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German Pages 283 Year 2000
STEFAN WILK
Die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Auslandsverlusten
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 816
Die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Auslandsverlusten Eine systematisch-methodische, verfassungsund europarechtliche Untersuchung
Von
Stefan Wilk
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Wilk, Stefan:
Die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Auslandsverlusten : eine systematisch-methodische, verfassungs- und europarechtliche Untersuchung / Stefan Wilk. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 816) Zugl.: Bayreuth, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10040-9
Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10040-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort Die Arbeit lag der Universität Bayreuth im Sommersemester 1999 als Dissertation vor. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Loritz für die Überlassung des Themas und die Anregungen bei der Erstellung der Arbeit. Für die Anfertigung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Prof. Dr. Dr.
Mößle. Nicht zuletzt habe ich mich bei Frau Sabine Ivo und Herrn Dr. Malte Ivo zu bedanken, die die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens übernommen haben. Ich widme diese Arbeit meiner Mutter und dem Gedenken meines Vaters.
Stefan Wilk
Inhaltsverzeichnis Einführung
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1. Teil Die Systematik der Besteuerung von Auslandsverlusten
17
A. Zur Entstehung der derzeitigen Rechtslage
17
B. Persönliche Steuerpflicht und Auslandseinkünfte
23
C. § 2a EStG als sachliche Voraussetzung für die Besteuerung I. Persönlicher Anwendungsbereich II. Die Verlustabzugsbeschränkungen
24 25 26
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 30 I. Der Begriff der Doppelbesteuerung 30 II. Unilaterale Regelungen 33 1. Die Anrechnungsmethode nach § 34 c Abs. 1 EStG 33 2. Die Abzugsmethode nach § 34 c Abs. 2 EStG 41 3. Die Abzugsmethode nach § 34c Abs. 3 EStG 42 4. Sonstige unilateraler Maßnahmen 44 III. Rechtslage bei Doppelbesteuerungsabkommen 44 1. Zum Verhältnis zwischen Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatlichem Recht 45 2. Zur Regelungssystematik von Doppelbesteuerungsabkommen 48 3. Die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt 51 a) Die Freistellung nach Art. 23 A Abs. 1 OECD-ΜΑ bei Einkünften aus im Ausland gelegenen Betriebsstätten 52 aa) Problemstellung 52 bb) Zum Begriff der Freistellung 53 cc) Der Einkünftebegriff in Art. 23 A Abs. 1 OECD-ΜΑ 54 (1) Zum Meinungsstand hinsichtlich der Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe 55 (2) Auslegung des Einkünftebegriffs nach der völkerrechtlichen Methode 59 (3) Auslegung des Einkünftebegriffs nach der binnenrechtlichen Methode 62 (4) Der Einkünftebegriff der abkommensrechtlichen Anrechnungsmethode als Vergleich 64
nsverzeichnis
8
(5) Zusammenfassung dd) Besonderheiten bei der Freistellung von Verlusten auf der Grundlage des Art. 23 A OECD-ΜΑ b) Bedeutung des Progressionsvorbehalts 4. Die abkommensrechtliche Anrechnungsmethode 5. Zusammenfassung
65 66 77 79 80
E. Die Bedeutung des § 3 c EStG im Zusammenhang mit der Freistellungsmethode I. „Verluste" bei Schachteldividenden II. Behandlung gescheiterter Betriebsstättengründungen in DBA-Ländern III. Zusammenfassung
81 82 89 97
F. Abzugsmöglichkeiten nach § 2 a Abs. 3 EStG
98
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG auf die Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung I. § 2a Abs. 1, 2 EStG und die Anrechnungsmethode ohne DBA II. § 2a Abs. 1, 2 EStG und die Abzugsmethode ohne DBA III. § 2a Abs. 1, 2 EStG und die Freistellung nach DBA 1. Das Verhältnis zwischen § 2a Abs. 1, 2 EStG und dem Abkommensrecht 2. Die Wirkung des § 2a Abs. 1, 2 EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt a) Auslegung anhand des Gesetzeswortlauts und der Gesetzesbegründung b) Systematische Auslegung c) Teleologische Auslegung d) Besonderheiten ab dem VZ 1996 3. Ergebnis IV. § 2a Abs. 1, 2 EStG und die Anrechnungsmethode nach DBA
115 117 125 127 128 129
H. Zusammenfassung
131
100 100 110 112 113 114
2. Teil Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandsverlusten
132
A. Maßstäbe zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen 132 I. Bedeutung des Art. 12 GG 135 II. Bedeutung des Art. 14 GG 136 III. Bedeutung des Art. 2 Abs. 1 GG 139 IV. Bedeutung des Art. 3 GG 141 1. Die Leistungsfähigkeit als verfassungsrechtliche Grenze der Besteuerung 143 2. Das Kriterium der Systemgerechtigkeit 144 3. Die Rechtsanwendungsgleichheit nach § 85 AO 144
nsverzeichnis 4. Grenzen der Steuergerechtigkeit 5. Die Bedeutung des sog. „Halbteilungsgrundsatzes" V. Zusammenfassung B. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG I. Vereinbarkeit mit Art. 14 GG II. Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 GG 1. Rückwirkung von Gesetzen, Vertrauensschutz und Übergangsregelung a) Auffassung der Finanzverwaltung b) Auffassung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung c) Auffassung der Literatur d) Stellungnahme 2. Verhältnismäßigkeit a) Auffassung der Finanzverwaltung b) Auffassung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung c) Auffassung der Literatur d) Stellungnahme III. Vereinbarkeit mit Art. 3 GG 1. Sachliche Rechtfertigung durch den Gesetzgeber 2. Sachliche Rechtfertigung aus Sicht der Finanz Verwaltung 3. Sachliche Rechtfertigung aus der Sicht der finanzgerichtlichen Rechtsprechung 4. Sachliche Rechtfertigung aus der Sicht der Literatur 5. Stellungnahme IV. Zusammenfassung
9 144 147 148 149 149 150 150 153 154 157 159 159 162 162 163 164 167 168 169 169 175 179 183
C. Verfassungsmäßigkeit der Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung I. Verfassungsmäßigkeit der Anrechnungsmethode 1. Die grundsätzliche Anwendung der Anrechnungsmethode 2. Die Beschränkung auf den Anrechnungshöchstbetrag 3. Die Anwendung der „per-country-limitation" 4. Besonderheiten bei negativen Einkünften 5. Zusammenfassung II. Verfassungsmäßigkeit der Freistellungsmethode
183 184 184 186 189 190 190 190
D. Zusammenfassung
192
5. Teil Die deutsche einkommensteuerrechtliche Behandlung von Auslands Verlusten im europäischen Binnenmarkt A. Das Verhältnis zwischen innerstaatlichem Steuerrecht und Gemeinschaftsrecht
194
195
10
nsverzeichnis
Β. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen zum Steuerrecht I. Indirekte Steuern und Gemeinschaftsrecht II. Direkte Steuern und Gemeinschaftsrecht 1. Fusionsrichtlinie 2. Mutter-Tochter-Richtlinie 3. EG-Schiedsverfahrenskonvention 4. Vorschlag zu einer Verlustrichtlinie III. Zusammenfassung
198 199 200 202 203 203 204 206
C. Europarechtliche Maßstäbe zur Überprüfung steuerrechtlicher Vorschriften . 206 D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt I. Zum bisherigen Meinungsstand II. Vereinbarkeit mit dem freien Warenverkehr III. Vereinbarkeit mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit IV. Vereinbarkeit mit der Niederlassungs- und Kapital Verkehrsfreiheit 1. Schutzumfang der Niederlassungsfreiheit 2. Das Verhältnis der Niederlassungsfreiheit zur Kapitalverkehrsfreiheit 3. Zwischenergebnis 4. Eingriff des § 2a Abs. 1, 2 EStG in die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit a) Offene oder versteckte Diskriminierung b) „Umgekehrte" Diskriminierung c) Beschränkung der Niederlassungsfreiheit d) Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit 5. Rechtfertigung der Beschränkung a) Die Wechselwirkung zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit auf der Ebene der Rechtfertigung b) Ansätze zur Rechtfertigung des § 2a Abs. 1, 2 EStG aus europarechtlicher Sicht aa) Rechtfertigung wegen fehlender Harmonisierung bb) Rechtfertigung aus Gründen der Wirtschaftspolitik und der Stärkung des Steueraufkommens cc) „Kohärenz" als Rechtfertigung dd) Gefahr der Steuerumgehung c) Die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit 6. Zusammenfassung V. Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit VI. Ergebnis
207 208 212 213 213 213 215 218 218 219 220 222 228 229 229 231 233 235 240 241 242 243 245 246
E. Abkommensrechtliche Vermeidungsnormen im europäischen Binnenmarkt . 246 I. Das Verhältnis zwischen DBA und Gemeinschaftsrecht 247 II. Europarechtliche Maßstäbe zur Überprüfung von DBA-Vorschriften .. . 247
nsverzeichnis
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III. Die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt 248 1. Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot 249 2. Verstoß gegen das Beschränkungsverbot 250 a) Freistellung positiver Einkünfte 250 b) Freistellung negativer Einkünfte 251 aa) Problemstellung 252 bb) Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit 252 cc) Rechtfertigung der Beschränkung 259 3. Ergebnis 262 F. Zusammenfassung
262
Zusammenfassung
264
Literaturverzeichnis
266
Sachwortverzeichnis
281
Abkürzungsverzeichnis A a. A. (a. Α.) a. E. a. F. AG ABl. EG Abs. AfA AIG Anm. AO Art. AStG AWD ΒΒ Bd. Begr. BFH BFH/NV BGBl. BMF BR-Drucksache BStBl. BT-Drucksache BVerfG BVerfGE bzw. DB DBA DÖV DStJG DStR DStZ EC EFG
Abschnitt anderer Ansicht am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Absetzung für Abnutzung Auslandsinvestitionsgesetz Anmerkung Abgabenordnung Artikel Außensteuergesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Der Betriebs-Berater Band Begründer Bundesfinanzhof Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Bundesgesetzblatt Bundesminister der Finanzen Bundesrat-Drucksache Bundessteuerblatt Bundestag-Drucksache Bundesverfassungsgericht Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Der Betrieb Doppelbesteuerungsabkommen Die öffentliche Verwaltung Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung European Community Entscheidungen der Finanzgerichte
Abkürzungsverzeichnis EG EGBGB EGV Einl. EStDV EStG EStR EStRG EU EuGH EuGHE EuR EUV EuZW EWG EWGV EWS f., ff. F. FG FGO FinArch Fn. FR FS gem. GewStG GG ggfs. GmbH Gr. GrS GS HFR h.M. Hrsg. insb. IStR i.ü. i.V.m. IWB JbFSt
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Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag über die Europäische Gemeinschaft (Amsterdamer Fassung) Einleitung Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien (1996) Einkommensteuerreformgesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Sammlung der Entscheidungen des EuGH Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Steuer- und Wirtschaftsrecht folgend, folgende Fach Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzarchiv Fußnote Finanz-Rundschau Festschrift gemäß Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gruppe Großer Senat Gedächtnisschrift Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung herrschende Meinung Herausgeber insbesondere Internationales Steuerrecht im übrigen in Verbindung mit Internationale Wirtschaftsbriefe Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht
14 JStG KGaA KStG MK MünchSch m.w.N. n. F. η. v. NJW Nr. OFD RdF Rdnr. RFH RGBl. RIW RStBl. S. s. o. sog. StÄndG StbJB StEntlG st. Rspr. u. umstr. UStG v. H. vgl. VO VStG VVDStL VZ WM WRV z.B. Ziff.
Abkürzungsverzeichnis Jahressteuergesetz Kommanditgesellschaft auf Aktien Köφerschaftssteuergesetz Musterkommentar Münchener Schriften mit weiteren Nachweisen neue Fassung nicht veröffentlicht Neue Juristische Wochenschrift Nummer Oberfinanzdirektion Reichsminister der Finanzen Randnummer Reichsfinanzhof Reichsgesetzblatt Recht der Internationalen Wirtschaft (Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters) Reichssteuerblatt Satz, Sätze, Seite(n) siehe oben sogenannte(r), (s) Steueränderungsgesetz Steuerberater-Jahrbuch Steuerentlastungsgesetz ständige Rechtsprechung und umstritten Umsatzsteuergesetz vom Hundert vergleiche Verordnung Vermögensteuergesetz Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer Veranlagungszeitraum Wertpapiermitteilungen Weimarer Reichs Verfassung zum Beispiel Ziffer
Einführung Bei der internationalen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen kommt es zur Konfrontation mit einer Vielzahl von Normen aus unterschiedlichen nationalen und bilateralen Rechtsquellen, deren Zusammenspiel häufig zu Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung führt. Durch Änderungen des nationalen Rechts werden weitere Regelungen geschaffen, die häufig, zumindest auf den ersten Blick, nicht in die Systematik des bisherigen Rechtszustands passen. Mit der Einführung des § 2a Abs. 1, 2 EStG durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 entstanden umfangreiche Diskussionen über die Wirkung der Vorschrift im deutschen Steuersystem und über ihre Verfassungsmäßigkeit. Vereinzelt finden sich auch Stellungnahmen, die die Vereinbarkeit der Vorschrift mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages bezweifeln. Im ersten Teil der Arbeit werden - nach einer kurzen Einführung zur Entstehung der für die Besteuerung von Einkünften mit Auslandsbezug relevanten Vorschriften - die Methodik und Systematik der Verrechnung von im Ausland erwirtschafteten Verlusten (im folgenden: Auslandsverluste) mit Inlandseinkünften unter besonderer Berücksichtigung der Einkünfte aus ausländischen gewerblichen Betriebsstätten untersucht. Zu diesem Zweck wird zunächst in allgemeiner Form die Behandlung ausländischer Einkünfte durch uni- und bilaterale Regelungen aufgezeigt. Zentrale Frage ist die Wirkung der einschlägigen Vorschriften in ihrem Zusammenspiel. In der Vergangenheit hat speziell die Frage der Reichweite der Freistellung nach DBA-Vorschriften zu umfangreichen Diskussionen geführt. Beispielhaft sind die Diskussionen zu den sog. Schachteldividenden und die Behandlung von Verlusten aus gescheiterten Betriebsstättengründungen. Anschließend wird die Wirkung des § 2a EStG auf das sich daraus ergebende System erläutert. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der an der Verfassungsmäßigkeit des Systems der Verlustberücksichtigung geäußerten Kritik. Da nunmehr das BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerden zu § 2a Abs. 1, 2 EStG nicht zur Entscheidung angenommen hat, sollen die verschiedenen Meinungstendenzen zusammenfassend dargestellt werden. Die Frage des Verhältnisses des nationalen Steuerrechts zum Europarecht ist dem dritten Teil vorbehalten. Neben dem allgemeinen Problem der Wir-
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Einführung
kung des Europarechts auf das nationale Steuerrecht, wird die Frage der Vereinbarkeit nationaler Vorschriften zur Berücksichtigung von Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten mit den Grundsätzen des europäischen Binnenmarktes untersucht.
L Teil
Die Systematik der Besteuerung von Auslandsverlusten Bei der steuerlichen Behandlung von Auslandsverlusten ist zunächst zu klären, welche persönlichen Voraussetzungen das Steuerrecht an die Erfassung ausländischer Einkünfte stellt. Die im Vordergrund stehenden Fragen der sachlichen Steuerpflicht orientieren sich an den sachlichen Voraussetzungen der Besteuerung nach §§ 2ff. EStG, insbesondere § 2a EStG, dem Begriff der Doppelbesteuerung und den uni- und bilateralen Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.
A. Zur Entstehung der derzeitigen Rechtslage Die deutsche einkommensteuerrechtliche Behandlung von Auslandstätigkeiten wird durch zwei verschiedene Regelungsbereiche berührt. Den nationalen (unilateralen) Vorschriften mit Auslandsbezug stehen bilaterale Vereinbarungen in Form von DBA gegenüber. Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte man, daß durch eine zwei- oder mehrfache Besteuerung des gleichen Vorgangs der grenzüberschreitende wirtschaftliche Verkehr behindert wird. Es wurden daher zwischen Staaten Abkommen geschlossen, nach denen Betriebsstätten nur in dem Staat besteuert werden sollten, aus dem die Erträge herrühren 1. Wegen der grundlegenden weltwirtschaftlichen Änderungen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg waren die bis dahin bekannten Modelle bilateraler Abkommen unbefriedigend. Sie wiesen „Ungereimtheiten und Lücken4'2 auf, ließen sie „zunehmend als überholungsbedürftig erscheinen und schwächten ihren Einfluß auf die internationale Abkommenspraxis"3. 1 Zur Entwicklung der DBA bis zum Ende des 2. Weltkrieges und der Schaffung der Freistellungsmethode als traditionelle Methode Kontinentaleuropas zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vgl. Vogel, MünchSch 21, S. Iff. u. Vogel, DStZ 1997, S. 278 f. 2 Debatin in: Debatin/Wassermeyer, Systematik I Rdnr. 15. 3 Ebd. 2 Wilk
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Im Rahmen des Marshall-Plans wurde die „Organization for European Economic Cooperation" (OEEC) gegründet, deren Nachfolgeorganisation die „Organization for Economic Cooperation and Development" (OECD) wurde. Kennzeichnend für die OECD ist es, daß, neben den Belangen der Industrieländern, die der Schwellen- und Entwicklungsländer einbezogen werden sollten. Insbesondere wollte man diese Länder durch eine exportorientierte Industrialisierung fördern und damit in ein Welthandelssystem einbinden. Zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen war es dadurch zwingend notwendig geworden, bei steuerbaren Geschäftsvorfällen mit Auslandsbezug ein einheitliches System zu schaffen. So kam es 1956 zur Errichtung eines Steuerausschusses der OEEC, der sich aus Regierungsvertretern zusammensetzte und nach Vorlage mehrerer Zwischenberichte ein vollständiges Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Einkommensbesteuerung mit begleitender offizieller Kommentierung herausgab. Damit war die Grundlage für ein international abgestimmtes System der Vermeidung von Doppelbesteuerungen geschaffen. Das in der Empfehlung des Rates vom 30. Juli 1963 publizierte Abkommen4 beeinflußte die internationale Abkommenspraxis nachhaltig5. In der Folgezeit erschienen des weiteren Musterabkommen zur Doppelbesteuerung bei den Erbschafts- und Nachlaßsteuern6 und weitere Änderungen des Abkommens von 1963. Das Musterabkommen von 1977 beruht im Aufbau und den wesentlichen Grundsätzen auf dem ersten Abkommen aus dem Jahr 1963. Teilrevisionen des OECD-MA 1977 erfolgten 1992, 1994 und 1995, wobei jedoch lediglich partielle Änderungen in den Formulierungen der Artikel und des offiziellen Kommentars vorgenommen wurden7. Die deutschen Abkommen orientieren im Grundsatz an dem Musterabkommen der OECD (OECD-ΜΑ). Allerdings erfordern die Interessen der Partnerstaaten häufig Abweichungen von diesem Muster. Bestrebungen zur Entwicklung multilateraler Abkommen sind bisher gescheitert. Zwar gab es derartige Bemühungen (Benelux-Länder, skandinavische Länder, EFTA und EG), sie führten aber zu keinem Ergebnis8. Ähnliche multilaterale Abkommen in bezug auf Steuern vom Einkommen und Vermögen gab es daneben bei der Organisation Commune Africaine et Malgache (OCAM) und dem ehemaligen COMECON. 4
Vgl. OECD-Dokument C (63) 87. Vgl. Debatin in: Debatin/Wassermeyer, Systematik I Rdnr. 15. 6 Vgl. OECD-Dokument C (66) 50. 7 Vgl. dazu Lüthi in: Becker/Höppner/Grotherr/Kröppen, Teil 2, Rdnr. 4ff. vor OECD-MA. 8 Vgl. Debatin in: Debatin/Wassermeyer, Systematik I Rdnr. 16. 5
Α. Zur Entstehung der derzeitigen Rechtslage
19
Die DBA sind als völkerrechtliche Verträge das „zentrale Instrument zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung"9. Wenngleich der Ausbau bilateraler Systeme aus Gründen der Flexibilität der Regelungen angestrebt wird, konnte aus deutscher Sicht noch nicht mit allen Staaten ein DBA abgeschlossen werden. Daher sieht das deutsche Außensteuersystem unilaterale Regelungen zur Begrenzung der Doppelbesteuerung vor. Bis zum Veranlagungszeitraum 1956 wurde auf der Grundlage des § 51 EStDV 1955 und gleichlautender Vorschriften in früheren Durchführungsverordnungen die Doppelbesteuerung dadurch erfaßt, daß vom Gesamtbetrag der Einkünfte der nachweislich gezahlte ausländische Steuerbetrag abgezogen werden konnte. Man sah jedoch die Vorschrift als unzureichend an, so daß als „sog. übergeleitetes Recht"10 die RdF-Erlasse vom 25.10.1939 über die steuerliche Behandlung inländischer Interessen an Unternehmen im Ausland11, vom 24.12.194212 und vom 31.3.194313, jeweils betreffend den Erlaß oder Teilerlaß von Steuern bei Kapitalbeteiligung deutscher Unternehmen im Ausland, von der Finanzverwaltung weiter angewendet wurden. Die Konsequenz war ein nationaler Verzicht auf die deutsche Einkommen- und Körperschaftsteuer, die auf die Gewinnanteile ausländischer Beteiligungen entfiel. Es gab Bestrebungen, die inhaltlichen Bestimmungen der Erlasse wegen ihrer zweifelhaften Rechtsgrundlage (§§ 17 Abs. 2 S. 1, 131 AO) gesetzlich zu regeln 14. Durch das StÄndG vom 5.10.1956 wurde dann die Vorschrift des § 34c EStG eingeführt 15. Die Neuregelung beinhaltete, im Gegensatz zu der Abzugsmöglichkeit und der Freistellung der RdF-Erlasse, primär die Anrechnungsmethode16. Die Anrechnungsmethode wurde im anglo-amerikanischen Rechtskreis entwickelt17 und ist Ausdruck einer vornehmlich in Deutschland einsetzen9
Knobbe-Keuk, S. 314. Herrmann/Heuer/Raupach, Anm. lc) zu § 34c. 11 Vgl. RStBl. 1939, S. 1070f. (Nr. 1126: „Steuerliche Behandlung inländischer Interessen an Unternehmen im Ausland"). 12 Vgl. RStBl. 1942, S. 1146 (Nr. 1036: „Steuerliche Behandlung von Kapitalbeteiligungen Deutscher Unternehmen im Ausland"). 13 Vgl. RStBl. 1943, S. 313 (Nr. 278: „Steuerliche Behandlung von Kapitalbeteiligungen Deutscher Unternehmen im Ausland"). 14 Vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Anm. lc) zu § 34c. 15 Vgl. StÄndG v. 5.10.1956 in BStBl. I 1956, S. 433 ff. (434). 16 Vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Anm. lc) zu § 34c. 17 Vgl. Ebling, S. 113; Weigell, RIW 1987, S. 123; ; die Anrechnungsmethode als traditionelle Methode des anglo-amerikanischen Rechtskreises wurde 1918 in 10
2*
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
den Tendenz18, amerikanische Modelle des internationalen Steuerrechts zu übernehmen. Nach dieser Methode wurden die ausländischen Einkünfte nicht aus der Besteuerung herausgenommen, sondern die im Ausland auf die ausländischen Einkünfte gezahlten Steuern wurden auf die vom Gesamteinkommen (Welteinkommen) erhobenen Inlandssteuern angerechnet. Im damaligen Gesetzgebungsverfahren gab es im Bundesrat Widerstand gegen diese Regelung, so daß daraufhin auch die Freistellungsmethode in gewissen Grenzen beibehalten wurde. Diese Regelung entspricht dem heutigen § 34 c Abs. 5 EStG. Mit der Einführung des § 34 c EStG als Tarifvorschrift 19 bezweckte der Gesetzgeber eine Förderung des zwischenstaatlichen Handels unter Berücksichtigung der sich anbahnenden deutschen Investitionstätigkeit im Ausland20. Nach einer Änderung durch das StÄndG vom 18.7.1958, bei der weitere Steuervergünstigungen geschaffen wurden, kam es erst durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20.8.1980 zu einer grundlegenden Reform. Mit diesem Gesetz, das erstmals für den Veranlagungszeitraum 1980 galt, wurde dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt. Er konnte zwischen der Anrechnung der ausländischen Steuer und dem Abzug der ausländischen Steuern bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte wählen. Die bestehenden uni- und bilateralen Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wurden durch das 2. Steueränderungsgesetz 196821 ergänzt. Nach damaligem vorherrschenden Verständnis erfaßte die Freistellungsmethode der DBA auch ausländische Verluste. Ziel des Gesetzes war es, durch eine besondere Regel negative gewerbliche Einkünfte verrechnen zu können. Diese Idee wurde dann aber nicht im EStG, sondern im Auslandsinvestitionsgesetz (§ 2 AIG) verwirklicht 22.
Großbritannien (Income Tax Act 1918 sect. 218) und den USA (Revenue Tax Act of 1918, ch. 18, § 222 (a), 40 Stat. 1047) eingeführt. 18 Vgl. Vogel in: Vogel, MünchSch 21, S. 2. 19 Vgl. Β FH BStBl. II 1997, S. 91 f. (92) („tarifäre Steuerermäßigung"); Schmidt/Heinicke, § 34c Rdnr. 1; Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34 c Rdnr. 1; vgl. auch Blümich/Wied, § 34 c Rdnr. 7 mit Differenzierungen: Aus der Stellung im Gesetz ergibt sich, daß § 34 c EStG nur hinsichtlich der Abs. 4 und 5 als Tarifvorschrift zu qualifizieren ist. Bei Abs. 1 handelt es sich hingegen um eine Steuerermäßigungsvorschrift („tarifäre Steuerermäßigung"), die Abs. 2 und 3 sind Vorschriften, die sich auf der Ebene der Bemessungsgrundlage auswirken. 20 Vgl. Vogel in: Vogel, MünchSch 21, S. 2. 21 Vgl. BT-Drucksache V/3890, S. 9, Artikel 2 Nr. 1. 22 Vgl. BGBl. I 1969, S. 1211.
Α. Zur Entstehung der derzeitigen Rechtslage
21
Die Entwicklung in Deutschland wird damit seit der Einfügung des § 34 c EStG in 1956 durch einen Dualismus von Freistellungs- und Anrechnungsmethode bestimmt. So wurde dann auch in einigen Abkommen die Anrechnungsmethode als bilaterale Vereinbarung in den DBA festgelegt 23. Ende August 1982 legte die damals von der SPD und der FDP geführte Bundesregierung dem Bundesrat einen Gesetzesentwurf vor, nach der bestimmte ausländische Verluste nicht mit inländischen Einkünften verrechnet werden sollten24. Das Gesetz wurde dann sowohl durch die Fraktionen der SPD und der FDP 25 als auch durch die Bundesregierung in den Bundestag eingebracht26. Im Oktober 1982 kam es zu dem Regierungswechsel, jedoch übernahmen CDU, CSU und FDP die Regelung in ihrem Entwurf zum Haushaltsbegleitgesetz 1983. Zielsetzung des Vorschlages der neuen Bundesregierung war es, in Übereinstimmung mit dem Entwurf der SPD/FDP-Regierung27, zu verhindern, daß „zu Lasten des inländischen Steueraufkommens volkswirtschaftlich nicht sinnvolle Verwendungszwecke verfolgt werden" 28. Man wollte auf diese Weise insbesondere auf Entwicklungen im Bereich von Verlustzuweisungsmodellen reagieren, da diese zu Steuerersparnissen ohne Nutzen für die deutsche Volkswirtschaft führten 29. Darüber hinaus wurde die Vorschrift mit einer Gleichstellung der Behandlung ausländischer Verluste aus NichtDBA Ländern und DBA-Ländern mit Anrechnungsmethode gerechtfertigt 30. Wie jedoch die weitere Diskussion im Gesetzgebungsverfahren zeigt 31 , stand die Bekämpfung der Verlustzuweisungsmodelle eindeutig im Vordergrund 32. 23
Entgegen der üblichen Systematik, nach der die Freistellungsmethode die Regel und die Anrechnungsmethode die Ausnahme darstellt, ist in den Abkommen mit Argentinien (vgl. Art. 23 Abs. 1, 2 DBA - Argentinien), Bolivien (vgl. Art. 23 Abs. 1 a), b) DBA-Bolivien), Brasilien (vgl. Art. 24 Abs. 1, 2 DBA - Brasilien), Ecuador (vgl. Art. 23 Abs. 1 (a), (b) DBA - Ecuador), der Schweiz (vgl. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1, 2 DBA - Schweiz) und Uruguay (vgl. Art. 23 Abs. 1 a), b) DBAUruguay) die Anrechnungsmethode die Regel; vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rz. 76. 24 Vgl. BR-Drucksache 334/82, S. 2f. 25 Vgl. BT-Drucksache IX/1956, S. 3. 26 Vgl. BT-Drucksache IX/1990, S. 4. 27 Vgl. BR-Drucksache 334/82, S. 42f. 28 Vgl. BT-Drucksache IX/2074, S. 62. 29 Vgl. BT-Drucksache IX/2074, S. 62. 30 Vgl. BT-Drucksache IX/2074, S. 62. 31 Vgl. BT-Drucksache IX/2140, S. 124. 32 Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Rdnr. A 4; Bopp in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 2a Anm. 4; Hell wig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 2a Rdnr. 3; Bordewin in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 2a Rdnr. 5.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Nachdem sich der Bundesrat mit dem Entwurf befaßt und seine Stellungnahme abgegeben hatte, brachte die Bundesregierung den Entwurf in den Bundestag ein 33 . Sodann kam es noch zu Beratungen im Rechts-, Finanzund Haushaltsausschuß des Bundestages, bis der Bundestag das Gesetz beschloß und der Bundesrat zustimmte. Schon am 20.12.1982, also nur etwa vier Monate nach der ersten Gesetzesvorlage der Bundesregierung, wurde das Gesetz verkündet34 und § 2a Abs. 1 und Abs. 2 EStG in das EStG eingefügt. Zum Veranlagungszeitraum 1990 wurden die Absätze 3 und 4 unter gleichzeitiger Aufhebung der entsprechenden Vorschriften des AIG hinsichtlich des Abzuges abkommensrechtlich freigestellter Verluste angefügt 35. Durch das Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990 wurden mit Wirkung ab dem 1.1.1991 die Absätze 5 und 6, die die Behandlung von Verlusten aus gewerblichen Betriebsstätten in der ehemaligen DDR regelten, aufgehoben 36 . Im Jahr 1992 erfolgte eine Neufassung des § 2a Abs. 1, 2 EStG, bei der weitere negative ausländische Einkünfte dem Abzugsverbot unterstellt wurden 37. Durch das StEntlG 1999/2000/2002 wurde § 2 a Abs. 3, 4 EStG ab dem VZ 1999 gestrichen38. Ein wichtiger Punkt bei der Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung ist die Entstehung der Europäischen Gemeinschaften und ihres Dachverbandes, der Europäischen Union. Nach Art. 293 2. Spiegelstrich EGV sollen die Mitgliedsstaaten untereinander Verhandlungen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft einleiten39. Ein erstes Übereinkommen im Bereich der Doppelbesteuerung (sog. Schiedsverfahrenskonvention 40 ) trat am 1.1.1995 in Kraft. Es befaßt sich mit Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen.
33
Vgl. BT-Drucksache IX/2140, S. 4. Vgl. BGBl. I 1982, S. 1857 ff.; BStBl. I 1982, S. 972ff. 35 Vgl. Steuerreformgesetz 1988 v. 25.7.1988 in: BStBl. I 1988, S. 224ff. (224), Art. 1 Nr. 1, 2. 36 Vgl. hierzu Körber in: Dankmeyer/Giloy, § 2a Rdnr. 210ff.; Schmidt/Heinikke, § 2a Rdnr. 88ff. 37 Vgl. StÄndG 1992 v. 25.2.1992 in: BGBl. I 1992, S. 297ff. (298), Art. 1 Nr. 2. 38 Vgl. StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999 in: BGBl. I 1999, S. 402 ff. (402), Art. 1 Nr. 2 b); jedoch sind die vor 1999 abgezogenen Verluste bis zum VZ 2008 ggfs. wieder hinzuzurechnen, § 52 Abs. 3 EStG n. F. 39 Zur Bedeutung des Europarechts für das nationale Steuerrecht vgl. den 3. Teil. 40 Vgl. EG-Schiedsverfahrenskonvention vom 23.7.1990 (90/436/EWG) abgedruckt in: ABl. EG 1990 L 225, S. lOff. 34
Β. Persönliche Steuerpflicht und Auslandseinkünfte
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B. Persönliche Steuerpflicht und Auslandseinkünfte Bei einer steuerlich relevanten Tätigkeit mit Auslandsbezug muß zwischen zwei Grundkonstellationen unterschieden werden: Der Besteuerung von Steuerausländern bei Betätigungen im Steuerinland (also Deutschland) steht die Besteuerung von Steuerinländern bei Betätigungen im Steuerausland gegenüber. Im Vordergrund der weiteren Darstellung steht die zweite Konstellation, die Besteuerung unbeschränkt steuerpflichtiger Personen bei Betätigungen im Steuerausland. Diese haben ihren Wohnsitz gemäß § 8 AO oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 AO im Inland. Ausweislich § 1 Abs. 1 S. 2 EStG gehört dazu, neben dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, auch der Festlandssockel, soweit dort Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden. Der Kreis der unbeschränkt steuerpflichtigen Personen wird durch die Vorschrift des § 1 Abs. 2 EStG auf deutsche Auslandsbedienstete und zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige erweitert. Voraussetzung ist, daß sie nicht schon unter § 1 Abs. 1 EStG fallen, jedoch zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen. Antragsbedingt kann es zu einer unbeschränkten Steuerpflicht über die Vorschrift des § 1 Abs. 3 EStG kommen, ohne daß ein inländischer Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt. Diese sogenannte Grenzpendlerbesteuerung verlangt, daß inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt werden. Des weiteren müssen die Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90 v.H. der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die Summe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte darf nicht mehr als 12.000 DM im Kalenderjahr betragen. Die durch das JStG 1996 als Reaktion auf die „Schumacker"-Entscheidung des EuGH41 geschaffene Vorschrift des § l a EStG begründet keine besondere Steuerpflicht. Sie enthält Vergünstigungen für unbeschränkt Steuerpflichtige aus EU- oder EWR42-Mitgliedsstaaten. Liegen die Voraussetzungen des § l a Abs. 1 EStG vor, so können die Regeln über das Ehegattensplitting, das Realsplitting und den Haushaltsfreibetrag entsprechend angewendet werden. Darüber hinaus ist bei Alleinstehenden ein Abzug von Aufwendungen zur Kinderbetreuung möglich. Die 41 Vgl. EuGHE 1995, S. 1-225ff. („Schumacker"); vgl. Schmidt/Heinicke, § l a Rdnr. 1.; App in: Dankmeyer/Körber, § la Rdnr. 5ff.; Blümich/Krabbe, § l a Rdnr. 2. 42 Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes sind Island, Norwegen und Liechtenstein.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Besonderheit der Regelung liegt darin, daß die Anwendung der Vergünstigungen nicht davon abhängig ist, daß der Ehegatte oder die Kinder unbeschränkt steuerpflichtig sind. Der Personenkreis, der nicht die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht erfüllt, unterfällt der beschränkten Steuerpflicht, sofern inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG vorliegen. Die beschränkte Steuerpflicht zeichnet sich durch ihren objektbezogenen Charakter aus, indem sie persönliche Umstände, die bei der unbeschränkten Steuerpflicht von Relevanz sind (insbesondere Freibeträge) nicht berücksichtigt. Liegen weder die Voraussetzungen der unbeschränkten noch der beschränkten Steuerpflicht vor, entsteht der deutsche Steueranspruch nicht. Dies betrifft nicht nur Steuerausländer, die nicht in Deutschland tätig sind, sondern auch Inländer, die sich entscheiden, Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in das Ausland zu verlegen. Für die letztgenannte Personengruppe sind Länder mit niedrigem Steuersatz von Interesse. Einer Steuerflucht in niedrig besteuerte Gebiete tritt jedoch die Vorschrift des § 2 AStG entgegen. Liegt eine niedrige Besteuerung im ausländischen Gebiet im Sinne des § 2 Abs. Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AStG vor und verbleiben wesentliche wirtschaftliche Interessen des Steuerpflichtigen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 AStG im Inland, so greift eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht ein. Danach unterliegen deutsche Staatsangehörige, die in ein Niedrigsteuerland ziehen, der beschränkten Steuerpflicht sowohl mit den Inlandseinkünften nach § 49 EStG als auch mit allen anderen Einkünften, die nicht unter § 49 EStG fallen, die aber nicht ausländische Einkünfte nach § 34 d EStG sind (sog. erweiterte Inlandseinkünfte), wenn die Einkünfte insgesamt mehr als 32.000 DM betragen43. Diese erweiterte beschränkte Steuerpflicht gilt für einen Zeitraum von zehn Jahren, sofern der Steuerpflichtige in den letzten zehn Jahren vor dem Wegzug mindestens fünf Jahre als Deutscher unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war.
C. § 2a EStG als sachliche Voraussetzung für die Besteuerung Neben den persönlichen Voraussetzungen für das Entstehen des deutschen Steueranspruchs bedarf es weiterer sachlicher Voraussetzungen. Der Einkommensteuer unterliegen die in § 2 Abs. 1 EStG enumerativ aufgezählten Einkunftsarten. Die Vorschrift des § 2 EStG regelt „die Steuerbarkeit des Einkommens und wird damit zur Grundsatznorm des EStG, die 43
Eine Aufzählung der erweiterten Inlandseinkünfte enthält Ziff. 2.5.0. des Schreibens des BMF betreffend der Grundsätze zur Anwendung des Außensteuergesetzes vom 2.12.1994 in: BStBl. I 1995, Sondernummer 1.
C. § 2a EStG als sachliche Voraussetzung für die Besteuerung
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den die Einkommensteuer charakterisierenden Belastungsgrund benennt, die Einzelregelungen des EStG systematisch verbindet und zusammenhält, der Auslegung der Einzelvorschriften des EStG einen Grundsatz und damit ein Ziel gibt" 44 . Dieser Kernvorschrift folgt nach dem Gesetzesaufbau unmittelbar § 2a EStG. § 2a EStG enthält verschiedene Regelungskomplexe: Abs. 1 beinhaltet ein Verrechnungsverbot bestimmter im Ausland erwirtschafteter Verluste. Nach Abs. 2 werden aus dem Ausgleichsverbot Verluste aus bestimmten aktiv tätigen gewerblichen Betriebsstätten im Ausland herausgenommen. Demgegenüber stand bis zum VZ 1998 die Regelung in Abs. 3. Danach wurden antragsbedingt Verluste, die aufgrund von DBA ohne Relevanz für die inländische Bemessungsgrundlage waren, einkünftemindernd berücksichtigt45. Sofern die Ausnahmetatbestände des Abs. 3 S. 4 nicht vorlagen, war der Betrag bei späteren Gewinnen wieder hinzuzurechnen. Die Hinzurechnungsbesteuerung gilt nach § 52 Abs. 3 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 für Verluste, die bis zum VZ 1998 abgezogen wurden, bis zum VZ 2008 weiter. Die Vorschrift des § 2a EStG Schloß in der bis zum VZ 1998 geltenden Fassung mit Abs. 4 ab, der die Hinzurechnung des nach Abs. 3 abgezogenen Verlusts anordnet, wenn eine im Ausland belegene Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird. Ausnahmen hiervon regelten die Ziffern 1 und 2 des Abs. 4. Auch in diesem Zusammenhang ordnet § 52 Abs. 3 EStG n. F. eine Weitergeltung der Hinzurechnung bereits abgezogener Verluste für die Übergangszeit bis zum VZ 2008 an. I. Persönlicher Anwendungsbereich Unter den Anwendungsbereich des § 2a Abs. 1, 2 EStG fallen aus dem Bereich der gewerblichen Einkünfte alle unbeschränkt steuerpflichtigen Einzelunternehmer, Personengesellschafter und über § 8 Abs. 1 KStG Kapitalgesellschaften. Dem Grunde nach ist § 2a Abs. 1, 2 EStG auch für beschränkt Steuerpflichtige anwendbar. Die praktische Bedeutung dürfte jedoch gering sein, da diese nicht nach dem Welteinkommensprinzip besteuert werden. Anwendbar ist die Vorschrift daher nur in dem Fall, daß inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG ausländische Einkunftsteile beinhalten. Als 44 Kirchhof in: Kirchhof/Söhn, § 2 Anm. A 17; vgl. Blümich/Stuhrmann, § 2 Rdnr. 3; Günther in: Dankmeyer/Giloy, § 2 Rdnr. 1; Raupach/Schencking in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 Rdnr. 8. 45 S.u. 1. Teil, F. Die Abzugsmöglichkeit nach § 2a Abs. 3 EStG.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Beispiel sei in Anlehnung an Bopp46 und Bordewiri 47 der Fall genannt, daß ein beschränkt Steuerpflichtiger Mitunternehmer einer gewerblich tätigen Personengesellschaft ist, die ihrerseits eine stille Beteiligung an einem ausländischen Unternehmen im Sinne des § 2a Abs. 1 Nr. 5 EStG hält. Relevant wird § 2a Abs. 1, 2 EStG bei der beschränkten Steuerpflicht daher stets in den Fällen, in denen die ausländischen Verluste oder Wertminderungen im Rahmen eines inländischen Betriebs anfallen, wie dies insbesondere bei § 2a Abs. 1 Nr. 3, 5, 6 und 7 denkbar ist 48 . Da bei Vorliegen einer ausländischen Betriebsstätte die wirtschaftliche Zugehörigkeit zu inländischen Einkünften unterbrochen wird 49 , scheiden nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Ziffern 1 und 2 des § 2a Abs. 1 EStG bei beschränkt steuerpflichtigen Personen aus. I I . Die Verlustabzugsbeschränkungen Als Folge des objektiven Nettoprinzips werden positive und negative Einkünfte im Veranlagungsverfahren nach § 2 Abs. 3 EStG zusammengerechnet. Besteuert wird nur der sich daraus ergebende Saldo. Der Verlustausgleich findet auf zwei Ebenen statt. Im ersten Schritt werden positive und negative Einkünfte derselben Einkunftsart zusammengerechnet (sog. horizontaler Verlustausgleich)50, in einem zweiten Schritt werden dann nach § 2 Abs. 3 EStG die verbleibenden positiven und negativen Einkünfte verschiedener Einkunftsarten miteinander verrechnet (sog. vertikaler Verlustausgleich). Dieses System gilt aber nicht uneingeschränkt. So erkennt das EStG gewisse Verluste nicht oder nur zum Teil als ausgleichsfähig an 51 . Das Interesse gilt den Auslandsverlusten. Auslandsverluste sind solche negativen Einkünfte, die nicht in Deutschland erzielt wurden 52. Nach § 2a 46
Vgl. Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 7. Vgl. Bordewin in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 2a Rdnr. 17. 48 Vgl. Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 13; zu § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 7c) vgl. auch Körber in: Dankmeyer/Giloy, § 2a Rdnr. 5. 49 Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. A 5. 50 Vgl. BFH BStBl. II 1973, 385 f. (385) u. BFH BStBl. II 1975, 698 f. (699) jeweils zum Verlustabzug nach § lOd EStG. 51 Vgl. die Aufzählung in: Schmidt/Seeger, § 2 Rdnr. 53. 52 Vgl. Schmidt/Heinicke, § 2a Rdnr. 7; Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 1; Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 8, 31. Ausland im Sinne des EStG ist jedes Hoheitsgebiet, das nicht Inland ist, vgl. Blümich/Krabbe, § 34 d Rdnr. 3; Körber in: Dankmeyer/Giloy, § 2a Rdnr. 28. Inland im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 EStG ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, vgl. App in: Dankmeyer/Giloy, § 1 Rdnr. 33; Blümich/Ehmcke, § 1 Rdnr. 30. Weder In- noch Ausland sind Gebiete, die nicht zu einem ausländischen Hoheitsgebiet gehören, z.B. die Antarktis, vgl. 47
C. § 2a EStG als sachliche Voraussetzung für die Besteuerung
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Abs. 1 EStG werden nunmehr gewisse Verluste nicht anerkannt. Im einzelnen handelt es sich um folgende negative Einkünfte: 1. Verluste aus einer in einem ausländischen Staat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte, 2. Verluste aus einer in einem ausländischen Staat belegenen gewerblichen Betriebsstätte, sofern keine aktive Tätigkeit im Sinne des § 2a Abs. 2 S. 1 EStG vorliegt, 3. a) Verluste aus dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts eines zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteils an einer Körperschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat (ausländische Körperschaft), oder b) Verluste aus der Veräußerung oder Entnahme eines zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteils an einer ausländischen Körperschaft oder aus der Auflösung oder Herabsetzung des Kapitals einer ausländischen Körperschaft, sofern der Steuerpflichtige nicht gemäß § 2a Abs. 2 S. 2 EStG in den Fällen a) und b) nachweist, daß eine aktive Tätigkeit im Sinne des § 2a Abs. 2 S. 1 EStG bei der Körperschaft entweder seit ihrer Gründung oder während der letzten fünf Jahre vor und in dem Veranlagungszeitraum vorgelegen hat, in dem die Verluste erwirtschaftet wurden, 4. in den Fällen des § 17 EStG bei einem Anteil an einer Kapitalgesellschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat, sofern wiederum nicht der Ausnahmetatbestand des § 2a Abs. 2 EStG im Sinne einer aktiven Tätigkeit (vgl. 3.) eingreift, 5. Verluste aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung in einem ausländischen Staat hat, 6. a) Verluste aus der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen oder von Sachinbegriffen, wenn diese in einem ausländischen Staat belegen sind, oder b) Verluste aus der Vermietung und Verpachtung von Schiffen, wenn diese Einkünfte nicht tatsächlich der inländischen Besteuerung unterliegen, oder c) Verluste aus dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts oder der Übertragung eines zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsguts im Sinne von a) oder b), BFH BStBl. II 1991, S. 926ff. (929), oder die hohe See, vgl. Blümich/Krabbe, § 34 d Rdnr. 3.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
7. a) Verluste aus dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts, der Veräußerung oder Entnahme eines zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteils an, b) Verluste aus der Auflösung oder Herabsetzung des Kapitals oder c) in den Fällen des § 17 bei einem Anteil an einer Körperschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, soweit die negativen Einkünfte auf einen der in den Nummern 1 bis 6 genannten Tatbestände zurückzuführen sind. Auffällig ist, daß der Gesetzgeber bei der Formulierung der einzelnen Tatbestände nicht bestimmte Einkunftsarten von der Verrechnung ausschließt. Er verwendet nicht die Begrifflichkeit der Einkunftsarten nach § 2 Abs. 1 EStG, sondern beschränkt sich auf eine Beschreibung bestimmter Tätigkeiten, die von der Verlustkompensation ausgeschlossen sind. Die Vorschrift kann, wegen der Beschreibung verschiedener einkünftebezogener Tätigkeiten, daher nicht einer speziellen Einkunftsart zugeordnet werden. Die Zuordnung von Einkünften einer Nummer des Katalogs richtet sich nach den im Ausland gegebenen Merkmalen (sog. isolierende Betrachtungsweise)53. Der Grund für diese Vorgehensweise liegt in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. § 2a Abs. 1 und Abs. 2 EStG sollen, wie bereits dargestellt, verhindern, daß es durch Auslandsinvestitionen, die der deutschen Volkswirtschaft keinen Nutzen bringen, zu Steuerersparnissen kommt. Der Gesetzgeber versuchte, insbesondere Fehlentwicklungen im Bereich des Erwerbs von Ferienimmobilien im Bauherrenmodell, der Beteiligung an ausländischen Touristikvorhaben und des Erwerbs von ausländischen Plantagen und Tierfarmen entgegenzutreten54. Das erklärt die „grobe Typisierung" 55 durch Beschreibung von Tätigkeiten und nicht von Einkunftstatbeständen im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG. Insofern ist es ohne Bedeutung, in welcher Einkunftsart die Verluste erzielt werden. Damit greift § 2a Abs. 1 EStG ein, wenn die einschlägigen „wirtschaftlichen Sachverhalte betroffen sind, ohne Rücksicht darauf, in welcher Einkunftsart die Einkünfte im Einzelfall anzusetzen sind" 56 . Für die Unternehmensbesteuerung ist die Typisierung insoweit von Relevanz, als es konsequenterweise nicht zu Umqualifizierungen nach den Sub53
Vgl. Bordewin in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 2a Rdnr. 36; Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. B4; Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 29. 54 Vgl. BT-Drucksache IX/2074, S. 62. 55 Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 9. 56 Frotscher, § 2a Rdnr. 20; vgl. Mössner in Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. B l ; Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 29; Schmidt/Heinicke, § 2a Rdnr. 6; App in: Dankmeyer/Giloy, § 2a Rdnr. 30.
C. § 2a EStG als sachliche Voraussetzung für die Besteuerung
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sidiaritätsregeln der §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3, 22 S. 1, 23 Abs. 3 EStG kommt. Vielmehr sind auch die Einkünfte nach § 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG unmittelbar, ohne Umqualifizierung, zu den gewerblichen Einkünften zu zählen. Für körperschaftsteuerpflichtige Personen gilt wegen der Verweisung des § 8 Abs. 1 KStG nichts anderes. Die Rechtsfolge des § 2a Abs. 1, Abs. 2 EStG liegt darin, daß die betroffenen Auslandsverluste grundsätzlich nur mit positiven ausländischen Einkünften der jeweils selben Art aus demselbem Staat ausgleichsfähig sind. Positive Einkünfte derselben Art sind solche, die derselben Nummer der Aufzählung in § 2a Abs. 1 S. 1 EStG zuzuordnen sind57. Ein Ausgleich mit positiven Einkünften aus anderer Art aus demselben Staat ist genauso ausgeschlossen wie der Ausgleich mit positiven Einkünften jedweder Art aus anderen Staaten. Ebenso findet kein Verlustabzug nach § 10 d EStG statt, mit Ausnahme der positiven Einkünfte desselben Staates, die in den folgenden Jahren erzielt werden 58. Ein Verlustausgleich ist aber weiterhin möglich mit negativen Einkünften, die aus einer gewerblichen Betriebsstätte im Ausland stammen, sofern diese die Voraussetzungen der Aktivitäts- oder Produktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG erfüllt. Dazu muß Gegenstand der Betriebsstätte ausschließlich oder fast ausschließlich (mindestens 90 v.H. des Betriebsergebnisses59) die Herstellung oder Lieferung von Waren, die Gewinnung von Bodenschätzen oder die Bewirkung gewerblicher Leistungen sein (sog. aktiv-tätige Betriebsstätten). Gewisse wirtschaftliche Betätigungen, die grundsätzlich der Aktivitätsklausel unterfallen, werden jedoch wieder im Wege einer Rückausnahme dem Ausgleichsverbot unterstellt. Dazu gehört aus dem Bereich der aktiv-tätigen Betriebsstätten die Herstellung oder Lieferung von Waffen. Nicht ausgleichsfähig sind damit insbesondere Verluste aus sog. passiven Tätigkeiten, wie die Errichtung oder der Betrieb von Anlagen, die dem Fremdenverkehr dienen (Ferienwohnungen, Hotels, Hotel-Appartments und ähnliche Anlagen60), sowie die Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern einschließlich der Überlassung von Rechten, Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen und Kenntnissen.
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Vgl. Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 50; Manke, DStZ 1984, S. 241. 58 Durch das StÄndG 1992 v. 25.2.1992 (vgl. BGBl. I 1992, S. 297 (298) Art. 1 Nr. 2) ist die zeitliche Beschränkung des noch möglichen Verlustvortrags auf sieben Jahre entfallen. 59 Vgl. Schmidt/Heinicke, § 2a Rdnr. 13; Bordewin in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 2a Rdnr. 57; Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. C7. 60 Vgl. mit weiteren Beispielen: Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 74.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Bei der steuerlichen Behandlung im Ausland erzielter Einkünfte kennt das deutsche Einkommensteuerrecht, wie die geschichtliche Entwicklung gezeigt hat, sowohl uni- als auch bilaterale Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Bevor die Wirkungsweise des § 2a EStG auf das System dieser Maßnahmen untersucht werden soll, ist zunächst festzustellen, ob es zwischen den beiden Regelungsbereichen zu Kollisionen kommen kann. I. Der Begriff der Doppelbesteuerung Die Nürnberger hängten keinen, sie hätten ihn denn. Mit diesen Worten umschreibt Jakob in seinem Lehrbuch zum Einkommensteuerrecht die Problematik der Doppelbesteuerung61. Von einer Doppelbesteuerung/Mehrfachbesteuerung spricht die herrschende Lehre, wenn „ein Steuersubjekt im gleichen Zeitraum mit demselben Steuerobjekt mehrfach zu einer gleichen oder gleichartigen Steuer herangezogen"62 wird. Sie wird mit der strafrechtlichen Idealkonkurrenz verglichen 63. Debatin spricht von einer Doppelbesteuerung, wenn „derselbe Tatbestand mehr als einmal mit Steuern belegt wird" 64 . Diese Definitionen deuten darauf hin, daß die Frage der Doppelbesteuerung keine auf das Einkommensteuerrecht beschränkte Erscheinung ist. Außerhalb des Einkommensteuerrechts konkurrieren insbesondere verschiedene spezielle Verbrauchssteuern mit der Umsatzsteuer. Die Doppel- oder Mehrfachbesteuerung ist nicht auf das gleiche Steuersubjekt beschränkt. Aus diesem Grund wird zwischen einer Doppelbesteuerung im juristischen Sinne und einer Doppelbelastung differenziert. Die Doppelbesteuerung im juristischen Sinne65 soll begrifflich nur die Fälle erfassen, in denen der Steuerschuldner identisch ist. Fehlt es an dieser Identität, wird aber dasselbe „wirtschaftliche Substrat belastet"66, so wird von einer Doppelbelastung gesprochen. Diese Differenzierung zwischen Doppelbesteuerung im juristischen und im wirtschaftlichen Sinne (Doppelbelastung) ist auf die Einkommensteuer 61
Vgl. Jakob, S. 340. Lang in: Tipke/Lang, S. 182; vgl. Lipps, S. 49; vgl. Blümich/Wied, § 34c Rdnr. 5; so auch Nr. 1 des offiziellen Kommentars zu Art. 23 OECD-MA. 63 Lang in: Tipke/Lang, S. 182. 64 Debatin in: Debatin/Wassermeyer, Systematik I Rdnr. 9. 65 Vgl. Rose, S. 51. 66 Lang in: Tipke/Lang, S. 182. 62
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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bei internationalen Sachverhalten übertragbar. Der juristische Begriff der Doppelbesteuerung zeichnet sich dadurch aus, daß mehrere selbständige Steuerhoheitsträger als souveräne Staaten dasselbe Steuerobjekt bei demselben Steuersubjekt, bei zeitraumbezogenen Steuern auch noch für denselben Zeitraum, zu einer gleichartigen Steuer heranziehen67. Hauptanwendungsfall der juristischen Doppelbesteuerung ist daher regelmäßig die Verschränkung von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht 68. In diesem Fall konkurrieren die Steueransprüche des Wohnsitz- und des Quellenstaates miteinander. Neben dieser Konstellation kann eine Doppelbesteuerung im juristischen Sinn auch dadurch entstehen, daß der Steuerpflichtige in zwei Staaten aufgrund eines Doppelwohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig ist. Darüber hinaus erheben zum Beispiel die USA, Mexiko und die Philippinen69 den Anspruch auf Besteuerung bei ihren Staatsbürgern, selbst wenn der Steuerpflichtige in einem anderen Staat ansässig ist. Die weitere denkbare Situation der Doppelbesteuerung wird durch das Bestehen zweier beschränkter Steuerpflichten bewirkt, indem mehrere Staaten bestimmen, daß Einkunftsquellen zu ihrem Gebiet gehören70. Der wirtschaftliche Begriff der Doppelbesteuerung (Doppelbelastung) charakterisiert die Situation, daß ein Wirtschaftsvorgang oder ein Vermögenswert in zwei oder mehreren Staaten in demselben Zeitraum besteuert wird, „jedoch nicht bei demselben Steuerpflichtigen" 71. Damit folgt die wirtschaftliche Begriffsbestimmung mit Ausnahme der Steuersubjektidentität der juristischen Begriffsbestimmung. Im juristischen Sinn wird „das Erfordernis der Steuersubjektidentität als Gleichheit der Rechtspersonen verstanden (...), (während) im wirtschaftlichen Sinn davon ausgegangen (wird), daß zwischen einer (z.B. ausländischen) Tochtergesellschaft und dem (z.B. inländischen) Unternehmensträger eine wirtschaftliche Einheit besteht; in diesem Fall wird also wirtschaftlich das gleiche Steuersubjekt (die international tätige Unternehmung) angenommen"72. Kennzeichen der Doppelbelastung ist, daß „Einkommens- und Vermögensteile im gleichen Besteuerungszeitraum bei verschiedenen Steuersubjekten einer vergleichbaren Steuer" 73 unterliegen. Wie die in Art. 9 OECD-MA aufgenomme Klausel über Gewinnberichtigungen verbundener Unternehmen zeigt, wird die 67
Vgl. Rose, S. 52. Vgl. Jakob, S. 340; Henkel, S. 151 m.w.N. 69 Vogel, DBA, Einleitung Rdnr. 2 a. 70 Vgl. Henkel, S. 151. 71 Vogel, StuW 1982, S. 112; so auch Nr. 2 des offiziellen Kommentars zu Art. 23 OECD-MA. 72 Rose, S. 51. 73 Jacobs, S. 6. 68
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung zunehmend als Aufgabe der DBA aufgefaßt 74. Eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung, oder auch Doppelbelastung, ist ferner in dem Fall gegeben, daß Vermögenswerte mehreren (juristischen) Personen zugerechnet werden, „etwa in einem Staat dem zivilrechtlichen Eigentümer, im anderen dem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft (z.B. § 39 AO)" 75 . Eine andere Möglichkeit der Doppelbelastung entsteht durch unterschiedliche nationale Regeln über die Hinzurechnung bzw. die Abzugsfähigkeit von positiven und negativen Einkommens- und Vermögensbestandteilen76. Die Begriffe der juristischen Doppelbesteuerung und der Doppelbelastung sind aber in ihrer Bedeutung nicht zu überschätzen. Sie haben für die Praxis geringe Bedeutung, da für die Beseitigung der Doppelbesteuerung lediglich die Auslegung und Anwendung der DBA und der unilateralen Regelungen relevant sind. So weist Schaumburg zutreffend darauf hin, daß der Begriff der Doppelbesteuerung unterschiedlichen Deutungen zugängig ist 77 . Die zahlreichen Versuche der Abgrenzung seien „ein Beleg für die Beliebigkeit und zugleich für die fehlende Bedeutung dieser Begriffsbildung. Dem Begriff der Doppelbesteuerung als solchem, der rechtlich ohnehin nicht existent ist, lassen sich nämlich keine Orientierungsmaßstäbe für die Anwendung der in Betracht kommenden Normen gewinnen."78 Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang die Auffassung von Lang79 genannt, wonach sich die Konkurrenz von Steuertatbeständen und Steueransprüchen anhand der Belastungswirkungen des Steuergutes ergibt. Unter Verzicht auf formaljuristische und tatbestandstechnische Übereinstimmungen seien ausschließlich Steuergüter zu vergleichen. Damit führe die Mehrfacherfassung zur Mehrfachbelastung des nämlichen Steuergutes, auf die Identität des Steuerschuldners und der Steuerperiode komme es nicht an, so daß letztlich die übliche Unterscheidung zwischen Doppelbesteuerung und Doppelbelastung entfiele 80. Dem entspricht eine betriebswirtschaftliche Sichtweise, wie sie Schejfler aufzeigt: „Wer aus rechtlicher Sicht Schuldner der Steuerzahlungen ist, ist prinzipiell ohne Bedeutung. Die Nettoerträge mindern sich unabhängig davon, wer die Steuern zu entrichten hat." 81 74 75 76 77 78 79 80 81
Vgl. Debatin in: Wassermeyer/Debatin, I Systematik Rdnr. 11. Vogel, StuW 1982, S. 112. Vgl. Vogel, StuW 1982, S. 112. Schaumburg, S. 585. Schaumburg, S. 586 mit weiteren Beispielen zu Abgrenzungsversuchen. Lang in: Tipke/Lang, S. 182. Lang in: Tipke/Lang, S. 182. Scheffler, S. 15.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Der Begriff der Doppelbesteuerung bedarf letztlich keiner endgültigen Klärung. Vielmehr sind aus der Auslegung und der Anwendung der DBA Inhalt und Reichweite im Einzelfall zu bestimmen, um auf diesem Weg die aus Gründen der internationalen Wettbewerbsgleichheit unerwünschte mehrfache Besteuerung desselben steuerlich relevanten Vorfalls zu vermeiden. Gleiches gilt für die Anwendung unilateraler Regelungen.
I I . Unilaterale Regelungen Betätigt sich ein inländischer Steuerpflichtiger im Ausland, so entsteht die „klassische" Situation einer Doppelbesteuerung, wenn sowohl der deutsche Fiskus als auch der ausländische Staat als Quellenstaat Steuern auf den gleichen wirtschaftlichen Vorgang (bei demselben Steuerpflichtigen) erheben. Besteht mit dem Auslandsstaat ein DBA, so richtet sich die Besteuerung gemäß § 34c Abs. 6 S. 1 EStG nach dem bilateralen Abkommen82. Fehlt es an einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, so löst der deutsche Gesetzgeber diese Konfliktlage durch eine Anrechnung oder einen Abzug der Auslandssteuer nach § 34 c EStG. In der seit 1980 bestehenden Fassung des § 34 c EStG wird grundsätzlich die ausländische Steuer auf die anteilige deutsche Einkommensteuer angerechnet. Die Abzugsmethode kommt nach § 34 c Abs. 2 EStG nur auf Antrag zur Geltung. Insofern besteht ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen. 1. Die Anrechnungsmethode nach § 34 c Abs. 1 EStG Die Anwendung der Anrechnungsmethode nach § 34 c Abs. 1 EStG verlangt zunächst das Bestehen der unbeschränkten Steuerpflicht. Diesbezüglich kann auf § 1 Abs. 1 bis 3 EStG verwiesen werden 83. Insbesondere gilt § 1 Abs. 2 EStG, so daß auch im Ausland Ansässige unter den dort genannten Voraussetzungen in den Anwendungsbereich des § 34 c EStG fallen. Problematisch ist die Behandlung von Einkünften einer Personengesellschaft. Im deutschen Steuerrecht ist wegen §§ 1, 15 Abs. 1 EStG nicht die Personengesellschaft, sondern der Gesellschafter Steuersubjekt. Dieses Prinzip des EStG gilt jedoch nicht in allen ausländischen Einkommensteuersystemen. So ist häufig, insbesondere in den romanischen Län82
Keiner Entscheidung bedarf es wegen der ausdrücklichen Regelung des § 34 c Abs. 6 S. 1 EStG, ob sich der Anwendungsvorrang eines DBA schon aus § 2 AO ergibt. 83 Vgl. 1. Teil, A. Persönliche Steuerpflicht und Auslandseinkünfte. 3 Wilk
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
dem 84 , die Personengesellschaft selbst Subjekt der Einkommensteuer, da diesem Rechtskreis das Institut der Gesamthänderschaft fremd ist 85 . Dadurch entsteht die Möglichkeit eines „subjektiven Qualifikationskonflikts" 86 . Eine ausdrückliche gesetzliche Lösung findet sich im EStG nicht. Lediglich in § 7 Abs. 1 AStG wird von einer ausländischen Körperschaft im Sinne des KStG gesprochen. In Anlehnung an eine Entscheidung des RFH 87 hat der BFH entschieden, daß es sich „ausschließlich nach deutschem Steuerrecht (richtet)" 88, ob eine rechtsfähige oder nicht rechtsfähige ausländische Gesellschaft der deutschen Körperschaftsteuer oder Einkommensteuer unterliegt. Insofern ist für Fragen der Besteuerung eine unterschiedliche Beurteilung im Vergleich zu den Grundsätzen des internationalen Privatrechts geboten, da in diesem Rechtsgebiet Gesellschaften einheitlich nach ihrem Personalstatut behandelt werden 89. Eine Bindung des Steuerrechts an die Vorgaben des Zivilrechts ist aus verfassungsrechtlicher Sicht dem deutschen Recht jedoch fremd 90 und widerspricht im übrigen dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der verlangt, daß wirtschaftlich gleiche Sachverhalte eine gleiche Behandlung erfahren und es keinen Unterschied machen kann, ob sie im In- oder Ausland verwirklicht werden 91. Aus einfachgesetzlicher Sicht kann darüber hinaus § 42 AO herangezogen werden, wonach das Steuerrecht schon innerstaatlich der zivilrechtlichen Parteiautonomie nicht immer folgt, so daß für ausländische privatrechtliche Gestaltungen nichts anderes gelten kann92. Primäres steuerrechtliches Bedürfnis ist es, die Regelung des „§ 34 c EStG aus dem System heraus auszulegen, in das die Vorschrift gestellt ist" 93 . Inhalt und Zweck des deutschen Steuergesetzes, und nicht privatrechtliche Begriffe, sind für die Besteuerung ausländischer Sachverhalte maßgeblich94. Das deutsche Steuersystem zeichnet sich durch eine Unterscheidung zwischen Körperschaften und Personengesellschaften aus. Dem84
Vgl. Flick/Wassermeyer/Llidicke in: Flick/Wassermeyer/Becker § 34c Rdnr. 41 (Frankreich, Spanien, Belgien, Südamerika). 85 Vgl. Hintze, DStR 1971, S. 331. 86 Blümich/Täske, § 26 KStG Rdnr. 16. 87 Vgl. RFH RStBl. 1930, S. 444 (Leitsätze). 88 BFH BStBl. II 1968, S. 695 ff. (696). 89 Palandt/Heldrich, Anhang zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 2 m.w.N. zur st. Rspr. und h. M. im Schrifttum. 90 Vgl. BVerfGE 24, S. 112ff. (117f.); vgl. BVerfGE 26, S. 327ff. (324f.); vgl. BFH BStBl. III 1965, S. 179 ff. (181); vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften, S. 47. 91 Vgl. Piltz, S. 65 m.w.N. 92 Vgl. Piltz, S. 65 m.w.N. 93 Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34 c Rdnr. 42. 94 Vgl. Piltz, S. 65 f.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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entsprechend hat der BFH entschieden, daß „der Mangel der Rechtsfähigkeit im Inland (...) die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht nicht von vornherein" 95 ausschließt. Dies ergibt sich unmittelbar aus §§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 3 KStG, wonach ausdrücklich auch nichtrechtsfähige Personen Vereinigungen der Körperschaftsteuer unterliegen können. Folglich muß die Entscheidung über die ertragsteuerliche Behandlung ausländischer Gesellschaften „nach den leitenden Gedanken des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts" 96 getroffen werden. Die Abgrenzung erfolgt anhand § 1 Abs. 1 EStG und § 1 Abs. 1 KStG. Als Kriterium für die Annahme einer Körperschaft bietet es sich nach der Ansicht des BFH an, „wenn eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft ergibt, daß diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person des privaten Rechts"97 gleicht. Dieser Typenvergleich entspricht auch der herrschenden Auffassung in der Literatur 98. Aus dem Kriterium des BFH ergibt sich, daß die zivilrechtliche Qualifizierung nicht völlig unerheblich ist. Sie ist aber nicht allein entscheidend, so daß die Anknüpfung an das Zivilrecht nicht als formale Anknüpfung an den zivilrechtlichen Status der Gesellschaft 99 zu verstehen ist. Beschränkt Steuerpflichtige sind grundsätzlich nicht anrechnungsberechtigt. Eine Ausnahmeregel enthält § 50 Abs. 6 EStG, der für Gewinneinkünfte und damit auch für Einkünfte aus Gewerbebetrieb gilt. § 34 c Abs. 1 bis 3 EStG ist danach entsprechend anwendbar, wenn ein Betrieb in Deutschland Einkünfte erwirtschaftet, soweit darin nicht Einkünfte aus einem ausländischen Staat enthalten sind, mit denen der beschränkt Steuerpflichtige dort in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen wird 100 . Eine weitere Aus95
BFH BStBl. II 1992, S. 972 ff. (973). BFH BStBl. II 1988, S. 588ff. (590) m.w.N. zur Behandlung ausländischer juristischer Personen. 97 So zusammenfassend BFH BStBl. II 1992, S. 972ff. (974). 98 Vgl. Knobbe-Keuk, DB 1992, S. 2070; vgl. Debatin, BB 1988, S. 1157f.; zu weiteren Nachweisen vgl. BFH BStBl. II 1992, S. 972ff. (974). 99 Vgl. Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 42. 100 Vgl. hierzu Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 34c Rdnr. 13 und §§ 50, 50 a Rdnr. 28 mit dem Beispiel, daß ein in Frankreich Ansässiger in Deutschland eine Fabrik hat, zu deren Betriebsvermögen eine Beteiligung im Staat X gehört (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG), deren Dividenden in X der beschränkten Steuerpflicht unterworfen wurden; vgl. Körber in: Dankmeyer/Giloy, § 34c Rdnr. 12; Blümich/ Krabbe, § 34c Rdnr. 12; Schmidt/Heinicke, § 34c Rdnr. 3. 96
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
nähme des Erfordernisses der unbeschränkten Steuerpflicht findet sich in § 12 AStG. Nach dem Wortlaut des § 34 c Abs. 1 EStG muß der in Deutschland veranlagte Steuerpflichtige mit dem Steuersubjekt im Ausland identisch sein („Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die ..."). Die Identität des Steuersubjektes ist gewahrt, wenn der in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige gleichzeitig derjenige ist, der im Ausland zur Steuer als Schuldner herangezogen wird 101 . Insoweit setzt die Anrechnung ausländischer Steuern grundsätzlich eine Doppelbesteuerung im juristischen Sinn voraus. Maßgeblich ist, wer den Steuertatbestand verwirklicht und nicht, wer die Steuern tatsächlich bezahlt (Beispiel: Quellenbesteuerung), da es auf die bloße Steuerentrichtungspflicht 102 nicht ankommt. In diesem Zusammenhang bereitet die Behandlung von Personengesellschaften aufgrund eines subjektiven Qualifikationskonflikts Schwierigkeiten 103 . Besteuert wird in Deutschland im Rahmen des § 34 c EStG der Gesellschafter mit seinem Gewinnanteil. Der Gewinnanteil schließt Erträge ein, die im Ausland besteuert wurden. Zunächst besteht die Möglichkeit, daß die Personengesellschaft im Ausland als selbständiges Abgabensubjekt behandelt wird, in Deutschland aber der Gesellschafter seinen Gewinnanteil zu versteuern hat. Aus der maßgeblichen deutschen Sicht liegt nur ein zu besteuernder Gewinnanteil des Gesellschafters vor. Wird daher im Ausland von steuerlicher Selbständigkeit ausgegangen und nimmt das deutsche Steuerrecht Mitunternehmerschaft an, „so ist die ausländische Steuer vom Gesamtgewinn der Gesellschaft in eine Steuer der Gesellschafter umzudeuten"104. Der Qualifikationskonflikt wird damit durch eine Umdeutung gelöst, so daß aus deutscher Sicht die Steuersubjektidentität gewahrt bleibt. Die fehlende Subjektidentität wird bedeutsam, wenn nach deutschem Recht im Ausland eine selbständige Gesellschaft vorliegt, dies nach ausländischem Recht aber nicht der Fall ist. Konsequenterweise liegen aus deut101
Vgl. BFH BStBl. II 1992, S. 187 ff. (190); Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 40; Blümich/Krabbe, § 34c Rdnr. 19; Probst in: Herrmann /Heuer/Raupach, § 34 c Rdnr. 56. 102 Ygj Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 43. 103 Zu Sonderproblemen im Bereich der Gewinnentnahmen u. Sondervergütungen vgl. Blümich/Krabbe, § 34c Rdnr. 21. 104 Blümich/Täske, § 26 KStG Rdnr. 17; vgl. auch Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34 c Rdnr. 42 u. Blümich/Krabbe, § 34c Rdnr. 21 a).
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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scher Sicht eigentlich zwei Besteuerungssubjekte vor, so daß es an einer Subjektidentität fehlt. Dennoch wird die Anrechnung zugelassen, „da die eigentlich erforderliche Gewinnausschüttung (...) wirtschaftlich vorgezogen in der Gewinnzuweisung unmittelbar bei einem Gesellschafter zu sehen ist" 1 0 5 . Im Ergebnis wird auf diese Weise die Gewinnzuweisung bei dem Gesellschafter zur Gewinnausschüttung umgedeutet und damit wirtschaftlich Subjektidentität hergestellt. Für eine Anrechnung wird daher keine Identität im formalen, sondern im wirtschaftlichen Sinn gefordert, da „nur diese Auslegung (...) der Intention des § 34c, der Vermeidung der Doppelbesteuerung, Rechnung zu tragen" 106 vermag. Bemerkenswert ist diese Vorgehensweise deshalb, weil sie vom juristischen Begriff der Doppelbesteuerung abrückt und ihre Annahme durch wirtschaftliche Aspekte gerechtfertigt wird. Damit ist letztendlich eine Abgrenzung zwischen Doppelbesteuerung im juristischen Sinn und Doppelbelastung im Bereich des § 34 c EStG ohne erkennbare Bedeutung107. Ferner muß der Steuerpflichtige Auslandseinkünfte im Sinne des § 34 d EStG beziehen. Die Ermittlung der Höhe der Einkünfte orientiert sich nach einem „allgemein anerkannten Grundsatz des internationalen Steuerι ne
ι no
rechts" an den Vorschriften des nationalen (deutschen) Steuerrechts . Zur Bestimmung des Ursprungslands der Einkünfte ist auf „lokale ausländische Anknüpfungspunkte" 110 des jeweiligen Tatbestands der Einkünfteerzielung abzustellen. Für die in § 34 d Nr. 2 EStG genannten Einkünfte aus Gewerbebetrieb ist grundsätzlich der Ort der Belegenheit des Gewerbebetriebs maßgebend. Umstritten ist, inwieweit die ausländischen Einkünfte tatsächlich der deutschen Einkommensteuer unterliegen müssen. Nach der Ansicht Wassermeyers verwendet § 34c Abs. 1 S. 2 EStG „den Einkünftebegriff im Sinne des deutschen Steuerrechts ohne jeden Bezug auf die tatsächliche Steuerfestsetzung" 111. Daher seien wegen der abschließenden gesetzlichen Defini105
Blümich/Täske, § 26 KStG Rdnr. 17; vgl. Blümich/Krabbe, § 34c Rdnr. 21. Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34 c Rdnr. 16; vgl. Blümich/Krabbe, § 34 c Rdnr. 21; Probst in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 34 c Rdnr. 56. 107 Vertieft zu Problemen im Zusammenhang mit subjektiven Qualifikationsproblemen vgl. Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 43 ff. (insb. zu Zusammenveranlagung, ausländischen Basisgesellschaften und von ausländischen Kapitalgesellschaften gezahlte ausländischen Gewinnsteuern). 108 Hellwig, DB 1984, S. 2264. 109 Vgl. BFH BStBl. II 1994, S. 727ff. (730); vgl. Frotscher, § 34c Rdnr. 4; vgl. Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34 c Rdnr. 30. 110 Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34 c Rdnr. 56. 1,1 Wassermeyer, FR 1991, S. 681 insbesondere zur DBA-Befreiung. 106
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
tion in § 34 d EStG auch steuerfreie Einkünfte (beispielsweise aufgrund eines DBA) einzubeziehen. Diese Ansicht wird überwiegend nicht geteilt. Hildesheim verweist zutreffend darauf, daß bei steuerfreien Einkünften schon keine deutsche Einkommensteuer vorliegt, die nach § 34c Abs. 1 S. 1 EStG auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt 112 . Steuern auf Einkünfte, die in Deutschland nicht steuerbar oder steuerfrei sind, können nicht angerechnet werden 113. Als weitere Voraussetzung müssen die Steuern in dem Staat erhoben worden sein, aus dem die Einkünfte stammen. Eine Anrechnung ist folglich nicht möglich, wenn die ausländische Steuer in einem Land erhoben wurde, das, für den Bereich der gewerblichen Einkünfte, nicht mit dem Belegenheitsort identisch ist 1 1 4 . Die anzurechnende Steuer muß der deutschen Steuer entsprechen. Eine Entsprechung liegt grundsätzlich vor, wenn die Steuern den gleichen Besteuerungsgegenstand erfassen 115. Die Steuer muß unmittelbar auf die Besteuerung des Einkommens, des Gewinns oder eines Teils des Einkommens oder Gewinns gerichtet sein 116 . Damit scheiden Verbrauchs-, Verkehrs», und Realsteuern ebenso aus wie Steuerzinsen, Steuerstrafen, Säumniszuschläge, Gebühren oder Beiträge 117. Eine, wenn auch nicht abschließende, Aufzählung der vergleichbaren Steuern findet sich in der Anlage 8 zu A 212 a EStR. In zeitlicher Hinsicht wird die Anrechnung nach § 34c Abs. 1 S. 3 EStG dadurch beschränkt, daß die im Ausland entrichtete Steuer auf den Veranlagungszeitraum entfallen muß, in dem die Einkünfte erzielt wurden. Es kommt, nach umstrittener Ansicht von Rechtsprechung und Verwaltung, auf die „formelle Identität der Veranlagungszeiträume" 118 an, sofern im Ausland Berechnungs- und Veranlagungszeitraum voneinander abweichen. 112
Vgl. Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34 c Rdnr. 30. Vgl. Birkholz in: Lademann/Söffing, § 34c Rdnr. 6 (S. 16); Blümich/Wied, § 34c Rdnr. 41. 114 In diesen Fällen verbleibt dem Steuerpflichtigen nur die Möglichkeit des Abzuges nach § 34 c Abs. 3 EStG. 115 Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 91 f. (92); Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/ Nissen/Bordewin, § 34c Rdnr. 21; Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 67 m.w.N. 116 Vgl. Frotscher, § 34c Rdnr. 7. 117 Vgl. Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34 c Rdnr. 21; Probst in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 34c Rdnr. 62. 118 Blümich/Krabbe, § 34c Rdnr. 32; vgl. auch BFH BStBl. II 1991, S. 922ff. (923) zur sog. schweizerischen Pränumerando-Besteuerung mit Vergangenheitsbemessung; BMF vom 26.3.1975 - IV C 6 - S 1301 (Schweiz) in BStBl. I 1975, S. 549ff. (590); Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34c Rdnr. 35. 113
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Letztlich muß die Auslandssteuer festgesetzt und gezahlt worden sein, und sie darf keinem Ermäßigungsanspruch unterliegen. Die Festsetzung der Auslandssteuer soll vermeiden, daß eine zwar entstandene, aber nicht erhobene Steuer angerechnet wird 119 . Auch müssen die Steuern gezahlt worden sein. Der Zweck dieser Voraussetzung liegt ebenfalls darin, „daß der Vergünstigung im Inland eine entsprechende Belastung im Ausland gegenübersteht" 120 Das Erfordernis des fehlenden Ermäßigungsanspruches dient den Interessen des deutschen Fiskus121. Dadurch soll erreicht werden, daß der Steuerpflichtige gezwungen wird, alle Ermäßigungsmöglichkeiten im Ausland auszunutzen. Dies bewirkt eine möglichst niedrige ausländische Steuer, die das Anrechungsvolumen herabsetzt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so bestimmt § 34 c Abs. 1 EStG als Rechtsfolge, daß die ausländische Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet wird. Die Anrechnung erfolgt im Wege einer Verhältnisrechnung, die aus dem Wortlaut des § 34 c Abs. 1 S. 2 EStG heraus schwer verständlich ist. Bei der Berechnung sind zunächst nach dem Welteinkommensprinzip die ausländischen und die inländischen Einkünfte zusammenzurechnen (sog. Summe der Einkünfte im Sinne des § 34c Abs. 1 S. 2 EStG). In einem zweiten Schritt wird die sich daraus nach dem deutschen Einkommensteuerrecht ergebende Steuer ausgerechnet. Danach wird der Anteil der ausländischen Einkünfte an der Summe der ausländischen und der inländischen Einkünfte berechnet. Der sich daraus ergebende Quotient wird schließlich mit der Summe aus der inländischen und ausländischen Steuer multipliziert. Das Ergebnis dieser Berechnung ist der sogenannte Höchstbetrag. Bis zu dem Höchstbetrag kann nun die ausländische Steuer berücksichtigt werden. Ist die gezahlte Auslandssteuer niedriger als der Höchstbetrag, so kann sie in voller Höhe abgezogen werden. Sofern die gezahlte Auslandssteuer höher als der Höchstbetrag ist, bildet dieser das obere Limit der Abzugsmöglichkeit. Die Anrechnungstechnik bewirkt, daß die Steuerbelastung des Welteinkommens einschließlich der ausländischen Steuern auf die Höhe festgesetzt wird, die sich nach deutschem Steuerrecht ergibt. Die Gesamtsteuerbelastung wird auf das inländische Steuerniveau „hochgeschleust"122, sofern die Belastung im Quellenstaat niedriger als in Deutschland ist, oder, sofern die 119
Vgl. Frotscher, § 34c Rdnr. 9; Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/ Bordewin, § 34c Rdnr. 23. 120 Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34c Rdnr. 23. 121 Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34 c Rdnr. 83 a. 122 Vogel in: Vogel, MünchSch 21, S. 3.
1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
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Belastung im Quellenstaat höher als in Deutschland ist, auf das inländische Steuerniveau „herabgeschleust"123. Zu beachten ist jedoch, daß ein „Herabschleusen" auf das deutsche Steuerniveau nur aus nationaler Sicht erfolgt, da der Steuerpflichtige in dieser Konstellation weiterhin mit den ausländischen Steuern belastet bleibt, die den nationalen Anrechnungshöchstbetrag überschreiten. Die Methode des Anrechnungsverfahrens entspricht der Idee nach der Anrechnung gemäß § 36 Abs. 2 EStG im nationalen Abzugsverfahren, mit der ebenfalls für den Veranlagungszeitraum ein einheitliches Steuerniveau bezweckt wird. Die Höchstbetragsbegrenzung ist für jeden einzelnen Staat anzuwenden (per-country-limitation). Damit ist kein Belastungsausgleich zwischen Einkünften aus verschiedenen ausländischen Staaten möglich. Anzumerken ist, daß entgegen einer Entscheidung des X. Senats des BFH 1 2 4 aus § 34 c Abs. 1 S. 3 EStG nicht folgt, daß bei unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen im In- und Ausland eine Relation bezüglich der anrechenbaren ausländischen Steuern herzustellen ist. Der BFH hatte in der vorgenannten Entscheidung die Auffassung vertreten, daß im Falle unterschiedlicher Bemessungsgrundlagen im In- und Ausland die ausländische Steuer im Verhältnis der beiden Bemessungsgrundlagen herabzusetzen ist. Im Hinblick darauf, daß eine solche Begrenzung dem Wortlaut des § 34 c Abs. 1 S. 3 EStG nicht zu entnehmen ist, wurde die Entscheidung heftig kritisiert 125 . Der I. Senat des BFH Schloß sich der Kritik an und lehnte ein Herabsetzen der ausländischen Steuer ab 126 . Etwas anderes gilt nach der zutreffenden Rechtsprechung des I. Senats des BFH nur, „wenn in die ausländische Bemessungsgrundlage der ausländischen Steuer auch solche Einkünfte einfließen, die nicht ausländische im Sinne des § 34 d EStG sind. Nur dann ist die ausländische Steuer entsprechend den Ansätzen in der ausländischen Bemessungsgrundlage aufzuteilen in die, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt, und in die, die auf die nichtausländischen Einkünfte entfällt." 127 123
Jakob, S. 358. Vgl. BFH BStBl. II 1992, S. 187 ff. (192). 125 Vgl. BMF vom 18.2.1992 in BStBl. I 1992, S. 123: „Für diese Auslegung des § 34c Abs. 1 S. 3 EStG bieten weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift eine ausreichende Grundlage. Unter Bezugnahme auf die Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder soll das BFH-Urteil deshalb insoweit über den dieser Entscheidung zugrundeliegenden Einzelfall hinaus nicht angewendet werden."; vgl. auch Wassermeyer, FR 1991, S. 680ff.; Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/ Wassermeyer/Becker, § 34 c Rdnr. 129 äff. 126 Vgl. BFH BStBl. II 1994, S. 727 ff. (730); eine Abweichung von der Rechtsprechung des X. Senats ohne dessen Zustimmung war möglich, da die Zuständigkeit für Rechtsfragen, die die Anrechnung ausländischer Steuern nach § 34 c EStG betreffen, auf den I. Senat übergegangen war. 124
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Im Ergebnis wird eine Doppelbesteuerung auf diese Weise, durch einen einseitigen, auf den Höchstbetrag beschränkten und als Tarifermäßigung ausgestalteten Verzicht des deutschen Fiskus auf die Erhebung von Steuern auf Auslandseinkünfte, vermieden. 2. Die Abzugsmethode nach § 34 c Abs. 2 EStG Nach dem Wortlaut des § 34 c Abs. 2 EStG kann statt der Anrechnung nach § 34 c Abs. 1 EStG die ausländische Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden. Bis 1992 erfolgte der Abzug beim Gesamtbetrag der Einkünfte. Die Änderung bewirkte, daß der Abzug sich schon auf die Betriebsausgaben, und damit auch auf die Gewerbesteuer, und nicht nur auf die Sonderausgaben und den Verlustabzug nach § 10 d EStG auswirkt 128 . Der Abzug der ausländischen Steuern bewirkt eine Minderung der Bemessungsgrundlage. Ob systematisch der Steuerabzug als eine gesetzliche Ausnahme vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG qualifiziert werden sollte 129 , erscheint zweifelhaft. Personensteuern können nicht „im Sinne eines Veranlassungszusammenhangs den einzelnen steuerbaren Tätigkeiten zugeordnet werden" 130 , so daß eine Einordnung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht in Betracht kommt. § 12 Nr. 3 EStG ist daher für Personensteuern weitgehend nur von klarstellender Bedeutung131: Selbst wenn es an einem ausdrücklichen Abzugsverbot fehlte, könnten die ausländischen Steuern nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten qualifiziert werden 132. Jedenfalls geht § 34 c Abs. 2 EStG dem § 12 Nr. 3 EStG vor, so daß die beiden Vorschriften unabhängig voneinander zu werten sind 133 . Ein Abzug nach § 34 c Abs. 2 EStG kommt nur in Betracht, wenn es sich um eine anrechenbare Steuer im Sinne des § 34 c Abs. 1 EStG handelt. Ansonsten ist nur ein Abzug nach § 34 c Abs. 3 EStG möglich. 127
BFH BStBl. II 1994, S. 727 ff. (730). Vgl. Schmidt/Heinicke, § 34c Rdnr. 16; Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/ Nissen/Bordewin, § 34c Rdnr. 43; Blümich/Krabbe, § 34c Rdnr. 59. 129 So Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34 c Rdnr. 41. 130 Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 23. 131 Vgl. Schmidt/Drenseck, § 12 Rdnr. 50, der zu den Personensteuern in diesem Sinn die Einkommensteuer, sowie Annexsteuern (z.B. Ergänzungsabgaben, Stabilitätszuschläge, Investitionshilfeabgaben) zählt. Rechtsbegründende Wirkung wird der Vorschrift hingegen bei der Vermögensteuer, soweit sie auf das zur Einkunftserzielung eingesetzte Vermögen entfällt, zugesprochen (vgl. ebd.). 132 Vgl. Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Rick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 23. 133 Vgl. ebd. 128
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Der Abzug erfolgt nur auf Antrag, so daß zwischen Anrechnungs- und Abzugsmethode ein Wahlrecht besteht. Der Antrag auf Abzug wird für alle Einkünfte aus einem bestimmten ausländischen Staat gestellt und nicht isoliert für einzelne Einkünfte. Als „Folge der per-country-limitation" 134 kann aber das Wahlrecht zwischen der Anrechnungs- und der Abzugsmethode erneut für Einkünfte aus einem anderen Staat ausgeübt werden. Welche Methode, Anrechnung oder Abzug, für den Steuerpflichtigen günstiger ist, muß im Einzelfall entschieden werden 135. Als Grundsatz läßt sich jedoch festhalten, daß die Anrechnungsmethode dann vorteilhafter ist, wenn die ausländische Steuer in vollem Umfang berücksichtigt werden kann 136 , also den Höchstbetrag nicht überschreitet. Die Abzugsmethode ist in diesem Fall regelmäßig ungünstiger, da durch das Herabsenken der Bemessungsgrundlage „sich die Entlastung nur im Verhältnis des anzuwendenden Steuersatzes niederschlägt" 137. Ist hingegen keine vollständige Anrechnung möglich, empfiehlt sich ein Abzug nach § 34 c Abs. 2 EStG. Der Ausschluß einer vollständigen Anrechnung kann beispielsweise darauf beruhen, daß die ausländische Steuer höher ist oder von einer höheren Bemessungsgrundlage erhoben wird 138 . Zumindest in Höhe des „marginalen Steuersatzes"139 tritt dann eine Steuerersparnis ein. 3. Die Abzugsmethode nach § 34 c Abs. 3 EStG Sind die Voraussetzungen des § 34 c Abs. 1 EStG nicht gegeben, so kommt ein Abzug von Amts wegen in Betracht. Dies ist der Fall, wenn eine ausländische Steuer vorliegt, die nicht der deutschen Einkommensteuer entspricht 140, die ausländische Steuer auf das Einkommen nicht von dem 134 Frotscher, § 34c Rdnr. 19; vgl. Körber in: Dankmeyer/Giloy, § 34c Rdnr. 60; Blümich/Krabbe, § 34 c Rdnr. 62. 135 Zu betriebswirtschaftlichen Berechnungen vgl. Michels, DB 1981, S. 22ff.; Scheffler, DB 1993, S. 845 ff. 136 Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34c Rdnr. 43. 137 Jakob, S. 359. 138 Vgl. Blümich/Krabbe, § 34c Rdnr. 61. 139 Ebd. 140 Z.B. gewisse Schedulen-Steuern (vgl. BT-Drucksache VIII/3648, S. 21); unter einer Schedulenbesteuerung versteht man eine Form der Einkommensbesteuerung, die als Bemessungsgrundlage nicht wie das deutsche Recht das zu versteuernde Einkommen als die Summe von Einkünften abzüglich gewisser Freibeträge und sonstiger Aufwendungen (Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen) zugrunde legt, sondern die einzelnen Einkunftsarten getrennt der Besteuerung mit unterschiedlichen Steuersätzen unterwirft. Diese Form der Besteuerung galt bis 1972 in Großbritannien.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Staat erhoben wurde, aus dem die Einkünfte stammen141 oder keine ausländischen Einkünfte im Sinne des § 34 d EStG vorliegen 142. Der Abzug nach § 34 c Abs. 3 EStG setzt voraus, daß die ausländische Steuer auf Einkünfte entfällt, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Umstritten ist, ob aus dieser Formulierung geschlossen werden kann, daß die Einkünfte auch in Deutschland steuerpflichtig sein müssen. Zum Teil wird vertreten, daß der Begriff „unterliegen" in § 34 c Abs. 3 a.E. EStG, mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Wortlaut des Gesetzes, in gleicher Weise zu verwenden ist wie in § 2 Abs. 1 EStG. Daher sei nur die Steuerbarkeit entscheidend, auf Steuerbefreiungen komme es nicht an, da systematisch erst § 3 EStG aus den der Einkommensteuer unterliegenden Einkünften die steuerfreien ausklammere143. Nach der gegenteiligen Auffassung müssen auch die Einkünfte bei § 34 c Abs. 3 EStG steuerpflich. 144
tig sein . Zutreffend ist, daß nur in § 34 c Abs. 1 EStG die Steuerpflicht von Einkünften ausdrücklich geregelt ist. Wenn aber die Intention des § 34 c Abs. 3 EStG in mit § 34 c Abs. 1, 2 EStG vergleichbarer Weise auf eine effektive Milderung der Doppelbesteuerung gerichtet ist, dann wird man „auch für den Abzug nach Abs. 3 im Wege einer teleologischen Reduktion verlangen müssen"145, daß die im Ausland besteuerten Einkünfte im Inland steuerpflichtig sind. Dafür läßt sich ferner der Zusammenhang zwischen § 34 c Abs. 1 und Abs. 3 EStG anführen. Im Hinblick auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung kommt § 34 c Abs. 3 EStG eine Auffang- und Komplementärfunktion zu 1 4 6 , so daß die Steuerfreiheit auch in diesem Zusammenhang den Steuerabzug hindert 147 .
