dem europäischen Blickwinkel betrachtet, ergibt sich die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Flugsicherung zur Bewegungslenkung der durch EGBinnenmarkt und Öffnung Osteuropas beschleunigt zunehmenden Luftverkehrsströme 198 .
195 Kassebohm, Die deutsche Flugsicherung heute, in: Flug Revue, 2/1979, S. 44ff.; Weidenhammer, Flugsicherheit in Deutschland. Alles unter Kontrolle, in: Flug Revue, 6/1982, S. 8ff. 196 Dazu auch: Böckstiegel, Die Luftaufsicht im südwestdeutschen Raum ..., in: Z L W 3/1983, S. 182ff.; Anm. d. Verf.: Im Jahre 1988 wurde der Flugsicherungsdienst aus der 'Radio Schweiz A G \ deren weitere Geschäftsfelder im Bereich der Telekommunikation und der Datenverarbeitung lagen, ausgegliedert. Das neu gegründete Flugsicherungsuntemehmen in der Rechtsfoim einer Aktiengesellschaft trägt den Namen 'swisscontrol'. Der Anteil des schweizerischen Bundes am Aktienkapital liegt bei 70 von Hundert; ein deutlicher Rückgang gegenüber der früheren 95-prozentigen Bundesbeteiligung an der 'Radio Schweiz AG'. Die übrigen Anteile der swisscontrol liegen in den Händen schweizerischer Luftverkehrsunternehmen und der Flughafenkantone. 197 Vgl.a. Schuster, Ausgedient? Die Neuorganisation der BFS in der Diskussion, in: aerokurier 10/1989, S. 23 198
Vgl.a. H.-U. Ohl (BFS-Sprecher), in: Flug Revue 8/1991, S. 38f.
Β. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Zehnten Änderung des Luftverkehrsgesetzes 1 Am 7. Februar 1990 wurde dem Bundesrat der 'Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes' 2 von der Bundesregierung vorgelegt. Im folgenden werden die für die Untersuchung relevanten Neuerungen des Gesetzentwurfes dargestellt. Die Fragen zur Beurteilung der Rechtsgemäßheit des Entwurfes werden im Anschluß formuliert und beantwortet.
I. Zielsetzung des Gesetzentwurfes Die Neuorganisation der deutschen Flugsicherung ist das primäre Ziel des Gesetzentwurfes. Die Bundesanstalt für Flugsicherung soll in ein privatrechtlich organisiertes Flugsicherungsunternehmen, mit der Rechtsform einer GmbH, umgewandelt werden und somit auch eine "leistungsgerechte Bezahlung des Personals" und eine dem "Stand der Technik" entsprechende technische Ausstattung der Flugsicherungseinrichtungen ermöglichen. Zudem soll der Gesetzentwurf die vom Bundesverwaltungsgericht verlangte gesetzliche Regelung des Flugplankoordinators 3 und die Rechtsgrundlagen für die Beleihung privater Vereine mit den Aufgaben des Luftsportgerätewesens (Zulassung und Betrieb) schaffen. So soll die im Art. 31 Abs. 2 Nr. 18 LuftVG a. F. der BFS und dem LBA, im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung, übertragene Ausübung der Luftaufsicht, gemäß Gesetzentwurf vom Bundesminister für Verkehr und von den "für
die Flugplankoordinierung,
die Flugsicherung und die Luftsportgeräte
zuständigen Stellen im Rahmen ihrer Aufgaben" wahrgenommen werden 4. Der neu eingefügte § 31 a LuftVG-Entwurf ermächtigt den BMV, durch
1 LuftVG i.d.F. v. 14.1.1981 (BGBl. I, S. 61), zuletzt geändert gemäß Art. 27 der Dritten Zuständigkeitsanpassungs-VO vom 26.11.1986 (BGBl. I, S. 2089). 2
BR-Drucks. 80/90 Siehe auch: Giemulla / Wenzler, Zur Verfassungsmäßigkeit der Organisationsform des Flugplankoordinators ..., in: DVB1. 15.03.1989, S. 283ff. 4 BR-Drucks. 80/90, S. 13 3
II. Aufbau der neuen Flugsicherungs-GmbH
53
"Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts mit der Wahrnehmung der in § 27 a genannten Aufgaben der Flugplankoordinierung zu beauftragen" 5. Diese Ermächtigung des B M V wird mit der Auflösung der BFS, unter deren Rechts- und Fachaufsicht der Flugplankoordinator als private Einrichtung bisher stand, notwendig. Der ebenfalls neu eingefügte § 31 c LuftVG-Entwurf ermächtigt den BMV, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, juristischen Personen des Privatrechts verschiedene Aufgaben im Zusammenhang mit der Benutzung des Luftraumes durch Luftsportgeräte zu übertragen. Dieser Aufgabenkatalog ist an den Aufgabenkatalog des § 2 LB Α-Gesetz angelehnt und um die Kompetenzen, Verwaltungsakte (z.B. Verkehrszulassung) zurückzunehmen bzw. zu widerrufen und Kosten gemäß Kostenordnung zu erheben, ergänzt. Der Kompetenzbereich des L B A wird um das Segment der Luftsportgeräte reduziert und juristische Personen des Privatrechts nehmen diese Aufgaben 6 des LBA wahr. § 31 d Abs. 2 LuftVG-Entwurf unterstellt diese juristischen Personen des Privatrechts der Rechts- und Fachaufsicht des BMV. Gemäß § 31 d Abs. 3 LuftVG-Entwurf wenden diese Beauftragten das Verwaltungskosten-Gesetz, das Verwaltungszustellungs-Gesetz und das Verwaltungsvollstreckungs-Gesetz an. Diese letztgenannten Aspekte des Gesetzentwurfes sind nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, die sich auf die Privatisierung der Flugsicherung konzentriert. Die Gesetzesänderungen sollen zum 1. Januar 1993 in Kraft treten 7. Nachdem der Beschluß des Bundesrates8 den Empfehlungen seiner Ausschüsse9 exakt gefolgt ist, steht als gravierende Änderung an dem Gesetzentwurf vermutlich lediglich eine Neuregelung über die notwendige Zusammenarbeit der militärischen und der zivilen Flugsicherungsstellen aus.
Π. Aufbau der neuen Flugsicherungs-GmbH 1. Die Rechtsform In der Begründung des Gesetzentwurfes 10 wird die GmbH-Lösung als die einzige Organisationsform, die den zukünftigen Anforderungen an die zivile
5 6 7 8
BR-Drucks. 80/90, S. 14 und S. 56 BR-Drucks. 80/90, S. 17 BR-Drucks. 80/90, S. 32 BR-Drucks. 80/90 (Beschluß) v. 16.3.1990
9 BR-Drucks. 80/1/90 vom 5.3.1990: Federführender Ausschuß für Verkehr und Post, der Ausschuß für Innere Angelegenheiten, Rechtsausschuß und Finanzausschuß.
54
Β. Der Gesetzentwurf zur Zehnten Änderung des LuftVG
Flugsicherung wirksam genügen kann, dargestellt. Dabei wird eine Verdoppelung des Luftverkehrs 11 zum Jahre 2000 prognostiziert, welche neue Wege für die Flugsicherungsdienste notwendig macht, um insbesondere den heute spürbaren Mängeln an Flexibilität im personal- und finanzwirtschaftlichen Bereich abzuhelfen. Im Rahmen dieser "Organisationsprivatisierung" können, so der Entwurf, die Hoheitsaufgaben der Flugsicherung vom B M V auf diese privatrechtliche Organisation übertragen werden 12 . Aus der Beschränkung des Art. 87 d Abs. 1 G G 1 3 leitet der Entwurf die Forderung nach dem Bund als Alleingesellschafter der GmbH ab, um den jederzeit möglichen und im Einzelfalle notwendigen Eingriff des Bundes in die Aufgabenerfüllung der Gesellschaft zu gewährleisten 14 .
2. Die Aufgaben der Flugsicherungs-GmbH Die bisher von der BFS, gemäß § 2 Abs. 1 und 2 BFS-Gesetz, wahrgenommenen Aufgaben der Flugsicherungsbetriebsdienste und die flugsicherungstechnischen Dienste sind nun im § 27 c Abs. 2 des Entwurfs 15 als Aufgaben der Flugsicherung enumerativ genannt, wobei die Aufzählung ("... umfaßt insbesondere ...") Raum läßt für die Einfügung zukünftiger Anforderungen, die sich erst infolge der technischen und organisatorischen Weiterentwicklung ergeben werden. Die Aufgabe der Flugsicherung wird in § 27 c Abs. 1 LuftVG n.F. erstmals in einer luftverkehrsrechtlichen Vorschrift als die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs 16 definiert. Das private Flugsicherungsunternehmen soll bei der Abwehr der betriebsbedingten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG) und der betriebsfremden (§ 29 c Abs. 1 Satz 3 LuftVG) Gefahren für den Luftverkehr mitwirken 17 . Gemäß Art. 31b Abs. 2 des
10
BR-Drucks. 80/90, S. 33ff. Diese Verdoppelung innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren wird in den zahlreichen Veröffentlichungen und Stellungnahmen zur Flugsichemngskrise häufig als unvorhersehbar und als explosionsartig bezeichnet; dies ist unangemessen, ergibt sich doch eine solche Verdoppelung des Luftverkehrs bei einer jährlichen Zuwachsrate von etwa sechs Prozent und entspricht damit dem nominalen Wirtschaftswachstum des Jahres 1990 in den alten Ländern der Bundesrepublik Deutschland. 11
12 13 14 15 16 17
BR-Drucks. 80/90, S. 57 Art. 87 d Abs. 1 GG: "Die Luftverkehrsverwaltung wird in bundeseigener Verwaltung geführt." BR-Drucks. 80/90, S. 57 BR-Drucks. 80/90, S. 7 und synoptische Darstellung des 10. Änderungsgesetzes, S. 10 BR-Drucks. 80/90, synoptische Darstellung, S. 11 BR-Drucks. 80/90, S. 10
II. Aufbau der neuen Flugsicherungs-GmbH
55
Entwurfes ist die GmbH daher verpflichtet, Flugsicherungsbetriebsdienste und flugsicherungstechnische Einrichtungen auf den vom B M V definierten Flugplätzen vorzuhalten.
3. Die beliehene Flugsicherungs-GmbH als Behörde und ihr Personal Die Flugsicherungs-GmbH wird im Rahmen ihrer flugsicherungsdienstlichen Aufgabenerfüllung mit Exekutivbefugnissen beliehen 18 . Sie wird Behörde im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes 19 und als solche Verwaltungsrecht anwenden. Über die Dienstverhältnisse und sonstigen Angelegenheiten des Personals der Flugsicherungs-GmbH ist im Gesetzentwurf kaum etwas geregelt; gemäß einer der wenigen Bestimmungen des Gesetzentwurfes bedürfen die im Flugsicherungsbetriebsdienst und die im technischen Dienst tätigen Angestellten der Flugsicherungs-GmbH einer Erlaubnis. Der neu eingefügte § 32 Abs. 4 LuftVG-Entwurf ermächtigt den BMV, ohne Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen über die technische Ausstattung, Durchführung, Ausbildung von Personal und Gebühren für den Bereich der Flugsicherung zu erlassen 20. Diese Rechtsverordnung ist lediglich die gesetzestechnische Umsetzung der bisherigen verwaltungsinternen BFS-Praxis 21 . Allgemeine Verwaltungsvorschriften bedürfen gemäß § 32 Abs. 6 LuftVG-Entwurf nach wie vor der Zustimmung des Bundesrates.
4. Die Finanzierung Die Einnahmen der GmbH aus den Streckengebühren und aus den ab 1.7.1990 zu erhebenden An- und Abfluggebühren sollen die entstehenden Kosten für die technischen Einrichtungen und den Betrieb der Flugsicherungs-GmbH decken. Um eine Kostendeckung von 100% zu erreichen, kann es auch notwendig werden, die An- und Abfluggebühren zu erhöhen. Diese Erhöhung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, wohl aber werden der GmbH eventuelle Mindereinnahmen
18 BR-Drucks. 80/90, S. 69: "... Flugsicherungsuntemehmen und der Flugplankoordinator als beliehene Stellen..." 19 VwVfG § 1 (4): "Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt."; zum Behördencharakter beliehener Unternehmer vgl. a.: P.Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art 86, Rdnm. 68, 88, 89. 20
BR-Drucks. 80/90, S. 23
21
BR-Drucks. 80/90, S. 41
56
Β. Der Gesetzentwurf zur Zehnten Änderung des LuftVG
aus Gebührenbefreiungen sowie Kosten für Leistungen gegenüber der militärischen Flugsicherung vom Bund ersetzt 22 . Nach § 31 b Abs. 5 LuftVG-Entwurf tritt die Flugsicherungs-GmbH zum Zwecke des Gebühreneinzugs im Sinne der EUROCONTROL-Übereinkommen 2 3 an die Stelle der Bundesrepublik Deutschland. Die GmbH wird Kostengläubiger der An- und Abfluggebühren und der Flugsicherungs-Streckengebühren, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist Dieser Vorbehalt ist notwendig, um die GmbH z.B. auch mit den Beiträgen an die EUROCONTROL-Organisation und mit dem finanziellen Aufwand des B M V für die Erledigung der bei ihm verbliebenen Aufgaben belasten zu können 24 .
5. Sonstige Rechte der neuen GmbH Nach § 31 b Abs. 3 LuftVG-Entwurf kann die Flugsicherungs-GmbH das Eigentum oder sonstige Rechte an Grundstücken durch Übertragung von Grundstücken des Bundes oder dem Bund zustehender Rechte an Grundstücken erwerben. Die BR-Ausschüsse lehnen die Freistellung dieser Grundstücksgeschäfte von den Formvorschriften der §§ 313,925 BGB strikt ab und verweisen auf die geringe Anzahl betroffener Grundstücke, die eine gesetzliche Sonderregelung nicht geboten erscheinen läßt 2 5 .
6. Zivile und militärische Flugsicherung Das Nebeneinander von zivilen und militärischen Flugsicherungsstellen wird auch im Entwurf 2 6 beibehalten. Der neu eingefügte § 31 b Abs. 1 LuftVG-Entwurf ermächtigt den B M V durch "Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates eine GmbH, deren Anteile ausschließlich vom Bund gehalten werden, mit der Wahrnehmung der in § 27 c genannten Aufgaben der Flugsicherung zu beauftragen (Flugsicherungsunternehmen), soweit sie nicht von der Bundeswehr und den stationierten Truppen wahrgenommen werden" 21.
22
BR-Drucks. 80/90, S. 36 S. Art. 3 d. Gesetzes v. 2.2.1984 zu dem Protokoll vom 12.2.1981 zur Änderung des EUROCONTROL-Übereinkommens vom 13.12.1960 und zu der mehrseitigen Vereinbarung vom 12.2.1981 über Rugsicherungs-Streckengebühren (BGBl. I I 1984, S. 69). 23
24 25 26 27
BR-Drucks. 80/90. S. 59 BR-Drucks. 80/1/90, S. 14 BR-Drucks. 80/90, S. 12 und S. 48 BR-Drucks. 80/90, S. 15 und synoptische Darstellung, S. 20
III. Die Aufhebung des BFS-Gesetzes und analoge Anpassungen diverser Rechtsnonnen
57
Demgegenüber verweisen die Empfehlungen der BR-Ausschüsse auf die guten Erfahrungen des 'Münchner Modells' der Flugsicherung, bei welchem eine enge und notwendige Zusammenarbeit von zivilen und militärischen Flugsicherungsstellen praktiziert wird und fordern eine "einheitliche Organisationsform für die flächendeckende überregionale Flugsicherung" 28 .
ΙΠ. Die Aufhebung des BFS-Gesetzes und analoge Anpassungen diverser Rechtsnormen Nach Art. 3 des Gesetzentwurfes 29 werden das BFS-Gesetz (zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 18.12.1989, BGBl. I, S. 2218) und der Art. 11 dieses Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18.12.198930 aufgehoben. Art. 4 des Gesetzentwurfes 31 sieht die ersatzlose Streichung der Worte 'Beamten der Bundesanstalt für Flugsicherung' aus den §§ 6 Nr. 5,9 Nr. 5 des Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes vom 20.12.1984 32 vor. Gemäß der Begründung im besonderen Teil des Gesetzentwurfes sei diese Streichung, insbesondere vor dem Hintergrund der neugegründeten Flugsicherungs-GmbH, unproblematisch, da die bisher zur Ausübung des unmittelbaren Zwanges berechtigten Beamten der BFS von ihrer Befugnis niemals Gebrauch gemacht hätten 33 .
IV. Das Gesetz zur Übernahme der BFS-Mitarbeiter Im Art. 6 des Gesetzentwurfes 34 wird das neue Gesetz zur Übernahme der Beamten und Arbeitnehmer der Bundesanstalt für Flugsicherung vorgestellt: § 1 Abs. 1 des Gesetzes bestimmt die nicht aus dem Beamten- oder Arbeitsverhältnis ausscheidenden BFS-Mitarbeiter, vorbehaltlich einer anderen Verwendung, zu Beamten und Arbeitnehmern des L B A , um in der neu zu schaffenden Flugsicherungs-GmbH Aufgaben der Flugsicherung wahrzunehmen. Nach § 1 Abs. 2 gelten für diese Beamten und Arbeitnehmer des L B A die tarifrechtlichen Regelungen, wie sie bis zum Zeitpunkt der BFS-Auflösung gegol-
28
BR-Drucks. 80/1/90, S. 10
29
BR-Drucks. 80/90, S. 25 BGBl. I,S. 2218
30 31
BR-Drucks. 80/90, S. 26
32
BGBl. I, S. 1654
33
BR-Drucks. 80/90, S. 72
34
BR-Drucks. 80/90, S. 27 und S. 73
58
Β. Der Gesetzentwurf zur Zehnten Änderung des LuftVG
ten haben. Somit würden LB Α-Beamte und hochbezahlte private Angestellte der GmbH im Flugsicherungsunternehmen zusammenarbeiten und weitere Spannungen im dienstlichen Miteinander erwarten lassen.
1. Personalkosten der geplanten Umwandlung Die 'Anlage zur Begründung betr. Kosten' 3 5 enthält eine Aufstellung der zu erwartenden Personalkosten, die sich aus der Überführung der BFS-Beamten und des übrigen Personals in ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis mit der Flugsicherungs-GmbH ergeben. Der gewünschte vollständige Übertritt der BFS-Mitarbeiter zur GmbH ist nur über ein "attraktives Bezahlungsangebot", ergänzt um eine "annehmbare Regelung für die bis zum Übertritt erworbenen Versorgungsansprüche", zu erreichen. Im einzelnen soll folgendes gelten 36 : " 1. Ein Teil dieser Ansprüche wird durch Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung abgedeckt, wozu der Bund rechtlich verpflichtet ist. Gesamtkosten: 380 Mio. D M 2. Diesen Kosten steht ein Betrag von 235 Mio. D M (aufgezinst: 416 Mio. DM) gegenüber, der sich aus dem Flugsicherungsgebührenaufkommen seit 1971 für den Vorsorgeanteil der jeweiligen Kostengrundlage und den zwischenzeitlichen Pensionszahlungen ergibt. 3. Der verbleibende Teil der bisher erworbenen Versorgungsansprüche beläuft sich nach versicherungsmathematischen Berechnungen auf einen Gesamtwert von 741 Mio. DM." Die freiwillige Schließung dieser Versorgungslücke durch die Bundesrepublik Deutschland sei im Interesse eines möglichst vollständigen "Personalübertritts" notwendig. Diese Kosten sind nicht von der geplanten Flugsicherungs-GmbH zu tragen, da diese nur kostendeckend wirtschaften soll. So seien auch lediglich eigene Vorsorgeleistungen in die Gebührenkalkulation einzubeziehen, zumal diese Vorsorgeaufwendungen bereits in den Flugsicherungsgebühren der Vergangenheit enthalten waren. Die Anlage zum Gesetzentwurf nennt zur Finanzierung dieser Versorgungslükken folgende Alternativen: "a) Der Bund richtet einen Personalfonds von 741 Mio. D M ein. b) Erst beim späteren Eintritt des individuellen Versorgungsfalles zahlt der Bund entsprechende Pensionen.
35 36
BR-Drucks. 80/90, S.78f. BR-Drucks. 80/90, S. 78
IV. Das Gesetz zur Übernahme der BFS-Mitarbeiter
59
c) Bei entsprechend hoher Bezahlung durch das Flugsicherungsunternehmen wird es jedem Einzelnen überlassen, die Lücke durch eine Versicherung selbst zu schließen." Zudem weist die Anlage auf die Notwendigkeit hin, "für Restaufgaben aus dem Bereich der aufzulösenden Bundesanstalt für Flugsicherung" in den Referaten und Abteilungen des Bundesministeriums für Verkehr die - nicht quantifizierten erforderlichen Planstellen und Stellen einzurichten 37 .
37
BR-Drucks. 80/90, S. 79
C. Kritik der Fiskustheorie und der formellen Privatisierung bei Schachtschneider I. Kritik der Fiskustheorie Die Verfassungsgemäßheit der in Teil Β der Untersuchung dargestellten gesetzgeberischen Initiative zur formellen Privatisierung der Bundesanstalt für Flugsicherung ist in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft. Bevor in den nächsten Teilen dieser Arbeit die Verfassungsgemäßheit des Gesetzentwurfes untersucht wird, sei zunächst die grundlegende Mindermeinung von Schachtschneider dargestellt, der die Fiskustheorie, welche die staatliche Praxis bestimmt und von der Rechtsprechung und dem ganz überwiegenden Schrifttum anerkannt wird, dezidiert ablehnt 1 . Die Grundlinien dieser Kritik sind aufzuzeigen, da sich aus der Konsequenz des Fiskusdogmas auch die Wahlfreiheit des Staates ergibt, sich zur Erledigung aller Verwaltungsaufgaben in öffentlich-rechtlichen oder in privatrechtlichen Formen zu organisieren 2. Schachtschneider spricht dem Staat das Recht ab, sich in privaten Gesellschaften - wie auch der geplanten Flugsicherungs-GmbH - zu verselbständigen und sich dem Unternehmensrecht der Privaten zu unterstellen 3: Allein die Verwirklichung des Gemeinwohls als Zweck aller freiheitlichen Staatlichkeit und somit der einzig mögliche Verwaltungs- und Staatsunternehmenszweck könnten nach Schachtschneider eine zulässige Ausnahme vom Verbot 'privater' staatlicher Betätigung, die eine Flucht aus der Verfassung bedeutet, begründen 4. Der demokratische Staat verselbständigt sich, wenn er zum Privatrechtssubjekt wird und "agiert über seine demokratische Existenz hinaus" 5 . Der
1 KA. Schachischneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, 1986, zur fiskustheoretischen Staatspraxis, S. 6ff.; Schachtschneider folgt HJi.Rupp, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. 1, S. 1208; insbes. schon H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 759ff. 2 Schachtschneider, ebenda, mit Hinweisen auf die aufkommende Diskussion über die fiskusdogmatische Praxis, in: VVDStRL 45 (1987), S. 25Qff.; VVDStRL 46 (1988), 225ff., 259ff.; s.a. die Fiskuskritik bei Β. Kempen, Die Formen wahlfreiheit der Verwaltung, S. 77ff., S. 83ff. 3
Gegen diese Wahlfreiheit, mit Hinweisen auch auf die diesbezüglich h.M.: Schachtschneider, ebenda, S. 181 ff.; kritisch auch D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsfoim, 1984 4 Schachtschneider, ebenda, S. 357ff. und S. 445f. 5 Schachtschneider, ebenda, S. 22; und ebenda, Fn. 74 mit zahlreichen Hinweisen zur ultra-vires-Lehre; so auch H.H. Rupp, ebenda, S. 1208
II. Institutioneller Begriff des Staatlichen statt des Begriffes der Fiskustheorie
61
Staat hat keine Freiheit, keine Privatheit und keine Autonomie 6 und ist daher ohne Ausnahme an die Gesetze gebunden. Unzulässige Verselbständigungen des Staates sind als "vollmachtloses Handeln der Amtswalter" 7 zu bezeichnen. Die Fiskustheorie hingegen räumt dem Staat das Privatrecht nicht nur als Verhaltensnorm, sondern auch als Kompetenznorm ein und gesteht demselben damit die Autonomie zu, eine Differenzierung von "'eigentlich' staatlichen (hoheitlichen, 'öffentlich-rechtlichen') von den privaten ('privatrechtlichen') Verhaltensweisen des Staates"8 vorzunehmen.
Π. Institutioneller Begriff des Staatlichen statt des dezisionistischen funktionalen Begriffes der Fiskustheorie Als ein wesentliches Element der Fiskustheorie, das auch für diese Untersuchung relevant ist, hat gemäß Schachtschneider die streitige Definition der staatlichen Aufgaben zu gelten: "Staatsaufgaben nicht mit den Aufgaben zu identifizieren, die der Staat als Institution wahrnimmt, also einen funktionalen dem institutionellen Begriff der Staatsaufgaben entgegenzusetzen, ist der harte Kern der Fiskustheorie" 9. Kann die von der h.M. angenommene materielle einzelfallbezogene Definition staatlicher Aufgaben und 'hoheitsrechtlicher Befugnisse' im Sinne des An. 33 Abs. 4 GG gelingen oder ist der materielle Staatsaufgabenbegriff eine Fiktion, da es keine genuin staatliche Aufgaben gibt und der Gesetzgeber vielmehr selbst die staatlichen vom Staat selbst wahrzunehmenden Verwaltungsaufgaben normativ definieren muß ? Die übrigen Aufgaben wären dann von Subjekten des Privatrechts im Rahmen einer materiellen, sogenannten 'echten' Privatisierung zu erfüllen 10 . Schachtschneider verneint die grundgesetzliche Zulässigkeit "irgendwelches Verhalten des Staates als Institution" als nicht-staatlich einzustufen und folglich dem Privatrecht der Privaten 11 zu unterstellen. Vielmehr sei bloßer Dezisionismus das Ergebnis solcher Differenzierungsversuche, wobei der Staat selbst willkürlich die 'Hoheitlichkeit' oder die 'Privatrechtlichkeit' seines Verhaltens bestimmt 12 . Der Dezisionismus ergibt sich aus der von der Rechtspraxis
6 Schachtschneider, ebenda, S. 268ff. und S. 446; weitere Hinweise dazu in Fn. 132 (S. 263), Fn. 161 (S. 269) und Fn. 59 (S. 39); zur fehlenden Freiheit, Privatheit und Autonomie des Staates: S. 255ff., 268ff., 27 Iff., 443ff. mwN; insoweit h.M. etwa Wolff/ Bachof Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 106 7 8 9
Schachtschneider, ebenda, S. 176 Schachtschneider, ebenda, S. 272, siehe auch S. 261
Schachtschneider, ebenda, S. 190f. Schachtschneider, ebenda, S. 179f. 11 Schachtschneider unterscheidet Recht, das nur für den Staat gilt, von dem das nur für Private gilt und dem das für Staat und Private gilt, dem neutralen Recht, etwa das Kaufrecht (ebenda, S. 260). 10
C. Kritik der Fiskustheorie bei Schachtschneider
62
anerkannten Erkenntnis, daß ein umfassendes 'Rechtsformenwahlrecht' das "grundgesetzlich befohlene Staatsrecht" verletzt und dieses Wahlrecht des Staates auf funktional bestimmte, geeignete Bereiche eingegrenzt werden muß 1 3 . Nutzt der Staat dieses Wahlrecht um sich als 'Privater' oder als Privatrechtssubjekt zu gerieren, belegt er damit die Entbehrlichkeit des Einsatzes staatlicher Mittel zur Aufgabenerfüllung und verstößt quasi gegen das Subsidiaritätsprinzip 14. Im übrigen beweist das Wahlrecht, daß es nicht möglich ist, hoheitliche von fiskalischen Aufgaben von der Sache her zu differenzieren.
ΠΙ. Anwendung der Fiskuskritik Schachtschneiders auf das zu untersuchende Gesetzesvorhaben: Materielle statt formeller BFS-Privatisierung Schachtschneiders institutionelle Theorie des Staatlichen ist auch mit einer Anerkennung der Rechtsfigur des 'beliehenen Unternehmers' nicht vereinbar; gemäß Schachtschneider ist staatliches Verhalten von Privaten, das Rechtsinstitut der Beleihung also, ein "Parallelproblem zum Fiskusproblem", weil es auf der funktionalistischen Unterscheidung von Privatem und Staatlichem basiert Der beliehene Unternehmer ist danach deutlicher Ausdruck der "funktionalen Staatstheorie" 15 . Im Sinne der institutionellen Theorie des Staatlichen weist Schachtschneider auf die Gefahren hin, die sich aus dem bislang anerkannten funktionalistischen Begriff des Staatlichen und aus dem Ausweichen des Staates aus dem republikanischen Staatsrecht ergeben, wenn der Staat sich im Rahmen einer formellen Privatisierung unzulässig privatisiert: "Dem Staat ist die Privatisierung, die nichts anderes als die Anmaßung des Rechts zur Autonomie für den Staat insgesamt oder für verselbständigte Einheiten des Staates (Unternehmen in privatrechtlichen Organisationsformen) ist, verboten; denn sie versucht, ganz oder teilweise dem Staatsrecht, insbesondere den
12
Schachtschneider, ebenda, S. 180; Belege für diesen Dezisionismus, ebenda, S. 204ff.
13
Schachtschneider, ebenda, S. 460; nach Durchsicht führender Stimmen des Schrifttums hält Schachtschneider als Untersuchungsergebnis fest, daß die Unterscheidung der Staatsaufgaben in hoheitliche und fiskalische Staatsaufgaben keinem Autor gelungen ist (ebenda, S. 232f.); sie kann auch von der Sache her nicht gelingen, weil es eine Frage der Gesetze ist, welche Aufgaben vom Volk dem Staat übertragen werden und welche nicht; in dem Sinne können alle Aufgaben politisch sein, dazu demnächst: Schachischneider, res publica res populi; s.a. Isensee, in: Hdb. des Staatsrechts Bd. 1, S. 62Iff. 14 Schachtschneider, ebenda, S. 190f. 15
Schachtschneider, ebenda, S. 179 und Fn. 174 (S. 205)
IV. Weitere Prüfung des Gesetzentwurfs
63
Kompetenz- und Verfahrensregelungen, aber auch den freiheitsrechtlichen Bindungen, dem Kontrollrecht, dem Haushaltsrecht usw. bis hin zum Dienstrecht zu entgehen."16 Im Ergebnis stellt Schachtschneider fest, daß die praktizierte Differenzierung der staatlichen Aufgaben in hoheitliche Staatsaufgaben und in fiskalische Aufgaben nicht gelingen kann, weil der Aufgabenbereich des Staates nicht vorbestimmt und damit offen ist und allein "normativ durch die Verfassung und auf Grund von Ermächtigungen der Verfassung durch die Gesetze" 17 festzulegen ist. Alternativ zu der im Gesetzentwurf vorgesehenen Lösung der Flugsicherungskrise im Wege einer formellen Privatisierung ergibt sich folgendes Vorgehen: Durch eine grundgesetzliche und einfachgesetzliche Neudefinition der BFS-Aufgaben werden diese aus dem Bereich der staatlichen Verwaltung ausgegliedert und verlieren ihren bisherigen staatlichen Charakter. Die Flugsicherung könnte dann wie das Fliegen selbst eine private Angelegenheit sein, die im Zuge einer materiellen Privatisierung auch von Privaten in einem gesetzlich fixierten Rahmen unter Staatsaufsicht wahrgenommen würde. Diese materielle Privatisierung wäre im Sinne Schachtschneiders eine verfassungsgemäße Lösung der gesetzgeberischen Initiative, deren Entwurf die Installierung streitiger, beliehener privatistischer Rechtssubjekte erforderlich macht. In der Konsequenz der strengen Fiskuskritik von Schachtschneider ermöglichte eine materielle BFS-Privatisierung auch die politisch beabsichtigte und von den Interessengruppen gewünschte Ablösung der öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnisse durch vertraglich zu definierende Arbeitsverhältnisse zwischen Privaten, die dem Staat nicht zustehen. Der polizeiliche Charakter der Flugsicherung hängt von dem staatlichen Charakter ab und steht damit einer echten Privatisierung nicht im Wege.
IV. Weitere Prüfung des Gesetzentwurfs Nach der Darstellung der BFS-Aufgaben und der Untersuchung des polizeilichen Charakters der bundesdeutschen Flugsicherung, wird die Prüfung des Gesetzentwurfes, welcher auf der Fiskuslehre basiert, zunächst die Frage beantworten, ob die Flugsicherung als "Luftverkehrsverwaltung" im Sinne des Art. 87 d
16
Schachtschneider, ebenda, S. 462 Schachtschneider, ebenda, S. 233; zur Offenheit des Gemeinwohls im Rahmen der Gesetze, Schachtschneider, ebenda, S. 237ff., 242ff., 250, 257ff.; so auch Isensee, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. 3, S. 34, S. 39f.; so ist auch eine Differenzierung zwischen politischen hoheitlichen Aufgaben des Staates und dessen unternehmerischen wettbewerblichen Aufgaben, wie sie auch das Postverfassungsund das Poststrukturgesetz zur Grundlage der neuen Postverfassung macht, nur dezisionistisch möglich und nicht aus der Natur der Sache nachvollziehbar. 17
C. Kritik der Fiskustheorie bei Schachtschneider
64
GG und damit - auch im institutionellen Sinne Schachtschneiders - als staatliche Aufgabe zu qualifizieren ist. Im Rahmen der ebenfalls vorzunehmenden Untersuchung der Einordnung der Flugsicherungsaufgaben als 'hoheitsrechtliche Befugnis' im Sinne des A r t 33 Abs. 4 GG ist die Praxis des zuvor dargestellten Dezisionismus des funktionalen Begriffes des Staatlichen zu belegen. Trotz der grundlegenden Kritik des Fiskusdogmas ist der Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Zehnten Änderung des Luftverkehrsgesetzes 18 und den sich daraus ergebenden verfassungs- und unternehmensrechtlichen Fragestellungen gelegt. Den Lösungsvorschlägen des Gesetzentwurfes liegt das Fiskusdogma mit dessen vielfaltigen Möglichkeiten der politischen Gestaltung zugrunde. Die besondere Kritik des besonderen Problems bleibt praxisnah und darf das, weil Schachtschneiders Kritik an dem zugrundeliegenden Fiskusdogma überprüfend ist und es nicht erübrigt, die Rechtsfragen im Rahmen der praktizierten Staatslehre, also systemimmanent, zu bearbeiten.
18
Dargestellt in Teil Β dieser Untersuchung
D. Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters I. Die Aufgaben der BFS gemäß BFS-Gesetz1 a.F. Die Aufgaben 2 der Bundesanstalt für Flugsicherung werden in § 1 (Aufbau der Flugsicherung) BFS-Gesetz wie folgt definiert: "Zur Sicherung der Luftfahrt, insbesondere durch Luftverkehrskontrolle einschließlich Bewegungslenkung, Flugsicherungsberatung, Alarmdienst, Luftnachrichtenübermittlung und Luftnavigationshilfen..". § 2 (Aufgaben der Anstalt) BFS-Gesetz nennt in Abs. 1 die vielfältigen Aufgaben der BFS. Der Wortlaut - "... insbesondere..." - dieser Vorschrift zeigt, daß die folgende Enumeration Raum läßt für weitere Aufgaben, die in Abs. 1 noch nicht aufgeführt sind und sich aus der gegenwärtigen Flugsicherungspraxis oder aus zukünftigen Anforderungen als notwendige Ergänzung ergeben können: 3 "1. die Planung und Erprobung von flugsicherungstechnischen Verfahren und Einrichtungen, 2. die Errichtung und Unterhaltung von Flugsicherungsanlagen, soweit nicht die Flughafenunternehmer nach § 9 hierzu beitragen, 3. die Beschaffung, der Einbau, die Wartung und die Pflege der Geräte für den Flugsicherungsdienst, 4. die Abnahme und die Überwachung der technischen Anlagen und Geräte des Flugsicherungsdienstes, 5. die Ausbildung des Personals für den Flugsicherungsdienst einschließlich der Ausstellung der vorgeschriebenen Befähigungszeugnisse für das Betriebspersonal, für das technische Personal der Anstalt sowie für das Bordpersonal
1
BGBl. 1953 I, S. 70 Zu Aufgaben und Arbeitsweise der BFS und der diesbezüglichen Beteiligung der Flughafenuntemehmer, vgl. a.: E. Sommer, Rechtsgrundlagen des Flugsicherungsdienstes in der Bundesrepublik Deutschland, S. 73ff. 2
3 Eine solche Ergänzung des Aufgabenspektrums des Flugsicherungsdienstes ist in der Neufassung des § 27 c Abs. 2 Nr. 1 b LuftVG n.F. (BR-Drucks. 80/90, S. 7) vorgesehen: "... die Verkehrsflußregelung und die Steuerung derLuftraumnutzung...". Auch die flugsichemngstechnischen Dienste wurden gemäß § 27 c Abs. 2 Nr. 2 c LuftVG n.F. um "die Entwicklung und Pflege der Anwendungsprogramme in der elektronischen Datenverarbeitung für die Flugsichemng" ergänzt.
5 Trampler
66
D. Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
von Luftfahrzeugen; die Ausbildung des hochfrequenztechnischen Personals der Flughafenunternehmer nach § 9 Abs. 5, 6. die Sammlung und Bekanntgabe der Nachrichten für Luftfahrer einschließlich der Herstellung und der Herausgabe der Flugsicherungskarten, 7. die Prüfung und die Überwachung von Flugsicherungs-Anlagen und Geräten in Bodenfahrzeugen sowie die Mitwirkung bei der Muster-, Stück- und Nachprüfung von Flugsicherungs-Ausrüstungen der Luftfahrzeuge, 8. die fachtechnische Mitwirkung bei Flugunfalluntersuchungen, 9. die Durchführung des Flugsicherungsbetriebsdienstes, 10. das Verlangen nach § 16 a Abs. 1 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes, zur Sicherung des Luftverkehrs die Kennzeichnung von Bauwerken und von Gegenständen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes zu dulden, auszusprechen, 11. die Entgegennahme von Anzeigen nach § 16 a Abs. 1 Satz 2 des Luftverkehrsgesetzes und deren Weiterleitung an die beteiligten Behörden." Dieses Aufgabenspektrum der BFS läßt sich in drei Kategorien einteilen. Neben den technischen4 und den organisatorischen 5 Aufgaben wird unter Nummer 9 der Flugsicherungsbetriebsdienst als dritter Zweig der BFS-Aufgaben 6 genannt
1. Die Flugsicherungsbetriebsdienste
der BFS
Den für diese Untersuchung besonders relevanten Flugsicherungsbetriebsdiensten werden in § 2 Abs. 2 BFS-Gesetz "... insbesondere ..." folgende Aufgaben zugeordnet: "1. die Luftverkehrskontrolle einschließlich der Bewegungslenkung im Luftraum und auf den Rollflächen der Flughäfen, 2. der Flugsicherungsberatungsdienst, 3. die Mitwirkung am Such- und Rettungsdienst für Luftfahrzeuge (Alarmdienst), 4. der Funk-, Fernsprech- und Fernschreibübermittlungsdienst für Flugsicherungsdienste,
4 Nr. 1, 2 3 , 4 , 7 , 8 § 2 Abs. 1 BFS-Gesetz lassen sich etwa wie folgt zusammenfassen: Planung, Erprobung, Bau und Wartung von Flugsicherungstechnik und Flugunfalluntersuchung. 5 Nr. 5,6,10,11 § 2 Abs. 1 BFS-Gesetz lassen sich etwa wie folgt zusammenfassen: Ausbildung von Flugsicherungspersonal für Eigen- und für Fremdbedarf, Übermittlung von Luftfahremachrichten und Erstellung von FS-Karten. 6 Der untersuchte Gesetzentwurf bestimmt die BFS-Aufgaben im neu eingefügten § 27 c Abs. 2 LuftVG; s. Teil Β I I 2 dieser Arbeit Diese Einfügung ergibt sich aus der geplanten Aufhebung des BFS-Gesetzes (so BR-Drucks. 80/90, S. 25; s.a. S. 48).
I. Die Aufgaben der BFS gemäß BFS-Gesetz a.F.
67
5. der Betriebsdienst der Luftnavigationshilfen, einschließlich der Schlechtwetterlandeanlagen, 6. die Betätigung der Befeuerungs- und Signaleinrichtungen auf den Flughäfen und in deren Nahverkehrsbereichen." Gemäß § 2 Abs. 2 BFS-Gesetz und § 1 Allgemeine Verwaltungsvorschriften des B M V zum Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung ( A W ) 7 werden folgende Flugsicherungsbetriebsdienste zur "Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Luftfahrt (Luftaufsicht)" 8 von den BFS-Dienststellen durchgeführt:
a) Flugverkekrskontrolldienst Der Flugverkehrskontrolldienst für den bundesdeutschen Luftraum ist als ein Element des Flugsicherungsbetriebsdienstes und als wichtigste Aufgabe der BFS nicht spezialgesetzlich geregelt und wird von den ganz überwiegend beamteten Fluglotsen wahrgenommen 9. Soweit sie Außenwirkung entfaltet, besteht diese Luftverkehrskontrolle der BFS ihrer Rechtsnatur nach aus Verfügungen gemäß § 29 Abs. 1 LuftVG 1 0 . Gemäß § 6 A W ist der Luftverkehr möglichst schnell und flüssig abzuwickeln, wobei der Flugverkehrskontrolldienst die Bewegungslenkung von Luftfahrzeugen insbesondere unter Vermeidung von Zusammenstößen in der Luft und auch auf dem Rollfeld durchzuführen hat
7 8
BAnz. Nr. 74, vom 8.4.1968
§ 3 A W . In diesem Sinne definierte auch die BT-Drucks. 1535 (3. Wahlperiode, Anlage 3, S. 8) die Luftaufsicht und ergänzte, daß die BFS den Hauptanteil an der Luftaufsicht trage und zu diesem Zwecke laufende Verkehrskontrolle und Bewegungslenkung der Luftfahrzeuge ausübe. Einen weiteren Teil der Luftaufsicht nehme gesetzesgemäß das Luftfahrt-Bundesamt auf dem Gebiet der Zulassung und Kontrolle der Luftfahrtgeräte wahr. 9 Als inteme Dienstanweisung für die Tätigkeit der Lotsen gilt die 'Betriebsanweisung für den Flugverkehrskontrolldienst (BA-FVK)'; s.a. Lischka, Die BFS - gesetzlicher Auftrag und Probleme-, in: VerwArch Bd. 79, 1988, S. 448 10 Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 64; zur luftaufsichtsrechtlichen Verfügung detailliert: M. Hofmann, LuftVG, § 29, Rdnm. 9 ff.; B. Rist, Die Abwehr von äußeren, nicht betriebsbedingten Gefahren der Luftfahrt durch die Luitaufsicht, S. 50 ff. m.w.N.
68
D. Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
§ 7 A W bestimmt, daß jeder Instrumentenflug und nach Art des durchflogenen Luftraumes 11 auch die nach Sichtflugregeln durchgeführten Flugbewegungen dem Flugverkehrskontrolldienst unterworfen sind. Der Flugverkehrskontrolldienst wird nach definierten Verfahren von den jeweils für das Flugzeug zuständigen Flugsicherungsstellen 12 (§ 9 A W ) durchgeführt 13 . Die wichtigste Verfügung dieser Fhigveikehrskontrollstellen ist die Erteilung der Flugverkehrsfreigabe gemäß § 10 A W ; daneben sind von den Flugzeugführern, die der Flugverkehrskontrolle unterliegen, die Anweisungen bezüglich der Flughöhe, -richtung und -geschwindigkeit exakt und unverzüglich in einen analogen Flugkurs umzusetzen.
b) Fluginformationsdienst Der Fluginformationsdienst gibt den Piloten Hinweise zur gefahrarmen und schnellen Durchführung des Flugverkehrs. Zu diesen Hinweisen zählen Wettermeldungen oder Auskünfte über flugtechnische Anlagen. Diese Hinweise haben nicht den verbindlichen Charakter der Weisungen des Flugverkehrskontrolldienstes, sondern sind nur Empfehlungen. Verantwortlich für den Fluginformationsdienst sind nicht die Fluglotsen, sondern separate Abteilungen der für das jeweilige Huginformationsgebiet zuständigen Flugverkehrskontrollstelle 14 .
11 Der Luftraum über der Bundesrepublik Deutschland kann nicht frei durchflogen werden, sondern ist nach diversen Regeln und Kriterien differenziert: - oberer/unterer Luftraum - kontrollierter/unkontrollierter Luftraum - Luftsperrgebiete/Gefahrengebiete/Gebiete mit Flugbeschränkungen u.ä. - Mindestflughöhen und exakte Flugkursdaten sind in den Kontrollbezirken, Nahverkehrsbereichen, den Kontrollzonen und innerhalb der Flugplatzverkehrszonen (alles Elemente des kontrollierten Luftraumes) einzuhalten; Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 118 ff. 12 Es ist zwischen den Flugsicherungsregional stellen (Berlin, Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, München), den Flugsicherungsstellen (in Dresden, Erfurt, Hamburg, Hannover, Köln-Bonn, Leipzig, Münster-Osnabrück, Nürnberg, Saarbrücken und Stuttgart), der Flugsicherungsnebenstelle Egelsbach zur Sicherung des unteren Luftraumes, der Kontrollzentrale in Maastricht/Niederlande und der Flugsicherungsleitstelle in Karlsruhe zur Sicherung des oberen Luftraums zu unterschieden; vgl. a.: BFS - Jahresbericht 1989, S. 26 ff.; BFS: Im Dienste der Luftfahrt 01/1991, S. 3; s.a. Schwenk, Hdb.; S. 126 13 Die enorme Bedeutung und die Notwendigkeit einer sicheren Flugverkehrskontrolle verdeutlichen die folgenden Zahlen: Nach eigenen Angaben (in: BFS - Im Dienste der Luftfahrt, 01/1991, S. 5) kontrolliert die BFS jährlich 1,4 Millionen Starts und Landungen an den 17 internationalen Verkehrsflughäfen. Zudem werden 1,5 Millionen Überflüge im Linien- und Charterverkehr von dem Flugverkehrskontrolldienst überwacht Auch die etwa eine Million Bewegungen militärischer Luftfahrzeuge sind von der BFS zu kontrollieren oder zu berücksichtigen. 14 Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 130
I. Die Aufgaben der BFS gemäß BFS-Gesetz a.F.
69
c) Übrige Flugsicherungsbetriebsdienste Der Flugalarmdienst (§ 16-18 A W ) 1 5 benachrichtigt nach definierten Alarmstufen die für den Such- und Rettungsdienst zuständigen Stellen über in Not geratene Luftfahrzeuge. Der Flugverkehrsberatungsdienst versorgt die der Flugsicherung bekannten Flüge im oberen, nicht kontrollierten Luftraum mit relevanten luftfahrtlichen Daten. Der Flugberatungsdienst (§§ 19-22 A W ) verarbeitet wichtige Luftveikehrsnachrichten und ist für die Veröffentlichung von Luftfahrtkarten und des Luftfahrthandbuchs verantwortlich. Der Flugfernmeldedienst (§§ 23-26 A W ) führt über Funk-, Fernsprech- oder Fernschreibverbindungen die Luftverkehrsnachrichtenübermittlung durch. Der Flugnavigationsdienst (§§ 27-28 A W ) unterstützt mit Navigations-, Radar- und sonstigen Systemen die Luftfahrzeugführer bei der Navigation.
d) Flugsicherungstechnischer
Dienst
Die komplexen technischen Anlagen und Systeme 16 der BFS-Dienste und insbesondere des Flugnavigationsdienstes werden vom flugsicherungstechnischen Dienst errichtet, betrieben und gewartet So werden etwa durch eine gemeinsame Flugvermessungsstelle von ziviler und militärischer Flugsicherung gemeinsam laufend die Navigationsanlagen mit eigenen Meßflugzeugen auf Einhaltung der Meßtoleranzen überwacht und im Schadensfall instandgesetzt und neu eingemessen. Gerade dieser BFS -Dienst benötigt zur Handhabung modernster Funkund Navigationsanlagen entsprechend hochqualifizierte, ständig weitergebildete Spezialisten; diese haben, anders als die Fluglotsen, auch in der privaten (Elektronik-) Industrie gute Karriere- und Verdienstmöglichkeiten. Die Nachwuchssorgen der BFS sind daher gerade in diesem Bereich gravierend. In der Diskussion über die Probleme der Flugsicherung findet der
15
Die mit der unmittelbaren Durchführung des Luftverkehrs befaßten Dienste (Flugverkehrskontrolldienst, F lug informations dienst, Flugalaimdienst) werden unter dem Begriff des Flugveikehrsdienstes zusammengefaßt. -
16 Die BFS, Im Dienste der Luftfahrt, 1991, S. 19 f., nennt insbesondere folgende: Radaranlagen Funknavigationsanlagen, diverse Drehfeuer Instrumentenlandesysteme Femmeldeeinrichtungen Sprechfunkgeräte Elektronische Datenverarbeitungsanlagen
70
D. Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
Flugsicherungstechnische Dienst unangemessen geringe Aufmerksamkeit 17 ; ist doch gerade die Elektronik in der Lage, die Leistungsfähigkeit des Systems 'Flugsicherung' dem zunehmenden Luftverkehrsaufkommen anzupassen.
Π. Die Kompetenzen des Bundesministers für Verkehr (BMV) § 31 Abs. 1 Satz 1 L u f t V G 1 8 bestimmt ausdrücklich die Zuständigkeit des B M V für den zivilen Luftveikehr, soweit nicht durch Gesetz besondere Zuständigkeiten in der Luftverkehrsverwaltung definiert sind. Neben anderen Kompetenzen 19 übt der B M V seine Aufsichts- und Weisungsbefugnisse gegenüber der BFS, dem Luftfahrt-Bundesamt und den Luftverkehrsbehörden der Länder aus. Nach Art. 32, Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 LuftVG erläßt der B M V die zur Gesetzesdurchführung notwendigen Rechtsverordnungen 20 über "die im Rahmen der Luftaufsicht erforderlichen Maßnahmen und deren Durchführung" 21 . Der Bund nutzt seine Gesetzgebungskompetenz auch durch Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen, wie z.B. dem Chicagoer Abkommen 22 . Die Zuständigkeit der Bundesbehörden für die Luftaufsicht wird durch das Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung 23 und durch das Gesetz über das
17 Dies erklärt sich wohl aus dem Wesen der Ingenieure, welches weniger auf Eloquenz und Vermarktung der eigenen Leistung, sondern überwiegend auf technisch anspruchsvolle Realisierung derselben ausgerichtet ist. 18 § 3 1 Abs. 1 LuftVG: "(1) Die Aufgaben des Bundes nach diesem Gesetz werden, soweit es nichts anderes bestimmt, von dem Bundesminister für Verkehr oder einer von ihm bestimmten Stelle wahrgenommen. Erfolgt die Bestimmung durch Rechtsverordnung, so bedarf diese nicht der Zustimmung des Bundesrates. Das Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung und das Gesetz über das Bundes-Luftfahrtamt bleiben unberührt." 19 Diese Kompetenzen sind dargestellt bei Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, 1981, S. 58:z.B. - Verhandlung, Unterzeichnung und Vollzug von internationalen Luftfahrtabkommen - Genehmigung von Luftfahitunternehmen und Fluglinienverkehr - Festlegung von Luitsperrgebieten 20 Auszug wichtiger Rechtsverordnungen des B M V : - Luftverkehrsverordnung i.dP. vom 14.11. 1969, BGB1.I, S. 2118 - Verordnung über die Erhebung von Gebühren für die Inanspruchnahme von Diensten und Einrichtungen der Flugsicherung vom 27.10.1971, BGB1.II, S. 1153 - Kostenordnung der Luftfahrtverwaltung, LuftKostO i.d.F. vom 19.12.1974, BGBl. I, S. 3729 - Luftverkehrs-Zulassungsordnung, LuftVZO, i.d.F. vom 28.11.1968 , BGB1.I S. 1263 - Verordnung über Luftpersonal, LuftPersV vom 9.1.1976, BGBl. I, S. 53 - Prüfordnung für Luftfahrtgerät, LuftGerPO vom 16.5.1968, BGB1.I.S. 416 - Verordnung über Flugsicherungsausrüstung der Luftfahrzeuge, vom 11.6.1968, BGB1.I, S. 646 21
Vgl. a.: Schwenk, Grundlagen des Luftrechts, in: Z L W 1977, S. 103. ff.
22
Zuleeg, Die Ausübung der Lufthoheit über der Bundesrepublik Deutschland, in: Z L W 24/1975,
S. 194 23
BGBl. 1953 I, S. 70
III. Die Kompetenzen der BFS und die Rechtsgrundlagen des Vollzugs ihrer Verfügungen
71
Luftfahrt-Bundesamt 24 begrenzt; der erhebliche verbleibende Teil des Aufgabenbereiches der Luftaufsicht wird von den Landesbehörden wahrgenommen 25. Innerhalb des Bundes-Verkehrsministeriums ist die Abteilung Luft- und Raumfahrt (LR) mit diversen Referaten (z.B. LR 10 - Luftrecht und Gesetzgebung; LR 16 - Flugsicherung) mit der allgemeinen Luftverkehrsverwaltung, der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen, Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften befaßt 26 . Die Befugnis gesetzliche Bestimmungen auch über die Gefahrenabwehr zu erlassen, nimmt der Bund, trotz der ausschließlichen Länderkompetenz in diesem Bereich, unter Verweis auf die Annexkompetenz 27 für sich in Anspruch 28 . Weitere Aufgaben und Kompetenzen, die noch nicht definiert sind, hat der Bundesminister für Verkehr zukünftig wahrzunehmen, da die FlugsicherungsGmbH nicht mit sämtlichen Aufgaben der BFS beliehen werden soll. Im Rahmen der geplanten Organisationsprivatisierung sind folglich "für Restaufgaben aus dem Bereich der aufzulösenden Bundesanstalt für Flugsicherung" in den zu definierenden Referaten und Abteilungen des Bundesministeriums für Verkehr neue Planstellen einzurichten 29 .
