Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform 2007: Verfassungs- und europarechtliche Probleme des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes [2 ed.] 9783428526536, 9783428126538

Die im November 2006 erschienene 1. Auflage bezog sich noch auf den Entwurf eines GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-

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Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform 2007: Verfassungs- und europarechtliche Probleme des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes [2 ed.]
 9783428526536, 9783428126538

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Schriften zum Gesundheitsrecht Band 5 HELGE SODAN

Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform 2007 Verfassungs- und europarechtliche Probleme des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes Zweite, überarbeitete Auflage

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

HELGE SODAN

Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform 2007

Schriften zum Gesundheitsrecht Band 5 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR), Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin a. D.

HELGE SODAN

Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform 2007 Verfassungs- und europarechtliche Probleme des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes

Zweite, überarbeitete Auflage

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 2006 Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-1385 ISBN 978-3-428-12653-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die 1. Auflage der vorliegenden Schrift, die im November 2006 erschienen ist, bezog sich noch auf den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG)“, den die Bundestagsfraktionen der CDU / CSU und SPD nach monatelangen heftigen Auseinandersetzungen um die Gesundheitsreform am 24. Oktober 2006 beschlossen hatten. Der ungewöhnliche Schritt einer rechtswissenschaftlichen Publikation zu einem Gesetzentwurf wurde durch die sehr freundliche Aufnahme und das große öffentliche Interesse bestätigt, auf das die Schrift gestoßen ist; dies gilt gerade auch für die politischen Diskussionen während des Gesetzgebungsverfahrens. Nicht zuletzt unter dem Druck verfassungsrechtlicher Argumente ist es im Laufe dieses Verfahrens zu einigen substantiellen Änderungen des Gesetzentwurfs gekommen. Daher liegt es nahe, eine überarbeitete 2. Auflage vorzulegen, die sich auf das vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossene Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 bezieht. Wie schon der vorausgegangene Entwurf enthält das GKV-WSG unter anderem Regelungen, die das Recht der privaten Krankenversicherung (PKV) nachhaltig ändern. Dazu gehört die verpflichtende Einführung eines Basistarifs mit einem der GKV vergleichbaren Leistungsumfang und mit Kontrahierungszwang für die Versicherungsunternehmen ohne vorangegangene Risikoprüfung; zugangsberechtigt sollen die Nicht-(mehr)-Versicherten, die freiwillig in der GKV Versicherten und alle PKV-Versicherten sein. Dem Gesetzentwurf zufolge werden die Alterungsrückstellungen eines in der PKV Versicherten künftig bei einem Wechsel des Versicherers im Umfang des Basistarifs angerechnet. Eine finanzielle Unterstützung der Krankenversicherung von Kindern aus Steuermitteln ist nur für die GKV und nicht auch für die PKV vorgesehen. Die genannten Maßnahmen werfen schwerwiegende verfassungs- und europarechtliche Probleme auf, die in der nachfolgenden Untersuchung eingehend behandelt werden. Damit will die Schrift einen Beitrag zur Versachlichung der teilweise sehr emotional geführten Diskussion leisten und zugleich den Blick dafür schärfen, dass sich jede Reformpolitik zunächst an den Vorgaben der Verfassung sowie des europäischen Gemeinschaftsrechts und nicht an ideologischen Wunschvorstellungen auszurichten hat. Nicht berücksichtigen konnte die Neuauflage den von der Bundesregierung eingebrachten und vom Bundestag in zweiter sowie dritter Lesung am 5. Juli 2007

6

Vorwort

beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (BR-Drucks. 583 / 07); die Beschlussfassung seitens des Bundesrates steht noch aus. Art. 10 dieses Gesetzentwurfs sieht die Aufhebung von Art. 43 GKV-WSG vor, der Änderungen des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) enthält. Art. 11 Abs. 1 des Gesetzentwurfs betrifft das Kapitel 8 des VVG über die Krankenversicherung. Dabei soll es zu einer inhaltsgleichen Übernahme der entsprechenden Regelungen des GKV-WSG kommen; lediglich die Zählweise der Normen wird sich ändern. Folgerichtig haben Art. 11 Abs. 2 und 3 des Gesetzentwurfs Änderungen des § 12 Abs. 1b des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) sowie des § 13 Abs. 5 der Kalkulationsverordnung (KalV) zum Gegenstand, in denen auf Normen des VVG verwiesen wird. Wegen des noch nicht abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahrens werden nachfolgend die einschlägigen Vorschriften des GKVWSG zugrunde gelegt. Sollte Art. 11 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts – wie derzeit beabsichtigt – am 1. Januar 2009 in Kraft treten, werden die dem GKV-WSG entsprechenden Normen leicht auffindbar sein. Für sehr wertvolle und ausdauernde Unterstützung danke ich erneut herzlich Herrn Rechtsanwalt Dr. Marc Schüffner, der bis vor kurzem wissenschaftlicher Mitarbeiter an meinem Lehrstuhl an der Freien Universität Berlin war und noch für das Deutsche Institut für Gesundheitsrecht (DIGR) tätig ist. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner wiederum Herrn Dr. Florian R. Simon (LL.M.) und Frau Heike Frank, Duncker & Humblot GmbH, für die überaus zügige Veröffentlichung der Schrift. Berlin, im August 2007

Helge Sodan

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Erster Teil Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

17

A. Gesetzgebungsverfahren und Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

1. Portabilität der Alterungsrückstellungen innerhalb der PKV . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

2. Portabilität der Alterungsrückstellungen zwischen GKV und PKV . . . . . . . . . . .

22

II. Beurteilung der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

1. Konsequenzen für die Kalkulation der Beitragssätze und die Zukunft der PKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

a) Grundsätze der Beitragskalkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

aa) Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

bb) Risikoverteilung auf die Versichertengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

cc) Alterungsrückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

b) Versicherungsmathematische Unmöglichkeit der Individualisierung von Alterungsrückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

aa) Berechnung der Alterungsrückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

bb) Vererbung von Alterungsrückstellungen als notwendiges Element der Beitragskalkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

cc) Kollektive Risikozurechnung als Basis der Kalkulation von Alterungsrückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

c) Zerstörung der PKV als Folge der Einführung der Portabilität von Alterungsrückstellungen im bisherigen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

aa) Rechenmodelle für die versicherungsmathematische Zuordnung von Alterungsrückstellungen zu einem bestimmten Versicherten . . . . . . . . .

29

(1) Transfer der risikogruppenbezogen kalkulierten Alterungsrückstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

8

Inhaltsverzeichnis (2) Anpassung der Alterungsrückstellungen an das Individualrisiko . .

30

(3) Ergänzung der Alterungsrückstellung um rentenversicherungsrechtliche Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

(4) Portabilisierung der Alterungsrückstellungen im Umfang des Basistarifs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

(5) Wechsel des Versicherungsunternehmens innerhalb eines Basisschutzes für Neukunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

(6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

bb) Konsequenzen der Übertragbarkeit von Alterungsrückstellungen für die PKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

(1) Risikoselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

(2) Erhöhung der Beitragssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

(3) Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

(4) Verhinderung des Wettbewerbs innerhalb der PKV sowie zwischen GKV und PKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

(5) Zerstörung der PKV als leistungsfähige Systemalternative zur GKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

2. Rechtlicher Gestaltungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

a) Portabilität der Alterungsrückstellungen beim Wechsel zwischen privaten Krankenversicherern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

(1) Grundrechte der privaten Krankenversicherungsunternehmen . . . .

39

(a) Wettbewerbs- und Kalkulationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

(b) Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

(aa) Idealkonkurrenz zwischen Eigentums- und Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

(bb) Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

(cc) Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

(dd) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

(c) Rückwirkungsverbot zum Schutz des Vertrauens . . . . . . . . . . . . .

49

(2) Grundrechte der bislang in der PKV Versicherten (Altbestand), die einen Wechsel des Versicherungsunternehmens beabsichtigen

50

(a) Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

(aa) Alterungsrückstellung in der PKVals individuelle Eigentumsposition des einzelnen Versicherten? . . . . . . . . . . . . . . .

51

(bb) Weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Realisierung der grundrechtlichen Schutzpflicht . . . . . . . .

54

(b) Schutz der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

(c) Allgemeiner Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

Inhaltsverzeichnis (3) Grundrechte der bislang privat Krankenversicherten (Altbestand), die keinen Unternehmenswechsel beabsichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Allgemeiner Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

58 58 59 61 62

(4) Grundrechte eines bislang nicht in der PKV Versicherten, der eine Versicherung in der PKV anstrebt (Neukunde) . . . . . . . . . . . . . . (a) Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Privatautonomie vor Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Absicht des Neukunden, die Alterungsrückstellung im Kollektiv zu belassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Absicht des Neukunden, portable Alterungsrückstellungen zu vereinbaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Schutz der Privatautonomie nach Vertragsschluss . . . . . . .

64 65

(5) Sozialstaatliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

bb) Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

(1) Europarechtlicher Gestaltungsrahmen für mitgliedstaatliche Regelungen der PKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

(2) Art. 54 Dritte Richtlinie Schadenversicherung vom 18. Juni 1992 (92 / 49 / EWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

(3) Art. 56 Versicherungsbilanzrichtlinie vom 19. Dezember 1991 (91 / 674 / EWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

(4) Art. 15 Abs. 1 Erste Richtlinie Schadenversicherung vom 24. Juli 1973 (73 / 239 / EWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

b) Portabilität der Alterungsrückstellungen beim Wechsel zwischen PKV und GKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

63 63 63 63

aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

(1) Grundrechte der Krankenversicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . .

71

(2) Grundrechte der Altbestandskunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

(3) Grundrechte der Neukunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

bb) Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

III. Rechtskonforme Gestaltungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

I. Bisherige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

II. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

III. Beurteilung der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

1. Konsequenzen für die Kalkulation der Beitragssätze der PKV . . . . . . . . . . . . . . .

78

10

Inhaltsverzeichnis 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

a) Grundrechte der privaten Krankenversicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . .

80

aa) Wettbewerbs- und Kalkulationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

(1) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

(2) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

(a) Nicht mehr Versicherte wegen Zahlungsverzugs und nachfolgender Kündigung des Versicherungsvertrags . . . . . . . . . . . . .

81

(b) Nicht mehr Versicherte wegen Drohung, arglistiger Täuschung oder arglistiger Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

(c) Freiwillig in der GKV Versicherte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

(d) Zwangsweise Einführung eines Basistarifs für alle in der PKV Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

bb) Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

(1) Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

(2) Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

(3) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

cc) Rückwirkungsverbot zum Schutz des Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

b) Grundrechte der Altbestandskunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

aa) Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

bb) Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

c) Grundrechte der Neukunden mit Zugangsberechtigung zum Basistarif . . .

91

d) Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

3. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

IV. Rechtskonforme Gestaltungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

D. Steuerfinanzierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern nur für die GKV

97

I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

II. Beurteilung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

1. Einfachgesetzliche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

2. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

a) Besonderer Schutz der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

b) Allgemeiner Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Differenzierung bei der Finanzierung der Krankenversicherung für Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Inhaltsverzeichnis

11

(1) Vergleichsgruppen: Versicherte in GKV und PKV, die Steuern zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Verfassungsrechtliche Legitimität der Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . 102 3. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Rechtskonforme Gestaltungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Zweiter Teil Zusammenfassung in Leitsätzen

108

I. Gesetzgebungsverfahren und Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Portabilität der Alterungsrückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 IV. Steuerfinanzierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern nur für die GKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Abkürzungsverzeichnis Abs. a. F. AöR Art. Aufl. BAGE Bd. BGBl. I BGH BGHZ BR-Drucks. BT-Drucks. Buchst. BVerfG BVerfGE BVerwGE d. h. ders. dies. DÖV DVBl. EGV etc. EU EuGH EuZW f., ff. Fn. GesR GG GKV GKV-WSG GKV-WSG-E HGB

Absatz alte Fassung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Artikel Auflage Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Band Bundesgesetzblatt, Teil I Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Drucksachen des Bundesrates Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksache Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts das heißt derselbe dieselbe(n) Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende Fußnote GesundheitsRecht (Zeitschrift) Grundgesetz Gesetzliche Krankenversicherung Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) Handelsgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis Hrsg. Hs. KalV Kammerbeschl. MB / KK m. w. N. n. F. NJW NJW-RR NVersZ NVwZ NZS o. ä. OLG PKV Rn. Rz. S. SG SGB SGb. sog. st. Rspr. u. a. VAG VersR VersW Vorb. VVDStRL VVG ZfV ZVersWiss

Herausgeber Halbsatz Kalkulationsverordnung Kammerbeschluss Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht oder ähnlichem Oberlandesgericht Private Krankenversicherung Randnummer Randzahl Seite Sozialgericht Sozialgesetzbuch Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) so genannte(n) ständige Rechtsprechung und andere Versicherungsaufsichtsgesetz Versicherungsrecht (Zeitschrift) Versicherungswirtschaft (Zeitschrift) Vorbemerkungen Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Gesetz über den Versicherungsvertrag Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

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Einleitung Das beherrschende innenpolitische Thema in Deutschland war 2006 bis über den Jahreswechsel hinaus die jüngste Gesundheitsreform.1 Deren Kern bildet das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 20072, das Grundstrukturen nicht nur der gesetzlichen, sondern auch der privaten Krankenversicherung (PKV) wesentlich verändert.3 Zunächst war in den von der Bundesregierung am 12. Juli 2006 beschlossenen „Eckpunkte(n) zu einer Gesundheitsreform 2006“ ausdrücklich festgehalten worden, dass „das plurale System des deutschen Gesundheitswesens [ . . . ] im Sinne eines fairen Wettbewerbs zwischen den privaten Krankenversicherungen (PKV) und den gesetzlichen Krankenkassen erhalten bleiben (soll). Daher müssen die privaten Krankenversicherungen auch zukünftig als Vollversicherer im Markt bleiben.“ Der nach dieser Feststellung denkbare erste Eindruck, dass die Stellung der PKV im deutschen Gesundheitssystem durch das GKV-WSG weitgehend unangetastet bleibt, trügt allerdings. Die in diesem Gesetz enthaltenen Regelungen werden schwerwiegende Konsequenzen sowohl für die Binnenstruktur der PKV als auch für das Verhältnis zwischen PKV und GKV haben. Sie berühren die Grundrechte der privaten Krankenversicherer und ihrer Kunden. Überdies speist sich der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab aus rechts- und sozialstaatlichen Begrenzungen des legislativen Gestaltungsspielraums. Schließlich ist eine Überprüfung hinsichtlich der Wahrung europarechtlicher Vorgaben notwendig, um die im Entwurf hinsichtlich der PKV beschriebenen Regelungsvorhaben umfassend rechtlich einzuordnen. Ein wesentliches Regelungselement ist die Einführung der Portabilität von Alterungsrückstellungen der PKV. Daraus ergeben sich unmittelbare Folgen für die Kalkulationsbasis privater Versicherer. Die Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang ohne vorangegangene Risikoprüfung wird ebenfalls die gegenwärtige Kalkulationsstruktur der PKV weitgehend umgestalten. Während das Finanzierungsmodell der Versicherung von Kindern in der PKV unangetastet bleibt, sieht der Gesetzentwurf vor, die beitragsfreie Kinderversicherung in der 1 Siehe zu den verschiedenen gesetzgeberischen Schritten und zu Einzelfragen Helge Sodan, Gesundheitsreform 2006 / 2007 – Systemwechsel mit Zukunft oder Flickschusterei?, in: NJW 2006, S. 3617 ff.; ders. / Marc Schüffner, Staatsmedizin auf dem Prüfstand der Verfassung. Zur aktuellen Reformgesetzgebung im Gesundheitswesen, 2006. 2 BGBl. I, S. 378. 3 Siehe zu einem Überblick über das GKV-WSG Helge Sodan, Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, in: NJW 2007, S. 1313 ff.

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Einleitung

GKV (teilweise) durch Steuermittel zu finanzieren. Die in der PKV versicherten Steuerzahler müssen sich somit an der Finanzierung der GKV beteiligen, ohne dass ihren Kindern ein ähnlicher Vorteil gewährt wird. Die genannten Maßnahmen werfen ebenso wie der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens schwerwiegende verfassungs- und europarechtliche Probleme auf, denen sich die nachfolgende Untersuchung widmet.

Erster Teil

Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV A. Gesetzgebungsverfahren und Parlamentsvorbehalt Der von den Fraktionen von CDU / CSU und SPD in den Bundestag eingebrachte Entwurf des GKV-WSG vom 24. Oktober 2006 umfasste 216 Druckseiten.4 Davon entfielen schon 84 Seiten auf die jeweils zweispaltig angeführten Änderungen bundesgesetzlicher Regelungen, der Rest auf deren Begründung. Insgesamt 44 Gesetze und Verordnungen sollten teilweise umfangreich geändert werden. Die Bundesregierung brachte ebenfalls einen eigenen Entwurf des GKV-WSG vom 20. Dezember 2006 in den Bundestag ein, dessen Text mit dem des Entwurfs der Fraktionen von CDU / CSU und SPD identisch war.5 Die Entstehung des GKV-WSG war von lang anhaltenden politischen Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionsparteien CDU / CSU und SPD sowie mehreren Bundesländern um wesentliche Regelungselemente des Entwurfs geprägt, die umfangreiche Modifikationen des geplanten Regelungsvorhabens notwendig machten. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Entwurf der Regierungsfraktionen eine Vielzahl von Änderungen des Gesetzentwurfs vorgeschlagen,6 die durch die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vollständig zurückgewiesen wurden. Daneben brachte der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Verbesserung von Fusionsprozessen von Krankenkassen in den Bundestag ein.7 Die Fraktionen von FDP8, Bündnis 90 / Die Grünen9 und der Linken10 stellten jeweils eigene Anträge. Nachdem sich führende Vertreter von CDU / CSU und SPD nach monatelangem Streit in verschiedenen Gesprächen auf umfangreiche Änderungen ihres eigenen Gesetzentwurfs verständigt hatten, wurden diese Modifikationen als ÄnderungsBT-Drucks. 16 / 3100. BT-Drucks. 16 / 3950. 6 BT-Drucks. 16 / 3950, S. 8 – 46. 7 BT-Drucks. 16 / 1037. 8 BT-Drucks. 16 / 1997. 9 BT-Drucks. 16 / 1928. 10 BT-Drucks. 16 / 3096. 4 5

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

anträge zunächst dem Bundestagsausschuss für Gesundheit zugeleitet. Dies erfolgte am späten Abend des 30. Januar 2007. Am nächsten Morgen tagte dann der Ausschuss. Dieser hatte über eine Beschlussempfehlung zu entscheiden, die sich in ihrer elektronischen Vorabfassung auf 266 Seiten mit 81 Anträgen betreffend Änderungen des ursprünglichen Entwurfs des GKV-WSG erstreckte11. Diese Änderungen betrafen gerade auch wesentliche Regelungen zur PKV. Nur diejenigen Ausschussmitglieder, die auf jeglichen Schlaf in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 2007 verzichteten, hatten eine Chance, auch nur annähernd nachzuvollziehen, was letztlich wiederum im Bundesministerium für Gesundheit unter größtem Zeitdruck erarbeitet worden war. Der das gesamte Regelungsvorhaben betreffende Bericht des Ausschusses für Gesundheit, der zum Verständnis der Änderungsanträge unerlässlich ist, stammt vom 1. Februar 2007 und lag somit in der entscheidenden Sitzung des Ausschusses für Gesundheit noch nicht vor; er umfasste in der elektronischen Vorabfassung 105 Seiten.12 Einen Tag später – am 2. Februar 2007 – fand dann im Plenum des Deutschen Bundestages die dritte und letzte Lesung des Gesetzentwurfs statt; eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten stimmte der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu. Angesichts dieses zeitlichen Ablaufs des Gesetzgebungsverfahrens drängt sich die Frage auf, wie viele Abgeordnete eigentlich wussten, worüber sie abstimmten. Damit sind nicht ungefähre Kenntnisse gemeint, sondern ein genaues Wissen von einem Regelungsbereich, der so kompliziert ist, dass es eben um Details geht und nicht nur um vage Vorstellungen. Aufgrund der Kurzfristigkeit der Vorlage der umfangreichen Änderungen des Gesetzentwurfs war es für die Abgeordneten praktisch unmöglich, sich mit der Materie in einer ihrer Komplexität angemessenen Weise zu beschäftigen. In diesem Sinne hat der Abgeordnete Friedrich Merz in seiner am 2. Februar 2007 abgegebenen Erklärung zur Abstimmung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Folgendes gerügt: „Das Gesetzgebungsverfahren selbst hat eine angemessene Beratung und Beschlussfassung eines Gesetzes von solcher Tragweite im Deutschen Bundestag nicht ermöglicht. Insbesondere die noch in den letzten Tagen beschlossenen, umfangreichen Änderungen des Gesetzentwurfs haben die Abgeordneten auch in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages kaum noch beraten und in ihrer Wirkung beurteilen können.“ Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus den Staatsstrukturprinzipien von Demokratie und Rechtsstaat, dass der parlamentarische Gesetzgeber die „grundlegenden“13, „wesentlichen Entscheidungen“14 selbst treffen muss und diese nicht der Exekutive überlassen darf. Dem vom Parlament BT-Drucks. 16 / 4200. BT-Drucks. 16 / 4247. 13 BVerfGE 33, 303 (346). 14 BVerfGE 45, 400 (417 f.); 47, 46 (78 f.); 49, 89 (126 f.); 58, 257 (268 f.); 82, 209 (224); 98, 218 (251). 11 12

A. Gesetzgebungsverfahren und Parlamentsvorbehalt

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beschlossenen Gesetz kommt nämlich „gegenüber dem bloßen Verwaltungshandeln die unmittelbarere demokratische Legitimation zu, und das parlamentarische Verfahren gewährleistet ein höheres Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche und damit auch größere Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen.“15 Das Rechtsstaatsprinzip fordert, „die öffentliche Gewalt in allen ihren Äußerungen auch durch klare Kompetenzordnung und Funktionentrennung rechtlich zu binden, so daß Machtmißbrauch verhütet und die Freiheit des Einzelnen gewahrt wird“.16 „Die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, der Vorrang des Gesetzes also, würden ihren Sinn verlieren, wenn nicht schon die Verfassung selbst verlangen würde, daß staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen nur Rechtens ist, wenn es durch das förmliche Gesetz legitimiert wird.“17 Die damit begründete so genannte Wesentlichkeitstheorie hat das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert. Es hielt zur Bestimmung des „Wesentlichen“ ein Vorgehen „mit großer Behutsamkeit“ für geboten und sprach von den „Gefahren einer zu weitgehenden Vergesetzlichung“; im „grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet [ . . . ] ,wesentlich‘ in der Regel ,wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte‘“.18 Die Wesentlichkeitstheorie lässt sich nicht nur zur Beantwortung der Frage, ob überhaupt eine formell-gesetzliche Grundlage geboten ist, sondern gerade auch zur Klärung der notwendigen Regelungsdichte fruchtbar machen: Da die wesentlichen Entscheidungen dem Parlament selbst vorbehalten bleiben und als „parlamentarische Leitentscheidungen“ 19 somit durch formell-gesetzliche Festlegungen erfolgen sollen, wird der traditionelle Vorbehalt des Gesetzes für einen bestimmten Bereich zum Parlamentsvorbehalt fortentwickelt. Der Umfang des parlamentarischen Regelungsvorbehalts bemisst sich „nach der Intensität, mit welcher die Grundrechte der Regelungsadressaten betroffen werden“.20 Der Gesetzgeber kann den Umfang der Einschränkung von Grundrechten etwa von Patienten, Ärzten oder privaten Krankenversicherern aber nur dann selbst bestimmen, wenn er die mit seinen Vorschriften verbundenen Grundrechtseingriffe überhaupt im Blick hat.21 Die Wesentlichkeitstheorie verpflichtet also nicht nur zu einem formalen Parlamentsbeschluss, sondern auch dazu, den Parlamentariern einen der Komplexität der jeweiligen Regelungsmaterie angemessenen und ausreichenden Zeitraum zu einer Meinungsbildung zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung dafür ist eine BVerfGE 40, 237 (249). BVerfGE 33, 125 (158). 17 BVerfGE 40, 237 (248 f.). Siehe zur Bedeutung des Rechtsstaatsprinzips näher Helge Sodan, Kollegiale Funktionsträger als Verfassungsproblem. Dargestellt unter besonderer Berücksichtigung der Kunststoffkommission des Bundesgesundheitsamtes und der Transparenzkommission, 1987, S. 450 ff. 18 BVerfGE 47, 46 (79). Vgl. etwa auch BVerfGE 57, 295 (321); 98, 218 (251). 19 BVerfGE 47, 46 (83); 58, 257 (271). 20 BVerfGE 58, 257 (274). 21 Vgl. dazu Sodan / Schüffner (Fn. 1), S. 4 ff. 15 16

20

1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

rechtzeitige und vorausgehende Mitteilung des jeweiligen konkreten Regelungsgegenstandes, d. h. der entsprechenden Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen, über welche die Abgeordneten befinden sollen. Ein nur wenige Stunden umfassender Zeitraum wie beim GKV-WSG ist angesichts des Umfangs des Gesetzesvorhabens eindeutig zu knapp bemessen. Von besonderer Bedeutung ist vor allem, dass es sich um substanzielle, grundrechtsrelevante Änderungen handelte. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Rechtsprechung zwar – soweit ersichtlich – zur Wahrung des Parlamentsvorbehalts jeweils mit einem formalen Parlamentsbeschluss begnügt und keine darüber hinausgehenden Anforderungen gestellt. Der konkrete Verfahrensablauf beim GKV-WSG kollidiert jedoch mit den Grundsätzen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen wesentlicher parlamentarischer Entscheidungen.

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen I. Regelungsinhalt Das GKV-WSG verändert die krankenversicherungsrechtliche Einordnung der Alterungsrückstellungen grundlegend. Die komplex geregelte Portabilität der Alterungsrückstellungen unterscheidet sich sowohl im Hinblick auf die Frage, ob ein Tarifwechsel nur innerhalb desselben Versicherungsunternehmens oder aber ein Wechsel des Versicherers erfolgt, als auch bezüglich der Unterscheidung zwischen einem Wechsel in eine andere Krankheitskostenvollversicherung oder in den Basistarif. Der neu gefasste § 178f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG sieht vor, dass der Versicherungsnehmer vom Versicherer verlangen kann, dass dieser Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt. Eine Befristung erfolgt insoweit nicht. Beabsichtigt der Versicherte, in den Basistarif zu wechseln, ist dies unter Anrechnung der Alterungsrückstellungen nur möglich, wenn die bestehende Krankheitskostenversicherung nach dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde (Nr. 1 Buchst. a), der Versicherungsnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat oder anderenfalls die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt und diese Rente beantragt hat oder ein Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen oder vergleichbaren Vorschriften bezieht oder hilfebedürftig nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ist (Nr. 1 Buchst. b) oder die bestehende Krankheitskostenversicherung vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen und der Wechsel in den Basistarif vor dem 1. Juli 2009 beantragt wurde (Nr. 1 Buchst. c). § 178f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG regelt den Anspruch des Versicherten auf Übertragung von Alterungsrückstellungen gegenüber dem bisherigen Versicherungs-

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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unternehmen bei Kündigung des Vertrages und gleichzeitigem Abschluss eines neuen Krankenversicherungsvertrages bei einem neuen Versicherer. Nach Nr. 2 Buchst. a umfasst dieser Anspruch die Übertragung der kalkulierten Alterungsrückstellung des Teils der Versicherung, deren Leistungen dem Basistarif entsprechen, an den neuen Versicherer, sofern die gekündigte Krankheitskostenversicherung nach dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde. Wenn diese vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde und die Kündigung vor dem 1. Juli 2009 erfolgt, besitzt der Versicherte nach Nr. 2 Buchst. b beim Abschluss eines Vertrages im Basistarif einen Übertragungsanspruch für die kalkulierte Alterungsrückstellung des Teils der Versicherung, dessen Leistungen dem Basistarif entsprechen. Gemäß § 178f Abs. 1 Satz 2 VVG kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer die Vereinbarung eines Zusatztarifs verlangen, in dem die über den Basistarif hinaus gehende Alterungsrückstellung anzurechnen ist, soweit die Leistungen in dem Tarif, aus dem der Versicherungsnehmer wechseln will, höher und umfassender sind als im Basistarif. Auf diese Ansprüche kann gemäß § 178f Abs. 1 Satz 3 VVG nicht verzichtet werden. Entsprechend wird die Portabilität der Alterungsrückstellung hinsichtlich des dem Basistarif entsprechenden Bestandteils der Versicherung für die nach dem 1. Januar 2009 abgeschlossenen Verträge auch im neuen § 12 Abs. 1 Nr. 5 VAG geregelt. Der fiktive Übertragungswert ergibt sich nach dem neu eingefügten § 13a Abs. 1 KalV als Summe aus der Alterungsrückstellung, die aus dem Beitragszuschlag gemäß § 12 Abs. 4a VAG entstanden ist, und der Alterungsrückstellung für die gekündigten Tarife, höchstens jedoch der Alterungsrückstellung, die sich ergeben hätte, wenn der Versicherte von Beginn an im Basistarif versichert gewesen wäre. Die im Gesetzentwurf der Bundestagsfraktionen von CDU / CSU und SPD22 noch vorgesehenen mehrjährigen Übergangsfristen für die Übertragung dieser fiktiven Alterungsrückstellungen sind in der vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossenen Fassung des GKV-WSG nicht mehr enthalten. Nach § 161 VAG, § 13a Abs. 3 KalV sollte bis zum 31. Dezember 2012 die fiktive Alterungsrückstellung nur anteilig übertragen werden: Wer bei Versicherungsbeginn das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hätte, dem wäre ein Beginn der Versicherung des Basistarifs mit Vollendung des 40. Lebensjahres unterstellt worden. Hätte der Versicherte zum Zeitpunkt des Wechsels das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet, wäre der Zeitpunkt des Wechsels als Beginn der Versicherung im Basistarif unterstellt worden. Die Übergangsfrist hätte nicht für den Beitragszuschlag nach § 12 Abs. 4 VAG und die Direktgutschrift gemäß § 12a Abs. 2 VAG gegolten.

Den neuen Regelungen liegt nach den Vorstellungen der Regierungskoalition das Ziel zugrunde, die Wettbewerbsdynamik innerhalb des Gesamtsystems der Krankenversicherung zu steigern.23

22 23

BT-Drucks. 16 / 3100. Vgl. die Begründung des GKV-WSG-E, BT-Drucks. 16 / 3100, S. 85 ff.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

1. Portabilität der Alterungsrückstellungen innerhalb der PKV Die vorstehend beschriebenen Regelungen betreffen alle Versicherten der privaten Krankenversicherungsunternehmen. Eine Anrechnung von Alterungsrückstellungen des Versicherungsnehmers ist nicht nur auf den Tarifwechsel innerhalb desselben Unternehmens beschränkt, sondern auch bei einem Wechsel des Unternehmens durch den Versicherungsnehmer möglich.

2. Portabilität der Alterungsrückstellungen zwischen GKV und PKV In der GKV werden bislang keine Alterungsrückstellungen gebildet. Die im Eckpunktepapier ursprünglich vorgesehene gesetzliche Regelung für den Transfer von Alterungsrückstellungen „beim Wechsel zwischen den Systemen“ kann deshalb nach der bisherigen Versicherungssystematik ausschließlich den Wechsel von der PKV in die GKV betreffen, weil nur in diesem Fall schon gebildete Alterungsrückstellungen mitgegeben werden könnten. Bei einem Wechsel eines Versicherungsnehmers von der GKV zur PKV könnten Alterungsrückstellungen dagegen generell nicht angerechnet werden, weil diese bei der GKV nicht bestanden haben. Alterungsrückstellungen müssten dann nachträglich über erhöhte Beiträge oder auf Kosten des Versicherers gebildet werden. Der Transfer von Alterungsrückstellungen eines zunächst in der PKV versicherten Versicherungsnehmers, der in die GKV wechselt, hätte überdies zur Konsequenz, dass die Alterungsrückstellungen dort dem Versicherten individuell nicht angerechnet werden können, weil die GKV die Alterungsrückstellung als bilanzrechtliches Institut nicht kennt und das Alter des Versicherungsnehmers nicht dessen Beitragssatz beeinflusst. Die mitgebrachten Alterungsrückstellungen würden deshalb in diesem Fall allgemein dem Vermögen der einzelnen Krankenkasse zufließen.

II. Beurteilung der Regelungen Eine sachgerechte Beurteilung der Einführung der Portabilität von Alterungsrückstellungen muss sowohl eine Darstellung ihrer versicherungsmathematischen Grundlagen als auch die Beschreibung des Regelungsrahmens umfassen, den der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zu beachten hat. Mit der Einordnung der Alterungsrückstellungen in das Gesamtsystem der PKV ist zudem implizit auch die Perspektive bezüglich der prognostizierbaren Konsequenzen für die PKV bei der Einführung der Transfermöglichkeit dieser Alterungsrückstellungen verbunden. Die Folgen für die PKV sind wiederum bei der verfassungs- und europarechtlichen Beurteilung der Portabilität von Alterungsrückstellungen zu berücksichtigen. Die finanziellen Konsequenzen des Regelungsvorhabens für die PKV

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

23

und die rechtliche Darstellung des legislativen Gestaltungsrahmens stehen somit in systematischer Konnexität zueinander.

1. Konsequenzen für die Kalkulation der Beitragssätze und die Zukunft der PKV Die Leistungsfähigkeit und finanzielle Existenz der PKV sind abhängig von der sachgerechten Kalkulation der Beitragssätze für die Versicherten. Die Einführung der Portabilität von Alterungsrückstellungen verändert die versicherungsmathematische Basis der Beitragskalkulation grundlegend und wirkt sich sowohl für die in der PKV Versicherten als auch für die Versicherungsunternehmen erheblich aus. a) Grundsätze der Beitragskalkulation Die vom Versicherungsnehmer zu entrichtende Bruttoprämie setzt sich in der PKV aus mehreren Elementen zusammen. Dazu gehören als wichtigster Bestandteil der Nettobeitrag, ferner die Abschluss-, Schadenregulierungs- und sonstigen Verwaltungskosten (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 KalV) sowie der Sicherheitszuschlag für ein unerwartetes Ansteigen der Kosten gemäß § 7 KalV. Außerdem wird nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 KalV ein Zuschlag für die erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung erhoben, die in Betracht kommt, wenn der Versicherte im Beitragsjahr bei seiner Krankenversicherung keine Krankheitskosten geltend gemacht hat. Der Nettobeitrag unterfällt wiederum in einen Risikobeitrag, der die entsprechend des jeweiligen Risikos wahrscheinlich anfallenden Krankheitskosten (Kopfschäden, vgl. § 6 KalV) decken soll, und die gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 VAG, §§ 3, 16 KalV zu bildenden Alterungsrückstellungen. Nach § 12 Abs. 4a Satz 1 VAG muss der Versicherte spätestens mit Beginn des Kalenderjahres, das auf die Vollendung seines 21. Lebensjahres folgt, bis Ende des Jahres, in dem er sein 60. Lebensjahr vollendet, einen Zuschlag in Höhe von zehn Prozent der jährlichen gezillmerten Bruttoprämie entrichten, die den Alterungsrückstellungen zugeführt und zur Prämienermäßigung im Alter verwandt wird. Die substitutive Krankenversicherung, die geeignet ist, die GKV ganz oder teilweise zu ersetzen, darf gemäß § 12 Abs. 1 VAG nur nach Art einer Lebensversicherung betrieben werden. Ebenso sind arbeitgeberseitige Zuschüsse nach § 257 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 SGB V zum Versicherungsbeitrag nur gestattet, wenn das Versicherungsunternehmen diese Krankenversicherung nach Art einer Lebensversicherung betreibt. Die Prämien müssen deshalb – wie von § 12 Abs. 1 Nr. 1 VAG gefordert – auf versicherungsmathematischer Grundlage berechnet werden. Dazu gehört entscheidend auch die Wahrscheinlichkeitsprognose der Realisierung des Versicherungsrisikos, mithin der Entstehung der Krankheitskosten. Den versicherungsrechtlichen Rahmen für das Verhältnis von Risikoeinschätzung und Beitragshöhe bilden die Anwendung des Äquivalenzprinzips und die kollektive Risikoverteilung.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

aa) Äquivalenzprinzip Das Verhältnis zwischen dem Beitragssatz des Versicherungsnehmers und der Bezahlung der Krankheitskosten durch das Versicherungsunternehmen ist entscheidend vom Äquivalenzprinzip geprägt. Nach diesem Grundsatz entspricht der Barwert der Beitragszahlungen dem Wert der Leistungsausgaben.24 Der zeitliche Maßstab für die Einhaltung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung ist dabei der gesamte Zeitraum, in dem das Versicherungsverhältnis zwischen dem Versicherten und seiner Krankenversicherung besteht. Weil zum Zeitpunkt der Beitragsfestsetzung nur die Wahrscheinlichkeit der Dauer und Schwere von Erkrankungen prognostiziert werden und die tatsächliche Realisierung von dieser Prognose abweichen kann, sind kontinuierliche Beitragsanpassungen erlaubt, um eine Inäquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung zu vermeiden. Der personale Maßstab für die Äquivalenz bezieht sich auf diejenige Gruppe der Versicherten gleichen Geschlechts und gleichen Eintrittsalters mit einem ähnlich großen Risiko der Inanspruchnahme von Leistungen aus einem vergleichbaren Leistungskatalog.25 Die Äquivalenz zielt also nicht auf den einzelnen Versicherten ab, sondern berücksichtigt ihn nur als Mitglied einer bestimmten Risikogruppe (Kohorte).26 24 Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, Zwischenbericht vom 30. Mai 2002, 17.2.1., S. 129: dies., Abschlussbericht vom 19. April 2004, 1.3.2.4.2.1, S. 141 f.; Hans Georg Timmer, Die Funktion der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung, in: VersW 1988, S. 197; Ulrich Meyer, Gesetzliche Regelungen zu den Berechnungsrundlagen der privaten Krankenversicherung, in: Schwintowski (Hrsg.), Deregulierung, Private Krankenversicherung, Kfz-Haftpflichtversicherung, 1994, S. 86 (89); Hermann Georg Zürchner, Die Mitgabe der Alterungsrückstellung bei Wechsel innerhalb der privaten Krankenversicherung. Auswirkungen und Konsequenzen, in: VersW 1995, S. 705 (706); Klaus Bohn, Gedanken zur Alterungsrückstellung bei der „nach Art der Lebensversicherung“ betriebenen Krankenversicherung, in: ZfV 1996, S. 166 (167); Bernhard Kalis, Mitgabe der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung – Eine Betrachtung unter versicherungsmathematischen und rechtssystematischen Aspekten, in: VersR 2001, S. 11; Jan Boetius, Altersrückstellung und Versicherungswechsel in der privaten Krankenversicherung, in: VersR 2001, S. 661 (663); ders., Substitutive private Krankenversicherung – die Systemvorgaben des Europäischen Gemeinschaftsrechts sowie des deutschen Versicherungsrechts und ihre Relevanz für das Verfassungsrecht, in: VersR 2006, S. 297 (302 f.); Rupert Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung beim Wechsel des Versicherers, in: Scholz / Meyer / Beutelmann (Hrsg.), Zu den Wechseloptionen der PKV, 2002, S. 9 (28); ders., Zur Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung: „Mitgabe“ beim Versicherungswechsel?, in: Boecken / Ruland / Steinmeyer (Hrsg.), Sozialrecht und Sozialpolitik in Deutschland und Europa. Festschrift für Bernd Baron von Maydell, 2002, S. 633 (642); Peter Präve, in: Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz. Kommentar, 12. Aufl. 2005, § 12 Rn. 3. 25 Zürchner (Fn. 24); Boetius, VersR 2001 (Fn. 24); ders., VersR 2006 (Fn. 24), S. 304. 26 Zürchner (Fn. 24); Boetius, VersR 2001 (Fn. 24); ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen für Reformen in der privaten Krankenversicherung, in: Kirchhof / Schmidt / Schön / Vogel (Hrsg.), Festschrift für Arndt Raupach zum 70. Geburtstag. Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, 2006, S. 213 (215 f.); Scholz, „Mit-