141 Z.B. Steuern eines Drittstaates auf Einkünfte, die über eine Betriebsstätte in dem Staat bezogen werden aus dem die ausländischen Einkünfte im Sinne des § 34d EStG stammen (vgl. BT-Drucksache VIII/3648, S. 21). 142 Angesprochen sind die Fälle, in denen ein ausländischer Staat eine Steuer auf Einkünfte erhebt, die wirtschaftlich in Deutschland angefallen sind (vgl. BT-Drucksache VIII/3648, S. 21, z.B. Produktions- und Liefergewinne bei Montageleistungen). Diese werden nach deutschem Recht als inländische, nach ausländischen Recht als ausländische Einkünfte qualifiziert. 143 Vgl. Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 175. 144 Vgl. Krabbe, BB 1980, S. 1148. 145 Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34c Rdnr. 44. 146 Vgl. Schaumburg, S. 664. 147 Ebd.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslands Verlusten
4. Sonstige unilaterale Maßnahmen § 34 c Abs. 4 EStG sah bis zum VZ 1998 eine Tarifermäßigung 148 für den Betrieb von Handelsschiffen vor. Mit dieser Vorschrift wollte man zum einen den schwierigen Fragen der Trennung von Einkünften in inländische und ausländische begegnen149 und zum anderen eine Entlastung der deutschen Seeschiffahrt im Wettbewerb gegenüber sog. Billigflaggen gewähren 150 . Ab dem VZ 1999 wurde die Vorschrift mit Einführung der Tonnagesteuer in § 5a EStG aufgehoben 151. Eine Auffangfunktion für den Fall, „daß die primär vom Gesetzgeber vorgesehenen Lösungen (DBA, Steueranrechnung) im konkreten Einzelfall nicht zu sachgerechten, volkswirtschaftlich erwünschten Ergebnissen führen" 152 , enthält § 34 c Abs. 5 EStG. Danach steht der Finanzverwaltung das Recht zu, die Einkommensteuer ganz oder teilweise zu erlassen oder zu pauschalieren. Auf dieser Grundlage sind der Auslandstätigkeitserlaß153 und der Pauschalierungserlaß 154 herausgegeben worden.
I I I . Rechtslage bei Doppelbesteuerungsabkommen DBA sind völkerrechtliche Verträge nach Art. 59 Abs. 2 GG. Sie stellen auf dem Gebiet der direkten Steuern das zentrale Instrument zur Vermeidung der Doppelbesteuerung dar 155 . Versucht man, die Wirkung abkommensrechtlicher Vorschriften zu untersuchen, so kommt es zunächst darauf an, in welchem rechtlichen Verhältnis sie zu den innerstaatlichen Vorschriften stehen.
148
Vgl. Schmidt/Heinicke, § 34c Rdnr. 18. Vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drucksache III/448, S. 11 (Ziff. 56 zu Nr. 26 a). 150 Vgl. BFH BStBl. II 1990, S. 433f. (433); BFH BStBl. II 1976, S. 710ff. (711); BFH BStBl. II 1973, S. 610ff. (611), in Anlehnung an den Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drucksache III/448, S. 11 (Ziff. 56 zu Nr. 26 a). 151 Vgl. Art. 6 Nr. 1, 2 Seeschiffahrtsanpassungsgesetz v. 9.9.1998 in: BGBl. I 1998, S. 2860ff. (2865 f.). 152 Blümich/Krabbe, § 34 c Rdnr. 86. 153 Vgl. BStBl. I 1983, 470f., der ab dem 1.1.1984 den Montageerlaß (vgl. BStBl. I 1975, S. 944 ff.) ablöste. 154 Vgl. BStBl. I 1984, S. 252f. 155 Vgl. Knobbe-Keuk, S. 314. 149
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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1. Zum Verhältnis zwischen Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatlichem Recht In Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG sind völkerrechtliche Verträge keine allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts, die im Sinne des Art. 25 GG schon aus verfassungsrechtlichen Gründen der nationalen Gesetzgebung vorgehen oder sie binden156. Völkerrechtliche Verträge binden daher nur die Staaten, nicht aber deren Bevölkerung. Werden DBA mit anderen Staaten geschlossen, so kann dies unmittelbar für den Steuerpflichtigen keine Rechte oder Pflichten begründen. Davon zu trennen ist das nach Art. 59 Abs. 2 GG erforderliche Vertragsoder Zustimmungsgesetz der für die Rechtssetzung zuständigen Körperschaft. Verfassungsrechtlich bewirkt erst das Zustimmungsgesetz die Einbeziehung der vertraglichen Regelung in die innerstaatliche Rechtsordnung und verleiht seinem Inhalt die Geltung als innerstaatliches deutsches Recht 157 . Innerstaatliche rechts- und pflichtenbegründende Wirkung haben bilaterale Verträge daher ausschließlich aufgrund des Zustimmungsgesetzes158. Wie dieser Übergang zur Geltung im innerstaatlichen Recht zu verstehen ist, wird unterschiedlich erklärt. Während Rudolf 59 in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung des BVerfG 160 noch davon ausging, daß das Zustimmungsgesetz als Transformator die Vertragsnorm in innerstaatliches Recht umwandelt, tendiert die neuere Rechtsprechung des BVerfG zur sog. Vollzugstheorie. Danach erteilt das nationale Zustimmungsgesetz den „innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl" 161. Diese Sichtweise gilt als „dogmatisch leistungsfähiger" 162. Insbesondere läßt sich, unabhängig einer völkerrechtsfreundlichen Haltung des GG, auf diese Weise einfacher begründen, daß „für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge die Grundsätze maßgeblich sind, die das Völkerrecht enthält" 163 . Unmittelbar anwendbar ist eine Vertragsnorm bei Vorliegen eines Zustimmungsgesetzes, „wenn sie nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, also dafür keiner weiteren normativen Ausfüllung 156 157 158 159 160 161 162 163
Vgl. BVerfGE 6, S. 309 ff. (363). Vgl. BVerfGE 1, 396 ff. (411). So auch BFH BStBl. II 1989, S. 649 f. (650). Vgl. Rudolf, S. 205ff. Vgl. BVerfGE 1, 396ff. (411). BVerfGE 90, 286 ff. (364). Jarass/Pieroth, Art. 25 Rdnr. 1. von Münch/Rojahn, Art. 59 Rdnr. 33.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
bedarf' 164 . Dies kann bei DBA regelmäßig bejaht werden. Soweit DBA eine normative Ausfüllung durch den Gesetzgeber beabsichtigen, kommt dies in dem DBA selbst zum Ausdruck. Sind Normen völkerrechtlicher Verträge im innerstaatlichen Recht anwendbar, so stellt sich das Problem, in welchem rechtlichen Verhältnis sie zu den nationalen Steuergesetzen stehen. Da die Anwendbarkeit der bilateralen Vorschriften erst aufgrund des Zustimmungsgesetzes als einfaches Gesetz möglich ist, sind die anwendbaren Vorschriften des DBA rangmäßig dem einfachen Recht gleichzusetzen 165 . Auch der allgemeine Rechtsgrundsatz „,pacta sunt servanda4, selbst wenn sich der einzelne Bürger auf ihn überhaupt im Sinne eines subjektiven Rechts gegenüber seinem Staat berufen könnte, verwandelt die einzelnen Normen völkerrechtlicher Verträge nicht ihrerseits ebenfalls in allgemeine Regeln des Völkerrechts mit Vorrang vor innerstaatlichem Recht" 166 . Richtigerweise bezieht sich die Regel „pacta sunt servanda" nur auf das völkerrechtliche Außen Verhältnis 167 .
Nach dieser verfassungsrechtlichen Systematik entspricht der Rang der übernommenen Regelung dem des Zustimmungsgesetzes168. Der Gesetzgeber hat zur Klärung der Frage des Verhältnisses zwischen DBA-Recht und den nationalen Steuergesetzen § 2 AO eingeführt. Er beabsichtigte, mit dieser Vorschrift klarzustellen, „daß völkerrechtliche Vereinbarungen, soweit sie innerstaatliches Recht geworden sind, Vorrang vor den innerstaatlichen Steuergesetzen haben und deshalb allein durch spätere innerstaatliche Gesetze nicht abgeändert werden können" 169 . Eine derartige Gefahr bestand deshalb, „weil Vertragsgesetze als einfache Gesetze ohne Verfassungsrang möglicherweise späteren Steuergesetzen als leges priores nachgehen würden" 170 . Dieses System ist aber nicht unumstößlich. Zu bedenken ist, daß § 2 AO auch nur den Rang eines einfachen Gesetzes hat und daher dem allgemein anerkannten Rechtssatz „lex posterior derogat legi priori" unterliegt 171. Zutreffend ist aus der Rechtsnatur des § 2 AO daher abzuleiten, daß diese 164
BVerwGE 87, S. 11 ff. (13), wobei das BVerwG von einer Transformation des völkerrechtlichen Vertrages durch das Zustimmungsgesetz spricht. 165 Vgl. Klein/Gersch, § 2 Anm. 1. 166 BVerfGE 31, S. 145ff. (178); zu weiteren Versuchen ein Rangverhältnis bei Kollisionen zu bestimmen vgl. Henkel, S. 183 ff. 167 Vgl. Kruse in: Tipke/Kruse, § 2 Rdnr. 1 b. 168 Vgl. Jarass/Pieroth, Art. 59 Rdnr. 17. 169 BT-Drucksache 7/4292, S. 15. 170 Klein/Gersch, § 2 Anm. 1. 171 Vgl. Pflugfelder, FR 1983, S. 320.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Vorschrift die vom Gesetzgeber gewünschte Rechtsfolge nicht bewirken kann. Nur allgemeine Regeln des Völkerrechts, nicht aber auch völkerrechtliches Vertragsrecht im Sinne des Art. 59 Abs. 2 GG, geht den innerstaatlichen Gesetzen vor. Eine mit Art. 25 GG vergleichbare Bestimmung für völkerrechtliche Verträge fehlt. Der Vorrang völkerrechtlicher Verträge läßt sich nur durch Einführung des Regelungsgehalts des § 2 AO in das GG, nicht aber mittels eines einfachen Gesetzes herstellen 172. Daraus folgt, daß der Gesetzgeber „die Verfügungsmacht über den Rechtszustand auch dort (hat), wo eine vertragliche Bindung besteht, sofern diese nicht allgemeine Regeln des Völkerrechts zum Gegenstand hat" 173 . Als einfaches Gesetz entfaltet § 2 AO gegenüber dem Gesetzgeber keine Bindungswirkung. Fraglich ist jedoch, ob § 2 AO nicht auf andere Weise auf das Verhältnis zwischen DBA und nationalen Steuergesetzen einwirkt. Wenn schon aus der Vorschrift kein Rangverhältnis herleitbar ist, so besteht die Möglichkeit, sie als Auslegungsregel im Sinne eines Spezialitätsgrundsatzes zu verstehen174. Nach Birk kann die in § 2 AO zum Ausdruck kommende Auffassung des einfachen Gesetzgebers „die Anwendung der methodischen Instrumente beeinflussen, die bei der Lösung des Normenkonflikts auf gleicher Ebene zur Anwendung kommen" 175 . Damit liegt die Bedeutung des § 2 AO darin, daß die Vorschrift „das Verhältnis Steuerrecht und Völkerrecht im Sinne einer methodischen Aussage zur Anwendung der Kollisionsregeln (thematisiert)" 176. Auf diese Weise schränkt die Vorschrift „die Grundsätze ,lex specialis derogat legi generali4 und ,lex posterior derogat legi priori 4 dadurch ein, daß sie als noch speziellere Vorschrift (...) in das Verhältnis mehrerer Gesetzesvorschriften eingreift und dem Vertragswillen damit Vorrang verschafft 44177. Da § 2 AO nur einfaches Recht ist, ist ein Vorrang jedoch nur so lange gegeben, als das innerstaatliche Recht die Wirkung nicht durch ein anderes einfaches Gesetz aufhebt 178. Im Ergebnis ist bei der Rechtsanwendung im Einzelfall zu prüfen, ob bei einer Kollision zwischen Vertragsrecht und nationalem Recht dem Grund172
Vgl. Kruse in: Tipke/Kruse, § 2 Tz. 1. Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 Rdnr. 3. 174 Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Rdnr. A 35. 175 Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 Rdnr. 5. 176 Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 Rdnr. 5. 177 Schwarz/Schwarz, § 2 Rdnr. 4. 178 Vgl. Vogel, StuW 1982, S. 117; vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Rdnr. A 35; vgl. Schwarz/Schwarz § 2 Rdnr. 4; Klein/Gersch, § 2 Anm. 3; vgl. Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 Rdnr. 173. 173
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
satz des § 2 AO entsprechend das DBA-Recht vorrangig ist oder der Gesetzgeber in Abkehr dieser Auslegungssystematik dem nationalen Recht Vorrang vor dem DBA-Recht eingeräumt hat. 2. Zur Regelungssystematik von Doppelbesteuerungsabkommen Die Besteuerungskompetenz besitzt jeder Vertragsstaat originär. Damit sind für den Steuerpflichtigen zunächst nur die nationalen Steuergesetze von Relevanz. Abstrakt gesehen, bilden hierzu die DBA ein eigenständiges Regelsystem 179 . Sie begründen im Gegensatz zum nationalen Recht keine steuerbaren Tatbestände. Das Regelsystem zeichnet sich nach Vogel vielmehr dadurch aus, daß es „für den Bereich, in dem Überschneidungen zu erwarten sind, die - theoretisch möglichen - Steuertatbestände durch Zurücknahme des innerstaatlichen materiellen Steuerrechts unter den Vertragsstaaten aufteilt" 180 . Dagegen wendet Debatin ein, daß „die genaue Analyse im Lichte moderner Abkommenskonzeption"181 indessen lehre, „daß eine »Zuteilung4 von Steuergütern schon deshalb ausscheidet, weil sich die Staaten kraft ihrer Steuersouveränität in der Bestimmung des Besteuerungsgegenstandes frei sehen"182. DBA-Recht sei vielmehr als Schrankenrecht für das nationale Steuerrecht zu verstehen183. Nach Wassermeyer spricht hingegen in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH 1 8 4 vieles für die Rechtsauffassung, daß DBA-Normen nicht als Aufteilungs- oder Schrankenrecht zu verstehen seien, sondern in ihrer Wirkungsweise auf eine Stufe mit den §§ 3 und 34c EStG zu stellen sind 185 . Vogel stellt zutreffend heraus, daß es in diesem Zusammenhang gleichgültig ist, ob man von einem Verzicht auf Steueransprüche 186, von einer Auf- oder Zuteilung der Steuerquellen oder des Steuergutes187, von einem Schrankenrecht für das inländische Steuerrecht 188 oder von der Wirkung der DBA als sachliche Steuerbefreiung oder Steuerermäßi179 Baranowski, S. 60; Wassermeyer, StuW 1990, S. 405 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und Literatur. 180 Vogel, DBA, Einl. Rdnr. 45 c. 181 Debatin in: Debatin/Wassermeyer, Systematik I Rdnr. 37. 182 Ebd. 183 Vgl. Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, S. 2f. 184 Vgl. BFH v. 1.10.1992 n.v. in: IStR 1992, S. 103. 185 Vgl. Wassermeyer, IStR 1992, S. 104; vgl. Lehner/Wassermeyer, S. 152ff. (153 f.). 186 Vgl. BFH BStBl. II 1972, S. 785 ff. (789). 187 Vgl. BFH BStBl. III 1965, S. 352 ff. (353): „Verteilung des Steuergutes". 188 Vgl. Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, S. 2 f.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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gung 189 spricht, „solange aus der gewählten Beschreibung nicht nach der Weise der ,Begriffsjurisprudenz 4 rechtliche Folgen hergeleitet werden" 190 . In Abgrenzung zum Internationalen Privatrecht geht es jedoch nicht um die Behandlung von Kollisionsfällen im Sinne eines Verweises in einen anderen Rechtskreis. Entscheidend für die Besteuerung ist das inländische Recht. Der deutsche Fiskus erhebt Steuern in Anwendung seines eigenen Rechts. Damit sind die Vorschriften der DBA zwar „Kollisionsnormen" 191, „die Bezeichnung der Doppelbesteuerungsnormen als »Kollisionsnormen4 nach dem Vorbild des Internationalen Privatrechts ist (...) (aber) irreführend 44192. Die DBA Deutschlands orientieren sich im wesentlichen am Musterentwurf der OECD (OECD-MA) und sind dementsprechend ähnlich aufgebaut. Nachdem zunächst der persönliche und der sachliche Geltungsbereich geregelt werden, stehen Verteilungs- und Vermeidungsnormen im Vordergrund. Die Verteilungsnormen, Art. 6 bis 22 OECD-MA, beziehen sich auf den Quellenstaat (Staat der beschränkten Steuerpflicht). Aus ihnen ergibt sich, wie der Quellenstaat einen grenzüberschreitenden steuerbaren Vorgang behandelt. Sofern der Quellenstaat sein Besteuerungsrecht behält, werden die Vermeidungsnormen, insbesondere Art. 23 A und Art. 23 Β OECD-MA, relevant. Sie beinhalten Regelungen, die sich auf das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates (Staat der unbeschränkten Steuerpflicht) beziehen. Ausnahmen gelten dann, wenn schon bei den Vorschriften, die das Besteuerungsrecht des Quellenstaates betreffen, geregelt wird, daß die betroffenen Einkünfte und Vermögensteile nur in einem Vertragsstaat besteuert werden können193. Dann ist für eine Anwendung der Art. 23 A und Β OECD-MA als Bestimmungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung kein Raum. Das OECD-MA behandelt abschließend das Diskriminierungsverbot (Art. 24 OECD-MA), das Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) und die zwischenstaatliche Auskunft im Wege eines Informationsaustausches (Art. 26 OECD-MA). Aus dem Bereich der gewerblichen Einkünfte interessieren folgende DBA-Vorschriften: 189
Vgl. BFH BStBl. II 1989, S. 649 ff. (650); BFH v. 1.10.1992 n.v. in: IStR 1992, S. 103. 190 Vogel, DBA, Einl. Rdnr. 45 c. 191 Lipps, S. 40. 192 Vogel, DBA, Einl. Rdnr. 45 a. 193 Vgl. Wingert/Krause, S. 41 (zu Art. 23 A, b). 4 Wilk
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Art. 6 Abs. 1 OECD-MA betrifft Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, wenn die in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat bezieht. Diese Vorschrift gilt als Spezialgesetz zu den übrigen Vorschriften des OECD-MA 194 . Daraus folgt, daß die Regelungsstruktur der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen nicht mit der deutschen Regelung des § 21 EStG gleichgesetzt werden kann. Vielmehr legt Art. 6 Abs. 4 OECD-MA fest, daß die nach Art. 6 Abs. 3 OECD-MA relevanten Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen dem Belegenheitsstaat zustehen. Daher werden alle mit der Nutzung verbundenen Einkünfte, auch wenn sie der Ausübung eines Gewerbes dienen, dem Quellenstaat zugerechnet. Eine Umqualifizierung findet nicht statt. Art. 7 OECD-MA ist die Kernvorschrift für den Bereich der grenzüberschreitenden unternehmerischen Tätigkeit. Als „Fortsetzung und Ergänzung des Art. 5 OECD-MA über die Betriebsstätte" 195, legt sie das Betriebsstättenprinzip fest und „stellt damit einen Unterfall des allgemeinen Belegenheitsprinzips dar" 196 . Nach dieser Vorschrift werden Gewinne grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens besteuert, es sei denn, das Unternehmen unterhält eine ausländische Betriebsstätte im Sinne des Art. 5 OECD-MA. Die dieser Betriebsstätte zurechenbaren Gewinne werden im Belegenheitsstaat besteuert. Die Art der Zurechnung wird in Abs. 2 geregelt. Art. 8 OECD-MA ist eine den Bedürfnissen der gewerblichen Seeschiffahrt, Binnenschiffahrt und Luftschiffahrt entsprechende Verteilungsnorm. Während Art. 6 bis 8 OECD-MA (und Art. 10 bis 22 OECD-MA) auf eine juristische Doppelbesteuerung abstellen, tritt Art. 9 OECD-MA der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bei verbundenen Unternehmen entgegen 197 . Dividendeneinkünfte werden über Art. 10 II a in Verbindung mit Art. 23 A OECD-MA freigestellt. Im Zusammenhang mit Einkünften, die nach deutschem Recht dem § 15 EStG unterfallen, hat diese Vorschrift ebenfalls eine lex-specialis-Wirkung 198, so daß gerade nicht die Regeln des Art. 7 OECD-MA gelten. 194 Vgl. Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 6 Rdnr. 1; Wingert/Krause, S. 16; Vogel, DBA, Art. 6 Rdnr. 5. 195 Kröppen in: Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, Vorbemerkungen zu Art. 7 OECD-MA, S. 5. 196 Wingert/Krause, S. 17. 197 Vgl. Wassermeyer in: Debatin /Wassermeyer, Art. 9 Rdnr. 1; Lehner in: Vogel, DBA, Art. 9 Rdnr. 10. 198 Vgl. Vogel, DBA, Art. 10 Rdnr. 9.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Systematisch tritt Art. 10 OECD-MA nach Art. 10 Abs. 4 OECD-MA nur dann hinter Art. 7 OECD-MA zurück, wenn der Dividendenbezieher am Substrat der ausschüttenden Gesellschaft eine Betriebsstätte unterhält und die Dividende zum Gewinn dieser Betriebsstätte gehört 199. Im anderen Fall ist Art. 10 OECD-MA für die Bestimmung der gewerblichen Einkünfte zu berücksichtigen, da das OECD-MA keine mit dem deutschen Steuerrecht vergleichbare Umqualifizierung von Einkünften kennt. Weitere Sondervorschriften gegenüber dem Grundmuster des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA enthalten Art. 11 OECD-MA (Zinseinkünfte) und Art. 12 OECD-MA (Lizenzgebühren), die jedoch gemäß Art. 11 Abs. 5 OECD-MA und Art. 12 Abs. 3 OECD-MA dann nicht anzuwenden sind, wenn die Einkünfte einer Betriebsstätte zuzurechnen sind. Bei der Veräußerung von Betriebsvermögen wird nach Art. 13 OECDMA grundsätzlich auf das Belegenheitsprinzip abgestellt.
3. Die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt Nach Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA nimmt der Ansässigkeitsstaat vorbehaltlich der Abs. 2 und 3 gewisse Einkünfte von der Besteuerung aus, wenn diese Einkünfte bereits im Quellenstaat besteuert wurden. Die Besteuerung im Quellenstaat wird durch Vorschriften, insbesondere Art. 7 OECD-MA für den Bereich der Betriebsstättengewinne, geregelt. Diese Vorgehensweise nach Art. 23 A OECD-MA wird als Freistellungsoder Befreiungsmethode bezeichnet. Dabei tritt die Befreiung im Ansässigkeits-/Wohnsitzstaat unabhängig davon ein, ob der Quellenstaat von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht oder nicht („virtuelle Doppelbesteuerung" 200 ). Die Beschränkung auf eine aktuelle („konkrete") Doppelbesteuerung, also für den Fall, daß der Quellenstaat tatsächlich von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht, ist durch eine sog. „subject-to-taxclause"201 möglich. Diese Rückfallklauseln vermeiden eine „fiskalisch unerwünschte doppelte Nichtberücksichtigung" 202. Die Freistellungsmethode bewirkt, daß das Besteuerungsrecht lediglich einem der Vertragsstaaten zugewiesen wird. Aufgrund einer „Lex-specialisWirkung" 203 wird die Einkunftsquelle in dem anderen Staat steuerfrei 199
Ebd. BFH BStBl. II 1989, S. 319ff. (321). 201 Wingert/Krause, S. 41. 202 Grotherr in: Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, Grundlagen-Doppelbesteuerung, S. 7 (Rdnr. 31). 203 Jakob, S. 366. 200
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslands Verlusten
gestellt. Die Besteuerung wird dem Staat überlassen, unter dessen Bedingungen die Investition im Wettbewerb steht 204 . Die Chancen und Risiken der Investition im Ausland richten sich allein nach dem Recht des Quellenstaates, in dessen System der Ansässigkeitsstaat nicht störend eingreift 205 . Dabei ist zu bedenken, daß die Freistellung dem Grunde nach auf zwei Ebenen wirken kann: Das Einkommen wird zum einen für die Steuerbemessungsgrundlage und zum anderen für die Steuersatzbemessungsgrundlage ermittelt 206 . Die Möglichkeit einer Auswirkung auf die Steuersatzbemessungsgrundlage wird in Art. 23 A Abs. 3 OECD-MA erwähnt. a) Die Freistellung nach Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA bei Einkünften aus im Ausland gelegenen Betriebsstätten Während die Verteilungsnormen der Art. 6 bis 22 OECD-MA das Besteuerungsrecht des Quellenstaates regeln, ist im Ansässigkeitsstaat nach Art. 23 A oder Β OECD-MA zu verfahren. Gemäß Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA nimmt der Ansässigkeitsstaat die im Quellenstaat erwirtschafteten Einkünfte von der Besteuerung aus. In den deutschen DBA gilt die Freistellungsmethode regelmäßig für landund forstwirtschaftliche sowie für gewerbliche Betriebsstätten im Sinne des § 2a Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG und für unbewegliches Vermögen im Sinne des § 2a Abs. 1 Nr. 6 a) EStG 207 . aa) Problemstellung Die in Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA angeordnete Freistellung durch Herausnahme von Einkünften aus der Besteuerung führt im wesentlichen zu dem Problem, welche Wirkungen damit im innerstaatlichen Steuerrecht verbunden sind. Damit hängt die Frage zusammen, wie der Begriff der Einkünfte in Art. 23 A OECD-MA zu definieren ist und welche Konsequenzen sich daraus für eine Befreiung, insbesondere für die Anwendung des § 3c EStG, ergeben. Bei einer Freistellung von Einnahmen wird nach § 3c EStG der Abzug von Aufwendungen erst zugelassen, soweit diese der Höhe nach die steuerfreien Einnahmen übersteigen. Darüber hinaus ist das Abzugsverbot auf Ausgaben in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang bezogen, wäh204 205 206
(114). 207
Vgl. Ritter, BB 1994, S. 509. Ebd. Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (137); BFH BStBl. II 1994, S. 113f. Vgl. Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 24.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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rend bei einer Freistellung von Einkünften im Sinne des deutschen Steuerrechts die Befreiung alle nach § 4 Abs. 4 EStG veranlaßten Aufwendungen erfaßt. Diese Problematik war Gegenstand mehrerer Verfahren beim BFH, die sich mit der Steuerbefreiung auf der Grundlage des internationalen Schachtelprivilegs beschäftigten. Besondere Beachtung ist der Behandlung von Verlusten zu widmen. bb) Zum Begriff der Freistellung Außer der Feststellung, daß Einkünfte nach Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA aus der Besteuerung herausgenommen werden, wird zur Frage der dogmatischen Wirkung der Freistellung wenig beigetragen. Das BVerfG hat zum Begriff der Freistellung entschieden, daß es Zweck der DBA sei, eine doppelte Steuerbelastung aufzuheben, indem „die vertragsschließenden Staaten - regelmäßig auf Gegenseitigkeit - auf gewisse ihnen nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrechte verzichten" 208 . Im Rahmen der Freistellung von ausländischen Einkünften bedeutet dieser Steuerverzicht, daß die betroffenen Einkünfte „der inländischen Einkommensbesteuerung entzogen sind; sie gelten als nicht vorhanden, von ihnen ist deutsche Einkommensteuer nicht zu entrichten" 209. Anzumerken ist, daß nach der Rechtslage, die der Entscheidung des BVerfG zugrunde lag, das EStG keinen Progressionsvorbehalt kannte. Wenn es zu einer Steuerbefreiung im Ansässigkeitsstaat kommen soll, so bedarf der Umfang der Steuerbefreiung einer gesetzlichen Grundlage 210. Da das EStG keine Befreiungsvorschrift kennt, kommt nur die in den DBA angeordnete und im innerstaatlichen Recht nach Art. 59 Abs. 2 GG anwendbare Freistellung in Betracht. Aufgrund des Zustimmungsgesetzes erfolgt die Freistellung nicht unmittelbar auf der Grundlage eines DBA, sondern aufgrund des nationalen Rechts. Die Steuerfreiheit der Einkünfte muß folglich auch „auf eine Stufe" 211 mit den innerstaatlichen Befreiungsvorschriften gestellt werden. Dies läßt sich ergänzend mit § 3 Nr. 41 a.F. EStG erklären, wonach der Gesetzgeber die Freistellung ausländischer Einkünfte als eine sachliche Steuerbefreiung verstand und die Vorschrift letztlich nur wegen ihrer deklaratorischen Bedeutung aufgehoben wurde 212 . 208 209 210 211
BVerfGE 30, S. 272 ff. (281). BVerfGE 30, S. 272ff. (281, 282). Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. (61); BFH BStBl. II 1997, S. 57ff. (59). Wassermeyer, IStR 1992, S. 104.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Die Wirkung einer Freistellung aufgrund des Verständnisses von DBANormen als „Verteilungsnormen" 213 oder als „Schrankenrecht" 214 zu erklären, ist weniger überzeugend, wenngleich in ihrem umschreibenden Charakter nicht falsch. Die Leistungsfähigkeit juristischer Theorien besteht im wesentlichen in ihrer Eignung, einschlägige Darstellungs- und Formulierungsprobleme zu lösen und einen Rahmen für die Lösung weiterer Probleme zur Verfügung zu stellen215. Dies erkennt dem Grunde nach auch Vogel an, indem er, wie bereits dargestellt, die Gleichwertigkeit der verschiedenen Theorien zur Rechtsnatur von DBA-Vorschriften bestätigt, solange nicht im Sinne begriffsjurisprudentischen Denkens hieraus Folgerungen gezogen werden. cc) Der Einkünftebegriff in Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA Des weiteren stellt sich die Frage nach dem Gegenstand der Freistellung, nämlich was unter dem Begriff »Einkünfte4 zu verstehen ist. Das Bedürfnis einer Auslegung für die Reichweite der Freistellung ergibt sich daraus, daß die Abkommen nicht, im Sinne des deutschen Steuerrechts, zwischen Einkünften und Einnahmen differenzieren. Auf den ersten Blick ist man geneigt, den Begriff der Einkünfte mit dem gleichlautenden Begriff des § 2 Abs. 2 EStG gleichzusetzen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß es sich bei den deutschen Formulierungen im OECD-MA und in den DBA um schlichte Übersetzungen, beispielsweise der Begriffe „income" oder „revenue", handelt216. Keinesfalls verstehen verschiedene Vertragsstaaten Begriffe in ihren Steuergesetzen einheitlich217. Folglich kann, ohne eine nähere Untersuchung, „die Bezeichnung der Einkünfte und Vermögensarten in den DBA auf keinen Fall mit denen des »innerstaatlichen4 Rechts gleichgesetzt442 1 8 werden. Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Einnahmen und Einkünften besteht aus deutscher Sicht in der Anwendbarkeit des § 3c EStG. Bei steuerfreien Einnahmen bestimmt § 3c EStG, daß Aufwendungen nur „insoweit44 abgezogen werden dürfen, als sie die steuerfreien Einnahmen übersteigen. Ziel der beschränkten Abzugsfähigkeit ist es, daß dem Steuerpflichtigen keine doppelte Vergünstigung durch die Steuerfreiheit und die 2,2 213 214 215 216 217 218
Vgl. Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 23 A Rdnr. 52. So Vogel, DBA, Einl. Rdnr. 45cff. So Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, S. 2f. Vgl. Larenz/Canaris, S. 277. Vgl. Förster, DStZ 1994, S. 643. Vgl. Wassermeyer, StuW 1990, S. 408. Vogel, DBA, Vor §§ 6-22, Rdnr. 2.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Abzugsfähigkeit der Aufwendungen zukommen soll. Anders ist aber die Rechtslage, wenn Einkünfte oder Einkunftsteile steuerfrei gestellt werden. In diesem Fall greift § 3 c EStG nicht ein, „weil sich schon aus der Befreiungsvorschrift (Freistellung von Einkünften) ergibt, daß Einnahmen und Ausgaben außer Ansatz zu lassen sind" 219 . Das Nettoprinzip des Einkünftebegriffs bewirkt, daß eine dem § 3 c EStG vergleichbare Vorschrift entbehrlich ist.
(1 ) Zum Meinungsstand hinsichtlich der Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe Die DBA erfassen in Anlehnung an das OECD-MA einen eigenständigen, abgegrenzten Regelungsbereich220. Dieser Umstand rechtfertigt es, besondere, vom innerstaatlichen Recht differierende Auslegungsmethoden anzuwenden. Da das nationale Zustimmungsgesetz zum DBA nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG nur den Anwendungsbefehl für das Abkommen darstellt, sind DBA „nach völkerrechtlichen und nicht nach innerstaatlichen Interpretationsregeln auszulegen"221. In diesem Sinn bestimmt die allgemeine Auslegungsregel für völkerrechtliche Verträge des Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht von Verträgen 222: „Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen."
Verbindliche Wirkung kommt dieser Vorschrift wegen Art. 4 des Übereinkommens aber nur für zeitlich später abgeschlossene Verträge zu. Nach Gloria soll dieser Regelung kraft völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts Geltung für alle völkerrechtlichen Verträge zukommen223. Die allgemeine Auslegungsregel für völkerrechtliche Verträge des Wiener Übereinkommens konkretisiert die sog. Lex-Fori-Klausel des OECD-MA in Art. 3 Abs. 2, der 1995 neugefaßt wurde 224 : „Bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht 219
Scholtz in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 3c Rdnr. 11; vgl. Altehoefer in: Lademann/Söffing, § 3c Rdnr. 6. 220 Wassermeyer, StuW 1990, S. 404. 221 Kruse in: Tipke/Kruse, § 2 AO Tz. 11; so auch BFH BStBl. II 71, 379ff. (380), BFH BStBl. II 1972, S. 459f. (460), BFH BStBl. II 1982, S. 566ff. (566). 222 Vgl. BGBl. II 1985, S. 927. 223 Vgl. Gloria, S. 67 ff., 70ff. 224 Zu Vorschlägen, diese Vorschrift zu streichen vgl. Mössner in: FS für I. SeidlHohenveldern, S. 422 ff. (426).
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
dieses Staates für die Steuern zukommt, für die das Abkommen gilt, wobei die Bedeutung nach in diesem Staat anzuwendenden Steuerrecht den Vorrang vor einer Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staates hat."
Bei der Frage der methodischen Vorgehensweise zur Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe werden verschiedene Auffassungen vertreten. Kernpunkt der Diskussion ist die Frage, welche Bedeutung der Formulierung „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert" zukommt. Nach einer völkerrechtlichen Theorie ist zunächst vertragsimmanent auszulegen, ein Rückgriff auf das interne Recht des Vertragsstaates ist allenfalls subsidiär möglich 225 . Da die Abkommen einen eigenen Regelungsbereich erfaßten, lebten diese „zwingend aus dem Auslegungspostulat, soweit irgend möglich aus sich selbst heraus ausgelegt zu werden" 226 . Für die Auslegung ist daher zunächst, sofern das Abkommen selbst keine Definition enthält, der Sinn- oder Vorschriftenzusammenhang des Abkommens entscheidend. Erst wenn auf diese Weise keine Auslegung möglich ist, darf auf die Begriffsbedeutung des nationalen Rechts abgestellt werden. Dem steht eine als „landesrechtlich" 227 oder „binnenrechtsbezogen"228 bezeichnete Theorie gegenüber, die eine vorrangige Auslegung nach Maßgabe des nationalen Rechts fordert. Vogel begründet diese Sichtweise damit, daß man „schon aus logischen Gründen die Frage, ob der Zusammenhang des Abkommens ,anderes erfordert 4 - nämlich anderes als den Rückgriff auf das innerstaatliche Recht - erst beurteilen (kann), wenn zuvor die Bedeutung des Ausdrucks nach innerstaatlichem Recht festgestellt worden ist" 2 2 9 . Einschränkend erkennt er aber an, daß eine derartige Auslegung gegebenenfalls noch zu korrigieren ist, so daß „in Wahrheit die beiden Auslegungsvorgänge in einem Verhältnis der Wechselbezüglichkeit"230 zueinander stehen. Die Rechtsprechung des BFH läßt keine einheitliche Linie erkennen, so daß ihm vorgeworfen wird, daß seine „im konkreten Streitfall angewendete Auslegungsmethode nicht ohne weiteres vorhersehbar" 231 sei 232 . 225 Vgl. Debatin, A WD 1969, S. 480; Debatin in: Debatin/Wassermeyer, Systematik III Rdnr. 122ff. (125); Kluge, RIW 1975, S. 95; Klebau, RIW 1985, S. 127. 226 Debatin in: Debatin/Wassermeyer, Systematik III Rdnr. 125. 227 Gloria, S. 95. 228 Gloria, RIW 1986, S. 71. 229 Vogel, DBA, Art. 3 Rdnr. 70. 230 Ebd. 231 Wilke in: Becker/Höppner/Grotherr/Kröppen, Art. 3 OECD-MA Rdnr. 94. 232 Vgl. aber auch den Beitrag von Wassermeyer zur Haltung des BFH bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge in: Vogel, MünchSch 18, S. 19 ff.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Ganz im Sinne einer ,binnenrechtsbezogenen Auslegung4 steht eine ältere Entscheidung, bei der der BFH nach fehlender abkommensinterner Definition auf innerstaatliches Recht zurückgreift, die sich daraus ergebende Auslegung jedoch als mit dem Sinn des DBA für nicht zutreffend hält 233 . In einigen anderen Entscheidungen234 legt er die völkerrechtliche Methode zugrunde, so daß „entsprechend der allgemeinen Grundsätze bei der Auslegung von DBA" 2 3 5 „vorrangig" 236 , „vor der Anwendung etwaiger innerstaatlicher Begriffsbestimmungen (...) zu untersuchen (ist), ob sich eine Begriffsbestimmung aus dem Sinnzusammenhang der Vorschriften des Abkommens gewinnen läßt" 237 . Auch sei, so der BFH, der (offizielle) Kommentar zu dem Musterabkommen heranzuziehen238. Zur Begründung dieser Vorgehensweise beruft er sich auf die „Eigenständigkeit des Regelungsbereichs eines DBA" 2 3 9 und die Rechtsnatur des Doppelbesteuerungsrechts, das innerstaatliches Recht weder ergänze noch Besteuerungsquellen eröffne, sondern bestimme, „welche von mehreren kollidierenden Besteuerungskompetenzen zurückzutreten" 240 habe. Konsequenterweise stellt er manchmal auch sofort, ohne sich mit der grundsätzlichen Auslegungsproblematik zu beschäftigen, auf den Sinn- und Vorschriftenzusammenhang ab 241 , sofern keine ausdrückliche Begriffsbestimmung durch das DBA vorliegt. Diese klare Linie wird jedoch nicht durchgängig verfolgt. In einer Entscheidung zum Betriebsstättenbegriff 242 führt er aus, daß „sowohl der Betriebsstättenbegriff im Sinne des § 12 AO 1977 als auch der Begriff des festen Mittelpunktes im Sinne des Art. 7 Abs. 1 S. 2 DBA-Italien eine 233
Vgl. BFH BStBl. II 1969, S. 579 ff. (581) betreffend die Frage, welche Einkünfte im Rahmen von Art. Χ, XV Abs. 1 DBA-USA 1954 als aus den USA stammend anzusehen sind. 234 Vgl. BFH BStBl. II 1971, S. 379ff. (380); BFH BStBl. II 1986, S. 4ff. (5); BFH BStBl. II 1990, S. 906ff. (907); BFH BStBl. II 1991, S. 444ff. (446f.); BFH BStBl. II 1994, S. 218ff. (219); BFH BStBl. II 1994, S. 696f. (697). 235 BFH BStBl. 1994, S. 218ff. (219) zum Unternehmensbegriff im Sinne des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern. 236 BFH BStBl. II 1991, S. 444ff. (446) zum Begriff der „Zinsen" im Sinne des Art. VII Abs. 1 DBA-USA. 237 BFH BStBl. II 1986, S. 4ff. (5) zur Bestimmung des Begriffs des „Arbeitgebers" im Sinne des Art. 15 Abs. 2 b) DBA-Spanien. 238 Vgl. BFH BStBl. II 1994 II, S. 218ff. (219). 239 BFH BStBl. II 1971, S. 379 ff. (380) zum Begriff des „gesellschaftlichen Unternehmens" im Sinne des Art. 3 Abs. 4 DBA-Schweiz. 240 Ebd. 241 Vgl. BFH BStBl. II 1992, S. 546f. (547). 242 Vgl. BFH BStBl. II 1993, S. 655 f. zum Begriff der „Betriebsstätte" im Sinne des Art. 7 Abs. 1 S. 2 DBA-Italien 1925.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
besonders intensive Verwurzelung der (selbständigen) Arbeit mit dem Ort ihrer Ausübung"243 ausdrücke. Diese Alternativbegründung durch eine zusätzliche Heranziehung der Definition des § 12 AO, ist im Hinblick auf die vorbezeichnete Auslegungsmethodik folgewidrig. In einem Bruch zu der völkerrechtsfreundlichen Rechtsprechung greift der BFH in anderen Entscheidungen unmittelbar auf deutsches Recht zurück, sofern keine ausdrückliche Begriffsbestimmung im Abkommen vorliegt 244 . Er nähert sich insoweit der ,binnenrechtsbezogenen' Theorie an, indem er beispielsweise entscheidet, daß der in Art. 7 Abs. 7 S. 1 DBASchweiz verwendete Begriff der Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft ein rechtlicher sei, „der in Ermangelung einer Definition im DBA-Schweiz nach deutschem Steuerrecht (Art. 3 Abs. 2 DBASchweiz) zu bestimmen"245 sei. Eine Auseinandersetzung mit der Formulierung in Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert" fehlt völlig. Auf dieser Linie liegt auch eine Entscheidung, bei der der BFH unter ausdrücklicher Beachtung der Lex-Fori-Klausel des Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz bei fehlender Definition im DBA entscheidet, daß es nahe liege, „für die Auslegung nach dem damit maßgeblichen deutschen Steuerrecht (dem Steuerrecht des Anwenderstaates)"246 auf Vorschriften abzustellen, die den Umfang der inländischen Einkünfte bestimmten247. Auf die gleiche Weise entschied er, daß in Ermangelung einer Begriffsdefinition im DBA „nach deutschem Steuerrecht zu entscheiden sei, ob der Erbbauzinsanspruch zum unbeweglichen Vermögen" 248 zähle. Allerdings erging diese Entscheidung zum DBA-Italien 1925, die eine der Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Bestimmung nicht kannte, so daß darin nicht zwingend eine Abkehr von der ansonsten völkerrechtsfreundlichen Vorgehensweise des BFH zu sehen ist. Neuere Entscheidungen249 legen den Begriff der Einkünfte aber wieder eindeutig nach der völkerrechtlichen Methode aus. Die Rechtsprechung des BFH wird man zutreffenderweise in der Feststellung zusammenfassen können, daß er „sich aus diesem teilweise sehr aka243
BFH BStBl. II 1993, S. 655 f. (655). Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 21 Iff. (212); BFH BStBl. II 1992, S. 937ff. (940); BFH BStBl. II 1994, S. 220ff. 245 BFH BStBl. II 1992, S. 937 ff. (940). 246 BFH BStBl. II 1988, S. 521 ff. (523, 524) zum Begriff „stammen" im Sinne des Art. 11 Abs. 2 DBA-Schweiz und methodisch in gleicher Weise zum Begriff der „zuzurechnen" im Sinne von Art. 4 Abs. 11 DBA-Schweiz. 247 Vgl. BFH BStBl. II 1988, S. 521 ff. (524). 248 BFH BStBl. II 1994, S. 220ff. (221). 249 Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 57ff; BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. 244
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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demischen Streit weitgehend rausgehalten"250 hat und einen „sehr pragmatischen Kurs" 251 verfolgt. Verständlich ist es daher, wenn der BFH bei der von ihm gewählten Methode lediglich von einer „Richtschnur" 252 für die Auslegung von DBA spricht.
(2) Auslegung des Einkünftebegriffs nach der völkerrechtlichen Methode Für die Auslegung des Begriffs der Einkünfte im Sinne der Freistellungsmethode sind unstreitig Wortlaut und Definition des OECD-MA/DBA zuerst zu prüfen. Die Wortlautauslegung erweist sich als unergiebig, da sich im OECD-MA keine Definition des Begriffs der Einkünfte findet. Zweite Stufe der Auslegung ist der Sinn- und Vorschriftenzusammenhang des OECD-MA/DBA. Diesbezüglich könnten die Vorschriften des DBA über die Besteuerung im Quellenstaat von Nutzen sein. Nach der Ansicht Krabbes werden im Sinne des deutschen Rechts Einkünfte als Nettobetrag freigestellt, da der Umfang der abkommensrechtlichen Freistellung sich aus dem DBA ergibt, „weil im Grundsatz nur auf diese Weise sichergestellt werden kann, daß nur solche Beträge von der deutschen Besteuerung ausgenommen werden, für die der andere Staat aufgrund des Abkommens das Besteuerungsrecht hat" 253 . Aufgrund der Tatsache, daß die Abkommen nicht entsprechend dem nationalen Recht zwischen Einkünften und Einnahmen unterscheiden, ist er der Ansicht, daß diese „einheitlich im Sinne der Freistellung von Einkünften auszulegen"254 sind. Im Wege einer Rechtsanalogie zu §§ 3 c, 50 Abs. 1 S. 1 EStG und § 103 BewG sei der freizustellende Nettobetrag zu ermitteln 255. Nach seiner Auffassung ist die Anwendung des § 3c EStG auf die Fälle zu beschränken, bei denen sich eine Steuerbefreiung, entweder nach nationalem Recht oder nach einem DBA, auf die Einnahmen bezieht256. Die Besonderheit der Auffassung von Krabbe besteht darin, daß er für alle in Betracht kommenden Erscheinungsformen ausländischer Erträge die Freistellung im Sinne der Freistellung von Nettobeträgen fordert. Er stützt diese Auslegung auf einen Vergleich mit der Anrechnungsmethode (s.u.) und darauf, daß der Begriff der Einkünfte den Betrag bezeichne, mit dem er „nach nationalem Recht in 250 251 252 253 254 255 256
Wilke in: Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, Art. 3 OECD-MA Rdnr. 94. Ebd. BFH BStBl. II 1990, S. 906ff. (907). Krabbe, FR 1984, S. 473. Ebd. Krabbe, DB 1994, S. 242. Krabbe, FR 1984, S. 473.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslands Verlusten
die Bemessungsgrundlage eingeht"257. Dem Quellenstaat stehe es frei, nicht notwendigerweise eine Besteuerung im Wege des Quellenabzuges vorzunehmen, sondern alle Erscheinungsformen der »Einkünfte4 „im Wege der Veranlagung unter Zugrundelegung des Nettobetrages zu besteuern 44258. Für eine unmittelbare Anwendung des § 3c EStG kann mithin kein Raum sein. Die Rechtsprechung hat sich dieser einheitlichen Auslegung nicht angeschlossen. Nach einer jüngeren Entscheidung des BFH, die sich unmittelbar mit der Auslegung des Begriffs der Einkünfte beschäftigt 259, ist für jede abkommensrechtliche Einkunftsart zu unterscheiden, ob sich die Freistellung auf den Begriff der Einkünfte oder Einnahmen im Sinne des innerstaatlichen deutschen Steuerrechts bezieht. Der BFH stützt seine Überlegungen auf das Erfordernis einer Rechtsgrundlage für die Steuerbefreiung 260, da die Freistellung eine Ausnahme von dem Grundsatz der Besteuerung des Welteinkommens sei 261 . Eine Rechtsgrundlage für eine Steuerbefreiung fehle im nationalen Recht, so daß nach den vorgenannten Grundsätzen die Befreiung im Abkommensrecht zu suchen sei. Deshalb müsse auch dem Abkommensrecht entnommen werden, wie der Begriff der Einkünfte im Sinne des deutschen Steuerrechts zu verstehen sei 262 . Dies gelte, so der BFH, unbeschadet der Möglichkeit, daß „wegen der Berechnung der freizustellenden ,Einkünfte 4 oder ,Einnahmen4 auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates44263 verwiesen werden kann. Eine abkommensrechtliche Bestimmung des Einkünftebegriffs hängt nach der Rechtsprechung maßgeblich von der Behandlung der freizustellenden „Einkünfte 44 im Quellenstaat ab, die „teils als Nettobetrag (vgl. Art. 6, 7, 8, 13, 14 und 17) und teils als Bruttobetrag (Art. 10 bis 12, 15, 16, 18, 19 und 20) definiert 44264 sind. Der Begriff der Einkünfte ist daher „je nach der in Betracht zu ziehenden Einkunftsart entweder als Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG oder als (Betriebs-) Einnahmen im Sinne der §§ 4 Abs. 3 S. 1, 8 Abs. 1 EStG zu verstehen 44265. 257
Krabbe, IStR 1996, S. 387. Ebd. 259 Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 57ff.; BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. 260 BFH BStBl. II 1997, S. 57ff. (59); BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. (61). 261 Vgl. Wassermeyer, IStR 1996, S. 338. 262 Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 57ff. (69); vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. (61); vgl. BFH BStBl. II 1997 S. 63 ff. (65 f.). 263 BFH BStBl. II 1997, S. 57ff. (59); BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. (61); BFH BStBl. II 1997, S. 63 ff. (66). 264 Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 23 A Rdnr. 21. 258
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Es bietet sich aus diesem Grund an, daß der in Art. 23 A OECD-MA verwendete Begriff der Einkünfte „Oberbegriff' 266 für die im Quellenstaat maßgeblich verwendeten Begriffe, wie beispielsweise Gewinne, Vergütungen, Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren ist. Damit ist der abkommensrechtliche Einkünftebegriff auch als Oberbegriff für Einkünfte und Einnahmen im Sinne des deutschen innerstaatlichen Steuerrechts zu verstehen 267 . Nach der Ansicht Wassermeyers entspricht diese Betrachtungsweise dem Grundsatz, „daß die DBA die im einzelnen abziehbaren Aufwendungen nicht regeln. Sie begnügen sich mit der spiegelbildlichen Behandlung der in dem einen Vertragsstaat zu versteuernden und der im anderen Staat freizustellenden Einkünfte (Einnahmen)."268 Moebus tritt ebenfalls für eine differenzierte Auslegung des Begriffs der Einkünfte ein. Diese Notwendigkeit besteht seiner Auffassung nach schon aufgrund der Tatsache, daß es sich hierbei um eine bloße Übersetzungsformulierung handelt269. Eine Auslegung anhand des Besteuerungsgegenstandes im Quellenstaat sei vorzugswürdig, da sie „dem Ziel der Freistellung möglichst weitgehende Vermeidung der Doppelbesteuerung - am nächsten" 270 komme. Im Sinne einer effektiven Vermeidung der Doppelbesteuerung bedürfe es hingegen bei einer einheitlichen Freistellung der Einkünfte im deutschen Sinn, also auch in den Fällen, in denen im Quellenstaat lediglich Brutto-Erträge besteuert werden, einer Vielzahl von Verständigungsverfahren 271, um eine auf die Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG geminderte Quellensteuer durchzusetzen. Als Ergebnis bleibt nach der völkerrechtsfreundlichen Methode festzuhalten, daß die inhaltliche Bedeutung des Einkünftebegriffs nach Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA je nach dem Besteuerungsgegenstand im Quellenstaat variiert. Damit bedarf es methodisch keines Rückgriffes mehr auf die Begriffsbestimmung des innerstaatlichen Rechts.
265
BFH BStBl. II 1997, S. 57 ff. (59); BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. (61); BFH BStBl. II 1997, S. 63 ff. (66). 266 BFH BStBl. II 1997, S. 57 ff. (58); BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. (61); BFH BStBl. II 1997, S. 63 ff. (65); ablehnend gegen eine Beschreibung als Oberbegriff: Vogel, DBA, Art. 3 Rdnr. 62 und Wolff in: Debatin /Wassermeyer, USA Art. 10 Rdnr. 95. 267 Vgl. Wassermeyer, IStR 1996, S. 338. 268 Wassermeyer, IStR 1992, S. 74. 269 Vgl. Moebus, IWB F. 3 Gr. 2, S. 512. 270 Moebus, IWB F. 3 Gr. 2, S. 513. 271 Vgl. Moebus, IWB F. 3 Gr. 2, S. 513.
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(3) Auslegung des Einkünftebegriffs nach der binnenrechtlichen Methode Nach der binnenrechtlichen Methode ist, da eine ausdrückliche Begriffsbestimmung im OECD-MA fehlt, auf innerstaatliches Recht zurückzugreifen. Das deutsche Steuerrecht versteht unter Einkünften nach § 2 Abs. 2 EStG einen Nettobetrag, der entweder in einem Gewinn oder in einem Überschuß besteht. Betrachtet man die Rechtslage bis 1975, so könnte man allerdings der Auffassung sein, daß bei Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA die Einnahmen freigestellt werden. In § 3 Nr. 41 EStG wurde durch das StÄndG vom 18.7.195 8 2 7 2 geregelt, daß Einkünfte insofern steuerfrei sind, als dem Steuerpflichtigen ein Anspruch auf Befreiung nach einem DBA zusteht. Zwar verwendete der Gesetzgeber die Formulierung „Einkünfte", aber aufgrund der systematischen Stellung in § 3 EStG könnte der Rückschluß naheliegen, daß es sich um eine Befreiung der Einnahmen im Sinne des deutschen Rechts handelt. Korrespondierend zu der Freistellung müßte das Abzugsverbot des § 3c EStG gelten. Die Vorschrift des § 3 Nr. 41 EStG wurde durch das EStRG vom 5.8.1974273 wieder gestrichen. Der Grund für die Streichung ergab sich aus der deklaratorischen Bedeutung der Vorschrift, da die Steuerbefreiung, so die damalige Begründung, schon unter Beachtung des § 2 AO unmittelbare Folge des jeweiligen DBA sei 274 . Der BFH hat in einer Entscheidung275 § 3 c EStG angewandt. Zu vermuten ist, daß der BFH sich dabei durch die damals noch vorhandene Vorschrift des § 3 Nr. 41 EStG leiten ließ. Zu rechtfertigen wäre die Anwendung des § 3c EStG unproblematisch durch ein anderes Verständnis der §§ 3, 3c EStG. Die kausalrechtliche Formulierung in §§ 3, 3 c EStG gilt als „unscharf: Gemeint ist Steuerbefreiung bestimmter Einkünfte als Unterschiedsbetrag von Einnahmen und Aufwendungen; diese Einkünfte müssen auf eine bestimmte Tätigkeit (...) oder einen bestimmten Vorgang (...) bezogen werden" 276. Überzeugen kann ein derartiges Verständnis der §§ 3, 3c EStG nicht. Die Rechtsfolge des § 3c EStG ist ein beschränktes Abzugsverbot, während 272
Vgl. BStBl. 1958 I, S. 412ff. (414). Vgl. BStBl. 1974 I, S. 530ff. (531) Nr. 5d). 274 Vgl. Bergkemper in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Erläuterungen zu Nr. 41 m.w.N. 275 Vgl. BFH BStBl. II 1983, 567 ff. (569). 276 Lang in: Tipke/Lang, S. 253. 273
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eine Freistellung von Einkünften wegen des Nettoprinzips zu einem vollständigen Abzugsverbot führt. Aus diesem Grund wird in der Kommentatur von Herrman/Heuer/Raupach zu Recht vertreten, daß § 3c EStG überflüssig wäre, würde „das Einkommensteuergesetz Steuerbefreiungen ausdrücklich als Befreiungen bestimmter Einkunftsteile ausgestalten"277. Im Ergebnis schließt § 3 c EStG Lücken, wenn keine Befreiung der Einkünfte, sondern der Einnahmen, erfolgt ist 2 7 8 . Für die Problematik der Auslegung des abkommensrechtlichen Einkünftebegriffs ist daher nach der binnenrechtlichen Theorie stets der Nettobetrag zugrunde zu legen. Während die völkerrechtliche Theorie nur subsidiär auf die dritte Auslegungsstufe, das innerstaatliche Recht, zurückgreift, ist nach der binnenrechtlichen Theorie erforderlichenfalls der Sinn- und Vorschriftenzusammenhang ergänzend zu beachten279. Dieser Zusammenhang verlangt aber eine differenzierte Betrachtungsweise. Im Rahmen der Auslegung nach der völkerrechtlichen Methode konnte festgestellt werden, daß zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Brutto- und Nettobeträgen zu unterscheiden ist. Damit muß es über die dritte Stufe zu einer Einschränkung der Auslegung nach nationalem Recht kommen. Für eine Auslegung des Begriffs der Einkünfte ist es damit auch unerheblich, ob man der Auslegung die völkerrechtliche Theorie oder die landesrechtlichen Theorie zugrunde legt. Aufgrund der durchschlagenden Bedeutung des Sinn- und Vorschriftenzusammenhangs ist nicht ersichtlich, daß die unterschiedlichen Auslegungstheorien zu abweichenden Ergebnissen kommen. Vogel hat daher recht, wenn er feststellt, daß „in Wahrheit die beiden Auslegungsvorgänge in einem Verhältnis der Wechselbezüglichkeit"280 zueinander stehen. Ob man deshalb mit Wassermeyer daraus eine Vermutungsregel herleiten kann, daß ein abkommensrechtlicher Begriff im Sinne des nationalen Steuerrechts auszulegen sei, deren Wirkung „nur dann als widerlegt anzusehen ist, wenn sich aus dem Zusammenhang, in den die DBA-Vorschrift gestellt ist, etwas anderes ergibt" 281 , erscheint zu weitgehend. Der abkommensrechtliche Zusammenhang, der eine, wie es Wassermeyer ausdrückt, „spiegelbildliche Behandlung"282 erfordert, überlagert nicht selten die nationale 277 278 279 280 281 282
Herrman/Heuer/Raupach, § 3c Rdnr. 7 a.E. Vgl. Schröder, StBp 1988, S. 219. Vgl. Vogel, DBA, Art. 3 Rdnr. 67. Ebd. Wassermeyer, StuW 1990, S. 409. Wassermeyer, IStR 1992, S. 74.
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Wertung. Zu sachlichen Unterschieden führt eine Vermutungsregel aber keinesfalls. (4) Der Einkünftebegriff der abkommensrechtlichen Anrechnungsmethode als Vergleich Eine neuere Entscheidung des BFH 2 8 3 beschäftigt sich mit dem Einkünftebegriff im Zusammenhang mit der Anrechnung ausländischer Steuern auf der Grundlage eines DBA. Der BFH setzt zunächst seine Rechtsprechung zur abkommensrechtlichen Auslegung fort und verlangt grundsätzlich eine Auslegung im Sinne des Besteuerungsgegenstandes im Quellenstaat. Unter Berücksichtigung der einheitlichen Funktion des Methodenartikels 284 sieht er es als naheliegend an, auch in diesem Zusammenhang den Begriff der Einkünfte, da Dividenden betroffen sind, als Bruttobetrag zu verstehen. Um den Besonderheiten der Anrechnungsmethode gerecht zu werden, versteht er jedoch unter Einkünften im Zusammenhang mit Dividenden bei der abkommensrechtlich geforderten Anrechnung ausländischer Steuern Nettobeträge 285: „Die Bundesrepublik müßte die von den USA auf den Bruttobetrag erhobene Quellensteuer anrechnen. Die Anrechnung der US-Quellensteuer ist jedoch auf den Betrag begrenzt, in dem in der Bundesrepublik Körperschaftssteuer auf die Dividenden entfällt. Da die deutsche Körperschaftsteuer nur auf das zu versteuernde Einkommen erhoben wird und in dasselbe nur der Nettobetrag der Dividende eingeht, ist es Sache des innerstaatlichen deutschen Steuerrechts, die von dem Nettobetrag der Dividenden erhobene Körperschaftsteuer betragsmäßig zu ermitteln." 286 Diese Aussage steht vom Ergebnis her im Einklang mit einer früheren Entscheidung des BFH zu der Anrechnungsmethode287. Allerdings ändert der BFH seine Begründung, indem er nunmehr die Einbeziehung des Nettobetrages unmittelbar auf §§ 34c Abs. 1 S. 2, 34d EStG und nicht allein darauf stützt, daß die tarifliche Einkommensteuer auf der Grundlage eines Nettobetrages, nämlich dem zu versteuernden Einkommen, erhoben wird. Nach Auffassung des BFH ergeben sich daraus aber keine sachlichen Unterschiede288. 283
Vgl. BFH BStBl. II 1996, S. 657 ff. Art. XV Abs. 1 DBA-USA 1954/1965, der seiner Funktion nach Art. 23 Α, Β OECD-MA entspricht. 285 Die Einbeziehung der Nettobeträge bewirkt im Gegensatz zur Einbeziehung der Bruttobeträge zugunsten des deutschen Fiskus einen niedrigeren Anrechnungshöchstbetrag. 286 BFH BStBl. II 1996, S. 657 ff. (658). 287 Vgl. BFH BStBl. II 1994, S. 799 ff. (801). 288 Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 657 ff. (658); kritisch Kramer, IStR 1998, S. 15 ff. 284
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Den Vergleich zwischen Freistellungs- und Anrechnungsmethode zieht Krabbe heran, um seine Auffassung (s.o.) zur einheitlichen Auslegung des Einkünftebegriffs im Sinne eines Nettobetrages zu rechtfertigen 289. Seiner Ansicht nach „hätte es nahe gelegen, den Gedanken, daß im Rahmen einer Einkommen- und Körperschaftsteuer Einkünfte, nicht aber Einnahmen besteuert werden, auch für den Bereich der Freistellungsmethode nutzbar zu machen"290. Dies gelte um so mehr, als Anrechnungs- und Freistellungsmethode, ideal typisch zu gleichen Ergebnissen führen sollten 291 . Dagegen argumentiert Wingert, daß wegen der unterschiedlichen Folgen der Anrechnungs· und Freistellungsmethode keine Vergleichbarkeit bestehe292. Ein Vergleich zwischen Anrechnungs- und Freistellungsmethode kann im Ergebnis nicht zur einheitlichen Begriffsbestimmung herangezogen werden. Schon im Ansatz ist dies verfehlt, da man entgegen Krabbe auch nicht von „idealtypisch"293 gleichen Ergebnissen sprechen kann. Während die Anrechnungsmethode eine Mindestbesteuerung auf inländischem Niveau bezweckt, soll bei der Bestimmung des Freistellungsgegenstandes die Doppelbesteuerung nach Maßgabe einer spiegelbildlichen Behandlung im Quellen- und Ansässigkeitsstaat vermieden werden, um auf diesem Weg dem Steuerpflichtigen Chancengleichheit im Quellenstaat einzuräumen. Idealtypisch gleiche Ergebnisse können die unterschiedlichen Methoden bei fehlenden einheitlichen (internationalen) Steuersätzen nicht bewirken. (5) Zusammenfassung Der Differenzierung im Rahmen der Freistellungsmethode entsprechend der Vorschriften des Besteuerungsrechts des Quellenstaates ist zuzustimmen. Nur auf diese Weise wird eine doppelte steuerliche Erfassung sowohl positiver als auch negativer Ertragskomponenten vermieden. Der dogmatische Streit um die Auslegungsmethodik bei der Bestimmung abkommensrechtlicher Begriffe spielt hierfür keine Rolle. Wegen der unterschiedlichen Zielsetzung von Anrechnungs- und Freistellungsmethode kann der Einkünftebegriff in beiden Vermeidungsnormen auch nicht identisch ausgelegt werden. Diese Differenzierung ist auf den Bereich der gewerblichen Einkünfte zu übertragen. Nach Art. 7 OECD-MA werden Unternehmensgewinne in dem Staat besteuert, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Der Auslegung des 289 290 291 292 293 5 Wilk
Vgl. Krabbe, IStR 1996, S. 387 f. Krabbe, IStR 1996, S. 387. Vgl. Krabbe, IStR 1996, S. 387. Vgl. Wingert, S. 439. Krabbe bei Wingert, IStR 1996, S. 439f.
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Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Freistellungsbegriffs in Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA wird damit aber nicht geholfen. Es findet nur eine Verlagerung des Problems statt, nämlich was unter Gewinnen nach Art. 7 OECD-MA zu verstehen ist. Lediglich in den Abkommen mit Griechenland in Art. II Abs. 1 Nr. 6 und mit Großbritannien in Art. II Abs. 1 k) findet sich eine Begriffsbestimmung, wonach zu den gewerblichen Gewinnen auch „Mieten und Lizenzgebühren für kinematographische Filme" gehören. Der Begriff des Gewinns ist im OECD-MA weder geregelt, noch läßt sich sein Inhalt aus dem Vorschriftenzusammenhang erschließen294. Folglich ist sowohl nach der völkerrechtsfreundlichen als auch der binnenrechtlichen Methode nach innerstaatlichem Recht auszulegen. Daraus ergibt sich, daß sich der Gewinnbegriff nach § 4 Abs. 1 EStG bestimmt und mit dem innerstaatlichen Einkünftebegriff gemäß § 2 Abs. 2 EStG gleichzusetzen ist. Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten im Rahmen der Freistellungsmethode sind folglich Nettoerträge.
dd) Besonderheiten bei der Freistellung von Verlusten auf der Grundlage des Art. 23 A OECD-MA Sieht das DBA eine Freistellung der ausländischen Einkünfte vor, „so beginnt der große Ärger mit den Verlusten" 295. Nach dem vorgenannten Ergebnis der Auslegung des Begriffs der Einkünfte bestehen grundsätzlich keine Bedenken, daß auch Verluste in die Freistellung einzubeziehen sind. Voraussetzung ist natürlich, daß der Quellenstaat überhaupt negative Ertragskomponenten der Besteuerung unterwirft und nicht ausschließlich die Bruttoerträge besteuert. In diesem Fall wären die Aufwendungen erst bei der deutschen Besteuerung im Zusammenhang mit § 3c EStG relevant. Ein Verlust entsteht demgemäß erst dann, wenn die Aufwendungen die im Inland steuerfreien Einnahmen übersteigen. In diesem Fall ist der Verlust von vornherein nicht Gegenstand der Freistellung. Ungeachtet sonstiger nationaler Regelungen, insbesondere des § 2a Abs. 1 EStG, bestehen Bedenken, ob die abkommensrechtliche Freistellung eine Befreiung der Verluste gestattet. Nach dem offiziellen Kommentar zu Art. 23 OECD-MA 296 bleibt die Lösung des Problems den Vertragsstaaten überlassen. In Art. 23 Nr. 44 S. 6 MK wird zur Behandlung von Verlusten wie folgt Stellung genommen: „Da die Lösung in erster Linie vom innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten 294 295 296
Vgl. Kröppen in: Becker/Höppner/Grotherr/Kröppen, Art. 7 Rdnr. 42. Hellwig, StbJb 1976/77, S. 430. Vgl. Ziff. 44 zu Art. 23 A u. Art. 23 Β OECD-MA.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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abhängt, und da die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der OECD voneinander wesentlich abweichen, kann für den Artikel selbst keine Lösung vorgeschlagen werden; es bleibt vielmehr den Vertragsstaaten überlassen, erforderlichenfalls die vorstehende Frage und sonstige Probleme im Zusammenhang mit Verlusten (...) zweiseitig zu klären, und zwar entweder im Artikel selbst oder durch ein Verständigungsverfahren (Artikel 25 Abs. 3)." Die Rechtsprechung war in dieser Frage seit den letzten sechzig Jahren einheitlich. Ausgangspunkt ist ein Urteil des RFH. Danach erfaßte die Freistellung auch Verluste: Von den im Ausland erwirtschafteten Verlusten wird „das Deutsche Reich (...) steuerlich überhaupt nicht berührt" 297 , da „die betreffende Steuerquelle aus der Steuergewalt des Wohnsitzstaates schlechthin ausscheidet, also mit ihr überhaupt dort in keinster Weise mehr gerechnet wird" 2 9 8 . Einer der ersten, der diese Rechtsprechung kritisierte, war Grasman. Er äußerte Zweifel gegen die Richtigkeit dieser Rechtsprechung, da nach „Rechtsstaatsgrundsätzen (...) der Ausschluß des Verlustabzuges wohl ausdrücklich gesetzlich bestimmt werden" 299 müßte. Diesen Bedenken Schloß sich Knauer an, da es, nach der damaligen Rechtslage (1964), an einer Rechtsgrundlage in den DBAs fehle 300 . Kiehne stellt klar, daß die Grundzüge der RFH-Rechtsprechung nicht mehr anwendbar seien301, da der Entscheidung das DBA mit Österreich vom 23. Mai 1922 zugrundelag 302. In der maßgeblichen Bestimmung des Art. III Abs. 1 überließ es die Besteuerung des Gewerbebetriebs, sowie die Einkünfte und Erträge daraus, dem Betriebsstättenstaat303. Unmißverständlich war auf diese Weise schon der Betrieb oder die Betriebsstätte als solche der deutschen Besteuerung entzogen. Dagegen bezeichneten die modernen DBA „lediglich die »Gewinne4 oder »Einkünfte 4 des Betriebes oder der Betriebsstätte als Gegenstand der Abkommensregelungen44304. 297
RFH RStBl. 1935, S. 1358f. (1359). Ebd. 299 Grasman, A WD 1960, S. 260. 300 Knauer, StuW 1964/1, S. 157 ff. 301 Kiehne, A WD 1967, S. 188. 302 ygi Vertrag zwischen dem deutschen Reiche und der Republik Österreich zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung, insbesondere zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der direkten Steuern in: RStBl. II 1923, S. 90ff. 303 Vgl. Art. III Abs. 1 des Vertrages in RStBl. II 1923, S. 90ff. (91): „Der Gewerbebetrieb (Betrieb einer Erwerbsunternehmung oder gewinnbringenden Beschäftigung) sowie das Einkommen und die Erträge hieraus sollen nur in dem Staate zu den direkten Steuern herangezogen werden, in welchem eine Betriebsstätte zur Ausübung des Gewerbes unterhalten wird." 304 Kiehne, A WD 1967, S. 188. 298
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Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslands Verlusten
Unter Berücksichtigung der derzeitigen Rechtslage argumentiert Knauer, daß kein Abkommen den Begriff der Verluste erwähne, sondern stets nur von Gewinnen oder Einkünften die Rede sei 305 . Dem folgt Kiehne, nach dessen Ansicht die Begriffe Gewinn und Einkünfte einheitlich auszulegen sind. Ein negativer Gewinn sei aber „ein Widerspruch in sich selbst" 306 . In diesem Punkt ist den Autoren insoweit recht zu geben, als das OECDMA von 1977 in seiner deutschen Fassung ebenfalls den Begriff der Verluste nicht erwähnt. Wie aber bereits festgestellt werden konnte, eröffnet eine einzelfallbezogene Auslegung des Begriffs der Einkünfte im Rahmen des Methodenartikels durchaus die Möglichkeit der Einbeziehung von Verlusten. Wenn der Quellen- oder Belegenheitsstaat bei der Besteuerung Aufwendungen erfaßt, sind spiegelbildlich bei der Freistellung diese Aufwendungen zu berücksichtigen. Konsequenterweise liegt es nahe, daß auch ein möglicher Überhang der Aufwendungen über die Einnahmen berücksichtigt wird. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Quellenstaat selbst eine dem deutschen Recht vergleichbare Möglichkeit des Verlustvor- oder -nachtrags kennt. Auch das deutsche Recht verwendet in § 2 Abs. 2 EStG nur den Begriff des Gewinns. Dies bedeutet aber schon aus Gründen der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit unstreitig nicht, daß ein Verlust steuerlich irrelevant ist. Sowohl nach der völkerrechtlichen als auch nach der landesrechtlichen Theorie ist es gerechtfertigt, daß bei der Bestimmung des abkommensrechtlichen Gewinnbegriffs auf die nationale Begriffsvorstellung zurückgegriffen wird. Ein weiteres Argument Knauers ist, daß mit dem Abschluß von Abkommen die Vertragsstaaten das Ziel verfolgen, mittels einer Abgrenzung der Steuerkompetenzen eine „doppelte Erfassung der Steuergüter (Gewinne und Einnahmeüberschüsse) nach Möglichkeit zu vermeiden" 307. Dazu sei eine Beschränkung des Verlustausgleichs nicht erforderlich, „ja es widerspricht geradezu der Zielsetzung der Abkommen, wenn dem Steuerpflichtigen, dessen steuerlicher Status doch verbessert werden soll, unter Berufung auf die Abkommen Rechte genommen werden, die ihm nach innerdeutschem Recht an sich zustehen würden" 308 . Wenn die Aufgabe der DBA in einer Verhinderung der Mehrfachbesteuerung liege, so könne nach Kiehne der Begriff der Einkünfte nur als positive Einkünfte verstanden werden, da negative Einkünfte keine Mehrfachbesteuerung bewirkten, „sie in irgendeiner Form auf die Vertragsstaaten aufzuteilen, kann nicht Gegenstand eines DBA sein" 309 . Der Verlustausgleich ist nach seiner Auffassung unabhängig 305 306 307 308 309
Knauer, StuW Kiehne, A WD Knauer, StuW Knauer, StuW Kiehne, A WD
1964/1, S. 158. 1967, S. 188. 1964/1, S. 158. 1964/1, S. 158. 1967, S. 188.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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von einer Aufteilung der Besteuerungsgüter durchzuführen. Eine Einschränkung des Verlustausgleiches könne daher nur durch den nationalen Gesetzgeber erfolgen 310. Offen bleibt bei dieser an Zweck und Aufgabe des DBA orientierten Begründung aber, wie zu verfahren ist, wenn ein Verlustausgleich mit deutschen Einkünften möglich ist, jedoch der Quellenstaat selbst einen Verlustrück- oder -vortrag kennt. Gerade aus Gründen der Vermeidung einer doppelten Verlustberücksichtigung erscheint es gerechtfertigt, daß Verluste freigestellt werden 311. Letztlich begründet Knauer seine Auffassung mit einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung bei fehlendem DBA, da § 34 c EStG den Steuerpflichtigen nicht hindere, inländische Gewinne mit ausländischen Verlusten zu verrechnen 312. Dieses letztgenannte Argument war nach der bisherigen Rechtslage hinsichtlich bestimmter gewerblicher Einkünfte nicht mehr haltbar. Als Reaktion auf diese Ungleichbehandlung führte der Gesetzgeber die Verlustabzugsmöglichkeit des § 2 AIG, dann § 2a Abs. 3 EStG, ein. Im übrigen sieht der BFH in der Freistellung von Verlusten im Vergleich zur Anrechnungsmethode keinen Verstoß gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, da die Ungleichbehandlung schon in der Wahl der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gründe 313. In Kenntnis der Kritik an der Rechtsprechung des RFH geht der BFH daher ebenfalls davon aus, daß negative Einkünfte im Rahmen einer Freistellung nicht der Besteuerung unterliegen und lehnt sich an die Rechtsprechung des RFH ausdrücklich an 314 . Er stellt fest 315 , daß aufgrund der Freistellung der ausländischen Einkünfte von der inländischen Steuer „Einnahmen und Werbungskosten gemäß § 9 EStG, die durch die Erzielung der ausländischen Einkünfte veranlaßt sind, schon auf Grund der Systematik der DBA bei der inländischen Besteuerung außer Ansatz" 316 bleiben. Dies beruhe darauf, daß die Freistellung dadurch angeordnet wird, daß „von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus Quellen" 317 innerhalb des Quellen- oder Betriebsstättenstaates ausgenommen werden. Diese Formulierung findet sich in den meisten deutschen DBA. Keiner Entscheidung bedurfte es nach der Auffassung des BFH, ob daneben § 3c 310
Kiehne, A WD 1967, S. 190. So insbesondere BFH BStBl. II 1970, S. 569ff. (571). 312 Vgl. Knauer, StuW 1964/1, S. 161. 313 Vgl. BFH BStBl. II 1974, S. 454f. (455). 314 Vgl. BFH BStBl. II 1983, S. 382 ff. (383). 315 Vgl. BFH BStBl. II 1994, S. 113 ff. 316 BFH BStBl. II 1994, S. 113 ff. (113). 317 BFH BStBl. II 1994, S. 113ff. (113) betreffend das Art. 20 Abs. 2a) DBASüdafrika; vgl. auch Art. 23 Abs. 2 a) DBA-USA. 3,1
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
EStG anzuwenden sei 318 . Zur Begründung für die Verlustfreistellung führt er auch an, daß das deutsche Steuerrecht keine Mechanismen kenne, durch die die doppelte Berücksichtigung der Verluste sowohl im Inland als auch im Ausland vermieden wird 319 . Damit setzt der BFH die bisherige Linie der Rechtsprechung fort, indem er durch die in den DBA angeordnete Freistellung der Einkünfte als Nettoerträge den Verlustabzug ausschließt. Wie eingangs erwähnt, gilt dies nur dann, wenn der Nettoertrag Gegenstand der Besteuerung im Belegenheitsstaat ist. Problematisch ist diese Rechtsprechung des BFH insoweit, als die Freistellung der Verluste nach der Formulierung in der vorgenannten Entscheidung 320 unmittelbar aus dem DBA hergeleitet wird. Konsequenterweise müßte die Nichtberücksichtigung von Verlusten einer völkerrechtlichen Bindung unterliegen, wozu nach der Ansicht Mössners jegliche Begründung fehlt 321 . Diesem Einwand läßt sich dadurch ausweichen, daß man die Freistellung nicht als Folge des Abkommens, wohl aber als solche des Zustimmungsgesetzes, das den innerstaatlichen Anwendungsbefehl erteilt, ansieht. Ungeachtet dessen, hat eine völkerrechtliche Bindung keine Wirkung gegenüber dem Steuerpflichtigen. Die Rechtsprechung des BFH wurde in der Folgezeit insbesondere von Vogel wegen der Konsequenzen der Freistellung angegriffen 322. Erziele nämlich ein Steuerpflichtiger im Inland einen Gewinn, der seiner Höhe nach dem ausländischen Verlust entspricht, so ergebe sich unter Anwendung der Anrechnungsmethode bei Vorliegen einer aktiven Tätigkeit ein Einkommen von Null. Werden jedoch die ausländischen Verluste freigestellt, so ist der inländische Gewinn in voller Höhe zu versteuern. Diese Konsequenz sei, so Vogel, nicht gerechtfertigt. Der Wortlaut des Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA gebe nichts dafür her 323 . Der Ausschluß der Verrechnung ausländischer Verluste durch Freistellung führe dazu, „daß eine nach innerstaatlichem Recht gar nicht bestehende Steuerpflicht erst begründet bzw. eine niedrigere Steuer erhöht wird; dies aus den Abkommen herzuleiten, widerspräche dem Grundsatz, daß durch DBA eine innerstaatliche Steuerpflicht nur begrenzt, nicht begründet oder verschärft wird" 3 2 4 . Noch deutlicher werden die Konsequenzen, wenn die Auslandsverluste die inländischen Einkünfte übersteigen und im Ergebnis kein verfügbares 318 319 320 321 322 323 324
Ebd. Vgl. BFH BStBl. II 1970, S. 569ff. (571). Vgl. BFH BStBl. II 1994, S. 113ff. Vgl. Mössner in: Wassermeyer, DSÜG Bd. 17, S. 251. Vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 73. Ebd. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 73.
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Einkommen vorliegt. Selbst wenn die inländischen Einkünfte die Auslandsverluste um einen Betrag übersteigen, der nicht die Höhe des Existenzminimums erreicht, so käme es über die Freistellung zu einer Besteuerung des Existenzminimums. Eine solche Folge „widerspräche den Grundregeln unseres Steuerrechts (und wäre nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom September 1992 verfassungswidrig)" 325. Vogel räumt jedoch selbst ein, daß in vielen Fällen ein Ausgleich dieser Folgen über den negativen Progressionsvorbehalt 326 vermieden werden kann 327 . Allerdings verdienen die von ihm aufgezeigten Ergebnisse bei zu einem zu versteuernden Einkommen knapp oberhalb des Existenzminimums besondere Beachtung, wenn es sich aus hohen inländischen Einkünften und hohen ausländischen Verlusten zusammensetzt. In dieser Konstellation ist zwar durch den Progressionsvorbehalt der anzuwendende prozentuale Steuersatz recht niedrig. Wendet man diesen Steuersatz aber auf die inländischen Einkünfte an, so kann die effektive Belastung in Extremfällen dazu führen, daß durch die Steuerlast dem Steuerpflichtigen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nahezu nichts mehr übrig bleibt 328 . Es dürfte, und insoweit ist Vogel zuzustimmen, unbestritten sein, daß derartige Folgen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum nicht haltbar sind. Auch Wassermeyer und Mössner äußerten Kritik an der bisherigen Rechtsprechung des BFH. Grundlage ihrer Kritik ist eine Differenzierung zwischen den Fragen, ob der Einkünftebegriff auch Verluste umfaßt und welche Rechtsfolge Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA für Verluste vorsieht 329. In erster Linie seien die Vorschriften eines Abkommens als „Steuerbefreiungs- und -ermäßigungsnormen zu verstehen" 330. Zwar sei es, so Wassermeyer, dadurch nicht ausgeschlossen, daß ein Abkommen auch steuererhöhende Wirkung habe, jedoch könne der Methodenartikel keine steuerbegründende Wirkung entfalten. „Entscheidend ist deshalb, daß der Steueranspruch nach dem innerstaatlichen Steuerrecht des Anwendestaates nur in der Höhe entsteht, wie er unter Berücksichtigung des Verlustausgleichs bzw. des Verlustabzuges zu ermitteln ist" 3 3 1 . Unter Berufung auf 325
Vogel, MünchSch 21, S. 5. Zu sprachlichen Ungenauigkeiten des Begriffs des negativen Progressionsvorbehalts vgl. Weigell, S. 132 m.w.N. 327 Vgl. Vogel, MünchSch 21, S. 6. 328 Vgl. die Berechnungsbeispiele bei Vogel, MünchSch 21, S. 7; Lechner in: Gassner/Lang/Lechner, S. 88. 329 Vgl. Wassermeyer in: Debatin /Wassermeyer, Art. 23 A Rdnr. 57; vgl. Mössner in: Vogel, DStJG Bd. 8, S. 153. 330 Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 23 A Rdnr. 57. 331 Ebd. 326
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
den offiziellen Kommentar zum OECD-MA, Art. 23 Nr. 44 S. 6, stellt er fest, daß Art. 23 A OECD-MA keine Regelung enthalte, die eine Erhöhung des Steueranspruches bewirke. Aus den Vorstellungen der OECD zur grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung zieht Wassermeyer den Schluß, daß das Problem nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten zu lösen sei. Folglich müsse das EStG eine Regelung enthalten, die die Berücksichtigung von Verlusten ausschließt. Die BFH-Rechtsprechung sei nach seiner Ansicht insoweit unrichtig, da diese die Befreiung von Verlusten mit Hilfe der Abkommen lösen wolle, „die jedoch dasselbe nicht lösen wollen" 332 . In ähnlicher Weise äußerte sich schon Freudling Anfang der siebziger Jahre. Nach der Ansicht Freudlings ergibt sich aus der Aufgabe eines DBA, daß es den Verlustausgleich nicht einschränken kann 333 . Die Aufgabe des DBA liege darin, die „Aufteilung der Einkünfte nach örtlichen Bezogenheiten"334 vorzunehmen. Der Vertragsstaat habe dann das Besteuerungsrecht hinsichtlich des örtlich bezogenen Einkommens, wozu Regelungen über die Ermittlung der Einkünfte und Einkommen gehörten. Zur Art und Weise der Ermittlung der Einkünfte gehöre auch die Frage, wie Verluste, entweder im Jahr ihrer Entstehung oder in einer Verteilung auf mehrere Jahre, auszugleichen sind. Diese Ermittlung der Einkünfte kann aber nicht Gegenstand eines DBA sein. Trotz der vorgenannten Bedenken ist es nicht gerechtfertigt, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. In dogmatischer Hinsicht ist zunächst zu beachten, daß eine Steuerpflicht durch eine Freistellung von Verlusten nicht begründet wird. Dies widerspräche den Regelungsinhalten der bisher abgeschlossenen DBA. Qualifiziert man die Wirkung der Freistellungsmethode als eine mit innerstaatlichen Befreiungsvorschriften vergleichbare Vorschrift, so setzt dies das Vorliegen steuerbarer Einkünfte voraus, deren tatbestandsmäßige Erfassung der inländischen Steuergesetzgebung obliegt. Stellt man ausländische Verluste von der Besteuerung frei und verschärft sich dabei die Steuerpflicht, so ist das lediglich eine Folge der bereits im Inland begründeten Steuerpflicht, die durch die Anwendung des DBA beeinflußt wird. Neue Steuertatbestände, und das ist entscheidend, werden jedenfalls nicht geschaffen. Nach der Ansicht Wassermeyers darf den DBA nicht die generelle Eignung abgesprochen werden, Steuererhöhungen zu begründen 335. Rechtlich 332
Wassermeyer in: Debatin /Wassermeyer, Art. 23 A Rdnr. 57. Freudling, A WD 1972, S. 287. 334 Freudling, A WD 1972, S. 287. 335 vgl. Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 23 A Rdnr. 57 mit Verweis auf Gloria, S. 61. 333
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gesehen, so Gloria, „könnten auch Regelungen geschaffen werden, die Steuerpflichten begründen oder bestehende ändern. Die Feststellung, daß DBA keine Steuerpflichten begründen, sagt also nichts über die rechtliche Möglichkeit hierzu aus und ist rein rechtstatsächlicher Art, bezogen auf die bisher abgeschlossenen DBA" 3 3 6 . Nach der derzeitigen Rechtslage darf allerdings der Freistellungsmethode in Anlehnung an Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA keine steuerbegründende Wirkung zukommen. Insbesondere wendet sich Vogel gegen die Wirkung abkommensrechtlicher Vorschriften, Steuererhöhungen durch Verlustfreistellung zu begründen 337. Baranowski sieht Vogels Auffassung aus innerstaatlicher Sicht als durchaus berechtigt an, verweist jedoch darauf, daß die „einschlägigen DBA-Regelungen darauf abzielen, das im ausländischen Vertragsstaat gelegene Steuergut als solches aus dem deutschen Steuerzugriff unter Tarifvorbehalt/Progressionsvorbehalt zu entlasten"338. Dabei versteht er unter dem Begriff Steuergut gleichfalls die im Ausland gelegene Steuerquelle339. Dies leitet er aus dem Erfordernis einer einheitlichen Behandlung von Einkünften und Vermögen her, die als Begriffe beide in Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA erwähnt sind. Daß auf diese Weise durch Steuerbefreiungen Steuererhöhungen bewirkt werden, steht dem Zweck der DBA nicht entgegen. Lediglich die Schaffung neuer Steuertatbestände wäre mit der Intention der bisherigen DBA unvereinbar. Obwohl auch Wassermeyer in der Frage der Verlustfreistellung der Rechtsprechung des BFH kritisch gegenübersteht, indem er argumentiert, daß die offizielle Kommentierung zu Art. 23 OECD-MA in Nr. 44 S. 6 zeige, daß die Abkommen das Problem nicht lösen wollen, der BFH aber das Problem mit Hilfe der Abkommen lösen will, wendet er ein, daß viele Abkommen340 von einem „Ausnehmen von der Bemessungsgrundlage" des Ansässigkeitsstaates sprechen. Diese Formulierung, so Wassermeyer, sei „für sich genommen geeignet, die BFH-Rechtsprechung zu stützen"341, „selbst wenn eine solche Formulierung mit dem Sinn und Zweck eines Abkommens kollidiert" 342 . Nimmt man bestimmte Einkunftsteile aus der Bemessungsgrundlage heraus, so bedeutet das, daß sämtliche Ertragskomponenten nicht Gegenstand der Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat sein können. Für eine Unterscheidung zwischen positiven und negativen Einkünften bietet diese Formulierung keinen Anhaltspunkt. Damit muß die Freistellung auch Verluste erfassen. Insoweit unterscheiden sich die DBA 336 337 338 339 340 341 342
Gloria, S. 61. Vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 73 (s.o.). Baranowski, S. 62. Ebd. Vgl. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Schweiz; Art. 23 Abs. 2 a) DBA-USA. Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 23 A Rdnr. 57. Ebd.
7 4 1 .
Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
auch vom OECD-MA, wonach gemäß Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA Einkünfte aus der Besteuerung herausgenommen werden. Die von Wassermeyer aufgeworfene Kritik an der Rechtsprechung des BFH ist insoweit überzeugend, als in der Tat Zweifel bestehen, ob die Rechtsprechung im Widerspruch zu der offiziellen Kommentierung steht. Allerdings ist diese Kommentierung nur als Auslegungshilfe 343 zu verstehen, die nicht das Recht zu einer eigenständigen, an dem Sinn eines DBA orientierten, Auslegung begrenzen. Der Umfang der Freistellung orientiert sich an dem Besteuerungsgegenstand des Quellenstaates. Wenn es bei der inländischen Freistellung um eine Reaktion zur Besteuerung im Quellenstaat geht, so folgt aus dem Wechselspiel zwischen der Besteuerung im Quellenstaat und der Freistellung im Ansässigkeitsstaat, daß für den Bereich ausländischer Betriebsstätten der Nettoertrag freigestellt wird. Die Berücksichtigung von Aufwendungen kann jedoch auch zu einem Verlust führen. Dann ist es grundsätzlich Sache des Quellenstaates, wie er diese Verluste behandelt. Friauf bezeichnet die Verlustfreistellung in diesem Sinne als „systemadäquate Folge davon, daß die Bundesrepublik Deutschland die Erträge der betroffenen ausländischen Einkunftsquelle überhaupt nicht in Anspruch nimmt, sondern sie dem anderen Staat überläßt" 344. Wenn die Einkommensteuer sowohl positive als auch negative Einkünfte in gleicher Weise umfaßt, muß auch die „in den Abkommen vorgenommene Aufteilung bipolar" 345 wirken. Letztlich entscheidend zur Bestimmung ist auch nach der offiziellen Kommentatur der Wille der Vertragsstaaten. Wenn diese in einigen Abkommen ausdrücklich formulieren, daß die freigestellten Einkünfte aus der Bemessungsgrundlage herauszunehmen sind, so bringen sie damit zum Ausdruck, daß sowohl positive als auch negative Erträge herauszunehmen sind. Der in dieser Formulierung zum Ausdruck kommende Wille der Vertragsstaaten muß Vorrang vor den Vorstellungen der OECD haben. Man könnte den Kritikern der BFH-Rechtsprechung Recht geben, wenn auf Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA abgestellt wird, worin nur von einem Ausnehmen von der Besteuerung gesprochen wird. Wenn aber die DBA formulieren, daß Einkünfte aus Quellen von der Bemessungsgrundlage ausgenommen werden, so liegt der Schluß nahe, daß dies eine Herausnahme von der sachlichen Steuerpflicht bedeutet346. 343 344 345 346
Vgl. BFH BStBl. II 1994, S. 218 ff. (219). Friauf, StuW 1985, S. 310. Friauf, StuW 1985, S. 310. Vgl. Mössner in: Vogel, DStJG Bd. 8, S. 153.