ΙΠ. Die Kompetenzen der BFS und die Rechtsgrundlagen des Vollzugs ihrer Verfügungen 1. Lufiaufsichtsrechtliche
Verßgungen
§ 10 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Flugsicherung ( A V V ) 3 0 gibt der BFS die generelle Befugnis, Verfügungen zu erlassen und Flugverkehrsfreigaben zu erteilen. Diese Maßnahmen dienen der Gefahrenabwehr im Sinne des § 29 Abs. 1. LuftVG 3 1 und sind daher 'Luftaufsicht', wie auch die A W in den
24 25
BGBl. 1954 I, S. 354 So auch: Zuleeg, ebenda, S. 194
26 S.a. Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 59; die 'Allgemeinen Aufgaben* und die 'Einzelaufgaben' des Bundesverkehrsministeriums nennt Darsow, in: Z L W 4/1961, S. 232 f. 27 Hofmann / Grabherr; Kommentar zum LuftVG, 1971, Rdnr. 4 zu § 29 LuftVG: Gemäß Annexkompetenz begründet der notwendige Zusammenhang mit der Materie, die der Bund regeln darf, die Gesetzgebungskompetenz; so: BVerfGE 8, S. 143 (149), Beschluß v. 29.4.1958 zur verfassungsrechtlichen Prüfung über das Fortgelten des Beschußgesetzes vom 07.06.1939 (RBG1.I, S. 1241) als Bundesrecht. 28
Stellv. für viele: Zuleeg, in: ZLW 24/1975, S. 192
29
BR-Drucks. 80/90, S. 79 BAnz. Nr. 74, vom 8.4.1968
30
7 2 D .
Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
§§3 und 7 Abs. 2 3 2 ausdrücklich festlegt 33 . Eine Form dieser Verwaltungsakte des Flugsicherungsbetriebsdienstes zur Gefahrenabwehr ist nicht vorgeschrieben 34; die im Rahmen der Luftaufsicht von der BFS erlassenen Verwaltungsakte werden meist durch Funk ausgesprochen 35. Vorschriften über den Adressaten sowie die Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit sind aus dem Bundesluftrecht nicht ersichtlich 36 . Insbesondere § 29 Abs. 1 LuftVG macht die notwendige Differenzierung von Luftaufsicht und Flugsicherung deutlich. Auch im hier zu untersuchenden Gesetzentwurf wird darauf hingewiesen, daß die Luftaufsicht und die Flugsicherung "zwei gänzlich voneinander unabhängige Institutionen des Luftrechts" 37 seien, wobei jedoch "Flugsicherung ohne gleichzeitige Luftaufsicht nicht denkbar" 38 sei. Mit einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung soll der geplanten Flugsicherungs-GmbH, als "der für die Flugsicherung zuständigen Stelle" 39 diese Luftaufsicht, neben den Luftfahrtbehörden, zugewiesen werden. Auch § 31 Nr. 18 LuftVG n.F. differenziert zwischen der 'Luftaufsicht' und der 'Flugsicherung' 40 : "(2) Die Länder fähren nachstehende Aufgaben dieses Gesetzes im Auftrage des Bundes aus:...
31 § 29 Abs. 1 LuftVG: " (1) Die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt (Luftaufsicht) ist Aufgabe der Luftfahrtbehörden. Sie können in Ausübung der Luftaufsicht Verfügungen erlassen ...".Zum anordnenden und nicht nur empfehlenden Charakter dieser Maßnahmen, s. Sommer, Rechtsgrundlagen ..., S. 172 ff. und S. 193 ff. 32
§ 7 Abs. 2 A W : " Der Flugverkehrskontrolldienst kann auch in anderen Fällen tätig werden, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt erforderlich ist." 33 Schwenk, Hdb.,S. 64 und zum 'Flugverkehrskontrolldienst*, S. 125 ff.; s.a. Lischka, in: VerwArch 79, S. 446 34 Nach Schwenk, Hdb., S. 66, sind die Verfügungen gemäß § 29 LuftVG anfechtbare Verwaltungsakte; vgl. a. Zuieeg, ebenda, S. 195 35 Schwenk, Hdb., S. 66 36 37 38 39
Zuieeg, ebenda, S. 195 BR-Drucks. 80/90, S. 51 BR-Drucks. 80/90, S. 51 So die Einfügung des neugefassten § 29 Abs. 1 LuftVG; BR-Drucks. 80/90, S. 10
4 0 S.a. BR-Drucks. 310/59 (Begründung zum Gesetzentwurf über die Zuständigkeiten in der Luftverkehrsverwaltung von 1959) I I S. 4 Nr. 10: "Ein Teil der Luftaufsicht, d.h. der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt, soll entsprechend der bisherigen Handhabung bei den Ländern verbleiben. Ausgenommen sind die Teile der Luftaufsicht, die als Verkehrsaufsicht einschließlich Bewegungslenkung von der Bundesanstalt für Flugsicherung und als technische Aufsicht von dem Luftfahrt-Bundesamt wahrgenommen werden."
III. Die Kompetenzen der BFS und die Rechtsgrundlagen des Vollzugs ihrer Verfügungen
73
18. die Ausübung der Luftaufsicht (§29 Abs. 1 ), soweit diese nicht der Bundesminister für Verkehr aufgrund gesetzlicher Regelung selbst oder die für die Flugplankoordinierung, die Flugsicherung und die Luftsportgeräte zuständigen Stellen im Rahmen ihrer Auf gaben ausüben." 41
2. Vollzug der luftaufiichtsrechtlichen
Verßgungen durch die BFS
a) Selbständige Vollstreckung
aa) Rechtsgrundlagen Wie jede Vollstreckungsmaßnahme bedarf auch die Durchsetzung fliegerischer Anordnungen des Flugsicherungsdienstes an die Besatzung eines Zivilflugzeuges per Gewaltanwendung einer besonderen gesetzlichen Grundlage 42 . Für die Vollstreckung der von den Luftaufsichtsbehörden erlassenen Verfügungen sind nicht etwa die §§ 29, 29 c L u f t V G 4 3 die besondere Ermächtigungsgrundlage 44 , sondern - für die Bundesbehörden - das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes von 1953 45 und die Polizeigesetze. Das Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) 4 6 präzisiert den Umfang der Befugnis, unmittelbaren Zwang anzuwenden, schränkt ihn ein und regelt die Art und Weise der Zwangsanwendung 4 7 . Für die Landesbehörden regeln die Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Länder die Anwendung des unmittelbaren Zwanges 48 . Gemäß § 6 Nr. 5 UZwG sind ausschließlich die Beamten der Flugsicherung mit Befugnissen der Luftaufsicht "Vollzugsbeamte des Bundes nach diesem Gesetz" und gemäß § 9 Nr. 5 UZwG ist ihnen bei Anwendung unmittelbaren Zwanges der
41
BR-Drucks. 80/90, S. 13 und synoptische Darstellung, S. 19
42
Stellv. für viele: Wolff / Bachof t Verwaltungsrecht III, S. 324 43 § 29 c LuftVG: "(1) Der Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, ist Aufgabe der Luftfahrtbehörden. Die örtliche Zuständigkeit der Luftfahrtbehörden erstreckt sich insoweit auf das Flugplatzgelände ... (2) Die Luftfahrtbehörden sind befugt, die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu treffen..." 44
So: Giermdla, Luftverkehrsgesetz, § 29 c Rdnr.10 § 12 V w V G regelt den Einsatz unmittelbaren Zwangs, BGB1.I, S. 157, geändert durch BGBl. 19611, S. 429 und BGBl. 19701, S. 805 46 UZwG v. 10.03.1961, BGBl. I. S. 165, geändert durch das Gesetz v. 25.06.1969, BGB1.I,S. 645 45
47
V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 315 (S. 154)
48
Giermdla, LuftVG, § 29, Rdnr. 40 (S. 18)
7 4 D .
Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
Gebrauch von Schußwaffen gestattet Die Bediensteten des B V M und des Luftfahrt-Bundesamtes zählen somit nicht zum Kreis der Befugten 49 . Diese Regelung erfordert zur Durchführung der Vollzugsmaßnahmen die Amtshilfe der allgemeinen Polizeibehörden des jeweiligen Landes 50 . Die Wahl der konkret vorzunehmenden Gefahrenabwehrmaßnahmen jedoch liegt bei den Luftfahrtbehörden, die am besten die Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen beurteilen können 51 . Bei konkreter Gefahr für den Luftverkehr oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die sofortiges Eingreifen erforderlich macht, sind die allgemeinen Polizeibehörden neben den sonderpolizeilichen Luftfahrtbehörden subsidiär zuständig 52 . Für Giemulla 53 ist eine originäre Zuständigkeit der allgemeinen Polizeibehörden gegeben, wenn allgemeine, nicht luftfahrtspezifische, Gefahren drohen. Die Annahme, daß der Luftverkehr im weiteren Sinne von einer Gefahr betroffen sein kann, reiche nicht aus, eine Zuständigkeit der Luftfahrtbehörden anzunehmen. Ebenso erachtet Grabherr 54 Eingriffe der Luftaufsichtsstellen nur bei konkreter Gefahr als zulässig. Die Abwehr von allgemeinen Gefahren liegt in der Zuständigkeit der allgemeinen Polizei. Auch Maßnahmen wie die Durchsuchung der Passagiere sind dem Polizeirecht und nicht dem Luftverkehrsrecht zuzuordnen 55 . Zusammenfassend unterscheidet Krüger 5 6 zwischen der vorrangigen Zuständigkeit der besonderen Gefahrenabwehrbehörden der Luftaufsicht einerseits und dem Polizeivollzugsdienst als Teil der allgemeinen Gefahrenabwehrbehörden andererseits wie folgt: "a) Gefahrenvorsorge ohne konkrete Gefahr im Einzelfall obliegt der Anordnung durch die Luftaufsicht im Rahmen der ihr gegebenen Befugnisse und bedarf gegebenenfalls der Durchführung unter Inanspruchnahme der Vollzugshilfe des Polizeivollzugsdienstes.
49 S.a. Vierheilig, Rechtsgrundlagen, Aufgaben und Organisation der Bundesanstalt für Flugsicherung, in: Die Polizei, 12/1964, S. 367 f. 50
Etwa gemäß Art. 29 ff. PAG (Polizeiaufgabengesetz)
51
S.a.: Giemulla, LuftVG, § 29 c Rdnr. 10, S. 270 b; LeUmeier, Die Sichenmg des Luftverkehrs ..., in: BayVBl. 12/1987, S. 364; R. Krüger, Zur sachlichen Zuständigkeit zwischen Luftaufsicht und Behörden der allgemeinen Gefahrenabwehr, in: Die Polizei, 5/1979, S. 157 52
Schwenk, in: NJW 16/1981, S. 857
53
Giermdla, LuftVG, § 29 c Rdnr. 10, S. 270 b Grabherr, Rechtsgrundlagen für Sicheiungsmaßnahmen im Luftverkehr, in: Z L W 1978, S. 173
54
55 Auch für Meyer, Zur Frage der Rechtsgrundlagen..., in: Z L W 1973, S. 171 f., beschränkt § 29 Abs. 1 S. 2 LuftVG die Tätigkeitsbefugnis der Luftfahrtbehörden bei Ausübung der Luftaufsicht auf den Erlaß von Verfügungen und ist somit keine Rechtsgrundlage für die Anwendung unmittelbaren Zwanges. So sei nicht § 29 LuftVG die Rechtsgrundlage für eine zwangsweise körperliche Durchsuchung von Flugpassagieren, sondern das allgemeine Polizeirecht 56 R. Krüger, ebenda, S. 158
III.
e Kompetenzen der BFS und die Rechtsgrundlagen des Vollzugs ihrer Verfügungen
75
b) Gefahrenabwehr bei konkreter Gefahr im Einzelfall begründet lediglich für unaufschiebbare Maßnahmen eine unmittelbare Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes. Alle nicht unaufschiebbaren Maßnahmen ebenso wie die nach der Erledigung unaufschiebbarer Maßnahmen durch den Polizeivollzugsdienst anstehenden weiteren Schritte müßten wiederum von der Luftaufsicht angeordnet werden."
bb) Bewertung Neben dieser anerkannten Zuständigkeit der allgemeinen Vollzugspolizei bei Gefahr im Verzug, erfährt die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch § 9 Nr. 5 UZwG eine weitere Einschränkung. Danach sind die BFS-Beamten mit Befugnissen der Luftaufsicht nur nach "näherer Anweisung" des B M V zum Gebrauch von Schußwaffen und Explosivmitteln (§ 14 UZwG) berechtigt 57 . Diese Regelung setzt eine entsprechende technische Ausrüstung der BFS-Beamten voraus. Ebendiese Bewaffnung der BFS-Beamten ist in der Regel nicht gegeben und bedingt somit die Notwendigkeit, die allgemeine Polizei des jeweiligen Bundeslandes oder sonstige Dienststellen (Zoll- oder Paßkontrollbehörden) die Ausübung des unmittelbaren Zwanges im Wege der Amtshilfe vornehmen zu lassen 58 . Die Anwendung von Zwangsmitteln durch die Beamten der Luftaufsichtsbehörden ist schon faktisch durch die große räumliche Entfernung der Arbeitsplätze des Flugsicherungspersonals von den Personen oder Luftfahrzeugen, gegen welche Zwangsmaßnahmen vorzunehmen wären, nahezu unmöglich. Zudem wird der Flugverkehrskontrolldienst durchweg über Funk abgewickelt 59 und die meist nur einfache Besetzung der Arbeitsplätze - jeweils mit einem Radarlotsen und einem Controller - erlaubt auch kein Verlassen derselben. Die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Luftverkehr verbietet auch ein außerplanmäßiges Verlassen des Arbeitsplatzes, welches eine zeitintensive Abstimmung mit den Fluglotsen auf benachbarten Arbeitsplätzen erfordern würde 60 .
57
Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, § 29, S. 19
58
Giemulla, Luftverkehrsgesetz, § 29 Rdnr. 40, Schwenk, Polizei und Luftverkehr, in: Die Polizei 7/1978, S. 214; Zuieeg, in: Z L W 24/1975, S. 195 ff.; Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 323 S. 159, weist auf die Bestrebungen der Polizei hin, sich aus den als 'polizeifremd 1 empfundenen Ordnungsaufgaben zurückzuziehen und Außendienstaufgaben, die keiner Gewaltanwendung bedürfen, bestimmten Dienstkräften der Ordnungsbehörden zu überlassen; als Beispiele sind die Bauaufsicht und der Immissionsschutz genannt. So habe das Land Niedersachsen zur Entlastung der Polizei für 23 Bereiche der Ordnungsverwaltung, darunter auch die Luftaufsicht, Verwaltungsvollzugsbeamte zwingend vorgeschrieben. 59 60
Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 128; und ders., in: ZLW 23/1974, S. 166
Sorichtigerweise auch Giemulla, Luftverkehrsgesetz, § 29 Rdnr. 40, auch E. Sommer, Rechtsgrundlagen, S. 172 ff., hält die Bedeutung des Verwaltungszwanges im Bereich der Flugsicherung für gering.
76
D. Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
Die Flugleiter und sonstige nach § 29 Abs. 2 LuftVG 6 1 beliehene Personen sind zwar Behörden im Sinne des VwVfG können aber als solche nur die Maßnahmen nach dem VwVfG ergreifen; d.h. Verfügungen erlassen, diese aber nicht vollstrekken. Hierzu bedürfte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung, die nicht in § 29 LuftVG zu sehen ist. In der Regel erfordern die Verstöße von Luftfahrzeugführern gegen geltendes Luftverkehrsrecht der Bundesrepublik Deutschland keine Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges, sondern werden bei Ordnungswidrigkeiten mit Geldstrafen und bei Straftaten mit Geld- oder Freiheitsstrafen - unter Einschaltung der Staatsanwaltschaft - geahndet Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung soll wohl diesen polizeilichen Charakter der BFS-Aufgaben reduzieren, indem die Luftaufsichtsbeamten aus dem Anwendungsbereich des UZwG herausgelöst werden 62 und ihnen die in der Flugsicherungspraxis bislang nicht notwendig gewordene 63 Anwendung unmittelbaren Zwanges gemäß § 9 Nr. 5 UZwG nicht mehr gestattet ist. Da das UZwG jedoch nicht die Befugnisgrundlage zur Anwendung unmittelbaren Zwanges, sondern nur die Rechtsnorm zur Beschränkung dieser Zwangsanwendung ist, hat die Streichung der BFS-Beamten mit Befugnissen der Luftaufsicht aus dem UZwG nicht die Entpolizeilichung der Luftaufsicht zur Folge 64 .
b) Amtshilfe zum Vollzug der BFS-Verfugungen
aa) Polizei- und Ordnungskräfte der Länder Da die Beamten der BFS selbst, wie zuvor gezeigt, weder über die technische Ausstattung noch über die rechtliche Kompetenz zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer luftaufsichtlichen Verwaltungsakte verfügen, sind sie auf die Amtshilfe der allgemeinen Polizeibehörden angewiesen. Soweit keine bundesrechtlichen Vorschriften über die polizeilichen Befugnisse der Luftaufsichtsbehörden des Bundes bestehen, setzen die entsprechend ausgerüsteten Länderpolizeien die von der Luftaufsicht angeordneten Verfügungen und Maßnahmen im Wege der Amtshil-
61 §29 Abs. 2 LuftVG: "Die Luftfahrtbehörden können diese Aufgaben auf andere Stellen übertragen oder sich anderer geeigneter Personen als Hilfsorgane für bestimmte Fälle bei der Wahrnehmung der Luftaufsicht bedienen." 62 BR-Drucks. 80/90, S. 26 (Artikel 4) 63
BR-Drucks. 80/90, S. 72 Die Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwanges folgt aus den Verwaltungsvollstrekkungs- und den Polizeigesetzen; so: Götz, ebenda, Rdnr. 315; Giemulla, LuftVG, § 29, Rdnr. 40 (S. 18 f.); M. Hofmann, LuftVG, § 29, Rdnr. 14 (S. 346f.) 64
III. Die Kompetenzen der BFS und die Rechtsgrundlagen des Vollzugs ihrer Verfügungen
77
fe 6 5 durch. Hierbei finden die jeweiligen, nicht einheitlichen, landesgesetzlichen Vorschriften Anwendung, da bislang keine national einheitliche Verwaltungsvorschrift, gemäß § 32 Abs. 5 L u f t V G 6 6 ergangen ist 6 7 . Nach § 31 Abs. 2 Nr. 18 L u f t V G 6 8 können die Polizei- und Ordnungsbehörden der Länder in die Ausübung der Luftaufsicht eingreifen. Obwohl das UZwG und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes ausdrücklich nur für die Vollzugsbeamten des Bundes gelten, lassen sich diese beiden Vorschriften in Ergänzung zu den analogen Ländergesetzen anwenden, wenn die Ausführung der Bundesgesetze den Landesbehörden übertragen wurde. Die Möglichkeiten der Landesbehörden zur Gefahrenabwehr in der Luft sind auf die bewaffneten Polizeikräfte am Boden und ihrer Unterstützung durch Polizeihubschrauber begrenzt 69 . Diese polizeilichen Mittel sind zur Durchsetzung des unmittelbaren Zwanges gegenüber Luftfahrzeugen nur in wenigen Fällen - so z.B. bei Sportflugzeugen o.ä. - ausreichend. Die zur Durchsetzung luftaufsichtlicher Maßnahmen im heutigen Luftverkehr notwendigen Abfangjäger oder ähnlichen Luftfahrzeuge unterstehen der Bundeswehr und ihr Einsatz unterliegt erheblichen verfassungsrechtlichen Schranken.
bb) Streitkräfte Nach Art. 87 a Abs. 2 GG dürfen die Streitkräfte, außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, "soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt". Art. 87 b Abs. 1 Satz 2 u. 3 GG begrenzt den Aufgabenbereich der Bundeswehrverwaltung. Der Schutz der Lufthoheit gehört in Friedenszeiten nicht zum Verteidigungsauftrag der Bundeswehr 70 . Keine Rechtsgrundlage erlaubt die Hilfe-
65 Zur Amtshilfe im Sinne des Ait. 35 Abs. 1 GG siehe Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Ait. 35, Rdnm. 1 ff.: Danach ist unter Hilfe i.S. dieser Vorschrift die "Tätigkeit einer Behörde zu verstehen, die diese auf Ersuchen einer anderen Behörde vornimmt, um die Durchführung der Aufgaben der ersuchenden Behörde zu ermöglichen oder zu erleichtem." Beispiele für die Amtshilfe gibt A/. Gubelt, in: v. Münch, GG-Kommentar Π, 2. Aufl., 1983, Rdnr. 7 66 § 3 2 Abs. 5 LuftVG: "Der Bundesminister für Verkehr erläßt die zur Durchführung dieses Gesetzes und der dazu ergangenen Rechtsverordnungen notwendigen allgemeinen Verwaltung s Vorschriften ..." 67 Schwenk, Hdb., S. 66 68 § 3 1 Abs. 2 LuftVG: "(2) Die Länder führen nachstehende Aufgaben dieses Gesetzes im Auftrage des Bundes aus:... 18. Die Ausübung der Luftaufsicht, soweit diese nicht der Bundesanstalt für Flugsicherung oder dem Luftfahrt-Bundesamt übertragen ist (§ 29),..." 69 7 0
Zuieeg, in: ZLW 24/1975, S. 196 V. Unruh, in: VVDStRL 26 (1968), S. 174
D. Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
78
Stellung der Bundes-Luftwaffe, solange nicht ein bewaffneter Angriff eines anderen Staates abzuwehren ist 7 1 . So ist das U Z w G B w 7 2 auf den Selbstschutz der Bundeswehr und ihrer Einrichtungen, nicht aber auf die Abwehr bewaffneter Angriffe zugeschnitten. Die Amtshilfe der Streitkräfte erschöpft sich gemäß Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG in der Bekämpfung von Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen; und darf auch nur für polizeiliche Aufgaben, gemäß der polizeilichen Generalklausel, geleistet werden 73 . Auch Böckstiegel 74 gelangt zu dem Ergebnis, daß Art. 87 a Abs. 1 und 2 GG der Bundeswehr keinerlei Hoheitsbefugnisse im innerstaatlichen Bereich gibt, die über den internen Bereich der Bundeswehr hinausgehen. Obwohl allein die Streitkräfte die notwendigen Flugzeuge zur Abwehr von Gefahren im Luftraum und zur Durchsetzung luftaufsichtlicher Verfügungen bereithalten, schließt das Grundgesetz den diesbezüglichen Einsatz der Streitkräfte grundsätzlich aus und hält nur einen nach außen gerichteten "Einsatz" der Bundeswehr und der Luftwaffe für zulässig 75 .
3. Trennung von militärischer
und ziviler Luftverkehrsverwaltung
Grundsätzlich wird der militärische Luftverkehr von der zivilen Luftverkehrsverwaltung nach A r t 87 d GG miterfasst, da die umfassende Kompetenz zur Verwaltung aller Flugtätigkeit im Luftraum nicht nach zivilem und militärischem Luftverkehr unterschieden ist 7 6 . Die Aufteilung von Verwaltungskompetenzen wird durch § 30 Abs. 2 Satz 1 LuftVG konkretisiert:
71 V. Mangoldt / Klein, GG, Ait. 87 a, Anm. V 2 (S. 2321): "In Abs. 2 wird die verfassungspolitische Zielsetzung sichtbar, einen Einsatz der Streitkräfte im Innern nur als ultima ratio zuzulassen..." 7 2 BGBl. 19651, S. 796 7 3 7 4
V. Mangoldt / Klein, GG, Art 87 a, Anm. V 4b (S. 2322) Böckstiegel, Zur Frage des Erfordernisses von Sondererlaubnissen ..., in: ZLW 1/1985, S. 3 ff.
75 KA. Hernekamp, in: v. Münch, GG-Kommentar, Art 87 a, Rz.14: "Auf den innerstaatlichen Einsatz bezogen rechtfertigt sich der Verfassungsvorbehalt nach Abs. I I aus der Garantie einer strikten Trennung zwischen äußeren (militärischen) und inneren (politischen) Gewaltmonopol i.S. des 'ultra vires*-Prinzips .... Ein Streitkräfteeinsatz im Innern kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht, es sei denn im Rahmen polizeilicher Kompetenzen, und auch dies nur in streng subsidiärer Funktion." Auch nach Dürig, in: Maunz/ Dürig, GG, Art 87 a, Rdnr. 25, ist die Aufrechtelhaltung von Sicherheit und Ordnung materiell Aufgabe der Länderpolizei. Den Streitkräften kommen allgemein-polizeiliche Aufgaben grundsätzlich nicht zu und daher ist ein Einsatz der Streitkräfte in den Fällen der Art. 35 Abs. II,III und Art. 87 a Abs. III,IV GG im Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr stets subsidiär und nur zulässig, wenn vorhandene "Polizeikräfte zur Beseitigung der Gefahrenlage nicht imstande" sind. 76 S.a.: Böckstiegel, ebenda, S. 7; Schwenk, Grenzfragen zum Luftrecht oder Luftrecht in der Defensive, in: Z L W 1978, S. 252; BR-Drucks. 80/90, S. 53: die eigene militärische Flugsicherung hat sich ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage entwickelt, und findet ihre Legitimation in Art. 87 a Abs. 1 GG. Ihr Aufbau erfolgte nach den Fluglotsenstreiks zu Beginn der siebziger Jahre, um den militärischen Bereich von zukünftigen streikähnlichen Aktionen der beamteten Fluglotsen unabhängig zu machen.
IV. Delegation von Aufgaben der Luftaufsicht auf andere Behörden und auf Private
79
"Die Verwaltungszuständigkeiten aufgrund dieses Gesetzes werden für den Dienstbereich der Bundeswehr und, soweit völkerrechtliche Verträge nicht entgegenstehen, der stationierten Truppen durch Dienststellen der Bundeswehr nach Bestimmungen des Bundesministers der Verteidigung wahrgenommen. " Bislang fehlt es an einer eindeutigen Abgrenzung der Zuständigkeiten für die Luftaufsicht im Verhältnis zwischen den zivilen und militärischen bundesdeutschen Luftfahrtbehörden und den Luftfahrtbehörden der Alliierten 77 .
IV. Delegation von Aufgaben der Luftaufsicht auf andere Behörden und auf Private 7. Auftragsverwaltung
der Länder
Nach § 31 Abs. 2 Nr. 18 LuftVG ist den Ländern die Ausübung der Luftaufsicht als Auftragsverwaltung übertragen. Diese erstreckt sich gemäß § 29 Abs. 1 LuftVG auf die Gefahrenabwehr, soweit sie nicht der BFS oder dem LBA übertragen ist. Die Wahrnehmung der Auftragsverwaltung ist bei den Ländern und ihren Ministerien unterschiedlich angesiedelt und wird vom jeweüigen Luftaufsichtspersonal teüs im Wege der Amtshilfe oder der Olganleihe auf Länderpolizei-, Bundesgrenzschutz-, Zollverwaltungskräfte oder auf Bedienstete der Flughafengesellschaften oder privater Dienstleistungsunternehmen übertragen. In den Sicherheitskommissionen auf den Verkehrsflughäfen wird die Tätigkeit dieser verschiedenen Sicherheitsorgane koordiniert 78 . Die Bundesauftragsverwaltung unterliegt einer umfassenden Bundesaufsicht, welche die Gesetz- und Zweckmäßigkeit der Ausführung überwacht. Gemäß Art. 85 Abs. 4 GG kann die Bundesregierung zum Zwecke der Ausübung ihrer Aufsichtsbefugnisse Berichte und Vorlage der Akten verlangen und Beauftragte zu den Länderbehörden entsenden79.
77
Zuieeg, ebenda, S. 201 Borst, Die Stellung des Flughafenuntemehmers im Rahmen der behördlichen Maßnahmen zur Abwehr äußerer Gefahren im Luftverkehr, in: Z L W 1977, S. 128 79 Zur Bundesaufsicht bei Bundesauftragsverwaltung: P. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rdnrn. 70 ff.; Stern, Staatsrecht II, § 41, V I 5, S. 813 f., (jeweils m.w.N.) und zum Luftrecht: Giemulla, LuftVG, § 31 Rdnr. 49 78
8 0 D .
Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
2. Beleihung Privater
mit Aufgaben der Luftaufsicht
Die Delegation von Aufgaben der Luftaufsicht an Private kann sich aus § 29 Abs. 2 L u f t V G 8 0 ergeben oder erfolgt durch zustimmungsbedürftigen VerwaltungsakL Die Delegation hat eine Beleihung mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben zur Folge. Nach h.M. übt der Beliehene gegenüber Dritten Hoheitsgewalt aus, steht in einem beamtenähnlichen Rechtsverhältnis zu der ihn beleihenden Luftfahrtbehörde und untersteht deren Aufsicht und ist den Weisungen dieser Behörde unterworfen 81 . Art. 29 Abs. 2 LuftVG definiert nicht, auf welche Stellen und unter welchen Voraussetzungen die selbständige Wahrnehmung von Aufgaben der Luftaufsicht übertragen werden kann. Für Zuleeg 8 2 begründet das Fehlen eines Gesetzes zur Übertragung von Befugnissen der Luftaufsicht die Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf Private aus rechtsstaatlichen Gründen dem organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt unterliegt 83 und das Gesetz den Kreis der zu beleihenden Personen exakt definieren muß. Die Bundesluftfahrtbehörden haben diese Möglichkeit in der Vergangenheit zur Bewältigung ihrer Aufgaben ausgiebig genutzt 84 . In dieser Untersuchung sind vorrangig die Beauftragten für Luftaufsicht zu nennen. Diese sogenannten Flugleiter, die nach § 45 Abs. 3 L u f t V Z O 8 5 auf Flughäfen stets, auf Lande- und auf Segelflugplätzen dagegen nur auf Verlangen der Luftaufsichtsbehörde - gemäß §§53 Abs. 3,58 LuftVZO - zu bestellen sind, haben die Befugnisse des Flugplatz-
80 § 2 9 Abs. 2 LuftVG: " Die Luftfahrtbehörden können diese Aufgaben auf andere Stellen übertragen oder sich anderer geeigneter Personen als Hilfsorgane für bestimmte Fälle bei der Wahrnehmung der Luftaufsicht bedienen." Zuleeg, Die Ausübung der Lufthoheit über der Bundesrepublik Deutschland, in: Z L W 24/1975, S. 199, interpretiert diese "anderen Stellen" als andere Verwaltungsbehörden. "Andere geeignete Personen" seien Privatpersonen, die mit hoheitlichen Aufgaben der Luftaufsicht beliehen werden; gedacht ist hier z.B. an den Luftfahrzeugführer, der gemäß § 29 Abs. 3 LuftVG zum Vollzug des per Funk an das fliegende Luftfahrzeug übermittelten Verwaltungsaktes befugt ist. 81
Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 66; vgl. a. M. Hofmann, LuftVG, § 29 I I Anm. 19-32.
82
Zuleeg, in: Z L W 24/1975, S. 200
83 Stellv. für viele: F. OssenbühJ, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, in: VVDStRL 29 (1971), S. 172 f.; Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 347 S. 175, nennt als Beispiele sondergesetzlicher Einräumung polizeilicher Befugnisse an Private den Schutz von Feld, Wald, Flur und Fischerei und die Befugnisse von LuftfahrzeugfÜhrem, gemäß § 29 Abs. 3 LuftVG, und von Schiffskapitänen, gemäß § 106 SeemaimsG von 1957, Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung in Transportfahrzeugen zu treffen. 84 85
So Giemulla, Luftveikehrsgesetz, § 29 Rdnr. 17
§ 45 Abs. 3 LuftVZO: "Der Flughafenuntemehmer hat auf Verlangen der Genehmigungsbehörde eine oder mehrere sachkundige Personen für die Leitung des Veikehrs und Betriebs des Flughafens zu bestellen. Diese Bestellung bedarf der Bestätigung durch die Genehmigungsbehörde." Zum Flugleiter siehe auch M. Hoffmann, Luftverkehrs-Verordnungen, S. 171
V. Die Abwicklung der Flugsichemng
81
halters aus dem privaten Rechtsverhältnis zum Flugplatzbenutzer wahrzunehmen 8 6 . Wird der Flugleiter neben dieser Eigenschaft als "Platzwart" 87 als Beauftragter für Luftaufsicht tätig und nimmt damit hoheitliche Befugnisse wahr, erlangt er einen doppelten Status 88 . Eine ebenfalls zulässige Aufgabenübertragung auf andere Behörden ist von dem zuvor beschriebenen Fall der Amtshilfe zu trennen. Die mit Luftaufsichtsaufgaben betrauten Stellen können sich jedoch wiederum der Amtshilfe anderer Behörden, insbesondere der allgemeinen Polizei, bedienen 89 . So werden auf den Flugplätzen ohne eigene Flugverkehrskontrollstelle der BFS luftaufsichtsrechtliche Aufgaben in der Regel von einem Flugleiter, als Beauftragtem der Luftaufsicht, im Auftrag des Landes wahrgenommen. Diese in der Luftaufsicht tätigen Bediensteten der Luftfahrtbehörden führen die Bezeichnung 'Sachbearbeiter für Luftauf sieht'. Andere gemäß § 29 Abs. 2 LuftVG bestellte Hilfsorgane der Luftaufsicht werden als 'Beauftragte für Luftaufsicht' 90 bezeichnet. Diese dargestellten Möglichkeiten der Delegation von Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung werden insbesondere von den Luftfahrtbehörden der Länder, aber auch von der BFS selbst genutzt. Delegatare sind meist Mitarbeiter der Flugplätze. Die Aufgaben dieser Beauftragten für Lufiaufsicht sind in einer besonderen Dienstanweisung festgelegt. Hierin wird auch die Überwachung des Flugbetriebes, die Überprüfung des Luftfahrtpersonals und der Luftfahrzeuge sowie die Verhängung von Startverboten genannt 91 .
V. Die Abwicklung der Flugsicherung Die BFS hat Flugverkehrskontrollstellen insbesondere auf den internationalen Verkehrsflughäfen der Bundesrepublik eingerichtet. Auf anderen Flugplätzen, vorwiegend den Regionalflughäfen, wurden von den Ländern im Auftrag der BFS Flugverkehrskontrollstellen eingerichtet. In diesen Außenstellen sind die sonstigen luftaufsichtsrechtlichen Aufgaben in der Regel auf den privaten Platzhalter übertragen worden; tätig wird hier der sogenannte Flugleiter als Beauftragter der
86
Vgl.a. § 22 Abs. 1 Nr.2 LuftVO
87
So das OLG Karlsruhe, in: VersR 1969, S. 547 So auch: Sommer, Rechtsgrundlagen des Flugsicherungsdienstes, S. 195; H. Busse, Die Luftaufsicht, S. 338; Hasse, Der Flugleiter auf Landeplätzen, in: Z L W 18/1964, S. 111; Schwenk, Hdb., S. 65 f. 89 Schwenk, ebenda, S. 65 90 Giemulla, Luftverkehrsgesetz, § 29, Rdnr. 15; Schwenk, Hdb., S. 135 weist diesbezüglich auf die notwendige Differenzierung von zulässig übertragbarer Luftaufsicht und der - bislang - zwingend dem Monopol der BFS vorbehaltenen Flugsicherung hin. 88
91
Schwenk, Hdb., S.65
6 Trampler
8 2 D .
Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
Luftaufsicht, der unter der Fachaufsicht der nächstgelegenen Flugsicherungsstelle steht 92 . Gemäß § 29 c Abs. 5 LuftVG können auch nichtbeamtete Personen mit Aufgaben der Gefahrenabwehr betraut werden; diese sind im Rahmen der Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben mit der Durchführung der notwendigen Maßnahmen zu betrauen und auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten 93 .
VI. Ordnungswidrigkeiten und Straftaten gemäß den Vorschriften des LuftVG Im folgenden sind die verschiedenen Vorschriften dargestellt, welche die Ordnungswidrigkeiten und die Straftatbestände erfassen, die von Luftfahrzeugführern und von Dritten zur Gefährdung der Sicherheit des Luftverkehrs begangen werden können. Die §§ 58, 61 LuftVG bestimmen Ordnungswidrigkeiten, für die gemäß § 1 Abs. 1 L u f t V G 9 4 das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten 95 in der Fassung der Bekanntmachung vom 2.2.1975 96 gilt. § 58 Abs. 1 LuftVG bestimmt enumerativ die Ordnungswidrigkeiten. Danach handelt etwa ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig "1. den im Rahmen der Luftaufsicht (§ 29) erlassenen Verfügungen zuwiderhandelt, ... 5. ohne die nach § 20 Abs. 1 erforderliche Genehmigung Luftfahrtunternehmen betreibt oder Luftfahrzeuge verwendet,... 8 a. als Führer eines Luftfahrzeuges entgegen § 25 Abs. 1 ... startet oder landet,... 12. ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 6 und 7 in den Geltungsbereich dieses Gesetzes ein- oder ausfliegt,..." § 58 Abs. 2 LuftVG bestimmt, daß die Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen bis zu 20.000 D M geahndet werden. § 61 LuftVG definiert unerlaubte Luftaufnahmen und die Höhe der Geldbuße von bis zu 5.000,— D M für entsprechende Verstöße.
92
Giermdla, ebenda, § 29, Rdnr. 13
93
Giemulla, ebenda, § 29 c, Rdnr. 18, verweist auf BT-Dracks, 8/3431, S. 14 § 1 Abs. 1 LuftVG: "Die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge ist frei, soweit sie nicht durch dieses Gesetz... und durch die zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Rechtsvorschriften beschränkt wird." 94
95 96
BGBl. 19681, S. 481 BGB1.I.S. 80, ber. S. 520
VI. Ordnungswidrigkeiten und Straftaten gemäß den Vorschriften des LuftVG
83
Die luftverkehrsrechtlichen Straftatbestände sind in den §§ 59,60,62 LuftVG erfaßt: § 59 LuftVG regelt die Verkehrsgefährdung, mit der ein Luftfahrzeugführer Leib und Leben anderer gefährdet und dafür mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. § 60 LuftVG erfaßt weitere Straftatbestände, wie das Führen nicht zugelassener Luftfahrzeuge, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. § 62 LuftVG belegt Verstöße gegen Flugbeschränkungen, z.B. das Durchfliegen von Luftsperrgebieten, mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe. § 63 LuftVG a.F. bestimmt die Landesluftfahrtbehörden, die BFS und das L B A als sachliche zuständige Verwaltungsbehörden im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Der vorliegende Gesetzentwurf 97 ersetzt die BFS im § 63 durch den "Bundesminister für Verkehr im Bereich der Beauftragungen nach den §§31 a bis c; der Bundesminister für Verkehr kann seine Zuständigkeit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf eine andere Behörde oder sonstige Stelle übertragen." Diesen Behörden obliegt die Durchführung der Bußgeldverfahren, soweit sie für die Ausführung des Luftverkehrsgesetzes und seiner Durchführungsbestimmungen zuständig sind. Wird ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen die §§ 59, 60, 62 LuftVG betrieben, ist die Staatsanwaltschaft auch unter dem rechtlichen Aspekt einer Ordnungswidrigkeit zuständig 98 . Auch das Strafgesetzbuch regelt in diversen Vorschriften die Gefährdung des Luftverkehrs: So definiert § 315 Abs. 1 StGB gefährliche Eingriffe in den Luftverkehr wie folgt: "Wer die Sicherheit des ... Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er 1. Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt, 2. Hindernisse bereitet, 3. falsche Zeichen oder Signale gibt oder 4. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt, und dadurch Leib und Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." § 315 a StGB dient ebenso wie § 315 StGB dem Schutz des Luftverkehrs und enthält ergänzend den Straftatbestand der Trunkenheit am Steuerknüppel eines Luftfahrzeuges. Ergänzend erfasst auch § 316 StGB als Vorschrift über Trunkenheit im Verkehr neben dem Straßenverkehr auch den Luftverkehr.
97
BR-Drucks. 80/90, S. 24 und synoptische Darstellung S. 30
98
Vgl. a. Schmid , in: Giemulla / Schmid, LuftVG, § 63 Rdrnn. 1 ff.
8 4 D .
Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
Da die privatrechtliche Flugsicherungs-GmbH gemäß dem Gesetzentwurf 99 "auf keinen Fall" als Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 OWiG in Erscheinung treten soll, wird vermutlich das Bundesverkehrsministerium selbst im Rahmen der formellen Privatisierung diese Kompetenz übernehmen. Eine diesbezügliche Regelung läßt der vorliegende Gesetzentwurf vermissen.
VIL Flugsicherung als polizeiliche Aufgabe ? 1. Vorbemerkung Die Prüfung des polizeilichen Wesens der Flugsicherungsaufgaben ist von besonderer Bedeutung für die geplante Übertragung der BFS-Aufgaben auf die Flugsicherungs-GmbH. Schrifttum und Rechtsprechung gehen übereinstimmend von der Polizeilichkeit der Flugsicherungstätigkeit aus. Lediglich in der Terminologie und der exakten Definition dieser Polizeilichkeit sind Differenzen auszumachen. Im folgenden wird zunächst der diesbezügliche Stand der Rechtslehre und der Rechtsprechung dargestellt. Der darzustellende Meinungsstand beruht im wesentlichen auf dem historisch tradierten Bild, welches die Luftaufsicht als Luftpolizei verstand; so ausdrücklich insbesondere das Luftverkehrsgesetz in der Fassung von 1936 1 0 0 . Dieser polizeiliche Charakter wurde bis heute, wohl auch wegen der bis dato fehlenden Brisanz der Frage, nicht kontrovers diskutiert. Seit Gründung der BFS und mit der zunehmenden Bedeutung des Luftverkehrs rückte die hoheitliche Flugsicherung insbesondere im Rahmen der streikähnlichen Kampfmaßnahmen der Fluglotsen zu Beginn der siebziger Jahre in den Brennpunkt der öffentlichen Diskussion und wurde in der Folge auch Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
99
BR-Drucks. 80/90, S. 70, Begründung zu dem neugefassten § 63 LuftVG; s.a. ebenda, S. 24 und synoptische Darstellung, S. 30 100 RGBl. I, S. 653: "... Überwachung der Luftfahrt (Luftpolizei)..."
. Flugsicherung als polizeiliche Aufgabe ?
85
Eine Diskussion über die hier zu untersuchende Zulässigkeit einer Organisationsprivatisierung der Flugsicherungsaufgaben hat sich in der Rechtslehre bislang nicht eingestellt 101 . Fraglich ist die Zulässigkeit der Loslösung der polizeilichen hoheitlichen Kompetenz von ihrer praktischen Durchführung durch Private.
2. Die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffes
der 'Polizei'
Steiner 102 stellt die drei unterschiedlichen Bedeutungen des Polizeibegriffes wie folgt dar: 1. im materiellen Sinn ist das maßgebliche Kriterium für den Polizeibegriff die inhaltliche Qualifikation einer staatlichen Tätigkeit; deren Zielsetzung. Von welcher Behörde (Polizei-, Ordnungs- oder sonstigen Verwaltungsbehörde) diese Tätigkeit wahrgenommen wird, ist nicht relevant. Diese funktionale Bestimmung sieht die Polizei als einen mit Befehlsgewalt und Zwangsmitteln ausgestatteten Teil der Verwaltung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung 1 0 3 . 2. im institutionellen (organisatorischen) Sinn ist für den Polizeibegriff lediglich entscheidend, ob die handelnde Behörde den Polizeibehörden zuzuordnen ist. 3. der formelle Polizeibegriff bezeichnet alle Tätigkeiten, die von der Polizei im institutionellen Sinne wahrgenommen werden, unabhängig davon, wie dieses Handeln materiell zu qualifizieren ist. Wolff / Bachof 1 0 4 definieren verschiedene "Dimensionen" des Polizeibegriffes: Als funktionell wird unter 'Polizei' die Verwaltungstätigkeit verstanden, die auch unter Einsatz von Zwangsmitteln, die bestehende politische, soziale und rechtliche Ordnung durch Gefahrenabwehr bewahrt
101 Die Frage der Privatisierung der Flugsicherung hat Schwenk in einem Beitrag 1988 angeschnitten ('Rechtsgrundlagen für Kapazitätsregelungen des Luftverkehrs im Luftraum und an Flugplätzen', in: Z L W 4/1988, S. 302-319). Nach seiner Ansicht ist die hoheitliche Tätigkeit und staatliche Aufgabe der Flugsicherung hoheitsrechUich zu betreiben. Der Flugverkehrskontrolldienst könnte als Kem der Flugsicherung, ähnlich wie die Luftaufsicht gemäß § 29 Abs. 2 LuftVG, nur im Wege der Beleihung an Private übertragen werden. Die in staatlicher Hand zu verbleibende Rechts- und Fachaufsicht über den Beliehenen würde den polizeilichen Charakter des Flugverkehrskontrolldienstes vollständig bewahren. Diese Herauslösung des Flugverkehrskontrolldienstes aus dem Sachbereich der Flugsicherung setzte eine entsprechende Änderung des BFS-Gesetzes voraus (S. 309-310). Diese Atomisierung des Spektrums der Flugsicherungsaufgaben in verschiedene Bereiche der Aufgaben- und Organisationsprivatisierung - so hält Schwenk (S. 310) einen privaten Flugberatungs- und Flugfemmeldedienst für denkbar- ist im Interesse einer effizienten ganzheitlichen Gefahrenabwehr für den Bereich des Luftverkehrs abzulehnen. 102
Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 165 ff.
103
So auch Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht ΠΙ, § 122 I I I a, Rdnr. 13 Wolff/ Bachof Verwaltungsrecht ΠΙ, § 122 II-III
104
8 6 D .
Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
Die zweite Dimension des Polizeibegriffes ist bestimmt von dem Zuständigkeitsbereich der Polizei, der universell (so die Rolle der Polizei im absoluten Staat), speziell (Sonderpolizeibehörden, wie z.B. Bahn- oder Wasserschutzpolizei und wohl auch Luftaufsicht), oder subsidiär (ζ. B. Subsidiarität der allgemeinen Polizei-, Sicherheits- und Ordnungsbehörden zu den Sonderpolizeibehörden) sein kann. Als übrige Dimensionen gelten für Wolff / Bachof die modale Befugnis der Polizei, die zur Verfügung stehenden Zwangsmittel, die sachliche Einteilung in Schutzpolizei, Verwaltungspolizei, Kriminalpolizei und politische Polizei und die institutionelle Dimension, die allgemeinen ordentlichen Polizeibehörden (z.B. Regierungspräsidenten, Landräte), die besonderen ordentlichen Polizeibehörden (z.B. Polizeipräsidenten) und die Sonderpolizeibehörden (z.B. Bahnpolizei). 'Polizei' im engeren Sinne meine heute nur noch die besonderen ordentlichen Polizeibehörden oder die Dienststellen der Vollzugspolizei einschließlich der Bereitschaftspolizei. Nur im weiteren Sinne seien die Verwaltungspolizeien, als 'Verwaltungsbehörden zur Gefahrenabwehr', 'Sicherheitsbehörden' oder als 'Ordnungsbehörden' polizeilich 1 0 5 . G ö t z 1 0 6 definiert in ähnlichem Sinne das Bundeskriminalamt, den Bundesgrenzschutz und die Bahnpolizei als die Vollzugspolizeien des Bundes.
3. Polizei ist auch Gefahrenabwehr Untrennbar verbunden mit dem Begriff der 'Polizei' ist der Begriff der 'Gefahrenabwehr', die sich mit der Entwicklung moderner Staatlichkeit als eine notwendige und hervorragende staatliche Aufgabe etabliert h a t 1 0 7 und damit dem Sicherheitszweck des Staates genügt 1 0 8 . Nach Martens 1 0 9 hat sich in Deutschland für die gefahrenabwehrende Staatsverwaltung der Ausdruck der 'Polizei' eingebürgert, der nicht nur die Schutz- und Kriminalpolizei umfaßt, sondern auch "alle anderen auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr tätigen - gleichsam 'zivilen' - Verwaltungsbehörden". Die Gefahrenabwehr wird zwar im Grundgesetz lediglich vereinzelt - A r t 35 I I und ΙΠ, 73 Nr. 10, 871 und 91 GG - erfaßt, ist aber unstreitig eine staatliche Aufgabe 1 1 0 .
105
Wolff!
106
Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 27 Rdnr. 40
Bachof\ ebenda, § 122 I I b 6
107 Vgl.: Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 427; Friauf\ in: Bes. Verwaltungsrecht (Hrsg. v. Münch), S. 186; Drews / Wacke / Martens / Vogel, Gefahrenabwehr, S. 2 108 Zu den Staatszwecken im Verfassungsstaat: siehe Link und Ress, in: VVDStRL 48 (1990) S. 7 ff. und S. 27 (Sicherheitszweck) bzw. S. 56 ff. 109 Martens, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, S. 2 f.; zum Gefahrbegriff und zu Sicherungsmaßnahmen im Luftverkehr, s.a. Ronellenfitsch, in: VerwArch. Bd. 77 (1986), S. 435 ff. 110 Martens, ebenda, S. 2
. Flugsicherung als polizeiliche Aufgabe ?
87
Auch für Scholz 1 1 1 gliedern sich die polizeilichen Kompetenzen in die Aufgaben der Gefahrenabwehr und die Sonderaufgaben, die den Polizeibehörden über den "Sektor originärer Polizeiverantwortung hinaus" zugewiesen sind. Der Kern der polizeilichen Zuständigkeit - die hoheitliche Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - sei auch durch die im Rahmen der 'Entpolizeilichung' vorgenommene Übertragung von polizeilichen Aufgaben auf die Ordnungsverwaltung nicht berührt worden 1 1 2 . In seinem Gutachten von 1981 1 1 3 definiert Ossenbühl die Abwehr äußerer Gefahren des Luftverkehrs als staatlich-polizeiliche Aufgabe, die im Gegensatz zu der privaten Eigensicherung der beteiligten Flughafen- und Luftverkehrsunternehmen steht. Staatliche Aufgaben seien prinzipiell durch staatliche Behörden und Institutionen zu erfüllen und durch Steuern zu finanzieren 114.
4. Begriff der Flugsicherung in der Rechtslehre Die Terminologie der Rechtslehre zur Beschreibung der Aufgaben der Flugsicherung und der Luftaufsicht ist uneinheitlich. Diese Aufgaben werden als polizeilich, hoheitlich oder als sonderpolizeilich definiert. Im folgenden ein Überblick über den Stand der Rechtslehre: Schenke 115 bestimmt die Aufgaben der Bundesanstalt für Flugsicherung und des Luftfahrt- Bundesamtes als (luftverkehrs-) polizeiliche Aufgaben und bezieht sich auf §§ 29 ff. LuftVG. Auch Drews / Wakke / Vogel 1 1 6 bezeichnen die Luftpolizei als eine Sonderpolizei, die nur über eine sachgegenständlich abgegrenzte Zuständigkeit verfügt. Schwenk 1 1 7 leitet die polizeiliche Natur der Luftaufsicht als Gefahrenabwehr aus § 29 Abs. 1 LuftVG ab. Ebenso definieren Hofmann 1 1 8 und Borst 1 1 9 die
111 112
R. Scholz, Zur Polizeipflicht von Hoheitsträgern, in: DVB1. 1968, S. 734
Scholz, ebenda, S. 734 Ossenbühl, Eigensicherung und hoheitliche Gefahrenabwehr. Rechtsgutachten zum 9. Änderungsgesetz des Luftveikehrsgesetzes vom 18. September 1980 (BGBl. I, S. 1729). Erstattet für die Gewerkschaft ÖTV im Juni 1981, Vorwort 114 Ossenbühl, ebenda, S. 16. Dabei habe als staatliche Aufgabe das zu gelten, was der Staat tatsächlich erledigt und nicht etwa was er erledigen muß; so Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, in: VVDStRL Bd. 29 (1971), S. 153; zum institutionellen Begriff der Staatsauf gaben, Schachtschneider, Staatsuntemehmen und Privatrecht, S. 235 ff. 115 W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 15 (S. 171) und Rdnr. 149 (S. 267), in: Besonderes Verwaltungsrecht (Hrsg. U. Steiner). 116 Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 1986, § 4 S. 43 ff. und § 5 Nr. 2 c, S. 80 f.; sie weisen auch auf das Zahlenverhältnis von Bundespolizei zu Länderpolizei hin: So verfügen Bundeskriminalamt, Bundesgrenzschutz und Bahnpolizei über etwa 25,000 Polizisten. Die Länderpolizeien dagegen weisen eine personelle Stärke von 168,000 Polizisten auf, (Stand 1984). 113
88
D. Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
Luftaufsicht, im Sinne des § 29 LuftVG, als eine "Sonderpolizei für einen bestimmten Sachbereich". Zustimmend Giemulla 1 2 0 und R o t t 1 2 1 , welche die Luftfahrtbehörden als Sonderpolizeibehörden verstehen, deren örtliche Zuständigkeit für die allgemeine Gefahrenabwehr gemäß § 29 c Abs. 1 Satz 2 LuftVG auf das Flugplatzgelände beschränkt ist. Die allgemeinen Polizeibehörden seien subsidiär als Vollzugspolizei zuständig, wenn die vorrangig zuständige Sonderpolizeibehörde, wegen fehlender personeller oder materieller Einsatzmittel, nicht in der Lage ist, der drohenden Gefahrsituation zu begegnen. Für Grabherr 122 sind luftaufsichtliche Eingriffe dem polizeilichen Handeln vergleichbar, welches eine konkrete Gefahr voraussetzt. Nach Schwenk 1 2 3 soll gelten: "Der Flugverkehrskontrolldienst und damit die Tätigkeit der Fluglotsen sind hoheitlicher Art. Die Anweisungen der Fluglotsen haben die Rechtsnatur von Verßgungen." Krüger 1 2 4 schließt sich Schwenk an und sieht in der Luftaufsicht eine "polizeiliche und damit hoheitliche Aufgabe" mit dem Gegenstand der Gefahrenabwehr gemäß § 29 Abs. 1 LuftVG. Neben zahlreichen anderen Behörden des Bundes, die als Fachbehörden Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrzunehmen haben, wie etwa die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, das Kraftfahrtbundesamt, das Bundesgesundheitsamt, zählen für Götz auch die Luftfahrtbehörden nicht zur Polizei. Als nicht überzeugende Begründung führt Götz an, die Aufgaben dieser Bundesbehörden würden nur noch selten als polizeilich bezeichnet und daher scheine es gerechtfertigt, die Unterscheidung von Polizei- und Ordnungsverwaltung auch in der Bundesverwaltung zur Anwendung zu bringen. Die Ordnungsverwaltungen nehmen überwiegend besondere fachspezifische Aufgaben wahr. Deren Erfüllung ist überwiegend bundesrechtlich geregelt. Der Polizei hingegen obliegen außerhalb der kriminalpolizeilichen Aufgabe zum großen Teil nicht fachspezifische, sondern allgemeine Gefahrenabwehraufgaben, weshalb das Schwergewicht auf der Landesgesetzgebung liegt 1 2 5 . Als eine Ausnahme von diesem Vorrang der Landesgesetzgebung
117 Schwenk, Die Ausübung der Luftaufsicht durch Behörden des Bundes, in: Z L W 1974, S. 161; und ders. in: Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 66 f.: "Die Luftaufsicht ist Sonderpolizei auf dem Gebiet der Luftfahrt." 118
M. Hofmann , LuftVG, § 29 Rdnm. 6, 17
119
Borst, in: Z L W 1977, S. 127; ein anderes Gebiet solcher sonderpolizeilichen Zuständigkeiten sei z.B. das Bauwesen. 120 121 122 123 124 125
LuftVG, §29 Rdnr. 3 Rott, Die Regelung der Abwehr äußerer Gefahren im LuftVG, in: Z L W 1/1983, S. 11 Grabherr, Rechtsgrundlagen ..., in: Z L W 1978, S. 173 Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 127 Krüger, Zur sachlichen Zuständigkeit..., in: Die Polizei 5/1979, S. 155 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 27 f., Rdnm. 40, 41
. Flugsicherung als polizeiliche Aufgabe ?