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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bb) Risikoverteilung auf die Versichertengemeinschaft Das Krankheitsrisiko des Versicherten wird deshalb nicht ihm allein, sondern allen Mitgliedern der gleichen Risikogruppe zugeordnet. Eine individuelle Berücksichtigung der Risikorealisierung bei der Beitragsberechnung ist versicherungsmathematisch nicht realistisch, weil Zahl, Dauer und Schwere späterer Erkrankungen des Versicherungsnehmers nicht mit hinreichender Sicherheit schon bei der Beitragsfestsetzung ermittelt werden können. Würden sie durch individualisierte Beitragsanpassungen im Sinne eines auf den Versicherten abstellenden Äquivalenzprinzips nachträglich berücksichtigt, wäre eine Krankenversicherung generell nicht leistungs- und funktionsfähig: Versicherungsnehmer, die häufiger oder schwerer erkranken, als es ihrem zuvor prognostizierten Risiko entspricht, könnten die deshalb kontinuierlich und gegebenenfalls massiv erhöhten Beiträge zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr bezahlen. Für Versicherte, deren Erkrankungsrisiko sich nur unterdurchschnittlich realisiert hat, wäre dagegen eine Versicherung zu Beitragssätzen, die auf der ursprünglich prognostizierten Erkrankungswahrscheinlichkeit basieren, nicht sinnvoll. Für sie wäre es ökonomisch vorteilhafter, keine Versicherung abzuschließen und stattdessen den Beitragswert als finanzielle Reserve anzusparen, um damit ausschließlich ihre individuellen Krankheitskosten zu begleichen. In der PKV wird deshalb notwendigerweise die individuelle Risikolast des einzelnen Versicherungsnehmers von der im gleichen Risikokollektiv zusammengefassten Versichertengemeinschaft getragen. Die Schadenswahrscheinlichkeit wird dabei nach dem „Gesetz der großen Zahl“ berechnet, das auf den Durchschnitt der Leistungsaufwendung abstellt.27 cc) Alterungsrückstellungen Die Krankheitskosten eines Versicherungsnehmers erhöhen sich im Versicherungsverlauf alterungsbedingt. Hauptfaktoren dieser Entwicklung sind neben der steigenden Lebenserwartung das mit dem Alter steigende Erkrankungsrisiko. Krankheiten sind mit zunehmendem Alter häufiger oder verlaufen schwerer, sie entstehen erst später oder brechen erst in fortgeschrittenem Lebensalter aus. Da diese Entwicklung alle Risikogruppen – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – betrifft, würde dies wegen des Äquivalenzprinzips zu einer mit dem steigenden Alter einhergehenden kontinuierlichen Erhöhung der Beiträge führen. Der teilweise drastische Beitragsanstieg wäre für viele Versicherungsnehmer, die wegen ihres Alters überdies im Regelfall zumindest nicht in vollem Umfang am Erwerbsleben teilnehmen, nicht mehr finanzierbar. Um diese versicherungsmathematische Problematik zu entschärfen, werden Alterungsrückstellungen gebildet. Sie sollen einen gleichmäßigen Beitragssatz über den gesamten Versicherungsverlauf hinweg gabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), 31 f.; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 644; Präve (Fn. 24), § 12 Rn. 3, 18. 27 Kalis (Fn. 24), S. 11 f.; Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 30 f.; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 643 f.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

dadurch sicherstellen, dass ein bestimmter Anteil des Versicherungsbeitrages nicht als Entgelt für die Krankenbehandlung verwandt, sondern angespart und verzinst wird. Dieser Sparanteil wird im Alter dafür verwandt, die durch die altersbedingten Krankheitskosten entstehenden Mehrausgaben des Versicherungsunternehmers zu decken.28 Die Beiträge können deshalb grundsätzlich auch im Alter auf konstant gleichem Niveau gehalten werden, indem die Alterungsrückstellungen im Versicherungsverlauf abgeschmolzen werden. Eine Beitragserhöhung wegen des Älterwerdens des Versicherten und damit alterungsbedingt höherer Krankheitskosten ist überdies nach § 8a Nr. 2 Satz 3 MB / KK 1994 ausgeschlossen, soweit eine Alterungsrückstellung zu bilden ist. b) Versicherungsmathematische Unmöglichkeit der Individualisierung von Alterungsrückstellungen aa) Berechnung der Alterungsrückstellungen Alterungsrückstellungen sollen die dargestellten altersbedingten Mehrkosten auffangen, um eine durch sie verursachte Erhöhung der Beiträge im Alter zu verhindern. Es ist daher nicht ausreichend, nur die erwarteten Krankheitskosten für den Verlauf einer Versicherungsperiode zu berechnen, die durch den Risikobeitrag gedeckt sind. Vielmehr muss der Betrag berechnet werden, den das Versicherungsunternehmen zum gegenwärtigen Zeitpunkt benötigen würde, um die während des gesamten Versicherungsverlaufs zu erwartenden Leistungsaufwendungen zu finanzieren. Der so berechnete Leistungsbarwert liegt in den ersten Jahren über dem Risikobeitrag, später darunter. Aus dem zunächst positiven Saldo aus Risikobeitrag und Leistungsbarwert werden gemeinsam mit einem Sicherheitszuschlag die Alterungsrückstellungen gebildet, die später dafür verwandt werden, den negativen Differenzbetrag auszugleichen. Dieser Sparanteil des Beitrages wird mit Hilfe des Anwartschaftsdeckungsverfahrens gebildet.29 28 BGH, Recht und Schaden 2006, S. 351 (352); OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, S. 324 (325); Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (Hrsg.), Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Bericht der Kommission, 2003, Kasten 4.3., S. 168; Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Zwischenbericht, 17.2.1., S. 130 dies. (Fn. 24), Abschlussbericht, 1.3.2.4.2.1., S. 142 Timmer (Fn. 24), S. 198; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 665 ff.; ders., VersR 2006 (Fn. 24), S. 302; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 223; Kalis (Fn. 24), S. 12; Bernd Zieschang, Portabilisierung der Alterungsrückstellungen in der PKV? Zu einer längst beendeten wissenschaftlichen Kontroverse und deren Fortleben in der Politik, in: VersW 2001, S. 1044 (1045); Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 28 ff.; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 642 f.; Jürgen Prölss, in: Prölss / Martin, Versicherungsvertragsgesetz. Kommentar, 27. Aufl. 2004, § 178g Rn. 5; Präve (Fn. 24), § 12 Rn. 20. 29 Zu diesem Verfahren näher Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Zwischenbericht, 17.2.1., S. 130; dies. (Fn. 24), Abschlussbericht, 1.3.2.4.2.1, S. 142; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 664; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 223.

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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Die Berechnung der Alterungsrückstellungen ist prognosebasiert. Der Zeitpunkt der Prognose ist derjenige der Risikoübernahme, mithin des Versicherungsbeginns. Das Versicherungsunternehmen greift dabei – wie allgemein bei der Prämienberechnung – auf „Wahrscheinlichkeitstafeln und andere einschlägige statistische Daten, insbesondere unter Berücksichtigung der maßgeblichen Annahmen zur Invaliditäts- und Krankheitsgefahr, zur Sterblichkeit, zur Alters- und Geschlechtsabhängigkeit des Risikos und zur Stornowahrscheinlichkeit“ (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 VAG) zurück. Da die zukünftigen Krankheitskosten realistisch prognostiziert werden müssen, sind zukünftige wahrscheinliche Veränderungen der für die Kostenentwicklung verantwortlichen Faktoren nach § 341 f. Abs. 1 Satz 1 HGB ebenfalls Bestandteil der Kalkulationsgrundlage (prospektive Methode).30 Insgesamt verpflichten die gesetzlichen Vorgaben zur Beitragsberechnung deshalb zu einer vorsichtigen und zurückhaltenden Prämienkalkulation.31 bb) Vererbung von Alterungsrückstellungen als notwendiges Element der Beitragskalkulation Um die Äquivalenz von Beiträgen und Kosten für die Leistungsaufwendungen sicherzustellen, müssen die der Kalkulation zugrunde liegenden Elemente prognostizierbar sein. Die Möglichkeit einer realistischen und tatsachengestützen Prognose der zukünftigen Entwicklung umfasst auch die Alterungsrückstellungen, weil sie ein wesentliches Element der Beitragskalkulation sind und sich mit ihrer Höhe auch der Beitragswert selbst verändert. Bei einer sachgerechten Berechnung der Höhe der Alterungsrückstellungen ist deshalb der Wahrscheinlichkeit Rechnung zu tragen, dass ein Teil der Versicherten aus der Versicherung durch Tod oder Kündigung ausscheidet, bevor sich Alterungsrückstellungen für diesen Personenkreis bei den Beiträgen positiv ausgewirkt haben. Der Sparwert ihrer im Versicherungsverlauf gezahlten Alterungsrückstellungen übersteigt in diesem Fall noch den Ausschüttungswert, der schon zugunsten der Beiträge dieser Versicherungsnehmer berücksichtigt wurde, um eine altersbedingte Beitragserhöhung zu vermeiden. Dieser Differenzbetrag der ausgeschiedenen Versicherten kommt den Alterungsrückstellungen der übrigen beim Unternehmen krankenversicherten Personen zugute.32 Ein Anspruch des ausgeschiedenen Versicherungsnehmers auf Auszahlung der von Timmer (Fn. 24), S. 198; Bohn (Fn. 24), S. 169; Präve (Fn. 24), § 12 Rn. 20. Präve (Fn. 24), § 12 Rn. 19. 32 Unabhängige Expertenkommission zur Untersuchung der Problematik steigender Beiträge der privat Krankenversicherten im Alter, Gutachten vom 18. Juni 1996, BT-Drucks. 13 / 4945, 14.3., S. 43; Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Zwischenbericht, 17.2.1., S. 130; dies. (Fn. 24), Abschlussbericht, 1.3.2.4.2.2.4., S. 146 Bohn (Fn. 24), S. 168; Kalis (Fn. 24), S. 13; Christian Schoenfeldt, Reform der Privaten Krankenversicherung – insbesondere Reformfragen der Alterungsrückstellung und der künftigen Produktgestaltung, in: ZVersWiss 2002, S. 137 (151 f.); Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 16; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 636; Prölss (Fn. 28); Präve (Fn. 24), § 12 Rn. 23. 30 31

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

ihm finanzierten und noch verbliebenen Alterungsrückstellungen besteht nicht.33 Die Alterungsrückstellungen werden deshalb versicherungstechnisch vererbt und verbleiben damit im Versichertenkollektiv. Dieser Stornoeffekt wird deshalb schon von vornherein bei der Festsetzung der Höhe der Alterungsrückstellungen und damit beitragsmindernd berücksichtigt.34 cc) Kollektive Risikozurechnung als Basis der Kalkulation von Alterungsrückstellungen Aus den dargelegten Berechnungsgrundlagen ergibt sich, dass Alterungsrückstellungen sich nicht auf das Individualrisiko eines Versicherten, sondern auf das Kollektivrisiko der Versicherungsnehmer einer Kohorte mit vergleichbarer Risikoeinschätzung beziehen.35 Mit den von einem bestimmten Versicherten finanzierten Alterungsrückstellungen werden also nicht die später notwendigen altersbedingten Erhöhungen ausschließlich seiner Beiträge ausgeglichen. Vielmehr kommen seine Alterungsrückstellungen allen Kohortenmitgliedern zugute, wie umgekehrt deren Alterungsrückstellungen verwandt werden, um die alterungsbedingten Erhöhungen seiner Beiträge zu vermeiden. Bei den für Mitglieder der Risikogruppe gleich hohen Alterungsrückstellungen handelt es sich deshalb um einen fingierten Wert, der nur den durchschnittlichen Schadenerwartungswert der Angehörigen des Risikokollektivs berücksichtigt, nicht aber individuelle Risikoabweichungen vom Durchschnitt nach oben oder unten.36

33 Aus der Rechtsprechung: BGHZ 141, 214 ff.; BGH, Recht und Schaden 2006, S. 351 (352); OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, S. 324. Aus dem Schrifttum: Timmer (Fn. 24), 199; Peter Präve,, Zum Reformbedarf im Versicherungsrecht, in: VersR 1999, S. 1211 (1214); ders. (Fn. 24), § 12 Rn. 23; Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 16; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 637; Prölss (Fn. 28), § 178f Rn. 14, § 178g Rn. 5. 34 OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, S. 324 (325); Unabhängige Expertenkommission (Fn. 32); Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Zwischenbericht, 17.2.1., S. 130; Timmer (Fn. 24), S. 199; Zürchner (Fn. 24), S. 710; Michael Adams, Vorschläge zu einer Reform der kapitalbildenden Lebensversicherungen, in: NVersZ 2000, S. 49 (59); Kalis (Fn. 24), S. 13 f.; Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 16; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 636 f.; Prölss (Fn. 28). 35 Timmer (Fn. 24), S. 200; Zürchner (Fn. 24), S. 706 f.; Bohn (Fn. 24), S. 168; Kalis (Fn. 24), S. 12 f.; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 666 ff.; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26); Zieschang (Fn. 28); Schoenfeldt (Fn. 32), S. 151; Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 15, 30 ff.; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 636, 643 f.; Prölss (Fn. 28), § 178f Rn. 14, § 178g Rn. 5; Präve (Fn. 24), § 12 Rn. 20. 36 BGH, Recht und Schaden 2006, S. 351 (352); Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (Fn. 28); Kalis (Fn. 24), S. 12 f.; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 668 ff.; Zieschang (Fn. 28); Prölss (Fn. 28), § 178f Rn. 14, § 178g Rn. 5.

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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c) Zerstörung der PKV als Folge der Einführung der Portabilität von Alterungsrückstellungen im bisherigen Sinn aa) Rechenmodelle für die versicherungsmathematische Zuordnung von Alterungsrückstellungen zu einem bestimmten Versicherten Die Einführung der Portabilität von Alterungsrückstellungen steht deshalb vor dem großen versicherungsmathematischen Problem, trotz einer kollektiven Risikozurechnung den konkreten Wert von Alterungsrückstellungen für einen individuellen Versicherungsnehmer zu berechnen. Diese Problematik besteht allerdings dann nicht, wenn die versicherte Person in einen anderen Tarif des gleichen Versicherungsunternehmens mit gleichartigem Versicherungsschutz wechselt. Weil die kollektive Risikozurechnung erhalten bliebe, könnte der Wert der bisher ersparten Alterungsrückstellung deshalb auch im neuen Tarif berücksichtigt werden. Der neu gefasste § 178f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG sieht deshalb einen entsprechenden Anspruch des Versicherungsnehmers vor. Bei einem im Vergleich zum bisherigen Tarif umfangreicheren Leistungskatalog des neuen Tarifs sind allerdings nach dem neuen § 178f Abs. 1 Nr. 1 VVG Leistungsausschlüsse, Wartezeiten und Risikozuschläge möglich, um einem gegebenenfalls veränderten Risiko Rechnung zu tragen. Notwendige Voraussetzung für die Portabilität von Alterungsrückstellungen ist, dass dem einzelnen Versicherungsnehmer ein konkreter Rückstellungswert individuell zugeordnet werden kann. Im Schrifttum werden dazu verschiedene Rechenmodelle vorgeschlagen: (1) Transfer der risikogruppenbezogen kalkulierten Alterungsrückstellung Ein Teil der Prämie eines Versicherten wird für die Alterungsrückstellung verwandt. Der für den Versicherungsnehmer prognostizierte Gesamtbetrag der Alterungsrückstellung könnte ihm bei einem Wechsel des Unternehmens theoretisch mitgegeben werden. Dagegen spricht aber maßgeblich, dass diese Alterungsrückstellung nicht aufgrund seines individuellen Schadenrisikos berechnet wird. Vielmehr ist die Kalkulationsgrundlage für die Alterungsrückstellung nur die durchschnittliche Schadenswahrscheinlichkeit seiner Risikogruppe.37 Insofern bevorzugte dieses Modell einseitig solche Versicherungsnehmer mit guten Risiken, weil nur sie von der Mitgabe durchschnittlicher Alterungsrückstellungen profitierten. Außerdem käme es zu einer Risikoselektion mit negativen Folgen für den Altbestand der jeweiligen Versicherung.38 Ein denkbarer Kontrahierungszwang würde die Problematik nicht auflösen, weil er 37 BGH, Recht und Schaden 2006, S. 351 (352); Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 18, 33; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 638; Boetius, Bilanzund europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 215 f. 38 Zusammenfassend: Unabhängige Expertenkommission (Fn. 32), 14.4.1., S. 43; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2002 / 2003, 2002, Nr. 529, S. 289; Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Zwischenbericht 17.2.3.1., S. 132; dies. (Fn. 24), Abschlussbericht, 1.3.2.4.2.3.1, S. 147; Marco Bürger, Wettbewerb in der PKV? Übertragbarkeit von Alterungsrückstellun-

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

vergleichbare Einheitstarife der Versicherungsunternehmen voraussetzte39 und deshalb den Wettbewerb innerhalb der PKV zerstörte.40 In der Begründung des GKV-WSG-E ist aber die Intention der Wettbewerbsförderung innerhalb der PKV für die Einführung portabler Alterungsrückstellungen gerade ausdrücklich festgehalten. Ein solches Modell setzte sich zu diesem Ziel deshalb selbst in Widerspruch.

(2) Anpassung der Alterungsrückstellungen an das Individualrisiko Ulrich Meyer hat vorgeschlagen, die Alterungsrückstellungen prospektiv zu individualisieren, indem das zu erwartende individuelle Erkrankungsrisiko bei der Berechnung der Alterungsrückstellungen Berücksichtigung finden sollte. Bei einem überdurchschnittlichen individuellen Erkrankungsrisiko würde danach der Sparanteil und damit auch der Nettobeitrag des Versicherten erhöht werden. Die dem individuellen Risiko angepassten Alterungsrückstellungen könnten nach seinen Vorstellungen auch transferiert werden.41 Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass das bisher zusammen getragene Datenmaterial für eine individuelle und den gesamten Versicherungsverlauf umfassende medizinische Risikoprognose nicht ausreicht.42 Ob eine versicherungsmathematisch verlässliche Berechnung überhaupt möglich ist, die Häufigkeit, Dauer und Schwere von Erkrankungen des einzelnen Versicherten gegebenenfalls bis zu seinem Lebensende einschätzen kann und sowohl vom abgebenden als auch vom aufnehmenden Unternehmen gleichermaßen geteilt wird, ist äußerst zweifelhaft.43 Die fehlende Datenbasis für zuverlässige Individualprognosen hindert deshalb auch die denkbare Einführung eines Risikostrukturausgleichs innerhalb der PKV, in den Versicherte mit einem überdurchschnittlichen Risiko einzahlen würden.44 Selbst wenn es gelänge, die bis zum Tode des Versicherten entstehenden Krankheitskosten zu prognostizieren und den Differenzbetrag aus den zukünftigen erstattungsfähigen Leisgen – ein kritischer Blick auf den aktuellen Forschungsstand, in: ZfV 2005, S. 18 (19 f.); Boetius, Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 216. 39 Unabhängige Expertenkommission (Fn. 32), 14.4.2., S. 44; Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 19; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 638; vgl. auch Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Abschlussbericht, 1.3.2.4.2.3.5., S. 154 f., die eine solche Option für überlegenswert hält. 40 Das gilt auch für die Einführung eines Kontrahierungszwangs bei einer individuell vorgenommenen Risikoprognose, wie sie im Kommissionsbericht des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung (Fn. 28), Kasten 4.4., S. 169, vorgeschlagen wird. 41 Meyer (Fn. 24), S. 105 ff.; ders., Verbesserung des Wettbewerbs in der PKV durch Verstärkung der Wechseloptionen, in: Scholz / Meyer / Beutelmann (Hrsg.), Zu den Wechseloptionen der PKV, 2002, S. 59 (64 ff.). 42 Unabhängige Expertenkommission (Fn. 32), 14.4.3.3.1., S. 46 f.; Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Abschlussbericht, 1.3.2.4.2.3.2., S. 150; Boetius, Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 218. Das muss auch Meyer, Verbesserung des Wettbewerbs (Fn. 41), S. 65, einräumen. 43 Ablehnend Erich Schneider, Individuelle Alterungsrückstellungen in der privaten Krankenversicherung?, in: ZfV 1994, S. 665 (666 f.); Kalis (Fn. 24), S. 14; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 670 f.; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 218; Zieschang (Fn. 28), S. 1046 f.; Schoenfeldt (Fn. 32), S. 152; Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 20; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 639, 645; Bürger (Fn. 38), S. 20 f. 44 Bürger (Fn. 38), S. 20.

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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tungsaufwendungen sowie den durch den Versicherungswechsel ersparten Beiträgen als portable Alterungsrückstellung auszuweisen, wäre deren Transfer im Rahmen einer Versicherung nicht möglich. Zum einen ergäbe sich nämlich aus der individuellen Risikozurechnung die Notwendigkeit, dass Versicherte mit einem guten Risiko bei einem Wechsel noch nachträglich Ausgleichsbeträge an das alte Versicherungsunternehmen zahlen müssten. Dieser Effekt der sog. negativen Alterungsrückstellungen entstünde, wenn die versicherte Person eine durchschnittliche Prämie zahlte, die individuelle Risikoprognose aber unterdurchschnittlich ausfiele. Je besser das individuelle Risiko wäre, umso höher müssten diese Ausgleichszahlungen ausfallen. Eine Individualisierung von Alterungsrückstellungen könnte sich deshalb auch zulasten der Versicherten auswirken.45 Zum anderen müssten die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgehaltenen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Versicherungsfalls grundlegend geändert werden, weil das Versicherungsunternehmen mit der Mitgabe von Alterungsrückstellungen schon Kostenersatz für Kosten leistet, die noch gar nicht entstanden sind und deren Entstehung auch ungewiss bleibt.46

(3) Ergänzung der Alterungsrückstellung um rentenversicherungsrechtliche Elemente Alterungsrückstellungen sollen Beitragssteigerungen verhindern, die durch alterungsbedingte Krankheitskosten entstehen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, langfristig zu erkranken, d. h. die Behandlung einer Krankheit über eine Versicherungsperiode hinaus zu benötigen. Marco Bürger schlägt vor, dieses sog. langfristige Risiko mit einer vom Versicherten abzuschließenden Rentenversicherung abzusichern und im Gegenzug die Portabilität von Alterungsrückstellungen einzuführen.47 Die Problematik dieser Berechnungsmethode liegt zum einen in der versicherungsmathematischen Schwierigkeit, das langfristige Risiko des Versicherungsnehmers aus der kollektiven in eine individuelle Risikoberechnung zu überführen. Täte man dies nicht, bestünden für über- und unterdurchschnittlich hohe langfristige Risiken die gleichen Berechnungsprobleme wie bei portablen Alterungsrückstellungen. Zum anderen ist das langfristige Risiko nur ein Element der alterungsbedingten Krankheitskosten. Mit dem Alter erhöht sich nämlich auch die Wahrscheinlichkeit, häufiger kurzfristig zu erkranken. Diese Mehrkosten würden nach dem Modell aber weiterhin von den Alterungsrückstellungen abgedeckt, so dass deren Transfermöglichkeit eine entsprechende Deckungslücke generieren könnte. 45 Dazu näher Schneider (Fn. 43), S. 667; Zieschang (Fn. 28), 1047. Das Gegenargument von Meyer, Verbesserung des Wettbewerbs (Fn. 41), S. 67, dieser Fall sei „unrealistisch“, ist wenig überzeugend, da er auch nach dieser Ansicht implizit nicht ausgeschlossen ist und die problematischen Auswirkungen einer Individualisierung von Alterungsrückstellungen bei gleichzeitiger Beibehaltung kollektiver Risikogruppenkalkulation aufzeigt. 46 Boetius, Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 217, hält dies für einen verfassungswidrigen Eingriff in die Vertragsfreiheit; vgl. auch ders., VersR 2001 (Fn. 24), S. 670 f. 47 Marco Bürger, PKV: Nicht die Alterungsrückstellungen sind das Problem. Die Deckung des langfristigen Risikos als Rentenversicherung ausgestalten – Ein Beitrag zur Diskussion, in: VersW 2004, S. 1253 (1254 f.). Ders. (Fn. 38), S. 23, ergänzt dieses Modell um einen „Prämienrisikoausgleich“ zwischen guten und schlechten Risiken der Versicherten. Der Ausgleich findet nach diesem Modell nicht zwischen den Versicherern, sondern zwischen den Versicherungsnehmern selbst statt.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

Ein anderes Modell sieht nur eine eingeschränkte Portabilität von Alterungsrückstellungen vor, indem diese in einen Rückstellungs- und einen Rentenversicherungsbestandteil aufgeteilt werden. Nur letzterer solle transferiert werden können. Der Rückstellungsanteil wird dabei durch eine zu Beginn jeder Versicherungsperiode erfolgende Risikokalkulation berechnet, welche langfristigen Krankheitskosten wahrscheinlich entstehen werden. Dieser Betrag wird auf die Versicherungsprämie aufgeschlagen und als Rückstellung bilanziert.48 Wie dieser – gegebenenfalls noch zusätzlich für jeden Versicherungsnehmer individuell ausgewiesene – Anteil bei einem Wechsel des Unternehmens zwischen den beteiligten Krankenversicherungen einvernehmlich bestimmt werden soll, bleibt fraglich.49

(4) Portabilisierung der Alterungsrückstellungen im Umfang des Basistarifs Der Gesetzgeber hat sich mit dem GKV-WSG nunmehr mehrheitlich dafür entschieden, beim Wechsel des Versicherungsunternehmens einen Transfer der Alterungsrückstellung im Unfang eines Basistarifs einzuführen. Dieser beinhaltet die Kostenerstattung für Gesundheitsleistungen entsprechend dem Katalog der GKV. Kalkuliert wird der Tarif nach dem Anwartschaftsdeckungsverfahren einschließlich der Bildung einer Alterungsrückstellung. Die Prämien errechnen sich nach Eintrittsalter und Geschlecht. Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse werden nicht erhoben. Zur Vermeidung der Kumulation von höheren Risiken bei einzelnen Versicherern erfolgt ein Poolausgleich. Die Mitnahme von Alterungsrückstellungen im Umfang des Basistarifs gilt für alle in der PKV Versicherten, d. h. auch für die Altbestandskunden. Dieses Modell bedingt mithin eine Herauslösung von Rückstellungen aus einem bestehenden kollektiven Risikobezug, der die Kalkulationsbasis für die Versicherungsprämie bildet. Damit stellt sich die beschriebene versicherungsmathematische Grundproblematik der Individualisierung von Alterungsrückstellungen auch hier. (5) Wechsel des Versicherungsunternehmens innerhalb eines Basisschutzes für Neukunden Kalkulatorisch beherrschbar ist die Auflösung von Risikokohorten nur dann, wenn der Transfer von Alterungsrückstellungen im Umfang des Basistarifs auf Neukunden beschränkt würde. Künftig in diesem Tarif Neuversicherte könnten unter Beibehaltung ihrer Rechte aus der „Wechselleistung“ und des zehnprozentigen gesetzlichen Beitragszuschlages innerhalb der PKV wechseln. 48 Im Einzelnen dazu Volker Meier / Florian Baumann / Martin Werding, Modelle zur Übertragung individueller Alterungsrückstellungen beim Wechsel privater Krankenversicherer, 2004. 49 Kritisch auch Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Abschlussbericht, 1.3.2.4.2.3.3., S. 151 f.; Bürger (Fn. 38), S. 22.

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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Für Bestandsversicherte ist dies nicht möglich. Der privat Versicherte hat seine Entscheidung für eine private Krankenversicherung in der Annahme und dem Vertrauen auf den Fortbestand der geltenden Kalkulationsregeln getroffen. Aus diesem Grund können die Versicherten freiwillig zwar ebenfalls in das neue Kalkulationsmodell wechseln, müssten die bei einem Wechsel zu einem anderen privaten Krankenversicherungsunternehmen anrechnungsfähige Leistung aber erst noch aufbauen. Eine Anrechnung der Alterungsrückstellung bei einem Wechsel zur GKV bliebe ausgeschlossen. Dies gilt – unabhängig von verfassungsrechtlichen Überlegungen – schon deshalb, weil die Rückstellungen anderenfalls dem PKV-Ausgleichspool entzogen würden und der Risikoausgleich über die Zeit hinweg zerstört werden würde. (6) Zwischenergebnis Nach der Darstellung der wesentlichen Rechenmodelle zur Portabilität von Alterungsrückstellungen bleibt festzuhalten, dass die Grundvoraussetzung der meisten Modelle eine individuelle Risikokalkulation ist.50 Dieses Unterfangen scheitert aber an der nicht vorhandenen Datenbasis. Die realistische betragsmäßige Zuordnung bestimmter Alterungsrückstellungen zu ausschließlich einer versicherten Person ist deshalb versicherungsmathematisch nicht praktikabel.51 Deshalb haben alle bisher mit dem Transfer von Alterungsrückstellungen befassten Expertenkommissionen von der Einführung eines bestimmten Modells zu deren individueller Berechnung zum gegenwärtigen Zeitpunkt entweder abgeraten52 oder sich zumindest nicht zu einer konkreten Modellempfehlung durchringen können53. Daraus ergibt sich, dass auch die vom GKV-WSG statuierte Transfermöglichkeit von Alterungsrückstellungen im Umfang eines neuen Basistarifs für alle Privatversicherten zur Auflösung der betreffenden Risikokollektivs führt. Keine schwerwiegenden 50 Das konzediert auch Bürger (Fn. 38), S. 24: „Dass ein Modell anreiztechnisch optimal ist, gleichzeitig aber ohne morbiditätsbezogene Informationen auskommt, bleibt ein nicht realisierbarer Traum.“ 51 Vgl. auch Kalis (Fn. 24), S. 14; Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), 55 f.; Prölss (Fn. 28), § 178f Rn. 14. 52 Unabhängige Expertenkommission (Fn. 32), 14.4.3.4., S. 47; Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Zwischenbericht, 17.2.3.2. u. 3., S. 134. 53 Monopolkommission, 12. Hauptgutachten 1996 / 1997 vom 17. Juli 1998, BT-Drucks. 13 / 11291, Nr. 676 f., S. 342 f.; Sachverständigenrat (Fn. 38), Nr. 530, S. 290; Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Abschlussbericht, 1.3.2.4.2.3.5., S. 155 f.; vgl. auch Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Begründung des Referentenentwurfs zum VVG vom 13. März 2006, S. 23. Das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (Fn. 28), Kasten 4.4., S. 169, hat zwar ein Grundmodell vorgestellt, bei dem als Voraussetzung „der zukünftige Ausgabenbedarf für das gesamte Kollektiv [ . . . ] korrekt berechnet sein muss“, aber nicht näher erläutert, wie aus diesem Wert individuelle Alterungsrückstellungen errechnet werden sollen.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

Berechnungsprobleme weisen dagegen diejenigen Modelle auf, die sich auf den Wechsel des Versicherungsunternehmens innerhalb eines einheitlichen Basisschutzes bei separat und neu aufzubauender Wechselleistung beschränken. bb) Konsequenzen der Übertragbarkeit von Alterungsrückstellungen für die PKV Daraus, dass sich der Gesetzgeber über die beschriebenen Bedenken gegen die individuelle Zuordnung von Alterungsrückstellungen hinweggesetzt und deren Transfermöglichkeit geregelt hat, ergeben sich schwerwiegende Folgen für die substitutive Krankenversicherung. (1) Risikoselektion Von der Möglichkeit des Versicherungswechsels zu anderen Versicherungsunternehmen unter Mitnahme ihrer Alterungsrückstellungen werden am ehesten Personen Gebrauch machen, die unterdurchschnittliche Versicherungsrisiken aufweisen. Dies sind vor allem jüngere Versicherungsnehmer, weil sich für Ältere wegen der höheren Risikoeinschätzung und Beitragslast ein Wechsel nur selten lohnen wird. Der Anteil guter Risiken an der Gesamtzahl der Versicherungsnehmer wird dann sinken, der Anteil schlechter Risiken sich erhöhen. Es wird eine sog. Inselektion stattfinden.54 Das Gegenargument, die Inselektion werde dadurch verhindert, dass die Unternehmen nicht nur Abgänge guter Risiken zu verzeichnen hätten, sondern Versicherte anderer Unternehmen mit guten Risiken auch gewinnen könnten,55 ist nicht realistisch. Dies setzte nämlich voraus, dass die Zu- und Abgänge etwa gleichzeitig, mit einer ähnlichen quantitativen Größenordnung und vergleichbarer Risikozuordnung stattfänden, weil sich nur dann die verlorenen und gewonnenen Altersrückstellungen in etwa ausglichen. Das ist äußerst unwahrscheinlich. Sobald auch nur über einen kurzen Zeitraum ein Negativsaldo zu verzeichnen wäre, setzte sich die Spirale der Inselektion in Gang. Außerdem würden die Abschlusskosten bei einem vermehrten Zugang steigen, die wiederum bei der Prämienkalkulation beitragserhöhend berücksichtigt werden müssten.56 54 Timmer (Fn. 24), S. 200; Zürchner (Fn. 24), S. 708; Bohn (Fn. 24), S. 174; Kalis (Fn. 24), S. 14; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 670; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 216; Prölss (Fn. 28), § 178f Rn. 14, § 178g Rn. 6. 55 So Sandra Laubin, Der Verlust der Alterungsrückstellung infolge der Kündigung der privaten Krankenversicherung im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG – Zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 21. 4. 1999 (IV ZR 192 / 98) – VersR 1999, 877 –, in: VersR 2000, S. 561 (564). 56 Unabhängige Expertenkommission (Fn. 32), 14.4.3.2.4, S. 46; Zieschang (Fn. 28). Meyer, Verbesserung des Wettbewerbs (Fn. 41), S. 69 f., tritt deshalb dafür ein, Abschlussprovisionen bei einem Wechsel des Versicherungsunternehmens (wohl gesetzlich) zu untersagen

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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Auch die gesetzlich festgelegte Befristung der Wechselmöglichkeit für Altkunden, die Beschränkung auf einen Wechsel in den Basistarif und die Anrechenbarkeit portabler Alterungsrückstellungen lediglich im Umfang des Basistarifs vermögen eine solche Risikoselektion nur ungenügend abzumildern. Die gesetzlich vorgesehene Struktur des Basistarifs mit festgelegten Beitragshöchstsätzen schafft gerade für die Privatversicherten mit relativ hohen Versicherungsprämien einen starken Wechselanreiz. Nicht selten befinden sich in dieser Personengruppe ältere Versicherungsnehmer mit schon seit langer Zeit aufgebauten Alterungsrückstellungen. Bei einem – wenn auch im Umfang beschränkten – Transfer ihrer Alterungsrückstellungen wird die Selektionsproblematik in ihrer ganzen Tragweite virulent werden: Je mehr Privatversicherte wechseln, umso größer wird das durch die Alterungsrückstellungen nicht mehr abgedeckte Risikopotential bei der bestehenden Krankheitskostenvollversicherung. (2) Erhöhung der Beitragssätze Jede Risikoselektion hat unmittelbare Folgen für die Höhe der Beitragsbelastung der verbliebenen Versicherten. Je größer der Anteil der schlechten Risiken am Versicherungskollektiv wäre, umso stärker müssten die Beitragssätze angehoben werden.57 Dieser Effekt beruht zum einen darauf, dass das einer Privatversicherung immanente Prinzip der Äquivalenz höhere Beiträge zur Begleichung steigenden Krankheitskosten generiert, weil sich mit schlechteren Risiken auch die Wahrscheinlichkeit von Schadensfällen erhöht. Die Risikoprämie müsste deshalb mit dem gestiegenen Risiko permanent nach oben angepasst werden – und zwar sowohl für Alt- wie auch für Neukunden.58 Eine ähnliche Entwicklung droht zum anderen auch den Alterungsrückstellungen der verbliebenen Versicherten. Da sich die Höhe der Alterungsrückstellungen – wie beschrieben – nach den voraussichtlichen altersbedingten Beitragssteigerungen der Versicherten einer bestimmten Risikogruppe richtet, müssten die Alterungsrückstellungen neu berechnet und erhöht werden, wenn Mitglieder dieser Risikogruppe das Versichertenkollektiv unter Mitnahme individualisierter Alterungsrückstellungen verlassen. Diese stünden der Risikogruppe nämlich nicht mehr zur Verfügung. und den Neukunden an den durch den Wechsel entstandenen Verwaltungskosten zu beteiligen. Die Monopolkommission (Fn. 53), Nr. 676, S. 342, schlägt vor, Provisionszahlungen an die Vertragslaufzeit zu koppeln. Diese Maßnahmen könnten aber nur mit einer wiederum wettbewerbsfeindlichen Regulierung durchgesetzt werden. 57 Timmer (Fn. 24), S. 200; Zürchner (Fn. 24), S. 707 f.; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 670; Prölss (Fn. 28), § 178g Rn. 6. 58 Letzteres konzediert sogar Meyer (Fn. 24), S. 110, der die Einführung portabler Alterungsrückstellungen seit langem befürwortet. Vgl. auch Unabhängige Expertenkommission (Fn. 32); Zürchner (Fn. 24), S. 708; Bohn (Fn. 24), S. 174, 176; Kalis (Fn. 24), S. 14; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 675; Zieschang (Fn. 28).