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In diese Richtung argumentiert auch Hellwig. Er mißt dem Willen der Vertragsparteien insoweit Bedeutung zu, daß Ziel eines Abkommens nur sei, „die doppelte Belastung (= Belastung durch Steuern) zu vermeiden" 347. Ziel sei es hingegen nicht, „eine mindestens ebenso hohe steuerliche Belastung zu gewährleisten, wie sie bei ausschließlich inländischen Einkünften bestehen würde" 348 . Die Art und Weise der Besteuerung wird jedem Vertragsstaat überlassen. „Wird in einem DBA mithin die Besteuerung von »Einkünften4 dem Wohnsitzstaat entzogen, so bedeutet dies zwischenstaatlich gesehen nur, daß dieser Staat die positiven Einkünfte nicht zur Besteuerungsgrundlage ziehen darf; denn dadurch - und nur dadurch würde dem Ziel des Abkommens widersprochen." 349 Bezüglich der negativen Einkünfte fehle es an einer Regelung. Daher stehe es „den zur Rechtsanwendung berufenen Organen der Vertragsstaaten frei, die in den zum innerstaatlichen Recht gewordenen Abkommen verwendeten Ausdrücke »Einkünfte 4 und »Gewinne4 entsprechend der nach innerstaatlichem Recht geltenden Definition auch im Sinne negativer Ergebnisse zu verstehen, da der Abkommenszusammenhang nichts anderes erfordert 44350. Eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, so Hellwig, weiteren Unsicherheiten und Ungereimtheiten 351.
führe nur zu
Für eine Verlustfreistellung spricht ferner das System des nationalen Rechts, in das die DBA-Normen eingebunden sind. In § 2 AIG, der Vorgängerregelung zu § 2a Abs. 3 und 4 EStG, führte der Gesetzgeber aus, daß die Möglichkeit, ausländische Verluste mit inländischen Einkünften auszugleichen, durch die Freistellung beschränkt wird 352 . Diese Sichtweise vertrat er auch bei Einführung des § 2a EStG („soll sichergestellt werden, daß auch in den Fällen, in denen die ausländischen Verluste nicht bereits auf Grund des DBA unberücksichtigt bleiben44353). Um allerdings potentielle Nachteile für die deutsche Außenwirtschaft durch die fehlende Verlustberücksichtigung zu vermeiden, sollten die Abzugsmöglichkeiten geschaffen werden. Damit müssen methodisch in einem vorgelagerten Schritt die Verluste freigestellt sein. Ob diese Regelung letztlich nur eine Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH darstellt oder nicht 354 , sie hat jedenfalls „das ursprüngliche Richterrecht in das Gesetzgebungsrecht aufge347
Hellwig, StbJb 1976/77, S. 435. Ebd. 349 Ebd. 350 Hellwig, StbJb 1976/77, S. 436. 351 Hellwig, StbJb 1976/77, S. 431. 352 Vgl. BT-Drucksache V/3890 S. 20. 353 BT-Drucksache IX/2074, S. 62. 354 Vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 83; Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 23 A Rdnr. 57. 348
7 6 1 .
Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
nommen und zementiert" 355. Für die Auslegung des Freistellungsgegenstandes dokumentiert diese Regelung den Willen des deutschen Gesetzgebers, daß auch Verluste erfaßt werden. Insgesamt stellt die deutsche Regelungssystematik „die von Art. 23 Nr. 44 S. 6 MK geforderte Lösung des Problems im innerstaatlichen Steuerrecht" 356 dar. Wenn es aber letztlich nur darauf ankommt, daß der Ansässigkeitsstaat seinen Steueranspruch nicht geltend macht, ist es durchaus konsequent, daß der Ansässigkeitsstaat „die Gesamtheit der Vorgänge, die mit der nicht seiner Zuständigkeit unterworfenen Steuerquelle verbunden sind, nicht in seinem Steuersystem berücksichtigt" 357. Mössner leitet daraus eine „Fragmentierung der Leistungsfähigkeit in territoriale Komponenten"358 her, die allerdings grundsätzlich durch die Abzugsmöglichkeit des § 2a Abs. 3 und 4 EStG wiederhergestellt wird 359 . An der Rechtsprechung des BFH, obwohl sie von der ganz überwiegenden Meinung „gleichsam als unangreifbares Dogma im internationalen Steuerrecht gesehen wird" 3 6 0 , ist im Ergebnis festzuhalten: Der abkommensrechtliche Zusammenhang läßt eine unterschiedliche Bestimmung des Einkünftebegriffs und der Folgen der Freistellung dieser Einkünfte nicht zu. Selbst wenn man dazu tendiert, den abkommensrechtlichen Zusammenhang außer Betracht zu lassen, so steht es dem nationalen Recht frei, Verluste unberücksichtigt zu lassen. Eine Befreiung auch der Verluste ist Folge der Befreiung durch das Zustimmungsgesetz zum DBA. Ungeachtet einer völkerrechtlichen Bindung der Staaten untereinander kann Deutschland als Vertragsstaat wirksam gegenüber inländischen Steuerpflichtigen sein nationales Verständnis hinsichtlich Befreiung und Vermeidung von Doppelbesteuerung in der nationalen Rechtsordnung umsetzen. Aus deutscher Sicht sprechen der Wille des Gesetzgebers und der Wille bei Vertragsschluß (Herausnahme der Einkünfte aus Quellen von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer) für eine Freistellung der Verluste. Durch die Abzugsmöglichkeit des § 2a Abs. 3 EStG wurde auch den von Vogel aufgezeigten Folgen der Freistellung im Hinblick auf die Besteuerung des Existenzminimums entgegengetreten. Die Problematik, die Vogel aufzeigt, verbleibt damit nur bei anderen als gewerblichen Einkünften 361. Es 355
Krabbe in: Vogel, DStJG Bd. 8, S. 83. 356 Ygi Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 23 A Rdnr. 57. 357 Mössner in: Wassermeyer, DStJG Bd. 17, S. 253. 358 Ebd. 359 Ebd. 360 Mössner in: Wassermeyer, DStJG Bd. 17, S. 250. 361 So auch Vogel, MünchSch 21, S. 12.
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
77
ist insoweit zutreffend, daß Vogel es als „nicht recht ersichtlich" 362 ansieht, daß die Abzugsmöglichkeit des § 2 AIG (§ 2 a Abs. 3 EStG) nicht auch in den anderen Fällen der Freistellung von Einkünften, beispielsweise bei Freiberuflern, gilt. Das StEntlG 1999/2000/2002 hat die Problematik jedoch wieder auf alle Einkunftsarten ausgedehnt.
b) Bedeutung des Progressionsvorbehalts Die Steuerfreiheit gilt jedoch nicht so ganz uneingeschränkt. Obwohl die Einkunftsquelle eigentlich aus der Besteuerung herausgenommen wird, steht sie unter einem Progressionsvorbehalt, § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG, Art. 23 A Abs. 3 OECD-MA. Die Vorschrift des § 32 b EStG wurde erst durch das EStRG vom 5.8.1974363 als „internrechtliche Grundlage für den Progressionsvorbehalt nach dem D B A " 3 6 4 eingefügt. Der Finanzausschuß des Bundestages erachtete es - in Anlehnung an die bisherige Verwaltungspraxis „aus Gründen der Rechtssicherheit als zweckmäßig, die Anwendung des Progressionsvorbehalts, der in Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vereinbart ist, im Gesetz zu regeln" 365 . Vor Einführung des Progressionsvorbehalts im EStG und in den DBA vertrat der BFH die Ansicht, daß steuerfreie Einkünfte, unabhängig ob sie positiv oder negativ waren, nicht zu berücksichtigen seien und sie deshalb „auch nicht die Bemessung der Einkommensteuer, auch nicht die Ermittlung des Steuertarifs, beeinflussen" 366. Schwierigkeiten bereitet die Frage des Verhältnisses zwischen dem abkommensrechtlichen Progressionsvorbehalt und § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG. Unter Berücksichtigung des § 2 AO ist der nationale Progressionsvorbehalt grundsätzlich deklaratorisch. Dies gilt jedoch nur hinsichtlich der Anordnung des Progressions Vorbehalts367. Im übrigen wirkt § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG konstitutiv, sofern eine bestehende steuerliche Rechtsfolge aufrecht erhalten wird 3 6 8 , wie dies bezüglich der Anwendung des besonderen Steuersatzes der Fall ist 3 6 9 . Es ist daher zwischen der Anordnung des Pro362
Vogel, BB 1983, S. 185. Vgl. BStBl. I 1974, S. 530 ff. (539). 364 Blümich/Krabbe, § 32b Rdnr. 2; vgl. Körber in: Dankmeyer/Giloy, § 32b Rdnr. 26; Schmidt/Heinicke, § 32b Rdnr. 15. 365 BT-Drucksache VII/2140, S. 20 (zu Nummer 42). 366 BFH BStBl. II 1983, S. 382ff. (384). 367 Vgl. BFH BStBl. II 1967, S. 88 f. (90); BFH BStBl. II 1967, S. 729 f. (730); BFH BStBl. II 1991, S. 136 ff. (138). 368 Vgl. BFH BStBl. II 1967, S. 88 f. (89). 363
7 8 1 .
Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
gressionsvorbehalts 370 zum Zwecke der Berücksichtigung von Einkünften als Bestandteil der Bemessungsgrundlage371 und der Anwendung des besonderen Steuersatzes als einer Anwendung nationaler Tarifvorschriften zu unterscheiden. § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG wirkt daher im Verhältnis zum Progressionsvorbehalt der DBA weitgehend konstitutiv, da mittlerweile alle deutschen DBA einen Progressionsvorbehalt kennen374 und dieser dann „wie auch in den Fällen, in denen das DBA ein Besteuerungsrecht einräumt, durch internes Recht ausgefüllt werden" 375 muß. Aus diesem Grund konnte der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen die Abkommen zum VZ 1996 die bisherige Schattenveranlagung durch eine Zu- und Abrechnung der abkommensrechtlich befreiten Einkünfte ersetzen376. Diese Sichtweise bewirkt auch, daß die Frage, ob das jeweilige DBA den Progressionsvorbehalt zwingend vorschreibt oder lediglich eine Ermächtigung einräumt, gegenstandslos ist, da die Berechnung des Steuersatzes durch das deutsche Einkommensteuerrecht vorgenommen wird 377 . Der Progressionsvorbehalt wirkt sich auf die Bemessungsgrundlage aus, indem auf das nach § 32 a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden ist. Dieser besondere Steuersatz ergibt sich über § 32 b Abs. 2 Nr. 3 EStG durch Einbeziehung der freigestellten ausländischen Einkünfte im Wege einer Vermehrung oder Verminderung des zu versteuernden Einkommens378. Der sich aus der Summe ergebende Steuersatz ist dann auf die nicht steuerbefreiten Einkünfte anzuwenden. Mit dem Progressionsvorbehalt verfolgt man die Idee, daß, wenn schon Teilbereiche der Leistungsfähigkeit aus der Besteuerung herausgenommen werden, zumindest der Steuersatz leistungsfähigkeitsorientiert berechnet werden soll. Der Progressionsvorbehalt bezweckt, „daß die Steuerbefreiung bestimmter Einkünfte oder Einkunftsteile nicht zugleich zu einer steuerlichen Entlastung der übrigen (steuerpflichtigen) Einkünfte dadurch führt, daß auf diese Einkünfte aufgrund der Minderung der Bemessungsgrundlage 369
Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (138). Vgl. Handzig/Hellwig, § 32b Rdnr. 43. 371 Vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 210. 372 Vgl. Handzig/Hellwig, § 32b Rdnr. 43. 373 Vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 210. 374 Vgl. Probst in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32b Anm. 27, insbesondere nunmehr auch das DBA-Italien. 375 Blümich/Krabbe, § 32b Rdnr. 30. 376 Vgl. Blümich/Krabbe, § 32b Rdnr. 30; Handzig/Hellwig in: Littmann/Bitz/ Hellwig, § 32b Rdnr. 43. 377 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (138). 378 Diese Form der Berechnung löste ab dem VZ 1996 die bisherige „Schattenveranlagung" ab und wirkt sich insbesondere auf die Verlustberücksichtigung nach § lOd EStG aus (vgl. Schmidt/Heinicke § 32b Rdnr. 2, 23). 370
D. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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ein geringerer (...) Steuersatz anzuwenden ist" 3 7 9 . Dem Steuerpflichtigem soll kein doppelter Vorteil dadurch entstehen, daß zum einen die betroffenen Einkünfte unversteuert bleiben und zum anderen für die restlichen steuerpflichtigen Einkünfte wegen der Tarifprogression ein niedrigerer Steuersatz anzuwenden ist. Durch die Anwendung des Progressionsvorbehalts wird gewährleistet, „daß die Besteuerung nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit, die in den meisten Staaten u.a. durch progressive Gestaltung des Steuertarifs bewirkt wird, trotz der Zu- und Aufteilung des Steuerguts auf mehrere Staaten erhalten bleibt, d. h. derjenige, der Einkünfte aus mehreren Staaten bezieht, soll nicht einem günstigeren oder ungünstigeren Steuersatz unterliegen als derjenige, der gleich hohe Einkünfte nur in ein und demselben Staat zu versteuern hat" 380 . Damit wirkt es sich auf den deutschen Steuersatz nicht aus, daß die Einkünfte aus verschiedenen Staaten stamw
381
men Die Berücksichtigung ausländischer Verluste erfolgt im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts 382. 4. Die abkommensrechtliche Anrechnungsmethode Als Alternative zur Freistellung eröffnet das OECD-MA in Art. 23 Β dem Ansässigkeitsstaat die Möglichkeit der Anrechnungsmethode. Bei der Vorgehensweise der Anrechnung gilt aus deutscher Sicht aufgrund der Verweisung in § 34c Abs. 6 S. 2 EStG die Anrechnungstechnik nach § 34c Abs. 1 S. 2, 3 und Abs. 2 EStG entsprechend. Konstitutive Bedeutung kommt § 34c Abs. 6 S. 2 EStG wegen § 2 AO dann zu, wenn das DBA nicht ausdrücklich auf die deutschen gesetzlichen Anrechnungsvorschriften 383
verweist . Nach Debatin besteht ein Unterschied zur Anrechnung gemäß innerstaatlichem Recht darin, daß die Steueranrechnung nach DBA auf die im Abkommen abgegrenzten Einkunftsarten, z.B. die Unterscheidung zwischen Zinsen und Dividenden, abstellt, die auch für die Steueranrechnung maßgebend sind 384 . Für jede dieser Einkunftsformen müsse eine gesonderte Anrechnung vorgenommen werden, während bei der Steueranrechnung 379
Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 110. BFH BStBl. II 1990, S. 906ff. (907); so auch schon BFH BStBl. II 1970, S. 755 ff. (757). 381 Vgl. Handzig/Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 32b Rdnr. 109; Körber in: Dankmeyer/Giloy, § 32 b Rdnr. 45 ff. 382 Vgl. BFH BStBl. 1970, S. 660ff. (661 f.). 383 Vgl. Kramer, IStR 1998, S. 15. 384 Vgl. Debatin in: Debatin/Wassermeyer, Systematik II Rdnr. 63 f. u. III Rdnr. 105. 380
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslands Verlusten
nach nationalem Recht alle aus dem ausländischen Staat erzielten Einkünfte zusammengefaßt werden. Dieser Auffassung ist der BFH nicht gefolgt. Nach seiner Ansicht sind als Ausdruck der in § 34c Abs. 1 S. 2 EStG und den DBA 3 8 5 niedergelegten „per-country-limitation" alle Einkünfte in die Berechnung des Höchstbetrages einzubeziehen386, sofern diese nicht freizustellen sind 387 . Einen weiteren Anwendungsfall der Anrechnungs- und Abzugsmethode nach unilateralem Recht regelt § 34c Abs. 6 S. 3 EStG. Bei Bestehen eines DBA sind Anrechnungs- und Abzugsmethode anzuwenden, wenn die Doppelbesteuerung durch die Regelungen des Abkommens nicht beseitigt wird oder das Abkommen sich nicht auf eine Steuer des ausländischen Staates bezieht. 5. Zusammenfassung Einkünfte werden, ob positiv oder negativ, durch die nach dem Zustimmungsgesetz im Inland wirksame abkommensrechtliche Freistellung von der inländischen Besteuerungsgrundlage herausgenommen. Mit Ausnahme der Berücksichtigung beim Steuersatz sind sie nicht Gegenstand der inländischen Besteuerung. Unter Berücksichtigung des Kriteriums einer einheitlichen Behandlung im Quellen- und im Ansässigkeitsstaat ist das Ergebnis unbefriedigend, da aus der Sicht des Ansässigkeitsstaats nur das befreit wird, was andererseits der Quellenstaat seiner Besteuerung unterwirft. Somit ist jede steuerrechtlich relevante Tätigkeit unterschiedlich zu beurteilen. Aber nur auf diese Weise ist sichergestellt, daß der jeweilige Vorgang nur einmal der Besteuerung zugrunde gelegt wird. Das gefundene Ergebnis ist aber zwingende Konsequenz der Existenz von DBA bei unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen. Wäre es das Ziel der Vertragsstaaten, Qualifikationsprobleme zu vermeiden, „dann müßten sie sich (überspitzt formuliert) auf ein gemeinsames EStG, KStG, VStG und GewStG einigen und dies in das DBA hineinschreiben" 388. Im übrigen würde eine inkongruente Auslegung zwischen den Verteilungs- und Vermeidungsnormen nicht nur zu unvermeidbaren Doppelbesteuerungen, sondern auch zu einer Vielzahl von Verständigungsverfahren führen 389. 385
Im zu entscheidenden Fall des BFH war es das DBA-Schweiz. Vgl. BFH BStBl. II 1996, S. 261 ff. (263 f.); zustimmend Blümich/Wied, § 34 c Rdnr. 122. 387 Vgl. Blümich/Wied, § 34c Rdnr. 123. 388 Wassermeyer, StuW 1990, S. 409. 389 Vgl. Kraft/Kraft in: FS für H. Debatin, S. 247. 386
E. Die Bedeutung des § 3 c EStG
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E. Die Bedeutung des § 3c EStG im Zusammenhang mit der Freistellungsmethode Die Wirkung der Freistellungsmethode hat gezeigt, daß vieles dafür spricht, sie mit Wassermeyer als sachliche Steuerbefreiungsvorschrift zu qualifizieren. Damit ist aus Sicht des innerstaatlichen Rechts zu fragen, in welchem Verhältnis die abkommensrechtliche Freistellung zu Steuerbefreiungen nach nationalem Recht steht. Konsequenzen hat das Konkurrenzverhältnis hinsichtlich der Anwendung des § 3 c EStG. Nach § 3c EStG werden Ausgaben, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zugelassen. Die Regelung dieses beschränkten Abzugsverbotes wurde durch den Art. 1 Nr. 3 des StÄndG 1958 eingefügt 390. Aus dem Regierungsentwurf des Jahres 1958 ist ersichtlich, daß mit der Einführung der Vorschrift kein neues materielles Recht gesetzt werden sollte, sondern sich seine Existenz in einer lediglich klarstellenden Funktion erschöpft 391. Damit bestätigt das beschränkte Abzugs verbot „nur einen von der Rechtsprechung herausgearbeiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auf dem Gedanken beruht, daß bei steuerfreien Einnahmen kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug damit unmittelbar zusammenhängender Aufwendungen erzielt werden soll" 392 . Als eine Regelung der sachlichen Steuerpflicht schränkt sie die in den §§9 und 4 Abs. 4 EStG angeordnete Abzugsfähigkeit von Werbungskosten und Betriebsausgaben ein 393 . Nicht abziehbar sind nach § 3c EStG jedoch nur Ausgaben, die im unmittelbaren Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Nur mittelbar mit den steuerfreien Einnahmen zusammenhängende Aufwendungen bleiben danach uneingeschränkt abzugsfähig. Die Stellung des § 3c EStG im System der Besteuerung von Auslandseinkünften soll am Beispiel der Schachteldividenden und der gescheiterten Gründung ausländischer Betriebsstätten aufgezeigt werden.
390
Vgl. BGBl. I 1958, S. 473 ff. (476). Vgl. BT-Drucksache III/260, S. 50 zu Art. 1 Ziff. 2. 392 Schmidt/Heinicke, § 3c Rdnr. 1; vgl. Boochs in: Dankmeyer/Giloy, § 3c Rdnr. 1; Blümich/Erhard, § 3c Rdnr. 1; Jacobs, S. 695; vgl zur Entstehung der Vorschrift v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn, § 3c Anm. A30ff. 393 Ygi v Beckerath in: Kirchhof/Söhn, § 3c Anm. A l und A2; Boochs in: Dankmeyer/Giloy, § 3c Rdnr. 17; Blümich/Erhard, § 3c Rdnr. 6. 391
6 Wilk
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
I. „Verluste" bei Schachteldividenden In den letzten Jahren hat die Frage der Anwendbarkeit des § 3 c EStG im Zusammenhang mit Schachteldividenden für umfangreiche Diskussionen gesorgt. Zentrale Frage war, ob und in welcher Höhe Schuldzinsen bei der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens abgezogen werden können, die mit dem Erwerb einer Schachtelbeteiligung im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen394. Aus der Sicht des abkommensrechtlichen Einkünftebegriffs ist die Streitfrage insofern von Bedeutung, als die Anwendung des § 3c EStG maßgeblich von der Bestimmung des Freistellungsgegenstandes abhängt. Die Kontroverse gibt Aufschluß über das Verständnis der Anwendung des § 3c EStG im Zusammenhang mit dem Methodenartikel des OECD-MA. Durch grundlegende Entscheidungen des BFH 3 9 5 dürfte die Problematik de lege lata in der Praxis geklärt sein 396 . Der Streitfrage liegt folgende Konstellation zugrunde: Eine inländische Muttergesellschaft ist als Kapitalgesellschaft mit mehr als 10% an einer ausländischen Tochtergesellschaft, die ebenfalls in Form einer Kapitalgesellschaft betrieben wird, beteiligt. Die Tochtergesellschaft zahlt an die Muttergesellschaft Dividenden aus. Für die Besteuerung von Dividenden regelt das OECD-MA, daß nach Art. 10 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht dem Staat zusteht, an dem der Zahlungsempfänger (die inländische Muttergesellschaft) ansässig ist. Nach Art. 10 Abs. 2 a) OECD-MA steht aber auch dem Quellenstaat (Staat der ausländischen Tochtergesellschaft) das Besteuerungsrecht zu, sofern der Nutzungsberechtigte der Dividende (die inländische Muttergesellschaft) eine Kapitalgesellschaft ist 3 9 7 und über mindestens 25 v.H. des Kapitals der die Dividenden zahlenden Tochtergesellschaft verfügt (sog. Schachtelbeteiligung). Die Doppelbesteuerung bei der inländischen Muttergesellschaft wird dadurch vermieden, daß der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft die im Quellenstaat erhobenen Steuern nach Art. 23 A und Art. 23 Β OECD394
Vgl. Kraft/Kraft in FS für H. Debatin, S. 235. Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 57ff.; BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. 396 Zu Gesetzes Vorschlägen im Bereich dieser Problematik vgl. die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates vom 23.5.1995 in: BR-Drucksache 171/2/95; Wassermeyer, DB 1998, S. 642ff. 397 Soweit die Erträge aus der Beteiligung der Muttergesellschaft zufließen, die in der Rechtsform der Personengesellschaft tätig ist, gehören sie im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht zum Gewinnanteil des einzelnen Gesellschafters. In der Regel wird dann die ausländische Kapitalertragssteuer gemäß § 34 c Abs. 6 EStG i.V.m. § 34c Abs. 1, 2 EStG angerechnet oder vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (vgl. hierzu auch Art. 23 A Abs. 2 OECD-MA). 395
E. Die Bedeutung des § 3c EStG
83
MA anrechnet. Abweichend vom OECD-MA sieht die deutsche Abkommenspraxis auch die Freistellung der Dividenden im Ansässigkeitsstaat vor 398 . Die nationalen (unilateralen) Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung der Doppelbesteuerung für den Bereich der Körperschaften regelt § 26 KStG 399 . Ist jedoch auf den Sachverhalt ein DBA anzuwenden, so ist § 26 KStG insoweit subsidiär 400. Die Rechtslage entspricht dem Verhältnis zwischen § 34 c EStG und einem DBA. Nach der deutschen Abkommenspraxis greift die Freistellung bei Schachtelbeteiligungen in Anlehnung an das OECD-MA nur bei einer Mindestbeteiligungsquote der inländischen Muttergesellschaft von 25 % ein. Der nationale Gesetzgeber hat aber in § 8b Abs. 5 KStG die Mindestbeteiligung auf 10% herabgesetzt. Für die vorbezeichnete Konstellation hat das zur Folge, daß die Dividendenzahlungen bei der deutschen Muttergesellschaft steuerbefreit sind. Der gesetzgeberische Zweck der Freistellung ausländischer Schachteldividenden liegt darin, daß zunächst der „Mehrfachbesteuerung dieser Erträge in der Hand von Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern begegnet" 401 werden soll. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, „daß Direktinvestitionen im Ausland meistens auf die Rechtsform der Kapitalgesellschaften angewiesen sind, eine steuerliche Gleichbehandlung wesentlicher Auslandsbeteiligung mit Betriebsstätten also unausweichlich ist" 4 0 2 . Wirtschaftspolitisch bezweckt die Regelung, daß Deutschland als Standort von Holding-Gesellschaften attraktiver wird 403 . Auf diese Weise wird der Gesetzgeber dem Bedürfnis des Hochsteuerlandes Deutschland404 gerecht, da „deutsche Auslandsinvestoren (...) ohne Chancen (wären), wenn sie den internationalen Wettbewerb zu deutschem Steuerniveau bestehen wollten" 405 . Als Folge der Freistellung gehören nämlich die Dividendenausschüttungen der ausländischen Tochtergesellschaft bei der deutschen Muttergesellschaft nicht zum Einkommen und werden nicht mit deutscher Körperschaftsteuer belastet. Wegen des linearen Steuersatzes im Körper398
Vgl. die Abkommensübersicht in Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 98. Abs. 1 regelt den Fall, daß die Körperschaft im Ausland selbst Erträge erzielt hat (direkte Steueranrechnung), Abs. 2 beinhaltet die indirekte Steueranrechnung bei ausländischen Tochtergesellschaften, Abs. 2 a entwickelt Abs. 2 im EU-Bereich fort und Abs. 3 trifft eine Sonderregelung für Entwicklungsländer. 400 Vgl. Streck, § 26 Rdnr. 1. 401 Ritter, BB 1994, S. 509. 402 Ebd. 403 Vgl. Krabbe, DB 1994, S. 244. 404 Vgl. Ritter, BB 1994, S. 509. 405 Ritter, BB 1994, S. 509. 399
6*
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslands Verlusten
schaftsteuerrecht besteht auch keine Auswirkung auf dessen Höhe. Dadurch wird eine doppelte Belastung mit Körperschaftsteuer im zwischenstaatlichen Bereich vermieden. Ungeklärt war bisher jedoch, welche Reichweite der Freistellung in dieser Konstellation zukommt. Ausgangspunkt war ein Beschluß des FG Baden-Württemberg 406. Das FG vertrat die Auffassung, daß bestimmte Aufwendungen (Zinsen, Bereitstellungsprovisionen, Wechselverluste, Teilwertabschreibungen) nicht als Betriebsausgaben bei den inländischen Einkünften zu berücksichtigen seien. Grundlage der Entscheidung war, daß nach dem einschlägigen DBA nicht die Dividendeneinnahmen, sondern die Dividendeneinkünfte freigestellt werden. Leider stützte das Gericht seine Entscheidung hilfsweise auf eine analoge Anwendung des § 3c EStG. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Entscheidung in dogmatischer Hinsicht nur von eingeschränktem Nutzen. Krabbe schließt sich in Fortführung seiner bereits dargestellten Sichtweise der Auffassung hinsichtlich der Befreiung von Nettoerträgen an und stellt fest, daß das DBA-Schachtelprivileg sich „stets auf die Einkünfte aus Dividenden, nicht auf die Dividendeneinnahmen"407 erstreckt 408. Zwar fänden sich in den DBAs keine Regelungen, wie die Einkünfte zu ermitteln sind, dies ergebe sich nach der Auffassung Krabbes aus allgemeinen Grundsätzen. Dementsprechend seien zur Ermittlung des steuerfreien Betrages alle Betriebsausgaben anzusetzen, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit den Einnahmen stünden409. Die sich daraus ergebende Konsequenz, daß damit die Betriebsausgaben völlig unberücksichtigt bleiben, folge zwangsläufig aus der Freistellung 410. Im übrigen könne auch die im Ausland gezahlte Kapitalertragssteuer nicht bei der deutschen Besteuerung der Kapitalgesellschaft berücksichtigt werden. Des weiteren argumentiert Krabbe, es liege nahe, „den Gedanken, daß im Rahmen einer Einkommen- oder Körperschaftsteuer Einkünfte, nicht aber Einnahmen besteuert werden, auch für den Bereich der Freistellungsmethode nutzbar zu machen"411. Ausdrücke wie Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren bezeichnen daher nach seiner Auffassung den Betrag, „mit dem sie nach nationalem Recht in die Bemessungsgrundlage der Steuer eingehen"412. Zur 406
Vgl. FG Baden-Württemberg, Beschluß vom 8.4.1991 - 3 V 27/90 - , in: IStR 1993, 73 f. 407 Krabbe, FR 1984, S. 473. 408 Vgl. auch Dahnke, IStR 1993, S. 466. 409 Vgl. Krabbe, FR 1984, S. 473. 410 So auch Wingert/Krause, S. 23. 411 Krabbe, IStR 1996, S. 387. 4,2 Ebd.
E. Die Bedeutung des § 3c EStG
85
Begründung führt er an, daß ein Steuerabzug im Sinne einer Quellensteuer keinesfalls zwingend sei. Den Vertragsstaaten stehe es frei, Einkünfte auch mittels einer Veranlagung unter Zugrundelegung des Nettobetrages zu besteuern413. Ein einheitliches Verständnis des abkommensrechtlichen Einkünftebegriffs vermeide auch die „Schwierigkeit, wenn nicht die Unmöglichkeit, aus dem Abkommen heraus jeweils für die einzelnen Abkommensarten im Sinne des Abkommens zu bestimmen, ob die Einkünfte oder Einnahmen freigestellt sind" 414 . Das Bundesfinanzministerium hat in einem Entwurf eines Schreibens Anfang 1994 den Betriebsausgabenabzug nach §§8 KStG, 3 c EStG untersagt, aber offen gelassen, ob nach DBA die Einkünfte als Ergebnis der Einkunftsabgrenzung oder die Einnahmen von der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind 415 . Nachdem die Erörterungen zu keinem Ergebnis kamen, beabsichtigte man, die anhängigen Revisionsverfahren beim BFH abzuwarf
416
ten Die Finanzverwaltung hat sich zum Teil dieser Auffassung angeschlossen. So verfügten die Oberfinanzdirektionen der Länder Baden-Württemberg, Bremen und Rheinland-Pfalz in einem Schreiben zur Zuordnung von Betriebsausgaben zu Schachteldividenden und zu ausländischen Einkünften, die Einkünfte nach „allgemeinen einkommensteuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften für jede Schachtelbeteiligung einzeln zu ermitteln" 417 . Daraus folgt, daß „aufgrund des Begriffs »Einkünfte 4 - der nicht mit dem Begriff ,Einnahmen4 gleichgesetzt werden kann - (...) klargestellt (wird), daß der Reinertrag" 418 aus der im Ausland belegenen Quelle freigestellt werde. Als Rechtsgrundlage für das Saldierungsgebot geben die Oberfinanzdirektionen den "jeweiligen Artikel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung" 419 an. Gegen die Auffassung der Finanzbehörden wird eingewendet, daß bei der Auslegung eines DBA Wortlaut und Definitionen sowie der Sinn- und 413
Vgl. Krabbe, IStR 1996, S. 387. Krabbe, IStR 1996, S. 388. 415 Vgl. zum Inhalt des Entwurfs: BMF: Betriebsausgaben bei Schachteldividenden in: IStR Beihefter 3/1994, S. lf. 416 Vgl. Förster, IStR 1995, S. 191. 4,7 OFD Freiburg, OFD Stuttgart und OFD Karlsruhe jeweils vom 24.2.1995 in: IStR 1995, S. 190f. (190); OFD Bremen vom 21.3.1995 in: FR 1995, S. 521 f. (521); OFD Koblenz vom 4.4.1995 in: Der Wirtschaftsprüfer 1995, S. 349f. (349). 418 OFD Freiburg, OFD Stuttgart u. OFD Karlsruhe jeweils vom 24.2.1995 in: IStR 1995, S. 190f. (190); OFD Bremen vom 21.3.1995 in: FR 1995, S. 521 f. (521); OFD Koblenz vom 4.4.1995 in: Der Wirtschaftsprüfer 1995, S. 349f. (349). 419 OFD Freiburg, OFD Stuttgart u. OFD Karlsruhe in: IStR 1995, S. 190f. (190); OFD Bremen vom 21.3.1995 in: FR 1995, S. 521 f. (522); OFD Koblenz vom 4.4.1995 in: Der Wirtschaftsprüfer 1995, S. 349f. (349). 414
8 6 1 .
Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Vorschriftenzusammenhang innerhalb des DBA der Begriffsbestimmung des innerstaatlichen Rechts vorgehen 420. Wie bereits festgestellt werden konnte, ist der Begriff „Einkünfte" häufig nur eine Übersetzung eines ausländischen Terminus und kann nicht ohne weiteres dem inländischen Einkünftebegriff gleichgestellt werden. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, daß ein Dividendenschuldner keine Nettoeinkünfte, sondern nur Bruttobeträge an seinen Gläubiger, die inländische Muttergesellschaft, zahlen kann 421 . Da somit die Dividenden „keine negativen Ertragskomponenten enthalten, können letztere durch eine Schachtelbefreiung auch nicht von der inländischen Besteuerung ausgeschlossen werden" 422. Daraus resultiere zwangsläufig, daß die Freistellung der Dividenden sich auf die Dividendeneinnahmen und nicht auf den Nettobetrag der Beteiligungseinkünfte bezieht423. Dies stimme mit der „weltweit einheitlichen Handhabung, bei der die Quellensteuer auf die Einnahmen und nicht auf die Nettobeträge erhoben wird" 4 2 4 überein. Rose wies schon in den sechziger Jahren darauf hin, daß die Schachtelprivilegien ein „Instrument zur Vermeidung wirtschaftlich sinnloser und unerwünschter Drei- und Mehrfachbelastungen"425 seien. Bei ihnen handele es sich unter Berücksichtigung dieses Zwecks „um eine ausgesprochene Brutto-Befreiung; es geht ihnen nicht darum, Erträgnisse oder Vermögensteile ganz von der Besteuerung herauszunehmen, sondern nur darum, die mehrfache Belastung derselben Gewinne oder Werte zu verhindern" 426. Da es nach dieser Ansicht im Ansässigkeitsstaat somit nur zu einer Freistellung der Einnahmen nach deutschem Verständnis kommen kann, ist § 3c EStG anzuwenden. Folge der Anwendung des § 3c EStG ist, „daß sich bei ausländischen Schachtelbeteiligungen keine »negativen Einkünfte 4 ergeben und die Freistellung ebensowenig wie bei inländischen Kapitalbeteiligungen in einen Nachteil umschlagen kann" 427 . Für den Gesetzgeber bestand deshalb auch keine Veranlassung, ausländische Schachtelbeteiligungen in § 2 AIG, der Vorläuferregelung des heutigen § 2a Abs. 3 und 4 EStG, einzubeziehen428.
420 Vgl. Förster, DStZ 1994, S. 643 in Anlehnung an Wassermeyer, IStR 1992, S. 74 und BFH BStBl. II 1990, S. 906ff. (907). 421 Vgl. Förster, DStZ 1994, S. 643; Kraft/Kraft in: FS für H. Debatin, S. 248. 422 Jacobs, S. 397. 423 Ebd. 424 Förster, DStZ 1994, S. 643. 425 Rose, StbJB 1965/66, S. 278. 426 Rose, StbJB 1965/66, S. 279. 427 Ritter, BB 1994, S. 510. 428 Förster, DStZ 1994, S. 644f.; Ritter, BB 1994, S. 510.
E. Die Bedeutung des § 3c EStG
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Der BFH beendete diese Diskussionen und Schloß sich der letztgenannten Auffassung an 429 . Er sieht den Einkünftebegriff im Methodenartikel als Oberbegriff an und entscheidet je nach abkommensrechtlicher Einkunftsart, ob die Freistellung Brutto- oder Nettoerträge erfaßt 430. Auf den Begriff der Dividenden übertragen, kommt er zu dem Schluß, daß unter dem abkommensrechtlichen Ausdruck „Dividende" Einnahmen nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG oder Einnahmen im Sinne des § 8 Abs. 1 EStG zu verstehen sind. In Ermangelung einer Definition im jeweiligen DBA, stützt er sein Ergebnis auf den allgemeinen Sprachgebrauch, sowie auf die abkommensrechtlich übliche Auslegung des Dividendenbegriffs und eine abkommensrechtliche Gleichbehandlung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren. Der Vorgehensweise des BFH ist unter dem Blickwinkel der abkommensrechtlich gängigen Auslegung zuzustimmen. Sofern er sein Ergebnis mit dem allgemeinen Sprachgebrauch oder dem Vergleich zu Lizenzgebühren begründet, kann dies allerdings nicht überzeugen. Die Bedeutung des allgemeinen Sprachgebrauchs darf wegen des Übersetzungscharakters abkommensrechtlicher Vorschriften kein durchschlagendes Argument sein. Ein Vergleich mit der Definition von Lizenzgebühren kann streng genommen auch nicht weiterführen, da diese Definition sowohl in dem vom BFH zitierten Art. VIII Abs. 3 DBA-USA 1954/1966 als auch in der Definition in Art. 12 Abs. 2 OECD-MA maßgeblich auf „Vergütungen" abstellt. Für die zu entscheidende Streitfrage der Reichweite der Freistellung auf Bruttooder Nettobeträge führt dies lediglich zu einer Verlagerung der Problematik: Zu klären ist, was eigentlich Vergütungen sind. Überzeugend ist aber die Auslegung des Begriffs anhand des Besteuerungsrechts des Quellenstaates. Bezieht sich dessen Besteuerungsrecht auf die Bruttoerträge, so sind nach Ansicht des BFH nur diese Gegenstand der Freistellung. Auch wenn der jeweils anzuwendende Methodenartikel von „Einkünften aus Dividenden" spricht, lasse sich das nicht dahingehend werten, daß der Ausdruck Dividende als Nettobetrag zu verstehen sei. Die Formulierung „Einkünfte aus Dividenden" diene der Umschreibung einer aus dem Quellenstaat stammenden Einkunftsquelle. „Tatsächlich bezeichnet jedoch der Ausdruck »Dividende4 keine Quelle, sondern nur die Einnahmen aus einer Quelle" 431 . Damit korrespondieren die Vorschriften über die Besteuerung im Quellenstaat, die wie Art. 10 Abs. 2 a), b) OECD-MA, regelmäßig von einem Bruttobetrag der Dividende sprechen. Dieser Ausdruck besagt nach Ansicht des BFH nur, „daß es sich um einen Betrag vor 429 Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 57ff.; BFH BStBl. II 1997, S. 60ff.; BFH BStBl. II 1997, S. 63 ff. 430 Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 57ff. (58f.); BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. (61); BFH BStBl. II 1997, S. 63 ff. (65). 431 BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. (62).
8 8 1 .
Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Abzug von Quellensteuern handelt" 432 . Damit sei „der Ausdruck »Einkünfte aus Dividenden' ein Widerspruch in sich" 433 . Die unterschiedliche Formulierung, Dividende und Bruttobetrag der Dividende, ist aber nach der Rechtsprechung ohne Relevanz für eine Differenzierung zwischen Netto- und Bruttoerträgen 434. Eine Auslegung des Einkünftebegriffs anhand der Besteuerung im Quellenstaat entspricht dem von Wassermeyer betonten Grundsatz, daß die DBA sich mit der spiegelbildlichen Behandlung der in dem einen Vertragsstaat zu besteuernden und der im anderen Vertragsstaat freizustellenden Einkünfte (Einnahmen) begnügen435, die abziehbaren Aufwendungen im einzelnen aber nicht regeln. Sind daher nach der Freistellungsmethode die Einnahmen im Sinne des deutschen Steuerrechts als Bruttoerträge befreit, ist der Anwendungsbereich des § 3c EStG eröffnet 436. Mit dem StEntlG 1999/2000/2002 hat der Gesetzgeber § 8b Abs. 7 KStG eingeführt. Nach dieser Neuregelung gelten 15 % aller freigestellten Gewinnausschüttungen ausländischer Tochtergesellschaften für die Anwendung des § 3c EStG als nichtabziehbare Betriebsausgaben. Die nichtabziehbaren Betriebsausgaben werden technisch außerhalb der Bilanz hinzugerechnet. Auf diese Weise wird zwar die Steuerbelastung erhöht und damit die Steuerfreiheit faktisch eingeschränkt, systematisch bleibt allerdings die Steuerfreiheit der Dividenden als Einnahmen erhalten.
432
Ebd. Ebd. 434 Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 63 ff. (66). 435 Wassermeyer, IStR 1992, S. 74. 436 Vgl. BFH BStBl. II 1997, S. 57ff. (59f.); BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. (62f.); BFH BStBl. II 1997, S. 63ff. (67f.); v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn, § 3c Anm. Β 145; eine fiskalisch unerwünschte Folge der Anwendung des § 3c EStG ist jedoch, daß, um einen möglichst vollständigen Abzug von Schuldzinsen zu erreichen, die Ausschüttungspolitik der ausländischen Tochter so zu gestalten ist, daß die Gewinne auf der Ebene der Tochtergesellschaft angesammelt und erst nach Tilgung der Schuldzinsen ausgeschüttet werden (sog. „Ballooning" oder „ballooning concept"; vgl. mit Beispiel: Jacobs, S. 696; Kraft/Kraft in FS für H. Debatin, S. 244 f. m.w.N.). § 3c EStG beschränkt - wegen des Erfordernisses des unmittelbaren Zusammenhangs - die Abzugsmöglichkeit auf die Aufwendungen (Schuldzinsen), die die steuerfreien Einnahmen übersteigen. Liegen steuerfreie Einnahmen in den Jahren der Erbringung der Zinsaufwendungen nicht vor, folgt daraus, daß, da § 3c EStG nicht eingreift, die Schuldzinsen vollständig abziehbar sind. Damit können bei fehlenden Ausschüttungen die gesamten Refinanzierungskosten als Betriebsausgaben geltend gemacht werden (vgl. Jacobs, S. 696). 433
E. Die Bedeutung des § 3c EStG
89
II. Behandlung gescheiterter Betriebsstättengründungen in DBA-Ländern Ein weiterer Problemkreis mit Auslandsbezug, in dem die Anwendung des § 3 c EStG diskutiert wird, ist der Fall der gescheiterten Betriebsstättengründung in einem DBA-Land. Beabsichtigt ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger im Ausland eine Betriebsstätte zu gründen, so entstehen Aufwendungen. Diese fallen mangels einer ausländischen Betriebsstätte noch im inländischen Stammhaus an und sind dort zu verbuchen. Kommt es zur Errichtung der Betriebsstätte, müssen die Aufwendungen umgebucht werden. Kann das Vorhaben nicht verwirklicht werden, beispielsweise aus mangelnder Liquidität oder wegen fehlender Genehmigungen, scheitert die Betriebsstättengründung. Man ist geneigt, den Abzug bei der inländischen Besteuerung zu untersagen, da nach Art. 23 A OECD-MA Einkünfte aus der Besteuerung herauszunehmen sind. Der Einkünftebegriff müsse sich an Art. 7 OECD-MA orientieren, wonach der Quellenstaat das Besteuerungsrecht für Unternehmensgewinne behält. Wie bereits festgestellt werden konnte, ist der Einkünftebegriff im Zusammenhang mit Erträgen aus ausländischen Betriebsstätten stets als Nettobetrag zu definieren. Das Problem der Behandlung von Aufwendungen für gescheiterte Auslandsinvestitionen besteht aber darin, daß eine Besteuerung im Quellenstaat und, korrespondierend dazu, eine Befreiung im Ansässigkeitsstaat das Vorliegen einer Betriebsstätte verlangt. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA definiert den Begriff der Betriebsstätte als „feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird". Davon kann jedoch bei einer gescheiterten Betriebsstättengründung gerade nicht gesprochen werden. Einen mit der gescheiterten Betriebsstättengründung in einem DBA-Land vergleichbaren Fall hatte der BFH im Jahr 1973 zu entscheiden. Ein beschränkt Steuerpflichtiger beabsichtigte die Errichtung einer Betriebsstätte im Ausland. Das Vorhaben scheiterte jedoch. § 3c EStG war nach Auffassung des BFH nicht anwendbar, da Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht steuerfrei, sondern schon nicht steuerbar seien437. Zur Behandlung der Aufwendungen entschied der BFH, daß derartige Ausgaben, „die vor der Aufnahme der Berufstätigkeit gemacht werden, die also vorbereitenden Charakter haben, (...) nur nach den Einkünften beurteilt werden (können), zu deren Erzielung sie erbracht werden" 438 . Für die Beurteilung der Aufwendungen seien 437 438
Vgl. BFH BStBl. II 1973, S. 732 f. (733). BFH BStBl. II 1973, S. 732f. (733).
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslands Verlusten
also die nach Aufnahme der steuerbaren Tätigkeit gegebenen steuerlichen Verhältnisse maßgebend439. Die Funktion des § 3c EStG, dessen Anwendung es nach Ansicht des BFH in dem von ihm zu entscheidenden Fall nicht bedurfte, liege darin, daß diese Grundsätze auch auf Aufwendungen ausgedehnt werde, „die zwar nicht im Zusammenhang mit an sich steuerbaren, wohl aber in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit im Einzelfall steuerfreien Einnahmen stehen"440. Die Aussage des BFH hinsichtlich des vorbereitenden Charakters der Aufwendungen übertrug das FG Düsseldorf auf den DBA-Fall 441 . Nach dieser Entscheidung können auch bei Anwendung eines DBA vorbereitende Aufwendungen im Inland nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden; „denn solche liegen nur vor, wenn Ausgaben im Rahmen einer von der inländischen Besteuerung erfaßten Einkunftsart anfallen" 442. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH sieht auch das FG Düsseldorf die nach Aufnahme der Tätigkeit gegebenen Verhältnisse als maßgebend an 4 4 3 , die Einkünfte seien jedoch im Inland nicht steuerbar. Ohne den Abschluß eines DBA oder bei mangelnder Geltung des DBA wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot seien aber derartige Betriebsausgaben zu berücksichti„ 4 4 4
gen . Das FG Münster folgt ebenfalls dieser Tendenz und entschied, daß „Aufwendungen im Hinblick auf die von der inländischen Besteuerung befreiten Einnahmen (...) dieselbe rechtliche Behandlung erfahren (müssen) wie die Einkünfte, zu deren Erzielung sie erbracht werden" 445 . Unter Bezugnahme auf die vorgenannte Rechtsprechung des BFH seien „die bei der geplanten Durchführung gegebenen Verhältnisse" 446 entscheidend. Diese Grundsätze hielt der BFH in seiner umstrittenen „Spanien-Entscheidung"447 aufrecht. Soweit ersichtlich, ist dies die einzige Entscheidung, in der der BFH unmittelbar zum Problem der steuerlichen Behandlung gescheiterter Betriebsstätten im Ausland Stellung nimmt. Das Bemerkenswerte des Urteils ist, daß § 3c EStG angewendet wird 448 . Grund439
Vgl. BFH BStBl. II 1973, S. 732f. (733). Ebd. 441 Vgl. FG Düsseldorf in: EFG 1977, S. 548 untere Bezugnahme auf BFH BStBl. II 1973, S. 732f. 442 FG Düsseldorf in: EFG 1977, S. 548. 443 Ebd. 444 So in dem vom FG Düsseldorf zu entscheidenden Fall, vgl. FG Düsseldorf in: EFG, 1977, S. 548 a.E. 445 FG Münster in: EFG 1983, S. 239f. (240). 446 Ebd. 447 Münch, StBp 1995, S. 55. 448 Vgl. BFH BStBl. II 1983, S. 566ff. (569). 440
E. Die Bedeutung des § 3c EStG
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sätzlich stünden, so der BFH, dem Abzug die Regeln des Doppelbesteuerungsrechts entgegen449. Ein besonderes Problem entstehe aber dadurch, daß die Verluste nicht in einer ausländischen Betriebsstätte entstanden seien. Bei einer geplanten Tätigkeit im Ausland fehle es in der Regel an dem Erfordernis einer Betriebsstätte, wenn sich die Investitionstätigkeit am Anfang befinde. Deshalb scheide mangels Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 5 DBA-Spanien (entspricht mit geringfügigen Abweichungen dem Art. 5 OECD-MA) eine Freistellung aus. Der BFH stellt nun aber fest, daß derartige Investitionen zu den „vorbereitenden Aufwendungen" 450 gehörten. Diese Ausgaben seien wegen § 3c EStG nicht abziehbar, da das Abzugsverbot auch dann anwendbar sei, wenn steuerfreie Einnahmen im Veranlagungszeitpunkt nicht vorlägen, sondern erst in späteren Zeiträumen zu erwarten seien. Wenn Einnahmen, die aus einer noch zu errichtenden Betriebsstätte im Ausland zukünftig erzielt werden sollen und nach DBA-Recht nicht der deutschen Besteuerung unterliegen, so „können auch die hierfür geleisteten vorbereitenden Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden" 451. In der Zweckbestimmung der Aufwendungen, die in der Erzielung steuerfreier Einnahmen bestehe, sieht der BFH auch den für die Anwendung des § 3c EStG erforderlichen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang452. Anzumerken ist, daß, nach der für das Streitjahr maßgeblichen Rechtslage, § 3 Nr. 41 EStG Einkünfte von der deutschen Steuer befreite, sofern für diese Einkünfte ein Anspruch auf Befreiung nach dem jeweiligen DBA bestand453. Daher lag es für den BFH nahe, das die Steuerfreiheit ergänzende Abzugsverbot des § 3 c EStG anzuwenden. Der BFH gewährte dem Kläger jedoch die Vergünstigung des § 2 AIG (§ 2 a Abs. 3 EStG), so daß im Ergebnis eine Verlustberücksichtigung möglich war. Die - bisherige - Möglichkeit des § 2a Abs. 3 EStG deutet darauf hin, daß es für den Steuerpflichtigen keinen Unterschied macht, ob seine Aufwendungen auf diesem Weg oder nach allgemeinen Grundsätzen der Einkunftsermittlung berücksichtigt werden. Dies kann für den Bereich der Erträge aus ausländischen Betriebsstätten durchaus berechtigt sein. Das Problem der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 2a Abs. 3 S. 3 EStG in den folgenden Veranlagungszeiträumen stellt sich nicht. Zwar kann das Nachholen der Besteuerung „im Einzelfall sogar per Saldo zu einer höheren Belastung als bei Nichtberücksichtigung des Betriebsstättenverlusts führen" 454 . 449 450 451 452 453 454
Ebd. BFH BStBl. II 1983, S. 566ff. (569). Ebd. Vgl. BFH BStBl. II 1983, S. 566 ff. (569). Vgl. BGBl. I 1958, S. 473 (475). Plückebaum, FR 1983, S. 439.
9 2 1 .
Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Zu bedenken ist jedoch, daß es dazu bei gescheiterten Betriebsstättengründungen regelmäßig nicht kommt. Darin wird man wohl auch den Grund zu sehen haben, daß diese Problematik nicht häufiger Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen ist. Dem Steuerpflichtigen ist es grundsätzlich gleichgültig, aus welchen Gründen seine Verluste berücksichtigt werden, solange dies im Ergebnis der Fall ist. Die Bedeutung des Problems war aber bei Einkunftsformen außerhalb des § 2a Abs. 3 EStG von Bedeutung, da dessen Anwendungsbereich auf gewerbliche Einkünfte aus aktiv-tätigen ausländischen Betriebsstätten beschränkt ist. Mit der Streichung des § 2a Abs. 3 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 wird das Problem wieder für alle Einkunftsaiten relevant. Es stellt sich daher die Frage, ob die Vorgehensweise des BFH in der »Spanien-Entscheidung4 zutreffend war oder ob es eines Rückgriffes auf § 2 AIG (§ 2 a Abs. 3 EStG) nicht bedurfte. Nach § 3c EStG werden Aufwendungen nicht zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zugelassen, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Im Rahmen der Besteuerung von Unternehmenseinkünften werden allerdings die Einkünfte freigestellt. Soweit der BFH seine Vorgehensweise auf § 3 Nr. 41 EStG a.F. stützt, bestehen Bedenken, da der Wortlaut der Vorschrift auf steuerbefreite Einkünfte und nicht auf Einnahmen abstellte. Die Entscheidung des BFH wurde wegen der Anwendung des § 3c EStG heftig kritisiert 455 . Vorgetragene Einwendungen gegen die Richtigkeit der Rechtsprechung richten sich gegen die Auslegung des DBA-Rechts in bezug auf dessen Wechselwirkung mit vorbereitenden Aufwendungen nach innerstaatlichem Recht, die unrichtige Differenzierung zwischen Einkünften und Einnahmen und die Annahme des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs im Sinne des § 3 c EStG. Des weiteren ist fraglich, ob die Rechtsprechung des BFH mit allgemeinen Grundsätzen der Gewinnabgrenzung vereinbar ist. Zweifel gegen die Richtigkeit der BFH-Rechtsprechung äußert in erster Linie Schröder* 56, indem er die Herleitung der Steuerfreiheit aus dem DBA-Recht angreift. Gescheiterte Aufwendungen fielen unter § 4 Abs. 4 EStG. Schlage die geplante Betriebsstättengründung fehl, so lägen keine nach DBA steuerbefreiten Einkünfte vor, da die Freistellung unstreitig eine ausländische Betriebsstätte voraussetze457. Damit gehörten die Auf455 v g L Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 7 Rdnr. 300; Schröder, StBp 1988, S. 218ff.; Bader/Klose, IStR 1996, S. 318ff.; Münch, StBp 1995, S. 54 ff. 456 Schröder, StBp 1988, S. 220. 457 Ebd.
E. Die Bedeutung des § 3 c EStG
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Wendungen nicht zu den aus der Bemessungsgrundlage herauszunehmenden Einkünften. Durch das Scheitern der Auslandsinvestitionen entstünden aber Ausgaben (Betriebsausgaben oder Werbungskosten), sofern diese Aufwendungen als „objektiv nachprüfbare Maßnahmen zur Erschließung einer steuerbaren Steuerquelle" 458 getätigt würden. Seien jedoch mangels Errichtung einer Betriebsstätte keine Einnahmen erzielt worden, so lägen auch keine DBA-relevanten, freizustellenden Einkünfte vor. Ein Abzug der gescheiterten Investitionen bei dem inländischen Steuerpflichtigen sei mithin unbeschränkt möglich, da der Regelungsbereich des DBA noch nicht eröffnet sei. Bader/Klose 459 führen diesen Gedanken fort und sehen in der BFHRechtsprechung die Fiktion einer Betriebsstätte. Nach ihrer Ansicht regele das jeweilige DBA abschließend, welche Voraussetzungen an die Annahme einer Betriebsstätte zu stellen sind. Stelle man auf der Grundlage von DBA-Recht Einnahmen frei, so gehe dies „am klaren Wortlaut des Abkommensrechts vorbei. Denn hätte Deutschland die Begründung einer Betriebsstätte durch eine Fiktion für ausreichend erachtet, müßte dies im jeweiligen DBA normiert sein". Darüber hinaus wird die fehlerhafte Differenzierung zwischen Einkünften und Einnahmen kritisiert. Die Freistellung im Bereich der Betriebsstättengewinne nach Art. 23 A Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 OECD-MA bezieht sich, wie bereits festgestellt werden konnte, auf die Nettoerträge. Insofern ist es gerechtfertigt, den Einkünftebegriff im Sinne des innerstaatlichen Rechts zu verstehen. Stellen aber die DBA solche ausländischen Einkünfte frei, „bedarf es der Vorschrift des § 3c EStG erst gar nicht, um zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen" 460 . Ein Rückgriff auf § 3 c EStG sei in dieser Konstellation nicht gerechtfertigt. Dessen Sinn liege darin, „die Steuerbefreiung der Einnahmen auf die ihnen identischen Einkunftsteile zu begrenzen" 461. Der eigenständige Regelungsbereich der Vorschrift zeichne sich dadurch aus, daß die Regelung überflüssig wäre, wenn „das Einkommensteuergesetz Steuerbefreiungen stets gesetzestechnisch ausdrücklich als Befreiungen bestimmter Einkunftsteile" 462 ausgestalte. Vorbereitende Aufwendungen bei Betriebsstättengründungen können daher nicht vorbereitend zur Erzielung von Einnahmen im Sinne des § 3 c EStG sein. 458 459 460 461 462
Schröder, StBp 1988, S. 223. Vgl. Bader/Klose, IStR 1996, S. 319. Schröder, StBp 1988, S. 220. Schröder, StBp 1988, S. 219. Herrmann/Heuer/Raupach, § 3c Anm. 7.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Auch die durch das Urteil des BFH 4 6 3 vorgenommene Auslegung des § 3c EStG bezüglich des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs stößt auf Bedenken. Schlägt die Betriebsstättengründung fehl, so fließen dem inländischen Steuerpflichtigen keine Einnahmen zu. Daraus folgern Bader/Klose zutreffend, daß „wenn schon keine steuerfreien Einnahmen im Sinne des § 3c EStG zufließen, (...) eine kausale Verknüpfung mit dem wirtschaftlichen Zusammenhang der vergeblichen Auftragskosten keinen Sinn" 464 macht. Der BFH führt zum unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang aus: „Das Verbot des Betriebsausgabenabzuges besteht auch dann, wenn steuerfreie Einnahmen noch nicht vorliegen, sondern erst zukünftig erwartet werden." 465 Er stützt diese Aussage insbesondere auf die Kommentatur von Herrman/Heuer/Raupach 466. Dieser Verweis, der eine eingehende Begründung ersetzen soll, wurde in der Literatur als unschlüssig angesehen. Schröder 467 und ihm folgend Bader/Klose 468 kritisieren, daß aufgrund der Erwähnung von Forderungen und Rechnungsabgrenzungsposten bei Herrmann/Heuer/Raupach nur solche Einnahmen als zukünftig anzusehen seien, „auf die bereits ein verwirklichter, bilanzierungsfähiger Anspruch" 469 bestehe. Anderenfalls seien die Einnahmen „lediglich »anvisiert4, durch die fehlgeschlagene Betriebsstättengründung aber nicht realisiert worden" 470 . Die bloße Erwartung von Einnahmen reiche aber nicht aus 471 . Nach der Ansicht Münchs ist dem Kriterium der Unmittelbarkeit keine Bedeutung zuzumessen, da hinsichtlich der Begriffe unmittelbar und mittelbar „eine verläßliche Abgrenzung (...) bis heute noch keinem Juristen geglückt" 472 sei. Gegen die Anwendbarkeit des § 3c EStG spricht nach seiner Auffassung der Sinn und Zweck des Abzugsverbotes im Verhältnis zu Art. 7 Abs. 2 OECD-MA, der sich mit der Gewinnzurechnung zwischen inländischem Unternehmen und ausländischer Betriebsstätte beschäftigt. Dem Abzugsverbot unterlägen nur solche Aufwendungen, die, sofern es im Inland zu einem Zufluß nicht steuerpflichtiger Vermögensmehrungen 463
Vgl. BFH BStBl. II 1983, S. 566 ff. (569). Bader/Klose, IStR 1996, S. 320. 465 BFH BStBl. II 1989, S. 566ff. (569). 466 Vgl. Herrmann/Heuer/Raupach Anm. 11 zu § 3c EStG: „Einnahmen im Sinne des § 3c EStG sind auch künftige Einnahmen (Forderungen, Rechnungsabgrenzungsposten); ...". 467 Vgl. Schröder, StBp 1988, S. 219f.; Mössner/Schröder, C Rdnr. 81. 468 Vgl. Bader/Klose, IStR 1996, S. 320. 469 Mössner/Schröder, C Rdnr. 81. 470 Bader/Klose, IStR 1996, S. 320; Mössner/Schröder, C Rdnr. 81. 471 Ebd. 472 Münch, StBp 1995, S. 56. 464
E. Die Bedeutung des § 3 c EStG
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kommt, im Inland endgültig als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend gemacht worden wären 473. Soweit nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA Aufwendungen mangels einer ausländischen Betriebsstätte dem inländischen Unternehmen zuzurechnen seien, stehe „dem auch eine teilweise Ertragszuordnung gegenüber. Die für § 3c EStG wertungsmäßig entscheidende Diskrepanz zwischen inländischen Betriebsausgaben und einem der Besteuerung nicht unterliegendem Ertrag liegt also von vornherein nicht vor." 4 7 4 Der Vorteil dieser Argumentation liegt darin, daß sie im Ergebnis eine Abgrenzung zwischen den Begriffen der Einkünfte und Einnahmen im Bereich der vorbereitenden Aufwendungen bei Betriebsstätteneinkünften hinfällig macht. Eine allgemeine Gewinnabgrenzung in zeitlicher Hinsicht nimmt Ritter vor. Auch im Abkommensfall seien die deutschen Grundsätze der Gewinnermittlung anzuwenden. Dies schließe die periodengerechte Besteuerung ein 475 . Da eine Betriebsstätte nicht rückwirkend entstehen könne, verlange eine periodengerechte Besteuerung eine Erfassung von Aufwendungen „wie es ihrer allgemeinen steuerlichen Behandlung entspricht" 476. Überträgt man diese Aussage auf den Fall der gescheiterten Betriebsstättengründung, so ist es auch aus zeitlicher Sicht erforderlich, die abzugsfähigen Betriebsausgaben bei der inländischen Besteuerung abzuziehen. Darüber hinaus gehen, so Ritter, „Ausgaben, die der Gründung einer Betriebsstätte vorausgehen, nicht auf die Aktivität der erst später entstehenden Betriebsstätte zurück; sie sind Ausgaben des Stammhauses und nicht der Betriebsstätte" 477. So ganz kann eine auf zeitliche Erwägungen beruhende Argumentation aber nicht überzeugen. Sie würde dazu führen, daß vorweggenommene Aufwendungen stets, also unabhängig vom Erfolg der Betriebsstättengründung, abziehbar sind. Dies widerspricht aber dem Grundsatz, daß aktivierungspflichtige Aufwendungen in den Buchwert des Wirtschaftsgutes eingehen, das mit der Gründung der ausländischen Betriebsstätte in dieselbe überführt wird 4 7 8 . Hinsichtlich der sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben und der bereits angefallenen AfA ist unter Berücksichtigung des „dealing at arm's lengthGrundsatzes" zu bedenken, daß diese Beträge auf das inländische Stammhaus und die ausländische Betriebsstätte aufzuteilen sind. Damit ist eine ausschließlich an Zeitaspekten orientierte Betrachtungsweise nicht möglieh 479 . 473 474 475 476 477 478 479
Vgl. Münch, StBp 1995, S. 56. Ebd. Vgl. Ritter, JbFSt 1976/77, S. 308. Ebd. Ritter, JbFSt 1976/77, S. 308 f. Vgl. Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 7 Rdnr. 295. Vgl. auch Schlütter in FS für H. Debatin, S. 404.
9 6 1 .
Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Anhand dieser Betrachtungsweise ist auch das von Höppner aufgestellte Kriterium des „funktionellen Zusammenhangs"480 entbehrlich. Er greift die „Spanien-Entscheidung" grundsätzlich nicht an, sondern stellt fest, daß in dem vom BFH zu entscheidenden Fall die Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Inland und die geplante Betriebsstättengründung im Ausland völlig unabhängig zu weiten sei. Die in Spanien getätigten Aufwendungen stelle den erste Akt der angestrebten gewerblichen Tätigkeit im Ausland dar 481 . Konsequenterweise sei ein Abzug der Aufwendungen im Inland nur dann zulässig, wenn es sich um eine „Zentralfunktion" 482 des inländischen Stammhauses handele. Nur wenn dies nicht der Fall sei, lägen vorbereitende Aufwendungen im Sinne der BFH-Rechtsprechung vor. Gegen diese Auffassung wendet Wingert 483 ein, daß sich die allgemein gehaltene Rechtsprechung des BFH mit einer solchen Differenzierung nicht verteidigen lasse. Wingert ist zuzustimmen, da das Urteil nach seiner Formulierung keinen vergleichbaren Anhaltspunkt bietet. Der Fehler des Urteils liegt in Anlehnung an die Ansicht Wingerts schon in der grundsätzlichen Anwendung des § 3c EStG 484 . Letztlich fördert die Ansicht Höppners nur neue Auslegungsprobleme, da die nach seiner Ansicht ausschlaggebenden Begriffe der Zentralfunktion und des funktionellen Zusammenhangs dem Steuerrecht fremd sind. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Kritik an der Rechtsprechung berechtigt ist. Bei einer gescheiterten Betriebsstättengründung im Ausland ist der Anwendungsbereich eines DBA nicht eröffnet. Eine Steuerbefreiung auf der Grundlage des Zustimmungsgesetzes zum DBA ist konsequenterweise nicht möglich, so daß die Aufwendungen unter diesem Aspekt abzugsfähig bleiben. Das Abzugsverbot des § 3c EStG greift nicht ein, da die Auslegungsmethodik der Abkommen es verbietet, von vorbereitenden Aufwendungen zur Erzielung steuerfreier Einnahmen zu sprechen. Ergänzend läßt sich auch ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne des § 3 c EStG nicht begründen. Es kann auch nicht erwartet werden, daß der BFH seine Rechtsprechung zur Behandlung von gescheiterten Auslandsinvestitionen aufrecht erhält. Er würde sich in einen klaren Widerspruch zur Behandlung der steuerfreien Schachteldividenden setzen, mit der er gerade das Ende einer langjährigen Diskussion zur Bedeutung der abkommensrechtlichen Freistellung markierte. 480 481 482 483 484
Höppner, JbFSt 1986/87, S. 152. Vgl. Höppner, JbFSt 1986/87, S. 152. Ebd. Wingert, JbFSt 1986/87, S. 154. Ebd.
E. Die Bedeutung des § 3 c EStG
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Zu klären ist aber, welche Bedeutung § 2a Abs. 1 EStG hat. Hierzu stellt Schaumburg fest, daß, da es an einer ausländischen Betriebsstätte als Zuordnungsobjekt fehle, die vergeblichen Aufwendungen konsequenterweise nicht den Beschränkungen des § 2a Abs. 1, 2 EStG unterlägen 485 . Diese Auffassung ist unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 2a Abs. 1 EStG zutreffend, aber im Hinblick auf die Zielsetzung des § 2a Abs. 1 EStG „paradox" 486 . Wendet man den Grundsatz an, daß vorbereitende Aufwendungen für eine Einkunftsquelle so zu behandeln sind, wie Aufwendungen nach erfolgreicher Erschließung einer Einkunftsquelle 487, so gilt § 2a Abs. 1 EStG. Eines mit § 3c EStG vergleichbaren unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs bedarf es nicht. Mit der DBA-relevanten Betriebsstättengründung ist diese Frage hinsichtlich der vorweggenommenen Aufwendungen nicht vergleichbar. Dort geht es im Kern um eine Zuordnung des Aufwandes zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Bei der Frage der Anwendung des § 2a Abs. 1 EStG geht es dagegen um die Frage, ob die Aufwendungen steuermindernd anzuerkennen sind. Insoweit ist es konsequent, wenn unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens § 2a Abs. 1 EStG angewendet wird. Die Bewertung des volkswirtschaftlichen Nutzens dürfte aus deutscher Sicht bei einer gescheiterten Betriebsstättengründung für den Steuerpflichtigen nicht günstiger ausfallen als bei einer erfolgreichen Gründung. Dieses Ergebnis ist aus der Sicht des Steuerpflichtigen zwar wenig erfreulich, im Hinblick auf die gesetzgeberische Intention aber konsequent.
III. Zusammenfassung Die Reichweite der Freistellung im Rahmen des Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA ist im Einzelfall nach der Besteuerung im Quellenstaat zu bestimmen. Es wird immer das freigestellt, was im anderen Vertragsstaat der Besteuerung unterliegt. Die Steuerbefreiung orientiert sich an der im Abkommen zugelassenen und tatsächlich durch den Quellenstaat vorgenommenen Besteuerung. Mit dieser Sichtweise schaltet man auch die Bedenken Krabbes aus, der gegen die neuere Rechtsprechung des BFH argumentiert, daß es dem Quellenstaat frei stehe, einen Quellenabzug vorzunehmen oder eine Veranlagung durchzuführen. Denn wenn der Quellenstaat tatsächlich bei Dividenden den Nettobetrag der Besteuerung zugrundelegen sollte, so 485
Vgl. Schaumburg, S. 1172. Schröder, StBp 1988, S. 223. 487 Vgl. Schröder, StBp 1988, S. 223 mit Verweis auf BFH BStBl. II 1973, S. 732f. (733). 486
7 Wilk
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
müßte zwecks Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Ansässigkeitsstaat mit einer Freistellung eben dieses, nach seinem Recht zu ermittelnden Nettobetrages reagieren. Damit ist das Abzugsverbot des § 3c EStG nur dann anzuwenden, wenn im Quellenstaat die Einnahmen im Sinne des nationalen Rechts freigestellt werden. Die Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung wurden bereits erwähnt, da im Einzelfall zu prüfen ist, was im Quellenstaat besteuert wird. Man hätte das gefundene Ergebnis durch eine exaktere Definition in den Abkommen bzw. im OECD-MA im Sinne der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit verhindern können. Ob ein solches Vorhaben allerdings realisierbar ist, mag im Hinblick auf die unterschiedlichen Steuersysteme dahingestellt bleiben.
F. Abzugsmöglichkeiten nach § 2a Abs. 3 EStG Werden Verluste nach einem DBA freigestellt, so eröffnete bisher das nationale Steuerrecht mit § 2a Abs. 3 EStG dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, Verluste aus ausländischen aktiv-tätigen Betriebsstätten bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte abzuziehen. Die Beschränkung auf aktiv-tätige Betriebsstätten folgte aus dem Wortlaut des § 2a Abs. 3 EStG 488 : „Verlust, der sich nach den Vorschriften des inländischen Steuerrechts (...) ergibt." Verluste, die von § 2a Abs. 1, 2 EStG erfaßt werden, fallen nicht darunter 489. Ein abzugsfähiger Verlust bestand jedoch nur insoweit, als er die nach dem einschlägigen DBA ebenfalls zu befreienden positiven Einkünfte aus anderen Betriebsstätten dieses ausländischen Staates überstieg. Der Grund für diese bis 1990 in § 2 AIG verwirklichte 490 Regelung lag in dem Bedürfnis, die mit der Verlustfreistellung verbundenen Nachteile, die beim abkommenslosen Zustand nicht bestehen491, auszuschalten, so daß die deutsche Außenwirtschaft im Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz nicht benachteiligt wird. Der Gesetzgeber beabsichtigte, „steuerliche Hemmnisse, die sich bei Auslandsinvestitionen besonders störend auswirken, (zu) beseitigen und dadurch dazu beitragen, daß die allgemein für 488
Vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 81; Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 2a Rdnr. 56; Mayer-Wegelin in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 2a Rdnr. 136. 489 Im übrigen sind § 2a Abs. 1, 2 EStG und § 2a Abs. 3, 4 EStG Vorschriften mit unterschiedlichem Regelungsinhalt, die nur gemeinsam haben, daß sie beide Auslandsverluste betreffen (vgl. Schmidt/Heinicke, § 2a Rdnr. 0). 490 Vgl. BStBl. I 1969, S. 480f. 491 Vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drucksache V/4287, S. 6.
F. Abzugsmöglichkeiten nach § 2a Abs. 3 EStG
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dringend erachtete Steigerung der deutschen Direktinvestitionen im Ausland nicht durch Bestimmungen des deutschen Steuerrechts behindert wird" 4 9 2 . Der antragsbedingt mögliche Abzug, der zu einem Wahlrecht 493 des Steuerpflichtigen zwischen Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts und Verlustabzug führte 494 , wurde aber dadurch gemindert, daß in den Folgejahren die abgezogenen Beträge wieder hinzugerechnet wurden, soweit sich bei den zu befreienden Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit aus den in dem betroffenen Staat belegenen Betriebsstätten insgesamt ein positiver Betrag ergab. Wegen dieser Hinzurechnungsbesteuerung hatte der internationale Verlustausgleich nur einen Steuerstundungseffekt 495. Nur in dem Fall, daß in dem ausländischen Staat nicht die Möglichkeit eröffnet wurde, die abgezogenen Verluste mit positiven Einkünften zu verrechnen, kam es gemäß § 2a Abs. 3 S. 4 EStG nicht zu einer Hinzurechnung in späteren Veranlagungszeiträumen. § 2a Abs. 4 EStG betraf die Hinzurechnungsbesteuerung bei der Umwandlung einer Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten 496. In diesem Fall wäre eine Umgehung der Nachversteuerung ohne § 2a Abs. 4 EStG möglich gewesen, da bei einer Kapitalgesellschaft, aufgrund ihrer rechtlichen Selbständigkeit, eine inländische Besteuerung der Gewinne beim Steuerpflichtigen nicht in Betracht kommt 497 . Ab dem VZ 1999 besteht die Abzugsmöglichkeit ausländischer Verluste nicht mehr. Bis zu diesem Zeitpunkt abgezogene Verluste werden allerdings für die Übergangszeit bis zum VZ 2008 gegebenenfalls wieder hinzugerechnet, § 52 Abs. 3 EStG.
492
Ebd. Die Annahme eines Wahlrechts ist sachgerecht, da sich ansonsten der ausländische Betriebsverlust bei der Tarifbemessung doppelt auswirken würde (vgl. Jacobs, S. 293). 494 Vgl. Schmidt/Heinicke, § 2a Rdnr. 61; Meyer-Wegelin in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 2a Rdnr. 152; Körber in: Dankmeyer/Giloy, § 2a Rdnr. 127ff.; Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 105ff.; Probst in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 34 c Rdnr. 107. 495 Vgl. Jacobs, S. 292. 496 Bei einer Veräußerung der Betriebsstätte erfolgt die Hinzurechnungsbesteuerung auf den Veräußerungsgewinn (vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 2a Rdnr. 96). 497 Vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 2a Rdnr. 94ff.; vgl. aber auch Krüger in: FS für H. Debatin, S. 267 ff. („Die atypisch stille Gesellschaft als Instrument zur Vermeidung der Nachversteuerung von Auslandsverlusten"). 493
7*
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG auf die Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung Die Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und die Vorschrift des § 2a EStG haben insoweit einen kongruenten Regelungsbereich, als beide an ausländische Einkünfte, konkreter an ausländische negative Einkünfte, anknüpfen. Folgt man hingegen den Kritikern der BFH-Rechtsprechung zur Freistellung von Verlusten, so kommt es zu keiner Kollision zwischen der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode und § 2a Abs. 1, 2 EStG. Den weiteren Überlegungen wird zugrundegelegt, daß die abkommensrechtliche Freistellung auch Verluste erfaßt. Es gilt daher zu klären, in welchen Konstellationen es zu Überschneidungen der Regelungsbereiche kommen kann und welche Auswirkungen dies hat. In diesem Zusammenhang ist wiederum zu differenzieren, ob die unilateralen Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind oder ob mit dem betroffenen Land ein vorrangig zu berücksichtigendes DBA besteht.
I. § 2a Abs. 1, 2 EStG und die Anrechnungsmethode ohne DBA Liegen Auslandseinkünfte vor, die unter das Abzugsverbot des § 2a Abs. 1 EStG fallen, so stellt sich die Frage der Konkurrenz zu § 34 c Abs. 1 EStG. In diesem Zusammenhang kann es wiederum zu verschiedenen Konstellationen kommen. 1. Möglichkeit: Der Steuerpflichtige erwirtschaftet ste. Auch nach deutschem Recht sind die Einkünfte
im Ausland nur Verlunegativ.
Die Lösung ist unproblematisch. Denn wenn im Ausland Verluste erwirtschaftet wurden, fällt keine ausländische Steuer an, so daß sich das Problem der Doppelbesteuerung nicht stellt. Im Jahr der Verlustentstehung wird § 2a Abs. 1 EStG nicht berührt. Ein Verlustvor- oder -rücktrag nach § 10 d EStG kommt nicht in Betracht. Dies ergibt sich zum einen ausdrücklich aus § 2a Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz EStG und zum anderen daraus, daß bei § 10 d EStG ohnehin nur Verluste abgezogen werden können, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte zu berücksichtigen sind 498 . 498
Vgl. Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 16; Körber in: Dankmeyer/Giloy, § 2a Rdnr. 7; Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 10.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
101
Allerdings enthält § 2a Abs. 1 EStG eine eigenständige Regelung für einen Verlustvortrag. Nach § 2a Abs. 1 S. 3 EStG mindern die nicht-ausgleichsfähigen Verluste im Sinne des § 2a Abs. 1 S. 1 EStG die positiven Einkünfte der jeweils selben Art, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus demselben Staat erzielt. Die Minderung ist gemäß § 2a Abs. 1 S. 4 EStG nur insoweit zulässig, als die negativen Einkünfte in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht berücksichtigt werden konnten. Durch diese Regelungstechnik verringern sich gleichartige positive Einkünfte in den Folgejahren. Zugunsten des Steuerpflichtigen folgt daraus, daß in diesen Jahren das zu versteuernde Einkommen und damit die deutsche Steuerbelastung abgesenkt wird. Andererseits verringern sich auch die für das Anrechnungsvolumen nach § 34 c Abs. 1 S. 2 EStG relevanten Größen „ausländische Einkünfte" und „Summe der Einkünfte". Insbesondere wird der Quotient aus den ausländischen Einkünfte im Verhältnis zur Summe der Einkünfte kleiner, so daß die anrechenbare ausländische Steuer in den Folgejahren durch den Verlustvortrag nach § 2a Abs. 1 S. 3 EStG geringer wird.
2. Möglichkeit: Der Steuerpflichtige erzielt im Ausland positive Einkünfte, und es sind dort Steuern zu entrichten. Nach deutschem Steuerrecht sind diese Einkünfte wegen abweichender Gewinnermittlungsmethoden als Ver luste zu qualifizieren. Sonstige ausländische Einkünfte liegen nicht vor. Diese Konstellation kann grundsätzlich dadurch entstehen, daß die ausländischen Einkünfte aus deutscher Sicht nach den Grundsätzen des deutschen Steuerrechts zu ermitteln sind 499 . Es stellt sich die Frage, inwieweit eine Anrechnung nach § 34 c Abs. 1 EStG möglich ist. Für die Lösung ist entscheidend, daß, da aus deutscher Sicht Verluste vorliegen, auf diese negativen ausländischen Einkünfte keine anteilige deutsche Steuer im Sinne des § 34 c Abs. 1 S. 1 a.E. EStG entfallen kann 500 . Für dieses Ergebnis ist § 2a Abs. 1 EStG wiederum ohne Bedeutung501. Liegen aus deutscher Sicht keine zu besteuernden positiven Einkünfte vor, so wirkt sich § 2a Abs. 1 EStG „im Entstehungsjahr des Verlustes nicht aus, weil auch ohne dessen Anwendung eine Steueranrechnung nicht mög499 So ausdrücklich A 212 b S. 2 EStR 1996; vgl. BFH BStBl. II 1994, S. 727 ff. (730); Schmidt/Heinicke, § 2a Rdnr. 6. 500 Vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 34 c Rdnr. 16; Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 112. 501 Vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 34c Rdnr. 16; Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 112.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
lieh" 5 0 2 ist. Denn selbst wenn Verluste im Sinne des § 2a Abs. 1 EStG vorliegen sollten, so hat das Verrechnungsverbot zur Folge, daß „in die Ermittlung der Einkünfte nach deutschem Recht die ausländischen Verluste mit Null und nicht mit dem entsprechenden positiven Betrag nach ausländischem Recht eingehen"503. Damit ist der Anrechnungshöchstbetrag stets Null 5 0 4 . Letztlich wurde wegen der fehlenden Anrechnungsmöglichkeit zugunsten des Steuerpflichtigen die Möglichkeit des Abzuges ausländischer Steuern nach § 34 c Abs. 2 EStG geschaffen 505.
3· Möglichkeit: Der Steuerpflichtige erzielt in demselben ausländischen Staat positive und negative Einkünfte. Im Ausland sind Steuern entstanden und entrichtet worden. Unter Berücksichtigung deutschen Rechts ergibt sich kein anderes Ergebnis, so daß die in- und ausländischen Bemessungsgrundlagen identisch sind. Die ausländischen Verluste unterfallen dem § 2a Abs. 1 EStG. Die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages nach § 34 c Abs. 1 EStG ergibt sich aus den Faktoren ausländische Einkünfte, Summe der Einkünfte und deutsche Einkommensteuer. Zur Wirkungsweise des § 2a Abs. 1 EStG hat Krabbe die Auffassung vertreten, daß diese Vorschrift die Höhe der ausländischen Einkünfte unberührt lasse und lediglich deren Verrechnung einschränke506. Daher scheine § 2a Abs. 1 EStG sich nicht auf die Steueranrechnung auszuwirken: „Im Jahr der Entstehung eines Verlustes im Sinne des § 2a EStG würde sich der Höchstbetrag der Anrechnung danach unter der Voraussetzung, daß überhaupt insgesamt positive Einkünfte erzielt werden, wie bisher mindern und in den folgenden Veranlagungszeiträumen, in denen Verluste gegebenenfalls nach § 2a EStG verrechnet werden, bliebe er unverändert" 507. Allerdings ist nach Ansicht Krabbes für eine Steueranrechnung dann kein Raum, wenn die Einkünfte steuerfrei sind oder wenn sie im Fall von Verlusten (unabhängig von § 2a EStG) von vornherein nicht berücksichtigt werden. Konsequenterweise seien auch die nach § 2a EStG nicht zu 502
Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 112. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Rdnr. A 38. 504 Anzumerken ist, daß eine Bemessung der § 2 a-Verluste mit Null nur deshalb gerechtfertigt ist, weil keine weiteren ausländischen Einkünfte vorliegen. Sollte dies jedoch der Fall sein (s.u.), kann auf diese Weise nicht vorgegangen werden, da § 2 a Abs. 1 EStG eine Verrechnung mit ausländischen positiven Einkünften derselben Art aus demselben Staat nach § 2a Abs. 1 S. 1 EStG unberührt läßt. 505 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 112; a.A. Krabbe, RIW 1983, S. 46. 506 Vgl. Krabbe, RIW 1983, S. 46. 507 Krabbe, RIW 1983, S. 46. 503
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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berücksichtigenden Verluste bei der Berechnung des Höchstbetrages nicht anzusetzen508. Diese Einkünfte müßten folglich mit Null bewertet werden. Nach anderer, insbesondere von Beckermann/Jarosch vertretener Ansicht wirkt sich § 2a Abs. 1 EStG auf die Anrechnung mittelbar dadurch aus, daß § 34 c Abs. 1 EStG unmittelbar auf die Begriffe „Gesamtbetrag der Einkünfte" (jetzt Summe der Einkünfte) und „Einkommensteuer" Bezug nimmt: „Wie diese Rechnungsgrößen ermittelt werden, richtet sich nach anderen Vorschriften ( z.B. §§ 2, 2a EStG); diese Ermittlung ist für die Verhältnisrechnung des § 34 c Abs. 1 EStG - wegen der Bezugnahme in dieser Vorschrift - bindend."509 Bei der Bestimmung der Summe der Einkünfte bewirkt § 2a Abs. 1 EStG jedoch, daß diese Verluste wegen des Verrechnungsverbotes außer Acht zu lassen sind 510 . Damit sind auch nach dieser Auffassung die ausländischen Verluste mit Null zu bewerten. Die unterschiedlichen Auffassungen führen in dieser Konstellation zu gleichen Ergebnissen. Nach beiden Ansichten erhöhen sich die Faktoren „ausländische Einkünfte" und „Summe der Einkünfte" durch die Nichtberücksichtigung der Verluste. Konsequenz dieser Erhöhung ist, daß der Quotient aus „ausländischen Einkünften" und „Summe der Einkünfte" 511 verhältnismäßig größer wird. Damit erhöht sich das Anrechnungsvolumen. Auf den ersten Blick überrascht dieses Ergebnis, da durch § 2a Abs. 1 EStG zu Lasten des deutschen Fiskus das Anrechnungsvolumen größer ist als ohne § 2a Abs. 1 EStG. Zu bedenken ist jedoch, daß nach § 2a Abs. 1 S. 3 EStG Verluste, die nach § 2a Abs. 1 S. 1 EStG nicht ausgeglichen werden konnten, die positiven Einkünfte der jeweils selben Art mindern, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus demselben Staat erzielt. Zieht man die § 2 a-Verluste in den Folgejahren ab, so werden die für die Anrechnung maßgeblichen Größen, ausländische Einkünfte und Summe der Einkünfte, kleiner. Folglich wird in den Folgejahren auch der Anrechnungshöchstbetrag kleiner 512 . Im Ergebnis wird auf diese Weise der höhere Anrechnungsbetrag im Jahr der Verlustentstehung in späteren Veranlagungszeiträumen ausgeglichen. 508
Vgl. ebd. Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 113. 510 Vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 34c Rdnr. 17; Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 114. 5,1 Die Summe der Einkünfte besteht nach dem Welteinkommensprinzip aus der Summe der in- und ausländischen Einkünfte. 512 Vgl. Biergans, IWB F. 3 Gr. 3, S. 994 f. 509
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Darüber hinaus läßt sich dieses Ergebnis aus deutscher Sicht damit rechtfertigen, daß die Erhöhung des Anteils der anzurechnenden Steuer „nur das Korrelat zu der durch die Außerachtlassung der , bösen4 ausländischen Einkünfte eintretenden Erhöhung der deutschen Bemessungsgrundlage"513 darstellt. Durch die Nichtberücksichtigung der Verluste erhöht sich das zu versteuernde Einkommen, so daß trotz einer anteilig höheren Anrechnung ausländischer Steuern, sich in der Regel eine größere deutsche Steuerbelastung als vor Inkrafttreten des § 2a EStG ergibt 514 .