89
habe die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Luftverkehr zu gelten 1 2 6 . Betrachte man die administrative Kompetenz zur Gefahrenabwehr als Kriterium der Ordnungsverwaltung, so seien eine Anzahl von Behörden der Bundesverwaltung als Sonderordnungsbehörden anzusehen 127 . Zu den bedeutendsten Sonderbehörden des Bundes zählen die Luftfahrtbehörden, welche die Luftaufsicht 128 ausüben. Auch Wolff / Bachof definieren die BFS und das L B A als für die Verkehrsüberwachung zuständige Sonderbehörden. Die Verkehrsüberwachung wird, wie auch z.B. die Bauüberwachung oder die Gewerbeüberwachung der "Überwachungsverwaltung" 1 2 9 zugeordnet Überwachungsbehörden seien alle Behörden, die gefahrabwehrend tätig werden. Hierzu zählen 1 3 0 : "die Verwaltungsbehörden zur Gefahrenabwehr, die Sicherheitsbehöiden, die allgemeinen und die Sonderordnungsbehörden, die allgemeinen und die Sonderpolizeibehörden" . Für Darsow 1 3 1 hat die Flugsicherung den Charakter einer hoheitlichen Tätigkeit luftpolizeüicher A r t Seiner, wie im folgenden dargestellt, irrigen Ansicht nach ist die Flugsicherung vergleichbar mit der Tätigkeit der Seelotsen und der Seezeichenverwaltung.
5. Unvergleichbarkeit
der Tätigkeit von Fluglotsen und Seelotsen
Eine Vergleichbarkeit der Tätigkeiten von Flug- und Seelotsen wurde schon 1937 von Schleicher / Reymann 1 3 2 angenommen, ist aber aus verschiedenen Gründen abzulehnen. Im folgenden sind die wesentlichen Unterschiede dargestellt, da diese Vergleichbarkeit auch in der aktuellen Diskussion um die Flugsicherungs-GmbH sporadisch unterstellt wird; allerdings ohne die Konsequenz, Seelotswesen und Flugsicherung organisatorisch und verwaltungsmäßig analog auszugestalten. Dies ist verständlich, verfügen doch die Seelotsen über keine
126 127
Götz, ebenda, S. 30 Rdnr. 49 Götz, ebenda, S. 224 Rdnr. 443
128
Luftaufsicht wird auch von Götz als die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Luftfahrt definiert. Andere Sonderbehörden sind die Wasser- und Schiffahrtsdirektionen, denen als Bundesmittelbehörden gemäß Art 89 Abs. 1 Satz 1 GG die Verwaltung der Bundeswasserstraßen unterliegt Die Strom- und die Schiffahrtspolizei wird von den Wasser- und Schiffahrtsämtern als den unteren Bundesbehörden wahrgenommen; Götz, ebenda, S. 224 Rdnr. 444 129 Wolff/ Bachof Verw.recht ΠΙ, § 122 V b, Rdnr. 43 130
Wolff/ Bachof ebenda, Rdnr. 42 Darsow, Gesetz über die BFS, in: Z L W 4/1953, S. 297. Auch Hasse, Der Flugleiter auf Landeplätzen, in: Z L W 18/1964, S. 114, definiert die Tätigkeit des Flugleiters als hoheitlich. 132 Schleicher / Reymann, Recht der Luftfahrt, S. 11 131
9 0 D .
Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
wirksame Interessenvertretung, welche für eine zeitgemäße und verantwortungsadäquate Bezahlung eintreten könnte. Vielmehr werden die 'Lotsgelder ' jährlich vom B M V neu - angelehnt an den Kapitänsheuervertrag - festgelegt 133 . Unter diesen Rahmenbedingungen staatlicher Aufsicht hat sich für die Tag und Nacht abrufbereiten Seelotsen ein relativ schlechtes Einkommensniveau entwickelt, das die physischen und psychischen Belastungen und Schädigungen dieses traditionellen Berufsstandes nicht pekuniär widerspiegelt. Als Folge dieser Entwicklung hat sich auch hier ein Nachwuchsmangel ergeben, der das Durchschnittsalter der aktiven Seelotsen spürbar steigen läßt. Die Organisation des Lotswesens und die Ausübung des Lotsenberufes wurde im 'Gesetz über das Seelotswesen (SelG)' von 1954 erstmals gesetzlich geregelt und 1984 neugefasst § 1 SelG bestimmt "Seelotse ist, wer nach behördlicher Zulassung berufsmäßig auf Seeschiffahrtsstraßen außerhalb der Häfen oder über See Schiffe als orts- und schiffahrtskundiger Berater geleitet..." Diese beratende Tätigkeit der Seelotsen steht unter der Aufsicht des Bundes (§ 3 Abs. 1 SelG). Den Lotsenbrüderschaften und der Bundeslotsenkammer obliegt die Selbstverwaltung des Seelotswesens (§ 3 Abs. 2 SelG). Die Lotsenbrüderschaft ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 27 Abs. 1) und ermöglicht eine Zwangsmitgliedschaft der Seelotsen und die erforderliche Staatsaufsicht. Der Seelotsenanwärter muß mit dem Befähigungszeugnis als 'Kapitän auf Großer Fahrt' (Patent AG) und einer mindestens sechsjährigen seemännischen Erfahrung (§ 9 SelG), eine Ausbildung und Befähigung nachweisen, die mindestens derselben der von ihm zu beratenden Schiffsführer entspricht. Ferner bestimmt § 21 SelG: "(1) Der für ein Seelotsrevier bestellte Seelotse übt seine Tätigkeit als freien, nicht gewerblichen Beruf aus. (2) Der Seelotse führt die Lotsung in eigener Verantwortung durch." Diese Bestimmung macht den Beruf des Seelotsen mit keinem anderen Beruf vergleichbar 134 . In Anlehnung an das Bild des Berufsbeamtentums bestimmt § 22: "Der Seelotse hat sich durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb seines Dienstes der Achtung und des Vertrauens würdig zu erweisen, die sein Beruf erfordert," 135
133
S.a. § 45 SelG, und Grafi Steinicke, SelG, S. 64
134
Graf/ Steinicke, SelG, S. 30
VII. Flugsicherung als polizeiliche Aufgabe ?
91
Die Bestallung zum Seelotsen erlischt spätestens mit der Vollendung des 65. Lebensjahres (§18 SelG). Der lediglich beratende Charakter der Seelotsentätigkeit, die zudem in eigener Verantwortung durchgeführt wird, die hohe Qualifikation der Lotsen, die Selbstverwaltung, der späte Eintritt in das Ruhealter - 65 Jahre gegenüber 53 Jahre Pensionsalter der Fluglotsen - machen diese beiden Berufe unvergleichbar. Zudem ermöglicht es die Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts dem Bund, als Aufsichtsbehörde und Tarifgeber, die Prinzipien der Staatshaftung und das Versorgungsprinzip 136 nicht auf den Bereich der Seelotsen anzuwenden.
6. Zwischenergebnis Den angeführten Auffassungen des Schrifttums ist trotz der nuanciert uneinheitlichen Terminologie der deutliche Bezug auf § 29 Abs. 1 LuftVG, als der polizeilichen Generalklausel des Luftverkehrsrechts, gemein. Unter Hinweis auf die Kompetenzen der Flugsicherungsdienste wird die Polizeilichkeit der luftaufsichtlichen Aufgaben nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Im Ergebnis ist die BFS eine gefahrenabwehrende Sonderpolizeibehörde, die hoheitliche Aufgaben in dem sachgegenständlich abgegrenzten Bereich des Luftverkehrs wahrnimmt Die BFS ist nach gegenwärtiger Verfassungslage somit zumindest 'Polizei im weiteren Sinne'. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht als eine wesentliche Änderung des LuftVG eine Neufassung des § 29 Abs. 1 LuftVG in der Weise vor, daß die Luftaufsicht und das diesbezüglich notwendige Erlassen von Verfügungen nicht mehr nur Aufgabe der Luftfahrtbehörden, sondern nun auch der geplanten Flugsicherungs-GmbH als der "für die Flugsicherung zuständigen Stelle" i s t 1 3 7 . Ergänzend weist der Gesetzentwurf 138 daraufhin, daß das Flugsicherungsuntemehmen zwar als Behörde auftreten werde, damit aber nicht zu einer Luftfahrtbehörde im Sinne des § 29 Abs. 1 LuftVG werde.
135 Nach Graft Steinicke, SelG, S. 32 f., ist diese weitgehende allgemeine Verhaltenspflicht vor dem Hintergrund verständlich, daß der Seelotse als erster Repräsentant des Staates Schiffe unter fremder Flagge betritt und mit seiner Beratung für das sichere Erreichen des Hafens, unter Beachtung der Verkehrsvorschriften, einsteht. 136 Das Einkommen der Seelotsen ist abhängig vom Aufkommen des Schiffsverkehrs. In Zeiten seewirtschaftlicher Rezession und geringen Schiffsveikehrs, verringert sich das Einkommen proportional. Auf die im heutigen Versorgungsstaat beinahe üblichen 'Ausgleichszahlungen* können die Seelotsen nicht rechnen. 137 138
BR-Drucks. 80/90, S. 10 und synoptische Darstellung, S. 13 BR-Drucks. 80/90, S. 51
9 2 D .
Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
7. Der Flugsicherungsdienst und insbesondere seine Fluglotsen in der Rechtsprechung
a) Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 23.06.1961 (zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für Rechtsstreitigkeiten über Gebührenforderungen der EUROCONTROL) die Luftverkehrs-Sicherungsdienste als "öffentliche Aufgaben hoheitlicher Natur" definiert, die auch im "deutschen innerstaatlichen Bereich hoheitlich vollzogen" 1 3 9 werden. Zu dem Gebühreneinziehungsrecht für EUROCONTROL führte das BVerfG aus: Je technischer ein zu übertragendes Hoheitsrecht ist und je mehr es sich als nur technisch-instrumentale Ergänzung zu bereits wirksam übertragenen Hoheitsrechten - hier der Flugsicherung im oberen Luftraum - darstellt, desto weniger bedarf es eines zusätzlichen Übertragungsgesetzes im Sinne des Art. 24 Abs. 1 G G 1 4 0 . Diese vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Reduktion eines Hoheitsrechtes auf seinen technischen Charakter, kann wohl als Vorbild für die heute von den luftfahrtlichen Interessengruppen vertretene Auffassung, von der Flugsicherung als technischer Dienstleistung, gelten.
b) Bundesverwaltungsgericht Auch das Bundesverwaltungsgericht hat den Flugsicherungsdienst in seinem Urteil vom 19.8.1988 141 als hoheitliche Flugsicherung beurteilt.
c) Bundesgerichtshof Die streikähnlichen Kampfmaßnahmen der Fluglotsen im Jahre 1973 1 4 2 bedingten auch diverse Schadensersatzklagen von Reiseveranstaltern gegen die Bundesrepublik Deutschland, mit dem Bundesminister für Verkehr als der ober-
139
BVerfGE 58,1 (31), 1982 BVerfGE 58, 1 (37); aus dem europarechtlichen Aspekt dieser Entscheidung erklärt sich die vorgenommene Differenzierung in technische Teilaufgaben: Der EC-Vertrag sieht solche Gebühreneinzugsverwaltung nicht ausdrücklich vor und im Wege dieser Entscheidung bedurfte es keines Sondergesetzes zur Übertragung einer Gebühreneinzugskompetenz auf EUROCONTROL. 141 (4C 47.86) mitgeteilt von Dr. J. Kühling, Richter am BVerwG, in: Z L W 1989, S. 157-167 140
(161). 142 Zu Bummelstreiks und anderen streikähnlichen Aktionen der Fluglotsen ('Dienst nach Vorschrift*, 'go slow', 'slow go', 'go sick') kam es bereits in den Jahren 1968, 1971, und 1972; dazu Schenk, Rechtsprechung zu BGH-Urteil vom 31.1.1978, in: Z L W 2/1978, S. 114
. Flugsicherung als polizeiliche Aufgabe ?
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sten Dienstbehörde für die ganz überwiegend beamteten Fluglotsen. Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil vom 16. Juni 1977 1 4 3 aus, daß die "Aufgaben der Flugsicherung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ihrer Natur nach staatliche Aufgaben sind und deshalb vom Staat wahrgenommen werden müssen". Nur so sei eine wirksame Abwehr der inneren und äußeren Gefahren der Luftfahrt gewährleistet 144 . Die Aufgaben der Luftaufsicht seien "ihrer Rechtsnatur nach sonderpolizeilicher A r t " 1 4 5 . Die vom Flugverkehrskontrolldienst zu erlassenden Verwaltungsakte (Luftaufsichtsverfügungen) und die Erteilung von Flugverkehrsfreigaben seien "Ausübung öffentlicher Gewalt" 1 4 6 . Auch in einem weiteren Urteil zum 'Bummelstreik ' der Fluglotsen vom 22.3.1979 (III ZR 24/78) 1 4 7 definiert der BGH die Aufgaben der Flugleiter - einer kleinen Gruppe von mit 'technischer Macht verliehenen Spezialisten' - als sonderpolizeilich und weist auf die Monopolstellung der Flugleiter im technisch hochentwickelten und daher empfindlichen Bereich der Flugsicherung hin. Auf der Ebene der Landes- und Oberlandesgerichte wurde diese höchstrichterliche Charakterisierung der Flugsicherungsaufgaben und der Flugleitertätigkeit übernommen: So urteilte das OLG Köln am 13.11.1975 148 , daß die Luftaufsicht ihrer in § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG definierten Zielsetzung nach eine polizeiliche Tätigkeit sei. Das Landgericht B o n n 1 4 9 erkannte den hoheitlichen Charakter der Flugsicherung, dessen oberstes Ziel der Schutz der Allgemeinheit vor den mit dem Luftverkehr verbundenen Gefahren ist, an.
8. Abschließende Bewertung des Charakters der Flugsicherungsaufgaben Dieser Überblick über das Verständnis der Rechtsprechung vom Wesen der Luftaufsicht und des Luftverkehrskontrolldienstes macht einen gravierenden Mangel deutlich: Die hier relevanten und stets eingesetzten Termini 'polizeilich'
143 144 145 146 147
BGHZ 69, 129 (131); s.a. Mitteilung zum BGH-Urteil, in: NJW 41/1977, S. 1875 ff. BGHZ 69, 129(131) BGHZ 69, 129 (131f.) BGHZ 69, 129(132) Mitgeteilt von Schwenk, in: ZLW 1980, S. 66-69
148 Aktenzeichen: 7U 43/75-1 0 59/74 LG Bonn, mitgeteilt von Jüttner, Richter am OLG Düsseldorf, in: Z L W 1976, S. 66 ff. (68) 149 Urteil vom 23.12.1974 (1 0 57/74), in: Z L W 24/1975 S. 158 ff.(159). Ebenso urteilte das Landgericht Kiel (Urteil vom 12.12.1974, in Z L W 24/1975 S. 155-158)
9 4 D .
Darstellung der BFS-Aufgaben und Untersuchung ihres polizeilichen Charakters
und 'hoheitlich' erfahren in den Urteilsbegründungen keine begriffliche Bestimmung150. Im Ergebnis ist festzustellen, daß die überwiegenden Aufgaben der BFS besondere Gefahrenabwehr im gefahrreichen Luftverkehr sind und auch von Schrifttum und Rechtsprechung richtig als sonderpolizeiliche Aufgaben dem speziellen Polizeirecht zugeordnet werden. Die Flugsicherungsaufgaben der BFS sind Polizei im weiteren Sinn und gekennzeichnet durch die subsidiäre Zuständigkeit der allgemeinen Vollzugspolizeibehörden. Die fehlende rechtliche Kompetenz und die fehlende technische Ausstattung zur gewaltsamen Durchsetzung ihre luftaufsichtlichen Verwaltungsakte und die sich daraus ergebende Angewiesenheit auf die Amtshilfe allgemeiner Polizeibehörden sind ein wesentliches Merkmal der Sonderpolizeibehörde 'Bundesanstalt für Flugsicherung' und rechtfertigen ihre Einordnung als Polizei im weiteren Sinne. Die in der Flugsicherungspraxis vorgenommenen Aufgabenübertragungen an Private per Beleihung ändern nicht ihren polizeilichen Charakter, zumal diese delegierten Aufgaben nicht mit sämtlichen BFS-Kompetenzen versehen sind, und nicht einen solchen Grad an Gefährlichkeit aufweisen, wie der grundsätzlich von der BFS kontrollierte Linien-, Charter-, Allgemein- und Militärluftverkehr 151 . Die Polizeilichkeit der Luftaufsicht ergibt sich somit nicht nur aus ihrer in Teil Adieser Untersuchung dargestellten geschichtlichen Entwicklung. Vielmehr legen gerade die Risiken des heutigen Luftverkehrs die Vermutung nahe, daß die Gefahrenabwehr für diesen Bereich vollständig staatliche Angelegenheit und somit frei von den Interessen Privater bleiben sollte. Im folgenden wird die Vereinbarkeit der Flugsicherungs-GmbH mit den Vorschriften des Grundgesetzes untersucht. Unter anderem ist die Zulässigkeit der Beleihung der Flugsicherungs-GmbH mit den sonderpolizeilichen Flugsicherungsaufgaben zu überprüfen und die Frage zu beantworten, ob eine strikt staatliche Flugsicherung der sicheren Gefahrenabwehr im Luftverkehr gerecht wird oder nur ein ungeeigneter Versuch ist, der zunehmenden Vergesellschaftung der bundesdeutschen Staatlichkeit entgegenzuwirken.
150
Eine feste Begrifflichkeit reduzierte die Schwierigkeiten bei der später folgenden Verfassungsexegese des Art. 33 Abs. 4 GG, der 'institutionellen Garantie' des Berufsbeamtentums; besonders problematisch ist die Einordnung von Tätigkeiten als "Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse". 151 So sind z.B. die privaten Flugleiter an kleinen Flugplätzen nur mit der Kontrolle und Beaufsichtigung von Sportmaschinen im kontrollierten Luftraum im Kontrollbezirk des jeweiligen Flughafens oder Landeplatzes beauftragt, d.h. Private führen in der Regel weder die Streckenkontrolle, noch die An- oder Abflugkontrolle aus.
E. Prüfung der grundgesetzlichen Kompetenz des Bundes zur Errichtung der Flugsicherungs-GmbH L Vorbemerkung Die hier zu untersuchende geplante Privatisierung der Flugsicherungsaufgaben entsteht in einer Zeit, in welcher die gemeinsame und verfassungskonforme Lösung einer Sachfrage häufig behindert wird durch unausgereifte, in den Massenmedien populistisch diskutierte Lösungsvorschläge, die von den jeweiligen Interessengruppen mit (Rechts-) Gutachten gestützt werden. Verfassungsrechtliche Bedenken werden gefährlich oft als Rückzugsgefechte von realitätsfern und damit unpraktisch denkenden 'Nörglern* abgetan1. So ist auch der 'Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Zehnten Änderung des Luftverkehrsgesetzes', der insbesondere die Ablösung der Bundesanstalt für Flugsicherung durch eine neu zu schaffende Flugsicherungs-GmbH vorsieht, erst am 'Veto' 2 des Bundespräsidenten gescheitert. Dieser bewertet das Gesetzesvorhaben als verfassungswidrig und sieht im einzelnen die Art. 87 d und 33 Abs. 4 GG verletzt. Der straffe Zeitplan des Gesetzentwurfes, der ein Tätigwerden der Flugsicherungs-GmbH bis zum Beginn des Jahres 1993 vorsieht 3 und die drängenden Probleme im Bereich der Flugsicherung lassen schon bald Nachbesserungen des
1 Andere Beispiele für dieses gefährliche Vorgehen sind aus der jüngsten Vergangenheit z.B. der Entwurf des Wahlgesetzes zur ersten gesamtdeutschen Wahl nach der Wiedervereinigung: Trotz der schon im Entwurfsstadium geäußerten Bedenken des Bundesverfassungsgerichtes wurden die notwendigen Korrekturen am verfassungswidrigen Gesetzentwurf erst nach dem Veto des Bundesverfassungsgerichtes vorgenommen. Auch im Rahmen der hier zu untersuchenden Flugsicherungs-GmbH ist man sich der Bedenken bewußt, sieht aber als letzte Möglichkeit auch diesen Gesetzentwurf erfolgreich, d.h. ohne Einspruch des Bundespräsidenten oder des Bundesverfassungsgerichtes, durch das Gesetzgebungsverfahren zu bringen, die schon sogenaimte 'Planierung' des Grundgesetzes; vgl. a. die Diskussion um den Einsatz deutscher Bundeswehrsoldaten im Rahmen des Golfkrieges (Januar/Februar 1991). 2 Gemäß Art. 82 Abs. 1 GG bedürfen Gesetze der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten. Streitig ist, ob dem Bundespräsidenten neben dem formellen auch ein materielles Prüfungsrecht zusteht; siehe dazu: v. Mangoldt / Klein, GG, Art 82 ΙΠ 5 d (S. 2034); B.-O. Bryde, in: v. Münch, GGK, Art. 82 Rdnm. 6,21; H. Maurer, in: BK, Art. 82, Rdnm. 23,27 f.; Stern, Staatsrecht Bd. II, § 30 III 4 (S. 229 ff., S. 231 f. m.w.N.); zur Ablehnung des hier untersuchten Gesetzentwurfes s.a.: Riedel / Schmidt, Die Nichtausfertigung des Gesetzes zur Privatisierung der Flugsicherung durch den Bundespräsidenten, in: DÖV 09/1991, S. 371 ff. 3 BR-Drucks. 80/90, S. 77
96
E. Grundgesetziche Kompetenz des Bundes zur Errichtung der Flugsicherungs-GmbH
Bundesverkehrsministeriums und eine Neuvorlage des Gesetzentwurfes erwarten. Ein neugefaßter Entwurf muß den Einwänden des Bundespräsidenten genügen und läßt daher eine Grundgesetzänderung beider reklamierten Normen erwarten. Sollte alternativ hierzu nur das Gebot der bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung des Art. 87 d GG für die Flugsicherungs-GmbH geändert werden, ist ergänzend der politische Versuch zu erwarten, die Luftverkehrsverwaltung aus dem Geltungsbereich des umstrittenen Art. 33 Abs. 4 GG 'herauszuinterpretieren'. Diese gefährliche und politisch vielfach versuchte Anpassung des Grundgesetzes an die jeweiligen politischen Initiativen ist ausdrücklich abzulehnen, um einer gehaltlichen Aushöhlung der Verfassung entgegenzuwirken. Die vorliegende Untersuchung ist im weiteren auf die Beantwortung der relevanten Fragen zur formellen Privatisierung der bundesdeutschen Flugsicherung ausgerichtet. Im folgenden wird zunächst die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes zur Errichtung eines privatrechtlichen Flugsicherungsunternehmens untersucht
IL Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Luftverkehr nach Art. 73 Nr. 6 GG Der Art. 73 GG regelt im Abschnitt V I I GG (Die Gesetzgebung des Bundes) in einer Einzelaufzählung die ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes, die im Zusammenhang mit den Art. 30 und 70 GG (Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder, die nur durch ausdrückliche Einzelzuweisung von Zuständigkeiten an den Bund aufgehoben wird) zu sehen sind 4 . Der Begriff der "Gesetzgebung" des Art. 73 GG schließt die Kompetenz zum Erlassen einfacher Gesetze und Rechtsverordnungen ein 5 . Art. 73 Nr. 6 GG bestimmt: "Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:... 6. die Bundeseisenbahnen und den Luftverkehr". Nach der diesbezüglich herrschenden Meinung von Maunz umfaßt der Kompetenztitel des Art. 73 Nr. 6 GG neben der "Luftaufsicht (Luftpolizei)" auch "andere unmittelbar mit dem Luftwesen zusammenhängenden Tätigkeiten und Aufgaben, insbesondere auch .. die Flughäfen und ihren Bau" 6 .
4 5
Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 73, Rdnr. 1 Maunz, ebenda, Art. 73, Rdnr. 2
6 Maunz, ebenda, Art 73, Rdnr. 113; vgl.a.: v. Münch, GG-Kommentar, Art. 73, Rdnr. 42; Drews / Wacke / Vogel, Gefahrenabwehr, § 22 c
ΙΠ. Verwaltungskompetenz des Bundes für den Luftverkehr nach A t . 87 d GG
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Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den hier zu untersuchenden Bereich des Luftverkehrs und der Luftaufsicht ist gemäß der einstimmigen Rechtslehre in A r t 73 Nr. 6 GG grundgesetzlich verankert 7. Im folgenden ist die grundgesetzlich definierte Verwaltungskompetenz des Bundes für den Bereich des Luftverkehrs zu untersuchen. Dabei wird überprüft, ob die Begriffe des 'Luftverkehrs* ( A r t 73 Nr. 6 GG) und der 'Luftverkehrsverwaltung' ( A r t 87 d GG) die Flugsicherungsaufgaben tatsächlich umfassen und die bislang unstreitige Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes für den Bereich der Flugsicherung bestätigen.
ΠΙ. Verwaltungskompetenz des Bundes für den Luftverkehr nach Art. 87 d GG 1. Entstehung und Zweck des Art. 87 d GG Der per Gesetz8 zur Einfügung eines Artikels über die Luftverkehrsverwaltung als 11. Änderung des Grundgesetzes 1961 in den Abschnitt V I I I GG (Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung) eingefügte A r t 87 d GG bestimmt: "(1) Die Luftveikehrsverwaltung wird in bundeseigener Verwaltung geführt. (2) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländern als Auftragsverwaltung übertragen werden." Damit statuiert Art. 87 d GG eine Ausnahme von dem in Art. 83 GG festgelegten allgemeinen Grundsatz der Länderzuständigkeit bezüglich der Ausführung der Bundesgesetze9. Übereinstimmend wird A r t 87 d GG vom Schrifttum insbesondere als lex specialis zu A r t 87 G G 1 0 gesehen11. Diese nachträgliche grund-
7 So auch Ossenbühl (Eigensicherung und hoheitliche Gefahrenabwehr, Rechtsgutachten zum 9. Änderungsgesetz des Luftverkehrsgesetzes, 1981, S. 29 ff.), der in Art. 76 Nr. 6 GG die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes zur Regelung der Gefahrenabwehr sieht Neben den Gefahren, die sich aus dem Betrieb des Luftverkehrs ergeben - sog. innere Gefahren - seien auch die von außen kommenden Gefahren für den Luftverkehr in diese Befugnis einzuschließen. 8
BGBl. 19611, S. 65 Jess, in: Bonner Kommentar, Art 87 d, Anm. 1 b (S. 7); v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87 d, Anm. I I 2 (S. 2378 f.) 9
7 Trampler
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gesetzliche Kompetenzzuweisung für die Luftverkehrsverwaltung ergab sich aus dem Umstand, daß der deutsche Luftverkehr im Jahre 1949 noch untersagt war und für die Luftverkehrsverwaltung somit keine den übrigen Verkehrszweigen 12 vergleichbare Regelung getroffen werden konnte 13 . In Übereinstimmung mit dem Befund der Untersuchung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Einführung des A n 87 d in das Grundgesetz besteht Einigkeit darüber, daß A r t 87 d GG die Luftverkehrs verwaltung insbesondere als eine "technische Sicherheitsverwaltung" 14 umfaßt Das ist die überwachende, hoheitliche Tätigkeit des Staates, die sich auf alle mit dem Luftverkehr unmittelbar zusammenhängenden Personen, Sachen und Vorgänge erstreckt, nicht aber auf eine Luftverkehrsbetriebsverwaltung im Sinne bundeseigener Luftverkehrsunternehmen 15 . Maunz weist richtigerweise darauf hin, daß sich der Terminus der 'Luftverkehrsverwaltung* nicht an die Begriffe "Bundeseisenbahn" oder "Bundespost" des Art. 87 Abs. 1 GG anlehnt und damit ausdrückt, daß hier ausschließlich die beaufsichtigende Verwaltung gemeint ist. Insbesondere der entstehungsgeschichtliche Zweck dieser Norm sei kein Argument für die "Zulässigkeit bundeseigener Luftverkehrsunternehmen und Luftverkehrslinien" 16 . Gegenstand und Zweck des A r t 87 d GG sei vielmehr die verfassungsrechtliche Abdeckung des neugefaßten Luftverkehrsgesetzes, das sich auf die Luftverkehrs-"polizei" 17 beziehe und
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Art. 87 Abs. 1 GG bestimmt die bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau auch für die Bundesfinanzverwaltung und die Bundeseisenbahnen. Art 87 Abs. 2 GG bestimmt die Führung sozialer Versicherungsträger als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts. Art. 87 Abs. 3 GG läßt für Angelegenheiten, die der Bundesgesetzgebung unterliegen, "selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts" zu und war kompetenzielle Grundlage des Bundes zur Schaffung der BFS und des LuftfahrtBundesamtes. 11 V. Mangoldt / Klein, GG, Art 87 d, Anm. I I 5, (S. 2380); Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 87 d, Rdnm. 9,14; Jess, in: BK, Art 87 d, Anm. 1 c; Hofmann, LuftVG, S. 382 12
Vgl. Art. 87,89,90 GG als analoge Regelungen für Eisenbahn, Schiffahrt und Straßenverkehr. BR-Drucks. 301/59 'Begründung des Gesetzes zur Einfügung eines Artikels über die Luftverkehrsverwaltung in das Grundgesetz*, S. 2 14 BT-Drucks. 1534,3. Wahlperiode, Anlage 3, S. 6 : "Die für diesen internationalen ... Luftverkehr zu schaffende Verwaltung kann sachgemäß und sinnvoll nur... zentral geregelt werden, zumal es sich im wesentlichen um eine technische Sicherheitsverwaltung handelt"; so auch: BT-Drucks. 2002, 3. Wahlperiode, S. 2 15 Stellvertretend für alle: v. Mangoldt / Klein, GG, Art 87 d, Anm. I I I 2, (S. 2382); Bull, in: AK, Art. 87 d GG, Rdnr.6; U. Steiner, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.III, 'Verkehr und Post', § 81, Rdnm. 8,17,28. 16 Maunz, ebenda, Art 87 d, Rdnr. 11 13
17
Maunz, ebenda, Art 87 d Rdnr. 11 Fn. 1; zustimmend: v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87 d, Anm. I I I 3 , S. 2383. Der luftverkehrspolizeiliche Charakter des LuftVG wird im zweiten Abschnitt um privatrechtliche Haftungsvorschriften ergänzt: So regeln die §§ 33 - 57 LuftVG die Haftung für Schäden, die durch Luftfahrzeuge verursacht worden sind.
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Grundlage für das 'Gesetz über Zuständigkeiten in der Luftverkehrsverwaltung' 18 sei. Dieses einstimmige Verständnis des Schrifttums über den verfassungsmäßigen Zweck des Art. 87 d GG wird durch die Untersuchung der Entstehungsgeschichte dieser Norm bestätigt. Die fehlende grundgesetzliche Regelung der Luftveikehrsverwaltungskompetenz wurde bis 1961 durch das BFS-Gesetz, das LBA-Gesetz und die 'Verwaltungsvereinbarung über die Abgrenzungsbefugnisse zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der zivilen Luftfahrt' 1 9 ausgefüllt. Bis zur Einfügung des A r t 87 d GG regelte diese Vereinbarung die Zusammenarbeit zwischen den Luftverkehrsbehörden des Bundes und der Länder und sah eine verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegende, sogenannte "Misch- oder Mitverwaltung" vor, "nach der die Verwaltungsakte vom Bund im Einvernehmen mit den Ländern oder von den Ländern im Einvernehmen mit dem Bund gesetzt werden." 20 Diese VerwaltungsVereinbarung wurde auf Basis des neu eingefügten Art. 87 d GG durch das 'Gesetz über die Zuständigkeiten in der Luftverkehrsverwaltung' ersetzt. Dieses Gesetz faßt den § 31 LuftVG neu und legt gemäß A r t 87 d Abs. 2 GG den Umfang der Bundesauftragsverwaltung erstmals grundgesetzlich fest 2 1 . § 31 LuftVG stellt die Aufgaben, welche die Länder im Auftrage des Bundes ausführen enumerativ dar 2 2 . Diese grundgesetzändernde Initiative sollte unter Vermeidung der Trennung der technischen Luftverkehrsverwaltung auch eine effektive Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ermöglichen und das bisherige Zusammenwirken "ohne Änderung des Verwaltungsaufbaues und ohne neue Kosten" 2 3 fortsetzen. Im folgenden sind die Begriffe des Luftverkehrs und der Luftverkehrsverwaltung auf ihren Gehalt zu untersuchen. Dabei wird die Zulässigkeit der Her-
18 19
BGBl. 19611, S. 69 Vom 31.12.1952, in: Veikehrsblatt 1955, S. 379
20 BT-Drucks. 1534. 3. Wahlperiode, Anlage 1, S. 2; Hinweise auf die streitige Mischverwaltung geben: v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87 d, I I 1 (S. 2376 ff.); Stern, Staatsrecht II, § 4 1 I V 3 c (S. 780 f.) und § 41 V I I I 1 (S. 832 f.); zum Verbot der Mischverwaltung: Maunz, ebenda, Ait. 83 Rdnm. 84 ff., m.w.N. 21
Auch Dittmann, Bundesverwaltung, S. 206 f., weist darauf hin, daß Art. 87 d Abs. 2 GG erstmals eine verfassungsrechtliche Regelung der intensiven Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Luftverkehrsverwaltung ist Zum faktischen Monopol der Reichsverwaltung für die Luftverkehrsverwaltung siehe detailliert Teil A dieser Untersuchung; im Ergebnis ebenso BT-Drucks. 1535, S. 3 22 23
Siehe hierzu: BT-Drucks. 1535, 3. Wahlperiode, Anlagen 1,2 und 3 BT-Drucks. 1535, 3. Wahlperiode, Anlage 3, S. 6
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E. Grundgesetz!iche Kompetenz des Bundes zur Errichtung der Flugsicherungs-GmbH
auslösung der Flugsicherung aus dem Regelungsbereich der Luftverkehrsverwaltung untersucht 25 .
2. Die Begriffe "Luftverkehr" und "Luftverkehrsverwaltung" der Art. 73 Nr. 6 und Art. 87 d GG Der Begriff des 'Luftverkehrs* im Sinne des A r t 73 Nr. 6 GG ist gemäß dem übereinstimmenden Schrifttum weit auszulegen. Für Maunz 2 6 umfaßt der Luftverkehr "sämtliche mit dem Flugwesen unmittelbar zusammenhängenden Tätigkeiten und Anlagen" und ist mit dem Begriff des Luftverkehrs ("Luftverkehrsverwaltung") des Art. 87 d GG identisch 27 . Im folgenden ist zu prüfen, ob die von der Rechtslehre und Rechtsprechung anerkannte Gleichsetzung des Luftverkehrsbegriffes dieser beiden grundgesetzlichen Vorschriften auch die Flugsicherungsbetriebsdienste der BFS umfaßt. Die fehlende Eindeutigkeit der Begriffe des 'Luftverkehrs' und der 'Luftfahrt' 2 8 ergibt sich wohl aus dem Bestreben, unter diesen Termini stets auch die technischen Hilfseinrichtungen wie die Flughäfen, die Flugsicherung, jegliche luftfahrerische Ausbildung und die Wetter-, Alarm- und Rettungsdienste zusammenzufassen. Die im Teil A der Arbeit beschriebene historische Entwicklung der Luftfahrt und seiner Rechtsnormen erklärt diese weite Auslegung, welche neu entstandene luftfahrtliche Dienste und Regelungen stets dem 'Verkehr zur L u f t ' 2 9 unterordnete. Zum Luftverkehr gehören demnach insbesondere der Flugverkehr, die Verkehrsmittel, die Bodenanlagen und die den Luftverkehr betreibenden Personen 30.
25 So regt H. Graumann, Flugsicherung - Polizei oder Unternehmen?, in: ZLW 3/1990, S. 255, an , die Flugsicherung dem Bereich der staatlichen Daseinsfürsorge zuzuordnen und die Flugsicherung somit nicht mehr als Bestandteil der Luftfahrtverwaltung des Art. 87 d GG zu qualifizieren. 26 Maunz, ebenda, Art. 87 d, Rdnr. 11; zustimmend auch: v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87 d, S. 2380; Abraham, Recht der Luftfahrt, S. 1; Hofmann, LuftVG, § 31, Rdnr. 9 27 Zustimmend: v. Münch, ebenda, Art. 87 d Rdnr. 2 ; Böckstiegel / Reifarth, in: ZLW 1/1985, S. 6; Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 35; Krüger, in: Die Polizei 5/1979, S. 155. 28 Diese beiden Begriffe werden in den gesetzlichen Vorschriften synonym verwendet; so: Luftverkehrsgesetz, Luftverkehrszulassungsordnung, Luftverkehrsordnung; aber: Priifordnung für Luftfahrtgerät, Kostenordnung für Luftfahrtgerät, Verordnung über Luftfahrtpersonal. Hierzu ergänzt Schwenk, Grenzfragen zum Luftrecht, in: Z L W 1978, S. 248: Selbst wenn die Deckungsgleichheit der Begriffe 'Luftfahrt* und 'Luftverkehr' streitig sei, so schließe doch der Begriff der 'Luftfahrt' den 'Luftverkehr' mindestens ein. 29 So bereits Art. 7. Ziff. 19 WRV; s.a. Teil A, II, 1
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3. Die "Luftverkehrsverwaltung" des Art. 87 d GG umfqßt insbesondere die Flugsicherung Als ein Element der Verwaltungstätigkeit im Bereich des Flugverkehrs gilt die Sicherung des Flugverkehrs 30 , die ganz überwiegend von der Bundesanstalt für Flugsicherung wahrgenommen wird. Gegenstände der 'Luftverkehrsverwaltung' im Sinne des A r t 87 d GG ergeben sich aus dem L u f t V G 3 1 ; so auch die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Luftfahrt (§ 29 LuftVG, Luftaufsicht ) und diverse andere, wie die Festlegung und Überwachung von Luftverkehrsstraßen, Flugschneisen und Sperrgebieten, die Genehmigung von Fluglinien und Luftfahrtveranstaltungen sowie deren Überwachung und die Durchführung von Start- und Landevorschriften 32. Dieses begriffliche Verständnis von 'Luftverkehr' und 'Luftfahrt' umfaßt auch die Flugsicherungsdienste als integralen Bestandteil des Luftverkehrs und bestätigt die umfassende Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes, gemäß A r t 73 Nr. 6 und Art. 87 d G G 3 3 . Die Begründung des Gesetzentwurfes zur Einfügung des Art. 87 d in das Grundgesetz bestätigt dieses Verständnis Danach muß es dem Bund ermöglicht werden, den Luftverkehr und die Abstimmung der Luftverkehrsströme durch die Gesetzgebung und auf dem Verwaltungswege den überregionalen und internationalen Belangen anzupassen. Zum dominierenden Aspekt der Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs führt die Begründung aus: "Sodann gilt es vor allem, die Sicherheit des Luftverkehrs zu gewährleisten. Im Zeitalter des Düsenluftverkehrs hat die Pflicht des Staates, einen reibungslosen Ablauf des Luftverkehrs sowie die größtmögliche Sicherheit für die Teilnehmer am Luftverkehr und für die Bevölkerung der überflogenen Gebiete zu gewährleisten, außerordentlich an Bedeutung gewonnen." 34
29
Maunz, ebenda, Art. 87 d, Rdnr. 11; v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87 d, Anm. I I I 1; Schwenk, Grundlagen des Luftrechts, in: Z L W 1977, S. 103 ff., definierte als die vier Elemente des Luftrechts: Luftraum, Luftfahrtgerät, Luftfahrtpersonal und Flugplätze. In Anlehnung an diese Elemente definiert Krüger, ebenda, S. 155, den Luftverkehr als "die mit Luftfahrtgerät von dazu befugten Einzelpersonen oder - unter Einschaltung von Luftpersonal - durch Luftfahrtuntemehmen im Luftraum sowie auf Flugplätzen aller Art zu den verschiedensten Zwecken veranstalteten Bewegungsabläufe". 30
V. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87 d, Anm. ΙΠ la
31
V. Münch, GG-Kommentar, Art. 87 d, Rdnr. 4 Maunz, ebenda, Art. 87 d, Rdnr. 12; ebenso: v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87 d, Anm. I I I 1 Ebenso: Sommer, Rechtsgrundlagen ..., S. 53 f.
32 33 34
BR-Drucks. 301/59, S. 4; so auch: BT-Drucks. 1534,3. Wahlperiode, S. 3
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IV. Zusammenfassung M i t der Einfügung des A r t 87 d in das Grundgesetz im Jahre 1961 wurde die bundeseigene Luftverkehrsverwaltung, die eine Bundesauftragsverwaltung der Länder erlaubt, grundgesetzlich normiert Vorrangig sollte A r t 87 d GG die in einem parallelen Gesetzgebungsverfahren beschlossene Änderung des LuftVG ermöglichen. Der neugefasste § 31 LuftVG definierte nun die Länderaufgaben und löste damit die ' Verwaltungsvereinbaning über die Abgrenzung der Verwaltungsbefugnisse zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der zivilen Luftfahrt' ab. Neben der bereits in A r t 73 Nr. 6 GG normierten Gesetzgebungskompetenz erhielt der Bund mit Art. 87 d GG auch die Verwaltungskompetenz zur Anpassung des Luftverkehrs an dessen überregionale und internationale Belange. Primäres Ziel der Luftverkehrsverwaltung ist die Gewährleistung der Sicherheit der Luftverkehrsteilnehmer und der Bevölkerung der überflogenen Gebiete. Die bislang von der BFS wahrgenommene Flugsicherung, als der Luftverkehrskontrolle und Bewegungslenkung der Luftfahrzeuge in der Luft und am Boden, gewährleistet diese Sicherheit maßgeblich. Diese festgestellte umfassende Kompetenz des Bundes für den Bereich des Luftverkehrs ließ ein national einheitliches Regelwerk von Luftverkehrsnormen entstehen und ermöglichte den völkerrechtlich verbindlichen Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu zahlreichen internationalen Luftverkehrsabkommen. M i t der dargelegten Zuordnung der Flugsicherung als wesentlicher Funktion zum Bereich des Luftverkehrs im Sinne der Art. 73 Nr. 6, 87 d GG ist die grundgesetzliche Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes zur Regelung der bundesdeutschen Flugsicherung festgestellt Ob die geplante Flugsicherungs-GmbH dem Gebot der 'bundeseigenen Verwaltung' des A r t 87 d GG genügt, wird im folgenden geprüft.
F. Verfassungsgemäßheit einer mitbestimmten Flugsicherungs-GmbH als 'bundeseigene Luftverkehrsverwaltung 9 des Art. 87 d GG ? I. Vorbemerkung Im folgenden wird die geplante Organisationsprivatisierung der BFS auf ihre Vereinbarkeit mit dem grundgesetzlichen Gebot der 'bundeseigenen Luftveikehrsverwaltung' des Art. 87 d GG untersucht. Diese Frage wirft ebenso wie die anschließend zu prüfende Vereinbarkeit des Gesetzesvorhabens mit Art. 33 Abs. 4 GG erhebliche Zweifel an der Verfassungsgemäßheit eines privatrechtlichen Flugsicherungsunternehmens auf: Bundespräsident v. Weizäcker hat diese Fragen schon in den dem Sinne beantwortet, daß die geplante Flugsicherungs-GmbH sowohl gegen Art. 87 d, als auch gegen A r t 33 Abs. 4 GG verstoße; der Gesetzeszweck lasse sich nur durch eine Grundgesetzänderung dieser Vorschriften des Grundgesetzes verwirklichen 1 .
Π. Läßt die bundeseigene Luftverkehrsverwaltung neben der unmittelbaren auch die mittelbare Verwaltung zu ? 1. Die ' bundeseigene Verwaltung'
des Art. 87 dGG
Nach Art. 87 d Abs. 1 GG wird die Luftverkehrsverwaltung in "bundeseigener Verwaltung" 2 geführt. Über die Auslegung des Begriffes der 'bundeseigenen Verwaltung' hat sich weder in der Rechtsprechung, noch im Schrifttum eine einheitliche und überzeugende Auffassung herausgebildet Gegenstand dieser Diskussion ist die streitige Zuordnung auch der mittelbaren Bundesverwaltung und ihrer Organisationsformen zur bundeseigenen (Luftverkehrs-)Verwaltung. Grundsätzlich ist die unmittelbare Staatsverwaltung mit dem Bund als Rechtsperson von der mittelbaren Staatsverwaltung zu unterscheiden. Die mittelbare
1
Abgedruckt in: Bulletin der Bundesregierung vom 26.01.1991, Nr. 8 S. 46; s.a. 'FAZ' vom 25.01.1991, S. 2 2 Eine Systematik und Anwendungsfälle der bundeseigenen Verwaltung geben: Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 86, Rdnm. 5 ff.; v. Mangoldt / Klein, Art. 86, Anm. I I I (S. 2237 ff.); Badura, in: Ev. Staatslexikon, Sp. 371 ff.; Stern, Staatsrecht II, S. 816 ff.; Stober, in: NJW 1984 (9) I, S. 449 ff.
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. Verstößt die Flugsicherngs-GmbH gegen A t .
GG?
Verwaltung wird von unmittelbar selbständigen oder teilrechtsfähigen Verwaltungseinheiten, wie den bundesunmittelbaren Körperschaften, Stiftungen oder den Anstalten des öffentlichen Rechts getragen 3. Ein Teil des Schrifttums sieht auch die Privatrechtsunternehmen von der bundeseigenen Verwaltung umfaßt Stellvertretend für viele liegt für Püttner das Gewicht des Art. 87 Abs. 1 GG auf den Merkmalen "bundeseigen" (im Sinne eines Länderausschlusses) und "eigenem Verwaltungsunterbau". Der im Gegensatz zu A r t 87 Abs. 2 GG fehlende Hinweis auf eine bestimmte Organisationsform erlaube auch bei gebotener bundeseigener Verwaltung die Bildung privatrechtlicher Unternehmen zur Betriebsführung. Solche Privatisierung werde durch die Unveräußerlichkeit der Hoheitsgewalt und das Verbot ministerialfreier Räume begrenzt 4.
2. Die Unzulässigkeit mittelbarer Luftverkehrsverwaltung
im Schrifttum
Uneinheitlich wird im Schrifttum insbesondere die Frage beantwortet, ob A r t 87 d GG als lex specialis zu Art. 87 GG eine Ausweitung der Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Luftverkehrsverwaltung beabsichtigt5. Gemäß der Auffassung von v. Mangoldt / Klein 6 sollte die Einfügung des Art. 87 d GG die Verwaltungsbefugnisse des Bundes erweitern; es sei daher zulässigerweise davon auszugehen, daß der Bund weiterhin auch juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung betrauen darf 7 . Diese Auffassung ist irrig und steht in deutlichem Widerspruch zum diesbezüglich eindeutigen Zweck des Art. 87 d GG. Art. 87 d GG beabsichtigte nicht die Erweiterung der Verwaltungsbefugnisse des Bundes für die Luftverkehrsverwaltung. Ziel dieser Grundgesetzeinfügung war vielmehr die grundgesetzliche Absicherung einer jahrzehntelang geübten Verwaltungspraxis, die durch eine BundLänder-Aufgabenteilung im Bereich der Luftverkehrsverwaltung gekennzeichnet und lediglich durch Verwaltungsvereinbarungen normiert war. Art. 87 d GG sicherte nunmehr die traditionelle, umfassende faktische Kompetenz des Bundes, früher des Reiches, für die Luftverkehrsverwaltung grundgesetzlich ab und sah
3 Vertreter dieser herrschenden Meinung: Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Ait. 83 Rdnm. 13,23; v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87, Anm. III 2 ( S. 2263); Stern, Staatsrecht, Bd. II, § 41, V I I 3 b (S. 817); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 119; s.a. Rietdorf , Zum staatsrechtlichen Lehrbegriff der 'mittelbaren Bundesverwaltung1, in: DÖV 1959, S. 671, der den Begriff der 'mittelbaren Verwaltung' als eine "juristische Zweckschöpfung" und ein "juristisches Handwerkszeug" bezeichnet. 4 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 86 f.; auf die bundeseigene Verwaltung im Sinne des Art 87 d GG geht Püttner nicht explizit ein. 5 So: Jess, in: BK, Art. 87 d, Abs. 1 c (S. 7); nach Maunz, ebenda, Art. 87 d, Rdnr. 9reichtArt. 87 d GG als lex specialis zu Art 87 GG weit "über die Möglichkeiten des Art. 87 Abs. III" hinaus. 6 V. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87 d, Aran. I V 3 a (S. 2384) 7 Auch für Giermdla, in: DVB1. v. 15.3.1989, S. 284, erfaßt Art. 87 d GG "sämtliche Arten der Bundesverwaltung".
II. Läßt die bundeseigene Luftverkehrsverwaltung auch mittelbare Verwaltung zu ?
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über die Bundesauftragsverwaltung 8 des Abs. 2 die Möglichkeit einer Beibehaltung der praktizierten Aufgabenwahrnehmung durch die Länder vor 9 . Dieses betont auch eine damalige Stellungnahme der Bundesregierung: "Es geht also nicht darum, den Ländern Zuständigkeiten zu nehmen, sondern darum, die bestehenden Zuständigkeiten des Bundes im Grundgesetz eindeutig festzulegen." 10 Der überwiegende Teil der Rechtslehre hält die Terminologie des Grundgesetzes 11 für eindeutig und läßt die mittelbare Verwaltung nicht als bundeseigene Luftverkehrs Verwaltung zu. Damit wäre die Errichtung selbständiger juristischer Personen, wie auch der Flugsicherungs-GmbH mit dem Bund als alleinigem Anteilseigner zur Erfüllung von Aufgaben der Luftveikehrsverwaltung nicht zulässig. Dieser Ausschluß der mittelbaren Luftverkehrsverwaltung wird jedoch nicht, wenn überhaupt, überzeugend begründet 12 . Dittmann hat diese streitigen Fragen der unmittelbaren und der mittelbaren Bundesverwaltung grundsätzlich untersucht und fordert im Ergebnis die eindeutige Trennung der Organisationsformen der unmittelbaren und der mittelbaren Bundesverwaltung; Bundesverwaltung sei als ein Bereich ausschließlicher Bundeszuständigkeit zu begreifen, der keiner fremden Einflußnahme, nicht einmal durch andere Träger öffentlicher Verwaltung, unterliegt 13 . Auch für den Bereich
8 Art. 87 d II GG sieht erstmalig eine fakultative Bundesauftragsverwaltung vor, die es dem Bund erlaubt, den Ländern per Bundesgesetz Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung in "Auftragsverwaltung" zu übertragen. Für Maunz (ebenda, Art 87 d, Rdnr. 17) sind die Sachbereiche der Absätze 1 und 2 des Art. 87 d GG "flächengleich", womit alle Aufgaben der Luftverkehrs Verwaltung auf die Länder übertragbar seien. Die in der Rechtslehre streitige Zulässigkeit einer Übertragung der gesamten Luftverkehrsverwaltung auf die Länder ist, mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Norm abzulehnen. Für eine vollständige Übertragbarkeit: v. Mangoldt / Klein, GG, Alt. 87 d, Anm. V 1 aa; Maunz, Art. 87 d, Rdnr. 19; ablehnend: v. Münch, GG, Art. 87 d Rdnr. 9; Jess, in: BK, Art. 87 d, 3. Abs. 2 b, S. 11. Zur Entstehungsgeschichte der GG-Einfügung des Alt. 87 d GG, siehe m.w.N. Teil E dieser Untersuchung. 9
Dokumente zur Entstehungsgeschichte des Art. 87 d: - BR-Dnicks. 301/59; BT-Dnicks. 1534, 1535,1961,2002 der 3. Wahlperiode; hierzu auch detailliert: Darsow, Neuordnung der Luftverkehrsverwaltung, in: Z L W 4/1961, S. 221 ff. 10 BT-Drucks. 1534, 3. Wahlperiode, Anlage 3, S. 5; so auch der schriftliche Ausschußbericht, in: BT-Drucks. 2002, S. 2: "Die Länder bleiben im wesentlichen in dem gleichen Umfang wie bisher mit dem Bund in einer Verwaltungsgemeinschaft, nur mit dem Unterschied, daß an die Stelle der Mischverwaltung die Bundesauftragsverwaltung der Länder tritt" 11
Vgl. Art. 87 d Abs. 1 GG: "bundeseigene Verwaltung" und "wird geführt". So schließt Maunz, ebenda, Art. 87 d, Rdnm. 14,10, die mittelbare Luftveikehrsverwaltung aus, obwohl nach seiner Ansicht (ebenda, Rdnr. 2) gilt: Art. 87 d "begnügt sich in Abs. I mit einer Verweisung auf die Vorschriften des Art. 86,..."; die mittelbare Verwaltung im Sinne des Art 86 GG hingegen läßt nach Maunz, ebenda, Art 86, Rdnm. 2 b, 7 b, die bundeseigene Verwaltung zu. Auch Jess, in: BK, Art. 87 d, 2., Abs. 1 (S. 8), schließt eine mittelbare Luftveikehrsverwaltung aus und gesteht dem Bund an anderer Stelle, ebenda, Art 87 d, Abs. 1 c, S. 7, eine volle Freiheit bei der organisatorischen Gestaltung der bundeseigenen Verwaltung zu. 12
13
Dittmann, Bundesverwaltung, S. 85 ff.
. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen A t .
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GG?
der Luftverkehrsverwaltung 14 postuliert Dittmann die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Gebotes der unmittelbaren Bundesverwaltung, in seinen strikt gesamt-staatlichen Formen, die keinen außerstaatlichen Einfluß zulassen15. Dabei seien "die organisationsrechtlichen Möglichkeiten des Art. 87 Abs. 3 GG ... seit der Einfährung des Art. 87 dGG als lex specialis der Luftverkehrsverwaltung nicht mehr gegeben " 16. Ebenso gelangt Ehlers 17 zu dem Ergebnis, daß dem Staat die Wahl von Rechtsformen der mittelbaren Verwaltung untersagt ist, wenn für den Verwaltungsbereich eine bundeseigene Verwaltung grundgesetzlich normiert ist.
3. Der fehlende 'eigene Verwaltungsunterbau
1
des Art. 87 d GG
A r t 87 d GG schreibt für die 'bundeseigene Luftverkehrsverwaltung' keinen eigenen Verwaltungsunterbau vor und weicht damit etwa von Art. 87 GG ab, der einen eigenen Verwaltungsunterbau für die Bundeseisenbahnen und die Bundespost vorschreibt. Der Begriff des 'eigenen Verwaltungsunteibaus' umfaßt die Errichtung bundeseigener Mittel- und Unterbehörden 18. Fraglich ist, ob diese Nichterwähnung ein Hinweis auf die Zulässigkeit auch wirtschaftlicher Selbstverwaltung ist: Das Fehlen des Gebotes des 'verwaltungseigenen Unterbaus' im A r t 87 d GG erklärt sich aus der zuvor dargestellten Zielsetzung der Legislative, die Länder im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 87 d Abs. 2 GG an den Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung zu beteiligen. Dabei wird die zentrale Regelungsgewalt des Bundes für die Luftverkehrsverwaltung mit der Weisungsbefugnis des Bundes gegenüber den Ländern sichergestellt. Auf diesem Wege gewährleistet der Bund die Sicherheit des Luftverkehrs als eine technische Sicherheitsverwaltung und ist in der Lage, den Luftverkehr den überregionalen und internationalen Belangen und Entwicklungen anzupassen19. In diesem Sinne interpretiert Maunz den Begriff des 'eigenen Verwaltungsunterbaus' wie folgt: "Die Bedeutung liegt auf dem Wort eigen. Danach besagt Art. 871 Satz 1 zunächst nichts anderes, als daß in den genannten Verwaltungszweigen jede Form von Landesbehörden ausgeschlossen ist." 20
14
Dittmann, ebenda, S. 203 ff. Zustimmend: W. Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Handbuch des Staatsrechts III, § 69 Rdnr. 57 15
16
Dittmann, ebenda, S. 205
17
D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 119
18
V. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87 Abs. III, 4 a
19
S.a. BT-Dmcks. 1534,3. Wahlperiode, S. 3 und S. 6
20
Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 87, Rdnr. 34
II. Läßt die bundeseigene Luftveikehrsverwaltung auch mittelbare Verwaltung zu ?
107
Ergänzend begründet Maunz 2 1 das fehlende Gebot des 'eigenen Verwaltungsunterbaus' mit der Absicht der Legislative, in Art. 87 d GG kein verfassungsmäßiges Gebot eines bundeseigenen Luftverkehrsunternehmens und eigener Luftverkehrslinien statuieren zu wollen. Im Gegensatz zu Bahn und Post ergibt sich für die Luftverkehrsverwaltung somit nicht die Notwendigkeit eines eigenen Verwaltungsunterbaus für eine Betriebsverwaltung. Zudem war die Festlegung auf einen 'eigenen Verwaltungsunterbau' entbehrlich, da die BFS und das LBA bereits als Bundesbehörden die Luftverkehrsverwaltung wahrgenommen haben. Im Ergebnis ist das fehlende Gebot des 'eigenen Verwaltungsunterbaus' kein Argument für eine grundgesetzlich beabsichtigte Zulässigkeit wirtschaftlicher Selbstverwaltung im Bereich der Luftverkehrsverwaltung.
4. Mittelbare Verwaltimg
als zulässige bundeseigene Luftverkehrsverwaltung
Die Begründung des Gesetzentwurfes zur Einfügung des Art. 87 d GG gibt wertvolle Hinweise zum Verständnis des Begriffes der bundeseigenen Verwaltung dieser Grundgesetznorm. Danach erfordern die Verwaltungsaufgaben zur Erreichung der größtmöglichen Sicherheit des Luftverkehrs und der davon ausgehenden Gefahren eine zentrale Verwaltung, deren oberste Behörde gegenüber unteren Verwaltungsstellen weisungsberechtigt ist Diesem Erfordernis stehe Art. 83 GG gegenüber und für eine Neuordnung der Kompetenzen in der Luftverkehrsverwaltung komme nur eine bundeseigene Verwaltung im Sinne des Art.86 GG oder eine Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 85 GG in Betracht 22 . Diese beabsichtigte Verweisung des A r t 87 d GG auf A n 86 GG erkennt auch H. Hofmann an: "Durch den ... in das GG eingeßgten Art. 87 d haben die Bundesanstalt für Flugsicherung und das Luftfahrt-Bundesamt den Charakter einer bundesunmittelbaren Anstalt bzw. einer Bundesoberbehörde i.S. des Art. 87 III GG eingebüßt, um genau dasselbe i.S. des Art. 86 GG zu werden ,.." 23. Hieraus ergibt sich die mit A r t 87 d GG verbundene Absicht des Gesetzgebers und die ausdrückliche Bezugnahme der bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung auf die bundeseigene Verwaltung des A r t 86 G G 2 4 . Die Entstehungsgeschichte des Art. 87 d GG macht deutlich, daß es die bundeseigene Luftverkehrsverwaltung dem Bund ermöglichen sollte, sich stets gegenüber den Länderinteressen durchzusetzen. Diese Vormachtstellung des Bundes
21
Maunz, ebenda, Art. 87 d, Rdnr. 11
22
BR-Drucks. 301/59, S. 4
23
H. Hofmann, in: Handbuch des Staatsrechts 1,1987, § 7 Rdnr. 30
24 So auch: Maunz, ebenda, Ait. 87 d, Rdnr. 2 a; dazu v. Mangoldt / Klein, GG, Ait. 86, Anm. I V 1 d (S. 2240) mit Anwendungsfällen der Eigenverwaltung des Bundes im weiteren Sinne.
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. Verstößt die Flugsicherngs-GmbH gegen A t .
GG?
wird damit begründet, daß nur eine zentral vom Bund geführte Luftverkehrsverwaltung der Bedeutung des Luftverkehrs und der Beherrschung der damit verbundenen Gefahren gerecht werden kann. Neben diesem Aspekt der Durchsetzbarkeit des Bundeswillens im Interesse bestmöglicher und unmittelbarer Förderung des Luftverkehrs und seiner Sicherheit, war von den Schöpfern des Art. 87 d GG mit dem Gebot der bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung kein politischer Wille verbunden, Organisations- oder Rechtsformen für die Luftverkehrsverwaltung zu normieren; zumal die BFS und das LBA als Träger der bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung schon längst installiert waren und zufriedenstellend arbeiteten. Die Anlehnung der bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung an Art. 86 GG läßt den Schluß zu, daß die bundeseigene Luftverkehrsverwaltung gemäß Art. 87 d GG als unmittelbare oder als mittelbare Bundesverwaltung gestaltet werden kann, wenn die Kontroll- und Eingriffsrechte des Bundes gegenüber dem Subjekt der Luftverkehrsverwaltung gesichert sind 2 5 . Im Schrifttum besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß die in Art. 86 GG genannten bundesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts als Formen der mittelbaren Bundesverwaltung lediglich als pars pro toto 2 6 sämtlicher zulässiger Formen der Bundesverwaltung zu verstehen sind und diese auch in privatrechtlichen Organisationsformen, bei Sicherstellung der Ingerenzund Kontrollrechte des Bundes, ausgeübt werden kann 2 7 . Auch für v. Mangoldt / Klein 2 8 führt Art. 86 GG die "Körperschaften" und "Anstalten" des öffentlichen Rechts lediglich als die wichtigsten und häufigsten Anwendungsfälle der mittelbaren Staatsverwaltung beispielhaft auf und bedeutet kein Verbot der Einrichtung anderer Formen der mittelbaren Staatsverwaltung; zu diesen sollen auch eingetragene Vereine und beliehene Unternehmer zählen.
25 26
S.a. v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87 d, II 2 (S. 2378)
So: v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 87, Anm. 5 a (S. 2282 f.); Maunz, ebenda, Art. 86, Rdnm. 2 b, 7 b und Art. 87, Rdnr. 64 c (unter Verweis auf Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, S. 541 f.); anderer Ansicht: Dittmann, Bundesverwaltung, S. 94, der anerkennt, daß einem richtigen restriktiven Verständnis der mittelbaren Bundesverwaltung "mehr als 30 Jahre einer insoweit unangefochtenen Staatspraxis entgegenstehen " (S. 86). 27 So auch: v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 86, Anm. III 2 b (S. 2238); Maunz, ebenda, Art. 87 Rdnr. 84; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 541, läßt privatrechüiche Organisationsformen sogar für die unmittelbare Bundesverwaltung zu; Maunz, ebenda, Ait. 87, Rdnm. 26,31, verneint diese Zulässigkeit; auch für Giermdla, in: DVB1. 1989, S. 284, erfaßt Ait. 87 d GG "sämtliche Arten der Bundesverwaltung", obwohl s.E. der Begriff der bundeseigenen Verwaltung des Art. 87 d Abs. 1 GG nicht demgleichen Begriff des Ait. 86 GG entspricht; in Art. 86 GG ist die bundeseigene Verwaltung der Verwaltung durch bundesunmittelbare Köiperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts als Elementen der mittelbaren Bundesverwaltung gegenübergestellt In Art 87 d GG hingegen, werde die bundeseigene Verwaltung gegen die Landesverwaltung abgegrenzt, was sich aus der Entstehungsgeschichte und insbesondere aus dem Wortlaut des Abs. 2 ergebe. 28 V. Mangoldt / Klein, GG, Art 86, Anm. III 2 b und 2 d
III. Ingerenzpflichten des Bundes bei mitbestimmter Flugsicherungs-GmbH
109
Anderer Ansicht ist Stern 29 , der diejenigen Privatrechtssubjekte als zulässige Elemente der mittelbaren Bundesverwaltung bezeichnet, die "dem Staat mindestens eingeordnet und grundsätzlich einer Staatsaufsicht unterworfen sind"; eine beliehene Flugsicherungs-GmbH zählte nicht hierzu.
ΠΙ. Ingerenzpflichten des Bundes bei mitbestimmter Flugsicherungs-GmbH 1. Mangelhafte Eindeutigkeit
des Gesetzentwurfes
Vor der Untersuchung der Vereinbarkeit des Gebotes der 'bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung ' mit einer den Mitbestimmungsgesetzen unterliegenden Flugsicherungs-GmbH, sei auf einen Mangel des Gesetzentwurfes hingewiesen: Dieser enthält keinen Entwurf eines Gesellschaftsvertrages, der ausdrücklich die Zwecke und die Gesellschaftsorgane der Flugsicherungs-GmbH definiert, über welche der Bund als Alleinanteilseigner seine Vormachtstellung sichert. Zudem sind im Gesellschaftsvertrag die auf die GmbH zu übertragenden Aufgaben ausdrücklich zu nennen, um diese von den nicht beleihbaren Aufgaben abzugrenzen, die in der Kompetenz des Bundesministers für Verkehr (BMV) verbleiben oder zukünftig zu übernehmen sind. Der Gesellschaftsvertrag ist das wirksamste organisationsrechtliche Mittel zur Konkretisierung der Stellung und zur Abgrenzung der Kompetenzen der Gesellschafter von den übrigen Gesellschaftsorganen. Die Notwendigkeit einer vertraglichen Fixierung ergibt sich aus der fehlenden Eindeutigkeit der diesbezüglichen gesetzlichen Vorschriften; trotz der zahlreichen gegenseitigen Verweise von GmbHG, AktG und MitbestG werden wichtige Fragen der Unternehmensführung mitbestimmter (Bundes-)Unternehmen gesetzlich nicht erschöpfend geregelt 30 .
2. Streitiges Verhältnis der Mitbestimmungsgesetze zum Gesellschaftsrecht Für die Einflußnahmemöglichkeiten der Mitarbeiter der neuen FlugsicherungsGmbH auf die Unternehmensführung sind neben den gesellschaftsrechtlichen
29 Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, § 41, IV 10 c (S. 792); ebenda, § 41, VII 3 c (S. 818) nennt Stern als die vom Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelten, aber in der Staatspraxis vorhandenen Organisationsformen, die weder der mittelbaren, noch der unmittelbaren Bundesverwaltung zuzurechnen seien: juristische Personen des Privatrechts, Beleihung von Privatpersonen, Stiftungen als juristische Personen des öffentlichen Rechts, unselbständige Anstalten und sonstige Einrichtungen. 30
Stellv. für viele: Hommelhoff\ Unternehmensführung in der mitbestimmten GmbH in ZGR 1/1978, S. 129; zu Gesellschaf tsvertrag und Satzung, s.a. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5
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. Verstößt die Flugsicherngs-GmbH gegen A t .
GG?
\brschriften des GmbH-Gesetzes und des Aktiengesetzes31 die Mitbestimmungsvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes 32 und des Mitbestimmungsgesetzes33 von maßgeblicher Bedeutung. Das Unternehmensmitbestimmungsrecht nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes, das keine Ausnahmen für Unternehmen der öffentlichen Hand zuläßt, ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 MitbestG auf die geplante Flugsicherungs-GmbH als juristischer Person und Kapitalgesellschaft mit ihren mehr als 4800 ständigen Mitarbeitern 34 anzuwenden35. Unternehmensmitbestimmung ist die institutionelle, gestaltende Mitwirkung der Arbeitnehmer an den wirtschaftlichen Planungs- und Entscheidungsprozessen in einem Unternehmen über die Aufsichtsratsvertreter. Diese wählen die Unternehmensleitung nicht nur aus, sondern kontrollieren die Geschäftsführer auch und gestalten die Unternehmenspolitik in den Grundzügen und in wichtigen Einzelfragen mit 3 6 . Streitig ist in der Gesellschaftsrechtslehre die Qualität und das Ausmaß, in welchem die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer und ihrer Aufsichtsratsvertreter den originären Führungsanspruch der Unternehmensgesellschafter zugunsten eines (unter-)paritätisch besetzten Aufsichtsrates beschränken können. Auch die hier zu untersuchende BFS-Privatisierung muß sich infolge des Rechtsformwechsels dieser Überlagerung von Gesellschaftsrecht und Mitbestimmungsrecht und der Frage nach der Geltung der Mitbestimmungsgesetze für die Bundesunternehmen im Bereich der Eingriffsverwaltung stellen.
3. Weisungs- und Eingriffsrechte
des Bundes
Im folgenden ist zu prüfen, ob die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiter der Flugsicherungs-GmbH das Gebot der bundeseigenen Bundesverwaltung des A r t 87 d GG verletzen und ob die Weisungs- und Eingriffsrechte des Bundes als alleinigem 37 GmbH-Gesellschafter bei der geplanten Organisationsprivatisierung in dem Sinne hinreichend sind, daß das letzte Entscheidungsrecht des Bundes stets gesichert ist. Auch für Püttner 38 darf die Mitbestimmung der Beschäftigten nicht die Erfüllung
31
Aktiengesetz (AktG) vom 6.9.1965 (BGBl. I, S. 1089)
32
BetrVG vom 15.01.1972 (BGBl. I, S. 13)
33
Gesetz über die Mitbestimmung der Aibeitnehmer v. 04. 05. 1976, BGBl. I, S. 1153 (BGBl. III, 801-808). 34
Zahl der BFS-Mitarbeiter - Stand 01. Dezember 1991
35
Geschichtlicher Überblick zur Entwicklung der Mitbestimmung und zur Entstehung des MitbestG bei Raiser , MitbestG. S. 30 ff. 36 Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, S. 28 Rdnr. 1 und S. 30 f. Rdnr. 4 37
Stellvertretend für alle bestätigt K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 33 I I I 2, die Zulässigkeit von Gesellschaften mit oder ohne Erwerbstätigkeit, die in Form von Einmann- (insbes. § 40) oder Mehipersonengesellschaften geführt werden können. 38
Die öffentlichen Unternehmen, S. 97
III. Ingerenzpflichten des Bundes bei mitbestimmter Flugsicherungs-GmbH
111
öffentlicher Aufgaben durch die öffentliche Hand gefährden. Diese müsse sich im "Ernstfall" durchsetzen können 39 .
4. Die Gesellschaftsorgane
der Flugsicherungs-GmbH
a) Die Gesellschafterversammlung Die Aufgaben und Befugnisse der GmbH-Gesellschafter stehen gemäß § 45 Abs. 1 GmbHG weitgehend zu deren Disposition und werden im Gesellschaftsvertrag festgelegt, soweit die vorgenannten gesetzlichen Vorschriften nicht entgegenstehen40. Sind die Aufgaben der Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag nicht besonders geregelt, definiert insbesondere § 46 GmbHG 4 1 den Aufgabenbereich der Gesellschafter. Gemäß § 46 Nr. 6 bestimmen die Gesellschafter etwa "die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung". Die sachgerechte Ausübung ihrer Kontrolltätigkeit wird den Gesellschaftern insbesondere durch das Auskunftsrecht über die Angelegenheiten der GmbH und das Einsichtsrecht in die Bücher gemäß § 51 a Abs.l GmbHG ermöglicht 42 . Bei der mitbestimmten Flugsicherungs-GmbH müssen die Gesellschafter die Möglichkeiten der direkten Einflußnahme auf die Besetzung der Geschäftsführung an den Aufsichtsrat abtreten 43 . Lediglich die Entlastung der Geschäftsführer verbleibt bei den Gesellschaftern einer mitbestimmten GmbH. Neben den Befugnissen gemäß § 46 GmbHG steht den GmbH-Gesellschaftern ein grundsätzliches Weisungsrecht gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG zu. Die Überlagerung und Beschränkung eben dieser Weisungskompetenz der Gesellschafter durch das Mitbestimmungsgesetz ist in der Rechtslehre wegen der diesbezüglichen Offenheit des Mitbestimmungsgesetzes streitig:
39
Die "Einwirkungspflicht" und die "Einwirkungsmittel" des Bundes stellt Püttner, m.w.N., in seiner Abhandlung 'Die Einwirkungspflicht - Zur Problematik öffentlicher Einrichtungen in Privatrechtsform', in: DVB1. 10/1975, S. 353 ff., dar. Zur Vereinbarkeit der Mitbestimmungsregelungen mit den Einwirkungspflichten des Bundes, s.a. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 148 ff. 40
Stellv. für viele: Theisen, Die Aufgabenverteilung in der mitbestimmten GmbH, S. 31 ff.
41
§ 46 GmbHG fühlt enumerativ die Funktionen auf, deren Bestimmung den Gesellschaftern unterliegt: "1. Die Festlegung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses; 2. die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen; ... 5. die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, sowie die Entlastung derselben; ... 7. die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb; 8. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen...". Zur Rolle der Gesellschafter s.a. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 III. 42 43
Zur Überwachung und Entlastung der Geschäftsführer s.a. Sudhoff \ S. 94 ff.
In der mitbestimmten GmbH gilt nicht mehr § 46 Nr. 5 GmbHG, sondern zwingend § 31 MitbestG i.V.m. §§ 84,85 AktG; Scholz-Winter, GmbHG, § 46 Anm. 60; dazu auch: BVerfGE 50,344
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GG?
Gemäß der h.M. können die Gesellschafter im Innenverhältnis einer mitbestimmten Flugsicherungs-GmbH die Geschäftsführung generell und im Einzelfall durch Untersagung oder Anordnung beeinflussen 44. Diese Weisungskompetenz kann wegen des zwingenden Verbotes des § 111 Abs. 4 AktG nicht auf den Aufsichtsrat übertragen werden. Neben dieser herrschenden Meinung, die richtigerweise den Vorrang des Gesellschaftsrechts vor dem Mitbestimmungsrecht und die unteilbare Führungs- gewalt der GmbH-Gesellschafter anakennt und ihnen gegenüber den nicht-autonomen GmbHGeschäftsführern ein Weisungsrecht einräumt, werden in der Rechtslehre zwei abzulehnende Mindermeinungen vertreten: Neben einem Vorrang des Mitbestimmungstelos konnte sich auch die Auffassung von der alleinigen und absoluten Geltung des Mitbestimmungsgesetzes und der Dominanz über das Gesellschaftsrecht etablieren: Der \forrang des Mitbestimmungstelos ist durch die Weisungsfreiheit der Geschäftsführung für das laufende Tagesgeschäft, eine interessendualistische Unternehmensordnung und die Absicht gekennzeichnet, die Stellung des Geschäftsführers einer mitbestimmten GmbH für den Bereich des Tagesgeschäftes der autonomen Stellung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft gemäß § 76 AktG anzunähern 45. Die zweite Mindermeinung von der alleinigen Geltung der Mitbestimmung schließt ein Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafter gegenüber ihren Geschäftsführern gänzlich aus und billigt diesen eine eigenverantwortliche Untemehmensführung gemäß § 76 AktG zu 4 6 .
b) Der Aufsichtsrat aa) Zusammensetzung des Aufsichtsrates Die besondere Zusammensetzung des Aufsichtsrates soll die Interessenvielfalt berücksichtigen, die sich innerhalb eines Unternehmens zu Personalfragen und zu den vom Aufsichtsrat beeinflußbaren unternehmerischen Entscheidungen auf Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite ergibt; zudem soll die Vermittlung unternehmensrelevanter Informationen an alle Beteiligten weitgehend sichergestellt werden 47 .
44 Vertreter der h.M. (jeweils mit zahlreichen Nachweisen): - Rowedder / Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rdnr. 23 - Hachenburg / Mertens, GmbHG, § 37 Rdnr. 11 - Raiser, MitbestG. § 25 Anm. 25, 80 - Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, § 25 Anm. 63, § 30 Anm. 41 ff.; s.a.: Theisen, Die Aufgabenverteilung in der mitbestimmten GmbH, S. 33 Fn. 3. Maßgeblich diesbezüglich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 50, 290, 346) 45 So: Zöllner, in: ZGR 1977, S. 319 ff.; Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, § 25 Rdnr. 63; Hommelhoff, in: ZGR 1978, S. 119 ff. 46 47
So: Naendrup, in: AuR 1977, S. 231 ff.; Reich-Lewerenz, in: AuR 1976, S. 272
So: Uli. Schneider, in:ZGR 2/1977, S. 338. In der Unternehmensführungspraxis findet diese idealistische Einschätzung der Überwachungsmöglichkeiten der Aufsichtsräte und deren Zusammenarbeit mit den Vorständen zumeist keine Bestätigung.
III. Ingerenzpflichten des Bundes bei mitbestimmter Flugsichengs-GmbH
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Der nach § 6 Abs. 1 MitbestG zu bildende Aufsichtsrat mitbestimmter Unternehmen unterliegt in seiner Bildung und Zusammensetzung den §§7-24 MitbestG und diversen Vorschriften des Aktiengesetzes48. Der Aufsichtsrat der Flugsicherungs-GmbH wird sich gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG aus jeweils sechs Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammensetzen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 MitbestG kann im GmbH-Gesellschaftsvertrag die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder beider Seiten auf jeweils acht oder zehn erhöht werden. Im Interesse einer wirksamen Aufsichtsratsarbeit ist die Mitgliederzahl mit insgesamt zwölf möglichst klein zu halten. Bisherige Erfahrungen mit Bundesunternehmen lassen jedoch ein volles Ausschöpfen der gesetzlichen Möglichkeiten und damit eine Aufsichtsratsstärke von zwanzig Mitgliedern erwarten, zumal die Aufsichtsratstätigkeit gemäß § 113 AktG fakultativ vergütet wird 4 9 . Bei der Aufsichtsratsbesetzung besteht zumindest für die Anteilseignerseite - hier also des Bundes - die Gefahr, daß weniger die persönliche Fachkompetenz eines Bewerbers, als vielmehr sein 'politisches Wohlverhalten' und entsprechende 'Belohnung' den Ausschlag bei den vorzunehmenden Stellenbesetzungen gibt § 7 Abs. 2 MitbestG bestimmt die Gewichtung von Arbeitnehmern und Gewerkschaftsvertretern unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer. Die Gewerkschaften können gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 MitbestG zwei bis höchstens drei Vertreter in den Aufsichtsrat der Flugsicherungs-GmbH entsenden50. Bei einer Stärke von sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer müssen demnach vier Arbeitnehmer der Flugsicherungs-GmbH und zwei "Vertreter von Gewerkschaften" im Aufsichtsrat vertreten sein. bb) Aufgaben des Aufsichtsrates § 25 MitbestG regelt im Grundsatz die innere Ordnung und die Rechte und Pflicht«! des Aufsichtsrates, wie sie sich aus den §§ 27 bis 29,31,32 MitbestG und den \brschriften des Aktiengesetzes51 ergeben. 48
Gemäß § 6 Abs. 2 AktG Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, § 25 Rdnr. 87, weisen daraufhin, daB die Aufsichtsräte der Anteilseigner- und der Arbeitnehmerseite Anspruch auf gleiche Vergütung haben. 50 Zu den Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat, s.a. Raiser , MitbestG, § 7 Rdnr. 15 49
51 Gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG sind dies im einzelnen: § 90 Abs. 3,4 und 5 Satz 1 und 2: Recht des Aufsichtsrats (AR), vom Vorstand einen getreuen Rechenschaftsbericht zu verlangen. §§ 107 bis 116 AktG: - Einberufung des AR binnen zwei Wochen (§ 110): Nach § 110 Abs. 3 AktG tagt der AR zwingend alle sechs, oder fakultativ alle drei Monate. -Überwachung der Geschäftsführung (§111 Abs. 1 ) - Recht des AR auf Einsicht und Prüfung der Bücher (§111 Abs. 2) - Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch die notwendige Zustimmung des Aufsichtsrates zu bestimmten Rechtsgeschäften festschreiben (§111 Abs. 4 ). Der BHO- Kommentar (Köckritz / Ermisch / Lamm, § 65, Rdnr. 92) nennt für die Bundesunternehmen solche zustimmungsbedürftigen Geschäfte. § 118 Abs. 2, § 125 Abs. 3 und § 171 Prüfungspflicht des AR für Jahresabschluß, Lagebericht und Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns. § 268 (Pflichten der Abwickler bei Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft) Abs. 2 AktG; vgl. a. Raiser , MitbestG , § 25 Anm. 1 ff.
8 Trampler
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Gemäß § 31 MitbestG ist in do* mitbestimmten GmbH ausschließlich der Aufsichtsrat für die Bestellung der Geschäftsführer und den Widerruf einer Bestellung aus wichtigem Grund zuständig52. § 84 Abs. 3 AktG 5 3 definiert beispielhaft folgende "wichtige Gründe" für den Widerruf der Bestellung eines Geschäftsführers durch den Aufsichtsrat: "grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung". Nach § 31 Abs. 2 MitbestG bestellt der Aufsichtsrat die "Mitglieder des zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organs", gemäß § 6 GmbHG einen oder mehrere Geschäftsführer, mit einer Mehrheit von zwei Dritteln. Ergibt âch diese geforderte Mehrheit nicht, so erarbeitet der zu diesem Zweck gebildete ständige Ausschuß54 gemäß § 31 Abs. 3 MitbestG einen \brschlag über die Bestellung der Geschäftsführer, über welchen der Aufsichtsrat dann mit einfacher Stimmenmehrheit entscheidet Wird bei Stimmengleichheit eine erneute Abstimmung notwendig, so erhält der Aufsichtsratsvorsitzende gemäß A r t 31 Abs. 4 MitbestG ein doppeltes Stimmrecht Da auch für diesen Wahlgang nur eine einfache Stimmenmehrheit vorgeschrieben ist, ermöglicht ein einstimmiges Abstimmverhalten des Bundes als Alleingesellschafter den Austausch der Geschäftsführer, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende ein Vertreter der Anteilseignerseite ist Der Aufsichtsrat einer GmbH hat gemäß § 111 Abs. 4 AktG keine Geschäftsführungsmaßnahmen zu treffen. Die wesentliche Funktion des Aufsichtsrates einer GmbH ergibt sich vielmehr aus der Verweisung des § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG auf § 111 Abs. 1 AktG: "Der Aufsichtsrat
hat die Geschäftsßhrung zu überwachen."
Ob diese Überwachungsfunktion 55 des Aufsichtsrates einer mitbestimmten GmbH gleichberechtigt oder vorrangig neben der Überwachungsfunktion der Gesellschafter, die sich aus § 46 Nr. 6 GmbHG ergibt, anzuwenden ist, bleibt im Schrifttum umstritten 56 . Als Kernvorschrift regelt § 111 AktG mit zwingender Wirkung den Aufgabenbereich des Aufsichtsrates. Die \forschrift ist nicht erschöpfend und wird durch Bestimmungen des Aktiengesetzes und anderer Gesetze ergänzt 57. Die Befug-
52 Dazu auch BGHZ 89, 48 ff. : Zur streitigen Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung, siehe m.w.N. Raiser , MitbestG, § 31 Rdnm. 1,6;//. und M. Sudhoff \ Redite und Pflichten des Geschäftsführers ..., S. 8 53 § 31 Abs. 1 MitbestG verweist auch diesbezüglich auf das Aktiengesetz; andere 'wichtige Gründe* nennen Goditi / Wilhelmi, AktG, I, § 84 Anm. 13: etwa das Verlangen der Aufsichtsbehörde, wenn die Gesellschaft einer besonderen Aufsicht unterliegt und dauernde Schwierigkeiten mit der Belegschaft; vgl. a. Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 84 Rdnm. 57 ff.; nach Raiser (MitbestG , § 31 Rdnr. 36) ist der 'wichtige Grund' eine Generalklausel, die als unbestimmter Rechtsbegriff von den Gerichten nachgeprüft wird. 54 Ausschuß wird gemäß § 27 Abs. 3 MitbestG gebildet; dazu auch: Fitting l Wlotzke / Wißmann, MitbestG §27 Rdnm. 27 ff. 55
Zum Gegenstand und Umfang dieser Überwachungspflicht: Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 5111, Rdnm. 27 ff. 56 Zum Streitstand: Theisen, ebenda, m.w.N., S. 36 (Fn.2)
III. Ingerenzpflichten des Bundes bei mitbestimmter Flugsicherungs-GmbH
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nisse und Pflichten, die dem Aufsichtsrat zur Erfüllung seiner Überwachungsfunktion und der organisatorischen Aufgaben obliegen, werden somit konkretisiert Auch in der mitbestimmten Flugsichenmgs-GmbH verbleiben dem Aufsichtsrat neben anderen die folgenden Aufgaben: Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und eines Stellvertreters gemäß § 27 Abs. 1 MitbestG, Bestellung und Widerruf der GmbH-Geschäftsfuhrer und des Geschäftsführungsvorsitzenden gemäß § 31 MitbestG und § 84 AktG und Prüfung von Jahnesabschluß und Lagebericht Neben diesen dem Aufsichtsrat zwingend zugewiesenen Aufgaben können dem Aufsichtsrat gemäß § 45 Abs. 1 GmbHG auch Befugnisse der GeseUschafterversammlung übertragen werden, wenn es sich dabei nicht um zwingend den Gesellschaftern vorbehaltene Aufgaben handelt 58 .
cc) Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner erfolgt durch das befugte Wahlorgan und nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages 59; die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer werden gemäß § 8 MitbestG grundsätzlich in freier Wahl gewählt. Der Ersitzende des Aufsichtsrats wird mit einer Mehrheit von zwei Dritteln vom gesamten Aufsichtsrat gewählt 60 . Ergibt sich keine solche Mehrheit für einen Kandidaten, wählen die Anteilseignervertreter den Aufsichtsratsvorsitzenden und die Arbeitnehmervertreter wählen einen Stellvertreter 61.
dd) Beschlußfassung des Aufsichtsrates Beschlüsse des Aufsichtsrates werden mit einfacher Mehrheit gefaßt Bei Stimmengleichheit stehen dem Aufsichtsratsvorsitzenden gemäß § 29 Abs. 2 MitbestG zwei Stimmen zu. Dieses doppelte Stimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden 62 - von
57 Zu diesen ergänzenden Vorschriften s.a.: Mertens, ebenda, § 111 Rdnr. 7; Godin / Wilhelmi, AktG, §111 Anm. 1 (S. 623) 58
BGHZ 43,264; Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG § 25, Anm. 25. § 8 Abs. 1 MitbestG; für Inhaber staatlicher Ämter ist die Wählbarkeit in den AR eingeschränkt oder verboten: So bedürfen z.B. Bundesbeamte gemäß § 65 BBG der Genehmigung des Dienstherm. Gemäß BHO-Kommentar, § 65 Nr. 58, sind bei der Berufung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes vorrangig die Bundesbeamten vorzusehen, die mit der Verwaltung der Bundesbeteiligung beauftragt sind. 60 § 27 Abs. 1 MitbestG 59
61
§ 2 7 Abs. 2 MitbestG Gemäß der BVerfGE 50,290 ff. sichert das Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden der Anteilseignerseite "ein leichtes Übergewicht" zu (S. 323, u.a. S. 334) und "so bleibt die Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz unterhalb der Parität" und die Anteilseignerseite kann sich letztlich durchsetzen (S. 323). Aus diesem Grunde hat das Bundesverfassungsgericht das Mitbestimmungsgesetz nicht für verfassungswidrig erklärt. 62
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der Anteilseignerseite gestellt - sichert dem Bund als Alleingesellschafter auch die Durchsetzung seines Willens bei den zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäften. Gemäß § 111 Abs. 4 AktG kann die Satzung oder der Aufsichtsrat bestimmen, "daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen". Selbst für den Fall der verweigerten Zustimmung des Aufsichtsrats zu diesen zustimmungsbedürftigen Geschäften, kann der Bund als Alleingesellschafter in der anschließenden Hauptversammlung gemäß § 111 Abs. 4 AktG doch über die Zustimmung beschließen. Bei der geplanten mitbestimmten Flugsicherungs-GmbH kann der Bund somit seinen Pflichten gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 3 B H O 6 3 genügen, solange der Bund mindestens eine Dreiviertelmehrheit 64 am Unternehmen hält
c) Die Geschäftsßhrer aa) Funktion der Geschäftsführer Die Geschäftsführung der geplanten Flugsicherungs-GmbH kann gemäß § 6 GmbHG von einem oder von mehreren Geschäftsführern wahrgenommen werden. Diese vertreten die GmbH gemäß § 35 GmbHG gerichtlich und außergerichtlich, sind nach § 41 GmbHG zur ordnungsgemäßen Buchführung des Flugsicherungsunternehmens verpflichtet und für alle Angelegenheiten und Unternehmensführungsfragen der Flugsicherungs-GmbH zuständig, die nicht von den Gesellschaftern oder anderen kompetenten Gesellschaftsorganen wahrgenommen werden.
bb) Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung Die Geschäftsführer der mitbestimmten Flugsicherungs-GmbH werden nach § 31 MitbestG vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen 65. § 37 Abs. 1 GmbHG verpflichtet die GmbH-Geschäftsführer zur Einhaltung der von der Gesellschaf-
63
§ 65 BHO (Beteiligung an privatrechtlichen Unternehmen): "(1) Oer Bund soll sich, außer in Fällen des Absatzes 5, an der Gründung eines Unternehmens in einer Rechtsform des privaten Rechts ... nur beteiligen, wenn... 3. der Bund einen angemessenen Einfluß, insbesondere im Aufsichtsrat... erhält 4. gewährleistet ist, daß der Jahresabschluß und der Lagebericht,..., in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Dritten Buchs des Handelsgesetzbuchs ... aufgestellt und geprüft werden." 64
Godin / Wilhelm t AktG, 5111, Anm. 1,2 und Anm. 5,6 In einer nicht mitbestimmten GmbH ist die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer Aufgabe der Gesellschafter (gemäß 5 46 Nr. 5 GmbHG); s.a. m.w.N. Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, 5 31 Rdnr. 7 65
III. Ingerenzpflichten des Bundes bei mitbestimmter Flugsichengs-GmbH
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tem definierten Vertretungsbefugnisse. Die Bestellung der Geschäftsführer einer mitbestimmten GmbH kann auch im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden 66 . Die Geschäftsführer haben gegenüber den Gesellschaftern weder Weisungs-, noch Widerspruchsrechte und müssen die mit nur einfacher Mehrheit gefaßten Beschlüsse der Gesellschafterversammlung 67, die auch in der mitbestimmten GmbH das oberste Organ geblieben ist, befolgen. Aufgaben der Geschäftsführung kann die Gesellschafterversammlung gemäß § 45 GmbHG durch Untersagung oder Statuierung im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluß auf sich selbst übertragen und somit den Aufgabenumfang der Geschäftsführer reduzieren. Es würde jedoch dem Geist und dem Zweck des Mitbestimmungsgesetzes nicht entsprechen, den oder die Geschäftsführer durch einen unsachgemäß intensiven Gebrauch dieser und anderer 68 Möglichkeiten zu Weisungsempfängern und "Marionetten der Gesellschafterversammlung" herabzustufen 69 . Solche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführung wären dem staatlichen Alleingesellschafter bei einer Flugsicherungs-AG nicht gegeben, wie § 76 Abs. 1 A k t G 7 0 belegt 71 . Die Bestellung durch den Aufsichtsrat, die auf fünf Jahre befristete Amtszeit 7 2 und die Abberufung nur aus wichtigem Grund sichern den Geschäftsführern auch der mitbestimmten Flugsicherungs-GmbH eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber dem Aufsichtsrat und dem Bund als Alleingesellschafter 73 .
d) Der Arbeitsdirektor Das Bestellungs- und Widerrufsverfahren des § 31 MitbestG ist auch bei der Wahl des Arbeitsdirektors, dem gemäß § 33 MitbestG gleichberechtigten Mitglied der Geschäftsführung, anzuwenden 74 .
66
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 I I 2 § 48 Abs. 1 GmbHG bestimmt, daß die Beschlüsse der Gesellschafter in Gesellschafterversammlungen gefaßt werden. § 49 Abs. 1 GmbHG befugt die Geschäftsführer zur Einberufung der Gesell schafterversammlung. 68 Eine Eingrenzung der Geschäftsführerbefugnisse und -aufgaben ist auch über die Geschäftsordnung oder den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers zu verwirklichen. 67
69
Sorichtigerweise: miner , in: ZGR 2/1977, S. 325; BHO-Kommentar, § 64 BHO Rdnr. 79 "§ 76. Leitung der Aktiengesellschaft (1) Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten." 71 Zur Frage, welche eigenverantwortliche Rumpfgeschäftsführungsbefugnis den Geschäftsführern verbleibt, s.a. Hommelhoff, in: ZGR 1/1978, S. 121 ff. 7 2 Gemäß den §§ 25 Abs. 1, 31 Abs. 1 MitbestG i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG. 70
73 7 4
Dazu auch: Hommelhoff, in: ZGR 1/1978, S. 134 ff. Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, § 33 Anm. 15 m.w.N.; Theisen, ebenda, S. 35
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GG?
Die Aufgaben des nach \forbild des Montan-Mitbesümmungsgesetzes geschaffenen Arbeitsdirektors sind nicht gesetzlich definiert, liegen aber nach allgemeinem Verständnis im personellen und sozialen Bereich 75 .
5. Zweifelhafte Sicherung der Ingerenzpflichten gegenüber der Flugsicherungs-GmbH
des Bundes
a) Die eindeutige Gesetzeslage Gemäß der dargestellten Gesetzeslage kann der Bund als alleiniger Anteilseigner letztendlich stets seinen politischen Willen in den Gesellschaftsorganen der unterparitätisch76 mitbestimmten Flugsicherungs-GmbH durchsetzen, wenn die Vertreter des Bundes einheitlich abstimmen. Über seine Anteilseignervertreter bestellt der Bund neben dem mit einem Zweitstimmrecht ausgestatteten Aufsichtsratsvorsitzenden auch die Geschäftsführer. Der Bund hat ein Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern der Flugsicherungs-GmbH, ist für deren Entlastung zuständig und kann im Gesellschaftsvertrag definiate Rechtsgeschäfte von seiner Zustimmung abhängig machen. Es ist davon auszugehen, daß das Bundesministerium für Verkehr den Alleingesellschafter Bundesrepublik Deutschland in der Flugsicherungs-GmbH vertritt. Der Bundesminister für Verkehr hätte neben den Kompetenzen und den Pflichten, die sich aus seiner Rechts- und Fachaufsicht über die beliehene Flugsicherungs-GmbH ergeben 77 , auch die zuvor beschriebenen gesellschaftsrechtlichen Steuerungs- und Emgriffsraöglichkeiten 78. Trotz der Weisungsrechte des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten 79 werden die EingrifFsmöglichkeiten in der Praxis häufig erst nach zeitintensiven Abstimmungen 80 und Neuverhandlungen wirksam.
75 So: T. Raiser , MitbestG, § 33 Rdnm. 2,4,15, für den der Aibeitsdirektor zu den "politisch sensibelsten und daher umstrittensten Einrichtungen des Mitbestimmungsgesetzes" zählt (§ 33 Rdnr. 1); zum Zuständigkeitsbereich des Arbeitsdirektors s.a. KJP. Martens, Der Arbeitsdirektor nach dem Mitbestimmungsgesetz, S. 57 ff. 76 Auch Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, S. 29 Rdnr. 2, weisen auf die notwendige Differenzierung von paritätisch zu unterpartitätisch hin. Eine absolute Parität zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite könnte die Funktionsfähigkeit des Unternehmens bei Pattsituationen eiheblich beeinträchtigen. Diese Unteiparität ergibt sich nicht nur aus dem Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden, sondern auch aus § 5 Abs. 3 BetrVG, demzufolge auch ein leitender Angestellter im Aufsichtsrat auf der Aibeitnehmerseite vertreten sein muß. Dieser steht der UntemehmensfÜhrung in der Regel näher als der Aibeitnehmerschaft; so: Fitting / Wlotzke / Wißmann, ebenda, S. 76 f. Rdnr.
100 77 S.a. BR-Drucks. 80/90, S. 35; hier wird unterstellt, daß das Bundesveikehrsministerium die nicht auf die Flugsicherungs-GmbH übertragbaren Aufgaben und die Rechts- und Fachaufsicht als kompetente Behörde wahrzunehmen hat. 78 So auch BR-Drucks. 80/90, Begründung allgemeiner Teil, S. 35 cc, dd; auch Hommelhoff, ebenda, S. 155 gelangt zu dem Ergebnis, daß die Gesellschafter auch in einer mitbestimmten GmbH die Geschicke des Unternehmens weitgehend allein bestimmen können.
III. Ingerenzpflichten des Bundes bei mitbestimmter Flugsicherungs-GmbH
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b) Arbeitnehmermitbestimmung reduziert die gebotene Vormachtstellung des Bundes Die Unternehmensmitbestimmung gemäß Mitbestimmungsgesetz und die hier nicht näher erörterte betriebliche Mitbestimmung gemäß Betriebsverfassungsgesetz 81 reduzieren die unternehmerische Freiheit der Gesellschaftsorgane und bedingen eine Zusammensetzung des Aufsichtsrats, welche eine Einflußnahme außerstaatlicher Kräfte auf die gemäß Art. 87 d GG bundeseigene Luftverkehrsverwaltung zuläßt 82 . Diese Beteiligung der ehemaligen BFS-Mitarbeiter und ihrer Gewerkschaftsvertreter 83 an der Führung der Flugsicherungs-GmbH ist mit dem Verfassungsgebot des A r t 87 d GG nur vereinbar, wenn der Bund seine Gestaltungsmöglichkeiten zur Sicherung seiner Ingerenzpflichten konsequent voll ausnutzt. Diese Erwartung und Bedingung wird sich kaum erfüllen: Diesbezüglich weist Ehlers 84 auf die Selbstbeschränkung des Bundes bei der Besetzung ihm zustehender Aufsichtsratsmandate der Anteilseignerseite hin. So habe der Bund zum Beispiel
79 So bestimmt § 55 BBG in Analogie zu § 37 BRRG: "Der Beamte hat seine Vorgesetzte zu beraten und zu unterstützen. Er ist verpflichtet, die von ihnen erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allg. Richtlinien zu befolgen, sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetzgeber unterworfen ist" 80 Auch nach Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, § 9 Rdnr. 168, sind die demokratischen, minderheitenfreundlichen und komplizierten Wahlverfahren des MitbestG sehr zeit- und kostenintensiv. 81 Die Vorschriften des BetrVG sind auch auf die Flugsichenmgs-GmbH anzuwenden. Die Bedingung der privaten Rechtsform, trotz des Bundes als alleinigem Anteilseigner ist diesbezüglich relevant, vgl. a.: Fitting / Affarth / Kaiser / Heitier, BetrVG-Kommentar, § 130 Rdnr. 4. Das BetrVG dient in erster Linie dem Schutz der Arbeitnehmer, deren Interessen durch den gemäß § 1 BetrVG zu gründenden Betriebsrat vertreten werden. Zu den Mitwirkungsrechten der Arbeitnehmer siehe insbesondere §§ 76,77 BetrVG. Nachweise zur Abgrenzung der unternehmerischen von der betrieblichen Mitbestimmung bei Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, S. 38 Rdnr. 14 82
S. a. Stern, Staatsrecht Bd. II, § 41 V I I 3 c, S. 818 Die Interessen der Mitarbeiter der BFS werden von dem *Deutschen Beamtenbund*, der 'Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr* (ÖTV) und von der 'Deutschen Angestellten Gewerkschaft* (DAG) vertreten. Weitere Organisationen und Interessengruppen des Flugsicherungspersonals sind, gemäß Schwenk, Hdb. des Luftverkehrsrechts, S. 102 f., die folgenden: - Verband deutscher Flugleiter e.V. - Deutsche Flugdienstberatervereinigung e.V. - Fachverband deutscher Flugdatenbearbeiter e.V. - Verband deutscher Flugsicherungstechniker e.V. - Studiengemeinschaft für Flugsicherung e.V. - Verband deutscher Luftfahrttechniker e.V. - Interessengemeinschaft Luftaufsicht e.V. 83
84 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 270, führt als ein Beispiel für das häufig mangelhafte Durchsetzungsvermögen der öffentlichen Hand in seinen öffentlichen Unternehmen das Beispiel der 'Hamburgischen Electrizitätswerke AG* (HEW) an: Hier konnte der Hamburger Senat mit einem Aktienkapitalanteil von 72 v.H. nicht den politisch gewünschten Ausstieg aus der Kernenergie gegen den Willen von HEW-Aufsichtsrat und -Vorstand durchsetzen (S. 273 f.); an anderer Stelle (ebenda, S. 151) weist Ehlers darauf hin, daß die Mitbestimmung gesetzlich nicht abschließend geregelt ist und der Bund seinen Arbeitnehmern auf freiwilliger Basis weitergehende Mitbestimmung, z.B. über Stimmbindungsverträge oder 'faktische* Hinzuwahl, einräumen kann.
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im Jahre 1978 nur die Hälfte der ihm zustehenden Mandate mit Bundesministern, Parlamentarischen Staatssekretären, anderen Bundestagsabgeordneten, Länderministern, Vertretern der Bundesressorts oder Länderbeamten besetzt Die übrigen Aufsichtsratsmandate der Anteilseignerseite wurden weisungsgemäß85 von Vertretern der Wirtschaft als Sachverständige nicht dem öffentlichen Dienst angehörende Personen wahrgenommen. Die Anwendung dieser Besetzungsrichtlinien auch auf die geplante Flugsicherungs-GmbH als einem Bundesunternehmen im Bereich der Eingriffsverwaltung ist wegen fehlender Privatisierungsvorbilder in diesem Verwaltungsbereich nicht verbindlich auszuschließen. Auch die Bestimmungen des Poststrukturgesetzes 86 für die aus der Poststrukturreform hervorgegangenen Unternehmen der Deutschen Bundespost lassen eine erhebliche Beteiligung der Luftraumnutzer und der Mitarbeiter der Flugsicherungs-GmbH erwarten.
c) Weitere Hinweise auf die geföhrdete Sicherung der Ingerenzpflichten des Bundes aa) Machtbewußte Fluglotsen Es erscheint zudem fraglich, ob eine Beteiligung dieser außerstaatlichen Kräfte an der Führung der Flugsicherungs-GmbH, einem mit Hoheitsgewalt zu beleihenden Unternehmen, nicht zu erheblichen Reibungsverlusten zwischen den Gesellschaftsorganen führt und das erklärte Ziel der Qrganisationsprivatisierung der BFS somit überhaupt erreicht wird. Aus der Aufhebung des Beamtenstreikverbotes für die Flugsicherungs-GmbH ergeben sich zudem begründete Zweifel an der Gewährleistung einer ständig dienstbereiten und dienstwilligen Luftverkehrssicherung: So haben die Fluglotsen bereits in der Vergangenheit ihre Arbeitskampfbereitschaft mit go-slow- und go-sick-Aktionen ebenso unter Beweis gestellt, wie die Interessengruppen aus dem Bereich der Flugsicherung ihr Durchsetzungsvermögen. So geht wohl auch der vorliegende Gesetzentwurf mehr auf die Initiative der Fluglotsen, als auf einen vom Bundesverkehrsministerium selbst erkannten Hand-
85
Gemäß der 1974 erlassenen Richtlinie der Bundesregierang für die Berufung von Persönlichkeiten in Aufsichtsräte und sonstige Überwachungsorgane; hiemach soll das jeweilige Bundesressort maximal durch zwei Bedienstete die Interessen des Bundes als Anteilseigner vertreten; vgl. BMF, MinBIFin 1978,314 (331 Anlage 2). Abdiuck der Richtlinien in: BHO-Kommentar § 65 Ani. 1, S. 30 86 BGBl. 19891, S. 1025 (S. 1030), § 16 Abs. 1 Poststrukturgesetz: "Die Aufsichtsräte der Unternehmen Deutsche Bundespost POSTDIENST und Deutsche Bundespost TELEKOM bestehen aus 21 Mitgliedern; sieben Vertreter des Bundes, sieben Vertreter der Anwender und Kunden, sieben Vertreter des Personals des jeweiligen Unternehmens."
III. Ingerenzpflichten des Bundes bei mitbestimmter Flugsicherungs-GmbH
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lungsbedarf zur Neustrukturiening der Luftverkehrsverwaltung zurück. Die Probleme der verbeamteten bundesdeutschen Flugsicherung - Alimentationsprinzip und haushaltsrechtliche Vorschriften - sind die Probleme der gesamten übrigen öffentlichen Verwaltung, ihres Beamtentums und des öffentlichen Dienstes. Kaum eine Beamtengruppe jedoch verfügt, wie die mit technischer Macht ausgestatteten Fluglotsen, über eine so wirksame Interessenvertretung und subtile Streitmittel (Flugverspätungen und in der Folge Flugstreichungen), die nicht nur private Luftverkehrsreisende, sondern unmittelbar auch die häufig luftreisenden politischen Handlungsträger direkt 'treffen'.
bb) Weisungsunabhängigkeit des Aufsichtsrates Ein weiterer Aspekt, der die ständige Durchsetzungsfähigkeit des Bundes gegenüber dem Flugsicherungsunternehmen fraglich werden läßt, ist die Weisungsunabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder. So sind auch die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite frei in ihren Entscheidungen und der Einfluß des Bundes ist nicht auf dem Wege von Weisungen an 'seine' Aufsichtsratsmitglieder sicherzustellen 87. So mögen die vom Bund bestellten Aufsichtsratsmitglieder dem Bund politisch und persönlich eng verbunden sein; sie wären aber in ihrem tatsächlichen Führungs- und Abstimmverhalten im Flugsicherungsunternehmen nicht mehr zuverlässig zu steuern. Diese Zweifel an der zuverlässigen Durchsetzung des Bundeswillens gegenüber seinen Unternehmen durch seine Aufsichtsratsvertreter werden vom Bundesgerichtshof^ 8 gestärkt; dieser sieht in dem Mitbestimmungsgesetz den "tragenden Grundsatz der individuell gleichen Berechtigung und Verantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder ohne Rücksicht darauf wer sie in den Aufsichtsrat berufen hat." Das Mitbestimmungsgesetz kennt kein allgemeines "Bänkeprinzip 11, sondern weist den einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrats "strikt die gleichen Rechte und Pflichten" z u 8 9 . Damit entbindet der Bundesgerichtshof die vom Bund bestellten Aufsichtsratsmitglieder von einer besonderen Gehorsamspflicht.