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

Da der Verbleib in einer bestimmten privaten Krankenversicherung bei drastisch erhöhten Beiträgen finanziell immer unattraktiver wird, würden immer mehr Versicherte das Unternehmen wechseln. Dies hätte wiederum Beitragserhöhungen zur Folge und führte zu einer spiralförmigen Entwicklung von Beitragserhöhungen sowie Mitgliederverlust. (3) Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit Die Interdependenz von steigenden Beiträgen und dem Wechsel von Personen mit guten Risiken zu anderen Versicherungen ist zeitlich limitiert. Sie bewirkt zu einem bestimmten Zeitpunkt durch die Inselektion ein so großes Ungleichgewicht zwischen dem verringerten Mitgliederbestand und dem anteilig immer größer werdenden Risikobestand, dass die Versicherungen die Kosten der Leistungsaufwendungen nicht mehr durch ihre Einnahmen ausgleichen könnten. Die Inäquivalenz zwischen Krankheitskosten und Beiträgen könnte dann auch durch die kontinuierliche Erhöhung der Beiträge nicht mehr aufgefangen werden, wenn die finanzielle Belastbarkeitsgrenze der Versicherten überschritten wäre. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen sind aber nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VAG, § 341e Abs. 1 Satz 1 HGB zur dauernden Erfüllbarkeit ihrer den Versicherungsnehmern vertraglich zugesicherten Leistung, der Kostenerstattung, verpflichtet, weil die substitutive PKV gemäß § 12 Abs. 1 VAG in Deutschland „nur nach Art der Lebensversicherung“ betrieben werden darf.59 Mit der Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit der Versicherungsunternehmen wird die Vertragsbasis der PKV zur Disposition gestellt. Dieses Gefahrenpotential wird noch dadurch vergrößert, dass nach § 8a Nr. 2 Satz 3 MB / KK 1994 Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen wegen des Älterwerdens des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sind, wenn Alterungsrückstellungen gebildet werden.60 Insbesondere für den Altbestand wäre eine Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung schon nach kürzerer Zeit nicht mehr gegeben; damit wäre die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen der Unternehmen in Frage gestellt. (4) Verhinderung des Wettbewerbs innerhalb der PKV sowie zwischen GKV und PKV Das immer wieder vorgebrachte Argument für die Portabilität der Alterungsrückstellungen ist die Intention, durch die Erleichterung von Wechselmöglichkeiten mehr Wettbewerb zwischen den Versicherern zu ermöglichen.61 In der Tat 59 Timmer (Fn. 24); Kalis (Fn. 24); Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 674 f.; ders., VersR 2006 (Fn. 24), S. 304 f., ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 225 f. 60 Darauf weist auch Timmer (Fn. 24), S. 197 (200), hin. 61 So die Begründung des GKV-WSG-E, BT-Drucks. 16 / 3100, S. 92. Vgl. ferner bereits Unabhängige Expertenkommission (Fn. 32), 14.2., S. 42 f.; Monopolkommission (Fn. 53) Nr. 677, S. 343; Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (Fn. 28); Sach-

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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ist ein Wechsel des Versicherungsunternehmens durch den Versicherten nach derzeitiger Rechtslage für diesen finanziell umso unattraktiver, je größer der Wert seiner Alterungsrückstellung im Versicherungsverlauf ist. Der Versicherte müsste sich dann nämlich beim neuen Versicherungsunternehmen wegen seiner alterungsbedingt gestiegenen Risikodisposition zu deutlich schlechteren finanziellen Konditionen versichern, bei deren Festlegung auch berücksichtigt würde, dass er selbst keine Alterungsrückstellungen für sein neues Risikokollektiv gebildet hat, von diesen aber trotzdem zu partizipieren beabsichtigt. Daraus folgt, dass ein Wechsel des privaten Krankenversicherungsunternehmens für ältere Personen mit einem bisher schon längeren Versicherungsverlauf faktisch nicht in Betracht kommt. Die auf den ersten Blick zunächst einleuchtende Intention der Wettbewerbsförderung wird aber durch die gesetzlich vorgesehene Transfermöglichkeit von Alterungsrückstellungen nicht verwirklicht. Ein effektiver Wettbewerb setzt nämlich einen funktionierenden Versicherungsmarkt voraus, in dem Versicherungsunternehmen den Nachfragern transparent ihre versicherungstariflichen Angebote darlegen. Grundbedingungen eines Versicherungsangebots sind aber neben dem Äquivalenzprinzip und dem Grundsatz der dauernden Erfüllbarkeit auch eine realistische Risikoprognose als Basis der Beitragskalkulation für das Versichertenkollektiv. Schon durch die gesetzlich erzwungene Einführung einer Basistarifstruktur, die sich ausdrücklich nicht am individuellen Risiko der dort Versicherten orientieren darf, wird eine echte Wettbewerbssituation bewusst verhindert. Mit der Einführung von portablen Alterungsrückstellungen ist weder eine realistische Risikoprognose noch eine sachgerechte und stabile Prämienberechnung möglich, weil beides entscheidend von einem kalkulierbaren Bestand von Alterungsrückstellungen abhängt. Da die Größe dieses Bestandes aber wegen der Portabilität zu keinem Zeitpunkt vorausgesehen werden kann, ist auch die Festsetzung angemessener Beiträge nicht möglich. Ohne risikoorientierte Beiträge kann deshalb kein Wettbewerb zwischen privaten Krankenversicherungsunternehmen stattfinden. Auch der Wettbewerb zwischen GKV und PKV würde durch die zunächst in Aussicht genommene, im GKV-WSG aber nicht vorgesehene uneingeschränkte Portabilität zwischen beiden Versicherungssystemen nicht gefördert. Da in der GKV keine Alterungsrückstellungen gebildet werden, flössen die transferierten Alterungsrückstellungen derjenigen, die von der PKV zur GKV wechselten, der allgemeinen Einnahmenseite der GKV zu. Dem Versicherten, der sie „mitgebracht“ hat, kämen sie nicht unmittelbar zugute. Ein „Wettbewerbsvorteil“ läge also nur in der Stärkung der Einnahmenseite der GKV und der Schwächung der PKV, ohne dass strukturelle Veränderungen stattfänden. Er wäre überdies zumindest langfristig nicht von Dauer, weil die Äquivalenz von Einnahmen und Ausgaben auch ein Grundprinzip der GKV ist. Diese würde zwar von den Alterungsrückstellungen ehemaliger PKV-Mitglieder kurzverständigenrat (Fn. 38), Nr. 528, S. 288 f.; Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Abschlussbericht, 1.3.2.4.2.2.1., S. 143; Bundesministerium der Justiz (Fn. 53), S. 22 f.; Meyer (Fn. 24), S. 102; ders., Die Vorschläge der Expertenkommission PKV, in: Basedow / Donath / Meyer / Rückle / Schwintowski (Hrsg.), Anleger- und objektgerechte Beratung. Private Krankenversicherung. Ein Ombudsmann für Versicherungen, 1999, S. 105 (125); Adams (Fn. 34); Bürger, VersW 2004 (Fn. 47), S. 1253; ders. (Fn. 38), S. 18.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

fristig finanziell profitieren, müsste aber auch die Krankheitskosten dieses Personenkreises tragen. Je höher die „mitgebrachten“ individuellen Alterungsrückstellungen wären, umso größer wäre das Schadensrisiko bei den betreffenden Personen, weil es sich bei ihnen um ältere Mitglieder handelte. Die erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit könnte weder durch die Alterungsrückstellungen noch durch die in der GKV risikounabhängigen Beiträge aufgefangen werden. Vielmehr müssten die übrigen in der GKV Versicherten als Solidargemeinschaft dieses Risiko tragen. Damit würden aber wiederum die Ausgaben der GKV steigen, die durch Beitragserhöhungen ausgeglichen werden müssten. Langfristig würde die GKV aus wettbewerblicher Sicht aus der Mitnahme von Alterungsrückstellungen von der PKV zur GKV deshalb keinen finanziellen Nutzen ziehen können. Umgekehrt brächten ehemalige Mitglieder der GKV keine Alterungsrückstellungen in die PKV mit ein, so dass die Beiträge für sie deutlich höher ausfielen als bei gleichaltrigen Versicherten der PKV mit einem vergleichbaren Erkrankungsrisiko, für die aber schon seit längerer Zeit Alterungsrückstellungen gebildet worden wären. Ein Wechsel zur PKV würde sich deshalb regelmäßig nicht lohnen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass durch die beschriebene Inselektion und die verstärkten Wechselaktivitäten der Versicherten die Wahrscheinlichkeit zunähme, dass einige private Krankenversicherungsunternehmen ihre Leistungsfähigkeit einbüßten und nicht mehr solvent wären. Dies würde zu einem marktund wettbewerbsfeindlichen Konzentrationsprozess innerhalb der PKV und zur Gefährdung ihrer rechtlich zugewiesenen Stellung als substitutive Krankenvollversicherung führen.62 Ein wettbewerbsfördernder Effekt wäre mithin nach keiner Seite zu verzeichnen.63 (5) Zerstörung der PKV als leistungsfähige Systemalternative zur GKV Die Konsequenz der beschriebenen Entwicklung für den Konnex zwischen Versichertenstamm und Beitragshöhe bei der Einführung portabler Alterungsrückstellungen wäre die Zerstörung der PKV als leistungsfähige Systemalternative zur GKV.64 Damit würde die in der Begründung des Gesetzentwurfs von CDU / CSU und SPD aufgestellte Behauptung, dass „das spezifische Geschäftsmodell der PKV [ . . . ] erhalten (bleibt)“,65 nicht nur verfehlt, sondern konterkariert.

Zürchner (Fn. 24), S. 708. Timmer (Fn. 24), S. 200: „Pyrrhussieg für eine Intensivierung des Wettbewerbs“; ähnlich auch Zürchner (Fn. 24), S. 708; Bohn (Fn. 24), S. 176. 64 Vgl. auch Zieschang (Fn. 28), S. 1045 f. 65 Begründung des GKV-WSG-E, BT-Drucks. 13 / 3100, S. 266. 62 63

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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2. Rechtlicher Gestaltungsrahmen a) Portabilität der Alterungsrückstellungen beim Wechsel zwischen privaten Krankenversicherern aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben (1) Grundrechte der privaten Krankenversicherungsunternehmen (a) Wettbewerbs- und Kalkulationsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Freiheit der Berufswahl und -ausübung. Nach einer häufig verwendeten „Faustformel“ betrifft die Berufswahl das „Ob“ und die Berufsausübung das „Wie“ der beruflichen Betätigung. Die Berufausübungsfreiheit umfasst „die Gesamtheit der mit der Berufstätigkeit, ihrem Ort [ . . . ], ihren Inhalten [ . . . ], ihrem Umfang, ihrer Dauer, ihrer äußeren Erscheinungsform, ihren Verfahrensweisen und ihren Instrumenten zusammenhängenden Modalitäten der beruflichen Tätigkeit und umgreift so eine Reihe von Einzelfreiheiten“. 66 Darunter fällt auch die Freiheit unternehmerischer Betätigung. Die „Unternehmerfreiheit‘ im Sinne freier Gründung und Führung von Unternehmen“ ist danach durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt; „Wahrnehmung von Unternehmerfreiheit ist sowohl die Gründung und Führung eines Klein- oder Mittelbetriebs als auch die Tätigkeit eines Großunternehmens“67. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen können deshalb grundrechtlichen Schutz für alle mit der Unternehmensführung in einem inneren Zusammenhang stehenden Tätigkeiten in Anspruch nehmen. Im Mittelpunkt der unternehmerischen Betätigung substitutiver Krankenversicherungsunternehmen stehen das Angebot und der Abschluss von Krankenversicherungsverträgen. Art. 12 Abs. 1 GG schützt deshalb auch dieses Tätigkeitsfeld. Von besonderer Bedeutung für die unternehmerische Betätigung ist die Wettbewerbsfreiheit, welche als das Recht auf den Versuch verstanden werden kann, sich durch freie Leistungskonkurrenz als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt gegenüber anderen durchzusetzen68. Sie wird durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt, soweit das Verhalten der Unternehmen bzw. Unternehmer im Wettbewerb Bestandteil ihrer Berufausübung ist.69 Das Bundesverfassungsgericht formuliert im Zu66 Peter J. Tettinger / Thomas Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 12 Rn. 57. 67 BVerfGE 50, 290 (363). 68 Helge Sodan, Gesundheitsbehördliche Informationstätigkeit und Grundrechtsschutz, in: DÖV 1987, S. 858 (860); ders., Vorrang der Privatheit als Prinzip der Wirtschaftsverfassung, in: DÖV 2000, S. 361 (364). Vgl. auch BGHZ 23, 365 (370); Wolfgang Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, 1958, S. 79; Rupert Scholz, Entflechtung und Verfassung, 1981, S. 94. 69 BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); BVerwGE 71, 183 (189); vgl. ferner Rupert Scholz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz. Kommentar, Art. 12 Rn. 86 f., 144 f.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

sammenhang mit der Erörterung der Berufsfreiheit sogar, die „bestehende Wirtschaftsverfassung“ enthalte „den grundsätzlich freien Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien“70. Die Wettbewerbsfreiheit sichert deshalb einen marktbezogenen Raum privater Konkurrenz vor staatlichem Zugriff. Eine Beteiligung am Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage mit dem Ziel, sich am Markt durchzusetzen, ist aber nur möglich, wenn die Konkurrenten ihren jeweiligen Marktbeitrag frei gestalten können. Für private Krankenversicherungsunternehmen folgt daraus die grundrechtlich geschützte Freiheit, Inhalt und Umfang ihrer Versicherungsangebote selbstbestimmt festzulegen. Diese Befugnis bezieht sich bei Versicherungen allgemein wesentlich auf die Risikokalkulation, weil von ihr die Höhe der Versicherungsprämie abhängig ist, und bei Krankenversicherungen speziell auch auf die Berechnung der Alterungsrückstellungen, da ihr Umfang entscheidend von der kollektiven Risikoeinschätzung abhängt. Die Wettbewerbsfreiheit vermittelt den privaten Krankenversicherungen in diesem Sinne ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in ihre Produktgestaltungsfreiheit. Sie wird berührt, wenn die der Prämienberechnung zugrunde liegende Rechtslage durch den Gesetzgeber verändert wird. In die Wettbewerbsfreiheit der Versicherungsunternehmen wird deshalb durch die Einführung portabler Alterungsrückstellungen unmittelbar eingegriffen.71 In engem Zusammenhang mit der Wettbewerbsfreiheit steht die beruflich genutzte Vertragsfreiheit. Dazu gehören auch die Preis-, Vertriebs- und Absatzfreiheit.72 Eine Ausprägung wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit ist die Freiheit der Unternehmensführung einschließlich der Dispositions-, Produktions-, Investitionsund Entwicklungsfreiheit.73 Zusammenfassend spricht das Bundesarbeitsgericht von der „Unternehmensautonomie als Teil der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG“74. Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit verbindet hinsichtlich des Schutzumfangs ein systematisch enger Konnex, weil sich der Grundrechtsschutz auch auf die Wettbewerb und Vertrag konstituierenden Voraussetzungen bezieht. Dazu gehört bei einer Versicherung die sachgerechte Kalkulation von Leistung und Gegenleistung. Die Berufsfreiheit schützt daher vor einem Eindringen des Staates in den Freiheitsbereich, der dem Versicherungsunternehmen verbleiben muss, um das Schadensrisiko und damit die Äquivalenz von Beitrag und Kostenerstattung zu bestimmen. Die beruflich genutzte Vertragsfreiheit konkretisiert sich im VersicheBVerfGE 32, 311 (317). Vgl. auch BVerfGE 106, 275 (298); BVerwGE 71, 183 (189). Vgl. auch Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 26; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 641. 72 Helge Sodan / Jan Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht. Staats- und Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2007, § 40 Rn. 16. 73 Siehe im Einzelnen Fritz Ossenbühl, Die Freiheiten des Unternehmers nach dem Grundgesetz, in: AöR 115 (1990), S. 1 (12 ff., 16 f., 18 ff.). Vgl. auch Peter J. Tettinger, Verfassungsrecht und Wirtschaftsordnung – Gedanken zur Freiheitsentfaltung am Wirtschaftsstandort Deutschland, in: DVBl. 1999, S. 679 (685); Scholz (Fn. 69), Art. 12 Rn. 124, 130. 74 BAGE 64, 284 (295). 70 71

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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rungsbereich mithin als Kalkulationsfreiheit.75 Die in die Autonomie des Versicherungsunternehmens gestellte Beitragskalkulation bedeutet zugleich, dass sich die konkrete Realisierung der Kalkulationsfreiheit zwischen den einzelnen Unternehmen unterscheiden kann.76 Wenn der Staat durch gesetzliche Regelungen wie der Konstituierung eines Transferanspruchs von Alterungsrückstellungen die Kalkulationsbasis der Versicherungsverträge verändert, greift er in die Vertragsfreiheit der privaten Krankenversicherungsunternehmen unmittelbar ein. Dem in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden Willen des Verfassungsgebers, dass die Berufwahl „frei“ sein soll, die Berufsausübung hingegen geregelt werden darf, entspricht nach dem sog. Apotheken-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1958 „nur eine Auslegung, die annimmt, daß die Regelungsbefugnis die beiden ,Phasen’ nicht in gleicher sachlicher Intensität erfaßt, daß der Gesetzgeber vielmehr um so stärker beschränkt ist, je mehr er in die Freiheit der Berufswahl eingreift“.77 Das Gericht entwickelt in dieser Entscheidung die sog. Drei-Stufen-Theorie, die zwischen Berufsausübungsregelungen (1. Stufe) sowie subjektiven (2. Stufe) und objektiven Berufszulassungsvoraussetzungen (3. Stufe) unterscheidet.78 Die Anforderungen der Stufen beeinflussen die üblichen Schritte der Verhältnismäßigkeitsprüfung. „Am freiesten ist der Gesetzgeber, wenn er eine reine Ausübungsregelung trifft, die auf die Freiheit der Berufswahl nicht zurückwirkt, vielmehr nur bestimmt, in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im einzelnen zu gestalten haben.“79 Gemäß der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sind Regelungen der Berufsausübung verhältnismäßig, „wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist“80. Bereits im sog. Kassenarzt-Urteil aus dem Jahre 1960 stellt das Bundesverfassungsgericht zutreffend fest, dass im Falle von „Ausübungsregelungen eine breite Skala von Möglichkeiten besteht, der eine größere oder geringere Gestaltungsfreiheit auf der Seite des Gesetzgebers entspricht“; „je einschneidender die Freiheit der Berufsausübung beengt wird, desto höher müssen die Anforderungen an die Dringlichkeit der öffentlichen Interessen 75 Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 25 f.; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 641. 76 Scholz, Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 644. 77 BVerfGE 7, 377 (402). 78 Siehe BVerfGE 7, 377 (405 ff.). 79 BVerfGE 7, 377 (405 f.). 80 BVerfGE 68, 272 (282); fast wortgleich BVerfGE 61, 291 (312); 106, 181 (192). Vgl. ferner etwa BVerfGE 7, 377 (405 f.); 73, 301 (317); 85, 360 (375 ff.); 102, 197 (220); 109, 64 (85). Siehe dazu näher Helge Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Beitrag zum Umbau des Sozialstaates, 1997, S. 233 ff.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

sein, die zur Rechtfertigung solcher Beengung ins Feld geführt werden“.81 Der Gesetzgeber ist daher um so eigenständiger, je mehr eine Vorschrift eine reine Ausübungsregelung darstellt, unterliegt hingegen um so stärkeren Bindungen, je mehr eine Regelung der Berufsausübung in ihren praktischen Auswirkungen einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl nahe kommt.82 Durch die Einführung portabler Alterungsrückstellungen wird in die Berufsausübungsfreiheit eingegriffen, so dass sich der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab grundsätzlich auf die Anforderungen der ersten Stufe bezieht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die beschriebenen Konsequenzen der Mitnahme von Alterungsrückstellungen für die privaten Krankenversicherungsunternehmen einschneidend sind: Ihnen droht – bedingt durch negative Risikoselektion und Beitragserhöhungen – die Unterfinanzierung ihrer Leistungsausgaben, im schlimmsten Fall sogar die Insolvenz. Auch das Angebot von Krankheitskostenvollversicherungen für Neukunden wird den Versicherungsunternehmen erheblich erschwert, weil sie sich damit entweder dem Insolvenzrisiko aussetzten oder die Prämien so erhöhen müssten, dass ein Vertragsangebot zu diesen Konditionen von potentiellen Interessenten nur noch selten angenommen würde. Insofern sind die Auswirkungen eines solchen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit tatsächlich mit denen eines die objektiven Bedingungen regelnden Eingriffs in das Recht der Berufswahl vergleichbar. Der Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit dieses Eingriffs wird deshalb aus den verfassungsrechtlichen Anforderungen der dritten Stufe der Berufsfreiheit konstituiert. An den Nachweis der Notwendigkeit einer Beschränkung der objektiven Bedingungen für die Zulassung sind „besonders strenge Anforderungen zu stellen [ . . . ]; im allgemeinen wird nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diesen Eingriff in die freie Berufswahl legitimieren können“.83 Weder ist ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut noch sind nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren für dieses Rechtsgut erkennbar, welche die Einführung portabler Alterungsrückstellungen rechtfertigen können. Selbst wenn man lediglich die Berufsausübungsfreiheit als tangiert ansähe und die verfassungsrechtliche Prüfung ausschließlich im Rahmen der ersten Stufe vornähme, so müsste der Eingriff in jedem Fall dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen, um verfassungsgemäß zu sein. Die Einführung portabler Alterungsrückstellungen soll der Förderung des Wettbewerbs im System der PKV dienen. Dabei handelt es sich um ein legitimes gesetzgeberisches Ziel, das der grundrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit entspricht. Bedenken bestehen hingegen schon bei der Geeignetheit der Portabilität von Alterungsrückstellungen zur Realisierung dieses Zwecks. Wie oben bereits ausgeführt wurde, hat die Einführung portabler Alterungsrückstellungen nämlich mittelfristig eine wettbewerbshemmende Wirkung. 81 82 83

BVerfGE 11, 30 (42). Vgl. BVerfGE 7, 377 (403); 11, 30 (42); 12, 144 (148). BVerfGE 7, 377 (407 f.).

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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Auch an der Erforderlichkeit bestehen Zweifel, weil Wettbewerbserleichterungen durch eine Vielzahl anderer gesundheitspolitischer Maßnahmen erreicht werden können, die dieses Ziel erheblich effektiver und weniger grundrechtsbelastend verwirklichen. Die Einführung portabler Alterungsrückstellungen ist aber jedenfalls nicht angemessen, weil sie die Grundrechte der Beteiligten bei der Abwägung nicht entsprechend berücksichtigt. Für die Einführung portabler Alterungsrückstellungen streiten keine grundrechtlich geschützten Positionen, gegen sie diejenigen der Versicherungsunternehmen und der zum Altbestand gehörenden Versicherten. Die gesetzliche Konstituierung portabler Alterungsrückstellungen ist deshalb ein verfassungswidriger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit.84 Reziprok verletzt die bisherige Rechtslage die grundrechtlich geschützte Wettbewerbsfreiheit der Unternehmen nicht.85 (b) Eigentumsfreiheit (aa) Idealkonkurrenz zwischen Eigentums- und Berufsfreiheit Neben der Berufsfreiheit kann auch die Eigentumsfreiheit durch die Einführung portabler Alterungsrückstellungen betroffen sein. Dagegen lässt sich nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einwenden, dass Art. 14 Abs. 1 GG das „Erworbene“ und Art. 12 Abs. 1 GG den „Erwerb“ schütze. Das Gericht hält die Berufsfreiheit für einschlägig, wenn „ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit“ eingreife. Begrenze er „mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögenswerte“, so komme „der Schutz des Art. 14 GG in Betracht.“86 Interpretiert man diese Formel im Sinne der Abgrenzung einer in der Berufsfreiheit enthaltenen „dynamischen“ von einer die Eigentumsgarantie prägenden „eher statischen“ Komponente,87 so drängt sich folgender Einwand auf: Der durch die Eigentumsgarantie – auch – geschützte freie Gebrauch des Eigentums ist doch gerade tätigkeitsbezogen und somit „dynamisch“; von einer „statischen“ Komponente des Eigentumsschutzes lässt sich lediglich in Bezug auf die Garantie des Eigentumsbestandes als solchen sprechen.88 Trotz der verunglückten Abgrenzungsformel ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Idealkonkurrenz zwischen Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie nicht ausgeschlossen: In einigen Entschei84 So wohl auch Kalis (Fn. 24), S. 15; Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 47 f. 85 Siehe auch Prölss (Fn. 28), § 178f Rn. 14, der allerdings für die Wettbewerbsfreiheit nur den Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG geltend macht. 86 BVerfGE 30, 292 (335); fast wortgleich BVerfGE 84, 133 (157); 85, 360 (383). 87 So Gunther Schwerdtfeger, Zur Verfassungsmäßigkeit der paritätischen Mitbestimmung, 1978, S. 64. 88 Sodan (Fn. 17), S. 485 f. Vgl. zur Kritik auch Hans-Peter Schneider, Art. 12 GG – Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit, in: VVDStRL 43 (1985), S. 5 (39); Scholz (Fn. 48), Art. 12 Rn. 148 f.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

dungen hält das Gericht beide Grundrechte nebeneinander für einschlägig89. Im Mitbestimmungs-Urteil von 1979 stellt es fest: „Art. 12 Abs. 1 GG wird durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht verdrängt. Zwar sind beide Grundrechte funktionell aufeinander bezogen; sie haben jedoch selbständige Bedeutung.“90 Berücksichtigt man, dass die Entscheidung für ein funktionsfähiges Privateigentum den Weg zu einem Wirtschaftssystem weist, welches Privatinitiative und unternehmerische Eigenverantwortlichkeit als grundlegend anerkennt, so stellen Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie Elemente einer sozialen Marktwirtschaft dar.91 Diese verfassungsrechtlichen Gewährleistungen sind damit „Grundfesten einer Wirtschaftsordnung [ . . . ], die einen staats-unabhängigen Marktmechanismus mit – freiem – Wettbewerb konstituieren und garantieren“. 92 Ganz in diesem Sinne legt auf der Ebene des europäischen Gemeinschaftsrechts Art. 4 Abs. 1 EGV fest, dass die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft die Einführung einer Wirtschaftspolitik umfasst, die „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“. Diesem Prinzip kommt über Art. 23 Abs. 1 GG jedenfalls der Rang materiellen Verfassungsrechts zu.93 Schon aus diesem Grund, aber auch wegen der Inhalte insbesondere der Grundrechte der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie ist die vom Bundesverfassungsgericht vertretene These von der „wirtschaftspolitischen Neutralität“ des Grundgesetzes94 zumindest überholt. (bb) Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schützt als Eigentum auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb95 und damit das Betriebseigentum. 96 Nach Auf89 Siehe etwa BVerfGE 8, 71 (79 f., 81); 21, 150 (154 ff., 160); 50, 290 (339 ff., 361 ff.). Vgl. aus dem Schrifttum etwa Sodan, DÖV 1987 (Fn. 68), S. 862. 90 BVerfGE 50, 290 (361 f.). 91 Siehe dazu näher Sodan, DÖV 2000 (Fn. 68), S. 363 ff.; Holger Martin Meyer, Vorrang der privaten Wirtschafts- und Sozialgestaltung als Rechtsprinzip. Eine systematisch-axiologische Analyse der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes, 2006, S. 136 ff., 189 ff. 92 Otto Depenheuer, in: von Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 9. 93 Sodan, DÖV 2000 (Fn. 68), S. 367. 94 Siehe etwa BVerfGE 4, 7 (17 f.); 7, 377 (400); 14, 263 (275); 21, 73 (78); 25, 1 (19 f.); 30, 292 (317, 319); 50, 290 (336 ff.). 95 Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 42 Rn. 10; ebenso Friedrich Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, in: Jura 1989, S. 113 (118); Walter Leisner, Eigentum, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 149 Rn. 108 ff.; Depenheuer (Fn. 92), Art. 14 Rn. 132 f.; Hans-Jürgen Papier, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz. Kommentar, Art. 14 Rn. 95 ff. Kritisch: Brun-Otto Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rn. 18 ff. Ablehnend: Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rn. 52.

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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fassung des Bundesgerichtshofs soll es nicht nur den eigentlichen Bestand des Gewerbebetriebes, sondern auch dessen einzelne Erscheinungsformen unter Einschluss des gesamten gewerblichen Tätigkeitskreises umfassen; dazu zählten die Betriebsgrundstücke und -räume sowie die Einrichtungsgegenstände, Warenvorräte und Außenstände, zugleich aber auch „geschäftliche Verbindungen, Beziehungen, der Kundenstamm, kurz alles das, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebes“ ausmache.97 Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings klargestellt, dass diese Rechte „jedenfalls nicht bloße (Umsatz- und Gewinn-)Chancen und tatsächliche Gegebenheiten umfassen [ . . . ] wie die bestehenden Geschäftsverbindungen, den erworbenen Kundenstamm oder die Marktstellung“.98 Der grundrechtliche Eigentumsschutz könne jedenfalls „nicht weiter gehen als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt“.99 Einer übermäßigen, durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht gedeckten Ausweitung des Eigentumsschutzes im Betriebsbereich lässt sich jedoch vom Eigentumsinhalt her entgegenwirken, indem die durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützten (Erwerbs-) Chancen sorgfältig von den Eigentumspositionen abgegrenzt werden; Schwierigkeiten bei dieser Abgrenzung dürfen nicht dazu verleiten, kurzerhand den Eigentumsschutz des Betriebes zu opfern.100 Gewinnchancen, die sich in keiner Weise als rechtliche Vermögensbestandteile qualifizieren lassen, sind nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Anders verhält es sich jedoch, wenn zum Gewerbebetrieb gehörende Rechtsbestandteile beschränkt werden, die für die Gewinnerhaltung essentiell sind, wie etwa das den Gemeingebrauch und damit den Kundenzufluss sichernde Anliegerrecht.101 Ein Unternehmen der PKV ist ein eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb.102 Ein wesentlicher Bestandteil der versicherungsbezogenen Tätigkeit ist die Risikoprognose, nach der die Prämien berechnet werden. Die auf dieser Kalkulationsbasis gebildeten Alterungsrückstellungen sind für die vom jeweiligen Versicherer konstituierten Risikogruppen bestimmt. Eine gesetzlich generierte Veränderung dieser Risikokollektive verändert zugleich die Kalkulationsgrundlage, ohne dass sich das Unternehmen zuvor darauf einstellen konnte. Die Eigentumsfreiheit sichert deshalb ebenso wie die Berufsfreiheit die Kalkulationsgrundlage des einzelnen privaten Krankenversicherungsunternehmens vor staatlichen 96 Siehe etwa Walter Leisner, Eigentum. Grundlage der Freiheit, 1994, S. 24 ff.; ders. (Fn. 72), § 149 Rn. 109; Sodan (Fn. 80), S. 253; Depenheuer (Fn. 92), Art. 14 Rn. 132 ff. 97 BGHZ 23, 157 (162 f.); 45, 150 (155); vgl. ferner BGHZ 48, 65 (66); 55, 261 (263); 67, 190 (192); 81, 21 (33); 92, 34 (37); BVerwGE 62, 224 (226). 98 BVerfGE 77, 84 (118); vgl. ferner BVerfGE 68, 193 (223); 81, 208 (227 f.); BVerwGE 95, 341 (348 f.). 99 BVerfGE 58, 300 (353); vgl. ferner BVerfGE 68, 192 (222 f.). 100 Sodan (Fn. 80), S. 254; Leisner (Fn. 95), § 149 Rn. 110. 101 Für eine solche differenzierende Betrachtungsweise und mit zahlreichen weiteren Beispielen: Depenheuer (Fn. 92), Art. 14 Rn. 358 ff. 102 Kalis (Fn. 24), S. 15.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

Eingriffsakten. Auch das Eigentumsgrundrecht schützt deshalb die Kalkulationsfreiheit.103 Der denkbare Einwand, damit werde die Marktstellung der Versicherungen geschützt, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst sei, ginge fehl: Zwar ist davon auszugehen, dass wegen der Mitnahme von Alterungsrückstellungen eine Reihe von privaten Krankenversicherungsunternehmen in eine finanzielle Schieflage geraten und insofern ihre Marktstellung verlieren werden. Die mittelbare Beeinträchtigung der Marktstellung dieser Unternehmen wird aber nur ein ökonomischer Reflex des gesetzlichen Eingriffs in die bilanzielle Stabilität der von den Versicherungsunternehmen vorgenommenen Zuordnung von Alterungsrückstellungen zu bestimmten Risikokohorten sein. Die geplante Auflösung eines stabilen Zuordnungsrahmens und damit einer langfristig vorhersehbaren Kalkulationsbasis charakterisiert den Eingriff sachgerechter als seine mittelbaren Auswirkungen auf die Marktstellung. Der Konnex zwischen Kalkulation und Risikozuordnung ist daher im Sinne der skizzierten verfassungsrechtlichen Rechtsprechung für die Gewinnerhaltung privater Krankenversicherungsunternehmen essentiell. Er wird deshalb durch die Eigentumsfreiheit geschützt. Teilweise wird in der Literatur vertreten, durch portable Alterungsrückstellungen könne das Recht der Versicherungsunternehmen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb jedenfalls nicht generell berührt werden, weil sie nicht die Existenz der betroffenen Unternehmen bedrohten.104 Angesichts der mit der gesetzlich erzwungenen Veränderung der Kalkulationsgrundlage einhergehenden Konsequenzen wie Risikoselektion und Beitragssteigerungen kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Solvenz einiger Unternehmen durchaus gefährdet und es zu einem Konzentrationsprozess mit vereinheitlichten Tarifen kommen wird. Eine Gefährdung der ökonomischen Existenz einzelner Krankenversicherungen ist deshalb wahrscheinlich. Da sich jedes dieser Unternehmen auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen kann, ist eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gegeben. Durch die Einführung portabler Alterungsrückstellungen greift der Gesetzgeber in dieses Grundrecht der Versicherungsunternehmen ein. (cc) Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit Daneben schützt das Eigentumsgrundrecht – ebenso wie die Berufsfreiheit – auch die Teilnahme am Wettbewerb.105 Wie schon vorstehend dargestellt, wird die Wettbewerbsteilnahme von Krankenversicherungsunternehmen im Marktbereich 103 Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 25 f.; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 641; vgl. auch ders. (Fn. 48), Art. 12 Rn. 132, 138. 104 In dieser Richtung Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 44. 105 Scholz (Fn. 69).

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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der Krankenvollversicherung durch die gesetzliche Modifikation einer stabilen Risikozuordnung von Alterungsrückstellungen zumindest erheblich erschwert. Ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit liegt auch unter diesem Aspekt vor. (dd) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums legen „generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers fest, bestimmen also den ,Inhalt‘ des Eigentums.“106 Die gesetzliche Auflösung des Zusammenhangs zwischen ermitteltem Kollektivrisiko und der Höhe der Alterungsrückstellung ist eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung. Diese muss dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen.107 Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Interessen der Allgemeinheit in einen gerechten Ausgleich mit den Eigentümerinteressen zu bringen. „Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit der verfassungsrechtlichen Vorstellung eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang“.108 Bei der Abwägung ist also die in Art. 14 Abs. 2 GG verankerte Sozialbindung des Eigentums zu beachten. Das Allgemeinwohl ist jedoch „nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen“.109 So sind dem Gesetzgeber „enge Grenzen gezogen, soweit es um die Funktion des Eigentums als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen geht“.110 Insoweit genießt das Eigentum also „einen besonders ausgeprägten Schutz“.111 Der grundrechtliche Eigentumsschutz der Kalkulationsbasis privater Krankenversicherer wird in diesem Sinne noch durch die sowohl sozialstaatliche als auch freiheitssichernde Funktion der Unternehmen verstärkt:112 Einerseits erfüllt die substitutive PKV für einen Teil der Bevölkerung alle Aufgaben der GKV und besitzt damit einen sozialstaatlichen Bezug. Es ist deshalb im Allgemeininteresse, dass die PKV diese Funktion auch realisieren kann. Damit dies gelingt, ist sie auf eine stabile und berechenbare Kalkulationsgrundlage angewiesen. Durch die Veränderung der Kalkulationsgrundlage bei der gesetzlichen Implementierung der Transfermöglichkeit von Alterungsrückstellungen ist diese Funktion gefährdet. Andererseits sind die Beiträge so kalkuliert, dass sie mit Hilfe der Alterungsrückstellungen die durchschnittlichen altersbedingten Krankenkosten der Mitglieder der Risikokohorte abdecken. Alterungsrückstellungen schützen deshalb die finanzielle Bewegungsfreiheit und damit auch die persönliche Freiheit jedes VersicherBVerfGE 58, 300 (330). Vgl. BVerfGE 21, 150 (155); 42, 263 (295); 50, 290 (341); 75, 78 (97 f.); 81, 29 (31 f.). 108 BVerfGE 101, 239 (259); fast wortgleich BVerfGE 52, 1 (29); 101, 54 (75). 109 BVerfGE 100, 226 (241). 110 BVerfGE 53, 257 (292); fast wortgleich BVerfGE 64, 87 (101). 111 BVerfGE 70, 191 (201), 101, 54 (75); 102, 1 (15). 112 Instruktiv Kalis (Fn. 24), S. 15; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 676; ders., VersR 2006 (Fn. 24), S. 306 f. 106 107

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

ten. Beide Elemente der Schutzfunktion von Alterungsrückstellungen, das sozialstaatliche und das individuell freiheitssichernde, sind auf stabile Risikozuordnungen angewiesen. Insofern verleiht die Funktionsambivalenz von Alterungsrückstellungen ihrem grundrechtlichen Schutz besonderes Gewicht. Dieser Umstand ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Als legitimes gesetzgeberisches Ziel der Einführung portabler Alterungsrückstellungen kommt hier die regelmäßig angeführte Förderung des Wettbewerbs zwischen den Versicherern in Betracht. Schon die Geeignetheit der Mitnahme von Alterungsrückstellungen, diese Intention zu verwirklichen, ist angesichts der nicht unwahrscheinlichen negativen Folgen für die Wettbewerbssituation äußerst zweifelhaft. Noch größere Bedenken bestehen hinsichtlich der Erforderlichkeit portabler Alterungsrückstellungen, da der Wettbewerb nicht nachhaltig gefördert wird, die mittelfristigen Konsequenzen für die Prämienkalkulation dagegen einschneidend sind. Die Konstituierung eines entsprechenden Transferrechts ist zumindest unzumutbar, weil der verstärkte grundrechtliche Eigentumsschutz der Kalkulationsbasis größeres Gewicht besitzt als die äußerst unsichere Möglichkeit der Wettbewerbsverbesserung. Dieses besondere Gewicht ist Ausfluss einer durch Art. 14 GG geschützten freiheitlichen Wirtschaftsordnung, in welcher der einzelne Grundrechtsträger eigenverantwortlich am Wirtschaftsleben teilnehmen soll. Jede staatliche Regulierung hat diese besondere Bedeutung des Art. 14 GG in Rechnung zu stellen. Zur Unangemessenheit der Einführung portabler Alterungsrückstellungen am Maßstab des Art. 14 GG trägt außerdem der Widerspruch zwischen der legislativen Einordnung der PKV und den mit dieser Maßnahme verbundenen Wirkungen bei. Der Gesetzgeber weist einerseits der PKV eine sozialstaatlich relevante Funktion zu, indem die PKV für einen Teil der Bevölkerung die GKV ersetzt. Andererseits entzieht er mit der Einführung portabler Alterungsrückstellung der PKV die Prognosebasis der Beitragskalkulation und nimmt die dargestellten Folgen zumindest in Kauf. Damit verhindert er die Realisierung von Aufgaben, die er der PKV selbst gesetzlich zugewiesen hat. Das verstößt gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.113 Dieser aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Grundsatz gebietet den widerspruchsfrei rechtsetzenden Staat. Er verpflichtet alle rechtsetzenden Organe, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, welche die Rechtsordnung widersprüchlich machen.114 Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung lässt sich zusätzlich noch aus anderen Verfassungsprinzipien und bereits aus wissenschaftstheoretischen Grundsätzen ableiten.115 Im Falle widersprüchlicher Regelungen muss daher (zumindest) eine Norm ungültig sein. „Welche Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 676. BVerfGE 98, 83 (97); 98, 106 (118 f.); 98, 265 (301). Vgl. ferner BVerfGE 108, 169 (181 f.). 115 Siehe dazu näher Helge Sodan, Das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, in: JZ 1999, S. 864 (866 ff.). 113 114

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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der einen Widerspruch begründenden Regelungen zu weichen hat, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Rang, der Zeitenfolge und der Spezialität der Regelungen.“116 Die PKV ist vom Gesetzgeber bewusst als alternatives Versicherungssystem zur GKV strukturiert worden. Ihr Substitutionscharakter, der auch den Wettbewerb zwischen den privaten Krankenversicherungsunternehmen sowie zwischen PKV und GKV einschließt, ist nur bei Einhaltung ihrer versicherungsmathematischen Grundlagen gewahrt. Die Stabilität der Kalkulationsgrundlage der PKV besitzt deshalb Vorrang vor der Einführung portabler Alterungsrückstellungen, welche die Kalkulationsbasis destabilisiert und den Wettbewerb hemmt. Eine Verletzung des grundrechtlichen Eigentumsschutzes der Versicherungsunternehmen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG liegt bei der Einführung der Mitnahmemöglichkeit von Alterungsrückstellungen vor.117 Umgekehrt verletzt die bisherige Rechtslage nicht Art. 14 GG.118 (c) Rückwirkungsverbot zum Schutz des Vertrauens Die Höhe der Alterungsrückstellungen ist das Ergebnis einer konkreten Kalkulation des Versicherungsunternehmens, die aufgrund einer Risikoprognose der den Versicherten betreffenden Versichertenkohorte zum Zeitpunkt des Versicherungsbeginns erstellt worden ist. Sowohl die Prognose der altersbedingten Durchschnittskosten als auch die darauf aufbauende Berechnung des Sparanteils ist danach abgeschlossen. Das Unternehmen vertraut darauf, dass seine Risikoberechnung als Konkretisierung der grundrechtlich gewährleisteten Kalkulationsfreiheit Bestand hat. Es muss darauf vertrauen, weil Voraussetzung für die Richtigkeit seiner Prognose die Stabilität der Ausgangsbedingungen ist. Durch die gesetzliche Einführung der Portabilität von Alterungsrückstellungen verändert der Gesetzgeber damit zugleich die Kalkulationsgrundlage dieser Verträge, weil die Stornowahrscheinlichkeit steigt, die Vererbung der davon betroffenen Alterungsrückstellungen aber entfällt und bei der Prämienberechnung nicht mehr berücksichtigt werden kann. Damit verändert der Gesetzgeber einen zum Eingriffszeitpunkt abgeschlossenen Tatbestand. Es liegt ein Fall der echten Rückwirkung vor. Sie wird vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts dann angenommen, wenn eine Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift.119 Ohne dass es in der Sache wesentliche Unterschiede geben dürfte, hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine andere Terminologie entwickelt: Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen soll dadurch gekennzeichnet sein, dass die Rechtsfolgen einer Norm schon für einen vor ihrer Verkündung liegenden Zeitraum gelten.120 116 117 118 119 120

BVerfGE 98, 106 (119). Kalis (Fn. 24), S. 15. Prölss (Fn. 28), § 178f Rn. 14. Vgl. etwa BVerfGE 11, 139 (145 f.); 25, 142 (154); 101, 239 (263 f.). Siehe BVerfGE 72, 200 (241 f., 253 ff.); 78, 249 (283 f.).