4, Möglichkeit: Eine vierte denkbare Konstellation besteht darin, daß der Steuerpflichtige verschiedene positive Einkünfte im Ausland erzielt. Eine Besonderheit kann nun darin bestehen, daß nach deutschem Recht ein Teil dieser positiven Einkünfte als Verluste im Sinne des § 2a Abs. 1 EStG anzusehen sind. Fraglich ist, ob die ausländischen Steuern, die auf die nach inländischem Recht zu beurteilenden Verluste entfallen, angerechnet werden können. Im Ausland wurden auf beide Formen der Einkünfte Steuern erhoben. Ließe man die Einkünfte, die in Deutschland als Verluste zu qualifizieren sind, ungeachtet des § 2a Abs. 1 EStG zur Verrechnung zu, so würde dies die Summe der ausländischen Einkünfte und damit auch den Anrechnungshöchstbetrag verringern. Hingegen scheidet bei Anwendung des § 2a Abs. 1 EStG eine Verrechnung der Verluste von den positiven Einkünften aus, so daß sich die Summe der ausländischen Einkünfte und damit auch der Anrechnungshöchstbetrag erhöht. Im Extremfall (die Höhe der aus deutscher Sicht negativen ausländischen Einkünfte übersteigt die nach deutschem Recht positiven ausländischen Einkünfte) wird durch die Anwendung des § 2a Abs. 1 EStG eine Anrechnung ausländischer Steuern erst ermöglicht. Der Unterschied zur 3. Möglichkeit besteht darin, daß dort die § 2 a-Verluste auch im Ausland als negative Einkünfte qualifiziert wurden und auf diese Einkünfte im Ausland schon keine Steuern erhoben wurden. Im Fall unterschiedlicher Gewinnermittlungsmethoden kann jedoch § 2a Abs. 1 EStG die Anrechnung ausländischer Steuern auf aus deutscher Sicht „böse" § 2 a-Verlusten bewirken. Ob diese Ergebnis mit der Zielsetzung des § 2a Abs. 1 EStG übereinstimmt, erscheint zweifelhaft. Bei der Lösung der 2. Möglichkeit wurde festgestellt, daß, wenn der Steuerpflichtige nur Verluste im Ausland erwirtschaftet, eine Anrechnung 513 514
Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 34c Rdnr. 17. Vgl. Hellwig, DB 1984, S. 2264.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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ausscheidet, da auf Verluste keine anteilige deutsche Steuer entstehen kann. Daher liegt es nahe, bei der Höchstbetragsberechnung unter Zugrundelegung der vorgenannten Argumentation, ebenso zu verfahren. In diesem Sinn äußerte sich, wie bereits dargelegt, Krabbe 515. Für eine Steueranrechnung sei dann kein Raum, wenn die Einkünfte steuerfrei oder wenn sie im Falle von Verlusten von vornherein nicht berücksichtigungsfähig seien. Kriterium ist daher nach dieser Auffassung allein die Tatsache der fehlenden Berücksichtigung nach § 2a Abs. 1 EStG, da die Verluste von vornherein nicht steuerpflichtig seien. Bestätigt werde seine Auffassung, so Krabbe, durch § 34 c Abs. 3 EStG, wonach der Abzug der ausländischen Steuer nur dann möglich sei, wenn die Einkünfte der deutschen Besteuerung unterliegen. Das sei aber bei Verlusten im Sinne des § 2a EStG nicht der Fall. Damit stünden die nicht ausgleichsfähigen Verluste den nicht-steuerbaren oder steuerfreien Einkünften gleich. Stellt man mit Krabbe die § 2 a-Verluste mit von vornherein nicht steuerpflichtigen Einkünften gleich, so scheidet eine Anrechnung von ausländischen Steuern, die von Verlusten im Sinne des § 2a EStG erhoben wurden, aus 516 . Das Anrechnungsvolumen bestimmt sich dann ausschließlich anhand der ausländischen Steuern, die auf die aus deutscher Sicht positiven Einkünfte entfallen. In ähnlicher Weise äußert sich Bopp517, der es als Voraussetzung für eine Steueranrechnung ansieht, daß die ausländischen Einkünfte überhaupt der deutschen Besteuerung unterliegen. Auch die OFD Münster scheint in diese Richtung zu tendieren, wenn sie feststellt, daß, soweit Verluste nach § 2a EStG bei der Besteuerung nicht zu berücksichtigen seien, eine Anrechnung ausländischer Einkommensteuer bereits deshalb ausscheide, da es nicht zu einer Veranlagung von Einkünfte komme, auf die inländische Einkommensteuer anteilig entfalle 518. Nach der gegenteiligen Ansicht wirkt sich § 2a Abs. 1 EStG mittelbar auf die Berechnungsgrößen der Verhältnisrechnung aus 519 . Damit ist die Möglichkeit einer Anrechnung gegeben. Nach den vorgenannten Grundsätzen kann dies sogar dazu führen, daß eine Anrechnung erst ermöglicht 515
Vgl. Krabbe, RIW 1983, S. 46. Vgl. Krabbe, RIW 1983, S. 46. 517 Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 18. 518 Vgl. die Verfügung der OFD Münster vom 27. Juli 1983 - S 1301-77-31 in: RIW 1984, S. 331 ff. (331). 519 Vgl. Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 113 f.; Biergans, IWB F. 3 Gr. 3 S. 993ff.; Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 34c Rdnr. 16f.; Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 116; Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34c Rdnr. 31. 516
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
wird. Nicht die ausländischen Verluste, wohl aber die darauf lastenden ausländischen Steuern sind nach dieser Ansicht zu berücksichtigen. Zur Verdeutlichung des Unterschieds beider Auffassungen ist anzumerken, daß unstreitig bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages die § 2 a-Verluste nicht berücksichtigt werden. Die Begründung ist unterschiedlich. Nach der erstgenannten Auffassung sind die Verluste den steuerfreien oder den nicht steuerpflichtigen Einkünften gleichzusetzen. Nach der Gegenansicht nimmt § 34c Abs. 1 EStG auf Begriffe Bezug, auf die § 2a Abs. 1 EStG unmittelbare Auswirkungen hat. Umstritten ist jedoch, ob als Konsequenz dieser Begründungen die auf den § 2 a-Verluste lastenden ausländischen Steuern angerechnet werden können. Nach der erstgenannten Ansicht ist das wegen der Gleichstellung der § 2 a-Verluste mit nicht steuerbaren oder steuerfreien Einkünften nicht der Fall. Nach der Gegenauffassung erstreckt sich die Anrechnung auch auf diese ausländischen Steuern. Mithin ist zu klären, ob die § 2 a-Verluste den nicht-steuerbaren oder den nicht-steuerpflichtigen Einkünften gleichgestellt werden können und damit eine Anrechnung der anteiligen ausländischen Steuern ausscheidet. Daß man nicht steuerbare und steuerfreie Einkünfte aus der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages herausnimmt, ergibt sich zwangsläufig und unstreitig aus dem Sinn des Anrechnungshöchstbetrages. Die Anrechnungsmethode dient als unilaterale Maßnahme (oder im Rahmen eines DBA als bilaterale Maßnahme) der Beseitigung der Doppelbesteuerung und soll gleichzeitig eine Mindestbelastung auf der Höhe des deutschen Steuerniveaus sichern 520. Diese Ziele können gemeinsam nur verwirklicht werden, wenn die sachlichen Besteuerungsgrundlagen im In- und im Ausland übereinstimmen521. Wenn im Inland bestimmte Einkünfte nicht steuerbar oder steuerfrei sind, so entsteht diese Konkurrenzsituation nicht. Die Anwendung des § 34 c Abs. 1 EStG setzt eine Gleichheit des Abgabengegenstandes voraus, da der Steuerpflichtige mit seinen ausländischen Einkünften im Sinne des § 34 d EStG zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen worden sein mußte. Sind aber die ausländischen Einkünfte im Quellenstaat steuerpflichtig, in Deutschland aber nicht steuerbar oder steuerfrei, „so kann die festgesetzte und gezahlte ausländische Steuer nicht angerechnet werden, weil es an einer entsprechenden deutschen Einkommensteuer und damit an einer Gleichheit des Abgabengegenstandes fehlt" 522 . Einer Berücksichtigung dieser Einkünfte bei der 520 Vgl. OECD-MA Kommentar, Art. 23 Tz. 25, 26 in: Vogel, DBA, Art. 23 OECD-MA Rdnr. 25, 26. 521 Kröner, S. 234.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages bedarf es nicht, da sie „definitiv nicht zur Besteuerungsgrundlage für die (deutsche) Einkommensteuer" 523 zählen. Ob man diese Grundsätze mit Krabbe auf die nicht ausgleichsfähigen Verluste übertragen kann, erscheint fraglich. Das Einkommensteuerrecht knüpft zur Ermittlung des Steuerobjekts an bestimmte, in § 2 Abs. 1 EStG für besteuerungswürdig erklärte Vorgänge an, die in einem bestimmten Zeitraum stattfinden. Ein steuerbarer Vorgang wird erst dann steuerpflichtig, wenn keine Steuerbefreiung eingreift. Nach der Vorschrift des § 2a Abs. 1 EStG dürfen bestimmte Verluste nicht verrechnet werden. Wenn aber bestimmte negative Einkünfte nicht verrechnet werden dürfen, so setzt das logisch voraus, daß diese Verluste in einem ersten Schritt als besteuerungswürdig erklärt wurden. Damit müssen diese negativen Einkünfte steuerbar sein. Ansonsten würde es an der Grundvoraussetzung für eine Verrechnung fehlen. Anders als bei nicht steuerbaren oder steuerfreien Einkünften dient „ein Verlust als sachliche Anknüpfung für die inländische Besteuerung" 524. Der Verlust geht somit in die Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ein, „wenn er sich als negative Ausprägung der in § 34 d EStG aufgezählten Einkünfte darstellt" 525. Konsequenterweise ist, ungeachtet des § 2a Abs. 1 EStG, „eine Anrechnung der auf einen Auslandsverlust entrichteten entsprechenden Auslandssteuer zu gewähren, wenn sich dieser Verlust als Komplement zu ebenso erfaßten positiven Einkünften im Sinne von § 34 d EStG darstellt, eine auf die Auslandseinkünfte insgesamt entfallende positive inländische Bemessungsgrundlage entsteht und ein ausreichender Anrechnungshöchstbetrag vorliegt" 526 . Wenn nun ein Verlust wegen § 2a Abs. 1 EStG nicht verrechenbar ist, so ist das zunächst ohne Bedeutung: „Denn im Gegensatz zu Verlusten in der privaten Vermögenssphäre oder im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen, bei denen eine Anrechnung nicht vorzunehmen ist, dienen die Auslandsverluste im Sinne von § 34 d EStG, auch wenn sie in ihrer Verrechenbarkeit eingeschränkt sind, als sachliche Anknüpfung für die inländische Besteuerung"527. Die ausländischen Ein522
Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 78; vgl. Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34c Rdnr. 30; Birkholz in: Lademann/Söffing, § 34c Rdnr. 6 (S. 16); Körber in Dankmeyer/Giloy, § 34c Rdnr. 29. 523 Kröner, S. 234. 524 Kröner, S. 235. 525 Ebd. 526 Ebd. 527 Ebd.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
künfte sind dabei aber nur insoweit von Relevanz, „als sie in den Gesamtbetrag der Einkünfte eingehen und so eine anteilige deutsche Steuer auslösen können" 528 . Die Sonderbehandlung der von § 2a Abs. 1 EStG erfaßten Einkünfte stellt keine objektive Steuerbefreiung dar 529 . Gegen eine Gleichbehandlung der nicht steuerbaren und steuerfreien Einkünfte mit den verrechnungsbeschränkten Verlusten wenden sich Beckermann/Jarosch. Im Ergebnis kommen sie auch zu einer mittelbaren Auswirkung des § 2a Abs. 1 EStG, jedoch mit einer anderen Begründung. Nach ihrer Auffassung wirkt sich § 2a Abs. 1 EStG, wie bereits dargestellt, auf die Anrechnung mittelbar dadurch aus, daß § 34 c Abs. 1 EStG unmittelbar auf die Begriffe „Gesamtbetrag der Einkünfte"(jetzt: Summe der Einkünfte) und „Einkommensteuer" Bezug nimmt. „Wie diese Rechengrößen ermittelt werden, richtet sich nach anderen Vorschriften (z.B. §§ 2, 2 a EStG); diese Ermittlung ist für die Verhältnisrechnung des § 34c Abs. 1 EStG - wegen der Bezugnahme in dieser Vorschrift - bindend" 530 . Für Beckermann/Jarosch ist damit entscheidend, daß § 34c Abs. 1 S. 1 EStG nicht voraussetzt, daß die betreffenden ausländischen Einkünfte auch der deutschen Besteuerung unterliegen. Der Begriff der ausländischen Einkünfte werde ausschließlich in § 34 d EStG bestimmt531 und gerade nicht durch § 2a EStG. § 2a EStG beziehe sich nur auf die Verrechnungsmöglichkeit, nimmt aber „den nicht mehr zum Ausgleich zugelassenen ausländischen Verlusten nicht den Charakter als ausländische Einkünfte" 532 . Maßgeblich sei, daß sich § 2a EStG insoweit mittelbar auf die Anrechnung auswirke, „als § 34 c Abs. 1 S. 1 EStG in seinen Tatbestandsmerkmalen auf Begriffe zurückgreift, die inhaltlich und betragsmäßig sich aus anderen Vorschriften bzw. deren Anwendung ergeben" 533. Damit liegt der Kern dieser Auffassung, der sich auch Hellwig anschließt, darin, daß § 2a EStG lediglich die deutsche Besteuerungsgrundlage und die Höhe der „auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer" im Sinne des § 34c EStG beeinflußt 534. § 2a EStG gebietet daher nicht das Außerachtlassen der ausländischen Einkünfte, sondern beschränkt ausschließlich den Ausgleich mit inländischen Einkünf528
Kröner, S. 231; vgl. Blümich/Wied, § 34 c Anm. 41 mit Verweis auf BFH BStBl. II 1997, S. 727 ff. (730). 529 Vgl. Jacobs, S. 199f. 530 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 113. 531 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 114. 532 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 114; so auch Stellungnahme des Bundesrates in: BT-Drucksache IX/2140, S. 124. 533 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 114. 534 Vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 34c Rdnr. 17.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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ten 535 . Damit verbietet § 2a EStG im Gegenzug auch nicht die Anrechnung der aus den § 2 a-Verlusten resultierenden ausländischen Steuern. Dieses zunächst widersinnig erscheinende Ergebnis ist damit nichts anderes als eine Folge der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale536. Der als „percountry-limitation" bezeichnete Grundsatz der Anrechnung ausländischer Steuern, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfallen, „impliziert nicht nur, daß die Steueranrechnung nach verschiedenen Staaten getrennt erfolgt, sondern auch, daß die ausländischen Einkünfte aus einem Staat und die in diesem Staat erhobene Steuer für die Anrechnung ,in einen Topf geworfen werden 4 " 537 . Wegen dieser zusammenfassenden Betrachtung „kann nicht darauf abgestellt werden, in welchem Verhältnis die verschiedenen ausländischen Einkunftsquellen sich auf die Höhe der ausländischen Steuer ausgewirkt haben"538. Eine verhältnismäßige Aufteilung der ausländischen Steuern auf die verschiedenen ausländischen Einkünfte stellt eine Durchbrechung der „per-country-limitation" dar, „es wäre dann keine ,pro-LandBegrenzung4 mehr, sondern eine ,pro-Einkünfte-Begrenzung 4"539. Mittlerweile hat auch Krabbe seine Auffassung geändert 540 und läßt bei begrenzt möglichem Verlustausgleich eine Anrechnung im Rahmen des Höchstbetrages zu. Derartige Verluste stünden den nichtsteuerbaren oder den steuerfreien Einkünften nicht gleich 541 . Es sei nicht möglich, die negativen Einkünfte „als nicht existent"542 zu behandeln, „da grundsätzlich Steuerpflicht besteht und auch die Verluste grundsätzlich, wenn auch nur in den Grenzen des § 2 a EStG, bei der deutschen Besteuerung berücksichtigt werden 44543. Das gefundene Ergebnis entspricht der Praxis der Finanzverwaltung, die in A 212 a Abs. 2 EStR 1998 die Anrechnung ausländischer Steuern auf negative Einkünfte, die unter das Ausgleichsverbot des § 2a EStG fallen, gewährt. Die ausländische Steuer kann daher auch in dieser Konstellation angerechnet werden. Hinsichtlich der sich daraus für das Anrechnungsvolumen ergebenden Konsequenzen kann auf die Lösung der 3. Möglichkeit verwie535
Vgl. Hellwig, DB 1984, S. 2264. Vgl. Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 113. 537 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 113; vgl. auch Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34 c Rdnr. 76 a.E. 538 Hellwig, DB 1984, S. 2264. 539 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 114. 540 Vgl. Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 21. 541 Ebd. 542 Blümich/Krabbe, § 2 a Rdnr. 21. 543 Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 21 mit Verweis auf Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 108. 536
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
sen werden, so daß sich der Anrechnungsbetrag zwar erhöht, dies jedoch aus deutscher Sicht durch eine Ermäßigung des Anrechnungsbetrages in den Folgejahren und eine insgesamt größere Steuerbelastung im Verlustjahr kompensiert wird.
II. § 2a Abs. 1, 2 EStG und die Abzugsmethode ohne DBA Nach § 34 c Abs. 2 EStG kann statt der Anrechnung nach § 34 c Abs. 1 EStG die ausländische Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden. Auch in diesem Zusammenhang kann die Situation eintreten, daß nach deutschem Recht ein Verlust vorliegt, der unter § 2a Abs. 1 EStG fällt, der im Ausland jedoch als Gewinn behandelt und mit einer Steuer belegt wurde. Eine Kollision kann demnach nur dann bestehen, wenn der nach deutschem Steuerrecht ermittelte Verlust im ausländischen Staat als Gewinn behandelt wurde 544 . Der Steuerabzug kommt insbesondere dann in Betracht, wenn für die Anrechnung der auf den Auslandsverlusten lastenden ausländischen Steuern sich wegen § 34c Abs. 1 S. 2 EStG kein Anrechnungsvolumen ergibt 545 . Ausgangspunkt für das Zusammenspiel zwischen dem Verrechnungsverbot des § 2a EStG und der Abzugsmethode ohne DBA ist wiederum die Frage, wie nicht verrechenbare Auslandsverluste dogmatisch zu behandeln sind. Krabbe hat, in Konsequenz zu seiner früher vertretenen Auffassung der Gleichbehandlung der „2 a-Verluste" mit steuerfreien bzw. nicht-steuerbaren Einkünften, den Abzug versagt. Nach seiner Auffassung 546 knüpft der Abzug nach § 34 c Abs. 2 EStG an die Voraussetzungen der Steueranrechnung an. Dafür spreche die Formulierung „statt der Anrechnung" in § 34 c Abs. 2 EStG. Demnach scheide ein Abzug immer dann aus, wenn Einkünfte von der Bemessungsgrundlage herausgenommen werden. Dies ist nach der früher von Krabbe vertretenen Auffassung bei nicht verrechenbaren Verlusten wegen ihrer Gleichstellung mit steuerfreien und nicht-steuerbaren Einkünften der Fall. Bestätigt werde diese Auffassung durch § 34 c Abs. 3 EStG, da in diesem Fall der Abzug auf direkte Weise davon abhängig gemacht wird, daß die Einkünfte der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Auch die OFD Münster lehnt einen Abzug nach § 34 c Abs. 2, 3 EStG ab, da § 34 c Abs. 1 EStG voraussetze, daß Einkünfte veranlagt 544 So auch Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 37. 545 Vgl. Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 115. 546 Vgl. Krabbe, RIW 1983, S. 46.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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werden, auf die inländische Einkommensteuer anteilig entfällt. Dies sei speziell bei Verlusten nach § 2a Abs. 1 EStG nicht der Fall 547 . Wie oben festgestellt wurde, sind die negativen Einkünfte nicht den nicht steuerbaren oder steuerfreien Einkünften gleichgestellt. Negative Einkünfte dürfen, so nun auch Krabbe, „nicht als nicht existent behandelt werden, da grundsätzlich Steuerpflicht besteht und auch die Verluste (...), wenn auch nur in den Grenzen des § 2a EStG, bei der deutschen Besteuerung berücksichtigt werden" 548. Die Wirkung des § 2a Abs. 1 EStG besteht nicht darin, daß die aus deutscher Sicht negativen Einkünfte vollständig unberücksichtigt bleiben, sondern nur darin, daß ihr Ausgleich mit inländischen Einkünften eingeschränkt wird 549 . Folglich ist der Abzug möglich, wenn neben den nicht verrechenbaren Verlusten keine positiven Einkünfte aus dem Staat erzielt werden und damit keine deutsche Steuer auf Einkünfte aus diesem Staat entfällt 550 . Die ganz überwiegende Auffassung bejaht richtigerweise ebenfalls den Abzug 551 . Voraussetzung des § 34 c Abs. 1 S. 1 EStG ist es nicht, „daß die ausländischen Einkünfte, von denen die ausländische Steuer einbehalten worden ist, auch tatsächlich der deutschen Einkommensteuer unterliegen" 552 . Es müssen lediglich Einkünfte im Sinne des § 34 d EStG vorliegen, so daß insbesondere auch Verluste unter § 34 c Abs. 1 S. 1 EStG fallen. Inwieweit nun die ausländischen Einkünfte der deutschen Besteuerung unterliegen, ist für die nach § 34c Abs. 1 S. 2 EStG vorzunehmende Höchstbetragsberechnung relevant. Bis zu der sich danach ergebenden Höhe können ausländische Steuern nach § 34c Abs. 1 S. 1 EStG angerechnet werden 553. Die Abzugsmethode des § 34 c Abs. 2 EStG ist gerade für die Fälle gedacht, bei denen auf die nach deutscher Sicht negativen ausländischen Einkünfte keine anteilige deutsche Steuer nach § 34 c EStG entfällt 554 . Die früher von Krabbe vertretene Auffassung, daß der Abzug an die Voraussetzungen der Steueranrechnung anknüpfe, erweist sich als unzutreffend, da gerade in dem Fall, daß eine Steueranrechnung „rein betragsmäßig" 555 nicht in Betracht kommt, ein Steuerabzug möglich ist. Krabbes 547
Vgl. OFD Münster, Verfügung vom 27. Juli 1983 - S 1301-77-31 in: RIW 1984, S. 331 ff. (331). 548 Vgl. Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 21. 549 Vgl. Hellwig, DB 1984, S. 2264. 550 Vgl. Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 21. 551 Vgl. Biergans, IWB F. 3 Gr. 3, S. 995; Hellwig, DB 1984, S. 2264; Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 115. 552 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 115. 553 Ebd. 554 So auch Hellwig, DB 1984, S. 2264. 555 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 115.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Fehler, so Beckermann/Jarosch, liege darin, daß er den Abzug von der Anrechnungsmöglichkeit abhängig mache und die nach § 2a Abs. 1 EStG nicht zu berücksichtigenden Verluste bei der Steueranrechnung ebenfalls nicht berücksichtige. Die Formulierung „statt der Anrechnung" in § 34 c Abs. 2 EStG bezieht sich aber nur auf § 34 c Abs. 1 S. 1 EStG, bei dem es auf die steuerliche Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte bei der Einkommensermittlung nicht ankommt556. Erforderlich ist lediglich nach § 34c Abs. 1 S. 1 EStG, daß ausländische Steuern auf Einkünfte, die dem Katalog des § 34 d EStG unterfallen, vorliegen 557 und diese Einkünfte zur Wahrung der Identität des Abgabengegenstandes558 im Inland nicht steuerfrei sind 559 . Hellwig begründet dieses Ergebnis ebenfalls mit der Wirkung des § 2a Abs. 1 EStG als Verrechnungsverbot, „denn die Vorschrift gebietet nicht schlechthin das Außerachtlassen der nach deutscher Sicht »bösen4 negativen Einkünfte, sondern nur deren Ausgleich mit inländischen Einkünften" 560. § 2a Abs. 1 EStG steht einem Abzug der ausländischen Steuern vom Gesamtbetrag der Einkünfte nicht entgegen.
III. § 2a Abs. 1, 2 EStG und die Freistellung nach DBA Werden Einkünfte von der Besteuerung aufgrund eines DBA ausgenommen, so stellt sich die Frage, wie sich die abkommensrechtliche Freistellung zum Verrechnungsverbot des § 2a EStG verhält. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention des § 2 AO liegt es nahe, für die in § 2a Abs. 1 EStG genannten Tätigkeitsformen eine unmittelbare Auswirkung für die inländische Besteuerung abzulehnen. Denn wenn negative Einkünfte schon aufgrund der Anwendung des DBA von der Steuer befreit sind, läuft ein innerstaatliches Verrechnungsverbot leer. Anders ist die Rechtslage, wenn man den innerstaatlichen Vorschriften als sachliche Voraussetzungen für die Besteuerung Vorrang vor den lediglich 556
Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 115. Vgl. Hildesheim in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, § 34 c Rdnr. 20; Körber in: Dankmeyer/Giloy, § 34 c Rdnr. 30; Probst in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 34 c Rdnr. 88. 558 Ygj Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34 c Rdnr. 78. 559 Im Fall steuerfreier Einkünfte besteht nach umstrittener Ansicht jedoch die Möglichkeit des Abzuges nach § 34 c Abs. 3 EStG (so Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 70; a.A. Blümich/Krabbe, § 34c Rdnr. 70 m.w.N.). 560 Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 2a Rdnr. 10b. 557
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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den innerstaatlichen Steueranspruch modifizierenden Regeln der DBA einräumt. Dem Steuerpflichtigen mag es gleichgültig sein, aus welchem Grund seine Verluste nicht zur Verrechnung mit inländischen Einkünften zugelassen werden. Aus methodischer Sicht interessiert in diesem Zusammenhang aber das Verhältnis zwischen nationaler Gesetzgebung und bilateralen Abkommen. Schließlich kommen die unterschiedlichen Auffassungen bei der Frage der Auswirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt zum Tragen. Das zu versteuernde Einkommen ist, wie bereits dargestellt, nicht nur als Bemessungsgrundlage, sondern auch für Zwecke der Bestimmung des Steuersatzes zu berechnen. Auf die Bemessungsgrundlage ohne die ausländischen Einkünfte ist der Tarif anzuwenden, der sich bei einer Bemessungsgrundlage einschließlich der ausländischen Einkünfte ergibt. Damit gilt es zu klären, welche Auswirkung der § 2a EStG auf den Tarif wegen des Progressionsvorbehalts nach § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG 561 hat. 1. Das Verhältnis zwischen § 2a Abs, 1, 2 EStG und dem Abkommensrecht Erzielt ein Steuerinländer im Ausland Einkünfte, die nach einem DBA steuerfrei gestellt werden, so werden zunächst die betroffenen Einkünfte nach den deutschen Gewinn- und Überschußermittlungsvorschriften, einschließlich sämtlicher Verlustausgleichs- und -abzugsbeschränkungen, ermittelt. Grundlage des Steueranspruches ist damit primär das innerstaatliche Recht. Durch ein DBA wird der Steueranspruch lediglich modifiziert. Im Zusammenhang mit der rechtlichen Einordnung von DBA konnte bereits festgestellt werden, daß abkommensrechtliche Regelungen innerstaatliche Anwendbarkeit durch das nach Art. 59 Abs. 2 GG erforderliche Zustimmungsgesetz erhalten. Gegenüber dem Steuerpflichtigen wirkt nur dieses Gesetz und begründet Rechte und Pflichten. Es besitzt den gleichen Rang wie ein innerstaatliches Steuergesetz. Daran kann auch § 2 AO nichts ändern, aus dem im Kollisionsfall allenfalls ein Anwendungsvorrang hergeleitet werden kann. Zwar muß sich das innerstaatliche Recht eines Verstoßes gegen Völkerrecht enthalten, wenn aber „ungeachtet dieser Verpflichtung völkerrechtswidrige staatliche Normen oder Maßnahmen bestehen, wird durch die Völkerrechtswidrigkeit ihre innerstaatliche Rechtsgeltung 561
Der durch das JStG 1996 (vgl. BGBl. I 1996, S. 1250ff.) neugeschaffene § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG ist Ergänzung zu § 2 Abs. 7 S. 3 EStG. 8 Wilk
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
nicht aufgehoben" 562. Durch den Abschluß eines DBA ist der deutsche Gesetzgeber folglich nicht gehindert, wirksam gegenüber seinen Steuerpflichtigen Regelungen zu erlassen, die sich auf den Anwendungsbereich eines DBA zumindest mittelbar auswirken. Das würde, wie Hellwig aufzeigt, auch in der Praxis zu kaum lösbaren Folgeschwierigkeiten führen: Vertritt man die Auffassung, daß § 2a Abs. 1, 2 EStG bei seinem Inkrafttreten bereits bestehende DBAs unterlaufen habe, so kann dies nicht für nach diesem Zeitpunkt in Kraft getretene oder geänderte DBAs gelten. Im Ergebnis müßte dann stets geprüft werden, „ob jeweils das Abkommen oder § 2a EStG betagter" 563 ist. Dies würde dazu führen, „daß nationales Recht nach dem Abschluß eines DBA »versteinert 4"564. Jegliche Form gesetzlicher Einschränkungen, beispielsweise beim Betriebsausgabenabzug, müßten konsequenterweise relativ unwirksam sein 565 . Eine derartige „Veränderungssperre" 566 ist dem deutschen Rechtssystem fremd. Für das Verhältnis zwischen § 2a EStG und der abkommensrechtlichen Freistellung folgt daraus, daß § 2a EStG vorrangig zu berücksichtigen ist. In rechtlicher Hinsicht ist sein Anwendungsbereich damit sehr groß. Er schließt sämtliche ausländischen Verluste von der Verrechnung mit der inländischen Besteuerung aus, die aus den in § 2a Abs. 1, 2 EStG genannten Tätigkeitsbereichen stammen. Vergleicht man dies aber mit der Rechtslage vor Einführung des § 2 a EStG, so ist eine Auswirkung für das zu versteuernde Einkommen als Bemessungsgrundlage der Steuer nicht festzustellen, da auch die abkommensrechtliche Freistellung Verluste erfassen kann, sofern der Quellenstaat negative Ertragskomponenten besteuert. Nicht geklärt ist damit aber, in welchem Verhältnis § 2a EStG zum negativen Progressionsvorbehalt steht. 2. Die Wirkung des § 2a Abs. 1, 2 EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt Nach § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind nach DBA steuerfreie, im Ausland erwirtschaftete Einkünfte für die Ermittlung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Ein Progressionsvorbehalt wird regelmäßig auch in den deutschen DBA vereinbart. Wie bereits festgestellt werden konnte, ist für die Bestimmung des auf die inländischen Einkünfte anzuwendenden Steuersatzes jedoch das deutsche Steuerrecht konstitutiv 567 . 562 563 564 565 566
Maunz in: Maunz/Diirig, Art. 25 Rdnr. 30. Hellwig, DB 1984, S. 2007. Hellwig in: Littman/Bitz/Hellwig, § 2a Rdnr. 8. Hellwig, DB 1984, S. 2007. Hellwig, DB 1984, S. 2006.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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Bei positiven Einkünften werden diese wegen § 32b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 EStG der Bemessungsgrundlage hinzugerechnet. Verluste werden nach § 32 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 EStG entsprechend abgezogen. Man spricht dann vom sog. „negativen Progressionsvorbehalt". In diesen Regelungszusammenhang greift nun § 2a Abs. 1 EStG ein. Allein auf der Grundlage der oben dargestellten Vorgehensweise der Berücksichtigung der inländischen Steuerermittlungsvorschriften, müßte § 2a EStG genauso wie §§ 15 Abs. 3, 15a, 22 Nr. 3, 23 Abs. 4 S. 3 EStG, anwendbar sein und zu einem Ausschluß des Verlustausgleichs und -abzugs führen. Dennoch werden hinsichtlich der Auswirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den Progressionsvorbehalt unterschiedliche Auffassungen vertreten, inwieweit die Regelung des § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG bzw. des abkommensrechtlichen Progressionsvorbehalts vorrangig ist und die Wirkung des § 2a Abs. 1, 2 EStG ausschaltet. a) Auslegung anhand des Gesetzeswortlauts und der Gesetzesbegründung Der Gesetzeswortlaut läßt keine zuverlässigen Rückschlüsse zu, in welchem Verhältnis § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG und § 2a Abs. 1 EStG zueinander stehen. Einzig aus der Formulierung des § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG „die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind" ließe sich ein Vorrang der Regelung begründen. Diese Sichtweise ist aber schon dadurch zu widerlegen, daß in beiden Vorschriften der Begriff der Einkünfte verwendet wird und die Berechnung der Einkünfte unstreitig nach nationalem Recht, also auch über § 2a Abs. 1 EStG, vorzunehmen ist. Der Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vertrat in seiner Begründung zur Gesetzesvorlage des § 2a EStG die Auffassung, daß sich § 2a EStG bei nach DBA befreiten Verlusten auf den negativen Progressionsvorbehalt nach § 32 b EStG auswirke 568. Die fehlende Berücksichtigung folge aus dem nationalen Recht selbst: „Die Nichtberücksichtigung von Verlusten, die sich aus der Steuerbefreiung von Einkünften nach einem DBA ergibt, wird von § 2a (EStG) nicht berührt. Allerdings wirkt sich § 2a (EStG) bei diesen Einkünften auf den Progressionsvorbehalt aus" 569 . 567 Vgl. D.III.3.C. zur Bedeutung des abkommensrechtlichen und des nationalen Progressionsvorbehalts. 568 BT-Drucksache 9/2074, S. 64. 569 Ebd.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslands Verlusten
Gegen diese Rechtsansicht äußerte schon der Bundesrat Bedenken. Die Begründung des Bundesrates ging dahin, daß § 2a EStG den „nicht mehr zum Ausgleich zugelassenen negativen ausländischen Einkünften im Grundsatz nicht ihren Charakter als ausländische Einkünfte nimmt, was in gleicher Weise für die entsprechenden, nach einem DBA steuerbefreiten, negativen ausländischen Einkünften gilt" 5 7 0 . Handele es sich aber um ausländische Einkünfte, so sei „deren steuersatzmindernde Berücksichtigung durch die Rechtsprechung nicht auszuschließen"571. Unter diesen Umständen empfahl der Bundesrat, die damalige Vorschrift des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG (jetzt § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG) entsprechend zu ergänzen, wenn ein Ausschluß des negativen Progressionsvorbehaltes gelten sollte 572 . Als Reaktion auf die Sichtweise des Bundesrates legte die Bundesregierung dar, daß sie die von dem Bundesrat geforderte Klarstellung nicht als notwendig erachtete 573. Nach § 32b EStG würden nur solche (positive und negative) nach DBA steuerbefreiten Einkünfte bei der Berechnung der Einkommensteuer einbezogen, die überhaupt nach einseitigem deutschem Steuerrecht zu berücksichtigen sind. Es mag zutreffend sein, daß man mit der Sichtweise Plückebaums aus dem Gesetzeswortlaut und der amtlichen Begründung keine eindeutige Klärung des Problems herleiten kann 574 . Der Wille des Gesetzgebers kann jedoch dahingehend interpretiert werden, daß auch beim Progressionsvorbehalt § 2a Abs. 1, 2 EStG zu berücksichtigen ist. Dem steht die Auffassung des Bundesrates nicht entgegen, da der Bundesrat nur Bedenken hatte, diese Sichtweise aus dem Wortlaut des § 2a Abs. 1 EStG zu entnehmen575. Im übrigen hält auch er aufgrund seiner Empfehlung die Auswirkung des Verrechnungsverbotes auf den Progressionsvorbehalt für berechtigt. Der Gesetzgeber wollte damit diese Auswirkung auf den Progressionsvorbehalt und hat auf eine Klarstellung verzichtet. Darüber hinaus hätte eine Klarstellung „nur zu einer unnötigen Ausweitung des Gesetzeswortlautes geführt, andererseits auch die Gefahr heraufbeschwören können, daß aus der Klarstellung später irgendwelche Umkehrschlüsse gezogen werden" 576.
570 571 572 573 574 575 576
BT-Drucksache 9/2140, S. 124. BT-Drucksache 9/2140, S. 124. Ebd. BT-Drucksache 9/2140, S. 124 rechte Spalte. Vgl. Plückebaum, DStZ 1983, S. 388. Vgl. Biergans, IWB F. 3 Gr. 3, S. 996. Manke, DStZ 1984, S. 239.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
117
b) Systematische Auslegung Zentrale Frage bei der systematischen Auslegung ist die Erfassung des Regelungsgehaltes einer Vorschrift aufgrund ihrer Stellung im Gesetz und des Gesetzes innerhalb der Rechtsordnung. Für die Bestimmung der Auswirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt ist es folglich nicht nur von Bedeutung, in welchem Zusammenhang § 2a Abs. 1 EStG zu den sonstigen Normen des EStG steht, sondern auch, wie das Verhältnis der Normen des EStG zu denen der DBA beschaffen ist. Soweit ersichtlich, äußerten sich in der Literatur Eggesiecker/Eisenach/ Schürner in Anlehnung an die Rechtsauffassung des Bundesrates als erste gegen eine Auswirkung des § 2a EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt. Nach ihrer Ansicht ist der Gesetzesbegründung im Hinblick auf § 2a EStG und den negativen Progressionsvorbehalt zumindest eines zugute zu halten, nämlich daß sie konsequent sei: Die Bundesregierung beabsichtige, sich „im Rahmen des § 2a EStG ohne jegliche Hemmung über das Leistungsfähigkeitsprinzip hinwegzusetzen"577, und „wo das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht unmittelbar mehr gilt, braucht es auch nicht mittelbar über den Progressionsvorbehalt zu wirken" 578 . Entgegen der Meinung von Bundesregierung und Bundestag sind sie der Auffassung, daß durch § 2a EStG der negative Progressionsvorbehalt nicht ausgeschlossen werden könne. Schon vor der (deklaratorischen) Regelung des § 32 b EStG sei der Progressionsvorbehalt unmittelbar aus dem DBA abzuleiten gewesen 579 . Daraus folge ein Vorrang der DBA-Vorschriften, der durch einseitige, nationale Regelungen nicht außer Kraft gesetzt werden könnte. § 2a EStG kollidiere mit internationalem Recht, so daß er insofern nicht angewendet werden dürfe 580 . Thierfeld folgt ebenfalls der von Eggesiecker/Eisenach/Schürner vertretenen Auffassung 581. Die Anwendung entfalle schon aus allgemeinen Grundsätzen, ohne daß eine Ergänzung des § 32 b EStG notwendig sei. Einer Änderung des § 32 b EStG bedarf es nach seiner Meinung in Abweichung zur Rechtsauffassung des Bundesrats nicht. Eine Neufassung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 (jetzt Nr. 3) EStG würde gegen internationales Recht verstoßen, „denn soweit in DBA die Besteuerung in dem einen Staat und die Freistellung in dem anderen Staat vorgesehen ist, ist in der Regel für den anderen Staat der Progressionsvorbehalt vorgesehen."582 Wenn daher 577 578 579 580 581 582
Eggesiecker/Eisenach/Schürner, FR 1982, S. 484. Eggesiecker/Eisenach/Schürner, FR 1982, S. 485. Vgl. Eggesiecker/Eisenach/Schürner, FR 1982, S. 485. Vgl. Eggesiecker/Eisenach/Schürner, FR 1982, S. 486. Vgl. Thierfeld, DB 1983, S. 801 f. Thierfeld, DB 1983, S. 802.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslands Verlusten
die Beseitigung des negativen Progressionsvorbehalts bezweckt werde, so müßten auch „kaum realisierbare Änderungen der Doppelbesteuerungsabkommen" 583 vorgenommen werden. Dies ließe sich mit der Auffassung des BFH begründen, daß der Progressionsvorbehalt in den DBA enthalten sei, so daß § 32 b Abs. 1 Nr. 2 (Nr. 3) EStG ohnehin nur deklaratorische Bedeutung habe 584 . Das Verhältnis zum internationalen Recht ziehen auch Dedner und Diicker heran, indem sie die Ansicht vertreten, daß durch eine Auswirkung des § 2a EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt gegen höherrangige völkerrechtliche Vereinbarungen (§ 2 AO) verstoßen werde 585. Der nationale Gesetzgeber könne kein Verlustausgleichsverbot einführen, da nach den DBA die Einkünfte „unter dem Vorbehalt eines sich nach den gesamten Einkünften ergebenden Steuersatzes von der Besteuerung freigestellt werden" 586 und diese Freistellung das deutsche Steuerrecht im Hinblick auf die Bemessung des Steuersatzes binde. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 2 AO als rangbestimmende Vorschrift zerstreut Sauren mit dem Argument, daß „durch diese Norm ein Vertrauenstatbestand in dem Maße für den Steuerpflichtigen geschaffen (werde), daß dieser auf den Wortlaut von DBA und deren Auslegung vertrauen kann" 587 . Er konkretisiert diese Auffassung mit Schultze dahingehend, daß § 2 AO als eine Auslegungsregel zu verstehen sei, so daß jedes spätere Gesetz eine ausdrückliche Bestimmung enthalten müsse, inwieweit DBA zurücktreten sollen 588 . In Verbindung mit dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit sei dies so zu verstehen, daß „immer dann, wenn ein Spezialitätenverhältnis nicht festgestellt werden kann, die DBA als lex specialis vorgehen" 589. Daraus ziehen sie hinsichtlich eines DBA mit Progressionsvorbehalt den Schluß, daß in diesem Fall dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht eingeräumt wird, so daß „ausländische Einkünfte nie in die Bemessungsgrundlage einbezogen" 590 werden. Der Progressionsvorbehalt bewirke, daß diese Einkünfte nur bei der Höhe des Steuersatzes zu berücksichtigen seien. Dabei müsse
583
Ebd. Thierfeld, DB 1983, S. 802 mit Verweis auf BFH BStBl. III 1967, S. 88 f., BFH BStBl. III 1967, S. 729f., BFH BStBl. II 1970, S. 755ff.; bei den genannten Entscheidungen existierte § 32 b EStG noch nicht, da dieser erst durch das EStRG vom 5.8.1974, in: BStBl. I 1974, S. 530ff., (539), eingefügt wurde. 585 Vgl. Dedner, FR 1983, S. 293 und Dücker, DB 1983, S. 1848, wobei Dücker dies ausdrücklich nur für den Fall bejaht, daß Deutschland nach dem DBA zu einem Progressionsvorbehalt verpflichtet ist. 586 Dedner, FR 1983, S. 293. 587 Sauren, DB 1985, S. 2282. 588 Vgl. Sauren/Schultze, RIW 1989, S. 554. 589 Sauren/Schultze, RIW 1989, S. 554. 584
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
119
beachtet werden, „daß nicht § 32 b EStG, sondern der Progressionsvorbehalt in den DBA die Rechtsgrundlage darstellt" 591. Darüber hinaus argumentiert Thierfeld, daß sich aus der systematischen Stellung des § 2 a EStG im Gesetz und aus seinem Wortlaut ergebe, daß die Vorschrift allein die Verlustausgleichs- und -abzugsmöglichkeiten bei ausländischen Verlusten einschränke und damit allein die Ermittlung des Einkommens regele, so daß keine Auswirkung für den Tarifbereich daraus hergeleitet werden könne 592 . Plückebaum stellt in diesem Sinne ebenfalls dar, daß aus rechtssystematischer Sicht unstreitig „für Verluste aus Einkünften, die kraft DBA bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für die inländische Besteuerung nicht zu berücksichtigen sind, (...) das DBA die Rechtsgrundlage für die Nichtberücksichtigung (bleibt)" 593 . „Soweit es sich allerdings um die Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts handelt, soll nicht das DBA, sondern § 2a EStG als Rechtsgrundlage für die Nichtberücksichtigung anzusehen sein." 594 . Für eine derart unsystematische Regelung gebe das Gesetz, so Plückebaum, keinen Anhaltspunkt595. An dieser Sichtweise ist zu kritisieren, daß Plückebaum davon ausgeht, daß § 2a Abs. 1 EStG oder das DBA „Rechtsgrundlage" für die Nichtberücksichtigung ist und er eine einheitliche „Rechtsgrundlage" verlangt. Daran bestehen Zweifel, wenn man, was unstreitig sein dürfte, die Grundlage für die Besteuerung im nationalen Recht sucht. Die Frage, ob ein steuerbarer Vorgang vorliegt, bestimmt ausschließlich, also unabhängig vom Vorliegen eines DBA, das nationale Recht. Wie mit diesen bestehenden Steueransprüchen zu verfahren ist, kann sich im Wege der Steuerbefreiung oder einer Nichtberücksichtigung aufgrund von § 2a Abs. 1 EStG ergeben. Die Rechtsgrundlage für eine Nichtberücksichtigung kann durchaus verschieden sein, je nachdem wie die Einkünfte, positiv oder negativ, beschaffen sind, solange eine einheitliche „Rechtsgrundlage" für die Frage steuerbarer Tatbestände gegeben ist. Aus diesem Grund ist es nicht zwingend, eine Auswirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den Progressionsvorbehalt als unsystematisch anzusehen. 590
Sauren/Schultze, RIW 1989, S. 556; wobei anzumerken ist, daß nach den Formulierungen im Zusammenhang mit der Freistellungsmethode die betreffenden Einkünfte aus der Bemessungsgrundlage herausgenommen werden. 591 Sauren/Schultze, RIW 1989, S. 556. 592 Thierfeld, DB 1983, S. 802. 593 Plückebaum, DStZ 1983, S. 389. 594 Plückebaum, DStZ 1983, S. 389. 595 Vgl. Plückebaum, DStZ 1983, S. 389.
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
Ein weiterer Kritikpunkt an der vorgenannten Auffassung besteht in dem Kernargument, daß der nationale Gesetzgeber sich nicht über die Regelungen eines DBA hinwegsetzen darf. Bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen ist eine derartige Argumentation nicht haltbar, da anwendbares DBARecht einfachgesetzlicher Art ist und die Rangbestimmung auch nicht durch ein weiteres einfaches Gesetz, § 2 AO, geändert werden kann. Selbst wenn man dennoch § 2 AO als rangbestimmende Vorschrift ansieht, läßt sich mit Krabbe eine Wirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den Progressionsvorbehalt begründen. So weist Krabbe darauf hin, daß der Progressionsvorbehalt nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2 (jetzt Nr. 3) EStG voraussetzt, daß Einkünfte nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sein müssen596. Sind jedoch die Einkünfte bereits nach einseitigem deutschen Recht nicht zu berücksichtigen, „so ist die Freistellung kraft DBA für ihre Nichtberücksichtigung nicht kausal" 597 , so daß § 32 b EStG schon nicht anwendbar ist. Krabbe bejaht wegen § 2 AO einen grundsätzlichen Vorrang der internationalen Abkommen. Gleichzeitig stellt er aber fest, daß der Progressionsvorbehalt nach DBA keine weitergehende Wirkung haben könne als der Progressionsvorbehalt nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG 598 . Der Progressionsvorbehalt nach DBA erfasse nur positive und negative Einkünfte, die nach deutschem Steuerrecht zu berücksichtigen sind und erst durch das DBA aus der Bemessungsgrundlage herausgenommen werden. Als Beleg führt er den Wortlaut der DBA-Vorschriften an, die stets „unmittelbar an die Freistellung kraft DBA anknüpfen" 599. Dogmatisch ist § 2a Abs. 1 EStG eine Vorschrift, die durch ihre systematische Stellung im Gesetz als Teil des II. Abschnitts eine sachliche Voraussetzung für die Besteuerung regelt. Aufgrund dieses Zusammenhangs bezweckt § 2a EStG, den § 2 EStG insoweit zu ergänzen, als bestimmt wird, „unter welchen Voraussetzungen einkommensteuerrechtlich beachtliche Einkünfte vorliegen und unter welchen Voraussetzungen diese Einkünfte Eingang in das Einkommen finden" 600 . Für die Frage des Verhältnisses zwischen § 2a EStG und dem abkommensrechtlich vereinbarten Progressionsvorbehalt folgt daraus, daß entgegen der erstgenannten Meinungsgruppe der nationale Gesetzgeber auch nach Abschluß und Transformation eines DBA die Freiheit hat, Vorschrif596
Vgl. Krabbe, FR 1983, S. 83. Krabbe, FR 1983, S. 83; so auch Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 17. 598 Krabbe, FR 1983, S. 84. 599 Krabbe, FR 1983, S. 84. 600 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 108. 597
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
121
ten zu erlassen, die sich auf den Regelungskreis des Abkommens auswirken. Zwar darf das innerstaatliche Recht nicht gegen das Völkerrecht verstoßen. Wenn aber „ungeachtet dieser Verpflichtung völkerrechtswidrige staatliche Normen oder Maßnahmen bestehen, wird durch die Völkerrechtswidrigkeit ihre innerstaatliche Rechtsgeltung nicht aufgehoben" 601 (s.o.). Damit stehen § 2a EStG und der abkommensrechtliche Progressionsvorbehalt auf gleicher Ebene. Zu einer Kollision kommt es nur dann, wenn sich die Regelungsbereiche beider Normen überschneiden. Nach der Rechtsprechung des BFH kann dies jedoch nicht vorkommen. § 2a EStG regele keine Steuerbefreiung, die in Konkurrenz zu dem Regelungsbereich eines DBA stehen könnte, sondern nur „die Verrechnung zuvor als steuerpflichtig erkannter ausländischer Einkünfte" 602 . Eine Verrechnung setze aber zunächst voraus, „daß die ausländischen Einkünfte überhaupt als steuerbar anzusetzen sind. Dahin - und nur dahin - wirkt der Progressionsvorbehalt, unabhängig davon, ob seine Rechtsgrundlage vorrangig im DBA oder in § 32 b EStG zu erblicken ist." 6 0 3 Daß ausländische Einkünfte zur Ermittlung des Steuersatzes einbezogen werden, beruhe auf dem deutschen Einkommensteuergesetz, das der Gesetzgeber jederzeit ändern könne 604 . Der abkommensrechtliche Progressionsvorbehalt hält nur „die bestehende Steuerpflicht des deutschen Steuerrechts (teilweise) aufrecht" 605, und hinsichtlich der Behandlung von Verlusten gebietet er dessen Einbeziehung nicht, „sondern läßt sie lediglich zu" 6 0 6 . Folglich kann er § 2a EStG nicht entgegenstehen, „soweit er die Einbeziehung solcher Einkünfte in die Berechnung des Steuersatzes ausschließt"607. Bei dieser Betrachtungsweise ist es entgegen Birk 608 auch ohne Bedeutung, ob das jeweilige Abkommen die Anwendung des Progressionsvorbehalts zwingend vorschreiben oder nur die Berechtigung hierzu erteilen 609. Dies gilt insbesondere dann, wenn man § 2 AO als Auslegungsregel versteht, von der der Gesetzgeber abweichen kann. Entgegen Weigell 610 hat 601
Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 25 Rdnr. 30. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (137). 603 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (137). 604 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (138). 605 BFH/NV 1992, S. 104ff. (105). 606 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (138). 607 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (138). 608 Vgl. Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler § 2 Rdnr. 177. 609 So ausdrücklich BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (138). 6,0 Vgl. Weigell, S. 125, 138, der verlangt, daß der Gesetzgeber sich eindeutig über die Auslegungsvorschrift des § 2 AO hinwegsetzt, wenn das DBA eine entgegengesetzte Anordnung enthält. Dies sei, so Weigell, im Hinblick auf die Abkommen, die eine Berücksichtigung ausländischer Einkünfte zwingend vorschreiben, nicht geschehen. 602
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
der Gesetzgeber, wie die Diskussion um die Wirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den Progressionsvorbehalt im Gesetzgebungsverfahren zeigt, auch in genügendem Umfang zum Ausdruck gebracht, daß er eine Auswirkung des § 2a Abs. 1 EStG beabsichtigte. Dies reicht zu einer Abweichung von der Auslegungsregel des § 2 AO aus. Mangels einer Regelungskollision muß der Gesetzgeber den Vorrang des Gesetzes vor dem DBA in keinem Fall regeln. Der Gesetzgeber hat die Freiheit, insbesondere für die Bestimmung des Steuersatzes nationale Regelungen zu schaffen, die dann durch den eigenständigen Regelungsbereich eines DBA modifiziert werden. Dafür spricht auch die tatsächliche Abkommenspraxis. DBA-Staaten ändern ihr nationales Recht dauernd und unterrichten die Vertragsstaaten, so daß bilateral entschieden werden kann, ob die vorgenommenen Rechtsänderungen im anderen Staat Anlaß für Revisionsverhandlungen sind 611 . Schließlich kann sich ein Progressionsvorbehalt, der auf einem DBA beruht, „nur auf Einkünfte beziehen, die nicht bereits nach deutschem Recht außer Betracht bleiben" 612 . Der Progressionsvorbehalt in einem DBA besagt lediglich, „daß negative und positive Einkünfte, die ohne Existenz des DBA nach deutschem Recht in die Steuerbemessungsgrundlage eingehen würden, aufgrund des bilateralen Vertrages aber bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte unberücksichtigt bleiben, bei der Festlegung des Steuersatzes auf die Inlandseinkünfte angesetzt werden müssen"613. Zu diesem Zweck sind die ausländischen Einkünfte so zu behandeln, als bestehe das Abkommen nicht. Daraus folgt, daß Einkünfte, die schon nach innerdeutschem Recht nicht in die Bemessungsgrundlage eingehen, auch nicht bei der Ermittlung des Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehalts einzubeziehen sind 614 . Dabei ist die Ursache der Nichtberücksichtigung nach innerstaatlichem Recht irrelevant. Baranowski faßt die Problematik aufgrund der systematischen Stellung des § 2a EStG dadurch zusammen, daß durch diese Vorschrift der deutsche Einkommensbegriff verändert wurde 615 . Diese Einschränkung des deutschen Steuerrechts sei rechtssystematisch vor der Anwendung des Abkommensrechts zu beachten616, denn bei „positiven oder negativen ausländischen 611 Vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 2a Rdnr. 8 unter Hinweis auf Abs. 6 des Schlußprotokolls zu Art. 30 DBA Argentinien vom 13.7.1978 in: BStBl. I 1979, 326 ff. (336). 612 Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 17. 613 Biergans, IWB F. 3 Gr. 3, S. 996. 614 Vgl. Biergans, IWB F. 3 Gr. 3, S. 996. 615 Vgl. Baranowski, DB 1983, S. 2487; a.A. Sauren, DB 1985, S. 2282 mit Verweis darauf, daß der Gesetzgeber nicht den Einkommensbegriff, sondern nur bestimmte negative ausländische Einkünfte geändert habe.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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Einkünften, die auf Grund des nationalen deutschen Einkommensteuerrechts nicht Bestandteil der inländischen Steuerbemessungsgrundlage sind, greift Abkommensrecht - und damit auch § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG 617 - nicht ein, so daß kein Raum für die Anwendung des Progressionsvorbehalts ist" 6 1 8 . In der gleicher Weise äußern sich auch Bordewin/Gérard, die ausländische Einkünfte so in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, „wie sie sich nach deutschem Steuerrecht ergeben" 619. In mit § 15 a EStG vergleichbarer Weise führt das dazu, daß ausländische Verluste nur nach Maßgabe der nach deutschem Steuerrecht geltenden Beschränkungen des Verlustausgleichs berücksichtigt werden können620. Damit läßt sich auch die Sichtweise von Sauren/Schultze widerlegen, daß wegen eines DBA mit Freistellungsmethode „ausländische Einkünfte nie in die deutsche Bemessungsgrundlage einbezogen"621 werden. Wenn schon nach nationalem Recht ausländische Einkünfte nicht der inländischen Besteuerung unterliegen, bedeutet das nicht nur eine Außerachtlassung bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte, sondern generell die Nichtberücksichtigung dieser Einkünfte, auch bezüglich der Wirkung auf die Bestimmung des auf die Inlandseinkünfte anzuwendenden Steuersatzes622. Eine Änderung des deutschen Einkommensbegriffs hat damit in jedem Fall unmittelbare Wirkung für den Anwendungsbereich des § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG, da der Progressionsvorbehalt an den Einkommensbegriff des Gesetzes anknüpft 623. Krabbe stellt in systematischer Hinsicht, unabhängig von § 2 AO, ferner einen Vergleich zu den positiven Einkünften her, die durch ein DBA unter Progressionsvorbehalt steuerfrei gestellt werden, aber schon nach deutschem Recht nicht steuerbar sind 624 . Als Beispiel nennt er Gewinne aus der Veräußerung eines privaten ausländischen Grundstücks außerhalb der Spekulationsfrist 625. Für die Progression des nationalen Rechts ist dieser Vorgang ohne Relevanz, da er nicht steuerbar ist. Nichts anderes gelte, 616
Vgl. Baranowski, DB 1983, S. 2487. Richtigerweise § 32 b Abs. 1 Nr. 2 (jetzt Nr. 3) EStG. 618 Baranowski, DB 1983, S. 2486. 619 Bordewin/Gérard, FR 1983, S. 55. 620 Vgl. Bordewin/Gérard, FR 1983, S. 55; so auch Bordewin, Haushaltsbegleitgesetz, S. 117, Kieschke, DStZ 1983, S. 7. 621 S.o., Sauren/Schultze, RIW 1989, S. 556. 622 Vgl. Jarosch, StBp 1984, S. 77. 623 Vgl. Baranowski, DB 1983, S. 2487. 624 Vgl. Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 26. 625 Nach dem StEntlG 1999/2000/2002 wurde der Begriff des Spekulationsgeschäfts durch den Begriff des privaten Veräußerungsgeschäfts ersetzt. 617
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1. Teil: Die Systematik der Besteuerung von Auslandserlusten
wenn das DBA selbst einen Progressionsvorbehalt enthalte. Bei Auslegung dieses Progressionsvorbehalts ergebe sich, „daß dieser sich auf Fälle beschränkt, in denen erst auf Grund des Abkommens und nicht bereits auf Grund nationalen Steuerrechts positive und negative Einkünfte außer Betracht bleiben" 626 . Mit dem Hinweis, daß ausländische Einkünfte so in die deutsche Bemessungsgrundlage einbezogen werden, wie sie sich nach deutschem Steuerrecht ergeben, plädiert ebenso Bordewin 627 für eine Auswirkung des § 2a EStG auf den Progressionsvorbehalt. Folglich werden ausländische Verluste nur nach den für das inländische Steuerrecht geltenden Beschränkungen des Verlustausgleichs berücksichtigt 628. Nach der Ansicht von Beckermann/Jarosch geht die Annahme zu weit, daß durch den Progressionsvorbehalt des DBA-Rechts § 2a EStG ausgeschaltet und der innerstaatliche Steueranspruch zurückgedrängt werde 629 . Eine konsequente Weiterführung dieser Auffassung hätte zur Folge, daß „auch andere Verluste, z.B. aus Spekulationsgeschäften im Ausland, im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts uneingeschränkt berücksichtigt werden (also nicht nur bis zur Höhe entsprechender Gewinne), wenn die jeweiligen Einkünfte grundsätzlich nach DBA freigestellt sind" 630 . Auf diese Weise würde die Regelung des § 23 Abs. 4 S. 3 EStG außer Kraft gesetzt werden, da insofern der deutsche Steueranspruch „durch das DBA zurückgedrängt würde" 631 . In gleicher Weise wären Verluste in den Fällen der §§ 15 Nr. 3, 15a, 22 Nr. 3 EStG zu behandeln/Ginge man mit der Gegenauffassung davon aus, daß durch die bilateralen Regelungen ein uneingeschränkter Verlustabzug (z.B. auch bei § 22 Abs. 4 S. 3 EStG) möglich sei, so wäre das Ergebnis, „daß der Steuerpflichtige, der Verluste im Ausland erzielt, günstiger gestellt würde, als der Steuerpflichtige, der gleiche Verluste im Inland erzielt" 632 . Dieses Ergebnis ist jedoch sowohl nach DBA-Recht als auch nach nationalem Recht untragbar, so daß § 2a EStG als innerstaatlicher Grundsatz der Gewinnermittlung vor Anwendung des DBA beibehalten werden muß. Dem entspricht ein Vergleich zu positiven Auslandseinkünften. Sofern positive Einkünfte nach nationalem Steuerrecht steuerfrei sind oder unter bestimmte Vergünstigungsvorschriften fallen, hat daraus bisher niemand 626 627 628 629 630 631 632
Ebd. mit Verweis auf BFH BStBl. II 1991, 136 ff. Vgl. Bordewin, BB 1983, S. 116. Vgl. Bordewin/Gérard, FR 1983, S. 55. Vgl. Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 111. Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 111. Ebd. Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 111.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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gefolgert, „positive Einkünfte insoweit auch dann (voll) zu berücksichtigen" 633 , als es um die Bestimmung des Steuersatzes geht. In ähnlicher Weise werden Freibeträge behandelt634. Gleiches gilt für die nach deutschem Recht nichtsteuerbaren positiven Einkünfte 635. Kröner kommt zu dem gleichen Ergebnis, obwohl für ihn die Nichtberücksichtigung der Verluste grundsätzlich kausal auf der abkommensrechtlichen Freistellung beruht. Es sei zwischen der Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatzbemessungsgrundlage zu unterscheiden. Unter Anwendung des § 2 AO laufe § 2a Abs. 1 EStG für die Steuerbemessungsgrundlage ins Leere 636 . Für die Bestimmung des Steuersatzes müßten jedoch auch abkommensrechtlich freigestellte Einkünfte einbezogen werden. Folglich sei § 2a Abs. 1 EStG für Tarifzwecke anwendbar, „denn im Rahmen der Fiktion wird seine Anwendung nicht durch Abkommensrecht gestört" 637. Ob die Abkommen die Anwendung vorschreiben oder freistellen ist unerheblich 638, wenn man im Sinne Kröners auf dem vorbezeichneten Weg das Zusammenspiel zwischen § 2a Abs. 1 EStG und dem Progressionsvorbehalt als eine Folge des Umstandes ansieht, daß die Bemessungsgrundlagenbestimmung zu Tarifzwecken nach nationalem Steuerrecht lediglich die nach Abkommensrecht verbleibende Besteuerungskompetenz ausfüllt 639. Dies entspricht schließlich der Auffassung des BFH zur Bedeutung der abkommensrechtlichen Anordnung des Progressionsvorbehalts 640. Im Ergebnis läßt sich feststellen, daß sowohl die systematische Stellung zu DBA-Recht als auch die Stellung zu Vorschriften des EStG eine Auswirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt belegt. c) Teleologische Auslegung Fraglich ist, ob dieses Ergebnis unter Berücksichtigung des Zwecks des Progressionsvorbehalts zutreffend ist. Nach Thierfeld 641 liegt das Wesen des Progressionsvorbehalts darin, daß solche Einkünfte erfaßt werden sollen, die bei der Ermittlung des Einkom633
Ebd. Vgl. Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 111. 635 Vgl. Biergans, IWB F. 3 Gr. 3, S. 996. 636 Vgl. Kröner, FR 1986, S. 29. 637 Kröner, FR 1986, S. 30f. 638 Vgl. z.B. auch Weigell, RIW 1987, S. 125. 639 Vgl. Kröner, FR 1986, S. 31. 640 Vgl. BFH BStBl. II 1967, S. 88 f. (90); BFH BStBl. II 1967, S. 729 f. (730); BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (138). 641 Vgl. Thierfeld, 801 f. 634
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. Teil: Die
s m i k der B e u n g von Auslandserlusten
mens von vornherein außer Betracht bleiben. Es könne jedoch „allein die Tatsache, daß die in Frage kommenden Verluste jetzt nicht nur nach DBA, sondern auch nach dem EStG außer Ansatz bleiben (...) für die Anwendung des Progressionsvorbehalts keine Auswirkung haben"642. Damit seien die § 2 a-Verluste trotz des innerstaatlichen Verrechnungsverbotes bei der Steuersatzbemessung mindernd zu berücksichtigen. Dedner sieht den Zweck des Progressionsvorbehalts darin, daß „über den Steuersatz die im Wohnsitzstaat freigestellten Einkünfte - entsprechend dem Leistungsfähigkeitsprinzip - zu erfassen" 643 sind. Werden Einkünfte kraft DBA unter Progressionsvorbehalt freigestellt, entzögen sich derartige Fragen einer nationalen Regelung644, so daß der Gesetzgeber nicht einseitig negative Einkünfte hinsichtlich des Progressionsvorbehalts ausnehmen könne. Dieser, an der Leistungsfähigkeit orientierten Auslegung, liegt jedoch eine kausale Nichtberücksichtigung der betroffenen Verluste durch das DBA-Recht zugrunde. Neben einer rechtlichen Würdigung deutet Pflugfelder auch auf ein ökonomisches Problem hin. Ginge man davon aus, daß § 2a Abs. 1 EStG den negativen Progressionsvorbehalt verhindere, so widerspreche das „klar den wirtschaftlichen Interessen verschiedener Quellenstaaten, die auf die Anziehung von Kapital, insbesondere aus Industriestaaten angewiesen sind. Ohne eine sofortige Berücksichtigung etwa von Anlaufverlusten, wenigstens über die Kappung der Progression im Heimatstaat des Investors, ist eine nennenswerte Investitionstätigkeit trotz Abschluß eines DBA nicht zu erwarten." 645 Ob man von einer Allgemeingültigkeit dieser Aussage hinsichtlich der wirtschaftlichen Erwägungen Pflugfelden ausgehen kann, ist zweifelhaft. Hellwig räumt ein, daß ein derartiges Interesse nicht geleugnet werden könne, indes reiche es zur Abkommensinterpretation nicht aus, „zumal es sich häufig nur um eine vermutete Interessenlage handelt und keinesfalls jede geschäftliche Aktivität eines Inländers im Ausland dort als positiv empfunden wird" 6 4 6 . Etwas anders könne nur gelten, wenn eine entsprechende Interessenlage im jeweiligen Abkommen ihren Ausdruck gefunden habe, was aber nicht der Fall ist. Zum anderen ergebe sich, so Krabbe, eine Auswirkung aus dem Zweck des DBA-Progressionsvorbehalts, „den Steuerpflichtigen so zu stellen aber auch nur so - , als ob kein DBA bestünde"647. Die Anwendung des 642 643 644 645 646
Thierfeld, DB 1983, S. 802. Dedner, FR 1983, S. 293. Ebd. Pflugfelder, FR 1983, S. 321 Hellwig, DB 1984, S. 2007.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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Progressionsvorbehalts bedeutet auch nach Manke lediglich, „für einen bestimmten Zweck außer Betracht zu lassen, daß Einkünfte nach einem Doppelbesteuerungsabkommen steuerbefreit sind. Im übrigen ist das geltende Recht maßgebend"648. Nach der Auffassung des BFH wäre es überdies sinnwidrig, „wollte § 2a EStG zwar den Abzug ausländischer Verluste beschränken, die unter kein DBA oder ein DBA mit Anrechnungsverfahren fallen, den steuermindernden Abzug solcher Verluste bei der Festsetzung des Steuersatzes aber zulassen. Im letzteren Fall ist gleichermaßen eine nach dem Gesetzeszweck unerwünschte Steuerersparnis zu besorgen" 649. Damit ist, nach der Formulierung Mankes, der Progressionsvorbehalt als „Ausnahme von der Ausnahme zu verstehen. Abweichend vom innerstaatlichen Recht stellen die Abkommen bestimmte Einkünfte steuerfrei. Dies gilt nicht, soweit der Steuersatz für andere Einkünfte zu ermitteln ist" 6 5 0 . Das einzige vertretbare Argument gegen eine Anwendung des § 2a Abs. 1 EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt aus teleologischer Sicht, liegt in der von Pflugfelder dargelegten behindernden Wirkung für Auslandsinvestitionen. Der Progressionsvorbehalt ist jedoch in erster Linie kein Instrument zur Begünstigung derartiger Investitionen, sondern bezweckt die Anwendung eines nach nationalen Maßstäben leistungsfähigkeitsorientierten Steuersatzes auf die inländischen Einkünfte. Mit dem in § 2a Abs. 1, 2 EStG kodifizierten eingeschränkten Verlustausgleich durchbricht der Gesetzgeber den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, unabhängig davon, ob ein DBA besteht oder nicht. Die Abweichung vom Leistungsfähigkeitsgrundsatz muß sich dann konsequenterweise auf den Progressionsvorbehalt auswirken, wenn beabsichtigt ist, den Steuerpflichtigen so zu stellen, als sei kein DBA geschlossen worden. d) Besonderheiten ab dem VZ 1996 Nach Probst wird der negative Progressions vorbehält ab dem VZ 1996 nicht mehr durch § 2a Abs. 1 EStG beschränkt 651. Zur Begründung beruft er sich auf die Formulierung des § 32 b Abs. 2 Nr. 2 EStG, wonach das zu versteuernde Einkommen um die in Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Einkünfte zu vermehren oder zu vermindern ist. § 2a Abs. 1 EStG könne nicht 647 Krabbe, FR 1983, S. 84; vgl. Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 17. 648 Manke, DStZ 1984, S. 239. 649 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (137). 650 Manke, DStZ 1984, S. 240. 651 vgl. Probst in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 32b Anm. 136 („Verlustausgleich").
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mehr eingreifen, da diese Vorschrift erst nach der Einkunftsermittlung einsetze652. Nach Handzik/Hellwig besteht weiterhin eine Auswirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt, da mit dem Begriff „Einkünfte" in § 32 b Abs. 2 Nr. 2 EStG „auch auf die Behandlung negativer Einkünfte durch § 2a Abs. 1, 2 EStG Bezug genommen"653 werde. § 2a Abs. 1 EStG wird weiterhin als nationale Vorschrift der Ermittlung des abkommensrechtlichen Befreiungsgegenstandes vorgeschaltet. Für diese Auffassung 654 spricht, daß nach der Gesetzesbegründung eine Einschränkung des Anwendungsbereichs nicht ersichtlich ist 6 5 5 und dies auch im Widerspruch zu der Zielsetzung des § 2a Abs. 1 EStG stünde. Der Wirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den Progressionsvorbehalt kam im Gesetzgebungsverfahren 1982 besondere Aufmerksamkeit zu, so daß es zu erwarten gewesen wäre, daß sich der Gesetzgeber, wollte er die damals vertretene Auffassung korrigieren, sich mit dem Problem auseinandergesetzt hätte. Entscheidend ist aber letztlich, daß § 2a Abs. 1 EStG eine Vorschrift ist, die den Einkünftebegriff innerstaatlich modifiziert, so daß der in § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG bezeichnete Freistellungsgegenstand unter Beachtung des § 2a Abs. 1 EStG zu bestimmen ist. Die Finanzverwaltung geht ebenfalls weiterhin von einer Wirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt aus 656 . 3. Ergebnis Die Anwendung des § 2a Abs. 1 EStG wird durch das Bestehen eines DBA, das einen Progressionsvorbehalt vorschreibt, nicht ausgeschaltet. Die Auswirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt ist Teil der nach Abkommensrecht verbleibenden Besteuerungskompetenz des nationalen Gesetzgebers657. Ungeachtet des Vorliegens eines DBA wirkt sich § 2a Abs. 1 EStG auf die Bemessungsgrundlage zur Bestimmung des Steuersatzes aus. Auf diese Weise erhöht sich die geschuldete Steuer. 652 vgl. Probst in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 b Anm. 136 („Verlustausgleich") mit Verweis auf BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (137). 653 Vgl. Handzig/Hellwig in Littmann/Bitz/Hellwig, § 32b Anm. 30. 654 Vgl. Frotscher, § 32b Rdnr. 20 a.E.; Blümich/Krabbe, § 32b Rdnr. 20; Schmidt/Heinicke, § 32 b Rdnr. 22 f. 655 Vgl. BT-Drucksache XIII/901, S. 136. 656 Vgl. Hinweis 185 EStR zu § 32 b EStG („Ausländische Verluste im Sinne des § 2a EStG werden nur nach Maßgabe des § 2a EStG berücksichtigt.") unter Berufung auf BFH BStBl. II 1991, S. 136 ff. 657 Vgl. Kröner, FR 1986, S. 31.
G. Die Wirkungsweise des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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IV. § 2a Abs. 1, 2 EStG und die Anrechnungsmethode nach DBA Nach Art. 23 Β OECD-MA wird in bestimmten Fällen die Anrechnungsmethode als Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung angewendet. In diesen Fällen, so insbesondere im Bereich der Art. 10, 11 OECDMA bei fehlender vorrangiger Freistellung, stellt sich das Problem des Verhältnisses zu § 2a Abs. 1 EStG als Norm des nationalen Steuerrechts in ähnlicher Weise wie bei der Freistellungsmethode. Im Kern geht es auch in diesem Zusammenhang um die Frage, ob § 2a Abs. 1 EStG durch die in dem DBA vorgeschriebene Regelung verdrängt wird. Vertritt man die Auffassung, daß die Regelung des § 2a EStG gegen DBA-Recht verstößt, so hat dies zwangsläufig Auswirkungen, wenn das DBA nicht die Freistellungsmethode, sondern die Anrechnungsmethode vorschreibt. Nach den DBA existieren keine Sonderregelungen für die Anrechnung von Auslandsverlusten. Aus dem Gedanken, daß die Regelung der DBA nicht durch inländisches Recht außer Kraft gesetzt werden kann, folgern Eggesiecker/Eisenach/Schürner, daß bei einer Kollision stets eine Entscheidung zugunsten des internationalen Rechts zu treffen sei 658 . § 2a EStG könne daher keine Wirkung entfalten. Sollte das aber bezweckt werden, müßten die DBAs insoweit revidiert werden. Zu diesem Ergebnis kommen konsequenterweise auch Sauren/Schultze, die unter Hinweis aus die Formulierung „wird angerechnet" in Art. 23 Abs. 1 b) DBA-Spanien und Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz von einer Pflicht zur Anrechnung ausgehen659. Da nach ihrer Ansicht § 2 AO als Auslegungsregel zu verstehen ist und § 2a EStG keinen Hinweis auf seinen Vorrang enthält, „haben die DBA mit Anrechnungsmethode aufgrund der zuvor angeführten Prämissen - Völkerrechtsfreundlichkeit, Art. 25 GG und § 2 AO - als zwingende Normen Vor4*660
rang . Nach der Gegenauffassung gilt § 2a Abs. 1 EStG auch bei der Anrechnungsmethode nach DBA. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt nicht vor. Beckermann/Jarosch stellen heraus, daß die meisten DBA bestimmen, daß sich die Anrechnungstechnik „nach den steuerlichen Vorschriften des Wohnsitzstaats Bundesrepublik Deutschland - also nach § 34 c Abs. 1 EStG 658 659 660 9 Wilk
Vgl. Eggesiecker/Eisenach/Schürner, FR 1982, S. 486. Vgl. Sauren/Schultze, RIW 1989, S. 554. Sauren/Schultze, RIW 1989, S. 554.
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richtet"661. Fehlt es an einem solchen Verweis, so ist es in Anlehnung an die Kommentierung zu Art. 23 b des OECD-MA 662 „unbestritten, daß es dem Wohnsitzstaat vorbehalten ist, bei der Steueranrechnung seine eigenen innerstaatlichen Bestimmungen anzuwenden"663. Damit greift § 2a EStG stets ein. Entgegen Hellwig 664 muß deshalb auch nicht differenziert werden, ob das Abkommen die Anrechnung zwingend vorschreibt oder dem Wohnsitzstaat nur die Möglichkeit dazu eröffnet. Der Zweck der Anrechnungsmethode „erschöpft sich in der Vermeidung der Doppelbesteuerung; die Anrechnung wird auch nach den Abkommen stets auf den Betrag beschränkt, der auf die Einkünfte aus dem anderen Staat entfällt. Ob und aus welchem Grunde eine Steuer des Wohnsitzstaates auf diese Einkünfte entfällt oder nicht entfällt, steht außerhalb der Abkommensregelung"665. Insbesondere gebietet die Gleichbehandlung mit Einkünften aus NichtDBA Ländern die Gleichstellung mit der Regelung bei bilateralen Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung. Insofern kann auf die Ausführungen zur Auswirkung des § 2a Abs. 1, 2 EStG bei § 34c Abs. 1 EStG verwiesen werden. Dies folgt im übrigen schon aus § 34 c Abs. 6 EStG, wonach zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages § 34 c Abs. 1 S. 1 und 2 EStG, und damit auch die nationalen Vorschriften zur Bestimmung einkunftsrelevanter Begriffe, anzuwenden sind. Es besteht kein Grund, die gesetzgeberische Freiheit bei Bestehen eines DBA im Hinblick auf die Anrechnungsmethode anders zu beurteilen als bei der Freistellungsmethode666. Im Ergebnis bewirkt § 2a Abs. 1 EStG, ebenso wie bei der direkten Anwendung des § 34 c Abs. 1 EStG bei fehlendem DBA, eine Erhöhung des Anrechnungsbetrages, wenn im Ausland sowohl positive als auch negative Einkünfte (sofern negative Ertragskomponenten bei den Einkünften überhaupt enthalten sind) erwirtschaftet wurden.
661
Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 112. Vgl. Tz. 60 des offiziellen Kommentars zu Art. 23 OECD-MA. 663 Beckermann/Jarosch, FR 1984, S. 112. 664 Vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 34c Rdnr. 18 unter Verweis auf §2 AO. 665 Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 27 mit Verweis auf Ziffer 65 des offiziellen Kommentars zum OECD-MA. 666 Vgl. Blümich/Krabbe, § 2a Rdnr. 27 a.E. 662
H. Zusammenfassung
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H. Zusammenfassung Unabhängig vom Bestehen eines DBA dürfen im Ausland erzielte Verluste im Sinne des § 2a Abs. 1, 2 EStG nicht mit inländischen Einkünften verrechnet werden. Hat die Bundesrepublik Deutschland mit dem ausländischen Staat, aus dem die Verluste stammen, kein DBA abgeschlossen, so wird eine Doppelbesteuerung nach § 34c EStG vermieden. § 2a Abs. 1, 2 EStG wirkt sich im Jahr der Verlustentstehung aus, indem der maximale Anrechnungsbetrag ausländischer Steuern erhöht wird. In den Folgejahren ist der Anrechnungshöchstbetrag durch die Nachversteuerung der Verluste entsprechend niedriger. Die Möglichkeit des Abzugs der ausländischen Steuern nach § 34 c Abs. 2 EStG wird durch § 2a Abs. 1, 2 EStG nicht beeinträchtigt. Besteht hingegen ein ordnungsgemäß in innerstaatliches Recht transformiertes DBA, so muß differenziert werden, ob die Einkünfte freigestellt werden oder ob das Abkommen die Anrechnung ausländischer Steuern vorsieht. Die abkommensrechtliche Freistellungsmethode erfaßt nach der derzeitigen Rechtslage auch Verluste. Werden die Verluste schon kraft § 2a Abs. 1, 2 EStG nicht zur Verrechnung zugelassen, so kommt der Freistellungsmethode keine konstitutive Bedeutung zu. Konstitutive Bedeutung erlangt die Freistellungsmethode bei den Verlusten, die nicht von § 2a Abs. 1, 2 EStG erfaßt sind. Bis zum VZ 1998 bestand die Möglichkeit des Abzuges freigestellter Verluste nach § 2a Abs. 3 EStG, sofern die Verluste aus aktiv tätigen ausländischen Betriebsstätten stammten. Von dem Verrechnungsverbot des § 2a Abs. 1, 2 EStG erfaßte Verluste wirken sich auch nicht beim Progressionsvorbehalt aus. Anders ist die Rechtslage, wenn die Verluste erst konstitutiv durch die abkommensrechtliche Freistellungsmethode erfaßt werden, also der Regelungsbereich des § 2a Abs. 1, 2 EStG nicht eröffnet ist. Dann können die Verluste auch zur Bestimmung des besonderen Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG berücksichtigt werden. Ordnet das Abkommen die Anrechnung ausländischer Steuern an, so bestehen keine Unterschiede zur Rechtslage ohne Vorliegen eines DBA.
9*
2. Teil
Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandsverlusten Entsprechend der deutschen Methodik zur Behandlung von Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten, ist die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit danach auszurichten, ob der Anwendungsbereich des § 2a Abs. 1, 2 EStG eröffnet ist und ob mit dem Quellenstaat ein Doppelbesteuerungsabkommmen geschlossen wurde. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden zu § 2a Abs. 1, 2 EStG nicht zur Entscheidung angenommen und damit zum Ausdruck gebracht hat, daß keine Bedenken an dessen Verfassungsmäßigkeit bestehen, ist nicht erneut mit umfangreichen Diskussionen zu dieser Frage zu rechnen. Dennoch bietet die Streitfrage um die Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG Anhaltspunkte zur Zielsetzung und Wirkung der Vorschrift. Diese Aspekte erlangen Bedeutung, wenn es gilt, die Vereinbarkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG mit dem EG-Vertrag zu überprüfen. Aus diesem Grund sollen die wesentlichen Meinungstendenzen zusammenfassend dargestellt werden. Des weiteren sind Anrechnungs- und Freistellungsmethode auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu untersuchen.
A. Maßstäbe zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen „Erst im Steuersystem eines Staates zeigt sich, was seine Verfassung wirklich wert ist" 1 . Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist „die Besteuerungsfunktion des Staates (...) zugleich ein legitimes Mittel gerade einer mit der verfassungsrechtlichen Wertordnung übereinstimmenden - Wirtschaftssteuerung" 2. Wenn, wie es § 3 Abs. 1 S. 1 AO ausdrücklich normiert, mit Steuern neben der Einnahmeerzielung auch andere Zwecke verfolgt werden können, gilt dies nur mit der Einschränkung, „daß diese Nebenzwecke selbst verfassungsrechtlich neutral sind und mit verfassungs1 2
Friauf, DStZ 1975, S. 360. BVerfGE 13, S. 331 ff. (345 f.).
Α. Maßstäbe zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen
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rechtlich unbedenklichen Steuern verfolgt werden"3. Es bedarf keiner näheren Begründung, daß der Steuergesetzgeber sich daher an den Maßstäben der Verfassung messen lassen muß. Sowohl das materielle Steuerrecht als auch das Besteuerungsverfahren müssen verfassungskonform sein. Zentrale Kriterien zur Überprüfung steuerrechtlicher Gesetze sind, neben Kompetenzfragen und Problemen der inhaltlichen Abstimmung der Gesetze zwischen Bund, Ländern und Gemeinden4, die Grundrechte in Verbindung mit den verschiedenen Ausformungen des Rechtsstaats- und des Sozialstaatsprinzips5. Ein spezielles Steuergrundrecht kennt das deutsche Rechtssystem nicht. Dies läßt sich historisch erklären. Mit der Entstehung von Grundrechten ging die Parlamentarisierung einher. Man sah es, ausgehend von der französischen Revolution, als nicht erforderlich an, ein Steuergrundrecht zu schaffen, da die Steuersubjekte selbst Mitglieder der Parlamente waren. Insofern war das Bemühen um eine gerechte Steuerordnung dem Amt der Parlamentarier immanent. Das Parlament galt als umfassender Garant der Freiheit gegenüber der Exekutivgewalt6. Anfang des 19. Jahrhunderts herrschte die Ansicht vor, „daß jede auf Grund eines von der Volksvertretung beschlossenen Gesetzes erhobene Steuer verfassungsgemäß war; der Gedanke, daß der Gesetzgeber selbst in die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger eingreifen konnte, lag fern" 7. Hinzu kommt, daß bei den bis zum Ersten Weltkrieg geltenden niedrigen Steuersätzen, „die Frage einer Aushöhlung des privaten Eigentums nicht ernstlich aufgeworfen werden"8 konnte. Während ursprünglich Steuern als Gegenleistung des Bürgers für den Schutz von Person und Eigentum verstanden wurde, bedingte der fortschreitende wissenschaftliche, technische und industrielle Wandel, daß die Steuer „im Sinne eines Instrumentes zur Lenkung der Wirtschaft funktionalisiert" 9 wurde. Gleichzeitig änderte sich das Verhältnis zwischen Parlament und Exekutive. Das Parlament ist nicht mehr Schutzorgan vor staatlicher Gewalt, sondern selbst Entscheidungsträger im legislativen Bereich 10. 3
BVerfGE 6, S. 55 ff. (81). Vgl. dazu BVerfG NJW 1998, S. 2341 ff.: kommunale Verpackungssteuer. 5 Vgl. zum Sozialstaatsprinzip BVerfGE 87, S. 153 ff.: Anhebung des Grundfreibetrages in Höhe des Existenzminimums. 6 Vgl. Benda/Kreuzer, DStZ 1973, S. 49. 7 Benda, DStZ 1984, S. 159. 8 Friauf, DÖV 1980, S. 482; vgl. auch BVerfGE 6, S. 55 ff. (70). 9 Benda/Kreuzer, DStZ 1973, S. 50. 10 Vgl. Friauf, DÖV 1980, S. 483 mit Verweis auf Maunz/Dürig, Art. 1 Rdnr. 103: Dieser Funktionswandel erklärt letztlich Art. 1 Abs. 3 GG. 4
134 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslands Verlusten
Der deutsche Verfassunggeber reagierte jedoch aus der Sicht des Steuerpflichtigen unterschiedlich auf das veränderte Verständnis der Zielsetzung der Besteuerung und ihrer wachsenden volkswirtschaftlichen Bedeutung. Die Weimarer Reichsverfassung enthielt in Art. 134 eine Vorschrift über die Besteuerung: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei/' Aus der Vorschrift wurde gefolgert, daß verfassungsmäßige Richtschnur für die Steuergesetzgebung und Steuerverwaltung zum einen der Grundsatz der Allgemeinheit und zum anderen der Grundsatz der gleichmäßigen Verteilung der öffentlichen Abgaben nach dem Verhältnis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit war 11 . Die Gleichheit der Heranziehung zu öffentlichen Lasten wurde im Sinne einer „relativen Steuergleichheit"12 als „Abschaffung von Befreiungen und Bevorzugungen (insbesondere Klassenund Standesvorrechte)" 13 verstanden. Umstritten war, welche Funktion daneben der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 109 WRV hatte14. Die Rechtsprechung sah Art. 134 WRV als Spezialvorschrift gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz, so daß dieser im Abgabenrecht ohne Bedeutung war 15 . Obwohl jeder Bürger heutzutage mit Steuern in mit anderen Bereichen der Eingriffsverwaltung kaum vergleichbarer Weise konfrontiert wird, fehlt es im Grundgesetz an einem ausdrücklich normierten Abwehrrecht. Der Steuerbürger selbst wird nur in Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG erwähnt. Bei der Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern ist unter anderem der Grundsatz zu beachten, daß eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden wird 16 . Das Grundgesetz konzentriert sich in der Finanzverfassung der Art. 104 a ff. GG auf Fragen der Gesetzgebungskompetenzen und der Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Besteuerung sind daher in erster Linie die Grundrechte in Verbindung mit den Staatsprinzipien. Versucht man im Einzelfall eine Form der Besteuerung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen, so ist vorab zu klären, ob es um die verfassungsrechtlichen Grenzen beim Erlaß von Steuern (Kompetenzfragen) 17 11
Vgl. Giese, S. 284 (Anm. 2). Gusy, WRV, S. 290. 13 Giese, S. 284 (Anm. 2); vgl. Gebhard S. 501 (Anm. 3 a). 14 Vgl. Benda/Kreuzer, DStZ 1973, S. 51. 15 Vgl. Gusy, WRV, S. 290. 16 Vgl. Benda, DStZ 1984, S. 159. 17 Vgl. zuletzt BVerfGE NJW 1998, S. 2341 ff. zur kommunalen Verpackungssteuer. 12
Α. Maßstäbe zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen
135
oder um die verfassungsrechtlichen Grenzen bei der inhaltlichen Ausgestaltung (Modalitäten) der Besteuerung geht18. Bei der verfassungsrechtlichen Untersuchung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Auslands Verlusten steht der Aspekt der inhaltlichen Ausgestaltung im Vordergrund. Kompetenzfragen stellen sich im Hinblick auf Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 3 S. 2 GG und Art. 59 GG nicht. Bei den Modalitäten der Einkommensbesteuerung bemißt sich der Rahmen verfassungskonformer Steuererhebung unter dem Blickwinkel insbesondere der Art. 2, 3, 6, 12 und 14 GG 19 , wobei Art. 6 GG bei Auslands Verlusten zu vernachlässigen ist. Bei Einführung des § 2a Abs. 1, 2 EStG stand im Mittelpunkt der Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit die Frage, ob in bezug auf Altinvestoren eine verfassungsrechtlich zulässige Rückwirkung vorlag, da die Regelung übergangslos galt. Aus heutiger Sicht ist diese Frage nicht mehr von praktischer Bedeutung. Dennoch soll dieses Problem kurz angerissen werden, da es die Grenzen der Steuergesetzgebung veranschaulicht. Von dauernder Aktualität ist hingegen die Bedeutung des Gleichheitsgrundsatzes im Steuerrecht. Insoweit ist die anhand von § 2a Abs. 1, 2 EStG geführte Diskussion beispielhaft dafür, welche Bedeutung dem Art. 3 GG im Steuerrecht tatsächlich zukommt.
I. Bedeutung des Art. 12 GG Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist nur dann berührt, wenn eine staatliche Maßnahme, daher auch eine Steuer, berufsregelnde Tendenz hat 20 . Der Charakter einer Steuer als „Sondersteuer für einen bestimmten Beruf deutet auf eine berufspolitische und sozialpolitische Tendenz hin" 21 . So sind steuerliche Vorschriften nach der Rechtsprechung des BVerfG dann an Art. 12 GG zu messen, wenn sie „an die Erlaubnis zur Ausübung eines bestimmten Berufes anknüpfen und den Nebenzweck verfolgen, den Zugang zu diesem Beruf zu hemmen"22. Die freie Berufswahl ist berührt, „wenn eine Steuer ihrer objektiven Gestaltung und Höhe nach es den von 18
Zu dieser Differenzierung vgl. Loritz, NJW 1986, S. 2 ff. Vgl. zusammenfassend BVerfGE 87, S. 152 ff. (169). 20 Vgl. zuletzt BVerfG NJW 1998, S. 2341 ff. (2341) zur kommunalen Verpakkungssteuer, bei der das BVerfG einen Eingriff in Art. 12 GG bejahte, da die Verpackungssteuer Einfluß auf die Art und Weise der Berufsausübung nimmt; i.ü. st. Rspr. des BVerfG, vgl. BVerfGE 16, S. 147ff. (162); 37, S. Iff. (17); 47, S. Iff. (21); 95, S. 267 ff. (302). 21 BVerfGE 13, S. 181 ff. (187). 22 BVerfGE 13, S. 181 ff. (1. Leitsatz) zur sog. Schankerlaubnissteuer. 19
136 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
ihr betroffenen Berufsbewerbern in aller Regel wirtschaftlich unmöglich macht, den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen"23. Mit der Einkommensteuer hat Art. 12 GG gemäß dieser Funktion in der Regel keine Berührungspunkte. Der Grund liegt darin, daß die Einkommensteuer alle Berufe erfaßt und sich damit nicht speziell gegen eine bestimmte Art der Betätigung richtet. Ihr fehlt es an einer speziell berufsregelnden Tendenz. Für eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit genügt nach der Rechtsprechung des BVerfG „nicht die allgemeine Möglichkeit der Beeinträchtigung eines nicht näher bestimmbaren Personenkreises" 24. Dies gilt auch für allgemeine Steuergesetze, die „als Normen mit einem unspezifischen Adressatenkreis ohne unmittelbare Beziehung zu einem bestimmten Beruf an generelle Merkmale wie Gewinn, Ertrag, Umsatz oder Vermögen" 25 anknüpfen. Speziell die Einkommensteuer erfaßt „undifferenziert unter anderem Einkünfte aus erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit und sonstige Einkünfte (...), z.B. aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung" 26 . Selbst wenn man für bestimmte Bereiche beruflicher Betätigung eine derartige Tendenz unterstellt, so können verfassungsrechtliche Bedenken erst dann geltend gemacht werden, wenn die Besteuerung die zugelassene Betätigung „in aller Regel wirtschaftlich unmöglich macht und durch diese »erdrosselnde4 Wirkung dem steuerlichen Hauptzweck der Einnahmeerzielung geradezu zuwiderlaufen würde" 27.
II. Bedeutung des Art. 14 GG Die Grenzen, die die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG dem Steuergesetzgeber setzt, werden von der Literatur und Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt. In der Literatur wird vertreten, daß der Steuereingriff nur in den Schranken des Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 GG zulässig ist. Die Palette der vertretenen Meinungen ist sehr weit. Sie reicht von der Auffassung, daß der Schutzbereich dann eröffnet sei, wenn eine konkrete Eigentumsposition betroffen wird, bis hin zu der Ansicht, daß die Eigentumsgarantie das Vermögen als solches schützt und damit der Auferlegung von Geldleistungs23
BVerfGE BVerfGE 25 BVerfGE 26 BVerfGE 27 BVerfGE (332 u. 333 f.). 24
13, S. 47, S. 47, S. 47, S. 31, S.
181 ff. (187). Iff. (21). Iff. (21). Iff. (21). 8ff. (23); 14, S. 76ff. (101); 16, S. 147ff. (163); 29, S. 327ff.
Α. Maßstäbe zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen
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pflichten Grenzen setzt28. Nach Kirchhof erfordert das Eigentumsgrundrecht eine „eigentumsschonende Deckung des staatlichen Finanzbedarfs" 29. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung verfolgte seit der Entscheidung zur sog. Investitionshilfe 30 eine einheitliche Linie. Danach war Art. 14 GG im Hinblick auf die Auferlegung von Geldleistungspflichten nahezu irrelevant. Art. 14 GG schütze nicht das Vermögen als solches31, „so daß die Eigentumsgarantie durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird" 32 . Diese Aussage des BVerfG bestimmte die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, obwohl das BVerfG im Investitionshilfe-Urteil dies weder begründete noch belegte. Spanner stellt dazu fest, daß „eine ohne nähere Begründung aufgestellte Behauptung (...) einfach immer wiederholt (wird) und (...) dann den Heiligenschein des objektiven Rechts durch die auszeichnende Benennung als ständige Rechtsprechung (erhält), deren Inhalt durch ständige Wiederholung nicht an Überzeugungskraft gewinnt"33. Dennoch wurde diese strenge Rechtsprechung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein wenig eingeschränkt34: Da Art. 14 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt, ist das Grundrecht kein Abwehrrecht „gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Einkommensteuer, es sei denn, sie belaste den Betroffenen übermäßig und beeinträchtige ihn grundlegend in seinen Vermögensverhältnissen"35. Ausnahmsweise war daher eine Grundrechtsrelevanz gegeben, wenn die Besteuerung finanziell eine „erdrosselnde Wirkung" 36 entfaltet. Die praktische Bedeutung des Art. 14 GG im Steuerrecht 28 Vgl. die zusammenfassende Übersicht mit Nachweisen bei Schmidt-Bleibtreu/ Schäfer, DÖV 1980, S. 491 f.; vgl. auch Loritz, NJW 1986, S. 9 (Fn. 137 mit zahlreichen Nachweisen). 29 Kirchhof, VVDStL 39, S. 281, der Leitsätze zum Verhältnis zwischen Besteuerung und Eigentum aufstellt. 30 Vgl. BVerfGE 4, S. 7 ff. (17); nach dem Gesetz über die Investitionshilfe vom 7. Januar 1952 hatte die gewerbliche Wirtschaft zur Deckung des vordringlichen Investitionsbedarfs des Kohlenbergbaus, der eisenschaffenden Industrie und der Energiewirtschaft einen einmaligen Betrag in Höhe von 1 Milliarde DM aufzubringen. Bemessungsgrundlage war ein Betrag, der sich aus Gewinn und Umsatz der Jahre 1950 und 1951 errechnete. Der Aufbringungssatz betrug 3,5 v.H. der Bemessungsgrundlage. 31 Vgl. BVerfGE 75, S. 108ff. (154); 91, S. 207ff. (220). 32 BVerfGE 91, S. 207ff. (220); 4, S. 7ff. (17); 30, S. 250ff. (271 f.); 95, S. 108 ff. (122). 33 Spanner, DStR 1975, S. 480. 34 Vgl. erstmals BVerfGE 14, S. 221 ff. (241). 35 Leibholz/Rinck/Hesselberger, Art. 14 Rdnr. 493; vgl. BVerfGE 19, S. 119ff. (128f.); 68, S. 287ff. (310f.). 36 BVerfGE 63, S. 312ff. (327); vgl. auch BVerfGE 87, S. 153ff. (169).
138 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
war folglich bisher aus der Sicht der verfassungsgerichtlichen Praxis äußerst gering 37. Eine Änderung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung könnte sich durch die Entscheidung zur Vermögensteuer (§ 10 Nr. 1 VStG) 38 entwikkeln. Das BVerfG stellte zunächst fest, daß nach Art. 14 Abs. 2 GG der Eigentumsgebrauch zugleich dem privaten Nutzen und dem Wohl der Allgemeinheit dient und auch der Vermögensertrag am Schutz der Vermögens-
werten Rechtspositionen als Grundlage individueller Freiheit teilnimmt. Daher darf die Vermögensteuer zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, „soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrags bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe der hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt und dabei insgesamt auch Belastungsergebnisse vermeidet, die einer vom Gleichheitssatz gebotenen Lastenverteilung nach Maßgabe finanzieller Leistungsfähigkeit zuwiderlaufen" 39. Die bisherige Praxis mißt dem Halbteilungsgrundsatz jedoch kaum Bedeutung zu. In einem Erlaß des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern wird darauf hingewiesen, daß schon deshalb keine Relevanz für die Einkommensteuer gegeben sei, da das BVerfG über die Vermögensteuer und gerade nicht über die Einkommensteuer entschieden habe40. Die Aussagen des BVerfG zur Einkommensteuer können nach der Auffassung des FG Düsseldorfs nur als „obiter dictum" 41 verstanden werden. Auch der BFH hält es, im Rahmen einer summarischen Prüfung, für ausgeschlossen, daß das BVerfG wegen der Verletzung des sog. „Habteilungsgrundsatzes" den Einkommensteuertarif für nichtig erklärt 42. Entscheidend ist aus der Sicht der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, daß, gleichgültig, ob man den Halbteilungsgrundsatz als eine unverbindliche Meinungsäußerung43 oder als Appellentscheidung an den Gesetzgeber wertet, das BVerfG in seiner Entscheidung zwar die Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuer für die Vergangenheit festgestellt, die Rechtsfolgen aus der Verfassungswidrigkeit aber nur für die Zukunft gezogen habe44. 37
Vgl. Loritz, NJW 1986, S. 9. Vgl. BVerfGE 93, 12Iff. 39 Vgl. BVerfGE 93, S. 121 ff. (138). 40 Vgl. Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern, Erlaß v. 19.9.1996, IV 300 - S 0622 - 15/92, in: DStR 1996, S. 1733. 41 FG Düsseldorf in: EFG 1998, S. 378 f. (378). 42 Vgl. BFH BStBl. II 1998, S. 671 f. (672). 43 In diese Richtung tendiert nach Auffassung des BFH das Urteil des FG Düsseldorf in: EFG 1998, S. 378 f. 44 Vgl. BFH BStBl. II 1998, S. 671 f. (672) mit Verweis auf BFH/NV 1998, S. 361 f. (362); kritisch: Seer, NJW 1996, S. 285 ff. (289 ff.); zur Frage des Vorlie38
Α. Maßstäbe zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen
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Im Ergebnis bedeutet das nichts anderes, daß eine Besteuerung über 50 v. H. des zu versteuernden Einkommens möglicherweise verfassungswidrig ist, Rechtsbehelfe dagegen allerdings erfolglos sind, da das BVerfG lediglich den Gesetzgeber anhält, in der Zukunft den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. In diesem Sinn stellt das FG Düsseldorf fest, daß der Beschluß des BVerfG „keinen die Gerichte und Behörden bindenden Anspruch darauf (schaffe), daß die Einkommensteuer nur insoweit festgesetzt werden darf, als dadurch eine Gesamtsteuerbelastung des Gesamtbetrags der Einkünfte von 50 v.H. nicht überschritten wird" 45 . Dem wird man insoweit zustimmen können, als daß die Finanzverwaltung aufgrund der Gesetzesbindung nach Art. 20 GG und § 85 AO von den Steuergesetzen nicht abweichen darf 46. Verfahrenstechnisch verbleibt nur die Möglichkeit einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG oder einer Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Nr. 4 a GG. Zwar wird sich die verfassungsdogmatische Bedeutung des sog. Halbteilungsgrundsatzes erst in der Zukunft herausstellen. Führt man aber den Gedanken des BVerfG konsequent weiter, so darf die Ertragsbesteuerung nicht dazu führen, daß dem Steuerpflichtigen weniger als die Hälfte seiner jährlich erwirtschafteten Erträge verbleibt. Dem steht nicht entgegen, daß die Entscheidung zur Vermögensteuer erging. Der Halbteilungsgrundsatz ist als allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsatz anzuerkennen. Dies ergibt sich, worauf List zutreffend hinweist, aus der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG, „die schon mehrfach für die Besteuerung maßgebliche verfassungsrechtliche Grundsätze anläßlich der verfassungsrechtlichen Prüfung von einzelnen Steuergesetzen entwickelt hat" 47 . Die bisherige Praxis der Finanzverwaltung und der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wird bei einer folgerichtigen Umsetzung des Halbteilungsgrundsatzes die Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Vorschriften des EStG nicht verhindern können.