87 So auch: Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 136 f.; und Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 198 ff. und S. 206 ff. 88
BGHZ 83,106,112f.; 64,325,330 f.
89
BGHZ 83,106,112 f.
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cc) Private Anteilseigner der Flugsicherungs-GmbH und die Bildung von Beiräten Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß in der Zukunft der Druck der Luftverkehrsunternehmen und der Flughafenbetreiber auf eine Kapitalbeteiligung gemäß § 15 GmbHG an der installierten Flugsicherungs-GmbH zunehmen wird, zumal diesen Gruppen im Rahmen der Organisationsprivatisierung die Möglichkeit der beratenden Mitwirkung wie im Verwaltungsbeirat der BFS zunächst einmal genommen w i r d 9 0 . Die Fortführung ihrer beratenden Mitwirkung könnte in einem 'Beirat', der vom Bund als dem Alleingesellschafter eingerichtet wird, realisiert werden 91 . Die neuen Anteilseigner könnten wegen der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht der Flugsicherungs-GmbH aus solchen Beteiligungen keine Gewinne erwarten. Vielmehr ermöglichten diese Beteiligungen über die Aufsichtsratsmandate auf der Anteilseignerseite eine Einflußnahme auf die Untemehmensführung und Unternehmenskontrolle 92. Auf diesem Wege ginge dem Bund endgültig die Möglichkeit verloren, seinen Führungsanspruch in den Gesellschaftsorganen der GmbH als Alleingesellschafter stets durchzusetzen und der schon jetzt zu belegende Verlust an Staatlichkeit der bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung würde unstreitig 93 .
6. Zusammenfassung und Ausblick Die in Art. 87 d GG normierte bundeseigene Luftverkehrsverwaltung läßt grundsätzlich auch die mittelbare Verwaltung zu, wenn die absoluten Eingriffsund Kontrollrechte des Bundes gesichert sind. Diese Zulässigkeit der mittelbaren Luftverkehrsverwaltung ergibt sich aus der dargestellten Bezugnahme der Verfasser des Art. 87 d GG auf die mittelbare Verwaltung des Art. 86 GG, welche nach
90 Die Prüfung der Sinnfälligkeit und Notwendigkeit solcher Beteiligungen, für die der Gesetzentwurf keine Regelungen vorsieht, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. In diesem Abschnitt wird lediglich die Verfassungsgemäßheit der Flugsicherungs-GmbH untersucht. 91
Zum Rechtsinstitut des Beirats und seinen großen gestalterischen Möglichkeiten, die sich aus der bislang unzureichenden rechtlichen Fixierung und dem uneinheitlichen Stand der Rechtslehre ergeben, vgl.a.: Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, 1981; W. Hölters, Der Beirat der GmbH und GmbH & Co., 1979. 9 2 Die Möglichkeiten einen mißliebigen GmbH-Gesellschafter auszuschließen, beschreibt zusammenfassend Damrau-Schröter, in: NJW 31/1991, S. 1927 ff. 93 Der Gesetzentwurf sieht die Anforderungen der bundesunmittelbaren Verwaltung gemäß Art. 87 d GG durch den Status des Bundes als Alleingesellschafter der Flugsicherungs-GmbH als erfüllt an; vgl. BR-Drucks. 80/90, S. 57. Diese Herauslösung der BFS-Aufgaben aus dem Bereich der bundeseigenen Verwaltung wird sich wohl auch zu einem Präzedenzfall für weitere Organisationsund Aufgabenprivatisierungen entwickeln und die Einheit und die demokratische Legitimation der Bundesverwaltung unzulässig gefährden.
III. Ingeenzpflichten des Bundes bei mitbestimmter Flugsicherungs-GmbH
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überwiegender Ansicht des Schrifttums auch privatrechtliche Organisationsformen umfaßt. Die Entstehungsgeschichte des A n 87 d GG belegt, daß Art. 87 d GG vorrangig die Bundesauftragsverwaltung grundgesetzlich verankern und damit nicht ein striktes Gebot bezüglich zulässiger Organisations- und Rechtsformen in der Luftverkehrsverwaltung verbinden wollte; die Möglichkeit privatrechtlicher bundeseigener Luftverkehrsverwaltung wurde jedoch im Zusammenhang mit der Einfügung des Art. 87 d GG nicht erörtert 94 . Die praktischen Erfahrungen mit solcher privatrechtlicher Verwaltung lassen eine Ausgestaltung der Organe der Flugsicherungs-GmbH in einer Form, welche die Eingriffsrechte des Alleingesellschafters Bund vollkommen sicherstellt, zweifelhaft erscheinen. Die fehlende Verwirklichung der genannten Auflagen macht die Organisationsprivatisierung unstreitig unvereinbar mit dem hier weit ausgelegten grundgesetzlichen Gebot der bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung des Art. 87 d GG. Aus Art. 87 d GG ist diese Konsequenz nicht herzuleiten, aber als eine die Allgemeinheit vor den Risiken des Luftverkehrs schützende polizeiliche Gefahrenabwehraufgabe,muß die Flugsicherung dem staatlichen Einfluß unterstellt sein. Insbesondere zu erwartende Arbeitskämpfe und Kompetenzstreitigkeiten innerhalb der Flugsicherungs-GmbH könnten die sichere Durchführung der Flugsicherungsdienste unzulässig gefährden und die Organisationsprivatisierung zu einem Danaergeschenk der politisch Verantwortlichen geraten lassen. Die Vertretbarkeit dieser Risiken wird im weiteren Verlauf der Untersuchung geprüft. Ergänzend sei an dieser Stelle auf ein Problem der geplanten FlugsicherungsGmbH hingewiesen, das in der Rechtslehre noch kontrovers diskutiert wird: Die Arbeitnehmermitbestimmung bei allen staatlichen Unternehmen (hier der Flugsicherungs-GmbH) ist demokratiewidrig, da die durch eine ununterbrochene Kette von Berufungsakten sicherzustellende demokratische Legitimation der Verwaltung unstreitig nicht gegeben ist 9 5 . Die Leitung der Verwaltung steht gemäß A r t 65 Satz 1 und 2 GG innerhalb der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers zwar den jeweiligen Ressort-Bundesministern zu, diese müssen aber über ausreichende Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten verfügen. Im folgenden wird als zweite Verfassungsnorm der Art. 33 Abs. 4 GG auf seine Vereinbarkeit mit der Organisationsprivatisierung untersucht. Die Prüfung ergibt
94 Vgl. aber zur Ablehnung solcher privatrechtlicher Luftverkehrsverwaltung die Überlegungen zur Ausgestaltung der BFS zu Beginn der fünfziger Jahre; Teil A, IV, 3 b dieser Untersuchung. 95 Zu den Sperrwirkungen des Demokratieprinzips vgl. a. zusammenfassend: Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 124 ff., mit weiteren Nachweisen, insbesondere aber zur "ununterbrochenen Legitimationskette": BVerfGE 38, 258, 270, 253, 270, Püttner, Entscheidungen, in: DVB1. 1986, S. 11% ff.; Haverkate, Die Einheit der Verwaltung, in: VVDStRL 46 (1988), S. 236 f.
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GG?
sich auch aus der Begründung des Bundespräsidenten zu seiner Ablehnung des Gesetzentwurfes; die zu erwartende Neufassung des Gesetzentwurfes muß neben dem A r t 87 d GG auch dem A r t 33 Abs. 4 GG genügen.
G. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen Art. 33 Abs. 4 GG? I. Gegenstand der Untersuchung In diesem Teil der Arbeit wird untersucht, ob die geplante Organisationsprivatisierung der BFS gegen den Beamtenfiinktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG 1 verstößt. Im Anschluß an die Frage, ob die auf das privatrechtliche Flugsicherungsuntemehmen zu übertragenden polizeüichen Flugsicherungsaufgaben der BFS auch "hoheitsrechtliche Befugnisse" im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG sind, wird die Zulässigkeit einer solchen Beleihung untersucht.
Π. Beamtenvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG 1. Auslegungsprobleme Auch Art.33 Abs. 4 GG zählt zu den streitigen Normen des Grundgesetzes. So bestehen insbesondere unterschiedliche Ansichten über die Funktion und den Schutzbereich dieser sogenannten 'institutionellen Garantie des Berufsbeamtentums\· Soll Art. 33 Abs. 4 GG nur grundsätzlich den Bestand des Berufsbeamtentums sichern, oder lassen sich aus ihm eindeutige Anweisungen an Gesetzgeber und Verwaltung bezüglich der Wahrnehmung von Aufgaben mit hoheitsrechtlichen Befugnissen herauslesen? Welche Aufgaben und Befugnisse der Verwaltung sind von den hoheitsrechtlichen Befugnissen umfasst? Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang sind Ausnahmen von dem Beamtenregelvorbehalt zulässig? Bieten Beamte heute noch in besonderem Maße, mehr als Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes oder Private, die Gewähr für eine kontinuierliche, zuverlässige, kompetente und objektive Wahrnehmung bestimmter Staatsaufgaben, frei von privaten Interessen?
1
"(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen."
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G. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen Art. 33 I V GG?
Thieme 2 gelangt in seiner Untersuchung der "hoheitsrechtlichen Befugnisse" des Art. 33 Abs. 4 GG zu dem Ergebnis, daß lediglich eine Materialienauslegung zur Exegese des A r t 33 Abs. 4 GG geeignet sei: Das Fehlen historischer Vorgänger in den deutschen Beamtengesetzen stehe einer historischen Auslegung entgegen und eine systematische Auslegung verbiete sich wegen der fehlenden systematischen Einordnung der Absätze I V und V des An. 33 GG in das Grundgesetz. Auch die teleologische Interpretation führe zu keinem Ergebnis, wenn man im Gegensatz zur herrschenden Lehre nicht an die Rechtsprechung und das Schrifttum der Weimarer Zeit anknüpfe. Auch Bracher 3 hält eine Interpretation des Wortlauts des Art. 33 Abs.4 GG für ebenso unergiebig wie die Untersuchung der Entstehungsgeschichte. Nach Stein 4 sind die Vorschriften des Art. 33 Abs. 4 GG so unbestimmt gefaßt, daß ihnen kaum ein genauer normativer Sinn zu entnehmen ist. Lecheler ergänzt, daß die Regelungen der Absätze IV und V lediglich Rahmencharakter haben, so daß dem Bund und den Ländern ein Konkretisierungsspielraum verbleibt. Dieser dürfe jedoch nicht zur Abschwächung der Geltung des Art. 33 GG mißbraucht werden 5. Bull 6 bedauert ebenso wie Thieme 7 die deutliche Mißachtung dieses Beamtenfunktionsvorbehaltes und erklärt diese Schwäche der Garantie mit der schwierigen Abgrenzung der den Beamten vorbehaltenen Aufgaben von den sonstigen Staatsaufgaben.
2. Dynamische Auslegung des Art. 33 Abs. 4 GG Als ein Ausweg aus der schwierigen und streitigen Auslegung des Art. 33 Abs. 4 GG hat sich die sogenannte dynamische Auslegung etabliert: Mit dem Hinweis auf ein neues Staatsverständnis, das sich aus dem unterstellten Wandel vom Obrigkeitsstaat hin zum Leistungsstaat ergibt, sollen neuartige Aufgaben der Leistungsverwaltung in den Beamtenfunktionsvorbehalt der Norm einbezogen werden. So anerkennt auch Wolff, daß der Begriff der 'hoheitsrechtlichen Befugnisse' keine festen Konturen erlangt hat und jede Interpretation den stetigen Wandel des Obrigkeitsstaates hin zum ,rLeistungs- und Planungsstaat"8 zu berücksichtigen
2
Rechtsgutachten, in: Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd. 5, S. 348 ff. 3 4 5 6
Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 140 E. Stein, Staatsrecht, § 18IV, S. 167 Lecheler, Der öffentliche Dienst, S. 726 Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 441
7
Der öffentliche Dienst, S. 32
8
Wolff!
Bachof Verwaltungsrecht Bd. II, § 111, I I I 2 (S. 542)
IL Beamtenvorbehalt des A l t 33 Abs. 4 GG
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hat. Diese dynamische Auslegung der 'hoheitsrechtlichen Befugnisse' dürfe jedoch nicht dem Gebot des Art. 33 Abs. 4 GG zuwiderlaufen, besondere staatliche Aufgaben von den dem Staat besonders verpflichteten und nicht streikberechtigten Beamten ausführen zu lassen9. Maßgeblich Isensee10 lehnt diese dynamische Verfassungsauslegung, die einer nur scheinbar geänderten Verfassungswirklichkeit folgen solle, ab und weist darauf hin, daß die Phänomene der Leistungsverwaltung und die Figur des Vertragsbediensteten den Verfassungsgebern bereits durchaus vertraut gewesen seien. Diese wurden nur in geringerem Umfang als heute von der Verwaltung genutzt 11 . Zudem bemängelt Isensee den "Fehlschluß von der Ordnung der staatlichen Aufgaben auf die dienstrechtliche Struktur. Die Notwendigkeit, daß die öffentliche Gewalt bestimmte Kompetenzen übernimmt, sagt nichts über die Notwendigkeit aus, die KompetenzVerwalter zu beamten." 12 Für neue Aufgabenbereiche des öffentlichen Dienstes sollte - so Isensee - die Notwendigkeit einer Übernahme in das Beamtenverhältnis geprüft werden. Es bestünde ansonsten die Gefahr, daß die besonderen Bindungen des Beamtenstatus von den ehemals Privatangestellten nicht akzeptiert werden; so habe sich die leichtfertige Verbeamtung des Flugsicherungsdienstes, deren Mitarbeiter bestimmte "ethische und psychologische Anforderungen" des Beamtenstatus nicht erfüllten, schnell in Form der unzulässigen 'Dienst nach Vorschrift'-Aktionen der Jahre 1968 und 1971 gerächt 13 .
3. Art. 33 Abs. 4 GG als Bestandsgarantie des Berufsbeamtentums Die uneinheitliche Auslegung des A r t 33 Abs. 4 GG hat als kleinsten gemeinsamen Nenner den Zweck der Norm; die Sicherung des Berufsbeamtentums in seinem Bestand und damit die Sicherung der Staatlichkeit des Staates, soweit der öffentliche Dienst nicht privatrechtlich organisiert ist. Gerade in der Nachkriegszeit ergaben sich nach den Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus Überlegungen zur Ablösung des Berufsbeamtentums 14 und zu einer Neukonzeptionierung des öffentlichen Dienstrechts 15 . Schließlich sollte mit Art. 33 Abs. 4 GG eine Barriere gegen eine gänzliche Abschaffung des
9
Wolff/
10
Isensee, Beamtenstreik, S. 88 ff.
Bachof, ebenda
11
Ebenso: Jung, Die Zweispurigkeit des öffentlichen Dienstes, S. 139
12
Isensee, ebenda, S. 89 Isensee, ebenda, S. 90 (Fn. 18)
13 14 15
Vgl. a. JöR. N. F. Bd. 1, S. 315 Τ hie me, Der öffentliche Dienst, S. 12f.
G. Verstößt die Flugsichengs-GmbH gegen Art 33 I V GG?
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Berufsbeamtentums, wie sie in der 'Sowjetisch Besetzten Zone* (SBZ) durchgeführt wurde, errichtet werden 16 . Auch für Stein 17 bezwecken die Absätze IV und V des A r t 33 vorrangig den Schutz des Berufsbeamtentums vor einer gänzlichen Beseitigung. Für v. Mangoldt / Klein 1 8 bilden die Absätze IV und V des Art. 33 GG "die verfassungsrechtliche Grundlage für die Einrichtung des Berufsbeamtentums und die Regelung seiner Rechtsverhältnisse". A r t 33 Abs. 4 GG ist nach Wortlaut und Fassung eine verbindliche Anweisung an die gesetzgebende und die vollziehende Gewalt 1 9 , mit der ständigen Ausübung von öffentlicher Gewalt nur Amtsträger zu betrauen, die nicht per privaten Dienstvertrag angestellt sind 2 0 ; gemeint sind hier unstreitig die Berufsbeamten, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen 21 .
4. Beamte sichern die Erfüllung
staatlicher Auf gaben
Neben dem Schutz der Institution des Berufsbeamtentums 22 soll A r t 33 Abs. 4 GG auch die kompetente und möglichst unmittelbare Ausführung von Staatsaufgaben durch die dem Staat besonders verpflichteten Beamten sicherstellen 23 und die Gesetzmäßigkeit und die parteipolitische Neutralität der Verwaltung verwirklichen 24 .
16 So auch Isensee, öffentlicher Dienst, in: Hdb. des Verfassungsrechts, S. 1170, unter Hinweis auf den diesbezüglichen Konsens zwischen den Paiteienvertretern; vgl. a. Matz, in: JöR N.F. Bd. 1, S. 314f. 17
E. Stein, Staatsrecht, § 18IV, S. 167 V. Mangoldt! Klein, Art. 33 GG, Anm. I I 1 e (S. 798); auch für H. Lecheler, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. ΙΠ, S. 725, liegt der Schwerpunkt des Art 33 in der "... Fixierung des Beamtenverfassungsrechts durch die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums ...". 19 V. Mangoldt / Klein, Ait. 33 Anm. I I 2 b (S. 799), unter Verweis auf ein Urteil des BAibG vom 16.05.1955, JZ 1956 S. 169f. 20 V. Mangoldt /Klein, Art. 33 GG, Anm. V I (S. 811) 18
21 Der eindeutige Begriff des Berufsbeamten wurde allein aus redaktionellen Gründen zur Vermeidung eines Pleonasmus nicht gewählt; so Matz, in: JöR N.F. Bd. 1, S. 323; vgl. auch den Wortlaut der Beamtengesetze (§ 2 BBG und - hier zitiert - § 2 BRRG): "Der Beamte steht zu seinem Dienstherm in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- undTreueverhältnis (Beamtenverhältnis)"; m.w.N. zum einhelligen Verständnis über das Berufsbeamtentum; Jung, Zweispurigkeit, S. 96. 22 So: W. Strauß in der 13. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses (JöR nP. Bd. 1, S. 317); vgl. dazu BVerfGE 9,268 (286); für Thieme, Der Aufgabenbereich der Angestellten im öffentlichen Dienst, S. 26, sichert die institutionelle Garantie des Art. 33 Abs. 4, 5 GG keine Individualschutzrechte der Beamten, sondern den Schutz des Staates und seiner Struktur, schon durch die systematische Stellung des Ait. 33 im Gegensatz zu den Art 129ff. der Weimarer Reichsverfassung werde dies deutlich. 23 So auch: Isensee, Beamtenstreik, S. 98ff.; Jung, Zweispurigkeit des öffentlichen Dienstes, S. 153ff.; Benndorf, in: DVB1. 1981, S. 26f.; Leisner, Der Beamte als Leistungsträger, S. 133ff.; Ossenbühl, in: VVDStRL 29 (1971), S. 162 24 So: Strauß zum Bemfsbeamtentum als Garantie des Rechtsstaates (JöR N.F. Bd. 1, S. 315); Becker, öffentliche Verwaltung, S. 189
ΙΠ. 'Hoheitsrechtliche Befugnisse* zur inhaltlichen Bestimmung des Funktionsvorbehaltes 129
Ergänzend bestimmt § 4 BBG: "Die Berufung in das Beamtenverhältnis ist nur zulässig zur Wahrnehmung 1. hoheitsrechtlicher
Aufgaben
2. solcher Aufgaben, die aus Gründen der Sicherung des Staates oder des öffentlichen Lebens nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürfen, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen." Diese Berufsbeamten sollen unparteilich sein und staatliche Verwaltungsaufgaben im Interesse der Bürger und der Verfassungsprinzipien des Art. 20 GG neutral wahrnehmen. Die Einordnung der Flugsicherungsaufgaben der BFS zu diesen Aufgaben, deren Erfüllung grundsätzlich den Beamten vorbehalten ist, wird im folgenden untersucht.
ΠΙ. 'Hoheitsrechtliche Befugnisse9 zur inhaltlichen Bestimmung des Funktionsvorbehaltes 1. Auslegung des Vorbehaltes im Schrifttum Der Begriff der 'hoheitsrechtlichen Befugnisse* ist das zentrale Auslegungsproblem des Art. 33 Abs. 4 GG, da das Wort 'hoheitsrechtlich' in der Rechtssprache keine feste Bedeutung erlangt hat 25 . Hieraus erklären sich die verschiedenen Standpunkte innerhalb der Rechtslehre, welche die Reichweite des Funktionsvorbehaltes des Art. 33 Abs. 4 GG uneinheitlich definieren: Neben einer umfassenden Einbeziehung der Eingriffs- und der Leistungsverwaltung gibt es eine Aigumentationslinie, die nur das obrigkeitliche Staatshandeln unto* Art. 33 Abs. 4 GG subsumiert Einigkeit besteht über die Ausklammerung der erwerbswirtschaftlichen, der bedarfsdeckenden Tätigkeiten des Staates und der rein mechanischen oder technischen Hilfstätigkeiten. Dieses fiskalische Handeln des Staates umfaßt für Ehlers die "mechanisch-technische Vorbereitung von Diensthandlungen, die Bedarfsdeckungs- und Vermögensverwertungstätigkeiten der Verwaltung sowie die allgemeine Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb" 26.
25 So schon die Befürchtung von Strauß, der eine Ausdehnung der 'Hoheitsaufgaben' auf beispielsweise das Postwesen verhindern wollte; JöR N.F. Bd. 1, S. 315. Auch Steiner, öffentliche Verwaltung durch Private, S. 261, gelangt in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, daß das Schrifttum "in der Auslegung der den Funktionsvorbehalt bestimmenden Formel "Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse"., keine einheitliche Auffassung präsentieren kann." 26 Stellvertretend für die überwiegende Meinung: Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 121 ; sehr ähnlich definierte schon § 148 Abs. 1 Deutsches Beamtengesetz ν. 26.1.1937 die 'Hoheitsaufgabe': "Als obrigkeitliche Aufgabe gilt insbesondere nicht eine Tätigkeit, die sich ihrer Art nach von solchen des allgemeinen Wirtschaftslebens nicht unterscheidet, sowie eine Tätigkeit im Verwaltungsdienst, die sich in mechanischen Hilfsleistungen im Schreibdienst und in einfachen Büroarbeiten erschöpft." (zitiert aus JöR N.F., Bd. 1, S. 316).
9 Trampler
130
G. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen Ar 33 I V GG?
In diesem Sinne unterstehen auch diejenigen Aufgaben der Eingriffsverwaltung die "wirtschaftlich-fiskalischer, technischer oder künstlerischer Natur" sind, nicht dem Funktionsvorbehalt 27 . Einen dezidierten Versuch zur Definition der hoheitsrechtlichen Befugnisse hat Kirchhof in seiner Dissertation 28 unternommen. Im Ergebnis sieht er Hoheitstätigkeiten in den Bereichen staatlichen Handelns, wo nicht Sachleistungen, wie Transport bei Bahn und Post oder Nachrichtenvermittlung, im Vordergrund stehen, sondern "die Staatlichkeit der Betriebsverwaltungen sich in Verwaltungsentscheidungen äußert (zJB.... Bahnpolizei, sog. "Bahnaufsicht"), wird besondere Staatstreue und besondere Kenntnis der allgemeinen Regeln der Staatsverwaltung verlangt. Nur hier kommt somit eine andauernde Produktion von Verwaltungsentscheidungen in Betracht. Entsprechendes muß bei sonstigen Staatsmonopolen, zB.... und den Verkehrsanstalten, gelten" 29. Die im Schrifttum anzutreffende Auffassung die 'hoheitsrechtlichen Befugnisse* und die 'hoheitsrechtlichen Aufgaben' seien Synonyme 30 ist mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 4 GG abzulehnen31.
a) Eingriffs-
und Leistungsverwaltung
Die ganz überwiegende Mehrheit im Schrifttum ordnet den 'hoheitsrechtlichen Befugnissen' des Art. 33 Abs. 4 GG neben der Eingriffs- auch die Leistungsverwaltung z u 3 2 :
27 Lecheler, ebenda, Rdnr. 27; unter Verweis auf Ule, Rechtsgutachten, in: Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd. 5, S. 459. Auch für Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Bd. I, Art. 19 Abs. IV, wird bei der Erfüllung öffentlichrechtlicher Dienstpflichten und bei der Wahrnehmung technischer Hilfsfunktionen durch Privatrechtssubjekte keine öffentliche Gewalt ausgeübt 28
P. Kirchhof \ Der Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse in An. 33 Absatz I V des Grundge-
setzes 29
Kirchhof
30
Stellv. für viele: Jung, Die Zweispurigkeit des öffentlichen Dienstes, S. 121
ebenda, S. 126f.
31 Siehe hierzu JöR N.F. Bd. 1, S. 314ff.: Die Wendungen "dauernde Aufgaben in Ausübung öffentlicher Gewalt" und "dauernde Ausübung hoheitlicher Aufgaben" waren die ersten Entwürfe des Zuständigkeitsausschusses. Erst nach der zweiten Lesung des Hauptausschusses faßte der Allgemeine Redaktionsausschuß diesen Begriff als "Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse" neu. Nach Meinung dieses Ausschusses sind die 'hoheitsrechtlichen Befugnisse* eine Abgrenzung zur weitergehenden 'Ausübung öffentlicher Gewalt'. Nach Ansicht des Allg. Redaktionsausschusses bezeichnen die 'hoheitsrechtlichen Befugnisse' das Tätigwerden des Staates oder einer Köiperschaft des öffentlichen Rechts als Obrigkeit'; lediglich dieser Einsatz obrigkeiUicher Gewalt sollte den Beamten vorbehalten sein; ebenda, S. 323. Die Trennung von Befugnissen und Aufgaben nimmt auch Art. 30 GG vor: "Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben..."
ΙΠ. 'Hoheitsrechtliche Befugnisse zur inhaltlichen Bestimmung des Funktionsvorbehaltes 131
Maunz 3 3 hält eine dynamische Interpretation des Begriffes der 'hoheitsrechtlichen Befugnisse' für angemessen, um der zunehmenden Verdrängung der Eingriffsverwaltung im Rahmen der gesamten staatlichen Tätigkeit durch die Leistungsverwaltung gerecht zu werden. 34 Nach Maunz 3 5 sind demokratisch gewählte Parlamentsabgeordnete, Regierungsmitglieder und andere, sowie Richter wegen vorhandener Spezialvorschriften ebenso nicht von A r t 33 Abs. 4 GG erfaßt, wie rein technische Vorbereitungshandlungen, die keine oder nur unbedeutende eigene Entscheidungen vom Ausführenden erfordern, rein fiskalische Tätigkeiten und die Aufgaben der Amtsträger der Kirchen. Auch Ossenbühl 36 und Lecheler 37 beziehen neben der Eingriffsverwaltung, die generell einen öffentlichen Zweck verfolgt, auch die gesamte Leistungsverwaltung als jede Erfüllung von Verwaltungsaufgaben - richtigerweise unabhängig von ihrer Rechtsform - grundsätzlich in den Beamtenvorbehalt der Hoheitsverwaltung ein. Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse sei gekennzeichnet durch die Einbeziehung des Bediensteten in den "verwaltungsmäßigen oder technischen Willensbildungsprozeß" 38 . Somit stehe nicht nur das 'nach außen' gerichtete Verwaltungshandeln unter dem Funktionsvorbehalt des A r t 33 Abs. 4 GG, sondern auch die 'schlichte Hoheitsverwaltung'.
32 Stellvertretend für viele: E. Forsthoff\ F. Mayer, v. Münch, CH. Ule, zusammengefaßt in: Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd. 5, S. 718f. 33 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 33, Rdnr. 33, S. 22 34 Wolff, Verw.recht ΙΠ, § 137 II b, lehnt diese dichotomische Einteilung in Leistungs- und Eingriffsverwaltung ab: Die Eingriffsverwaltung bezeichne eine "Tätigkeitsweise (Modalität)", während die Leistungsverwaltung einen "Tätigkeitsgehalt (Qualität)" der öffentlichen Verwaltung bezeichne. Die Unterscheidung von ordnender und leistender Verwaltung ermöglichte vielmehr die richtige Einteilung öffentlicher Verwaltung. Nach Ansicht von Jung, Zweispurigkeit, S. 74, übersehen Wolff und ähnliche Auffassungen, daß die fraglichen Begriffe von einer "Interdependenz zwischen Verwaltungsziel und Tätigkeitsform" geprägt sind. So sei die Eingriffsverwaltung ihrer Tätigkeitsform nach Eingriff in Freiheit und Eigentum des Bürgers, ihrem Verwaltungsziel nach, ordnende Verwaltung und Abgabenverwaltung. Die Leistungsverwaltung ziele auf eine Fürsorge-, Vorsorge-, Sozial- und Förderungsverwaltung ab und werde dabei in Form einer "pflegenden Verwaltung", die ohne Befehl und Zwang Leistungen für den Bürger erbringt, tätig. Die Grenzen zwischen diesen Verwaltungsbereichen seien zudem fließend. Für Bachof, in: VVDStRL 30 (1972), S. 225ff., sind diese Begriffe der ordnenden, leistenden oder umverteilenden Verwaltung lediglich heuristische Begriffe, nicht aber Rechtsbegriffe. Zudem hält Bachof einen 'Neubau' des verwaltungsrechtlichen Systems weder für möglich, noch für erforderlich, da im sozialen Rechtsstaat auch die Leistungsverwaltung auf die elementaren Rechtsstaatsgrundsätze hin angelegt und auf die Instrumentarien des Rechtsstaates angewiesen ist (S. 230). 35
Maunz, ebenda, Art. 33 Rdnm. 34-38, S. 23
36
In: VVDStRL 29 (1970), S. 161
37
Lecheler, in: Hdb. des Staatsrechts, § 72, Rdnr. 37 (unter Verweis auf BVerwGE 41,196) 38 W. Leisner, Der Beamte als Leistungsträger, in: Das Berufsbeamtentum im demokratischen Staat..., 1975, S. 134
132
G. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen Art. 33 I V GG?
Für U l e 3 9 kennzeichnet der tatsächliche Einsatz hoheitlicher Gewalt des Staates gegenüber dem Bürger die hoheitsrechtlichen Befugnisse. Dabei sei jedoch nicht relevant, in welchem Bereich staatlicher Verwaltung diese Befugnisse ausgeübt werden.
b) Obrigkeitliches
Handeln
Ein anderer Teil der Rechtslehre stellt in einer deutlich engeren Auslegung der 'hoheitsrechtlichen Befugnisse' allein auf den Einsatz oder die Befugnis zum Einsatz von Zwangsmitteln als das obrigkeitliche Handeln ab. Thieme 4 0 hat sich maßgeblich für eine Begrenzung des Beamtenvorbehaltes auf den obrigkeitlichen Bereich eingesetzt. Ihm folgt auch Jung, der in seiner Untersuchung 41 zu einer Auslegung des Art. 33 Abs. 4 GG gelangt, die lediglich die Eingriffsverwaltung den hoheitsrechtlichen Befugnissen zuordnet und den Bereich der Leistungsverwaltung aus dem Funktionsvorbehalt des A r t 33 Abs. 4 GG ausklammert Jung 4 2 weist auf die diesbezügliche Zurückhaltung der Rechtsprechung hin, die mit der Einbeziehung der Leistungsverwaltung in den Beamten-Funktionsvorbehalt die tatsächlichen Arbeitsplatzstrukturen im öffentlichen Dienst als verfassungswidrig qualifizieren würde 43 . Auch Wolff 4 4 sieht nur das obrigkeitliche Handeln der öffentlichen Verwaltung von A r t 33 Abs. 4 GG erfaßt Obrigkeitliches Handeln sei der abstrakt oder konkret verbietende, gebietende, entscheidende, Zwang androhende oder anwendende Eingriff in die Freiheitssphäre des Verwalteten durch z.B. Polizeibefehl oder Ordnungsanordnung. Hoheitsrechtliche Aufgaben seien öffentlichrechtlich legitimiert und daher auch öffentlichrechtlich durchzuführen 45.
39
CH. Ule, Rechtsgutachen, in: Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd. 5, S. 453ff. 40
Thieme, Der öffentliche Dienst..., S. 57, weist auf das Einverständnis des Parlamentarischen Rates hin, nicht jede Erfüllung von öffentlichen oder obrigkeitlichen Aufgaben unter dem Begriff des "hoheits rechtlich en" einzuordnen. Die Anmerkungen des Allgemeinen Redaktionsausschusses (JöR NF, Bd. 1, S. 315ff.) belegten vielmehr, daß 'hoheitsrechtlich* der "engste Bereich des zwangsweisen, freiheitsbeschränkenden Eingriffs" sei; s.a. Thieme, Rechtsgutachten, in: Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd. 5, S. 303ff. 41 Die Zweispurigkeit des öffentlichen Dienstes, S. 192: Jung gelangt durch die historische, die systematische und insbesondere die teleologische Interpretation - wobei s. E. das besondere Gewaltverhältnis zwischen Staat und Beamtentum Garant ist für die besondere Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns (S. 15Iff.) - in seiner umfangreicheren Untersuchung, auf anderem Wege zu einem ähnlichen Ergebnis wie Thieme, der mehrfach auf die gebotene Vorsicht bei der Auslegung des Art 33 Abs. 4 GG hinweist. 4 2
Ebenda, S. 130 Den Einsatz von Berufsbeamten in der Leistungsverwaltung schließt Jung nicht per se aus, sondern entzieht diesen Bereich dem Vorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG; ebenda, S. 192. 44 Wolff, HJ., Verwaltungsrecht I, § 23 I I I a 43
ΙΠ. 'Hoheitsrechtliche Befugnisse zur inhaltlichen Bestimmung des Funktionsvorbehaltes 133
Peine 46 anerkennt die fehlende spezifische Begrifflichkeit des 'hoheitlichen* und bestimmt - wenig überzeugend - dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend, den Einsatz von Befehl und Zwang als hoheitliches Mittel des Staates zur Aufgabenerfüllung. Richtigerweise differenzierend hebt Lecheler 47 bei der Beurteilung der hoheitsrechtlichen Befugnisse eines Dienstpostens nicht auf den notwendigen Einsatz obrigkeitlicher Mittel ab, sondern allein auf die Zulässigkeit des Einsatzes und auf die Kompetenz des Bediensteten, diesen Einsatz anzuordnen. Für \fogel 48 hingegen kennzeichnen zwei Kriterien das hoheitliche, obrigkeitliche Handeln des Staates: Zum einen muß eine ausschließlich öffentlich-rechtliche Befugnis die Grundlage sein und zum anderen muß die Wirkung dieser Befugnis rechtsgestaltenden Charakter haben. Das \brhandensein von Befehl und Zwang sei nicht entscheidend. Isensee49 anerkennt das obrigkeitliche Handeln als den gesicherten Kern des Funktionsvorbehaltes des Art. 33 Abs. 4 GG. Für die Definition obrigkeitlichen Handelns ist der Modus der Durchsetzung des staatlichen Imperiums nicht bedeutsam. Die staatliche Befehlsgewalt kann sich im Wege der zwangsweisen \bllstreckung einer Anordnung oder durch einfaches Befolgen derselben durchsetzen. Obrigkeitlich sind unzweifelhaft die Rechtspflege und die Eingriffsverwaltung, zu welcher neben der Finanzverwaltung auch die Polizei im weiteren Sinne, bis hin zu den Bau- und Gewerbeaufsichtsbehörden, zählt.
c) Kriterium
der vom Bund gewählten Rechtsform
Die Lösung dieser Auslegungs- und Zuordnungsprobleme der 'hoheitsrechtlichen Befugnisse' sieht ein Teil der Rechtslehre darin, die Rechtsform, in welcher die öffentliche Hand tätig wird, zum wesentlichen Kriterium da* Zuordnung zum Vorbehaltsbereich des A r t 33 Abs. 4 GG zu erheben 50. Danach würden nur öffentlichrechtlich organisierte Verwaltungseinheiten dem \brbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG unterliegen. Diese Ansicht zielt zwar auf die notwendige Eingrenzung des Funktionsvorbehaltes, konnte sich aber richtigerweise nicht durchsetzen; räumte sie doch dem Bund einen unzulässig großen Dispositionsspielraum ein: Die wahrzunehmenden Aufgaben, insbesondere der Leistungsver-
45
Wolff/
46
F J. Peine, Funktionsvorbehalt des Berufsbeamtentums, S. 421 H. Lecheler, Hdb. des Staatsrechts, § 72 Rdnr. 32, S. 729.
47
Bachof Verw. recht II, § 111 III, S. 542
48 K. Vogel, öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, 1959, S. 80, Mahlberg, Gefahrenabwehr durch gewerbliche Sicherheitsuntemehmen, 1988, S. 60ff. mit zahlreichen Nachweisen, stimmt Vogel zu und gelangt zu dem Ergebnis, daß die staatlichen Aufgaben nicht als einzelne zu benennen sind, sondern das, im Sinne Vogels, hoheiüiches Handeln eine Grenzziehung für funktionell dem Staat vorbehaltene Aufgaben sei. 49 Beamtenstreik, S. 85ff.; und ders., Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 89 50 Rudolf in: VVDStRL 37 (1979), S. 202f. (m.w.N.); Lerche, Verbeamtung als Verfassungsauftrag?, S. 22
134
G. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen Art. 33 I V GG?
waltung, können zumeist sowohl in öffentlichrechtlicher als auch in privatrechtlicher Form erfüllt werden und der Funktionsvorbehalt des A n 33 Abs. 4 GG würde wirkungslos 51 . Nach Schachtschneider wäre die 'Rechtsformtheorie ' dann richtig und anzuwenden, wenn sie rechtmäßig wäre. Da dem Staat aber kein Wahlrecht der Rechtsform zustehe, "ist dieses Kriterium der Praxis nicht spezifisch unbrauchbar, sondern spezifisch verfassungswidrig" 52.
2. Aufgabenmäßige Bestimmung des Funktionsvorbehaltes Art. 33 Abs. 4 GG
des
Unstreitig ist, daß der Zuständigkeitsausschuß des Parlamentarischen Rates bei der Beratung des Grundgesetzes eine enge Auslegung des Beamtenfunktionsvorbehaltes beabsichtigte 53 : Dem Begriff der 'hoheitsrechtlichen Befugnisse' des Art. 33 Abs. 4 GG in seiner endgültigen Fassung war der Terminus der 'öffentlichen Gewalt' vorausgegangen, der von v. Mangoldt wie folgt definiert wurde: "Die Ausübung öffentlicher Gewalt liegt vor, wenn mit zwingender Kraft die Staatsmacht dahinter steht. Das Wesen des Staates liegt darin, daß er mit unwiderstehlicher Kraft gebieten kann. Wo etwas Derartiges ausgeübt wird, liegt öffentliche Gewalt vor ," 54 Die oben dargestellte Intention der Verfassungsgeber, mit dem Funktionsvorbehalt des A r t 33 Abs. 4 GG auch die qualifizierte Verwaltungsaufgabenerfüllung durch in einem besonderen Treueverhältnis stehende und nicht streikberechtigte Beamte sicherzustellen, läßt die Zuordnung einer Verwaltungsaufgabe - hier der Flugsicherungsaufgaben - zu einem der beiden Bereiche der Leistungs- oder der Eingriffsverwaltung als wenig bedeutsam erscheinen, zumal eine eindeutige Abgrenzung von Rechtslehre und Rechtsprechung bislang nicht erarbeitet wurde und auch für die Zukunft nicht zu erwarten ist 55 .Diese unbefriedigende Prognose ergibt sich auch aus der normativen Kraft des Faktischen; gemeint ist der in der Verwaltungspraxis vorgenommene Modus da* Arbeitsplatzbesetzung, der eine eindeutige Zuordnung der Tätigkeiten zu Beamten oder zu Angestellten des öffentlichen Dienstes häufig nicht mehr zuläßt 56 .
51 Vgl. a.: Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsfoim, S. 122; Isensee, öffentlicher Dienst, in: Hdb. des Verfassungsrechts, S. 1173 5 2 53 54 55
Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 233 So auch Jung, Zweispurigkeit, S. 135ff. So v. Mangoldt in der 28. Sitzung des Grundsatzausschusses (JöR N.F. Bd. 1, S. 320).
Diese Erwartung teilten bereits Bachof, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, in: VVDStRL Bd. 30 (1972), S. 230 und Isensee, ebenda, S. 1171 56 Der Bericht der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, 1973, S. 72ff., gibt eine Übersicht über die Personalstruktur des öffentlichen Dienstes. Danach beträgt zum Beispiel der Anteil der Beamten im Bereich 'Öffentliche Sicherheit und Ordnung' 75.8 vH. Die 'Innere Verwaltung und allgemeine Staatsaufgaben' weist einen Beamtenanteil von nur 37 vH. und einen Angestelltenanteil von 56 vH. auf.
ΙΠ. 'Hoheitsrechtliche Befugnisse zur inhaltlichen Bestimmung des Funktionsvorbehaltes 135
Diese Versäumnisse der Praxis erklären sich aus der stetig zunehmenden Anzahl von Verwaltungsaufgaben, dem in vielen Bereichen der Verwaltung sichtbaren Beamtennachwuchsmangel, der faktischen und formalen Annäherung von Beamten- und Angestelltenstatus und der verständlichen, aber falschen und auch kostenintensiven 57 Zurückhaltung von Rechtsprechung, Legislative und Exekutive eine jahrzehntelang geübte Praxis als verfassungswidrig zu bewerten und dieselbe abzustellen 58 . Für Rudolf 5 9 gilt bezüglich des Art. 33 Abs. 4 GG die Erkenntnis von Forsthoff 6 0 , nach der die inhaltliche Bestimmung der "Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse" material nicht gelingen kann, da der Bereich staatlicher Aufgaben offen ist und die Entscheidung über das ob und das wie einer Aufgabenerfüllung im Einzelfall zu treffen ist. Auch für Benndorf 61 ist das Verhältnis der Über- und Unterordnung relevant, in welchem der Staat dem einzelnen gegenübertritt. Im Bereich der Eingriffsverwaltung sei dieses stets anzunehmen; im Bereich der Leistungsverwaltung bedinge nur dieses hoheitliche Tätigwerden des Staates den Einsatz der besonders verpflichteten Beamten. Das Vorliegen hoheitlicher Gewalt ist im Einzelfall zu prüfen und nicht etwa, wie von der überwiegenden Meinung vertreten, nach Tätigkeits- oder Rechtsbereichen abzugrenzen. Für die geplante Qrganisationsprivatisierung der Flugsicherung und für alle anderen sich zukünftig ergebenden Verwaltungsaufgaben kann somit nur eine "aufgabenmäßige Bestimmung" dem Sinngehalt des Funktionsvorbehaltes des Art. 33 Abs. 4 GG gerecht werden 62 . Diese Einzelfallprüfung wird auch durch die in der bisherigen Auslegungspraxis des A r t 33 Abs. 4 GG gewachsene Begriffsvielfalt - allerdings bei fehlender Eindeutigkeit - von öffentlichen, staatlichen, hoheitlichen und obrigkeitlichen Aufgaben 63 gestützt, welche die Entscheidung über die Besetzung von Dienstposten mit Beamten oder Angestellten kaum justiziabel macht. Eine Entschärfung dieses Problems ist nur über eine weite
57
So sind Verwaltungsaufgaben durch Angestellte bei geringeren Kosten zu erledigen, als sie sich bei einer unangemessenen Ausweitung des Berufsbeamtentums, durch das Alimentations- und Lebenszeitprinzip, ergeben. 58 Nachweise zum Schrifttum, das die Verfassungswidrigkeit der Personalstruktur der Leistungsverwaltung bejaht, bei: Jung, Zweispurigkeit, S. 130 59 W. Rudolf Der öffentliche Dienst im Staat der Gegenwart, in: VVDStRL 37 (1978), S. 202f.; dezidiert ebenso: Schachtschneider, ebenda, S. 233 und S. 459f.; siehe a. Teil C dieser Untersuchung 60 Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, S. 59 61 Benndorf Zur Bestimmung der "hoheitsrechtlichen Befugnisse" gemäß Art 33 Abs. 4 GG, in: DVB1. 1981, S. 27 62 So auch Ehlers, ebenda, S. 122. Er verweist u.a. auf die Zustimmung der Staatsrechtslehrertagung von 1978. Auch Kirchhof Diss., S. 38, gelangt in seiner historischen Betrachtung des Art 33 Abs. 4 GG zu dem Ergebnis, daß von den Verfassungsschöpfern "eine klare, möglichst am Einzelfall erprobbare Grenzziehung gewollt ist". 63 Jeweils m.w.N. : Mahlberg, ebenda, S. 5 9 f f u n d Michaelis, Der Beliehene, S. 16ff.
136
G. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen Art 33 I V GG?
Auslegung auch des Art. 33 Abs. 5 GG zu erreichen; dabei wäre auf die scharfe und folgenreiche Unterscheidung von Beamten und Angestellten zu verzichten.
3. Flugsicherung als ein Element der ' hoheitsrechtlichen Befugnisse' Insgesamt ergibt sich in der Rechtslehre, wie zuvor dargelegt, ein Konsens über die Zuordnung des Handelns der Eingriffsverwaltung zu den 'hoheitsrechtlichen Befugnissen' des Art. 33 Abs. 4 GG. Insbesondere die Flugsicherungsaufgaben, die wesentlicher Bestandteil des von der BFS zu übernehmenden Aufgabenspektrums der geplanten Flugsicherungs-GmbH sind, haben als ein Element der hoheitsrechtlichen Befugnisse des Art. 33 Abs. 4 GG zu gelten. In Ergänzung zu dem in Teil D dieser Untersuchung festgestellten, von der Rechtslehre und der Rechtsprechung bejahten, polizeilichen und hoheitlichen Wesen der Flugsicherung, ergibt sich diese Einordnung als 'hoheitsrechtliche Befugnis' auch aus folgenden Überlegungen: Die Tätigkeit des Flugverkehrskontrolldienstes ist weder als geringwertiger technischer Hilfsdienst oder als eine Vorbereitungshandlung der Verwaltung zu bewerten, noch ist ihr Wesen fiskalischer Natur. Allein das rein mechanische Wesen einer Tätigkeit ermöglichte a priori ihre zulässige Ausgrenzung aus dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG. Die von den hochspezialisierten BFS-Beamten wahrgenommene Gefahrenabwehr 64 zum Schutz der Allgemeinheit vor den inneren und äußeren Gefahren des Luftverkehrs ist keine solche bedenkenlos an Private übertragbare Aufgabe, wie etwa eine (nicht der Geheimhaltung unterliegende) Schreibarbeit. Der ganz überwiegend per Verwaltungsakt anordnende Flugverkehrskontrolldienst bedarf zwar erheblicher möglichst dem Stand der Technik entsprechender technischer Unterstützung, ist aber für die Befolgung seiner zumeist per Funk übertragenen Anweisungen originär zuständig. Der einzelne Fluglotse ist im Rahmen der einzuhaltenden luftfahrtlichen Vorschriften und Vereinbarungen integraler, schöpferischer Bestandteil des Willensbildungsprozesses der Verwaltung 6 5 und handelt in dem Sinne eigenverantwortlich, daß seine Anweisungen, welche die Sicherheit und Unversehrtheit von zumeist hunderten von Flugpassa-
64
Gefahrenabwehr ist die Erfüllung der im Polizei- und Ordnungsrecht (Sicheiheitsrecht) normierten Aufgaben durch die Polizei- und Ordnungsbehörden, welche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abwenden. Die Gefahrenabwehr steht der Wohlfahrtspflege als dem zweiten Staatszweck gegenüber. Bracher, Gefahrenabwehr, S. 16. 65
Nach E. Femdt, Zum Schicksal des Funktionsvoibehaltes für Beamte, in: DÖD 4/1974, S. 75, der auch Schreibarbeiten und ähnliche aus dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG ausklammert, gilt: "Für die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse genügt dabei die Teilnahme an der staatlichen Willensformung durch vorbereitende, beratende oder unterstützende Tätigkeit"
IV. Ehe Einschränkungen des Art. 33 Abs. 4 GG
137
gieren und der Bevölkerung der überflogenen Gebiete gefährden können, lediglich der Aufsicht durch den diensthabenden Flugleiter unterliegt 66 . Der bislang in der Flugsicherungspraxis entbehrlich gebliebene Einsatz von Zwangsmitteln, dessen Anordnung in der Kompetenz der Dienstposten der Flugsicherung liegt, reduziert nicht den obrigkeitlichen hoheitsrechtlichen Charakter der Flugsicherung 67 , die im Ergebnis dieser Untersuchung dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG unterliegt. Ein weiteres Argument für die Einordnung der Flugsicherung in den Vorbehalt des Art. 33 Abs.4 GG ist die dargestellte Absicht der Verfassungsgeber, durch den Einsatz nicht streikberechtigter Beamter die ständige Erfüllung besonders wichtiger öffentlicher Aufgaben, sogenannter 'Staatsaufgaben', zu gewährleisten (dazu a. Teil G, Π 4 dieser Untersuchung). Im Anschluß an die Darstellung der Einschränkungen, welche der Beamtenvorbehalt durch Art. 33 Abs. 4 GG selbst erfährt, ist zu untersuchen, ob und wie eine Übertragung der Flugsicherung auf ein privatrechtliches Unternehmen zulässig zu verwirklichen ist Diese Ausnahme vom Funktionsvorbehalt bedarf einer strengen Zulässigkeitsprüfung nach dem Regel-Ausnahme-Verhältnis, da A r t 33 Abs. 4 GG eine verbindliche Anweisung an den Gesetzgeber ist und nur eine zulässige Ausnahme von dem Regelvorbehalt der Verfassungsnorm verfassungsgemäß sein kann 6 8 .
IV. Die Einschränkungen des Art· 33 Abs. 4 GG Der strenge Grundsatz des Beamtenvorbehaltes des Abs. 4 wird durch die Maßgabe, die Übertragung habe "als ständige Aufgabe in der Regel" zu erfolgen, von A r t 33 Abs. 4 GG selbst zweifach eingeschränkt: Als erste Einschränkung gilt, daß hoheitliche Befugnisse als nichtständige Aufgaben immer auch von Nichtbeamten wahrgenommen werden dürfen; die Dauer solcher Aufgaben kann eindeutig zeitlich begrenzt sein, so daß der Aufbau eines Beamtenapparates nicht sinnvoll wäre, oder aber die Aufgaben sind lediglich sporadisch - und dann von Nichtbeamten - wahrzunehmen 69.
66 Es ist zu ergänzen, daß Fehler eines Radarlotsen von dem jeweiligen Koordinator, der mit dem Radarlotsen zusammenarbeitet oder auch von den betroffenen Piloten der Luftfahrzeuge zumeist rechtzeitig erkannt werden und somit Unfälle mit großem Schadenspotential verhindert werden. 67 Auch Sommer, Rechtsgrundlagen des Flugsicherungsdienstes in der Bundesrepublik Deutschland, S. 193, gelangt in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, daß die Luftverkehrskontrolle "hoheitlich-obrigkeitlicher Natur" ist. 68 So auch Ossenbühl, Eigensicherung und hoheitliche Gefahrenabwehr, S. 33ff. (m.w.N.). 69 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 33 Rdnr. 42, führt den Lastenausgleich als ein solches Beispiel an.
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G. Verstößt die Flugsichengs-GmbH gegen Art 3 3 I V GG?
Die Daueraufgaben der Bundesanstalt für Flugsicherung (bzw. der Flugsicherungs-GmbH) sind zeitlich nicht begrenzt und haben somit als 'ständige ' Aufgaben im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG zu gelten. Für v. Mangoldt / Klein ergibt sich aus der Formulierung "in der Regel", der zweiten Einschränkung des Grundsatzes, die grundgesetzliche Zulässigkeit des Einsatzes auch privatiechtlich tätiger Kräfte für folgende Fälle: "allgemein bei der Ausübung nicht hoheitsrechtlicher Befugnisse im öffentlichen Dienst, bei der Ausübung zwar hoheitsrechtlicher, aber nicht ständiger Befugnisse des öffentlichen Dienstes, bei der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse in Ausnahmefällen". 10 Die polizeiliche Gefahrenabwehraufgabe 'Flugsicherung' der BFS kann als eine solche, grundsätzlich zulässige Ausnahme vom Regelvoibehalt des Art. 33 Abs. 4 GG definiert werden. Ob die geplante Übertragung der Flugsicherungsaufgaben auf die Flugsicherungs-GmbH eine zulässige und zudem verhältnismäßige Ausnahme vom Regelvorbehalt ist und die Organisationsprivatisierung somit nicht als ein Verstoß gegen die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 4 GG) zu gelten hat, wird nach der folgenden Darstellung des Rechtsinstitutes der 'Beleihung' untersucht
V· Die Beleihung als grundsätzlich zulässige Ausnahme vom Beamtenvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG 1. Das Institut der Beleihung Die grundgesetzlich nicht geregelte Rechtsfigur des beliehenen Unternehmers wird von dem ganz überwiegenden Schrifttum als eine zulässige 'private' Ausnahme von dem Grundsatz des Art. 33 Abs. 4 GG, die ständige Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse nur Beamten anzuvertrauen, sein 71 .