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

Dem Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich nicht strikt verwehrt, rückwirkende Regelungen zu erlassen; sie sind jedoch rechtfertigungsbedürftig. Soweit schutzwürdiges Vertrauen besteht, hat der Gesetzgeber nämlich wegen des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips Grenzen zu beachten, die „sich aus einer Abwägung zwischen dem Ausmaß des durch die Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschadens und der Beeinträchtigung der geschützten Grundrechtspositionen des Einzelnen einerseits und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl andererseits“ ergeben.121 Eine echte Rückwirkung, d. h. die Rückbewirkung von Rechtsfolgen für abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände, ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn sie zwingende Gründe des allgemeinen Wohls erfordern.122 Solche Gründe sind aber hier nicht erkennbar. Die von der Bundesregierung ins Feld geführte Wettbewerbsförderung scheidet aus, weil dieses Ziel durch portable Alterungsrückstellungen nicht erreicht wird und überdies von geringerem Gewicht als die skizzierten grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Versicherungsunternehmen ist. Es liegt daher wegen der Statuierung der eingeschränkten Transfermöglichkeit von Alterungsrückstellungen ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor. (2) Grundrechte der bislang in der PKV Versicherten (Altbestand), die einen Wechsel des Versicherungsunternehmens beabsichtigen (a) Eigentumsfreiheit Zu denken wäre zunächst ebenfalls an den grundrechtlichen Eigentumsschutz. Ein wechselbereiter Versicherungsnehmer könnte geltend machen, dass ein Wechsel des Unternehmens durch die bisher gesetzlich nicht vorgesehene Mitnahme „seiner“ Alterungsrückstellungen vereitelt oder zumindest erschwert würde, weil die entsprechende Beitragslast beim neuen Versicherungsunternehmen ohne Berücksichtigung der Alterungsrückstellung zu hoch wäre. Die durch § 178f VVG a. F. festgelegte Beschränkung der Anrechnung von Alterungsrückstellungen auf die Konstellation eines Tarifwechsels mit gleichartigem Versicherungsschutz innerhalb desselben Unternehmens wäre nach dieser Ansicht eine verfassungswidrige Verletzung des Eigentumsrechts. Den Gesetzgeber träfe dann eine aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Verpflichtung, Regelungen zu schaffen, die einen Transfer von Alterungsrückstellungen auch zwischen den Versicherungsunternehmen innerhalb der PKV sowie zwischen PKV und GKV ermöglichen. Zumindest ersteres würde durch die im GKV-WSG enthaltenen Regelungen erreicht, so dass diese als einfachgesetzliche Realisierung einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung angesehen werden könnten. Dogmatisch beruhte diese Ansicht auf einer legislativen Schutzpflicht zugunsten der Versicherten, die 121 122

BVerfGE 105, 17 (44). Vgl. Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 7 Rn. 59.

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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den objektiv-rechtlichen Gehalt des Eigentumsschutzes konkretisierte und aus der grundgesetzlichen Wertentscheidung zugunsten des Eigentums folgte. (aa) Alterungsrückstellung in der PKV als individuelle Eigentumsposition des einzelnen Versicherten? Voraussetzung für eine solche Verpflichtung ist aber zunächst, dass überhaupt der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen ist. Das wäre nur der Fall, wenn der in die Alterungsrückstellung eingebrachte Sparanteil der Prämie zum Eigentum des Versicherungsnehmers gehörte. Das wird in der Literatur mit dem Hinweis auf die für die Alterungsrückstellung aufgewandte Eigenleistung des Versicherungsnehmers vereinzelt vertreten123. Diese Auffassung knüpft mit dem Bezug zur Eigenleistung des Versicherten an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts speziell zum Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen an. Danach ist „Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen [ . . . ] eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist; diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient“.124 So erfüllen beispielsweise „die gesetzlich begründeten rentenversicherungsrechtlichen Positionen eine soziale Funktion, deren Schutz gerade Aufgabe der Eigentumsgarantie ist, und weisen auch die konstitutiven Merkmale des Eigentums im Sinne von Art. 14 GG auf“.125 Alterungsrückstellungen werden aus dem Sparanteil der Versicherungsprämie zur Verhinderung alterungsbedingter Beitragserhöhungen gebildet. Die Beiträge würden ohne Rückstellungen im Alter teilweise so drastisch ansteigen, dass viele Versicherte die private Krankenversicherung nicht mehr bezahlen könnten und auf 123 Sandra Laubin (Fn. 55); wohl auch Josef Isensee, „Bürgerversicherung“ im Koordinatensystem der Verfassung, in: NZS 2004, S. 393 (400). Unklar Meyer (Fn. 24), S. 102, der die Auffassung vertritt, wegen der treuhänderischen Funktion der Versicherungsunternehmen für die Versicherten seien die Alterungsrückstellungen „ökonomisch gesehen zweifelsfrei als Eigentum der Versicherten anzusehen.“ Ein Verlust der Alterungsrückstellung bei Ausscheiden eines Versicherungsnehmers komme einer Enteignung gleich. Meyer scheint mithin die Alterungsrückstellungen dem einzelnen Versicherungsnehmer und nicht dem Versichertenkollektiv zuzuordnen. 124 BVerfGE 69, 272 (300); 72, 9 (18 f.); 76, 220 (235); vgl. ferner etwa BVerfGE 112, 368 (396). Siehe aus dem Schrifttum Sodan (Fn. 80), S. 256 ff.; ders., Zur Verfassungsmäßigkeit der Ausgliederung von Leistungsbereichen aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Dargestellt am Beispiel der Versorgung mit Zahnersatz, in: NZS 2003, S. 393 (394 f.); Matthias Herdegen, Garantie von Eigentum und Erbrecht, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, 2001, S. 273 (276 f.). 125 BVerfGE 100, 1 (32). Zum Eigentumsschutz von Ansprüchen und Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung siehe Helge Sodan, Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme, in: VVDStRL 64 (2005), S. 144 (159 ff.); ders., Verfassungsrechtliche Determinanten der gesetzlichen Rentenversicherung, in: NZS 2005, S. 561 ff.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

staatliche Unterstützung angewiesen wären. Insofern dienen Alterungsrückstellungen zumindest mittelbar der Existenzsicherung. Bedenklicher ist dagegen die Auffassung, die für den Versicherten gebildete Alterungsrückstellung beruhe auf nicht unerheblichen Eigenleistungen. Zwar wird ein Beitragsanteil des Versicherungsnehmers für die Bildung von Alterungsrückstellungen verwandt, aber nicht unmittelbar und ausschließlich für seine Alterungsrückstellung. Die Alterungsrückstellungen berücksichtigen die bei der Risikogruppe durchschnittlich anfallenden alterungsbedingten Kosten. Die für den Versicherten gebildete Alterungsrückstellung wird mithin aus den Sparanteilen aller Mitglieder seiner Risikokohorte konstituiert. Eine Zuordnung von Beitragsanteilen zur Alterungsrückstellung für einen bestimmten Versicherten ist deshalb nicht möglich. Der missverständliche Zusammenhang zwischen Eigenleistung und Alterungsrückstellungen ist daher nur zutreffend interpretiert, wenn man feststellt, dass die für ein bestimmtes Risikokollektiv gebildeten Alterungsrückstellungen den Eigenleistungen der Mitglieder dieser Gruppe entstammen. Dies spricht auch entscheidend gegen die Einordnung der Alterungsrückstellung als Eigentum eines bestimmten Mitglieds. Es handelt sich wegen der kollektiven Risikozurechnung bei der Alterungsrückstellung nicht um eine privatnützige Vermögensposition nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts. Der Versicherungsnehmer zahlt keinen Prämienanteil für seine Alterungsrückstellung, sondern für die der Risikokohorte, der er angehört. Der für Alterungsrückstellungen aufgewandte Beitragsanteil ist deshalb bei der PKV ein das Durchschnittsrisiko berücksichtigender Rechnungsposten und kein individueller Sparanteil. Dem einzelnen Versicherungsnehmer fehlt deswegen auch die alleinige Verfügungsbefugnis über diesen Rechnungsposten. Die Alterungsrückstellung kann daher auch nicht als Anwartschaftsrecht des einzelnen Versicherungsnehmers charakterisiert werden. Sie ist vielmehr eine bloße Aussicht darauf, dass die altersbedingten Krankheitskosten durch die Alterungsrückstellung aufgefangen werden.126 Die Alterungsrückstellung ist deshalb keine Eigentumsposition des einzelnen Versicherten.127 Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus drei neueren bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen zur Bestandübertragung128, zur Überschussermittlung129 und zum Rückkaufwert von Lebensversicherungen130. Diese Rechtsprechung vermag eine Schutzverpflichtung aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, welche den Gesetzgeber zur Einführung portabler Alterungsrückstellungen zwänge, nicht zu begründen.131 Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 40 f. Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 39 ff.; ders., Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 647 f.; Sodan / Schüffner (Fn. 1), S. 29 ff. 128 BVerfGE 114, 1 ff. 129 BVerfGE 114, 73 ff. 130 BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2006, S. 1783 ff. 126 127

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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In den betreffenden Entscheidungen sah das Bundesverfassungsgericht einen Anspruch der Versicherten auf Beteiligung an den Überschüssen einer kapitalbildenden Lebensversicherung als eigentumsfähige Position im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG an.132 Die Überschussbeteiligung sei „bei den Versicherten noch nicht durch Zuteilung zu eigentumsfähigen Ansprüchen erstarkt, die Entstehung solcher Ansprüche aber durch die rechtlichen Vorgaben des Versicherungsvertragsund des Versicherungsaufsichtsrechts so vorgezeichnet [ . . . ], dass es sich bei der Überschussbeteiligung um mehr als eine bloße Chance handelt. Der objektivrechtliche Schutz aus Art. 14 Abs. 1 GG erstreckt sich daher auch auf die Sicherung der späteren Konkretisierung und Realisierung des zunächst nur dem Grunde nach bestehenden Anspruchs auf Überschussbeteiligung.“133 Die Folgerung, dass das, was für die Überschussbeteiligung bei Lebensversicherungen gelte, auch auf Alterungsrückstellungen bei privaten Krankenversicherungen übertragen werden könne, verbietet sich angesichts der wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Versicherungsarten: Die substitutive Krankenversicherung darf im Inland gemäß § 12 Abs. 1 VAG zwar nur nach Art einer Lebensversicherung betrieben werden. Dazu zählt auch die Bildung einer Alterungsrückstellung, deren Höhe nach den bei der Lebensversicherung geltenden versicherungsmathematischen Grundsätzen der Risikokalkulation zu berechnen ist.134 Kapitalbildende Lebens- und Krankenversicherung unterscheiden sich jedoch grundlegend in der Struktur des Vermögensaufbaus: Bei der kapitalbildenden Lebensversicherung wird gleichzeitig neben der ursprünglichen Risikoversicherung für den Versicherten ein Sparanteil aufgebaut, der sich durch die Beitragszahlungen kontinuierlich vergrößert. Er kann dem Versicherungsnehmer individuell zugeordnet und während der gesamten Vertragslaufzeit mit einem konkreten Betrag beziffert werden, der auch die Gewinnbeteiligung berücksichtigt, während nur die Risikotragung kollektiv erfolgt. Im Gegensatz dazu beruht bei der Krankenversicherung auch der für die Alterungsrückstellungen aufgewandte Sparanteil der Versicherungsprämie auf einer kollektiven Risikozurechnung. Das hängt damit zusammen, dass bei der PKV der Sparbetrag nicht wie bei der Lebensversicherung ausschließlich kontinuierlich ansteigt, sondern (im Alter) kontinuierlich auch wieder abgebaut wird, so dass die Alterungsrückstellung bei Beendigung des Versicherungsvertrages im Durchschnitt vollständig aufgebraucht ist. Für die Prognose der altersbedingten Kostenentwicklung kann aber versiche131 Anders jedoch Ernst Niederleithinger, Auf dem Weg zu einer VVG-Reform – Zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, in: VersR 2006, S. 437 (446). 132 Siehe BVerfGE 114, 1 (41); 114, 73 (91); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2006, S. 1783 (1785). 133 BVerfGE 114, 1 (38); fast wortgleich BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2006, S. 1783 (1785). 134 Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 668; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 222 f.; Präve (Fn. 24), § 12 Rn. 7.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

rungsmathematisch nur das auf das jeweilige Versichertenkollektiv abstellende Durchschnittsrisiko berücksichtigt werden.135 Weil der Sparanteil nicht individualisierbar ist, kann weder ihm noch einem Gewinnbeteiligungsanspruch ein individuell bestimmbares Ausschließlichkeitsrecht zugeordnet werden, das Voraussetzung für eine eigentumsfähige Position im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wäre. Die Versicherungsstruktur der kapitalbildenden Lebensversicherung und die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur grundrechtlichen Eigentumsgarantie sind deshalb nicht auf die Alterungsrückstellungen der PKV übertragbar. Dies lässt den von der Eigentumsgarantie erfassten verfassungsrechtlichen Schutz der mit den Prämien der Versicherten aufgebauten Alterungsrückstellungen zugunsten des jeweiligen Kollektivs unberührt. (bb) Weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Realisierung der grundrechtlichen Schutzpflicht Auch wenn man Alterungsrückstellungen dem einzelnen Versicherungsnehmer als eigentumsgrundrechtliche Position zuordnete, ergäbe sich daraus im Übrigen noch nicht, dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, portable Alterungsrückstellungen in der PKV einzuführen oder zuzulassen. Dem Gesetzgeber und der vollziehenden Gewalt kommen nämlich nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bei der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten „ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum läßt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen“ 136. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb für eine Feststellung der Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht wiederholt zur Voraussetzung erhoben, dass die staatlichen Organe entweder „gänzlich untätig geblieben“ oder „die bisher getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind“.137 Angesichts der oben ausführlich beschriebenen problematischen Konsequenzen der Einführung portabler Alterungsrückstellungen sowohl für die Versicherungsunternehmen als auch für den Altbestand fokussierte sich der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers keinesfalls nur auf diese Gestaltung. Vielmehr sind die Interessen aller Beteiligten, auch der Versicherungsunternehmen und der wechselunwilligen Altkunden, zu berücksichtigen. Diesen Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Regelungen zur Überschussbeteiligung von Lebensversicherungen ausdrücklich hervorgehoben: „Allerdings ist der Gesetzgeber gehindert, die Feststellung des Schluss135 Zu den Unterschieden zwischen Lebens- und Krankenversicherung näher Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 667 f.; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 227 ff. 136 BVerfGE 77, 170 (214 f.); 79, 174 (202); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1996, S. 651. 137 BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1996, S. 651; NJW 1998, S. 2961 (2962); vgl. ferner BVerfGE 85, 191 (212); 89, 276 (286); 92, 26 (46). Siehe dazu näher Helge Sodan, Der Anspruch auf Rechtsetzung und seine prozessuale Durchsetzbarkeit, in: NVwZ 2000, S. 601 (603 ff.).

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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überschusses ausschließlich am Interesse der oder eines einzelnen Versicherten oder gar an dem Interesse eines aus dem Versicherungsverhältnis Ausscheidenden an der Optimierung der an ihn auszukehrenden Leistungen auszurichten. Dies widerspräche dem für das Versicherungsrecht typischen Grundgedanken einer Risikogemeinschaft und damit des Ausgleichs der verschiedenen, weder im Zeitablauf noch hinsichtlich des Gegenstands stets identischen Interessen der Beteiligten.“138 Eine etwaige aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG abgeleitete Schutzpflicht vermittelte dem Versicherten deshalb keinen staats- oder versicherungsgerichteten Anspruch auf die Mitnahme von Alterungsrückstellungen. (b) Schutz der Privatautonomie Fraglich ist, ob sich ein wechselbereiter Versicherungsnehmer neben der Eigentumsfreiheit auch auf den Schutz der Privatautonomie berufen könnte, die dem Gesetzgeber eine verfassungsrechtliche Verpflichtung auferlege, Regelungen für den Transfer von Alterungsrückstellungen zu erlassen. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die Privatautonomie als Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben. Sie ist Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit, die wiederum durch die Handlungsfreiheit anderer Grundrechtsträger begrenzt ist.139 Die Privatautonomie bedarf deshalb der Ausgestaltung in der Rechtsordnung, insbesondere im Vertragsrecht.140 Sie findet regelmäßig ihren Ausdruck in einem Vertrag, in dem die Vertragsparteien selbstbestimmt ihre Interessen zum Ausgleich gebracht haben. Diesen Interessenausgleich hat der Staat grundsätzlich zu respektieren.141 Ausnahmsweise kann aber wegen des Ungleichgewichts zwischen den Vertragsparteien ein solches Übergewicht eines Vertragspartners entstehen, dass dieser den Vertragsinhalt faktisch bestimmen kann. Das Bundesverfassungsgericht entnimmt in diesem Fall der grundrechtlich geschützten Privatautonomie des unterlegenen Vertragspartners eine staatliche Verpflichtung, Regelungen zu seinem Schutz zu erlassen.142 Dies gilt auch dann, wenn das Ungleichgewicht durch gesetzliche Regelungen verursacht worden ist und mithin der Staat selbst die Verantwortung dafür trägt.143 Es ist schon zweifelhaft, ob ein solches Ungleichgewicht zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsunternehmen hinsichtlich der Alterungsrückstellungen überhaupt besteht. Zwar ist zutreffend, dass – zumindest für ältere VerBVerfGE 114, 73 (102 f.). Vgl. BVerfGE 8, 274 (328); 72, 155 (170); st. Rspr. 140 BVerfGE 114, 1 (34); 114, 73 (89); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2006, S. 1783 (1784). 141 Siehe BVerfGE 103, 89 (100); 114, 1 (34); 114, 73 (89 f.). 142 Vgl. BVerfGE 89, 214 (232); 103, 89 (100 f.). 143 BVerfGE 114, 1 (34 f.); 114, 73 (90); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2006, S. 1783 (1784). 138 139

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

sicherte mit einem schon länger andauernden Versicherungsschutz – regelmäßig ein Wechsel des Versicherungsunternehmens wegen der zu erwartenden hohen Beiträge der neu abgeschlossenen Versicherung ausscheidet. Die rechtliche Problematik der Mitnahme von Alterungsrückstellungen beruht aber weder auf einem vom Unternehmen zu verantwortenden Ungleichgewicht zwischen ihm und dem Versicherten noch auch auf gesetzlichen Regelungen, sondern auf dem notwendigen Bezug zu einer kollektiven Risikokalkulation. Die Berechnung der Alterungsrückstellung nach den zu erwartenden durchschnittlichen altersbedingten Krankheitskosten von Risikogruppen ist der PKV systemimmanent und versicherungsmathematisch vorgegeben. Es liegt deshalb bei der Kalkulation der Alterungsrückstellung auch keine Situation vor, in der ein starker Vertragspartner dem schwächeren Verhandlungspartner den Vertragsinhalt aufzwingt und ihn insoweit fremdbestimmt. Schon die verfassungsgerichtlich statuierte Voraussetzung für das Vorliegen einer Schutzpflicht ist daher nicht gegeben. Aus der Privatautonomie wechselbereiter Versicherter folgt keine gesetzliche Verpflichtung, portable Alterungsrückstellungen einzuführen. (c) Allgemeiner Gleichheitssatz Die nach bisheriger Rechtslage einzige Konstellation, in der Alterungsrückstellungen angerechnet werden, ist nach § 178f Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. der Wechsel der versicherten Person in einen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz bei demselben Unternehmen. Vereinzelt wird nun vertreten, dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorläge, wenn in diesem Fall eine Anrechnung von Alterungsrückstellungen stattfinde, ihr Transfer bei einem Wechsel zu einem anderen Unternehmen aber nicht möglich sei. Der Versicherungsnehmer besäße deshalb nach § 242 BGB einen Anspruch auf den Transfer individualisierter Alterungsrückstellungen.144 Art. 3 Abs. 1 GG untersagt staatliche „Willkür“. Es darf weder „wesentlich Gleiches willkürlich ungleich“ behandelt werden noch „wesentlich Ungleiches willkürlich gleich“.145 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG setzt zunächst eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem voraus. Dazu sind Vergleichspaare zu bestimmen. Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn die diese Vergleichspaare bildenden Personen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen belegt werden. Hier besteht bisher in der Tat eine Ungleichbehandlung zwischen denjenigen Versicherten, die in einen anderen Tarif desselben Versicherungsunternehmens mit gleichartigem Versicherungsschutz wechseln, und denjenigen Versicherungsnehmern, die in ein anderes UnterLaubin (Fn. 55), S. 562 ff. Siehe etwa BVerfGE 4, 144 (155); 78, 104 (121); kritisch zum Verbot der Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem Michael Sachs, Verfassungsrecht II. Grundrechte, 2. Aufl. 2003, B3 Rn. 41 ff. 144 145

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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nehmen oder in die GKV zu wechseln beabsichtigen. Dort werden Alterungsrückstellungen angerechnet, hier nur im Umfang des Basistarifs oder sogar – wie beim Wechsel in die GKV – gar nicht. Anschließend ist zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung auch „wesentlich Gleiches“ betrifft: Maßgeblich hierfür ist die wesentliche Vergleichbarkeit der Personengruppen hinsichtlich desjenigen Vergleichskriteriums, das für den Anlass der ungleich wirkenden Behandlung maßgeblich ist, dazu also in engem inneren Sachzusammenhang steht. Es ist hier schon zweifelhaft, ob die gebildeten Vergleichsgruppen der wechselwilligen Versicherten überhaupt wesentlich gleich sind. Ein bloßer Tarifwechsel mit gleichartigem Versicherungsschutz innerhalb derselben Versicherung unterscheidet sich nämlich von einem Wechsel des Versicherungsunternehmens entscheidend dadurch, dass dem Versicherer, von dem der Versicherte zu einem anderen Unternehmen wechselt, nicht nur (zukünftige) Versicherungsbeiträge entgehen, sondern auch durch die mögliche Mitnahme der Alterungsrückstellung ein bestimmter Barwert entzogen wird. Diese Folgen wären mithin deutlich schwerwiegender als der bloße Tarifwechsel, so dass nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass es sich um wesentlich gleiche Vergleichsgruppen handelt. Selbst wenn man dies bejahte, führt eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem nur dann zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie ohne sachlichen Grund, also „willkürlich“ erfolgt. Nach der auf die ursprüngliche verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG zurückgehenden Willkürformel liegt Willkür dann vor, wenn sich (irgend)ein vernünftiger, aus der Natur der Sache resultierender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund nicht finden lässt.146 Dabei handelt es sich um eine Art „Evidenzprüfung“, bei der einleuchtende sachliche Gründe insbesondere für eine legislative Ungleichbehandlung schlechterdings nicht mehr erkennbar sein dürfen.147 Engere Prüfungsanforderungen gelten demgegenüber bei der vom Bundesverfassungsgericht seit 1980 verwandten sog. „neuen Formel“. Hiernach ist Art. 3 Abs. 1 GG „vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“148; eine Rechtfertigung ist nur möglich, wenn Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund „in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen“149. Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Freiheitsrechten150 sind demgemäß in sinnentsprechender Weise auf die gleichheitsrechtliche Prüfung zu übertragen: Folglich muss mit der Ungleichbehandlung ein legiti146 147 148 149 150

Siehe etwa bereits BVerfGE 1, 14 (52). Vgl. BVerfGE 50, 142 (162) m. w. N.; BVerfGE 88, 87 (97); 91, 389 (401). BVerfGE 55, 72 (88). Vgl. etwa auch BVerfGE 107, 133 (141); 112, 50 (67). BVerfGE 82, 126 (146) m. w. N. Siehe dazu Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 24 Rn. 34 ff.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

mer Zweck verfolgt werden und diese zu dessen Erreichung auch geeignet sein. Ferner muss die Ungleichbehandlung erforderlich sein, d. h. es dürfen keine weniger einschneidenden Maßnahmen zur Verfügung stehen.151 Schließlich ist zu überprüfen, ob Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen; dafür ist eine umfassende Abwägung zwischen Art und Gewicht, dem Zweck und den Auswirkungen der Ungleichbehandlung vorzunehmen.152 Nach beiden Prüfungsmaßstäben ist die Differenzierung zwischen den beschriebenen Versichertengruppen hinsichtlich der Anrechnung von Alterungsrückstellungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da sie weder willkürlich noch unverhältnismäßig ist. Bei einem Wechsel in einen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz desselben Versicherers findet eine kollektive Risikozurechnung weiterhin statt, während sich bei einem Unternehmenswechsel die Zusammensetzung der Risikokohorte und damit auch die Risikozurechnung verändert. Da die Höhe der Alterungsrückstellungen aber auf einer kollektiven und durchschnittlichen Risikoberechnung beruht, kann der Wert der Rückstellung nicht auf eine gänzlich anders zusammengesetzte Risikogruppe übertragen werden. Art. 3 Abs. 1 GG wird durch die bisherige Rechtslage deshalb nicht verletzt.153 (3) Grundrechte der bislang privat Krankenversicherten (Altbestand), die keinen Unternehmenswechsel beabsichtigen (a) Eigentumsfreiheit Durch die „Mitnahme“ einer individualisierten Alterungsrückstellung werden die gesamten Alterungsrückstellungen derjenigen Risikogruppe entwertet, welcher der Versicherte vormals angehörte, weil die Alterungsrückstellungen ausschließlich kollektiv gebildet werden. Den übrigen Mitgliedern des Risikokollektivs werden mithin Alterungsrückstellungen entzogen, die auch für sie bestimmt waren. Fraglich ist, ob damit in ihr Eigentumsgrundrecht eingegriffen wird.154 Voraussetzung dafür ist, dass die für das Risikokollektiv gebildeten Alterungsrückstellungen jedem Angehörigen dieser Gruppe zugeordnet werden können. Bedenken bestehen wegen der hier problematischen Charakterisierung der Alterungsrückstellungen als privatnützige Vermögenspositionen im Sinne eines Ausschließlichkeitsrechts. Wie oben dargestellt, kann dem einzelnen Versicherten eine individualisierte Alterungsrückstellung nicht zugeordnet werden. Umgekehrt stehen Vgl. BVerfGE 91, 389 (403 f.); 103, 225 (235 ff.). Zur Frage des Anwendungsverhältnisses dieser Prüfungsmaßstäbe Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 30 Rn. 15 f. 153 So auch Kalis (Fn. 24), S. 14; Scholz, Zur Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 646; Prölss (Fn. 28), § 178f Rn. 14. 154 Bejahend Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 676; Schoenfeldt (Fn. 32), S. 148. 151 152

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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die Alterungsrückstellungen im Eigentum der jeweiligen Versicherung; diese kann den grundrechtlichen Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gegen einen staatlich erzwungenen Entzug von Alterungsrückstellungen aktivieren. Für eine Zuordnung der Alterungsrückstellungen zu einzelnen Altbestandskunden verbleibt deshalb konsequenterweise kein Raum. Zwar wäre daran zu denken, hier bezüglich des Ausschließlichkeitscharakters der eigentumsfähigen Position auf den jeweils durch das gleiche Kollektivrisiko verbundenen Versichertenbestand abzustellen. Dagegen spricht aber, dass die Alterungsrückstellungen zunächst nur einen bilanziellen Rechnungsposten bilden und denjenigen, die später von ihnen profitieren werden, deshalb noch keine Verfügungsbefugnis vermitteln. Eine kollektive Verfügungsbefugnis der Versicherten über die Alterungsrückstellungen wäre zudem in der Praxis kaum realisierbar. Die überzeugenderen Argumente sprechen deshalb dafür, Alterungsrückstellungen nicht als eine dem Schutz der Eigentumsfreiheit der einzelnen Altbestandskunden unterfallende Rechtsposition anzusehen. Eine Verletzung dieses Grundrechts durch die Mitgabe von Alterungsrückstellungen scheidet somit aus. (b) Privatautonomie Nahe liegender ist dagegen ein möglicher Eingriff in die Privatautonomie der Altbestandskunden. Der zwischen Versicherer und Versichertem abgeschlossene Krankenversicherungsvertrag ist für beide Vertragsparteien verbindlich. Nach § 8a Nr. 2 Satz 3 MB / KK 1994 ist eine „Erhöhung der Beiträge oder eine Minderung der Leistungen des Versicherers wegen des Älterwerdens der versicherten Person [ . . . ] jedoch während der Dauer des Versicherungsverhältnisses ausgeschlossen, soweit eine Alterungsrückstellung zu bilden ist.“ Der in der PKV versicherte Altbestand gerät bei Einführung der Portabilität unter den beschriebenen Risikoselektionsdruck. Die festgesetzten Beiträge reichten mittelfristig nicht mehr aus, um für den einzelnen Versicherungsnehmer eine Alterungsrückstellung in der kalkulierten Höhe bilden zu können. Die Konsequenz ist, dass wegen der veränderten Kalkulationsbasis die Beiträge zur Finanzierung der Alterungsrückstellungen erhöht werden müssen. Dagegen kann ein Versicherungsnehmer ebenfalls sein Grundrecht auf Privatautonomie anführen. Jeder Versicherte besitzt gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ein Abwehrrecht gegen Eingriffe in seine Privatautonomie, zu der die Vertragsfreiheit gehört. Sie umfasst auch den Schutz vor Eingriffen in den Bestand und Inhalt von ihm geschlossener Vereinbarungen. Mit der Einführung portabler Alterungsrückstellungen für Altund Neubestandskunden verändert der Gesetzgeber die Kalkulationsbasis des jeweiligen Versicherungsvertrages und damit mittelbar auch den Vertragsinhalt selbst. Das in jedem Vertrag verbindlich festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beruht nämlich auf einer spezifischen Risikokalkulation alterungsbedingter Kosten, die von der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Versicherungsbeginns ausgeht. Insofern ist die versicherungsmathematische Kalkulationsbasis von Versicherungsverträgen auch vom Schutz der Privatautonomie erfasst, wenn sie – wie beim vertraglichen Ausschluss altersbedingter Kostensteigerun-

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

gen – selbst Gegenstand der verbindlicher Vertragsabsprachen ist. Die Privatautonomie eines Versicherten, der ursprünglich keinen Wechsel des Versicherungsunternehmens beabsichtigt hatte und sich wegen einer gesetzlich induzierten Veränderung der Prognosegrundlage mit Beitragserhöhungen konfrontiert sähe, ist berührt. Die gesetzlichen Regelungen zugunsten portabler Alterungsrückstellungen bewirken allerdings keinen unmittelbaren Eingriff, weil als Zwischenschritt zwischen dem Handeln des Gesetzgebers und den Beitragserhöhungen für den Altbestand noch der Versicherungswechsel durch Versicherte unter Mitnahme eines Teils „ihrer“ Alterungsrückstellungen im Umfang des Basistarifs erfolgen muss. Die Grundrechte bieten allerdings unter bestimmten Voraussetzungen auch Schutz vor mittelbaren Beeinträchtigungen, wenn Funktion und Schutzzweck des jeweils einschlägigen Grundrechts darauf gerichtet sind, auch eine Beeinträchtigung dieser Qualität abzuwehren.155 Wesentlich ist der grundrechtswidrige Effekt: Eine hinreichende Beeinträchtigungsintensität genügt allerdings allein noch nicht zur Feststellung eines Grundrechtsschutzes gegen mittelbare Beeinträchtigungen; zusätzlich muss der entscheidende Anstoß zu dem Ereignis, welches den Effekt unmittelbar verursacht, von einem Verhalten öffentlicher Gewalt ausgehen. Je kürzer die „Kausalkette“ zwischen einer beeinträchtigenden Wirkung und dem betreffenden Verhalten öffentlicher Gewalt ist, desto leichter ist ein zur Grundrechtsbetroffenheit erforderlicher Ursächlichkeitszusammenhang zu belegen.156 Das Verhältnis zwischen der gesetzlichen Regelung und der Belastung der Altbestandskunden genügt den Anforderungen an einen mittelbaren Eingriff hinsichtlich der Eingriffsintensität und des Ursächlichkeitszusammenhangs: Durch die Transfermöglichkeit von Alterungsrückstellungen wird es wegen der Zerstörung einer stabilen Kalkulationsbasis mit größter Wahrscheinlichkeit zu Beitragserhöhungen kommen, weil die gesetzliche Regelung zu einem Wechsel des Versicherungsunternehmens anregt. Entsprechende Bestimmungen setzen nicht nur die erste, sondern auch die entscheidende Ursache für die Gefährdung der Kalkulationsgrundlage der PKV. Ein mittelbarer Eingriff liegt daher vor. Der Eingriff ist nur dann verfassungswidrig, wenn er nicht Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ist. Seit dem „Elfes-Urteil“ interpretiert das Bundesverfassungsgericht die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 GG als „allgemeine Rechtsordnung [ . . . ], die die materiellen und formellen Normen der Verfassung zu beachten hat, also eine verfassungsmäßige Rechtsordnung sein muß“157. Dieser einfache Gesetzesvorbehalt beinhaltet allerdings auch, dass die Norm die grundrechtliche Substanz des Art. 2 Abs. 1 GG selbst wahren 155 Vgl. zur „funktionalen“ Seite des Grundrechtsschutzes etwa Sodan, DÖV 1987 (Fn. 68), S. 860, 862 ff. 156 Siehe zum mittelbaren Grundrechtseingriff näher Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 24 Rn. 7 ff. 157 BVerfGE 6, 32 (38); vgl. etwa auch BVerfGE 80, 137 (153); 90, 145 (172); 96, 10 (21); 111, 54 (81 f.); 113, 88 (103).

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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muss.158 Insbesondere darf die staatliche Maßnahme nicht unverhältnismäßig in die allgemeine Handlungsfreiheit eingreifen.159 Der Versicherte ist deshalb vor unverhältnismäßigen mittelbaren Eingriffen des Gesetzgebers in die Kalkulationsbasis seines Versicherungsvertrages geschützt. Zwar mag die Förderung des Wettbewerbs im Bereich der Krankenversicherung ein verfassungsrechtlich durchaus legitimes Ziel darstellen. Schon an der Geeignetheit bestehen allerdings – wie auch beim Eingriff in die Eigentumsfreiheit – Bedenken. Die Erforderlichkeit dieses Eingriffs ist ebenfalls äußerst zweifelhaft, weil den Altbestand geringer belastende Maßnahmen durchaus denkbar sind. Dazu gehört etwa die Beschränkung der Anrechnung von Alterungsrückstellungen beim Versicherungswechsel in einen Basisschutz beim gleichen Versicherer für Neukunden. Dadurch bliebe sowohl die Kalkulationsbasis für den Altbestand erhalten als auch eine echte Wettbewerbsförderung gewährleistet, die bei der im Rahmen des GKV-WSG vorgesehenen Portabilität weitgehend entfällt. Letztere greift schließlich unangemessen in die Privatautonomie der Altbestandskunden ein, weil diese selbst entweder zu einer Hinnahme von drastischen Beitragssteigerungen oder schließlich zu einem Wechsel des Versicherungsunternehmens gezwungen sind. Die Einführung portabler Alterungsrückstellungen in dem durch das GKV-WSG vorgesehenen Umfang verletzt also die Privatautonomie der Altbestandskunden.160 (c) Allgemeiner Gleichheitssatz Vorstehend ist gezeigt worden, dass eine gesetzlich festgelegte Intransportabilität der Alterungsrückstellungen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Nahe liegender ist die Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs allerdings aus der Perspektive des Versicherten, für den schon eine Alterungsrückstellung gebildet worden ist und der zu einem Wechsel des Versicherers nicht bereit ist. Hier könnte die Einführung der Transfermöglichkeit den allgemeinen Gleichheitssatz verletzen. Durch die Mitgabe von Alterungsrückstellungen ändert sich die Kalkulationsgrundlage für die Berechnung der Alterungsrückstellungen des Altbestandes in doppelter Weise: Zum einen ist die Stornowahrscheinlichkeit deutlich größer als zu dem Zeitpunkt, zu dem der für die zukünftige Alterungsrückstellung verwandte Sparanteil der Nettoprämie berechnet worden war. Dieser Effekt zulasten des Altbestandes wird zum anderen dadurch verstärkt, dass sich durch die realisierte Mitnahme von Alterungsrückstellungen der für die Risikogruppe vorgesehene 158 Christoph Degenhart, Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, in: JuS 1990, 161 (169). Einem „Leerlaufen“ des Art. 2 Abs. 1 GG als Folge eines allgemeinen Gesetzesvorbehalts wird dadurch entgegengewirkt, BVerfGE 6, 32 (40 f.). 159 BVerfGE 17, 306 (314); 44, 353 (373); 55, 159 (165); 75, 108 (154 f.); 80, 137 (153). 160 Siehe auch allgemein Kalis (Fn. 24), S. 15; Schoenfeldt (Fn. 32), S. 148.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

Gesamtbetrag der Alterungsrückstellungen verringert.161 Diese Verschlechterung der Kalkulationsgrundlage ist dagegen bei den wechselbereiten Versicherten schlimmstenfalls in deutlich geringerem Umfang zu verzeichnen: Ihnen wird entweder eine individualisierte Alterungsrückstellung im Umfang des Basistarifs im Rahmen der PKV beim neuen Versicherer angerechnet, oder sie zahlen bei einem Wechsel zur GKV ohnehin keine altersabhängigen Beiträge. Die Vergleichsgruppen, an denen die Ungleichbehandlung bei Einführung portabler Alterungsrückstellungen anknüpft, sind deshalb einerseits diejenigen Versicherten, die zu einem anderen Unternehmen wechseln, und andererseits die beim alten Versicherer verbleibenden Versicherungsnehmer innerhalb der gleichen Risikogruppe. Beide Gruppen werden insofern ungleich behandelt, als dort die aufnehmende Versicherung die „mitgebrachten“ Alterungsrückstellungen beitragsmindernd berücksichtigt, während hier die Alterungsrückstellungen nicht ausreichen, um die altersbedingten Kosten aufzufangen. Ein sachgerechtes Differenzierungskriterium für diese Ungleichbehandlung ist nicht erkennbar:162 Soweit der Versicherungswechsel selbst angeführt würde, ist zu bedenken, dass angesichts der zu erwartenden drastischen Verschlechterung der Prämiensituation für den Altbestand dessen Wechsel nur eine Frage der Zeit wäre. Dieses Kriterium ist deshalb willkürlich, wenn es auf den Zeitpunkt des Wechsels abstellt. Ähnliches gilt auch für das Motiv der Verbesserung der wettbewerblichen Ausgangssituation zwischen den Unternehmen. Der Wettbewerb zwischen den Versicherungsunternehmen der PKV sowie zwischen PKV und GKV wird durch die Einführung der generellen Transfermöglichkeit von Alterungsrückstellungen nicht gefördert, sondern zerstört. Dieser Aspekt ist auch im Rahmen des Prüfungsmaßstabs der zu Art. 3 Abs. 1 GG entwickelten „neuen Formel“ zu berücksichtigen und indiziert die fehlende Geeignetheit portabler Alterungsrückstellungen, die ursprüngliche Intention der Wettbewerbsförderung zu verwirklichen. Das Differenzierungskriterium hält deshalb dem Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht stand. Der allgemeine Gleichheitssatz ist durch die generelle Einführung portabler Alterungsrückstellungen verletzt.163 (d) Vertrauensschutz Ähnlich wie das Vertrauen der Unternehmen in ihre Kalkulationsgrundlage vor gesetzlichen Veränderungen geschützt wird, die als echt rückwirkend charakterisiert werden können, so wird auch das Vertrauen der Altbestandskunden in ihre rechnerischen Vertragsgrundlagen geschützt. Die Risikoprognose ist nämlich Rechnungsgrundlage zugleich für die Gesamtkalkulation der Versicherer und die Kalkulation des konkreten Versicherungsvertrags. Wie gezeigt, bedingt die gesetz161 162 163

Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 43 f. Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 44. Ebenfalls Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 46.