III. Bedeutung des Art. 2 Abs. 1 GG Art. 2 Abs. 1 GG schützt die „allgemeinen Handlungsfreiheit" 48. Als Grundrecht dient er der Abwehr staatlicher Eingriffe in jegliche Form menschlichen Handelns. gens eines obiter dictums oder einer Appellentscheidung vgl. List, BB 1999, S. 982 ff. 45 FG Düsseldorf in: EFG 1998, S. 378f. (378); a.A. Rose, DB 1995, S. 2387 ff. (2390f.) u. DB 1997, S. 494ff. (499f.). 46 Vgl. Schmidt/Seeger, § 2 Rdnr. 11. 47 Vgl. List, BB 1999, S. 984 m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG. 48 BVerfGE 6, S. 32ff. (37).
140 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
Gegenüber spezielleren Freiheitsgrundrechten, insbesondere der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und dem Eigentumsschutz nach Art. 14 GG, ist die allgemeine Handlungsfreiheit wegen der Weite ihres Schutzbereiches subsidiär49. Erst wenn der Schutzbereich eines spezielleren Grundrechts nicht eröffnet ist, kann daher auf Art. 2 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden. Das BVerfG bezeichnet Art. 2 Abs. 1 GG auch als „allgemeines Freiheitsrecht" 50. Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung (auch Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr genannt51) ist als Ausfluß der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit anerkannt52. Konsequenterweise entfaltet Art. 2 Abs. 1 GG daher Schutz vor Zahlungspflichten und Abgaben53 und damit auch vor der Auferlegung von Steuern54. Jede Steuer berührt den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit im Sinne der Freiheit wirtschaftlicher Betätigung. Eine Steuer ist jedoch unter Berücksichtigung des Art. 2 Abs. 1 GG erst dann verfassungswidrig, wenn die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch das GG nicht gerechtfertigt ist. Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung ist nach Art. 2 Abs. 1 GG insbesondere die verfassungsmäßige Ordnung. Die verfassungsmäßige Ordnung ist eine allgemeine Rechtsordnung, die „die materiellen und formellen Normen der Verfassung zu beachten hat" 55 , so daß durch jede formell und materiell verfassungsmäßige Rechtsnorm eine Einschränkung möglich ist 56 . Für die Steuergesetzgebung hat dies zur Folge, daß sie sich insbesondere am Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG messen lassen muß. Aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG leitet man daher das Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ab. Die ökonomische Handlungsfreiheit darf nur durch eine gesetzliche Grundlage eingeschränkt und ein Steuerverwaltungsakt nur auf gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage erlassen werden 57. Einfachgesetzlich ist das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung in §§ 3 Abs. 1 S. 1, 38 und 85 S. 1 AO fixiert. Aus dem Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ergibt sich, daß sowohl 49
Vgl. BVerfGE 6, S. 32ff. (37); 9, S. 3ff. (11); 83, S. 182ff. (194); 89, S. Iff. (13) m.w.N. 50 BVerfGE 63, S. 45 ff. (60). 51 Vgl. BVerfGE 75, S. 108ff. (154); 78, S. 232ff. (244). 52 Vgl. BVerfGE 91, S. 207 ff. (221). 53 Vgl. BVerfGE 42, S. 224ff. (227); 75, S. 108 ff. (154); 91, S. 207 ff. (221). 54 Vgl. BVerfGE 9, S. 3ff. (11); 48, S. 102ff. (115f.); 87, S. 153ff. (169); vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, S. 323. 55 BVerfGE 6, S. 32ff. (38). 56 Vgl. BVerfGE 6, S. 32ff. (38); 9, S. 3 ff. (11). 57 Vgl. Lang in: Tipke/Lang, S. 102f.
Α. Maßstäbe zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen
141
der steuerbegründende Tatbestand als auch Steuerbefreiungen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen 58.
IV. Bedeutung des Art. 3 GG Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG stellt zum einen als Grundrecht ein subjektives Recht auf Gleichbehandlung dar 59 und zum anderen normiert er einen in allen Bereichen geltenden Verfassungsgrundsatz 60. Aus Art. 3 Abs. 1 GG leitet das BVerfG her, daß „weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln"61 ist. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt bei objektiver Betrachtung62 allerdings nur vor, wenn „sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß" 63 . Dabei fordert insbesondere der Zweite Senat des BVerfG, daß der Differenzierungsgrund sachbereichsbezogen ist 64 . Demgegenüber vertritt der Erste Senat seit 1980 eine engere Ansicht 65. Nach der sog. „neuen Formel" ist das Gleichheitsgebot verletzt, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten"66. Eine Rechtfertigung kommt nur dann in Betracht, wenn die Ungleichbehandlung und der rechtfertigende Grund in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen67. Die Ange58 Vgl. zuletzt BFH BStBl. 1997, S. 57ff. (59); BFH BStBl. II 1997, S. 60ff. (61); BFH BStBl. II 1986, S. 77ff. (79f.). 59 Vgl. BVerfGE 6, S. 84ff. (91); 34, S. 139ff. (146); 35, S. 263ff. (271 f.). 60 Vgl. BVerfGE 1, S. 208ff. (233); 6, S. 84ff. (91); 23, S. 98ff. (106f.); 35, S. 263ff. (271 f.); 38, S. 225ff. (228); 41, S. Iff. (13); 84, S. 90ff. (121). 61 BVerfGE 4, S. 144ff. (155); vgl. BVerfGE 1, S. 14ff. (52); 76, S. 256ff. (329); 78, S. 249ff. (287). 62 Vgl. BVerfGE 51, S. Iff. (27); 62, S. 189ff. (192); 80, S. 48ff. (51); 86, S. 59ff. (63). 63 BVerfGE 1, S. 14ff. (52); vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, Art. 3 Rdnr. 21 m.w.N. 64 Vgl. BVerfGE 75, S. 108ff. (157); 76, S. 256ff. (329); 78, S. 249ff. (287). 65 Vgl. BVerfGE 55, S. 72ff. (88) zur Vereinbarkeit des § 528 Abs. 3 ZPO mit Art. 3 Abs. 1 GG. 66 BVerfGE 55, S. 72ff. (88); 60, S. 123ff. (133f.); 81, S. Iff. (8); 81, S. 108ff. (118); 83, S. 395 ff. (401); 84, S. 197 ff. (199); 84, S. 348 ff. (359); 87, S. 234 ff. (255); 88, S. 87 ff. (97). 67 Vgl. BVerfGE 81, S. 208ff. (224); 82, S. 126ff. (146); 97, S. 332ff. (344) m.w.N.
142 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
messenheitsprüfung bewirkt, daß die Grenze des Gesetzgebers je nach' Regelungsgegenstand und Differenzierungskriterium unterschiedlich ist und von einem bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reicht 68. So prüft der Erste Senat bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im einzelnen nach, „ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können"69. Der Zweite Senat hat sich zum Teil der Rechtsprechung des Ersten Senats zur Formulierung der Ungleichbehandlung angeschlossen70, jedoch mit der Einschränkung, daß der Differenzierungsgrund, wie bereits dargestellt, in erster Linie sachbereichsbezogen sein muß71. Der allgemeine Gleichheitssatz ist für das Steuerrecht von eminenter Bedeutung. Das Gebot der Steuergerechtigkeit 72 stellt eine besondere Ausprägung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) dar 73. Die Steuergerechtigkeit zwingt zu einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die wiederum das Verbot willkürlicher Steuergesetzgebung74 enthält. Gleichzeitig werden daraus die Gebote der Belastungsgleichheit75, der Systemgerechtigkeit76 und der Rechtsanwendungsgleichheit nach § 85 AO als zentrale Prinzipien der Steuergerechtigkeit abgeleitet.
68
Vgl. BVerfGE 88, S. 87 ff. (96); 89, S. 15 ff. (22). BVerfGE 90, S. 46ff. (56); vgl. BVerfGE 82, S. 126ff. (146). 70 Vgl. BVerfGE 92, S. 277 ff. (318) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Ersten Senats. 71 Vgl. BVerfGE 75, S. 108 ff. (157); 76, S. 256ff. (329); 78, S. 249 ff. (287). 72 Vgl. BVerfGE 6, S. 55 ff. (70); 9, S. 3 ff. (9); 9, S. 237 ff. (244); 13, S. 181 ff. (202); 13, S. 290ff. (298); 21, S. 12 ff. (27); 23, S. 242ff. (253); 26, S. 302ff. (310); 35, S: 324ff. (335); 36, S. 321 ff. (330); 43, S. 108ff. (118); 47, S. Iff. (29); 49, S. 343ff. (360); 50, S. 386ff. (391); 61, S. 319ff. (343); 65, S. 325ff. (354); 66, S. 214ff. (223). 73 Vgl. umfassend BVerfGE 96, S. Iff. (5ff.); vgl. Benda, DStZ 1984, S. 160.; zur Abgrenzung zum Grundrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG bei Auferlegung von Steuern vgl. BVerfGE 9, S. 3 ff. (11): Die Frage, ob eine Vorschrift der verfassungsmäßigen Ordnung entspricht, ist an Art. 2 Abs. 1 GG und nicht am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen. 74 Vgl. ergänzend BVerfG BStBl. II 1984, 72; 1987, 240; 1989, 867. 75 Vgl. BVerfGE 96, S. Iff. (8); 84, S. 239ff. (268f.); 35, S. 324ff. (335) m.w.N. 76 Vgl. BVerfGE 59, S. 36ff. (49) m.w.N. 69
Α. Maßstäbe zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen
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1. Die Leistungsfähigkeit als verfassungsrechtliche Grenze der Besteuerung Wichtigster Ausfluß des Prinzips der Steuergerechtigkeit ist das als fundamentales Strukturmerkmal anerkannte (Unter-)Prinzip der Leistungsfähigkeit77. Dabei lehnt sich das BVerfG auch an Art. 134 WRV an 78 . Zwar gilt das Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip, es hat aber selbst unmittelbar keinen Verfassungsrang 79, sondern gibt nur im Rahmen des Gleichheitssatzes einen allgemeinen Vergleichsmaßstab ab 80 . Das BVerfG hat die verfassungsrechtliche Anerkennung dieses Prinzips jedoch offengelassen. Insoweit ist das BVerfG der Auffassung, daß „selbst wenn dieses Prinzip verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist, (...) der Gesetzgeber (es) bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen" 81 kann. Erforderlich ist nach dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit, daß die Steuerlasten gleichmäßig im Verhältnis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen verteilt werden (sog. Belastungsgleichheit). Nach Tipke beinhaltet das Leistungsfähigkeitsprinzip dementsprechend, „daß die individuelle Steuerbelastung der Bürger nach deren Fähigkeit bemessen werden muß, Steuerleistungen aus dem Einkommen im Verhältnis zum Einkommen erbringen zu können (und) daß die individuelle Steuerbelastung der Unternehmen nach deren Fähigkeit bemessen werden muß, Steuerleistungen aus dem Gewinn im Verhältnis zum Gewinn erbringen zu können"82. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zwingt den Gesetzgeber dazu, „daß bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit auch solche Ausgaben einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden müssen, die außerhalb der Sphäre der Einkommenserzielung anfallen und für den Steuerpflichtigen unvermeidbar sind" 83 . Nach diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber das Prinzip der Leistungsfähigkeit auf zwei verschiedene Arten verwirklicht 84: 77
Vgl. BVerfGE 6. S. 55 ff. (67); 9, S. 237ff. (243); 3, S. 290ff. (297); 32, S. 333 ff. (339); 36, S. 66 ff. (72); 43, S. 108 ff. (119); 61, S. 319 ff. (343 f.); BVerfG BStBl. II 1984, S. 357 ff. (359); BVerfG BStBl. II 1985, S. 22ff. (25); BVerfG BStBl. II 1986, S. 603 ff. (604). 78 BVerfG BStBl. II 1984, S. 357 ff. (359f.). 79 Vgl. Schaumburg in FS für K. Tipke, S. 125; zu Forderungen das Leistungsfähigkeitsprinzip in die Verfassung aufzunehmen vgl. Schneider, StuW 1994, S. 58; Tipke, StuW 1994, S. 58 ff. 80 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, S. 348 ff. u. S. 485 ff.; vgl. Schaumburg in FS für K. Tipke, S. 125 f. 81 BVerfG BStBl. II 1990, S. 483 ff. (486). 82 Tipke, StuW 1994, S. 60. 83 Benda, DStZ 1984, S. 160. 84 Vgl. auch die Übersicht in: Tipke, Steuerrechtsordnung, S. 501.
144 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslands Verlusten
In subjektiver Hinsicht sind für eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Umstände in der Person des Besteuerten relevant. Dazu gehört beispielsweise die Freistellung des Existenzminimums oder die Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen für Kinder. Der objektiv-rechtlichen Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips entspricht es, daß gemäß dem Nettoprinzip nur die Reineinkünfte besteuert werden. Daher sind Einkünfte im einkommensteuerrechtlichen Sinn stets Bruttozugänge (Einnahmen) abzüglich der dafür aufgewendeten Kosten (Betriebsausgaben oder Werbungskosten). 2. Das Kriterium der Systemgerechtigkeit Art. 3 GG fordert vom Gesetzgeber des weiteren, eine Systemgerechtigkeit herbeizuführen und zu wahren. Es ist Aufgabe der Legislative, nach bestimmten Gesichtspunkten eine Materie sachgerecht zu ordnen 85. Die bloße Systemwidrigkeit einer einzelnen Vorschrift innerhalb des so vom Gesetzgeber selbst geschaffenen Ordnungssystems bewirkt jedoch nach der ständigen Rechtsprechung nicht deren Verfassungswidrigkeit 86. Sie wird allenfalls als ein Indiz für einen Gleichheitsverstoß gewertet 87. 3. Die Rechtsanwendungsgleichheit nach § 85 AO § 85 AO richtet sich an die Finanzverwaltung. Die Steuern sind durch die Finanzbehörden gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Es ist sicherzustellen, daß Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden. Dieser einzelfallbezogene Auftrag an die Finanzverwaltung bildet damit kein Kriterium für die verfassungsrechtliche Überprüfung von allgemein-abstrakten Steuervorschriften. 4. Grenzen der Steuergerechtigkeit Die Ableitung von Strukturprinzipien aus dem allgemeinen Gleichheitssatz eröffnet andererseits zugunsten der staatlichen Gewalt eine weitgehende Einschränkbarkeit. Die Rechtsprechung hat den allgemeinen Gleichheitssatz zum Teil zu einem bloßen Willkürverbot „degradiert" 88: 85 86 87 88
Vgl. Benda, DStZ 1984, S. 162. Vgl. BVerfGE 61, 138, 148f.; 24, S. 75ff. (100); 34, S. 103ff. (115) m.w.N. Vgl. auch Benda, DStZ 1984, S. 162. Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2268.
Α. Maßstäbe zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen
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Sieht man den Gleichheitssatz als maßgebliche Begrenzung der Steuergesetzgebung an, so folgt daraus, daß dem Gesetzgeber auch „bei der Erschließung von Steuerquellen weitgehende Gestaltungsfreiheit" 89 zukommt. Dies entspricht der übereinstimmenden Rechtsprechung des Ersten 90 und Zweiten91 Senats des BVerfG, sowie der des BFH 92 . Die Gestaltungsfreiheit „endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt" 93 . Auf die Einhaltung dieser äußersten Grenze (Willkürverbot) beschränkt sich nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats des BVerfG die verfassungsgerichtliche Überprüfung 94. Die Rechtsprechung des Ersten Senats weicht hiervon insoweit ab, als, sinngemäß, zwischen den Steuerpflichtigen zu differenzieren ist, die die Voraussetzungen einer bestimmten Steuervorschrift erfüllen und den Steuerpflichtigen, bei denen das nicht der Fall ist 95 . Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes scheidet aus, wenn die Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zu dem rechtfertigenden Grund steht96. Der allgemeine Gleichheitssatz ist, und diesbezüglich stimmt die Rechtsprechung der Senate des BVerfG wieder überein, dann nicht verletzt, „wenn finanzpolitische, volkswirtschaftliche, sozialpolitische oder steuertechnische Erwägungen die verschiedene Behandlung motivieren" 97. Unerheblich soll es dagegen sein, „ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat" 98 . Aus diesem Freiraum folgt ferner, daß der Steuergesetzgeber nicht gehindert wird, „anstelle eines individuellen Wirklichkeitsmaßstabes für die Besteuerung aus Gründen der Praktikabilität pauschale Maßstäbe zu wählen und sich mit einer »Typengerechtigkeit' zu begnügen, es sei denn, daß die steuerlichen Vorteile der Typisierung nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendigerweise verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen"99. 89
Loritz, NJW 1986, S. 5. Vgl. BVerfGE 27, S. 58 ff. (66); 81, S. 108 ff. (117). 91 Vgl. BVerfGE 50, S. 386ff. (392). 92 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136 ff. (139); BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (709). 93 BVerfGE 26, S. 302ff. (310); 49, S. 343 ff. (360). 94 Vgl. BVerfGE 49, S. (369); 50, S. 386ff. (392); 65, S. 325 ff. (354). 95 Vgl. BVerfGE 81, S. 108 ff. (118); 83, S. 395 ff. (401 f.); 84, S. 348 ff. (359 f.). 96 Ebd. 97 BVerfGE 49, S. 343 ff. (360); 65, S. 325 ff. (354); 81, S. 108 ff. (117). 98 BVerfGE 26, S. 302ff. (310); 65, S. 325ff. (354); 81, S. 108ff. (117f.); 84, S. 348 ff. (359); vgl. BVerfGE 83, S. 395 ff. (401). 90
10 Wilk
146 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslands Verlusten
Die verfassungsrechtliche Überprüfung einer Steuervorschrift kann daher nicht ungeachtet der gesetzgeberischen Absicht erfolgen. Dies belegt § 3 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz AO, wonach die Einnahmeerzielung auch Nebenzweck sein kann. Wegen des Grundsatzes der objektiven Beurteilung von sachlichen Rechtfertigungen muß jedoch innerhalb der verfassungsrechtlichen Prüfung einer Steuervorschrift der objektiven Wirkung Vorrang vor den subjektiven Zielen des Gesetzgebers eingeräumt werden 100, sofern objektive Beurteilung und subjektive Absicht zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Zu außerfiskalischen Wirkungen von Steuergesetzen hat das BVerfG festgestellt, daß „gesetzliche Eingriffe in das Spiel der wirtschaftlichen Kräfte (...) auch in der Form von Steuergesetzen nicht unzulässig"101 sind (sog. weiter verfassungsrechtlicher Steuerbegriff 102). Die Einkleidung einer wirtschaftlichen Lenkungsmaßnahme in das Gewand eines Steuergesetzes bedeutet keinen verfassungswidrigen Formenmißbrauch 103. Demzufolge sind Ungleichbehandlungen gerechtfertigt, wenn sie einen wirtschaftlichen oder sozialen Zweck verfolgen. Tipke kritisiert diese Rechtsprechung mit der Feststellung, daß das BVerfG nicht prüft, ob die Verfolgung des wirtschaftlichen oder sozialen Zwecks gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig ist 1 0 4 . Trotz äußerlicher Verbundenheit von Fiskalzweck- und Lenkungsnormen ist eine Differenzierung notwendig, da die sachliche Rechtfertigung für derartige Vorschriften unterschiedlich ist 1 0 5 . Fiskalzwecknormen (auch Finanzierungsnormen) dienen ausschließlich der Deckung des notwendigen Finanzbedarfs der öffentlichen Haushalte106. Im Hinblick auf Art. 3 GG ist Prüfungsmaßstab die „eintretende Belastungswirkung in Relation zur Leistungsfähigkeit für den Betroffenen" 107. Sozialzwecknormen, auch Lenkungszwecknormen genannt, lassen den fiskalischen Zweck der Steuer zum Nebenzweck (sekundäre Bedeutung)108 werden, da der Gesetzgeber vorrangig wirtschaftspolitische Ziele verfolgt. 99
BVerfGE 31, S. 119ff. (130f.); 65, S. 325ff. (354f.); vgl. BVerfGE 84, S. 348 ff. (360). Insoweit besteht auch in diesem Punkt zwischen der Rechtsprechung der Senate des BVerfG Übereinstimmung. Vgl. ergänzend: BVerfGE 96, S. Iff. (1. Leitsatz und S. 5ff.) zur Verfassungsmäßigkeit der Aufhebung des Arbeitnehmer- und Weihnachtsfreibetrages. 100 Vgl. BVerfGE 51, S. Iff. (27); 62, S. 189ff. (192) m.w.N. 101 BVerfGE 16, S. 147ff. (161). 102 Vgl. BVerfGE 38, S. 61 ff. (80) m.w.N. 103 Vgl. BVerfGE 16, S. 147ff. (2. Leitsatz u. 161). 104 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, S. 362. 105 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, S. 364. 106 Vgl. Tipke/Lang, S. 68. 107 Friauf, StuW 1985, S. 315. 108 Vgl. Tipke/Lang, S. 69.
Α. Maßstäbe zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen
147
Solche Vorschriften dürfen das Leistungsfähigkeitsprinzip beeinträchtigen, da der Gesetzgeber vornehmlich ordnend und lenkend in das Wirtschaftsleben eingreift 109. Im Hinblick auf das Gebot der Steuergerechtigkeit dürfen die Gründe für die Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip aber nicht willkürlich sein, sondern müssen unter grundsätzlicher Beachtung der Leistungsfähigkeit insbesondere dem Gemeinwohl dienen110. Damit ist, wie es Friauf formuliert, festzuhalten, „daß auch an sich legitime Lenkungsziele des Gesetzgebers nicht zur Einführung von Belastungen legitimieren können, die sich in beliebiger Weise über die Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips hinwegsetzen"111. Nach der Rechtsprechung, die eine ausdrückliche Differenzierung zwischen verschiedenen Normengruppen teilweise nicht vornimmt, liegt die Grenze zulässiger Lenkung im verfassungswidrigen Formenmißbrauch. Ein solcher Formenmißbrauch ist nach der Rechtsprechung gegeben, „wenn das Steuergesetz dem ihm begrifflich zukommenden Zweck, Steuereinnahmen zu erzielen, geradezu zuwiderhandelt, indem es ersichtlich darauf ausgeht, die Erfüllung des Steuertatbestandes unmöglich zu machen, also in diesem Sinn eine ,erdrosselnde' Wirkung auszuüben"112. Die neuere Rechtsprechung des BVerfG spricht jedoch auch von Lenkungssteuern als steuerlichen Regelungen mit LenkungsWirkung113. Für den sachlichen Prüfungsumfang bestehen insoweit zwischen Literatur und Rechtsprechung keine Unterschiede. Die dritte Normengruppe erfaßt Vereinfachungen 114, wie sie im Einkommensteuerrecht insbesondere durch die Pauschalierung von Aufwendungen zum Ausdruck kommen. Auch das BVerfG erkennt diese Vereinfachungszwecke an, indem es dem Gesetzgeber eine Typisierung zugesteht115. Die Grenze verfassungsrechtlich zulässiger Vereinfachung ist überschritten, sofern für die typisierende Regelung kein erkennbares Bedürfnis besteht116. 5. Die Bedeutung des sog. „Halbteilungsgrundsatzes" Ausgangspunkt der Entscheidung des BVerfG zum Halbteilungsgrundsatz war ein Vorlagebeschluß des FG Rheinland-Pfalz. Das Finanzgericht sah in 109
Vgl. Tipke/Lang, S. 97. Vgl. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip S. 232ff.; vgl. Tipke/Lang, S. 97. 111 Friauf, StuW 1985, S. 316. 1,2 BVerfGE 16, S. 147 ff. (161). 113 Vgl. BVerfG NJW 1998, S. 2341 ff. (2342). 1,4 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, S. 370ff. 115 Vgl. BVerfGE 13, S. 331 ff. (341); 21, S. 12ff. (27); 27, S. 375 ff. (387); 65, S. 325 ff. (354); 87, S. 153 ff. (172). 116 Vgl. BVerfGE 71, S. 146ff. (157). 110
io-
148 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslands Verlusten
§ 10 Nr. 1 VStG einen Verstoß gegen Art. 3 GG 1 1 7 . Das BVerfG stellte in diesem Sinne die Unvereinbarkeit der unterschiedlichen Belastung von einheitswertgebundenem und nicht einheitswertgebundenem Vermögen mit Art. 3 Abs. 1 GG fest 118 . Innerhalb der Prüfung, ob gleichheitsrechtlich gebotene Differenzierungen vorliegen, verweist das BVerfG darauf, daß wegen Art. 14 Abs. 2 GG nur eine steuerliche Gesamtbelastung in der Nähe der hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand zulässig ist, die gleichzeitig Belastungsergebnisse vermeidet, die einer vom Gleichheitssatz gebotenen Lastenverteilung nach Maßgabe finanzieller Leistungsfähigkeit zuwiderlaufen 119. Nach der Formulierung des BVerfG bildet die hälftige Teilung die Obergrenze der Besteuerung. Unterhalb dieser Grenze sollen steuerliche Belastungen vermieden werden, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausfluß des Gleichheitssatzes widersprechen. Für die dogmatische Begründung des Halbteilungsgrundsatzes als Belastungsgrenze der Besteuerung ist somit in erster Linie Art. 14 GG und nicht Art. 3 GG heranzuziehen. Dabei soll nicht verkannt werden, daß das
BVerfG in seiner Entscheidung zu § 10 Nr. 1 VStG in den Gründen feststellt, daß wegen Art. 3 Abs. 1 GG ein Belastungsgleichmaß bei der Besteuerung des Vermögenserwerbs, Vermögensbestandes und der Vermögensverwendung zu wahren ist und der Steuergesetzgeber nicht beliebig auf das Privatvermögen zugreifen darf 120 . Der Steuerpflichtige hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch, „daß ihm die Privatnützigkeit des Erworbenen und die Verfügungsbefugnis über geschaffene Vermögenswerte Rechtspositionen jedenfalls im Kern erhalten bleiben" 121 . Den privaten Ertragsnutzen und die Belastungsobergrenze bemißt das BVerfG sodann nach Maßgabe des Halbteilungsgrundsatzes.
V. Zusammenfassung Schon die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Überprüfung steuerrechtlicher Normen zeigen, daß die Feststellung der materiellen Verfassungswidrigkeit einer Steuervorschrift auf Extremfälle beschränkt ist. Aus Sicht der Freiheitsgrundrechte war bisher eine Verfassungswidrigkeit nur in dem Fall der erdrosselnden Wirkung oder der Verletzung tragender Staatsprinzipien über Art. 2 Abs. 1 GG gegeben. Erst die neuere Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG läßt erkennen, daß auch unter117 118 119 120 121
Vgl. FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1992, S. 165 f. Vgl. BVerfGE 93, S. 121 ff. (131, 142). Vgl. BVerfGE 93, S. 121 ff. (138). Vgl. BVerfGE 93, S. 121 ff. (135). BVerfGE 93, S. 121 ff. (135).
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
149
halb der Grenze der Erdrosselung die Besteuerung gegen Art. 14 GG verstoßen kann. Eine Beeinträchtigung der verschiedenen Ausformungen des Gleichheitsgrundsatzes läßt sich grundsätzlich mit einem einleuchtenden sachlichen Grund rechtfertigen. Dieser sachliche Grund muß bei Lenkungsvorschriften geeignet sein, die Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip zu begründen. Dies setzt in Anlehnung an Tipke 122 insbesondere voraus, daß der sachliche Grund verhältnismäßig ist.
B. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG Zentrale Vorschriften zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG sind Art. 14, 2, 3 GG. I. Vereinbarkeit mit Art. 14 GG Aus der Sicht des Eigentumsschutzes ist von einer Verfassungswidrigkeit auszugehen, wenn § 2a Abs. 1, 2 EStG gegenüber dem Steuerpflichtigen erdrosselnd wirkt. Hinsichtlich der Wirkung des § 2a Abs. 1 EStG auf den Eigentumsschutz des Art. 14 GG hat der IX. Senat des BFH Stellung genommen. In dem von ihm zu entscheidenden Fall konnte „von einer erdrosselnden Wirkung der Verlustausgleichsbeschränkung (...) angesichts der übrigen Einkünfte der Kläger keine Rede sein" 123 . Darüber hinaus werde die Wirkung des Verlustausgleichsverbots durch die Verrechnungsmöglichkeit in den Folgejahren abgemildert 124. Der Senat stellt zum Eigentumsschutz ferner fest, daß durch die auch für Altinvestoren geltende Vorschrift des § 2a Abs. 1 EStG kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG vorliege, da die Nutzbarkeit 125 des Eigentums durch die Einschränkung des Ausgleichs negativer Verluste nicht berührt werde 126. Von einer erdrosselnden Wirkung könne man nicht sprechen, denn „eingeschränkt wird nur die Möglichkeit, durch den Ausgleich der negativen Einkünfte mit positiven inländischen Einkünften Ein122
Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, S. 366 (für den Fall der Steuervergünsti-
gung). 123
BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (710). Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (710) zu § 2a Abs. 1 S. 2 EStG a.F., der dem jetzigen § 2a Abs. 1 S. 3 EStG entspricht. 125 In dem vom BFH zu entscheidenden Fall ging es um eine Ferienwohnung. 126 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (711). 124
150 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslands Verlusten
kommensteuer zu sparen" 127. Die Möglichkeit, durch einen Verlustausgleich Einkommensteuer zu sparen, sei aber nicht vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfaßt 128. Dabei hat der Senat die bei Investitionen in der Schweiz bestehende Besonderheit berücksichtigt, daß nach dem dort geltenden Recht für Grundstücke Verkaufsbeschränkungen bestehen129. Derartige Beschränkungen seien aber ohne Bedeutung, da, wie bereits erwähnt, die Nutzbarkeit des Eigentums durch die Einschränkung des Ausgleichs negativer Einkünfte nicht beeinträchtigt werde 130. Zu einem anderen Ergebnis kommt man bei Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes. Führt die Anwendung des § 2a Abs. 1 EStG dazu, daß die Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen größer als die Hälfte seines in dem VZ erwirtschafteten Ertrages ist, so liegt eine Verletzung des Eigentumsschutzes vor 1 3 1 .
II. Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 GG Im Zusammenhang mit der Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1 EStG ist Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG in mehrfacher Hinsicht diskutiert worden. So kommen den Fragen der verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit als Ausflüsse des Rechtsstaatsprinzips besondere Bedeutung zu. Diese Probleme werden von der Finanzverwaltung und der überwiegenden Rechtsprechung132 einerseits und der Literatur andererseits unterschiedlich bewertet. 1. Rückwirkung von Gesetzen, Vertrauensschutz und Übergangsregelung Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber frei, durch die Änderung von Rechtsvorschriften eine Rechtslage mit Wirkung für die Vergangenheit zu ändern. Eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Beschränkung für die Rückwirkung von Gesetzen findet sich ausschließlich in Art. 103 Abs. 2 GG. Im übrigen ist zu bedenken, daß, insbesondere bei belastenden Eingrif127
BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (711). BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (711). 129 Vgl. auch zu den Besonderheiten des schweizerischen Rechts (lex furgler bzw. lex Friedrich) in: Jehner, DStR 1986, S. 279. 130 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (711). 131 Vgl. List, BB 1999, S. 985: „Die Vorschriften des EStG über die Bemessungsgrundlage enthalten keine Regelung über die Gesamtsteuerbelastung. Sie müssen daher als verfassungswidrig angesehen werden mit der Folge der Vorlagepflicht an das BVerfG." 132 A.A. Hessisches FG in: EFG 1989, S. 579ff. (580). 128
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
151
fen in subjektive Rechtspositionen, der Gesetzgeber eine Rechtslage nur unter Berücksichtigung der Rechte der Normadressaten ändern kann. So ist auch bei der Änderung steuerrechtlicher Vorschriften das Vertrauen der Steuerpflichtigen auf den Fortbestand der Rechtslage eine zu beachtende Grenze der Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers. Die dogmatische Verankerung der Berücksichtigung der Interessen des Steuerpflichtigen liegt in den Geboten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes als Folgen des Rechtsstaatsprinzips133. Der Gesetzgeber muß bei Erlaß von Vorschriften mit Rückwirkung daher eine Abwägung vornehmen. Das BVerfG hat zu diesem Zweck einen rechtlichen Rahmen vorgegeben, der die Interessenabwägung erleichtern soll. Es unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Arten der Rückwirkung, wobei die Terminologie nicht einheitlich ist. Den ersten Fall der Rückwirkung bildet die echte Rückwirkung 134 oder auch RückbeWirkung von Rechtsfolgen 135 genannt. Eine derartige Rückwirkung ist gegeben, wenn der Gesetzgeber „nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift" 136 . Die Rechtsfolgen treten auf diese Weise in einem „vor der Verkündung liegenden Zeitraum" 137 auf. Für den Bereich der Steuergesetze liegt nach der Rechtsprechung des BVerfG eine echte Rückwirkung vor, wenn im Zeitpunkt der Verkündung die Steuerschuld bereits entstanden ist 1 3 8 . Speziell für das. Einkommensteuerrecht hat das BVerfG entschieden, daß, da die Einkommensteuer nach § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht, eine echte Rückwirkung bzw. eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen nur bei Gesetzen vorliegt, die nach dem Ende des Veranlagungszeitraumes verkündet wurden 139. Das Rechtsstaatsprinzip verbietet grundsätzlich eine echte Rückwirkung. Eine Ausnahme ist nur dann zulässig, wenn „zwingende Gründe des gemeinen Wohls oder ein nicht - oder nicht mehr - vorhandenes Vertrauen des einzelnen eine Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots 133
BVerfGE 63, S. 343ff. (356f.); 72, S. 200ff. (242); vgl. auch BVerfGE 67, S. Iff. (14f.): Die Rückwirkung bei beamtenrechtlichen Vorschriften gehört zu Art. 33 Abs. 5 GG. 134 So die Formulierung des Ersten Senats des BVerfG, vgl. BVerfGE 57, S. 361 ff. (391); 68, S. 287 ff. (306); 72, S. 175 ff. (196). 135 So die Formulierung des Zweiten Senats des BVerfG, vgl. BVerfGE 72, S. 200ff. (242). 136 BVerfGE 57, S. 361 ff. (391); vgl. auch BVerfGE 68, S. 287 ff. (306); 72, S. 175 ff. (196). 137 BVerfGE 72, S. 200ff. (242). 138 Vgl. BVerfGE 19, S. 187ff. (195) - Ablauf des Erhebungszeitraumes - ; BVerfGE 30, S. 392ff. (401 f.). 139 Vgl. BVerfGE 72, S. 200 ff. (253).
152 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
zugunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers rechtfertigen oder gar erfordern können" 140 . Während der Gesetzgeber bei der echten Rückwirkung sehr eingeengt ist, läßt die unechte Rückwirkung 141 oder auch tatbestandliche Rückanknüpfung 142 ihm einen weitergehenden Spielraum. Diese Form der Rückwirkung ist gegeben, wenn eine Vorschrift „auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt" 143 und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet 144. Da das Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Vorschriften regelmäßig keinem Schutzbedürfnis des Bürgers unterliegt, ist die unechte Rückwirkung grundsätzlich zulässig. Unzulässig ist sie nur dann, wenn der Betroffene mit der Änderung der Rechtslage nicht zu rechnen brauchte 145. Aus dem vorbezeichneten rechtlichen Rahmen wird deutlich, daß die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen mit Rückwirkung in maßgeblicher Weise davon abhängt, in welchem Umfang das Vertrauen auf den Fortbestand einer günstigen Rechtslage schützenswert ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG muß der Gesetzgeber „bei Aufhebung oder Modifizierung geschützter Rechtspositionen - auch dann, wenn der Eingriff an sich verfassungsrechtlich zulässig ist - auf Grund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine angemessene Übergangsregelung treffen" 146 . Die Notwendigkeit einer Übergangsregelung stellt eine besondere Ausformung der am Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen zu messenden Verfassungsmäßigkeit einer Rückwirkung dar. Dieser Grundsatz gilt jedoch selbst bei der echten Rückwirkung nicht ausnahmslos. In einer neueren Entscheidung zur rückwirkenden Einschränkung der Sonderabschreibungen für Schiffe nach § 82 f EStDV hat das BVerfG entschieden, daß es dem Steuergesetzgeber nicht verwehrt ist, eine als wirtschaftlich unsinnig erkannte steuerrechtliche Subvention rückwirkend aufzuheben 147. Da Gesetzgebungsverfahren eine gewisse Zeitdauer erfordern, „benötigt der Gesetzgeber zur Verwirklichung des gemeinen Wohls einen Gestaltungs140
BVerfGE 72, S. 200ff. (258). So die Formulierung des Ersten Senats des BVerfG, vgl. BVerfGE 57, S. 361 ff. (391); 68, S. 287 ff. (306); 72, S. 175 ff. (196). 142 So die Formulierung des Zweiten Senats des BVerfG, vgl. BVerfGE 72, S. 200ff. (242); 92, S. 277 ff. (325). 143 BVerfGE 51, S. 356 ff. (362). 144 Vgl. BVerfGE 51, S. 356ff. (362); 69, S. 272ff. (309); 72, S. 141 ff. (154). 145 Vgl. BVerfGE 68, S. 287 ff. (307); 14, S. 288ff. (299); 51, S. 356ff. (363); 63, S. 152 ff. (175). 146 BVerfGE 43, S. 242ff. (288) m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 58, S. 300ff. (351); 67, S. Iff. (15). 147 Vgl. BverfGE 97, S. 67 ff. 141
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
153
Spielraum, um aufgetretenen Mißständen einer Gesetzeslage alsbald abzuhelfen, ohne daß Dispositionen der Gesetzesadressaten die Neuregelung kurz vor ihrem Erlaß durch Ausnutzung der bisherigen Regelung unterlaufen können" 148 . Diesen Umstand wertete das BVerfG als einen zwingenden Grund des gemeinen Wohls, der selbst eine echte Rückwirkung rechtfer-
a) Auffassung der Finanzverwaltung Seitens der Finanzverwaltung wurde bei Einführung des § 2a Abs. 1, 2 EStG von einer unechten Rückwirkung ausgegangen. Eine Übergangsregelung wurde für nicht notwendig erachtet 150. Innerhalb der Interessenabwägung zwischen dem Vertrauensschutz des Bürgers und den Erfordernissen des Allgemeinwohls sei es „schon aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung"151 nicht vertretbar, bei Altinvestoren eine befristete oder unbefristete Verlustverrechnung zu gestatten. Das Grundgesetz schütze auch nicht bloße Erwartungen auf das Fortbestehen des Steuerrechts 152. Die Interessen des Gemeinwohls, die auch in der „drohenden Aushöhlung des Steuersubstrats" 153 lägen, ließen einen Fortbestand der alten Regelung „zumindest in der gegenwärtigen Krisensituation" 154 nicht zu. Da der Gesetzgeber bewußt keine Übergangsentscheidung getroffen habe 155 , besteht nach der Ansicht Kieschkes auch keine Möglichkeit einer Billigkeitsentscheidung gemäß § 163 AO 1 5 6 . Manke stellt darauf ab, daß 148
BVerfGE 97, S. 67 ff. (82). Vgl. BVerfGE 97, S. 67 ff. (81). Hinzuweisen ist ferner darauf, daß nach dieser Entscheidung auch Ankündigungen der Bundesregierung zu Gesetzesänderungen lediglich die Wirksamkeit der Rückwirkung sicherstellen. Eine Ankündigung bewirkt aber keinen positiven Vertrauensschutz hinsichtich des zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereichs der zukünftigen Neuregelung; vgl. Schmidt, DB 1998, S. 1199 ff. (1201). 150 Vgl. Krabbe, RIW 1983, S. 46; vgl. Kieschke, DStZ 1983, S. 7; vgl. Manke, DStZ 1984, S. 241 in Anlehnung an BT-Drucksache IX/2290, S. 8. 151 Krabbe, RIW 1983, S. 46. 152 Vgl. Kieschke, DStZ 1983, S. 7. 153 Krabbe, RIW 1983, S. 46. 154 Krabbe, RIW 1983, S. 46 mit Verweis auf BFH BStBl. II 1981, S. 359ff. (360f.): In dieser Entscheidung ging es um § 2a EStG 1971 (jetzt § 15 Abs. 4 EStG), der zum Schutz der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Landwirtschaft gegen das Eindringen von zumeist kapitalstarken Abschreibungsgesellschaften in diesem Sektor erlassen wurde. Der BFH hielt die Vorschrift für verfassungsrechtlich unbedenklich. 155 Vgl. Zweite Ergänzung zu der Beschlußempfehlung des Haushaltausschusses zum Haushaltsgesetz in: BT-Drucksache IX/2290, S. 8. 156 Vgl. Kieschke, DStZ 1983, S. 7. 149
154 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
die Schaffung einer Übergangsregelung nur zu weiteren schwierigen Abgrenzungsproblemen geführt hätte 157 . Im Hinblick auf die gesetzgeberische Intention hätte eine Übergangsregelung nur den weiteren „Werbefaktor" 1 5 8 mit sich gebracht, sich im Einzelfall noch an einem Projekt zu beteiligen, das „als eines der letzten noch »begünstigt4 sei" 159 . b) Auffassung der finanzgerichtlichen
Rechtsprechung
Zur Frage der Rückwirkung stellen die Finanzgerichte und der BFH übereinstimmend fest 160 , daß es sich bei der Wirkung des § 2a Abs. 1, 2 EStG in Anlehnung an die Rechtsprechung des I. Senats des BVerfG 161 um eine sog. unechte Rückwirkung handele. Der Grund liege darin, daß nicht ein abgeschlossener Sachverhalt für die Vergangenheit rückwirkend zuungunsten des Klägers steuerlich erfaßt, sondern eine steuerliche Vergünstigung für die Zukunft (ab 1983) aufgehoben wurde 162 . Dies läßt sich mit dem FG Rheinland-Pfalz auch dadurch begründen, daß die Vorschrift des § 2a Abs. 1 EStG bereits zu Beginn des Veranlagungszeitraumes 1983 galt 163 , so daß sie „lediglich zukünftige, nach ihrem Inkrafttreten entstehende Verluste erfaßt" 164. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH 1 6 5 sei dies, so das FG Köln, hinsichtlich des § 2a Abs. 1 EStG verfassungsrechtlich unbedenklich, „wenn - wie hier - der Vertrauensschutz des einzelnen Betroffenen gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Wirkung der Neuregelung zurückstehen" 166 müsse. Warum das Interesse der Allgemeinheit im zu entscheidenden Fall den Interessen des Steuerpflichtigen vorgeht, begründet das FG Köln jedoch nicht. Die Besonderheiten von Altinvestitionen werden nicht berücksichtigt. Der I. Senat des BFH stellt diesbezüglich auf allgemeine Grundsätze der Besteuerung ab. Der deutschen Steuererhe157
Vgl. Manke, DStZ 1984, S. 241 f. Manke, DStZ 1984, S. 242. 159 Manke, DStZ 1984, S. 242 unter Verweis darauf, daß schon der Hinweis, daß ab 1983 die Verlustberücksichtigung eingeschränkt werde, in den letzten Wochen des Jahres 1982 eine Rolle spielte. 160 Vgl. FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (191); FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1986, S. 408f. (408); BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140); BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (710f.); BFH/NV 1992, S. 104ff. (107); BFH/NV 1994, S. lOOff. (102). 161 Vgl. BVerfGE 68, S. 287 ff. (306f.) zur Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung. 162 Vgl. FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (191). 163 Vgl. FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1986, S. 408 f. (408). 164 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140); BFH/NV 1992, S. 104ff. (107). 165 Vgl. BFH BStBl. II 1981, S. 359ff. (360f.) zu § 2a EStG 1971. 166 FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (191). 158
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
155
bung sei das System der Abschnittsbesteuerung immanent167. Daraus folge, so der BFH unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfG 168 , daß der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung die Bildung eines Vertrauenstatbestandes ausschließe, der über die im Steuerbescheid für einen Veranlagungszeitraum zugrunde gelegte Entscheidung hinausgeht169. Auch sei jedem Steuerpflichtigen die Vorläufigkeit des Einkommensteuerrechts vor Ablauf des Veranlagungszeitraumes bekannt170. Der Betroffene könne daher nicht damit rechnen, daß er eine „dauernd verlustbringende Tätigkeit unbegrenzt steuermindernd (...) geltend machen"171 kann. Dies gilt nach Ansicht des BFH insbesondere auch für die Berücksichtigung der Verluste in den sieben Folgejahren nach § 2a Abs. 1 S. 3 EStG 172 . Den dadurch verursachten Zinsnachteil sieht der I. Senat als nicht belastend, verhältnismäßig und zumutbar an 173 . Das FG Rheinland-Pfalz weist darauf hin, daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, „jeden Sachverhalt, der sich über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte hin erstreckt, nach den bei Begründung des Sachverhalts geltenden steuerlichen Regelungen zu behandeln. Anderenfalls wäre die ESt-Gesetzgebung weitgehend blockiert" 174 . Eine Änderung der Besteuerung langjähriger Lebenssachverhalte sei, wie die Rechtsprechung des BVerfG 175 zeige, möglich, falls Gründe des Gemeinwohls dies erfordem 176 . Der IX. Senat des BFH sieht ebenfalls die Einschränkung des Verlustausgleichs ohne Übergangsregelung als verfassungsmäßig an. Er zieht in bezug auf das Kriterium des Vertrauensschutzes zugunsten der Altinvestoren einen Vergleich zur Gewinnerzielungsabsicht. Nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH 1 7 7 ist Gewinnerzielungsabsicht im Sinne einer 167
Vgl. § 25 Abs. 1 EStG, der dies aus Sicht des Verfahrensrechts festlegt; vgl. auch BFH BStBl. II 1991, S. 769ff. (771) m.w.N.: Aus dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung folgt, daß die Finanzverwaltung bei der Durchführung der Veranlagung grundsätzlich nicht an Auffassungen gebunden ist, die es bei vorhergehenden Veranlagungen vertreten hat. 168 Vgl. BVerfGE 72, S. 200ff. (252f.). 169 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140); BFH/NV 1992, S. 104ff. (107 f.). 170 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140) u. BFH/NV 1992, S. 104ff. (107 f.) jeweils mit Verweis auf BVerfGE 72, S. 200ff. (255). 171 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140); BFH/NV 1992, S. 104ff. (108). 172 Nach der Neufassung des § 2a Abs. 1 EStG durch das StÄndG 1992, BGBl. I 1992, S. 297 ff. (298), ist die zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags auf sieben Jahre entfallen. Die am Ende des Veranlagungszeitraumes verbleibenden negativen Einkünfte sind daher nach § 2a Abs. 1 S. 5 EStG gesondert festzustellen (vgl. Probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 2a Rdnr. 7). 173 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140); BFH/NV 1992, S. 104ff. (108). 174 FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1983, S. 408f. (408). 175 Vgl. BVerfG BStBl. II 1978, S. 553 ff. (557). 176 Vgl. FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1986, S. 408 ff. (408).
156 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
bloßen Steuersparabsicht nicht zur Kennzeichnung eines gewerblichen Unternehmens geeignet178. Fehlt die Gewinnerzielungsabsicht (sog. Liebhaberei), so scheidet ein Ausgleich etwaiger Verluste mit positiven Einkünften aus. Daraus folgert der IX. Senat, daß das Vertrauen darauf, „über einen langen Zeitraum hin erzielte negative Einkünfte mit positiven ausgleichen und dadurch Einkommensteuer sparen zu können" 179 nicht schutzwürdig sei. Könnten nämlich die negativen Einkünfte über einen längeren Zeitraum 180 nicht ausgeglichen werden, so liege die Annahme von Liebhaberei nahe, die einen Ausgleich der Verluste ohnehin unterbinde. Damit besteht nach der Auffassung des IX. Senats kein schützenswertes Vertrauen an einem langjährigen Verlustausgleich mit negativen Einkünften aus derselben Einkunftsquelle. Darüber hinaus läßt sich das Fehlen einer Übergangsregelung nach der Auffassung des IX. Senats mit einem überwiegenden „Allgemeininteresse an einem sofortigen Abbau der Möglichkeit unbeschränkter Verlustverrechnung aus unproduktiven Vermögensanlagen im Ausland" 181 rechtfertigen, so „daß das Interesse des einzelnen Steuerpflichtigen an einem Fortbestand der bisherigen Regelung für eine Übergangszeit zurückstehen muß" 182 . Durch die sofortige Einschränkung werde Initiatoren von Verlustzuweisungsmodellen der Anreiz zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit genommen183, so daß eine Übergangsregelung nur die Gefahr heraufbeschworen hätte, „daß die Investoren ihren Aufwand in der Übergangszeit erhöht oder erst später geplante Aufwendungen in die Übergangszeit vorgezogen hätten, um in den Genuß des Verlustausgleichs zu kommen. Eine Übergangsregelung hätte außerdem die Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Steuerpflichtigen, die unter ein DBA mit Steuerbefreiung fallen und die auch bisher schon ausländische Verluste nicht mit inländischen Einkünften ausgleichen konnten, auf Jahre hinaus fortgeführt" 184. Wer, so der BFH, in der Lage sei, sich im Ausland Vermögen anzuschaffen, sei auch in der Lage, im Sinne der vom Gesetzgeber vorgenommenen 177
Vgl. BFH GrS BStBl. 1984, S. 751 ff. (764ff.). Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (710): Auch für andere Einkünfte, insb. aus Vermietung und Verpachtung, gilt nichts anderes. 179 BFH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (711). 180 In dem vom BFH in BStBl. II 1991, S. 704ff. zu entscheidenden Fall acht Jahre wegen § 2a Abs. 1 S. 2 EStG a.F. 181 BFH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (711). 182 BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (711). 183 Diese Auffassung wird durch die Entscheidung des BVerfG zur rückwirkenden Einschränkung der Sonderabschreibungen für Schiffe nach § 82 f EStDV bestätigt; vgl. BVerfGE 97, S. 67ff. (82); vgl. zu dieser Argumentation auch BVerfGE 95, S. 64ff. (89f.) für den Fall einer unechten Rückwirkung. 184 BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (711). 178
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
157
zulässigen generalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise, Einschränkungen bei der Verlustverrechnung hinzunehmen185. Das FG Rheinland-Pfalz stellt auch darauf ab, daß der Gesetzgeber sich mit der Möglichkeit einer Übergangsregelung beschäftigt habe. Die Ablehnung einer Übergangsregelung sei sachgerecht gewesen, „da es kaum möglich wäre, eine überzeugende zeitliche Begrenzung für eine derartige Übergangsregelung zu finden" 186 . Steuerliche Erwartungen begründen, so das FG Rheinland-Pfalz, keine Zwangswirkung zu Lasten des Staates, Verluste noch jahrzehntelang zu berücksichtigen187. c) Auffassung der Literatur Die Bedenken der Kritiker der Regelung stützen sich in erster Linie auf die Tatsache, daß eine Abgrenzung zwischen „echter" und „unechter" Rückwirkung wenig Aussagekraft im Hinblick auf die „oft gordisch wirkende Kasuistik des Bundesverfassungsgerichts" 188 habe. Allein aus dieser Einordnung könne daher keine Lösung gefunden werden 189, sondern im Mittelpunkt stehe eine „verfassungsrechtliche Güterabwägung zwischen der Schutzwürdigkeit des Vertrauens des einzelnen auf die bestehende Rechtslage und der Befugnis des Gesetzgebers, diese Rechtslage neu zu ordnen" 190 Nach Friauf steht die „Investitionssicherheit als ein Gut von hoher rechtsstaatlicher Bedeutung auf dem Spiel" 191 . Daneben sei andererseits zu berücksichtigen, daß nur eine sich ständig fortentwickelnde demokratische Gesetzgebung dem Bild einer parlamentarischen Demokratie entspreche. Der sich daraus ergebende Interessenkonflikt zwinge dazu, daß „zwischen der Dynamik der demokratischen Gesetzgebung und dem rechtsstaatlich fundamentierten Bestandsvertrauen des Bürgers (...) ein sachgerechter Ausgleich gefunden werden" 192 muß. Im Ergebnis räumt Friauf den Interessen des Steuerpflichtigen den Vorrang ein. Zum einen seien die besonders gravierenden Auswirkungen für die Betroffenen zu berücksichtigen, die weit über die üblichen Änderungen des Steuerrechts hinausgingen und zum 185
Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (711). FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1986, S. 408 f. (408). 187 Vgl. FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1986, S. 408f. (408f.). 188 Jehner, DStR 1986, S. 280. 189 Vgl. z.B. die Argumentation in BT-Drucksache IX/2290, S. 8: „Der Ausschuß hat die Frage des Vertrauensschutzes eingehend geprüft und die Vorlage bestätigt (unechte Rückwirkung)/ 4. 190 Jehner, DStR 1986, S. 280. 191 Friauf, StuW 1985, S. 318. 192 Friauf, StuW 1985, S. 318. 186
158 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslands Verlusten
anderen sei, selbst wenn man sich auf die sich ständig ändernde Steuergesetzgebung einstelle, mit einem derartigen Systembruch nicht zu rechnen 193
gewesen . Horlemann weist auf das Problem des abweichenden Wirtschaftsjahres nach § 4a EStG hin. Damit seien gleichfalls Sachverhalte, die in einem Wirtschaftsjahr, das nach dem 31.12.1983 endet, aber vor dem 1.1.1983 verwirklicht wurde, erfaßt 194. Auch Rädler und Mössner kommentieren diese Konstellation, die nach ihrer Ansicht in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG als echte Rückwirkung zu bewerten ist 1 9 5 . In analoger Anwendung des § 8 Abs. 3 AIG wird für abweichende Wirtschaftsjahre eine Übergangsregelung vorgeschlagen196, so daß in verfassungskonformer Auslegung die unzulässige echte Rückwirkung vermieden werde 197 . In Anlehnung an eine Untersuchung Söffings 198 stellt Jehner fest, daß das Ziel des Gesetzgebers, der Schutz der deutschen Volkswirtschaft, durch eine fehlende Übergangsregelung in das Gegenteil verkehrt werde 199. Söffing schlägt zur Vermeidung des Ausgleichsverbotes vor, daß grundsätzlich dem inländischen Betrieb Mittel entnommen werden und damit der Kredit, mit dessen Hilfe die ausländische Investition getätigt wurde, getilgt werde. Die durch die Entnahme entstandene Finanzierungslücke im inländischen Betrieb wird durch eine Erhöhung der Betriebskredite geschlossen. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Schuldzinsen sind als Betriebsausgaben abziehbar 200. Durch diese „Ausgliederung der Liquidität" 201 „saugt der übergangslose Verlustausgleich für Altinvestoren das Eigenkapital zwangsläufig aus unserer Wirtschaft heraus und treibt es ins Ausland" 202 . Damit wird dem Grunde nach das Gegenteil der gesetzgeberischen Intention für diese Gruppe der Steuerpflichtigen bewirkt 203 . Unter diesem Gesichtspunkt fehlen Gründe des Allgemeinwohls, die den 193
Vgl. Friauf, StuW 1985, S. 318. Vgl. Horlemann, DStZ 1983, S. 343; nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt der Gewinn des Wirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Auf diese Weise werden Verluste in 1983 erfaßt, die eigentlich in 1982 entstanden sind, so daß es zu einem Rückgriff in abgeschlossene Sachverhalte kommt. 195 Vgl. Rädler, FR 1983, S. 340; vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. A 58. 196 Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. A 58 a.E. m.w.N. 197 Vgl. Horlemann, DStZ 1983, S. 343. 198 Vgl. Söffing, DStR 1985, S. 429ff. 199 Vgl. Jehner, DStR 1986, S. 280f. 200 Vgl. Söffing, DStR 1985, S. 434 mit weiteren Einzelheiten. 201 Söffing, DStR 1985, S. 434. 202 Jehner, DStR 1986, S. 280. 203 Vgl. Jehner, DStR 1986, S. 281. 194
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
159
Rechtsgütern der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unterzuordnen wären 204 . Weigell tritt ebenfalls für eine Übergangsregelung ein 205 . Er wendet sich gegen die Argumentation von Krabbe bezüglich der Aushöhlung des Steuersubstrates, da die Mehreinnahmen durch § 2a Abs. 1, 2 EStG letztlich nicht quantifizierbar seien206, so daß der Vertrauensschutz der Steuerpflichtigen höherrangig bewertet werden müsse207. Nach Liidicke sind für das Fehlen einer Übergangsregelung keinerlei Sachgründe ersichtlich: „Weder die Sicherung des Steueraufkommens noch die Verhinderung weiteren Kapitalabflusses sprachen dafür, bereits vorgenommene Investitionen nicht zu begünstigen."208 d) Stellungnahme Aus heutiger Sicht kommt der Diskussion um den Vertrauensschutz bei § 2a Abs. 1, 2 EStG keine Bedeutung mehr zu. Sie verdeutlicht aber, daß, insbesondere nach der Auffassung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Finanzverwaltung, dem Gesetzgeber während des Veranlagungszeitraums nahezu jede wirtschaftslenkende Maßnahme möglich ist. Gerade langfristige Investitionen werden jedoch von fehlenden Übergangsregelungen getroffen. Wenn zu § 2a Abs. 1, 2 EStG argumentiert wird, daß eine Übergangsregelung nur einen weiteren Werbefaktor mit sich gebracht hätte, so spielt dieses Argument für die vorgenannten Investitionen keine Rolle. Vielmehr muß es auf die Ausgestaltung der Übergangsregelung ankommen, die zu einem angemessenen Ausgleich zwischen fiskalischen Interessen und Vertrauensschutz zu führen hat. Dies gilt sowohl für den Fall, daß der Gesetzgeber Investitionen zunächst als förderungswürdig ansieht und erst später seine Auffassung ändert, als auch bei Eingriffen in Zentralbereiche des Einkommensteuerrechts, wie dies die Verlustverrechnung darstellt. Letztlich wird man eine grundlegende Kritik an diesem Zustand daher nicht in der Einzelausgestaltung bei Erlaß einer bestimmten Vorschrift suchen müssen, sondern bereits in den verfassungsrechtlichen Vorgaben der (unechten) Rückwirkung im Steuerrecht. 2. Verhältnismäßigkeit Jegliche Form staatlichen Handelns unterliegt dem allgemeinen Rechtsprinzip der Verhältnismäßigkeit. Dogmatisch wird das Prinzip aus dem 204 205 206 207 208
Vgl. Jehner, DStR 1986, S. 282. Vgl. Weigell, S. 162ff. Vgl. BT-Drucksache IX/2074, S. 76; Fleischmann, DStR 1983, S. 195. Vgl. Weigell, S. 169. Lüdicke, S. 23.
160 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
Rechtsstaatsprinzip hergeleitet 209 und hat deshalb Verfassungsrang 210. Seine Geltung bleibt nicht auf bestimmte Rechtsgebiete beschränkt 211. Liegt ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts vor, so leitet das BVerfG das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch aus dem Erfordernis des effektiven Grundrechtsschutz selbst her. Insoweit ergibt sich das Prinzip „bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruches des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur soweit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerläßlich ist" 2 1 2 . Damit dient das Verhältnismäßigkeitsprinzip der Verteidigung der individuellen Rechts- und Freiheitssphäre 213. Inhaltlich verlangt das Verhältnismäßigkeitsprinzip, „daß der Einzelne vor unnötigen oder übermäßigen Eingriffen bewahrt bleibt; ein Gesetz darf den Bürger nicht stärker belasten, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerläßlich ist; die Mittel, die das Gesetz verwendet, müssen geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen" 214. Ausgehend von der Rechtsprechung des BVerfG muß eine Maßnahme also geeignet, erforderlich und angemessen sein 215 . Geeignet ist eine Maßnahme dann, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann 216 . Der Erfolg muß jedoch nicht unbedingt erreicht werden. Von einer Verfassungswidrigkeit spricht das BVerfG erst dann, wenn das Gesetz zum erstrebten Ziel objektiv untauglich oder schlechthin ungeeignet ist 2 1 7 . Eine im Sinne der Verhältnismäßigkeit erforderliche Maßnahme liegt vor, „wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames aber das Grundrecht nicht oder weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können" 218 . Als letzte Stufe der Verhältnismäßigkeit muß die Maßnahme angemessen sein. Der Eingriff muß „in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und 209 Vgl. BVerfGE 19, S. 342ff. (348); 61, S. 126ff. (134); 69, S. Iff. (5. Leitsatz u. 35); 80, S. 109ff. (119f.). 2.0 Vgl. BVerfGE 32, S. 127 ff. (133). 2.1 Vgl. BVerfGE 76, S. 256ff. (359). 2.2 BVerfGE 19, S. 342ff. (348); vgl. auch BVerfGE 61, S. 126ff. (134); 76, S. Iff. (50f.); 77, 308ff. (334) m.w.N. 2.3 Vgl. BVerfGE 79, S. 31 Iff. (341); 81, S. 310ff. (338): Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Bund-Länder-Verhältnis wird verneint. 2.4 BVerfGE 69, S. Iff. (35) m.w.N. 215 Vgl. BVerfGE 61, S. 120ff. (134). 2,6 Vgl. BVerfGE 30, S. 292ff. (316); 33, S. 171 ff. (187); 67, S. 157ff. (173). 217 In diesem Sinn auch BVerfGE 65, S. 1 ff. (55 f.). 2,8 BVerfGE 30, S. 292ff. (316); vgl. BVerfGE 53, S. 135 ff. (145); 67, S. 157 ff. (176); 68, S. 193 ff. (219).
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
161
der Bedeutung des Grundrechts stehen"219. Bei einer Gesamtabwägung ist zu berücksichtigen, daß „zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe (...) die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt" 220 bleibt. Die Maßnahme darf den Betroffenen nicht übermäßig belasten221 (Übermaßverbot oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne 222 ). Entscheidend ist letztlich im Einzelfall eine Güterabwägung zwischen „Gemeinwohlbelangen, zu deren Wahrung es erforderlich ist, in Grundrechte einzugreifen, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen" 223. Unangemessen ist eine Maßnahme dann, wenn diese betroffenen Interessen „ersichtlich wesentlich schwerer wiegen" 224 . Bei der Prüfung von Maßnahmen sind im Bereich der Gesetzgebung teilweise andere Anforderungen zu stellen als bei der Verwaltung. Wird der Verwaltung ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum eingeräumt, so muß ihr Handeln verhältnismäßig sein 225 . Beim Erlaß abstrakt-genereller Regelungen ist dem Gesetzgeber226 ein gewisser Gestaltungsspielraum zuzustehen. Dieser hängt „insbesondere von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter" 227 ab. Bei wirtschaftsbezogenen Regelungskomplexen besteht nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Beurteilungs- und Handlungsspielraum228, „innerhalb dessen das freie Spiel der Kräfte auch durch wirtschaftspolitische Lenkungsmaßnahmen korrigiert werden darf* 229 . Im Bereich der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung wird dem Gesetzgeber ein „besonders weitgehenden Einschätzungs- und Prognosevorrang" 230 zugestanden. Verfassungswidrig ist eine Regelung somit erst dann, „wenn es sich ergibt, daß die relativ weiten verfassungsrechtlichen Grenzen dieses Spielraums überschritten sind" 231 . 219
BVerfGE 67, S. 157 ff. (173). BVerfGE 83, S. Iff. (19). 221 Vgl. BVerfGE 83, S. Iff. (19). 222 Vgl. BVerfGE 90, S. 145 ff. (173). 223 Vgl. BVerfGE 92, S. 277 ff. (327). 224 BVerfGE 44, S. 353 ff. (373). 225 Vgl. BVerfGE 69, S. 161 ff. (169) zur Frage des Ermessens. 226 Vgl. BVerfGE 53, S. 135 ff. (145) zum Verordnungsgeber. 227 BVerfGE 50, S. 290ff. (332f.); vgl. BVerfGE 57, S. 139ff. (159); 62, S. Iff. (50); 90, S. 145 ff. (173). 228 Vgl. BVerfGE 46, S. 246ff. (257); 53, S. 135 ff. (145). 229 BVerfGE 53, S. 135 ff. (145). 230 BVerfGE 87, S. 363 ff. (383). 231 BVerfGE 53, S. 135 ff. (145). 220
II Wilk
162 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslands Verlusten
Zu klären ist daher, ob § 2a Abs. 1 EStG dem auch vom Gesetzgeber zu beachtenden Gebot der Verhältnismäßigkeit entspricht 232. a) Auffassung der Finanzverwaltung Soweit ersichtlich, nehmen die Vertreter der Finanzverwaltung zum Problem der Verhältnismäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG keine Stellung. Sie begnügen sich mit der Feststellung, daß die Regelung dem Schutz der deutschen Volkswirtschaft dient 233 . b) Auffassung der finanzgerichtlichen
Rechtsprechung
Nach Auffassung des FG Köln ist § 2a Abs. 1, 2 EStG mit dem rechtsstaatlichen Übermaßverbot deshalb vereinbar, da auch eine sehr starke Einschränkung der Verrechenbarkeit von Verlusten nicht die Grenzen rechtsstaatlicher Gesetzgebung verletze 234. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht auf die Besonderheiten der Kläger ab, bei denen sich die Vorschrift des § 2a Abs. 1, 2 EStG im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum lediglich mit 955 DM zu ihren Lasten auswirkte. Ungeachtet seiner Auffassung, daß „man eine übermäßige Besteuerung nicht erst dort anzunehmen haben (wird), wo sie erdrosselnd wirkt oder einer Enteignung gleichkommt" 235 , bleibe „die steuerliche Auswirkung des § 2a EStG für die Kläger betragsmäßig im Rahmen jederzeit zu erwartender Steuerrechtsändett236
rungen Anderer Ansicht ist das FG Baden-Württemberg, das in einem Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung bemerkte, daß die gesetzgeberische Begründung die Regelung nicht rechtfertigen könne, da, „wenn sie Fälle des Mißbrauchs verhindern soll, weit über das Ziel hinaus (gehe), da sie Verluste ohne Rücksicht auf die Umstände ihrer Entstehung vom Abzug und Ausgleich" 237 ausschließe. Ebenfalls in einem Verfahren über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beschäftigte sich der IV. Senat des BFH mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG. Allerdings beschränkte sich der 232 Die Frage, ob der vom Gesetzgeber mit § 2a Abs. 1 EStG verfolgte Zweck überhaupt legitim ist, soll, entsprechend der bisherigen Rechtsprechung und Literatur, im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz geklärt werden. 233 Vgl. Manke, DStZ 1984, S. 236; Kieschke, DStZ 1983, S. 7. 234 Vgl. FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (191). 235 FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (191). 236 Ebd. 237 FG Baden-Württemberg in: EFG 1986, S. 241 f. (242).
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
163
Senat gleichfalls auf die bloße Feststellung, daß gewichtige Bedenken geäußert worden seien, insbesondere auch im Hinblick auf die Rückwirkung bei Altinvestitionen, die die Verfassungsmäßigkeit des § 2a EStG bezweifeln lassen238. Eine vertiefte Prüfung erfolgte nicht.
c) Auffassung der Literatur Soweit Stimmen in der Literatur, insbesondere die Untersuchung von Loritz/Wagner, auf dieses Problem eingehen, wird die Verhältnismäßigkeit der Regelung bezweifelt. Loritz/Wagner gehen in Anlehnung an einen Beitrag von Vogel 239 davon aus, daß die Vorschrift weitgehend ungeeignet ist, das Ziel des Gesetzgebers, die Bekämpfung von Steuersparmodellen, zu erreichen 240. Vogel hat darauf verwiesen, daß die Vorschrift „vielfältige und wirtschaftlich bedeutende Möglichkeiten offen (läßt), ausländische Verluste - auch , künstliche4 - gegen inländische Gewinne oder gegen Gewinne aus Drittstaaten zu verrechnen" 241. Folgende Konstellationen führt Vogel an: Ausländische Verluste aus Land- und Forstwirtschaft, sofern keine land- und forstwirtschaftliche Betriebsstätte besteht, Verluste aus nicht aktiven Gewerbetrieben, sofern es an einer Betriebsstätte fehlt (z.B. durch Einsetzung eines ständigen Vertreters 242), Verluste aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit, Verluste aus Kapitalvermögen, soweit diese Einkünfte nicht aus einer Beteiligung an einer stillen Gesellschaft oder aus einem partiarischen Darlehen bezogen werden, Verluste aus der Vermietung und Verpachtung von Rechten und Verluste aus sonstigen Einkünften 243. In diese Richtung weist auch die Argumentation von Jehner, der in Anlehnung an Söffing 244 feststellt, daß durch Vermeidungstechniken die Zielsetzung des § 2a Abs. 1, 2 EStG unterlaufen wird 245 . Bopp hält § 2a Abs. 1, 2 EStG im Hinblick auf die gesetzgeberische Intention die Vorschrift für ungeeignet, da die Möglichkeit besteht, zu Lasten des inländischen Betriebes die ausländische 238 Vgl. BFH/NV 1990, S. 570ff. (571), überholt durch die Entscheidung des IV. Senats in BFH BStBl. II 1992, S. 192ff. (195). 239 Vgl. Vogel, BB 1983, S. 180ff. 240 Vgl. Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2270. 241 Vogel, BB 1983, S. 182. 242 Nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA liegt dann zwar eine Betriebsstätte vor, dies ist jedoch nach deutschem Recht, das für die Auslegung des § 2a Abs. 1 EStG allein maßgeblich ist, nicht der Fall. 243 Vgl. Vogel, BB 1983, S. 182 f. 244 Vgl. Söffing, DStR 1985, S. 429ff. 245 Vgl. Jehner, DStR 1986, S. 281.
164 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
Betriebsstätte mit hohem Eigenkapital auszustatten, um die Verluste möglichst gering zu halten 246 . Nach Loritz/Wagner ist die Vorschrift auch nicht erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, da das gesetzgeberische Ziel auch ohne § 2a Abs. 1 EStG durch § 15a EStG und der Rechtsprechung des BFH zur Gewinnerzielungsabsicht247 erreicht werde 248. Da Verlustzuweisungsmodelle üblicherweise die Rechtsform der Kommanditgesellschaft wählten 249 , treffe die Vorschrift gerade die Steuerpflichtigen mit realen Auslandsverlusten250: „Selbst wenn man dem Gesetzgeber gestattete, diese Personen im Wege der Typisierung mit einzubeziehen, kann dies nicht gelten, wo durch die Typisierung faktisch nur noch die »falsche* Personengruppe getroffen wird, weil diejenigen, die der Gesetzgeber treffen will (also die ,Steuersparer 4), bereits durch § 15 a EStG getroffen werden. Dann fehlt es an der Erforderlichkeit." 251 d) Stellungnahme Überprüft man die Verhältnismäßigkeit eines Gesetzes, so stellt sich zunächst die Frage, was der Gesetzgeber mit der Regelung erreichen wollte. Diesbezüglich ist festzustellen, daß das Ziel des Gesetzgebers, volkswirtschaftlich unerwünschte Investitionen zu unterbinden, legitim ist. Die Interessen, die der Gesetzgeber verfolgen darf, sind verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht vorgegeben252. Nach der bereits dargestellten Rechtsprechung des BVerfG ist eine Maßnahme im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann geeignet, wenn sie den gewünschten Erfolg fördern kann. Es mag zwar zutreffend sein, daß die Vorschrift des § 2a Abs. 1, 2 EStG viele Ausweichmöglichkeiten bietet. Dennoch trägt sie dem Grunde nach dazu bei, daß das gesetzgeberische Ziel erreicht wird. Keinesfalls ist die Vorschrift völlig untauglich. Probleme bereitet hingegen die Erforderlichkeit. Erforderlich ist eine Maßnahme nur dann, wenn sie das mildeste Mittel zwischen verschiedenen gleich wirksamen Handlungsalternativen ist. Bei dieser Frage ist zu berück246
Vgl. Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Anm. 4 a.E. Vgl. BFH GrS BStBl. II 1984, S. 751 ff. (764ff.). 248 Vgl. Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2270. 249 Vgl. hierzu Wagner in: Assmann/Schütze, S. 978 ff. 250 Vgl. Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2270. 251 Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2270. 252 Die Frage, ob die Zielsetzung des Gesetzgebers zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen führt, soll im Zusammenhang mit Art. 3 GG untersucht werden. 247
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
165
sichtigen, daß die Vorschrift alle Formen von Auslandsverlusten erfaßt, ungeachtet des Unterschieds, ob Investitionen zu Steuersparzwecken getätigt wurden oder ob sie Folge gewöhnlicher Geschäftstätigkeit sind 253 . Wie Mössner dargelegt hat, stand die Bekämpfung der Verlustzuweisungsmodelle eindeutig im Vordergrund 254. Dies beruht auf der Gesetzesbegründung, nach der „insbesondere die Initiatoren von Verlustzuweisungsmodellen" 2 5 5 die vor Einführung des § 2a Abs. 1, 2 EStG bestehende Rechtslage ausnutzten. Für Verlustzuweisungsmodelle bot sich die Rechtsform der Kommanditgesellschaft an, da, vor Einführung des § 15 a EStG, Verluste über die erbrachte Einlage hinaus von der Finanzverwaltung und Rechtsprechung anerkannt wurden 256. Daher stellt sich die Frage, ob eine fehlende Erforderlichkeit im Anwendungsbereich des § 15a EStG besteht, d.h. ob der Ausschluß des Verlustausgleichs bei Kommanditgesellschaften durch § 2a Abs. 1 EStG in nicht erforderlicher Weise verschärft wird. Es gilt daher, das Verhältnis zu § 15 a EStG zu klären. Eine Konkurrenz zwischen § 2a Abs. 1 EStG und § 15a EStG besteht nur dann, wenn es um einen Anteil an einer Kommanditgesellschaft geht. Das gesetzgeberische Ziel des § 15 a EStG war eine steuerpolitisch gebotene Bekämpfung von Verlustzuweisungsgesellschaften, denn häufig wurden „durch derartige Gesellschaften Beteiligungen angeboten und gezeichnet, bei denen ein volkswirtschaftlicher Nutzen und realistische Gewinnaussichten nicht erkennbar sind" 257 . Zu Überschneidungen zwischen § 2a Abs. 1, 2 EStG und § 15a EStG kann es nicht kommen. Wird ein ausländischer Verlust durch das Kapitalkonto des Steuerpflichtigen gedeckt, so ist der Verlustausgleich nach § 2a Abs. 1 EStG nicht möglich, ist das nicht der Fall, scheidet er nach § 15 a Abs. 1 EStG aus 258 . Die Verrechnungsmöglichkeiten in § 15 a Abs. 1 EStG sind nach Wegfall der zeitlichen Beschränkung des späteren Ausgleichs in § 2a Abs. 1 EStG enger, da lediglich ein Ausgleich mit positiven Einkünften aus derselben Beteiligung in Betracht kommt. Allerdings ist zu bedenken, daß die Verlustzuweisungsgesellschaften in Form der Kommanditgesellschaften stark zurückgegangen sind. Wagner 253
Vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 2a Rdnr. 3. Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. A 4 a.E.; vgl. auch Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 4, Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 2a Rdnr. 3. 255 BR-Drucksache 334/82, S. 43 ff. (44). 256 Vgl. Knobbe-Keuk, NJW 1980, S. 2557; grundlegend BFH BStBl. III 1964, S. 359 ff. (360f.). 257 Vgl. BT-Drucksache VIII/3648, S. 14ff. (15). 258 Vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 2a Rdnr. 11. 254
166 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslands Verlusten
hat dargelegt, daß die Entwicklung von Abschreibungs- und Verlustzuweisungsgesellschaften im wesentlichen darauf beruht, daß die Rechtsprechung das nicht begrenzte steuerliche Kapitalkonto anerkannte, nach der sog. Baupatenrechtsprechung des BFH 2 5 9 die Absicht, Steuern zu sparen, eine Gewinnerzielungsabsicht begründet und eine Reihe gesetzlicher Vorschriften bestand, die gewerbliche Verluste als Investitionsanreize erst ermöglichten 260. Diese Begünstigungen wurden jedoch durch Gesetzesänderungen und Rechtsprechungsänderungen abgeschafft. Darauf deutet auch der Bericht der Bundesregierung vom 31.8.1984261 hin, der bezüglich der Auslands Verluste von einer Wirkung des § 15 a EStG auch auf den Progressionsvorbehalt spricht, wenn ausländische Einkünfte vorliegen 262 Aus der Sicht der Bekämpfung der Verlustzuweisungsgesellschaften ist die Regelung damit überflüssig. Eine überflüssige Regelung hat keine Auswirkung. Damit liegen auch keine Berührungspunkte zur Erforderlichkeit vor 2 6 3 . Eine tatsächliche Auswirkung verbleibt jedoch bei allen sonstigen Auslandsinvestitionen und auch bei Kommanditisten bis zur Höhe des Kapitalkontos. Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesbegründung allgemein verhindern, daß zu Lasten des inländischen Steueraufkommens volkswirtschaftlich nicht sinnvolle Verwendungszwecke verfolgt werden 264. Der Grundgedanke des Gesetzes liegt damit nicht nur in der Bekämpfung von Verlustzuweisungsmodellen. Auch sind Verlustzuweisungsmodelle nicht zwingend in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft zu konzipieren. In diesem Zusammenhang ist beachtlich, daß § 2a Abs. 1 EStG nicht an eine bestimmte Gesellschaftsform anknüpft. Insofern erklärt sich die gesetzgeberische Begründung zu § 2a Abs. 1, 2 EStG, daß § 15a EStG „die steuermindernden Verlustzuweisungen nur zum Teil verhindern (kann). Er gilt nur für Kommanditisten und für Unternehmer mit vergleichbarer Haftung, 259
Vgl. BFH BStBl. II 1972, S. 700ff. (702f.). 260 Ygi Wagner in: Assmann/Schütze, S. 980, z.B. § 3 Zonenrandförderungsgesetz, § 82 EStDV für Seeschiffe. 261 Vgl. BT-Drucksache X/1927, S. Iff. (Bericht der Bundesregierung über die Wirkung bisheriger Maßnahmen und eventueller weiterer Maßnahmen gegen Verlustzuweisungsgesellschaften, Bauherrenmodelle und vergleichbare Rechtsgestaltungen). 262 Vgl. BT-Drucksache X/1927, S. 6. 263 Dieses Ergebnis wird durch die Einführung des § 2b EStG auf der Grundlage des StEntlG 1999/2000/2002 unterstrichen, wenngleich derzeit noch nicht abgeschätzt werden kann, ob die Neuregelung wegen ihrer zweifelhaften Bestimmtheit dauerhaft Bestand haben wird (vgl. zu § 2b EStG: Seer/Schneider, BB 1999, S. 872ff.). 264 Vgl. BT-Drucksache IX/2140, S. 62.
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
167
nicht aber in den Fällen, in denen für die Auslandsaktivitäten andere Unternehmensformen gewählt werden" 265. Man mag Bedenken haben, ob eine derartige gesetzgeberische Zielsetzung in einem exportorientierten Staat berechtigt ist 2 6 6 . Unter Berücksichtigung der weiten Zielsetzung des Gesetzgebers fehlt der Regelung jedoch nicht die Erforderlichkeit, da im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG 267 mildere Mittel zur Bekämpfung jeglicher Formen bestimmter Auslandsinvestitionen nicht ersichtlich sind. Zwar wollte der Gesetzgeber in erster Linie Initiatoren von Verlustzuweisungsmodellen treffen, dennoch bezeugt gerade die Formulierung „insbesondere Initiatoren von Verlustzuweisungsmodellen" 2 6 8 , daß dies nur ein Teil des Anwendungsbereichs der Vorschrift ist. Ob für die Regelung in bezug auf den redlichen Investor, für den die Verlustberücksichtigung Ausdruck seiner Leistungsfähigkeit ist, eine Berechtigung besteht, ist entgegen Loritz/Wagner ein Problem des Gleichbehandlungsgrundsatzes und läßt die Verhältnismäßigkeit der gesetzgeberischen Maßnahme unberührt, da der Gesetzgeber nicht nur Verlustzuweisungsmodelle, sondern auch sonstige Formen bestimmter Auslandsinvestitionen treffen wollte. Da die Vorschrift im Hinblick auf ihre Zielsetzung auch angemessen ist, bestehen aus Sicht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine Bedenken an ihrer Verfassungsmäßigkeit. I I I . Vereinbarkeit mit Art. 3 GG Die Regelung des § 2a Abs. 1, 2 EStG durchbricht unstreitig das Nettoprinzip als Ausfluß des Strukturprinzips der Leistungsfähigkeit. Sie bedarf daher zur Rechtfertigung eines sachlichen Grundes. Zum Zweck der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Vorschrift ist zunächst zu klären, welcher steuergesetzlichen Normengruppe diese zuzuordnen ist, d.h., ob sie Finanzierungs- oder Lenkungszwecke verfolgt. Bezüglich des § 2a Abs. 1 EStG bestehen nach Friauf ausweislich der Gesetzesbegründung keine Anhaltspunkte dafür, daß die Vorschrift das Steueraufkommen anheben wollte 269 . Mössner hingegen bezweifelt dies 270 . Gemäß der Gesetzesbegründung sollten Verluste nicht zu Lasten des deut265
Vgl. BR-Drucksache 334/82, S. 42ff. (43). Vgl. Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Anm. 4 („Kritik"). 267 Vgl. BVerfGE 30, S. 292 ff. (316). 268 BT-Drucksache IX/2140, S. 62. 269 Vgl. Friauf, StuW 1985, S. 316. 270 Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. A 56 unter Verweis auf BRDrucksache 334/82, S. 43 f. (44): „Auf diese Weise können zu Lasten des inländi266
168 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslands Verlusten
sehen Fiskus erzielt werden, wenngleich steuerinterventionistische Überlegungen der Grund für die Einführung des § 2a Abs. 1 EStG waren 271 . Würde man § 2a Abs. 1 EStG als Fiskalzwecknorm einordnen, so wäre die Vorschrift verfassungswidrig, da keine in der Leistungsfähigkeit begründeten Umstände vorliegen, die eine unterschiedliche Belastung rechtfertigen 272 . Wenn es dem Gesetzgeber darum geht, volkswirtschaftlich nicht sinnvolle Investitionen zu unterbinden, steht, in Anlehnung an Friauf\ ein interventionistischer Zweck im Vordergrund. Nach der Rechtsprechung des BVerfG 273 kommt es auf eine abschließende Einordnung nicht an, wenngleich das BVerfG nunmehr auch von Lenkungssteuern spricht 274 . Von einem Formenmißbrauch kann mangels einer erdrosselnden Wirkung nicht gesprochen werden. Entscheidend ist vielmehr, ob der Zweck des Gesetzes den Eingriff in die Steuergerechtigkeit rechtfertigen kann.
1. Sachliche Rechtfertigung durch den Gesetzgeber Wie bereits dargestellt, führte der Gesetzgeber die Vorschrift des § 2a Abs. 1, 2 EStG ein, um Investitionen zu verhindern, die sich ohne volkswirtschaftlichen Nutzen zu Lasten des inländischen Steueraufkommens auswirken 275 . Die Vorschrift des § 15 a EStG sah man zur Verhinderung steuermindernder Verlustzuweisungen als unzureichend an. Dies galt insbesondere deshalb, da sie nur für Kommanditisten und für Unternehmer mit vergleichbarer Haftung galt, „nicht aber in den Fällen, in denen für die Auslandsaktivitäten andere Unternehmensformen gewählt" 276 wurden. Darüber hinaus wurde mit der Neuregelung beabsichtigt, eine Gleichstellung mit den Ländern, mit denen keine DBA bestehen, zu erreichen. Gleiches galt im Vergleich zu den Ländern, mit denen die Anrechnungsmethode vereinbart wurde.
sehen Steueraufkommens volkswirtschaftlich nicht sinnvolle Verwendungszwecke verfolgt werden.". 271 Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. A 3. 272 Vgl. Weigell, S. 175. 273 Vgl. BVerfGE 16, S. 147 ff. (161). 274 Vgl. BVerfG NJW 1998, S. 2341 ff. (2342). 275 Vgl. BT-Drucksache IX/2074, S. 62. 276 BT-Drucksache IX/2074, S. 62.
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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2. Sachliche Rechtfertigung aus Sicht der Finanzverwaltung Kieschke bemerkt, daß die Zielvorstellung des Gesetzgebers - Schutz der nationalen Volkswirtschaft - im Hinblick auf dessen weiten Gestaltungsspielraum eine ausreichende sachliche Rechtfertigung darstelle 277. In diesem Sinne äußert sich auch Manke, der von „ausreichenden Gründen für die Abweichung vom Grundsatz des sofortigen vollen Verlustausgleichs spricht" 278 . Krabbe stellt hinsichtlich des Welteinkommensprinzips fest, daß auch schon vor Einführung des § 2a Abs. 1 EStG das deutsche Steuerrecht Verlustverrechnungsverbote (§§ 15 Abs. 2, 15 a, 22 Nr. 3, 22 Abs. 4 EStG) kannte279. Einen sachlichen Grund nennt er, mit Ausnahme des Verweises auf die Gesetzesbegründung, nicht. Zur Frage der Zulässigkeit einer groben Typisierung hebt er hervor, daß alternativ der Gesetzgeber zur Abgrenzung zwischen sinnvollen und wenig sinnvollen Investitionen auch „den Weg neuer Bescheinigungsverfahren im Einzelfall (hätte) gehen können" 280 . Die grobe Typisierung diene der Vermeidung gerade solcher Verfahren 281. Die Regelung ließe sich auf diese Weise auch aus Gründen der Verwaltungsökonomie rechtfertigen. 3. Sachliche Rechtfertigung aus der Sicht der finanzgerichtlichen Rechtsprechung Zunächst äußerte das Finanzgericht Baden-Württemberg ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1 EStG. Gegenstand des Verfahrens war ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Das Gericht hielt den Antrag für begründet und gab ihm statt 282 . Die Bedenken bestanden darin, daß es aus der Sicht des Senates „nicht ohne weiteres einsichtig (sei), daß der Gesetzgeber für die Einkommensbesteuerung zwar das ganze Welteinkommen des Steuerpflichtigen heranzieht, die Minderung der Leistungsfähigkeit durch einen erheblichen Teil der im Ausland entstandenen Verluste jedoch unberücksichtigt läßt" 283 . Das FG Baden-Württemberg stellt darüber hinaus auch auf die Begründung des Gesetzgebers ab. So stelle sich die Frage, warum der Gesetzgeber nicht auch vergleichbare inländische Verlustzuweisungsmodelle bedachte284. Der VIII. Senat des BFH hob den 277 278 279 280 281 282 283 284
Vgl. Kieschke, DStZ 1983, S. 7. Manke, DStZ 1984, S. 238. Vgl. Krabbe, RIW 1983, S. 43. Krabbe in: Vogel, DStJG, S. 85. Vgl. Krabbe in: Vogel, DStJG, S. 85. Vgl. FG Baden-Württemberg in: EFG 1986, S. 241 f. FG Baden-Württemberg in: EFG 1986, S. 241. Vgl. FG Baden-Württemberg in: EFG 1986, S. 242.
170 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
Beschluß des FG Baden-Württemberg, ohne sich jedoch mit der Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1 EStG zu beschäftigen, aus anderen Gründen auf 285 . Der I. Senat des BFH bezweifelte ebenfalls die Verfassungsmäßigkeit 286. In einem Beschwerdeverfahren gegen einen Beschluß des FG München, das die Gewährung von Prozeßkostenhilfe ablehnte, äußerte der BFH, daß die Klage dann Erfolg haben kann, „wenn die Auffassung richtig ist, daß § 2a EStG wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG nichtig ist" 2 8 7 . Eine nähere Begründung erfolgte, wohl wegen der Verfahrensart, nicht. Die überwiegende Zahl der fachgerichtlichen Entscheidungen äußert hingegen keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift. Einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz verneinen der I., IV. und IX. Senat des BFH, das FG Köln, das FG Rheinland-Pfalz und das FG des Saarlandes. Den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz versteht das FG Köln unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG 288 als Willkürverbot, so daß nur ein „sachlich einleuchtender Grund" 289 zur Rechtfertigung der Norm vorliegen muß. Auch der BFH (I. Senat) räumt dem Gesetzgeber in Anlehnung an die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung290 eine weite Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit 291 ein und bewertet nur „eine grob sachwidrige Gesetzgebung"292 als Verstoß gegen Art. 3 GG. Zur Vermeidung von Fehlentwicklungen sei § 2a Abs. 1 EStG als wirtschaftslenkende Norm zulässig293. Einen etwas anderen Ansatz zur sachlichen Rechtfertigung wählt der IX. Senat des BFH. Ergänzend zu der Auffassung des I. Senats294 stellt er fest, 285
Vgl. BFH/NV 1987, S. 46f.: Nach Auffassung des VIII. Senats hatte der Antragsteller das Vorhandensein negativer ausländischer Einkünfte nicht hinreichend glaubhaft gemacht. 286 Vgl. BFH BStBl. II 1987, S. 434f. 287 BFH BStBl. II 1987, S. 434f. (435) unter Verweis auf Friauf, StuW 1985, S. 308ff.; die Beschwerde im PKH-Verfahren war jedoch auch deshalb begründet, da der BFH Zweifel an der Wirkung des § 2 a EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt äußerte. 288 Vgl. BVerfGE 50, S. 142ff. (162). 289 FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (191). 290 Vgl. BVerfG BStBl. II 1990, S. 479ff. (481 f.). 291 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (139); BFH/NV 1992, S. 104ff. (106). 292 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (139); BFH/NV 1992, S. 104ff. (106). 293 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (139); BFH/NV 1992, S. 104ff. (106); so auch FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (191). 294 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff.; BFH/NV 1992, S. 104ff.; BFH BStBl. II 1993, S. 399 ff. (403).