70
Stellvertretend für alle: v. Mangoldt / Klein, Art 33 GG, Anm. V I 3 (S. 812) Vgl. a.: Stern, Staatsrecht II, § 4 1 I V 10 d (792); Ossenbühl, in: VVDStRL 29 (1970), S. 138f., gibt einen Literaturüberblick zum "alten Thema der Beleihung"; zur Entwicklung der Lehre vom beliehenen Unternehmer seit ihrer Begründung durch 0. Mayer (Deutsches Verwaltungsrecht, 1924) und Weiterentwicklung maßgeblich durch ER. Huber (Wirtschaftsverwaltungsrecht, I, 1953, S. 533ff.) siehe: Vogel (öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 46ff.) und U. Steiner (Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 17ff.); Β adura, Das Verwaltungsmonopol, S. 252, hält die Rechtsfigur des 'beliehenen Unternehmers* für unentbehrlich; Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 61, vertritt gar die Auffassung, die Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private würde der Verwaltung nicht die StaaUichkeit nehmen; kritisch zum Institut der Beleihung: Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 179 und Fn. 174 S. 204f. 71
V.
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Unterschiedliche Ansichten bestehen im Schrifttum über die zu definierenden Anforderungen, die an eine solche Übertragung und an den Beliehenen selbst zu stellen sind: So scheiden für Steiner 72 juristische Personen des Privatrechts, bei denen der Staat die spezifischen Gesellschaftsorgane dominiert, als Adressaten einer Beleihung aus; zur Beurteilung des Institutes der Beleihung sei zwischen der öffentlichen Verwaltung durch Private und durch verwaltungseigene Rechtsträger des Privatrechts zu unterscheiden 73. Weitgehend anerkannt ist in der Rechtslehre der Grundsatz, daß überhaupt nur die Wahrnehmung obrigkeitlicher Aufgaben durch Private einer Beleihung bedarf 74 . So kommt auch für Peters der beliehene Unternehmer als Rechtsträger der mittelbaren Verwaltung nur in Betracht, wenn ihm eine staatliche Aufgabe zur Erledigung übertragen ist" 7 5 . Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt "originäre Staatsaufgaben" 76 (z.B. Notar und freiwillige Gerichtsbarkeit) an, die von Privaten erfüllt werden können; die Privaten nehmen damit staatliche Funktionen wahr. Zur staatlichen Gestaltungsmöglichkeit dieser Aufgabenerfüllung führt das Bundesverfassungsgericht aus: "Wie der Staat öffentliche Aufgaben erledigen lassen will, ist im allgemeinen Sache seines freien Ermessens, freilich bis zu einem gewissen Grade auch von Eigenart und Gewicht der einzelnen Aufgabe abhängig. Es besteht hier eine breite Skala von Möglichkeiten, die vom freien Beruf mit öffentlich-rechtlichen Auflagen bis zu Berufen reicht, die gänzlich in die unmittelbare Staatsorganisation einbezogen sind, also "öffentlichen Dienst" im eigentlichen Sinne darstellen." 11 Die Zulässigkeit der Beleihung Privater ist auch ein wesentliches Element der Lehre Vogels, der sich für eine Differenzierung zwischen der Verantwortung des Staates für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge und seinem Ausführungsmonopol ausspricht und den Schluß von staatlicher Verantwortung auf ein staatliches Ausführungsmonopol weder für überzeugend noch für geboten hält 7 8 .
7 2
öffentliche Verwaltung durch Private, S. 212
7 3
Steiner, ebenda, S. 130
74
Vgl. a. Mahlberg, Gefahrenabwehr durch geweibliche Sicheiheitsuntemehmen, S. 75 (m. w. N.)
7 5 Peters, Öffentliche und staatliche Aufgaben, in: Festschrift für H.C. Nipperdey, 1965, S. 894; Peters definiert die Staatsaufgaben als eine Unteimenge der öffentlichen Aufgaben, die durch das maßgebliche Interesse der Öffentlichkeit an der Erfüllung dieser öffentlichen Aufgaben gekennzeichnet sind (S. 877ff.); zur Nennung von Beispielen verweist er auf ER. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, S. 533ff. Anderer Ansicht: Schachischneider, Staatsuntemehmen und Privatrecht, S. 233 76
BVerfGE 17,371 (376)
77
BVerfGE 17,371 (377) Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 62ff.
78
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2. Intention einer Beleihung Der Zweck einer Beleihung liegt nach Wolff / Bachof 79 in der Dezentralisierung und Entlastung der öffentlichen Verwaltung. Erreicht werde dieses Ziel durch die Nutzung privater Initiative, Finanzmittel und Sachkenntnis. Richtig sieht Ossenbühl 80 als Gründe für die häufige Inanspruchnahme des Beleihungsinstitutes nicht nur die "Beamtenmentalität und den Mangel an Sachkunde, sondern auch die durch bürokratische und hierarchische Strukturen der öffentlichen Verwaltung verlangsamten und gehemmten Entscheidungsprozesse, sowie die als störend empfundenen haushalts- tfinanz- und personalrechtlichen Bindungen". Auch für Steiner 81 steht hinter der Wahl einer privatrechtlichen Rechtsform die Erwartung, Organisationsfragen flexibler und bequemer im Privatrecht lösen zu können. Diese Motivation der öffentlichen Verwaltung wird richtigerweise in der Formel 'Flucht in das Privatrecht' abgebildet. Das ganz überwiegende Schrifttum 82 bemüht sich unter Hinweis auf die Obsoletheit um eine Desavouierung dieser Formel, welche ja die noch anerkannte Wahlfreiheit der Verwaltung sich zu privatisieren, in Frage stellt. Eine Gefahr dieser Privatisierung staatlichen Handelns liegt insbesondere bei der öffentlichen Verwaltung durch juristische Personen des Privatrechts in ihrem "objektiven Mangel an Transparenz" 83.
3. Kriterien
einer zulässigen Beleihung
Die Zulässigkeit des nicht unumstrittenen 84 , weil in der Verwaltungsrechtslehre nicht scharf konturierten Instrumentes der Beleihung Privater wird in der Literatur mit der Erfüllung notwendiger Bedingungen verknüpft: Einigkeit besteht im Schrifttum über die Bedingung, daß der Private zur Ausführung der ihm übertragenen hoheitlichen Befugnisse besser geeignet sein muß als staatliche Behörden. Dazu zählt neben der personellen und der technischen Ausstattung auch das Vorhandensein aufgabenspezifischer Kenntnisse und
7 9
Wolff!
Bachof Verw. recht II, § 1041 (S. 412)
80
In: VVDStRL 29 (1970), S. 146; Ossenbühl stellt einen "zügellosen Gebrauch" des Beleihungsinstitutes fest (ebenda,S. 142). 81 öffentliche Verwaltung durch Private, S. 208f.; Zusammenfassung der Beleihungsmotive und weitere Nachweise, ebenda, S. 290ff. 82
Stellv. für viele: Schmidt-Aßmann, DB-Gutachten 1986, S. 115ff.
83
Steiner, öffentliche Verwaltung durch Private, S. 264
84 R. Michaelis, Der Beliehene, 1969, S. 11, stellt eine bis dato fehlende Übereinstimmung über den Inhalt und das Wesen der Beleihung fest
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Sachverstand und sachgemäßer Verwaltungsstrukturen. Dem Staat bliebe es somit erspart, zur Erfüllung seiner stetig wachsenden Anzahl von Aufgaben stets eigene Behörden und Beamte zu installieren, zu finanzieren und zu verwalten 85 . Die kostengünstigere Erledigung einer Aufgabe durch Private, ist jedoch allein keine ausreichende Begründung für die Beleihung Privater. Als richtige Bedingung für eine zulässige Beleihung führt Ehlers 86 die gesetzgeberische Festlegung der Verwaltung auf eine privatrechtliche Lösung an.
4. Die Übertragung von Hoheitsbefugnissen Die Zulässigkeit der Übertragung von Hoheitsbefugnissen im Wege der Beleihung ist in der Rechtslehre anerkannt: Für Wolff / Bachof 87 eröffnet die Einschränkung des Beamtenvorbehaltes des Art. 33 Abs. 4 GG die Möglichkeit der Beleihung Privater und die dauernde Ausübung öffentlicher Gewalt durch Private. So anerkennen Drews / Wacke 88 die Ausstattung Privater mit Hoheitsbefugnissen um Aufgaben der Gefahrenabwehr selbständig wahrzunehmen. Die Übertragung hoheitlicher Befugnisse umfaßt Befehls- und Zwangsbefugnisse. Die bessere Eignung Privater zur Erledigung der obrigkeitlichen Gefahrenabwehr ist für Bracher 89 nur mit der Entlastung des Staates als dem einzigen tragfähigen Argument zu begründen. Dabei sei dieser Entlastungseffekt gegen die Vorteile eines Einsatzes von Beamten oder anderen öffentlich Bediensteten abzuwägen. Der Private muß die übertragenen Aufgaben zu wesentlich geringeren Kosten erfüllen können, wobei allein eine spürbare gesamtwirtschaftliche Entlastung die Risiken und Nachteile einer Beleihung Privater rechtfertigen könne. Sachliche Gründe rechtfertigen auch eine Übertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse auf Private, wobei sich "auf der einen Seite das Interesse an größtmöglicher Wirksamkeit und Zuverlässigkeit der Erfüllung der Gefahrenabwehraufgabe, auf der anderen Seite das Interesse an einer Erledigung mit möglichst geringem Aufwand" 9 0 gegenüberstehen.Eine zulässige Beleihung Privater beschränkt sich auf die Kompetenzen der Verwaltung und schließt solche der Rechtsetzung91, der
85 Giemulla, Zur Verfassungsmäßigkeit der Organisationsform des Flugplankoordinators in: DVB1 v. 15.3.1989, S. 286, kritisiert in seiner Abhandlung die eigens zum Zwecke der Flugplankoordination geschaffene Einrichtung des privaten Flugplankoordinators, der nicht bereits zuvor in kompetenter Weise im luftfahrtlichen Bereich tätig war. Diese Beleihung sei nicht mit den Argumenten der besonderen Sachnähe des Privaten oder einer Kosten- und Zeitersparnis sachlich zu begründen und verstoße in qualitativer Betrachtung gegen den Regelvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG. 86
Verwaltung in Privatrechtsform, S. 374
87
Wolff/ Bachof Verwaltungsrecht II, § 111, I I I 2 Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 1986, § 4 b (S. 59)
88 89 90
Gefahrenabwehr durch Private, S. 85ff. Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 146
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Regierung und der Rechtsprechung aus. Nach Wolff / Bachof 9 2 sind diese Funktionen gemäß Grundgesetz dem Staat und den autonomen juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorbehalten, wobei gilt: "Gegenstand der Beleihung können sowohl schlichthoheitliche (z.B. Notar) als auch obrigkeitliche {zB. Bahnpolizei) Zuständigkeiten sein. Es dürfen jedoch jeweils nur einzelne enumerierte, allenfalls spezielle, nicht aber Regel-Zuständigkeiten eingeräumt werden, da sonst gegen Art. 33 Abs. IV GG verstoßen werden würde. /#9 3 Eine Mindermeinung vertritt die Auffassung, auch eine formell wirksame Beleihung verstoße gegen den Grundsatz, daß die Ausübung hoheitlicher Gewalt ausschließlich in den Händen des Staates liegen müsse 94 . Dieses strikte Verbot schränkt Mahlberg 95 wie folgt ein: Polizeiliche' Tätigkeiten können nur, aber auch stets da auch von Privaten erledigt werden, wo sich die Polizei nur auf die ' allgemeine GeneraHdauseV und nicht auf ausschließliche Spezialbefugnisnorrrœn stützen kann." Da zu diesen Spezialbefugnisnormen die Ermächtigungsnormen der Polizeigesetze oder die Befugnisse der Polizei zu Verkehrslenkungsmaßnahmen nach der StVO zu zählen seien, wäre nach Mahlberg auch eine Übertragung der BFS-Aufgaben auf Private ausgeschlossen. Auch Scholz 96 hält eine formelle Übertragung von Hoheitsaufgaben der Eingriffsverwaltung für zulässig; als Beispiel führt er die Wahrnehmung polizeilicher Zuständigkeiten durch beliehene Private an, die somit zu einem kompetenziellen und organisatorischen Bestandteil der Verwaltung werden. Materielle Privatisierungen hingegen mit der Folge eines "rechtlichen Kompetenzverzichts und der rechtlichen Entlassung solcher Befugnisse oder Zuständigkeiten in den privatrechtlich-gesellschaftlichen Bereich" seien mit dem Grundgesetz nicht vereinbar 97 . H. Krüger 9 8 differenziert die Anforderungen
91 So auch Vogel, ebenda, S. 80; er definiert den Begriff des 'beliehenen Unternehmers' im Sinne der Rechtsstellungstheorie wie folgt: "Beliehener Unternehmer ist, wem vom Staat echte Hoheitsbefugnisse verliehen worden sind, d.h. wem der Staat in einem begrenzten Bereich die sonst ausschließlich ihm vorbehaltene Macht übertragen hat, Rechtsverhältnisse des öffentlichen und des privaten Rechts über die im allgemeinen Recht vorgesehenen Möglichkeiten hinaus zu begründen, zu ändern und aufzuheben." Nach Schachtschneider, Streikfreiheit und Streikrecht, S. 3ff., gibt es private Gesetzgebung über die Bildung von guten Sitten und insbesondere durch Tarifverträge. 92
Stellv. für viele: Wolff / Bachof Verwaltungsrecht Bd. II, § 1041, S. 413
93
Wolff! Bachof ebenda, § 104 II, S. 415; s.a. Rengeling, Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private, S. 29 94 A. Greifeid, in: DÖV 23/1981, S. 912; zum Gewaltmonopol s.a.: D. Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, 1975, S. 29ff. 95 Mahlberg, Gefahrenabwehr durch gewerbliche Sicherheitsunternehmen, S. 71 96 R. Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Bd. 1, Art. 12 Rdnm. 214ff.. Eine Übersicht über die Beleihung hoheitlicher Funktionen gibt Michaelis, Der Beliehene, S. 6Iff. 97 Scholz, ohne weitere Begründung, ebenda, Rdnr. 216 98 Allgemeine Staatslehre, S. 874
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an die Rechtsperson des Beliehenen. Danach gelte, daß nur ein "Subjekt des öffentlichen Rechtes Delegatar von Staatsgewalt sein kann." Nur ein vom Staat selbst geschaffener Delegatar verfüge über die notwendige Struktur 99 zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und beuge so der, der Beleihung immanenten Gefahr des möglichen Verlustes an Staatlichkeit durch eine private Motivierung des Staatshandelns vor. Die Beleihung von Privatrechtssubjekten ist nach Krüger 1 0 0 richtigerweise nur zulässig, wenn privater Eigennutz oder Willkür bei der Ausübung der delegierten Gewalt auszuschließen seien und die notwendige Staatsaufsicht, die mehr sein sollte als nur Rechtsaufsicht, durch ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis zwischen Staat und Delegatar ermöglicht werde. Im Ergebnis ist die grundsätzliche Zulässigkeit einer Aufgabenübertragung auch von Hoheitsbefiignissen auf Private festzustellen. Solche Übertragungen erfordern eine, im hier untersuchten Gesetzentwurf fehlende, deutliche Abgrenzung und eine Enumeration der auf die Flugsicherungs-GmbH zu übertragenden und der zukünftig vom B V M wahrzunehmenden BFS-Aufgaben. Der Flugsicherungs-GmbH dürfen bei der Wahrnehmung ihrer Gefahrenabwehraufgaben keine administrativen oder politischen Spielräume verbleiben.
5. Beispiele der Beleihung mit Hoheitsbefugnissen Beispiele für mit Hoheitsbefugnissen beliehene und per Gesetz für die obrigkeitliche Gefahrenabwehr beliehene Private sind im Veikehrsrecht der verantwortliche Luftfahrzeugführer (gemäß § 29 Abs. 3 LuftVG) und der Seeschiffskapitän (gemäß § 106 SeemannsG) 101 . Beide Anwendungsfälle sind zulässig, da es einen nicht vertretbaren Aufwand bedeutete oder praktisch unmöglich wäre, auf jedem Wasser- oder Luftfahrzeug ständig staatliche Polizei- und Gefahrenabwehrorgane zur Bekämpfung nicht vorhersehbarer Gefahren vorzuhalten. Dieses Argument des unverhältnismäßig großen Aufwandes und der praktischen Unmöglichkeit deckt auch die bei Landeplätzen und Segelfluggeländen häufig vorgenommene Übertragung von Aufgaben der Luftverkehrsleitung und des Flugplatzbetriebes auf Private ab. Zu diesen 'anderen geeigneten Personen* im Sinne des § 29
99 Für Steiner, ebenda, S. 281, haben Gesetzgeber und Verwaltung eine "vielfältig instrumentierte Methodik" zur Gewährleistung der Stabilität und der Qualität der privaten Aufgabenerledigung entwickelt Die Einflußnahme der Verwaltung auf die Struktur des Beliehenen sei ein wesentliches Mittel dieses Instrumentariums. 100 101
Ebenda, S.875ff.
Vgl.a.: Drews / Wacke / Vogel / Martens, ebenda, S. 59; Vogel, öffentliche Wirtschaftseinheiten, S. 82f.; Bracher, ebenda, S. 26ff., gibt einen Überblick über weitere Formen der Gefahrenabwehr durch Private.
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Abs. 2 LuftVG zählen die 'Flugleiter' 1 0 2 und die mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteten 'Beauftragten für Luftaufsicht' 1 0 3 .
VI. Zwischenergebnis: Beleihbarkeit der Flugsicherungsaufgaben Als Zwischenergebnis ergibt sich, daß Art. 33 Abs. 4 GG nicht die Möglichkeit ausschließt, auch Nichtbeamte mit der Ausübung hoheitsrechtlicher obrigkeitlicher Befugnisse zu betrauen. Diese Aufgabenübertragung war den Verfassern des Grundgesetzes bekannt und wie das im Grundgesetz fehlende ausdrückliche Verbot der Beleihung vermuten läßt, wohl auch beabsichtigt 104 . Das Institut der Beleihung hat sich trotz oder gerade wegen der Unsicherheiten in der Verwaltung des sozialen und unter alliierter Besatzung deutlich entpolizeilichten bundesdeutschen Rechtsstaates heutiger Prägung in erheblichem Umfang etabliert. Die Übertragung auch von ehemals den Beamten vorbehaltenen Aufgaben auf Private resultiert auch aus der fehlenden Eindeutigkeit des A r t 33 Abs. 4 GG und der häufig allzu pragmatischen Interpretation der Vorschrift Die zur Verwirklichung des Funktionsvoibehaltes des Art. 33 Abs. 4 GG notwendige Definition ausschließlicher Beamtenbefugnisse wird zunehmend erschwert, zumal jede praktizierte Ausnahme vom Regelvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG als Argument für die folgenden Ausnahmen vorgebracht wird. In der Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland erfährt der Regelvorbehalt des A r t 33 Abs. 4 GG zwar eine großzügige Auslegung, sichert aber gemäß seinem Zweck die bis heute notwendige Institution des Berufsbeamtentums. Insbesondere für die beiden folgenden Arten von Aufgaben sind die Kriterien für eine zulässige Beleihung streng auszulegen und bei negativer Prüfung sind die Aufgaben ausschließlich von Berufsbeamten wahrzunehmen: Aufgaben und Befugnisse, bei deren Ausübung der Staat in Form seiner Behörden und Beamten dem Bürger in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung, insbesondere gekennzeichnet durch die Kompetenz zum Einsatz von Zwangsmitteln, gegenübertritt; und Aufgaben, deren stetige und korrekte Durch-
102
Giemulla, LuftVG, § 29 Rdnr. 6 (S. 5); vgl. a. Hasse, Der Flugleiter auf Landeplätzen, in: Z L W 18/1964, S. 113ff.; Hofmann, LuftVG, § 29 Rdnr. 31 (S. 365), weist darauf hin, daß diese Flugleiter nicht mit den Aufgaben der Luftaufsicht beliehen sind, sondern als Vertreter des Flugplatzuntemehmers die Leitung und den Betrieb des Flugplatzes wahrnehmen; Salzer, Das Rechtsverhältnis zwischen Verkehrsflughafen und Luftfahrern, S. 19, weist auf den uneinheitlichen Gebrauch des Begriffes 'Flugleiter' hin: Neben dem Verständnis von Hofmann, s.o., werden auch die im Bereich der Flugsicherung eingesetzten Beamten und Angestellten der BFS als Flugleiter, auch im Sinne von 'Wachleiter', bezeichnet; vergleiche auch die Bezeichnung 'Verband deutscher Flugleiter' (VdF). 103 104
Schwenk, Polizei und Luftverkehr, in: Die Polizei, 7/1978, S. 214f. So auch: Steiner, ebenda, S. 256ff.
VII. Flugsicherungs-GmbH als zulässige Ausnahme zum Beamtenvorbehalt ?
145
führung im Interesse der Sicherheit der Bürger gewährleistet sein muß und nicht durch Tarifauseinandersetzungen und Arbeitskämpfe gefährdet oder gar ausgesetzt werden darf 105 Isensee weist diesbezüglich auf das Beamtenstreikverbot hin. Dieses ist als ein " Sicherungsmittel" 106 des Beamtenrechts die "Garantie der stetigen Dienstbereitschaft", zur Erfüllung der "Sicherungsaufgaben." 107 Im Ergebnis sind die hoheitsrechtlichen Aufgaben der BFS grundsätzlich im Wege der Beleihung formell auf Private übertragbar. Eine solche zulässige Aufgabenübertragung bedarf neben dem Nachweis legitimierender Gründe 1 0 8 auch der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes in den institutionellen Beamtenvorbehalt des A r t 33 Abs. 4 GG und der Sicherstellung der staatlichen Rechtsund Fachaufsicht und der Ingerenzpflichten.
VII. Flugsicherungs-GmbH als zulässige Ausnahme zum Beamtenvorbehalt ? Eine Verwirklichung der geplanten Flugsicherungs-GmbH und die Beleihung Privater mit den Flugsicherungsaufgaben setzt den Nachweis zwingender Gründe voraus. Sind keine überzeugenden Gründe anzuführen, bedeutete die geplante Privatisierung einen großen Schritt in die falsche Richtung des Ausstieges aus dem auch heute notwendigen Berufsbeamtentum. Eine unzulässige Privatisierung führt endgültig zu einer 'Entkernung' des Art. 33 Abs. 4 GG und wird den Gewerkschaften willkommener Anlaß zu einer weiteren Nivellierung von Beamtendienstrecht und den Dienstrechtsverhältnissen der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes sein 1 0 9 . Im folgenden wird untersucht, ob die gebotenen 'zwingenden Gründe* eine Organisationsprivatisierung der BFS-Aufgaben als eine Ausnahme vom Regel-
105
Vgl. a. Stober, in: JZ 1980, S. 249 (m.w.N.)
106
Als Sicherungsmittel des Beamtenrechts bezeichnet Isensee, Beamtenstreik, S. 98, "die durch das Lebenszeitprinzip geschaffene dauerhafte und intensive Bindung des Beamten an den Dienstherrn, die erhöhte Gewähr der Durchsetzbarkeit des staatlichen Willens und der Rechtmäßigkeit des Handelns, vor allem die Garantie der stetigen Dienstbereitschaft, die über das Streikverbot... verwirklicht wird." Zu seiner Begründung des Streikrechts auf den Ebenen des Dienstrechts, des Verwaltungsaufgabenrechts und des Staatsrechts, ebenda, S. 98ff. und S. 180ff. (Thesen). 107
Isensee, ebenda, S. 96ff. Ossenbühl, Eigensicherung und hoheitliche Gefahrenabwehr, S. 42 (Fn. 77 m.w.N.) und S. 43: Eine Ausgliederung aus dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG dürfe "im Bereich der Gefahrenabwehr und der inneren Sicherheit als der klassischen Materie des Polizeiwesens nur erfolgen, wenn dies nach Lage der Sache und des Einzelfalles zwingend geboten ist." 109 Erinnert sei an die Diskussion um das Streikrecht für Beamte zu Beginn der siebziger Jahre; maßgebliche Gutachten lieferten v. Münch, Rechtsgutachten zur Frage eines Streikrechts der Beamten, 1970 und ein Beamtenstreikrecht befürwortend Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 1971. 108
10 Trampler
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G. Verstößt die Flugsichengs-GmbH gegen Art 33 I V GG?
Ausnahmeverhältnis des A r t 33 Abs. 4 GG rechtfertigen 110 und ob das Mittel der Flugsicherungs-GmbH dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügt. Besondere Bedeutung erlangt hierbei die Prüfung der Sicherstellung der staatlichen Ingerenzpflichten gegenüber dem privatrechtlich organisierten Flugsicherungsunternehmen.
1. Unzureichende quantitative Betrachtung der Ausnahmen vom Regelvorbehalt im Schrifttum Die Zulässigkeit einer Ausnahme vom Regelvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG wird von einem Teil der Rechtslehre lediglich mit Hilfe quantitativer Kriterien geprüft, die auf die Wahrung des Ausnahmecharakters der Wahrnehmung von hoheitsrechtlichen Aufgaben abzielt 1 1 1 : So wird auch für v. Mangoldt / Klein der beliehene Unternehmer von Art. 33 Abs. 4 GG erfaßt; der Grundsatz des Beamtenvorbehaltes der Norm dürfe jedoch nicht "ausgehöhlt" werden 112 . Ebenfalls quantifizierend, jedoch ohne den Begriff der 'hoheitsrechtlichen Befugnisse' zu definieren, setzt das Bundesverfassungsgericht 113 den Rahmen einer zulässigen Aufgabenübertragung wie folgt: "Würde die ständige Ausübung hoheitlicher Befugnisse in größerem Umfang aufNichtbeamte übertragen, so wäre dies mit dem Grundgesetz nicht vereinbar." Dieser Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist zuzustimmen, da die staatliche Verwaltung im Wege einer schrankenlosen Aufgabenübertragung auf Private den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG beliebig umgehen könnte und das normative Gebot wirkungslos werden ließe.
110 Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 59ff., beschreibt drei in der Literatur entwickelte Ansätze zur Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Beleihung und Indienstnahme Privater mit Aufgaben der Gefahrenabwehr: Neben dem Art. 33 Abs. 4 GG als Maßstab, wird auch auf das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip als den verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien des Art 20 GG zurückgegriffen. Als dritter Ansatz ergibt sich die Prüfung der Grundrechte der Bürger, die Schutzansprüche auf Gefahrenabwehr gegen den Staat gewähren oder den Privaten vor einer unzulässigen Indienstnahme schützen. 111 So: Rudolf' in: VVDStRL 37 (1979), S. 204; Stern, Staatsrecht, § 4 1 I V 10 d (S. 792); Thieme, Der öffentliche Dienst in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, S. 58f. 112 V. Mangoldt / Klein, GG, Art 33, Anm. V I 4 (S. 813). Nach Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 33 Anm. 3, muß insbesondere die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes auf Ausnahmen beschränkt bleiben. 113 BVerfGE 9,268 (284)
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2. Qualitative Betrachtung der Flugsicherungs-GmbH als Ausnahme vom Regelvorbehalt und Prüfling der legitimierenden Gründe Über eine ungenügende quantifizierende Betrachtung, die lediglich auf den Ausnahmecharakter einer Wahrnehmung von Hoheitsbefugnissen durch Nichtbeamte abstellt 1 1 4 , muß die qualitative Betrachtung des Regel-Ausnahmeverhältnisses treten. Nur so ist eine dem Zweck der Vorschrift genügende notwendige Prüfung der Zulässigkeit einer Ausnahme vom Regelvorbehalt des A r t 33 Abs. 4 GG vorzunehmen 115 . Insbesondere ist dieser qualifiziertere Maßstab zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit bei der zu untersuchenden Organisationsprivatisierung, welche das staatliche Gewaltmonopol tangiert, anzulegen. Das Gewaltmonopol des Staates gehört zu den vitalen Lebensinteressen des Staates und macht die Staatlichkeit maßgeblich aus 1 1 6 .
a) Sachliche Begründung als erste Stufe der Zulässigkeitsprüfung Die Wahrnehmung der polizeilichen Flugsicherungsaufgaben durch die geplante Flugsicherungs-GmbH erfordert legitimierende sachliche Gründe für eine Ausnahme vom Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 G G 1 1 7 . Die Definition eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung der Ausnahme vom Regelvorbehalt ist vor der Verhältnismäßigkeitsprüfung - nur ein erster Schritt der Zulässigkeitsprüfung. Die Beschränkung auf die Definition eines sachlichen Grundes allein - ohne anschließende Zulässigkeitsprüfung - ließe unzulässig große Argumentationsspielräume entstehen und das Wesen und der Zweck der Einrichtungsgarantie des Art. 33 Abs. 4 GG könnten nicht hinreichend vor der Gefahr einer inhaltlichen Aushöhlung geschützt werden.
114 Vgl. Bettermann, in: Bettetmann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 3,2. Halbbd., 1959, S. 793 115 So auch Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 96ff., für den die Zulässigkeit einer Ausnahme vom Regelvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG sowohl des quantitativen, als auch des qualitativen Kriteriums bedarf. 116 Stellv. für viele: D. Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 33; Ossenbühl, Eigensicherung und hoheitliche GefahrenabwehrS. 43 117 So maßgeblich: Ossenbühl, ebenda, S. 42f.; und auch für Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 123, kann nur ein sachlicher Grund eine Ausnahme vom Vorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG rechtfertigen. Dabei seien im Bereich der Eingriffsverwaltung strengere Anforderungen zu stellen, als für die Leistungsverwaltung; Ule, öffentlicher Dienst, in: Die Grundrechte, Bd. 4,2. Halbbd., S. 561, fordert "zwingende sachliche Gründe"; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art 33, Rdnm. 39, 42 b.
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G. Verstößt die Flugsichengs-GmbH gegen Art. 3 3 I V GG?
b) Begründung gemäß Gesetzentwurf In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung wird die Notwendigkeit der Einrichtung einer Flugsicherungs-GmbH damit begründet, daß die BFS den Anforderungen des heutigen Luftverkehrs nicht mehr gerecht werde. Der Bundesanstalt für Flugsicherung fehle die "erforderliche Flexibilität fur die notwendige Ausstattung mit qualifiziertem und motiviertem Personal und.. eine bedarfsgerechte Infrastruktur, um nicht nur die Sicherheit gewährleisten, sondern auch den Luftverkehr zügig und wirtschaftlich abwickeln zu können," 118 Neben dem Personalmangel wird auch die Notwendigkeit einer Effizienzsteigerung der Flugsicherung angeführt, um diese nicht zu einem Hemmnis für das prognostizierte kräftige Wachstum des Luftverkehrs geraten zu lassen. Diese Effizienzsteigerung sei nicht in der bisherigen Organisationsform der BFS zu realisieren, da insbesondere das geltende Dienst- und Haushaltsrecht den Anforderungen der heutigen Flugsicherungspraxis nicht mehr genüge 119 . Nur das Modell der Flugsicherungs-GmbH biete alle Voraussetzungen den "bevorstehenden Herausforderungen des Luftverkehrs auf personellem Sektor ebenso wie im Bereich der Investitionen flexibel und schnell" 1 2 0 , wirksam und dauerhaft begegnen zu können. Diese Herausforderungen seien das unerwartet starke und stetige Wachstum des Luftverkehrs und die zusätzlich zu erwartenden Wachstumsimpulse des einheitlichen europäischen Binnenmarktes und erforderten in der Bundesrepublik Deutschland "grundlegend neue Wege für die bisher vom Bund vorgehaltenen Flugsicherungsdienste" 121 . Diese Forderung nach einer GmbH-Lösung sei das Ergebnis umfassender Untersuchungen der aktuellen Flugsicherungsprobleme und ihrer möglichen Lösungsalternativen 122 . Die von der geplanten Flugsicherungs-GmbH zu erwartenden Vorteile lassen sich in der Formel von der 'größeren Dispositonsfreiheit der Verwaltung im personellen (Nachwuchs- und Motivationsproblematik) und im finanziellen Bereich' zusammenfassen. Die strengen dienst- und haushaltsrechtlichen Vorschriften und das starre Laufbahn- und Besoldungssystem des öffentlichen Dienstes, die für den gesamten Bereich staatlicher Verwaltung gelten, gewährleisteten zwar
118
BR-Drucks. 80/90, S. 33 BR-Drucks. 80/90, S. 2: Mit der Flugsicherungs-GmbH "werden die für die leistungsgerechte Bezahlung des Personals und die für eine zeitgerechte Anpassung der Flugsichenmgseinrichtungen an die Anforderungen des Luftverkehrs und an den jeweiligen Stand der Technik erforderlichen Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen." 120 BR-Drucks. 80/90, S. 34 119
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grundsätzlich die sichere Abwicklung des Luftverkehrs, ermöglichten aber keine "flüssige Abwicklung" 1 2 3 desselben.
c) Kritik der Begründung und Ergebnis Vorrangige Zielsetzung der Flugsicherungs-GmbH ist neben der Deckung des Personalbedarfes die Effizienzsteigerung und damit die Bessererfüllung der Flugsicherungsaufgaben. Es ließe sich einwenden, daß die ganz überwiegende staatliche Verwaltung in privatrechtlichen Organisationsformen effizienter arbeiten könnte. Im Bereich der Flugsicherung jedoch läßt eine Verbesserung der angeführten Probleme im finanzwirtschaftlichen und personellen Bereich zugleich ein höheres Maß an Sicherheit erwarten. Dieser Sicherheitszuwachs, der auch durch eine zurZeit kaum mögliche, gleichmäßige und angemessene Besetzung aller Planstellen realisiert würde, entzieht sich zwar einer exakten quantitativen Beurteüung, kommt aber sowohl den Luftverkehrsteilnehmern als auch den durch den gefahrreichen Luftverkehr gefährdeten unbeteiligten Dritten zugute. Der Personalmangel, der zu den dringlichsten BFS-Engpässen zählt, fand auch in der Arbeit von Bracher wie folgt Berücksichtigung: "Personalmangel mit der Konsequenz drohender Vernachlässigung staatlicher Gefahrenabwehraufgaben ist als besonders wichtiger sachlicher Grund für die Aufgabenübertragung auf Private i.S. der oben entwickelten Grundsätze zu qualifizieren." 124 Einschränkend setzt Bracher - bezogen auf die von ihm untersuchten privaten Sicherheitsdienste zur selbständigen Wahrnehmung von mit Gewaltanwendung verbundenen Schutzaufgaben - hinzu, daß dieser Personalmangel vorübergehend, unvorhersehbar und nicht durch Hilfspolizisten abstellbar sein müsse. Damit gibt Bracher der sachangemessenen Wahrnehmung staatlicher Aufgaben den Vorrang vor der strikten Befolgung der im Grundsatz angemessenen und im Grundgesetz normierten Organisations- und Handlungsformen hoheitlicher staatlicher Verwaltung. Diese Sicht kann nur überzeugen, wenn der Private die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendigen Personalressourcen überhaupt und zudem schneller als der Staat selbst bereitstellen kann. Der Mangel an qualifizierten Beamten und die beabsichtigte unternehmerische Freiheit für die neue Flugsicherungs-GmbH sind eher Argumente für eine materielle Privatisierung; im Rahmen einer materiellen Aufgabenprivatisierung
123 124
BR-Drucks. 80/90, S. 2 Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 153
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erfüllen private Unternehmer (und nicht der Staat als Quasi-Privater) unter staatlicher Aufsicht vom Staat übertragene Aufgaben in privaten Rechtsformen. Für den hier zu untersuchenden Bereich der Flugsicherung wird sich wohl die Erwartung bestätigen, daß nur die privatrechtliche Flugsicherungs-GmbH überhaupt in der Lage sein wird, den dringend benötigten Nachwuchs durch ein erheblich attraktiveres Bezahlungsangebot (etwa das zwei- bis dreifache der BFS-Beamtenbesoldung) und moderne Personalbeschaffungsstrategien zu rekrutieren. Zudem werden die Berufe der Flugsicherungsdienste durch eine gestraffte und deutlich verkürzte Ausbildung (per Streichung der staats- und beamtenrechtlichen Ausbildungsinhalte) und eine leistungsfördernde Personalführung vermutlich erheblich attraktiver für den anzuwerbenden und auszubildenden Nachwuchs. Die bislang von der BFS selbst sichergestellte Qualifikation des Flugsicherungspersonals muß mit der Einrichtung der Flugsicherungs-GmbH auf einem neuen Weg bewahrt werden: In Analogie zu den bisher von der BFS verwaltungsintern praktizierten Verfahren sieht der Gesetzentwurf vor, daß die "Anforderungen an die Befähigung und Eignung des erlaubnispflichtigen Personals" in einer Rechtsverordnung des Bundesministers für Verkehr festgelegt werden 1 2 5 . Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die verbesserte Aufgabenerfüllung der Gefahrenabwehr des Luftverkehrs grundsätzlich eine Ausnahme von dem Funktionsvorbehalt des A r t 33 Abs. 4 GG als zulässig begründet Ergänzend sei auf die gravierende Verschlechterung der beschriebenen Flugsicherungssituation im wiedervereinigten Deutschland hingewiesen: Die im Gesetzentwurf unterstellten Wachstumsraten und Prognosen haben die Probleme eines gesamtdeutschen Luftverkehrs und seiner Flugsicherung noch nicht berücksichtigt So liegt die Sicherung des Luftverkehrs im Luftraum über Berlin und den neuen Bundesländern heute - als Interimslösung - auch in den Händen alliierter Flugsicherungskräfte, die mit veraltetem technischen Gerät die Flugsicherung wahrnehmen. Ob die geplante Flugsicherungs-GmbH eine geeignete, erforderliche und damit verhältnismäßige Lösung der tatsächlich vorhandenen Engpässe und Probleme im Bereich der bundesdeutschen Flugsicherung ist und somit den Teilgrundsätzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit genügt, wird im folgenden Abschnitt untersucht
125 BR-Drucks. 80/90, S. 41; für die diesbezügliche Ergänzung des LuftVG - § 32 Abs. 4 Nr. 4 und auch § 4 Abs. 5 LuftVG n.F. - siehe ebenda, S. 22, S. 3 und synoptische Darstellung, S. 28 und S. 4.
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3. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip a) Notwendigkeit
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der Verhältnismäßigkeitsprüfung
Nach der Definition der legitimierenden sachlichen Gründe für die Organisationsprivatisierung der BFS ist zu untersuchen, ob der Gesetzentwurf mit diesem grundsätzlich zulässigen Eingriff in die institutionelle Garantie des Art. 33 Abs. 4 GG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt 1 2 6 . Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nicht nur zur Prüfung gesetzgeberischer Eingriffe in die Grundrechte der Bürger anzuwenden 127 , sondern auch auf die institutionellen Garantien des Grundgesetzes 128. Die Kriterien der 'Geeignetheit' und der 'Erforderlichkeit' bieten als wesentliche und bewährte Teilgrundsätze des Verhältnismäßigkeitsprinzips 129 einen differenzierten Maßstab zur Beurteilung der Aufgabenübertragung auf die Flugsicherungs-GmbH. Auf diesem Wege ist festzustellen, ob das gewählte Mittel der FlugsicherungsGmbH der geringstmögliche Eingriff in die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums ist. Dabei wird die Schwere des Eingriffs gegen das Gewicht und die Dringlichkeit der den Eingriff rechtfertigenden Gründe abgewogen 130 . Auch Bracher 131 fordert zur optimalen Verwirklichung jeder Verfassungsinstitution die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, um der Gefahr der Aushöhlung einer Institution, wie sie insbesondere durch eine ausschließlich quantitative Betrachtung gegeben ist, vorzubeugen. Die Prüfung dieses Grundsatzes der Proportionalität beantwortet die Frage, "ob die Vorteile der Übertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse aufNichtbeamte so gewichtig sind, daß die damit verbundene Einschränkung hoheitsrechtlicher Befugnisse durch Beamte ausnahmsweise hingenommen werden kann" 132
126 Zur Funktion des Art 33 Abs. 4 GG als Bestandsgarantie des Berufsbeamtentums, siehe Teil G, II, 3 dieser Untersuchung. 127 Diesbezüglich maßgeblich das 'Apothekenurteil' (BVerfGE 7,377ff.) mit der Drei-Stufen-Prüfung; s.a. Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit..., in: AöR 4/98 (1973), S. 249ff. 128 Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 19, S. 346ff; E. Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, S. 50ff.; Ossenbühl, Eigensicherung und hoheitliche Gefahrenabwehr, S. 40f. (m.w.N.) und S. 72f. 129 Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und seiner Entwicklung hin zum heutigen Verständnis, siehe insbesondere die Einführung bei L. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 1981, S. Iff. 130 BVerfGE 30,292 (316) 131 Bracher, ebenda, S. 71ff. 132 Bracher, ebenda, S. 76, verweist auf das Bundesverfassungsgericht: BVerfGE 7,377 (407); 16, 194 (202); 28,264 (268); Grabitz, ebenda, S. 575f.
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Für Ossenbühl setzt das Verhältnismäßigkeitsprinzip den Gesetzgeber unter den Begründungszwang, den die Institutionsgarantien des A r t 33 Abs. 4 GG und des A r t 28 Abs. 2 GG (Einrichtungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung) bezwecken 133 . Der Verhältnismäßigkeitsprüfung geht die Begründung des Gesetzgebers voraus; dabei ist die Aufgabenübertragung auf die privatrechtliche Flugsicherungs-GmbH mit "sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls" 134 zu rechtfertigen. Der vorliegende Gesetzentwurf definiert die Zielsetzung der Organisationsprivatisierung wie folgt: "Die Flugsicherung kann den Anforderungen des Luftverkehrs nicht mehr entsprechen: Sie gewährleistet zwar weiterhin die Sicherheit des Luftverkehrs, für die flüssige Abwicklung des Luftverkehrs ist jedoch eine Flexibilität erforderlich, die auf der Grundlage desgeltendenDienst- und Haushaltsrechts nicht mehr darzustellen ist," 135 Nach dieser Begründung ist die Sicherheit des Luftverkehrs also nicht an sich gefährdet, sondern 'nur' die reibungslose Abwicklung desselben. Die abstrakten und erst bei Luftverkehrsunfällen konkret werdenden, erheblichen Gefahren des Luftverkehr sind unstreitig durch die beabsichtigte "flüssige Abwicklung" zu verringern. Diesbezüglich ist daraufhinzuweisen, daß eine flüssige Abwicklung des Luftverkehrs die Gefahren verringert, die sich beim Fliegen von Warteschleifen im engen Luftraum über den Flughäfen ergeben. Die anschließende 'Drei-Stufen-Prüfung' hat die Frage zu beantworten, ob die sachlich begründete Ausnahme vom Funktionsvorbehalt des A r t 33 Abs. 4 GG verhältnismäßig ist, oder ob andere geeignetere Wege zur Lösung der Flugsicherungsprobleme zu beschreiten sind; Art. 33 Abs. 4 GG selbst kann nicht Prüfungsmaßstab sein, sondern nur eine Orientierung geben.
b) Prüfung der Geeignetheit der Flugsicherungs-GmbH Die erste Stufe der 'Drei-Stufen-Prüfung' stellt fest, ob das Mittel der Organisationsprivatisierung zur Erreichung des von der Legislative verfolgten Zweckes geeignet ist Die 'Geeignetheit* des gewählten Mittels der Organisationsprivatisierung ist anzunehmen, wenn es die Erfüllung des zuvor beschriebenen beabsichtigten Zweckes mit einiger Wahrscheinlichkeit herbeiführt. Entscheidend ist nach Hirschberg die "Prognose des Kausalverlaufs" 136 . Das Bundesverfassungs-
133 134 135 136
Ossenbühl, Eigensicherung und hoheitliche Gefahrenabwehr, S. 40f. Ossenbühl, ebenda, S. 47 BR-Drucks. 80/90, S. 2 Hirschberg, ebenda, S. 51
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gericht 1 3 7 formuliert diesbezüglich wie folgt: "ein Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann" 1 3 8 . Die Überprüfung der Geeignetheit eines Mittels bedingt folglich lediglich eine Abschätzung der 'Problemlösungsfähigkeit' des gewählten Mittels und fordert keine definierten Eintrittswahrscheinlichkeiten oder gar Erfolgsgarantien. Eine solche Prognose ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes nur dann als nicht "sachgerecht und vertretbar" zu verwerfen, "wenn die Maßnahme bei Ausschöpfen aller Erkenntnisse... eindeutig als zweckuntauglich festgestellt werden könnte" 1 3 9 . Der Gesetzentwurf begründet die Organisationsprivatisierung mit der Notwendigkeit, im Bereich der Flugsicherung flexibel und schnell auf die stetig steigenden Anforderungen des Luftverkehrs reagieren zu können 1 4 0 . Damit ist im personellen Bereich die quantitative Verfügbarkeit qualifizierter Fluglotsen gemeint. Der heutige akute Nachwuchsmangel ist auch eine Folge des unzureichend planenden öffentlichen Haushaltsrechts, das eine frühzeitige quantitative und qualitative Personalbedarfsplanung unter Berücksichtigung der Ausbildungskontingente an Nachwuchskräften erschwert Die Anzahl pensionierter oder sonstwie ausscheidender Beamter ersetzt als Maßstab häufig die prognostizierten Personalbedarfe. Das allgemein unerwartet starke Luftverkehrswachstum ließ diese bekannte Schwäche noch deutlicher werden. Der Begriff der Flexibilität erfährt im Gesetzentwurf keine Präzisierung. Im folgenden werden einige Elemente der neu zu gewinnenden Flexibilität dargestellt 1 4 1 :
aa) Verbesserungspotentiale im Personalbereich Eine privatrechtliche Flugsicherungs-GmbH wird in der Lage sein, ihren Personalbedarf auch mittel- und langfristig - in Abhängigkeit von den Wachstumsprognosen - zu planen und die Vorlaufzeiten, die sich aus der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter ergeben, besser zu berücksichtigen. Diese neu gewonnene und im Gesetzentwurf vielfach geforderte Flexibilität ist jedoch nicht in dem Sinne
137
BVerfGE 30,292 (316); 33,171 (187); 39,210 (230); 40,196 (222); vgl.a. 38,61 (94)
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Hirschberg, ebenda, S. 52, verweist auf die allgemein anerkannte entsprechende Einschränkung des Polizeirechts, wonach der Grundsatz der Geeignetheit gewahrt ist, wenn die "Maßnahmen ein Schritt in der richtigen Richtung und nicht ungeeignet zur Bekämpfung der Gefahr ist"; dazu auch: V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 I V (2). 139
BVerfGE 39,210 (230)
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Der Verfasser greift bei dieser Erörterung auch auf Erkenntnisse zurück, die er in persönlichen Gesprächen mit diensttuenden und mit pensionierten BFS-Beamten gewonnen hat.
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zu verstehen, daß sie etwa eine tagesbedarfsabhängige Personaleinsatzplanung und -anforderung erwarten ließe, wie sie etwa im Seelotsbereich verwirklicht ist. Vielmehr werden die Mitarbeiter der Flugsicherungs-GmbH auf Basis fester Angestelltenarbeitsverhältnisse reguläre Vollzeitarbeitsplätze mit ausgeprägtem Kündigungsschutz besetzen.
(aa) Entlohnungs- und Personalbeurteilungssysteme Flexibler, weil individueller und leistungsbezogener lassen sich die Instrumente zur Leistungskontrolle und das Beurteilungs- und Entlohnungssystem im Personalbereich der Flugsicherungs-GmbH gestalten. So kann der in der Bundesanstalt für Flugsicherung verbesserungswürdige Leistungs- und Konkurrenzgedanke, über den maßgeblich eine Leistungs- und Effizienzsteigerung - ausgelöst durch eine höhere Motivation - der Mitarbeiter zu erreichen ist, wiederbelebt und gefördert werden. Dieses Ziel kann erreicht werden durch ein differenzierendes Entlohnungssystem, das zum Beispiel im Fluglotsenbereich die Arbeitsplätze an den Flughäfen mit stark unterschiedlichem Luftverkehrsaufkommen und somit auch unterschiedlich starken Belastungen der Flugsicherungskräfte entsprechend bewertet und in Gehalts- oder Prämienstufen einordnet. Ferner sind Prämien oder Zulagen denkbar, mit deren Hilfe eine belastungsabhängige Besetzung der Arbeitsplätze gefördert wird, um etwa dem bisherigen Mißstand, daß in den besonders verkehrsstarken Sommermonaten (Charterurlaubsverkehr u.a.) auch viele BFS-Beamte ihren Jahresurlaub antreten, abzuhelfen.
(bb) Motivations- und Leistungssteigerung Das heute stark unterschiedliche persönliche Leistungsniveau der Fluglotsen kann im Rahmen des GmbH-ModeQs auf einen annähernd gleich hohen Stand gebracht werden: Eine turnusmäßige Überprüfung der arbeitsplatzspezifischen Anforderungen und ein zu entwickelndes Sanktionensystem scheint zur Zielerreichung geeignet und notwendig. Das Beamtenrecht bietet kaum solche Wege, ein unbefriedigendes Leistungsvermögen oder mangelhaften persönlichen Einsatz der Beamten negativ zu sanktionieren. So kann etwa die negative Dienstbeurteilung eines Beamten - in der Regel - lediglich suspensiv auf die nächste Beförderung wirken; eine damit verbundene geringe materielle Einbuße trifft den Beamten nicht in wünschenswerter Weise. Dieser Zustand ist unbefriedigend, da insbesondere im Bereich der Flugsicherung die leistungsfähigeren oder leistungswilligeren Beamten, das Arbeitspensum der weniger engagierten Kollegen zusätzlich zu den eigenen Aufgaben wahrnehmen müssen.
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Diese dargestellten Mittel und Möglichkeiten lassen eine Leistungs- und Motivationsverbesserung im Personalbereich erwarten, wie sie in dem engen Rahmen des Dienst- und Haushaltsrechts der BFS nicht zur realisieren wäre 1 4 2 .
(cc) Aufhebung der Beamten-Altersruhegrenze Die unstreitige größere Flexibilität einer Flugsicherungs-GmbH bietet mit der Aufhebung des für die BFS-Beamten gültigen Pensionsalters eine Möglichkeit, dem Personalengpaß wirksam zu begegnen. Ein Heraufsetzen der Altersgrenze auf etwa 58 Jahre erscheint geeignet, dem Mangel an qualifiziertem und erfahrenem Flugsicherungs- und technischem Personal abzuhelfen. Dieses ist angesichts des hohen Durchschnittsalters der BFS-Beamten erforderlich, da ein bedeutender Teil von ihnen im Laufe der nächsten Jahre pensioniert wird und die Ausbildung der neu einzustellenden Mitarbeiter der Flugsicherungs-GmbH, selbst bei einer Verkürzung der Ausbildungszeit von gegenwärtig viereinhalb Jahren, einen zeitlichen Vorlauf von mindestens zwei bis drei Jahren bedingt Die tarifvertragliche Verwirklichung eines solchen richtigen Schrittes ist, gerade unter Berücksichtigung der Altersstruktur der BFS-Beamten, unwahrscheinlich. Die kurz vor der Pensionierung stehenden erfahrenen Beamten werden vermutlich den Eintritt in den Ruhestand mit S3 Jahren, einer privatrechtlichen Karriere mit einigen Unbekannten vorziehen. Auch der Anteil von BFS-Beamten, die unter Aufgabe ihres Beamtenstatus freiwillig zu der - eventuell nur scheinb a r 1 4 3 - attraktiveren Flugsicherungs-GmbH wechseln würden, ist nicht bekannt.
(dd) Fragliche tarifvertragliche Realisierung der richtigen Maßnahmen Es ist jedoch fraglich ob solche oder ähnliche richtige und notwendige Wege in einer Flugsicherungs-GmbH jemals beschritten werden, oder ob die Tarifvertragsparteien den Einsatz solcher - bei den Ex-Beamten zunächst Mißtrauen
142 Siehe auch Püttner, Die Zukunft des öffentlichen Dienstes im vereinigten Deutschland, in: D Û V 8/1991, S. 329; Püttner verweist auf seine - in Zusammenarbeit mit M.Bente - vorgelegte Studie 'Leistungssteigerung' durch Anreizsysteme bei der Deutschen Bundesbahn '(DB Frankfurt 1990) und auf die Hindemisse, die das Beamtenrecht einer modernen Führung der Betriebe Bahn und Post entgegenstellt. Das Ergebnis der Reformbestrebungen des öffentlichen Dienstrechts beurteilt Püttner wie folgt: "Die geplante Dienstrechtsform der siebziger Jahre ist bekanntlich im wesenUichen gescheitert, und zwar mindestens teilweise am Beharrungsvermögen des öffenüichen Dienstes selbst." 143 Die Aufhebung des Beamtenstatus ermöglicht nicht nur eine bessere Bezahlung, sondern bietet dem Arbeitgeber 'Flugsicherungs-GmbH' eine größere Freiheit das Arbeitsverhältnis, die Einsatzorte der Mitarbeiter und andere personelle Fragen zu regeln; in diesem Sinne weist auch Becker, öffentliche Verwaltung, S. 815, auf die bessere "Manipulierbarkeit des Verwaltungspersonals" hin, das nur in einem Zeitarbeitsverhältnis beschäftigt ist.