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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lich intendierte oder zumindest in Kauf genommene Veränderung der bezüglich des Sparanteils abgeschlossenen Risikoprognose deshalb auch eine Veränderung der kalkulatorischen Vertragsbasis. Die damit verbundene echte Rückwirkung der uneingeschränkten Einführung eines Transfers von Alterungsrückstellungen ist durch kein überragend wichtiges Gemeinschaftsinteresse an dieser Regelung legitimiert. Das in diesem Fall vorliegende Rückwirkungsverbot wird schließlich durch den grundrechtlichen Schutz des Vertrauens des Altbestandskunden in die versicherungsmathematische Richtigkeit der dem Vertrag zugrunde liegenden Risikoprognose im Rahmen seiner Privatautonomie verstärkt. Die mit der Rückwirkung verbundene verfassungswidrige Verletzung des Vertrauensschutzes kann auch der Altbestandskunde geltend machen.164 (4) Grundrechte eines bislang nicht in der PKV Versicherten, der eine Versicherung in der PKV anstrebt (Neukunde) (a) Eigentumsfreiheit Für einen Neukunden in der PKV ist im Zeitraum bis zum Versicherungsbeginn noch keine Alterungsrückstellung gebildet worden. Der Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist zu diesem Zeitpunkt deshalb für ihn noch nicht einschlägig. (b) Privatautonomie vor Vertragsschluss Vor Vertragsschluss wird allerdings durch die in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte Privatautonomie das Recht eines potentiellen Neukunden geschützt, mit einem privaten Krankenversicherer einen Versicherungsvertrag zu schließen, dessen Inhalt beide Vertragsparteien eigenverantwortlich bestimmen. Dazu kann sowohl gehören, die Alterungsrückstellung bei einem Wechsel des Versicherers im Kollektiv der alten Versicherung zu belassen, als auch alternativ sie zum neuen Versicherer mitzunehmen. (aa) Absicht des Neukunden, die Alterungsrückstellung im Kollektiv zu belassen Nach dem neuen § 178f Abs. 1 Satz 3 VVG kann ein Neukunde auf die Transferansprüche hinsichtlich seiner Alterungsrückstellungen im Umfang des Basistarifs nicht verzichten. Dies bedeutet zugleich, dass mit einem Versicherer nicht mehr vereinbart werden kann, dass die von ihm aufgebaute Alterungsrückstellung bei einem Wechsel des Versicherungsunternehmens im Risikokollektiv verbleibt. Damit ist die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit eingeschränkt. Der Eingriff muss im Rahmen der Schrankensystematik des Art. 2 Abs. 1 GG am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemessen werden. 164

Scholz, „Mitgabe“ der Alterungsrückstellung (Fn. 24), S. 45 f.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

Zwar ist die mit dem Regelungsvorhaben verbundene Intention der Wettbewerbsförderung zwischen den Versicherungen im Rahmen des legislativen Gestaltungsspielraums verfassungsrechtlich legitim. Allerdings ist schon die Geeignetheit der Regelung, dieses Ziel zu erreichen, äußerst fraglich, weil die zwingende Portabilität der Alterungsrückstellungen zu den beschriebenen negativen Folgen für den Wettbewerb führt und gerade keinen positiven Effekt für den Wettbewerb erbringt. Jedenfalls ist die Erforderlichkeit der einseitigen Beschränkung auf portable Alterungsrückstellungen aus der grundrechtlichen Perspektive des Neukunden zu verneinen, weil als grundrechtlich weniger belastende Alternative beispielsweise die Einführung eines Wahlrechts zwischen Tarifen mit portablen und nicht portablen Alterungsrückstellungen denkbar wäre. Durch die entsprechende Tarifvielfalt würde der Wettbewerb zudem stärker gefördert als durch gesetzliche Tarifvorgaben. Der Eingriff in die Privatautonomie ist hier schließlich unangemessen, weil der großen Bedeutung der Vertragsfreiheit für die Rechts- und Wirtschaftsordnung angesichts der mit portablen Alterungsrückstellungen verbundenen kalkulatorischen Probleme kein Rechtsgut gegenübersteht, das mit einer einseitigen gesetzlichen Fokussierung auf eingeschränkt portable Alterungsrückstellungen effektiv gefördert werden kann. Mit der gesetzlichen Beschränkung auf ausschließlich portable Alterungsrückstellungen wird verfassungswidrig in die Privatautonomie der Neukunden eingegriffen. (bb) Absicht des Neukunden, portable Alterungsrückstellungen zu vereinbaren Ein Neukunde kann auch beabsichtigen, mit einem privaten Versicherer zu vereinbaren, dass ihm im Falle eines Wechsels des Versicherungsunternehmens ein bestimmter Betrag als individualisierte Alterungsrückstellung mitgegeben wird. Eine solche Vereinbarung war vor dem GKV-WSG ausgeschlossen. Damit wird in die Vertragsfreiheit des Neukunden eingegriffen. Die Intention dieses Verbots besteht darin, dem versicherungsmathematischen kollektiven Risikobezug von Alterungsrückstellungen Rechnung zu tragen und damit die Kalkulationsbasis der Versicherungen zu stabilisieren. Mit dieser Stabilisierung der Kalkulationsbasis wird zugleich die Funktionswirksamkeit der Alterungsrückstellungen für die Altkunden sichergestellt. Der gesetzliche Ausschluss portabler Alterungsrückstellungen ist zweifellos geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Auch hinsichtlich der Erforderlichkeit der bestehenden Regelungen bestehen keine Bedenken, weil der versicherungsmathematische Bezug zwischen Alterungsrückstellungen und den jeweiligen Risikokollektiven zwingend ist. Der Eingriff ist schließlich angemessen: Bei der Bestimmung des Verhältnisses von eingeschränktem Rechtsgut und Regelungsintention müssen auch die Grundrechte der Versicherungsunternehmen und der Altbestandskunden eine angemessene Berücksichtigung finden. Ihr Gewicht allein rechtfertigt schon die Konkretisierung des gesetzgeberi-

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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schen Spielraums im Sinne eines Ausschlusses portabler Alterungsrückstellungen. Im Übrigen ist auch aus Sicht des Neukunden zu berücksichtigen, dass durch die mit portablen Alterungsrückstellungen verbundene Destabilisierung der Kalkulationsbasis der Versicherer für ihn mittel- und langfristig erhebliche Beitragserhöhungen zu erwarten sind und damit die Effektivität seines Versicherungsschutzes selbst in Gefahr gerät. Vor diesem Szenario schützte ihn die bisherige Rechtslage. Durch den Ausschluss portabler Alterungsrückstellungen wird zwar in die Privatautonomie der Neukunden, die eine solche Portabilität vereinbaren wollen, eingegriffen. Dieser Eingriff ist aber verfassungskonform, da verhältnismäßig. (cc) Schutz der Privatautonomie nach Vertragsschluss Ein Neukunde kann sich schließlich nach Vertragsschluss auf den grundrechtlichen Schutz seiner Privatautonomie gemäß Art. 2 Abs. 1 GG stützen, die den zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Versicherten vereinbarten Vertragsinhalt vor Eingriffen des Staates absichert. Weil das synallagmatische Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei Versicherungsverträgen entscheidend durch die Risikokalkulation geprägt ist, umfasst der Grundrechtsschutz auch diese Kalkulationsbasis. Dies bedeutet zwar nicht, dass sich aus dem Schutz der Privatautonomie schon ein bestimmtes Modell für die Anrechnung von Alterungsrückstellungen ableiten ließe. Wenn aber für einen bestimmten Versicherten eine Kalkulation im Rahmen eines solchen Modells erfolgt und zur Vertragsgrundlage wurde, ist sie durch die Privatautonomie geschützt. Mit anderen Worten: Der Neukunde hat einen Anspruch auf die Achtung seiner dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulationsbasis durch den Staat. Deren gesetzliche Veränderung ist am Maßstab der Schrankensystematik des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen. Für die Einführung portabler Alterungsrückstellungen gelten deshalb die gleichen Grundsätze wie beim Altbestandskunden. Eine Regelung, die mit der grundlegenden Veränderung der Kalkulationsbasis einhergeht, verletzt die Privatautonomie der Neukunden. (5) Sozialstaatliche Vorgaben Nach Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Das aus dieser Norm abgeleitete Sozialstaatsprinzip ist inhaltlich hochgradig unbestimmt. Deshalb ist es im Grunde kein echtes Staatsstrukturprinzip, sondern von der Art und Weise der ihm zukommenden Rechtswirkungen eher als Staatszielbestimmung zu charakterisieren. 165 Daraus ergibt sich, dass eine Konkretisierung notwendig ist, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor allem durch den Gesetzgeber erfolgt.166 Ihm wird 165 Peter Badura, Der Sozialstaat, in: DÖV 1989, S. 491 (493); vgl. auch Christoph Degenhart, Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht, 22. Aufl. 2006, Rn. 566 f. 166 Siehe etwa BVerfGE 1, 97 (105); 65, 182 (193); 82, 60 (80); 100, 271 (284).

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

dabei ein sehr weiter Gestaltungsspielraum zugestanden: „Das Sozialstaatsprinzip enthält einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber [ . . . ]. Wie der Gesetzgeber diesen Auftrag erfüllt, ist mangels näherer Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips seine Sache“.167 Das Sozialstaatsprinzip bezieht ausschließlich Hilfsbedürftige in den Kreis derjenigen Personen ein, zu deren Gunsten der Gesetzgeber gehalten ist, gestaltend tätig zu werden. Sozial schutzbedürftig sind natürliche, im Inland lebende (unter Umständen auch im Ausland lebende deutsche) Personen, die aufgrund ihrer persönlichen Lebensumstände oder gesellschaftlicher Benachteiligungen an ihrer persönlichen oder sozialen Entfaltung gehindert sind.168 Wo Selbsthilfe möglich und ausreichend ist, kommt ihr Vorrang vor der Zwangshilfe und Zwangsversicherung zu, d. h. das Sozialstaatsprinzip steht allgemein unter dem Vorrang privater Lebensgestaltung.169 Die Verantwortung des Gemeinwesens für die Sicherung der menschlichen Existenz ist deshalb sekundär. „Der freiheitliche Sozialstaat basiert auf der Grundregel, daß jeder Erwachsene (der nicht alt oder durch Familienarbeit gebunden ist) die Möglichkeit hat, aber auch die Verantwortung trägt, den Unterhalt für sich und seine Familie (den Ehegatten und die Kinder) zu verdienen. Dazu konstituiert die Verfassung den Menschen als frei. Das Gemeinwesen trägt erstens die Verantwortung dafür, daß die Verhältnisse [ . . . ] so geordnet und gestaltet sind, daß sich die Regel grundsätzlich vollzieht. Das Gemeinwesen hat aber auch die Verantwortung, Gefährdungen entgegenzuwirken [ . . . ] Und es hat für den Ausgleich unangemessener Defizite zu sorgen [ . . . ] Dabei ist die Selbstverantwortung nicht aufzuheben, sondern zu entfalten.“170 Der Vorrang privater Lebensgestaltung verwirklicht sich mithin als „Primat der Selbstverantwortung“171. An diesem Maßstab orientiert kann die gesetzliche Einführung teilweise portabler Alterungsrückstellungen nicht mit sozialstaatlichen Erwägungen gerechtfertigt werden. Zum einen ist die dadurch bedingte Veränderung der Kalkulationsgrundlage der PKV und damit die Beeinträchtigung ihrer Funktion zugleich auch ein Eingriff in die Wettbewerbsordnung, die überhaupt erst den notwendigen Freiheitsraum für die Entfaltung der Eigenverantwortung schafft.172 Auch angesichts der Intensität der Beeinträchtigung der unternehmerischen Tätigkeit der PKV sind für die Verkleinerung dieses Raumes keine rechtfertigenden Gründe erkennbar. Zum anderen konkretisiert die PKV als substitutive Krankenversicherung gerade den sozialstaatlichen Grundsatz der Subsidiarität. Regelungen, die eine wirkungsvolle Realisierung dieses Prinzips im Bereich der Krankenversicherung erschweBVerfGE 100, 271 (284). Vgl. BVerfGE 100, 271 (284). 169 Siehe dazu näher Sodan (Fn. 80), S. 305 ff.; ders., DÖV 2000 (Fn. 68), S. 368 f., 371. 170 Hans F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 27. 171 Zacher (Fn. 170), § 28 Rn. 31. 172 Kalis (Fn. 24), S. 15. 167 168

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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ren oder vereiteln, setzen sich dem Odium der Sozialstaatswidrigkeit aus.173 Art. 20 Abs. 1 GG rechtfertigt deshalb den Transfer von Alterungsrückstellungen nicht, sondern steht ihm entgegen. bb) Europarechtliche Vorgaben (1) Europarechtlicher Gestaltungsrahmen für mitgliedstaatliche Regelungen der PKV Art. 137 Abs. 4 EGV erkennt ausdrücklich die Befugnis der Mitgliedstaaten an, die Grundprinzipien ihres Systems der sozialen Sicherheit festzulegen. Daraus folgt aber nicht, dass der jeweilige nationale Gesetzgeber bei der Kompetenzwahrnehmung keine europarechtlichen Vorgaben beachten müsste. Art. 137 EGV ist primärrechtlicher Bestandteil der europäischen Rechtsordnung, zu dessen Beachtung die Mitgliedstaaten verpflichtet sind. Die Anerkennung mitgliedstaatlicher Befugnisse dispensiert deshalb nicht von der Einhaltung des gesamten übrigen Primär- und Sekundärrechts der EU. Der europarechtliche Rahmen für die mitgliedstaatliche Kompetenz zur Festlegung der Grundprinzipien des Systems der sozialen Sicherheit wird durch die Grundfreiheiten konstituiert. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c EGV umfasst die Tätigkeit der Gemeinschaft einen Binnenmarkt, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist. Die Tätigkeit im Sinne des Art. 2 EGV ist dabei gemäß Art. 4 Abs. 1 EGV dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet. Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit das Gemeinschaftsrecht zu beachten.174 Um die Harmonisierung des EU-Wirtschaftsraumes zu vertiefen und Hindernisse für die Grundfreiheiten in den Mitgliedstaaten im Bereich des Versicherungsrechts zu beseitigen, sind mehrere EU-Richtlinien erlassen worden. Die Mitgliedstaaten wurden verpflichtet, das jeweilige nationale Recht den verbindlichen Vorgaben der Richtlinien anzupassen und damit das europäische Sekundärrecht in nationales Recht zu transformieren. Die Bundesrepublik Deutschland ist dieser Verpflichtung auch nachgekommen und hat insofern den Vorrang des Gemeinschaftsrechts realisiert. Dieser Vorrang ist kein Geltungsvorrang, sondern ein Anwendungsvorrang, d. h. dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Normen der nationalen Rechtsordnungen sind nicht nichtig, sondern sie werden bei einem Sachverhalt mit europarechtlicher Dimension „nur“ außer Acht gelassen. Der Vorrang bezieht sich jedenfalls uneingeschränkt auf das „einfache“, d. h. unterhalb der Verfassung stehende nationale Recht.175 Der Gesetzgeber ist daher nach der Trans173 174 175

Siehe auch Kalis (Fn. 24), S. 15. Siehe zuletzt EuGH, Rs. C-372 / 04, Watts, DVBl. 2006, S. 965 (970, Rz. 92, m. w. N.). Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 5 Rn. 10.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

formation dieser Richtlinien daran gehindert, Rechtsänderungen vorzunehmen, die dem Sekundärrecht widersprechen.176 (2) Art. 54 Dritte Richtlinie Schadenversicherung vom 18. Juni 1992 (92 / 49 / EWG) Art. 54 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung steckt den Rahmen für mitgliedstaatliche Regelungen der PKV ab. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen können sich europarechtlich auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EGV) berufen, die auch das Recht auf Teilnahme am Markt umfassen.177 Diese Grundfreiheiten schützen die PKV vor einer wettbewerbsfeindlichen Destruktion ihrer finanziellen und kalkulatorischen Grundlagen durch einzelstaatliche Vorschriften. Eine Besonderheit gilt allerdings für die auch in Deutschland bestehende substitutive PKV: Bei ihr ist sicherzustellen, „dass die Versicherungsnehmer unabhängig von ihrem Alter oder Risikoprofil tatsächlich eine private oder freiwillige Krankenversicherung in Anspruch nehmen können.“178 Zu diesem Zweck können aus „Gründen des Allgemeininteresses [ . . . ] Rechtvorschriften erlassen oder beibehalten werden, sofern sie die Niederlassungsund Dienstleistungsfreiheit nicht unverhältnismäßig einschränken [ . . . ]“.179 Eine solche Einschränkungsbefugnis der Mitgliedstaaten sehen die beiden Absätze des Art. 54 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung vor: Nach Art. 54 Abs. 1 können die Einzelstaaten im Rahmen der substitutiven PKV verlangen, „dass der Vertrag den von diesem Mitgliedstaat erlassenen spezifischen Rechtsvorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses in Bezug auf diesen Versicherungszweig entspricht“. Diesbezügliche einzelstaatliche Regelungen sind deshalb nur durch ein „Allgemeininteresse“ an der Sicherung der substitutiven PKV legitimiert. Ein solcherart spezifisches Interesse ist für die Einführung portabler Alterungsrückstellungen aber nicht erkennbar: Der Wettbewerb zwischen den Unternehmen innerhalb der PKV sowie zwischen PKV und GKV wird durch die Portabilität von Alterungsrückstellungen in dem im GKV-WSG vorgesehenen Umfang nicht gefördert. Überdies wird durch die beschriebenen Folgen eines Abflusses von Alterungsrückstellungen für die Stabilität der versicherungsmathematischen Kalkulationsgrundlage mit ihren Erscheinungsformen der Inselektion, der Beitragserhöhungen und der Beeinträchtigung der dauernden Erfüllbarkeit die unternehmerische Grundlage der PKV angegriffen. Daher ist der Substitutionscharakter der PKV gefährdet und somit genau das Gegenteil der Intention der einzelstaatlichen Regelungsbefugnis im „Allgemeininteresse“ verwirklicht. Schließlich ist zu Vgl. auch Boetius, Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 224. Vgl. Kalis (Fn. 24), S. 15; vgl. auch Peter Bach, in: Bach / Moser, Private Krankenversicherung. 3. Aufl. 2002, Einl. Rn. 121. 178 Erwägungsgrund 23 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung. 179 Erwägungsgrund 24 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung. 176 177

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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berücksichtigen, dass Art. 13 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung die Finanzaufsicht über ein Versicherungsunternehmen der alleinigen Zuständigkeit des Herkunftsmitgliedstaates zuordnet. Damit beschreibt diese Norm zugleich die Grenzen nationaler Sonderregelungen im Rahmen der Harmonisierung des Gemeinsamen Marktes. Mitgliedstaatliche Regelungen, die diesen einzelstaatlichen Zuständigkeitsbereich überschreiten, finden deshalb in dieser Richtlinie keine Grundlage, sondern sind rechtswidrige Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit.180 Art. 54 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung scheidet deshalb als Ermächtigungsnorm für die Regelung transfergeeigneter Alterungsrückstellungen aus. Nach Art. 54 Abs. 2 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass die substitutive Krankenversicherung „in technischer Hinsicht nach Art der Lebensversicherung zu betreiben ist, wenn die Beiträge [ . . . ] entsprechend der versicherungsmathematischen Methode berechnet werden; eine Alterungsrückstellung gebildet wird; [ . . . ]“. Von dieser Befugnis hat der Gesetzgeber mit § 12 Abs. 1 VAG Gebrauch gemacht. Die Möglichkeit einer Anrechnung der Alterungsrückstellung erwähnt Art. 54 Abs. 2, 5. Spiegelstrich, nur bei einem Tarifwechsel des Versicherten innerhalb desselben Unternehmens. Diese Regelung entspricht § 178f Abs. 1 VVG a. F. Weitere Transfermöglichkeiten für Alterungsrückstellungen sind dort nicht vorgesehen. Dies entspricht auch der nach der versicherungsmathematischen Methode berechneten Beitragskalkulation, die bei der Krankenversicherung auf das Durchschnittsrisiko der Risikokohorte abstellt und deshalb die Individualisierung der Alterungsrückstellung nicht kennt. Für Altbestandskunden offene portable Alterungsrückstellungen laufen den versicherungsmathematischen Grundsätzen der Risikoprognose zuwider. Schon deshalb können sie nicht auf Art. 54 Abs. 2 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung zurückgeführt werden. Dieses Ergebnis wird angesichts der beschriebenen großen Bedeutung der Dienstleistungsfreiheit für die wirtschaftliche und rechtliche Grundordnung der EU besonders einsichtig. Einschränkungen dieser Grundfreiheit sind deshalb nur durch Regelungen auf europarechtlicher Ebene legitimiert, die wiederum im Lichte der Grundfreiheit ausgelegt werden müssen. Daraus folgt, dass die in Art. 54 Abs. 2 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung festgelegten Regelungsbefugnisse der Mitgliedstaaten abschließend sind.181 Die Einführung der Portabilität von Alterungsrückstellungen in dem durch das GKV-WSG festgelegten Umfang ist deshalb nicht von Art. 54 Abs. 2 dieser Richtlinie gedeckt. Auf Art. 54 der Richtlinie kann sich der deutsche Gesetzgeber hier mithin nicht berufen.182 Weil eine entsprechende Regelungsbefugnis fehlt, verstoßen die einZu Recht Kalis (Fn. 24), S. 15, Fn. 28. Vgl. auch Boetius, VersR 2006 (Fn. 24), S. 300; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 221. 182 Generell Kalis (Fn. 24), S. 15; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 677; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 220 f. 180 181

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

schlägigen Bestimmungen im GKV-WSG gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, welche auch die PKV schützen.183 (3) Art. 56 Versicherungsbilanzrichtlinie vom 19. Dezember 1991 (91 / 674 / EWG) Art. 56 der Versicherungsbilanzrichtlinie, die auch für die PKV gilt, verankert das Prinzip der dauernden Erfüllbarkeit der vertraglichen Verpflichtungen des Versicherungsunternehmens auf europarechtlicher Ebene. Danach müssen „die versicherungstechnischen Rückstellungen [ . . . ] jederzeit gewährleisten, dass das Versicherungsunternehmen alle seine aus Versicherungsverträgen resultierenden Verpflichtungen im Rahmen dessen, was bei vernünftiger Betrachtungsweise vorhersehbar ist, erfüllen kann.“ Die Rechtsnorm bezieht sich ausdrücklich auf Rückstellungen, die jederzeit gewährleisten müssen, dass alle Verpflichtungen erfüllt werden können. Wie gezeigt, gefährdet die Portabilität von Alterungsrückstellungen die Verpflichtung der dauernden Erfüllbarkeit. Die Schutz- und Sicherungswirkung des Art. 56 der Versicherungsbilanzrichtlinie für die dauernde Erfüllbarkeit versperrt deshalb dem nationalen Gesetzgeber den Erlass von Regelungen, die geeignet sind, die dauernde Erfüllbarkeit zu gefährden. Die Einführung portabler Alterungsrückstellungen in Deutschland verstößt deshalb auch gegen Art. 56 der Versicherungsbilanzrichtlinie. 184 (4) Art. 15 Abs. 1 Erste Richtlinie Schadenversicherung vom 24. Juli 1973 (73 / 239 / EWG) Zwar wird die PKV nach Art einer Lebensversicherung betrieben. Für die Krankenversicherung gelten jedoch nach Art. 1 der Ersten Richtlinie Schadenversicherung, Art. 2 Nr. 1 der Ersten Richtlinie Lebensversicherung die Richtlinien, welche die Schadenversicherung betreffen. Art. 15 Abs. 1 der Ersten Richtlinie Schadenversicherung in der Fassung von Art. 17 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung statuiert die Verpflichtung des Versicherers, „ausreichende versicherungstechnische Rückstellungen für seine gesamte Geschäftstätigkeit zu bilden.“ Für die Berechnung wird auf die Vorschriften der Versicherungsbilanzrichtlinie und damit auch auf den in Art. 56 dieser Richtlinie enthaltenen Grundsatz der dauernden Erfüllbarkeit verwiesen, der durch Rückstellungen gewährleistet sein muss. Insofern ist auch Art. 15 der Ersten Richtlinie Schadenversicherung ein Bestandteil des dem nationalen Gesetzgeber vorgegebenen Gestaltungsrahmens. Die Konstituierung der Transfermöglichkeit von Alterungsrückstellungen scheitert deshalb auch an dieser Norm. 183 Allgemein auch Kalis (Fn. 24), S. 15; Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 677; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 220 f. 184 Vgl. auch Boetius, VersR 2001 (Fn. 24), S. 676 f.; ders., Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 220.

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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b) Portabilität der Alterungsrückstellungen beim Wechsel zwischen PKV und GKV Im GKV-WSG ist eine Transfermöglichkeit von Alterungsrückstellungen bei einem Wechsel von der PKV zur GKV – anders als in dem von der Bundesregierung am 12. Juli 2006 beschlossenen Eckpunktepier – nicht vorgesehen. Wegen der gravierenden kalkulatorischen Auswirkungen solcher Regelungen soll an dieser Stelle kurz der verfassungsrechtliche Rahmen für diesbezügliche Gestaltungen beleuchtet werden.

aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben (1) Grundrechte der Krankenversicherungsunternehmen Die verfassungsrechtliche Konstellation bei einem Transfer individualisierter Alterungsrückstellungen zwischen PKV und GKV ist aus der Perspektive der privaten Krankenversicherer mit der Situation eines Wechsels innerhalb der PKV durchaus vergleichbar: Auch bei einer gesetzlich vorgesehenen Mitnahme von Alterungsrückstellungen zur GKV würde in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Wettbewerbs- und beruflich genutzte Vertragsfreiheit verfassungswidrig eingegriffen. Ebenfalls läge –wie beim Wechsel innerhalb der PKV – eine Verletzung der Eigentumsfreiheit der privaten Versicherer nach Art. 14 Abs. 1 GG vor. Die verfassungswidrige Beeinträchtigung dieser Grundrechte wäre auch bei einem Wechsel von der GKV zur PKV gegeben. Da in der GKV keine Alterungsrückstellungen gebildet werden, müssten aus dem Vermögen der Versicherer nachträglich Alterungsrückstellungen gebildet werden, um alterungsbedingte Kostensteigerungen zu vermeiden. Das destabilisierte die Kalkulationsbasis der Versicherungsunternehmen in noch stärkerem Maße als bei einem Wechsel innerhalb der PKV, weil dort zwar ein Anteil an Alterungsrückstellungen verloren, der Versicherer aber auch nicht mehr mit den alterungsbedingten Kosten des Versicherten konfrontiert wäre, während er hier die gegebenenfalls erhebliche Alterungsrückstellung für den Neukunden erst selbst aufbauen müsste. Die für den Versicherungswechsel vorgesehene einseitige Bildung von Alterungsrückstellungen nur bei der PKV, nicht aber bei der GKV berührt auch den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Für Versicherte, die zur PKV wechseln, müssen die privaten Versicherungsunternehmen Alterungsrückstellungen bilden, während die bei einem Wechsel zur GKV mitgebrachten Alterungsrückstellungen nicht berücksichtigt werden. Vergleichsgruppen sind somit einerseits die privaten Versicherer, die bei einem Wechsel eines Versicherten zu ihnen Alterungsrückstellungen für die Neukunden bilden müssen, und anderseits die gesetzlichen Krankenkassen, die das in vergleichbarer Situation nicht zu tun brauchen. Das Differenzierungskriterium für diese Ungleichbehandlung ist die Frage, ob der Wechsel von der GKV oder zur GKV stattfindet. Dieses Kriterium genügt nicht dem gleichheitsrechtlichen Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Alterungsrückstellungen ausschließlich für die Kompensation der alterungsbedingten Kosten gebildet werden. Diese entstehen unabhängig davon, ob die Versicherten in der GKV oder PKV versichert sind. Würden die Alterungsrückstellungen beim Wechsel ein Bestandteil des Vermögens der gesetzlichen Krankenkassen, ohne dass weiterhin ein Bezug zu den alterungsbedingten Kosten bestünde, wäre ihre Funktion grundlegend verfehlt. Eine Differenzierung nach dem neuen Versicherungsstatus des wechselnden Versicherten ist angesichts des zwingenden Zusammenhangs zwischen Alte-

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

rungsrückstellungen und alterungsbedingten Kosten daher nicht einsichtig. Art. 3 Abs. 1 GG wäre verletzt.

(2) Grundrechte der Altbestandskunden Auch bei den Altbestandskunden ist die verfassungsrechtliche Lage bei einem Wechsel zwischen GKV und PKV mit derjenigen innerhalb der PKV vergleichbar. Die durch Art. 2 Abs. 1 GG abgesicherte Privatautonomie wäre verletzt, wenn durch eine Mitnahme von Alterungsrückstellungen bei einem Wechsel zur GKV oder dem Neuaufbau von Alterungsrückstellungen beim Wechsel zur PKV die Kalkulationsbasis des Versicherungsvertrages zwischen privatem Versicherer und Altbestandskunden destabilisiert würde.

(3) Grundrechte der Neukunden Durch die zwingende Einführung portabler Alterungsrückstellungen bei einem Wechsel zwischen PKV und GKV läge ein verfassungswidriger Eingriff in die Privatautonomie derjenigen Neukunden vor, die beabsichtigten, sich für das mit der bisherigen Rechtslage übereinstimmende Modell des Anwartschaftsdeckungsverfahrens zur Bildung von Alterungsrückstellungen zu entscheiden.

bb) Europarechtliche Vorgaben Die europarechtlichen Vorgaben sind die gleichen wie bei einem Wechsel innerhalb der PKV. Art. 54 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung legitimierte keinen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit durch die erzwungene Portabilität von Alterungsrückstellungen. Art. 56 der Versicherungsbilanzrichtlinie stünde ebenfalls der generellen Bildung portabler Alterungsrückstellungen bei einem Wechsel zwischen PKV und GKV entgegen, weil sonst die dauernde Erfüllbarkeit der vertraglichen Verpflichtungen durch die Versicherer nicht mehr gewährleistet wäre.

III. Rechtskonforme Gestaltungsalternativen Die gesetzliche Einführung der eingeschränkten Portabilität von Alterungsrückstellungen in der PKV verletzt sowohl die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit als auch die in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentumsfreiheit der betroffenen Versicherungsunternehmen. Sie verstößt überdies gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Rückwirkungsverbot und ist schließlich ein verfassungswidriger Eingriff in die von Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Privatautonomie der Altbestandskunden. Ein Anspruch auf ein entsprechendes Tätigwerden des Gesetzgebers besteht nicht. Dies bedeutet aber nicht, dass für die Anrechnung von Alterungsrückstellungen gar kein Raum mehr verbleibt. Der Gesetzgeber besitzt insofern durchaus einen Gestaltungsspielraum, der allerdings von den Grundrechten der Beteiligten, dem

B. Portabilität der Alterungsrückstellungen

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Sozial- und dem Rechtsstaatsprinzip sowie den europarechtlichen Vorgaben flankiert und begrenzt wird. Eine Verletzung dieser das Handeln der Legislative determinierenden Bestimmungen wird dabei nur vermieden, wenn Modelle realisiert werden, die nicht zu den beschriebenen Konsequenzen wie Risikoselektion, Beitragserhöhungen und Gefährdung der finanziellen Stabilität der PKV führen. In diesem Sinn ist es beispielsweise denkbar, neben dem bestehenden Tarifangebot in der substitutiven Krankenversicherung einen „Basistarif“ mit einem an die GKV angelehnten Leistungsvolumen (bei Kostenerstattung) einzuführen, der im Vergleich zu den bisherigen Produkten zusätzlich eine „Stornoleistung bei Wechsel innerhalb der PKV“ vorsieht. Bei Kontrahierungszwang müssten unterschiedliche Gesundheitsrisiken durch einen privaten Pool innerhalb der PKV ausgeglichen werden. Die Beiträge würden nach dem Anwartschaftsdeckungsverfahren ohne Kappung kalkuliert. Die Übertragung der Wechselleistung in die GKV unterbliebe. Ein solches Modell entspräche der Forderung nach mehr Wettbewerb und würde die verfassungsgemäßen Rechte der Versicherten sowie der privaten Krankenversicherungsunternehmen weitgehend wahren: Anders als bei den zuvor bewerteten Modellen portabler Alterungsrückstellungen unterbliebe eine verfassungsrechtlich bedenkliche drastische höhere Beitragsbelastung der Bestandskunden. Angesichts des Erfordernisses des Neuaufbaus einer separaten Stornoleistung würden die für bestehende Kollektive angesparten Rückstellungen nicht angetastet. Die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag bliebe gewährleistet. Da die privaten Krankenversicherer die Beiträge auch in diesem Tarif zudem weiterhin einkommensunabhängig und – bis auf den Ausgleich unterschiedlicher Risiken – risikogerecht nach dem Anwartschaftsdeckungsverfahren kalkulieren dürften, blieben der Wettbewerb und die Möglichkeiten einer freien beruflichen Betätigung weitgehend erhalten. Das in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit wäre ebenso wenig verletzt wie die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie der Versicherten. Letztere könnten weiterhin zwischen unterschiedlichen Kalkulationsmodellen wählen. Die Neukunden müssten in jedem Fall auch weiterhin einen Tarif wählen können, in dem die Alterungsrückstellungen bei einem Wechsel im Versichertenkollektiv belassen würden. Jede einseitige Fokussierung auf ausschließlich portable Alterungsrückstellungen verstieße nicht nur gegen ihre Privatautonomie, sondern schränkte auch ihre Wahlmöglichkeiten und damit zugleich den Wettbewerb zwischen den Versicherern ein. Für die grundrechtliche Situation der Versicherungsunternehmen ist ferner bedeutsam, dass die Einführung eines solchen Modells freiwillig erfolgt, d. h., dass die PKV dessen Einführung zustimmt. Andernfalls würde der Gesetzgeber die Grundrechte der Unternehmen in dem dargelegten Umfang verletzen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Intention der Wettbewerbsförderung im vorliegenden Zusammenhang verfassungskonform nur auf einer stabilen Kalkulationsgrundlage verwirklicht werden kann. Bei der Einführung portabler Alte-

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

rungsrückstellungen ist dies entsprechend zu berücksichtigen. Ein gesetzlich ermöglichter Transfer von Alterungsrückstellungen zwischen PKV und GKV wäre deshalb verfassungswidrig.

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang I. Bisherige Rechtslage Es sind Konstellationen denkbar, in denen Personen ohne Krankenversicherungsschutz auskommen müssen, obwohl sie vormals in der PKV krankenversichert waren. Für sie kommt eine Aufnahme in die GKV nicht in Betracht, weil dafür die im SGB V festgelegten Voraussetzungen nicht vorliegen. Zu dieser Personengruppe gehören sowohl diejenigen, welche ihre Krankenversicherungsbeiträge nicht mehr zu zahlen in der Lage sind, als auch Versicherte, die das Versicherungsunternehmen bei ihrer Aufnahme über ihren Gesundheitsstatus getäuscht hatten und deren Versicherungsvertrag deshalb angefochten oder gekündigt wurde. Nach § 39 Abs. 3 Satz 1 VVG kann der Versicherer bei Zahlungsverzug nach dem Ablauf einer Frist für die Zahlung einer Folgeprämie den Versicherungsvertrag kündigen. Verletzt der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung, vor Vertragsschluss gegenüber dem Versicherungsunternehmen zutreffende Angaben zu seinem gesundheitlichen Status zu machen, kann dieses den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (vgl. § 22 VVG). In diesem Fall gebührt dem Versicherer gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG die Prämie bis zum Schluss der Versicherungsperiode, in der er von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. § 40 Abs. 2 Satz 1 VVG statuiert zudem einen Anspruch des Versicherers auf die Prämie bis zur Beendigung der laufenden Versicherungsperiode, wenn das Versicherungsverhältnis wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Prämie nach § 39 VVG gekündigt wird. Die Rechtsprechung hält sowohl § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG185 als auch § 40 Abs. 2 Satz 1 VVG186 für verfassungsgemäß. Die teleologische Grundlage beider Ansprüche ist der Schutz des Versicherers vor vertragswidrigem Verhalten des Versicherungsnehmers: Der Versicherer soll zum einen durch § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG in besonderer Weise vor den Gesundheitsstatus betreffenden Täuschungen des Versicherungsnehmers bewahrt werden, weil das Risiko der Inanspruchnahme der Versicherung bei unentdeckter Täuschung höher ist, als es der Wert eines Schadensersatzanspruchs nach Entdeckung wäre.187 Mit dem Anspruch auf Weiterzahlung der Prämien bis zum Ende der Versicherungsperiode gibt der Gesetzgeber dem BGH, Recht und Schaden 2005, S. 368; OLG München, VersR 2004, S. 721. BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1999, S. 2959; BGHZ 115, 347 (348 ff.); OLG Düsseldorf, VersR 1990, S. 1261. 187 OLG München, VersR 2004, S. 721 (722). 185 186

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang

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Versicherungsunternehmen ein Druckmittel gegen potentiell Täuschungswillige in die Hand, das auch deshalb angemessen ist, weil unwahre Angaben über den Gesundheitsstatus nur schwer vom Versicherer aufzudecken sind.188 Zum anderen ist es Ziel des § 40 Abs. 2 Satz 1 VVG, den Versicherer davor zu schützen, dass der Versicherungsnehmer durch eine (mutwillige) Verweigerung der Beitragszahlungen folgenlos eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses erzwingen könnte.189 Das Interesse des Versicherungsnehmers an der Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen für einen bestimmten Zeitraum sänke überdies drastisch, wenn er erst ohne rechtliche Konsequenzen abwarten könnte, ob sich sein Schadensrisiko in diesem Zeitraum realisiert, und dies nicht geschähe.190 Die jeweilige Beendigung des Versicherungsverhältnisses ist deshalb sachgerecht; sie beruht auf einem vertragswidrigen Verhalten des Versicherungsnehmers, welches dieser auch zu vertreten hat. Wenn die wegen Kündigung oder Anfechtung aus der PKV ausgeschiedenen ehemaligen Versicherten nicht nach den § 5 ff. SGB V in die GKV wechseln konnten, besaßen sie keinen Krankenversicherungsschutz. Unter den entsprechenden Voraussetzungen bestand für sie nur die Möglichkeit der Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung nach § 264 SGB V oder der Inanspruchnahme der insoweit subsidiären sozialhilferechtlichen Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB XII, die gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII dem Leistungsumfang der GKV entspricht. Einen Basistarif ohne Risikoprüfung und Leistungsausschlüsse mit Kontrahierungszwang gab es bisher in der substitutiven PKV nicht. Ein solcher Tarif hätte gegen die bisherige Fassung des § 178g Abs. 1 Satz 2 VVG verstoßen. Danach blieb bei einem Versicherungsverhältnis, bei dem die Prämie entsprechend den technischen Berechnungsgrundlagen nach den §§ 12 und 12a in Verbindung mit § 12c VAG zu berechnen ist, die Möglichkeit unbeschadet, mit Rücksicht auf ein erhöhtes Risiko einen angemessenen Risikozuschlag oder einen Leistungsausschluss zu vereinbaren. § 10 Abs. 1 Satz 3 KalV wäre ebenfalls berührt, demzufolge nur risikogerechte Prämien kalkuliert werden dürfen.

II. Regelungsinhalt Das GKV-WSG sieht nunmehr die für alle Versicherungsunternehmen verpflichtende Einführung eines branchenweit einheitlichen Basistarifs zum 1. Januar 2009 vor. Dieser Tarif orientiert sich hinsichtlich seiner Leistungen und Prämien an der GKV: Nach dem neuen § 12 Abs. 1a Satz 1 VAG müssen die Vertragsleistungen BGH, Recht und Schaden 2005, S. 368 (369). BGHZ 115, 347 (350 f.). 190 Vgl. Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Fn. 24), Abschlussbericht, 1.2.2.9., S. 33. 188 189

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

des Basistarifs in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V, auf die ein Anspruch besteht, jeweils vergleichbar sein. Darüber hinaus sind die Versicherer gemäß § 12 Abs. 1a Satz 2 VAG verpflichtet, Varianten des Basistarifs für Kinder und Jugendliche sowie Beihilfeberechtigte anzubieten. Die Sätze 3 und 5 in § 12 Abs. 1a VAG sehen zudem die Einführung von vier verschiedenen Selbstbehaltstufen vor. Art, Umfang und Höhe der basistariflichen Leistungen werden gemäß § 12 Abs. 1d VAG vom beliehenen Verband der privaten Krankenversicherung nach Maßgabe der Regelungen in § 12 Abs. 1a VAG unter der Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen festgelegt. Die Mindesthöhe der Versicherungsprämie hängt von der Hilfebedürftigkeit des Versicherten ab: Wenn allein durch die Zahlung des Versicherungsbeitrages Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII entsteht, vermindert sich der Beitrag nach § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte. Besteht auch bei diesem verminderten Beitragssatz Hilfebedürftigkeit, so beteiligt sich gemäß § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG der zuständige Träger nach dem SGB II oder SGB XII auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Besteht unabhängig von der Beitragshöhe Hilfebedürftigkeit, zahlt der zuständige Träger den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der GKV zu tragen ist (§ 12 Abs. 1c Satz 6 VAG). Eine entscheidende Abkehr von den bisherigen Versicherungsprinzipien der PKV bedeutet beim Basistarif der Verzicht auf eine Versicherung des individuellen Krankheitsrisikos jedes Versicherten. Individuelle Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse dürfen deshalb dort aufgrund des neu gefassten § 178g Abs. 1 Satz 2 VVG nicht vorgenommen werden. Damit wird dieser Tarif dem Versicherungsmodell der GKV angeglichen, das auf risikounabhängigen Beitragssätzen beruht und eine zwangssolidarische Verteilung der realen Risikolast auf die Gesamtheit der Versicherten und im Wege des Risikostrukturausgleichs zwischen den einzelnen Krankenkassen vorsieht. Da zu erwarten ist, dass sich der Basistarif wegen der unterschiedlichen Risikoverteilung finanziell in unterschiedlichem Maße zulasten der einzelnen Versicherungen auswirken wird, statuiert § 12g VAG ebenfalls den Aufbau eines Risikoausgleichssystems zwischen den jeweiligen Versicherern, dessen Errichtung, Ausgestaltung, Änderung und Durchführung der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen. Dieser Risikoausgleich beinhaltet einen vom Versicherungsnehmer nach § 12g Abs. 1 Satz 3 VAG, § 8 Abs. 1 Nr. 7 KalV zu entrichtenden Zuschlag zur Umlage der Mehraufwendungen durch Vorerkrankungen und einen Zuschlag gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 KalV zur Umlage der Begrenzung der Beitragshöhe im Basistarif. Der Zugang zum Basistarif ist durch eine komplexe Regelungsstruktur gekennzeichnet: Mit dem neuen § 178a Abs. 5 VVG wird eine Krankenversicherungspflicht für alle eingeführt, die nicht schon 1. in der GKV (pflicht)versichert sind oder 2. Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung oder 3. An-

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang

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spruch auf Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes haben oder 4. Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII sind für die Dauer dieses Leistungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat. Etwaige im Versicherungstarif enthaltene Selbstbehalte dürfen danach einen Betrag von jährlich fünftausend Euro nicht überschreiten. Der für den Basistarif zugangsberechtigte Personenkreis wird durch den neuen § 12 Abs. 1b VAG festgelegt: Grundsätzlich steht der Basistarif allen freiwillig in der GKV Versicherten, allen PKV-Versicherten, den Beihilfeberechtigten sowie denjenigen offen, die nicht in der GKV versicherungspflichtig sind und nicht den anderen genannten Gruppen angehören. Damit sollen Personen ohne Krankenversicherungsschutz der PKV zugeführt werden. Für die Versicherer besteht hinsichtlich dieser Personengruppen grundsätzlich ein Kontrahierungszwang. Noch weitergehende Vorstellungen, wie sie etwa in einem Arbeitsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen niederlegt worden waren,191 wurden fallengelassen. So sollten alle Vollversicherungsverträge der PKV in einen Basistarif mit den vorstehend beschriebenen Grundelementen und einen Zusatztarif unterteilt werden. Es war ferner geplant, arbeitgeberseitige Zuschüsse auf den Basistarif zu beschränken. Damit wäre der Basistarif faktisch als Bürgerzwangsversicherung in den Bereich der PKV eingeführt worden.