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
171
daß im Hinblick auf Art. 3 GG „nicht die Einschränkung des Verlustausgleichs durch § 2a Abs. 1 Nr. 4 EStG bedenklich (sei), sondern allenfalls der Nichtausschluß der Besteuerung der positiven Einkünfte der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 EStG genannten Art" 2 9 5 . In der Sache wird damit das Verhältnis zwischen Anrechnungs- und Freistellungsmethode angesprochen, deren Gleichbehandlung ein weiteres, wenn auch untergeordnetes Ziel des Gesetzgebers war. Da die abkommensrechtliche Freistellungsmethode nach der BFH-Rechtsprechung auch Verluste erfasse, sei durch § 2a Abs. 1 EStG nur eine bestehende Ungleichheit im Verhältnis zu Nicht-DBA Staaten beseitigt worden 296. Nicht so einfach ließe es sich jedoch dann erklären, warum bei DBA-Staaten auch positive Einkünfte steuerbefreit werden, während dies bei einer unmittelbaren Anwendung des § 2a Abs. 1 EStG (DBA mit Anrechnungsmethode oder kein DBA) weiterhin der Fall sei. Aber diese tatsächliche Ungleichbehandlung sieht der IX. Senat als „noch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar" 297 an, jedenfalls werde die weite, insbesondere bei der Erschließung von Steuerquellen bestehende, Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dadurch nicht überschritten: Die Unterschiede zwischen Freistellungs- und Anrechnungsmethode werden nach Auffassung des Senats durch den Steuertarif abgemildert. Während freigestellte positive Einkünfte sich über den Progressionsvorbehalt steuererhöhend auswirken, werden ausländische Einkünfte, die unter DBA mit Anrechnungsmethode fallen oder bei denen kein DBA anwendbar ist, bei denen also § 2a Abs. 1 EStG 298 unmittelbar wirkt, im Fall positiver Einkünfte nur besteuert, wenn sich insgesamt unter Berücksichtigung der Verluste der Vorjahre ein positiver Saldo ergibt 299 . Darüber hinaus zieht der IX. Senat einen Vergleich zu §§ 15 Abs. 4, 15 a EStG, die ebenfalls eine beschränkte Anrechen- und Ausgleichbarkeit negativer Einkünfte beinhalten300. Daß die Vorschrift zur Verwirklichung des gesetzgeberischen Ziels der Vermeidung volkswirtschaftlich sinnloser Investitionen auch den redlichen Investor trifft, sehen sowohl der BFH als auch das FG Köln nicht als durchgreifendes Argument an 301 . Die in der Formulierung des § 2a Abs. 1 EStG 295
BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (707). Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (707). 297 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (709). 298 Gegenstand der Entscheidung in BFH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (709) war § 2 a Abs. 1 Nr. 4 EStG. 299 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (709); nach der damals geltenden Rechtslage war der Verlustausgleich mit Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat noch nach § 2a Abs. 1 S. 2 EStG a.F. auf acht Jahre begrenzt. 300 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (709). 301 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (139) u. BFH/NV 1992, S. 104ff. (107); FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (192). 296
172 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
zum Ausdruck kommende grobe Typisierung der ausländischen Aktivitäten bewirke zwar, daß keine Differenzierung zwischen „guten" und „bösen" Auslandsinvestoren möglich sei, jedoch erscheine es nicht als willkürlich, wenn der Gesetzgeber bestimmte Tätigkeiten302 „im Ausland nicht auf alle Zukunft in gleicher Weise fördert (...) wie im Inland" 303 . Der BFH stellt darauf ab, daß der Gesetzgeber sich „ - wie stets bei der Ordnung von Massenerscheinungen - bei der Ausgestaltung seiner Normen generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen kann" 304 . Eine noch weitergehende Differenzierung zwischen „guten" und „bösen" Verlusten innerhalb derselben Einkunftsart „wäre zudem mit der im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit gebotenen Typisierung, insbesondere im Hinblick auf die erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten, kaum in Einklang zu bringen" 305 . Das FG Köln argumentiert, daß der höhere Nutzen einer Tätigkeit im Inland gegenüber dem Ausland zur Rechtfertigung des § 2a Abs. 1 EStG ausreiche 306. Investitionen im Ausland sollen gerade weniger attraktiv gemacht werden, so daß die Ungleichbehandlung zwischen inländischen Verlusten und ausländischen negativen Einkünfte sachlich gerechtfertigt sei 307 . In diesem Sinne argumentiert auch das FG Rheinland-Pfalz, wenn es als entscheidend ansieht, daß die von § 2a Abs. 1 EStG erfaßten Auslandsinvestitionen „ähnlich wie andere Verlustzuweisungsmodelle in weiten Kreisen der Bevölkerung als steuerpolitisches Ärgernis empfunden werden, und es deshalb keinesfalls willkürlich ist, wenn der Gesetzgeber hier eingreift" 308 . Das FG des Saarlandes stellt fest, daß die Erschwerung von Auslandsinvestitionen durch Verlustabzugsbeschränkungen „der vom Gesetzgeber als volkswirtschaftlich für vorrangig gehaltenen Investitionsbereitschaft im Inland dient" 309 . Dieses Ziel habe bei hoher Arbeitslosigkeit besonders im Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes seine Verankerung 310. Die sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Verlusten im Bereich der Vermietung und Verpachtung zwischen In- und Ausland sieht das Gericht aus volkswirtschaftlich bedeutsamer Sicht darin, daß „zum einen (...) durch Investitionen in den inländischen Mietwohnungsbau 302
Im vom FG Köln zu entscheidenden Fall waren es Vermietungstätigkeiten. FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (192). 304 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (139) u. BFH/NV 1992, S. 104ff. (107) mit Verweis auf BVerfGE 78, S. 214ff. (226f.) m.w.N.; vgl. auch BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (708) und BFH BStBl. II 1990, S. 482ff. (486) m.w.N. 305 BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (708). 306 Vgl. FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (192). 307 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (708). 308 FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1986, S. 408 f. (408). 309 FG des Saarlandes in: RIW 1190, S. 773. 310 Vgl. FG des Saarlandes in: RIW 1990, S. 773. 303
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
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Arbeitsplätze in der Bau- und Baumaschinenbranche geschaffen bzw. gesichert (werden), anderseits dient der inländische Mietwohnungsbau der besseren Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen"311. Hinsichtlich des Vergleichs mit inländischen negativen Einkünften stellt der IX. Senat des BFH auch heraus, daß eine sachliche Rechtfertigung durch die fehlende hoheitsrechtliche, personelle und finanzielle Möglichkeit der Finanzverwaltung, die Existenz der Auslandsverluste zu überprüfen, gegeben sei 312 . Zum Teil wird in den finanzgerichtlichen Entscheidungen auch ein unmittelbarer Bezug zur Leistungsfähigkeit hergestellt. Nach der Auffassung des I. Senats des BFH gebietet es der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit 313 nicht, „eine Tätigkeit steuerlich zu berücksichtigen, die vornehmlich auf Steuerersparnis durch Erzielen von Verlusten gerichtet ist" 3 1 4 . Die Durchbrechung der Verlustberücksichtigung nach § 2 Abs. 2 EStG durch § 2a Abs. 1 EStG sei vielmehr ein legitimer Grund, „Spekualtionen auf Kosten der Allgemeinheit zu verhindem" 315 . Im Zusammenhang mit dem Prinzip der Leistungsfähigkeit argumentiert der IX. Senat, daß das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit den Gesetzgeber nicht verpflichte, „jeden Aufwand, den ein Steuerpflichtiger freiwillig auf sich nimmt, bei der Bemessung der Einkommensteuer zum Abzug zuzulassen"316. Die steuerliche Belastung eines staatlich unerwünschten Verhaltens erfasse zum einen nicht die individuelle Zahlungsfähigkeit und zum anderen werde bei bestimmten Auslandsinvestitionen317 die Leistungsfähigkeit im einkommensteuerrechtlichen Sinn nicht gemindert, sondern angezeigt318. Letztlich komme dem Steuerpflichtigen ja auch 3.1 3.2
(107).
FG des Saarlandes in: RIW 1990, S. 773. Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (708f.); ähnlich BFH/NV 1992, S. 104ff.
3.3 Vgl. hierzu BVerfG BStBl. II 1990, S. 483ff. (486) m.w.N.: Das Prinzip der Nettobesteuerung ist Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips und in § 4 Abs. 1, Abs. 4 EStG ausdrücklich niedergelegt. Keiner Entscheidung bedurfte es, ob das Nettoprinzip verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist, aber auch in diesem Fall könne es der Gesetzgeber, so das BVerfG, bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen. 3.4 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (139) u. BFH/NV 1992, S. 104ff. (106); vgl. auch BVerfG in: HFR 1988, S. 34 f. mit dem die Rechtsprechung des BFH zur Liebhaberei als verfassungsmäßig angesehen wird. 3.5 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (139) u. BFH/NV 1992, S. 104ff. (106). 3.6 BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (710). 3.7 Im vom BFH zu entscheidenden Fall war es der Erwerb eines Grundstücks im Ausland. 318 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (710).
174 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
die Wertsteigerung einer dauerhaften Vermögensanlage im Ausland zugute, so daß das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht in verfassungswidriger Weise eingeschränkt sei 319 . Auch das FG Rheinland-Pfalz stellt einen direkten Bezug zur Leistungsfähgkeit her. Das Leistungsfähigkeitsprinzip mißt sich im deutschen Recht ausgehend von § 2 EStG grundsätzlich am Welteinkommen des Steuerpflichtigen. Das Welteinkommensprinzip sei jedoch als Ordnungsprinzip des Einkommensteuerrechts „aufgrund von DBA und Vorschriften des Außensteuerrechts tatsächlich überwiegend eingeschränkt oder ausgeschlossen"320. Wenn aber das Welteinkommensprinzip nur ein Ordnungsprinzip des deutschen Einkommensteuerrechts ohne verfassungsrechtlichen Rang sei, so sei es „deshalb auch verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn § 2a EStG das Welteinkommensprinzip einschränkt" 321. Noch weitergehend argumentiert der IX. Senat, da das Welteinkommensprinzip ein „bloßer Programmsatz" 322 sei, der „in der Rechtswirklichkeit weitgehend eingeschränkt (ist), und zwar insbesondere auch hinsichtlich der negativen ausländischen Einkünfte durch die Vereinbarung von DBA mit Freistellungsmethode"323, sei ein möglicher Systembruch durch § 2a Abs. 1 EStG unerheblich. Der IV. Senat hält die Vorschrift des § 2a Abs. 1 EStG ebenfalls für verfassungsmäßig 324. Insoweit schließt sich der IV. Senat ausdrücklich an die Auffassungen des I. und des IX. Senats an und nimmt inhaltlich auf die Ausführungen in den betreffenden Urteilen Bezug 325 . Die Senate des BFH stellen konsequenterweise auch keinen Verstoß gegen Art. 3 GG aufgrund der Differenzierung innerhalb des § 2a Abs. 1, 2 EStG zwischen aktiven und passiven Tätigkeiten fest 326 . Unproduktive oder passive Tätigkeiten, wie sie insbesondere Vermögensanlagen in ausländischem Grundbesitz darstellen, bringen der Bundesrepublik, so der IX. Senat, „keinen Nutzen, sondern führen regelmäßig nur zu Steuerausfällen, während produktive Tätigkeiten eher auf die Erzielung positiver Einkünfte 319 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (710): Der IX. Senat stellt einen Vergleich zu Mietaufwendungen für ausländische Ferienwohnungen her, bei denen noch nicht einmal eine dauerhafte Vermögensanlage mit Wert und Wertsteigerungen vorliegt. 320 FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1986, S. 408 f. (408). 321 FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1986, S. 408 f. (408). 322 BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (708). 323 BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (708). 324 Vgl. BFH BStBl. II 1992, S. 192ff. (195). 325 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (138ff.) und BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (707 ff.). 326 Vgl. I. Senat: BFH/NV 1992, S. 104ff. (107); IV. Senat: BFH/NV 1994, S. 100ff. (102); IX. Senat: BFH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (709).
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
175
gerichtet sind, die im Inland zu versteuern sind" 327 . Diese Sichtweise wird vom I. Senat unter Verweis auf die gesetzgeberische Begründung geteilt 328 . Der Zweck der Aktivitätsklausel liege darin, den steuerlichen Verlustausgleich für solche Auslandsinvestitionen aufrechtzuerhalten, die von Nutzen für die deutsche Volkswirtschaft seien329. Daraus lasse sich begründen, daß der Gesetzgeber nur Verluste aus aktiven ausländischen gewerblichen Betriebsstätten zum Ausgleich zulasse, nicht aber solche aus aktiven ausländischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten oder aus ausländischem Grundbesitz. Schließlich sei, so der IX. Senat, das EStG „tendenziell kein Gesetz zur Begünstigung von Vermögensanlagen, sondern von Steuereinnahmen"330. Dem Gesetzgeber könne es daher nicht verwehrt werden, unerwünschte Verluste zu verhindern 331. Das unterschiedliche staatliche Interesse an der Verlustberücksichtigung reiche als sachlich einleuchtender Grund aus 332 . Ein derartiges staatliches Interesse sieht der IV. Senat insbesondere darin, „daß die Bundesrepublik Deutschland als Industriestandort und Exportland in hohem Maße darauf angewiesen ist, die internationale wirtschaftliche Verzahnung im gewerblichen Bereich zu fördern" 333 . Insoweit stimme die gesetzgeberische Entscheidung hinsichtlich der Aktivitätsklausel mit der Zielsetzung in §§ 2, 5 AIG 3 3 4 überein 335.
4. Sachliche Rechtfertigung aus der Sicht der Literatur Unstreitig dürfte es sein, daß durch § 2a Abs. 1 EStG in das Welteinkommensprinzip eingegriffen wird 336 . Im Ausland erzielte Verluste werden vom inländischen Verlustausgleich ausgeschlossen, während positive Einkünfte weiterhin der deutschen Besteuerung unterliegen. Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit äußerten zunächst Eggesiecker/ Eisenach/Schürner. Nach ihrer Auffassung ist es verfassungsrechtlich zweifelhaft, „daß der Fiskus durch selektive Auswahl ihm genehmer Einkommensbestandteile die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen eines offensichtlich leistungsunfähigen Steuerbürgers vernichten darf* 337 . 327
BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (709). Vgl. BFH/NV 1992, S. 104ff. (107). 329 Vgl. BT-Drucksache IX/2074, S. 62. 330 BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (709). 331 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (709). 332 Vgl. BFH/NV 1992, S. 104ff. (107). 333 BFH/NV 1994, S. lOOff. (102). 334 Jetzt § 2a Abs. 3 EStG. 335 Vgl. BFH/NV 1994, S. lOOff. (102). 336 Vgl. Rädler, FR 1983, S. 339; Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 5; Fleischmann, DStR 1983, S. 193. 328
176 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
Vogel hebt hervor, daß die Verlustverrechnung keine Steuersubvention sei, „die der deutsche Fiskus zur Förderung erwünschter Investitionen gewährt, sondern eine Folgerung aus dem Prinzip der Leistungsfähigkeit, präziser aus dem Nettoprinzip" 338. Durch die Vorschrift des § 2a Abs. 1, 2 EStG wird das Nettoprinzip durchbrochen. Das Ausgleichs- und Abzugsverbot erfaßt Auslandsverluste „unabhängig davon, ob sie auf Schicksalsschlägen beruhen, aus wirtschaftlich sinnvollen Erwägungen bewußt übernommen wurden (vielleicht nicht zum Nutzen der deutschen Volkswirtschaft, aber doch zur Erzielung von Einkünften, die eines Tages, wenn auch womöglich erst nach mehr als sieben Jahren, der deutschen Steuerpflicht unterliegen werden) oder ob sie aus Gründen der Steuerersparnis - somit künstlich - herbeigeführt wurden" 339 . Dabei treffe der Gesetzgeber „in seinem Bemühen, den Mißbrauch zu (bekämpfen) (...) auch den redlichen Kaufmann" 340. Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes weist Vogel auf folgendes hin: „Warum das Verbot der Verrechnung von Auslandsverlusten gerade und nur für die in § 2a EStG genannten Einkunftsarten, nicht auch für andere gelten soll, warum für die in § 2a genannten unterschiedslos, dafür sind keine »hinreichenden sachlichen Gründe4 im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 3 GG zu erkennen, ebensowenig dafür, warum die Verlustverrechnung nach § 2 AIG 3 4 1 nur für , aktive4 gewerbliche Tätigkeiten, nicht ebenso für ,aktive' nichtgewerbliche und vielleicht auch für »passive4 gelten soll" 342 . Auch Bopp bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit. Er zeigt verfassungsrechtliche Bedenken auf, die sich durch einen Vergleich der in § 2a Abs. 1, 2 EStG genannten Tätigkeiten ergeben. Unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes sieht er es als bedenklich an, „daß Verluste aus land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten nicht ausgleichsfähig sind, während bei gewerblichen Betriebsstätten, die unter die Aktivitätsklausel des Abs. 2 fallen, der Verlustausgleich bestehen bleibt" 343 . Ferner sei es nicht einzusehen, „daß zwar die mitunternehmerische Beteiligung an einer aktiv gewerblichen ausländischen Betriebsstätte zu ausgleichsfähigen Verlusten führt, nicht jedoch die typisch stille Beteiligung an 337
Eggesiecker/Eisenach/Schürner, FR 1982, S. 485. Vogel, BB 1983, S. 182. 339 Vogel, BB 1983, S. 182; anzumerken ist, daß seit dem VZ 1992 die zeitliche Beschränkung der späteren Verrechnung nicht mehr besteht. 340 Vogel, BB 1983, S. 182. 341 Jetzt § 2a Abs. 3 EStG. 342 Vogel, BB 1983, S. 187. 343 Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 5. 338
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
177
einer solchen Betriebsstätte" 344. Die Bedenken äußert er insbesondere deshalb, weil die Möglichkeit der inländischen Verlustberücksichtigung von der Art der im Ausland bestehenden Quellen und Tätigkeiten abhängig gemacht wird 3 4 5 . Auch seien „Verluste aus der Überlassung gewerblicher Schutzrechte im Rahmen einer ausländischen Betriebsstätte nicht ausgleichsfähig (...) (Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 Nr. 2), während solche Verluste, wenn sie in einer inländischen Betriebsstätte oder aus Vermietungstätigkeit anfallen, auch dann voll ausgleichs- bzw. abzugsfähig sind, wenn im übrigen die Nutzung der Rechte im Ausland erfolgt" 346 . Sauren sieht in der Vorschrift des § 2a Abs. 1 EStG einen Verstoß gegen Art. 3 GG im Hinblick auf das Kriterium der Systemgerechtigkeit. Nach der Rechtsprechung des BVerfG dürfe der Gesetzgeber ein einmal gewähltes Ordnungsprinzip zukünftig nicht ohne weiteres unbeachtet lassen347. Obgleich nicht jede Systemwidrigkeit einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstelle, sondern diesen nach der Rechtsprechung des BVerfG nur indizieren könne, lasse das BVerfG nur unwesentliche Durchbrechungen zu und auch nur dann, wenn sie sachlich gerechtfertigt seien348. Bei § 2a Abs. 1 EStG sei dies jedoch nicht der Fall. Die Vorschrift stelle einen nicht unwesentlichen Verstoß gegen die vom Gesetzgeber selbst „statuierte Sachgesetzlichkeit" 3 4 9 hinsichtlich der Besteuerung nach dem Welteinkommen dar, da sie sich auf mehrere Einkunftsarten beziehe. Auch habe der Gesetzgeber nur die Beseitigung sog. Verlustzweisungsgesellschaften bezweckt, so daß es an einer Rechtfertigung für sonstige Auslandsinvestitionen fehle 350 . Einen Vergleich mit sonstigen Verlustausgleichsbeschränkungen hält Sauren für nicht gerechtfertigt. § 15 Abs. 3 EStG 351 habe die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft bezweckt352 und beinhalte keine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Verlusten353. §§22 Nr. 3 und 23 Abs. 4 EStG stellten ebenfalls nicht auf den 344
Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 5. Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 5. 346 Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Rdnr. 5. 347 Vgl. Sauren, FR 1987, S. 46 mit Verweis auf BVerfGE 66, S. 214ff. (223f.). 348 Vgl. Sauren, FR 1987, S. 46 mit Verweis auf BVerfGE 34, S. 103 ff. (115). 349 Sauren, FR 1987, S. 46. 350 Vgl. Sauren, FR 1987, S. 46 mit Verweis auf BT-Drucksache IX/2074, S. 62ff. 351 Jetzt § 15 Abs. 4 EStG. 352 Vgl. BT-Drucksache VI/1934 S. 2 (Gesetzesentwurf der CDU/CSU-Fraktion), BT-Drucksache VI/2350 (Vorblatt Nr. A.3. u. B.3.) u. Schriftlicher Bericht zu VI/2350, S. 3 f.; vgl. auch BFH BStBl. II 1981, S. 359ff. (362) u. FG Münster in: EFG 1981, S. 244f. (244), wobei Gegenstand der Verfahren § 2a EStG a.F., jetziger § 15 Abs. IV EStG war. 353 Vgl. Sauren, FR 1987, S. 46. 345
12 Wilk
178 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
Ort der Verlustentstehung ab. Ihre Rechtfertigung liege darin, „daß es entweder sonst unerwünschte Spekulationen einzelner zu Lasten des Steuerzahlers geben würde bzw. einzelne unter Ausnutzung gelegentlicher Vermittlungen private Kosten zu Lasten der anderen Einkünfte verrechnen könnten. Solche einleuchtenden Rechtfertigungsgründe vermag man in Hinsicht auf § 2a EStG hinsichtlich »normaler4 Auslandstätigkeiten nicht zu erkennen." 354 Auch sei die Grenze verfassungsrechtlich zulässiger Typisierung 355 überschritten, da § 2a Abs. 1 EStG alle Auslandsverluste, ohne Rücksicht ob Steuersparmodell oder „normale" Auslandsverluste, erfasse. So hat das BVerfG entschieden, daß ein Steuergesetz, „das durch eine besonders weite Fassung des typisierten Sachverhalts äußerlich eine ungleiche Behandlung vermeidet, (sich praktisch dahin auswirkt), daß ganze Gruppen von Steuerpflichtigen wesentlich stärker belastet sind als andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage geraten" 356, verfassungswidrig sein kann, wenn die „ungleichen Folgen in einem Mißverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen stehen"357. Die von „normalen" Auslandsverlusten betroffene Gruppe sei daher in eine „empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage geraten" 358, die nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht zulässig sei. Ein „globaler Ausschluß ohne Differenzierung" 359 lasse eine Rechtfertigung für einen Verlustausschluß vermissen. Letztlich sei die Begründung des FG Rheinland-Pfalz, wonach Auslandsinvestitionen in weiten Kreisen der Bevölkerung als steuerpolitisches Ärgernis empfunden werden 360, kein geeigneter Maßstab zur Bestimmung der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift 361. Unter dem Aspekt der Lenkungszwecksteuer bezweifelt auch Friauf die Verfassungsmäßigkeit. Eine Steuer sei in diesem Fall nur dann verfassungskonform, wenn sich die Steuer an den durch die Lenkungszwecke vorgezeichneten Kriterien orientiere 362. Für die Prüfung des Art. 3 GG habe dies zur Folge, daß „von den gesetzgeberischen Lenkungszwecken auszugehen (sei), deren grundsätzliche Tragfähigkeit dabei vorausgesetzt wird" 3 6 3 . Die gesetzliche Rechtfertigung der Vorschrift, die in der Reaktion auf Fehlent354 355 356 357 358 359 360 361 362 363
Sauren, FR 1987, S. 46. Vgl. BVerfGE 13, S. 331 ff. (341) u. BVerfGE 21, S. 12ff. (27f.). BVerfGE 21, S. 12 ff. (27). BVerfGE 21, S. 12ff. (27 f.). Sauren, FR 1987, S. 46 f. (47). Sauren, FR 1987, S. 46f. (47). Vgl. FG Rheinland-Pfalz in: EFG 1986, S. 408 f. (408). Vgl. Sauren, FR 1987, S. 46 f. (47). Vgl. Friauf, StuW 1985, S. 315. Friauf, StuW 1985, S. 316.
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
179
Wicklungen in der sog. Abschreibungsbranche besteht, stehe dem nicht entgegen. Das Problem der ausreichenden sachlichen Rechtfertigung liege aber darin, ob der Gesetzgeber pauschal, ohne nähere Konkretisierung, verlustbringende Auslandsinvestitionen erfassen durfte. Daher werfe es Bedenken auf, wenn der Gesetzgeber allein in der Tatsache der ausländischen Betätigung den Anknüpfungspunkt sucht 364 : „Der Gesetzgeber einer weltoffenen Handels- und Industrienation, die einen erheblichen Teil ihres Sozialprodukts »draußen4 erwirtschaftet, wird auch nicht ernsthaft davon ausgehen können, daß es sich bei den von § 2a Abs. 1 Nr. 1-4 EStG erfaßten Investitionen stets oder auch nur im Regelfall um volkswirtschaftlich nicht sinnvolle Verwendungszwecke4 handle.44365 Daß damit ein Großteil des Anwendungsbereichs keine Grundlage besitzt, lasse sich, so Friauf\ auch nicht mit der Typisierung von Massenerscheinungen rechtfertigen 366. Die verschärfte Steuerlast bei hohen ausländischen Verlusten treffe nicht nur in einzelnen, besonders gelagerten Fällen zu, sondern belaste „die Vielzahl von Steuerpflichtigen, die in redlicher Weise und ohne Steuersparabsicht jenseits der Landesgrenzen am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen44367, insbesondere weil zusätzlich „eine Grundregel des deutschen Einkommensteuerrechts außer Anwendung gesetzt wird 44368 . 5. Stellungnahme Nach Horlemann ist, unter Berücksichtigung von Art. 3 GG, dem Hinweis auf den Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nur noch geringe Erfolgsaussichten einzuräumen, „weil sich das Einkommensteuergesetz schon seit langem nicht mehr nur an der Leistungsfähigkeit orientiert, sondern auch eine Vielzahl von Subventions- und Wirtschaftslenkungsfunktionen zu erfüllen hat 44369 . Die Diskussion um die sachliche Rechtfertigung der Vorschrift läßt sich, wie der bisherige Meinungsstand zeigt, auf ein Grundproblem reduzieren. Die Bekämpfung von Verlustzuweisungsmodellen wird als verfassungsrechtlich zulässige Rechtfertigung für das Verrechnungsverbot gehalten. Der Kern der Diskussion liegt darin, ob der Gesetzgeber dieses Ziel mittels einer groben Typisierung erreichen durfte, indem er auch den Investor ohne 364 365 366 367 368 369
12"
Vgl. Friauf, StuW 1985, S. 317. Friauf, StuW 1985, S. 317. Vgl. Friauf, StuW 1985, S. 317. Friauf, StuW 1985, S. 318. Friauf, StuW 1985, S. 318 mit Verweis auf Vogel, BB 1983, S. 184. Horlemann, DStZ 1983, S. 342.
180 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslands Verlusten
Steuersparabsicht erfaßt und ganz pauschal von aus deutscher Sicht unerwünschten Investitionen spricht. Für den redlichen Investor ist die Verlustverrechnung eine Folge des in Art. 3 GG wurzelnden Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit 370. Eine Lösungsmöglichkeit bietet sich durch den von Loritz/Wagner bereits im Rahmen der Verhältnismäßigkeit aufgezeigten Weg an. Da bereits Änderungen in der Gesetzgebung (insbesondere durch die Einführung des § 15 a EStG) und der Rechtsprechung (Gewinnerzielungsabsicht) zu einem weitgehenden Ausschluß der Verlustzuweisungsmodelle geführt haben, trifft § 2a Abs. 1 EStG vornehmlich eben den redlichen Investor. In diesem Zusammenhang kommt der von Sauren 371 erwähnten Rechtsprechung des BVerfG zur Grenze der Zulässigkeit einer Typisierung 372 besondere Bedeutung zu. Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu erlassen 373. Dies ist notwendige Folge der Kompetenz zum Erlaß abstrakt-genereller Vorschriften und rechtfertigt Ungleichbehandlungen aus Gründen der Praktikabilität und dem Gedanken der Rechtssicherheit374. Das BVerfG setzt der Gestaltungsfreiheit zur Typisierung allerdings insoweit Grenzen, als die durch sie eintretenden Härten oder Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht sehr intensiv ist 3 7 5 . Ungleichbehandlungen sind daher grundsätzlich nur in geringfügigen oder besonders liegenden Fällen möglich 376 . Diese Beschränkungen der Typisierung wendet das BVerfG auch im Steuerrecht an und gestattet dem Gesetzgeber, daß er „nicht um die Gleichbehandlung aller denkbaren Einzelfälle besorgt zu sein" 377 braucht. Er darf sich grundsätzlich am „Regelfall" 378 orientieren. Die steuerliche Typisierung setzt aber wie in jedem anderen Rechtsgebiet voraus, daß wiederum „die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische 370 Ygi Vogel BB 1983, S. 182; Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Anm. 4. 371 Vgl. Sauren, FR 1987, S. 46. 372 Vgl. BVerfGE 21, S. 12ff. (27f.). 373 Vgl. BVerfGE 87, S. 234 ff. (255); 89, S. 15 ff. (24). 374 Vgl. Dreier/Heun, Art. 3 Rdnr. 31. 375 Vgl. BVerfGE 63, S. 113 ff. (128); 82, S. 126ff. (152). 376 Vgl. BVerfGE 82, S. 60ff. (102). 377 BVerfGE 84, S. 348 ff. (359). 378 BVerfGE 96, S. 1 ff. (6).
Β. Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG
181
Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht." 379 Zu berücksichtigen ist nach der Rechtsprechung des BVerfG ferner, daß Steuergesetze „einen besonders empfindlichen Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre der Steuerpflichtigen enthalten, (so daß) sie dem Gedanken einer möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen besonders sorgfältig Rechnung tragen" 380 müssen. Gesetzliche Verallgemeinerungen müssen auf eine „möglichst weite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen" 381. Letztlich bedeutet dies in Anlehnung an Heun nichts anderes, als eine Abwägung zwischen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit einerseits und den durch die Ungleichbehandlungen bewirkten Beeinträchtigungen andererseits vorzunehmen382. Die Ungleichbehandlung besteht durch § 2a Abs. 1, 2 EStG zwischen inund ausländischen Investoren und zwischen den ausländischen Investitionen, die unter § 2a Abs. 1, 2 EStG fallen und denen, für die die Verrechnungsbeschränkung nicht eingreift. Allein durch die Einführung des § 15 a EStG und die Rechtsprechung des BFH zur Gewinnerzielungsabsicht, kommt es zur praktischen Ausschaltung der Verlustzuweisungsmodelle und Abschreibungsgesellschaften. Tatsächlich betroffen sind daher die Investoren, die ohne Steuersparabsicht Auslandsinvestitionen tätigen. Für die Verlustzuweisungsbranche hat § 2a Abs. 1 EStG keine besondere Bedeutung mehr. Die Härten für redliche Investoren sind dagegen sehr hoch. Zwar hat der Gesetzgeber seit dem VZ 1992 eine unbefristete Verrechnungsmöglichkeit in den § 2a Abs. 1 S. 3 EStG eingebaut. Dadurch wird die Ungleichbehandlung zu insbesondere inländischen Investitionen im Verlustjahr jedoch nicht beseitigt. Des weiteren scheidet eine Verlustverrechnung dauerhaft aus, wenn der Betrieb, trotz Gewinnerzielungsabsicht, für eine gewisse Dauer keine Gewinne erwirtschaftet und daher beispielsweise eingestellt werden muß. Diese Nachteile gegenüber dem redlichen Investor stehen in keinem Verhältnis zu der mit der Regelung vornehmlich beabsichtigten Ausschaltung der Abschreibungsbranche und der aus deutscher Sicht volkswirtschaftlich unerwünschten Investitionen. Zu der Begründung der Verhinderung volkswirtschaftlich unerwünschter Investitionen steht im übrigen im Widerspruch, daß der Gesetzgeber uneingeschränkt positive Einkünfte weiterhin besteuert 383.
379 380 381 382
BVerfGE 84, S. 348 ff. (360). BVerfGE 21, S. 12 ff. (27). BVerfGE 96, S. Iff. (6). Vgl. Dreier/Heun, Art. 3 Rdnr. 31.
182 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
Sicherlich ist es richtig, wenn dem Gesetzgeber im wirtschaftlichen Bereich ein weiter Handlungsspielraum eingeräumt wird. Eine Regelung, die an zentraler Stelle in die Systematik des Steuerrechts eingreift, läßt sich jedoch mit einer allgemein gehaltenen Begründung nicht rechtfertigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie es Bopp384 und Vogel 385 dargelegt haben, die vorgenommene Typisierung nicht schlüssig ist 3 8 6 . Unter diesem Aspekt ist nach der durch das BVerfG postulierten Grenze zulässiger Typisierung und Vereinfachung eine recht große Zahl von Steuerpflichtigen betroffen, für die Verluste eine tatsächliche Minderung der Leistungsfähigkeit darstellen. Der weite Handlungsspielraum des Gesetzgebers darf nicht dazu führen, daß unter Mißachtung des Gleichheitssatzes das BVerfG den Gesetzgeber völlig „aus der Disziplin (entläßt), Steuergesetze aufgrund einer einheitlichen systematischen Konzeption möglichst frei von Wertungswidersprüchen zu schaffen" 387. Eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Vergleichsmaßstab für Art. 3 GG ist folglich nur in Ausnahmefällen möglich 388 , da letztlich, wie es das BVerfG selbst feststellt, die Besteuerung einen besonders empfindlichen Eingriff in die Vermögenssphäre des Bürgers darstellt 389. Beschränkt man Abweichungen des Leistungsfähigkeitsprinzips auf Ausnahmefälle, so lassen diese sich nicht mit pauschalen Erwägungen zum Schutz der deutschen Volkswirtschaft rechtfertigen. Auf diese Weise wäre es dem Gesetzgeber möglich, jede Tätigkeit mit Auslandsbezug zu behindern. Einer Tätigkeit, die ausschließlich zu Steuersparzwecken unternommen wird, fehlt ohnehin schon die Einkünfteerzielungsabsicht. Auch der Aspekt der Gleichstellung der Anrechnungs- mit der Freistellungsmethode wird durch § 2a Abs. 1, 2 EStG nach Probst nicht konsequent umgesetzt, da nur bestimmte Tätigkeiten erfaßt werden und die Verlustberücksichtigung lediglich eingeschränkt wird 390 . § 2a Abs. 1, 2 EStG ist wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig. 383 vgl. Probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 2a Rdnr. 11 mit Verweis auf BFH BStBl. II 1991, S. 704ff. (709). 384 Vgl. Bopp in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a Anm. 4. 385 Vgl. Vogel, BB 1983, S. 187. 386 V g l weigell, S. 177 f. 387
Vgl. Schaumburg, S. 80. Vgl. Schaumburg, S. 81 m.w.N. 389 Vgl. BVerfGE 21, S. 12 ff. (27). 390 Ygi probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 2a Rdnr. 11.; entgegen Probst steht jedoch die Auswirkung des § 2a Abs. 1, 2 EStG auf den negativen Progressionsvorbehalt dem Gleichstellungsgedanken nicht entgegen, da auch bei der Anrechnungsmethode über § 2a Abs. 1, 2 EStG das zu versteuernde Einkommen als Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer erhöht wird. 388
C. Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung
183
IV. Zusammenfassung § 2a Abs. 1, 2 EStG ist verfassungswidrig, da die Grenze zulässiger Typisierung überschritten wird. Die Vorschrift, mit der primär Verlustzuweisungsmodelle behindert werden sollten, wirkt sich objektiv auf den redlichen Investor aus. Zwar ist diese Wirkung noch von der allgemein gehaltenen Gesetzesbegründung gedeckt. Die durch die gesetzgeberische Intention vorgenommene Typisierung steht jedoch nicht mehr in einem zulässigen Verhältnis zu der Ungleichbehandlung zwischen in- und ausländischem Steuerpflichtigen und unterschiedlichen Auslandsinvestitionen.
C. Verfassungsmäßigkeit der Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung Unbeschränkt Steuerpflichtige werden in Deutschland mit ihrem Welteinkommen besteuert 391, das sowohl die inländischen als auch die ausländischen Einkünfte erfaßt 392. Damit wird im deutschen Rechtssystem das Leistungsfähigkeitsprinzip dadurch realisiert, daß die Besteuerung auf alle Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG, ungeachtet der Belegenheit der Einkunftsquelle, erstreckt wird 393 . Die sachliche Rechtfertigung der Welteinkommensbesteuerung liegt in der Gleichbehandlung von Einkünften. Derjenige, der sowohl im Inland als auch im Ausland Einkünfte erzielt, soll im Verhältnis zu demjenigen, der nur im Inland tätig ist, nicht unterschiedlich behandelt werden. Beziehen beide Steuerpflichtige gleich hohe Einkünfte, so gebietet es der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, daß beide in gleicher Weise steuerlich belastet werden. Die Besteuerung nach dem Welteinkommen „folgt aus dem Prinzip, eine Person in ihrem individuellen, nicht verwendungsgebundenen Gesamtzuwachs an Einkommen zu besteuern" 394. Konsequenterweise ist das Welteinkommenssystem im deutschen Steuerrecht Ausfluß des Leistungsfähigkeitsprinzips und der Belastungsgleichheit. Insoweit sind Durchbrechungen dieses Systems, wie bereits festgestellt, an Art. 3 GG zu messen.
391
Vgl. Schmidt/Seeger, § 2 Rdnr. 4; Blümich/Ehmke, § 1 Rdnr. 1. Vgl. Frotscher, § 1 Rdnr. 25. 393 Demgegenüber ist Strukturmerkmal der beschränkten Steuerpflicht das Territorialprinzip. 394 Kirchhof in: Kirchhof/Söhn, § 2 Anm. A 145. 392
184 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
Wenn der deutsche Gesetzgeber das Welteinkommen der Einkommensbesteuerung zugrundelegt, so stellen Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eine aus dem Prinzip der Leistungsfähigkeit folgende notwendige Konsequenz dar, eine nicht gerechtfertigte Überbelastung zu verhindern 395 . Die uni- und bilateralen Vorschriften sind daher unter dem Aspekt der Leistungsfähigkeit notwendiges Gegenstück zur Besteuerung des Welteinkommens. Diesem Gebot kommt der deutsche Gesetzgeber im Einkommensteuerrecht durch den Abschluß von DBA und durch § 34 c EStG nach. Falls auf diese Weise die Doppelbesteuerung nicht vermieden wird, so kann nach der Rechtsprechung möglicherweise ein Billigkeitserlaß durch die Exekutive nach §§ 163, 227 AO in Betracht kommen396.
I. Verfassungsmäßigkeit der Anrechnungsmethode Für den Bereich der Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten spielt die Anrechnungsmethode dann eine Rolle, wenn mit dem Quellenstaat kein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen wurde. Im übrigen verfahren alle deutschen DBA für Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten nach der Freistellungsmethode397. Im Bereich der negativen Einkünfte ist die Anrechnung ausländischer Steuern dann anwendbar, wenn neben den Verlusten auch positive Einkünfte aus demselben Staat vorliegen, so daß sich insgesamt aus deutscher Sicht ein positiver Saldo ergibt, auf dem auch tatsächlich ausländische Steuern im Sinne des § 34 c Abs. 1 EStG lasten. Liegen nur Verluste vor, so entfallen aus deutscher Sicht darauf keine ausländischen Steuern. 1· Die grundsätzliche Anwendung der Anrechnungsmethode Der Idee nach bewirkt die Anrechnungsmethode, daß die Gesamtsteuerbelastung mit inländischen und ausländischen Steuern auf das Niveau gesetzt wird, das der Besteuerung nach deutschem Recht entspricht. Folge der Anrechnung ist, daß der international tätige Steuerpflichtige mit dem ausschließlich innerstaatlich tätigen Steuerpflichtigen gleich behandelt wird („Steuergleichheit am Wohnsitz"398). Damit entfaltet die Anrechnungsme395
Vgl. BT-Drucksache VIII/3648, S. 19. Vgl. BVerfGE 43, S. Iff. (12); BFH BStBl. II 1973, S. 271 fff. (272f.); BFH BStBl. II 1987, S. 682ff. (681); BFH BStBl. II 1990, S. 701 ff. (704). 397 Vgl. die Abkommensübersicht in: Vogel, DBA, Art. 7 Rdnr. 37 (Besteuerung der Betriebsstätte im Betriebsstättenstaat). 398 Mössner in: Vogel, DStJG, S. 160. 396
C. Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung
185
thode grundsätzlich eine kapitalexportneutrale Wirkung gegenüber dem ausschließlich innerstaatlich tätigen Steuerpflichtigen 399. Diese Gleichbehandlung von In- und Auslandstätigkeit ist mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem Kriterium der Belastungsgleichheit vereinbar. Wenn das BVerfG aus Art. 3 GG den Grundsatz der Steuergerechtigkeit herleitet und daraus folgert, daß, da Steuergesetze einen empfindlichen Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre enthalten, steuerliche Vorschriften dem Gedanken einer möglichst gleichmäßigen Belastung der Steuerpflichtigen in besonderem Maße Rechnung tragen müssen400, so wird diese Idee durch die Anrechnungsmethode zunächst idealtypisch verwirklicht. Sie gewährleistet dem Grunde nach die gleichmäßige Belastung aller Steuerpflichtigen. § 34 c EStG ist damit als „kollisionsauflösende Norm die logische Folge der durch die Besteuerung des Welteinkommens auf Doppelbesteuerung ausgerichteten und damit kollisionsbegründenden §§ 1 Abs. 1 bis 3, 2 Abs. 1 EStG" 401 . Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die Anrechnungsmethode zu verschiedenen Folgewirkungen führt. Unter dem Gesichtspunkt der Steuerflucht bewirkt sie, daß eine Belastung auf deutschem Steuerniveau hergestellt wird. Dies mag aus deutscher Sicht als vorteilhaft angesehen werden. Demgegenüber ist die Methode aus der Sicht der Entwicklungsländer, die möglicherweise durch Steuerermäßigungen ausländische Investoren anreizen wollen, eher unerwünscht. Insoweit kommen nämlich die Steuerermäßigungen nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dem deutschen Fiskus zugute402. Damit wird der Anreiz des ausländischen Staates gerade zunichte gemacht403. Diese Aspekte berühren aber den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht, sondern sind nur wirtschaftspolitisch erwünschte oder unerwünschte Nebeneffekte der Anrechnungsmethode. 399
400 V 401
Vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 40. g l BVerfGE 35, S. 324ff. (335) m.w.N.
Schaumburg, S. 621. Vgl. Blümich/Krabbe, § 34c Rdnr. 10. 403 Aus diesem Grund enthalten eine Vielzahl deutscher Abkommen, insbesondere mit Entwicklungsländern, eine modifizierte („fiktive") Anrechnung. Beim „tax sparing credit" wird die Steuer angerechnet, die erhoben worden wäre, wenn der Quellenstaat keine Steuerermäßigungen gewähren würde, während beim „matching credit" sich die anzurechnende Steuer nach einem Prozentsatz von den Bruttoeinnahmen bemißt (vgl. hierzu umfassend Jacobs, S. 215 ff.). Der deutschen unilateralen Regelung des § 34 c Abs. 1 EStG ist jedoch eine Anrechnung fiktiver Steuern fremd, so daß nur die Möglichkeit des Erlasses oder der Pauschalierung nach § 34 c Abs. 5 EStG verbleibt (vgl. Hellwig in: Littmann/Bitz/Hellwig, § 34c Rdnr. 19). 402
186 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
Mit dem Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit kollidieren aber einige besondere Ausgestaltungen der Anrechnungsmethode nach deutschem Recht. 2. Die Beschränkung auf den Anrechnungshöchstbetrag Zunächst bestehen Schwierigkeiten im Hinblick auf den Anrechnungshöchstbetrag. Übersteigt das ausländische das inländische Steuerniveau, so führt dies dazu, daß die ausländische Steuer nicht vollständig angerechnet werden kann. Nur eine unbegrenzte Steueranrechnung (sog. „füll credit") würde aber zu einer Ausschaltung der Doppelbesteuerung führen 404. Damit wird in dieser Konstellation der international tätige Steuerpflichtige schlechter behandelt als derjenige, der ausschließlich im Inland investiert, denn seine Gesamtsteuerbelastung ist höher. Unter Berücksichtigung des Welteinkommensprinzips liegt ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vor, da das dem Welteinkommensprinzip zugrundeliegende weltweite Leistungsfähigkeitsprinzip „nur einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen realisiert" 405 wird. Eine konsequente Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips müßte hier zu einer Steuererstattung führen. Fraglich ist, ob dieser Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtfertigt werden kann. Die Anrechnungsmethode, die eine Steuerbelastung auf inländischem Niveau herstellen will, ist einschließlich der Anwendung des Anrechnungshöchstbetrages eine Fiskalzwecknorm, da wirtschaftliche Lenkungszwecke nicht verfolgt werden. Damit ist bezüglich Art. 3 GG - wie bei jeder anderen Fiskalzwecknorm - Prüfungsmaßstab die eintretende Belastungswirkung in Relation zur Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen 406. Die Probleme einer Rechtfertigung der Beschränkung der Anrechnung hat Flick herausgearbeitet. So würde eine über den Anrechnungshöchstbetrag hinausgehende Anrechnung die inländische Steuerbelastung des Steuerpflichtigen so vermindern, „daß zunächst die progressionssteigernde Wirkung der ausländischen Einkünfte auf die Besteuerung der inländischen Einkünfte wegfiele (erst in diesem Zeitpunkt wäre die technische Doppelbesteuerung beseitigt)"407. Des weiteren käme es aber auch zu einer Minderung der auf den inländischen Einkünften ohne Berücksichtigung der aus404
Vgl. Lornsen, S. 97. Schaumburg in FS für K. Tipke, S. 148. 406 Vgl. Friauf, S. 315. 407 Flick, FinArch 21, S. 113; vgl. Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34 c Rdnr. 91. 405
C. Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung
187
ländischen Einkünfte entfallenden Steuer, so daß eine echte Minderbesteuerung des inländischen Einkommens eintreten würde, „die keinem Staate mehr zugemutet werden kann" 408 . Durch die Beschränkung der Anrechnung ausländischer Steuern schützt sich daher der deutsche Fiskus vor Nachteilen, wenn die anzurechnende Steuer des Quellenstaates höher als seine eigene ist 4 0 9 . Jede andere Auslegung würde dazu führen, „daß der deutsche Fiskus in verschiedenen Fällen mehr herauszahlen müßte, als er selbst eingenommen hat, praktisch also ausländische Steuern erstatten würde" 410 . Die Durchbrechung der Leistungsfähigkeit könnte sich daher durch das Kriterium des staatlichen Finanzbedarfs rechtfertigen lassen. Ob dies als ausreichende sachliche Rechtfertigung haltbar ist, dürfte jedoch äußerst fraglich sein. Auf diese Weise wäre jede Abweichung vom Steuersystem möglich 411 und es wird kein Bezug zur entscheidenden Frage des Verhältnisses der Belastungswirkung zur Leistungsfähigkeit des Betroffenen hergestellt. Die Verfassungswidrigkeit von systemfremden Lenkungsvorschriften läßt sich grundsätzlich dadurch vermeiden, daß ein anderes sachgerechtes Prinzip, etwa das Sozialstaats- oder das Praktikabilitätsprinzip 412 eine Rechtfertigung bildet. Fiskalische Zwecke reichen aber selbst bei Lenkungsvorschriften nicht aus. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der „Finanzbedarf des Staates (...) niemals geeignet, eine verfassungswidrige Steuer zu rechtfertigen" 413. Nichts anderes kann deshalb bei reinen Fiskalzwecknormen gelten, die viel strenger als Lenkungsvorschriften an das Leistungsfähigkeitsprinzip gebunden sind. Es liegt nahe, in dieser Konstellation an eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO zu denken. Auf diese Weise wäre es möglich, dem Leistungsfähigkeitsprinzip annähernd Geltung zu verschaffen. Diesem Gedanken hat der BFH eine Absage erteilt 414 . Er stellt fest, daß immer dann, wenn keine vollständige Anrechnung möglich ist, sei es, daß 408 Rick, FinArch 21, S. 113; vgl. Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34 c Rdnr. 91. 409 Vgl. Hildesheim in: Hartmann/Nissen/Böttcher/Bordewin, § 34c Rdnr. 7. 410 Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 34c Rdnr. 95. 411 Zutreffend Schnitter, S. 58. 412 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, S. 356. 4,3 BVerfGE 6, S. 55 ff. (80); vgl. auch BVerfGE 19, S. 76ff. (80): Auch im Beamtenrecht stellen ausschließlich fiskalische Erwägungen keine sachliche Rechtfertigung dar. 414 Vgl. BFH BStBl. II 1973, S. 271 ff.
188 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandserlusten
die ausländische Steuer höher als die deutsche Steuer ist, oder aus deutscher Sicht im Verlustfall keine ausländischen Einkünfte vorliegen, die für die Bemessungsgrundlage relevant sind, eine Berücksichtigung ausländischer Steuern auch im Wege eines Billigkeitserlasses ausscheidet. Zur Begründung führt er an, daß die Anrechnungsmethode nicht stets zum vollständigen Ausschluß, sondern meist nur zu einer Milderung der Doppelbesteuerung führe 415 . Der BFH lehnte sich in dem Verfahren ausdrücklich an die Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen an, das in dem Verfahren vorgetragen hatte 416 , daß durch den Anrechnungshöchstbetrag lediglich erreicht werden solle, daß sich die Anrechnung in der Beseitigung der Doppelbesteuerung erschöpfe, nicht aber darüber hinaus extrem hohe Steuerbelastungen in ausländischen Staaten honoriert werden sollten 417 . Im Ergebnis rechtfertigt sich eine Billigkeitsmaßnahme dann nicht, wenn dies der gesetzlichen Regelung und den Wertvorstellungen des Gesetzgebers widerspricht. Zur Minderung der Doppelbesteuerung wurde im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat vorgeschlagen, für die Anrechnung die anteiligen Bruttoeinnahmen in Relation zum Gesamtbetrag der Einkünfte anzusetzen418. Mit dieser Vorgehensweise wird aber nur der Anrechnungshöchsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen modifiziert, das grundlegende Problem der auf der Existenz des Anrechnungshöchstbetrages beruhenden eingeschränkten Anrechnung aber nicht gelöst. Schaumburg schlägt zutreffend als „Minimalprogramm einer an der weltweiten Leistungsfähigkeit (Gesamtleistungsfähigkeit) ausgerichteten Besteuerung"419 vor, die den Anrechnungshöchstbetrag übersteigenden Steuern durch einen Anrechnungsvor- oder -rücktrag zu berücksichtigen 420. In diesem Zusammenhang weist Feuerbäum darauf hin, daß gerade im anglo-amerikanischen Rechtskreis, aus dem die Anrechnungsmethode stammt, ein Vor- oder Rücktrag möglich ist und gegebenenfalls für verbleibende Reste ein Betriebsausgabenabzug in Betracht kommt 421 . Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß der Finanzbedarf des Staates die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht rechtfertigt. Die Beschränkung der Anrechnung ausländischer Steuern auf den Anrechnungshöchstbetrag ist verfassungswidrig. Solange das deutsche Ein415 416 417 418
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
BFH BStBl. II 1973, S. 271 ff. (273). § 122 Abs. 2 S. 1 FGO. BFH BStBl. II 1973, S. 271 ff. (272). Stellungsnahme des Bundesrates in: BT-Drucksache VIII/3648, S. 32 ff.
(32).
419 420 421
Schaumburg in FS für K. Tipke, S. 148. Vgl. Schaumburg in FS für K. Tipke, S. 148. Vgl. Feuerbaum, StbJb 1982/83, S. 134.
C. Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung
189
kommensteuerrecht am Welteinkommensprinzip zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit festhält, läßt sich nur durch die Einführung eines Vor- oder Rücktrages nicht anrechenbarer Steuern ein verfassungskonformer Ausgleich zwischen den zumutbaren Fiskalinteressen und dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit herstellen.
3. Die Anwendung der „per-country-limitation" Eine weitere Durchbrechung des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit findet durch die „per-country-limitation" statt 422 . Eine konsequente Verwirklichung des Grundsatzes der leistungsfähigkeitsorientierten Besteuerung verlangt, daß es im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu einer globalen Anrechnung („over-all-limitation") als geeignetes Pendant zum Welteinkommensprinzip kommt 423 . Das Leistungsfähigkeitsprinzip läßt keine nach der Belegenheit der Quelle der Einkünfte orientierte Anrechnung zu 4 2 4 . Auch in diesem Zusammenhang läßt sich mit Ausnahme des Finanzbedarfs des Staates keine ausreichende sachliche Rechtfertigung finden. Nach Schaumburg führt die „gesetzliche Verankerung des Anrechnungshöchstbetrages zu einem Systembruch" 425, der „durch die per-country-limitation noch verschärft" 426 werde. Auch Feuerbaum greift diesen Aspekt auf und weist darauf hin, daß der Anrechnungsmethode des anglo-amerikanischen Rechtskreises eine „over-all-limitation" zugrunde liegt. Im übrigen ist für die Fälle, in denen keine vollständige Anrechnung in Betracht kommt, die Möglichkeit des Steuerabzuges nach § 34 Abs. 2 EStG eröffnet. Nach der Intention der Vorschrift sollen Mängel des Anrechnungsverfahrens ausgeglichen werden 427, so daß es „qualitativ abgestuft zur Behebung oder Milderung der Doppelbesteuerung"428 kommt. Dabei ist aber auch zu beachten, daß nicht der nichtanrechenbare Teil der ausländischen Steuer abgezogen, sondern nur insgesamt einheitlich ein Steuerabzug gewählt werden kann.
422
Zu Nachweisen vgl. Schaumburg S. 652 Rdnr. 143. Vgl. Lornsen, S. 118 m.w.N. 424 Vgl. Schnitter, S. 58. 425 Schaumburg, S. 652. 426 Ebd. unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die deutsche Wirtschaft in einen Wettbewerbsnachteil gerät, da wichtige Konkurrenzländer eine over-all-limitation gewähren (m. w. N.). 427 Vgl. BT-Drucksache VIII/3648, S. 19 f. 428 BT-Drucksache VIII/3648, S. 19f. (20). 423
190 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandsverlusten
Auch der Steuerabzug steht jedoch nicht im Einklang mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip, da es nur zu einer Milderung der Doppelbesteuerung, nicht aber zu deren vollständiger Beseitigung kommt 429 . 4. Besonderheiten bei negativen Einkünften Werden in der ausländischen Betriebsstätte nur Verluste erwirtschaftet und liegen keine sonstigen Einkünfte vor, so ergeben sich aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Besonderheiten. Das Welteinkommen wird, sofern nicht § 2a Abs. 1, 2 EStG eingreift, in gleicher Weise gemindert wie bei inländischen Verlusten. Ein ausländischer Verlust, der nicht in den Anwendungsbereich des § 2a Abs. 1, 2 EStG fällt, wirkt sich damit in vollem Umfang progressionsmindernd aus 430 . Die Anrechnungsmethode gewährt daher einen vollständigen Verlustausgleich. Aus dem Blickwinkel der Leistungsfähigkeit ist dies sachgerecht ist. In derartigen Verlustfällen ist die Anrechnungsmethode folglich günstiger als die Freistellungsmethode, da sie die Berücksichtigung von Verlusten nicht von vornherein ausschließt431. 5. Zusammenfassung Im Ergebnis kann festgestellt werden, daß die Anrechnungsmethode grundsätzlich der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der aus Art. 3 GG folgenden Belastungsgleichheit entspricht. Ausnahmen bestehen nur hinsichtlich der Beschränkung der Anrechnung auf den Höchstbetrag und der Anwendung der „per-country-limitation".
II. Verfassungsmäßigkeit der Freistellungsmethode Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH erfaßt die Freistellungsmethode nicht nur positive Einkünfte, sondern auch negative. Fallen die ausländischen Einkünfte unter § 2a Abs. 1, 2 EStG, so geht die Freistellung ins Leere, da schon nach deutschem Recht keine für die Bemessungsgrundlage relevanten Einkünfte vorliegen. In den deutschen DBA wird für Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten regelmäßig eine Freistellung vereinbart. Eine nationale Sonderregelung 429
Vgl. Schnitter, S. 61. 430 Vg L Flick/Wassermeyer/Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Becker, Rdnr. 91. 431 Vgl. Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Art. 23 Rdnr. 3.
§ 34c
C. Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung
191
fand sich bis zum VZ 1998 in § 2a Abs. 3 EStG, wonach bei aktiv-gewerblichen Tätigkeiten ein Verlustausgleich mit Nachversteuerung möglich war. Die Freistellungsmethode bewirkt die „Wettbewerbsgleichheit unter den Investoren verschiedener Länder im Quellenstaat"432. Aus systematischer Sicht durchbricht sie den Grundsatz der Besteuerung nach dem Welteinkommen. Die Freistellungsmethode realisiert das Territorialprinzip und steht damit im Widerspruch zum Welteinkommensprinzip433. Sie führt zwangsläufig dazu, daß zwischen in- und ausländischer Leistungsfähigkeit zu unterscheiden ist 4 3 4 . Eine derartige Aufteilung der Leistungsfähigkeit bedarf einer sachlichen Rechtfertigung. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß im Gegensatz zu der Anrechnungsmethode, die fiskalischen Zwecken dient, die Freistellung eher als Lenkungsnorm zu charakterisieren ist. Aus steuerpolitischer Sicht spricht für die Anwendung der Freistellungsmethode insbesondere die steuerliche Wettberwerbsneutralität im Quellenstaat und die Förderung von Direktinvestitionen im Ausland 435. Die Aufteilung in eine in- und ausländische Leistungsfähigkeit läßt sich durch diese Gründe sachlich rechtfertigen. Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im Ausland verlangt eine Gleichbehandlung dort ansässiger Unternehmen436. Im übrigen wurde bisher die Zerlegung der Leistungsfähigkeit in territoriale Komponenten durch die Abzugsmöglichkeit nach § 2a Abs. 3 EStG wieder hergestellt 437 . Die Freistellung ausländischer Betriebsstätteneinkünfte wird allerdings durch den Progressionsvorbehalt bezüglich der inländischen und nicht befreiten Einkünfte eingeschränkt. Darin ist kein Verstoß gegen die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu sehen. Vielmehr wird auf diese Weise dem Leistungsfähigkeitsprinzip für die inländischen Einkünfte Geltung verschafft. Die Zielsetzug der Freistellung beschränkt sich auf die Steuerbefreiung der ausländischen Einkünfte, ohne daß im übrigen weitergehende Steuerermäßigungen geschaffen werden 438. Der Progressionsvorbehalt bezweckt die Vermeidung des Progressionsvorteils 439, wenn der Steuer432
Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 40. Vgl. Lornsen, S. 44; Schaumburg, S. 606. 434 Vgl. Schnitter, S. 63. 435 Vgl. die Übersicht von Grotherr in: Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, Art. 23 Rdnr. 34. 436 Vgl. Schaumburg, S. 607. 437 Vgl. Mössner in: Wassermeyer, DStJG, S. 253. 438 Vgl. Blümich/Krabbe, § 34c Rdnr. 10. 439 Vgl. Probst in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 32b Rdnr. 7. 433
192 2. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Behandlung von Auslandsverlusten
Pflichtige seine Einkunftsquellen auf verschiedene Staaten verteilt. Daher stellt er hinsichtlich inländischer Erträge die sachgerechte Umsetzung des Gleichheitssatzes440 und damit des Leistungsfähigkeitsgrundsatzes 441 dar. Nach der zutreffenden Ansicht des BFH bezweckt der Progressionsvorbehalt „bei gleicher Leistungsfähigkeit, die ihren Ausdruck in der Höhe des Gesamteinkommens findet, eine Gleichheit des Steuersatzes für inländische Einkünfte herbeizuführen" 442. Soweit dadurch für die inländischen Einkünfte die mit der Freistellungsmethode verfolgten wirtschaftspolitischen Ziele eingeschränkt werden, berüht dies die Verfassungsmäßigkeit nicht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Freistellungsmethode gilt grundsätzlich auch bei Verlusten. So hat der BFH entschieden, daß es „unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gerechtfertigt (ist), auch die Verluste (...) dem anderen Staat »zuzuteilen4, mit der Folge, daß sie im Inland nicht zum Ausgleich mit positiven Einkünften verwendet werden dürfen" 443 . Auf diese Weise wird, so der BFH, unter Berücksichtigung der Anrechnungsmethode auch nicht Gleiches ungleich behandelt, da die Ungleichbehandlung bereits in der Wahl der einen oder anderen Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung liege 444 . Allerdings hat Vogel aufgezeigt, daß es bei hohen ausländischen Verlusten und geringfügig höheren inländischen Einkünften ungeachtet des § 2a Abs. 1, 2 EStG zu einer Besteuerung des Existenzminimums kommen kann, insbesondere wenn § 2a Abs. 3 EStG nicht eingreift. In diesem Fall ist an einen Ausgleich über §§ 163, 227 AO zu denken, da die Besteuerung des Existenzminimums keine zwingende Folge der gesetzlichen Regelung ist, sondern sich in dieser Konstellation erst durch eine Auslegung des abkommensrechtlichen Einkünftebegriffs ergibt, nach der auch Verluste von der Freistellung erfaßt werden.
D. Zusammenfassung Die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Auslandsverlusten weist in verfassungsrechtlicher Sicht einige Bedenken auf. Zentraler Punkt ist, trotz der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden durch das BVerfG zu § 2a Abs. 1 EStG, die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines 440
Vgl. BT-Drucksache 13/1558, S. 156. Vgl. BFH BStBl. II 1994, S. 113f. (114). 442 BFH BStBl. II 1976, S. 662f. (662); vgl. auch BVerfG BStBl. II 1995, S. 758 ff. (759). 443 BFH BStBl. II 1974, S. 454 f. (454). 444 Vgl. BFH BStBl. II 1974, S. 454f. (455). 441
D. Zusammenfassung
193
derartigen Verrechnungsverbotes. Durch die Möglichkeit, Verluste mit späteren Gewinnen zeitlich unbegrenzt zu verrechnen, wird die Wirkung der Vorschrift weitgehend abgemildert. Dennoch besteht zumindest ein Zinsnachteil und auch die Konstellation der Betriebseinstellung wegen fehlender Rentabilität kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht befriedigend geklärt werden. Die durch den Gesetzgeber vorgenommene Typisierung verstößt gegen Art. 3 GG. Grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich ist die Anrechnungsmethode. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn die ausländischen Steuern den Anrechnungshöchstbetrag übersteigen und eine vollständige Beseitigung der Doppelbesteuerung wegen der „per-country-limitation" nicht möglich ist. Die Freistellungsmethode durchbricht sachlich gerechtfertigt das Leistungsfähigkeitsprinzip, stellt dieses aber zumindest für die inländischen Einkünfte über den Progressionsvorbehalt wieder her. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestehen daher nicht.
13 Wilk
3. Teil
Die deutsche einkommensteuerrechtliche Behandlung von Auslandsverlusten im europäischen Binnenmarkt Mit dem am 1.11.1993 in Kraft getretenen Vertrag von Maastricht wurde die europäische Integration durch die Begründung der Europäischen Union fortgesetzt. Diese Union ist nach Art. 1 Abs. 3 EUV Dachorganisation der Europäischen Gemeinschaft (früher Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom), der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres. Zum 1.5.1999 trat der Amsterdamer Vertrag zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte in Kraft. Im steuerlichen Bereich hat die Bundesrepublik Deutschland daneben mit allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Für den aus der Sicht der Unternehmensbesteuerung wichtigsten Bereich der Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten gilt stets die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt 1. Hinsichtlich der aus nationaler Sicht für die einkommensteuerliche Behandlung von im Ausland erwirtschafteten Verlusten zentralen Vorschrift des § 2a EStG wird keine Differenzierung vorgenommen, ob die Verluste in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen ausländischen Staat erzielt wurden. Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union wirkt sich § 2a Abs. 1, 2 EStG bei passiv-tätigen Betriebsstätten 1 Vgl. Art. 7 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Belgien; Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 a) DBA-Dänemark; Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 5 a) DBAFinnland; Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 a) DBA-Frankreich; Art. III Abs. 1 i.V.m. Art. XVII Abs. 2 Nr. DBA - Griechenland; Art. III Abs. 1 i.V.m. Art. XVIII Abs. 2a) DBA-Großbritannien; Art. III Abs. 1 i.V.m. XXII Abs. 2 a), aa) DBA-Irland; Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 3 a) DBA-Italien; Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 DBA-Luxemburg; Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 DBANiederlande; Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1, 3 DBA-Österreich; Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 2 a) DBA-Portugal; Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 a) DBA-Schweden; Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 a) DBA-Spanien.
Α. Innerstaatliches Steuerrecht und Gemeinschaftsrecht
195
über den Progressionsvorbehalt zu Lasten des deutschen Steuerpflichtigen aus. Bei aktiv-tätigen Betriebsstätten war bis zum VZ 1998 alternativ zum progressionswirksamen Verlustausgleich antragsbedingt ein Verlustabzug mit Nachversteuerung nach § 2a Abs. 3 EStG möglich. Es stellt sich daher die Frage, ob das deutsche System, das durch § 2a EStG und der Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt gekennzeichnet ist, mit den Bestrebungen zur europäischen Integration, dessen Hauptziel gemäß Art. 2 EGV 2 die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes3 ist, vereinbart werden kann. Der europäische Binnenmarkt umfaßt nach Art. 14 Abs. 2 EGV einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen des EG-Vertrages gewährleistet wird. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist dazu „die Beseitigung aller Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel mit dem Ziel der Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt, dessen Bedingungen denen eines wirklichen Binnenmarktes möglichst nahekommen"4, erforderlich.
A. Das Verhältnis zwischen innerstaatlichem Steuerrecht und Gemeinschaftsrecht Das Grundgesetz bietet in Art. 23 Abs. 1 S. 2 die verfassungsrechtliche Grundlage, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen. Nach deutschem verfassungsrechtlichen Verständnis liegt darin eine Staatszielbestimmung zur Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der Verwirklichung des vereinten Europas als Staatenverbindung auf völkerrechtlicher Grundlage5. Art. 23 Abs. 1 GG ist die verfassungsrechtliche Legitimation für das Gemeinschaftsrecht bzw. das Unionsrecht6. Eine ausdrückliche Aussage über das Rangverhältnis zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht enthält allerdings weder das Grundgesetz noch der EG-Vertrag. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist das europäische Gemeinschaftsrecht weder Bestandteil der nationalen Rechtsordnung noch Völkerrecht, 2
Die Bestimmungen des EG-Vertrages werden im folgenden nach der Maastrichter Fassung zitiert, da die Amsterdamer Fassung des EG-Vertrages bisher nicht ratifiziert wurde. 3 Zum Verhältnis zwischen den Begriffen „Gemeinsamer Markt,, und „Binnenmarkt" vgl. Schweitzer/Hummer, S. 328 f.; der EuGH sieht den Begriff des Binnenmarktes wohl als Oberbegriff an, wenn er feststellt, daß der angestrebte Binnenmarkt wegen Art. 2, 3 EGV unverfälschte Wettbewerbsbedingungen voraussetzt. 4 EuGHE 1982, S. 1409ff. (1431 f.) („Schul"). 5 Vgl. BT-Drucksache XII/3338, S. 6. 6 Vgl. Arndt, S. 2. 13*
196 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
sondern bildet eine eigenständige Rechtsordnung, die aus einer autonomen Rechtsquelle fließt 7. Trotz dieser Trennung stehen „die mitgliedstaatliche Rechtsordnung und die Gemeinschaftsrechtsordnung nicht unvermittelt und isoliert nebeneinander (...), sondern (sind) in vielfältiger Weise aufeinander bezogen, miteinander verschränkt und in wechselseitigen Einwirkungen geöffnet" 8. Dies belegt beispielsweise Art. 288 Abs. 2 EGV, der auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verweist. Andererseits wirkt die europäische Rechtsordnung auf das innerstaatliche Rechtssystem ein und ist von den deutschen Gerichten anzuwenden9. Eine derartige Verschränkung zweier Rechtssysteme führt zwangsläufig zu der Frage, welcher Vorschrift im Kollisionsfall Vorrang einzuräumen ist. Das BVerfG verpflichtet in diesem Fall die Rechtsprechung dazu, sich um eine Konkordanz beider Rechtsordnungen zu bemühen10. Läßt sich die geforderte Übereinstimmung jedoch nicht finden, ist eine Klärung des Rangverhältnisses unumgänglich. Das BVerfG hat, gestützt auf Art. 24 Abs. 1 GG a.F., der im Hinblick auf die Europäische Union dem Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG entspricht, entschieden, daß den Rechtsakten des Gemeinschaftsrechts für den Fall des Widerspruchs zu innerstaatlichem Gesetzesrecht auch vor deutschen Gerichten Anwendungsvorrang zukommt. Zur Begründung des Anwendungsvorrangs gegenüber späterem wie früherem nationalen Gesetzesrecht verweist das BVerfG auf eine „ungeschriebene Norm des primären Gemeinschaftsrechts, der durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 GG 11 der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl erteilt worden ist" 12 . Eine sachgerechte Anwendung des Art. 23 Abs. 1 GG verlange nicht nur, „daß die Übertragung von Hoheitsrechten auf die zwischenstaatlichen Einrichtungen überhaupt zulässig ist, sondern auch, daß die Hoheitsakte ihrer Organe (...) vom ursprünglich ausschließlichen Hoheitsträger anzuerkennen sind" 13 . Art. 23 Abs. 1 GG wird auf diese Weise zur verfassungsrechtlichen Grundlage für den Einbruch des Gemeinschaftsrechts in die nationale Rechtsordnung14. Anderenfalls ist nach der Rechtsprechung des BVerfG die Übertragung von Hoheitsrechten nicht zu erklären. 7
Vgl. BVerfGE 37, S. 271 ff. (277 f.). Vgl. BVerfGE 73, S. 339 ff. (368). 9 Vgl. BVerfGE 31, S. 145 ff. (174). 10 Vgl. BVerfGE 37, S. 27Iff. (278). 11 Jetzt Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG. 12 BVerfGE 85, S. 191 ff. (204); vgl. BVerfGE 73, S. 339ff. (375); vgl. BVerfGE 223 ff. (244). 13 BVerfGE 31, S. 145 ff. (174) zum damaligen Art. 24 Abs. 1 GG. 8
Α. Innerstaatliches Steuerrecht und Gemeinschaftsrecht
197
Im Hinblick auf die Stellung des einfachgesetzlichen nationalen Rechts weicht der EuGH von der Sichtweise des BVerfG nicht ab. In einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1964 nahm der EuGH zu seinem Verständnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Stellung15. Das Gemeinschaftsrecht aufgrund des EG-Vertrages schaffe eine eigene Rechtsordnung, die in die Rechtsordnung der Mitgliedstaaten aufgenommen worden sei: „Denn durch die Gründung einer Gemeinschaft für unbegrenzte Zeit, die mit eigenen Organen, mit der Rechts- und Geschäftsfähigkeit, mit internationaler Handlungsfähigkeit und insbesondere mit echten, aus der Beschränkung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten oder der Übertragung von Hoheitsrechten der Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft herrührenden Hoheitsrechten ausgestattet ist, haben die Mitgliedstaaten, wenn auch auf einem begrenzten Gebiet, ihre Souveränitätsrechte beschränkt und so einen Rechtskörper geschaffen, der für ihre Angehörigen und sie selbst verbindlich ist." 16 Ergänzend beruft sich der EuGH auf Art. 5 Abs. 2 EWG-Vertrag (Art. 10 Abs. 2 EGV) und das Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGVertrag (Art. 12 Abs. 1 EGV). Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts werde gefährdet, „wenn das Gemeinschaftsrecht je nach der innerstaatlichen Gesetzgebung von einem Staat zum anderen verschiedene Geltung haben könnte"17. Soweit das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Recht ein einseitiges Vorgehen zugestehe, sei dies ausdrücklich geregelt. Dies ergebe sich, so der EuGH, beispielsweise aus Art. 15, 93 Abs. 3, 223 bis 225 EWG-Vertrag, aber auch aus den Vorschriften über Genehmigungsverfahren zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen, beispielsweise Art. 8 Abs. 4, 17 Abs. 4, 25, 26, 73, 93 Abs. 3, 226 EWG-Vertrag 18. Bezogen auf das Verhältnis des nationalen Steuerrechts zum Gemeinschaftsrecht folgt aus dieser Systematik, daß grundsätzlich das Gemeinschaftsrecht gegenüber den innerstaatlichen Steuergesetzen vorrangig ist. 14
Zum Problem der Bedeutung des nationalen Verfassungsrechts im Verhältnis, insbesondere der Grundrechte, vgl. zunächst BVerfGE 37, S. 271 (Leitsatz) - „Solange I", jetzt aber BVerfGE 73, S. 339ff. (2. Leitsatz) - „Solange II", nach umstr. Auffassung bestätigt durch die „Maastricht-Entscheidung" in: BVerfGE 89, S. 155 ff. (Im Rahmen eines Kooperationsverhältnisses zwischen EuGH und BVerfG beschränkt sich das BVerfG auf die Gewährleistung des unabdingbaren Grundrechtsschutzes.). 15 Vgl. EuGHE 1964, S. 1251 ff. („Flaminio Costa"). 16 EuGHE 1964, S. 1251 ff. (1269) („Flaminio Costa"). 17 EuGHE 1964, S. 1251 ff. (1270) („Flaminio Costa"); in EuGHE 1970, S. 1125 ff. (1135) („Internationale Handelsgesellschaft / Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide") überträgt der EuGH diese Argumentation auf den Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Verfassungsrecht. 18 Vgl. EuGHE 1964, S. 1251 ff. (1270) („Flaminio Costa").
198 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Darin liegt auch ein wesentlicher Unterschied zu § 2 AO, da zumindest nach der Rechtsprechung des BVerfG mit Art. 23 GG eine verfassungsrechtliche Grundlage für den Einbruch des Gemeinschaftsrechts in die nationale Rechtsordnung besteht. Konsequenterweise müssen auch die Finanzgerichte dem Gemeinschaftsrecht Vorrang einräumen und, je nach Instanz, gemäß Art. 234 EGV fakultativ oder obligatorisch bei Zweifeln über die Auslegung des EG-Vertrages die Vorabentscheidung des EuGH einholen. Die Finanzverwaltung ist an die Normen des Gemeinschaftsrechts gebunden. Allerdings besteht für sie eine mit der Judikative vergleichbare Möglichkeit der Anrufung des EuGH zur Interpretation des EG-Vertrages nicht. Auch das Steuerrecht, obwohl es Ausdruck staatlicher Souveränität ist, wird rechtlich durch das Gemeinschaftsrecht beeinflußt. Hirsch zieht zur Begründung der Einschränkung nationaler Gesetzgebungshoheiten den freien Binnenmarkt als das „Fundament der Gemeinschaft, die ja von Anfang an mehr war als eine Art gesteigerte Freihandelszone"19 heran, „der durch die Grundfreiheiten des Vertrages gekennzeichnet ist. Diese setzen der innerstaatlichen Gesetzgebung auch dort Grenzen, wo ihr die Regelungshoheit zusteht. Dies kann in einer Rechtsgemeinschaft auch nicht anders sein."20 Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Grundfreiheiten, hat im Kollisionsfall zur Folge, daß die innerstaatliche Vorschrift nicht anwendbar ist 21 , sofern ein grenzüberschreitender Verkehr innerhalb der EU-Staaten vorliegt 22. Im übrigen bleibt sie in Kraft.
B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen zum Steuerrecht Die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, die das nationale Steuerrecht betreffen, differenzieren zwischen indirekten und direkten Steuern. Die Schwierigkeiten, die sich im steuerlichen Bereich ergeben, resultieren aus dem Umstand, daß gerade die nationale Steuergewalt „als eine der wichtigsten Bestandteile der Finanzhoheit zu den Kernbereichen mitgliedstaatlicher Souveränität"23 zählt.
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Hirsch, DStZ 1998, S. 494. Hirsch, DStZ 1998, S. 494. Vgl. zum Steuerrecht Vedder in: Vogel, MünchSch 19, S. 4. Vgl. Arndt, S. 89. Oppermann, S. 390.
Β. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen zum Steuerrecht
199
I. Indirekte Steuern und Gemeinschaftsrecht Der EG-Vertrag beschäftigt sich vornehmlich mit der Harmonisierung der indirekten Steuern, da die Beseitigung der Grenzkontrollen zwingend eine Anpassung erforderte. Der freie Warenverkehr steht, wie die Art. 23 ff., 90 ff. EGV zeigen, im Vordergrund. Gesichert wird er durch eine Zollunion nach Art. 23 EGV, die das Verbot beinhaltet, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung zu erheben und unterschiedliche Zolltarife gegenüber Drittländern einzuführen. Unter diesem Gesichtspunkt bestand ein Bedürfnis für die Regelung des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Die Kollision zwischen Harmonisierung und staatlicher Souveränität, der Abschaffung der bisher notwendigen Grenzkontrollen und einem fehlenden gemeinsamen Steueraufkommen mit internationalem Finanzausgleich, wurde für die Umsatzsteuer durch die Schaffung neuer Steuertatbestände und verfahrensrechtlicher Änderungen gelöst. Ausgangspunkt war die Richtlinie 91/680 EWG 24 , die der deutsche Gesetzgeber durch das am 1.1.1993 in Kraft getretene Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz vom 25.8.199225 umsetzte. Die Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen gemäß §§ 4 Nr. 1 a, 6 UStG in EU-Staaten wurde durch eine Befreiung der im Inland steuerbaren innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß §§ 4 Nr. lb, 6a UStG ersetzt. An die Stelle der Einfuhr nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG, die nur noch für den Bereich der Einfuhr aus Drittländern gilt, trat der innergemeinschaftliche Erwerb gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 5, la, lb, 3d UStG im Bestimmungsland oder es findet bereits die innergemeinschaftliche Lieferung wegen § 3c UStG im Bestimmungsland statt. In der Praxis erreichte man mittels dieser Regelungen zwar, daß Grenzkontrollen zwischen den Binnenmarktstaaten für die Umsatzbesteuerung überflüssig wurden. Allerdings bewirkt die Schaffung der neuen Steuertatbestände, daß die dennoch erforderlichen Kontrollen in die Unternehmen verlegt wurden. Im Ergebnis bleibt die Umsatzsteuer eine nationale Steuer. Der reguläre Steuersatz wurde auf mindestens 15 v.H. und der ermäßigte Steuersatz auf mindestens 5 v.H. begrenzt. Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist insbesondere die Einführung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu erwähnen, die ihren Inhaber als Unternehmer ausweist, der im Bestimmungsland der 24 Richtlinie zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen, in: ABl. EG 1991 Nr. L 376, S. Iff. 25 Vgl. BStBl. I 1992, S. 552 ff. (Gesetz zur Anpassung des Umsatzsteuergesetzes und anderer Rechtsvorschriften an den EG-Binnenmarkt).
200 3. Teil: Behandlung von Auslands Verlusten im europäischen Binnenmarkt
Erwerbsbesteuerung unterliegt, so daß der inländische Lieferer die Lieferung steuerfrei ausführen kann, §§ 4 Nr. lb), 6a UStG.
II. Direkte Steuern und Gemeinschaftsrecht Eine Angleichung der direkten Steuern fand bisher nicht statt. Der EG-Vertrag beschäftigt sich mit den direkten Steuern nur in den Art. 92 und 293, 2. Spiegelstrich. Ein eindeutiger Harmonisierungsauftrag fehlt im EG-Vertrag. In Art. 92 EGV werden gewisse Rückvergütungen angesprochen, Art. 293 2. Spiegelstrich EGV normiert die Weisung an die Mitgliedsstaaten, untereinander durch Abkommen die Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft zu beseitigen. In Art. 58 Abs. 1 a) EGV wird den Mitgliedstaaten zugestanden, unter den Voraussetzungen des Art. 58 Abs. 3 EGV steuerrechtliche Vorschriften, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohn- oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln, aufrecht zu erhalten. Die Zurückhaltung des EG-Vertrags gilt allgemein als Folge des Umstands, „daß direkte Steuern im Gegensatz zu den indirekten Steuern einen Grenzausgleich und entsprechende Kontrollen nicht erfordern" 26 und, „daß vor allem direkte Steuern in den Ländern der Gemeinschaft essentielle Voraussetzung staatlicher Macht und staatlicher Souveränität sind" 27 . Ein weiterer Aspekt ist, daß aus europäischer Sicht die Bedeutung der direkten Steuern für das Funktionieren des Binnenmarktes umstritten war. Gegner von Harmonisierungsbestrebungen führten an, daß vor allem andere Faktoren, wie zum Beispiel Lohnkosten, Arbeitnehmermitbestimmung, Sozialabgaben, Umweltschutzauflagen, Infrastruktur, Ausbildungsniveau oder Marktnähe28 die Investitionsentscheidung beeinflußten. Derartigen Auffassungen erteilte der von der Kommission zur Klärung der Auswirkung unterschiedlicher nationaler Steuersysteme auf den Binnenmarkt eingesetzte „Ruding-Ausschuß" eine Absage. Er stellte fest, daß die unterschiedlichen Besteuerungsvorschriften einen beachtlichen Einfluß auf Investitionsentscheidungen (Standortwahl) haben und zu Wettbewerbsverzerrungen führen, die den Zielen des Binnenmarktes entgegenwirken29. 26
Birk/Eckhoff, S. 465. Ebd.; vgl. Bleckmann/Förster, S. 730. 28 Vgl. Lenz/Thömmes, S. 568. 29 Vgl. die deutsche Übersetzung des Ruding-Reports in: BT-Drucksache 13/ 4138; vgl. auch „Die Schlußfolgerungen und Empfehlungen des Ruding-Ausschusses" Beilage Nr. 5 in: Der Betrieb 1992; Lenz/Thömmes, S. 569; Β leckmann/Förster, S. 737; Birk/Eckhoff, S. 466. 27
Β. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen zum Steuerrecht
201
Obwohl die Reaktionen auf den Ruding-Bericht gemischt waren 30, wurde das Bewußtsein geschärft, daß Unterschiede im Bereich der direkten Steuern für einen Binnenmarkt genauso schädlich sind wie eine fehlende Harmonisierung indirekter Steuern. Zur Lösung des Problems der direkten Steuern in einem Gemeinsamen Markt bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an. Neben der Möglichkeit einer weitgehenden Harmonisierung der nationalen Steuerrechtsordnungen steht die Alternative, unter Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes nach Art. 5 EGV, nationale Steuersysteme anzuerkennen und auf den Abbau steuerlicher Hemmnisse bei grenzüberschreitender Tätigkeit hinzuwirken. Die Rechtsprechung des EuGH tendiert dazu, der letztgenannten Alternative den Vorrang einzuräumen. Ausgangspunkt war die „Dassonville"-Entscheidung, wonach als Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 28 EGV 31 ,jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten anzusehen (ist), die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern" 32. Damit führt die Warenverkehrsfreiheit zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot, mit dem nationale Vorschriften „in bezug auf ihre Zielsetzung gemeinschaftsrechtlich kontrolliert und hinsichtlich ihrer marktabschließenden Wirkungen an einem gemeinschaftsrechtlich definierten Maßstab der Verhältnismäßigkeit geprüft" 33 werden. Spätere Entscheidungen des EuGH weisen auch in bezug auf die anderen Grundfreiheiten in diese Richtung34. Statt einer Harmonisierung der nationalen Vorschriften kommt es zu einer „negativen Rechtsangleichung (...), die durch eine Reduktion des Anwendungsanspruchs nationaler Regelungen bewirkt wird" 35 . Der EuGH entbindet die Grundfreiheiten zu diesem Zweck von ihrer ursprünglichen Bestimmung als Diskriminierungsverbote und entwickelt sie zu allgemeinen Beschränkungsverboten. Diese Lösung des Abbaus diskriminierender Bestimmungen im zwischenstaatlichen Bereich anstelle einer weitgehenden Harmonisierung 30
Zur Reaktion der Kommission vgl. Förster, IWB F. 11 Gr. 2, S. 69ff; zu Reaktionen bei der Frage der Harmonisierung der Körperschaftsteuersy steme vgl. die Auflistung bei Hey, S. 72f. (Fn. 37). 31 Art. 28 EGV beinhaltet das Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen sowie aller Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten. 32 EuGHE 1974, S. 837 ff. (1. Leitsatz) („Dassonville"). 33 Behrens, EuR 1992, S. 149. 34 Zur Dienstleistungsfreiheit vgl. EuGHE 1974, S. 1299ff. (1309) („van Binsbergen"); EuGHE 1986, S. 3755 ff. (3802) („Kommission / Deutschland"); zur Niederlassungsfreiheit vgl. EuGHE 1986, S. 1475 ff. (1485 f.) („Kommission / Frankreich"); EuGH 1988, S. 5483 ff. (5510) („Daily Mail"); EuGHE 1997, S. I - 2471 ff. (2500) („Futura Participations und Singer"); zur Arbeitnehmerfreizügigkeit vgl. EuGHE 1993, S. I - 4309ff. (4334) („Allue'"); EuGHE 1993, S. I - 1663ff. (1697) („Kraus"); EuGHE 1995, S. I - 4921 ff. (5068 ff.) („Bosman"). 35 Behrens, EuR 1992, S. 150.
202 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
scheint auch die Kommission unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip zu bevorzugen36. Für den steuerlichen Bereich hat diese Tendenz der Rechtsprechung und der Kommission Folgen. Statt sich einer Harmonisierung zu widmen, zielen die sekundärrechtlichen Maßnahmen der EG-Organe auf den Abbau nationaler diskriminierender und den Binnenmarkt behindernder Vorschriften ab. Dieses Verständnis liegt den Richtlinien im Bereich direkter Steuern zugrunde. Die Richtlinie als sekundärrechtliche Maßnahme trägt insbesondere als „ein Kompromiß zwischen den Erfordernissen einheitlichen Rechts innerhalb der Gemeinschaft und weitestmöglicher Bewahrung nationaler Eigentümlichkeiten"37 den Interessenskonflikten zwischen Gemeinschaft und nationaler Souveränität Rechnung. Aus dem Bereich der direkten Steuern sind die Fusionsrichtlinie, die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Schiedsverfahrenskonvention und der Vorschlag zu einer Verlustrichtlinie von Interesse. 1. Fusionsrichtlinie38 Die Fusionsrichtlinie ist anwendbar, wenn an einer Fusion, Spaltung, Einbringung von Unternehmensteilen oder bei einem Austausch von Anteilen Gesellschaften aus zwei oder mehr Mitgliedstaaten beteiligt sind. Bei einem derartigen Vorgang soll es nicht zur Aufdeckung stiller Reserven kommen, sofern das entsprechende Wirtschaftsgut in einer Betriebsstätte im Staat der einbringenden Gesellschaft verbleibt (vgl. Art. 4 - 8 ) . Gesellschaft in diesem Sinn sind nur steuerpflichtige Körperschaften. Entprechend dem Anhang zu Art. 3 der Fusionsrichtlinie39 sind dies aus deutscher Sicht die AG, GmbH, die KGaA und die Bergrechtliche Gewerkschaft. Für eine Ausdehnung der Richtlinie auf alle körperschaftsteuerpflichtigen Subjekte hat die Kommission bereits einen Richtlinienvorschlag eingebracht40. Keine Anwendung findet die Richtlinie daher auf die Besteuerung des Einzelunternehmers oder der Mitunternehmer bei einer Personengesellschaft. 36
Vgl. Förster, IWB F. 11 Gr. 2, S. 69; vgl. Lenz/Thömmes, S. 569ff.; in diesem Sinn äußerte sich die Kommission bereits vor dem Ruding-Bericht in: „Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Parlament und den Rat über die Leitlinien der Unternehmensbesteuerung", SEK [90] 601 endg., Ratsdok. 6128/90, abgedruckt in: BR-Drucksache 360/90 vom 18.5.1990. 37 Streinz, S. 121; vgl. Bleckmann, S. 163. 38 Richtlinie vom 23.7.1990 (90/434/EWG), abgedruckt in: ABl. EG 1990 L 225 S. 1 ff. 39 Vgl. ABl. EG 1990 L 225, S. 5. 40 Vgl. den Richtlinienvorschlag vom 26.7.1993 in: ABl. EG C 225, S. 3 f.
Β. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen zum Steuerrecht
203
2. Mutter-Tochter-Richtlinie 41 Zielsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie ist die Vermeidung der Mehrfachbesteuerung von Dividenden innerhalb der Gemeinschaft 42. Die Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie erfolgte im deutschen Steuerrecht in § 26 Abs. 2 a KStG und § 44 d Abs. 1 EStG. Der Anwendungsbereich der Richtlinie liegt in der Besteuerung von Kapitalgesellschaften 43. Aus deutscher Sicht bestand für eine derartige Richtlinie, worauf Knobbe-Keuk hinwies, wegen des geltenden internationalen Schachtelprivilegs nur ein eingeschränkter Handlungsbedarf 44. Eine Anpassung war allenfalls insoweit erforderlich, als das jeweilige Abkommen die Steuerfreistellung aufgrund des internationalen Schachtelprivilegs unter einen Aktivitätsvorbehalt stellt 45 . Dies ist nur bei den DBA mit Spanien und Portugal der Fall 46 . Der Mutter-Tochter-Richtlinie ist ein derartiger Aktivitätsvorbehalt fremd, so daß es hinsichtlich der Abkommen mit Spanien und Portugal zur indirekten Anrechnung nach § 26 Abs. 2 a KStG kommt 47 . 3. EG-Schiedsverfahrenskonvention 48 Gestützt auf Art. 293 EGV haben die Mitgliedstaaten der EU einen multilateralen Vertrag zur Beseitigung der Doppelbesteuerung bei Gewinnberichtigungen verbundener Unternehmen geschlossen, der zum 1.1.1995 in Kraft getreten ist 49 . 41
Richtlinie vom 23.7.1990 (90/435/EWG), abgedruckt in: ABl. EG 1990 L 225, S. 6ff. 42 Vgl. Schaumburg, S. 56. 43 Vgl. auch den Richtlinienvorschlag vom 26.7.1993 in: ABl. EG C 225, S. 5 f., wonach ebenfalls eine Ausdehnung auf alle körperschaftsteuerpflichtigen Subjekte geplant ist. 44 Vgl. Knobbe-Keuk, S. 342. 45 Vgl. Schaumburg, S. 57. 46 Vgl. Art. 23 Abs. l a DBA-Spanien i.V.m. dem Briefwechsel, abgedruckt in: Debatin/Wassermeyer bei Art. 23 DBA-Spanien u. Art. 24 Abs. 2 a DBA-Portugal i.V.m. Protokoll, Nr. 8a, abgedruckt in: Debatin/Wassermeyer bei Art. 24 DBAPortugal. 47 Der Begriff der indirekten Anrechnung verdeutlicht lediglich, daß zwischen den Subjekten der Besteuerung keine Identität (im Sinne juristischer Doppelbesteuerung) besteht. Die anzurechnende ausländische Steuer belastet die inländische Muttergesellschaft nicht unmittelbar, sondern nur aufgrund einer geminderten Ausschüttung durch die ausländische Tochtergesellschaft. Damit ist die indirekte Steueranrechnung aus der Sicht der Vermeidung der Doppelbesteuerung eine Konsequenz der indirekten Steuerbelastung der inländischen Muttergesellschaft. 48 Konvention vom 23.7.1990 (90/436/EWG), abgedruckt in: ABl. EG 1990 L 225, S. lOff.
204 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Gegenstand des auf fünf Jahre befristeten Abkommens ist die Beseitigung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung, deren Grundlage darin bestehen kann, daß die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten unterschiedliche Einkünfteberichtigungen vornehmen, die sich als Folge von Korrekturen der Verrechnungspreise („transfer prices") zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften und veränderter Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätten in den einzelnen Mitgliedstaaten ergeben50. Durch das Abkommen reagiert der eine Mitgliedstaat auf eine Gewinnberichtigung des anderen Mitgliedstaates51. Eine Berichtigung von Preisen nach dem Grundsatz des „arm's length dealing" zwischen verbundenen Unternehmen kommt dann in Betracht, wenn diese von Preisen ausgehen, die mit Drittunternehmen nicht vereinbart worden wären. Der Drittvergleich verhindert, daß durch eine freie Preisgestaltung Gewinne an dem Ort der niedrigsten Steuerlast entstehen52. Gehen die Mitgliedstaaten bei einer Korrektur von verschiedenen Verrechnungspreisen aus, so sieht das Abkommen ein Schiedsverfahren vor. Abschließend ist anzumerken, daß die Regelungen der Gewinnberichtigungen entgegen dem Vorschlag der Kommission53 nicht als Richtlinie erlassen, sondern im Wege eines multilateralen Abkommens vereinbart wurden. Diese aus Rücksicht der Steuersouveränität der Mitgliedstaaten54 gewählte Vorgehensweise bewirkt, daß das Abkommen nicht der Jurisdiktion des EuGH unterliegt 55. 4. Vorschlag zu einer Verlustrichtlinie 56 Der Richtlinienvorschlag der Kommission zur grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung zielte darauf ab, Verluste, die eine in einem Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft erwirtschaftete, im Staat des Stammhauses oder der Muttergesellschaft geltend zu machen. Auf die Rechtsform des inländischen Unternehmens kommt es nach dem Vorschlag nicht an. Zur Begründung führte der Vorschlag der Kommission 49 Vgl. die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens in: BStBl. I 1995, S. 166. 50 Vgl. Schaumburg, S. 59. 51 Zum Ablauf des Schlichtungsverfahrens vgl. Saß, DB 1991, S. 986 f. 52 Vgl. Voß, DStR 1991, S. 929. 53 Vgl. Richtlinienentwurf v. 29.11.1976, ABl. EG v. 21.12.1976 C 301/4. 54 Vgl. Schaumburg, S. 61. 55 Vgl. Knobbe-Keuk, S. 348. 56 Richtlinienvorschlag der Kommission vom 6.12.1990, KOM (90) 595 endg., abgedruckt in: ABl. EG 1991 C 53, S. 30ff.; zu Vorgängervorschlägen vgl. Sapusek, S. 1011 f.