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auslösenden - unternehmerischen Werkzeuge schon bei den ersten Tarifverhandlungen ausschließen. Sollten sich die Angestellten der Flugsicherungs-GmbH gegen solche und ähnliche Neuerungen durchsetzen, wird sich das neue Unternehmen - im Personalbereich - nur im Einkommensniveau wesentlich von seinem Vorgänger der BFS unterscheiden.
bb) Verbesserungspotentiale im Technikbereich Auch im technischen Bereich der Flugsicherungs-GmbH läßt die Loslösung von den Prinzipien kameralistischer Haushaltsführung erheblich größere Beweglichkeit in den Bereichen der Finanzplanung und der Budgetierung erwarten. Das aufgehobene Gebot nur in Einjahreszeiträumen zu planen, wird gerade die häufig projektgebundene Planung, Realisierung und Wartung von technischen Flugsicherungssystemen, der benötigten Software und Anlagen erleichtern. So sind außerordentliche Geldbedarfe, etwa zur Bezahlung von Reparaturen durch Fremdfirmen, zur Zeit kaum im selben Jahr bereitzustellen, da die vorgeschriebenen Finanzmittelprüfungsprozeduren wegen der Vielzahl beteiligter staatlicher Stellen, einen entsprechend hohen Zeitaufwand bedingen. Solche und andere neue Freiheitsgrade im Bereich der Investition und der Finanzierung erlangen unter dem Aspekt besondere Bedeutung, daß eine mit dem verfügbaren Stand d a Flugsicherungstechnik ausgerüstete Flugsicherungs-GmbH vielmehr in der Lage wäre, den aktuellen BFS-Personalengpaß durch erheblich gesteigerte technische Effizienz teilweise auszugleichen und durch einen höheren Automatisierungsgrad den Personalbedarf im Flugsicherungsbereich zu reduzieren 1 4 4 ; dieser Zuwachs an technischer Leistungsfähigkeit wird jedoch analog eine qualitativ höhere Ausbildung der - heute ebenfalls auf dem Personalmarkt kaum verfügbaren - Techniker und Ingenieure erfordern. Bei der notwendigen Abschätzung des Potentials der Fähigkeit der FlugsicherungsGmbH, einen erheblichen Beitrag zur verbesserten Sicherung des Luftverkehrs zu leisten, könnte ein kritischer Blick auf andere Länder mit einer ähnlich privatrechtlich oiganisierten Flugsicherung hilfreich sein 1 4 5 . Erschwert wird dieso* Vergleich durch
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Zustimmend H.U. OHL (Sprecher der BFS, zitiert in: Weser Kurier, Bremen, # 163, vom 16.07.1991, S. 5, 'Mensch als begrenzender Faktor'), der ein weiteres Wachstum des Flugverkehrs ohne Verspätungen nur mit einem höheren Automatisierungsgrad für möglich hält: Die Zukunft im Flugsicherungsbereich gehöre den Satelliten und auf dem Weg zu einer zentralen "Steuerung des Luftverkehrs auf der Basis konfliktfreier Profile" nähere sich die Arbeit der Fluglotsen einer überwachenden Funktion, ähnlich der des Flugkapitäns. Zudem hält Ohl die Kritik des Vorstandsvorsitzenden der Lufthansa AG Weber - s.a. FAZ Nr. 149 vom 01.07.1991, S. 19 - teilweise für berechtigt; Weber plädiert für die Flugsicherungs-GmbH, da die Leistungen der BFS bei ständig steigenden Kosten stetig schlechter würden und die Fluggäste "auf unerträgliche Weise" belasteten. 145
chung.
Als einziges Beispiel gilt die 'swisscontrol* der Schweiz; vgl. a. Teil A, I V 5 dieser Untersu-
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die, dem deutschen Beamtenrecht immanente, unvergleichlich enge und lebenslange Diensthermbindung der Beamten an den Staat. Zu den ganz überwiegend anerkannten Grundsätzen des deutschen Berufsbeamtentums zählt das Streikverbot für Beamte, wie es nicht in allen benachbarten europäischen Ländern verankert ist und dort auch regelmäßig Arbeitskampf- und Streikmaßnahmen der Flugsicherungsdienste ermöglicht 1 4 6 .
cc) Geeignetheit der Flugsicherungs-GmbH Im Ergebnis scheint die nicht dem Beamtenrecht und dem öffentlichen Dienstund Haushaltsrecht unterliegende Flugsicherungs-GmbH im zuvor beschriebenen Sinne grundsätzlich geeignet, einige gravierende Probleme der heutigen Flugsicherungspraxis zu lösen 1 4 7 : Im personellen Bereich läßt eine Verdoppelung oder gar Verdreifachung der heutigen Besoldungsbezüge, verbunden mit einer attraktiven Personalpolitik und verbesserten Aufstiegsmöglichkeiten, eine Behebung des Nachwuchsmangels und der Motivationsprobleme und damit die gebotene Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und die notwendige deutliche Effizienzsteigerung erwarten. Im Bereich der Unternehmensführung ist eine - gegenüber der BFS als bundesunmittelbarer Anstalt des öffentlichen Rechts - flexiblere und der großen wirtschaftlichen Bedeutung des Luftverkehrs angemessene Flexibilität und Dynamik durch neue Organisationsstrukturen und neue Führungskräfte zu erwarten. Auch die geforderte dispositive unternehmerische Freiheit im Investitions- und Finanzbereich ist mit dem GmbH-Modell zu erreichen 148 .
146 Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 1971, liefert in diesem ÖTV-Gutachten eine rechtsvergleichende Darstellung des Beamtentums und des öffentlichen Dienstes in ausländischen Rechtsordnungen (S. 3Iff.): Länder mit einem Streikverbot im öffentlichen Dienst sind danach die Schweiz, Niederlande, USA und Japan. In den USA und in Japan allerdings sei das Streikverbot nicht effektiv. In Belgien, Luxemburg, Österreich und Dänemark herrscht diesbezüglich eine unklare Rechtslage vor, normativ geregelt oder effektiv erlaubt sei der Beamtenstreik in Frankreich, Italien, England, Schweden und Norwegen. Ein früherer diesbezüglicher Rechtsvergleich mit anderen republikanischen Staaten - USA, England, Frankreich, Schweiz, Bulgarien - wurde von G. Wolff \ Beamtenprobleme, 1921, vorgenommen: Wolff weist daraufhin, daß die Beamten in diesen Ländern häufig nur auf Zeit ernannt werden, somit leichter und überhaupt kündbar sind und keinen Pensionsanspruch haben. 147 Diese Geeignetheitsprüfung wurde der Untersuchung der Erforderlichkeit zum tieferen Verständnis der Materie und wegen der gebotenen Übersichtlichkeit vorangestellt Nach Hirschberg, ebenda, S. 246, ist eine separate Prüfung auf Geeignetheit des eingesetzten Mittels nicht notwendig, wenn der Grundsatz der Erforderlichkeit zur Abwägung der Lösungsaltemativen herangezogen wird. 148 An dieser Stelle sei auf die Investitionsprojekte mit enormem Volumen verwiesen, die schon zur Zeit bei der BFS realisiert werden.
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Die Flugsicherungs-GmbH kann jedoch nicht geeignet sein, in allen Unternehmens· und Flugsicherungsbereichen "grundlegend neue Wege" 1 4 9 zu beschreiten. Dieses Ziel hat schon der Gesetzgeber selbst vereitelt, da die von der zivilen Luftverkehrspraxis dringend geforderte Inkorporation der militärischen in die zivile Flugsicherung nicht geregelt wurde 1 5 0 . Abschließend ist auf die Deutsche Wiedervereinigung hinzuweisen. Die sich hieraus ergebende Zunahme der dargestellten Flugsicherungsengpässe wurde in dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung noch nicht berücksichtigt Die Aufirechterhaltung der Sicherheit im gesamten bundesdeutschen Luftraum erfordert die Modernisierung und den teilweisen Neuaufbau einer Flugsicherung und ihrer Verwaltung im Beitrittsgebiet und die Anpassung an die Flugsicherungssysteme und -standards der alten Bundesländer. Dieser Aufbauprozeß wird sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken. Im Rahmen einer Interimslösung wird die Flugsicherung in den neuen Bundesländern und insbesondere im Raum Berlin von alliierten Flugsicherungskräften mit überalterter Technik wahrgenommen 151 .
c) Prüfung der Erforderlichkeit der Flugsicherungs-GmbH Als zweite Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Untersuchung der Erforderlichkeit des eingesetzten Mittels anerkannt Zum Teilgrundsatz der Erforderlichkeit als allgemeinem Rechtsgrundsatz wurde bislang weder in den Gesetzesvorschriften, noch von der Rechtsprechung und der Rechtslehre, eine feste Begrifflichkeit entwickelt; die anzutreffenden Formulierungen jedoch stimmen sinngemäß überein 1 5 2 . Das Bundesverfassungsgericht hält ein gewähltes Mittel für erforderlich, "wenn ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht weniger ßhlbar einschränkendes Mittel nicht gewählt werden könnte" 153.
149
So der Gesetzentwurf BR-Drucks. 80/90, S. 33 Diese Aufrechterhaltung der Trennung belegt auch der neu eingefügte § 30 Abs. 2 Satz 2 LuftVG: "Sie umfassen auch die militärische Flugsicherung..." Auch in der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf wurde auf die Überlegenheit des sogenaimten "Münchener Modells" gegenüber der dualen zivilen-Anilitärischen Flugsicherung hingewiesen; BR-Drucks. 80/90 (Beschluß), S. 10, zustimmend die Empfehlungen der Ausschüsse, BR-Drucks. 80/1/90. 151 Diesbezüglich ist auch auf die in den neuen Bundesländern stationierten sowjetischen Streitkräfte mit einer Stärke von etwa 300.000 Soldaten hinzuweisen, deren Luftstreitkräfte bis zu ihrem, für 1994 vertraglich vereinbarten, Abzug ebenfalls den bundesdeutschen Luftraum belasten. 152 Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 56ff.; als Kurzfassungen für den Grundsatz der Erforderlichkeit haben sich Begriffe wie 'notwendig', 'unerläßlich', 'nicht übermäßig belastend' durchgesetzt; so: Hirschberg, ebenda, S. 57, mit zahlreichen Nachweisen. 150
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BVerfGE 38,281, (302); s.a. 49,24 (58); 25,1 (18); 30,292 (316); 40,371 (383)
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Zudem gelte: "Das Übermaßverbot verpflichtet aber den Gesetzgeber nur dort zur Wahl des milderen Mittels, wo auch der weitergehende, an sich zulässige Eingriff gemessen am Regelungszweck - keinen besseren Erfolg verspricht". 15* Dem Untersuchungsgegenstand der Qrganisationsprivatisierung besser angepaßt als die Prüfung auf den Verstoß individualer Grundrechte ist die Bestimmung von Lerche, für den der Grundsatz der Erforderlichkeit wie folgt zu bestimmen ist: "Unter mehreren möglichen (= zur Zweckerreichung geeigneten) Instrumenten darf nur dasjenige gewählt werden, das die geringsteinschneidenden Folgen hervorruft." 15* Nach Hirschberg "führt der Grundsatz der Erfoiderlichkeit auf ein einziges noch zulässiges Mittel. Insofern stellt er eine scharfe Entscheidungsregel dar." 1 5 6 Es sind also sämtliche anderen Möglichkeiten zur Bewältigung der dargestellten Probleme im Bereich der deutschen Flugsicherung zu benennen, um diese Lösungsalternativen auf ihre jeweilige Eignung hin zu untersuchen, den im 'Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes' verfolgten Zwecken zu entsprechen. Dabei muß die sachliche Gleichwertigkeit eines alternativen Mittels zur besseren Erreichung des Gesetzeszweckes in jeder Hinsicht festgestellt werden 1 5 7 . Der Gesetzentwurf beschreibt außer der geplanten Flugsicherungs-GmbH keine weiteren Organisationsmodelle, sondern beschränkt sich im allgemeinen Teil der Begründung auf die Behauptung, nur das GmbH-Modell erfülle alle Voraussetzungen, den bestehenden Problemen wirksam begegnen zu können 1 5 8 .
aa) Alternative privatrechtliche Modelle Bei der Untersuchung anderer zur Organisationsprivatisierung geeigneter Modelle sind insbesondere die von der Legislative bevorzugten privatrechtlichen Möglichkeiten zu prüfen. Der Untersuchungsschwerpunkt üegt bei diesen Alternativen auf den spezifischen Regelungen, welche die Sicherung der Eingriffsrechte des Bundes, die Mitarbeitermitbestimmung und das Streikrecht normieren.
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BVerfGE 39,157 (165)
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Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 19 Ebenda, S. 58
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BVerfGE 30,292 (319) BR-Drucks. 80/90, S. 34; an anderer Stelle (S. 3) beschränkt sich der Gesetzentwurf auf die Feststellung, daß neben den privaten auch die staatlichen Organisationsformen auf ihre Eignung zur Lösung der Flugsicherungsprobleme untersucht worden sind. 158
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Vorwiegend relevant sind die Möglichkeiten, die dem Bund zur Sicherung seiner notwendigen Vormachtstellung in den Gesellschaftsorganen gegeben sind. Als geeignetere Alternativen können sich nur die Organisations- und Rechtsformen empfehlen, welche nicht die zuvor festgestellten Mängel des GmbH-Modells aufweisen. Die alternative Organisationsform muß vorrangig die Durchsetzung der politischen Führungsziele und der Ingerenzpflichten des Bundes im Wege der Weisung ermöglichen.
(aa) Der eingetragene Verein (eV) Im folgenden wird die Schaffung eines Flugsicherungs-Vereins, der in den Technischen Überwachungs-Vereinen' ( T Ü V s ) 1 5 9 zahlreiche Vorbilder hat, als privatrechtliche Alternative zur GmbH-Lösung untersucht Die juristische Person des Vereins 160 wird in den §§ 21ff. BGB geregelt und ermöglicht einen großen Gestaltungsspielraum zur Ausbildung einer beinahe beliebigen Organisationsstruktur. Insbesondere die Satzungsautonomie könnte dem Bund erschöpfende Möglichkeiten zur Konstruktion einer Vereinssatzung, die zur Sicherung seiner Ingerenzrechte und Aufsichtspflichten geeignet scheint, eröffnen. Ein wirtschaftlicher, unternehmerisch tätiger Verein im Sinne des § 22 BGB ist durch "eine planmäßige, entgeltliche, anbietende (Haupt-)Tätigkeit an einem äußeren Markt" und das Inkaufnehmen eines "Marktrisikos" gekennzeichnet161.
159 Zur Organisationsform und den Tätigkeitsbereichen dieser Vereine: V. Götz / R. Lukes , Zur Rechtsstruktur der Technischen Überwachungs-Vereine, Heidelberg 1980, S. 58ff.; s.a. G. Wiesenack, Zum Wesen und Geschichte der Technischen Überwachungs-Vereine, S. 139ff. 160 Nach Reichert / Dannecker / Kühr, Hbd. des Vereins- und Verbandsrechts, Einleitung Rz. 3, weist der heutige Vereinsbegriff folgende Merkmale auf: - Freiwilliger Zusammenschluß mehrerer Personen auf längere Zeit - Zielsetzung des Vereins ist die Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher oder idealer oder beider Zwecke - in der Satzung ist eine körperschaftliche Verfassung niedergelegt - der Verein hat einen Gesamtnamen, ein eigenes Vermögen und bleibt seinem Wesen nach unabhängig vom Mitgliederwechsel bestehen. Zahlreiche Literaturnachweise zum Stand der Diskussion um das Vereinsrecht gibt//. Oetker, in: NJW 1991 (Heft 7), S. 385-392. 161 Stellvertretend für alle: Soergel-Wolf, BGB-Kommentar Bd. 1, §§ 21,22 Rz. 25; im Gegensatz zu dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb als ausschließlichem oder Hauptzweck des Vereins (ebenda, Rz 33.) ist die Gewinnerzielungsabsicht kein notwendiges Merkmal des wirtschaftlichen Vereins (ebenda, Rz. 27). Zu den Zwecken eines wirtschaftlichen Vereines, vgl. a. BGB-RGRK, § 21 Rz. 5; zur Abgrenzung des wirtschaftlichen vom idealen Verein, s.a. Reichert / Dannecker / Kühr, ebenda, Rzn. 26ff.
VII. Flugsicherungs-GmbH als zulässige Ausnahme zum Beamtenvorbehalt ?
161
Ein mit polizeilichen und monopolisierten BFS-Aufgaben beliehener Flugsicherungs-Verein wäre somit als ein 'nichtwirtschaftlicher Verein' im Sinne des § 21 BGB einzustufen und würde als ein Idealverein durch die konstitutiv wirkend e 1 6 2 Eintragung in das Vereinsregister die Rechtsfähigkeit als juristische Person erlangen. Schon die Reichstagsvorlage des BGB unterschied in diesem Sinne die wirtschaftlichen Vereine von den Idealvereinen, die "sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder anderen nichtwirtschaftlichen Aufgabe w i d m e n " 1 6 3 . Eine der Voraussetzungen dieser Registereintragung ist nach § 56 BGB die vorgeschriebene Mindestanzahl von sieben Vereinsmitgliedern. Das Amtsgericht hat die Anmeldung nach § 60 BGB zurückzuweisen, wenn diese Mindestmitgliederzahl nicht nachgewiesen wird. Bei der Zählung sind Personen, "die nur zum Schein als Mitglieder angeführt s i n d " 1 6 4 , nicht mitzuzählen 165 . Einem Flugsicherungs-Verein, als dessen Gründungsmitglieder Beamte der Bundesministerien auftreten müßten, drohte die Verweigerung der Eintragung in das Vereinsregister Zum einen verfolgen seine Mitglieder nicht aus eigenem Antrieb ein gemeinschaftliches Z i e l 1 6 6 und zum anderen gilt der Mißbrauch der Rechtsform des eingetragenen Vereins als anerkannter Grund für die Zurückweisung der Vereinsanmeldung 167 . Die Satzung gilt als die Verfassung eines Vereines, die gemäß den BGB-Vorschriften - §§ 25,57,58 - die innere Struktur des Vereins bestimmt und besondere Vereinbarungen, wie etwa die Sonderrechte definierter Mitglieder, festschreibt. Satzungsänderungen sind nach § 33 BGB über einen mit einer Dreiviertelmehrheit der erschienenen Mitglieder gefassten Beschluß möglich 1 6 8 . Die gesetzlich vorgeschriebenen Vereinsorgane sind die Mitgliederversammlung gemäß § 32 BGB und der Vorstand gemäß § 27 BGB. Als oberstes Organ der Willensbildung 169 bestellt die Mitgliederversammlung gemäß § 27 Abs. 1 BGB den Vorstand durch Beschluß. Diese Bestellung ist jederzeit widerruflich oder
162
Soergel-Wolf,
163
Zitiert bei: BGB-RGRK, Vor § 21, Rz. 23; vgl. a. BGHZ 45, 395 (397) BGB-RGRK, § 56
164
ebenda, §§ 21, 22 Rz. 46
165
Sollte die Mitgliederzahl nach der Eintragung auf unter drei absinken - etwa weil der Bund die Mitgliederzahl des Flugsicherungs-Vereins reduziert - ist dem Verein nach § 73 BGB die Rechtsfähigkeit zu entziehen. 166 Sauter / Schweyer, Der eingetragene Verein, Rz. 1, weisen auf dieses notwendige Merkmal einer Vereinsmitgliedschaft hin. 161
BGB-RGRK, § 60 Rz.2 Nach Soergel-Wolf \ § 33 Rz.6, kann in der Satzung auch eine einfache Mehrheit zur Satzungsänderung als ausreichend festgelegt werden, da § 33 BGB gemäß § 40 BGB dispositives Recht enthält. Reuter, in: MünchKomm, § 25 Rdnr. 6, erwähnt die seit langem umstrittene Rechtsnatur der Vereinssatzung. 169 Soergel-Wolf BGB-Kommentar, § 25 Rz.6 a 168
11 Trampler
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G. Verstößt die Flugsichengs-GmbH gegen Art 33 I V GG?
kann satzungsgemäß vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig gemacht werden 1 7 0 . Durch entsprechende Satzungsänderungen können auch andere Vereinsorgane, einzelne Vereinsmitglieder oder Dritte - etwa eine Behörde - 1 7 1 zur Bestellung des Vorstandes bestimmt werden, da § 23 Abs.l BGB gemäß § 40 BGB zu den 'nachgiebigen Vorschriften' zählt Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung zu den "Angelegenheiten des Vereins" - hierzu zählen auch die Aufnahme und der Ausschluß von Mitgliedern, die Abberufung des Vorstandes und die Zustimmung zu zustimmungsbedürftigen Geschäften 172 - werden gemäß § 32 Abs. 1 BGB mit einfacher Mehrheit gefasst Die Mitgliederversammlung kann dem Vorstand, zu dessen Aufgaben die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Vereins und die Geschäftsführung zählt, Weisungen erteilen 173 . § 26 BGB läßt sowohl den Einzelvorstand, als auch einen mehrgliedrigen Vorstand z u 1 7 4 . Auch die Bildung verschiedener Vorstandsressorts und somit etwa eine Trennung der betriebswirtschaftlichen und der technischen Kompetenzen ist zulässig 175 . Die Weisungsgebundenheit gegenüber der Mitgliederversammlung und das Durchsetzungsvermögen des Vereinsvorstandes ist sehr variabel ausformbar. Eine mächtige Stellung des Vorstandes oder bestimmter Vereinsmitglieder kann durch Sonderrechte - hierzu zählen erhöhte Stimmrechte, Aufnahme in den Vorstand oder das Recht auf Bestellung eines Vereinsorgans - im Sinne des § 35 BGB, bewirkt werden 1 7 6 . Obwohl § 35 BGB die Beeinträchtigung solcher Sonderrechte zwingend von der Zustimmung des betroffenen Vereinsmitgliedes abhängig macht, ist doch eine Umgehung dieser Vorschrift möglich; so kann durch Satzungsbeschluß über die Aufstellung neuer Bedingungen für die Vereinsmitgliedschaft sogar die Ausschließung eines mißliebigen Mitgliedes und die Zurücknahme seiner Sonderrechte ermöglicht werden 1 7 7 . Ennecerus / Nipperdey 1 7 8 unterscheiden diesbezüglich die resolutivbedingten Sonderrechte, die durch Vereinsbeschluß oder durch Satzungsänderung aufgehoben werden können, von den Sonderrechten, deren Aufhebung der Zustimmung des Berechtigten bedarf.
170
S.a. Soergel-Wolf,
171
So: BGB-RGRK, § 27 Rz.l
17 2
Reichert / Dannecker i Kühr, ebenda, Rz. 510
ebenda, § 26 Rz.l7f.
173
Soergel-Wolf,
174
BGB-RGRK, § 26 Rz. 2
ebenda, § 2 6 R z . l 0 u n d § 2 5 R z . 6 a
175 Reuter, in: MünchKomm, § 26 Rdnr. 18; Soergel-Wolf, § 27 Rzn. 12f., weisen auf Anstellungsverträge für Vorstandsmitglieder und auf die Notwendigkeit einer 'Entlastung' des Vorstandes hin (§ 27 Rz. 24). 176
BGB-RGRK, § 35 Rz. 4f.
177
BGB-RGRK § 35 Rz. 6
178
BGB-Kommentar, § 112 (S. 675)
VII. Flugsicherungs-GmbH als zulässige Ausnahme zum Beamtenvobehalt ?
163
§ 27 Abs. 3 BGB bestimmt explizit nur den Erstand zum Geschäftsführungsorgan 1 7 9 ; daneben können aber in der Vereinssatzung weitere Geschäftsführungsorgane, wie etwa ein Beirat, Ausschüsse oder ein Aufsichtsrat zur Überwachung des Vorstands 180 , vereinbart und ihre jeweiligen Zuständigkeiten definiert werden 1 8 1 . So bestimmt § 30 BGB, daß 'besondere Vertreter' für "gewisse Geschäfte" zu bestellen sind, wenn dieses in der Satzung vereinbart wurde. Auch Nicht-Vereinsmitglieder können zu 'besonderen Vertretern' des Vereins bestellt werden 1 8 2 . Beschränkungen der Vertretungsmacht des Vorstandes - etwa durch die Beschränkung auf bestimmte Rechtsgeschäfte, oder die geforderte Zustimmung der Mitgliederversammlung - sind in der Satzung festzulegen und im Vereinsregister einzutragen 183 . Da ein Flugsicherungs-Verein nicht den spezialgesetzlichen Buchführungs-, Prüfungs- und Veröffentlichungspflichten unterliegt 184 , ist der Modus der Überprüfung der ordnungsgemäßen Geschäftsführung und der Jahres- und Sonderprüfung in der Satzung festzulegen. Gemäß den BGB-Vorschriften unterliegt der Vereinsvorstand gegenüber der Mitgliederversammlung oder einem anderen Org a n 1 8 5 , der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht (§ 27 Abs. 3 i.V.m. § 666 BGB) und ist grundsätzlich zur Buchführung 186 verpflichtet Im Ergebnis erheben sich massive Bedenken gegen die Geeignetheit eines Flugsicherungs-Vereins. Der große Gestaltungsspielraum der Privatrechtsform des eingetragenen Vereins macht eine Satzung notwendig, welche die gebotene Rechts- und Fachaufsicht des Bundes über den Flugsicherungs-Verein sicherstellt; hierzu zählen neben der Schaffung von Überwachungsorganen (Aufsichtsrat oder ähnliches), die Sonderrechte der den Bund vertretenden Mitglieder und die Festschreibung der Buchführungs-, Prüfungs- und Veröffentlichungspflichten.
179 Soergel-Wolf § 26 Rz. 4 weisen darauf hin, daß der Vorstand Vertretungs- und in der Regel auch Geschäftsführungsorgan ist; die Geschäftsführungsbefugnis ist dem Vorstand nicht zwingend gegeben. 180
Reichert / Dannecker / Kühr, ebenda, Rz. 830
181
Soergel-Wolf
182
Beispiele hierfür gibt: BGB-RGRK, § 30 Rz. 4
183
§ 25 Rz. 6
Soergel-Wolf \ § 26 Rzn. 21f. Vgl. etwa die Vorschriften des HGB v. 10.05.1897 (RGBl. S. 219), (BGB1.III 4100-1) und des PublG v. 06.09.1965 (BGBl. ΠΙ4120-7): § 238 HGB Buchführungspflicht für alle Kaufleute im Sinne des HGB; § 242 HGB Pflicht zur Aufstellung von (Eröffnungs-) Bilanzen "nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung" (§ 243 HGB); § 266 HGB "Gliederung der Bilanz"; § 275 HGB "Gliederung" einer Gewinn- und Verlustrechnung; s.a. § 3 (Geltungsbereich) PublG. 185 Zur Überwachung des Vorstands nennt Reuter, in: MünchKomm §§ 21, 22 Rzn. 14, 16, den Aufsichtsrat. 186 Reichert / Dannecker / Kühr, ebenda, Rzn. 953, 943; die Buchführungspflicht des Vereins ergibt sich aus § 259 BGB; ebenda, Rzn. 2388ff. 184
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Gerade die Satzung ist aber - unter Umständen mit einfacher Mehrheit - durch Beschluß der Mitgliederversammlung änderbar und Sonderrechte können entzogen werden. Die Mitgliederversammlung muß zudem auch Vertreter der Luftverkehrsunternehmen, der Flughafenunternehmer oder der Arbeitnehmervertretungen aufnehmen, um dem Vereinsgedanken - Verfolgung eines gemeinschaftlichen Zieles - zu genügen und überhaupt die Eintragung in das Vereinsregister und damit die Rechtsfähigkeit zu erlangen. Die komfortablen gestalterischen Freiheitsgrade des Vereinsrechts können sich bei entsprechender Struktur und Besetzung der Vereinsorgane durchaus gegen den Bund richten und eine wirksame Wahrnehmung seiner Ingerenzpflichten gefährden und vereiteln. Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß ein Flugsicherungs-Verein nicht der unternehmerischen Mitbestimmung des Mitbestimmungsgesetzes unterliegt 187 . Diese fehlende Arbeitnehmermitbestimmung könnte die unmittelbare Durchsetzung des politischen Führungswillens fördern, erscheint aber politisch nicht durchsetzbar und bedeutete eine unzulässige Umgehung des Mitbestimmungsgesetzes, zumal der eingetragene Verein nicht als Rechtsform zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch den Staat konzipiert und vorgesehen ist.
(bb) Die Aktiengesellschaft (AG) Die privatrechtliche Organisationsform der Aktiengesellschaft, derer sich etwa auch die 'Flughafen Frankfurt/Main AG* bedient, wird durch das Aktiengesetz 188 aus dem Jahre 1965 spezialgesetzlich geregelt. Im Vergleich zu den Privatrechtsformen der GmbH und des eingetragenen Vereins (eV) erlaubt das Aküengesetz nur erheblich geringere Möglichkeiten zur organisationsrechtlichen Ausgestaltung der juristischen Person und zur Sicherung der \brmachtstellung des Bundes. Entgegen den Möglichkeiten eines Gesellschaftsvertrages oder einer Vereinssatzung, legt § 76 Abs. 1 AktG die Leitung der Aktiengesellschaft in die Eigenverantwortung des Vorstandes. Nach H.J. Mertens gilt: "Jede Einschränkung dieser Leitungsbefugnisse, sei es durch die Satzung oder durch Beschlüsse der anderen Gesellschaftsorgane oder durch Verpflichtungen eines Vorstandsmitglieds gegenüber Dritten, bedarf einer gesetzlichen Grundlage und ist ohne diese nichtig" 1* 9.
187 vgl. die enumerativen Aufzählungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 4 MitbestG; zu den vom MitbestG erfassten Kapitalgesellschaften, s.a. Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, § 1 Rzn. 6ff. 188 189
AktG v. 06.09.1965 (BGBl. I, S. 1089) Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, § 76 Rdnr. 4
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Die Sicherung der Ingerenziechte des Bundes ist zudem nicht über eine Bestellung von Beamten der beteiligten Bundesministerien zu Vorstandsmitgliedern zu garantieren, da selbst die Gehorsamspflicht der Beamten hinter § 76 Abs. 1 AktG zurücksteht und die Beamten eine Flugsicherungs-AG "unter eigener Verantwortung" zu leiten hätten 1 9 0 . Diese vom politischen Führungswillen unabhängige Leitungsverantwortung wird in der Praxis von den bestellten Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, deren Anteilseigner der Bund ist, auch genutzt, wie das Beispiel des hamburgischen öffentlichen Energieversorgungsunternehmens 'HEW AG' deutlich gezeigt hat. Der Vorstand der Aktiengesellschaft wird nicht von der Gesellschafterversammlung, sondern gemäß § 84 AktG zwingend von dem Aufsichtsrat auf Zeit gewählt und bei Vorliegen eines 'wichtigen Grundes' auch abberufen 191 . Möglichkeiten zur Beschränkung der Entscheidungs- und Handlungsspielräume des eigenverantwortlichen Unternehmensvorstandes ergeben sich nur in der Ausgestaltung der Satzung, die gemäß § 23 AktG festgestellt werden muß. Nach § 23 Abs. 5 AktG sind ergänzende Bestimmungen der Satzung nur zulässig, wenn die Materie noch nicht durch das AktG selbst geregelt i s t 1 9 2 . Gemäß § 111 Abs. 1 AktG überwacht der Aufsichtsrat die Geschäftsführung 193 , die gemäß § 77 AktG den Mitgliedern des Vorstandes obliegt; diese berichten nach § 90 AktG dem Aufsichtsrat. Neben dem Aufsichtsrat können auch andere Überwachungsorgane - Beirat oder Verwaltungsrat - mit unbeschränkter Mitgliederzahl installiert werden. Diese Gremien sind auf die überwachende oder beratende Funktion beschränkt und dürfen weder an den Aufsichtsratssitzungen teilnehmen, noch Aufsichtsratsfunktionen - etwa Bestellung des Vorstandes - wahrnehmen 194 . Ein Aufsichtsrats-
190 So Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, § 76 Rdnr. 4, unter Verweis auf Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 204; weitere Belege zu diesem alten Meinungsstreit: Berkemann, Die staatl. Kapitalbeteiligung an A.G., S. 209ff.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 235ff.; für die Weisungsfreiheit auch BGHZ 36, 296 (306); 69, 334 (337). 191 Zu den gesetzlichen und sonstigen wichtigen Gründen, s.a. Godin / Wilhelmi, AktG, § 84, Anm. 12f. 192 A. Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, § 23 Rdnr. 5, ergänzt zum fakultativen Satzungsinhalt, daß Abweichungen ausdrücklich zugelassen sind für die §§ 25 Satz 2; 54 Abs. 2; 58 Abs. 2 Satz 2; 60 Abs. 3 und 63 Abs. 1 Satz 2; Ergänzungen seien ausdrücklich vorgesehen für die §§ 8 Abs. 2; 11; 55 Abs. 2,63 Abs. 3 und 68 Abs. 2Satz 1. 193 Godin / Wilhelmi, AktG, §111, Anm. 1, weisen darauf hin, daß die Vorschrift die Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrates nicht erschöpfend regelt; vielmehr seien in anderen Gesetzen, etwa § 15 (Kompetenzen des Aufsichtsrats) Mitbestimmungsergänzungsgesetz, weitere Vorschriften enthalten. Mertens, in Kölner Kommentar zum AktG, § 111 Rdnm. 12ff., faßt die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder wie folgt zusammen: Pflicht zur gewissenhaften Mitarbeit im Aufsichtsrat, Organisationspflicht, Informationspflicht, Prüfungspflicht (Jahresabschluß, Geschäftsbericht und Prüfungsbericht), Pflicht zur persönlichen Urteilsbildung über die Eignung der Vorstandsmitglieder und Treue- und Verschwiegenheitspflicht 194 Godin / Wilhelmi, AktG, § 95 Anm. 2
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mandat ist nicht mit einem gleichzeitigen Vorstandsmandat derselben Person vereinbar, um die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates nicht zu gefährden; so schreibt auch § 105 AktG die "Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat" fest. Im Ergebnis ist die Ungeeignetheit der Privatrechtsform der Aktiengesellschaft festzustellen. Insbesondere räumt das Aktiengesetz dem Unternehmensvorstand eine Unabhängigkeit ein, die nicht mit der notwendigen Sicherung der Einflußnahmemöglichkeiten des Bundes vereinbar ist. Die Durchsetzung des politischen Führungswillens des B M V wäre gegenüber dem eigenverantwortlich handelnden Vorstand einer Flugsicherungs-AG nicht sicherzustellen.
bb) Alternative öffentlich-rechtliche Organisationsformen (aa) Vorbemerkung Die Untersuchung alternativer öffentlichrechtlicher Organisationsmodelle, welche geeigneter als die BFS erscheinen, die Flugsicherungsaufgaben wahrzunehmen, kann auf den diesbezüglichen Untersuchungsergebnissen der fünfziger Jahre aufbauen. Damals wurde vor dem Hintergrund der auch heute verfügbaren und eingesetzten Organisationsmodelle des öffentlichen Rechts die BFS als die geeignete Rechtsform identifiziert, zumal sie den am Luftverkehr beteiligten Gruppen eine beratende Mitarbeit im Verwaltungsbeirat erlaubte 195 . Lange 1 9 6 stellt richtigerweise fest, daß die nichtrechtsfähige Anstalt durch die anerkannten Möglichkeiten der privatrechtlichen Formenwahl nicht obsolet geworden ist, sondern grundsätzlich bis heute die angemessene Rechtsform staatlicher Betriebsverwaltung darstellt, zumal die angeführten Gründe für den Wechsel in eine Privatrechtsform nicht überzeugend sind. Auch Becker 1 9 7 gelangt nach seiner Analyse der Verwaltungs- und Behördenorganisation zu dem Ergebnis, "daß für jedes systemrationale Bedürfnis eine öffentlich-rechtliche Konstruktionsform zu Verfügung steht, die infolge genereller Variabilitäten jeder heute existierenden marktwirtschaftlichen Unternehmensform nachgebildet werden kann..." Ledigüch die in der Zwischenzeit gewonnenen Erfahrungen mit der EUROCONTROL-Flugsicherungsbehörde - als einem neuen europäischen supranationalen Organisationsmodell - und das Poststrukturgesetz könnten, wie im
195 Zur Gründung der BFS und den untersuchten Rechtsfoimen siehe auch Teil A, I V , 3, b dieser Untersuchung. 196 197
Die öffentlichrechtliche Anstalt, in: VVDStRL 44 (1986) S. 178f. öffentliche Verwaltung, S. 249
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folgenden untersucht wird, ein anderes Ergebnis des Auswahlprozesses erwarten lassen.
bb) Rechtsfähige Flugsicherungs-Anstalt Die rechtsfähige Anstalt (Bsp. 'Deutscher Wetterdienst') bietet, wie auch die Körperschaft und die Stiftung des öffentlichen Rechts, die "verwirrendsten Abwandlungsmöglichkeiten", die in der Rechtslehre bis heute kontrovers diskutiert werden 1 9 8 . Weitgehende Einigkeit besteht in der Rechtslehre darüber, daß die rechtsfähige Anstalt als ein Element der mittelbaren Staatsverwaltung 199 eine Möglichkeit eröffnet, sich den strengen und starren dienst- und haushaltsrechtlichen Vorschriften zumindest teilweise zu entziehen. Eine exakte Definition dieses Gestaltungsspielraumes wird auch durch die in der Verwaltungspraxis realisierten vielfältigen Ausgestaltungen dieser juristischen Person des öffentlichen, Rechts erschwert und fehlt bislang. Stellvertretend für viele stellt Burmeister unwidersprochen fest: "Die öffentlichrechtliche Anstalt ist zu einem konturlosen Sammelbegriff degradiert, dem im Grunde eine organisationsspezifische Typikfehlt.'' 1* 30 Eine rechtsfähige Flugsicherungs-Anstalt erscheint somit als ein möglicher Weg, eine unternehmerische Freiheit im Personal- und im Finanzbereich zu erlangen, welche mit der BFS als nichtrechtsfähiger Anstalt nicht zulässig zu verwirklichen ist. Zu den Unsicherheiten dieses praktikablen aber unsicheren Weges zählt der Grad der zu erreichenden unternehmerischen Freiheit: Die Rechtsfähigkeit gilt als das erheblichste Merkmal der rechtsfähigen öffentlichen Anstalt, mit der regelmäßig ein eigenes Vermögen, ein eigener Haushalt, eine eigene Rechnungsführung und eine eigene Dienstherrenfähigkeit verbunden ist201. Eine Flugsicherungs-Anstalt würde aus dem Bundeshaushaltsplan entlassen und könnte die eigene Haushalts- und Wirtschaftsführung, die den Prozeduren der BHO
198 So: A. Breuer, in: VVDStRL 44 (1986), S. 221, mit weiteren Nachweisen negativer Kritik an dieser fehlenden Eindeutigkeit der Gestaltungsmöglichkeiten der Rechtsform der öffentlichen Anstalt. 199
Stellvertretend für alle: Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 25, 3 (S. 493ff.) Burmeister, in: VVDStRL 44 (1986), Aussprache S. 255; ähnlich stellt auch Breuer, ebenda, S. 223, bezüglich der Anstalt einen Negativbefund des diffusen Bildes "dogmatischer Unklarheiten und Autonomie" fest; und weiter (S. 243) zum Rechtsstaat, der das Institut der öffentlichrechüichen Anstalt hervorgebracht hat: "Er hat indessen dieses Kind nicht nur gedeihen, sondern auch vagabundieren lassen." 201 So: K. Langey in: VVDStRL 44 (1986), S. 188f.; s.a. B. Becker, öffentliche Verwaltung, S. 227f. 200
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unterliegt 202 , auch zur höheren Bezahlung der Anstaltsmitarbeiter nutzen. Da die seit langem vorgesehenen Reformen des Besoldungsrechts - insbesondere wegen des zu erwartenden Widerstandes anderer Verwaltungszweige - kaum durchsetzbar sind, müßten die BFS-Beamten ihren Beamtenstatus zugunsten eines privatrechtlichen Angestelltenverhältnisses und erheblich verbesserter Verdienstmöglichkeiten aufgeben. Ein solcher Statuswechsel erinnert an die GmbH-Lösung und hat auch hier den Wegfall des Beamtenstreikverbotes zur Folge. Für Lange 2 0 3 wäre eine solche Herauslösung aus den richtigerweise strengen \brschriften des Dienst- und Haushaltsrechts nicht als ein bequemer Ausweg aus dem engen Handlungs- und Haushaltskorsett der nichtrechtsfähigen Anstalt zu werten, sondern als eine zulässige Möglichkeit, die Verselbständigung als die wesentliche Funktion der rechtsfähigen öffentlichen Anstalt zu fördern 204 . Dieser Verselbständigungsgedanke der rechtsfähigen Anstalt ist nicht vereinbar mit der Wahrnehmung der polizeilichen Gefahrenabwehraufgaben der Flugsicherungsdienste. Die Erfahrungen der Verwaltungspraxis und ihre ausufernde Typenvielfalt ermöglichten jedoch grundsätzlich die Installation einer rechtsfähigen Flugsicherungsanstalt. Die Definition der zulässigen rechtlichen und organisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten dieser Anstalt wären höchst streitig, da die Rechtslehre vor der notwendigen Einordnung und Abgrenzung dieser öffentlichen Rechtsform kapituliert hat 2 0 5 . Eine wirksame staatliche Überwachung und Einflußnahme auf eine rechtsfähige Flugsicherungsanstalt ist daher kaum sicherzustellen und gefährdet die notwendige Sicherung der Ingerenzpflichten des Bundes.
(cc) Vorbild Poststrukturgesetz? Ziel und Inhalt des Poststrukturgesetzes 206 war die gleichzeitige Neustrukturierung der Deutschen Bundespost durch die Trennung der hoheitlichen von den
202
S o grundsätzlich zur rechtsfähigen Anstalt, W.Rudolf,
in: Allgemeines Verwaltungsrecht,
S.378 203 K. Lange, ebenda, S. 188 f. und S. 278 (Aussprache); zu Motiven und Sachgründen der anstaltlichen Verselbständigung, s. Breuer, in: VVDStRL 44 (1986), S. 227 f; und S. 232ff. zum Versuch einer Typologie der öffentlichrechtlichen Anstalten. 204 Auch nach Forsthoff\ ebenda, S. 496, ist die Aussonderung eines bestimmten Verwaltungskomplexes maßgeblich für die Gründung einer rechtsfähigen Anstalt. 205 Dies belegt auch die Aussprache in: VVDStRL 44 (1986), S. 248ff.: auch hinsichtlich der Rechnungslegung, der Rechnungsprüfung und der Zuständigkeit der Rechnungshöfe für die rechtsfähige Anstalt besteht kaum Sicherheit; so Lange, ebenda, S. 278; Bachof S. 266, bemängelt das Fehlen einer trennscharfen Abgrenzung zur Unterscheidung der Anstalten, Körperschaften und Stiftungen; so auch Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 241. 206 Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Femmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz - PoststruktG), BGB1.I 1989, S. 1026
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unternehmerischen Aufgaben und eine ordnungspolitische Reform durch die erstmalige Abgrenzung des Postmonopols von den Wettbewerbsbereichen im Fernmeldewesen 207. Die Deutsche Bundespost wird durch die Neustrukturierung in drei Teilbereiche, die als öffentliche Unternehmen 208 geführt werden, gegliedert 209 . Diese neue Struktur der Bundespost ermöglichte durch die Herauslösung aus dem unmittelbaren Regierungsbereich eine moderne Unternehmensführung und sorgt für eine "größere Beweglichkeit im personellen und finanziellen Bereich." 2 1 0 Gemäß § 2 Postverwaltungsgesetz wurde die Deutsche Bundespost bis zur Reform unmittelbar vom Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen geleitet. Die Einheit der Deutschen Bundespost bleibt weiterhin als "einheitliche Verwaltung" 'Bundespost' im Sinne von Artikel 87 GG erhalten" 211 , um dem Verfassungsgebot der unmittelbaren Verwaltung 212 zu entsprechen. Zur Begründung der ordnungspolitischen Neuordnung des bundesdeutschen Telekommunikationsmarktes, als der zweiten Komponente des Poststrukturgesetzes, verweist der Gesetzentwurf auf die Entwicklung der Datenverarbeitungstechnik, die ein Verschmelzen der ehemals getrennten Bereiche des Fernmeldewesens und der Datenverarbeitung zur Folge hatte. Die Bundespost sei als Monopolist nicht mehr in der Lage, den komplexen Telekommunikationsmarkt im Sinne der Benutzer und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit allein abzudecken; die Deutsche Bundespost Telekom habe sich nunmehr dem neu zugelassenen privaten Wettbewerb zu stellen und somit die Entwicklung eines breiten Angebotes auf dem innovativen Telekommunikationsmarkt zu fördern 213. Die Durchführung des politischen Führungswillens scheint durch die Zusammensetzung der Aufsichtsräte der Postunternehmen, deren Aufgaben gemäß § 23 PoststruktG die Überwachung der Geschäftsführung ist, erheblich gefährdet. Gemäß § 16 PoststruktG nehmen die Vertreter des Bundes nur ein Drittel der verfügbaren Aufsichtsratsmandate wahr.
207 BT-Drucks. 11/2854 (Poststruktur-Gesetzentwurf), S. l.f.; kritisch zur Wettbewerblichkeit staatlicher Unternehmen: Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, insbes. S. 28 Iff. 208 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 35, zu den Merkmalen der 'öffentlichen Unternehmen'. 209 Gemäß § 1 PoststruktG werden die neu entstandenen öffentlichen Unternehmen wie folgt bezeichnet:- Deutsche Bundespost POSTDIENST - Deutsche Bundespost POSTBANK - Deutsche Bundespost TELEKOM. 210 So: BT-Drucks. 11/2854, S.29f. 211
BT-Drucks. 11/2854, S.30 An. 87 Abs.l GG: "In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt..., die Bundespost..." 213 BT-Drucks. 11/2854, S. 32 212
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G. Verstößt die Flugsichengs-GmbH gegen Art. 33 I V GG?
Neben den hier nicht zu untersuchenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich gegen das Poststrukturgesetz erheben, ist abschließend die Notwendigkeit dieser Postreform anzuerkennen. Der Reformbedarf ergab sich neben den genannten Zielen schon aus der kaum noch sinnvoll verwaltbaren Größe der ehemaligen 'Deutschen Bundespost', deren Personalstärke bei rund 437.000 Vollzeitbeschäftigten im unmittelbaren öffentlichen Dienst l a g 2 1 4 . Die Ziele des Poststrukturgesetzes - Schaffung eines Telekommunikationsmarktes und Neuorganisation der verbleibenden Postaufgaben - haben nur den Aspekt der größeren Beweglichkeit im personellen und im finanziellen Bereich mit der Organisationsprivatisierung der BFS gemeinsam. Die BFS-Privatisierung bezweckt insbesondere nicht die Auflösung eines obsolet gewordenen staatlichen Monopols. Das Monopol der BFS und der Benutzungszwang wird nicht einem Dienstleistungsmarkt 'Flugsicherung' geöffnet und auch der öffentlich-rechtliche Charakter der Beziehungen zwischen den Flugsicherungsstellen, die polizeiliche Gefahrenabwehraufgaben wahrnehmen, und den Luftraumnutzem erfährt keine Änderung. Zudem lassen die Erfahrungen der Poststrukturreform dieselbe nicht als geeignetes Vorbild zur Schaffung einer größeren dispositiven Freiheit im Personalbereich erscheinen: Auch als öffentliche Unternehmungen konnte die Bundespost ihre Nachwuchsprobleme, insbesondere im Ingenieursbereich, nicht lösen, da die Beschäftigungsmöglichkeiten der Postunternehmen trotz der neuen Möglichkeiten des Poststrukturgesetzes 215 noch denselben der privaten Elektronikindustrie unterlegen sind. Im Ergebnis ist das Poststrukturgesetz keine geeignetes Vorbild für eine BFSPrivatisierung.
214 Diese Zahl gilt allein für die alten Bundesländer, Quelle: Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, Hrsg.: Institut der deutschen Wirtschaft, Köln 1991, Tab. 46; weiteihin sind etwa 150.000 Postmitaibeiter der neuen Bundesländer hinzuzuzählen. 215 § 51 PoststruktG sieht die Gewährung von Belohnungen für besondere Leistungen und von widerruflichen Vergütungen für schwierige Tätigkeit vor. § 55 PoststruktG sieht zur Nachwuchssicherung finanzielle Anreize für Bewerber vor. Zu den erstmals im Poststrukturgesetz geregelten Leistungszulagen s.a. Ziegler, Grundlagen des Besoldungsrechts der Beamten, in: RiA 3/1991, S. 111: Ziegler weist darauf hin, daß daneben "auch das Besoldungs strukturgesetz mit den Neuregelungen der Sonderzuschläge für Laufbahnen, in denen die Deckung des Personalbedarfs dies konkret erfordert, durch eine Verordnungsermächtigung für den BMI, in § 72 BBesG, sowie in § 74 BBesG mit der Gewährung einer örtlichen Prämie in Ballungsgebieten" ebenfalls neue Wege zur Steigerung der Attraktivität des Postbeamtenstatus und zur Behebung des Personalmangels beschreitet.
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(dd) EUROCONTROL-Modell 2 1 6 Eine Wiederbelebung des EUROCONTROL-Gedankens erscheint grundsätzlich sinnvoll und notwendig zum Beschreiten neuer Wege in der bundesdeutschen Flugsicherung, die wegen der zentralen geographischen Lage Deutschlands auch sehr viele Überflüge aus dem benachbarten Ausland berücksichtigen und abwikkeln muß. Insbesondere für den Bereich der europäischen Flugsicherung und der grenzüberschreitenden Flüge gilt, daß die 'Flugsicherungskette' nur so stark und leistungsfähig ist, wie das schwächste Glied dieser Kette. Die Kettenglieder sind die nationalen Flugsicherungssysteme und Prozeduren, deren Leistungsfähigkeit unterschiedlich stark ist und der Luftverkehr beim Einfliegen von einem höherentwickelten in ein schwächeres L a n d 2 1 7 , somit ein technisches 'Flugsicherungs-Nadelöhr' passieren muß. Die Integration der bundesdeutschen in eine gemeinsame europäische 218 Flugsicherung scheint zudem geeignet und notwendig, zur Bewältigung der aktuellen Probleme und der zukünftigen Herausforderungen des Luftverkehrs; hierzu zählt insbesondere die vorgesehene Liberalisierung des EG-weiten Luftverkehrs. Die Realisierung dieses richtigen Zieles erschien vor dem Hintergrund des Scheiterns der gesamteuropäischen EUROCONTROL lange Zeit kaum möglich 2 1 9 . Je näher jedoch der gemeinsame europäische Binnenmarkt zeitlich heranrückt, umso rühriger und selbstbewußter agieren die Gremien der Europäischen Gemeinschaft und nutzen ihre im EWG-Vertrag definierten Kompetenzen. Die dabei entwickelte erhebliche Dynamik und das neugewonnene Durchsetzungsvermögen in streitigen Fragen - auch gegen die Widerstände führender EG-Mitgliedstaaten - hat im Rahmen der gemeinsamen europäischen Verkehrspolitik auch den Bereich des
216
Zum Inhalt des EUROCONTROL-Abkommens, zum Aufbau und zu den Aufgaben dieser supranationalen Behörde, siehe: Teil A, I V , 4 dieser Untersuchung. 217 Zu diesen Ländern zählt der südeuropäische Raum und der Balkan; siehe auch K. Formel (Sprecher des Verbandes Deutscher Fluglotsen) zur Reform der bundesdeutschen Flugsicherung, die an der Misere der europäischen Flugsicherung wenig ändern kann: "Unsere dreispurigen Luft-Autobahnen münden an den deutschen Grenzen in Landstraßen.", zitiert bei: P. Hauptvogt, *Ganz großer Frust*, in: Wirtschaftswoche Nr. 42 v. 11.10.1991, S. 27f. (27) 218 Zu den 22 Staaten der 'European Civil Aviation Conference '(ECAC) zählen neben den 12 EG-Staaten die folgenden: Schweiz, Österreich, Türkei, Malta, Zypern, Schweden, Norwegen, Finnland, Island und Jugoslawien. 219 Siehe zuletzt: BR-Drucks. 513/88: "... ist das in der Vergangenheit angestrebte Ziel, die Flugverkehrskontrolle in den oberen Lufträumen aller EUROCONTROL-Mitgliedstaaten durch EUROCONTROL als eigene Aufgabe wahrnehmen zu lassen, aufgegeben worden. Lediglich vier Mitgliedstaaten verstanden sich dazu, ihre oberen Lufträume durch die von EUROCONTROL im Rahmen des Übereinkommens vom 13. Dezember 1960 eingerichtete und in eigener Zuständigkeit betriebene Flugsicherungs-Bezirkskontrollstelle Maastricht kontrollieren zu lassen (Bundesrepublik Deutschland, Niederlande, Belgien und Luxemburg)." Siehe auch die Denkschrift der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zu dem EUROCONTROL-Änderungsprotokoll (BT-Drucks. 10/182 v. 21.06.1983).
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Luftverkehrs und seiner Flugsicherung erreicht 220 . Eine konkrete planerische und konzeptionelle Ausgestaltung einer dringend benötigten europäischen 'Flugsicherungsagentur ' wurde jedoch bislang nicht vom EG-Rat erarbeitet. Die Kapazitätsprobleme im Luftverkehr aber wurden erkannt und eine Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Verkehrsminister aus dem Jahre 1989 2 2 1 bestimmt unter anderem eine Zusammenarbeit der EG-Mitgliedstaaten zur Schaffung einer einzigen "Zentrale für die Verkehrsflußregelung". Der Wirtschafts- und Sozialausschuß der EG fordert sachgerecht und weitergehend das zentrale europäische Flugsicherungssystem 222. Das wirksame Funktionieren einer europäischen Flugsicherungs-Agentur oder auch nur einer Zentrale für Verkehrsflußregelung erfordert jedoch mehr als einen Konsens der EG-Organe. Vielmehr bedarf es einer Übereinstimmung und des verbindlichen Beitritts aller europäischen Länder zu einer EUROCONTROLNachfolgeorganisation, um wirkungsvoll arbeiten zu können. Die EG könnte jedoch die fuhrende Rolle übernehmen und in einer ersten Stufe Standards für die Flugsicherung, die Flugsicherungstechnik, den internationalen Datentransfer und die Mitarbeiterqualifikation im Bereich der Flugsicherung entwickeln. Eine vertragliche Einbindung aller europäischen Staaten in die 'Europa-EUROCONTROL' und die Einigung über eine Organisations- und Rechtsform für diese Agentur bildeten die folgende Stufe dieses langwierigen Prozesses 223 . Die Kompetenz der EG zur Errichtung einer 'Europäischen FlugsicherungsAgentur' ergibt sich aus Art. 84 Abs. 2 E W G V 2 2 4 und in Verbindung mit A r t 3
220 Vgl hierzu: Studie des Planungsbüros Luftraumnutzer, Die Krise der europäischen Flugsicherung: Die Kosten und ihre Lösung; und Bothe / Hohmann / Schmidt; Möglichkeiten einer Reform der europäischen Flugsicherung?, in: Z L W 1/1990, S. 40ff.; und dieselben, in: RIW 3/1990, S. 199ff.