Der Zugang zum Basistarif ist allerdings nicht uneingeschränkt gewährleistet, sondern wird je nach der Gruppe der Zugangsberechtigten von verschiedenen Voraussetzungen abhängig gemacht: Die freiwillig in der GKV Versicherten müssen den Basistarif gemäß § 12 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 VAG, § 178a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 VVG innerhalb von sechs Monaten nach Einführung des Basistarifs bzw. von sechs Monaten nach Beginn der im SGB V vorgesehenen Wechselmöglichkeit im Rahmen ihres freiwilligen Versicherungsverhältnisses wählen. Eine Sechs-MonatsFrist gilt grundsätzlich auch für die bisher schon Privatversicherten: Wenn der private Krankenversicherungsvertrag vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde, kann ein Wechsel in den Basistarif beim eigenen oder einem anderen Versicherer nach § 12 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 1b Satz 2 VAG, § 178a Abs. 7 Satz 2 und § 178f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c VVG nur bis zum 30. Juni 2009 verlangt werden. Wenn die Krankheitskostenversicherung nach dem 31. Dezember 2008 abgeschlossen worden ist, statuieren § 12 Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 VAG, § 178a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 und § 178f. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a VVG ein unbefristetes Wechselrecht in den Basistarif des eigenen oder eines fremden Versicherers. Einen unbefristeten Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif können alle Nichtversicherten (§ 12 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 VAG, § 178a Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 VVG) und Beihilfeberechtigten (§ 12 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 VAG, § 178a Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 VVG) geltend machen. Ein unbefristetes Wechselrecht in den Basistarif desselben Versicherers gilt nach § 178f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b VVG ferner, wenn der 191

Vgl. dazu Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. August 2006, S. 11.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

Versicherungsnehmer über 55 Jahre alt ist oder anderenfalls die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt und diese Rente beantragt hat oder ein Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen oder vergleichbaren Vorschriften bezieht oder hilfebedürftig nach dem SGB II oder SGB XII ist. Die Versicherungsunternehmen können den Abschluss eines Versicherungsvertrages außerdem gemäß § 12 Abs. 1b Satz 4 VAG und § 178a Abs. 7 Satz 4 VVG jederzeit ablehnen, wenn der Antragsteller dort bereits versichert war und der Versicherer den Vertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder vom Vertrag wegen vorsätzlicher Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist. Das ist insbesondere für Personen relevant, die den Versicherungsschutz aus diesen Gründen verloren haben. Sie können allerdings bei einem anderen Versicherer einen Vertrag abschließen, für den der Kontrahierungszwang weiterhin gilt.

III. Beurteilung der Regelungen 1. Konsequenzen für die Kalkulation der Beitragssätze der PKV Die Prämienberechnung basiert auf der Prognose des zukünftigen Erkrankungsrisikos der zu versichernden Person. Als grundlegende Elemente dieser Risikoeinschätzung werden zunächst sein Eintrittsalter und sein Geschlecht herangezogen. Eine individuelle Risikoprognose erfolgt nach einer Gesundheitsprüfung. Ihr Ergebnis schlägt sich in Risikozuschlägen oder Leistungsausschlüssen nieder und kann im äußersten Fall dazu führen, dass das Versicherungsunternehmen den Vertragsabschluss ablehnt. Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse fügen den einzelnen Versicherungsnehmer mithin in ein bestimmtes homogenes Versichertenkollektiv ein, das seinem Risiko angemessen ist.192 Wenn bei einem Basistarif die individuelle Risikoprüfung sowie Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse entfallen, ist eine sachgerechte Risikoeinordnung nicht mehr möglich. Die Versicherung kann zwar immer noch Geschlecht und Alter des Versicherten zur Risikoprognose heranziehen. Diese muss ohne eine individuelle Risikoprüfung aber deutlich pauschaler und damit ungenauer ausfallen als bei einer individuellen Gesundheitsprüfung, so dass die Gefahr erheblich steigt, das Erkrankungsrisiko unzutreffend einzuschätzen. Dies hat zur Konsequenz, dass ohne Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse die Versicherungsbeiträge nicht mehr sachgerecht das jeweilige Risiko widerspiegeln. Der versicherungsrechtliche Konnex zwischen Risiko, Risikobeitrag und Erstattung der Krankheitskosten als Gegenleistung im Rahmen des Äquivalenzprinzips wird nicht nur eingeschränkt, sondern aufgehoben. Dieses Ungleichgewicht wird überdies noch durch die Problematik verschärft, wer bei hilfebedürftigen Versicherten die Differenz aus staatlichen Zuschüssen 192

Boetius, Bilanz- und europarechtliche Grenzen (Fn. 26), S. 215.

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang

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und realen Kosten trägt. Nach derzeitigem Stand werden damit einseitig die Versicherungsunternehmen belastet. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Versicherungsprämien zumindest nicht in jedem Fall dem Erkrankungsrisiko und damit den Leistungsausgaben der Versicherungsunternehmen entsprechen, sondern gegebenenfalls niedriger ausfallen. Durch den Kontrahierungszwang müssen überdies Leistungen für Versicherungsnehmer erbracht werden, mit denen das Unternehmen ohne Änderung der Rechtslage wegen ihres überdurchschnittlich hohen Risikos keinen Vertrag abgeschlossen hätte. Es steht deshalb zu befürchten, dass die Leistungen, welche die im Basistarif Versicherten in Anspruch nehmen werden, nicht vollständig aus deren Beiträgen finanziert werden können. Ein Teil der realen und risikogerechten Beitragslast dieser Versicherten verschiebt sich danach mittelbar auf andere Versicherungsnehmer. Diese müssen den Basistarif mitfinanzieren. Da sich für sie die Kalkulationsbasis ihrer Tarife durch die Einführung des Basistarifs ändert, müssen ihre Beiträge entsprechend drastisch erhöht werden. Dieser Effekt wird noch dadurch verstärkt, dass für die Versicherungsunternehmen bei Zahlungsverzug eines Versicherten keine rechtlich zulässige Möglichkeit besteht, Leistungen vollständig einzustellen. Auch wenn das Versicherungsverhältnis wegen zweimonatigen Zahlungsverzugs ruht, haften die Versicherer nach § 178a Abs. 8 Satz 6 VVG n. F. für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Diese gesetzlich statuierte Haftung generiert eine erhebliche Missbrauchsgefahr, weil allen im Basistarif Versicherten auch ohne die Zahlung von Versicherungsbeiträgen die Aufwendungen für die Behandlung akuter Erkrankungen oder Schmerzzustände ersetzt werden. Die dadurch entstehenden Kosten müssen mithin von der übrigen Versichertengemeinschaft durch steigende Beiträge finanziert werden. Die mit der Einführung des Basistarifs verbundene Konsequenz erheblicher Beitragssteigerungen für den Altbestand wird selbst vom Bundesministerium der Finanzen gesehen, nach dem sich die Prämien „zunächst teilweise deutlich erhöhen (würden), bis die erhofften kostensenkenden Effekte durch die Neuregelung der ärztlichen Vergütung und den Wettbewerb zwischen den Anbietern eintreten.“193 Diese „Hoffnung“ ist angesichts der gesetzlich vorgeschriebenen Einführung des Basistarifs und der Portabilität von Alterungsrückstellungen irreal. Es steht vielmehr mit großer Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass durch die Einführung von Einheitstarifen der Wettbewerb in diesem Bereich gänzlich zum Erliegen kommen wird. Anders als zuvor das Bundesministerium der Finanzen verzichtet die Begründung des Gesetzentwurfs von CDU / CSU und SPD auf eine Einschätzung der zu erwartenden Prämiensteigerungen oder schwächt deren Höhe ab.194 193 Zitiert nach Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. August 2006, S. 11. Schon die ministerielle Verwendung des äußerst vagen Begriffs „Hoffnung“ statt etwa „Erwartung“ o. ä. macht deutlich, dass das Bundesministerium der Finanzen von einer langfristigen Beitragssenkung wohl selbst nicht ausgeht.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

2. Verfassungsrechtliche Vorgaben Die Einführung eines Basistarifs berührt eine Reihe von Grundrechten der beteiligten Grundrechtsträger.195 a) Grundrechte der privaten Krankenversicherungsunternehmen aa) Wettbewerbs- und Kalkulationsfreiheit (1) Eingriff in den Schutzbereich Wie bereits dargelegt wurde, schützt Art. 12 Abs. 1 GG auch die Freiheit unternehmerischer Betätigung durch die PKV. Darunter fällt das Recht auf den Versuch, sich gegenüber anderen Konkurrenten auf dem Markt durchzusetzen. Art. 12 Abs. 1 GG sichert mithin ein wesentliches Grundprinzip der marktwirtschaftlichen Ordnung gegen Eingriffe von außen grundrechtlich ab. In die Wettbewerbsfreiheit wird eingegriffen, wenn die Versicherungsunternehmen nicht mehr selbstverantwortlich über Abschluss und Inhalt ihrer Verträge bestimmen können. Dazu gehört die eigene Kalkulation, die Grundlage des Vertragsinhalts ist. Die Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang greift deshalb in mehrfacher Weise in die grundrechtlich geschützte Wettbewerbsfreiheit der Versicherungsunternehmen der PKV ein: Erstens beeinträchtigt der Kontrahierungszwang die Wahlmöglichkeit des Versicherers, sich seinen Vertragspartner und den Zeitpunkt des Vertragsschlusses auszusuchen. Zweitens zwingt der Gesetzgeber den Versicherungsunternehmen durch die Vorgabe des Leistungsumfangs und den Ausschluss einer individuellen Risikoprüfung eine Kalkulation auf, die nicht mehr versicherungsmathematischen Grundsätzen entspricht. Reziprok wird durch die geplanten Maßnahmen ebenfalls in die beruflich genutzte Vertragsfreiheit der Krankenversicherer eingegriffen, zu der im Versicherungsbereich auch die Kalkulationsfreiheit gehört. Ein Basistarif mit Kontrahierungszwang ohne Risikoprüfung entkoppelt die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung, weil bei Versicherungsbeginn die Krankheitskosten des Versicherungsnehmers nur noch sehr ungenau eingeschätzt werden können. Da die realen Kosten nicht selten höher als die gezahlten Risikobeiträge liegen, müssen die übrigen PKV-Versicherten die Differenz ausgleichen. Damit sind die Voraussetzungen der Prämienkalkulation völlig andere als vor der Einführung des Basistarifs. Durch dessen gesetzlich erzwungene Implementierung in die PKV wird die Kalkulations194 Vgl. die Begründung des GKV-WSG-E, BT-Drucks. 16 / 3100, S. 212: „Der genaue Umfang [der Prämienerhöhungen infolge des Risikoausgleichs zwischen den Versicherern] lässt sich nicht genau quantifizieren. Unklar ist, welche Fluktuation im Bestand nach Ablauf der Übergangsfrist eintritt.“ 195 Siehe dazu auch Helge Sodan, Verpflichtende Basistarife in der privaten Krankenversicherung als Verfassungsproblem, in: Depenheuer / Heintzen / Jestaedt / Axer (Hrsg.), Staat im Wort. Festschrift für Josef Isensee, 2007, S. 983 (991 ff.).

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang

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basis der PKV um so stärker verändert, je größer der Kreis derjenigen ist, der diesen Tarif nutzen kann. Da das GKV-WSG den freiwillig in der GKV Versicherten den Zugang zum Basistarif ermöglicht, wird damit die Rechengrundlage der Versicherungsunternehmen grundlegend verändert. Erst recht wäre dies der Fall, wenn ein Basistarif zwingend für alle PKV-Mitglieder eingeführt worden wäre. (2) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Nach der sog. Drei-Stufen-Theorie bestehen unterschiedlich hohe Anforderungen für die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen, welche die Berufsausübungsfreiheit bzw. subjektive oder objektive Berufszulassungsvoraussetzungen betreffen. Die Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang ist grundsätzlich ein Eingriff in die Berufsausübung privater Krankenversicherer, weil diese zur Erweiterung ihres Tarifangebots und damit zur Veränderung ihrer Kalkulationsgrundlage gezwungen sind. In die Berufsausübung darf nur dann verfassungskonform eingegriffen werden, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Dringlichkeit des öffentlichen Interesses mit der Schwere des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit steigen. Es ist deshalb zwischen den einzelnen Personengruppen, die Zugang zum Basistarif erhalten sollen, zu differenzieren. (a) Nicht mehr Versicherte wegen Zahlungsverzugs und nachfolgender Kündigung des Versicherungsvertrags Die Einbeziehung dieser Personengruppe in den Basistarif soll sicherstellen, dass sie über einen Krankenversicherungsschutz verfügt. Dabei handelt es sich um eine legitime gesetzgeberische Intention, die auch vom Sozialstaatsgedanken getragen wird. Unter dem Aspekt der sozialen Sicherheit hat der Staat den Auftrag, Vorsorge gegen die „Wechselfälle des Lebens“ (Alter, Krankheit, Unfall, Tod des Ernährers, Arbeitslosigkeit) zu treffen.196 Dabei kommt es allerdings primär darauf an, dass diese Risiken überhaupt abgesichert sind, und weniger auf die Technik der Vorsorge.197 An der Geeignetheit der Regelung, dieses gesetzgeberische Ziel zu verwirklichen, bestehen keine Bedenken, da diese Personengruppe mit dem Basistarif gegen das Krankheitsrisiko abgesichert wird. In Frage steht aber schon die Erforderlichkeit der Regelung. Das gewählte Mittel ist erforderlich, wenn sich der Zweck der staatlichen Maßnahme nicht durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreichen lässt, welches das betroffene Grund196 197

Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 10 Rn. 11. Vgl. Zacher (Fn. 170), § 28 Rn. 46.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

recht nicht oder weniger stark einschränkt.198 Die Erforderlichkeit muss also verneint werden, wenn ein „milderes Mittel“ ersichtlich ist,199 das die gleiche Effektivität aufweist. Eine geringer in die Berufsausübungsfreiheit der Versicherungsunternehmen eingreifende Regelung ist etwa die vollständige Steuerfinanzierung des Basistarifs für diese Personengruppe. Die Kalkulationsbasis der Versicherer würde in diesem Fall deutlich weniger verändert, als wenn die Differenz zwischen der nach den gesetzlich vorgegebenen Kriterien ermittelten Risikoeinschätzung und der realen Risikolast, die wegen des Kontrahierungszwangs und der fehlenden Risikoprüfung nur ungenau prognostiziert werden kann, allein von ihnen getragen werden müsste. Hinzu kommt, dass die Wahrscheinlichkeit deutlich höher ist, dass ein Teil dieser ehemals Versicherten auch „bezahlbare“ Prämienleistungen für den Basistarif nicht aufzubringen vermag. Die Alternative der steuerseitigen Finanzierung durch die Allgemeinheit drängt sich in diesem Fall geradezu auf, weil ansonsten die Unternehmen bei diesen Versicherten zusätzlich zur mit der fehlenden Risikoprüfung verbundenen realen Risikolast auch noch die Differenz zwischen den geplanten Steuerzuschüssen und den regulären Basistarifen tragen müssen und sich ihre Kalkulationsbasis insofern erheblich verändert. Diese Konsequenz beeinflusst auch die Prüfung der Zumutbarkeit der Regelung: Grundsätzlich verbleibt nach der verfassungsgerichtlichen Judikatur „in der unaufhebbaren und grundsätzlichen Spannungslage zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung dem Gesetzgeber ein weiter Raum für freie Gestaltung [ . . . ], innerhalb dessen er Maß und Art der im Interesse des Gemeinwohls notwendigen oder doch vertretbaren Eingriffe in die Freiheit zu bestimmen hat“200. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht erkannt, dass auch das Sozialstaatsprinzip „nicht zu beliebiger Sozialgestaltung“ ermächtigt201. Zur Durchführung einer bestimmten sozialstaatlich induzierten Sicherungsaufgabe ist der Sozialstaat in seiner Gesamtheit jedenfalls dann berufen, wenn ansonsten in für die Freiheitsentfaltung wesentliche Grundrechte eingegriffen werden müsste. Daraus folgt, dass die Steuerfinanzierung des Basistarifs für diejenigen, welche die jeweiligen Prämien nicht bezahlen können, der Auferlegung der Beitragslast auf die PKV vorzuziehen ist. In diesem Sinne sehen § 26 Abs. 2 SGB II und § 32 SGB XII bereits derzeit die Zahlung der Beiträge als Sozialhilfe vor. Wird dies für die GKV beibehalten, so muss dies schon aus Gründen der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG auch für die PKV gelten.

Vgl. etwa BVerfGE 30, 292 (316); 63, 88 (115); 78, 38 (50); 90, 145 (172). So ausdrücklich BVerfGE 91, 207 (222). 200 BVerfGE 10, 354 (371). Vgl. ferner BVerfGE 29, 221 (235); 44, 70 (89); 48, 227 (234); 53, 313 (326). 201 BVerfGE 12, 354 (367). 198 199

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang

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(b) Nicht mehr Versicherte wegen Drohung, arglistiger Täuschung oder arglistiger Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht In dem von der Bundesregierung am 12. Juli 2006 beschlossenen Eckpunktepapier war zunächst keine Beschränkung des Basistarifschutzes innerhalb des Kreises der Nicht-mehr-Versicherten der PKV vorgesehen. Der durch das GKV-WSG neu eingefügte § 12 Abs. 1b Satz 4 VAG sieht nun einen Ausschluss des Basistarifs für Personen vor, deren Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten wurde oder denen gegenüber das Versicherungsunternehmen wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vom Versicherungsvertrag zurückgetreten ist. Allerdings darf nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1b Satz 4 VAG nur dasjenige Versicherungsunternehmen, das den Vertrag angefochten hat bzw. von ihm zurückgetreten ist, den Vertragsabschluss im Basistarif verweigern. Für jeden anderen Versicherer besteht dagegen weiterhin der Kontrahierungszwang. Hinsichtlich der gesetzgeberischen Intention und der Geeignetheit der Regelung kann auf die vorstehend vorgenommene Prüfung bei der Gruppe der wegen Zahlungsverzugs nicht mehr Versicherten verwiesen werden. In Frage steht aber auch hier die Erforderlichkeit der Regelung. Eine geringer in die Berufsausübungsfreiheit der Versicherungsunternehmen eingreifende Regelung ist etwa die Einführung eines Basistarifs mit zumindest teilweise steuerfinanzierter Beitragslast für diesen Personenkreis. Selbst wenn man die Erforderlichkeit der Einführung eines Basistarifs bejahte, müsste die Regelung auch zumutbar sein, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu genügen. Das Bundesverfassungsgericht sieht den Sinn dieser letzten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung darin, „die als geeignet und erforderlich erkannten Maßnahmen einer gegenläufigen Kontrolle im Blick darauf zu unterwerfen, ob die eingesetzten Mittel unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen. [ . . . ] Daraus folgt, daß unter Umständen der an sich in legitimer Weise angestrebte Schutz zurückstehen muß, wenn das eingesetzte Mittel zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen führen würde.“202 Es kommt mithin darauf an, ob das Maß der den Einzelnen „treffenden Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen“ steht.203 Die Versicherungsunternehmen werden gezwungen, durch die Einführung eines Basistarifs ihre Kalkulationsbasis neu einzustellen und dabei von der versicherungsmathematischen Grundlage abzuweichen, die immer auch eine individuelle Risikoeinschätzung beinhaltet. Bei dem betreffenden Personenkreis kommt hinzu, dass er selbstverschuldet den Versicherungsschutz verloren hat, indem er einen Versicherer über seinen wirklichen 202 203

BVerfGE 90, 145 (185). BVerfGE 76, 1 (51).

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

Gesundheitsstatus getäuscht hat. Die Unzumutbarkeit einer erneuten, diesmal gesetzlich erzwungenen Aufnahme durch einen anderen Versicherer wird besonders bei denjenigen ehemals Versicherten deutlich, welche die gegebenenfalls sogar strafrechtlich relevante Täuschungshandlung vorsätzlich begangen haben. Das Versicherungsunternehmen soll nun gezwungen werden, das realistische Individualrisiko selbst zu finanzieren. Damit wird ein Ergebnis präjudiziert, das der Täuschende durch sein Verschweigen (zuvor erfolglos) erreichen wollte: Ein Versicherungsunternehmen muss dessen individuelle Risikolast selbst tragen und gegebenenfalls ökonomische Einbußen wegen der fehlenden Äquivalenz hinnehmen, obwohl der Versicherungsnehmer zuvor eine bewusste Schädigung eines anderen Unternehmens bedingt vorsätzlich zumindest in Kauf genommen hatte. Das ist nicht angemessen. Die Einführung eines PKV-Basistarifs für diesen Kreis erweist sich deshalb als ein verfassungswidriger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, weil sie weder erforderlich noch angemessen ist. (c) Freiwillig in der GKV Versicherte Die Einführung eines Basistarifs für freiwillig in der GKV Versicherte kann sich nicht auf sozialstaatliche Erwägungen stützen, weil die betreffenden Versicherungsnehmer schon in der GKV krankenversichert sind und insofern keiner zusätzlichen Risikoabsicherung mehr bedürfen. Als gesetzgeberisches Ziel kommt stattdessen die Intensivierung des Wettbewerbs zwischen GKV und PKV durch die eingeräumte Wechselmöglichkeit in den geplanten Basistarif der PKV in Betracht. Beurteilt man die Verhältnismäßigkeit dieser Regelung im Hinblick auf die gesetzgeberische Intention, so bestehen schon Zweifel, ob die Einführung eines Basistarifs überhaupt geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen. Ein Mittel ist im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geeignet, „wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann“.204 Das Mittel muss also nicht optimal, sondern nur der Zweckerreichung dienlich sein.205 Zwar hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber im Rahmen seiner wirtschafts-, arbeits- und sozialpolitischen Entscheidungsfreiheit einen grundsätzlich nicht nachprüfbaren Prognosespielraum bzw. eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Ungewissheit über die Auswirkungen eines Gesetzes eingeräumt und sich darauf beschränkt, unter Berücksichtigung des zu prüfenden Sachbereichs, der Beurteilungsmöglichkeit und der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter eine Evidenzkontrolle206, eine Vertretbarkeitskontrolle207 oder eine weitgehende inhaltliche Kontrolle208 durch204

BVerfGE 30, 292 (316); 33, 171 (187); 115, 276 (308); vgl. ferner BVerfGE 90, 145

(172). 205 Horst Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Vorb. vor Art. 1 Rn. 147. 206 Vgl. BVerfGE 37, 1 (20); 40, 196 (223). 207 Vgl. BVerfGE 25, 1 (12 ff.); 30, 250 (263); 50, 290 (333 f.); 77, 84 (106). 208 Vgl. BVerfGE 7, 377 (415); 17, 269 (276 ff.); 45, 187 (237 ff.).

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang

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zuführen. Der vom Gesetzgeber angestrebte Erfolg muss jedenfalls bei einer exante-Betrachtung zumindest als möglich erscheinen.209 Das eingesetzte Mittel ist also nicht geeignet und daher unverhältnismäßig, wenn es „objektiv untauglich“210, „objektiv ungeeignet“211 oder „schlechthin ungeeignet“212 ist. Über Wertungen und tatsächliche Beurteilungen des Gesetzgebers kann sich das Bundesverfassungsgericht jedenfalls dann „hinwegsetzen, wenn sie widerlegbar sind“.213 Die Anforderungen an die Geeignetheit einer Maßnahme und damit an den Grad der Sicherheit einer Prognose „steigen proportional zur Intensität der Freiheitsbeschränkung“.214 Die Geeignetheit steht hier deshalb in Zweifel, weil es äußerst unwahrscheinlich ist, dass ein „bezahlbarer“, im Ergebnis also staatlich bestimmter Einheitstarif mit Kontrahierungszwang und ohne Risikoprüfung zu einer echten Konkurrenzsituation zu führen vermag. Voraussetzung dafür wäre nämlich, dass sich ein Verhältnis von Angebot und Nachfrage entwickeln könnte, das von den Marktteilnehmern gemeinsam, mithin von Versicherern und Versicherten, bestimmt wird. Das ist bei Einheitstarifen mit Kontrahierungszwang, in denen sowohl der Leistungsumfang als auch der Kreis der potentiellen Vertragspartner gesetzlich festgelegt ist, aber nicht möglich. Hinzu kommt, dass wegen dieses Kontrahierungszwangs und der fehlenden Risikoprüfung die Versicherungsunternehmen die individuelle Risikolast tragen müssen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sie mittelbar über Beitragserhöhungen an ihre in den übrigen Tarifen Versicherten weiterzugeben. Dies führt wiederum zu einer Wettbewerbsbehinderung im Krankenversicherungsmarkt, da die Risikoprämien nicht mehr allein das individuelle Risiko der Altbestandskunden, sondern auch die durch die Beiträge nicht abgedeckten Risiken der im Basistarif Versicherten erfassen müssen. Der Grad der Wettbewerbsverzerrung richtet sich deshalb nach dem Anteil der im Basistarif Versicherten bei den einzelnen Unternehmen. Die Wettbewerbsverzerrung ist aber in jedem Fall gegeben und kann auch nicht durch einen Risikostrukturausgleich innerhalb der PKV ausgeglichen werden, weil damit wiederum ein Markteingriff und damit eine Wettbewerbsbeschränkung verbunden ist. Die Einführung eines Basistarifs ist deshalb ungeeignet, den Wettbewerb im Rahmen der Krankenversicherung zu intensivieren. Auch die Erforderlichkeit der Maßnahme ist im Hinblick auf die Wettbewerbsförderung äußerst fragwürdig. Die eigenverantwortliche unternehmerische Betätigung der Versicherer würde weniger stark eingeschränkt, wenn die Versicherungsunternehmen verpflichtet wären, einen Basistarif anzubieten – allerdings ohne 209 210 211

Vgl. BVerfGE 25, 1 (12 f.); 30, 250 (263); 67, 157 (175); 96, 10 (23). BVerfGE 16, 147 (181). BVerfGE 17, 306 (317) betreffend Mitfahrerzentralen (Untauglichkeit des Mittels be-

jaht). 212 213 214

BVerfGE 19, 119 (127); 73, 301 (317). BVerfGE 45, 187 (238). SG München, SGb. 1996, S. 134 (135).

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

Kontrahierungszwang und mit Risikoprüfung. Für die freiwillig in der GKV Versicherten bedeutete diese Alternative eine echte Erweiterung ihrer Wahlmöglichkeit, für die Versicherer gleichzeitig aber auch die Möglichkeit, risikogerechte Prämien zu verlangen und damit ihre Kalkulationsbasis zu erhalten. Dem Wettbewerb um die freiwillig Versicherten wäre damit wesentlich mehr gedient als mit dem im GKV-WSG niedergelegten Modell. Dieses Modell ist ferner unverhältnismäßig im engeren Sinne, weil es die große Bedeutung der Freiheit unternehmerischer Betätigung und der Wettbewerbsfreiheit für eine freiheitliche Wirtschaftsordnung nicht genügend in Rechnung stellt. Mit der Einführung eines Basistarifs, der durch Kontrahierungszwang und fehlende Risikoprüfung gekennzeichnet ist, wird ein sicherlich nicht geringer Anteil der jetzt noch in der GKV freiwillig Versicherten in die PKV wechseln. Diese Personengruppe wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Gruppe der nicht mehr Versicherten deutlich übertreffen und damit erheblich zu einer Veränderung der Kalkulationsgrundlage der PKV beitragen. Die negativen Auswirkungen auf die Prämiengestaltung der übrigen Versicherten und damit die Wettbewerbsverzerrung dürften im Vergleich dort mithin am größten sein. Die Erweiterung der Wahlfreiheit der Versicherten muss hinter dieser schwerwiegenden grundrechtlichen Beeinträchtigung zurückstehen, zumal es sich auch nicht etwa um eine echte, sondern nur um eine staatlich gesteuerte „Wahl“ handelt. Die Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang und fehlender Risikoprüfung ist somit ein ungeeigneter, nicht erforderlicher und unzumutbarer Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Versicherer. (d) Zwangsweise Einführung eines Basistarifs für alle in der PKV Versicherten In die Überlegungen zur Umsetzung des von der Bundesregierung am 12. Juli 2006 beschlossenen Eckpunktepapiers wurde vom Bundesministerium der Finanzen auch die zwangsweise Einführung eines Basistarifs für alle bisher schon in der PKV Versicherten einbezogen; eine Realisierung dieser Idee erfolgte im GKV-WSG-E dann aber nicht. Dieses Modell führte dazu, dass ein auf versicherungsmathematischer Grundlage beruhendes Versicherungsgeschäft nicht mehr die Krankenvollversicherung umfassen könnte, sondern sich auf den Abschluss von Zusatzversicherungen zum Basistarif beschränken müsste. Diese Maßnahme hätte mithin die Abschaffung der substitutiven PKV zur Folge. Damit erwiese sich der Eingriff als ähnlich schwerwiegend wie eine objektive Berufswahlvoraussetzung. Als Prüfungsmaßstab müsste deshalb die dritte Stufe der Berufsfreiheit angewandt werden. Die Einführung des Basistarifs für alle PKV-Versicherten wäre nur dann verfassungsgemäß, wenn sie der Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diente. Davon kann hier keine Rede sein. Ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut, das ohne die Einführung eines Basistarifs schweren Gefahren ausgesetzt wäre, ist nicht ersichtlich: Die Förderung des Wettbewerbs als gesetzgeberische Intention scheidet aus, weil nicht erkennbar ist, wie der Wettbewerb durch gesetzlich erzwungene Einheitstarife gefördert werden soll. Gerade dadurch wird Konkurrenz – und damit Wettbewerb – verhindert. Die gesetzlich erzwungene Aufteilung eines Krankenvoll-

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang

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versicherungstarifs in einen Basistarif mit Kontrahierungszwang, aber ohne Risikoprüfung, und einen Zusatztarif wäre ein verfassungswidriger Eingriff in die Berufsfreiheit der privaten Krankenversicherer.

bb) Eigentumsfreiheit (1) Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb Neben der Berufsfreiheit könnte hier in Idealkonkurrenz auch die Eigentumsfreiheit der Versicherungsunternehmen berührt sein. Sie schützt im Rahmen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die Kalkulationsfreiheit der Versicherer. Ob mit der Einführung eines Basistarifs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen wird, ist nicht pauschal zu entscheiden, sondern daran zu messen, ob dadurch die Existenz der Versicherungsunternehmen gefährdet ist. Ein Basistarif mit Kontrahierungszwang und ohne Risikoprüfung erschwert die Festlegung einer Äquivalenz von erwarteter Krankheitskostenübernahme und kalkulierter Risikoprämie zu Versicherungsbeginn. Je größer der Kreis derjenigen ist, denen der Zugang zum Basistarif gesetzlich eröffnet wird, um so eher steht die auf Äquivalenz beruhende Kalkulationsbasis der Versicherer in Frage. Im äußersten Fall würden die Unternehmen der Möglichkeit, Krankenvollversicherungsverträge anzubieten, faktisch beraubt. Da ein Großteil der von den Krankenversicherern abgeschlossenen Verträge die substitutive Krankenversicherung betrifft, wäre damit ihre ökonomische Existenz gefährdet. Die Gruppe der nicht mehr Versicherten, die Zugang zum Basistarif erhalten, ist von überschaubarer Größe. Eine Gefährdung der Versicherungsunternehmen geht von ihr allein bei der Wahl des Basistarifs noch nicht aus. Dagegen betrifft die Möglichkeit, den Basistarif innerhalb von gesetzlich festgelegten Fristen zu wählen, ebenfalls sowohl die in der GKV freiwillig Versicherten als potentielle Neukunden als auch sämtliche Altbestandskunden der PKV. Die einschlägigen Bestimmungen beziehen somit alle bisher in der PKV Versicherten sowie alle Neukunden mit ein und lassen für sie das Äquivalenzprinzip in den Hintergrund treten. Weil der Kalkulationsbasis der Versicherer eine realistische Risikoprognose zugrunde liegen muss, besteht die Gefahr von existentiell bedrohlichen Selektionsverschiebungen bei ihnen. In diesem Fall greift die Statuierung einer entsprechenden Regelung zum Basistarif in das Recht der Krankenversicherer am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. (2) Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit Ebenfalls liegt in dem vorstehend zu Art. 12 Abs. 1 GG beschriebenen Umfang auch ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Unternehmen vor, die ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt wird.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

(3) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Mit der Einführung eines neuen Basistarifs geht die Aufweichung des Äquivalenzprinzips für diejenigen Kunden einher, die diesen Tarif wählen können. Diese Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums erweist sich nur dann als verfassungskonform, wenn sie verhältnismäßig ist. Dabei ist die dogmatische Ambivalenz der Sozialbindung des Eigentums als Grund und Grenze der Belastung des Eigentümers zu berücksichtigen. Für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Basistarifs im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 GG kann auf die Überlegungen zu Art. 12 Abs. 1 GG verwiesen werden. Danach ist die Einführung eines solches Tarifs für diejenigen, die wegen vorsätzlich unzutreffender Gesundheitsangaben oder wegen Zahlungsunfähigkeit über keinen Versicherungsschutz (mehr) verfügen sowie für die freiwillig in der GKV Versicherten und schließlich für alle in der PKV Versicherten ein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht der Eigentumsfreiheit. Die Unzumutbarkeit eines solchen Eingriffs zulasten der Versicherer wird bei den beiden zuletzt genannten Gruppen besonders anschaulich, wenn man sich den Sozialbezug der substitutiven PKV vor Augen führt: Die PKV konkretisiert das sozialstaatliche Prinzip der privaten Eigenverantwortung im Gesundheitsbereich. Um einen wirkungsvollen Schutz vor dem Krankheitsrisiko gewährleisten zu können, bedarf es sowohl einer verlässlichen Kalkulationsbasis als auch einer Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung. Wenn beides nicht mehr gewährleistet ist, kann eine private Versicherung am Markt nicht bestehen. In diesem Fall müssten die in der PKV Versicherten ihre unter Umständen extrem kostenintensive Risikolast entweder allein tragen, oder aber sie wären auf staatliche Hilfe angewiesen, obwohl mit der PKV ursprünglich ein funktionierender Risikoschutz existierte, wenn der Gesetzgeber nicht in die Grundrechte der Versicherer eingriffe. Die Einführung des Basistarifs in dem vom GKV-WSG festgelegten Umfang läuft mithin sozialstaatlichen Überlegungen diametral zuwider. Die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentumsfreiheit der Versicherer wird durch die gesetzliche Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang und ohne Risikoprüfung für die genannten Gruppen verletzt. cc) Rückwirkungsverbot zum Schutz des Vertrauens Die Prognose der zukünftigen Krankheitskosten basiert neben Alter und Geschlecht auch auf einer individuellen Risikoeinschätzung vor Abschluss des Versicherungsvertrages. Sie fließt in die Kalkulation der Risikoprämie ein und sichert ab, dass die Äquivalenz zwischen dem Beitrag und den erwarteten Krankheitskosten eingehalten wird. Risikoprognose und Äquivalenz stehen somit in einem versicherungssystematischen Konnex, der durch die Beitragskalkulation hergestellt wird. Dieser Zusammenhang ist mit Versicherungsbeginn abgeschlossen, weil eine erneute individuelle Risikoprüfung nach diesem Zeitpunkt während der gesamten

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang

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Versicherungsdauer nicht mehr stattfindet. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Konnex von Äquivalenz und Risikoprüfung sich nicht nur auf das einzelne Versicherungsverhältnis, sondern auf die Gesamtheit der Versicherungsverträge bezieht, weil die Gesamtkalkulation der Einnahmen und Ausgaben eines Unternehmens notwendigerweise ebenfalls in einem äquivalenten Verhältnis stehen muss. Die Äquivalenz der einzelnen Versicherungsverträge vermittelt die Globaläquivalenz von Einnahmen und Ausgaben des Versicherungsunternehmens. Der Versicherer vertraut deshalb sowohl auf die Stabilität der Äquivalenz bei den einzelnen Versicherungsverträgen wie auch auf die Globaläquivalenz seiner Einnahmen und Ausgaben. Dies bedeutet zugleich, dass das aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Rückwirkungsverbot diesen Vertrauenstatbestand vor verfassungswidriger Veränderung durch den Gesetzgeber schützt. Die Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang und ohne Risikoprüfung hat zur Folge, dass die Äquivalenz wegen der ungenauen Risikoeinschätzung bei diesen Versicherungsnehmern nicht mehr gegeben ist. Das hat auch Auswirkungen auf die Globaläquivalenz: Die Versicherer sehen sich einer größer werdenden und nicht einkalkulierten Deckungslücke gegenüber, weil die zu erwartenden Ausgaben für die im Basistarif Versicherten nicht durch realistische Risikoprämien kompensiert werden. Damit gerät die Globaläquivalenz von prämienbezogenen Einnahmen und leistungsbezogenen Ausgaben ins Wanken. Dies ist um so eher der Fall, je größer der Kreis derjenigen ist, die den Basistarif auch gegen den Willen der Versicherer in Anspruch nehmen können. Der Gesetzgeber tangiert mit der Einführung des Basistarifs deshalb einen abgeschlossenen Kalkulationstatbestand, auf den das jeweilige Versicherungsunternehmen vertraut hat. Eine solche Regelung entfaltet deshalb eine echte Rückwirkung auf die abgeschlossene Kalkulationsbasis der Versicherer. Sie ist nur wegen zwingender Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Diese sind hier nicht ersichtlich: Der Wettbewerb zwischen den privaten Versicherern sowie zwischen GKV und PKV wird durch die Konstituierung eines Einheitstarifs – wie dargestellt – nicht gefördert, sondern gehemmt. Sozialstaatliche Erwägungen bezüglich der Nichtversicherten scheiden ebenfalls aus, da sie möglicherweise die (Wieder-)Aufnahme in die PKV rechtfertigen können, aber nicht die einseitige Belastung der Unternehmen mit dem Negativsaldo aus Risikoprämien und Leistungsausgaben für diesen Personenkreis. Vielmehr steht der Staat in der Verantwortung, diese Last zu tragen, wenn er sie durch entsprechende Regelungen verursacht. Die bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs diskutierte zwangsweise Einbeziehung aller PKV-Mitglieder in den Basistarif ist das anschaulichste Beispiel dafür, dass es weniger um Wettbewerbsförderung oder Risikoschutz als um die Schwächung der PKV zugunsten der GKV geht. Es ist evident, dass sich diese Intention nicht auf zwingende Gründe des Allgemeinwohls berufen kann. Die Einführung des Basistarifs verstößt deshalb auch gegen das Rückwirkungsverbot.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

b) Grundrechte der Altbestandskunden aa) Privatautonomie Zwischen einem Altbestandskunden und dem jeweiligen Versicherungsunternehmen besteht ein wirksamer Krankenversicherungsvertrag, der Ansprüche und Rechtspflichten verbindlich festlegt. Der Versicherte hat einen Anspruch auf Aufwendungsersatz im Umfang des vereinbarten Tarifs. Bei der diskutierten, bislang aber nicht verwirklichten Aufteilung der Krankheitskostenvollversicherung in einen Basis- und einen Zusatztarif würde der Sozialgesetzgeber die von den Vertragsparteien vereinbarte Tarifstruktur und damit den Vertragsinhalt selbst verändern. Dies wäre ein Eingriff in die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, Verträge mit dem Vertragspartner über einen selbst verantworteten Inhalt abzuschließen. Nach der Schrankensystematik des Art. 2 Abs. 1 GG ist ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dann verfassungskonform, wenn die zugrunde liegende Regelung Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ist und sich insbesondere als verhältnismäßig erweist. Das wäre hier nicht der Fall. Es ist schon fraglich, welche verfassungsrechtlich legitimierte Intention mit der Einbeziehung aller Privatversicherten in einen Basistarif verfolgt würde. Sieht man die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Krankenversicherung als das einer solchen Regelung zugrunde liegende Ziel an, so wäre die Einbeziehung aller Privatversicherten in den Basistarif schon nicht geeignet, das Ziel zu erreichen. Einheitstarife, die auf die Risikokalkulation der Versicherungen keine Rücksicht nehmen, sind untaugliche Instrumentarien zur Förderung einer Konkurrenzsituation. Sie wären auch nicht erforderlich, weil geringer in die Vertragsfreiheit der Privatversicherten einschneidende Maßnahmen denkbar sind, welche den Wettbewerb zwischen GKV und PKV effektiver fördern: Dazu gehört beispielsweise die Einführung bewährter privatversicherungsrechtlicher Elemente in die GKV wie Wahlleistungen oder einer Beitragsrückerstattung. Die Einbeziehung aller Privatversicherten in den Basistarif wäre überdies für diese unzumutbar, weil diese Maßnahme eine unmittelbare Belastung mit den Mehrkosten der durch den Eingriff selbst verursachten Äquivalenzstörung zur Folge hätte. Zu berücksichtigen ist ferner die grundlegende Bedeutung der Privatautonomie für die Rechts- und Wirtschaftsordnung. Sie schützt einen unmittelbaren Freiheitsbereich der Selbstbestimmung vor Eingriffen des Staates oder Dritter. Dagegen steht ausschließlich die vage und äußerst unwahrscheinliche Hoffnung, dass sich die Kostenentwicklung langfristig durch die Einführung von Einheitstarifen stabilisieren werde. Eine solche Erwartung kann einen Eingriff in die Privatautonomie nicht rechtfertigen. Die Einbeziehung aller Privatversicherten in einen Basistarif würde deshalb unverhältnismäßig in die allgemeine Handlungsfreiheit der Altbestandskunden eingreifen.