Β. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen zum Steuerrecht
205
aus: „In einem gemeinsamen Markt, der die Merkmale eines Binnenmarkts aufweist, darf die Tätigkeit der Unternehmen auf Gemeinschaftsebene nicht schlechter gestellt werden als die auf einen Mitgliedstaat beschränkte Tätigkeit. Diese Bedingung ist gegenwärtig nicht erfüllt, da die geltenden Rechtsvorschriften den Unternehmen häufig nicht die Möglichkeit einräumen, die Verluste ihrer in anderen Mitgliedstaaten errichteten Betriebsstätten und Tochtergesellschaften zu berücksichtigen. Es gilt daher, für alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Rechtsform, gemeinsame Regeln festzulegen."57 Die Rechtsformneutralität ist Ausdruck der Wettbewerbsneutralität und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung58. Kernstück des Richtlinienvorschlags sind die Methoden zur Verlustberücksichtigung im Ansässigkeitsstaat. Nach dem Vorschlag stehen dazu, hinsichtlich der in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätten, alternativ (Art. 5) die Anrechnungsmethode (Art. 6) oder der Verlustabzug mit Nachversteuerung (Art. 7) zur Verfügung. Die letztgenannte Methode entspricht weitgehend dem § 2a Abs. 3 EStG a.F., jedoch mit Ausnahme des Aktivitätsvorbehalts, den der Richtlinienvorschlag nicht kennt59. Darüber hinaus liegt eine Abweichung zum deutschen Steuerrecht insofern vor, als nach Art. 7 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags beim Verlustabzug mit Nachversteuerung das Betriebsstättenergebnis nach dem Recht des „Betriebsstättenmitgliedstaates" zu ermitteln ist 60 . Die Besonderheit des Richtlinienvorschlages liegt darin, daß er in Anknüpfung an die Folgen der Freistellungsmethode unmittelbar auf die innerstaatlichen GewinnermittlungsVorschriften einwirkt 61 . Sowohl der Abzug als auch die spätere Hinzurechnung beziehen sich auf die steuerpflichtigen Unternehmergewinne. Aufgrund des Widerstandes der Mitgliedstaaten wurde der Richtlinienvorschlag im Juni 1992 durch einen neuen Vorschlag ersetzt, der die Berücksichtigung ausländischer Verluste durch Tochtergesellschaften nicht mehr vorsah 62.
57
KOM (90) 595 endg. in: ABl. EG 1991 C 53, S. 30ff. (30). Vgl. Knobbe-Keuk, S. 349. 59 Vgl. Knobbe-Keuk, S. 350; Schaumburg, S. 63. 60 Zur Kritik an dieser Regelung vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung, S. llOf. 61 Vgl. Birk/Lehner, S. 913. 62 Vgl. Knobbe-Keuk, S. 350. 58
206 3. Teil: Behandlung von Auslandsverlusten im europäischen Binnenmarkt
I I I . Zusammenfassung Die derzeitige Steuerpolitik der Gemeinschaft läßt sich dadurch charakterisieren, daß im Vordergrund der Abbau zusätzlicher steuerlicher Belastungen bei grenzüberschreitender Tätigkeit steht. Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH, wonach die Mitgliedstaaten bei den direkten Steuern ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts auszuüben haben und jede offene oder versteckte Diskriminierung unterlassen müssen63. Ziel ist damit nicht eine Angleichung der nationalen Steuersysteme, sondern harmonisiert werden „lediglich die Schnittstellen zwischen ihnen" 64 . Zum Zweck der Beseitigung steuerlicher Hemmnisse formuliert Thömmes folgende Faustformel: „Welche zusätzlichen steuerlichen Belastungen löst die Tätigkeit eines Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat im Vergleich zu der gleichen oder entsprechenden Tätigkeit im Inland aus?"65
C. Europarechtliche Maßstäbe zur Überprüfung steuerrechtlicher Vorschriften Nationale Steuervorschriften müssen sich, obwohl sie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, sofern spezifisch gemeinschaftliche Bestimmungen fehlen, wie in jedem anderen wirtschaftlichen Bereich an den Grundfreiheiten des EG-Vertrages messen lassen66. Auf diese Weise wirken die vertraglichen Grundfreiheiten als „Garantien des Marktbürgers gegen staatliche Steuereingriffe nicht nur seitens der Gemeinschaft, sondern auch seitens der Mitgliedstaaten"67. Zu den Grundfreiheiten des EG-Vertrages zählen der freie Warenverkehr (Art. 2 3 - 3 1 EGV), die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 - 42 EGV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 - 48 EGV), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 - 55 EGV) und die Freiheit des Kapitalund Zahlungsverkehrs (Art. 56 - 60 EGV). Der Prüfung anhand der Marktfreiheiten des EG-Vertrages kommt schon deshalb besondere Bedeutung zu, da der EuGH, wie bereits dargestellt, im Bereich der direkten Steuern von einer möglichst weitgehenden Harmonisierung Abstand nimmt und der 63
Vgl. zuletzt EuGHE 1997, S. 1 - 247Iff. (2499) („Futura Participations und Singer") m. w. Ν. 64 Lenz/Thömmes, S. 570. 65 Lenz/Thömmes, S. 570. 66 Vgl. EuGHE 1995, S. I - 225 ff. (257) („Schumacker"); EuGHE 1995, S. I 2493 ff. (2514) („Wielockx"); EuGHE 1996, S. I - 3089ff. (3124) („Asscher"); EuGHE 1997, S. 1 - 2471 (2499) („Futura Participations und Singer"); EuGH v. 16.7.1998 - Rs. C - 264/96, in: EWS 1998, S. 344ff. (346) Rdnr. 19 („Imperial Chemical Industries"); Knobbe-Keuk, EuZW 1991, S. 650. 67 Dauses/Voß, J Rdnr. 16.
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
207
Anerkennung der unterschiedlichen nationalen Steuersysteme unter Abbau steuerlicher Hemmnisse im grenzüberschreitenden Verkehr den Vorrang einräumt. Zutreffenderweise hat der EuGH entschieden, daß die Marktfreiheiten des EG-Vertrages auch dann anzuwenden sind, wenn eine Harmonisierung des Rechtsgebietes bisher nicht stattgefunden hat 68 . Dies beruht auch darauf, daß sekundärrechtliche Maßnahmen, insbesondere Richtlinien nach Art. 94 EGV, erst dann getroffen werden, wenn bereits bestimmte nationale Regelungssysteme den Binnenmarkt gefährden 69. Unzutreffend ist daher die vom I. Senat des BFH geäußerte Auffassung, nach der Zweifel bestehen, daß die Marktfreiheiten überhaupt einen Bezug zum Steuerrecht hätten, da der EG-Vertrag keinen Auftrag zur Harmonisierung enthalte und auch vieles dafür spreche, daß sich die Mitgliedstaaten das Recht auf Erhebung direkter Steuern uneingeschränkt vorbehalten wollten 70 . Eine Untersuchung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten wird durch die Frage geprägt, ob § 2a Abs. 1, 2 EStG und die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages vereinbar sind.
D. § 2 a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt Mit der Vorschrift des § 2a Abs. 1, 2 EStG beabsichtigte der Gesetzgeber, aus deutscher volkswirtschaftlicher Sicht unerwünschte Auslandsinvestitionen zu unterbinden. Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union wirkt sich § 2a Abs. 1, 2 EStG im Fall der Betriebstätten hinsichtlich des Progressionsvorbehaltes dann aus, wenn Verluste aus nichtaktiv tätigen Betriebsstätten erwirtschaftet werden. Auch über § 2a Abs. 3 EStG war keine Verlustberücksichtigung möglich, da dieser Regelungsbereich unter einem Aktivitätsvorbehalt stand71. Eine Verlustberücksichtigung kommt daher bei „passiven" Einkünften nur im Fall späterer Gewinne über § 2a Abs. 1 S. 3 EStG in Betracht. Endgültig unberücksichtigt bleiben Verluste aus passiv-tätigen Betriebsstätten, wenn der Betrieb auch in den Folgejahren keine Gewinne erzielt und daher beispielsweise eingestellt werden muß. Es stellt sich die Frage, ob diese Regelungssystematik in einem Binnenmarkt rechtlich zulässig ist. 68
Vgl. EuGHE 1986, S. 273 ff. (306) („avoir fiscal"). Vgl. Lechner in: Gassner/Lang/Lechner, S. 93. 70 Vgl. Vorlagebeschluß des BFH v. 14.4.1993 in: BStBl. II 1994, S. 27 ff. (29). 71 Vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 81; dies ergibt sich aus der Formulierung „Verlust, der sich nach den Vorschriften des inländischen Steuerrechts (...) ergibt, (...), soweit er vom Steuerpflichtigen ausgeglichen oder abgezogen werden könnte, wenn die Einkünfte nicht von der Einkommensteuer zu befreien wären, (...)". 69
208 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Rechtsprechung des EuGH, der bei steuerlichen Vorschriften nicht in die Fiskalkompetenzen der Mitgliedstaaten eingreifen will, sondern die Beachtung des Gemeinschaftsrechts und insbesondere der Grundfreiheiten einfordert 72.
I· Zum bisherigen Meinungsstand In der bisherigen Rechtsprechung und Literatur finden sich zumeist nur vereinzelte Stellungnahmen zur Vereinbarkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG mit dem EG-Vertrag, obwohl beispielweise Rädler schon kurz nach der Einführung der Vorschrift anmerkte, daß trotz umfangreichen Schrifttums zu § 2a EStG die Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag nicht diskutiert wurde 73. In der Folgezeit haben sich, soweit ersichtlich, nur Loritz/Wagner in umfassender Weise mit diesem Problem beschäftigt 74. Auch die Rechtsprechung ist in diesem Punkt sehr zurückhaltend. Das FG Köln sah in § 2a Abs. 1 (Nr. 4) EStG keinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht. Zwar laufe § 2a Abs. 1, 2 EStG den Bestrebungen einer einheitlichen steuerlichen Behandlung von Verlusten aus Mitgliedstaaten zuwider, die Vorschrift verstoße aber weder gegen Art. 90 ff. EGV noch gegen die Grundfreiheiten 75. Eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten lehnte das Gericht ab, da Steuerpflichtige durch § 2a Abs. 1 EStG „nicht deswegen steuerlich schlechter gestellt werden, weil sie Ausländer wären, sondern sie müssen als Inländer einen steuerlichen Nachteil deswegen tragen, weil ihre (...) Verluste aus dem Ausland herrühren" 76. Solange keine Richtlinie existiere, sei der Gesetzgeber frei, Auslandsverluste anders als Inlandsverluste zu behandeln77. Auch eine versteckte Diskriminierung sei nicht gegeben, da die Anknüpfung des § 2a Abs. 1 EStG an ausländische Verluste nicht deshalb geschehe, „um im Ergebnis ohne sachliche Gründe (überwiegend) Ausländer zu treffen" 78. „Ebensowenig sind die Kläger unzulässig in ihrer Niederlassungsfreiheit (...) beschränkt. Die Kläger sind nicht gehindert, sich aktiv durch direkte eigene Erwerbstätigkeit in das Wirtschaftsleben des Gastlandes (...) einzugliedern (...). Keine Volkswirtschaft hindert die Kläger, als Unternehmer den Mitgliedstaat zu wechseln."79 72 Vgl. Lüdicke in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 648 mit Verweis auf KnobbeKeuk, EuZW 1995, S. 169. 73 Vgl. Rädler, FR 1983, S. 340. 74 Vgl. Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2272 ff. 75 Vgl. FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (192). 76 FG Köln in: EFG 1986, S. 189 ff. (192f.). 77 Vgl. FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (193). 78 FG Köln in: EFG 1986, S. 189ff. (193).
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
209
Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des FG Köln lehnte auch der BFH einen Verstoß des § 2a Abs. 1 (Nr. 4) EStG gegen EG-Recht ab, da ein solcher „offenkundig" 80 nicht vorliege. Unbestritten sei, daß die Vorschrift zu einer unterschiedlichen Behandlung von Verlusten, je nach dem Staat der Verlustentstehung, führen könne, damit verletze „sie jedoch nicht das Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWG-Vertrages (Art. 12 EGV), da die Rechtsfolge des § 2a Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht an die Staatsangehörigkeit des Nutznießers"81 anknüpfe. Auch kollidiere § 2a Abs. 1 (Nr. 4) EStG nicht mit den steuerlichen Vorschriften der Art. 90 bis 92 des EGVertrages, „da diese nur für den freien Warenverkehr über die Grenze und die indirekten Steuern gelten"82. Die Kläger seien ferner nicht gehindert, im Sinne des Art. 49 EGV im Ausland83 „Dienstleistungen zu erbringen oder am Dienstleistungsverkehr teilzunehmen, nur weil sie dafür im Geltungsbereich des EStG Verluste steuerlich nicht abziehen können"84. In einer späteren Entscheidung hat der BFH einen Verstoß des § 2a Abs. 1, 2 EStG gegen die Dienstleistungsfreiheit bei Vermietungseinkünften aus einer in der Schweiz belegenen Wohnung abgelehnt, da die Dienstleistungsfreiheit nicht dadurch eingeschränkt werde, „daß Verluste aus einer in der Schweiz belegenen Ferienwohnung nicht abziehbar sind. Die Art. 59 und 62 EWGV (Art. 49 EGV) schützen insoweit nicht das Recht, sich eine Ferienwohnung - zumal in der Schweiz als einem Nicht EG-Mitgliedstaat zu halten"85. Ein Teil der Literatur sieht in § 2a Abs. 1, 2 EStG ebenfalls keinen Verstoß gegen den EG-Vertrag. Nach Probst scheidet eine offene oder versteckte Diskriminierung aus, da die Vorschrift nicht an personenbezogene, ausländerspezifische Merkmale anknüpfe 86. Auch sei keine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit oder des Dienstleistungsverkehrs gegeben, da die Vorschrift Steuerpflichtige nicht hindere, „sich aktiv durch direkte eigene Erwerbstätigkeit in das Wirtschaftsleben des andern EG- (EU-) Landes einzugliedern" 87. Aufgrund der seit dem VZ 1992 bestehenden, zeitlich unbeschränkten Verrechnungsmöglichkeit, werde der Steuerpflichtige auch nicht mittelbar „über 79
FG Köln in: EFG 1986, S. 189 ff. (193), auch hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit. 80 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140). 81 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140). 82 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140). 83 Im vom BFH zu entscheidenden Fall war es Frankreich. 84 BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140). 85 BFH BStBl. II 1993, S. 399 ff. (403). 86 Vgl. Probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 2a Rdnr. 20. 87 Probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 2a Rdnr. 20. 14 Wilk
210 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Gebühr beeinträchtigt" 88. Schließlich, so Probst, könnten „die mittelbaren Wirkungen der Niederlassungsfreiheit (...) aber wohl nicht so weit gehen, daß die Bundesrepublik in einem anderen EG-Staat erwirtschaftete Verluste zu Lasten ihres Steueraufkommens verrechnen lassen muß, wenn die Tätigkeit bei typisierter Betrachtung nicht zur Mehrung des Steueraufkommens, sondern zu dessen Minderung unternommen wurde" 89. Ergänzend fügt er an, daß „die steuerlichen Regelungen des EWG- (EG-) Vertrages (Art. 90 ff.) im Umkehrschluß zu der Erkenntnis führen, daß steuerliche Regelungen wie die des § 2a Abs. 1 und 2 vertragskonform seien"90. Eckhoff lehnt ebenfalls eine offene oder indirekte Diskriminierung ab und wendet die Grundsätze der Inländerdiskriminierung an. Zwar sei, so Eckhoff\ die wirtschaftliche Aktivität im Verlustfall beeinträchtigt, wenn aber der EuGH „schon bei einer wesentlich intensiveren Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit im Fall ,Daily Mail 4 auf die Notwendigkeit einer Harmonisierung hingewiesen und eine bestehende Diskriminierung darum nicht aufgehoben hat, dann wäre eine solche Entscheidung bei der hier vorliegenden weniger einschneidenden Behinderung um so weniger zu erwarten" 91. Im Falle einer fehlenden Harmonisierung sollten die „steuerpolitischen und systematischen Zwecke, die der Gesetzgeber nicht in bezug auf Steuerausländer, sondern hinsichtlich der Steuerinländer verfolgt, europarechtlich respektiert werden" 92, da § 2a EStG „doch Teil eines umfassenden und für das deutsche Einkommensteuerrecht grundlegenden Regelungskomplexes"93 sei. Dieser Argumentation bezüglich der Rechtfertigung schließt sich Bieg an. Auch er zieht eine Erweiterung des Diskriminierungsverbots, anlehnend an das Daily Mail-Urteil des EuGH, heran 94. Bieg hält § 2a EStG „angesichts der detaillierten Ausgestaltung der Norm, insbesondere im Hinblick auf die Ausnahmemöglichkeiten nach Abs. 2 und 3" 9 5 für eine verhältnismäßige Umsetzung des wegen des Harmonisierungsdefizits beim grenzüberschreitenden Verlustausgleich anzuerkennenden Gesetzeszwecks. Auch Mössner geht davon aus, daß keine Berührungen mit dem EG-Vertrag vorliegen. Dies beruhe darauf, daß die Kapitalverkehrsfreiheit nur den Kapitalverkehr selbst betreffe 96. Von der Richtlinienkompetenz der Gemeinschaft zur Angleichung von Rechtsvorschriften, Art. 94 EGV, sei auch noch kein Gebrauch gemacht worden 97. 88 89 90 91 92 93 94 95 96
Probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, Probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, Probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, Birk/Eckhoff, S. 571. Birk/Eckhoff, S. 571. Birk/Eckhoff, S. 571. Vgl. Bieg, S. 161. Bieg, S. 161. Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a
§ 2a Rdnr. 20. § 2a Rdnr. 20. § 2a Rdnr. 20.
Rdnr. A 45.
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
211
Keinesfalls kann jedoch von einer einheitlichen Meinungstendenz in der Literatur gesprochen werden. Rädler 98 und ihm folgend Lüdicke" äußerten Bedenken, ob die Vorschrift mit den Regelungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar ist. Insbesondere, so Rädler, stehe § 2a EStG den Bestrebungen der Kommission zur einheitlichen steuerlichen Behandlung von Auslandsverlusten „diametral" 100 entgegen. Paus stellt fest, daß sich § 2a Abs. 1 (Nr. 4) EStG „mit dem Geist der EG-Regelungen"101 nicht vereinbaren lasse. Der Grund liege darin, daß innerhalb der EG (EU) eine einheitliche Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte zu fordern sei, so daß derartige Sachverhalte nicht anders als rein innerstaatliche behandelt werden könnten102. Loritz/ V/agner gehen von einer unzulässigen Diskriminierung im Bereich der Kapitalverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit aus, da durch die Vorschrift, mit der bestimmte Investitionen, bei denen es zur Entstehung von Verlusten kommen kann, steuerlich unattraktiv gemacht werden und so ein „ganz erheblicher Druck (ausgeübt werde), nicht im Ausland zu investieren" 103. Dies komme auch durch den Richtlinienvorschlag der Kommission auf der Grundlage des Art. 94 EGV zum Ausdruck, so daß die Kommission davon ausgehe, daß sich das Verbot unmittelbar auf die Errichtung und das Funktionieren des gemeinsamen Marktes auswirke 104. Dieser Auffassung schließt sich Massbaum vollumfänglich an 105 . Nach Ebenroth/Willburger steht § 2a Abs. 1, 2 EStG im Widerspruch zum Projekt eines gemeinsamen europäischen Marktes und könnte gegen die Niederlassungs-, Dienstleistungs- bzw. die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen 106. Ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit liege insoweit vor, als auch ausländische Verluste nicht berücksichtigt werden, „die ein Investor erlitten hat, der sich ohne Mißbrauchsgedanken und mit Gewinnerzielungsabsicht im Ausland wirtschaftlich betätigt hat" 107 . Beul äußert lediglich „gemeinschaftsrechtliche 97 Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Rdnr. A 45 (anzumerken ist, daß die Kommentatur von Mössner aus dem Jahr 1987 stammt). 98 Vgl. Rädler, FR 1983, S. 340. 99 Vgl. Lüdicke, S. 25. 100 Rädler, FR 1983, S. 340. 101 Paus, DStZ 1991, S. 344. 102 Vgl. Paus, DStZ 1991, S. 343. 103 Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2272. 104 Vgl. Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2272. 105 Vgl. Massbaum in: Massbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, S. 350 f. („U.E. treffen die Ausführungen von Loritz/Wagner den Kern der Sache."). 106 Vgl. Ebenroth/Willburger, EWS 1993, S. 48. 107 Ebenroth/Willburger, EWS 1993, S. 49; im Ergebnis konnte sich nach der Ansicht von Ebenroth/Willburger aufgrund der damaligen Rechtslage der einzelne nicht auf den Verstoß berufen, da nach ihrer Auffassung die Kapitalverkehrsfreiheit
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212 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Bedenken"108. Unter Verweis auf Loritz/Wagner und Massbaum verstößt nach Dautzenberg eine Vorschrift wie § 2a Abs. 1, 2 EStG als „eine Beschränkung der interterritorialen Aggregation 109 innerhalb des Binnenmarktes gegen die Beschränkungsverböte (z.B. im Rahmen der Niederlassungsfreiheit)" 110. Nach Brinkmann verstößt § 2a Abs. 1, 2 EStG gegen die Niederlassungsfreiheit, da die Vorschrift über das Ziel der Verhinderung mißbräuchlicher Gestaltungen hinausginge und als typisierende Regelung zu Lasten ausländischer Einkünfte unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich sei 111 .
II. Vereinbarkeit mit dem freien Warenverkehr In der durch Art. 2 EGV postulierten Aufgabe der Gemeinschaft zur Errichtung eines Gemeinsamen Marktes ist es eine notwendige Voraussetzung, einen Wirtschaftsraum zu schaffen, „in dem Waren und andere Leistungen im Rahmen einer einheitlichen Wettbewerbsordnung frei zirkulieren können" 112 . Die Instrumente zur Absicherung der Warenverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 3 c) EGV dienen der Beeinflussung von Preisen und Mengen. Damit sind je nach Sachlage finanzielle Belastungen, Art. 23, 90 ff. EGV, und mengenmäßige Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr betroffen 113. Die Vorschrift des § 2a Abs. 1, 2 EStG berührt diese Freiheit nicht. Ein unmittelbarer Eingriff scheidet aus, da § 2a Abs. 1, 2 EStG keine Vorschrift ist, die gezielt den Warenverkehr betrifft. Auch eine mittelbare Beschränkung läßt sich nicht erkennen. Insbesondere ist die Warenproduktion in ausländischen Betriebsstätten von dem Verrechnungsverbot ausgeschlossen, sofern keine Waffenproduktion vorliegt. Es besteht alternativ die Abzugsmöglichkeit nach § 2a Abs. 3 EStG bei der abkommensrechtlich angeordneten Freistellung, wie dies im Hinblick auf gewerbliche Betriebsstätten in den DBA mit den Ländern der Europäischen Union stets der Fall ist 1 1 4 . gemäß Art. 67 EGV a.F. nicht unmittelbar anwendbar war. Es verblieb nur die Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahren der EG-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland. 108 Beul, IStR 1997, S. 3. 109 Unter Aggregation versteht Dautzenberg die Zusammenfassung von Einkünften zu größeren Einheiten (vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung, S. 282). 1,0 Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung, S. 312. 111 Vgl. Brinkmann, S. lOOff. (106). 1,2 Streinz, S. 219. 113 Vgl. Behrens, Jura 1989, S. 563. 114 Vgl. Roth in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 742 zum Verhältnis der Warenverkehrsfreiheit zur Niederlassungsfreiheit.
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
213
III. Vereinbarkeit mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit Nach Art. 48 Abs. 1 EGV (Maastrichter Fassung) war in der Gemeinschaft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer herzustellen. Die Amsterdamer Fassung des EG-Vertrages spricht bereits von einer Gewährleistung der Freizügigkeit in Art. 39 Abs. 1. Wie in diesen Artikeln des EG-Vertrags dargelegt, umfaßt der Auftrag bzw. die Gewährleistung insbesondere die Abschaffung jeglicher Diskriminierung in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Die als Voraussetzungen der Freizügigkeit von Wanderarbeitnehmern 115 notwendigen Nebenrechte des Zugangs zu einer Beschäftigung, der Einreise und des Aufenthalts und des Verbleibs nach Beendigung der Beschäftigung regelt Art. 39 Abs. 3 EGV. In das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit greift § 2a Abs. 1, 2 EStG weder unmittelbar noch mittelbar ein. Bei Einkünften aus ausländischen Betriebsstätten sind regelmäßig unternehmerische Tätigkeiten betroffen, so daß der Arbeitnehmer in seiner Freizügigkeit nicht tangiert wird.
IV. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsund Kapitalverkehrsfreiheit In Art. 52 Abs. 1 EGV (Maastrichter Fassung) wurde eine schrittweise Aufhebung der Beschränkungen der freien Niederlassung vereinbart. Die Amsterdamer Fassung regelt in Art. 43 Abs. 1 EGV ein Verbot von Beschränkungen der freien Niederlassung. Sie gilt für alle Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten und über Art. 48 Abs. 1 EGV auch für Gesellschaften. 1. Schutzumfang der Niederlassungsfreiheit Die Niederlassungsfreiheit umfaßt nach Art. 43 Abs. 2 EGV das Recht natürlicher und juristischer Personen, eine selbständige, also nicht weisungsgebundene Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen und auszuüben, sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für dessen Staatsangehörige116. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff der Niederlassung im Sinne des EG-Vertrages „ein sehr weiter Begriff, der die Möglichkeit für einen Gemeinschaftsangehörigen impliziert, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines 115
Vgl. Oppermann, S. 554. Vgl. Schweitzer/Hummer, S. 359; Oppermann, S. 571 f.; Bleckmann, S. 583; Streinz, S. 246. 116
214 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, wodurch die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der Gemeinschaft im Bereich der selbständigen Tätigkeiten gefördert wird" 1 1 7 . Das Recht zur freien Niederlassung gilt nach Art. 43 Abs. 1 S. 2 EGV auch für die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften (sog. sekundäre Niederlassungen). Damit ist die Niederlassungsfreiheit und nicht die Dienstleistungsfreiheit betroffen, wenn der Unionsbürger nicht nur vorübergehend eine Berufstätigkeit in einem anderen Staat ausübt118. Die Dienstleistung ist entgegen Loritz/Wagner von der Niederlassung in Anlehnung an den EG-Vertrag und nicht von der allgemeinen, volkswirtschaftlichen Vorstellung der Dienstleistung abzugrenzen119. Troberg verdeutlicht dies an einem Beispiel, das aus Sicht des § 2a Abs. 1, 2 EStG von besonderem Interesse ist: „Wenn ein Unternehmer ein Hotel, also im volkswirtschaftlichen Sprachgebrauch einen typischen »Dienstleistungsbetrieb4, in einem für ihn fremden Mitgliedstaat eröffnet, so macht er im Sinne des EG-Vertrages doch nicht von der Dienstleistungs-, sondern von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch (er »siedelt4 sich nämlich an und ist damit in dem Lande, in dem das Hotel errichtet wird, nicht mehr ,gebietsfremd 4).44120 Übertragen auf den Fall der Begründung einer ausländischen Betriebsstätte folgt daraus, daß die Niederlassungsfreiheit betroffen ist. Eine Betriebsstätte im Sinne des § 2a Abs. 1, 2 EStG ist nach der innerstaatlich maßgeblichen Definition des § 12 S. 1 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Dazu zählen nach § 12 S. 2 (Nr. 2) AO insbesondere Zweigniederlassungen, so daß, zumindest begrifflich, ein kongruenter Regelungsbereich erfaßt wird, da auch Art. 43 Abs. 1 S. 2 EGV von Zweigniederlassungen spricht. Im Rahmen der systematisch-methodischen Untersuchung wurde jedoch bereits aufgezeigt, daß zur Auslegung multi- und bilateraler Verträge die uneingeschränkte Auslegung nach nationalen Maßstäben unzulässig ist. Aber auch eine Wertung anhand der Interessenlage führt zu keinem anderen Ergebnis. Der nationale, abgabenrechtliche Betriebsstättenbegriff verlangt eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die nach der Rechtsprechung des BFH auf eine gewisse Dauer oder Stetigkeit 117
EuGHE 1995, S. 1-4165 ff. (4195) („Gebhard") mit Verweis auf EuGHE 1974, 63Iff. (65If.) („Reyners"). 118 Vgl. EuGHE 1995, S. I - 4165 ff. (4195) („Gebhard"). 119 Vgl. GTE/Troberg, Art. 52 Rdnr. 5; die Untersuchung von Loritz/Wagner scheint diesen Gesichtspunkt zu übergehen, da nur Fragen der Kapitalverkehrsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit angesprochen werden. 120 GTE/Troberg, Art. 52 Rdnr. 3; gleiches gilt für den Arzt, der sich nur zur Behandlung in ein anderes Land begibt (dann Dienstleistung) oder im anderen Land eine Praxis eröffnet (dann Niederlassung).
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
215
angelegt sein muß und damit nicht nur vorübergehender Natur sein darf 121 . Gleiches gilt für die von der Anlage oder Einrichtung ausgehenden Tätigkeit 122 . Da sowohl eine Niederlassung im Sinne des EG-Vertrages als auch die Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO von dem Merkmal der Dauerhaftigkeit wesentlich geprägt wird, läßt sich die Gründung einer Betriebsstätte unter die Niederlassungsfreiheit fassen 123. Geklärt ist mittlerweile, daß sich der inländische Steuerpflichtige auf die Niederlassungsfreiheit als eine unmittelbar geltende Bestimmung berufen kann 124 . 2. Das Verhältnis der Niederlassungsfreiheit zur Kapitalverkehrsfreiheit Nach Art. 43 Abs. 2 EGV gilt die Niederlassungsfreiheit vorbehaltlich der Freiheit des Kapitalverkehrs. Die Kapitalverkehrsfreiheit will dem Kapital „als zentralem Produktionsfaktor (...) die Möglichkeit geben (...), innerhalb Europas den Ort der ertragreichsten Anlage zu suchen und damit zugleich den größtmöglichen Nutzen für die Volks Wirtschaft zu stiften" 125 . Der EG-Vertrag definiert den Begriff des Kapitalverkehrs nicht. Die EuGH-Rechtsprechung hat den Begriff bisher ebenfalls nicht inhaltlich bestimmt, sondern beschränkt sich in erster Linie auf eine Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten 126. Eine partielle Aufzählung geschützter Kapitalströme findet sich in Art. 57 Abs. 1 EGV. Ergänzend kann auf die früher zur Durchführung des Art. 67 EWG-Vertrages a.F. ergangene Richtlinie 127 zurückgegriffen 121
Vgl. BFH BStBl. II 1975, S. 203 f. (204); BFH BStBl. II 1987, S. 162ff. (163); BFH BStBl. II 1993, S. 462 ff. (465); nach BFH BStBl. II 1993, S. 655 f. (656) kann sowohl auf den Betriebsstättenbegriff nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 DBA-Italien 1925 als auch nach § 12 AO in analoger Anwendung der §§ 9, 12 S. 2 Nr. 8 AO eine zeitliche Mindestgrenze von 6 Monaten gefordert werden. 122 Vgl. BFH BStBl. II 1993, S. 655 f. (655) zum Betriebsstättenbegriff nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 DBA-Italien 1925, der nach Ansicht des BFH nach den gleichen Kriterien wie § 12 AO hinsichtlich der Dauerhaftigkeit zu beurteilen ist; vgl. BFH BStBl. II 1987, S. 162ff. (163) m.w.N. 123 Zur Rechtslage in Österreich vgl. Lechner in: Gassner/Lang/Lechner, S. 94. 124 Vgl. EuGHE 1974, S. 63Iff. (652) („Reyners"); Bleckmann, S. 601 f.; Geiger, Art. 52 Rdnr. 8. 125 Schön in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 745. 126 Vgl. EuGHE 1978, S. 2247 ff. (2274f.) („Thompson"); EuGHE 1981, S. 2595 ff. (2613 ff.) („Casati"); EuGHE 1984, S. 377 ff. (403) („Luisi und Carbone"); EuGHE 1986, S. 2013 ff. (2030) („Brugnoni und Ruffinengo"); EuGHE 1988, S. 4369 ff. (4390) („Lambert"); EuGHE 1995, S. I - 361 ff. (383) („Boressa"). 127 Vgl. Richtlinie des Rates vom 24.6.1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (88/361/EWG) in: ABl. EG 1988 Nr. L 178, S. 5 ff.; vgl. inbesondere
216 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
werden 128. Üblicherweise wird darunter eine einseitige Wertübertragung aus einem Mitgliedstaat in einen anderen verstanden129, die regelmäßig zugleich mit einer Vermögensanlage verbunden ist 1 3 0 . Beabsichtigen inländische Steuerpflichtige im Ausland Betriebsstätten zu gründen, so ist damit in den meisten Fällen ein entsprechender Kapitalfluß aus dem Inland in das Ausland verbunden. Eine Ausnahme von diesem grenzüberschreitenden Kapitalfluß besteht nur dann, wenn die Gründung der ausländischen Betriebsstätte mit Mitteln aus einer bereits in dem Investitionsland belegenen Betriebsstätte erfolgt. Im Regelfall werden jedoch ausländische Betriebsstätten durch Mittel des inländischen Stammhauses finanziert. Die in den ersten Jahren entstehenden Anlaufverluste stehen daher in einem engen Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden Kapitaltransfer. Damit kommt es zwangsläufig zu der Frage, ob eine Vorschrift wie § 2a Abs. 1, 2 EStG, die Investitionen im Ausland verhindern soll, nicht auch gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs gemäß Art. 56 Abs. 1 EGV verstößt. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist nach Art. 56 Abs. 1 EGV ein unmittelbar anwendbares Recht 131 , so daß sich jeder Bürger darauf berufen kann 132 . Dies beruht vornehmlich darauf, daß die Vorschrift nach der Neufassung hinreichend klar und bestimmt und nicht von Durchführungsmaßnahmen abhängig ist 1 3 3 . Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs verbietet grundsätzlich devisenrechtliche Bestimmungen als direkte Eingriffe in den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr, sowie nicht-devisenrechtliche Bestimmungen, die sich mittelbar auf die Kapital Verkehrsfreiheit auswirken 134. Da die Gründung einer ausländischen Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, wie bereits dargestellt, in den meisten Fällen mit einem Kapitaltransfer verbunden ist, stellt sich die Frage, in die Nomenklatur für den Kapitalverkehr im Anhang I, S. 8 ff., gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie. 128 Vgl. Bleckmann/Eckhoff, S. 621 f. 129 Vgl. Grabitz/Hilf/Ress/Ukrow, Art. 73 b Rdnr. 9; Streinz, S. 256; Bleckmann/Eckhoff, S. 622; Schweitzer/Hummer, S. 370. 130 Vgl. Bleckmann/Eckhoff, S. 622; Schweitzer/Hummer, S. 370. 131 Vgl. EuGHE 1995, S. I - 4821 ff. (4841 ff.) („Sanz de Lera u.a.") zu Art. 73b Abs. 1,73 c, 73 d Abs. lb) EGV. 132 Anders zur Rechtslage bei Art. 67, 71 Abs. 1 EWG-Vertrag noch EuGHE 1981, S. 2595 ff. (2616) („Casati"); die Auffassung von Ebenroth/Willburger zur Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber § 2a Abs. 1, 2 EStG ist daher wegen der Änderung des EG-Vertrages überholt. 133 Vgl. Geiger, Art. 73 b. Rdnr. 1; nach Art. 67 Abs. 1, 69 EWG-Vertrag (a.F.) bedurfte es Richtlinien des Rates zur schrittweisen Durchführung der Kapitalverkehrsfreiheit. 134 Vgl. Schweitzer/Hummer, S. 370.
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
welchem Verhältnis zueinander stehen.
Niederlassungsfreiheit
217
und Kapitalverkehrsfreiheit
Man könnte in dieser Konstellation auf das Schwergewicht der Investition abstellen135. Für die Lösung dieses Problem bietet jedoch der EG-Vertrag in Art. 43 Abs. 2 EGV einen Ansatz. Danach umfaßt die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine Angehörigen, vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr. Das Verhältnis zwischen den beiden Marktfreiheiten ist anhand der Tragweite des Begriffs „vorbehaltlich" zu deuten. Durch die Verwendung einer solchen Formulierung wird nach dem Wortsinn eine Einschränkung zum Ausdruck gebracht. Die Freiheit zur Niederlassung kommt nicht zur Geltung, wenn der Sachverhalt unter den Bereich des Kapitalverkehrs zu subsumieren ist. In vergleichbarer Weise zu Art. 43 Abs. 2 EGV findet sich in Art. 58 Abs. 2 EGV ein Verweis auf die Beschränkungen der Niederlassung. Aus diesem wechselbezüglichen Verhältnis beider Grundfreiheiten wird gefolgert, daß keine echten Ausnahmeregelungen vorliegen 136. Vielmehr wird im Wege der Verweisung klargestellt, daß die die Niederlassung vorbereitenden Kapitalflüsse nicht nach den Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit, sondern nach denen der Kapitalverkehrsfreiheit zu behandeln sind 137 . Damit dient die Kapitalverkehrsfreiheit aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht der Realisierung der für den Binnenmarkt konstitutiven sonstigen Grundfreiheiten 138. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist demgemäß nicht (mehr) ein bloß subsidiärer Tatbestand139. Beabsichtigt ein inländischer Steuerpflichtiger in einem ausländischen Staat zu investieren, so unterfällt der, der Betriebsstättengründung vorgeschaltete, Akt des Kapitaltransfers der Kapitalverkehrsfreiheit. Alle sonstigen mit der Standortwahl 140 zusammenhängenden Umstände sind der Niederlassungsfreiheit zuzuordnen.
135 136 137 138 139 140
S. 737.
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2274. GTE/Troberg, Art. 52 Rdnr. 8. GTE/Troberg, Art. 52 Rdnr. 8. Grabitz/Hilf/Ress/Ukrow, Art. 73 b Rdnr. 2. Schön in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 748; a. A. Brinkmann, S. 60. zum Begriff der freien Standortwahl Roth in: GS für B. Knobbe-Keuk,
218 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
3. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis läßt sich festhalten, daß Vorschriften, die Investitionen im Ausland zum Zwecke der Betriebsstättengründung betreffen, sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch die Kapitalverkehrsfreiheit berühren können. Auf beide Grundfreiheiten können sich in Deutschland steuerpflichtige Unionsbürger berufen, da beide Grundfreiheiten unmittelbar anwendbares Recht sind. Die Anwendbarkeit der jeweiligen Grundfreiheit ist abhängig von der Art der Investition. Erschöpft sich die Auslandsinvestition allein in einem Kapitaltransfer im Sinne einer ausschließlichen ausländischen Kapitalanlage, so scheidet die Niederlassungsfreiheit aus. In diesem Fall sog. Portfolio- oder Finanzinvestitionen141 wird nur der Kapitalverkehr betroffen, da der Anleger Kapital einsetzt, um auf diese Weise Erträge zu erzielen, ohne selbst aktiv tätig zu werden, er also nur sein Kapital „arbeiten" läßt 142 . Anders ist die Rechtslage, wenn er im Sinne von Loritz/Wagner neben der bloßen Investition aktiv auf die Gründung einer Betriebsstätte hinwirkt. Unzulässig ist eine Abgrenzung nach dem Schwergewicht der Investition. Eine derartige Betrachtung widerspricht der Dogmatik zwischen Niederlassungs· und Kapitalverkehrsfreiheit. Wird zwecks Gründung einer ausländischen Betriebsstätte Kapital eingesetzt, so ist isoliert der Kapitalfluß der Kapitalverkehrsfreiheit zuzuordnen, während die sonstigen Umstände der Niederlassungsfreiheit unterliegen. Für die weitere Vorgehensweise ist folglich zu untersuchen, ob § 2a Abs. 1, 2 EStG eine Beeinträchtigung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit darstellt und welche Anforderungen gegebenenfalls an eine Rechtfertigung der potentiellen Beschränkung zu stellen sind. 4. Eingriff des § 2a Abs. 1, 2 EStG in die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit Durch die Einschränkung der Verlustverrechnung mittels § 2a Abs. 1, 2 EStG versucht der inländische Gesetzgeber, den Steuerpflichtigen von bestimmten Investitionen im Ausland abzuhalten. Die nationale Regelung, die sich im Bereich passiv-tätiger Betriebsstätten auswirkt, soll grenzüberschreitende Vorgänge verhindern, indem diese steuerlich unattraktiv werden. 141
Vgl. GTE/Troberg, Art. 52 Rdnr. 11. Vgl. Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2274; nach Loritz/Wagner ist dies insbesondere bei einer Beteiligung als stiller Gesellschafter oder als partiarischer Darlehensgeber am Handelsgewerbe eines anderen der Fall, vgl. auch § 2a Abs. 1 Nr. 5 EStG. 142
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
219
Fraglich ist daher, ob die Grundfreiheiten des EG-Vertrages es zulassen, daß sich ein inländischer Steuerpflichtiger gegenüber seinem eigenen Mitgliedstaat auf die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann. a) Offene oder versteckte Diskriminierung Nach der Formulierung des Art. 43 Abs. 2 EGV umfaßt die Niederlassungsfreiheit als Diskriminierungsverbot 143 das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat als dem Heimatstaat eine dauernde selbständige Tätigkeit zu den gleichen Bedingungen wie Inländer auszuüben144. Unter diesem Aspekt wird das Diskriminierungsverbot als Gebot der Inländergleichbehandlung verstanden145. Danach ist es einem Mitgliedstaat untersagt, Regeln zu erlassen, die gegenüber Ausländern diskriminierende Wirkung entfalten, wenn diese sich in dem Mitgliedstaat niederlassen wollen 146 . Die Niederlassungsfreiheit verbietet diesbezügliche Formen der offenen Diskriminierung 147, bei der ausdrücklich an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird. Das Verbot gilt darüber hinaus unstreitig auch dann, wenn eine Beschränkung unabhängig von der Staatsangehörigkeit gilt, jedoch in erster Linie EU-Ausländer trifft (sog. versteckte Diskriminierung 148), da diese weite Auslegung zur Wahrung der Wirksamkeit der Grundprinzipien 149 des EU-Vertrages notwendig ist. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1998, die ebenfalls eine Berücksichtigung ausländischer Verluste betraf, bejaht der EuGH eine Diskriminierung 150 . Allerdings betraf der Fall eine britische Muttergesellschaft, die Verluste ausländischer, in der EU belegener, Tochtergesellschaften bei der inländischen Besteuerung geltend machen wollte (vereinfacht). In dieser 143
Obwohl Art. 43 EGV den Begriff der Diskriminierung nicht verwendet, wird von einem Diskriminierungsverbot auch in der EuGH-Rechtsprechung gesprochen (vgl. EuGHE 1989, S. 1461 ff (1476) („Kommission / Griechenland") m.w.N.), da Art. 43 EGV eine besondere Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots ist (vgl. GTE/Troberg, Art. 52 Rdnr. 36; Geiger Art. 52 Rdnr. 8). 144 Vgl. Streinz, S. 246. 145 Vgl. Arndt, S. 113; Schweitzer/Hummer, S. 359; Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2573 m.w.N. 146 Vgl. Streinz, S. 246; Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2574. 147 Vgl. Grabitz/Hilf/von Bogandy, Art. 6 Rdnr. 12: auch unmittelbare, formale oder direkte Diskriminierung genannt. 148 Vgl. EuGHE 1989, S. 1591 ff. (1610) („Allue'"); Geiger, Art. 52 Rdnr. 14; GTE/Troberg, Art. 52 Rdnr. 36 ff. (37, 39); vgl. Grabitz/Hilf/von Bogandy, Art. 6 Rdnr. 12: auch mittelbare, verschleierte, materielle oder indirekte Diskriminierung genannt. 149 Vgl. EuGHE 1974, S. 153 ff. (164) („Sotgiu"). 150 Vgl. EuGH v. 16.7.1998 - Rs. C - 264/96, in: EWS 1998, S. 344 ff. (346) Rdnr. 21 ff. („Imperial Chemical Industries").
220 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Konstellation konnte von einer Diskriminierung ausgegangen werden, da der Sitz der Tochtergesellschaften, „ebenso wie die Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen, dazu dient, ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Staates zu bestimmen"151. Insoweit lag der für eine Diskriminierung erforderliche subjektive Anknüpfungspunkt vor. § 2a Abs. 1, 2 EStG beinhaltet jedoch weder eine offene noch eine verdeckte Diskriminierung. Eine offene Diskriminierung liegt nicht vor, da § 2a Abs. 1, 2 EStG keinen Bezug zur Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen aufweist. Eine versteckte Diskriminierung läßt sich bei § 2a Abs. 1, 2 EStG ebenfalls nicht begründen. Die von § 2a Abs. 1, 2 EStG beabsichtigte unterschiedliche Behandlung liegt in der Differenzierung zwischen den Steuerpflichtigen, die im Inland und denen, die im Ausland investieren. Eine unterschiedliche Behandlung von Inländern, selbst wenn es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt, stellt aber keine Form der verdeckten Diskriminierung dar. Die Differenzierung knüpft nämlich nicht an subjektive, in der Person des Steuerpflichtigen liegende Umstände, sondern nur an den Ort der Investition an. b) „Umgekehrte" Diskriminierung Die Situation der „umgekehrten" Diskriminierung („Inländerdiskriminierung" 152 ) entsteht dadurch, daß der nationale Gesetzgeber für Inländer nachteilige Vorschriften erläßt, die durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts für einen Ausländer nicht gelten 153 . Die „umgekehrte" Diskriminierung erfaßt damit den Fall, daß der Heimatstaat seine Staatsangehörigen schlechter behandelt als EU-Ausländer 154. Der Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, der sich in derselben Situation wie der Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates befindet, ist in diesem Fall wie der Staatsangehörige aus dem anderen Mitgliedstaat zu behandeln155. Gemeinschaftsrechtlich relevant wird diese Fallgruppe nach der EuGH-Rechtsprechung aber erst dann, wenn der Inländer einen Anknüpfungspunkt zum EUAusland nachweisen kann, so daß er in ähnlicher Weise wie ein EU-Ausländer von einer Grundfreiheit Gebrauch macht 156 . Ansonsten ist nur eine Überprüfung an den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mög151
Vgl. EuGH v. 16.7.1998 - Rs. C - 264/96, in: EWS 1998, S. 344ff. (346) Rdnr. 20 („Imperial Chemical Industries") mit Verweis auf EuGHE 1986, S. 273 ff. (304) („avoir fiscal"); EuGHE 1993, S. I - 4017 ff. (4043) („Commerzbank"). 152 Vgl. zu den Begriffen GTE/Troberg, Art. 52 Rdnr. 63; umfassend und mit Differenzierungen: Hammerl, S. 5Iff. 153 Vgl. Schuster, S. 147. 154 Vgl. Oppermann, S. 553. 155 Vgl. Bleckmann, S. 642.
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
221
lieh 157 . Dies folgt aus der föderalen Struktur der Gemeinschaft und dem in Art. 5 EGV niedergelegten Subsidiaritätspinzip, so daß „den Mitgliedstaaten alle Sachbereiche zu nichtdiskriminierenden Regelungen zu überlassen (sind), die keine grenzüberschreitenden Wirkung haben"158. Abstrahiert man die Aussagen zur umgekehrten Diskriminierung, so bedeutet dies in Anlehnung an die „Knoors"-Entscheidung des EuGH 159 , daß ein im Ausland erzielter rechtlich relevanter Umstand auch im Inland für den Inländer beachtlich ist, sofern dies für den Ausländer in einer vergleichbaren Lage der Fall wäre. Übertragen auf § 2a Abs. 1, 2 EStG wäre der rechtlich relevante Umstand der Auslandsverlust. Da jedoch der deutsche Fiskus sowohl die Auslandsverluste seiner Staatsangehörigen als auch die der EU-Ausländer im Rahmen der deutschen Steuerpflicht nur eingeschränkt zur Verrechnung zuläßt, behandelt er beide Vergleichsgruppen gleich, so daß aus deutscher Sicht keine personenbezogene Diskriminierung vorliegt. Ein anderes Ergebnis läßt sich auch nicht durch einen weiten Inländerbegriff herleiten. Nachbaut versteht unter Inländer im Sinne der Niederlassungsfreiheit nicht nur die inländischen Staatsangehörigen, sondern alle Gemeinschaftsangehörigen, „denen nicht unbedingt die Staatsangehörigkeit, wohl aber die Art und Weise der erwerbswirtschaftlichen Betätigung in einem bestimmten Mitgliedstaat gemeinsam ist" 1 6 0 . In ähnlicher Weise definiert Hammerl den Inländer im Zusammenhang mit einer Inländerdiskriminierung als denjenigen, der in subjektiven Rechten betroffen ist, indem der jeweilige Mitgliedstaat ihn als Rechtssubjekt seiner Rechtsordnung unterwirft, so daß die Staatsangehörigkeit nicht maßgebend sei 161 . Diese Sicht156
Vgl. EuGHE 1982, S. 3723 ff. (3736) („Morson"); EuGHE 1992-1 S. 4265 ff. (4294 f.) („Singh"); EuGHE 1995, S. 1-301 ff. (317) („Aubertin"); vgl. EuGHE 1979, S. 399 ff. (410) („Knoors"): „Zwar sind die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den Dienstleistungsverkehr nicht auf rein interne Verhältnisse eines Mitgliedstaats anwendbar, doch kann die in Artikel 52 (jetzt Artikel 43) enthaltene Bezugnahme auf die »Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats*, die sich ,im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats4 niederlassen wollen, nicht dahin ausgelegt werden, daß die eigenen Staatsangehörigen eines bestimmten Mitgliedstaats von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ausgeschlossen wären, wenn sie sich aufgrund der Tatsache, daß sie rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässig waren und dort eine nach dem Gemeinschaftsrecht anerkannte berufliche Qualifikation erworben haben, gegenüber ihrem Herkunftsland in einer Lage befinden, die mit derjenigen aller anderen Personen, die in den Genuß der durch den Vertrag garantierten Rechte und Freiheiten kommen, vergleichbar ist.". 157 Vgl. EuGHE 1994, S. I - 2715ff. (2722f.) („Steen"). 158 Everling, DB 1990, S. 1858. 159 Vgl. EuGHE 1979, S. 399ff. (419) („Knoors"). 160 Nachbaur, EuZW 1991, S. 472. 161 Vgl. Hammerl, S. 53.
222 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
weise wird durch die EuGH-Rechtsprechung bestätigt, da der EuGH grundsätzlich die potentiell verdeckt diskriminierende Wirkung der steuerlichen Unterscheidung nach der Ansässigkeit anerkennt 162. Aber selbst bei einer solchen Begriffsbestimmung liegt eine Diskriminierung nur in bezug auf den Ausländer vor, der nicht in Deutschland steuerpflichtig ist, so daß aus deutscher Sicht allenfalls eine fehlende Harmonisierung, nicht aber eine Diskriminierung innerhalb der deutschen Steuergewalt gegeben ist 1 6 3 . Allein die Anknüpfung an die Belegenheit der Betriebsstätte reicht mangels eines in der Person des Steuerpflichtigen liegenden subjektiven Umstandes nicht aus. Allerdings bietet die Unterscheidung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht einen denkbaren Ansatzpunkt, von einer Inländerdiskriminierung zu sprechen. Dieser Ansicht scheint Eckhoff zu sein, der die Grundsätze der Inländerdiskriminierung anwendet164, da die Vorschrift nur bei unbeschränkt Steuerpflichtigen gelte. Unter Berücksichtigung des Anwendungsbereiches des § 2a Abs. 1, 2 EStG ist diese Sichtweise zutreffend. Da allerdings bei beschränkt Steuerpflichtigen Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten regelmäßig nicht vorkommen können (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG) hat dies zur Folge, daß derartige Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht von vornherein irrelevant sind. Während bei unbeschränkt Steuerpflichtigen Auslandsverluste aus passiven Betriebsstätten über § 2a Abs. 1, 2 EStG unberücksichtigt bleiben, führen beide Konstellationen zu dem gleichen Ergebnis. Von einer indirekten Diskriminierung kann daher nicht gesprochen werden 165. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß § 2a Abs. 1, 2 EStG weder eine offene, verdeckte noch eine umgekehrte Diskriminierung beinhaltet. c) Beschränkung der Niederlassungsfreiheit Es bestand lange Zeit Streit, ob die Niederlassungsfreiheit nur diskriminierende Sachverhalte betrifft oder ob sich daraus auch ein allgemeines 162 Vgl. EuGHE 1990, S. 1779ff. (1793) („Biehl"); EuGHE 1993, S. I - 4017ff. (4043 f.) („Commerzbank"); Thömmes in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 802. 163 Vgl. Schuch, IWB F. 11 Gr. 2, S. 261 zum Verhältnis zwischen Harmonisierung und Diskriminierung. 164 Vgl. Birk/Eckhoff, S. 570, Eckhoff hält im Ergebnis die Diskriminierung jedoch für gerechtfertigt. 165 Die Ansicht Eckhoffs kann jedoch auch in der Weise verstanden werden, daß der Begriff der Inländerdiskriminierung nur Oberbegriff für alle Formen von Beschränkungen ist, denen Inländer unterworfen werden. Dafür spricht möglicherweise sein Verweis auf das „Daily Mail"-Urteil des EuGH (s.u.).
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
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Beschränkungsverbot für unterschiedslos wirkende Maßnahmen ableiten läßt 166 . Während dies zum Teil abgelehnt wurde 167 , ging die Rechtsprechung des EuGH in der „Kraus"-Entscheidung davon aus 168 , daß die Niederlassungsfreiheit ein allgemeines Beschränkungsverbot darstellt. Demgemäß steht die Niederlassungsfreiheit „jeder nationalen Regelung (...) entgegen, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der durch den EWGV garantierten grundlegenden Freiheiten durch die Gemeinschaftsangehörigen einschließlich der Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, der die Regelung erlassen hat, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen"169. Ein Eingriff in die Grundfreiheiten kann demgemäß auch außerhalb der Sachverhalte, die schon über die Diskriminierungslehre erfaßt werden, vorliegen, wenn das nationale Recht die Ausübung eines gemeinschaftlichen Rechts behindert oder weniger attraktiv macht 170 , so daß von ihr allgemein eine potentiell benachteiligende Wirkung ausgeht. Insbesondere in seiner „Futura"-Entscheidung, die unmittelbar direkte Steuern betraf, verwendet der EuGH ausdrücklich den Begriff des Beschränkungsverbots 171. Damit wendet sich der EuGH auch gegen Entwicklungen, die aus seiner bisherigen Rechtspre166
Vgl. die Darstellung des Streitstandes bei Nowack, S. 90ff. Vgl. Everling, DB 1990, S. 1858; Hailbronner, JuS 1991, S. 919f.; Nachbaur, EuZW 1991, S. 470ff.; a.A. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2574; Seer, IStR 1997, S. 521. 168 Vgl. die Analyse der bisherigen Rechtsprechung in: Dauses/Roth, E Rdnr. 62ff.; Everling in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 608ff.; Roth in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 730 ff. 169 EuGHE 1993, S. I - 1663 ff. (1697) („Kraus"). 170 Vgl. EuGHE 1995, S. 1-4165 ff. (4197) („Gebhard"); Dautzenberg, IStR 1997, S. 570f.; Roth in: GS für B. Knobbe-Keuk mit Verweis auf EuGHE 1996, S. I - 703 ff. (715) („Kemmler"): „Die Regelungen eines Mitgliedstaates, nach der Personen, die bereits eine selbständige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben, dort wohnen und einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, Beiträge an die Sozialversicherung für Selbständige entrichten müssen, behindert die Ausübung einer Erwerbstätigkeit außerhalb dieses Mitgliedstaates. Artikel 52 des Vertrages steht daher einer solchen Regelung entgegen, sofern es für sie keine Rechtfertigung gibt."; vgl. Roth in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 740. 171 Vgl. EuGHE 1997, S. I - 2471 ff. (2500) („Futura Participations und Singer"); Der EuGH mußte über eine Vorlage des luxemburgischen Conseil d'Etat entscheiden, ob eine einkommensteuerrechtliche Vorschrift mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, soweit sie die Anwendung der Bestimmungen über den Verlustvortrag auf Steuerausländer, die eine Betriebsstätte in Luxemburg haben, von der Voraussetzung abhängig machen, daß die Verluste im Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen und daß im Inland ordnungsmäßige Bücher und geführt und aufbewahrt werden (vgl. S. 2497).; vgl. hierzu von Borries, EuZW 1997, S. 446; Dautzenberg, IStR 1997, S. 570. 167
224 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
chung erkennen wollten, daß ein allgemeines Beschränkungsverbot bei der Niederlassung nur punktuell, in bestimmten Fallgruppen, gilt 1 7 2 . Es ist, worauf von Borries hinweist, auch nicht zu erwarten, daß der EuGH in künftigen Entscheidungen hinter den erreichten Entwicklungsstand zurückfallen wird, da dies dogmatisch nicht zu erklären wäre 173 . Die Besonderheit des § 2a Abs. 1, 2 EStG besteht nunmehr darin, daß der Ansässigkeitsstaat die Niederlassung in einem anderen Staat verhindern will, so daß er die Standortwahl des Steuerpflichtigen beeinflußt. Die beschränkende Wirkung der Steuervorschrift geht, im Gegensatz zur „Futura"-Entscheidung des EuGH, somit vom Heimatstaat und nicht vom Betriebsstättenstaat aus. Das Problem der Beschränkungen der Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat seitens des Ansässigkeitsstaates war Gegenstand der „Daily Mail"-Entscheidung des EuGH 174 . In diesem Verfahren beabsichtigte die Daily Mail and General Trust PLC, ihren Sitz von Groß-Britannien in die Niederlande zu verlegen. Da beide Staaten gesellschaftsrechtlich der Gründungstheorie folgen 175 , ist eine Sitzverlegung unter Identitätswahrung möglich. Dies führt nach britischem Recht nicht zwingend zu einer Schlußbesteuerung der stillen Reserven. Allerdings bedurfte der Wegzug (unter Identitätswahrung) nach damaligem britischen Steuerrecht der Zustimmung des Finanzministeriums, die die Entrichtung von Steuern auf die „capital gains" voraussetzt176. Der Zustimmungsvorbehalt sicherte auf diese Weise die Besteuerung stiller Reserven. Gerade diesen Aspekt beabsichtigte die Daily Mail and General Trust PLC durch die Sitzverlegung in die Niederlande zu umgehen, da die in den Niederlande zu entrichtende Körperschaftsteuer nur auf den nach Sitzverlegung angefallenen Wertzuwachs erhoben wird. Der EuGH mußte nun entscheiden, ob der Zustimmungsvorbehalt der britischen Finanzverwaltung mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. In seiner Entscheidung stellt er zunächst fest, daß die Niederlassungsfreiheit auch vor Beschränkungen des Ansässigkeitsstaates bei ausländischen Niederlassungen durch Inländer schützt: „Zwar sollen diese Bestimmungen 172
Vgl. von Borries, EuZW 1997, S. 446; überholt daher z.B. Geiger, Art. 52 Rdnr. 15 ff., wonach außerhalb der vom EuGH entschiedenen Fälle Hemmnisse, die in den Unterschieden der nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten liegen, nur im Wege der Rechtsangleichung (Art. 44, 47) beseitigt werden können (vgl. Rdnr. 19). 173 Vgl. von Borries, EuZW 1997, S. 447; Dautzenberg, IWB F. 11 Gr. 2, S. 258 f. 174 Vgl. EuGHE 1988, S. 5483 ff. („Daily Mail"). 175 Vgl. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2579. 176 Ygi Schuch in: Gassner/Lang/Lechner, S. 111.
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
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ihrer Fassung nach insbesondere die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sicherstellen, sie verbieten es aber auch dem Herkunftsstaat, die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten, der Definition des Art. 58 (Art. 48) genügenden Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, wären die Art. 52 ff. (Art. 43 ff.) sinnentleert, wenn der Herkunftsstaat Unternehmen verbieten könnte, auszuwandern, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen."177 Von Interesse ist die Wegzugsbeschränkung als Annahme eines Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit. Die „Daily Mail"-Entscheidung entwickelt die Rechtsprechung in bezug auf Gesellschaften fort. In einer Entscheidung aus dem gleichen Jahr erkannte der EuGH hinsichtlich natürlicher Personen bereits an, daß bei Wegzugsbeschränkungen Art. 43 EGV beeinträchtigt wird. Er entschied, daß „die Gesamtheit der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit (...) den Gemeinschaftsbürgern die Ausübung jeder Art von Erwerbstätigkeit im gesamten Gebiet erleichtern (soll) und (...) einer nationalen Regelung entgegen(steht), die sie dann benachteiligen könnte, wenn sie ihre Tätigkeit über das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaates hinaus ausdehnen wollen" 178 . Diese Aussage wird vom EuGH in späteren Entscheidungen ausdrücklich bestätigt179. Daß eine Wegzugsbeschränkung unter den Schutz der Niederlassungsfreiheit fällt, ist damit letztlich nicht mehr umstritten 180. Die Wahrnehmung des Niederlassungsrechts in einem anderen Mitgliedstaat setzt voraus, daß der Heimatstaat dem Wegzug keine zu rechtfertigenden Hindernisse entgegensetzt181. Die Niederlassungsfreiheit betrifft die Freiheit der Standortwahl, die ihrerseits die Freiheit des Wegzugs und des Marktzutritts impliziert 182 . Sie wird beeinträchtigt, wenn eine „steuerrechtliche Hemmung nicht im Ausland, sondern in Deutschland ein177
EuGHE 1988, S. 5483 ff. (5519) („Daily Mail"). EuGHE 1988, S. 3877 ff. (3894) („Stanton"); in diesem Sinne bei der doppelter Staatsangehörigkeit zur Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit und der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs auch EuGHE 1988, S. 111 ff. (136) („Gullung"). 179 Vgl. EuGHE 1995, S. I - 4921 ff. (5069) („Bosman"); für den Bereich direkter Steuern vgl. EuGH in: IStR 1998, S. 336ff. („Gilly") (Rdnr. 19) mit Anmerkungen Rainer u. Lehner und für Gesellschaften EuGH v. 16.7.1998 - Rs C - 264/96, in: EWS 1998, S. 344 ff. (346) (Rdnr. 21) („Imperial Chemical Industries"). 180 Vgl. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2574; GTE/Troberg, Art. 52 Rdnr. 64; vgl. aber auch z.B. Toifl in: Gassner/Lang/Lechner, S. 162 der darin einen Anwendungsfall des Diskriminierungsverbotes sieht. Die unterschiedliche rechtliche Behandlung gleicher Sachverhalte ergibt sich nach seiner Auffassung aus einem Vergleich zwischen Unternehmen, die ihren Sitz nur im Inland verlegen, mit Unternehmen, die ihren Sitz über die Grenze verlegen und aus diesem Grund schlechter behandelt werden. 181 Vgl. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2577. 182 Vgl. Dauses/Roth, E Rdnr. 69. 178
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226 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
setzt (...)· Denn die Folgen für die Niederlassungsfreiheit sind dieselben: Deutsche (Gesellschaften) werden in ihrer Tätigkeit, ja in ihrer Niederlassung, im EG-Ausland behindert." 183 Die rechtliche Grundlage der Wegzugsbeschränkung wird zum Teil in dem im Wortlaut des Art. 43 Abs. 2 EGV zum Ausdruck gekommene Prinzip der Inländerbehandlung gesehen, das indiziert, daß es sich bei den in Art. 43 Abs. 2 EGV erwähnten Vorgängen nur um einen Mindestschutz handelt, da der Vertragstext den Begriff „umfaßt" wählt 184 . Troberg hingegen ist der Auffassung, daß sich die Wegzugsbeschränkung als Ausgangsfreiheit nicht dem Wortlaut des Art. 43 EGV entnehmen läßt und wendet daher Art. 43 EGV analog an 185 . Sachliche Unterschiede ergeben sich daraus jedoch nicht. Bezogen auf steuerrechtliche Vorschriften ist festzuhalten, daß, auch aus der Sicht des Steuerrechts 186, „jeder, der ein gemeinschaftlich verbürgtes Recht wahrnimmt, sich - auch gegenüber seinem eigenen Staat - auf den Schutz des Gemeinschaftsrechts berufen kann, und zwar uneingeschränkt" 187. Daß unzulässige Wegzugsbeschränkungen nicht auf direkte Beschränkungen wie in der „Daily Mail"-Entscheidung beschränkt sind, sondern auch mittelbare Beschränkungen erfaßt, die den Wegzug weniger attraktiv machen, ist vom EuGH ebenfalls anerkannt 188. Eine Beschränkung liegt nicht nur vor, wenn explizit die Niederlassung untersagt wird, sondern bereits dann, wenn eine faktische Beeinträchtigung gegeben ist 1 8 9 . Es 183
Leisner, RIW 1993, S. 1020. Vgl. Dauses/Roth, E Rdnr. 69; Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2574. 185 Vgl. GTE/Troberg, Art. 52 Rdnr. 66. 186 Vgl. EuGHE 1-1996, S. 3089 ff. (3123) („Asscher"). 187 Dautzenberg, IStR 1998, S. 306. 188 Vgl. EuGHE 1988, S. 3877 ff. (3895) („Stanton"): „Die Regelung eines Mitgliedstaates, die Personen, die hauptberuflich einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat nachgehen, von der Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zum (Sozialversicherungs-) System für Selbständige befreit, diese Befreiung aber Personen versagt, die hauptberuflich einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nachgehen, benachteiligt diejenigen, die Erwerbstätigkeiten außerhalb des Hoheitsgebietes dieses Mitgliedstaates ausüben. Die Artikel 48 und 52 EWG-Vertrag (Art. 39 und 43 EGV) stehen daher einer solchen Regelung entgegen.44. 189 Vgl. Rädler/Lausterer/Blumenberg, DB 1996, Beilage Nr. 3, S. 9 zu der Frage der irischen IFSC - International Financial Service Center-; vereinfacht: Unternehmen, die sich im Gebiet der im Hafengebiet von Dublin gelegenen IFSC niederließen (sog. „Dublin-Dock-Gesellschaften 44, vgl. Birk/Scherer, S. 967), wurden nach irischem Steuerrecht zeitbegrenzt mit einem Körperschaftsteuersatz von 10% besteuert. Die deutsche Finanzverwaltung erachtete Beteiligungen deutscher Kapitalgesellschaften an IFSC-Gesellschaften für rechtsmißbräuchlich nach § 42 AO und rechnete den Gewinn der Tochtergesellschaften dem in Deutschland steuerpflichtigen Gewinn der Muttergesellschaft zu. 184
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
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macht daher keinen Unterschied, ob die Grundfreiheiten gezielt oder zufällig ausgehöhlt werden 190. Eine Beeinträchtigung im Sinne der Niederlassungsfreiheit liegt in Anlehnung an Thömmes dann vor, wenn die Auslandstätigkeit des Unternehmers eine zusätzliche steuerliche Belastung im Vergleich zu der gleichen oder entsprechenden Tätigkeit im Inland auslöst191. Herzig/Dautzenberg stellen ebenfalls darauf ab, ob die Anwendung der Vorschrift für den Betroffenen nachteilig ist 1 9 2 . Mit der Vorschrift des § 2a Abs. 1, 2 EStG verstößt der deutsche Gesetzgeber gegen die Niederlassungsfreiheit in Form der Wegzugsbeschränkung. Dem Zweck einer Vorschrift kommt zunächst indizielle Bedeutung für ihre Wirkung zu 1 9 3 . Loritz/Wagner stellen darüber hinaus zutreffend fest, daß bei einer Einschränkung des Verlustausgleichs auf den Steuerpflichtigen „ein ganz erheblicher wirtschaftlicher Druck (ausgeübt werde), nicht im Ausland zu investieren" 194. Da die Nichtanerkennung tatsächlicher Verluste die Kosten einer Auslandsinvestition erhöhen kann, wird durch das gesteigerte unternehmerische Risiko eine Auslandinvestition behindert 195. Durch die mit § 2a Abs. 1, 2 EStG eingeführte Vorschrift beabsichtigte der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich, Investitionen im Ausland und die damit möglicherweise verbundene Verlustzuweisung unattraktiv zu machen. Veranschaulicht wird die beabsichtigte Unattraktivität bestimmter Auslandsinvestitionen durch den Umstand, daß der Gesetzgeber auf eine Übergangsregelung verzichtete, um einen denkbaren Werbeeffekt auszuschalten196. Steuerverschärfungen, und nichts anderes bewirkt § 2a Abs. 1, 2 EStG im Jahr der Verlustentstehung, stellen eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit dar 197 . Sofern argumentiert wird, daß ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit ausscheidet, da der Steuerpflichtige nicht übermäßig belastet werde 198 , so hat der EuGH derartigen Auffassungen, die auf die Geringfügigkeit eines Nachteils abstellen, eine Absage erteilt 199 . 190
Vgl. Herzig/Dautzenberg, DB 1997, S. 9. Vgl. Lenz/Thömmes, S. 570. 192 Vgl. Herzig/Dautzenberg, DB 1997, S. 11. 193 Vgl. Weber, EuZW 1992, S. 565. 194 Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2272. 195 Vgl. Brinkmann, S. 101. 196 Vgl. Manke, DStZ 1984, S. 242, s.o. 197 Vgl. Seer, IStR 1997, S. 522 zu § 20 AStG. 198 Vgl. in diesem Sinn Probst in: Rick/Wassermeyer/Becker, § 2a Rdnr. 20, wobei anzumerken ist, daß dieses Argument wohl eher als Aspekt der Verhältnismäßigkeit gewertet wird. 191
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228 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Daß von § 2a Abs. 1, 2 EStG eine beschränkende Wirkung ausgeht, wird im übrigen auch von denen bestätigt, die die Vorschrift nicht als Verstoß gegen die Grundfreiheiten ansehen. So stellt Eckhoff fest, daß die nationalen Steuersysteme die Ausübung der Marktfreiheiten nicht behindern dürfen, sondern insoweit neutral zu sein haben200. Neutralität bedeutet in diesem Sinn nach Vogel, „daß - bei gegebenen Unterschieden der Steuerrechtssysteme und auch der Steuerbelastung - die Staaten nicht den wirtschaftlichen Austausch unter den EG- (EU-) Mitgliedstaaten durch spezifische Regelungen erschweren dürfen" 201 . Bestätigt wird diese Verpflichtung zur Neutralität durch die Rechtsprechung des EuGH, der statt einer weitgehenden Harmonisierung nunmehr zu einer Anerkennung nationaler Systeme unter Abbau von Behinderungen bei grenzüberschreitender Tätigkeit tendiert 202 . Zutreffend stellt Brinkmann fest, daß auch durch die späteren Verrechnungsmöglichkeiten die Benachteiligung „eben nur gemildert und nicht aufgehoben" 203 wird. Lediglich die deutsche fachgerichtliche Rechtsprechung lehnt eine beschränkende Wirkung ab, verkennt dabei jedoch den schon in der „Daily Mail"-Entscheidung erkennbaren Wandel des EuGH zur Auslegung der Niederlassungsfreiheit 204. Europarechtlich bestätigt wird die beschränkende Wirkung des § 2a Abs. 1, 2 EStG durch den Richtlinienvorschlag der Kommission zur grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung auf der Grundlage des Art. 94 EGV. Die Kommission sah es für das Funktionieren des Binnenmarktes als unerläßlich an, daß die Tätigkeit eines Unternehmens auf Gemeinschaftsebene gegenüber einer rein innerstaatlichen Tätigkeit nicht beeinträchtigt wird 205 . d) Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit Nach dem Wortlaut des Art. 56 Abs. 1 EGV sind im Rahmen der Bestimmungen über die Freiheit des Kapitalverkehrs alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mit199
Vgl. EuGHE 1986, S. 273ff. (305) („avoir fiscal"): „(...), denn Artikel 52 verbietet jede Diskriminierung, auch von nur geringem Umfang.". 200 Vgl. Birk/Eckhoff, S. 464 (mit Verweis auf Vogel, StuW 1993, S. 385) u. S. 571. 201 Vogel, StuW 1993, S. 385. 202 Vgl. zur Bewertung der EuGH-Rechtsprechung in: Behrens, EuR 1992, S. 157 f. 203 Brinkmann, S. 105. 204 Vgl. BFH BStBl. II 1991, S. 136ff. (140); zum Zeitpunkt der Entscheidung des FG Köln lag das „Daily Mail"-Urteil hingegen noch nicht vor. 205 Vgl. ABl. EG 1991 C 353, S. 30 ff. (30).
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gliedstaaten und dritten Ländern verboten. Während bei der Niederlassungsfreiheit das Verständnis dieser Grundfreiheit als unterschiedslos wirkendes Beschränkungsverbot erst durch eine stetige Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung gewonnen werden konnte, erweist sich die Kapitalverkehrsfreiheit von vornherein, bereits nach dem Wortlaut, als umfassendes Beschränkungsverbot. Das Verbot erfaßt nach Ress/Ukrow, in Anlehnung an die Dassonville-Formel des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit 206, alle „unmittelbaren oder mittelbaren, aktuellen oder potentiellen Behinderungen, Begrenzungen oder Untersagungen für den Zufluß, Abfluß oder Durchfluß von Kapital" 207 . Entscheidend ist daher bei der Prüfung einer Steuernorm, „ob eine bestimmte Vorschrift sich sachlich gerade als Benachteiligung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs darstellt" 208. Aus den gleichen Erwägungen wie bei der Niederlassungsfreiheit ist folglich bei der Anwendung des § 2a Abs. 1, 2 EStG von einer Beschränkung der möglichst effektiven Allokation des Kapitals im grenzüberschreitenden Verkehr auszugehen. 5. Rechtfertigung der Beschränkung Bei der Frage der Rechtfertigung der Beschränkung von Niederlassungsund Kapitalverkehrsfreiheit ist zunächst wieder das Konkurrenzverhältnis beider Grundfreiheiten zu beachten. Sodann stellt sich die Frage, in welchen Fällen eine Beschränkung der Niederlassungs- bzw. Kapitalverkehrsfreiheit zu einer Verletzung der Grundfreiheiten führt. a) Die Wechselwirkung zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit auf der Ebene der Rechtfertigung Eine Verletzung der Grundfreiheiten durch § 2a Abs. 1, 2 EStG liegt nur vor, wenn die nationale Vorschrift nicht gerechtfertigt ist. Da sich die Grundfreiheiten in ihrem Schutzumfang unterscheiden, so umfaßt beispielsweise die Kapitalverkehrsfreiheit auch den Verkehr mit Drittstaaten, ist eine jeweilige Zuordnung der Beschränkung erforderlich 209. Bildet das nationale Interesse an einer innerstaatlichen Steuervorschrift einen im Hinblick auf alle betroffenen Grundfreiheiten zulässigen oder nicht zulässigen Rechtfertigungsgrund, so ist die Beschränkung insgesamt gerechtfertigt oder nicht 206 207 208 209
Vgl. EuGHE 1974, S. 837 ff. (852) („Dassonville"). Grabitz/Hilf/Ress/Ukrow, Art. 73 b Rdnr. 11. Schön in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 758. Vgl. Weber, EuZW 1992, S. 564.
230 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
gerechtfertigt 210. Nur dann, wenn dies nicht der Fall ist, muß das Kollisionsverhältnis zwischen den Grundfreiheiten auf der Rechtfertigungsebene gelöst werden. Anders ist die Rechtslage jedoch im Verhältnis zwischen Niederlassungsund Kapitalverkehrsfreiheit. Aus den Vorbehaltsklauseln des Art. 58 Abs. 2 EGV und Art. 43 Abs. 2 EGV wird der Schluß gezogen, daß zulässige Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit auch bei der Kapitalverkehrsfreiheit zu beachten sind 211 . Die wechselseitige Bezugnahme bedeutet, „daß Maßnahmen, die sowohl den Kapitalverkehr als auch die Niederlassungsfreiheit beschränken, durch Schutzziele sowohl aus der einen als auch aus der anderen Freiheit gerechtfertigt werden können" 212 . Die Mitgliedstaaten können sich damit auf Ausnahmevorschriften im Bereich beider Grundfreiheiten berufen 213. Damit steht man vor dem Problem, daß Art. 58 Abs. 1 a) EGV festlegt, daß die Kapitalverkehrsfreiheit nicht das Recht der Mitgliedstaaten berührt, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Die Vorschrift des Art. 58 Abs. la) EGV ist mit Ress/Ukrow dahingehend auszulegen, „daß eine unterschiedliche steuerliche Behandlung (...) nur gemeinschaftsrechtlich zulässig ist, falls zum einen die Maßnahme durch den Schutz der Integrität des Steuersystems des betreffenden Mitgliedstaates gerechtfertigt ist" 2 1 4 . Zum anderen müssen auf innerstaatlicher Ebene „im mitgliedstaatlichen Steuersystem gegenüber Steuerpflichtigen mit inländischen Wohn- bzw. Kapitalanlageort wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um das wahrgenommene steuerrechtliche Problem zu lösen" 215 . Im Rahmen des § 2a Abs. 1, 2 EStG kommt die Alternative des Kapitalanlageorts in Betracht. Eingeschränkt wird dieses Recht der Mitgliedstaaten allerdings durch Art. 58 Abs. 3 EGV, wonach die Maßnahmen der Mitgliedstaaten weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen dürfen 216 . Die Bedeutung der Klausel ist wegen ihrer Bezugnahme auf die Diskriminierungen und Beschränkungen anhand des jeweiligen Rechtfertigungsgrundes zu prüfen. 210
Ebd. Vgl. Jann in: Gassner/Lang/Lechner, S. 53 (Fn. 40); Scherer, S. 182; vgl. aber auch EuGH v. 16.7.1998 in: EWS 1997, S. 345 ff. („Imperial Chemical Industries"), der auf den Aspekt der Kapitalverkehrsfreiheit überhaupt nicht eingeht, vgl. Saß, EWS 1998, S. 348. 212 Schuster, S. 193; vgl. GTE/Kiemel, Art. 73 b Rdnr. 8 u. Art. 73 d Rdnr. 32; Weber, EuZW 1992, S. 565. 213 Vgl. Geiger, Art. 73 d Rdnr. 5. 214 Grabitz/Hilf/Ress/Ukrow, Art. 73 d Rdnr. 4 a.E. 215 Ebd. 211
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
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Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß zumindest für das Verhältnis zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit keine unterschiedlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Beschränkung zu stellen sind. Das im Hinblick auf die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit legitime Schutzziel darf kein Mittel einer verschleierten Beschränkung des Kapitalverkehrs darstellen. b) Ansätze zur Rechtfertigung des § 2a Abs. 1, 2 EStG aus europarechtlicher Sicht Wie bereits mehrfach erwähnt, bedeutet eine Beeinträchtigung einer Grundfreiheit noch nicht, daß dieselbe auch verletzt und damit die streitgegenständliche nationale Vorschrift unanwendbar ist. Nach Knobbe-Keuk liegt dementsprechend zumeist das Hauptproblem nicht in der Frage, wie weit der Schutzbereich einer Grundfreiheit zu fassen ist, sondern, „ob die Beschränkung der Niederlassung oder der Freizügigkeit - gleich ob sie gerade aus dem an den Aufnahmestaat gerichteten Gebot der Inländerbehandlung resultiert oder aus einer anderen Regelung z.B. des Heimatstaats folgt - gerechtfertigt ist" 2 1 7 . Die Möglichkeit der Rechtfertigung eines Eingriffs in eine Grundfreiheit erkennt der EG-Vertrag selbst an, indem er beispielsweise Vorschriften hinsichtlich der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit in Art. 46 Abs. 1 EGV als zulässige Rechtfertigungen von Eingriffen in die Niederlassungsfreiheit respektiert. Gleiches gilt für die Kapitalverkehrsfreiheit, wie dies Art. 58 EGV verdeutlicht. Allerdings ist hinsichtlich der Art des Eingriffs zu unterscheiden. Bei diskriminierenden Regelungen wird man nur auf die Rechtfertigungsmöglichkeiten zurückgreifen können, die ausdrücklich im EG-Vertrag geregelt sind 218 . Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH können aber allgemeine Beschränkungen ohne diskriminierenden Charakter auch aus anderen Gründen gerechtfertigt werden 219. In der „Kraus"-Entscheidung stellt der EuGH fest, daß nationale Vorschriften, die die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigen, gegen den EG-Vertrag verstoßen, es sei denn, „mit einer solchen 216
Zum Meinungsstreit hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Art. 56 Abs. 1 EGV und Art. 58 Abs. 1 a) und Abs. 3 EGV vgl. Schön in: GS für B. KnobbeKeuk, S. 768. 217 Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2577; Knobbe-Keuk, S. 354. 218 Vgl. EuGHE 1977, S. 5 ff. (15) („Bauhuis"); EuGHE 1981, S. 1625 ff. (1638) („Kommission / Irland"); EuGHE 1982, S. 2187ff. (2202ff.) („Kommission / Italien"), wonach bei diskriminierenden Maßnahmen im Bereich der Warenverkehrsfreiheit Art. 36 EGV einen abschließenden Katalog möglicher Rechtfertigungen darstellt. 219 Vgl. EuGHE 1981, S. 1625ff. (1639) („Kommission / Italien") m.w.N. zu nichtdiskriminierenden Maßnahmen bei der Warenverkehrsfreiheit.
232 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Regelung (werde) ein berechtigter Zweck verfolgt (...), der mit dem des EG-Vertrages vereinbar und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt wäre. In einem solchen Fall müßte jedoch darüber hinaus die Anwendung der fraglichen nationalen Regelung geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zwecks zu gewährleisten, und sie dürfte nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Zwecks erforderlich ist" 2 2 0 . Bestätigt werden die aufgestellten Kriterien durch die „Gebhard"Entscheidung, wonach eine nationale Vorschrift in nichtdiskriminierender Weise anzuwenden ist, aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls notwendig und darüber hinaus geeignet ist, den mit ihr verfolgten Zweck in erforderlicher Weise zu gewährleisten221. Auch für steuerrechtliche Vorschriften hat der EuGH im „Futura"-Urteil diese Maßstäbe für eine Rechtfertigung ausdrücklich anerkannt 222. Somit muß eine Vorschrift sowohl einem zwingenden Allgemeininteresse als auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen. Übertragen auf § 2a Abs. 1, 2 EStG gilt es daher zu beurteilen, ob diese Vorschrift einem zwingenden Allgemeininteresse entspricht. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit § 2a Abs. 1, 2 EStG, auf Entwicklungen im Bereich von Verlustzuweisungsmodellen zu reagieren, die zu Steuerersparnissen ohne erkennbaren Nutzen für die deutsche Volkswirtschaft führen 223. Ungeachtet des Umstands, daß Verlustzuweisungsmodelle schon durch die Rechtsprechung zur Gewinnerzielungsabsicht und § 15 a EStG unterbunden werden, ist aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht festzustellen, daß ausweislich der Gesetzesbegründung eine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Investitionen (und Verlustzuweisungen) vorgenommen wird. Auslandsaktivitäten in jeglicher Unternehmensform sollen nicht zu Lasten des inländischen Steueraufkommens verfolgt werden können. Wie Mössner zutreffend festgestellt hat, stand bei Einführung der Vorschrift die Gleichstellung von abkommensrechtlicher Freistellung mit der Anrechnungsmethode im Hintergrund 224.
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EuGHE 1993, S. I - 1663 ff. (1697) („Kraus"). Vgl. EuGHE 1995, S. I - 4165 ff. (4197 f.) („Gebhard"); vgl. auch zur Freizügigkeit nach Art. 39 EGV EuGHE 1995, S. I - 4921 ff. (5071) („Bosman"). 222 Vgl. EuGHE 1997, S. I - 247Iff. (2500) („Futura Participations und Singer"). 223 Vgl. BT-Drucksache IX/2074, S. 62. 224 Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. A3, A4. 221
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aa) Rechtfertigung wegen fehlender Harmonisierung Der gesetzgeberische Wille könnte unbeachtlich sein, wenn § 2a Abs. 1, 2 EStG schon deshalb gemeinschaftsrechtlich unbedenklich ist, weil es an einer Harmonisierung im Steuerrecht fehlt. In diese Richtung weist die Entscheidung des EuGH im Fall „Daily Mail". Der EuGH sieht zwar die Wegzugsbeschränkung als einen Eingriff in die Niederlassungfreiheit, im Ergebnis lehnt der EuGH ein Berufen auf die Niederlassungsfreiheit ab: Der EG-Vertrag, so der EuGH, erkenne grundsätzlich die verschiedenen nationalen gesellschaftsrechtlichen Ordnungen an. Die die Vorschriften der Niederlassungfreiheit für Gesellschaften begleitenden Normen des EG-Vertrags (Art. 48 EGV, der den satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung und die Hauptniederlassung einer Gesellschaft gleich achtet, Art. 293 EGV, der den Abschluß von Übereinkommen vorsieht und die Möglichkeit einer Koordinierungsrichtlinie nach Art. 44 Abs. 3 g) EGV, von der bisher nicht Gebrauch gemacht wurde, deuteten darauf hin, daß die Sitzverlagerung ein Problem sei, daß allein die Niederlassungsfreiheit nicht lösen könne. Daraus folge, daß die Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften kein Recht gewähre, den Sitz ihrer Gesellschaft unter Wahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaft des Mitgliedstaates ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen. Schließlich sei der Zustimmungsvorbehalt der britischen Finanzverwaltung auch nur für den Fall vorgesehen, daß die Gesellschaft ihre bisherige Rechtspersönlichkeit nach britischem Recht behalten wolle 225 . 225 Vgl. EuGHE 1988, S. 5483 ff. (5511 f.) („Daily Mail"): „Eine Gesellschaft macht vom Niederlassungsrecht im allgemeinen durch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften Gebrauch, wie es in Artikel 52 Absatz 1 Satz 2 (Art. 43 Abs. 1 S. 2) ausdrücklich vorgesehen ist. Eine solche Niederlassung hat die Klägerin im vorliegenden Fall mit der Eröffnung ihres Anlagebüros in den Niederlanden geschaffen. (...) Die britische Rechtsvorschrift, um die im Ausgangsverfahren gestritten wird, beschränkt solche Niederlassungsvorgänge in keinster Weise. Sie verhindert auch nicht die teilweise oder vollständige Übertragung des Kapitals einer Gesellschaft britischen Rechts auf eine in einem anderen Mitgliedstaat neu gegründete Gesellschaft, gegebenenfalls nach Liquidierung und damit nach Abschluß der Steuerrechnung der britischen Gesellschaft. Die Zustimmung des Finanzministeriums ist nur für den Fall vorgeschrieben, daß diese Gesellschaft unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit und ihrer Eigenschaft als Gesellschaft britischen Rechts den Sitz ihrer Geschäftsleitung aus dem Vereinigten Königreich verlegen will. Im Gegensatz zu natürlichen Personen werden Gesellschaften aufgrund einer Rechtsordnung, beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts aufgrund einer nationalen Rechtsordnung, gegründet. Jenseits der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt, haben sie keine Realität. (Sodann folgen Ausführungen zur gesellschaftsrechtlichen Sitz- und Gründungstheorie und der Tatsache, daß bisher keine Harmonisierung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften stattfand.) Nach alledem betrachtet der EWG-Ver-
234 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Die (zweite) Kernaussage des EuGH besteht damit darin, daß sich eine Gesellschaft bei einer Sitzverlegung in das Ausland dann nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann, wenn sie ihre ursprüngliche Rechtspersönlichkeit, die sie im Gründungsstaat erworben hat, beibehalten will. Auf die Gründung von ausländischen Betriebsstätten kann diese Entscheidung jedoch nicht übertragen werden. Zunächst ist die Gründung sekundärer Niederlassungen ausdrücklich in Art. 43 Abs. 1 S. 2 EGV erwähnt. Entscheidend ist jedoch, daß der EuGH ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Problem entscheidet. Everling hebt hervor, daß der Gerichtshof es lediglich abgelehnt habe, aus Art. 43 und 48 EGV das Recht der Gesellschaften herzuleiten226, „den Sitz ihrer Gesellschaft unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaates ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen" 227. Im übrigen ist zu bedenken, daß Gegenstand der Entscheidung des EuGH eigentlich eine steuerrechtliche Vorschrift war, nämlich der Zustimmungsvorbehalt der britischen Finanzverwaltung. So wies Knobbe-Keuk darauf hin, daß die vorgenannten Erwägungen des EuGH zur Harmonisierung überflüssig waren 228 . Nachdem der EuGH die Niederlassungsfreiheit auch als ein Verbot von Wegzugsbeschränkungen definierte, hätte er nunmehr „fragen müssen, ob die steuerliche Wegzugsbeschränkung des Heimatstaats durch zwingende Gründe gerechtfertigt ist und wäre zu dem Ergebnis gekommen, daß ein solcher Rechtfertigungsgrund in dem legitimen Interesse des Fiskus des Heimatstaats besteht, die bei ihm gebildeten stillen Reserven steuerlich beim Wegzug zu erfassen" 229. Damit hat der EuGH durch seine Begründung die steuerliche Ausgangsfrage umgangen230, so daß der Entscheidung „weder generelle Aussagen zu trag die Unterschiede, die die Rechtsordnung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der für ihre Gesellschaften erforderlichen Anknüpfung sowie der Möglichkeit und gegebenenfalls der Modalitäten einer Verlegung des satzungsmäßigen oder wahren Sitzes einer Gesellschaft nationalen Rechts von einem Mitgliedstaat in einen anderen aufweisen, als Probleme, die durch Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nicht gelöst sind, sondern einer Lösung im Wege der Rechtsetzung oder des Vertragsschlusses bedürfen; eine solche wurde jedoch nicht gefunden. Somit gewähren die Artikel 52 und 58 EWG-Vertrag (Art. 43 und 48 EGV) den Gesellschaften nationalen Rechts kein Recht, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaates ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen.". 226 Vgl. Everling in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 612f. 227 EuGHE 1988, S. 5483 ff. (5512) („Daily Mail"). 228 Vgl. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2579. 229 Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2579; vgl. Everling in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 612. 230 Vgl. Dauses/Voß, J Rdnr. 21 m.w.N.