(206). 221
Entschließung (89/C 189/02) in: Amtsblatt der EG, Nr. C 189/3f. (v. 26.07.1989) Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschuß zum Vorschlag (EG-ABI. Nr. C 34/8 1989) der obigen Entschließung, in: EG-ABl. c, Nr. C 194/6ff. (7). 223 So auch: Studie des Planungsbüros Luftraumnutzer, S. 47ff.; Bothe / Hohmann / Schmidt, in: Z L W 1/1990, S. 46ff., weisen auf die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten einer Neugestaltung der europäischen Flugsicherung hin: 1. Ausbau des derzeit gültigen EUROCONTROL-Abkommens und Beitritt weiterer Staaten und der EG; 2. Neugründung einer Organisation und Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages; drei Modelle für die Organisationsstruktur sind dargestellt: a) intergovernmental organization b) privatrechtliche Gestaltung c) gemischte Organisation, angelehnt an die internationalen Satellitenorganisationen INTELSAT, INMARSAT und EUTELSAT. 224 Art. 84 Abs. 2 EWGV: "Der Rat kann einstimmig darüber entscheiden, ob, inwieweit und nach welchen Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschiffahrt und Luftfahrt zu erlassen sind"; vgl. a. Groeben / Boeckh / Τ hiesing, EWGV, Bd. 1, Art. 84, S. 84. Die Einsetzung von Hilfsorganen und die Gründung selbständiger Einrichtungen wie etwa der Agentur, wird in der Praxis auf die "Allgemeine Ermächtigungsklausel", den Art. 235 E W G V gegründet; so: Groeben / Boeckh / Thiesing, EWGV, Bd. 2, Art. 235, S. 789 222
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l i t e E W G V 2 2 5 ergibt sich die Ermächtigung zur Einführung einer europäischen Flugsicherung. Insbesondere die frühzeitige Verständigung über die notwendigen Standards in technischen, personellen, organisatorischen und in Verwaltungsangelegenheiten erhöht die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Realisierung der Flugsicherungs-Agentur, da den Mitgliedstaaten somit vereinbarte Rahmenbedingungen und Planungsvorgaben gegeben sind, die später nicht wieder zum mühsamen Verhandlungsgegenstand erhoben werden. Die Bundesrepublik Deutschland könnte gemäß Art. 24 G G 2 2 6 ihre hoheitlichen Flugsicherungsaufgaben auf diese Agentur übertragen und auf diese verfassungsgemäße Weise die aktuellen Flugsicherungsprobleme lösen: Das Personal einer neuen EUROCONTROL würde nicht dem deutschen Beamtenrecht und seiner Bundeslaufbahnordnung unterliegen und als ein Element des internationalen Dienstrechts auch höhere Gehälter beziehen 227 . Die strengen Bindungen der BHO und der kameralistischen Haushaltsprinzipien würden ebenfalls gelockert. Die Festlegung eines Streikverbots für die Flugsicherungsmitarbeiter erscheint jedoch vor dem Hintergrund der Erfahrungen der heutigen EUROCONTROL-Behörde nicht verbindlich vereinbar 228 , obwohl das Personalstatut der EUROCONTROL für die Beschäftigten ein Streikverbot vorsieht.
cc) Ergebnis der Untersuchung alternativer Organisations- und Rechtsformen Die Untersuchung alternativer Organisationsmodelle des privaten und des öffentlichen Rechts führt zu dem Ergebnis, daß es an einer notwendigen Organisationsform des öffentlichen Rechts mangelt, die geeignet wäre, die auch im Rahmen dieser Untersuchung der BFS-Organisationsprivaüsierung angeführten Defizite der öffentlichrechtlichen Organisationsformen auszugleichen. Nur eine solche Lösung kann den berechtigten Einwänden gegen die heutige Praxis wir-
225 Art. 3 EWGV: "Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 umfaßt nach Maßgabe dieses Vertrages und der darin vorgesehenen Zeitfolge:... e) die Einführung einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet des Verkehrs." 226
BVerfGE 73, 339 (374): "a) Art 24 Abs. 1 GG ermöglicht es, die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland derart zu öffnen, daß der ausschließliche Herrschaftsanspruch der Bundesrepublik Deutschland für ihren Hoheitsbereich zurückgenommen und der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle innerhalb dieses Hoheitsrechts Raum gelassen wird (vgl. BVerfGE 37, 271 [280]; 58, 1 [28]; 59, 63 [90])."; s.a. Friarf, Europarecht und Grundgesetz, S. 22ff. 227
Bothe / Hohmann / Schmidt, in: Z L W 1/1990, S. 48 Über den Weg der Arbeitsverweigerung konnten die Fluglotsen der EUROCONTROL im Sommer 1990 einen erheblichen Einkommenszuwachs erstreiten, nachdem sie sich geweigert hatten, im Dienst neue Kollegen auszubilden, ohne eine Zulage dafür zu erhalten. 228
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kungsvoll begegnen: Insbesondere die bislang anerkannte und vielfach genutzte Wahlfreiheit der Verwaltung, sich in einer privaten oder in einer öffentlichen Rechtsform zu organisieren, ist unzulässig; zumal die spezifischen Merkmale und Zwecke einer Rechtsform bei ihrer 'Anpassung' an die jeweiligen Verwaltungszwecke verloren gehen und ein unüberschaubares und kaum justiziables organisationsrechtliches Formenkonglomerat entsteht 229 , das per Gesetz dem jeweiligen Verwaltungszweck angepasst werden kann. Dennoch bedient sich die Legislative der Vorteile des zweifelhaften Ausweichens in private Rechtsformen; werden so doch zahlreiche Möglichkeiten eröffnet, innerhalb dieser Unternehmen gut dotierte Positionen mit - wie auch immer - verdienten Persönlichkeiten des politischen Lebens zu besetzen 230 . Grundsätzlich erscheint eine EUROCONTROL- Agentur als eine sachgerechte und wünschenswerte Lösung, die auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Die Wiederbelebung oder Neuschaffung einer EUROCONTROL-Agentur und die Verhandlungen mit den zahlreichen Mitgliederländern, werden selbst bei einem einheitlichen politischen Willen der Partner einen erheblichen zeitlichen Vorlauf von mindestens fünf Jahren bedingen. Zur Beschleunigung des Prozesses könnte die Bundesrepublik eine Vorreiterrolle übernehmen und ihre Erfahrungen mit der heutigen 'Rumpf-EUROCONTROL' in eine Gründungsallianz mit den führenden europäischen Ländern einbringen. Die ständige Aufrechterhaltung der Flugsicherungsaufgaben für die allgemeine Luftfahrt kann jedoch auch das EUROCONTROL-Modell nicht garantieren.
c) Prüfung der VerMltnismäßigkeit Als dritte und letzte Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Frage zu beantworten, ob der Zweck des Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes und zur Gründung der Flugsicherungs-GmbH in vertretbarem Verhältnis steht zum Eingriff in die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums. Stellvertretend für viele bestimmt Lerche 2 3 1 den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wie folgt
229
S. a. Püttner, Ehe öffentlichen Unternehmen, S. 86 und S. 63
230
Solchen Feststellungen hängt unmittelbar der 'Modergeruch* der unsachlichen Polemik und des Populismus an, sind aber zutreffender Befund einer vielfach geübten politischen Praxis, der insbesondere seit den achtziger Jahren immer unverhohlener nachgegangen wird. Als ein Beleg dieses Befundes sei stellvertretend für viele das Beispiel des ehemaligen DSU-Vorsitzenden H.W. Ebeling genannt Dieser soll zum 01.01.1992 die Leitung der 'Zentralstelle für Gesundheit' bei der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung in Berlin übernehmen. Die Bedenken der Stiftung und des aufsichtsführenden Entwicklungshilfeministeriums wegen der fehlenden Qualifikation Ebelings, konnten sich nicht gegen den ausgeübten Stellenbesetzungsdruck der Regierungspartei durchsetzen; Quelle: DER SPIEGEL 31/1991, 'Ebelings Entwicklung', S. 16. 231 Übermaß und Verfassungsrecht, S. 19 und S. 223ff., zu Inhalt und Wirkungsweise der Verhältnismäßigkeit im einzelnen.
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"Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt, die Handhabung eines bestimmten Instrumentes dürfe zur Erreichung eines bestimmten Zweckes diesem gegenüber nicht ' unangemessen ' sein. Mittel und Zweck werden in ' Verhältnis ' zueinander gewogen" Auch für Hirschberg stellt sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als eine "abwägende Bewertung der einander widerstreitenden Interessen" dar, dessen Ziel eine Bewertung der Zweck-Mittel-Relation ist. Der zuvor erörterte Grundsatz der Erforderlichkeit stellt demgegenüber auf eine Bewertung der Lösungsalternativen - als eine Mittel-Mittel-Relation - ab; basierend auf der empirischen Kontrolle der Mittel auf ihre Geeignetheit 232 .
aa) Untersuchung der Verhältnismäßigkeit des Mittels 'Flugsicherungs-GmbH' (aa) Mangelhafte Staatlichkeit der Flugsicherungs-GmbH Die untersuchten privaten Organisations- und Rechtsformen zur Gestaltung eines Flugsicherungsunternehmens ermöglichen keine unmittelbare Durchsetzung des politischen Führungswillens und bieten keine hinreichende Gewähr für die Sicherung der Ingerenzrechte des Bundes. Als alleiniger Anteilseigner verfügt der Bund zumindest in der Gründungsphase über maßgeblichen Einfluß auf die Ausgestaltung der gewählten Privatrechtsform und auf die Bestellung der jeweiligen Organe. Außerstaatliche Kräfte und von ihrer Gehorsamspflicht entbundene Beamte können diese Vormachtstellung des Bundes wesentlich reduzieren.
(bb) Flugsicherungs-GmbH als Privatisierungs-Vorbild für andere Verwaltungszweige ? Ein bedeutsamer Nachteil der geplanten GmbH-Lösung ist in der Vorbildfunktion zu sehen, welche diese Oiganisationsprivatisierung für andere Bereiche der unmittelbaren und der mittelbaren Bundesverwaltung haben wird. Die Gründung der Flugsicherungs-GmbH wird den interessierten Kreisen als vortreffliches Argument für weitere formelle Privatisierungen dienen und in der Folge die notwendigen und ganz überwiegend richtigen Grundsätze staatlicher Verwaltung erschüttern.
232
Hirschberg, ebenda, S. 148f.; s.a. S. 208ff. zur Kritik am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
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(cc) Aufhebung des Streikverbotes Die Privatrechtsform der Flugsicherungs-GmbH bedingt unmittelbar die Aufhebung des Streikverbotes, als einem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums233 - hier der ehemaligen BFS-Beamten - und stellt auf diesem Wege die Existenzberechtigung des Berufsbeamtentums grundsätzlich in Frage 234 . Wenn der Staat infolge dieser Qrganisationsprivatisierung nicht mehr die Funktionserfüllung in dem obrigkeitlichen Bereich der Gefahrenabwehr sicherstellen könnte, wären die geweckten Privatisierungsbestrebungen anderer Verwaltungszweige, etwa der Verkehrspolizei, nicht mehr überzeugend abzuwehren. In letzter Konsequenz verengte sich die notwendige und aus vielerlei Gründen oft mißbrauchte Zweispurigkeit des öffentlichen Dienstes auf eine Spur.
233 Demgegenüber weist Stellv. für viele v. Münch, Rechtsgutachten 1970, S. 38, darauf hin, daß das Verständnis vom Beamtenstreikverbot als hergebrachtem Grundsatz streitig ist. Auch Hoffmann, in: AÖR 91,1966, S. 149, stellt die Frage, ob die Entscheidung für oder gegen ein Beamtenstreikrecht nicht vielmehr der "tatsächlichen Entwicklung des Soziallebens" überlassen bleiben sollte. Das BBG, das BBRG und auch das Personalvertretungsgesetz des Bundes enthalten keine unmittelbare Streikregelung. Als einzige Landesverfassung statuiert Art 119 V I der saarländischen Verfassung v. 15.12.1947 ein Streikverbot: "Die Stellung des Beamten zum Staat schließt das Streikrecht aus." Zur überwiegenden und richtigen Anerkennung des Beamtenstreikverbotes etwa durch E. Forsthoff, CH. Ule, F. Mayer und W. Schick, siehe: Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd. 5, S. 73Of.(synoptische Darstellung). Nach Schachtschneider, Streikfreiheit und Streikrecht, gilt das Streikverbot für den gesamten öffentlichen Dienst, in welchen Rechtsformen auch immer; das Streikrecht ist s.E. nicht grundgesetzlich verankert und daher könne der Gesetzgeber den Streik für wichtige Bereiche untersagen. 234
Erinnert sei diesbezüglich an die heftige Diskussion um die Zulässigkeit eines Streikrechts für Beamte zu Beginn der siebziger Jahre: Als Befürworter eines Streikrechts für Beamte sei insbesondere Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 1971, genannt. Die Argumente für ein Beamtenstreikverbot (ebenda, S. 26ff.) bewertet er im Ergebnis als nicht überzeugend; zahlreiche Nachweise zur Diskussion um das Beamtenstreikverbot, ebenda, S. 105-114. Eine energische Gegenposition bezieht Isensee und setzt sich dezidiert und überzeugend für ein Streikverbot ein, 'Beamtenstreik', 1971, S. 33ff. Isensee weist darauf hin, daß die ablehnende Haltung der Beamtenverbände zum Beamtenstreik - nach den Aktionen des Jahres 1962 'Igel* und 'Adler* bei Post und Bahn und dem Fluglotsenstreik 1971 teilweise einer Forderung nach dem Beamtenstreikrecht gewichen ist (S. 1 Iff.); zahlreiche Nachweise der ablehnenden Lehrmeinung zur Frage des Beamtenstreiks (S. 13f., 53). Zur bis heute aktuellen Frage nach der Zulässigkeit eines Beamtenstreikverbotes und der Notwendigkeit eine Berufsbeamtentums formuliert Isensee deutlich (S. 14f.): "Die axiomatische Voraussetzung der streikfreundlichen Bewegung ist die Annahme, das Verbot stehe in Widersprach zu den Gesetzen des gesellschaftlichen Fortschritts, es sei überholt wie die traditionelle Institution des Berufsbeamtentums überhaupt; das altruistische Ethos des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses bewirke Unterdrückung und Rückständigkeit - die Epoche der Aufklärung sei nunmehr angebrochen, und der Arbeitskampf biete sich als Medium an zur Befreiung des Beamten aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" Das Streikrechtsbedürfhis der Beamtenschaft sei eine Folge des nachlassenden Ansehens der Staatsdiener, zudem werde ihre Sekurität nicht mehr als Privileg empfunden und der Beamte glaubt sich im Vergleich zum Arbeitnehmer benachteiligt. Dies führt zu einer Selbstdarstellung des Beamtentums als einer "Kümmerexistenz am Rande der Gesellschaft", (S. 15).
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Die Erfüllung dieser Prognose könnte durch das Argument aufgehalten werden, daß der Staat eben nicht für die ständige Verfügbarkeit des allgemeinen Veikehrsmittels 'Flugzeug* verantwortlich ist, sondern lediglich die vom Luftverkehr ausgehenden Gefahren abzuwehren hat. Es gilt, das entfallende Streikverbot der BFS-Beamten über Notdienstvereinbarungen für die Angestellten der Flugsicherungs-GmbH tarifvertraglich mindestens so weit wiederherzustellen, daß die sichere flugsicherungstechnische Abwicklung der unverzichtbaren Flüge stets gewährleistet ist. In diesem Sinne bestimmt der Gesetzentwurf: "besonders wichtige Verkehrsarten, wie der Berlin-Verkehr der Alliierten, die Regierungsflüge, der Flugbetrieb der Streitkräfte und Not- und Katastrophenflüge, werden imRahmen von tarijvertraglichenNotdienstvereinbarungen vom Flugsicherungsunternehmen gewährleistet werden, wie sie sich in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens bewährt haben" 235.
(dd) Unternehmerische Mitbestimmung der Mitarbeiter der Flugsicherungs-GmbH Die bereits in Teil F dieser Untersuchung festgestellte grundsätzliche Zulässigkeit der mittelbaren bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung wird durch die gesetzlich normierte Unternehmensmitbestimmung der Mitarbeiter der Flugsicherungs-GmbH in Frage gestellt Werden doch die Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes 236 von den Vorschriften zur betrieblichen (BetrVerfG) und insbesondere zur unternehmerischen Mitbestimmung (MitbestG) abgelöst und verringern die Staatlichkeit und die Unmittelbarkeit der Bundesverwaltung 237 .
(ee) Auswirkung auf die Flugtarife Die Einrichtung der Flugsicherungs-GmbH erfordert hohe Investitionen in die erneuerungsbedürftigen technischen Systeme der aufzulösenden BFS; zudem sind an die Mitarbeiter der GmbH deutlich höhere Gehälter zu zahlen. Diese Investitionen und Ausgaben sind von den Luftverkehrsgesellschaften und den übrigen Luftraumnutzem über die zu entrichtenden Gebühren zu tragen. Die Flugsicherungs-GmbH muß kostendeckend wirtschaften und sich vollständig aus diesen Gebühreneinnahmen, die sich aus den Strecken- und den An- und Abfluggebühren ergeben, finanzieren. Das Gebührenaufkommen ist ein maßgeb-
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BPersVG v. 15.3.1974, BGB1.I, S. 693. Zusammenfassend dazu: Gitter, Grundzüge des Personalvertretungsrechts, in: RiA 10/1981, S.181ff.; s.a. Widmaier, Zur Abgrenzung des Arbeitsrechts vom öffentlichen Dienstrecht, in: Die Personalvertretung 7/1978, S.299ff. m.w.N. 237 S.a.: Püttner, ebenda, S.141; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S.146ff. 12 Trampler
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licher Kostenfaktor für die Luftverkehrsgesellschaften 238 und Bestandteil der unternehmerischen Preiskalkulation. Diesen höheren Aufwendungen der Fluggesellschaften können aber - wenn die Flugsicherungs-GmbH die gesetzten Ziele erreicht - Kostenersparnisse, die sich aus einer leistungsfähigeren Flugsicherung und einem damit verbundenen Abbau der Flugverspätungen und Flugstreichungen ergeben, gegenüberstehen 239. Der Gesetzentwurf führt hierzu aus: "Im Grundsatz gilt: Höhere Kosten werden über die Gebührenkostengrundlage bei gleicher Anzahl gebührenpflichtiger Flüge zuhöheren Gebühren führen. Ob solche Erhöhungen von den Luftraumnutzern aufgefangen oder über eine Preiserhöhung der Flugscheine weitergegeben werden, darüber können derzeit keine gesicherten Angaben gemacht werden ," 240 Diese Einschätzung ist nicht realistisch, wie der Praxisbefund der Flugtarifgestaltung belegt Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen sehr wohl eine Erhöhung der Flugscheinpreise erwarten, wie die Weitergabe der sogenannten 'Sicherheitsgebühr ' für die zusätzlichen Überprüfungen von Personen und Sachen im Sinne des § 29 c L u f t V G 2 4 1 an die Flugreisenden und der Treibstoffaufschlag zur Zeit des Golfkrieges im ersten Quartal 1991 als Beispiele der jüngeren Vergangenheit gezeigt haben. Sollte sich in der Zukunft für die Flugsicherungs-GmbH die Notwendigkeit einer Preisanpassung der An- und Abfluggebühren ergeben, bedarf diese nicht der Zustimmung des Bundesrates. Dies begründet der Gesetzentwurf mit der Absicht, daß die "volle wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der GmbH im Interesse einer reibungslosen Abwicklung des wachsenden Luftverkehrs jederzeit sichergestellt werden k a n n " 2 4 2 und die dem Insolvenzrecht unterliegende FlugsicherungsGmbH bestmöglich gegen eine Insolvenz, die sich aus einer verspäteten Anpassung der Gebührenverordnung an die tatsächliche Kostenentwicklung ergeben könnte, geschützt w i r d 2 4 3 .
238 Das Gebührenaufkommen für die Flugsicherung, die Flughafengebühren und andere, übersteigt bei der Deutschen Lufthansa AG bereits die Höhe der Treibstoffkosten; so J. Weber, Vorstandsvorsitzender Deutsche Lufthansa AG, zitiert in: FAZ Nr.149 vom 01.07.1991, S. 19; vgl. a.BR-Drucks. 80/90, S. 35f. (und auch S.39): "Die Kosten der neugestalteten Flugsicherungsorganisation des Flugsicherungspersonals sowie die Kosten für die technischen Einrichtungen und den Betrieb werden von den Luftraumnutzem getragen."; zu den Gebührentarifen als erheblichem Kostenfaktor der Luftverkehrsunternehmen, s.a. BVerfGE 58,1, (18). 239 J. Weber, ebenda, beziffert die jährlichen durch die Flugverspfitungen bedingten Verluste der Lufthansa AG auf etwa 200 Millionen DM. Die Gesamtkosten der europäischen Flugsicherungskrise belaufen sich nach Schätzungen der Studie des Planungsbüros Luftraumnutzer (1989, S.20ff.) auf etwa 10.0 Milliarden D M jährlich. 240 BR-Drucks. 80/90, S.39 241 242 243
S.a. BR-Drucks. 80/90, S. 67f. BR-Drucks. 80/90, S.36 BR-Drucks. 80/90, S.64 (und S.67f.)
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bb) Verhältnismäßigkeitsprüfung verneint die 'Insich-Beleihung'der BFS-Privatisierung Das Mittel der Oiganisationsprivatisierung in Form der Flugsicherungs-GmbH steht nicht in angemessener Relation zu dem verfolgten Gesetzeszweck. Die beabsichtigte größere Dispositionsfreiheit in den Bereichen Personal und Investition und Finanzierung bedeutet einen un verhältnismäßigen Eingriff in den Funktionsvorbehalt des Art. 33Abs.4GG. Der beabsichtigte und auch notwendige Abbau des Personalmangels und die gewünschte Steigerung unternehmerischer Flexibilität der BFS ist mit der GmbH nur unter unverhältnismäßig großen Zugeständnissen an die Grundsätze staatlicher Verwaltung im obrigkeitlichen Bereich der Gefahrenabwehr und unter Inkaufnahme weiterer erheblicher Risiken zu verwirklichen. Insbesondere der Fortbestand des Berufsbeamtentums, das durch Art. 33 Abs. 4 GG grundgesetzlich geschützt wird, ist durch die Vorbildfunktion der geplanten formellen Privatisierung für andere Verwaltungsbereiche, die ebenfalls vom Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG umfaßt sind, gefährdet. Als einziges Organisationsmodell, das nicht nur verfassungsgemäß ist, sondern auch den zuvor angeführten Bedenken genügt und zugleich zur Lösung der BFS-Probleme geeignet ist, stellt sich eine europäische Flugsicherungsagentur dar. Diese könnte auf dem bestehenden EUROCONTROL-Abkommen und dem Personal, den technischen Einrichtungen und den Erfahrungen der heutigen EUROCONTROL-Behörde aufbauen. Die schlechten Aussichten auf eine baldige Verwirklichung dieses richtigen Ansatzes, der allein eine wirkungsvolle europaweite Luftverkehrsflußregelung und Flugsicherung ermöglichte, macht Zwischenlösungen erforderlich, um mindestens dem prognostizierten Nachwuchsmangel im Personalbereich zu begegnen. Eine Flugsicherungs-GmbH jedoch, die vermutlich durch die zu schaffende europäische Flugsicherungs- Agentur obsolet wird, ist für eine solche Zwischenlösung nicht geeignet: Das GmbH-Modell verstößt gegen geltendes Verfassungsrecht und die Flugsicherungs-GmbH verbrauchte bis zu ihrer 'Indienststellung' auch große personelle, planerische, organisatorische und finanzielle Ressourcen. Zudem wird eine deutsche Flugsicherungs-GmbH keinen nennenswerten Beitrag zur Lösung der bekannten europaweiten Flugsicherungsprobleme leisten 244 . 244 Eine Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschuß (in: EG ABl. C Nr. C 194/7) faßt unter Punkt 2.4 die "Ursachen für die aktuelle Situation" wie folgt zusammen: - ineffiziente Nutzung des Luftraums - zu starke Berücksichtigung des militärischen Luftverkehrs - teilweise überholte Flugsicherungstechnik - Mangel an Beschäftigten - nicht kompatible Flugsicherungssysteme der europäischen Staaten - fehlende Verkehrsfluß Steuerung - begrenzte Flughafenkapazitäten, deren Erweiterung aus vielerlei Gründen zeitintensiv ist. Zur Luftraumstruktur wird an anderer Stelle (EG- ABl. C, Nr. C 34/19,1989) daraufhingewiesen, daß "die verwaltungsmäßige Einteilung des europäischen Luftraums" auf den größtenteils überholten Überlegungen der späten vierziger Jahre beruht.
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G. Verstößt die Flugsichengs-GmbH gegen Art. 3 3 I V GG?
Die Bundesrepublik Deutschland empfiehlt sich mit dieser nationalen GmbHLösung nicht für eine Führungs- und Vorreiterrolle innerhalb eines zunehmend geeinten Europas und seiner Flugsicherung, als einer relativ kleinen, aber besonders wichtigen gemeinsamen Aufgabe. Grundsätzlich muß für alle Bereiche staatlicher Verwaltung gelten: Wenn eine unzureichende Alimentation und dienstrechtliche Unbeweglichkeiten über den daraus resultierenden Personalmangel die angemessene und ordnungsgemäße Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und der Schutz der Bürger gefährdet wird, muß das ständige Ausweichen in das für Private vorgesehene Privatrecht einer notwendigen Reformierung staatlicher Verwaltungsprozeduren weichen. Der zur Lösung der Flugsicherungsprobleme eingeschlagene Weg der Beleihung eines neugeschaffenen Flugsicherungsunternehmens ist mit der Zielsetzung des Institutes der Beleihung nicht vereinbar: Nicht die Umgehung dienst- und haushaltsrechtlicher Vorschriften durch eine staatliche Tnsich-Beleihung\ sondern die Nutzung bereits vorhandener privater Ressourcen und die analoge Entlastung des Staates muß das Ziel einer Beleihung sein.
cc) Die Organisationsprivatisierung der BFS deckt allgemeine Verwaltungsmängel auf Das beliebige, aber besonders öffentlichkeitswirksame Beispiel der BFS macht einen seit langem bekannten gravierenden Mangel deutlich: Es fehlt dem deutschen Verwaltungsrecht an einer geeigneten neuen Rechtsform des öffentlichen Rechts beziehungsweise an einer Straffung und eindeutigen Neufassung praktizierter Rechtsformen - die den Erfordernissen moderner Verwaltung genügt. Die zu erfüllenden Ziele dieser Rechtsform sind die differenziertere und leistungsorientiertere Bezahlung der Beamten über eine Neustrukturierung und Flexibilisierung des Besoldungs- und Zulagensystems 245 , eine Reform des Laufbahnprinzips und die Anpassung der kameralistischen Haushaltsprinzipien an die spezifischen Verwaltungserfordernisse 246. Spezifisch für die BFS ist zum Beispiel die starke Zusammenarbeit mit externen Fremdfirmen zur Wartung der Software, zur Realisierung neuer EDV-Systeme und dergleichen; das
245
Zu den Nachwuchssorgen und der Nachwuchsgewinnung durch die Möglichkeiten einer notwendigen Flexibilisierung, siehe auch: Hausschild, Die Modernisierung des öffentlichen Dienstes, in: VerwArch. 01/1991, S. 94ff. Das Bundesverfassungsgericht billigt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsfreiraum für die Zulagenregelungen zu, BVerfGE 65,141 (148); gemäß BVerfGE 56,353 (36 lf.), bedarf die Differenzierung einzelner Besoldungsgruppen rechtfertigender Gründe, da die Besoldungsanpassung an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und an die Einkommensverhältnisse grundsätzlich für alle gleich hoch ausfallen müsse. 246 Zur Kameralistik: Becker, öffentliche Verwaltung, S. 720f.
VII. Flugsicherungs-GmbH als zulässige Ausnahme zum Beamtenvorbehalt ?
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reibungslose Funktionieren solcher Zusammenarbeit erfordert auch eine laufende Rechnungsstellung und Bezahlung. Dabei muß die Flexibilisierung stets dem Primat angemessener Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden unterworfen sein, da die zu erfüllenden Verwaltungsaufgaben durch Steuern und Gebühren finanziert werden. Der Aspekt der Unmittelbarkeit und der Kontrollierbarkeit jeder öffentlichen Verwaltung darf keiner Argumentation weichen. Dieser Befund der verwaltungsrechtlichen Mängel ist seit langem bekannt, wie insbesondere die Gutachten und Empfehlungen der Studienkommission zur Reformierung des öffentlichen Dienstrechts aus dem Jahre 1973 belegen 247 . Die definierten Probleme, die sich für die BFS als nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ergeben, sind die Probleme und Mißstände der gesamten öffentlichen Verwaltung 248 . In diesem Sinne stellte E. Forsthoff 249 bereits zu Beginn der siebziger Jahre fest, daß die Abstimmung der haushaltsrechtlichen Stellenpläne für Beamte mit dem Personalbedarf für den Bereich der hoheitsrechtlichen Verwaltung bislang nicht gelungen ist An einer Umsetzung der bis heute ausstehenden richtigen Maßnahmen mangelt es bislang. Dies erklärt sich aus den beschriebenen Möglichkeiten der Wahlfreiheit der Verwaltung und der starken und einflußreichen Interessenvertretung des deutschen Berufbeamtentums, ohne dessen Förderung keine gravierenden Änderungen am status quo des Beamtentums und seines Dienstrechts politisch durchzusetzen sind. Erst allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, daß diese Nachgie-
247 Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts; Bericht und Anlagebd. 5 der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Baden-Baden 1973: Übersicht über die Reformvorschläge im 'Bericht der Kommission', S. 376ff. 248 Insbesondere der Personalmangel ist ein Problem, das nicht nur im Bereich der Flugsicherung eine sachangemessene Aufgabenerfüllung erheblich beeinträchtigt: Mit nicht so lauter Stimme kundgetan, aber ähnlich gravierend sind die Nachwuchssorgen in den übrigen polizeilichen Bereichen. Auch hier lassen sich folgende Engpäße feststellen: Die personelle Unterbesetzung in vielen Bereichen führt zur Mehrbelastung und Demotivation der verbleibenden Beamten, welche die unmittelbare Gefährdung der eigenen Gesundheit und des eigenen Lebens als berufliches Risiko akzeptieren. Das Beispiel der allgemeinen Polizei weist zudem auf andere Wege der Demotivierung hin; so fühlen sich viele Polizeibeamte nicht nur unterbezahlt, sondern sehen sich - häufig berechtigt - als von den politisch Verantwortlichen im Stich gelassen, die es bei brisanten Einsatzfällen an moralischer Rückenstärkung des Polizeiapparates fehlen lassen: Beispiel Hafenstraße in Hamburg. Dieses ist sicherlich 'nur' ein psychologisches Moment, das aber die Zufriedenheit ganzer Beamtenschichten und ihrer Identifikation mit dem Staat, dem sie dienen und ergeben sind, erschwert Als ein Beispiel zur anerkannten Notwendigkeit, die Schutzpolizeibeamten höher zu alimentieren, indem ihr geleisteter Dienst höher eingruppiert - etwa eine Anhebung von mittlerer auf gehobener Dienst - wird, vgl. a. die Untersuchungsergebnisse in F A Z Nr. 175, v. 31.07.1991 S. 4 'Polizei nicht gerecht bezahlt*. 249
5, S. 60
Forsthoff \ in: Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd.
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G. Verstößt die Flugsicherungs-GmbH gegen Art. 33 IV GG?
bigkeit der jeweiligen Legislative gegenüber den Interessen des Berufsbeamtentums 250 in eine Sackgasse geführt hat, die kaum noch Raum läßt für notwendige Korrekturen und Reformen 251 .
250 Die Bedeutung des Berufsbeamtentums erklärt sich nicht nur aus seiner überwiegend unverzichtbaren Funktionserfüllung, sondern schon aus der großen Zahl von über 1,6 Millionen Beamten und ihren Familien. Zusammen mit den Vollzeitbeschäftigten des öffentlichen Dienstes ergibt sich ein Anteil von 18.7 vH. an allen Beschäftigten der Bundesrepublik Deutschland; Zahlen bezogen auf die alten Bundesländer, Quelle: Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, Tab. 46, Hrsg.: Institut der deutschen Wirtschaft, Köln 1991; s.a. Becker, ebenda, S. 397 (Abbildung Nr. 64) 251 Zu dieser Ansicht gelangt der Verfasser insbesondere vor dem Hintergrund der seit Sommer 1991 besonders deutlich geführten Diskussion um die Privatisierung von Post und Bahn und um die Notwendigkeit des Berufsbeamtentums überhaupt; vgl. zusammenfassend und Stellv. für viele: Der Spiegel 32/1991 v. 05.08.1991, 'Beamte - ein Tabu wankt', S. 30-37; und Wirtschafts-Woche Nr. 33, vom 09.08.1991, 'Lange nachdenken', S. 26
H. Zusammenfassung und Schlußbemerkung I. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse Die Untersuchung der historischen Entwicklung der Luftfahrt und des Luftverkehrsrechts hat ergeben, daß die Luftverkehrsverwaltung schon seit ihrem Beginn grundsätzlich vom Reich und später vom Bund wahrgenommen wurde, obgleich diese Verwaltungskompetenz gerade vor 1933 nicht immer gesetzlich normiert war. Die Landesbehörden übertrugen ihre Kompetenzen auf das Reich und den Bund, um im Interesse der Luftraumnutzer und der übrigen Bevölkerung eine einheitliche und zentrale Luftverkehrsverwaltung zu ermöglichen. Ziel dieser zentralen Bundesverwaltung war und ist bis heute die Förderung der Luftfahrt als Verkehrs- und Transportmittel unter bestmöglicher Gewährung der Sicherheit. Insbesondere die Regelung und Sicherung des Luftverkehrs wurde stets als hoheitliche polizeiliche Aufgabe der Gefahrenabwehr verstanden. Bis 1939 wurde die Flugsicherung wegen des Mangels an qualifizierten Beamten teilweise von den beliehenen privaten Peilfunkleitern wahrgenommen. Nach der Wiedererlangung der bundesdeutschen Lufthoheit wurden die 'Bundesanstalt für Flugsicherung' und das 'Bundes-Luftfahrtamt' als selbständige Bundesbehörden der Luftverkehrsverwaltung unter Berufung auf die A r t 73 Nr. 6, 87 Abs. 3 Satz 1 GG eingerichtet, um die Sicherheit und Förderung des seit Kriegsende stark expandierenden Luftverkehrs zu gewährleisten. Eine grundgesetzliche Normierung der praktizierten Bund-Länder-Aufgabenteilung im Bereich der Luftverkehrs Verwaltung wurde im Jahre 1961 mit der Einfügung des A r t 87 d in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen. Gemäß Art. 87 d Abs. 1 GG wird die Luftverkehrsverwaltung "in bundeseigener Verwaltung geführt"; die fakultative Länderauftragsverwaltung wird in Abs. 2 dieser Norm grundgesetzlich verankert. Einen Verstoß gegen ebendiese Grundgesetznormen des A r t 87 d Abs.l GG und Art. 33 Abs. 4 GG, der sogenannten institutionellen Garantie des Berufsbeamtentums, sah der Bundespräsident in dem 1990 von der Bundesregierung vorgelegten und hier untersuchten Gesetzentwurf zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes und verweigerte seine notwendige Gegenzeichnung. Wesentliches Ziel dieser gesetzgeberischen Initiative ist die formelle Privatisierung der 'Bundesanstalt für Flugsicherung' (BFS); d.h. die öffentlichrechtliche Flugsicherungsanstalt soll aufgelöst werden und an ihre Stelle eine zu gründende privatrechtliche Flugsicherungs-GmbH treten, welcher die sonderpolizeilichen Flugsicherungs-
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H. Zusammenfassung und Schlußbemerkung
aufgaben im Wege der Beleihung übertragen werden. Alleiniger Anteilseigner der Flugsicherungs-GmbH soll die Bundesrepublik Deutschland sein. Auslösende Faktoren dieser Qrganisationsprivatisierung sind der Mangel an Flugsicherungsbeamten und die strengen haushaltsrechtlichen und beamtenrechtlichen Vorschriften denen die BFS unterliegt und die bestmögliche Erfüllung ihres Sicherheitsauftrages gefährden. Von einer Flugsicherungs-GmbH wird ein erheblicher Beitrag zur Lösung der anerkannten Probleme der bundesdeutschen Flugsicherung erwartet So kann den ehemaligen BFS-Beamten und den neu rekrutierten Mitarbeitern neben einer verkürzten Ausbildungszeit auch ein Gehalt geboten werden, das etwa dem der Piloten oder Copiloten der Lufthansa A G entspricht Neben dieser Behebung des Nachwuchsmangels soll die Flugsicherungs-GmbH besser als die Bundesanstalt für Flugsicherung in der Lage sein, die technischen Flugsicherungssysteme schneller und reibungsloser an das unerwartet stark zunehmende Luftverkehrsaufkommen anzupassen. Selbst wenn die Flugsicherungs-GmbH die Erwartungen erfüllt, bleiben doch ganz erhebliche weitere Engpässe des bundesdeutschen und des benachbarten europäischen Luftverkehrs bestehen. Besonders schwerwiegend sind die Probleme, die sich aus dem Nebeneinander von ziviler und militärischer Flugsicherung in der Bundesrepublik ergeben. Der richtige Hinweis auf den Verteidigungsauftrag führte zu einem unangemessenen Nebeneinander von ziviler und militärischer Flugsicherung und insbesondere die den Luftstreitkräften ständig oder zeitweise vorbehaltenen Lufträume verweisen den Zivilluftverkehr auf zu schmale Luftverkehrskorridore. Daraus ergeben sich für die Zivilmaschinen Umwege, geringer Durchfluß auf den Korridoren und an den Kreuzungen (fixes) und schließlich die vielfach bemängelten Verspätungen des Luftverkehrs. Der rechtliche Charakter der gefahrenäbwehrenden Flugsicherung wird von Rechtsprechung und Rechtslehre bislang übereinstimmend als sonderpolizeilich und hoheitlich qualifiziert Danach sind die Flugsicherungsaufgaben staatliche, vom Staat selbst zu erfüllende Aufgaben. Erst im Rahmen der geplanten Privatisierung der BFS erhoben sich Stimmen, welche die Flugsicherung als rein technische Dienstleistung einordneten. Diese Interpretation soll die Herauslösung der Flugsicherung aus den oben angeführten grundgesetzlichen Regelungsbereichen und somit eine nach h.M zulässige Übertragung dieser Aufgaben auf privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger ermöglichen. Diese Organisationsprivatisierung ist auf die streitige Fiskustheorie gestützt Eine zulässige materielle Privatisierung setzte die Änderung der untersuchten Normen des Grundgesetzes voraus. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Flugsicherung, der bislang einstimmigen Meinung, der es jedoch an einer festen Begrifflichkeit des 'polizeilichen 9 und 'hoheitlichen' mangelt, und vor allem der Kompetenzen und der gefahrenabwehrenden Funktion des Flugverkehrskontrolldienstes, gelangt die
I. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
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vorliegende Untersuchung zu dem Ergebnis, daß die Flugsicherung eine sonderpolizeiliche Aufgabe ist Diese Qualifikation schließt jedoch eine Übertragung auf Private nicht per se aus, da die Trennung der polizeilichen Kompetenz von ihrem Ausführungsmonopol im zu prüfenden Einzelfall grundsätzlich für zulässig gehalten wird. Die anschließende Prüfung der Gesetzgebungs- und der Verwaltungskompetenz des Bundes zur Errichtung der geplanten Flugsicherungs-GmbH beantwortete die Frage nach der Einordnung der Flugsicherung in den Regelungsbereich der Art. 73 Nr. 6 und 87 d GG. Die Begriffe "Luftverkehr" und "Luftverkehrsverwaltung" dieser Normen sind weit auszulegen und umfassen insbesondere die Flugsicherung als integralen Bestandteil der Luftverkehrsverwaltung. Die umfassende Kompetenz des Bundes ermöglicht nicht nur die Anpassung der Luftverkehrsverwaltung an die überregionalen und internationalen Belange des Luftverkehrs, sondern gewährleistet die Sicherheit der Luftverkehrsteilnehmer und der Bevölkerung der überflogenen Gebiete. Nach der festgestellten grundgesetzlich verankerten Bundeskompetenz auch für den Bereich der Flugsicherung, war die Vereinbarkeit einer privatrechtlichen Flugsicherungs-GmbH mit der im Art. 87 d GG festgelegten 'bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung' zu prüfen: Auch der Begriff der 'bundeseigenen Verwaltung' wird von der Rechtsprechung und innerhalb des Schrifttums weder einheitlich noch überzeugend bestimmt. Vor dem Hintergrund dieser streitigen Zuordnung der unmittelbaren und der mittelbaren Bundesverwaltung zur bundeseigenen Verwaltung gelangt diese Untersuchung zu folgendem Ergebnis: Insbesondere die Entstehungsgeschichte und die Auslegung der Materialien des Art. 87 d GG belegen die eindeutige Bezugnahme der 'bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung' des Art. 87 d GG auf die 'bundeseigene Verwaltung' des Art. 86 GG und nicht etwa auf Art. 87 Abs. 1 GG. Diese Bezugnahme auf Art. 86 GG rechtfertigt die grundsätzliche Zulässigkeit auch von Privatrechtssubjekten zu einer mittelbaren bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung. Die Zulässigkeit dieser mittelbaren Verwaltung war nicht das primäre Ziel des nachträglich eingefügten A r t 87 d GG; die 'bundeseigene Luftverkehrsverwaltung' im Sinne des A r t 87 d GG bezweckt vor allem die Sicherung der Vormachtstellung des Bundes zur zentralen und einheitlichen Verwaltung, Förderung und Sicherheitsgewährung des Luftverkehrs und der davon ausgehenden 'inneren' und 'äußeren' Gefahren. Diese Durchsetzbaikeit des Bundeswillens und die gebotene Erfüllung seiner Ingerenzpflichten sind die wesentlichen Konditionen, welche die privatrechtliche Flugsicherungs-GmbH erfüllen muß. Die Untersuchung der Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auf 'sein' Flugsicherungsunternehmen führt zu dem Ergebnis, daß es die Gesetzeslage dem Bund ermöglicht, sich als alleiniger Anteilseigner in der unterparitätisch mitbestimmten Flugsicherungs-GmbH letztendlich durchzusetzen und die Fach- und Rechtsaufsicht wirkungsvoll auszuüben, wenn die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden und die vom 13 Trampler
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H. Zusammenfassung und Schlußbemerkung
Bund bestellten, aber weisungsunabhängigen Aufsichtsratmitglieder ihre Mandate gemäß den ausdrücklichen Bundesinteressen wahrnehmen. Nur wenn der Bund seine gegebene Vormachtstellung nicht zugunsten einer erweiterten Arbeitnehmermitbestimmung oder einer Unternehmensbeteiligung der Luftraumnutzer, die sich heute mit einer beratenden Tätigkeit im Verwaltungsbeirat der BFS bescheiden müssen, vermindert, ist das geplante Flugsicherungsunternehmen mit der mittelbaren bundeseigenen Luftverkehrsverwaltung vereinbar. Eine unzulässige nicht-staatliche Einflußnahme auf die bundeseigene Flugsicherungs-GmbH bedingte den schon jetzt vorhersehbaren Verfassungsverstoß gegen Art. 87 d GG. Vor allem die GmbH-Mitarbeiter und ihre Gewerkschaftsvertreter könnten auf eine verfassungswidrige Besetzung der Gesellschaftsorgane und erweiterte Mitbestimmungsvereinbarungen drängen. Neben diesen dargestellten Bedenken, die sich gegen eine privatrechtliche Flugsicherungs-GmbH erheben, ist dieses Unternehmen auf seine Vereinbarkeit mit A r t 33 Abs. 4 GG zu untersuchen, da die Aufgaben der BFS "hoheitsrechtliche Befugnisse" im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG sind. Jede Ausnahme vom Beamtenfunktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG bedarf nicht nur einer sachlich zwingenden Begründung, sondern muß auch die drei Stufen der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung erklimmen. Die Untersuchung hat ergeben, daß eine Übertragung der hoheitsrechtlichen Flugsicherungsaufgaben auf die FlugsicherungsGmbH im Wege der Beleihung grundsätzlich zulässig ist, auch wenn sich folgende Bedenken dagegen erheben: So ist die Zielsetzung dieses streitigen Rechtsinstitutes nicht die Beleihung umstrittener staatlicher Privatrechtssubjekte und die Ermöglichung einer Flucht in das Privatrecht über diese 'Insich-Beleihung', sondern die spürbare und verhältnismäßige Entlastung der staatlichen Verwaltung durch die Nutzbarmachung echter privater Ressourcen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wird die Schwere des Eingriffs in die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums gegen das Gewicht und die Dringlichkeit der den Eingriff rechtfertigenden Gründe abgewogen. Je größer die Gefahren sind, die dem Bestand des Berufsbeamtentums drohen, desto stärkerund überzeugender müssen die legitimierenden Gründe zur Errichtung der Flugsicherungs-GmbH sein. Auf der ersten Stufe dieser Prüfung wurde die notwendige Geeignetheit der Flugsicherungs-GmbH untersucht und im Ergebnis bejaht. Die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele der Personalbeschaffung und die Herauslösung dieser GmbH aus den engen öffentlichen haushalts- und beamtenrechtlichen Bindungen können erreicht werden. Für den Personalbereich ist nicht nur die beabsichtigte Deckung des Nachwuchsmangels zu erwarten; vielmehr ist die Flugsicherungs-GmbH zudem geeignet, bislang nur in der Privatwirtschaft erfolgreich eingesetzte Methoden zur Personalführung, -bewertung und -motivation einzusetzen. Neben dem vorgesehenen attraktiven Gehaltsangebot, das neue Mitarbeiter für die Flugsicherung begeistern wird, ermöglichte eine tarifvertraglich zu vereinbarende
I. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
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Heraufsetzung der Altersruhegrenze, die für die BFS-Beamten bei 53 Jahren liegt, eine Überbrückung der in den nächsten Jahren besonders akuten Personalengpässe (insbesondere im Fluglotsenbereich). Die Herauslösung aus dem öffentlichen Haushaltsrecht und den Prinzipien der kameralistischen Wirtschaftsführung wird der Flugsicherungs-GmbH die beabsichtigte unternehmerische Freiheit in den Bereichen Investition und Finanzierung verschaffen und die Zusammenarbeit mit den externen Beratungs-, Wartungs- und Herstellerfirmen erleichtern. Auf der zweiten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung bedingt die Prüfung der Erforderlichkeit des eingesetzten Mittels zur Behebung der Flugsicherungsprobleme die Untersuchung alternativer Organisations- und Rechtsformen. Diese sind dann besser als die Flugsicherungs-GmbH zur Lösung der verfolgten Zwecke geeignet, wenn sie unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte als ein weniger gravierender Eingriff in die grundgesetzliche Garantie des Art. 33 Abs. 4 GG zu qualifizieren sind. Als alternative Privatrechtsformen, die ja von gesetzgeberischer Seite bevorzugt werden, wurden der 'Eingetragene Verein' (e.V.) und die 'Aktiengesellschaft' (AG) auf ihre spezifische Geeignetheit hin untersucht Die für das Privatrecht wünschenswerte große Unabhängigkeit des Vorstandes einer Aktiengesellschaft macht diese ebenso ungeeignet wie die Rechtsform des eingetragenen Vereins, der zwar nicht der Mitbestimmung unterliegt, aber eine gefährlich vielgestaltige Ausformung und Besetzung der Vereinsorgane zuläßt und die Vormachtstellung des Bundes nicht unwiderruflich sichergestellt werden kann. Als alternative öffentlich-rechtliche Organisationsformen wurden neben der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, die Möglichkeiten und Bestimmungen des Poststrukturgesetzes und der supranationalen EUROCONTROL-Agentur untersucht: Die rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts bietet ein diffuses Spektrum von anerkannten und praktizierten Möglichkeiten, deren eindeutige Zuordnung und Eingliederung in ein justiziables System der Rechtslehre bislang nicht gelungen ist und wegen der quasi unübersehbaren Typenvielfalt auch nicht mehr zu erwarten ist. Einigkeit besteht über die größeren gestalterischen Möglichkeiten des Aufbaus einer rechtsfähigen Anstalt, die zudem teilweise von den haushaltsrechtlichen Vorschriften zu entbinden ist. Die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele sind aber in Form der rechtsfähigen Anstalt nicht in dem Umfang (etwa bezüglich des Gehaltsniveaus) zu verwirklichen, wie es der Gesetzentwurf bezweckt Die Reanimation oder Neugründung einer europaweiten EUROCONTROLAgentur und die Ausweitung des zur Zeit gültigen EUROCONTROL- Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den BENELUX-Staaten versprechen die besten Möglichkeiten zur Erreichung des Gesetzeszweckes, ohne gegen den Funktionsvorbehalt des A r t 33 Abs. 4 GG zu verstoßen. Die in A r t 24
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H. Zusammenfassung und Schlußbemerkung
Abs. 1 GG festgelegte Möglichkeit, per Gesetz "Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen" wie EUROCONTROL zu übertragen, wurde schon im Jahre 1963 verfassungsgemäß genutzt und ermöglichte eine bundesdeutsche Beteiligung an der internationalen Flugsicherungs-Agentur, die ihren Mitarbeitern höhere Gehälter zahlen kann als die BFS und nicht dem rigiden bundesdeutschen Haushaltsrecht und Beamtenrecht unterworfen ist Die bundesdeutschen Flugsicherungsprobleme verlangen jedoch nach einer schnellen Lösung, die nicht auf einen notwendigen europaweiten Flugsicherungskonsens warten kann. Da aber die bundesdeutsche Flugsicherungskrise in engem Zusammenhang mit den Nachbarländern gesehen und gelöst werden muß, führt schon mittelfristig keine wirksamer Weg an EUROCONTROL vorbei. Auf der dritten und letzten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung ergab sich die Unverhältnismäßigkeit der geplanten Flugsicherungs-GmbH. Die GmbH bedeutet einen unangemessen schweren Eingriff in die Verfassungsgarantie des Berufsbeamtentums: Die GmbH wird von den verschiedenen Interessengruppen gezielt als Vorbild für weitere Privatisierungsbestrebungen anderer Verwaltungszweige angefühlt werden und das notwendige, aber nicht konsequent eingesetzte Berufsbeamtentum in seinem Bestand gefährden. Neben diese Vorbildfunktion der mit obrigkeitlichen Befugnissen beliehenen Flugsicherungs-GmbH tritt ein weiteres gewichtiges Argument: A r t 33 Abs. 4 GG sichert auch die ständige Erfüllung staatlicher Aufgaben durch nicht streikberechtigte Beamte. Die ständige Sicherung und Aufrechterhaltung des allgemeinen Luftverkehrs wird eine Flugsicherungs-GmbH über tarifvertragliche (Notdienst-)Vereinbarungen nicht sicherstellen können.
Π . Schlußbemerkung An den festgestellten Verstoß der Flugsicherungs-GmbH gegen A r t 33 Abs. 4 GG seien folgende Schlußbemerkungen angefügt: Die Personal- und Haushaltsführungsprobleme der BFS sind keine spezifischen Flugsicherungsprobleme, sondern Engpässe, welche die effiziente Arbeit und ausreichende Versorgung mit Nachwuchsbeamten in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung behindern oder unmöglich machen. Im Aufgabenbereich der BFS jedoch werden diese Engpässe per Flugverspätungen und -Streichungen besonders gut sichtbar. Es mangelt nicht nur an einer Lösung für die drängenden aktuellen Flugsicherungsprobleme, sondern an einer Reform des Haushaltsrechts und des Beamtenrechts. Insbesondere fehlt es hier an differenzierenden leistungsbezogenen Besoldungsstrukturen, die nicht nur die Nachwuchs- sondern auch die Motivationsprobleme in der Beamtenschaft vermindern.
II. Schlußbemeikung
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In der vielschichtigen und komplexen Verwaltung und 'marktlichen Sozialwirtschaft' der Bundesrepublik Deutschland als führender Industrienation mit weltweiten Handelsbeziehungen ist der Idealtypus des universal einsetzbaren Beamten obsolet geworden. An seine Stelle sind in der Verwaltungswirklichkeit vielfach spezialisierte Fachbeamte getreten, die für wesentlich ungleiche Qualifikation und Leistung auch ungleich besoldet werden müssen. Dieser Regelungs- und Handlungsbedarf ist seit Jahrzehnten bekannt Allein mangelnde politische Initiative und Konfliktbereitschaft, sich gegen starke gewerkschaftliche Interessengruppen, gerade auf Beamtenseite, durchzusetzen, hat diese notwendigen Reformen verhindert. Einen probaten Ausweg aus den hinlänglich bekannten Problemen sieht man bis heute in dem nach h.M. zulässigen Ausweichen in das Privatrecht Die staatliche 'Insich-Beleihung' in Form der Flugsicherung-GmbH ist nur ein spektakuläres Beispiel dieser vielfach geübten Praxis, die durch das 'Veto' des Bundespräsidenten einen Dämpfer erfahren hat.
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