Dagegen belastet die im GKV-WSG geregelte verpflichtende Einführung des Basistarifs für die Personengruppe der Nichtversicherten, die der PKV zugeordnet werden, sowie die Möglichkeit zugunsten der freiwillig in der GKV und der bislang in der PKV Versicherten, den Basistarif zu wählen, die Privatautonomie der Altbestandskunden noch nicht. Durch einen Basistarif mit dieser eher eng gefassten Zugangsberechtigung wird nicht unmittelbar in die bestehenden Krankheits-

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kostenvollversicherungen der Altbestandskunden eingegriffen. Ein mittelbarer Eingriff in die Privatautonomie könnte nur dann angenommen werden, wenn er von seiner Intensität mit einem unmittelbaren Eingriff vergleichbar wäre. Das ist aber nicht der Fall. Der Vertragsinhalt wird nicht zur Disposition gestellt. Zwar ist es wahrscheinlich, dass wegen des Basistarifs ohne Risikoprüfung nicht vorhergesehene zusätzliche Kostenbelastungen entstehen, die durch Beitragserhöhungen von den Versicherungsunternehmen an die Altbestandskunden weitergegeben werden. Anders als bei der Problematik der Alterungsrückstellungen, die alterungsbedingte Beitragserhöhungen ausschließt, ist es den Versicherern allerdings nicht verwehrt, diese Kosten durch höhere Prämien zu kompensieren. Mit anderen Worten: Die Privatautonomie vermittelt dem Altbestandskunden keinen generellen Schutz vor Beitragserhöhungen, die aus tariflichen Änderungen bei Neukunden resultieren. Der verfassungsrechtliche Grundrechtsschutz eines Altbestandskunden erstreckte sich ansonsten extensiv auf die Ebene bloßer versicherungstariflicher Gestaltung der mit Dritten abgeschlossenen Verträge. Ein Eingriff in die Privatautonomie von Altbestandskunden durch die Einführung eines Basistarifs für den im GKV-WSG genannten Personenkreis liegt daher nicht vor. bb) Vertrauensschutz Wenn Versicherer und Altbestandskunde einen wirksamen Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen haben, der eine Krankheitskostenvollversicherung umfasst, kann sich nicht nur das Unternehmen, sondern auch der Versicherte auf den Schutz des Vertrauens auf den Bestand des Vertrages berufen. Beide haben in vergleichbarer Weise auf die Stabilität des Vertragsinhaltes vertraut, der auch die jeweilige Tarifgestaltung umfasst. Aus der Perspektive des Versicherten ist der diesbezügliche Vertragsinhalt genauso in abgeschlossener Weise niedergelegt wie aus Sicht des Unternehmens. Wenn nun die Krankheitskostenvollversicherung gegen den Willen des Versicherers und des Versicherungsnehmers in mehrere Tarife unterteilt und ein Einheitstarif zwangsweise eingeführt würde, wäre dies ein (echt) rückwirkender Eingriff in die festgelegte Vertragsgrundlage. Diese echte Rückwirkung könnte – ähnlich wie beim Versicherungsunternehmen – durch kein überragend wichtiges Gemeinschaftsinteresse legitimiert werden. Der Gesetzgeber verstieße mithin auch aus der Perspektive der Altbestandskunden gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Rückwirkungsverbot, wenn er für sie einen einheitlich gestalteten Basistarif verpflichtend einführte.

c) Grundrechte der Neukunden mit Zugangsberechtigung zum Basistarif Man könnte sich fragen, ob die aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) abgeleitete Schutzpflicht einem ehemals in der PKV Versicherten, der gegenwärtig über gar keinen Krankenversicherungsschutz mehr verfügt, einen Anspruch auf (erneute) Übernahme des Versicherungsschutzes durch die PKV vermittelt. Das ist jedoch nicht der Fall: Wenn der Staat seine objektive Schutzpflicht verletzt, liegt darin zwar „zugleich eine Verletzung

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, gegen die sich der Betroffene mit Hilfe der Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen kann“215. Aus der staatlichen Schutzpflicht erwächst also ein Schutzrecht des Betroffenen. Zum einen muss jedoch die Gefahr für Gesundheit und Leben hinreichend konkret sein.216 Angesichts der möglichen schwerwiegenden Folgen der Realisierung des Krankheitsrisikos sind die Anforderungen an diese Voraussetzung allerdings nicht allzu hoch anzusetzen und hier zu bejahen. Zum anderen steht dem Staat bei der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten ein erheblicher Ermessenspielraum zu.217 Nur wenn die Schutzpflicht ausschließlich durch eine bestimmte Regelung und keine andere in genügender Weise erfüllt werden könnte, ergäbe sich ein entsprechender Anspruch des Grundrechtsberechtigten gegenüber dem Gesetzgeber. Hier kann zwar tatsächlich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine Verpflichtung des Staates abgeleitet werden, Regelungen zu treffen, dass Personen ohne Krankenversicherungsschutz nicht ihr Krankheitsrisiko allein zu tragen haben. Wie der Staat dieser Verpflichtung nachkommt, ist allerdings durch die grundrechtliche Schutzpflicht nicht vorgegeben. Es gibt durchaus verschiedene andere, etwa sozialhilferechtliche Alternativen zu einer Versicherung in der PKV, welche die Schutzverpflichtung sachgerecht erfüllen und die auch schon bisher beschritten wurden. Insofern besitzen nicht mehr in der PKV Versicherte keinen aus dieser Schutzpflicht abgeleiteten Anspruch auf Versicherung in der PKV durch Einführung eines Basistarifs. Vergleichbares gilt auch für die Annahme einer Schutzpflicht aus der Sicherung der Privatautonomie durch Art. 2 Abs. 1 GG. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht eine Regelungspflicht des Gesetzgebers für Konstellationen bejaht, in denen der Versicherte einseitig die ungleich schwächere Verhandlungsposition gegenüber dem Versicherer besitzt oder die Schwäche des Vertragspartners durch gesetzliche Bestimmungen bedingt ist. In diesem Fall sei es „Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der beteiligten Parteien hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt“.218 Die bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen betrafen aber nicht Fälle, in denen sich der Versicherte selbst vertragswidrig verhalten hat. Die rechtlichen Konsequenzen der von ihm zu verantwortenden Verletzung seiner vertraglichen Pflichten sind insofern Folgen seiner Nichtbeachtung der Privatautonomie des Unternehmens und nicht Ausdruck einer Störung seiner Privatautonomie durch die Rechtsordnung. Die Privatautonomie des Versicherten kann deshalb nicht herangezogen werden, um eine aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang zu begründen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass selbst bei Annahme einer Schutzpflicht diese auf die „Wahrung der Grundrechtspositio215 216 217 218

BVerfGE 77, 170 (214). Vgl. ferner BVerfGE 77, 381 (402 f.); 79, 174 (201 f.). Siehe dazu näher Sodan (Fn. 137), S. 604 f. Vgl. Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 22 Rn. 23 f. BVerfGE 114, 1 (34); fast wortgleich BVerfGE 114, 73 (90).

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang

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nen der beteiligten Parteien“, mithin auch der Versicherer, ausgerichtet ist. Da die Einführung eines Basistarifs in dem im GKV-WSG geregelten Umfang gegen die Berufsausübungsfreiheit der Versicherungsunternehmen verstößt, liegt hierin auch eine verfassungsrechtlich verbindliche Begrenzung der legislativen Gestaltungsfreiheit. d) Sozialstaatsprinzip Zunächst ist festzuhalten, dass sich aus dem Sozialstaatsprinzip regelmäßig keine subjektiven Rechte des Bürgers ergeben, weil dieses Prinzip hochgradig unbestimmt ist und dem Gesetzgeber deshalb einen breiten Gestaltungsspielraum lässt.219 Aus dem Sozialstaatsprinzip wird zwar eine Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft gegenüber Hilfebedürftigen abgeleitet, ihnen „jedenfalls die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein“ zu sichern.220 Insofern besteht ein enger Zusammenhang mit der in Art. 1 Abs. 1 GG für unantastbar erklärten Würde des Menschen, die zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist. Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip lässt sich die verfassungsrechtliche Grundlage für die Gewährleistung des Existenzminimums herleiten.221 Ausnahmsweise wird die Sicherung des Existenzminimums deshalb als echter Leistungsanspruch verstanden. Dessen konkrete Höhe hängt allerdings „vom schwankenden allgemeinen Lebensstandard und dem gesamtgesellschaftlichen Wohlstand“ ab222 und ist insofern für Anpassungen offen. Darüber hinaus wird unter dem Aspekt der sozialen Sicherheit angenommen, dass den Staat auch der Auftrag trifft, Vorsorge gegen die „Wechselfälle des Lebens“ zu treffen, zu denen unter anderem Krankheiten gehören. Dem Sozialstaatsprinzip ist aber – wie oben dargestellt – schon Genüge getan, wenn diese Risiken wirksam abgesichert werden; es trifft dagegen keine Aussage darüber, wie sie abgesichert werden sollen. Aufgrund des auch hier geltenden Vorrangs einer privaten Vorsorge sind deshalb große staatliche Zwangsversicherungen regelmäßig keine Konkretisierungen dieses sozialstaatlichen Gebots. Die Einbeziehung von gegenwärtig etwa 90 Prozent der Bevölkerung oder künftig sogar aller in Deutschland lebenden Menschen in die gesetzliche Krankenversicherung als Sozialversicherung ist jedenfalls keine Forderung des Sozialstaatsprinzips.223 Aus dem Sozialstaatsprinzip kann sich deshalb auch nicht umgekehrt die Verpflichtung zur Einführung eines Basistarifs in der PKV mit Kontrahierungszwang Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 10 Rn. 5. BVerfGE 40, 121 (133); vgl. ferner BVerfGE 82, 60 (85 f.); 89, 346 (353). 221 Siehe etwa Dreier (Fn. 205), Art. 1 Abs. 1 Rn. 61, 148, 158, unter Bezugnahme auf BVerfGE 82, 60 (80, 85). 222 Dreier (Fn. 205), Art. 1 Abs. 1 Rn. 158. 223 Vgl. dazu näher Sodan (Fn. 80), S. 323 ff.; ders., Das Beitragssatzsicherungsgesetz auf dem Prüfstand des Grundgesetzes, in: NJW 2003, S. 1761 (1764 ff.); ders., Gesundheitsreform ohne Systemwechsel – wie lange noch?, in: NJW 2003, S. 2581 (2583 f.). 219 220

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

ergeben. Zwar würden in diesem Fall die sozialrechtlichen Strukturen der GKV nicht formal auf die Privatversicherten ausgedehnt. Faktisch überträgt der Gesetzgeber aber wesentliche Elemente der GKV wie den Kontrahierungszwang, die fehlende Risikoprüfung, den einheitlichen Leistungskatalog etc. auf die PKV, die versicherungsmathematischen Grundsätzen und damit einer privaten Versicherung wesensfremd sind. Ebenso wenig wie die Einbeziehung der Privatversicherten in die GKV aus sozialstaatlicher Perspektive geboten ist, wäre es die Implementierung fundamentaler Versicherungsprinzipien der GKV in die PKV. Die dogmatische Begründung, weshalb staatsgerichtete Ansprüche aus dem Sozialstaatsprinzip regelmäßig nicht abgeleitet werden können, findet sich im Grundsatz der Eigenverantwortung, der ebenfalls ein den Sozialstaat konstituierendes Element ist. Dort, wo sich die Bürger selbst gegen Lebensrisiken absichern können, bedarf es keiner staatlichen Regelung. Der Staat ist mithin auf die Funktion einer bloß subsidiären Hilfestellung verwiesen, die nur dann benötigt wird, wenn ein Bürger seinen Risikoschutz nicht mehr selbständig und effektiv zu organisieren vermag. Zur sozialstaatlichen Verantwortung gehört deshalb unmittelbar auch der staatliche Respekt vor der individuellen Risikoabsicherung. Das schließt zwar Regelungen nicht grundsätzlich aus, welche die PKV berühren. Der Gesetzgeber hat aber darauf zu achten, dass die effektive Realisierung der Eigenverantwortung im Bereich der Krankenversicherung durch seine Bestimmungen nicht gestört wird, sondern sich weiter entfalten kann. Die substitutive PKV verhilft den dort Versicherten zu einem auf ihre Bedürfnisse und Wünsche angepassten wirksamen Schutz vor dem Krankheitsrisiko. Zu ihrer Funktionsfähigkeit bedarf sie der Einhaltung versicherungsmathematischer Grundsätze, insbesondere des Äquivalenzprinzips. Die gesetzlich erzwungene Einführung eines einheitlichen Basistarifs mit Kontrahierungszwang und ohne Risikoprüfung, für den sich alle freiwillig in der GKV Versicherten sowie die bereits in der PKV Versicherten entscheiden können, beeinträchtigt das Äquivalenzprinzip und damit auch die Funktionsfähigkeit der PKV. Der Gesetzgeber beschneidet damit den Bereich eigenverantwortlicher Risikovorsorge. Weil diese elementarer Bestandteil des Sozialstaatsprinzips ist, liegt eine Verletzung dieses Prinzips vor.

3. Europarechtliche Vorgaben Der europarechtliche Maßstab für die Beurteilung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang und unter Ausschluss einer Risikoprüfung ergibt sich aus den für die Mitgliedstaaten verbindlichen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Schadenversicherung. Nach Art. 54 Abs. 1 dieser Richtlinie kann ein Mitgliedstaat im Rahmen der substitutiven PKV verlangen, dass ein Versicherungsvertrag den von diesem Mitgliedstaat erlassenen spezifischen Rechtsvorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses in Bezug auf diesen Versicherungszweig entspricht. Liegt ein solches

C. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang

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Allgemeininteresse einer entsprechenden Rechtsvorschrift zugrunde, kann diese die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EGV) der Versicherer in europarechtlich zulässiger Weise einschränken. Die Anforderungen an das Vorliegen eines Allgemeininteresses sind einerseits von einem Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers geprägt. Andererseits müssen sie wegen der großen Bedeutung der Grundfreiheiten für die europäische Rechts- und Wirtschaftsordnung auch im Lichte der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit interpretiert werden. Legt man diesen Prüfungsmaßstab zugrunde, so kann ein sozialstaatlich motiviertes Allgemeininteresse an der Einbeziehung der Nichtversicherten in einen Krankenversicherungsschutz nicht in Abrede gestellt werden. Die Einführung eines Basistarifs für diese Gruppe ist deshalb grundsätzlich durch Art. 54 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung abgesichert. Dies gilt allerdings nicht für die im GKV-WSG vorgesehene Verteilung der Beitragsausfalllast, insbesondere hinsichtlich der nicht solventen Versicherungsnehmer. Ein allgemeines Interesse an der teilweisen Auferlegung des Risikos des in diesem Fall nicht unwahrscheinlichen Beitragsausfalls auf die Versicherungsunternehmen besteht im Lichte der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nicht. Vielmehr müsste die sozialstaatliche Aufgabe der Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf diesen Personenkreis vom Staat selbst finanziert werden. Dadurch bliebe für diesen Personenkreis die Risikokalkulation der Versicherungen und damit ihre Stellung im Wettbewerb überdies unangetastet. Noch viel weniger ist ein allgemeines Interesse an der freiwilligen Einbeziehung aller freiwillig in der GKV Versicherten oder gar an der Konstituierung der Zugangsmöglichkeit für sämtliche Altbestandskunden der PKV in den Basistarif ohne Risikoprüfung erkennbar. Die Wettbewerbsförderung scheidet als ein solches Interesse aus, weil der Wettbewerb mittelfristig durch die beim Basistarif nur sehr ungenaue Risikokalkulation eher gehemmt als gefördert wird. Ein allgemeines Interesse liegt mithin nicht vor. Ein Basistarif mit Kontrahierungszwang und fehlender Risikoprüfung für die freiwillig in der GKV Versicherten und den Altbestand der PKV ist zudem auch nicht durch Art. 54 Abs. 2 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung gedeckt. Die Mitgliedstaaten können danach vorschreiben, dass die substitutive PKV in technischer Hinsicht nach Art der Lebensversicherung zu betreiben ist, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Der deutsche Gesetzgeber hat davon Gebrauch gemacht. Art. 54 Abs. 2 Satz 3 dieser Richtlinie sieht für diesen Fall vor, dass die Beiträge entsprechend vernünftigen versicherungsmathematischen Prognosen ausreichend sein müssen, um die Unternehmer in die Lage zu versetzen, allen ihren Verpflichtungen unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte ihrer Finanzlage nachzukommen. Wie vorstehend beschrieben, führen die fehlende Risikoprüfung und der Kontrahierungszwang für diese Versicherungsgruppen zu einer Inäquivalenz zwischen Risikoprämien und realem Risiko. Die Beitragskalkulation kann sich somit nicht auf vernünftige versicherungsmathematische Prognosen stützen, die risikogerechte Beiträge zur Folge haben. Für die Gruppe der Altbestands-

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

kunden kommt hinzu, dass durch ihre Einbeziehung in den Basistarif der Charakter der PKV als die GKV ersetzende Krankenversicherung verloren ginge. Nur für den Fall der Substitution der GKV durch die PKV legitimiert aber Art. 54 der Richtlinie überhaupt eine mitgliedstaatliche Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit. Daraus folgt erstens, dass die PKV als substitutive Krankenversicherung durch die Einführung eines Basistarifs nicht angetastet werden darf, und zweitens, dass nur solche Gruppen in den Basistarif einbezogen werden dürfen, deren Umfang risikogerechte Prognosen auf versicherungsmathematischer Grundlage noch ermöglicht. Die gesetzlich geschaffene Zugangsmöglichkeit der freiwillig in der GKV Versicherten und der Altbestandskunden der PKV zum Basistarif mit Kontrahierungszwang und fehlender Risikoprüfung verstößt deshalb gegen die Niederlassungsund Dienstleistungsfreiheit, weil sie durch Art. 54 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung nicht legitimiert ist.

IV. Rechtskonforme Gestaltungsalternativen Die Einführung eines Basistarifs als Einheitstarif für alle nicht in der GKV Pflichtversicherten bei einkommensabhängiger Limitierung der Prämien und mit Kontrahierungszwang der Versicherer ist ein unverhältnismäßiger und damit verfassungswidriger Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Versicherungsunternehmen. Ebenfalls liegt ein Eingriff in ihre Eigentumsfreiheit sowie ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor. Das Sozialstaatsprinzip hindert zudem den Gesetzgeber daran, den freiwillig in der GKV Versicherten sowie allen Privatversicherten den Zugang zum Basistarif zu eröffnen. Der aufgezeigte verfassungsrechtliche Rahmen lässt aber durchaus verfassungskonforme Gestaltungsalternativen zum geplanten Regelungsumfang des Basistarifs zu: So wäre die gesetzliche Statuierung der Verpflichtung zur Einführung eines Basistarifs ohne Kontrahierungszwang verfassungsrechtlich zulässig. In diesem Fall könnte der Versicherer Interessenten ablehnen, wenn sie die zur Stabilisierung der Äquivalenz benötigte Risikomischung gefährdeten. Der Abschluss eines Versicherungsvertrages wäre mithin weiterhin freiwillig und könnte von den Versicherungsunternehmen bei ihrer Risikokalkulation entsprechend berücksichtigt werden. Eine Beeinträchtigung von Grundrechten läge dann ebenso wenig vor wie eine Verletzung des Rückwirkungsverbots oder des Sozialstaatsprinzips. Bei Konstellationen, in denen ein Versicherungsnehmer wegen der täuschungsbedingten Anfechtung des Versicherungsvertrages den Versicherungsschutz verloren hat, liegt – wie schon oben beschrieben – eine basistarifbezogene Differenzierung zwischen arglistiger und nicht arglistiger Täuschung nahe: Bei einer arglistigen und zudem gegebenenfalls strafrechtlich relevanten Täuschung des Ver-

D. Steuerfinanzierung von Kindern nur für die GKV

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sicherungsunternehmens ist es für dieses unzumutbar, mit dem Täuschenden mittels gesetzlicher Verpflichtung erneut ein Vertragsverhältnis einzugehen und ihn in den Basistarif aufzunehmen. Bei nicht arglistiger Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten könnte der Gesetzgeber eine verpflichtende Aufnahme des Nichtversicherten in den Basistarif durch das Unternehmen statuieren, wenn eine Risikoprüfung stattfände und der Versicherer gegebenenfalls Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse festlegen könnte. Die PKV könnte somit diesen Personenkreis in ihrer Risikokalkulation angemessen berücksichtigen. Die Gefährdung ihrer Kalkulationsbasis und damit der jeweiligen Unternehmenspositionen im Wettbewerb wäre ausgeschlossen. Bei früheren Versicherten, denen wegen Zahlungsverzugs der Versicherungsvertrag gekündigt worden war, besteht die überdurchschnittlich große Gefahr, dass sie auch die Prämien eines Basistarifs nicht zu zahlen in der Lage wären. Die Versicherung dieses Personenkreises ginge einseitig zulasten der Risikokalkulation der Versicherungsunternehmen. Verfassungskonform wäre deshalb eine Regelung, die zwar die Einführung eines Basistarifs mit Risikoprüfung für diese Nichtversicherten vorsähe, aber dessen Finanzierung vollständig dem Staat übertrüge. Um zu verhindern, dass ein in der PKV Versicherter wegen Zahlungsverzugs seinen Versicherungsschutz verliert, wäre eine Regelung denkbar, die in diesen Fällen den Versicherer zum Angebot einer Ruhensvereinbarung für den ursprünglichen Tarif bei gleichzeitiger Überleitung des Versicherungsnehmers in den Basistarif verpflichtet. So wäre auch sichergestellt, dass der Versicherte ohne erneute Risikoprüfung in seinen ursprünglichen Tarif zurückkehren könnte, wenn seine Zahlungsschwierigkeiten nicht mehr bestehen.

D. Steuerfinanzierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern nur für die GKV I. Regelungsinhalt Die von der Bundesregierung beschlossenen „Eckpunkte zu einer Gesundheitsreform 2006“ sahen in Nr. 15 Buchst. e vor, die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern in der GKV durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren: „Mit dem Einstieg in eine teilweise Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben (insbesondere die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern) aus dem Bundeshaushalt wird die GKV auf eine langfristig stabilere, gerechtere und beschäftigungsfördernde Basis gestellt. Zu diesem Zweck wird im Haushaltsjahr 2008 ein Zuschuss von 1,5 Mrd. B und im Jahr 2009 von 3 Mrd. B geleistet. Hierfür entstehen keine Steuerbelastungen.“

Die genannten Zuschüsse beziehen sich ausdrücklich nur auf die GKV, so dass die in der PKV versicherten Kinder von ihnen nicht profitieren sollen.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

In dem von den Fraktionen der CDU / CSU und SPD in den Bundestag eingebrachten Entwurf des GKV-WSG wird dagegen der konkrete Verwendungszweck der Haushaltszuschüsse zunächst verschleiert. Dort ist im Rahmen des einleitenden Abschnitts „Lösung“ zwar ebenfalls von Zuschüssen in der genannten Höhe die Rede, als Zweck wird allerdings nur pauschal die „anteilige Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung“ genannt224. Erst am Ende der Begründung des GKV-WSG-E wird der Konnex zwischen den staatlichen Zuschüssen und der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern in der GKV deutlich, indem die Fraktionen der CDU / CSU und SPD formulieren: „Mit dem Einstieg in eine teilweise Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben (beitragsfreie Mitversicherung von Kindern) aus dem Bundeshaushalt entstehen dem Bund im Vergleich zum derzeit geltenden Recht (unter Berücksichtigung der Maßnahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 2006) Mehrausgaben von 1,5 Mrd. Euro in 2008 und rd. 3 Mrd. Euro im Jahr 2009. [ . . . ] In den Folgejahren soll der Zuschuss weiter ansteigen.“225

In dem neu gefassten § 221 Abs. 1 Satz 1 SGB V heißt es nunmehr, dass der Bund „zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen für das Jahr 2007 und das Jahr 2008 jeweils 2,5 Milliarden Euro in halbjährlich zum 1. Mai und zum 1. November zu überweisenden Teilbeträgen über das Bundesversicherungsamt an die Krankenkassen“ leistet. Nach § 221 Abs. 1 Satz 2 SGB V erhöhen sich die Leistungen in den Folgejahren um jährlich 1,5 Milliarden Euro bis zu einer jährlichen Gesamtsumme von 14 Milliarden Euro. Eine unmittelbare und spezifische Zweckbestimmung der genannten Haushaltsmittel ist in diesen Rechtsnormen nicht enthalten. Die Vorschriften bedürfen daher der Auslegung. Als ein wesentliches Auslegungskriterium ist hier die genetische Gesetzesinterpretation heranzuziehen, die nach Auslegungshilfen aus der Entstehungsgeschichte der Norm forscht und sich dabei der einschlägigen Gesetzesmaterialien bedient, zu denen auch die Begründung von Gesetzentwürfen gehört. In der Begründung des Entwurfs des GKV-WSG wird ausdrücklich die steuerseitige Finanzierung der Familienversicherung für Kinder als Verwendungszweck angeführt. Eine ausdrückliche Abkehr von dieser Intention ist im parlamentarischen Verfahren nicht erfolgt. Dies spricht ebenso für die Annahme der unveränderten familienpolitischen Intention wie die historische Auslegung, die den Sinn einer Vorschrift aus deren entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhängen zu erschließen sucht. Das GKV-WSG basiert nach übereinstimmenden Aussagen aller Beteiligten auf dem von der Bundesregierung am 12. Juli 2006 beschlossenen Eckpunktepapier. Wie gezeigt, war dort eine entsprechende Intention ausdrücklich erwähnt. Die in § 221 Abs. 1 Satz 2 SGB V genannte Summe von 14 Milliarden Euro entspricht im Übrigen den derzeitigen jährlichen Gesamtkosten für die beitragsfreie 224 225

GKV-WSG-E, BT-Drucks. 16 / 3100, S. 2. GKV-WSG-E, BT-Drucks. 16 / 3100, S. 212.

D. Steuerfinanzierung von Kindern nur für die GKV

99

Mitversicherung von Kindern in der GKV. Auch dies ist ein deutlicher Beleg dafür, dass eine Abkehr von der Intention des Eckpunktepapiers nicht erfolgt ist. Dies hat auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Peter Struck in einem am 23. März 2007 in den Ruhr Nachrichten erschienenen Interview eingeräumt. Die Frage lautete: „Wie wird die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung ab 2008 sichergestellt? Die Koalition hat jährlich steigende Steuerzuschüsse in Milliardenhöhe vereinbart.“ Darauf antwortete Struck: „Das muss aus dem Haushalt finanziert werden. Für die kostenlose Kindermitversicherung sollen nicht nur die Beitragszahler, sondern alle Steuerzahler aufkommen.“

II. Beurteilung der Regelung 1. Einfachgesetzliche Rechtslage Nach § 10 Abs. 1 SGB V sind Kinder von Mitgliedern der GKV sowie die Kinder von familienversicherten Kindern – abgestuft nach ihrem Alter (vgl. § 10 Abs. 2 SGB V) – im Rahmen der Familienversicherung grundsätzlich beitragsfrei in der GKV versichert. Die Mitversicherung von Kindern ist gemäß § 10 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte oder Lebenspartner des Mitglieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist. Die von der GKV getätigten Leistungsaufwendungen für diese Kinder werden vollständig von ihr und damit aus den Beiträgen der Versicherten, den Arbeitgeberbeiträgen und etwaigen Haushaltszuschüssen finanziert. Dagegen sind Kinder in der PKV eigenständig und beitragspflichtig versichert. Die Versicherung der Kinder unterscheidet sich diesbezüglich nicht von derjenigen der Erwachsenen. 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben a) Besonderer Schutz der Familie Art. 6 Abs. 1 GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Unter einer Familie wird die Gemeinschaft von Eltern mit ihren Kindern verstanden, unabhängig davon, ob die Gemeinschaft bzw. die Kinder ehelich oder nicht-ehelich sind.226 Aus Art. 6 Abs. 1 GG resultiert ein Abwehrrecht gegen staatliche Beeinträchtigungen von „Ehe“ und „Familie“. Hinsichtlich der „Familie“ schützt das Grundrecht die Familiengründung, also insbesondere die freie Entscheidung für Kinder, sowie alle Bereiche des familiären Zusammenlebens. Eingriffe in den Schutz226

Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 34 Rn. 2.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

bereich sind alle staatlichen Maßnahmen, welche die „Ehe“ oder die „Familie“ schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen. 227 Soweit solche Maßnahmen zur – notwendigen – Ausgestaltung der Rechtsinstitute „Ehe“ oder „Familie“ erfolgen, sind sie keine Eingriffe, sofern sie nicht den durch die Institutsgarantie gezogenen Rahmen verlassen. Bei der von Art. 6 Abs. 1 GG vorausgesetzten Ausgestaltung kommt dem Gesetzgeber ein „erheblicher Gestaltungsspielraum“ zu.228 Aus dem Abwehrrecht können keine verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Beurteilung der hier einschlägigen Regelung abgeleitet werden, weil die Steuerfinanzierung der kindesbezogenen Familienversicherung in der GKV auch nicht mittelbar die Familiengemeinschaft tangiert. Allerdings gebietet Art. 6 Abs. 1 GG über das Abwehrrecht hinaus als verbindliche Wertentscheidung („wertentscheidende Grundsatznorm“) für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten sowie öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung. Daher ist es nicht nur Aufgabe des Staates, die Familie in ihrer wesentlichen Struktur zu gewährleisten sowie alles zu unterlassen, was sie schädigt oder sonst beeinträchtigt, sondern vor allem auch, sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern.229 Dabei hat der Gesetzgeber aber eine grundsätzliche Gestaltungsfreiheit; insbesondere steht die Förderpflicht unter dem „Vorbehalt des Möglichen“.230 Ferner lassen sich keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen aus diesem Förderungsgebot ableiten.231 Der weite legislative Gestaltungsspielraum betrifft insbesondere den Familienlastenausgleich. Der Staat ist aufgrund der aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleiteten verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Förderung der Familie in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 1 GG enthaltenen Sozialstaatsprinzip zwar verpflichtet, die für die familiäre Gemeinschaft durch die Existenz von Kindern entstehenden spezifischen Lasten auszugleichen. In welchem Umfang er den Familienlastenausgleich konkretisiert, bleibt dabei allerdings ihm überlassen.232 Der Gesetzgeber hat bei der Gestaltung auch andere Gemeinschaftsbelange zu berücksichtigen und miteinander in Ausgleich zu bringen.233 Als eine verfassungswidrige Überschreitung der Grenzen dieses Spielraums sieht es das Bundesverfassungsgericht jedoch an, wenn „allein aus fiskalischen Erwägungen eine Gruppe von Personen, gegenüber denen der Staat aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG grundsätzlich zu einem Familienlastenausgleich verpflichtet ist, von einer bestimmten Leistung ausge-schlossen“ wird, „die anderen gewährt wird.“234 Vgl. BVerfGE 81, 1 (6). Vgl. BVerfGE 31, 58 (69 f.); 81, 1 (6 f.); Sachs (Fn. 145), B6 Rn. 18. 229 BVerfGE 87, 1 (35); 105, 313 (346) m. w. N. Näher Udo Di Fabio, Der Schutz von Ehe und Familie: Verfassungsentscheidung für die vitale Gesellschaft, in: NJW 2003, S. 993 (994). 230 BVerfGE 87, 1 (35 f.) m. w. N. 231 BVerfGE 82, 60 (81); 107, 205 (213). 232 BVerfGE 87, 1 (36); 103, 242 (259); 106, 166 (178); 107, 205 (213); 111, 160 (172). 233 BVerfGE 82, 60 (82); 87, 1 (35 f.); 103, 242 (259); 106, 166 (177 f.); 111, 160 (172). 234 BVerfGE 111, 160 (172). 227 228

D. Steuerfinanzierung von Kindern nur für die GKV

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Die genannten Grenzen werden auch mit der Regelung zur steuerfinanzierten Versicherung von Kindern in der GKV überschritten. Die Familienversicherung ist Teil des Familienlastenausgleichs. 235 Die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Förderung der Familie umfasst alle Kinder, unabhängig davon, ob diese in der GKV oder PKV versichert sind. Wenn sich der Staat dazu entschließt, im Rahmen des Familienlastenausgleichs die Krankheitskosten der in der GKV versicherten Kinder durch Steuermittel zu tragen, bedarf es eines besonderen rechtfertigenden Grundes, weshalb die in der PKV versicherten Kinder von dieser Regelung ausgeschlossen werden. Dieser Grund ist nicht erkennbar. Eine Separation der in der PKV versicherten Kinder von der Steuerfinanzierung berührt auch deshalb in besonders schwerwiegender Weise die Familie, weil regelmäßig nicht nur die Kinder, sondern auch ihre Eltern betroffen sind, da letztere die Beitragslast für ihre Kinder bisher allein zu tragen haben. Die Regelung verstößt deshalb gegen die Verpflichtung des Staates, die Familie zu fördern, weil sie im Rahmen des Familienlastenausgleichs die Grenzen des Ausgestaltungsspielraumes des Gesetzgebers nicht beachtet. Art. 6 Abs. 1 GG ist daher durch diese Regelung verletzt.

b) Allgemeiner Gleichheitssatz aa) Differenzierung bei der Finanzierung der Krankenversicherung für Kinder Die (teilweise) Steuerfinanzierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern in der GKV führt zu zwei gänzlich verschiedenen Modellen der Finanzierung der Krankenversicherung von Kindern. Während die Kosten für die kindesbezogenen Leistungen der PKV allein die beitragspflichtigen Versicherten aufzubringen haben, werden die entsprechenden Leistungen der GKV durch Haushaltszuschüsse finanziert. Es drängt sich die Frage auf, ob eine Regelung, die so unterschiedliche Modelle beinhaltet, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Voraussetzung dafür ist zunächst eine Ungleichbehandlung von Vergleichsgruppen. (1) Vergleichsgruppen: Versicherte in GKV und PKV, die Steuern zahlen Als Vergleichsgruppen kommen hier die Versicherten in der GKV und in der PKV in Betracht, die Steuern zahlen. Beide Personengruppen weisen als Gemeinsamkeiten auf, dass sie eine Krankenversicherung besitzen und durch ihre Steuerzahlungen den Staatshaushalt mitfinanzieren. Insofern sind sie wesentlich gleich.

235

BVerfGE 107, 205 (213).

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

(2) Ungleichbehandlung Die Gruppe der in der PKV versicherten Steuerzahler muss über ihre Steuern die Familienversicherung der Kinder in der GKV mitfinanzieren. Da das Finanzierungsmodell für die Versicherung der Kinder in der PKV unangetastet bleibt, ergeben sich für sie keine Einspareffekte. Die in der GKV versicherten Steuerzahler müssen zwar ebenfalls über ihre Steuern die Familienversicherung der Kinder mitfinanzieren. Insofern liegt noch keine Ungleichbehandlung zwischen den in der PKV und in der GKV versicherten Steuerzahlern vor. Da die Kinderversicherung aber zumindest teilweise durch Haushaltszuschüsse finanziert wird, werden für diese Aufgabe zukünftig Versicherungsbeiträge jedenfalls nicht mehr in dem bisherigen Umfang aufgewandt. Es ergibt sich also für die in der GKV versicherten Steuerzahler ein Entlastungseffekt, der sich positiv auf ihre Krankenversicherungsbeiträge auswirkt. Die Entlastung kommt den in der PKV versicherten Steuerzahlern dagegen nicht zugute, weil eine steuerfinanzierte Kinderversicherung für die PKV nicht vorgesehen ist. Die Ungleichbehandlung zwischen beiden Personengruppen liegt also darin, dass sich die Steuerfinanzierung der Kinderversicherung in der GKV ausschließlich auf die Beiträge der in der GKV Versicherten entlastend auswirkt, während die steuerzahlenden PKV-Versicherten zusätzlich zur Finanzierung der Kinderversicherung der GKV herangezogen werden. bb) Verfassungsrechtliche Legitimität der Ungleichbehandlung Ob diese Ungleichbehandlung zwischen den Personengruppen verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, muss aus der gleichheitsrechtlichen Perspektive der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten sog. „neuen Formel“, die ein angemessenes Verhältnis zwischen Ungleichbehandlung und rechtfertigendem Grund verlangt, entschieden werden. Dieser im Vergleich zur Willkürformel strengere Maßstab wird immer dann angewandt, wenn personenbezogene Ungleichbehandlungen auf ihre Verfassungskonformität überprüft werden. Für die Anwendung der „neuen Formel“ ist es auch ausreichend, wenn eine mittelbare personenbezogene Differenzierung vorliegt.236 Eine personelle Ungleichbehandlung ist hier zu bejahen, weil die Differenzierung bei der Finanzierung der Krankenversicherung für Kinder an zwei Personengruppen der Steuerzahler anknüpft, die sich ausschließlich durch die Art ihrer Krankenversicherung unterscheiden. Die der Regelung zugrunde liegende Intention weist mehrere Facetten auf: Mit der Finanzierung der Kinderversicherung in der GKV durch Haushaltszuschüsse wird nach dem GKV-WSG zum einen eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ realisiert. Das Ziel besteht mithin darin, im Rahmen der Krankenversicherung kindesbezogene Lasten auf alle Steuerzahler zu verteilen, weil Kinder langfristig auch der gesamten Gesellschaft in vielfältiger Weise nützen. Zum anderen soll die GKV 236

Siehe dazu näher Sodan / Ziekow (Fn. 72), § 30 Rn. 15.