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gesellschaftsrechtlichen Fragen noch zu Zulässigkeitsbeschränkungen aufgrund fiskalischer Erwägungen" 231 entnommen werden können. Verfehlt wäre es daher, die Ausführungen zur fehlenden gesellschaftsrechtlichen Harmonisierung zu verallgemeinern. Insbesondere können keine Rückschlüsse auf die Gründung von ausländischen Betriebsstätten als Ausübung des Rechts der sekundären Niederlassung gezogen werden, denn anders als im „Daily Mail"-Fall geht es bei § 2a Abs. 1, 2 EStG nicht um die Verlegung des Sitzes als Ausdruck des Rechts der primären Niederlassung232. Eine derartige Interpretation stünde auch im Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung des EuGH. Schon vor der „Daily Mail"-Entscheidung stellte der EuGH fest, daß eine fehlende Harmonisierung direkter Steuern Ungleichbehandlungen nicht rechtfertigen kann 233 . Wie der EuGH später mehrfach betonte, müssen die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse für die direkten Steuern unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und damit auch in diesem Bereich die Niederlassungsfreiheit beachten234. Thömmes betont zu Recht, daß der Beachtung der Grundfreiheiten gerade wegen der fehlenden Harmonisierung auf dem Gebiet der direkten Steuern besondere Bedeutung zukommt235. Dies muß vornehmlich dann gelten, wenn die Anknüpfung an einen europäischen Sachverhalt nur mit dem Ziel erfolgt, zu verhindern, daß es zu Betriebsstättengründungen im Ausland kommt 236 . Es besteht somit kein allgemeiner „Vorbehalt der Rechtsangleichung"237, so daß es für den Bereich des Steuerrechts eines zwingenden Allgemeininteresses bedarf. bb) Rechtfertigung aus Gründen der Wirtschaftspolitik und der Stärkung des Steueraufkommens Daß § 2a Abs. 1, 2 EStG eine Maßnahme des Steuerinterventionismus ist, wird man ernstlich nicht bestreiten können238. Der Gesetzgeber versuchte, Investitionen außerhalb Deutschlands zu verhindern und differenzierte nicht zwischen EU-Ausland und sonstigen Staaten. 231
Schollmeier, EWS 1992, S. 141. Vgl. Rädler/Lausterer/Blumenberg, DB 1996, Beilage Nr. 3, S. 9 f. zu der Gründung und dem Halten von Tochterkapitalgesellschaften (s. o.). 233 Vgl. EuGHE 1986, S. 273 ff. (306) („avoir fiscal") zu körperschaftsteuerlichen Ungleichbehandlungen. 234 Vgl. Seer, IStR 1997, S. 520 mit Verweis auf EuGHE 1995, S. I - 225 ff. (257) („Schumacker"); EuGHE 1995, S. I - 2493 ff. (2514) („Wielockx"); EuGHE 1996, S. I - 3089 ff. (3124) („Asscher"). 235 Vgl. Thömmes in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 821. 236 Vgl. in diesem Sinn zur AStG-Novelle 1992 bereits Leisner, RIW 1993, S. 1020. 237 Schön in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 756. 238 Vgl. Mössner in: Kirchhof/Söhn, § 2a Anm. A 3. 232
236 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Der wirtschaftspolitische Charakter der Maßnahme läßt sich nicht leugnen. Die Vorschrift ist in erster Linie eine Lenkungsnorm, sie trägt jedoch durch die Einschränkung der Verlustverrechnung mittelbar zu einer Stärkung des Steueraufkommens bei 239 . Sofern der Gesetzgeber parallel zu diesen Erwägungen gleichzeitig eine Gleichstellung mit Verlusten aus Nicht-DBA-Ländern bzw. mit der Anrechnungsmethode beabsichtigt, so kommt dieser Begründung bei der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Betriebsstätteneinkünften aus EULändern keine Bedeutung zu, da mit allen Ländern aufgrund eines DBA die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt gilt. Aus der Sicht des EG-Vertrages bestehen durchgreifende Bedenken, darin ein legitimes Ziel zu sehen. Diese Problematik deutete schon Rädler an, der anmerkte, daß die Vorschrift dem Richtlinienvorschlag über eine einheitliche Behandlung von Auslandsverlusten „diametral" 240 entgegenstehe. Es ist unbestritten, daß Steuervorschriften Ausdruck nationaler Souveränität sind. Sie dürfen in einem Binnenmarkt aber nicht ihre eigentliche Rechtfertigung in einer der Integration der europäischen Volkswirtschaften zuwiderlaufenden Begründung haben. Dies widerspricht den in Art. 10 EGV normierten Aufgaben und Loyalitätspflichten 241 der Mitgliedstaaten zur Europäisierung nationaler Rechtsordnungen242, gerade wenn es um den Bereich steuerlicher Lenkungsvorschriften geht. Der Hinweis Rädlers auf die Angleichungsrichtlinie ist in diesem Zusammenhang berechtigt. Knobbe-Keuk betonte, daß eine Rechtfertigung nationaler Vorschriften dann ausscheide, wenn das zu schützende Interesse durch eine Richtlinie schon vergemeinschaftet sei 243 . Liegt bereits ein Richtlinienvorschlag der Kommission vor, so indiziert dies zumindest bereits im Vorfeld, welche nationalen Vorschriften gemeinschaftsrechtlich nicht haltbar sind. Ungeachtet dessen hat die EuGH-Rechtsprechung stets betont, daß Vorschriften, die die Grundfreiheiten beeinträchtigen, nur aus nicht-wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt werden können. In einer Entscheidung zur Warenverkehrsfreiheit stellte der EuGH schon 1961 fest, daß Art. 36 EWG-Vertrag (Art. 30 EGV) zur Rechtfertigung nur 239
Allerdings konnte im Gesetzgebungsverfahren die Höhe der Mehreinnahmen nicht quantifiziert werden, vgl. BT-Drucksache IX/2074, S. 76; Fleischmann, DStR 1983, S. 195. 240 Rädler, FR 1983, S. 340. 241 Vgl. Geiger, Art. 5 Rdnr. 4. 242 Vgl. Grabitz/Hilf/von Bogandy, Art. 5 Rdnr. 1. 243 Vgl. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2581.
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
237
Tatbestände nicht-wirtschaftlicher Art zuläßt 244 . Damit scheiden auch haushaltspolitische Ziele aus 245 . Für den Bereich des freien DienstleistungsVerkehrs entschied der EuGH ebenso, daß wirtschaftliche Ziele keine Gründe der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 55, 46 Abs. 1 EGV sein können246. Selbst eine Rechtfertigung wegen der durch eine Maßnahme verbundenen Finanzierung uneigennütziger oder im Allgemeininteresse liegender Tätigkeiten wie sozialer oder karitativer Werke, des Sports oder der Kultur sind allein keine sachliche Rechtfertigung 247. Die gerichtliche Praxis bei der Freiheit des Warenverkehrs und der Dienstleistungen ist auch im Rahmen der Niederlassungsfreiheit anwendbar 248, insbesondere seit der EuGH in der „Futura"-Entscheidung249 die Niederlassungsfreiheit genauso wie die Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot ansieht250. Die Begründung für den Ausschluß wirtschaftlicher Argumentationen, erkennt man ein allgemeines Beschränkungsverbot bei allen Grundfreiheiten an, kann nicht anders ausfallen. Der Grund für diesen Ausschluß nationaler wirtschaftspolitischer Interessen ist mit Bleckmann darin zu sehen, daß ansonsten die Grundfreiheiten leerlaufen, obwohl die Mitgliedstaaten entsprechende Wirtschaftskompetenzen auf die EG übertragen haben251. Stehen nationale Vorschriften mit dem Gebot der Marktöffnung im Widerspruch, wird der EuGH ein Allgemeininteresse an einer nationalen Regelung verneinen 252. Nur außerwirtschaftliche Ziele, die ihrerseits die Grundfreiheiten nicht aushöhlen, können eine Verletzung der Grundfreiheiten verhindern 253. Es ist daher ein „allgemein anerkannter Grundsatz, daß nur nicht-wirtschaftliche Motive Beschränkungen der Marktfreiheiten rechtfertigen können" 254 . Davon kann jedoch bei Gesetzen, die maßgeblich auf den Nutzen für die deutsche Volkswirtschaft abstellen, nicht gesprochen werden. Anderer 244
Vgl. EuGHE 1961, S. 693 ff. (720) („Kommission / Italien"). Vgl. EuGHE 1984, S. 523 ff. (542) („Duphar"). 246 Vgl. EuGHE 1988, S. 2085 ff. (2135) („Bond"), wirtschaftliches Ziel war es in dieser Entscheidung, einer inländischen öffentlichen Stiftung bestimmte Einnahmen zu sichern; diese Rechtsprechung wurde bestätigt in: EuGHE 1991, S. I 4007 ff. (4045) („Collectieve Antennevoorziening Gouda"); EuGHE 1995, S. I 3955 ff. (3977) („Svensson und Gustavsson"). 247 Vgl. EuGHE 1994, S. I - 1039ff. (1097) („Schindler"). 248 Vgl. Everling in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 621. 249 Vgl. EuGHE 1997, S. I - 2473 ff. (2500) („Futura Participations und Singer"). 250 Ygi v o n Borries, EuZW 1997, S. 446, der von einem „Gleichklang" der Niederlassungsfreiheit mit der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit spricht. 251 Vgl. Bleckmann, EuR 1987, S. 36. 252 Vgl. Everling in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 622. 253 Vgl. Dauses/Roth, E Rdnr. 71. 254 Sura, NJW 1995, S. 1471. 245
238 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Ansicht ist Brinkmann, der in dem gesetzgeberischen Ziel, bestimmte volkswirtschaftlich nicht sinnvolle und nur zum Zweck der Steuerersparnis getätigte Investitionen steuerlich nicht anzuerkennen, ein zulässiges Interesse sieht, eine Begünstigung von „Steuersparern" auf Kosten der Allgemeinheit zu verhindern 255. Dagegen ist einzuwenden, daß die Besonderheit des § 2a Abs. 1, 2 EStG darin liegt, daß Investitionen nur im (EU-) Ausland und nicht in Deutschland betroffen sind. Erkennt man die Berechtigung nationaler Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuersparmodellen an, so kann in einem Binnenmarkt keine Differenzierung nach der Belegenheit der Quelle des Steuersparens vorgenommen werden. Ungeachtet verfassungsrechtlicher Prämissen hätte der deutsche Steuergesetzgeber die Regelung auch auf deutsche Investitionen erstrecken müssen. Dabei ist indes ein abschließendes Urteil über die Vereinbarkeit des § 2a Abs. 1, 2 EStG mit dem EG-Vertrag nicht möglich. Die wechselseitigen Vorbehaltsklauseln zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit bewirken, wie bereits festgestellt, wechselseitige Rechtfertigungsmöglichkeiten. Art. 58 Abs. 1 a) EGV läßt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, einschlägige Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohn- oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln, sofern keine willkürliche Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs nach Art. 58 Abs. 3 EGV vorliegt. Daraus läßt sich allerdings § 2a Abs. 1, 2 EStG ebenfalls nicht rechtfertigen: Schön hat aufgezeigt, daß durch die Einführung des Art 58 EGV die Voraussetzungen einer Rechtfertigung sachlich nicht verändert werden: „Art. 73 b Abs. 1 EGV (Art. 56 EGV) verbietet zunächst jede Diskriminierung im Hinblick auf differierende Wohn- oder Anlageorte der Parteien. Art. 73d Abs. la) EGV (Art. 58 EGV) gewährt jedoch den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, für steuerliche Normen an den bisherigen Unterschiedenen festzuhalten. Art. 73 d Abs. 3 EGV (Art. 58 Abs. 3 EGV) schränkt die Gestaltungsfreiheit aber auf die Fälle ein, in denen für die unterschiedliche Behandlung von Inlands- und Auslandskapital ein sachlicher Grund besteht, der in geeigneter, erforderlicher und verhältnismäßiger Weise verfolgt wird. Dies entspricht aber letztlich der Rechtslage, wie sie auch ohne Art. 73 d EGV (Art. 58 EGV) bestehen würde." 256 Dies beruht im wesentlichen auf einem Vergleich mit Art. 30 S. 2 EGV, der ebenfalls von willkürlicher Dis255 Vgl. Brinkmann, S. 103, der jedoch die einseitige Regelung zu Lasten ausländischer Einkünfte als unzulässige Typisierung wertet, aber den Aspekt der Zulässigkeit von Rechtfertigungen aus wirtschaftlichen Erwägungen übergeht (vgl. Brinkmann, S. 105). 256 Vgl. Schön in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 765 ff. (768).
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
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kriminierung und verschleierter Beschränkung spricht, so daß ersichtlich wird, daß Art. 73 d Abs. 3 (Art. 58 Abs. 3) dem Art. 36 S. 2 EGV (Art. 30 S. 2 EGV) nachgebildet wurde 257 . Bei der Warenverkehrsfreiheit ist es bereits anerkannt, daß ein sachlicher Grund zu fordern ist 2 5 8 . Bestätigt wird die Übertragbarkeit von Rechtfertigungsmaßstäben zwischen den Grundfreiheiten durch die „Gebhard"-Entscheidung des EuGH, der allgemein von der Rechtfertigung nationaler Maßnahmen, die die Ausübung der Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen, spricht 259. Ress/Ukrow bewerten dies auf der Rechtfertigungsebene als eine Parallelität der Grundfreiheiten 260 Art. 58 EGV beschränkt sich ebenfalls nur auf Tatbestände nichtwirtschaftlicher Art 2 6 1 . Der Vorbehalt nationaler Steuergesetze darf insbesondere „nicht als Mittel der allgemeinen Wirtschaftspolitik oder zur Verfolgung von haushaltspolitischen Zielen eingesetzt werden" 262 , wie dies auch durch die Aufnahme von Art. 119 EGV und Art. 120 EGV belegt wird 2 6 3 . Damit wird deutlich, daß auch bei der Kapitalverkehrsfreiheit ein zwingendes, aber nicht-wirtschaftliches Erfordernis, die nationale Steuervorschrift tragen muß 264 . Die Verhinderung von Investitionen, die keinen nationalen volkswirtschaftlichen Nutzen haben, gehört jedenfalls nicht dazu. Anders ist die Rechtslage im Verhältnis zu Drittländern zu beurteilen. Zwar gilt die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 EGV auch zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, Art. 57 Abs. 1 EGV rechtfertigt jedoch bestehende nationale oder gemeinschaftsrechtliche Beschränkungen 265 . Auf den Zweck der Maßnahme kommt es nicht an, so daß auch wirtschaftliche Motive eine Regelung tragen können.
257
Vgl. Seidel in: GS für E. Grabitz, S. 771. Vgl. EuGHE 1975, S. 843 ff. (860f.) („Rewe"). 259 Vgl. EuGHE 1995, S. I - 4165 ff. (4197 f.) („Gebhard"). 260 Vgl. Grabitz/Hilf/Ress/Ukrow, Art. 73 d Rdnr. 3; vgl. zum Begriff der Parallelität auch Bleckmann, EuR 1987, S. 32; Geiger Art. 73 d Rdnr. 5. 261 Vgl. Grabitz/Hilf/Ress/Ukrow, Art. 73 d Rdnr. 3. 262 Grabitz/Hilf/Ress/Ukrow, Art. 73 d Rdnr. 3. 263 Vgl. Grabitz/Hilf/Ress/Ukrow, Art. 73 d Rdnr. 3: „Dieser vertraglichen Regelung würde es nicht bedürfen, wenn jeder Mitgliedstaat bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten bereits auf den Art. 73 d (Art. 58) zurückgreifen könnte."; zur Bedeutung dieser Schutzklauseln vgl. auch Seidel in: GS für E. Grabitz, S. 768 f. 264 Vgl. Grabitz/Hilf/Ress/Ukrow, Art. 73 b Rdnr. 31; Seidel in: GS für E. Grabitz, S. 771, der den Begriff des „protektionistisehen Anliegens" wählt. 265 Vgl. Seidel in: GS für E. Grabitz, S. 773. 258
240 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
cc) „Kohärenz" als Rechtfertigung Die Formulierung der Gesetzesbegründung bei Einführung des § 2a Abs. 1, 2 EStG läßt keinen Rückschluß auf andere nationale Interessen zu. Speziell für steuerrechtliche (diskriminierende) Vorschriften hat der EuGH jedoch in seiner „Bachmann"-Entscheidung den Begriff der Kohärenz geprägt 266. Der Kohärenzgedanke ist der bisher einzige von der Rechtsprechung im Diskriminierungsbereich anerkannte Rechtfertigungsgrund. Unter einer Kohärenz steuerrechtlicher Regelungen wird man ein System annehmen müssen, das, wie es Lüdicke formuliert, nach dem derzeitigen Stand der EuGH-Rechtsprechung einen Zustand beschreibt, bei dem „mehrere Regelungen inhaltlich »unmittelbar4 zusammenhängen, so daß sie einen untrennbaren Regelungskomplex bilden" 267 . Dem Einnahmeverlust des Fiskus steht eine spätere Besteuerung gegenüber, so daß aus Sicht des Steuerpflichtigen eine Kompensation von Steuervorteilen und - nachteilen gegeben ist 2 6 8 . Damit bedeutet der Begriff der Kohärenz nichts anderes, als daß trotz einer potentiell benachteiligenden Rechtslage aufgrund des diese Situation umspannenden Regelungskomplexes insgesamt eine neutrale Regelung vorliegt. Damit ist die Kohärenz eigentlich kein Rechtfertigungsgrund, sondern Ausdruck der Wiederherstellung steuerlicher Neutralität 269. Diese Wiederherstellung steuerlicher Neutralität kann nach der Auffassung des EuGH bereits aufgrund eines DBA einsetzen, da der betroffene Mitgliedstaat, der sich auf die Kohärenz beruft, freiwillig auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat 270 . Ungeachtet der Frage, ob dem Begriff der Kohärenz unter Berücksichtigung dieser neueren EuGH-Rechtsprechung überhaupt noch irgendeine Bedeutung zukommt 271 , läßt sich im Zusammenhang mit § 2a Abs. 1, 2 EStG eine Kohärenz jedenfalls nicht feststellen 272. Der zeitlich unbegrenzte 266 Vgl. EuGHE 1992, S. I - 249 ff. (282 ff.) („Bachmann"); EuGHE 1992, S. I 305 ff. (319 ff.) („Kommission / Belgien"). 267 Lüdicke in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 662. 268 Vgl. Birk/Eckhoff, S. 494ff. (499). 269 Vgl. Saß in: FS für H. Debatin, S. 387: In der „Bachmann"-Entscheidung bestand die Gefahr, daß bei absetzbaren Zahlungen an ausländische Unternehmen (steuerlicher Vorteil) die dem belgischen System immanente Quellenbesteuerung bei der späteren Auszahlung (steuerlicher Nachteil) nicht hätte durchgesetzt werden können und der Ausländer überdies womöglich in sein Heimatland zurückkehrt. Er wäre auf diese Weise „in den Genuß des ,guten Tropfens', des Prämienabzugs, gelangt, ohne den ,bitteren Tropfen 4 der Besteuerung schlucken zu müssen" (Saß in: FS für H. Debatin, S. 387). 270 Vgl. EuGHE 1995, S. I - 2493 ff. (2516) („Wielockx"). 271 Überzeugend Thömmes in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 826ff. (831 f.). 272 Zutreffend Brinkmann, S. 104 f.
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
241
Ausgleich entstandener Verluste mit späteren Gewinnen nach § 2a Abs. 1 S. 3 EStG ist nur eine Milderung des Ausgleichs der negativen Einkünfte im Jahr der Verlustentstehung. Auf diese Weise wird die belastende Wirkung des Eingriffs in das Leistungsfähigkeitsprinzip verringert. Es liegt daher schon im Ansatz eine einheitliche Regelung vor. Insbesondere sieht das EStG keine Regelung für den Fall vor, daß ein Verlustausgleich bei Aufgabe der ausländischen (passiven) Betriebsstätte mangels späterer Gewinne völlig ausscheidet. Auch in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß aus deutscher steuersystematischer Sicht der Verlustausgleich kein Steuervorteil ist, sondern eine zwangsläufige Folge des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellt. dd) Gefahr der Steuerumgehung Probst argumentiert, daß die mittelbaren Wirkungen der Niederlassungsfreiheit nicht so weit gehen könnten, daß der deutsche Fiskus in einem anderen EU-Land erwirtschaftete Verluste zu Lasten seines Steueraufkommens verrechnen lassen muß, wenn die Tätigkeit bei typisierter Betrachtung nicht zur Mehrung des Steueraufkommens, sondern zu dessen Minderung unternommen wurde 273 . Im Kern läuft diese Argumentation darauf hinaus, daß Investitionen dann nicht durch die Grundfreiheiten geschützt sind, wenn sie bei typisierter Betrachtung der Steuerumgehung dienen. In Anlehnung an die (verfassungsrechtliche) Untersuchung konnte unter Berücksichtigung der Auffassung von Loritz/Wagner festgestellt werden, daß aufgrund der veränderten Rechtsprechung des BFH zur Gewinnerzielungsabsicht und der Einführung des § 15 a EStG der sog. „Steuersparbranche" weitgehend ein Ende gesetzt wurde 274 . Dies hat zur Folge, daß § 2a Abs. 1, 2 EStG in erster Linie den redlichen Investor trifft. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind jedoch typisierende Pauschalregelungen, die über das im Einzelfall Erforderliche hinausgehen, nicht durch das Allgemeininteresse eines Mitgliedstaates gedeckt und bilden keinen zulässigen Rechtfertigungsgrund 275. 273
Vgl. Probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 2a Rdnr. 20. Der neue § 2b EStG - sollte er dauerhaft Bestand haben - verstärkt diese Entwicklung. 275 Vgl. Saß, EWS 1998, S. 348 zu EuGH v. 16.7.1998 in: EWS 1998, S. 244ff. (347) Rdnr. 26 („Imperial Chemical Industries"), mit Verweis auf EuGHE 1997, S. I - 247Iff. (2500ff.) („Futura Participations und Singer"); EuGHE 1997, S. I 4161 ff. (Rdnr. 44) („Leur-Bloem"); so auch Brinkmann, S. 103 f., der aus diesem Grund die Erforderlichkeit des § 2a Abs. 1 EStG zur steuerlich mißbräuchlichen Verlustberücksichtigung ablehnt und daraus eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit herleitet. 274
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242 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
c) Die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit Sofern ein Verstoß des § 2a Abs. 1, 2 EStG in der bisherigen Literatur abgelehnt wird, orientieren sich die Autoren regelmäßig an Aspekten der Verhältnismäßigkeit. Der Steuerpflichtige werde nicht „über Gebühr beeinträchtigt" 276 , selbst bei der „Daily Mail"-Entscheidung sei der EuGH nicht von einer Verletzung der Niederlassungsfreiheit ausgegangen, dann könne dies erst recht nicht bei § 2a Abs. 1, 2 EStG gelten 277 und die vielen, detaillierten Ausnahmemöglichkeiten deuteten auf eine verhältnismäßige Umsetzung des Gesetzeszwecks hin 2 7 8 . Eine allein auf Verhältnismäßigkeitsaspekte gestützte Rechtfertigung des § 2a Abs. 1, 2 EStG kann aber schon deshalb nicht überzeugen, weil der EuGH neben der Verhältnismäßigkeit kumulativ einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses verlangt. Wie bereits festgestellt, fehlt es daran. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung einen Vergleich zur „Daily Mail"-Entscheidung des EuGH zu ziehen, ist sehr gewagt. Dies liegt zum einen daran, daß die Begründung der Entscheidung wegen der gesellschaftsrechtlichen Ausführungen heftig kritisiert wurde 279 und zum anderen, weil die Entscheidung das primäre Niederlassungsrecht betraf. Voß stellt zutreffend heraus, daß gesellschaftsrechtlicher Kernpunkt der Entscheidung war, „daß sich das Niederlassungsrecht nur auf das Recht zur Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten, nicht jedoch auf die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat bezieht" 280 . Jedenfalls hat der EuGH die eigentliche steuerliche Frage der Rechtfertigung des Zustimmungsvorbehalts nicht diskutiert. Nicht überzeugen kann auch die Argumentation von Bieg, der wegen der detaillierten Ausgestaltung und der Ausnahmemöglichkeiten in Abs. 2 und 3 der Vorschrift von einer verhältnismäßigen Regelung spricht. Dagegen ist zunächst vorzutragen, daß § 2a Abs. 1, 2 EStG und § 2a Abs. 3, 4 EStG einen unterschiedlichen Regelungsinhalt haben281. § 2a Abs. 3 EStG ist nur auf aktiv-tätige ausländische Betriebsstätten anwendbar, so daß gerade nicht die Fälle des § 2a Abs. 1, 2 EStG erfaßt werden. Im übrigen erscheint es äußert fragwürdig, im Hinblick auf Ausnahmetatbestände nationale Vor276
Probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 2a Rdnr. 20. Vgl. Birk/Eckhoff, S. 571. 278 Vgl. Bieg, S. 161. 279 Vgl. z.B. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2579. 280 Dauses/Voß, J Rdnr. 21. 281 Vgl. die systematisch-methodische Untersuchung; Schmidt/Heinicke, § 2a Rdnr. 0 (Allgemeine Vorbemerkung). 277
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
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Schriften zu rechtfertigen. Damit wäre es dem Gesetzgeber jederzeit möglich, die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten zu unterlaufen. Wollte er gezielt einen ansonsten legalen Vorgang unterbinden, so müßte er nur eine möglichst weitgefaßte Vorschrift erlassen, die alle vergleichbaren Vorgänge erfaßt. Da der Gesetzgeber aber nur gezielt einige dieser Vorgänge bekämpfen will, schafft er in einem zweiten Schritt Ausnahmetatbestände und schon soll die Regelung verhältnismäßig sein. Im Ergebnis hätte er sich auch ohne Schaffung von Ausnahmetatbestände auf die Bekämpfung des einen Vorgangs beschränken können. Durch Ausnahmetatbestände Rechtfertigungen zu schaffen, ist unter diesem Aspekt nicht möglich, wenn der eigentliche Zweck selbst unverhältnismäßig ist. In diesem Sinn äußerte bereits Knobbe-Keuk, wenn auch in einem etwas anderen Zusammenhang, zutreffend: „Schon ein nicht gerechtfertigter Beschränkungsfall ist zuviel." 282 6. Zusammenfassung Eine Überprüfung steuerlicher Vorschriften auf ihre Binnenmarktverträglichkeit orientiert sich an den Grundfreiheiten des EG-Vertrages. Speziell für steuerrechtliche Vorschriften, die in besonderem Maße im Spannungsverhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationaler Steuersouveränität stehen, sind Besonderheiten zu beachten. Eine Beschränkung liegt in Anlehnung an die Formel von Thömmes vor, wenn bei der Auslandstätigkeit eine gegenüber einer Inlandstätigkeit zusätzliche steuerliche Belastung eintritt 283 . Diese Beschränkung wird zu einer Verletzung der Grundfreiheiten, wenn sie nicht gerechtfertigt ist. Eine Rechtfertigung setzt ein zwingendes, nicht-wirtschaftliches Allgemeininteresse unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips voraus. Die Tragweite des rechtfertigenden Allgemeininteresses ist aus dem Spannungsverhältnis zwischen nationaler Steuersouveränität und den Bedürfnissen des Binnenmarktes herzuleiten. Es handelt sich stets, wie es Knobbe-Keuk formulierte, um eine „Gratwanderung" 284 zwischen Fiskalautonomie und Grundfreiheiten. Es liegt in diesem Zusammenhang nahe, nach dem Zweck von Steuervorschriften zu unterscheiden285. Sind sie reine Fiskalzwecknormen, so ist eine 282
Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2576. Vgl. Lenz/Thömmes, 570. 284 Vgl. Knobbe-Keuk, EuZW 1995, S. 169. 285 Vgl. zu diesem Ansatz auch den Diskussionsbeitrag von Lang anläßlich der 20. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. in: Lehner, S. 117 f. 283
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244 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Beeinträchtigung der Grundfreiheiten grundsätzlich unbeachtlich, sofern nur fiskalische Erwägungen die Beeinträchtigung rechtfertigen und keine sonstigen Lenkungszwecke mit der Vorschrift verfolgt werden. Sie sind ausschließlich Ausdruck nationaler Steuersouveränität, so daß insoweit die Integrität des Steuersystems vorrangig ist. Da es jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH keinen Unterschied macht, ob die Grundfreiheiten gezielt oder zufällig ausgehöhlt werden, sind Fiskalzwecknormen hinsichtlich ihrer Folgen und Auswirkungen im wirtschaftlichen Bereich auf die Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten zu überprüfen. Werden aber mit einer Steuervorschrift gezielt außerfiskalische Lenkungszwecke verfolgt, so ist eine europarechtliche Überprüfung statthaft, ob die Gefahr der Aushöhlung von Grundfreiheiten besteht286. Die der Vorschrift zugrundeliegenden Motive dürfen nicht den Binnenmarkt beeinträchtigen. Beeinträchtigen Fiskalzweck- oder Lenkungsnormen zufällig oder gezielt die Grundfreiheiten, so scheidet jede fiskalische Erwägung zur Rechtfertigung aus, „da ansonsten jegliche Durchbrechung der vertraglichen Vorgaben entschuldbar würde und diese somit ihre Verbindlichkeit vollständig verlieren würden" 287 . Andererseits darf die Wirkung der Grundfreiheiten in beiden Normengruppen nicht dazu führen, daß der nationalen Souveränität finanziell der Boden entzogen wird, so daß die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzip leerläuft. Nach Herzig/Dautzenberg sind finanzielle Einbußen dann nicht mehr zu rechtfertigen, wenn die Haushaltsführung eines Mitgliedstaates völlig untergraben wird 288 . Der Maßstab, den der EuGH zu diesem Zweck ansetzt, ist allerdings beachtlich. In einer Entscheidung zur dänischen Arbeitsmarktabgabe 289, die etwa 10% des dänischen Umsatzsteueraufkom286 Mit dieser Differenzierung ließe sich beispielsweise auch die „Daily Mail"Entscheidung des EuGH problemlos begründen. Der Zustimmungsvorbehält der britischen Finanzverwaltung bei einer Sitzverlegung in das Ausland unter Identitätswahrung (das britische Gesellschaftsrecht folgt der Gründungstheorie) dient der Sicherung der Besteuerung stiller Reserven und daher fiskalischen Zwecken. Die Besteuerung stiller Reserven ist Ausdruck nationaler Steuersouveränität. Ein Staat, der auf die Besteuerung stiller Reserven verzichtet, obwohl im Niederlassungsstaat (hier die Niederlande) eine Besteuerung der bisher im Betriebsvermögen vorhandenen, jedoch nicht realisierten Vermögenswerte unterbleibt, setzt sich der Gefahr einer unzulässigen Beihilfe nach Art. 87 EGV aus (vgl. hierzu auch D.III.2.b). Die Einbeziehung der ausländischen Steuerbelastung ist zum Zwecke der Beurteilung steuerrechtlicher Vorschriften nach der „Schumacker"-, EuGHE 1995, S. I - 1995, S. 225 ff. (257), und der „Wielockx"-Entscheidung, EuGHE 1995, S. I - 2493 ff. (2516 f.), geboten. Anders ist die Rechtslage, wenn trotz des Wegzugs der fiskalische Zugriff auf die stillen Reserven durch eine Betriebsstätte im ursprünglichen Heimatstaat gesichert ist (vgl. Knobbe-Keuk, DB 1991, S. 300 u. Jacobs, S. 111). 287 Dautzenberg, DB 1997, S. 1355. 288 Vgl. Herzig/Dautzenberg, DB 1992, S. 2522.
D. § 2a Abs. 1, 2 EStG im europäischen Binnenmarkt
245
mens und 4% der dänischen Staatseinnahmen ausmachte, sah der EuGH diese Steuer wegen einer Gleichartigkeit zur Umsatzsteuer als einen Verstoß gegen den EG-Vertrag an und lehnte Übergangsregelungen ab 290 . § 2a Abs. 1, 2 EStG ist im wesentlichen eine Lenkungsvorschrift zum Schutz der deutschen Volkswirtschaft, mit der Auslandsinvestitionen unattraktiv gemacht werden sollen. Derartige wirtschaftliche Lenkungszwecke sind nicht nur bei der Niederlassungsfreiheit, sondern auch bei der Kapitalverkehrsfreiheit europarechtlich unzulässig. Maßnahmen zur Stärkung inländischer Wirtschaftsstandorte oder des Steueraufkommens sind nicht anzuerkennen291. § 2a Abs. 1, 2 EStG stellt daher, je nach Vorgehensweise bei der Gründung der Betriebsstätte im EU-Ausland, einen Verstoß gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit dar. In einem europäischen Gemeinschaftssystem, das sich zur Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes bekennt, können Vorschriften zum Schutz der nationalen Volkswirtschaft nicht zulässig sein. Sie stehen im Widerspruch zum gemeinschaftlichen Primärrecht. Ob die Regelung im übrigen verhältnismäßig ist, muß daher nicht entschieden werden.
V. Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit Da die Gründung einer ausländischen Betriebsstätte der Niederlassungsfreiheit zuzuordnen ist, kommt eine vorübergehende Tätigkeit im Sinne der Dienstleistungsfreiheit nicht mehr in Betracht. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Vorschriften des Kapitels über die Dienstleistungsfreiheit gegenüber denen der Niederlassungsfreiheit subsidiär 292. Er begründet dieses Verhältnis damit, daß Art. 49 Abs. 1 EGV „nach seinem Wortlaut voraussetzt, daß der Erbringer und der Empfänger der betreffenden Dienstleistung in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten »ansässig4 sind, und zweitens, weil nach Art. 60 Abs. 1 (jetzt Art. 50 Abs. 1) EGV die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit nur Anwendung finden, wenn die Vorschriften über das Niederlassungsrecht nicht anwendbar sind" 293 . 289
Vgl. EuGHE 1992, S. I-2217ff. (2249ff.) („Dansk Denkavit und Poulsen Tra-
ding"). 290
Vgl. Schuch in: Gassner/Lang/Lechner, S. 130; Herzig/Dautzenberg, DB 1992, S. 2522. 291 Vgl. Schön in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 769. 292 Vgl. EuGHE 1995, S. 1-4165 ff. (4194) („Gebhard"). 293 EuGHE 1995, S. I - 4165 ff. (4194) („Gebhard").
246 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Aber auch in dem Fall, in dem sich die Auslandsinvestition in einem bloßen Kapitalfluß erschöpft, kann konsequenterweise nicht auf die Dienstleistungsfreiheit zurückgegriffen werden, da mit Ausnahme der einseitigen Kapitalflusses gerade keine weitere Leistung erbracht wird. Der Dienstleistungsfreiheit kommt bei der Gründung ausländischer Betriebsstätten somit keine rechtliche Bedeutung zu. VI. Ergebnis § 2a Abs. 1, 2 EStG verstößt gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Die Regelung ist damit bei Investitionen im EU-Ausland nicht anwendbar. Aufgrund der unmittelbaren Geltung der Grundfreiheiten, kann sich der Steuerpflichtige gegenüber der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten darauf berufen 294. Bestehen Zweifel, ob die Auslegung der Grundfreiheiten die Unanwendbarkeit begründet, so kann das Finanzgericht die Frage dem EuGH nach Art. 234 Abs. 2 EGV vorlegen, der BFH ist hierzu nach Art. 234 Abs. 3 EGV verpflichtet. Die Finanzverwaltung hat hingegen keine Vorlagemöglichkeit 295.
E. Abkommensrechtliche Vermeidungsnormen im europäischen Binnenmarkt Die abkommensrechtlichen Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung müssen, solange die nationalen Steuersysteme, möglicherweise unter Aufgabe nationaler Steuersouveränität, nicht harmonisiert sind, den Bedürfnissen des Binnenmarktes entsprechen. Unstreitig behindert eine Doppelbesteuerung die Entfaltung eines Binnenmarktes; sie macht die Ausübung der Grundfreiheiten weniger attraktiv 296 und indiziert eine Verletzung der Grundfreiheiten 297. 294
Vgl. grundlegend EuGHE 1978, S. 629ff. (643f.); Oppermann, S. 195. Dabei ist zu bedenken, daß in dem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV der EuGH nur über Auslegungsfragen des Gemeinschaftsrechts entscheidet. Der EuGH ist hingegen nicht befugt, die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht zu beurteilen; vgl. EuGHE 1975, S. 679ff. (689) („Eheleute F."); EuGHE 1984, S. 1299ff. (1324) („Prantl"); EuGHE 1986, S. 1425ff. (1457) („Asjes"). Der EuGH gibt jedoch in Zweifelsfällen dem nationalen Gericht Kriterien für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor, mit denen das nationale Gericht in die Lage versetzt wird, über die Vereinbarkeit der nationalen Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden; vgl. EuGHE 1984, S. 1299ff. (1324) („Prantl"). 296 Vgl. Dautzenberg, IWB F. 11 Gr. 2, S. 259. 295
E. Abkommensrechtliche Vermeidungsnormen
247
Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung hat Deutschland mit allen EUMitgliedstaaten Abkommen abgeschlossen, die, wie einleitend bereits festgestellt, für den Bereich ausländischer Betriebsstätten die Freistellungsmethode vorsehen 298.
I. Das Verhältnis zwischen DBA und Gemeinschaftsrecht Aufgrund des innerstaatlichen Anwendungsbefehls sind die DBA-Vorschriften Teil der nationalen Rechtsordnung und haben den verfassungsrechtlichen Rang des einfachen Rechts. Daher müssen sich die Vorschriften in der gleichen Weise wie nationales Recht an den Vorgaben des EG-Vertrages messen lassen299.
II. Europarechtliche Maßstäbe zu Überprüfung von DBA-Vorschriften In Art. 293 2. Spiegelstrich EGV bestimmt der EG-Vertrag, daß die Mitgliedstaaten, soweit erforderlich, Verhandlungen untereinander einleiten, um zugunsten ihrer Staatsangehörigen die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen. Daraus läßt sich aber kein subjektiver Anspruch eines Unionsbürgers herleiten, daß eine mögliche Doppelbesteuerung zu beseitigen ist. Zu Art. 293 1. Spiegelstrich EGV entschied der EuGH bereits, daß es sich bei Art. 293 EGV nicht um einen unmittelbaren Rechtssatz handele300. In der gleichen Weise urteilte er konsequenterweise zu Art. 293 4. Spiegelstrich EGV 3 0 1 und stellte dies in der „Gilly"-Entscheidung auch für Art. 293 2. Spiegelstrich EGV klar 302 . Bei der Überprüfung steuerlicher Vorschriften im Bereich der DBA ist Art. 293 2. Spiegelstrich EGV ohne Bedeutung. Steuerpflichtige können daraus keine Rechte herleiten, auf die sie sich vor den nationalen Gerichten berufen könnten. Als Prüfungsmaßstab verbleibt damit nur die Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages. Schon in seiner „avoir fiscal"-Entschei297
Vgl. Beul, IStR 1997, S.3. Zur Frage der Vereinbarkeit der Anrechnungsmethode mit der Kapitalverkehrsfreiheit vgl. Schön in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 772ff.; Dautzenberg, DB 1997, S. 1358 ff. 299 Vgl. Wassermeyer in: Lehner, S. 156. 300 Vgl. EuGHE 1985, S.2681ff. (2694) („Mutsch"), worin der EuGH sich ausdrücklich auf Art. 293 EGV bezieht und nicht nur auf eine bestimmte Alternative. 301 Vgl. EuGHE 1994, S. I - 467 ff. (478) („Mund & Fester"). 302 Vgl. EuGH v. 12.5.1998 - Rs. C - 336/96; Eheleute Robert Gilly gegen Directeur des services fiscaux du Bas-Rhin („Gilly"), in: EWS 1998, S. 216ff.; IStR 1998, S. 336 ff. 298
248 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
dung stellte der EuGH in einem „obiter dictum" 303 fest, daß „die Rechte, die sich für die Begünstigten aus Artikel 52 EWG-Vertrag (Art. 43 EGV) ergeben, unbedingt (seien), und ein Mitgliedstaat (...) ihre Beachtung nicht vom Inhalt eines mit einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen Abkommens abhängig machen"304 könne. An den Grundfreiheiten des EG-Vertrages müssen sich die Vorschriften eines Abkommens daher wie jede andere nationale Vorschrift messen lassen305. Da der EuGH mittlerweile die Wirkungen der Grundfreiheiten nicht nur als Diskriminierungsverbote versteht, sondern aus ihnen allgemeine Beschränkungsverbote ableitet, müssen sich auch DBA-Normen, die regelmäßig einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen, an den Grundfreiheiten messen lassen306. Es besteht insoweit kein Unterschied zu rein innerstaatlichen Vorschriften.
III. Die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt Die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt, die in allen deutschen Abkommen mit EU-Ländern gilt, dient der Kapitalimportneutralität und führt zu einer Wettbewerbsgleichheit der Investoren verschiedener Länder im Quellen- oder Investitionsstaat307. Im Ansässigkeitsstaat legt sie fest, in welchem Umfang sich der innerstaatliche Steueranspruch entfalten soll 308 . Nach deutschem Steuerrecht werden die ausländischen Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt 309. Die Freistellungsmethode wird in der Literatur als die zu empfehlende Grundlage für eine Harmonisierung des internationalen Steuerrechts 310 und die Anwendung der Freizügigkeitsvorschriften 311 im europäischen Binnenmarkt angesehen. Sie ist unstreitig Ausdruck des Territorialprinzips. Ver303
Vgl. Herzig/Dautzenberg, DB 1992, S. 2521. EuGHE 1986, S. 273 ff. (307) („avoir fiscal"). 305 Vgl. Scherer in: Debatin /Wassermeyer, Vor Art. 1 Rdnr. 101; Dautzenberg, IWB F. 11 Gr. 2, S. 258; Rainer, IStR 1995, S. 476 mit Verweis auf EuGHE 1995, S. I - 225 ff. (257) („Schumacker"); Schön in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 763. 306 Vgl. Dautzenberg, IWB F. 11 Gr. 2, S. 258 f. 307 Vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 40. 308 Vgl. Β FH BStBl. II 1991, S. 704 ff. (707). 309 Vgl. zur Berücksichtigung von Gewinnen und Verlusten ausländischer Betriebsstätten in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU den Überblick im Anhang des Auslandsverlust-Richtlinienvorschlags KOM (90) 595 endg. in: ABl. EG 1991 C 53 S. 30ff. (33f.); mit Modifikationen: Sapusek, S. 1029ff. 310 Vgl. Vogel, DBA, Art. 23 Rdnr. 40; Vogel, StuW 1993, S. 380ff. 311 Vgl. Dautzenberg, DB 1997, S. 1358; Dauses/Roth E Rdnr. 80. 304
E. Abkommensrechtliche Vermeidungsnormen
249
gleicht man die Freistellung mit den Harmonisierungsbestrebungen auf dem Gebiet der indirekten Steuern, so ist die Freistellungsmethode Pendant zum Bestimmungslandprinzip der Umsatzsteuer. Die Freistellungsmethode fragmentiert im Sinne des Territorialprinzips die Leistungsfähigkeit 312. Darauf folgt grundsätzlich, daß eine grenzüberschreitende Berücksichtigung steuerrechtlich relevanter Vorgänge (wie z.B. die Entstehung von Verlusten) nicht zwingend geboten ist. Der Progressionsvorbehalt ist damit nicht unmittelbar vergleichbar, da er nur die steuerpflichtigen inländischen Einkünfte einem leistungsfähigkeitsorientierten Steuersatz unterwerfen will. Im Rahmen der systematisch-methodischen Untersuchung konnte festgestellt werden, daß die Freistellung von Betriebsstätteneinkünften als Freistellung von Nettobeträgen (Gewinne und Verluste) zu verstehen ist. Dies entspricht insbesondere der Praxis in Rechtsprechung, Finanzverwaltung und auch der Regelungsmethodik des Gesetzgebers. Mit Ausnahme des Progressionsvorbehalts spielen die Einkünfte keine Rolle. Alternativ zur Berücksichtigung von negativen Einkünften über die Progression war bis zum VZ 1998 bei aktiven Betriebsstätten ein Verlustausgleich nach § 2a Abs. 3 EStG möglich. Für alle sonstigen Einkunftsformen, insbesondere bei Einkünften aus passiv-tätigen Betriebsstätten, und ab dem VZ 1999 für ausnahmslos alle Einkunftsformen, besteht diese Möglichkeit nicht. Es drängt sich die Frage auf, ob ein Binnenmarkt nicht stets den vollen Verlustausgleich, ungeachtet der Qualifizierung der im Ausland belegenen Betriebsstätte, fordert. Damit ist die Binnenmarktverträglichkeit der Freistellungsmethode bei Betriebsstätteneinkünften zu untersuchen. Im Vordergrund steht wiederum die Frage der Vereinbarkeit mit der Niederlassungsund Kapitalverkehrsfreiheit. 1. Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot Aus europarechtlicher Sicht entspricht die Freistellungsmethode speziell dem Diskriminierungsverbot. Sie gewährleistet, daß grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer oder Unternehmer in dem für den Tätigkeitsstaat geltenden Umfang steuerlich belastet werden und daß die Nationalität und der Wohnsitz die effektive Steuerbelastung der Arbeitnehmer- oder Unternehmereinkünften nicht beeinflussen, so daß nur bei dieser Methode jede Ungleichbehandlung nach der Staatsangehörigkeit verhindert wird 3 1 3 . Alle Steuerpflichtigen treten unter den gleichen Bedingungen in den Wettbewerb. Durch diese Gleichbehandlung aller in dem Investitionsland Tätigen, 312 3,3
Vgl. Mössner in: Wassermeyer, DStJG Bd. 17, S. 253. Vgl. Dautzenberg, IWB F. 11 Gr. 2, S. 263.
250 3. Teil: Behandlung von Auslands Verlusten im europäischen Binnenmarkt
stellt die Freistellungsmethode die Umsetzung des in Art. 43 Abs. 2 EGV geforderten Gebots der Inländergleichbehandlung im Quellenstaat dar, während die Anrechnungsmethode die Gleichstellung aller Steuerpflichtigen im Ansässigkeitsstaat bezweckt. Die Freistellungsmethode verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. 2. Verstoß gegen das Beschränkungsverbot In der Rechtsprechung des EuGH ist es mittlerweile anerkannt, daß die Grundfreiheiten sich nicht in ihrer Funktion als Diskriminierungsverbote erschöpfen. Jede Maßnahme, die die Ausübung der Grundfreiheiten behindert oder weniger attraktiv macht, stellt bei fehlender Rechtfertigung eine Verletzung der Grundfreiheiten dar 314 . Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Beschränkung durch den Ansässigkeitsstaat veranlaßt wird 315 . a) Freistellung positiver Einkünfte Im Rahmen der Freistellung positiver Einkünfte ist eine Beschränkung nur insoweit denkbar, als eine Auswirkung außerhalb Inländerbehandlung im Investitionsstaat besteht. Dies ist durch die Anwendung des Progressionsvorbehalts im Ansässigkeitsstaat der Fall. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der EuGH die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt, sofern keine sonstige Befreiungsvorschrift vorlag 316 , als gemeinschaftskonform angesehen: „Die Handhabung dieser Technik bringt keinerlei Schwierigkeiten mit sich, wenn alle Einkünfte des Steuerpflichtigen der Steuer unterliegen; in der Tat wird ungeachtet der Anwendung unterschiedlicher Sätze auf die einzelnen Stufen lediglich ein einziger Steuerbetrag erhoben, der auf dem Gesamteinkommen lastet, so daß der auf die oberste Stufe angewandte Satz in Wirklichkeit ebenfalls das gesamte Einkommen beschwert." 317 Auch in der „Asscher"-Entschei314
Vgl. EuGHE 1995, S. I - 4165 ff. (4197 f.) („Gebhard"). Vgl. EuGHE 1988, S. 5483 ff. (5519) („Daily Mail"). 316 In einem vom EuGH zu entscheidenden Fall galt eine Steuerbefreiung aufgrund von Art. 11 b) des Protokolls über die Vorrechte und Immunität der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, vgl. EuGHE 1960, S. 1163 ff. („Humbert"). 317 EuGHE 1960, S. 1163 ff. (1198) („Humbert"); vgl. auch die Schlußanträge des Generalanwalts Darmon in: EuGHE 1993, S. 1277 ff. (1298) („Corbiau") unter Verweis auf die „Humbert"-Entscheidung; nach Dautzenberg soll die Freistellungsmethode jedoch schon deshalb zulässig sein, weil das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaftsmitglieder diese Methode für die 315
E. Abkommensrechtliche Vermeidungsnormen
251
dung 318 wurde die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt nicht in Frage gestellt, sondern sogar herangezogen, um die Rechtfertigung eines höheren Steuersatzes für beschränkt Steuerpflichtige zurückzuweisen319. Für die Besteuerung im Quellenstaat hat der EuGH das in der Freistellungsmethode zum Ausdruck kommende Territorialitätsprinzip ausdrücklich anerkannt, indem er es als unbedenklich einschätzt, daß der Quellenstaat nur Gewinne und Verluste aus einer inländischen Tätigkeit erfassen muß 320 . Allerdings läßt die Entscheidung keine Rückschlüsse auf die uneingeschränkte Anwendung des Territorialitätsprinzips im Ansässigkeitsstaat zu. Diese Sichtweise ist bei positiven Einkünften im Bereich der unbeschränkt Steuerpflichtigen sachgerecht. Der inländische, unbeschränkt Steuerpflichtige wird durch den Progressionsvorbehalt grundsätzlich nicht in seiner grenzüberschreitenden unternehmerischen Tätigkeit behindert. Lediglich für seine im Inland erzielten Einkünfte wird ein Steuersatz angewendet, der sich unter Einbeziehung der ausländischen Einkünfte ergibt. Auf diese Weise wird der Steuerpflichtige hinsichtlich seiner inländischen Einkünfte aus Gründen der Leistungsfähigkeit mit dem Steuerpflichtigen gleichgestellt, der seine Einkünfte ausschließlich im Inland erzielt. Die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt stellt insoweit einen systemgerechten Ausgleich zwischen Inländergleichbehandlung im Quellenstaat und nationaler Steuersouveränität in Form der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit dar. Ein Ausschluß des Progressionsvorbehaltes würde bei positiven Einkünften den international tätigen Steuerpflichtigen bevorzugen und zu einer (innerstaatlichen) Inländerdiskriminierung führen. Ein Verstoß gegen Grundfreiheiten liegt im Ergebnis nicht vor. b) Freistellung
negativer Einkünfte
Anders ist die Rechtslage jedoch zu beurteilen, wenn sich die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt für den international tätigen Steuerpflichtigen im Vergleich zum ausschließlich innerstaatlich Tätigen benachteiligend auswirkt. Eine Folge der Freistellung ausländischer Betriebsstätteneinkünfte ist nach herrschender Auffassung - die Freistellung auch der Verluste. Die Besteuerung der Einkünfte der Gemeinschaftsbediensteten vorsieht (vgl. Dautzenberg, EWS 1997, S. 144). 318 Vgl. EuGHE 1996, S. I - 3089ff. (3126f.) („Asscher"). 319 Vgl. hierzu auch Kieschel, IWB F. 11 Gr. 2, S. 298; Jann, IWB F. 11 Gr. 2, S. 285. 320 Vgl. EuGHE 1997, S. I - 2473 ff. (2499) („Futura Participations und Singer").
252 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Auslandsverluste können bei der Besteuerung, mit Ausnahme des Progressionsvorbehalts, nicht mit positiven steuerpflichtigen Einkünften ausgeglichen werden. Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Quellenstaat einen Verlustvor- oder -rücktrag oder generell einen Verlustausgleich nicht kennt. Offensichtlich werden die Folgen der Verlustfreistellung, wenn die Betriebsstätte mangels wirtschaftlichen Erfolges eingestellt werden muß. Der Gesetzgeber erkannte das Problem und schuf §§ 2, 5 AIG, deren Regelungsgehalt ab dem VZ 1990 bis zum VZ 1998 durch § 2a Abs. 3 EStG übernommen wurde. Der sachliche Anwendungsbereich der Regelung beschränkte sich auf Verluste aus aktiv-tätigen ausländischen Betriebsstätten. Inhaltlich eröffnete § 2a Abs. 3 EStG im Jahr der Verlustentstehung einen Verlustabzug mit Nachversteuerung bei Gewinnen in späteren Jahren, sofern im Jahr der Verlustentstehung der Verlust im Quellenstaat nicht ausgeglichen werden konnte. Problematisch ist die Rechtslage ab dem VZ 1999 und davor in allen Fällen, in denen diese Regelung nicht galt und somit bei der inländischen Besteuerung mangels späterer positiver Einkünfte die Auslandsverluste endgültig unbeachtlich waren. aa) Problemstellung Wie bereits festgestellt wurde, stellt der Ausschluß des negativen Progressionsvorbehalts durch § 2a Abs. 1, 2 EStG einen Verstoß gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit dar. Fraglich ist, ob der Gesetzgeber aus europäischer Sicht berechtigt ist, sich bei bestimmten Verlusten auf die Anwendung der Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt zu beschränken, oder, ob nicht die Grundfreiheiten des EG-Vertrages gebieten, eine Regelung in Form des bisherigen § 2a Abs. 3 EStG für alle Verlustformen einzuführen. Ist der Gesetzgeber daher aus Sicht der Grundfreiheiten verpflichtet, für einen Ausgleich der Nachteile der Freistellungsmethode im innerstaatlichen Recht zu sorgen? bb) Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit Nach dem Verständnis von Herzig/Dautzenberg sind für die Beurteilung einer Diskriminierung die Vor- und Nachteile einer Gesamtregelung zu saldieren, so daß beispielsweise eine Regelung nicht ohne weiteres als nachteilig eingestuft werden kann, wenn auch die entsprechenden Einnahmen nicht
E. Abkommensrechtliche Vermeidungsnormen
253
der Besteuerung unterworfen werden 321. Man könnte - in Fortführung dieser These zur Beurteilung einer Diskriminierung - bei unterschiedslos geltenden Beschränkungen ebenfalls Vor- und Nachteile einer Regelung zusammenfassend beurteilen. In diesem Sinn liegt die Schlußfolgerung nahe, ein beschränkende Wirkung durch die Verlustfreistellung abzulehnen, da schließlich auch die Gewinne nicht der Besteuerung unterliegen. Nach der EuGH-Rechtsprechung reicht es jedoch für die Annahme einer Beeinträchtigung der Grundfreiheiten schon aus, wenn eine Regelung geeignet ist, die grenzüberschreitende Tätigkeit unattraktiv zu machen, wie dies durch die Nichtberücksichtigung von Verlusten der Fall sein könnte. Dies entspricht der von Thömmes aufgestellten Formel, der die Frage des Vorliegens einer Beeinträchtigung auf der Grundlage einer zusätzlichen steuerlichen Belastung zu lösen sucht322. Die zusätzliche steuerliche Belastung könnte bei der Verlustfreistellung darauf beruhen, daß im Gegensatz zu inländischen Verlusten, Auslandsverluste die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht mindern. Nach den im „Daily Mail"-Urteil entwickelten Grundsätzen ließe sich das Regelungsdefizit des nationalen Steuersystems als eine Wegzugsbeschränkung des Heimatstaates qualifizieren. Es ist daher naheliegend, in der fehlenden Möglichkeit, bestimmte Verluste bei der inländischen Besteuerung nicht geltend machen zu können, eine Behinderung für Auslandsinvestitionen zu sehen. Allerdings ist bei der Lösung des Problems folgende Grundüberlegung zu berücksichtigen: Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages haben die Aufgabe, Hemmnisse bei grenzüberschreitender wirtschaftlicher Tätigkeit zu verhindern. Sie dienen aber nicht dazu, grenzüberschreitende Investitionen zu fördem 323 . Ein Staat, der einseitig eine derartige Förderung vornimmt, setzt sich der Gefahr einer unzulässigen staatlichen Beihilfe nach Art. 87 EGV aus. Unter einer Beihilfe versteht man „nicht nur positive Leistungen wie Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, welche ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat und die somit zwar keine Subvention im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen"324. Der allgemein 321
Vgl. Herzig/Dautzenberg, DB 1997, S. 12. Vgl. Lenz/Thömmes, S. 570. 323 Vgl. Kieschel, IWB F. 11 Gr. 2, S. 289 zu Art. 39 Abs. 2 EGV, der in seiner Funktion als Diskriminierungsverbot keine Förderung einer grenzüberschreitenden Tätigkeit in Form einer Anrechnung oder Erstattung einer höheren Steuer („Mobilitätsprämie") beinhaltet. 324 EuGHE 1961, S. Iff. (43) („Steenkolenmijnen in Limburg / Hohe Behörde"). 322
254 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
gehaltene Wortlaut des Art. 87 EGV erlaubt es nach der Rechtsprechung des EuGH, „jede staatliche Maßnahme aufgrund von Art. 92 (Art. 87) auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu überprüfen, sofern sie die Gewährung einer Beihilfe gleich welcher Art bewirkt" 325 . Da nach dem extensiven Beihilfebegriff 326 eine Beihilfe auch in der Befreiung von Abgaben liegen kann 327 , gilt für die Senkung der nationalen Steuerlast als Steuererleichterung 328 durch eine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung dem Grunde nach nichts anderes. Verfehlt wäre es unter diesem Gesichtspunkt, wenn die Anwendung des Verlustabzugs trotz Freistellung zu einer doppelten Verlustberücksichtigung führte. Der Verlustabzug ist daher auf die Fälle zu beschränken, bei denen keine Verlustberücksichtigung im Quellenstaat möglich ist. Bei späteren Gewinnen im Quellenstaat wäre aus diesem Grund eine Nachversteuerung in analoger Weise zu § 2a Abs. 3 EStG a.F. erforderlich. Andererseits kann wegen der Abgrenzung zwischen unzulässiger Beihilfe und Beseitigung von Beeinträchtigungen eine uneingeschränkte Anwendung des Verlustabzuges mit Nachversteuerung im Sinne des § 2a Abs. 3 EStG a.F. nur gefordert werden, wenn dadurch eine Behinderung abgebaut und nicht bestimmte Auslandsinvestitionen gefördert werden sollen. Für eine Beantwortung der Frage, wie die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung europarechtlich zu beurteilen ist, bietet es sich an, auf die Zielsetzung des § 2a Abs. 3 EStG a.F. aus nationaler Sicht abzustellen. In dem Regierungsentwurf aus dem Jahre 1969 wurde darauf hingewiesen, daß die Freistellung ausländischer Verluste für die deutsche Außenwirtschaft zu Nachteilen führt, „die im Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz fühlbar werden und erwünschte Auslandsinvestitionen behindern können" 329 . Bemühungen einer einheitlichen Abkommensauslegung zum Zwecke der Erleichterungen von Auslandsinvestitionen seien erfolglos gewesen, so daß man das Problem auf nationaler Ebene lösen müsse330. Gleichzeitig bezweckte die Neuregelung eine Gleichbehandlung ausländischer Verluste bei Bestehen und bei Nichtbestehen eines DBA 3 3 1 . Der Bun325
EuGHE 1985, S. 439 ff. (448 f.) („Kommission / Frankreich"). Vgl. Grabitz/Hilf/v. Wallenberg, Art. 92 Rdnr. 5, 10. 327 Vgl. Geiger, Art. 92 Rdnr. 10. 328 Vgl. Schweitzer/Hummer, S. 398; Birk/Scherer, S. 973. 329 BT-Drucksache V/3890, S. 20 (die Bundesregierung plante schon damals die Regelung in § 2a EStG zu verwirklichen). 330 Vgl. BT-Drucksache V/3890, S. 20. 331 Vgl. BT-Drucksache V/3890, S. 30; anzumerken ist, daß dieses Argument offensichtlich bei jeder verlustbringenden Auslandstätigkeit, sei es die Ermöglichung oder der Ausschluß des Verlustabzugs (§ 2a Abs. 1, 2 EStG) anzutreffen ist und dadurch an Überzeugungskraft verliert. 326
E. Abkommensrechtliche Vermeidungsnormen
255
desrat lehnte die Erweiterung der Verlustkompensation als sachlich nicht gerechtfertigt ab. „Da die ausländischen Gewinne bei der Inlandsbesteuerung außer Betracht bleiben, ist es konsequenterweise nicht zu rechtfertigen, die Verluste zu Lasten der deutschen Besteuerung zu berücksichtigen." 332 Für eine derart schwer verständliche Regelung bestünde auch kein Anlaß, da in Härtefällen eine Steuerstundung oder ein Steuererlaß möglich seien333. Schließlich müsse die Problematik im Wege der Abkommensrevision und nicht im Wege der Anerkennung diskriminierender ausländischer Steuersysteme, die beschränkt Steuerpflichtigen den Verlustausgleich versagen, gelöst werden 334. In ihrer Gegenäußerung wies die Bundesregierung diese Kritik zurück. Nach ihrer Ansicht entsprach die Regelung einerseits einer Forderung der Wirtschaft und andererseits reichten die Mittel der Steuerstundung und des Steuererlasses nicht aus 335 . Der Verlustabzug trage dazu bei, „die deutsche Außenwirtschaft von störenden Steuerhemmnissen zu befreien und auf dem Weltmarkt mit gleichen Wettbewerbschancen auszustatten. (...) Dieser Nachteil ist um so belastender, als die deutschen Doppelbesteuerungsabkommen den Interessen der deutschen Wirtschaft zu dienen beabsichtigen."336 Im übrigen sei eine vom Bundesrat geforderte Abkommensrevision wegen der Vielzahl von Abkommen praktisch nicht möglich und außerdem seien vergleichbare Regelungen den meisten Industriestaaten bekannt337. Der Finanzausschuß schlug vor, die Regelung in einem gesonderten „Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft" 338 zu verwirklichen. In der Begründung Schloß sich der Ausschuß hinsichtlich der Interessenlage der deutschen Wirtschaft der Auffassung der Bundesregierung an 339 , jedoch wurde der Verlustausgleich (mit zeitlich unbegrenzter Nachversteuerung 340) nur bei gewerblichen Betriebsstätten zugelassen. Aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, daß die Beseitigung von Nachteilen für die deutsche Außenwirtschaft durch die Anwendung der 332
Stellungsnahme des Bundesrates in: BT-Drucksache V/3890, S. 40. Vgl. BT-Drucksache V/3890, S. 40. 334 Vgl. BT-Drucksache V/3890, S. 40. 335 Vgl. BT-Drucksache V/3890, S. 43. 336 BT-Drucksache V/3890, S. 43. 337 Vgl. BT-Drucksache V/3890, S. 43. 338 Vgl. Artikel 2 des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Investitionszulagen und zur Änderung steuerrechlicher und prämienrechtlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1969) in: BT-Drucksache V/4287, S. 3ff.(6f.). 339 Vgl. den Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drucksache V/ 4287, S. 6. 340 Der Regierungsentwurf sah eine Nachversteuerung nur innerhalb der folgenden fünf Jahre vor. 333
256 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Freistellungsmethode im Vordergrund steht. Dies legt den Schluß nahe, daß es sich nicht um eine nationale Steuervergünstigung handelt. Auch der BFH sieht den Zweck der Regelung im Ausgleich von Nachteilen, die bei abkommenslosem Zustand nicht bestünden341. Es gehe um die Beseitigung steuerlicher Hemmnisse, die Direktinvestitionen behindern 342. Aufgrund der späteren Hinzurechnung sei die Vorschrift auch nicht als Steuervergünstigung, sondern als bloße Steuerstundung zu verstehen 343. Allerdings ist die Auffassung des BFH keineswegs eindeutig. So stellt er in Anlehnung an Krabbe 344 ergänzend fest, daß die Vorschrift des § 2a Abs. 3 EStG (§ 2 AIG) als eine Regelung qualifiziert werden könne, „die eine volkswirtschaftliche Förderung bestimmter Tatbestände zum Gegenstand hat: Es steht im gesetzgeberischen Ermessen, in derartigen Fällen zwischen volkswirtschaftlich förderungswürdigen und weniger förderungswürdigen Investitionen zu unterscheiden."345 Aus dieser Rechtsprechung folgert Probst, daß es sich bei der in § 2a Abs. 3 EStG a.F. enthaltenen Regelung um eine „steuerliche Verschonungssubvention"346 handele. Das Subventionsziel der Steuervergünstigung werde sowohl durch den Namen des ursprünglichen Gesetzes („Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft") als auch durch die Begünstigung nur produktiver Investitionstätigkeiten verdeutlicht 347 . Anderer Ansicht ist Mössner, der in § 2a Abs. 3 EStG a.F. (§ 2 AIG) den Gedanken des Welteinkommensprinzips verwirklicht sieht 348 . Nach dem Welteinkommensprinzip wird man die Verlustberücksichtigung nicht als Steuervergünstigung, sondern als zwingende Folge der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ansehen müssen349. Aus nationaler Sicht spricht vieles dafür, daß § 2a Abs. 3 EStG auf die Beseitigung bestehender Hindernisse hinwirkte 350 . 341
Vgl. BFH BStBl. II 1983, S. 566ff. (569) mit Verweis auf BT-Drucksache V/ 3890, S. 20; BFH BStBl. II 1989, S. 541 ff. (542). 342 Vgl. BFH BStBl. II 1986, S. 659 ff. (660) mit Verweis auf den Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drucksache V/4287. 343 Vgl. BFH BStBl. II 1990, S. 204 ff. (205). 344 Vgl. Krabbe in: Vogel, DStJG Bd. 8, S. 82. 345 BFH BStBl. II 1986, S. 659ff. (661). 346 Probst in: Flick/Wassermeyer/Becker, § 2a Rdnr. 213. 347 Vgl. Probst in: Rick/Wassermeyer/Becker, § 2a Rdnr. 213. 348 Vgl. Mössner, Rechtsprechungs-Report, S. 72 f. 349 Vgl. Vogel, BB 1982, S. 182. 350 Vgl. Knobbe-Keuk, S. 351.
E. Abkommensrechtliche Vermeidungsnormen
257
Bestätigt wird diese Auffassung aus europarechtlicher Sicht durch die Leitlinien der Kommission zur Unternehmensbesteuerung351 und durch den Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung 352. In den Leitlinien begründete die Kommission die Forderung nach einer einheitlichen grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung mit der in den Mitgliedstaaten bestehenden Ungleichbehandlung zwischen der automatischen Verrechnung der Verluste und dem Ausschluß der Verlustberücksichtigung, die dazu führe, daß ein Unternehmen im Verhältnis zum Nettoergebnis eine überhöhte Steuer zahlt, sofern ausschließlich das im Sitzstaat erzielte Ergebnis der Besteuerung zugrunde gelegt wird 353 . Dieser Gedanke wird in dem Vorschlag zu einer Verlustrichtlinie umgesetzt. In Art. 7 sieht der Vorschlag die Methode des Verlustabzugs mit Nachversteuerung für Betriebsstätten ausdrücklich vor. Auf diese Weise soll im Binnenmarkt unter Wahrung der steuerlichen Souveränität der Mitgliedstaaten „die Tätigkeit der Unternehmen auf Gemeinschaftsebene nicht schlechter gestellt werden als die auf einen Mitgliedstaat beschränkte Tätigkeit. Diese Bedingung ist gegenwärtig nicht erfüllt, da die geltenden Rechtsvorschriften den Unternehmen häufig nicht die Möglichkeit einräumen, die Verluste ihrer in anderen Mitgliedstaaten errichteten Betriebsstätten (...) zu berücksichtigen." 354 Diese Begründung verdeutlicht, daß durch die derzeit in Deutschland geltende Rechtslage betreffend passiv-tätiger ausländischer Betriebsstätten eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages vorliegt. Dies bestätigt aus ökonomischer Sicht Sapusek, wonach der fehlende grenzüberschreitende Verlustausgleich „ein ernstliches Hindernis für die Tätigkeit von Unternehmen im Europäischen Binnenmarkt" 355 darstellt und zu „Wettbewerbsverzerrungen im Gemeinsamen Markt" 3 5 6 führt. Das (bisherige) Scheitern des Richtlinienvorschlags läßt sich ebenfalls nicht als Indiz werten, daß ein Verlustausgleichsverbot mit den Grundfreiheiten des EGVertrages vereinbar ist 3 5 7 . Auch der „Ruding"-Ausschuß kam zu keinem anderen Ergebnis. Danach behindert „die vielfach fehlende Möglichkeit, im internationalen Konzern 351
Vgl. Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Parlament und den Rat über Leitlinien zur Unternehmensbesteuerung, SEK (90) 601 endg. Ratsdok. 6128/90, abgedruckt in: BR-Drucksache 360/90. 352 Vgl. KOM (90) 595 endg. in: ABl. EG 1991 C 53, S. 30ff. 353 Vgl. BR-Drucksache 360/90, S. 5. 354 KOM (90) 595 endg. in: ABl. EG 1991 C 53, S. 30ff. (30).; vgl. auch BRDrucksache 96/91, S. 4 ff. 355 Sapusek, S. 1011. 356 Ebd. 357 Vgl. Lechner in: Gassner/Lang/Lechner, S. 93. 17 Wilk
258 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
die in einem Mitgliedstaat entstandenen Verluste mit den in einem Mitgliedstaat erwirtschafteten Gewinnen zu verrechnen, (...) vor allem grenzüberschreitende Investitionen, bei denen in den ersten Jahren mit Verlusten (Anlaufverlusten) zu rechnen ist" 3 5 8 . Die europafeindlichen Wirkungen der Freistellung von Verlusten werden durch die von Vogel 359 und Lechner 360 aufgezeigten Folgen besonders deutlich, insbesondere dann, wenn sich das Welteinkommen aus hohen inländischen und verhältnismäßigen hohen ausländischen Verlusten zusammensetzt. Die bloße Anwendung der Freistellung ohne nationale Ausgleichsmaßnahmen bewirkt, daß, wie es Lechner formuliert, „die grenzüberschreitende Einkommenserzielung in derart absurder Weise und in Einzelfällen bis oder gar über die Grenze der Existenzbedrohung hinaus" 361 behindert wird. Die Anwendung des Progressionsvorbehalts kann die durch die Freistellung bewirkten Folgen nur zum Teil abmildern. Knobbe-Keuk betonte ebenfalls, daß die Verlustfreistellung im Ansässigkeitsstaat die Niederlassungsfreiheit behindert, da Verluste bei In- und Auslandsinvestitionen unterschiedlich behandelt werden 362. Mißverständlich ist in diesem Sinn die Formulierung des EuGH in der „Imperial Chemical Industries"-Entscheidung zur grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung 363. In dieser Entscheidung sah der EuGH die Möglichkeit des grenzüberschreitenden Verlustabzuges als einen Steuervorteil an, so daß die Nichtgewährung dieses Vorteils eine Diskriminierung darstellt. Der vom EuGH verwendete Begriff des Steuervorteils ist unter Berücksichtigung des Art. 87 EGV jedoch als das Unterlassen einer Beeinträchtigung zu werten, da in dem zu entscheidenden Fall der Verlustausgleich bei rein innerstaatlichen Sachverhalten möglich und eine Besteue358 Schlußfolgerungen und Empfehlungen des Ruding-Ausschusses, in: DB 1992 Beilage Nr. 5/92, S. 8. 359 Vgl. Vogel in: Vogel, MünchSch 21, S. 5 ff. (7). 360 Vgl. Lechner in: Gassner/Lang/Lechner, S. 88 ff. 361 Lechner in: Gassner/Lang/Lechner, S. 90. 362 Vgl. Knobbe-Keuk, EC Tax Review 1992, S. 25 f.: „Nevertheless, the impact of the treatment of losses on the right of free establishment (...) and on the free movement of capital (...) must be stressed. (...) It is needless to say that a less favorable treatment of foreign losses compared with domestic losses hampers the right of establishment. The equal treatment of domestic and foreign losses in the State of residence is required by the fundamental freedoms of the EC Treaty". 363 Vgl. EuGH vom 16.7.1998 - Rs. C-264/95 („Imperial Chemical Industries") in: EWS 1998, S. 344ff.; in diesem Fall mußte der EuGH über einen grenzüberschreitenden Verlustausgleich zugunsten einer britischen Muttergesellschaft entscheiden, deren Tätigkeit im wesentlichen im Halten von Aktien von Tochtergesellschaften bestand.
E. Abkommensrechtliche Vermeidungsnormen
259
rung späterer Gewinne, wenn auch nicht im Staat der Muttergesellschaft, gesichert war 364 . Diese Wertung entspricht auch den Vorstellungen der Kommission. In ihrem ursprünglichen Vorschlag zu der Verlustrichtlinie beabsichtigte sie den grenzüberschreitenden Verlustausgleich zugunsten einer inländischen Muttergesellschaft zuzulassen, wenn die Verluste bei der ausländischen Tochtergesellschaft anfallen, an deren Kapital die Muttergesellschaft nach Art. 1 des Vorschlags zu mindestens 75% beteiligt ist 3 6 5 . Die Tatsache, daß der modifizierte Richtlinienvorschlag diese Konstellation nicht mehr erfaßt, ist nur auf die Widerstände der Mitgliedstaaten zurückzuführen und läßt keine Rückschlüsse zu, daß die Beschränkung des Verlustausgleichs die Grundfreiheiten nicht beeinträchtigt. Der Ruding-Ausschuß hatte demgemäß wieder die Verabschiedung des ursprünglichen Vorschlages gefordert 366, da die Tätigkeit von Unternehmen auf Gemeinschaftsebene nicht schlechter gestellt werden dürfe als die auf einen Mitgliedstaat beschränkte Tätigkeit 367 . Unter Berücksichtigung der „wettbewerbspolitischen Anforderungen des Gemeinsamen Marktes ist ein solcher Harmonisierungsschritt grundsätzlich erforderlich" 368, so daß im Sinne des EG-Vertrages die Formulierung des EuGH in der „Imperial Chemical Industries"-Entscheidung nur untechnisch als eine unterlassene Beeinträchtigung verstanden werden kann. Für die Bedeutung der Verlustberücksichtigung ist das Urteil jedoch richtungsweisend369, da es die benachteiligende Wirkung eines fehlenden grenzüberschreitenden Verlustausgleichs anerkennt. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die fehlende grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung zwischen EU-Staaten zu einer (mittelbaren) Beschränkung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit führt. cc) Rechtfertigung der Beschränkung Das Regelungsdefizit läßt sich nicht damit rechtfertigen, daß es eine Konsequenz der abkommensrechtlichen Freistellung ist. Zwar hat, worauf Schön hinweist, der Europäische Gerichtshof in seiner (umstrittenen) „Daily Mail"-Entscheidung „für die gesellschaftsrechtlichen Abkommen zur Sitz364
In der Sicherstellung der späteren Besteuerung liegt auch der fundamentale Unterschied zur „Daily Mail"-Entscheidung des EuGH. 365 Vgl. ABl. EG 1991, C 53, S. 30ff. 366 Vgl. zum ganzen Knobbe-Keuk, S. 350f. 367 Vgl. Schaumburg, S. 63. 368 Vgl. Jacobs, S. 108. 369 Vgl. Saß, EWS 1998, S. 348. 17*
260 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
Verlegung nach Art. 220 3. Spiegelstrich EGV (Art. 293 3. Spiegelstrich EGV) eine solche Sperrwirkung angenommen, er hat jedoch auf dem Gebiet des Steuerrechts seit dem avoir-fiscal-Urteil immer wieder betont, daß das Fehlen oder das Vorliegen einer DBA-Regelung eine Diskriminierung nicht rechtfertigen kann" 370 . Konsequenterweise kann für Beschränkungen von Grundfreiheiten durch DBA-Regelungen nichts anderes gelten, so daß deren Regelungsgegenstände selbst an den Grundfreiheiten zu messen sind. In der „Wielockx"-Entscheidung stellte der EuGH fest, daß bei einer Rechtfertigung aus Gründen der Kohärenz auch die Regelungssystematik der DBA einzubeziehen ist 3 7 1 . Prüfens wert ist daher, ob die benachteiligende Wirkung einer DBA-Regelung aus dem Gesamtzusammenhang eines Abkommens gerechtfertigt werden darf 372 . Eine Kohärenz ließe sich insoweit annehmen, als mit der Besteuerung im Quellenstaat die Steuerfreistellung im Ansässigkeitsstaat korrespondiert. Auf diese Weise läßt sich die Freistellung positiver Einkünfte überzeugend erklären. Der aus der Verlustfreistellung folgende Umstand, daß in bestimmten Fällen trotz geminderter Leistungsfähigkeit überhaupt keine Berücksichtigung möglich ist, führt hingegen nur zu einer nachteiligen Regelung. Es fehlt an einer Kompensation von Vor- und Nachteilen eines einheitlichen Regelungszusammenhangs. Der Einfluß der Grundfreiheiten führt daher dazu, „daß fiskalisch geprägte Grundsätze, daß z.B. negative Einkünfte in einem Staat nur berücksichtigt zu werden brauchen, wenn dieser auch die Besteuerungskompetenz für die positiven Einkünfte der gleichen Art hat, im Binnenmarkt, zumal in einer Wirtschafts- und Währungsunion, zurücktreten müssen Ein weiterer denkbarer Rechtfertigungsgrund wäre die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung, die der BFH zur Begründung der Verlustfreistellung anführt 374. Dem ist entgegenzuhalten, daß nach der Methode des Verlustabzugs mit Nachversteuerung im Sinne des § 2a Abs. 3 EStG eine Hinzurechnung der Verluste dann eingreift, wenn aus deutscher Sicht die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung besteht, § 2a Abs. 3 S. 3 EStG. Diese Regelungssystematik sieht auch der Richtlinienvorschlag zur Verlustberücksichtigung 375 vor, wobei die Höhe des Verlusts jedoch gemäß Art. 7 Abs. 2 nach den Vorschriften des Betriebsstättenstaates zu 370
Schön in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 763. Vgl. EuGHE 1995, S. 1-2493ff. (2516f.) („Wielockx"). 372 Vgl. Schön in: GS für B. Knobbe-Keuk, S. 763. 373 Vgl. Saß, BB 1997, S. 2509 zum Verhältnis zwischen klassischen steuersystematischen Prinzipien und dem absoluten Verbot, ausländische Unternehmen zu diskriminieren. 374 Vgl. BFH BStBl. II 1970, S. 569 ff. (571). 375 Vgl. ABl. EG 1991 C 53, S. 30ff. (32). 371
E. Abkommensrechtliche Vermeidungsnormen
261
ermitteln ist. Da allerdings dieser Betrag mit dem Hinzurechnungsbetrag in späteren Jahren identisch ist, dürfte unter dem Gesichtspunkt der Gefahr der doppelten Verlustberücksichtigung kein Unterschied zur deutschen Rechtslage bestehen376. Auch über die Anwendung des Progressionsvorbehalts läßt sich das Regelungsdefizit nicht rechtfertigen. Bei den Betriebsstätten, die nicht in den Anwendungsbereich des § 2a Abs. 3 EStG fallen, ist der Progressionsvorbehalt schon durch § 2a Abs. 1, 2 EStG ausgeschlossen. Selbst wenn man diese Bestimmung wegen ihres Verstoßes gegen die Niederlassungsund Kapitalverkehrsfreiheit nicht anwendet, so führt die Berücksichtigung der Verluste über den Progressionsvorbehalt nach den Berechnungsbeispielen von Vogel und Lechner nur zu einer verhältnismäßig geringen Entlastung377. Ein aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht zulässiges Allgemeininteresse für das Regelungsdefizit besteht nicht. Allerdings hat der EuGH in der „Gilly"Entscheidung der steuerlichen Souveränität der Mitgliedstaaten verstärkte Bedeutung zugemessen. Er lehnte einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit u.a. deshalb ab, weil der Mitgliedstaat gezwungen wäre, „seine Steuern auf die übrigen Einkünfte entsprechend zu verringern, was für diesen Staat zu einem Verlust an Steuerreinnahmen führen und damit seine Souveränität auf dem Gebiet der direkten Steuern beeinträchtigen würde" 378 . Insofern argumentiert der EuGH jedoch nicht konsequent, da ein Verlust von Steuereinnahmen sich auch durch die Erstreckung des Progressionsvorbehalts auf negative Einkünfte ergeben kann. Dem deutschen Steuersystem ist des weiteren die Methode des Verlustabzugs mit Nachversteuerung nicht fremd, so daß eine Erweiterung der Regelung auf alle Betriebsstätten dem deutschen System auch zumutbar ist 3 7 9 . Die Methode entspricht auch den Empfehlungen des Ruding-Ausschusses. Danach war bis Ende 1994 (Phase 1) der Richtlinienentwurf über die Verlustverrechnung anzunehmen380. 376
Vgl. in diesem Sinn auch Lechner in: Gassner/Lang/Lechner, S. 97. Vgl. Lechner in: Gassner/Lang/Lechner, S. 97. 378 EuGH v. 12.5.1998 - Rs. C - 336/96 („Gilly") in: EWS 1998, S. 216ff. (219 f.). 379 Vgl. Dautzenberg, IWB F. 11 Gr. 2, S. 263; von den EU-Ländern, die bei ausländischen Betriebsstätten die Freistellungsmethode anwenden, kennen neben Deutschland auch Dänemark und die Niederlande einen mit der deutschen Regelung vergleichbaren Verlustabzug mit Nachversteuerung, vgl. Sapusek, S. 1016. 380 Vgl. Ruding-Ausschuß in: DB 1992 Beilage Nr. 5, S. 8; bis zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion (Phasen 2 u. 3) schlug der Ausschuß vor, auf nationaler Ebene einen vollständigen vertikalen und horizontalen Verlustausgleich einzuführen, den es schließlich auf Gemeinschaftsebene zu erweitern galt; zu den 377
262 3. Teil: Behandlung von Auslandserlusten im europäischen Binnenmarkt
3. Ergebnis Die Anwendung der Freistellungsmethode stellt im Hinblick auf die Berücksichtigung negativer Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten einen Verstoß gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit dar, sofern die Betriebsstätten im EU-Ausland belegen sind. Durch den in § 2a Abs. 3 EStG möglichen Verlustabzug mit Nachversteuerung wurde hinsichtlich aktiv tätiger Betriebsstätten die Beeinträchtigung der Grundfreiheiten wieder beseitigt. Ein Verstoß liegt damit immer dann vor, wenn die Regelung des § 2a Abs. 3 EStG nicht eingreift. Dies war bis zum VZ 1998, insbesondere bei passiv tätigen Betriebsstätten im EU-Ausland, und ist ab dem VZ 1999 für Verlusten aus allen Betriebsstätten im EU-Ausland, gleichgültig ob sie aktiv oder passiv tätig sind, der Fall.
F. Zusammenfassung Durch die in den letzten Jahren veränderte EuGH-Rechtsprechung wirken die Grundfreiheiten des EG-Vertrages verstärkt in den Bereich der nationalen Steuersouveränität hinein. Der Gesetzgeber ist nicht nur verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß Steuergesetze den verfassungsrechtlichen Maßstäben, insbesondere der Steuergerechtigkeit, entsprechen, sondern er muß auch sicherstellen, daß die Vorschriften den grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Wettbewerb nicht verzerren. Steuerliche Vorschriften dürfen den grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Verkehr weder begünstigen noch benachteiligen (entweder als Diskriminierung oder als Benachteiligung), sondern sind zur Neutralität verpflichtet. Das bisherige deutsche Regelungskonzept hinsichtlich aktiv-tätiger Betriebsstätten wurde dem derzeit noch bestehenden Interessenkonflikt zwischen der nationalen Steuersouveränität und den Bestrebungen zur Schaffung eines Binnenmarktes am ehesten gerecht. Negative Einkünfte konnte der Steuerpflichtige entweder über den Progressionsvorbehalt oder über den Verlustabzug mit Nachversteuerung bei der inländischen Besteuerung geltend machen. Ein „echter" Binnenmarkt setzt zwar grundsätzlich einen grenzenlosen Verlustausgleich voraus. Dies stellt jedoch eine im jetzigen System der EU nicht vertretbare Einschränkung nationaler Souveränität dar und wird im EG-Vertrag auch durch Art. 293 2. Spiegelstrich anerkannt. Hingegen stellte bzw. stellt die einkommensteuerliche Behandlung von Verlusten aus passiven Betriebsstätten und ab dem VZ 1999 sämtlicher VerKonsequenzen der Empfehlungen für die einzelnen Mitgliedstaaten vgl. Sapusek, S. 1087 ff.
. Zusammenfassung
263
luste ausländischer Betriebsstätten in EU-Staaten einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit dar. Die Bundesrepublik Deutschland ist daher aus Art. 10 EGV verpflichtet, die Behandlung von Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten zu reformieren 3 8 1 . Als Vorschlag bietet sich die gleiche Vorgehens weise wie bei der Berücksichtigung von Verlusten aus aktiv-tätigen Betriebsstätten nach Maßgabe des § 2a Abs. 3 EStG für alle Formen von Betriebsstätten a n 3 8 2 . Europarechtlich unhaltbar ist dagegen die ersatzlose Streichung des § 2 a Abs. 3, 4 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 383 .
381 Vgl. zur Bedeutung des Art. 10 EGV EuGHE 1988, S. 5589 ff. (5612) („Matteucci", zeitgleich mit der „Daily Mail"-Entscheidung): „Wenn also die Anwendung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift durch eine Maßnahme behindert werden kann, die im Rahmen der Durchführung eines - auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Vertrags geschlossenen - zweiseitigen Abkommens getroffen worden ist, ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, die Anwendung dieser Vorschrift zu erleichtern und zu diesem Zweck jeden anderen Mitgliedstaat, dem eine Verpflichtung aus dem Gemeinschaftsrecht obliegt, zu unterstützen.". 382 Zur Methodik des Vorschlags einer Verlustrichtlinie durch die Kommission vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung, S. 110f. Danach wird der Vorschlag aus dem Jahr 1990 den Anforderungen zur Verwirklichung eines Binnenmarktes nicht gerecht, da er entsprechend der herkömmlichen Vorgehensweise die Nachversteuerungsmethode nur für den Sitztstaat vorsieht. Dies sei potentiell diskriminierend. Die nach dem Vorschlag mögliche sofortige Nachversteuerung bei Auflösung oder Umwandlung einer Betriebsstätte behindere die steuerneutrale Umstrukturierung. Letztlich sei die Ermittlung der Auslandsverluste nach den ausländischen Vorschriften ein zu weitgehender Eingriff in die nationale Steuersouveränität. 383 Vgl. Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates zum JStG 1996 vom 23.5.1995 in: BR-Drucksache 171/2/95, S. 7f.
Zusammenfassung 1. Die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Auslandsverlusten richtet sich danach, ob mit dem Quellenstaat ein DBA abgeschlossen wurde. 2. Besteht kein DBA mit dem Quellenstaat, so sind die Auslandsverluste im Rahmen der Anrechnung ausländischer Steuern zu berücksichtigen, sofern im Quellenstaat im übrigen eine mit der Einkommensteuer vergleichbare Steuer festgesetzt und gezahlt wurde. § 2a Abs. 1 EStG wirkt sich in diesem Fall auf die deutsche Bemessungsgrundlage des zu versteuernden Einkommens aus. Darüber hinaus beeinflußt § 2a Abs. 1 EStG die Höhe der nach § 34c Abs. 1 S. 2 EStG anrechenbaren Steuern, da die Faktoren „ausländische Einkünfte" und „Summe der Einkünfte" verändert werden. 3. Wurde mit dem Quellenstaat ein DBA geschlossen, so orientiert sich die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat nach der jeweiligen Vermeidungsvorschrift des DBA. Der in Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA und den entsprechenden DBA-Vorschriften verwendete Einkünftebegriff ist Oberbegriff für Brutto- und Nettoerträge. Im Zusammenhang mit ausländischen Betriebsstätten werden Nettoerträge freigestellt. Dies bewirkt eine Freistellung auch von negativen Einkünften. Ist der Anwendungsbereich des § 2a Abs. 1, 2 EStG eröffnet, so werden die betroffenen Verluste, insbesondere aus passiv-tätigen Betriebsstätten, schon nach nationalem Recht nicht berücksichtigt, so daß die abkommensrechtliche Freistellung gegenstandslos wird. Die Verluste werden dann auch nicht im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt. Bei Verlusten aus aktiv-tätigen Betriebsstätten wirkt die abkommensrechtliche Freistellung konstitutiv. Der Steuerpflichtige konnte bis zum VZ 1998 Verluste entweder über den Progressionsvorbehalt geltend machen oder einen Verlustabzug mit Nach Versteuerung nach § 2a Abs. 3 EStG beantragen. Ab dem VZ 1999 ist nur noch eine Berücksichtigung über den Progressionsvorbehalt möglich. § 3c EStG greift in diesem System dann ein, wenn die abkommensrechtliche Freistellung nur Bruttoerträge im Sinne von Einnahmen erfaßt. Bei ausländischen Betriebsstätten ist das nicht der Fall.
Zusammenfassung
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4. § 2a Abs. 1, 2 EStG ist verfassungswidrig, da die Vorschrift in erster Linie den redlichen Investor (ohne Steuersparabsicht) trifft. Der Gesetzgeber hat die Grenzen zulässiger Typisierung überschritten. 5. Das nationale Steuerrecht darf die Ziele des EG-Vertrages nicht unterlaufen. Fiskalzwecknormen sind hinsichtlich ihrer Nebenfolgen und Lenkungszwecknormen hinsichtlich ihrer Zielsetzung, sowie ihrer Wirkungen auf die Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages zu überprüfen. Dabei ist zwischen begünstigenden, neutralen und benachteiligenden Vorschriften zu unterscheiden. Begünstigende Vorschriften dürfen keine unzulässige Beihilfe im Sinne des Art. 87 EGV darstellen. Benachteiligende, also diskriminierende oder beschränkende Vorschriften sind an den Grundfreiheiten des EG-Vertrages zu messen. Die Einschränkung der Verlustverrechnung nach § 2a Abs. 1, 2 EStG verstößt schon deshalb gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, da der Gesetzgeber mit der Vorschrift wirtschaftspolitische Ziele verfolgt. Die Verhinderung von Investitionen im EU-Ausland zugunsten des nationalen Steueraufkommens ist keine taugliche Rechtfertigung einer Beschränkung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Die Freistellung ausländischer Verluste verstößt gegen die Niederlassungs· und Kapitalverkehrsfreiheit, sofern das nationale Steuerrecht keine Mechanismen zur Verfügung stellt, die, falls eine Verlustberücksichtigung im Quellenstaat nicht möglich ist, eine Verrechnung der Verluste mit späterer Nachversteuerung ermöglicht.
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arverzeichnis Abzugsmethode 41 ff.
full credit 186
Aktivitätsklausel 29, 175
Fusionsrichtlinie 202
Anrechnungsmethode 19 ff., 33 ff., 79ff., lOOff., 129f., 184ff., 190ff., 205
Gleichbehandlung 141 ff. Grenzpendlerbesteuerung 23
Arbeitnehmerfreizügigkeit 213
Gründungstheorie 224
Auslandstätigkeitserlaß 44 Auslandsverluste 15, 26 ff.
Halbteilungsgrundsatz 138 f., 147 f.
ballooning (concept) 88
Hinzurechnungsbesteuerung 25, 99, 255 ff.
Belastungsgleichheit 142 f. Berufsfreiheit
Inländerdiskriminierung 220
135 f.
Beschränkungsverbot 222 ff., 250
Kapitalverkehrsfreiheit 228 f.
Betriebsstätte 25, 27, 50, 52ff., 57, 65, 67 ff., 89 ff., 98 ff., 191, 194 ff., 207 ff., 214 ff., 257, 262 f.
Kohärenz 240 f.
Binnenmarkt 194 f.
Lenkungszwecknormen 146, 167 ff., 236, 244 f.
Dienstleistungsfreiheit 243 f.
Lex-Fori-Klausel 55
Diskriminierung 24, 219 ff. Doppelbelastung 30 ff. Doppelbesteuerung (Begriff)
Leistungsfähigkeit 78, 143
Mutter-Tochter-Richtlinie 203 30 ff., 50 Nachversteuerung 25, 99, 255 ff.
EG-Schiedsverfahrenskonvention 203
22,
Niederlassungsfreiheit 213 ff.
Eigentumsschutz 136 ff.
OECD-Musterabkommen 18
Einkünftebegriff 54 ff.
over-all-limitation 169
erweiterte Inlandseinkünfte 24 per-country-limitation 40, 42, 80, 189 Fiskalzweck- / Finanzierungsnormen 146, 167 f., 243 f. Freistellungsmethode 17 ff., 51 ff., 112 ff., 190ff., 248
Pauschalierungserlaß 44 Produktivitätsklausel 29, 175 Progressionsvorbehalt 77 ff., 114 ff.
282
arverzeichnis
Rechtsanwendungsgleichheit 142, 144
Verhältnismäßigkeit 153 ff., 242
Richtlinie 202
Verlust-Richtlinie 204
Rückwirkung 150 ff.
Verlustabzugsbeschränkung 26 ff.
Ruding-Ausschuß 200, 257 f.
Verlustfreistellung 66 ff.
Schachteldividenden 82 ff. Sozialzwecknormen 146 subject-to-tax-clause 51 Subjektidentität 36 Subsidiaritätsgrundsatz 201 Systemgerechtigkeit 142, 144 Transformationstheorie 45 Typengerechtigkeit 145 Übergangsregelung 150 ff.
Vermeidungsnormen 49 Vermögensteuer 138 Verteilungsnormen 49 Vertrauensschutz 150 ff. virtuelle Doppelbesteuerung 51 Vollzugstheorie 45 ff. Warenverkehrsfreiheit
212 ff.
Wegzugsbeschränkung 225 Welteinkommensprinzip 25 Willkürverbot
141 ff.