D. Steuerfinanzierung von Kindern nur für die GKV

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durch die Steuerfinanzierung „auf eine langfristig gerechtere und beschäftigungsfördernde Basis gestellt“ werden.237 Beide mit der Steuerfinanzierung der Kinderversicherung verfolgten Ziele sind angesichts des großen legislativen Spielraums verfassungsrechtlich legitim. Das Regelungsvorhaben ist ferner geeignet, diese Intention zu verwirklichen. Durch die Heranziehung aller Steuerpflichtigen werden die gesamtgesellschaftlich relevanten Lasten der Kinderkrankenversicherung von allen getragen; gleichzeitig verringert sich die Beitragslast der in der GKV Versicherten, weil die Familienversicherung für Kinder zumindest nicht mehr in dem bisherigen Umfang aus den Versicherungsbeiträgen finanziert werden muss. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine geringere Beitragsbelastung in der GKV wegen der dadurch sinkenden Arbeitskosten auch einen beschäftigungsfördernden Effekt generieren kann. Problematisch ist allerdings die Erforderlichkeit der Ungleichbehandlung von Steuerzahlern aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der GKV oder PKV, um die Intention des Regelungsvorhabens zu realisieren. Zwar besteht ein gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Konkretisierung des Familienlastenausgleichs. Wenn allerdings die Finanzierung der Krankenversicherung von Kindern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe angesehen wird, ist die Einbeziehung aller Kinder das im Vergleich zur geplanten Regelung effektivere Instrumentarium, um diese Aufgabe zu verwirklichen. Fraglich kann hier nur sein, ob diese Erweiterung für die betroffenen Steuerzahler auch ein milderes Mittel im Sinne einer geringeren Belastung ist. Aus Sicht der in der PKV versicherten Steuerzahler ist das der Fall, weil die gesamte Steuerzahlergemeinschaft auch für die in der PKV versicherten Kinder aufkommt; aus Sicht der in der GKV versicherten Steuerzahler ist die Belastung dagegen größer, weil sie nun zusätzlich einen Anteil der Kosten für die in der PKV versicherten Kinder aufbringen müssen. Angesichts des Gestaltungsspielraums, der auch immer eine Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers beinhaltet, kann deshalb die Erforderlichkeit hier noch bejaht werden. Äußerst bedenklich ist schließlich die Angemessenheit des Regelungsvorhabens, das die Ungleichbehandlung der in GKV und PKV versicherten Steuerzahler enthält. Der Gesetzgeber ordnet die durch die Kinderversicherung hervorgerufene Beitragslast der Gemeinschaft der Steuerzahler zu, weil die gesamte Gesellschaft langfristig von Kindern profitiert. Es bleibt unverständlich, weshalb diese Wertung nicht auch die in der PKV versicherten Kinder umfasst. Die Geburt von Kindern nützt der Gesellschaft unabhängig davon, ob sie in der GKV oder PKV versichert werden. Mit anderen Worten: Wenn der Staat die in der PKV versicherten Steuerzahler für die Beitragslast der in der GKV versicherten Kinder heranzieht, so müssen umgekehrt auch die in der GKV versicherten Steuerzahler für die Beitragslast der in der PKV versicherten Kinder herangezogen werden, weil die gesamtgesell237 Vgl. GKV-WSG-E, BT-Drucks. 16 / 3100, S. 2. Bezeichnend ist, dass dort das noch in dem Eckpunktepapier der Bundesregierung vom 12. Juli 2006 vorhandene Adjektiv der stabilen Basis fehlt.

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

schaftliche Aufgabe des Familienlastenausgleichs nicht eine Gruppe von Kindern ausschließen darf. Dieses Ergebnis wird ferner durch Art. 6 Abs. 1 GG getragen, der einen besonderen Gleichheitssatz enthält. Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen. Dieses Diskriminierungsverbot untersagt eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen, von Eltern gegenüber Kinderlosen sowie von ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften.238 Eine Rechtfertigung kann sich nur durch „aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben“.239 Der besondere Gleichheitssatz wirkt sich aber nicht nur auf das Verhältnis der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Rechtsinstitute zu anderen Vergleichsgruppen aus, sondern enthält auch das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung der Ehepartner und Familienmitglieder selbst. Kinder dürfen deshalb vom Staat nur dann unterschiedlich behandelt werden, wenn es dafür einen nachvollziehbaren Sachgrund gibt. Dies gilt auch – wie dargestellt – für Leistungen des Staates an die Kinder.240 Da eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen den in der GKV und in der PKV versicherten Kindern hinsichtlich der Steuerfinanzierung ihrer Krankenversicherung fehlt, beeinflusst dies auch die Prüfung der verfassungsrechtlichen Legitimität der Ungleichbehandlung zwischen den in der GKV und den in der PKV versicherten Steuerzahlern. Diese Differenzierung ist auch deshalb unangemessen, weil sie sich auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten der Kinder im Rahmen des Familienlastenausgleichs negativ auswirkt. Die Unangemessenheit der Belastungsdifferenzierung zwischen den in der GKV und in der PKV versicherten Steuerzahlern wird besonders anschaulich, wenn man die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien für die Verfassungskonformität von unterschiedlichen Beitragsbelastungen im Rahmen des Krankenversicherungsrechts heranzieht. „Was die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen betrifft, so verlangt der Gleichheitssatz einen sachlich einleuchtenden Grund dafür, dass ein Privater, der nicht zugleich Versicherter ist, im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus zu einer fremdnützigen Abgabe, die sozialen Ausgleich und Umverteilung zum Ziel hat und herstellt, herangezogen wird. Während jeder Bürger ohne weiteres der Steuergewalt unterworfen ist, bedürfen weitere, auf Ausgleich und Umverteilung angelegte Abgabebelastungen im Hinblick auf die Belastungsgleichheit einer besonderen Rechtfertigung.“241 Zwar sollen nach den Planungen der von der Bundesregierung am 12. Juli 2006 beschlossenen „Eckpunkte für eine Gesundheitsreform 2006“ zur Finanzierung der kindesbezogenen Familienversicherung in der GKV unmittelbar weder gesonderte AbBVerfGE 99, 216 (232) m. w. N. BVerfGE 28, 324 (347); 78, 128 (130). 240 Vgl. BVerfGE 111, 160 (172). 241 BVerfGE 113, 167 (219) – ohne die Hervorhebung; vgl. auch BVerfGE 11, 105 (115); 75, 108 (157 ff.). 238 239

D. Steuerfinanzierung von Kindern nur für die GKV

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gaben erhoben noch die Steuern erhöht werden. Mittelbar ergibt sich für die in der PKV versicherten Steuerzahler aber durchaus eine neue spezifische Belastung, weil sie wie bisher die Versicherung der Kinder in der PKV zu tragen haben und zusätzlich zur Finanzierung der Familienversicherung in der GKV herangezogen werden. Dem steht ein Entlastungseffekt auf Seiten der in der GKV Versicherten gegenüber, die zwar auch über ihre Steuern die Familienversicherung mitfinanzieren, aber für diese Aufgabe zumindest nicht mehr in dem bisherigen Umfang mit ihren Versicherungsprämien aufkommen müssen. Die Entlastung der in der GKV versicherten Steuerzahler bewirkt reziprok eine Belastung der in der PKV versicherten Steuerzahler, ohne dass ihr ein für die PKV-Versicherten relevanter Vorteil gegenübersteht. Die Anforderungen an die „besondere Rechtfertigung“ einer solchen Belastung sind nicht gering. „Dafür sind beliebige Konfigurationen, die sich der Gesetzgeber fallweise zusammensuchen kann, nicht ausreichend. Eine solche Rechtfertigung kann sich indes aus spezifischen Solidaritäts- oder Verantwortlichkeitsbeziehungen zwischen Zahlungsverpflichteten und Versicherten ergeben, die in den Lebensverhältnissen [ . . . ] angelegt sind.“242 Das Bundesverfassungsgericht nennt in diesem Zusammenhang etwa die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als ein Beispiel für ein solches Verhältnis. Indes ist eine Beziehung dieser Art weder zwischen den in der GKV und den in der PKV versicherten Steuerzahlern noch zwischen letzteren und den in der GKV familienversicherten Kindern erkennbar. Vielmehr fehlt eine besondere Rechtfertigung für die einseitige Belastung der in der PKV versicherten Steuerzahler, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Die Inanspruchnahme der in der PKV versicherten Steuerzahler zur Finanzierung der kindesbezogenen Familienversicherung der GKV, ohne dass gleichzeitig auch die Versicherung der in der PKV versicherten Kinder steuerfinanziert wird, verstößt daher gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

3. Europarechtliche Vorgaben Nach Art. 87 Abs. 1 EGV sind unbeschadet anderer Bestimmungen staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Art. 87 Abs. 1 EGV ist hinsichtlich der Steuerfinanzierung der kindesbezogenen Familienversicherung in der GKV nur einschlägig, wenn es sich bei den gesetzlichen Krankenkassen um Unternehmen handelt. Der Unternehmensbegriff wird im europäischen Wettbewerbsrecht grundsätzlich einheitlich verwandt und extensiv-funktional ausgelegt. Darunter fällt jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätig242

BVerfGE 75, 108 (158).

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1. Teil: Beurteilung der Regelungen im GKV-WSG betreffend die PKV

keit ausübt.243 Ausgenommen werden allerdings grundsätzlich Versicherungsträger, die dem Solidaritätsgrundsatz verpflichtet sind.244 Die Rechtsprechung hat zur besseren Einordnung von nach dem Solidarprinzip organisierten Unternehmen verschiedene Kriterien entwickelt, zu denen etwa die fehlende Äquivalenz zwischen Risiko und Versicherungsbeitrag gehört.245 Zu den im Rahmen des Solidarprinzips tätigen Einrichtungen zählen auch die gesetzlichen Krankenkassen.246 Der Europäische Gerichtshof hat aber nicht vollständig ausgeschlossen, dass die gesetzlichen Krankenkassen bei bestimmten Tätigkeiten Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbs sein können. So hält das Gericht deren Unternehmenseigenschaft aus einer funktional-relativen Perspektive in Fällen für möglich, in denen „Krankenkassen [ . . . ] außerhalb ihrer Aufgaben rein sozialer Art [ . . . ] Geschäftstätigkeiten ausüben, die keinen sozialen, sondern einen wirtschaftlichen Zweck haben.“247 Zu Recht wird deshalb im Schrifttum bei Tätigkeiten der gesetzlichen Krankenkassen, in denen ihnen ein Spielraum eigenständiger Kalkulation verbleibt, bejaht, dass es sich hierbei um Unternehmenstätigkeiten im Sinne des Wettbewerbrechts der Europäischen Union handelt.248 Die beitragsfreie Familienversicherung der GKV ist allerdings ein wesentlicher Bestandteil des Familienlastenausgleichs im Bereich der Krankenversicherung und weist deshalb einen elementaren Solidarbezug auf: Die in der Familienversicherung Versicherten müssen selbst keine Versicherungsbeiträge zahlen, erhalten aber einen uneingeschränkten Zugang zum Leistungskatalog der GKV. Die entsprechenden Kosten werden solidarisch von den Beiträgen der übrigen Versicherten, der Arbeitgeber oder von Haushaltszuschüssen getragen. Legt man den vom Europäischen Gerichtshof skizzierten Maßstab zugrunde, wird man die Unternehmenseigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen jedenfalls im spezifischen Bereich der Familienversicherung eher verneinen müssen. Die europarechtlichen Wettbewerbsregeln sind insoweit auch nicht auf die Finanzierungsmodelle für die Kinderversicherung in der GKV anwendbar. Es verbleibt daher bei den verfassungsrechtlichen Vorgaben. 243 Gabriela von Wallenberg, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union. Kommentar, Art. 87 EGV Rn. 43. 244 EuGH, Rs. C-218 / 00, Cisal / INAIL, EuZW 2002, S. 146 (148, Rz. 37 ff.); EuGH, verb. Rs. C-159 / 92 u. C-160 / 91, Power / Assurances, Slg. 1993, I-637, 670 Rz. 18. 245 EuGH, Rs. C-218 / 00, Cisal / INAIL, EuZW 2002, S. 146 (148, Rz. 39 ff.). Eine übersichtliche Zusammenstellung der Kriterien findet sich bei Ingwer Ebsen, Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern. Rechtsfragen des europäischen Wettbewerbs- und Vergaberechts, in: Sodan (Hrsg.), Die sozial-marktwirtschaftliche Zukunft der Krankenversicherung. Vorträge im Rahmen der 4. Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht am 25. Oktober 2004, 2005, S. 59 (66). 246 EuGH, Rs. C-264 245 / 01 u. a., AOK u. a. / Ichthyol u. a., EuZW 2004, S. 241 (244, Rz. 51 ff.). 247 EuGH, Rs. C-264 / 01 u. a., AOK u. a. / Ichthyol u. a., EuZW 2004, S. 241 (244, Rz. 58). Siehe dazu näher Helge Sodan, Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsches Krankenversicherungsrecht – Zugleich eine Besprechung des „Festbetragsurteils“ des Europäischen Gerichtshofes vom 16. 3. 2004, in: GesR 2005, S. 145 (149). 248 Vgl. Ebsen (Fn. 245), S. 67 f.

D. Steuerfinanzierung von Kindern nur für die GKV

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III. Rechtskonforme Gestaltungsalternativen Den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspräche ein Modell, das ebenfalls eine steuerseitige Finanzierung der Krankenversicherung von Kindern vorsieht. Die Haushaltszuschüsse kämen danach allerdings nicht einseitig nur den in der GKV versicherten Kindern und damit auch den beitragspflichtigen Mitgliedern der GKV zugute, sondern schlössen überdies die in der PKV versicherten Kinder mit ein. So könnte etwa ein Betrag ermittelt werden, der im Rahmen der GKV im Durchschnitt für ein Kind – gegebenenfalls nach Alter und Geschlecht differenziert – ausgegeben wird. Dieser Betrag könnte dann auch dem in der PKV versicherten Kind zugerechnet und über die Familienkassen ausgezahlt werden.

Zweiter Teil

Zusammenfassung in Leitsätzen I. Gesetzgebungsverfahren und Parlamentsvorbehalt Die Entstehung des GKV-WSG war von lang anhaltenden politischen Auseinandersetzungen zwischen CDU / CSU und SPD sowie mehreren Bundesländern um den Inhalt des Regelungsvorhabens geprägt, die immer neue Vereinbarungen über Änderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs notwendig machten. Damit wuchs nicht nur der Umfang, sondern auch die Komplexität des Regelungsvorhabens weiter an. Aufgrund der Kurzfristigkeit der Vorlage der umfangreichen Änderungen des Gesetzentwurfs vor den abschließenden Beratungen im Bundestagsausschuss für Gesundheit und vor der Abstimmung im Plenum des Bundestages über die Beschlussempfehlung dieses Ausschusses war es für die Abgeordneten praktisch unmöglich, sich mit der Materie in einer ihrer Komplexität angemessenen Weise zu beschäftigen. Gegenüber dieser Verfahrensweise bestehen schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus den Staatsstrukturprinzipien von Demokratie und Rechtsstaat, dass der parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss und diese nicht der Exekutive überlassen darf. Der Umfang des parlamentarischen Regelungsvorbehalts bemisst sich nach der Intensität, mit welcher die Grundrechte der Regelungsadressaten betroffen werden. Der Gesetzgeber kann den Umfang der Einschränkung von Grundrechten etwa von Patienten, Ärzten oder privaten Krankenversicherern aber nur dann selbst bestimmen, wenn er die mit seinen Vorschriften verbundenen Grundrechtseingriffe überhaupt im Blick hat. Die Wesentlichkeitstheorie verpflichtet also nicht nur zu einem formalen Parlamentsbeschluss, sondern auch dazu, den Parlamentariern einen der Komplexität der jeweiligen Regelungsmaterie angemessenen und ausreichenden Zeitraum zu einer Meinungsbildung zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung dafür ist eine rechtzeitige und vorausgehende Mitteilung des jeweiligen konkreten Regelungsgegenstandes, d. h. der entsprechenden Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen, über welche die Abgeordneten befinden sollen. Ein nur wenige Stunden umfassender Zeitraum wie beim GKV-WSG ist angesichts des Umfangs des Gesetzesvorhabens eindeutig zu knapp bemessen. Von besonderer Bedeutung ist vor allem, dass es sich um substanzielle, grundrechtsrelevante Änderungen handelte. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Rechtsprechung zwar – soweit ersichtlich – zur Wahrung des Parlamentsvorbehalts jeweils mit einem formalen Parlamentsbeschluss begnügt und keine

2. Teil: Zusammenfassung in Leitsätzen

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darüber hinausgehenden Anforderungen gestellt. Der konkrete Verfahrensablauf beim GKV-WSG kollidiert jedoch mit den Grundsätzen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen wesentlicher parlamentarischer Entscheidungen.

II. Portabilität der Alterungsrückstellungen Das GKV-WSG sieht Regelungen zur Portabilität von Alterungsrückstellungen bei einem Wechsel des Versicherers innerhalb der PKV vor. 1. Alterungsrückstellungen werden aus einem Teil der vom Versicherten zu zahlenden Nettoprämie gebildet. Sie sollen die alterungsbedingt steigenden Krankheitskosten kompensieren, die zu einer kontinuierlichen Erhöhung der Versicherungsbeiträge im Alter führen müssten. Da zu Versicherungsbeginn eine präzise Einschätzung des individuellen Krankheitsrisikos im Alter nicht möglich ist, richtet sich die Höhe der zu bildenden Alterungsrückstellung nach dem durchschnittlichen Risiko des vom Versicherungsunternehmen gebildeten Risikokollektivs, dem der Versicherte angehört. Bei der Berechnung wird außerdem schon zu Versicherungsbeginn beitragsmindernd die Wahrscheinlichkeit berücksichtigt, dass ein Teil der Versicherten, für die Alterungsrückstellungen gebildet wurden, vorzeitig aus der Versicherung ausscheiden. Diese verbliebenen Alterungsrückstellungen kommen den übrigen Versicherten zugute. Eine sachgerechte Individualisierung von Alterungsrückstellungen, die einerseits deren Mitnahme bei einem Versicherungswechsel ermöglichte, andererseits aber die Alterungsrückstellung für das verbleibende Risikokollektiv unangetastet ließe, ist wegen des Kollektivbezugs von Alterungsrückstellungen versicherungsmathematisch nicht möglich. Die Mitnahme portabler Alterungsrückstellungen hat eine negative Risikoselektion zur Folge, die wiederum zu Beitragssteigerungen bei den verbliebenen Versicherten führte. Mittelfristig wird die Insolvenz von Versicherungsunternehmen die Konsequenz dieser spiralförmigen Entwicklung sein. 2. Die gesetzliche Einführung der Portabilität von Alterungsrückstellungen ist ein Eingriff in die Wettbewerbs- und beruflich genutzte Vertragsfreiheit der privaten Krankenversicherungsunternehmen, die von der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG umfasst sind. Angesichts der beschriebenen schwerwiegenden finanziellen Konsequenzen für die PKV ist der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab der dritten Stufe der sog. Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen. Da nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut nicht erkennbar sind, die mit der Einführung der Portabilität abgewehrt werden sollten, liegt eine Verletzung der Berufsfreiheit der Versicherer vor. Zugleich wird durch die mittelbare Veränderung der Kalkulationsbasis verfassungswidrig in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit

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2. Teil: Zusammenfassung in Leitsätzen

sowie in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zulasten der Versicherer eingegriffen. Schließlich liegt ein Verstoß gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Rückwirkungsverbot vor, weil ohne zwingende Gründe des Allgemeinwohls in die Kalkulationsgrundlage der Versicherer eingegriffen wird, die hinsichtlich der Berechnung der Alterungsrückstellungen jeweils zu Versicherungsbeginn abgeschlossen ist. 3. Versicherungsnehmer, die einen Wechsel des Versicherers beabsichtigen, können sich hinsichtlich der Alterungsrückstellungen nicht auf den Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen. Alterungsrückstellungen konstituieren keine individuelle Eigentumsposition des einzelnen Versicherten. Der Eigentumsschutz zugunsten des jeweiligen Kollektivs bleibt hiervon unberührt. Auch aus der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie ergibt sich keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, den Transfer von Alterungsrückstellungen zu ermöglichen. Der insofern weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist hier durch die Grundrechte Dritter, insbesondere der Versicherer und der nicht wechselwilligen Altbestandskunden, begrenzt. Ferner liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor, wenn Alterungsrückstellungen ausschließlich bei einem Wechsel in einen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz bei demselben Versicherungsunternehmen angerechnet würden, sonst aber nicht portabel wären. Bei einem Wechsel des Versicherers verändert sich die Zusammensetzung der Risikokohorte und damit der kollektive Bezug der Alterungsrückstellung auf sie. Dies ist bei der vorstehend beschriebenen Konstellation nicht der Fall, so dass eine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung gegeben wäre. 4. Altbestandskunden, die keinen Unternehmenswechsel beabsichtigen, können ebenfalls keinen Schutz hinsichtlich der für sie gebildeten Alterungsrückstellungen durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG beanspruchen. Es fehlt an einer entsprechenden Verfügungsbefugnis, die ausschließlich dem jeweiligen Versicherer zusteht. Dagegen wird durch die Portabilität von Alterungsrückstellungen mittelbar in die Privatautonomie der Altbestandskunden eingegriffen, die auch die vertragliche Kalkulationsbasis schützt. Dieser Eingriff ist nicht verhältnismäßig und daher verfassungswidrig. Überdies kann auch der Altbestandskunde eine Verletzung des Rückwirkungsverbots geltend machen. Schließlich liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zulasten des nicht wechselbereiten Altbestandskunden vor: Dieser wird gegenüber dem wechselnden Versicherungsnehmer schlechter behandelt, weil letzterer die Alterungsrückstellung beim neuen Versicherer angerechnet erhält, während er die Konsequenzen des Wechsels aus Risikoselektion und Beitragserhöhung zu tragen hat. Für diese Differenzierung ist keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung erkennbar.

2. Teil: Zusammenfassung in Leitsätzen

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5. Ein Neukunde kann sich vor Abschluss des Versicherungsvertrages auf seine Privatautonomie berufen, wenn ihm eine Regelung untersagt wird, mit dem Versicherer eine nicht portable Alterungsrückstellung nach dem Modell des Anwartschaftsdeckungsverfahrens zu vereinbaren. Nach Vertragsschluss ist die vertragliche Kalkulationsbasis ebenfalls durch Art. 2 Abs. 1 GG im Rahmen der Privatautonomie geschützt. Eine Veränderung der Kalkulationsbasis durch die spätere Einführung portabler Alterungsrückstellungen ist nicht verhältnismäßig. 6. Die gesetzliche Einführung portabler Alterungsrückstellungen kann nicht mit sozialstaatlichen Erwägungen gerechtfertigt werden. Im Gegenteil erschwert die Portabilität die Realisierung privater Eigenverantwortung im Bereich der Krankenversicherung und steht damit dem sozialstaatlich fundierten Gedanken der Subsidiarität staatlicher Hilfe entgegen. 7. Die Einführung portabler Alterungsrückstellungen verstößt ferner gegen europarechtliche Vorgaben. Eine Einschränkung der Niederlasungs- und Dienstleistungsfreiheit der privaten Versicherer, welche auch die Teilnahme am Versicherungsmarkt umfassen, ist nach Art. 54 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung im Rahmen der substitutiven PKV nur aufgrund eines Allgemeininteresses möglich. Dieses ist angesichts der negativen finanziellen Konsequenzen für die Unternehmen bei portablen Alterungsrückstellungen nicht erkennbar. Im Rahmen des Art. 54 Abs. 2 dieser Richtlinie, der die Mitgliedstaaten ermächtigt, unter bestimmten Bedingungen die substitutive PKV nach Art einer Lebensversicherung zu betreiben, sind portable Alterungsrückstellungen überdies nicht vorgesehen. Diese Bedingungen sind abschließend. Portable Alterungsrückstellungen verstoßen überdies gegen Art. 56 der Versicherungsbilanzrichtlinie, die das Erfordernis der dauernden Erfüllbarkeit der vertraglichen Verpflichtungen durch die Versicherungen statuiert. Diese dauernde Erfüllbarkeit ist bei der Einführung einer Transfermöglichkeit angesichts der beschriebenen Konsequenzen gefährdet. 8. Die zuvor diskutierte, im GKV-WSG selbst aber nicht realisierte Einführung einer Transfermöglichkeit von Alterungsrückstellungen bei einem Wechsel zwischen PKV und GKV verletzte ebenfalls die Berufs- und Eigentumsfreiheit der privaten Versicherer. Sie verstieße ferner gegen den allgemeinen Gleichheitssatz sowie die Vertragsfreiheit der Neukunden. Schließlich läge ebenfalls eine Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie des Art. 56 der Versicherungsbilanzrichtlinie vor.

III. Einführung eines Basistarifs mit Kontrahierungszwang Das GKV-WSG sieht für die PKV die Einführung eines Basistarifs im Leistungsumfang der GKV mit Kontrahierungszwang ohne vorangegangene Risikoprüfung vor. Leistungsausschlüsse und Risikozuschläge sind dementsprechend nicht zulässig. Zugangsberechtigt sollen unter Berücksichtigung gesetzlich bestimmter

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Fristen grundsätzlich die Nicht-(mehr)-Versicherten, die freiwillig in der GKV Versicherten sowie alle PKV-Versicherten sein. Darüber hinaus wurde diskutiert, aber im GKV-WSG nicht realisiert, für die PKV-Versicherten den Basistarif sogar gesetzlich verpflichtend vorzuschreiben. 1. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen sind darauf angewiesen, dass ihre Risikoprognosen, die den Versicherungsprämien zugrunde liegen, so präzise wie möglich die Realität abbilden. Bei einer Abweichung ist die Äquivalenz zwischen den beitragsbezogenen Einnahmen und den Ausgaben für die Krankheitskosten der Versicherten nicht mehr gegeben. Je ungenauer die Risikoprognosen sind, desto größer ist die Gefährdung der Äquivalenz. Um sie wiederherzustellen, müssen die Beiträge der Versicherten erhöht werden. Die Einführung eines Tarifs mit Kontrahierungszwang und ohne Risikoprüfung trägt wegen der ungenauen Prognose der Krankheitskosten dazu bei, dass die Äquivalenz bei denjenigen, die diesen Tarif wählen, nicht vorliegt. Das entsprechende Defizit ist regelmäßig von den übrigen Versicherten zu tragen. 2. Die Einführung des Basistarifs greift in die Wettbewerbs- und beruflich genutzte Vertragsfreiheit der privaten Krankenversicherungsunternehmen nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Die Einbeziehung von Personen, die wegen vorangegangener arglistiger Täuschung über ihren Gesundheitsstatus den Versicherungsschutz verloren hatten und sich nunmehr zwar nicht bei demselben, aber bei einem anderen Unternehmen im Basistarif versichern können, ist ebenso ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit wie die Einbeziehung von Personen, denen wegen Zahlungsverzugs der Versicherungsvertrag gekündigt worden war, und der freiwillig in der GKV Versicherten. Die verpflichtende Einbeziehung aller PKV-Versicherten wäre darüber hinaus wegen der beschriebenen schwerwiegenden Konsequenzen am Maßstab der dritten Stufe der Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts zu messen. Ihren Anforderungen würde ein solches, im GKV-WSG nicht verwirklichtes Regelungsvorhaben diesbezüglich nicht gerecht. Ebenfalls liegt in Idealkonkurrenz ein unverhältnismäßiger Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit der Versicherer vor. Ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wird wegen der erheblichen Risikoverschiebungen überdies durch die Aufnahme der freiwillig GKVVersicherten oder gar aller Privatversicherten in den Basistarif verletzt. Die Einführung eines Basistarifs verstößt schließlich gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rückwirkungsverbot, weil der Basistarif die vom Versicherer berechnete Globaläquivalenz zerstört. Das Vertrauen des Versicherers in die Stabilität seiner abgeschlossenen Risikoprognose ist vor gesetzlichen Veränderungen geschützt. 3. Die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie der Altbestandskunden wird durch die gesetzlich erzwungene Einführung eines Basistarifs in unverhältnismäßiger Weise verletzt. Ebenso verstößt diese Regelung gegen das Rück-

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wirkungsverbot, auf das sich auch der Altbestandskunde berufen könnte. Dagegen impliziert der vorgesehene Zugang der übrigen Personengruppen zum Basistarif noch keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Privatautonomie. Altbestandskunden werden durch dieses Recht nicht generell vor (auch basistarifbedingten) Beitragserhöhungen geschützt. 4. Zur Einführung eines Basistarifs ist der Gesetzgeber weder wegen des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit noch aufgrund der Privatautonomie eines potentiellen Neukunden verpflichtet. Der Legislative verbleibt insoweit ein breiter Ermessensspielraum, der aber durch die Grundrechte der Beteiligten begrenzt ist. 5. Aus dem Sozialstaatsprinzip ergibt sich der Vorrang privater Vorsorge vor den Wechselfällen des Lebens, zu denen auch das Krankheitsrisiko zählt. Mit der Priorität privater Eigenverantwortung ist die Einführung eines Basistarifs für alle Privatversicherten unvereinbar. Aus dem Sozialstaatsprinzip ist deshalb auch nicht umgekehrt die Verpflichtung zur Einführung eines Basistarifs in der PKV mit Kontrahierungszwang abzuleiten. 6. Die Versicherung von Nicht-(mehr)-Versicherten in einem Basistarif ist aus europarechtlicher Perspektive grundsätzlich durch das in Art. 54 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Schadenversicherung erforderliche „allgemeine Interesse“ legitimiert. Allerdings gilt dies nicht für das Risiko des Beitragsausfalls. Um einen Verstoß gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zu verhindern, muss die Beitragsausfalllast von der Allgemeinheit getragen werden. Für die Einbeziehung der freiwillig Versicherten oder aller Privatversicherten ist ein allgemeines Interesse nicht erkennbar. Art. 54 Abs. 2 der Richtlinie rechtfertigt ein solches Regelungsvorhaben ebenfalls nicht, weil dadurch der Substitutionscharakter der PKV insgesamt gefährdet wird. 7. Als verfassungs- und europarechtskonforme Gestaltungsalternative verbleibt die Möglichkeit, dass die PKV für Nichtversicherte neben der Krankheitskostenvollversicherung freiwillig einen Basistarif mit Risikoprüfung anbietet. Die Ausfalllast bei Beitragszahlungen muss durch Haushaltszuschüsse finanziert werden.

IV. Steuerfinanzierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern nur für die GKV Die Bundesregierung hatte im Rahmen der „Eckpunkte zu einer Gesundheitsreform 2006“ beschlossen, dass die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder in der GKV zukünftig (teilweise) durch Haushaltsmittel finanziert werden soll. Die Begründung des Entwurfs des GKV-WSG spricht ausdrücklich von „dem Einstieg in eine teilweise Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben (beitragsfreie Mitversicherung von Kindern) aus dem Bundeshaushalt“. Die Beitragspflich-

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tigkeit der Versicherung von Kindern in der PKV bleibt dagegen weiterhin unverändert erhalten. 1. Die einseitige Steuerfinanzierung zugunsten der in der GKV versicherten Kinder verstößt gegen den besonderen Schutz der Familie in Art. 6 Abs. 1 GG, der eine objektive Wertentscheidung der Verfassung zugunsten dieses Rechtsinstituts enthält: Dadurch wird eine staatliche Benachteiligung von Familienmitgliedern untersagt und der Staat verpflichtet, die Familie zu fördern. Dazu gehört auch die Verpflichtung, die mit einer familialen Gemeinschaft verbundenen spezifischen Lasten auszugleichen. Wie der Staat diesen Familienlastenausgleich realisiert, bleibt grundsätzlich ihm überlassen. Allerdings bedarf es einer besonderen Rechtfertigung, wenn eine Gruppe von Personen, gegenüber denen der Staat grundsätzlich zu einem Familienlastenausgleich verpflichtet ist, von einer bestimmten Leistung ausgeschlossen wird, die der Staat anderen gewährt. Fiskalische Gründe allein stellen für eine solche Ungleichbehandlung keine verfassungskonforme Legitimation dar. Der Staat ist grundsätzlich zur Förderung aller Kinder verpflichtet, unabhängig von der Art ihres Krankenversicherungsschutzes. Besondere Gründe für eine Differenzierung zwischen den in der GKV und den in der PKV versicherten Kindern hinsichtlich der staatlichen Finanzierung ihrer Krankenversicherung sind nicht erkennbar. Die Ungleichbehandlung verstößt deshalb gegen die in Art. 6 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende objektive Wertentscheidung der Verfassung zugunsten der Familie. 2. Eine einseitige Steuerfinanzierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern in der GKV impliziert ferner eine differenzierte Belastung von in der GKV und in der PKV versicherten Steuerzahlern. Jene müssen zwar die beitragsfreie Mitversicherung ihrer Kinder über ihre Steuern mitfinanzieren; zugleich entfällt jedoch zumindest ein Teil der Beitragslast, die sie bisher für die Finanzierung der Mitversicherung aufgewandt hatten. Dagegen müssen die in der PKV versicherten Steuerzahler ebenfalls die Familienversicherung der Kinder in der GKV mitfinanzieren; ein Kompensationseffekt wie bei den in der GKV versicherten Steuerzahlern entfällt aber. Diese Ungleichbehandlung ist nicht verhältnismäßig und verletzt daher den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 3. Art. 87 Abs. 1 EGV statuiert ein Verbot staatlicher Beihilfen für Unternehmen, die den Wettbewerb zumindest zu verfälschen drohen, wenn sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes handelt es sich bei Krankenkassen allerdings dann nicht um Unternehmen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV, wenn diese auf der Grundlage des Solidarprinzips tätig sind. Die beitragsfreie Familienversicherung ist als Element des Familienlastenausgleichs eine Konkretisierung dieses Prinzips. Art. 87 Abs. 1 EGV ist insoweit auf das geplante Regelungsvorhaben nicht anwendbar. 4. Als verfassungskonforme Gestaltungsalternative kommt in Betracht, die Steuerfinanzierung auch auf die in der PKV versicherten Kinder auszudehnen. Dazu

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könnte ein Durchschnittsbetrag errechnet werden, der für ein in der GKV versichertes Kind ausgegeben wird. Dieser Betrag würde dann einem in der PKV versicherten Kind zugerechnet und über die Familienkassen ausgezahlt werden.

V. Fazit Neben der dargestellten Verletzung verschiedener Grundrechte sowohl der heute bereits privat Versicherten als auch potenzieller Neukunden und der Missachtung zwingender europarechtlicher Vorgaben bleibt festzustellen, dass die einschlägigen Regelungen das Ziel des GKV-WSG, den Wettbewerb in der Krankenversicherung zu stärken, vollständig verfehlen. Allein die Verpflichtung, im Basistarif der PKV dieselben Leistungen zu erbringen wie die GKV und mit gleichen Beiträgen auch noch Alterungsrückstellungen zu bilden, belegt dies eindrucksvoll. Entgegen seinem Namen führt das GKV-WSG damit nicht zu mehr, sondern zu weniger Wettbewerb.

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Sachwortverzeichnis Äquivalenz 23 ff., 35 ff., 40, 78, 87 ff., 94 ff., 106, 112 – Globaläquivalenz 89 Alterungsrückstellung 5, 15, 20 ff., 91, 109 ff. – Berufsfreiheit 39 ff., 71 ff., 109, 111 – Eigentumsfreiheit 43 ff., 50 ff., 58 f., 63, 71 f., 109 ff. – Gestaltungsalternativen, rechtskonforme 72 ff. – Gleichheitssatz, allgemeiner 56 ff., 61 f., 110 f. – Kalkulationsfreiheit 39 ff., 45 f., 49 – negative 31 – Risikoselektion 29, 34 f., 38, 42, 46, 68, 73, 109 – Risikozurechnung, kollektive 23 ff., 28 f., 40, 52, 109 – Stornoeffekt 28 – Übergangsfrist 21 – Vererbung 27 f., 49, 109 – Vertragsfreiheit 40 f., 55 f., 59 ff., 63 ff., 71 ff., 109 ff. – Wettbewerbsfreiheit 39 ff., 46 f., 71, 109 f. Anwartschaftsdeckungsverfahren 26, 32, 73, 111 Basistarif 5, 15, 20 f., 32 ff., 37, 62 f., 73, 74 ff., 111 ff. – Berufsfreiheit 80 ff., 96, 112 – Drohung 83 f. – Eigentumsfreiheit 87 ff., 96, 112 – Gestaltungsalternativen, rechtskonforme 96 f., 113 – Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit 91 f., 113 – Kalkulationsfreiheit 80 ff. – Kontrahierungszwang 5, 15, 73 ff., 77, 79 f., 83, 85 ff., 92, 94 ff., 111 ff. – Leistungsausschlüsse 32, 75 f., 78, 97, 111

– nicht mehr Versicherte 77 f., 81 ff., 91 f., 112 – Risikozuschläge 32, 76, 78, 97, 111 – Schutzpflicht, grundrechtliche 91 ff., 113 – Täuschung, arglistige 78, 83 f., 96 f., 112 – Verhältnismäßigkeit 81 ff., 84 ff., 88, 112 – Versicherte, freiwillig in der GKV Versicherte 77, 84 ff., 90, 94 ff., 112 – Vertragsfreiheit 80 f., 90 ff., 112 – Wettbewerbsfreiheit 80 ff., 87 f., 112 – Zahlungsverzug 74 f., 77 f., 113 Berufsfreiheit 39 ff., 71 ff., 80 ff., 109, 111 f. – Drei-Stufen-Theorie 41 f., 81, 109, 112 Bruttoprämie 23 Dienstleistungsfreiheit 67 ff., 95, 111, 113 Eigentumsfreiheit 43 ff., 50 ff., 58 f., 63, 68, 71 f., 87 ff., 109 ff., 112 – Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 44 ff., 87, 110 , 112 Erfüllbarkeit, dauernde 36 f., 70, 73, 111 Familie 98 ff., 114 f. Gesetzesvorbehalt 19, 108 f. – Parlamentsvorbehalt 17 ff., 108 f. – Wesentlichkeitstheorie 18 f., 108 f. Gesetzgebungsverfahren 17 ff., 108 f. Gleichheitssatz, allgemeiner 56 ff., 61 f., 71 f., 82, 101 ff., 110 f., 114 Kalkulationsfreiheit 39 ff., 45 f., 49, 80 ff. Kinder 5, 15 f., 97 ff., 113 ff. Kinderversicherung, beitragsfreie 5, 15 f., 97 ff., 113 ff. – Beihilfen 105 f., 114 – Gestaltungsalternativen, rechtskonforme 107, 114 f. – Schutz der Familie 99 ff., 104, 114 f.

Sachwortverzeichnis – Verhältnismäßigkeit 102 ff. Krankenversicherung, substitutive 23, 53, 87 f., 94, 96, 111, 113 Krankheitskosten, altersbedingte 25 f., 71, 109 Lebensversicherung 52 ff., 70, 95, 111 Leistungsbarwert 26

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– Versicherungsbilanzrichtlinie 70, 72, 111 Risikostrukturausgleich 30 Rückwirkungsverbot 49 f., 62 f., 72, 88 f., 91, 96, 110, 112 f. Sozialstaat 65 ff., 81 f., 88 f., 93 f., 95 f., 100, 113

Privatautonomie siehe Vertragsfreiheit

Vertragsfreiheit 40 f., 55 f., 59 ff., 63 ff., 71 ff., 92 f., 109 ff., 112 – beruflich genutzte 40 f., 80 f., 90 f., 109, 112 Vertrauensschutz 50, 62 f., 91

Richtlinien 67 ff., 94 ff., 111, 113 – Erste Richtlinie Schadenversicherung 70 f. – Dritte Richtlinie Schadenversicherung 68 ff., 72, 94 ff., 111, 113

Wettbewerbsfreiheit 39 ff., 46 f., 71, 80 ff., 87 f., 109 f. Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 48 f.

Methode, prospektive 27 Neukunde 32 f., 35, 87, 91 ff., 111, 113, 115